Rede von
Carl
Wirths
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich bin über zwei Punkte, die in der Begründung angeführt worden sind, außerordentlich befriedigt. Ich möchte das vorweg feststellen. Das, was der Herr Abgeordnete der SPD hier über den sozialen Wohnungsbau und insbesondere über die Definition des sozialen Wohnungsbaues erklärt hat, ist durchaus richtig; darüber bestanden aber bisher in der Öffentlichkeit und auch in den beteiligten Kreisen außerordentlich große Zweifel.
— Richtig! Man dachte sich unter sozialem Wohnungsbau in der Öffentlichkeit und auch bei vielen Beteiligten die Herstellung dieser Wohnungen nur durch gemeinnützige Genossenschaften. Ich bin befriedigt, daß der Herr Begründer des Antrags erklärt hat, daß darunter die Art der Wohnung, eine bestimmte Größe und eine bestimmte Miete zu verstehen sind, wobei alle drei Punkte ein Höchstmaß nicht überschreiten sollen. Ich bin aber andererseits der Auffassung, daß früher, auch vor 1933, die private Wohnungswirtschaft in weitem Umfange gerade solche Wohnungen erstellt hat, und zwar mit tragbaren Mieten. Ich erinnere an die Ära der Hauszinssteuer, wo ja jeder Privatmann, der kleine Wohnungen bauen wollte und sie mit Hauszinssteuermitteln finanziert bekam, eine Mietberechnung einreichen mußte, und wenn die Miete zu hoch war, bekam er eben keine Mittel dafür. Insoweit ist das nicht richtig.
Wenn andererseits im Antrag der KPD erklärt worden ist, daß man nur 40 % der Besatzungskosten zu nehmen und eine Sonderabgabe auf Bar- und Sachvermögen sowie 5 % von den Gesamteinnahmen des Bundes zu erheben brauche, so kann ich dazu nur sagen: das wäre ja sehr einfach, und dann wären wir alle glücklich; denn dann könnten wir das von heute auf morgen machen. Aber so einfach ist es nicht.
— Wo wollen Sie denn 40 % der Besatzungskosten herkriegen? Wie wollen Sie bestimmen, daß 5 % der Gesamteinnahmen des Bundes für den Wohnungsbau verwendet werden? Das sind ja, ich möchte sagen, Mätzchen. Und wenn Ihr Herr Paul darauf hingewiesen hat, daß hier in den Westzonen eine ganze Reihe von gewerblichen Bauten, luxuriösen Ladenbauten usw. errichtet worden ist, dann möchte ich ihn bitten, doch einmal zur Ostzone zu sehen und festzustellen, wieviel Parteibauten da entstehen. Wenn seit dem Winter des vergangenen Jahres diese gewerblichen Bauten hier nicht errichtet worden wären, wäre die Arbeitslosigkeit noch größer. Sie können doch von den Geschäftsleuten, die dringend einen Laden brauchen oder ihre Fabrik erweitern müssen, nicht verlangen, daß sie sich das Geld für den Wohnungsbau wegnehmen lassen. Mit demselben Recht und mit einem viel größeren Recht können Sie verlangen, daß die übergroßen Verwaltungen in allen Stufen, in den Gemeinden, den Ländern und im Bund, abgebaut werden; da werden Sie eher Mittel herausholen können!
— Herr Renner, die Ministergehälter machen das nicht aus.
Wenn Sie dagegen in einer Landesverwaltung feststellen, daß soviele Ressorts bei einem Landesministerium bestehen, und dort anfangen abzubauen, dann erbringt die Ersparnis nicht das bißchen Gehalt der oberen Beamten, sondern die Aufgaben, die den Gemeinden auferlegt werden, fallen weg, und die Ersparnis tritt in erster Linie auf der Ebene der Gemeinden ein. Das ist das Entscheidende.
