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ID0101301100

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    Deutscher Bundestag — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1949 307 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1949. Geschäftlichte Mitteilungen . . . . 307G, 328D Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung und Mündlicher Bericht des Ausschusses für Berlin über den Antrag der Fraktion der SPD, betr. Maßnahmen für Groß-Berlin (Drucksachen Nr. 16 und 100) . . . . . 307D, 311C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 307D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 309C Dr. Suhr (SPD), Berichterstatter . . 311C Unterbrechung der Sitzung . . 312D Dr. Pünder (CDU) 312D Wehner (SPD) 314A Dr. Schäfer (FDP) 319A Dr. Mühlenfeld (DP) 319C Frau Wessel (Z) 319D Dr. Seelos (BP) 322A Goetzendorff (WAV) 322C Renner (KPD) 322D, 327B Dr. Richter (NR) . . . . . . . 326D Dr. Bucerius (CDU) . . . . . . 327A Antrag der Fraktion der DP, betr. Wohnungen für ostvertriebene Familien (Drucksache Nr. 42) 327C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen., betr. Entlassungen bei der Deutschen Bundesbahn (Drucksachen Nr. 32 und 116) 307C, 327C Jahn (SPD), Berichterstatter 327C, 328C Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . 328B Antrag der Abg. Frau Dr. Probst u. Gen., betr. Überbrückungsgesetz zum KB-Leistungsgesetz (Drucksache Nr. 108) . . 328D Nächste Sitzung 328D Die Sitzung wird um 15 Uhr 7 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Pünder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! An sich hätten meine politischen Freunde es lieber gesehen, wenn der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers von einer überwältigenden Mehrheit dieses Hohen Hauses, über Koalition und aufbaubereite Opposition hinweg, in einer gemeinsamen Erklärung ein einheitliches und klares Bekenntnis des Bundestags zu' diesen Schicksalsfragen deutscher Zukunft gefolgt wäre. Wir bedauern, daß sich dieser unser Plan nicht hat verwirklichen lassen, geben aber der Hoffnung Ausdruck, daß die jetzt beginnende Diskussion dem In- und Ausland einen gleich positiven Eindruck vermitteln wird.
    Meine Fraktion der CDU/CSU hat mit voller Absicht zu ihrem Sprecher zu den Fragen Berlin und deutscher Osten einen westdeutschen Abgeordneten bestimmt, der von dem Vertrauen der größten deutschen Stadt am linken Rheinufer in den Bundestag entsandt worden ist. Hierdurch wollen wir unterstreichen, wie ernst und ehrlich es uns mit dem Bekenntnis zu unserm Deutschtum vom Westen bis hin zum Osten ist.


    (Dr, Pünder)

    Die CDU/CSU stimmt den Darlegungen des Herrn Bundeskanzlers in jeder Form zu. Insbesondere möchte ich, zum Teil aus eigenem Miterleben, die Richtigkeit seiner Darlegungen über die geschichtliche Entwicklung der letzten Jahre unterstreichen.
    Die Bundesorgane in Bonn sind ohne jeden Zweifel berechtigt, für das ganze deutsche Volk zu sprechen. Nicht nur repräsentieren wir über 45 Millionen deutscher Einwohner und damit den größten Teil des deutschen Volkes, sondern unser Bundestag ist ohne Zweifel das einzige deutsche Parlament auf oberster deutscher Ebene, das auf wahrer demokratischer Grundlage zustande gekommen ist. Wir fühlen uns daher mit Recht auch als die Hüter der Interessen unserer deutschen Brüder und Schwestern in der Sowjetzone, wie ja auch der Herr Bundeskanzler dies vorhin ausgeführt hat, unserer Landsleute drüben in der Sowjetzone, die heute eben nicht in Freiheit und Offenheit sprechen können. Um so mehr betonen wir von den drei Westzonen aus vor aller Welt, daß wir allzeit in Treue zu ihnen halten werden.
    Aus dieser Grundeinstellung heraus erklären wir in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung, daß die offiziellen Verlautbarungen aus der Sowjetzone für Deutschland keinerlei Wirksamkeit haben, wobei ich, lediglich beispielsweise, vor allem an die für uns völlig undiskutierbare Oder-NeißeLinie erinnern möchte.
    Die Ausrufung des Oststaates ist zweifellos eine ernste und traurige Angelegenheit für jeden, der überhaupt deutsch fühlt. Durch die Schaffung dieses merkwürdigen Staatsgebildes wird die Zerreißung Deutschlands in zwei Teile in der grausamsten Weise unterstrichen. Wir lehnen diesen Oststaat in aller Form ab, und es ist völlig abwegig, zu seiner Begründung etwa den Geist von Rapallo noch bemühen zu wollen.

    (Sehr gut!)

    Die Ablehnung des Oststaates befreit uns aber nicht von der Notwendigkeit, uns mit seiner Tatsache auseinanderzusetzen. Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, daß sich gegenüber dem bisherigen Zustand an sich nicht gar viel geändert hat, nur mit der Maßgabe, daß manches einen anderen Namen bekommen hat und einiges hinzugetreten ist. Diese Feststellung führt nach unserer Auffassung zu dem weiteren Schluß, daß für unsere Bundesrepublik kein Anlaß vorliegt, an den bisher schon bestehenden unpolitischen Wechselbeziehungen etwas zu ändern. Wir glauben, dies insbesondere Berlin und den 18 Millionen Deutschen in der Sowjetzone schuldig zu sein, wie wir es ja auch begrüßt hatten, daß nach Aufhebung der Blockade vor allem der Verkehr, Post und Eisenbahn wieder in leidlich geregelten Fluß gekommen waren. Aus der Pflege und gegebenenfalls Förderung solcher wirtschafts- und verkehrspolitischen Verbindungen kann selbstredend unter keinen Umständen eine Anerkennung des Oststaates de facto oder gar de jure gefolgert werden.
    Die Sorge wäre also völlig unbegründet, daß unsere Bundesrepublik jetzt etwa die Sowjet-Union gegen die Westmächte ausspielen wollte. Aber umgekehrt sollten auch die Westmächte unseren Wunsch nach engster Zusammenarbeit stärken. Der „kalte Krieg" wird von jetzt ab stärker als bisher in Deutschland ausgetragen werden. Die Westmächte sollten daher in allen ihren Maßnahmen diesen Gedanken nie außer acht lassen.

