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ID0101207200

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    Deutscher Bundestag - 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Oktober 1949 259 12. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Oktober 1949. Geschäftliche Mitteilungen . . 260A, 269B, 506D Niederlegung des Mandats durch die Abgeordneten Dr. Amelunxen u. Dr. Hilpert 260B Ausscheiden des Abgeordneten Dr. Dorls aus der Gruppe der Nationalen Rechten . 260B Interfraktioneller Antrag, betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 112) 260B, 267D Erste Beratung des Amnestiegesetzes (Antrag der Zentrumsfraktion, Drucksache Nr. 17) 260C Dr. Reismann (Z), Antragsteller . 260C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 262A Kiesinger (CDU) . . . . . 262C, 263C Dr. Arndt (SPD) 262D Erste Beratung des Gesetzes über Bundesfarben und Bundesflagge (Antrag der Zentrumsfraktion, Drucksache Nr. 25) . 263C Dr. Reismann (Z), Antragsteller . 263D Farke (DP) 264C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 265C Kiesinger (CDU) . . . . . . . 266B Interfraktioneller Antrag, betr. Ausschluß der Öffentlichkeit bei Ausschußberatungen (Drucksache Nr. 113) 268A Dr. von Brentano (CDU), Antrag- steller 268A Renner (KPD) . . . . . . . . 268B Antrag der Fraktion der DP, betr. Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Drucksache Nr. 43) . 269C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 269C Richter (SPD) 269D Arndgen (CDU) 270A Dr. Wellhausen (FDP) . . . . . 270B Antrag der Fraktion der DP, betr. Kündigungsschutz für ältere Angestellte (Drucksache Nr. 37) 270C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 270D, 271D, 272A, B Blank (CDU) 271A, B, 272A Richter (SPD) . . . . . . . . 271B Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 271C Dr. Schäfer (FDP) 271C Antrag der Abg. Ollenhauer und Gen., betr. Heimarbeitsgesetz (Drucksache Nr. 75) 272B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 272B Karpf (CDU) 272D Antrag der Abg. Ollenhauer und Gen., betr. Mutterschutzgesetz (Drucksache Nr. 79) 273A Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstellerin 273 A Frau Niggemeyer (CDU) 273B Storch, Bundesminister für Arbeit 273C Frau Thiele (KPD) . . . . . . 273D Frau Kalinke (DP) . . . . . . 273D Anträge der Fraktionen der KPD und der DP und der Abg. Ollenhauer und Gen., betr. sozialen Wohnungsbau (Drucksachen Nr. 10, 39 und 73) . . . . . . . . 274A Paul (KPD), Antragsteller 274B Frau Kalinke (DP) . . . . . . 275C Stierle (SPD) 275D Wirths (FDP) 277C Etzel (CDU) . . . . . . . 2'79D, 284C Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 282B Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 283A Anträge der Fraktion der CDU/CSU, der Abg. Ollenhauer u. Gen., der Abg. Goetzendorff u. Gen. und der Fraktion der BP, betr. Heimatvertriebene, Flüchtlinge und in Polen und in der Tschechoslowakei lebende Deutsche (Drucksachen Nr. 61, 74, 77, 88 und 78) . . . . . . . . 284D Ollenhauer (SPD) (zur Geschäftsordnung) 284D Kuntscher (CDU), Antragsteller . 285A Reitzner (SPD), Antragsteller . . 286D Unterbrechung der Sitzung . 288B Dr. Ziegler (BP) 288C, 289C Goetzendorff (WAV) . . . . . 288D Dr. Trischler (FDP) 291A Müller, Oskar (KPD) 293C Albertz, Niedersächsischer Minister für Flüchtlingswesen . . . . . . 295A Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 295D Krause (Z) . . . . . . . . . 296A Clausen (SSW) 299A Donhauser (BP) . . . . . . . 299B Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen . 300B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, betr. bevorzugte Einstellung von Heimatvertriebenen beim Aufbau d. Bundesbehörden (Drucksachen Nr. 29 und 93) 301A Höfler (CDU), Berichterstatter . 301B Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 301C Dr. Kather (CDU) 302D Antrag der Fraktion der KPD, betr. Ruhrstatut (Drucksache Nr. 5) . . . . . . . 302C Rische (KPD), Antragsteller . . . . 302C Antrag der Fraktion der KPD, betr. Besatzungskosten (Drucksache Nr. 8) . . . 304D Rische (KPD), Antragsteller . . . . 304D Antrag der Fraktion der CDU/CSU, betr. Maßnahmen für im Ausland zurückgehaltene Deutsche (Drucksache Nr. 60) . . 306C Nächste Sitzung 306D Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Georg Stierle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Meine Fraktion erstrebt mit dem Ihnen vorliegenden Antrag die Fixierung eines Termins,


