Meine Damen und Herren! Dem bizonalen Wirtschaftsrat blieb es vorbehalten, zu den unzähligen Steuerarten, die den Steuerzahler in Westdeutschland belasten, auch noch eine sogenannte „Freiheitssteuer" einzuführen. Seit einem Jahr muß nun die westdeutsche Bevölkerung das sogenannte „Notopfer Berlin" hinnehmen. Durch die Erhebung des Notopfers sind in erster Linie die Lohn- und Gehaltsempfänger schwer belastet worden, die damit gegen ihren Willen den kalten Krieg der westlichen Besatzungsmächte um den Vorposten Berlin finanzieren müssen. Es ist aber kein Geheimnis, daß die westdeutsche Bevölkerung es ablehnt, die abenteuerliche Politik um den Vorposten Berlin aus einer Zwangssteuer zu bestreiten.
Die Sondersteuer Berlin wurde bekanntlich auf Anweisung der Besatzungsmächte zur Finanzierung ihrer Blockademaßnahmen vom bizonalen Wirtschaftsrat in Gesetzesform verabschiedet. Die Steuer war also eine ausgesprochene Blockademaßnahme.
Das ganze deutsche Volk ist indessen froh, daß es keine Blockade im eigentlichen Sinne mehr gibt. Wohl aber gibt es immer noch Politiker — das hat die Debatte bewiesen —, die sich krampfhaft bemühen, von der Blockade-Lüge zu leben. Sie leisten damit der schwer leidenden Bevölkerung West-Berlins einen wahrhaften Bärendienst.
Das New Yorker Abkommen der Großmächte vom Mai 1949 leitete die Politik der friedlichen Regelung des Berliner Problems ein. Die Blockade wurde aufgehoben und später auch die Luftbrücke abgeschafft. Ich erinnere daran, daß Professor Dr. Reuter erst vor wenigen Wochen die letzte Sogenannte Luftbrückenmaschine versteigerte. Die im New Yorker Abkommen eingeschlagene Befriedung Berlins wurde durch die Konferenz der Außenminister der Großmächte in Paris und später durch die Bekanntgabe des Kommuniqués der Pariser Außenministerkonferenz vom 20. Juni 1949 erfolgreich fortgesetzt. Im Pariser Kommuniqué sind alle die Maßnahmen verzeichnet, die zu einer endgültigen Regelung der Schwierigkeiten in Berlin hätten führen können. Es wird wertvoll sein, den entscheidenden § 3 des Pariser Schlußkommuniqués dem Hohen Haus noch einmal zur Kenntnis zu geben.
In § 3 des Pariser Schlußkommuniqués heißt es:
Diese Beratungen haben unter anderem den Zweck, die Auswirkungen der gegenwärtigen verwaltungsmäßigen Teilung Deutschlands und besonders Berlins vor allem aus den unten angeführten Gründen zu mildern:
a) Erweiterung des Handels und Verbesserung der finanziellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Westzonen und der Ostzone und zwischen Berlin und den Zonen;
b) Erleichterung des Verkehrs von Personen und Gütern und Austausch von Informationen zwischen den Westzonen und der Ostzone sowie zwischen Berlin und den Zonen und
c) Erörterung von gemeinsam interessierenden Fragen bezüglich der Verwaltung der vier Sektoren Berlins mit dem Ziel einer weitestgehenden Normalisierung des Lebens der Stadt.
Meine Damen und Herren, eine Erinnerung an dieses Kommuniqué ist schon darum angebracht, weil die westlichen Besatzungsmächte ihr in Paris gegebenes Versprechen leider bis heute noch nicht eingelöst haben.
Aber das ist nur die eine Seite des Problems. Nach § 4 des Kommuniqués wurden auch die deutschen Stelen in Ost- und Westdeutschland aufgefordert, den Besatzungsmächten bei der Überwindung der bestehenden Schwierigkeiten in Deutschland und in Berlin aktiv beratend beizustehen. Auch dieser § 4 ist wert, dem Hohen Hause noch einmal zur Kenntnis gebracht zu werden:
Um die in § 3 vorgesehene Arbeit zu unterstützen, können die zuständigen Besatzungsbehörden deutsche Sachverständige und geeignete deutsche Organisationen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche zur Hilfe heranziehen. Die so herangezogenen Deutschen sollen einschlägiges Material austauschen, Berichte ausarbeiten und, wenn sie es beschließen, den Besatzungsbehörden Vorschläge unterbreiten.
Gemäß diesen Empfehlungen wurden von den höchsten Verwaltungsstellen in Ostdeutschland Angebote an die höchsten deutschen Verwaltungsstellen in Westdeutschland gemacht, um geeignete Vorschläge zur Lösung der brennendsten Fragen auszuarbeiten und diese dann den Besatzungsmächten vorzuschlagen. Diese und ähnliche Vorschläge und Angebote wurden aber leider immer wieder von Westdeutschland zurückgewiesen und in aller Form abgelehnt. Den Schaden von dieser, ich möchte sagen, völlig negierenden Politik haben die Berliner Bevölkerung und die westdeutschen Steuerzahler.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an den erfolgreichen Abschluß des Interzonenhandelsabkommens erinnern. Das Abkommen schaltete Berlin erfolgreich in den Handel zwischen West-und Ostdeutschland ein. Gewiß, damit ist nur ein erster Schritt getan, um der West-Berliner Wirtschaft Hilfe zu gewähren. Dieser Weg muß jedoch zielbewußt weiter beschritten werden, wenn es darum geht, Berlin und seiner Bevölkerung alle Hilfe zu geben.