    (Sehr richtig!)

    Durch die Ausrufung dieses merkwürdigen staatspolitischen Gebildes im deutschen Osten ist
    das Problem Berlin noch dringender geworden. Namens meiner politischen Freunde betone ich, daß wir Berlin, dessen Wappen als zwölftes Land im Länderkranz unserer Bundesrepublik Deutschland ja schon die Stirnseite unseres Plenarsaales ziert, möglichst bald als zwölftes Land in unserem Kreise begrüßen möchten.

    (Bravo!)

    Unbeirrbar halten wir am Artikel 23 unseres Grundgesetzes fest, in dem Groß-Berlin ausdrücklich aufgeführt ist.
    Wir wollen aber durchaus Verständnis dafür aufbringen, daß die sofortige offizielle Einbeziehung Berlins gewisse Spannungen auslösen könnte, die im Augenblick der Sache abträglich wären. Wir möchten aber der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich diese Spannungen, auch durch Initiative der Bundesregierung, so schnell wie möglich legen werden.
    Inzwischen ist es für uns eine selbstverständliche Pflicht, Berlin de facto als zwölftes Land zu betrachten und wirtschaftlich und finanziell für Berlin zu sorgen. Diese Feststellung ist für mich besonders selbstverständlich, der ich bereits im Frühjahr 1948 beim Abgang aus dem Präsidium des Städtetages in der Paulskirche in Frankfurt beantragt hatte, daß meine verehrte Berliner Kollegin mein Nachfolger im Präsidium würde. Diese Linie haben wir auch im Frankfurter Verwaltungsrat und Wirtschaftsrat trotz unserer beschränkten Möglichkeiten und Zuständigkeiten unbeirrbar durchgehalten.
    Wir begrüßen daher den hier soeben erstatteten Bericht des Herrn Kollegen Dr. Suhr über die bisherige Arbeit des Berlin-Ausschusses, die in Drucksache Nr. 100 vor uns liegt und die ihrerseits wieder auf den Anträgen Nr. 12 unserer CDU/CSU-Fraktion, wie das auch Herr Dr. Suhr soeben feststellte, und Nr. 16 der SPD beruhen. Wir freuen uns, daß auf dieser Basis bereits wichtige Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem Magistrat Berlin in Gang und zum Teil, wie wir hörten, schon zum Abschluß gekommen sind. Wir begrüßen deshalb auch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, die er zugleich im Namen seines Kollegen, des Bundesministers für Wirtschaft, Herrn Professor Erhard, abgegeben hat. Nach unserer Auffassung ist jetzt dreierlei wichtiger als Subventionen: Kredite, Rohstoffe und Aufträge.
    Im übrigen muß sich nach unserer Auffassung von jetzt ab die Bundesrepublik Deutschland in Berlin sehr deutlich zeigen. Deshalb begrüßen auch wir grundsätzlich die Erhaltung oder Überleitung von Bundesbehörden nach Berlin.
    Mag auch heute die Frage „Berlin als Bundeshauptstadt" nicht akut sein, so ist es doch unser aller Pflicht, Berlin und seine Wirtschaft unter allen Umständen wieder lebensfähig zu machen und zu erhalten. Wir müssen es immun machen gegen jede Infiltration vom Osten. Denn wir müssen klar erkennen, daß den Machthabern im Osten viel weniger an der Schaffung einer Regierung für die Ostzone liegt als an der Schaffung einer Gegenregierung mit dem alleinigen Ziel der Sowjetisierung Gesamtdeutschlands. Infolgedessen ist Berlin heute und in nächster Zukunft gegenüber Asien das letzte Bollwerk für Europa und die ganze westliche Welt!

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Lachen bei der KPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.


