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ID0101300400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1949 307 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1949. Geschäftlichte Mitteilungen . . . . 307G, 328D Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung und Mündlicher Bericht des Ausschusses für Berlin über den Antrag der Fraktion der SPD, betr. Maßnahmen für Groß-Berlin (Drucksachen Nr. 16 und 100) . . . . . 307D, 311C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 307D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 309C Dr. Suhr (SPD), Berichterstatter . . 311C Unterbrechung der Sitzung . . 312D Dr. Pünder (CDU) 312D Wehner (SPD) 314A Dr. Schäfer (FDP) 319A Dr. Mühlenfeld (DP) 319C Frau Wessel (Z) 319D Dr. Seelos (BP) 322A Goetzendorff (WAV) 322C Renner (KPD) 322D, 327B Dr. Richter (NR) . . . . . . . 326D Dr. Bucerius (CDU) . . . . . . 327A Antrag der Fraktion der DP, betr. Wohnungen für ostvertriebene Familien (Drucksache Nr. 42) 327C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen., betr. Entlassungen bei der Deutschen Bundesbahn (Drucksachen Nr. 32 und 116) 307C, 327C Jahn (SPD), Berichterstatter 327C, 328C Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . 328B Antrag der Abg. Frau Dr. Probst u. Gen., betr. Überbrückungsgesetz zum KB-Leistungsgesetz (Drucksache Nr. 108) . . 328D Nächste Sitzung 328D Die Sitzung wird um 15 Uhr 7 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ihnen, meine Damen und Herren vom Deutschen Bundestag, als den legitimierten Vertretern des deutschen Volkes habe ich folgende Erklärung abzugeben.
    Die jüngsten Vorgänge in der Ostzone und in Berlin sind kennzeichnend für den tragischen Weg des deutschen Volkes seit 1933. Sie unterstreichen mit aller Klarheit und Deutlichkeit noch einmal die Zerreißung des deutschen Gebiets in zwei Teile, in einen östlichen Teil, bewohnt von rund 18 Millionen Deutscher, die in der Unfreiheit sowjetischer Satellitenstaaten dahinleben, und einen westlichen Teil mit 45 Millionen Einwohnern, der sich zwar noch nicht im vollen Besitz der Freiheit befindet, in dem aber die Souveränitätsrechte eines demokratischen Staates immer mehr in deutsche Hände gelegt werden und in dem — ich hebe das auf das nachdrücklichste hervor — die Menschen sich der persönlichen Freiheit und Sicherheit erfreuen, ohne die ein menschenwürdiges Dasein für uns nicht denkbar ist.

    (Beifall.)

    Ich habe von dem Schicksalsweg des deutschen Volkes seit 1933 gesprochen. Um der historischen Wahrheit willen muß man davon sprechen, daß die Tragik des deutschen Volkes nicht erst 1945 mit der Kapitulation, die bedingungslos die gesamte


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    militärische und staatliche Macht den Siegern übergab, begann, sondern 1933 mit der Machtergreifung Hitlers.

    (Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD.)

