Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat sich zu Anfang dieser Woche in sehr großzügiger Weise zum Ruhrstatut geäußert. Er versprach nicht weniger als — wie es heißt — die Anerkennung des Ruhrstatuts zu gegebener Zeit. Zu gegebener Zeit will der Herr Bundeskanzler auch die „Europäisierung der Schwerindustrie in Westdeutschland" durchführen. So großzügig, meine Damen und Herren, ist der Herr Bundeskanzler beim Zustimmen und beim Geben. Europäisierung der Ruhrindustrie, das klingt irgendwie nach Preisgabe deutscher Interessen.
Worum, meine Damen und Herren, geht es beim Ruhrstatut? Das am 28. Dezember 1948 veröffentlichte Ruhrstatut greift in wesentliche Rechte der Selbstbestimmung der deutschen Nation in der Wirtschaft ein.
Die nach dem Ruhrstatut schon geschaffene Ruhrbehörde hat auf unabsehbare Zeit das Recht erhalten, Preise, Quoten und Zölle der Produkte des Ruhrgebietes zu bestimmen und auch Wirtschaftsmethoden der Ruhrwirtschaft zu prüfen. Meine Damen und Herren, bei dem gegenwärtigen Zustand der deutschen Betriebe Wirtschaftsmethoden zu prüfen, scheint uns mehr als nur Kontrolle über Bedeutung und Ausmaß der Produktion, scheint uns ein Eingriff in ursächliche deutsche Souveränitätsrechte zu sein.
Die Ruhrbehörde hat laut Statut ferner das Recht, ihre Kontrolle auch auf, wie es heißt, „andere Regierungsmaßnahmen oder wirtschaftliche Anordnungen, die Kohle, den Koks oder den Stahl der Ruhr berühren", auszudehnen. Damit dürfte zweifellos gemeint sein, daß auch die Lohnpolitik und der Arbeitseinsatz zukünftig von der Ruhrbehörde überwacht werden sollen.
Durch die Anwendung des Statuts kann somit jede Möglichkeit auch einer Einflußnahme auf die Gestaltung der Produktion und somit einer Einflußnahme auf deutsche Außenhandelsinteressen erfolgen. Wir alle wissen, daß unser Volk einen schweren Kampf um die Rückeroberung von Absatzmärkten führen muß, daß dieser Kampf unter den erschwerten Verhältnissen der gegenwärtigen
Wirtschaftskrise stattfindet, unter Verhältnissen, die gekennzeichnet sied durch verstopfte Absatzmärkte. Wir müssen diesen Kampf führen, obwohl wir kaum noch eine Möglichkeit haben — dank des Zwangskurses der D-Mark —, die auswärtigen Absatzmärkte von ehemals für die deutsche Industrie zurückzugewinnen.
Nun bestehen als Hindernisse für die Entfaltung des Exports die Bestimmungen des Ruhrstatuts, nach denen — mit den Vorschriften über Quotierungen und Preisfestsetzungen — weitgehend in deutsche Souveränitätsrechte in der Wirtschaft eingegriffen werden kann. So heißt es in Artikel 8 des Statuts:
Eine grundsätzliche Aufgabe der Ruhrbehörde ist die Aufteilung von Ruhrkoks und Stahl zwischen dem deutschen Verbrauch und dem Export, um den Ländern, die nach einem gemeinsamen Wirtschaftsplan arbeiten, angemessenen Zutritt zur Belieferung mit diesen Produkten zu verschaffen,
— „angemessenen Zutritt zur Belieferung mit diesen Produkten zu verschaffen", meine Damen und
Herren, ohne daß dabei im wesentlichen nach
deutschen Interessen gefragt wird.
Sofern es sich um Zuteilungen handelt, sollen ferner Mindestmengen, Qualitäten bzw. Typen festgelegt werden.