    (Stierle)

    bis zu welchem die Regierung einen Gesetzentwurf zur Förderung und Ordnung des sozialen Wohnungsbaues vorlegen soll. Ich kann mir alle Ausführungen über die Größe der Wohnungsnot und die daraus erwachsenden Folgen ersparen. Auch Ihnen gehen ständig Eingaben von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen zu, die Ihnen diese Not mit bewegten Worten schildern. Auch Sie hören ständig die Hilferufe und Notschreie. Wir können uns dieser ernsten Lage gegenüber nicht passiv verhalten. Der Wohnungsbau muß heraus aus dem Stadium der Improvisationen. Es ist nicht länger möglich, daß fast ausschließlich für diejenigen gebaut wird, die — zum Teil erhebliche — Baukostenzuschüsse aufbringen können. Ich meine, daß ein solcher Zustand auch dem sozialen Charakter der Regierungspolitik auf das stärkste widerspricht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Eile tut not, meine Damen und Herren, um so mehr, als wir den beängstigenden widersinnigen Zustand zu verzeichnen haben, daß angesichts eines Riesenbedarfs an Millionen Wohnungen zur gleichen Zeit 160 000 Bauarbeiter feiern müssen. Das Ziel unseres Antrags ist, bis zum Beginn der Bausaison im kommenden Frühjahr alle Vorbereitungen zu treffen, damit dann auch wirklich großzügig und erfolgversprechend angefangen werden kann.
    Hierfür steht uns ein knappes halbes Jahr zur Verfügung. Wir müssen also schnell vorankommen. Nach der Statistik fehlen rund 5 Millionen Wohnungen, ungerechnet den Bedarf, der durch die Neugründung von Haushaltungen hinzukommt. Daraus ergibt sich, daß nur großzügigster Wohnungsbau hier wirksam Abhilfe schaffen kann. Ich hoffe, daß Sie mit mir einig sind, wenn ich sage: man kann die Lösung dieser Aufgabe nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Wir haben kein Vertrauen zu den „Erfolgen" der sozialen Marktwirtschaft. Die besorgniserregende Entwicklung zum Beispiel der Kartoffelpreise und die noch vollkommen offene Frage, wie etwa der Arbeitslose oder der Empfänger von Sozialunterstützung in diesem Jahre seine Kohlen und Kartoffeln in den Keller bekommen soll, geben unserem Mißtrauen erneute Nahrung.
    5 Millionen Wohnungen ist eine so große Zahl, daß das Ziel nur in verhältnismäßig langer Zeit erreicht werden kann. Wir müssen also Etappenziele ins Auge fassen. Unser Antrag sieht demgemäß vor, als Nahziel zu setzen, daß zumindest 250 000 Wohnungen im Jahre errichtet werden. Vielleicht gelingt es, in späteren Zeiten schneller voranzukommen. Wir glauben, daß dieses Ziel von 250 000 Wohnungen durchaus erreichbar ist. Nach der Statistik des Vereinigten Wirtschaftsgebietes befanden sich Anfang 1949 rund 190 000 Wohnungen im Bau. Rechnen Sie die französische Zone ein und die in der Zwischenzeit angelaufenen Maßnahmen, so kommen Sie auf etwa 220 000 Wohneinheiten. Daraus ergibt sich, daß die Kapazität der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie mit diesem Ziel von 250 000 Wohnungen durchaus zu vereinbaren ist, besonders wenn ich noch einmal daran erinnere, daß zu gleicher Zeit 160 000 Arbeiter des Baufachs feiern müssen.