Meine Damen und Herren, es dreht sich bei dem Problem letzten Endes um die Finanzierung. Ich bin mit dem Herrn Kollegen von der SPD durchaus der Meinung, daß die Kapazität der Bauwirtschaft für den Bau von 250 000 Wohnungen vorhanden ist bzw. erreicht werden kann. Ich weise nur darauf hin, daß wir in den Zementwerken relativ geringe Zerstörungen haben. Die Kapazität kann wesentlich gesteigert werden. Wir haben Schwierigkeiten, wir haben Engpässe — ich denke nur an Holz und ähnliche Stoffe —; aber die werden sich überbrücken lassen. Die Schwierigkeit liegt in der Beschaffung des Geldes. Und wieviel Projekte über Geldbeschaffung haben wir vorliegen! Deren Zahl ist ja Legion. Wir haben Wohnungsbauabgaben bereits in verschiedenen Ländern. Wir haben Wohnraumabgaben, wir haben einen Wohnbaugroschen, wir haben einen Sportgroschen. Wir haben Vorschläge über Lotterien; teils sind sie eingeführt, teils sind sie nicht bewilligt worden. Aber das bringt letzten Endes nicht viel. Es ist sehr zu überlegen, ob wir überhaupt die Finanzierung durchführen sollen, indem neue Zwecksteuern geschaffen werden, nachdem die Regierung versprochen hat, daß demnächst eine Steuerreform kommen soll.
Weiter ist der Vorschlag gemacht worden — ich weiß nicht, ob er in einzelnen Ländern verwirklicht worden ist —, die Altmiete, das heißt die Miete der Häuser, die vor 1924 gebaut worden sind, an die Neumiete, das heißt an die Miete in den Häusern, die nachher gebaut worden sind, anzugleichen.
— Ja, es war dort angedeutet. Das ist ein Weg, den man gehen kann. Das hat aber zur Voraussetzung, daß das ganze Mietenproblem von A bis Z aufgerollt wird. Es ist nicht möglich, die Mieten ohne weiteres zu erhöhen, aus dem einfachen Grunde nicht, weil es heute einem großen Teil der Bevölkerung schwer wird, die Miete auch in Altwohnungen zu zahlen, während andererseits eine ganze Reihe von Mietern, die viel verdienen, in billigen Wohnungen lebt. Sie haben Hunderte und Tausende von vollkommen verarmten Hausbesitzern, deren Wohnungen von Mietern bewohnt sind, denen es wirtschaftlich viel besser geht. Es würde aber zu weit führen, das Problem im einzelnen zu besprechen. Allerdings glaube ich, daß es in die Gesamtberatungen einbezogen werden muß.
Es ist davon gesprochen worden, daß man den Sparern einen neuen Anreiz geben müsse. Vielleicht kommt der Anreiz dadurch, daß die Regierung nun eine etwas bessere Aufwertung der alten Sparguthaben herbeiführen will. Aber alle diese Dinge bedeuten ja letzten Endes nur, daß man aus dem Gesamtvolumen des verfügbaren Geldes bei irgendwelchen Ausgaben etwas abstreicht und dies dem Wohnungsbau zuteilt. Die große Frage ist, ob das in dem Umfange möglich ist, der gefordert werden muß.
Ich möchte nur andeutungsweise auf den neuen Weg hinweisen, der in einer Denkschrift der vorläufigen Hauptwirtschaftskammer des Landes Rheinland-Pfalz aufgezeigt ist. In dieser Wirtschaftskammer sitzen 13 Leute von der Arbeitnehmerseite, 13 von der Arbeitgeberseite und 3 wirtschaftliche Sachverständige, die sich einstimmig diese Denkschrift zu eigen gemacht haben. Der Vorschlag läuft darauf hinaus, eine Initialzündung der Bauwirtschaft dadurch zu erreichen, daß man die Bank deutscher Länder veranlaßt, in einem großzügigen Maße zur Kreditneuschöpfung zu kommen.