Die Ruhrbehörde wird somit jederzeit in der Lage sein, die deutsche Exportindustrie durch Abschnürung der Kohle- und Stahlzuteilungen abzudrosseln. Stellen Sie sich irgendeinen Fertigungsbetrieb im Ruhrgebiet, in Bochum oder Essen oder Dortmund vor. Dort kann, wenn die Ruhrbehörde es will, willkürlich eingegriffen werden, dort können die Typen, die Preise, die Fertigungen von der Ruhrbehörde festgelegt werden. Und nun denken Sie einmal an die augenblickliche Weltwirtschaftslage: einen verzweifelten Kampf aller Interessenten um den größtmöglichen Absatz werden Sie feststellen müssen! Was, meine Damen und Herren, bleibt bei solchen Bestimmungen noch vom deutschen Export, von der deutschen Souveränität übrig?
In diesem Zusammenhang ein Wort zur angeblichen Auflösung der JEIA. Man hat die JEIA formal aufgelöst; ihre Rechte sind an die Hohe Kommission übergegangen. Aber die JEIA lebt weiter in den Bestimmungen des Ruhrstatuts, j a man kann mit den Konkurrenzklauseln des Ruhrstatuts die Anweisungen der JEIA weit wirksamer zur Anwendung bringen als jemals!
Ein hoher englischer Beamter in der Ruhrbehörde hat sich nach der ersten Sitzung in Düsseldorf einmal in aller Ausführlichkeit über den wahren Sinn und Zweck dieser Behörde ausgesprochen. Er erklärte unumwunden, diese Behörde habe das Recht, über die deutsche Industrie zu wachen, und sie habe ferner das Recht, die deutsche Konkurrenz auszuschalten. Eine SPD-Zeitung schloß daran die Bemerkung, bei der Ruhrbehörde handele es sich augenscheinlich um eine Konkurrenzbehörde gegen die deutsche Wirtschaft. Meine Damen und Herren, bei diesem Lichte besehen, muß man davon sprechen, daß die Industrie des Ruhrgebiets gemäß dem Ruhrstatut in eine Zwangsjacke gesteckt werden soll und daß sie angesichts dieser Praxis nicht mehr als deutsches Eigentum anzusehen ist. Dies geht auch aus der Abstimmungsprozedur innerhalb der Ruhrbehörde hervor. Von den fünfzehn. Stimmen der Ruhrbehörde gehören nur drei Deutschland. Der
Hauptbeteiligte, das deutsche Volk, ist somit in jeder Hinsicht an der Wahrnehmung seiner Interessen behindert. Die drei deutschen Stimmen werden aber nun nicht von deutschen Vertretern, sondern sie werden in der Ruhrbehörde gemeinsam von dem Vertreter der Besatzungsmächte wahrgenommen. Das einseitige Stimmen- oder Kräfteverhältnis gibt somit den Kreisen, die in der Ruhrbehörde dank ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit die Führung haben, noch mehr Macht, alle Maßnahmen zu bestimmen, um die Ruhrindustrie dem deutschen Volke zu entfremden. Westdeutschland besitzt damit keinerlei Sicherungen mehr im Hinblick auf eine wirksame Interessenwahrnehmung. Da die drei deutschen Stimmen vorerst von den Besatzungsmächten vertreten werden, sind auf diese Weise unmittelbare deutsche Beschwerden in der Ruhrbehörde ausgeschlossen. So kann es dann auch kommen, daß in Zukunft die Preise für Kohle, Koks, Stahl usw. durch die Ruhrbehörde einseitig unter Nichtbeachtung deutscher Wünsche und Interessen festgelegt werden können.
Der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn dieser Woche — wahrscheinlich auf höhere Weisung hin — einen sogenannten deutschen Beobachter bei der Ruhrbehörde ernannt. Seine Aufmerksamkeit wurde dabei auf den bisherigen Beauftragten der amerikanischen Militärregierung für die Entflechtung der Kohlenindustrie, Herrn Dr. Walter Bauer, hingelenkt, wahrscheinlich auch von einer bestimmten höheren Stelle. Dabei, meine Damen und Herren, ergeben sich recht eigentümliche Verhältnisse. Es ist dies überhaupt eine recht eigentümliche Praxis, so scheint es uns. Bei der Ruhrbehörde handelt es sich um eine Einrichtung, die über die deutsche Wirtschaft wacht, die das Recht des Eingreifens in wichtige Fragen der deutschen Wirtschaft hat, und ich denke, es wäre Aufgabe der Regierung gewesen, bei der Auswahl des sogenannten deutschen Beobachters auch einmal das Parlament zu befragen.
