Rede von
Dr.
Hermann
Pünder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! An sich hätten meine politischen Freunde es lieber gesehen, wenn der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers von einer überwältigenden Mehrheit dieses Hohen Hauses, über Koalition und aufbaubereite Opposition hinweg, in einer gemeinsamen Erklärung ein einheitliches und klares Bekenntnis des Bundestags zu' diesen Schicksalsfragen deutscher Zukunft gefolgt wäre. Wir bedauern, daß sich dieser unser Plan nicht hat verwirklichen lassen, geben aber der Hoffnung Ausdruck, daß die jetzt beginnende Diskussion dem In- und Ausland einen gleich positiven Eindruck vermitteln wird.
Meine Fraktion der CDU/CSU hat mit voller Absicht zu ihrem Sprecher zu den Fragen Berlin und deutscher Osten einen westdeutschen Abgeordneten bestimmt, der von dem Vertrauen der größten deutschen Stadt am linken Rheinufer in den Bundestag entsandt worden ist. Hierdurch wollen wir unterstreichen, wie ernst und ehrlich es uns mit dem Bekenntnis zu unserm Deutschtum vom Westen bis hin zum Osten ist.
Die CDU/CSU stimmt den Darlegungen des Herrn Bundeskanzlers in jeder Form zu. Insbesondere möchte ich, zum Teil aus eigenem Miterleben, die Richtigkeit seiner Darlegungen über die geschichtliche Entwicklung der letzten Jahre unterstreichen.
Die Bundesorgane in Bonn sind ohne jeden Zweifel berechtigt, für das ganze deutsche Volk zu sprechen. Nicht nur repräsentieren wir über 45 Millionen deutscher Einwohner und damit den größten Teil des deutschen Volkes, sondern unser Bundestag ist ohne Zweifel das einzige deutsche Parlament auf oberster deutscher Ebene, das auf wahrer demokratischer Grundlage zustande gekommen ist. Wir fühlen uns daher mit Recht auch als die Hüter der Interessen unserer deutschen Brüder und Schwestern in der Sowjetzone, wie ja auch der Herr Bundeskanzler dies vorhin ausgeführt hat, unserer Landsleute drüben in der Sowjetzone, die heute eben nicht in Freiheit und Offenheit sprechen können. Um so mehr betonen wir von den drei Westzonen aus vor aller Welt, daß wir allzeit in Treue zu ihnen halten werden.
Aus dieser Grundeinstellung heraus erklären wir in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung, daß die offiziellen Verlautbarungen aus der Sowjetzone für Deutschland keinerlei Wirksamkeit haben, wobei ich, lediglich beispielsweise, vor allem an die für uns völlig undiskutierbare Oder-NeißeLinie erinnern möchte.
Die Ausrufung des Oststaates ist zweifellos eine ernste und traurige Angelegenheit für jeden, der überhaupt deutsch fühlt. Durch die Schaffung dieses merkwürdigen Staatsgebildes wird die Zerreißung Deutschlands in zwei Teile in der grausamsten Weise unterstrichen. Wir lehnen diesen Oststaat in aller Form ab, und es ist völlig abwegig, zu seiner Begründung etwa den Geist von Rapallo noch bemühen zu wollen.
Die Ablehnung des Oststaates befreit uns aber nicht von der Notwendigkeit, uns mit seiner Tatsache auseinanderzusetzen. Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, daß sich gegenüber dem bisherigen Zustand an sich nicht gar viel geändert hat, nur mit der Maßgabe, daß manches einen anderen Namen bekommen hat und einiges hinzugetreten ist. Diese Feststellung führt nach unserer Auffassung zu dem weiteren Schluß, daß für unsere Bundesrepublik kein Anlaß vorliegt, an den bisher schon bestehenden unpolitischen Wechselbeziehungen etwas zu ändern. Wir glauben, dies insbesondere Berlin und den 18 Millionen Deutschen in der Sowjetzone schuldig zu sein, wie wir es ja auch begrüßt hatten, daß nach Aufhebung der Blockade vor allem der Verkehr, Post und Eisenbahn wieder in leidlich geregelten Fluß gekommen waren. Aus der Pflege und gegebenenfalls Förderung solcher wirtschafts- und verkehrspolitischen Verbindungen kann selbstredend unter keinen Umständen eine Anerkennung des Oststaates de facto oder gar de jure gefolgert werden.