Was läßt sich nun schon aus diesen wenigen von mir angeführten Tatsachen schlußfolgern? Diese Frage, meine Damen und Herren, ist ebenso leicht zu beantworten. Die Luftbrückensteuer für die westdeutsche Bevölkerung ist heute nicht mehr berechtigt! Sie war ursprünglich auf drei Monate bemessen und wurde dann vom Wirtschaftsrat gegen den Willen der Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung bis Ende 1949 verlängert. Lediglich einige unwesentliche Verbesserungen wurden in das Gesetz des Wirtschaftsrates eingebaut.
Wie umstritten indessen das Notopfer-Gesetz selbst im bitonalen Wirtschaftsrat war, geht aus einer Äußerung hervor, die Herr Abgeordneter Seuffert als Berichterstatter bei der zweiten und dritten Lesung des Gesetzes zur Abänderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" gemacht hat. Herr Abgeordneter Seuffert erklärte damals in seiner Begründung zu diesen unwesentlichen Verbesserungen im Gesetz:
Die Verbesserungen, die vorgenommen worden sind, sind nicht erheblich. Wir wären wohl alle gern etwas weiter gegangen, aber die ungeklärte Lage der Finanzierung der Hilfe für
Berlin hat uns Beschränkungen auferlegt.
— Selbst im Wirtschaftsrat wäre man, Herr Kollege Seuffert, damals am liebsten roch weiter gegangen, und zwar wohl bis zur Aufhebung der so unpopulären Zwangssteuer!
Dazu ist allerdings jetzt durch den Antrag der KPD eine außerordentlich günstige Gelegenheit gegeben.
Gestatten Sie mir nun noch einige Äußerungen zu der schwierigen Finanzlage der West-Berliner Verwaltung, Herr Kollege Neumann. -Die Ursachen für die katastrophale Entwicklung der WestBerliner Finanzen ergeben sich aus der Tatsache, daß die Einnahmen aus der Lohnsteuer und aus der Umsatzsteuer sowie aus der Körperschaftssteuer außerordentlich zurückgegangen sind, und darin signalisiert sich die katastrophale Beschäftigungslage in der West-Berliner Wirtschaft, die heute weit über 250 000 Arbeitslose hinnehmen muß. Einen besonderen Posten im Berliner Etat nehmen immer noch die Besatzungskosten ein, Herr Kollege Neumann, obwohl die westlichen Besatzungsmächte Berlin politisch als ihr Bollwerk ausbauten und noch ausbauen lassen. Soweit es geht, lassen sie sich die Unkosten für ihre Igelstellung im kalten Krieg von der West-Berliner Bevölkerung bezahlen, die so schwer zu leiden hat. Ich stelle die Frage: Ist dies ein Ausdruck der Solidarität und Verbundenheit der westlichen Besatzungsmächte mit der West-Berliner Bevölkerung?
Eine besondere Schwierigkeit hat sich in der West-Berliner Wirtschaft auch durch den Auszug bekannter West-Berliner Firmen aus Berlin ergeben. Die privaten Unternehmer, meine Herren von der Rechten, lassen die Berliner Arbeiterschaft und auch die West-Berliner Stadtvertretung schmählich im Stich.
Durch die freiwillge Demontage der Berliner Industrie wurden nicht zuletzt die hohen Arbeitslosenziffern in West-Berlin verursacht. Stimmt es, Herr Kollege Neumann, oder stimmt es nicht?
So handeln also jene, die immer wieder zum Widerstand im kalten Krieg aufrufen!
Wir Kommunisten sind der Auffassung, daß Berlin ein sehr ernstes deutsches Problem ist. Die deutschen Menschen in Ost- und in Westdeutschland haben sogar die Pflicht, eine baldige und endgültige Bereinigung des Berlin-Problems herbeizuführen. Diese endgültige Lösung kann nur durch die Wiederherstellung der alten Stellung der deutschen Hauptstadt in einer gesamtdeutschen Politik und in einer gesamtdeutschen Wirtschaft begründet werden. Wer sich dieser Erkenntnis verschließt, hat kein Recht, als Freund der West-Berliner Bevölkerung aufzutreten.
Die ständigen Belastungen der westdeutschen Steuerzahler zur Aufrechterhaltung dieses unnatürlichen Zustandes sind dabei keinesfalls geeignet, die so schwerwiegenden Berliner Probleme zu lösen. Eine derartige Politik trägt vielmehr — wie das auch die Debatte wiederum bewiesen hat — den Keim zu neuen Auseinandersetzungen in sich und ist eine neue Form der Fortsetzung des berüchtigten kalten Krieges zu Lasten der Werktätigen Westdeutschlands und nicht zuletzt auch zu Lasten der werktätigen Bevölkerung in West-Berlin.
Der von meiner Fraktion gestellte Antrag zur Abschaffung des Notopfers Berlin ist somit Ausdruck eines Bekenntnisses zur endgültigen Lösung der Berliner Probleme und entspricht den Forderungen der Millionen Menschen in Westdeutschland. Ich bitte Sie, den Antrag der KPD vollinhaltlich zu unterstützen.