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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Wir hätten gewünscht, daß die Bundesregierung zu einem früheren Zeitpunkt, als es jetzt geschehen ist, mit einer Erklärung zu den Ereignissen in der sowjetischen Besatzungszone und im Ostsektor Berlins vor den Bundestag getreten wäre, um dem Parlament Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Wir bauen ein demokratisches Staatswesen und wir meinen, daß Regierung und Parlament in der Praxis ihre ihnen zukommenden Funktionen ausüben und erfüllen sollen. Die Funktion des Parlaments kann es aber nicht sein, sich gelegentlich zu Bekenntnissen zu versammeln, sondern sie muß sein, Stellung zu nehmen. Eine solche Stellungnahme ist nötig, nicht etwa deswegen, weil das, was sich in diesen letzten Wochen in der sowjetischen Besatzungszone und in Berlin ereignet hat, etwas grundlegend geändert hätte, sondern vor allem deswegen, weil wir der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone und Berlins eine Erklärung schuldig sind.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir müssen doch daran denken, daß in diesen letzten Wochen und Tagen ein propagandistisches Trommelfeuer auf diesen Teil der Bevölkerung Deutschlands herabgegangen ist, das wir höchstens mit dem Propagandafeuerwerk in den Tagen von Potsdam im Jahre 1933 vergleichen können.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Hier war und hier ist einer der Fälle gegeben, die wir meinten, als die sozialdemokratische Fraktion in der Debatte zur Regierungserklärung durch den Mund meines Kollegen Erich Ollenhauer sagte: Es werden sich Gelegenheiten ergeben, daß die Bundesregierung auch für die 18 Millionen Deutschen wird sprechen müssen, die heute stumm in der Ostzone leben. Er fügte hinzu:
    Ich glaube, daß damit die Verantwortung dieser Regierung außerordentlich wächst, und wir erwarten, daß die Regierung und die Regierungsparteien in allen ihren Handlungen, die sich auf ganz Deutschland beziehen, auch den politischen Willen der Menschen in der Ostzone in Rechnung stellen, die heute an der freien Bekundung ihrer politischen Überzeugung gehindert sind.
    Wir müssen in diesem Zusammenhang bedenken, daß gerade während dieser Wochen und Tage die Zermürbungstaktik gegenüber Berlin wesentlich intensiviert worden ist. Das verpflichtet uns zu einer konkreten, überall hörbaren Stellungnahme. Bei dem, was sich jetzt in der sowjetischen Zone abgespielt hat, handelt es sich ja in Wirklichkeit um eine gewissermaßen juristische Fixierung der seit mehr als vier Jahren dort bestehenden Verhältnisse und Tendenzen. Das, was sich jetzt dort als sogenannte provisorische Regierung hat etablieren lassen, hat an Regierungsgewalt im Grunde genommen nur die Macht, die zur Vollstreckung der Direktiven einer fremden Macht erforderlich ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Gerade weil das so ist, ist ein klares Wort von dieser Stelle aus notwendig.
    Wir sind aber auch der Bevölkerung der Bundesrepublik eine Erklärung schuldig. Es ist verwirrend und es gehört zu den bewußt in Szene gesetzten Verwirrungsmanövern, wenn nun auch schon in einem Teil der Presse der Bundesrepublik von angeblich zwei deutschen Präsidenten, von angeblich zwei deutschen Regierungen geschrieben wird und wenn sich das allmählich in den Sprachgebrauch einschleicht und einnistet.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir wissen aus den Erfahrungen der letzten 15 Jahre, daß man solche Dinge in ihrer psychologischen Wirkung nicht unterschätzen darf.
    In dem Zusammenhang ein Weiteres. Es hat ein Rätselraten über die wirklichen Absichten eingesetzt, die hinter diesem Akt in der sowjetischen Besatzungszone und in Ost-Berlin steckten, ein Rätselraten um die Zielsetzung der sowjetischen Politik. Wir haben im Interesse der Gesundung unseres Volkes und seines Staatswesens die große Aufgabe, dafür zu sorgen, daß unser Volk aus jenem Stadium herausgeführt wird, in dem es sich als ein Objekt und nur als ein Objekt fühlt. Wir können das nicht besser tun als dadurch, daß wir gerade in solcher kritischen Situation, in solchen Stunden und Tagen auf das zu sprechen kommen, was wir mit eigenen Kräften im eigenen Land tun können; wir müssen uns darüber klar werden, was wir selbst — ungeachtet unserer begrenzten Freiheit — tun können und tun müssen, um unsere Pflicht zu erfüllen.
    Im Zusammenhang mit der Pariser Konferenz war das Rätselraten über die eigentlichen Absichten der sowjetischen Außenpolitik in der Presse und der Öffentlichkeit der westlichen Länder größer und fiebriger als in Deutschland selbst. Jetzt sieht es so aus, als ob es umgekehrt werden sollte. Wir sollten — und das ist begrüßenswert an dem, was wir heute von seiten der Regierung gehört haben — Fakten feststellen, aber auch dafür sorgen, daß neue Fakten geschaffen werden, soweit wir mit unseren Kräften durch unsere innere Arbeit dazu beitragen können.
    Das, was in Westdeutschland, das, was in Berlin, und dazu das, was in der sowjetischen Besatzungszone geschieht, sind für uns doch nur verschiedene Seiten der einen deutschen Wirklichkeit. Gerade in solchen Stunden wie in denen, die hinter uns liegen und die wir noch erleben, ist es nützlich, an die Zusammengehörigkeit und an die Zusammenhänge zu machen. Es ist auch für uns nützlich, daran zu denken, daß ein Außerachtlassen der Wirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone uns zu gefährlichen Trugschlüssen über unsere eigene Lage und über das, was wir selbst zu tun haben, verführen müßte.
    In dieser Stunde sollte gesagt werden, daß, wenn der sowjetische Außenminister Wyschinski auf der Pariser Außenministerkonferenz zu dem Vorschlag, in ganz Deutschland allgemeine und garantiert freie Wahlen durchzuführen, nicht nein gesagt hätte, wir bereits die Wahlen zu einer gesamtdeutschen gesetzgebenden Versammlung gehabt hätten.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Dann hätte sich das ganze deutsche Volk eine solche gesetzgebende Versammlung für ganz Deutschland wählen können. Die sowjetischen Staats- und Propagandaakte, die in diesen Tagen auf deutschem Boden abgerollt sind und noch abrollen mögen, sind kein Ersatz für den einzigen Akt, aus dem die Wiedervereinigung unseres gegen den Willen unseres Volkes gespaltenen und auseinandergehaltenen Volks- und Staatswesens entstehen kann und entstehen wird. Denn dieser einzige Akt sind allgemeine, freie, geheime, gleiche und direkte Wahlen in allen Zonen und überall.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)



    (Wehner)

    Die Staatsakte in „Sowjet-Preußen"

    (Zuruf: Sowjet-Preußen?)

    ersetzen diesen Akt nicht, auch nicht die Verheißungen, die manche jetzt aus dem Telegramm des sowjetischen Staatschefs herauszulesen sich bemühen. Ebensowenig jener Akt der Übergabe — der angeblichen Übergabe — der bisher von der sowjetischen Militäradministration ausgeübten Verwaltungsfunktionen, wie es in der Erklärung des sowjetischen Oberkommandierenden hieß, an die sogenannte provisorische Regierung. Von einer beflissenen Presse werden diese quasi-Dokumente als Dokumente der Verleihung der Souveränität, echter Souveränität, hingestellt. Uns erinnern sie nur peinlich an Schriftwechsel, die zehn Jahre zurückliegen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.).