    Nun noch einige Bemerkungen zu dem, was wir bei dem geforderten Gesetz für notwendig halten. Zunächst ein Wort zu den Mietpreisen. Wir können nicht umhin, den Mietpreis in unlösbarem
    Zusammenhang mit den Lebenshaltungskosten und den Einkommen zu sehen. Es wird teilweise verlangt, die Mieten für Neubauwohnungen freizugeben oder zumindest die sogenannte Kostenmiete anzuerkennen. Wir sind der Auffassung, daß bei den derzeitigen Herstellungskosten und den hohen Kapitalkosten Mieten herauskämen, die für den Bezieher eines durchschnittlichen Einkommens nicht mehr tragbar wären. Unsere Forderung geht daher dahin, daß die Mieten zumindest im sozialen Wohnungsbau weiterhin an die durchschnittlichen Mieten für Wohnungen gleicher Größe und Ausstattung wie in den letzten Jahren vor dem Krieg gebunden bleiben. Solange das Realeinkommen der Masse der Bezieher durchschnittlicher Einkommen sich nicht wesentlich bessert, kann an eine Veränderung der Mietpreise nach oben nicht gedacht werden.
    Wir haben allerdings keine Bedenken, die Mieten freizugeben für Wohnungsbauten, die nicht öffentlich gefördert werden. Die Folge wird zwar ein sehr unterschiedliches Mietenniveau — unterschiedlich zwischen frei finanzierten und sozialen Wohnungsbauten — sein; dafür haben wir aber dann den Vorteil, die private Initiative eingeschaltet zu haben, und in gewisser Weise erreichen wir vielleicht eine Entlastung des Wohnungsmarktes, wenn diejenigen, die es sich leisten können, derart teuere Wohnungen beziehen. Vielleicht steckt in dieser Freigabe auch ein gewisses Risiko der Kapitalfehlleitung und der Zusammenbrüche, wenn dieser Kreis der Bessergestellten falsch geschätzt wird oder nicht konstant bleibt.
    Über das, was unter sozialem Wohnungsbau verstanden werden soll, werden wir uns wohl sehr schnell verständigen können. Eine gute Basis hierfür bietet die Bekanntmachung der obersten Baubehörde im bayrischen Innenministerium vom Februar 1949. Dort werden als wesentliche Merkmale des sozialen Wohnungsbaues Art und Größe der Wohnung sowie der Mietpreis bezeichnet. Ich kann und will das jetzt hier nicht im einzelnen ausführen, es läßt sich auf die kurze Formel bringen: kleine und billige Wohnungen.
    Wir sind uns wohl auch darüber einig, für wen ausschließlich der soziale Wohnungsbau betrieben werden muß. Dies ergibt sich eigentlich schon aus den Begriffsbestimmungen, die ich kurz angedeutet habe: für alle, die. der Sozialversicherungspflicht unterliegen oder diesem Personenkreis ihrem Einkommen nach gleichstehen. Wenn für diesen Kreis gebaut wird, dann kann es uns ganz einerlei sein, ob der Bauherr ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder ein privater Grundstücksbesitzer oder eine sonstige juristische Person ist. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft erstrebt keinen Monopolanspruch auf die öffentlichen Mittel oder auf sonstige Förderungsmaßnahmen. Wir müssen aber billigerweise fordern, daß dort, wo diese Mittel oder Förderungsmaßnahmen beansprucht werden, auch die noch in Gesetzesform zu bringenden Mindestbedingungen des sozialen Wohnungsbaus akzeptiert und eingehalten werden.