    Man kann und darf die Periode von 1933 bis 1945 nicht trennen von dem, was sich seit 1945 ereignet hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Beide Epochen hängen eng zusammen. Um der Verantwortung willen, die wir vor dem deutschen Volk übernommen haben, und um dem deutschen Volk und dem Ausland ein klares Bild von dem zu geben, was jetzt ist, ist eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse seit 1945 nötig.
    Entgegen dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945, in dem beschlossen wurde, Deutschland während der Besetzungszeit als eine politische und wirtschaftliche Einheit zu betrachten, trat schon sehr bald eine verschiedene Auffassung über die Deutschland gegenüber zu beobachtende Haltung unter den Alliierten zutage. In der Sowjetzone wurden schon im Jahre 1945 im Gegensatz zu den drei anderen Zonen Zentralverwaltungen eingerichtet, die den unverkennbaren Zweck hatten, die ganze sowjetische Zone staatlich einheitlich zu organisieren. Diese Bestrebungen wurden aufs nachdrücklichste gefördert durch die am 12. Juni 1947 erfolgte Bildung einer Wirtschaftkommission. Die wirtschaftliche und die politische Trennung der Sowjetzone von dem übrigen Deutschland wurde weiter gefördert durch die Einsetzung des sogenannten Ersten Volkskongresses am 6. Dezember 1947, die Einberufung des Zweiten Volkskongresses am 18. März 1948, die Schaffung eines Volksrats am gleichen Tag, die Erteilung des Auftrags an den Volksrat, eine Verfassung auszuarbeiten, und schließlich durch die Verabschiedung dieser Verfassung durch den Volksrat am 19. März 1949.
    Diese Volkskongresse sind nicht aus Wahlen, das heißt aus freien Wahlen, an denen sich jeder hätte frei beteiligen können, hervorgegangen. Für den Dritten Volkskongreß durfte nur eine Einheitsliste aufgestellt werden. Die in der vom Volksrat beschlossenen Verfassung vom 19. März 1949 vorgesehenen Wahlen für eine Volkskammer wurden nicht abgehalten. Der Volksrat etablierte sich am 7. Oktober 1949 im Widerspruch mit der von ihm selbst beschlossenen Verfassung als provisorische Volkskammer. Gleichzeitig wurde erklärt, daß Wahlen, die schon mehrfach in Aussicht gestellt waren, bis zum 15. Oktober 1950 verschoben würden. Nach dem völligen Zusammenbruch aller staatlichen Organisation in Deutschland mit der bedingungslosen Kapitulation kann aber eine Organisation in Deutschland nur dann den Anspruch darauf erheben, ein legitimer Staat zu sein, wenn sie auf dem freien Willen der Bevölkerung beruht.

    (Lebhafte Zustimmung.)

    Es wird niemand behaupten können, daß die nunmehr geschaffene Organisation der Sowjetzone auf dem freien Willen der Bevölkerung dieser Zone beruht.

    (Sehr richtig!)

    Sie ist zustande gekommen auf Befehl Sowjetrußlands und unter Mitwirkung einer kleinen Minderheit ihm ergebener Deutscher.
    Im Gegensatz zu der Sowjetzone trat in den drei Westzonen bei den westlichen Alliierten das Bestreben, eine einheitliche staatliche Organisation für diese drei Zonen zu schaffen, erst auf der Londoner Konferenz der sechs Mächte — England,
    Frankreich, USA, Beneluxstaaten —, die vom Februar bis Juni 1948 abgehalten wurde, zutage.

    (Abg. Rische: Bereits 1946!)

    Dieses Bestreben zeigte sich also erst, als die Entwicklung in der Ostzone, die ich eben geschildert habe, schon weit fortgeschritten war, als der Erste und der Zweite Volkskongreß und der Volksrat schon geschaffen waren. Auf Grund der Empfehlungen der Londoner Konferenz wurde der Parlamentarische Rat zum 1. September 1948 einberufen. Das von ihm beschlossene Grundgesetz trat( nach der Ratifizierung durch die Landtage am 23. Mai 1949 in Kraft.

    (Abg. Rische: Ohne Wahlen!)

    Die Wahlen zum ersten Bundestag wurden am 14. August 1949 abgehalten. An ihnen beteiligten sich rund 25 Millionen von 31 Millionen stimmberechtigter Deutscher. Nur die 1,5 Millionen kommunistischer Stimmen, die abgegeben wurden, kann man als gegen die staatliche Neuordnung abgegeben bezeichnen,

    (Sehr gut!)

    so daß rund 23 Millionen Wähler bei dieser Wahl bestätigten, daß sie die staatliche Neuordnung der drei Westzonen, die Schaffung der Bundesrepublik Deutschland billigten.

    (Abg. Rische: Wann hat das Volk über das Grundgesetz abgestimmt?)

    Ich stelle folgendes fest. In der Sowjetzone gibt es keinen freien Willen der deutschen Bevölkerung.

    (Lebhafte Zustimmung rechts, in der Mitte und bei der SPD.)

    Das, was jetzt dort geschieht, wird nicht von der Bevölkerung getragen und damit legitimiert.

    (Sehr gut!)

    Die Bundesrepublik Deutschland stützt sich dagegen auf die Anerkennung durch den frei bekundeten ' Willen von rund 23 Millionen stimmberechtigter Deutscher. Die Bundesrepublik Deutschland ist somit bis zur Erreichung der deutschen Einheit insgesamt die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes.