    Sie ändern an den tatsächlichen Machtverhältnissen nichts, und es ändert auch nichts daran, wenn einer der Prominenten des Politbüros der sogenannten Sozialistischen Einheitspartei dieser Tage schrieb, daß die sogenannte Deutsche Demokratische Republik — wie es wörtlich heißt — „ein souveräner Staat ist, frei im Innern, selbständig nach außen".
    Wir haben dieser Tage ein erschütterndes Beispiel zur Kenntnis nehmen können und müssen, das gegen diese hohlen Deklarationen spricht. Ich meine die Verurteilung von vier jungen Berliner Menschen, Mitgliedern der Jugendbewegung „Die Falken", zur Höchststrafe, die ein sowjetisches Militärgericht verhängen kann, zur Strafe von 25 Jahren Straflager,

    (Pfuirufe bei der SPD)

    ohne daß sie mit ihren Eltern oder anderen Anverwandten und mit ihrem Rechtsbeistand hätten in Verbindung treten können.

    (Erneute Pfuirufe bei der SPD.)

    Monatelang nach der Verurteilung und zufällig
    einige Tage nach dieser ruhmredigen Deklaration
    über die angebliche Souveränität und die „Freiheit"
    jenes „Staatsgebildes" im Innern ist das Urteil
    gegen diese vier Berliner jungen Menschen, gegen
    Horst Glank, Lothar Otter, Günther Schlierf und
    Gerhard Sperling gefällt worden. Zu dem, was
    man ihnen zur Last gelegt hat, gehörte unter anderem, daß sie hektographierte Exemplare eines
    Ausspruchs von Rosa Luxemburg verbreitet haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dieser Ausspruch von Rosa Luxemburg lautet:
    „Freiheit ist immer nur dann Freiheit, wenn
    es die Freiheit der Andersdenkenden ist."

    (Händeklatschen bei der SPD.)

    Es kann wohl kein erschütternderes Beispiel für diese innere „Freiheit" jenes angeblichen Staatsgebildes geben als dieses Urteil und die Einsicht in die angeblichen Vergehen, die zu diesem Schrekkensurteil geführt haben.
    Wenn dann die Rede ist von der „Selbständigkeit" jenes „Staatswesens" nach außen, so hat der Verkauf eines dem gesamtdeutschen Volk und seinen gewählten, ihm verantwortlichen Organen allein zustehenden Rechts einen Beweis für diese eigentümliche „Selbständigkeit" geliefert. Ich meine damit die der Friedenskonferenz vorweggenommene Erklärung des angeblichen Staatschefs jener Sowjetzonenrepublik über die „endgültige Anerkennung" der Annexion und über den „endgültigen Verzicht" auf die Gebiete jenseits der Oder und Neiße.

    (Pfuirufe bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Wir sollten, wenn wir über diese Dinge sprechen, die sich auf deutschem Boden abspielen, es uns abgewöhnen, in völkerrechtlichen Kategorien zu sprechen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es handelt sich hier um innerdeutsche Angelegenheiten, um ureigenste Angelegenheiten des deutschen Volkes!

    (Bravorufe und Händeklatschen bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Aber lassen Sie es mich an dieser Stelle sagen: Stärker als alle Verfassungen, geschriebenen Verfassungen, und ich meine: stärker auch als alle Verfassungsbrüche — denn witzigerweise ist ja jene angebliche Regierung mit einem Bruch ihrer eigenen Verfassung ins Leben getreten oder ins Leben getreten worden — ist die eine ungeschriebene Verfassung, die in Deutschland gilt, die den Willen unseres Volkes zur Wiederherstellung seiner staatlichen Einheit zum Ausdruck bringt!

    (Bravorufe und Händeklatschen bei der SPD und in der Mitte.)

    Wir wissen, daß die Bedingungen und der Inhalt dieser Einheit nur sein können die Gewährleistung der vollen persönlichen und staatsbürgerlichen Freiheit far jeden einzelnen und überall. Dazu gehört — man muß es heute angesichts der „Volkspolizei" sagen — die Gleichheit der Machtmittel in den Zonen, solange Zonen bestehen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Dieser Tage, im ersten Rausch, den manche nach der Verkündung jener quasi-Regierung erlebt haben, konnte man in einer in Westdeutschland herausgegebenen kommunistischen Zeitung einen Artikel lesen unter dem Titel: „Das Beispiel Koreas lockt." Darin wurde mit allem Ernst ausgeführt, daß nun, nachdem dort eine sogenannte Regierung gebildet worden sei, für Deutschland der Zustand Koreas erstrebenswert sei. Ich brauche in diesem Hause sicherlich nichts Näheres über den Zustand Koreas auszuführen, denn Sie wissen, wie es in diesem fernöstlichen Gebiet, das die hiesigen Kommunisten lockt, aussieht und was es damit zu tun hat, daß dieser Zustand also für Deutschland erstrebenswert sei. So wird dieses Beispiel jetzt auf unser Land angewandt, und nicht nur angewandt, sondern als lockend hingestellt, von ihrem Standpunkt aus als lockend hingestellt!
    Wenn das so gemeint ist, wie es geschrieben wurde, dann müssen wir uns — und wir müssen es überhaupt — mit dem, was heute unter dem Schlagwort „Nationale Front" zu verstehen ist, ernsthaft auseinandersetzen; denn genau so überheblich wie der Anspruch ist, daß jenes Vollzugsorgan im Ostsektor Berlins deutsche, ja gesamtdeutsche Regierung sei, ist der Anspruch, daß die Anhängerschaft der Regierung und der hinter ihr stehenden Gruppen die nationale Front Deutschlands sei.
    In den verbindlichen—wenn man so sagen darf — Erklärungen der Wortführer der Partei, die das Stichwort „Nationale Front" gegeben hat, findet man die Versicherung, daß man dort nicht ruhen und nicht rasten wolle, bis unter den Fahnen dieser sogenannten deutschen Republik das ganze Vaterland befreit und vereint sein werde. Um dieser Forderung und dieser Zweckbestimmung den nötigen Nachdruck zu verleihen, wird in der Weltöffentlichkeit und wird durch die diesem Regime hörige Presse die Behauptung verbreitet, wir in Westdeutschland seien die Hauptbasis einer ameri-