Es ist zu überlegen, ob wir nicht diesen Weg mit allen anderen Möglichkeiten zusammenfassen müssen, ja vielleicht diesen Weg zuerst gehen müssen. Der Vorschlag geht auf der einen Seite dahin, daß man aus der Schattenquote die Beträge zur Verfügung stellt und vorfinanzieren läßt. Man kann es da auch so machen, daß die Leute, die ihr Guthaben verloren haben, einen Teil gutgeschrieben bekommen und daß man sie verpflichtet, dafür eine geringe verzinsliche Wohnungsbauanleihe zu zeichnen, die gesperrt ist. Die Leute haben dann die Möglichkeit, jährlich über Zinsen und Tilgung zu verfügen. Man kann auch den andern Weg gehen, der ebenfalls vorgeschlagen worden ist, daß die Bank deutscher Länder entweder für den Bund eine Bundesanleihe lombardiert oder daß man das den Landeszentralbanken im Bereiche der Länder überläßt. Wer das macht, ist ziemlich gleichgültig. Das Interessante an dieser Denkschrift ist zunächst einmal die Mitwirkung von bedeutenden Wissenschaftlern der Volkswirtschaft, insbesondere der Finanzwissenschaft, die deutlich erklären, man dürfe es nicht so machen, wie man es 1931/32 gemacht hat, als man es versäumte, die Arbeitslosigkeit anzupacken; man müsse feststellen, daß wir heute neue volkswirtschaftliche Erkenntnisse hätten und daß man die Fehler, die in der damaligen Theorie der Geldschöpfung steckten, einsehen müsse. Wenn sich diese Auffassung, die von der praktischen Bauwirtschaft durchaus geteilt wird, in den Kreisen, die sich damit zu beschäftigen haben, durchsetzen könnte, also
beispielsweise hier in der Regierung und bei der Bank deutscher Länder, dann, glaube ich, würden wir einen erheblichen Schritt vorankommen. Damit hätte man auch das Problem der rentierlichen und unrentierlichen Baukosten einer Lösung entgegengebracht.
Meine Damen und Herren! Das zweite Problem ist der Zins. Die Miethöhe ist vom Zins abhängig. Es ist ein absoluter Unfug, zu glauben, man könnte heute erste Hypotheken auf die Dauer mit 61/2 Prozent begeben. Das ist nicht möglich, und ich bin der Meinung, daß die Pfandbriefanstalten, die diesen Weg gehen, sich allmählich das eigene Grab graben. Ebenso verwerflich ist, daß, wie es heute geschieht, Kündigungen von Versicherungsgesellschaften und auch von Sparkassen mit dem Ziel ausgesprochen werden, eine höhere Verzinsung zu kriegen. Wir müssen zwischen dem Zins für das Kapital und dem Zins für das Geld unterscheiden. Das sind zwei Dinge, die man trennen muß, und ich bin der Meinung, daß wir durch geeignete Maßnahmen dahin kommen müssen, daß der Zinssatz für die erste Hypothek nicht mehr als 4 Prozent beträgt. Das ist zu erreichen, und da hilft uns der Sparer, der heute sein Geld nicht zu den Sparinstituten bringt, um hohe Zinsen zu bekommen, sondern nur noch für einen bestimmten Zweck spart. Wir müssen das Zwecksparen für den Wohnungsbau fördern.