Die Sorge wäre also völlig unbegründet, daß unsere Bundesrepublik jetzt etwa die Sowjet-Union gegen die Westmächte ausspielen wollte. Aber umgekehrt sollten auch die Westmächte unseren Wunsch nach engster Zusammenarbeit stärken. Der „kalte Krieg" wird von jetzt ab stärker als bisher in Deutschland ausgetragen werden. Die Westmächte sollten daher in allen ihren Maßnahmen diesen Gedanken nie außer acht lassen.
Durch die Ausrufung dieses merkwürdigen staatspolitischen Gebildes im deutschen Osten ist
das Problem Berlin noch dringender geworden. Namens meiner politischen Freunde betone ich, daß wir Berlin, dessen Wappen als zwölftes Land im Länderkranz unserer Bundesrepublik Deutschland ja schon die Stirnseite unseres Plenarsaales ziert, möglichst bald als zwölftes Land in unserem Kreise begrüßen möchten.
Unbeirrbar halten wir am Artikel 23 unseres Grundgesetzes fest, in dem Groß-Berlin ausdrücklich aufgeführt ist.
Wir wollen aber durchaus Verständnis dafür aufbringen, daß die sofortige offizielle Einbeziehung Berlins gewisse Spannungen auslösen könnte, die im Augenblick der Sache abträglich wären. Wir möchten aber der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich diese Spannungen, auch durch Initiative der Bundesregierung, so schnell wie möglich legen werden.
Inzwischen ist es für uns eine selbstverständliche Pflicht, Berlin de facto als zwölftes Land zu betrachten und wirtschaftlich und finanziell für Berlin zu sorgen. Diese Feststellung ist für mich besonders selbstverständlich, der ich bereits im Frühjahr 1948 beim Abgang aus dem Präsidium des Städtetages in der Paulskirche in Frankfurt beantragt hatte, daß meine verehrte Berliner Kollegin mein Nachfolger im Präsidium würde. Diese Linie haben wir auch im Frankfurter Verwaltungsrat und Wirtschaftsrat trotz unserer beschränkten Möglichkeiten und Zuständigkeiten unbeirrbar durchgehalten.
Wir begrüßen daher den hier soeben erstatteten Bericht des Herrn Kollegen Dr. Suhr über die bisherige Arbeit des Berlin-Ausschusses, die in Drucksache Nr. 100 vor uns liegt und die ihrerseits wieder auf den Anträgen Nr. 12 unserer CDU/CSU-Fraktion, wie das auch Herr Dr. Suhr soeben feststellte, und Nr. 16 der SPD beruhen. Wir freuen uns, daß auf dieser Basis bereits wichtige Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem Magistrat Berlin in Gang und zum Teil, wie wir hörten, schon zum Abschluß gekommen sind. Wir begrüßen deshalb auch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, die er zugleich im Namen seines Kollegen, des Bundesministers für Wirtschaft, Herrn Professor Erhard, abgegeben hat. Nach unserer Auffassung ist jetzt dreierlei wichtiger als Subventionen: Kredite, Rohstoffe und Aufträge.
Im übrigen muß sich nach unserer Auffassung von jetzt ab die Bundesrepublik Deutschland in Berlin sehr deutlich zeigen. Deshalb begrüßen auch wir grundsätzlich die Erhaltung oder Überleitung von Bundesbehörden nach Berlin.
Mag auch heute die Frage „Berlin als Bundeshauptstadt" nicht akut sein, so ist es doch unser aller Pflicht, Berlin und seine Wirtschaft unter allen Umständen wieder lebensfähig zu machen und zu erhalten. Wir müssen es immun machen gegen jede Infiltration vom Osten. Denn wir müssen klar erkennen, daß den Machthabern im Osten viel weniger an der Schaffung einer Regierung für die Ostzone liegt als an der Schaffung einer Gegenregierung mit dem alleinigen Ziel der Sowjetisierung Gesamtdeutschlands. Infolgedessen ist Berlin heute und in nächster Zukunft gegenüber Asien das letzte Bollwerk für Europa und die ganze westliche Welt!