    (Wehner)

    kanischen Kriegspolitik. — Wir sollten auch die Fern- und die Tiefenwirkung einer solchen systematischen Stimmungsmache und eines solchen Trommelfeuers nicht unterschätzen!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In dem Zusammenhang möchte ich sagen: Zu dem, was man heute dort unter dem Stichwort „Nationale Front" gestartet hat und was auch im Westen Deutschlands wirken soll, gehört auch die Kalkulation über die Tätigkeit und die Rolle der sogenannten „Blockparteien" in der sowjetischen Besatzungszone. Diese „Blockparteien" sind in dieses totalitäre Machtspiel und seinen Apparat eingespannt, und es spielt dabei eine geringe Rolle, ob die, die dabei gebraucht werden, es in voller Kenntnis der Konsequenzen tun oder ob sie es mit Illusionen tun. Auch die Illusionen der „Blockparteien" sind von den eigentlichen Drahtziehern dieser Taktik berechnet, in Rechnung gestellt und werden wechselweise gebraucht, ja sogar hochgepäppelt. Denn in Wirklichkeit sind ja alle Parteien und alle Strömungen, die dort wechselweise wirken dürfen, nichts anderes als Bestandteil einer großangelegten Strategie und Taktik eines großen fremden Staats- und Machtapparates.
    Es liest sich — ich sage es offen — erschütternd, wenn man in den Organen der CDU der sowjetischen Besatzungszone ausführt, daß man unter „Nationaler Front" etwas anderes verstehe und daß man den Mißbrauch mit diesem Wort verhindern wolle. In Wirklichkeit sagen die internen Direktiven der eigentlichen Drahtzieher, daß sogar diese Illusionen und gerade eben sie ausgenützt werden sollen, besonders im Westen ausgenützt werden sollen. Denn im Westen müsse man aus taktischen Gründen bestimmte Dinge, die in der sowjetischen Besatzungszone unerläßlich sind und über die dort nicht diskutiert werden darf, zurückstellen, nicht betonen, weniger betonen, um zunächst einmal das eine zu erreichen: die Auflockerung und Zersplitterung der Kräfte im Westen Deutschlands.
    Es hätte, meine Damen und Herren, nicht erst der Bestätigung durch die — sozusagen — Einklammerung der Ministerien jener vorgeblichen Regierung durch besonders linientreue Staatssekretäre bedurft, um den Charakter jener Regierung etwas ins rechte Licht zu rücken.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber diese Einklammerung, sagen wir einmal, eines Dertinger durch einen Ackermann scheint uns eine eigentümliche Begleiterscheinung zu dem Anspruch gewisser Kreise der Ostzonen-CDU zu sein, die in schärfster Frontstellung gegen die Sozialdemokratie in Westdeutschland erklären, die CDU sei die „Klammer der deutschen Einheit". Dies, was sich jetzt dort jenem Akt zur Verfügung gestellt hat, kann nicht als Klammer der deutschen Einheit angesehen werden oder Anspruch darauf erheben, so angesehen zu werden.

    (Abg. Dr. von Brentano: Aber nicht als CDU! — Weiterer Zuruf von der . CDU: Die haben wir niemals als zu uns gehörig betrachtet!)

    — Nun gut, meine Herren, ich habe mit Besorgnis
    in diesen Tagen die Äußerungen zweier recht prominenter Angehöriger einer Regierungspartei über
    das Verhältnis Westdeutschlands zu diesem Satellitenstaat gelesen, und ich habe auch bemerkt, mit
    welcher Betonung, um nicht zu sagen mit welcher
    Freude diese Äußerungen führender CSU-Politiker
    in der Ostzonenpresse aufgenommen worden sind.
    So die Äußerung, daß die Regierung der „Deutschen
    Demokratischen Republik" — man übernimmt diesen Terminus — in Berlin nicht einfach zu ignorieren sei, ja noch klarer gesagt, daß man mit ihr als mit einer Realität rechnen müsse, und noch schärfer herausgearbeitet, daß man abwarten wolle, ob sie echte demokratische Entwicklungen zulasse,

    (Lachen bei der SPD)

    und dann könne man mit ihr in Verbindung treten.

    (Zuruf von der SPD: Einheitsfront der Kommunisten! — Gegenrufe von der CDU/CSU.) — Dies sage ich hier ja nicht in anklagendem Tone gegen die, die solche Meinungen nicht teilen. Aber ich sage: mit Sorge muß man solche Dinge betrachten, die aus dem Lager der Regierungsparteien und nicht von irgendwem, sondern von prominenten Politikern der Regierungsparteien gesagt und schriftlich niedergelegt werden, noch bevor die Regierung selbst Stellung genommen und eine Erklärung abgegeben hat.


    (Zuruf von der CSU: Nur die ist maßgebend!)

    — Darüber streitet man sich mitunter, wer in jenem Lager „maßgebend" ist. Das ist nicht immer leicht festzustellen. Das kann man an vielem, auch an den Dingen im parlamentarischen Leben dieses Hauses sehen und studieren.

    (Zuruf des Abg. Schütz.)

    Wir haben, meine Damen und Herren, im Laufe dieser 41/2 Jahre Leute gesehen, die waren bewußte Agenten.

    (Abg. Rische: Sehr wahr!)

