Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die ganzen Verhandlungen über die Heimatvertriebenen ist heute der Gedanke geklungen, es solle möglichst vermieden werden, Menschen zweiter Klasse zu schaffen, besondere Gruppen oder Klassen neu zu bilden. Ich glaube, daß wir alle einig waren, dem solle entsprochen werden. Nur sehe ich allerdings in dem Antrag der CDU/CSU und in der Formulierung des Ausschußantrages Drucksache Nr. 93 nicht ganz den Weg, auf dem das erreicht werden kann. Der Bund besitzt bisher noch keinen Stellenplan. Wenn nun so formuliert wird wie in der Drucksache Nr. 93, wonach die Bundesregierung ersucht wird, bei dem Aufbau der Bundesbehörden Heimatvertriebene bevorzugt zu berücksichtigen, und wenn wir hören, daß etwa 3500 Beamte gebraucht werden, dann heißt das doch diesem Wortlaut nach: es kommen nicht etwa zusätzlich zu schon vorhandenen Beamten neue hinzu, die vor allem aus den Heimatvertriebenen genommen werden sollen, sondern daß sämtliche Beamte, die jetzt neu eingestellt werden, den Heimatvertriebenen entnommen werden sollen. In dieser Form kann man den Antrag meiner Ansicht nach nicht annehmen.
Wenn in dem Antrag der CDU, Drucksache Nr. 29, außerdem die bevorzugte Unterbringung der heimatvertriebenen Beamten in den Ländern verlangt wird, so muß ich darauf hinweisen, daß doch der Flüchtlingsausgleich vorangehen muß. Ganz abgesehen von Zuständigkeitsfragen kann man nicht verlangen, daß nunmehr bei Einstellung in den Ländern zunächst Flüchtlinge genommen werden, so daß ein etwaiger späterer allgemeiner Ausgleich unmöglich wird. Also ich kann mir nicht denken, daß der Antrag in dieser Form akzeptabel ist.
Ferner ist in dem Antrag nichts gesagt, daß etwa auch Heimkehrer, Spätheimkehrer oder Entnazifizierte, die völlig zu Unrecht noch keine Anstellung gefunden haben, auch entsprechend behandelt werden sollen. Nach diesem Wortlaut müßten Spätheimkehrer zurückgestellt werden.
— Ich sage: wir müßten das neu formulieren und
in den Ausschuß zurückverweisen. Wir verstehen
zum Beispiel durchaus eine Maßnahme, wie sie Herr Goetzendorff vorgeschlagen hat, daß 15 Prozent der Beamten in den neuen Bundesverwaltungen aus den Flüchtlingen genommen werden sollen. Wir betrachten das als eine geradezu selbstverständliche Minimalforderung. Aber in der Form des Antrags scheint mir das praktisch nicht realisierbar zu sein. -
Man muß hier auch — wenn alle Parteien sich schon darin einig sind, für die Flüchtlinge etwas zu tun — ein Wort sagen zugunsten der alteingesessenen Bevölkerung, deren Beamte und deren Heimkehrer noch auf der Straße liegen und die durch eine solche Formulierung vor den Kopf gestoßen wird.
Also wir wollen alles tun, um die Flüchtlinge verhältnismäßig gleichberechtigt mit der alteingesessenen Bevölkerung zu behandeln. Aber diese Formulierung „bevorzugt" halte ich nicht für richtig. Gleichberechtigt! Verhältnismäßig! Gerecht!
Deshalb bitte ich, den Antrag erneut an den Ausschuß zu verweisen, um eine bessere Formulierung zu finden.