    (Lebhafter Beifall und Händeklatschen rechts, in der Mitte und bei der SPD.)

    Hieraus ergeben sich innerpolitisch und außenpolitisch Folgerungen, die ich im einzelnen wiederzugeben mir heute versagen muß.
    Die Bundesrepublik Deutschland fühlt sich auch verantwortlich für das Schicksal der 18 Millionen Deutscher, die in der Sowjetzone leben.

    (Lebhafte Zustimmung rechts, in der Mitte und bei der SPD.)

    Sie versichert sie ihrer Treue und ihrer Sorge.

    (Erneuter Beifall.)

    Die Bundesrepublik Deutschland ist allein befugt, für das deutsche Volk zu sprechen.

    (Sehr gut! Abg. Renner: Ich denke, die Hohen Kommissare!)

    Sie erkennt Erklärungen der Sowjetzone nicht als verbindlich für das deutsche Volk an.

    (Zustimmung rechts, in der Mitte und bei der SPD.)

    Das gilt insbesondere auch für die Erklärungen, die in der Sowjetzone über die Oder-Neiße-Linie abgegeben worden sind.

    (Stürmischer Beifall rechts, in der Mitte und bei der SPD.)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    ) Ich stelle diese Tatsache mit allem Nachdruck vor dem deutschen Volk und der gesamten Weltöffentlichkeit fest.

    (Bravo!)

    Zur Frage Berlin habe ich folgendes zu erklären. Die Lage Berlins wird durch die Entwicklung in der Sowjetzone besonders kritisch. Berlin ragt in die Sowjetzone hinein als Vorposten und Bollwerk des demokratischen westlichen Teils Deutschlands,

    (Bravo!)

    ja, mehr als das, als Bollwerk des demokratischen Westeuropas.

    (Bravo! — Zuruf von der KPD: Amerikanischer Imperialismus!)

    Berlin hat die Blockade dank der bewunderungswürdigen Stärke und Zähigkeit seiner Bewohner und dank der Hilfe der Westalliierten überstanden; aber es leidet schwer unter ihren Nachwirkungen.
    In Artikel 23 des Grundgesetzes ist niedergelegt, daß Groß-Berlin als zwölftes Land zur Bundesrepublik Deutschland gehören soll. Wenn auch die internationale Lage bei der Genehmigung Ling des Grundgesetzes die Verwirklichung dieses Beschlusses zunächst unmöglich gemacht hat

    (Zuruf von der KPD: Ihre souveräne Regierung!)

    und wenn die fortdauernde internationale Spannung auch jetzt noch die Durchführung des Artikel 23, vielleicht auch im Interesse Berlins selbst, nicht gestattet, so bleibt der Beschluß des Parlamentarischen Rates, wie er im Artikel 23 niedergelegt ist, nur suspendiert. Der Artikel 23 wird in Wirksamkeit treten, sobald die internationale Lage es gestattet.

    (Abg. Renner: Und die Kommissare!)

    Bis dahin will Berlin seine Gesetze den Bundesgesetzen anpassen, um so schon jetzt eine de-factoZugehörigkeit Berlins zum Bund herbeizuführen.

    (Beifall.)

    Wir begrüßen diese Absicht Berlins.
    Über die notwendige finanzielle und wirtschaftliche Hilfe für Berlin haben zwischen Vertretern des Berliner Magistrats sowie der Berliner Wirtschaft und Mitgliedern der Bundesregierung in den letzten Tagen sehr ausführliche und eingehende Verhandlungen stattgefunden. Diese Verhandlungen haben zu einem positiven Ergebnis geführt. Die Einzelheiten darüber wird Ihnen der zuständige Bundesminister, Herr Schäffer, vortragen. Er wird zugleich im Namen des Bundeswirtschaftsministers sprechen. Ich erkläre namens der Bundesregierung nachdrücklichst, daß wir alles, was in unseren Kräften steht, tun werden, um die Berliner Wirtschaft und damit auch die Finanzen der Stadt Berlin wieder gesund zu machen und gesund zu erhalten. Wir werden Berlin nicht im Stiche lassen.