    Wir haben andere gesehen, die waren „wohlmeinend". Wir haben „Brückenbauer" verschiedener Techniken gesehen, und wir haben schließlich Versuche und Mißerfolge von Godesberg gesehen. Jetzt haben wir — lassen Sie mich das betont sagen, und denken wir allesamt darüber nach — eine neue Formel, mit der wir zu rechnen haben, nämlich die Formel des sowjethörigen Außenministers jener angeblichen Regierung von der „Koordination", der Koordination der Entwicklungen, das heißt der politischen und Verwaltungsmaßnahmen im Westen nach dem Maßstab, der dort in der sowjetischen Besatzungszone aufgestellt wird. Sie werden zugeben müssen, daß wir nach dem, was wir erlebt haben, an solchen Dingen und solchen Verbindungen nicht leichtfertig vorbeigehen können. Koordination führt letzten Endes dazu — womit ja auch schon manipuliert wird —, daß man sich Gedanken macht über die Möglichkeit, eines Tages ein en Präsidenten zu haben — nur dürfe es nicht Dr. Schumacher oder ein anderer führender Sozialdemokrat sein — und so allmählich eine gesamtdeutsche „provisorische Regierung" und später irgendwann einmal Wahlen, aber dann nicht mehr freie Wahlen abzuhalten. Unterschätzen Sie diese Methode der „Koordination", diese Methode, die mit „Koordination" beginnt und mit Gleichschaltung aufhört, nicht!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dies entspricht genau den Intentionen der Drahtzieher, die, wie ich schon sagte, so weit gehen, auch hier mit zwei Gesichtern zu arbeiten. Und decken Sie in diesem Zusammenhang bitte auch daran, daß man in der vielseitig und vielschichtig arbeitenden Propaganda von jener Zentralstelle aus mit mancherlei Spekulationen und auch mit starken geschäftlichen Lockungen zu arbeiten sich bemüht!

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Der Ostwesthandel ist dabei der Anziehungspunkt, und ich unterschätze nicht die Bedeutung


    (Wehner)

    der Tatsache, daß in einer anderthalbseitigen, also verhältnismäßig kurzen Erklärung eines der maßgebenden Politiker der sowjetischen Besatzungszone und ihrer eigentlichen Partei fünfmal die Hamburger Exporteure angesprochen wurden, womit denen von meiner Seite aus nicht zu nahe getreten werden soll, womit aber gesagt werden soll: mit diesen Spekulationen, mit solchen Verlockungen arbeitet man von jener Seite.
    Wir sollten in diesem Zusammenhang über die Notwendigkeit, aber auch über die Gefahren dessen, was man heute unter Ostwesthandel lanciert und was nichts anderes ist als ein Bestandteil dieser totalitären Offensive, die von jener QuasiRegierung aus gestartet worden ist, sprechen. Ostwesthandel ist für uns lebensnotwendig, aber in Wirklichkeit handelt es sich bei dem, was man heute mit Ostwesthandel bezeichnet, gar nicht um irgendwelche Angelegenheiten im Bereich der Außenpolitik und des Außenhandels, sondern um eine rein binnenwirtschaftliche Angelegenheit.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir sehen auch die Gefahr, daß, wenn es so weitergeht, wie es bisher geht, wir abgedrängt weden
    könnten. Andererseits sollten wir aber klug genug sein, zu sehen, daß es manchen Mächten außerhalb Deutschlands gelegen kommt, uns diesen Köder „Ostwesthandel" vorzuhalten, um damit unsere Anwesenheit auf anderen Märkten loszuwerden, die wir ebenso lebensnotwendig brauchen und auf die wir auch um den Preis des Handels zwischen diesen Zonen oder irgendeines noch illusorischen Handels mit östlich gelegenen Ländern nicht verzichten können.

    (Richtig! bei der SPD.)

    Das Interzonenabkommen, so wie es hier bisher nur in Bruchstücken bekanntgeworden ist, gehört in den Kreis dieser Betrachtungen. Von diesem Interzonenabkommen weiß eigentlich niemand so recht, wer dafür zuständig ist. Die Eigentümlichkeit der Formen seines Zustandekommens und auch der Formulierung geben nicht nur zu denken, sondern sollten auch zu sprechen geben. Gemäß diesem Abkommen werden Nahrungsmittellieferungen aus der sowjetischen Besatzungszone nach dem Gebiet der westlichen Besatzungszonen, vor allem erhebliche Kartoffel- und Futtermittellieferungen festgelegt. Auch von Butterlieferungen ist die Rede. Ich weiß nicht — aus dem bisher veröffentlichten Text läßt es sich nicht entnehmen —, ob dies letzte den Tatsachen entspricht.
    Wir, die wir verpflichtet sind, bei solchen Gelegenheiten nicht nur auch, sondern besonders das Interesse der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone im Auge zu behalten und uns als Anwalt dieser Interessen zu bewähren, können nicht umhin, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß gerade in den letzten Tagen in der Presse der sogenannten Sozialistischen Einheitspartei zugegeben worden ist, daß in diesem Jahre in der Sowjetzone die Kartoffellage besonders ernst ist, daß faktisch Kartoffelmangel herrschen wird, und daß weiter in anderen Veröffentlichungen, zum Beispiel in einer Veröffentlichung des Pressedienstes jener Partei, erklärt wird, gegenwärtig leide tatsächlich in der Ernährung nicht nur die Arbeiterschaft unter Mangelerscheinungen, sondern das ganze Volk der Zone. Schließlich sollten wir uns in diesem Zusammenhang überlegen, welch tieferer Sinn wohl jener Weigerung eines der Prominenten der sogenannten Deutschen Wirtschaftskommission der sowjetischen Besatzungszone innewohnte, als er erklärte: „Wir", das heißt die Deutsche Wirtschaftskommission und die hinter ihr stehende Partei, „haben es abgelehnt, in einen Vertrag über den Interzonenhandel die Bestimmung aufzunehmen, daß die gegenseitig zu liefernden Güter ausschließlich der deutschen Wirtschaft zugute kommen."