Dazu gehört natürlich auch, daß der Formularkrieg abgebaut und daß auch das Problem der Trümmerhypotheken gänzlich gelöst wird. Das Problem muß auch einmal nach der technischen Seite betrachtet werden. Wir haben, soviel ich weiß, einen Normenausschuß, der aus Beamten besteht. Wir haben den Normenausschuß vor 1933 gehabt, und er hat ganz gute Arbeit geleistet. Ich bin der Meinung, daß ein neuer Normenausschuß aus Sachverständigen und Praktikern der Bauwirtschaft und der Bauwissenschaft gebildet werden muß. Es hat keinen Zweck, diese Dinge in der Hand von Beamten zu lassen, und wir müssen dahin kommen, daß sich diese Arbeit des Normenausschusses nicht nur in Form von Empfehlungen für die beteiligten Kreise präsentiert, sondern unter Umständen in einem Normengesetz für den Kleinwohnungsbau, das absolut anzuwenden ist. Es ist ein Unfug, daß heute noch ein Dutzend und mehr Arten von Schlössern für Zimmertüren gemacht werden, daß wir heute noch 20 bis 30 verschiedene Sorten von Türdrückern haben. Der Geschmack der Bauherren und auch der Hausfrauen muß da etwas zurücktreten. Ich glaube, wenn wir da einmal die Kräfte aus der Bauwirtschaft einschalten, wird man sich sehr leicht verständigen. Das muß dann aber nachher auch gesetzlich in einem bestimmten Rahmen verankert werden.
— Meine Herren, es ist eben von Planung gesprochen worden. Glauben Sie denn, wir stünden auf dem Standpunkt, daß jeder planlos wirtschaften soll?
Jeder Gemüsehändler, jeder Milchvertreiber macht sich einen Plan über seine Kundschaft und über die Bedienung der Kundschaft.
— Die machen es auch!
Wenn wir hier in dem großen Rahmen eine konstruktive Wohnungsbaupolitik machen, dann ist das Planung. Letztlich ist Politik ja weiter nichts als Planung.
Wenn wir in diesem großen Rahmen der privaten Initiative den Weg freigeben, dann werden wir, wie ich glaube, alle Kräfte herausholen können. Ich glaube, daß nicht allein — ich bin auch in diesem Punkt über das befriedigt, was der Begründer des Antrags erklärt hat — die gemeinnützigen Genossenschaften die Aufgabe lösen können. Das können sie wirklich nicht.
Wir müssen — um hier noch zwei Gedanken in die Debatte zu werfen — ein Bundesaufbaugesetz, das heißt ein Rahmengesetz für den Aufbau der deutschen Gemeinden erhalten. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie die Grundstücksumlegungen vorgenommen werden sollen. Wir müssen die Grundlagen für die Planung überhaupt schaffen und, meine Damen und Herren, uns damit beschäftigen, daß wir auch neue Formen des Eigentums an Wohnungen bringen. Ich erinnere daran. daß seit 1946 die Diskussion über
eine erneuerte Form des früheren sogenannten Stockwerkseigentums — ich möchte es besser Wohnungseigentum nennen — nicht abgerissen ist. Ich bin persönlich ein Befürworter dieses Gedankens. Aber da sind Leute vom Zentraljustizamt in Hamburg nach Württemberg gefahren und haben sich diese mittelalterlichen Häuser angesehen. Sie glaubten, daß wir das so wollten. Das ist nicht der Fall. Die Leute haben vergessen, daß in den letzten zehn bis zwanzig Jahren nahezu sämtliche europäischen Staaten ein modernes Gesetzgebungswerk über dieses Problem geschaffen haben. Wenn Sie etwa nach Brüssel gehen, werden Sie feststellen, daß nahezu 90 Prozent aller Wohnungen, die von dem privaten Markt erstellt sind, mit Hilfe dieser Konstruktion errichtet worden sind. Das führt dazu, daß sich die Kräfte des einzelnen auf das Problem konzentrieren. Meine Damen und Herren, wenn wir nicht alle Quellen erschließen, wenn wir nicht alle materiellen und alle technischen und wissenschaftlichen Mittel einsetzen und alle Möglichkeiten der Bauträgerschaft, sowohl der gemeinnützigen als auch der privaten, ausnutzen, werden wir das Problem nicht meistern. Wenn irgend etwas zu tun ist, dann ist es hier die Zusammenfügung aller Kräfte.