    (Bravorufe.)

    Meine Damen und Herren! Die Menschheit lebt seit Jahrzehnten in einer Epoche staatlicher und sozialer Wirren. Das deutsche Volk ist infolge seiner sprunghaften Entwicklung und infolge seiner zentralen Lage ein Mittelpunkt dieser Wirren geworden. Die Bundesrepublik Deutschland erholt sich dank der Hilfe der Westalliierten, dank auch des Fleißes und der Ausdauer ihrer Bewohner langsam, aber stetig. Die Bundesrepublik Deutschland
    fühlt um so mehr die Verpflichtung in sich, den Bewohnern der Sowjetzone und der Stadt Berlin zu helfen. Sie wird diese Pflicht erfüllen. Wir sind davon überzeugt, daß unsere oft so trostlos aussehende Epoche schließlich doch zu fruchtbaren Neubildungen staatlicher und überstaatlicher Ordnungen führt, von Ordnungen, die erwachsen sind auf dem Boden des gleichen Rechts für alle. Unser vornehmstes Ziel wird sein, ganz Deutschland auf dem Boden des Rechts und der Freiheit zu einen und es in eine europäische Ordnung hineinzuführen.

    (Langanhaltender, lebhafter Beifall rechts, in der Mitte und bei der SPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Hohes Haus! Gleichzeitig im Namen des Herrn Bundesministers für Wirtschaft, der die Verhandlungen mit den Vertretern der Stadt Berlin vorbereitet und geführt hat, darf ich über das Ergebnis dieser Besprechungen folgendes mitteilen. In der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 20. September 1949 ist besonders auf die Stadt Berlin Bezug genommen. Es heißt dort: „Unsere besondere Fürsorge gilt der Stadt Berlin". Nachdem dann von den bisherigen Leistungen Westdeutschlands für Berlin gesprochen wurde, ist betont worden, es sei unbedingt notwendig, daß wir unter keinen Umständen Berlin im Stiche lassen und beschleunigt über den Fortgang und den Umfang der Hilfsmaßnahmen für Berlin, und zwar nicht ausschließlich durch Gewährung von finanziellen Zuschüssen, beraten und beschließen.
    Was in der Regierungserklärung gesagt worden ist, ist in den letzten Tagen geschehen. Nachdem schon vor Wochen Besprechungen mit dem Stadtkämmerer von Berlin und anderen Herren über die Haushaltsfrage stattgefunden hatten und nachdem die Mitglieder des Kabinetts, Herr Bundesminister Kaiser und Herr Bundesminister Heinemann, sich an Ort und Stelle über die Lage in Berlin unterrichtet hatten, ist in den letzten Tagen auf Anregung und Wunsch des Herrn Reichskanzlers —

    (Abg. Renner: Reichskanzlers?!)

    — des Herrn Bundeskanzlers eine Abordnung maßgebender Berliner Persönlichkeiten unter Führung des Herrn Oberbürgermeisters Reuter in Bonn gewesen, um gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft Vorschläge für Hilfsmaßnahmen zugunsten Berlins zu machen und die Durchführung dieser Vorschläge mit der Bundesregierung zu besprechen. Diese Vorschläge entsprechen vielfach den Grundgedanken der Anträge, die dieses Hohe Haus zu dieser Frage eingebracht hat. Ich darf diese Vorschläge und die Stellung der Bundesregierung bekanntgeben.
    Eine deutsche Stadt, die eine Insel ist inmitten eines Wirtschaftsgebiets, das von der Elbe bis zum Gelben Meer reicht, eine deutsche Stadt, die all den wirtschaftlichen und seelischen Einflüssen des sie umbrandenden Meeres ausgesetzt ist, will dem Gedanken Deutschland und dem Gedanken der deutschen Demokratie treu bleiben. Entscheiden wird die seelische Stärke der Bevölkerung.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Diese seelische Stärke darf nicht durch wirtschaftliche Not, durch Arbeitslosigkeit, durch Verarmung