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist also von jener Seite abgelehnt worden! Diese Forderung, die nicht mehr als billig ist, die wir für den innerdeutschen Verkehr, für den binnenwirtschaftlichen Verkehr und angesichts der besonderen Lage der Bevölkerung der sowjetischen Zone nicht nur erheben, sondern für deren Durchsetzung wir uns einsetzen müssen, wurde abgelehnt. Hier liegt der ganze Kern jener Wirtschaftspolitik, die vorgibt, mit dem Zustandekommen und Ingangsetzen jenes Ostwesthandels deutschen Interessen dienen zu wollen.
    In Zusammenhang mit diesem Interzonenabkommen und in Zusammenhang mit anderen weitergehenden Plänen taucht wieder die Vorstellung und die Spekulation der Drahtzieher jener angeblich ,,Nationalen Front" auf, sogenannte gesamtdeutsche Organe — wohlgemerkt unter ihrem Regime! — schaffen zu wollen. Auch dies ist letzten Endes Mittel zum Zweck.
    Der tatsächliche Verkehr zwischen den Besatzungszonen sollte — das muß an dieser Stelle gesagt werden — unter genauester Kontrolle und nicht einfach nur mehr durch Beamte durchgeführt werden. Er muß der Kontrolle des Parlaments unterstehen. Wir wollen die Regierung nicht zu sogenannten Staatsverträgen mit einem Nichtstaat bringen; aber wir bestehen auf Kontrollausübung und auf der Verantwortlichkeit der Regierung und gegenüber der Regierung.
    In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, auf die eigentümliche Rolle hinzuweisen, die Berlin in jenem Interzonenabkommen zugewiesen worden ist. Diese Rolle Berlins kommt nur in einem angehängten Briefwechsel zum Vorschein, und in der Antwort des Vertreters der sowjetischen Besatzungszone wird nicht mehr getan, als daß der Wunsch und die Forderung des Vertreters der Frankfurter Wirtschaftsbehörden wörtlich zitiert und am Schluß gesagt wird: „Wir werden im Interesse der Bevölkerung Groß-Berlins Ihrer Vorstellung nach Möglichkeit Rechnung tragen." Ich wiederhole: „nach Möglichkeit Rechnung tragen"! Man bedenke die vagen Worte der sonst so sehr auf „Konkretheit" erpichten Leute dieser Himmelsrichtung, die in diesem Falle angewendet worden sind! Man bedenke, daß es sich bei der Forderung und dem Wunsche, der von der hiesigen Seite aus vorgetragen worden ist, darum handelte, ein bestimmtes Kontingent für Berlin festzulegen. Auch in dieser Beziehung zeigte man die kalte Schulter.
    Wir haben Sorge um die weitere Entwicklung Berlins und sagen an dieser Stelle, daß Berlin, sein Schicksal und das Schicksal der Bevölkerung der ganzen sowjetischen Zone und auch der Menschen und Gebiete jenseits der Oder-Neiße unter keinen Umständen und von niemandem in diesem Bereich als Tauschobjekt — sei es, wofür auch immer — gebraucht werden dürfen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Mit Opfern auf Kosten des Ostens unseres Landes kann und darf man keine Positionen irgendwo in westlicher Richtung erkaufen wollen.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Wehner)

    Wir haben mit Bitternis aus verschiedenen Äußerungen — auch von Mitgliedern der Regierung, nicht am heutigen Tag, aber in den letzten Tagen — vernommen, wie die Frage der konkreten Hilfe für Berlin in Konkurrenz gestellt worden ist zu Ausgaben für Westdeutschland, zu Sozialleistungen, die hier gefordert wurden, oder wie man bestimmte Abbau- und Einschränkungsmaßnahmen hier mit der Notwendigkeit der Hilfe für Berlin zu begründen — ich sage zu begründen und meine das in diesem Fall ironisch — versucht hat. Wir wenden uns von dieser Stelle aus gegen eine Politik, die mit dem Hinweis auf die nationalpolitisch notwendigen Leistungen zur wirklichen Unterstützung Berlins soziale Leistungen im Westen Deutschlands nicht durchzuführen sucht. Man muß sich — wir wollen das als ein Bekenntnis verstanden wissen, hinter das sich alle stellen müßten und sollten — diesen Kampf um die Erhaltung Berlins etwas kosten lassen! Wir alle sollten alles in unseren Kräften Stehende tun, um uns in dieser Beziehung nicht irgendwann eines Versäumnisses anklagen zu müssen. Berlin soll und muß — und wir hätten gewünscht, daß es an dieser Stelle klar gesagt worden wäre — von den Organen der Bundesrepublik so behandelt werden, als wäre es bereits das zwölfte Land der Bundesrepublik.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren, genau so wie der Friedenszustand vor einem formalen Abschluß eines Friedensvertrages zur Tatsache werden muß, so braucht Berlin einen Zustand als zwölftes Land der Bundesrepublik, bevor und bis es zur Legalisierung — wenn ich so sagen darf — dieses Zustandes kommt. Unsere Sache ist es, darüber zu wachen, dab das in einer Weise geschieht, daß, wenn durch die Alliierten dieser Zustand schließlich legalisiert wird, nachträglich nichts oder nur Unwesentliches ändern oder hinzuzufügen sein wird. Das aber verpflichtet dazu, daß wir erstens wirtschaftlich, zweitens hinsichtlich der öffentlichen Finanzen, drittens in bezug auf die ERP-Hilfe und viertens durch die Anstrengungen zur Schaffung eines gleichen Lebensstandards und gleicher Lebensverhältnisse wie im Westen unseres Landes diesen Zustand zur Wirklichkeit werden lassen. Das wollen wir verstanden wissen unter aktiver Staatspolitik, wie es mein Kollege Schmid in der Debatte zur Regierungserklärung in bezug auf Berlin formulierte. Wir sind noch weit davon entfernt.
    Ich möchte als ein Beispiel dafür darauf hinweisen, daß dieser Tage in einem Berliner Organ der Christlich-Demokratischen Union, dessen Lizenzträger, wenn ich nicht irre, der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Angelegenheiten ist, der Fall „Patentamt Berlin" als ein Probefall für diese Haltung des Westens gegenüber Berlin hingestellt worden ist.