Ferner ist es für uns recht eigentümlich, daß man nicht einen deutschen Vertrauensmann, sondern den Vertrauensmann der Amerikaner zur Ausübung dieser wichtigen beobachtenden Funktion in der Ruhrbehörde hinzugezogen hat.
Sie haben anscheinend sehr viel Angst vor diesen Russen. Wir sprechen doch hier von deutschen Interessen und von der Wahrnehmung deutscher Interessen.
Unterlassen Sie doch endlich diesen billigen und wirklich abgeschmackten Ausruf: „die Russen!" Gewöhnen Sie sich endlich einmal daran, die Dinge realer zu sehen. Hier handelt es sich um deutsche Interessen.
Ich stelle ferner die Frage: warum wurden nicht, wie im Statut vorgesehen ist, drei deutsche Vertreter für die Wahrnehmung der deutschen Interessen in der Ruhrbehörde ernannt, und zwar mit Stimmrecht? Meine Damen und Herren, darauf ist nun sehr schnell eine Antwort gegeben: das Ruhrstatut ist kein Statut, das den deutschen Kreisen in der Wirtschaft, den deutschen Parlamenten und der deutschen Regierung das Recht zur Mitbestimmung in den wichtigsten Fragen gibt, sondern das Ruhrstatut ist ein Diktat, das des Besatzungsstatuts würdig ist.
Die Ernennung des Vertrauensmannes der Amerikaner ist deshalb noch besonders interessant, weil der Herr Bundeskanzler bei der Bekanntgabe der Ernennung zur gleichen Zeit auch noch die gefährliche Forderung nach der „Europäisierung der westdeutschen Schwerindustrie" erhoben hat. Was bedeutet denn nun letztlich die sogenannte Europäisierung der Schwerindustrie des Ruhrgebiets? Sie bedeutet erstens nichts anderes als die Preisgabe souveräner Rechte des deutschen Volkes, zweitens die Einfügung der Wirtschaft und der Schwerindustrie des Ruhrgebiets in das Atlantikpakt-Kriegspotential und drittens nichts weniger und nichts anderes als die Verschacherung der deutschen Arbeitskraft, der Arbeitsleistung des Ruhrarbeiters an die Interessen der amerikanischen und englischen Rüstungsspezialisten.
Schon 1947 hat ein führender amerikanischer Politiker, John Foster Dulles, einen von den amerikanischen Monopolisten wärmstens begrüßten sogenannten Ruhrplan entwickelt und diesen der amerikanischen Regierung unterbreitet. Nach diesem Ruhrplan sollte die westdeutsche Schwerindustrie als Herzstück einer WesteuropaUnion organisiert werden. Ferner dachte schon damals dieser prominente Amerikaner daran, nach der Einordnung der westdeutschen Schwerindustrie in die sogenannte Westeuropa-Union auch noch die Gebiete Lothringens, Luxemburgs und Belgiens folgen zu lassen, damit dann die Amerikaner völlig souverän über die gesamte westeuropäische Schwerindustrie bestimmen können.