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    gebrochen werden. Berlin braucht wirtschaftliche Hilfe. Die Bundesregierung erkennt es als Pflicht an, alles mögliche zu tun und der Deutschen Bundesrepublik alle tragbaren Opfer zuzumuten, soweit sie notwendig sind und geeignet erscheinen, unsere deutschen Brüder in Berlin zu unterstützen, ihnen das Vertrauen auf ihre Sache zu erhalten und ihnen die Hoffnung auf den Sieg ihrer Gedankenwelt zu geben.
    Die wirtschaftliche Hilfe scheidet sich in zwei Gebiete: a) in die budgetäre Hilfe, das heißt in die Hilfe, um den Haushalt Berlins auszugleichen, b) in wirtschaftspolitische Hilfsmaßnahmen, die das Ziel haben, die in Berlin seit der Währungsumstellung und seitdem die über GARIOA-Mittel gegebene wirtschaftliche Unterstützung ein Ende gefunden hat, als drohendes Gespenst aufgetauchte Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
    Ich möchte vorausschicken, daß bei den Verhandlungen, die in den letzten Tagen stattgefunden haben, beide Teile den Beweis des guten Willens erbracht haben. Ich bin den Vertretern der Stadt Berlin besonders dafür dankbar, daß sie selbst betont haben, daß sie das Ihre tun werden, damit die Unterstützung aus der Deutschen Bundesrepublik gewissenhaft und wirksam für die Belebung der Berliner Wirtschaft verwendet werden.
    Die Herren Vertreter der Stadt Berlin haben erklärt, daß sie bereit sind, sich nach dieser Richtung jeder Kontrolle zu unterwerfen. Diese Erklärung wurde von ihnen aus freien Stücken abgegeben; sie wurde abgegeben, weil sie menschlich wohl die Überzeugung gewonnen hatten, daß auch die Vertreter der Bundesregierung den besten Willen gezeigt haben, zu tun, was nur möglich ist.
    In Besprechungen, die den Verhandlungen der letzten Tage vorausgegangen sind, war dem Herrn Stadtkämmerer von Berlin bereits mitgeteilt worden, welche Haushaltsmittel für die nächsten Monate bis zum Schluß des Etatsjahres, also bis zu dem Zeitpunkt, da der Bund seine ihm nach dem Grundgesetz zugewiesenen Steuern und damit auch die entsprechenden Kriegsfolgelasten übernimmt, an Berlin mit Hilfe der deutschen Länder gegeben werden können, die diese Steuern heute noch beziehen und die Kriegsfolgelasten tragen. Ich glaube sagen zu dürfen, die Vertreter Berlins haben auch bei diesen Besprechungen anerkannt, daß die Deutsche Bundesrepublik diese Mittel unter Anspannung aller Kräfte gegeben hat und das Bestmögliche leistet.
    Das Hauptgewicht wurde in all den Besprechungen auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen gelegt, die das Ziel haben, die Arbeitslosigkeit in Berlin zu bekämpfen und dem Wirtschaftsleben der Stadt Berlin wieder frisches Blut zuzuführen. Sie bestehen in folgenden Maßnahmen:
    1. Vergebung öffentlicher Aufträge. Die Stadt Berlin soll als Notstandsgebiet im Sinne des § 24 Absatz 3 Satz 3 der Verdingungsordnung für Leistungen erklärt werden. Auch bei der Vergebung nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen der Beschaffungsstellen des Bundes soll Berlin bevorzugt berücksichtigt werden. Es sollen dabei Richtlinien aufgestellt werden über Art und Ausmaß der Bevorzugung Berliner Firmen. Die Bundesregierung wird weiter beim Bundesrat den Antrag stellen, der Bundesrat möge den Landesregierungen empfehlen, die für die Beschaffungsstellen des Bundes getroffene Regelung bei den betreffenden Stellen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, sowie sonstigen dem Einfluß der