    (Abg. Dr. Schmid: Sehr gut!)

    Und wir sollten sehen, ob in der Praxis und in diesen Einzelfällen die Bekenntnisse auch wirklich ihren Niederschlag finden. Es handelt sich da um die Möglichkeit, einen Beschluß des Wirtschaftsrats, der mit einer geringen Mehrheit von, wenn ,ich nicht irre, ungefähr 43 zu 40 gefaßt worden ist, das Patentamt von Berlin nach München zu verlegen, jetzt rückgängig zu machen. Es handelt sich um die Möglichkeit, jetzt Menschen Arbeitsplätze zu erhalten, und es handelt sich mich um die Möglichkeit, an anderer Stelle Investitionen zu sparen. Das ist tatsächlich ein Probefall, einer von vielen anstehenden Probefällen. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang anstrengen, über die so häufig ausgesprochene, in einem Beschluß des Bundestags festgelegte, aber in der Wirklichkeit so wenig umrissene Bereitschaft zur Verlegung bestimmter Bundesbehörden nach Berlin Lösungen zu finden, und zwar nicht demonstrative oder repräsentative, sondern solche Lösungen, die arbeitsmäßig einen Sinn haben; denn das gehört dazu, um Berlin trotz seiner heutigen insularen Lage in der Tat mit der Bundesrepublik zusammenwachsen zu lassen.
    In der Debatte zur Regierungserklärung wurde von unserer Seite gesagt: „Wir können niemanden als einen Freund des deutschen Volkes empfinden, dessen praktische Politik die deutsche Einheit auf der demokratischen Grundlage verweigert und behindert." Es wurde das in bezug auf Berlin gesagt. Und das gilt, meine ich, so wie es Herr Dr. Schumacher hier gesagt hat, nicht nur gegen eine Richtung, sondern es gilt für alle, für uns alle. Dieses Verhältnis zu Berlin ist ein Maßstab. Wir können, meine Damen und Herren, das, was man den Ost-West-Konflikt nennt, von uns aus nicht aus der Welt schaffen. Wir können uns auch nicht zu der Auffassung bekennen, die im Westen Europas wiederholt als eine besonders weise Auffassung gepriesen worden ist. Ich denke an das Wort, daß „jeder in seinem Garten" arbeiten und glücklich zu werden suchen sollte und daß man sich nicht „über den Gartenzaun hinweg" Beschimpfungen schickt. Ich denke auch daran, daß wir uns nicht jene billige Vorstellung, wie sie besonders in der französischen öffentlichen Meinung im Zusammenhang mit den sehr fragwürdigen Ergebnissen der Pariser Außenministerkonferenz geäußert worden ist, zu eigen machen können, daß es „Sache der Deutschen selbst" sei, sich „zu verständigen". Die Alliierten — fügt man hinzu — hätten von sich aus das Notwendige getan.
    Nun, wir können nur feststellen, diese vier Alliierten — es sind immer noch vier Alliierte — haben bisher das Notwendige nicht getan; denn von dem, was sie getan haben, liegt nur der Tatbestand der Trennung unseres Landes vor. Es ist unwahr, wenn von irgendeiner Seite die Sache so dargestellt wird, als ob das Gebilde, das jetzt auf einem Teil unseres Landes errichtet worden ist, irgendwie das Ergebnis deutschen Willens wäre. Das ist es beileibe nicht. Durch unser Land, durch unsere Familien geht jener „Gartenzaun", von dem einmal gesprochen worden ist, und wir brauchen für unser nationales Leben wie auch dafür, daß wir ein gesunder und wertvoller Bestandteil des neuen Europa sein können, die Überwindung dieses Zaunes.
    Was wir von hier aus und was wir unablässig tun müssen, das ist der Ausbau des Teiles, in dem wir in relativer Freiheit arbeiten dürfen In sozialer Beziehung bedeutet das: Alles, was hier zur Verbesserung des sozialen Gehalts der Bundesrepublik getan wird, ist ein Baustein zur Wiedervereinigung unseres Landes. Alles, was hier in dieser Beziehung versäumt wird, ist ein Schlag gegen diese Wiedervereinigung. So einfach und nüchtern stehen die Dinge.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das ist völlig schief gesehen! Glauben Sie, daß der Russe, wenn wir sozial soweit fortgeschritten sind, die Vereinigung zulassen wird?)



    (Wehner)

    — Sie sitzen etwas schief; ich kann das leicht verstehen, daß Sie das schief gesehen und gehört haben.
    Es handelt sich darum, dafür zu sorgen, daß dieser Teil unseres Landes wirklich als Kernland Deutschlands betrachtet werden kann. Das kann es aber nur sein, wenn es ein sozial fortschrittliches und sozial vorbildliches Gebilde ist. Es kommt nicht auf „Antideklarationen" und „Antideklamationen" an, sondern es kommt auf den Ausbau dieses Staates an.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte in diesem Zusammenhang und am Schluß sagen: Von „Regierung zu Regierung" lassen sich solche Dinge nicht klären, ebensowenig von der Regierung zu den Organen der Besatzungsmächte. Das Parlament, dieser Bundestag, hat dabei durch seine Stellungnahme, durch seine Forderungen und durch seine Arbeit eine wichtige Funktion und eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Wir wollen sie ausüben; das gehört mit dazu, daß wir in unserem gequälten Land mit Geduld und mit innerer Festigkeit das tun, was wir als unsere europäische Funktion bezeichnen dürfen,
    ohne uns wichtiger zu nehmen, als wir sind.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.) Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.