Das Konzept des außenpolitischen Beraters von Präsident Truman, John Foster Dulles, hat nunmehr auch in Westdeutschland die gewünschten deutschen Fürsprecher gefunden. Die Amerikaner vermögen nun ihr europäisches Empire mit der Ruhrindustrie als Mittelpunkt aufzubauen, das heißt natürlich nur dann, wenn diese Pläne des Herrn Bundeskanzlers verwirklicht werden. Das deutsche Volk, das seine nationalen Interessen in der Wirtschaft verteidigt, wird dieser Konzeption der amerikanischen Monopole und jetzt auch der Herren Adenauer und Arnold niemals zustimmen können. Wenn sich das deutsche Volk dem Ruhrstatut beugen würde, würden damit die Vertreter der ausländischen Monopolinteressen auf unabsehbare Zeit exterritoriale Rechte in der deutschen Wirtschaft genießen, die mit der Würde des deutschen Volkes unvereinbar sind. Meine Damen und Herren, wenn Buchstabe und Geist des Ruhrstatuts zur Anwendung kommen sollten, würden wir nicht mehr von souveränen Rechten des deutschen Volkes in der Wirtschaft sprechen können. Wir müßten dann um der Wahrheit willen von kolonialen Zuständen sprechen. Gott sei Dank, kann man sagen, ist das Ruhrgebiet und ist Westdeutschland nicht Shanghai! Gott sei Dank, kann man hinzufügen, mußten die Imperialisten inzwischen in Shanghai ihre Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen aufgeben. Ich bin davon überzeugt, daß auch das deutsche Volk genügend politischen Instinkt besitzen wird, um alle Angriffe auf die Wirtschaftskraft des Ruhrgebiets und die Schwerindustrie Westdeutschlands abzuwehren. Das Ruhrgebiet ist Herzstück der deutschen Wirtschaft, ist Kraftquelle des deutschen Wiederaufbaus und muß für alle Ewigkeit Eigentum des deutschen Volkes sein und bleiben.
— Reden Sie doch nicht immer von anderen Dingen, reden Sie doch von dem, was uns hier hinsichtlich des Ruhrgebiets droht!
Jede Regierung oder jede Wirtschaftsgruppe, die es wagen sollte, dieses Eigentum des deutschen Volkes dem internationalen Schacher preiszugeben, muß sich sagen lassen, daß sie damit deutsche Interessen preisgibt.
Meine Damen und Herren, es ist eine Frage der Vernunft, aber auch eine Frage der Zukunft unseres Volkes und der deutschen Wirtschaft, daß alle Parteien des Hauses und das deutsche Volk selbst klare Stellung zum Ruhrstatut beziehen müssen. Es ist die Auffassung fast aller deutschen Menschen, daß wir mit den Statuten in Deutschland endlich einmal Schluß machen müssen, daß wir statt des Ruhrstatuts oder auch des Besatzungsstatuts einen Friedensvertrag erhalten müssen. Wir müssen auch volle Souveränität über unsere Wirtschaft haben. Wir brauchen ferner einen Rechtszustand in Deutschland, der es gestattet, daß sich die deutsche Wirtschaft frei und ungehindert von unberechtigten Kontrollen und Eingriffen durch Bestimmungen irgendeines Statuts entwickelt. Im Interesse der Entwicklung der deutschen Wirtschaft muß auch mit jeglicher Diskriminierung und jeglicher einseitigen, aus Konkurrenzgründen herrührenden Überwachung der deutschen Wirtschaft Schluß sein.
Nach dem Ruhrstatut gibt es jedoch eine sogenannte Sicherheitsbehörde, deren erste Praxis schon zeigt, daß diese Sicherheitsbehörde sehr wenig Wert darauf zu legen scheint, wirkliche Erscheinungen einer echten Kriegsproduktion aufzuspüren, sondern daß sie viel mehr Wert darauf legt, bestimmte Produktionsmethoden der westdeutschen Industrie zu ergründen, um über diese angebliche „Kontrolle aus Sicherheitsgründen" der deutschen Wirtschaft ernsthaften Schaden zuzufügen. Wir fordern daher die Regierung auf, im nationalen Interesse zu handeln und das Ruhrstatut nicht anzuerkennen.
Die Frage der Anerkennung des Ruhrstatuts wird über kurz oder lang auch hier in diesem Hause zur Debatte stehen. Dann müssen alle Parteien und dann muß auch die Regierung Farbe bekennen. Solche Ausflüchte: Wir werden das Ruhrstatut nur dann anerkennen, wenn zugleich die westdeutsche Industrie europäisiert wird, führen uns nicht dahin, wohin wir kommen müssen: zur vollen Souveränität für die deutsche Wirtschaft. Wir bitten Sie darum, unserem Antrag Nr. 5 Ihre Zustimmung zu geben.