    Landesregierungen unterstehenden öffentlichen Stellen zur Anwendung zu bringen. Die Bundesregierung will weiter bei den Hohen Kommissaren beantragen, daß sie die Beschaffungsstellen der Besatzungsmacht veranlassen, bei ihren Vergebungen die Berliner Wirtschaft bevorzugt zu berücksichtigen. Der deutschen Kohlenbergbaustelle und dem Stahltreuhänderverband wird empfohlen werden, die ihnen angegliederten Betriebe anzuhalten, ebenfalls bei ihren Vergebungen die Berliner Wirtschaft bevorzugt zu berücksichtigen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau wird ersucht werden, den Kreditnehmern nahezulegen, bei den im Rahmen der Investitionskredite zu vergebenden Aufträgen die Berliner Wirtschaft bevorzugt zu berücksichtigen. Der Bundesminister für Wirtschaft wird darauf hinwirken, daß eine Bundesausgleichsstelle für öffentliche Aufträge eingerichtet wird, der die an die Berliner Wirtschaft zu vergebenden Aufträge von den betreffenden Stellen mitgeteilt werden. Die Bundesausgleichsstelle gibt dann der von der Berliner Wirtschaft errichteten Auftragsstelle Berlin von diesen Aufträgen Kenntnis. Die Auftragsstelle wird im Benehmen mit dem Magistrat Berlin darüber wachen, daß diese Aufträge sowie die daraus hervorgehenden Unteraufträge, soweit überhaupt nur die Möglichkeit dazu besteht, in den Westsektoren von Groß-Berlin ausgeführt werden.
    2. Wirtschaftliche Aufträge anderer Art: Um nicht nur die Vergebung von öffentlichen Aufträgen, sondern die Vergebung aller Art wirtschaftlicher Aufträge nach Berlin zu fördern, wird die Bundesregierung vorschlagen, zur Förderung von Bezügen aus den Westsektoren von Berlin Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen bis zum Betrage von 50 Millionen D-Mark nach Richtlinien zu übernehmen, denen der Ausschuß Berlin des Deutschen Bundestags zugestimmt haben wird. Der IndustrieAusschuß West-Berlin wird im Benehmen mit dem Magistrat dem Bundesminister für Wirtschaft einen Entwurf solcher Richtlinien vorlegen; damit übernimmt die Bundesrepublik die Deckung des von der Wirtschaft vielfach im Warenverkehr befürchteten politischen Risikos, das ein Hemmnis für die Erteilung von Aufträgen nach Berlin gewesen ist. Der Bundesminister der Finanzen wird wegen der Art der Garantieleistungen mit der Bank deutscher Länder sofort ins Benehmen treten.
    3. Der Bundesminister der Finanzen hat sich auch zur besonderen Förderung und zur Gestaltung eines Anreizes, Waren aus Berlin zu beziehen, bereit erklärt und wird eine Gesetzesvorlage einbringen, die dem Bezieher von Waren aus Berlin ermöglichen soll, die Waren umsatzsteuerfrei in den Verkehr zu bringen. Der Magistrat Berlin hat außerdem um die Ermächtigung nachgesucht, bei bestimmten Steuern an Berlin Steuererleichterungen zu gewähren mit dem Ziel, die Produktion und den Absatz von Waren nach dem Gebiet der Deutschen Bundesrepublik zu erleichtern und zu fördern. Diese Steuerermächtigungen sollen im Benehmen und im Einverständnis mit dem Bundesminister der Finanzen erteilt werden. Dieser hat sein Einverständnis von vornherein dafür gegeben, daß alle Steuererleichterungen, die in dem Gebiet der Deutschen Bundesrepublik heute bereits bestehen und in Berlin noch nicht in Kraft sind, auf Berlin übernommen werden. Durch diese Maßnahmen soll auch ein besonderer Anreiz für Investitionen in Berlin und dafür geschaffen werden, daß Betriebe, die aus Berlin herausverlegt worden sind, wieder nach Berlin zurückkehren.


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    4. Der Bundesminister für Wirtschaft wird vorschlagen, aus Gegenwerten der Europa-Hilfe sobald als möglich für Investitionen in Industrie, Handel und Handwerk einen Betrag von 40 Millionen, für Wohnungsbauvorhaben einen Betrag von 50 Millionen D-Mark zur Auszahlung zu bringen.
    5. Die vom Magistrat beim Deutschen Kohlenverkauf in Anspruch genommenen Kredite für die Kohlenbevorratung, die von alliierter Seite für Berlin angeordnet war, in Höhe von 37 Millionen D-Mark sollen möglichst bis zum Beginn des nächsten Haushaltsjahrs dadurch finanziert werden, daß der Magistrat Berlin dem Deutschen Kohlenverkauf Handelswechsel unter gleichzeitiger Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft zur Verfügung stellt und daß die Bank deutscher Länder diese Wechsel diskontiert und einmal prolongiert.
    Der Magistrat verpflichtet sich dagegen, alle Erlöse, die aus dem Verkauf dieser Kohlenvorräte erzielt werden, ohne Einschränkung zur Abdeckung des Kredits zu verwenden. Der Bundesminister der Finanzen wird mit der Bank deutscher Länder sofort ins Benehmen treten mit dem Ziel,
    die endgültig. Abdeckung des nach Abzug derartiger Verkaufserlöse verbleibenden Betrags durch
    einen Kredit zu ermöglichen, der dann im Haushalt 1950/51 der Bundesrepublik einzusetzen wäre.
    6. Der Magistrat Berlin beabsichtigt, die sogenannten Uraltkonten, also die Spar- und Girokonten, die im Mai 1945 durch die sowjetische Besatzungsmacht gestrichen worden sind, ähnlich der Umstellung, die in Westdeutschland für Konten dieser Art bereits geschehen ist, mit 5 Prozent aufzuwerten. Die Rückzahlung des aufgewerteten Betrags soll bei Girokonten auf 3 Jahresraten und bei Sparkonten auf 5 Jahresraten verteilt werden. Die so entstandenen Forderungen sollen mobilisiert und in Form von Investitionskrediten der Berliner Wirtschaft zugeführt werden. Der erforderliche Bedarf für das erste Jahr ist dabei bei Girokonten mit 60 Millionen D-Mark, bei Sparkonten mit 14 Millionen D-Mark veranschlagt. Es sollen jedoch nur solche Guthabenbesitzer berücksichtigt werden, die ihren Wohnsitz und ihren Geschäftssitz in den Westsektoren von Berlin haben. Zu diesem Jahresbedarf von 74 Millionen D-Mark sollen außerdem noch Ausgleichsforderungen an den Berliner Magistrat im Betrage von etwa 100 Millionen D-Mark, über die die Berliner Kreditinstitute bereits verfügen, mobilisiert werden, um mittelfristige Betriebskredite zu gewähren und den Ankauf von Berliner Schuldverschreibungen — Steuergutscheinen — durchführen zu können. Um dies zu ermöglichen, ist eine Rückdeckung bei der Bank deutscher Länder erforderlich. Die Bank -deutscher Länder hat sich bereit erklärt, im Benehmen mit der Zentralbank Berlin diese Frage zu prüfen und sie in den nächsten Tagen bereits zur Entscheidung zu bringen.
    7. Daneben sollen noch die Hohen Kommissare ersucht werden, die Ausstellung von Interzonenpässen für den Reiseverkehr aus dem Gebiet der Bundesrepublik nach Berlin zu erleichtern.
    Das sind die Vorschläge, die die Vertreter der Stadt Berlin gemacht und die die Unterstützung der Bundesregierung gefunden haben.
    Die Bundesregierung darf zusammenfassend die Hoffnung aussprechen, es möchte im gesamten deutschen Volk die Frage Berlin mit demselben Ernst und derselben inneren Wärme betrachtet werden — hoch über allen Parteigegensätzen —,
    wie es im Geiste der Verhandlungen gelegen hat. Die Deutsche Bundesrepublik übernimmt neue Leistungen, sie übernimmt damit Opfer; sie übernimmt sie, weil sie die Opfer, sieht, die die Berliner Bevölkerung um des deutschen Gedankens willen in noch viel höherem Maße zur Zeit trägt und leider noch länger tragen muß. Sie übernimmt diese Opfer, weil sie sich überzeugt hat, daß die Vertreter Berlins den ehrlichen Willen Berlins gezeigt haben, mit der Deutschen Bundesrepublik zusammenzustehen, um diese Hilfsmaßnahmen vor Mißbrauch und Ausnützung zu schützen und denen zugute kommen zu lassen, für die sie bestimmt sind, den braven, tapferen Brüdern und Schwestern in Berlin.

    (Beifall rechts, in der Mitte und bei der SPD.)