    (Sehr wahr!)

    Wir wären sehr befriedigt, wenn sich der soziale Charakter der Marktwirtschaft, die von der Regierung praktiziert wird, in der Weise manifestieren würde, daß sich auch unter den skizzierten Begriffsmerkmalen des sozialen Wohnungsbaus recht viel privates Kapital in diesem


    (Stierle)

    investieren würde. Ich muß Ihnen aber leider gestehen, daß ich in dieser Beziehung sehr skeptisch bin,

    (Zuruf in der Mitte: Abwarten!)

    weil meines Erachtens die Möglichkeit einer solchen Investierung privaten Kapitals im sozialen Wohnungsbau in der Vergangenheit bereits bestanden hat, aber wohl aus Gründen zu geringer Rendite nicht benutzt wurde.
    In bezug auf die Finanzierung interessieren uns bei dem Gesetzentwurf, der uns vorschwebt, in der Hauptsache die Mittel, die dazu dienen müssen, den unrentierlichen Teil der Baukosten zu finanzieren. Wir fordern, daß diese öffentlichen Mittel als zinslose Tilgungsdarlehen gegeben werden. Es kann unter gar keinen Umständen in der Weise weitergehen, wie es einzelne Behörden oder öffentliche Kapitalgeber bereits getan haben, daß sie solche öffentlichen Mittel zu 6 bis 61/2 Prozent ausleihen mit der Begründung: wir haben keine Ursache, unser Geld zu verschenken! Sie passen sich also dem allgemeinen Kapitalmarkt an. So kann und darf es nicht gehen. Hier muß einheitlich durchgegriffen werden. Tragbar ist ein Tilgungssatz von 1 Prozent. Aber grundsätzlich muß gefordert werden, daß die öffentlichen Mittel, die zur Deckung der unrentierlichen Kosten dienen müssen, zinslos gegeben werden.
    Es geht darum, meine Damen und Herren, durch eine rechtzeitige und langfristige Planung die Bereitstellung der Mittel zu sichern, die für die Durchführung eines so großen Vorhabens nötig sind. Ich weiß, daß manche von Ihnen das Wort „Planung" schreckt. Mir scheint der Streit weniger darum zu gehen, ob Planung oder Nichtplanung. Ich halte die Gegner unserer Auffassung für so gute und kluge Wirtschaftler, daß sie die Notwendigkeit der Planung durchaus einsehen und auch ständig die Planung praktizieren. Der Streit geht meines Erachtens mehr um die Frage: wer plant, und für wen wird geplant? Ich darf wohl hoffen, daß wir zumindest dieser großen Aufgabe gegenüber, die ein so großes Wohnungsbauprogramm mit so starken Auswirkungen auf unser ganzes Wirtschaftsleben beinhaltet, einig darüber sind, daß diese große Aufgabe geplant werden muß, worunter ich die Koordinierung der Wohnungspolitik mit der Kapitalmarkt- und Arbeitsmarktpolitik verstehe. Bliebe also zu klären: für wen wird geplant? Ich habe es bereits gesagt: für die Ärmsten, für diejenigen, die sich nicht selbst helfen können, die nicht in der Lage sind, Baukostenzuschüsse in nennenswertem Maße aufzubringen. Daraus ergibt sich meines Erachtens auch, wer plant. Nicht diejenigen, die im Wohnungsbau ein kommendes großes Geschäft wittern! Wir schlagen einen ständigen Beirat für den sozialen Wohnungsbau beim Wiederaufbauministerium vor, der alle an dieser Frage interessierten Kreise zusammenfaßt. Über die Einzelheiten wäre dann noch zu reden.
    Planung bedeutet nicht Schaffung einer neuen Bürokratie. Planung bedeutet hier Schaffung einheitlicher Grundlagen, Schaffung einer Rahmenregelung für die ersten Maßnahmen der nächsten Jahre, schon damit baldigst Übereinstimmung auch der einzelnen Ländermaßnahmen erzielt wird. Planung bedeutet hier Konzentration aller den sozialen Wohnungsbau betreffenden Fragen an einer Stelle, sowohl beim Bund als auch bei den Ländern. Der Wirrwarr muß einmal aufhören, daß bei den Länderregierungen zwei, drei, ja zum Teil vier Ministerien und Stellen zuständig sind und sich der geplagte Bauinteressent durch diesen Wirrwarr überhaupt nicht mehr durchfindet. Planung bedeutet hier auch einheitliche Entwicklung aller Finanzierungsmöglichkeiten. Planung bedeutet hier die ehrenamtliche freiwillige Zusammenfassung aller an dieser Frage interessierten Kräfte.
    Der Wohnungsbau ist eine wirtschaftspolitische Aufgabe allerersten Ranges geworden. Die Lage der breitesten Schichten der arbeitenden Bevölkerung macht es zur zwingenden Notwendigkeit, daß eine Form des Wohnungsbaus, nämlich der soziale Wohnungsbau, sowohl mengen- wie auch finanzierunsgmäßig den unbedingten Vorrang genießt. Die Lösung dieser großen Aufgabe kann man nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Die wirtschaftlich Schwächsten blieben auf der Strecke, wenn anders verfahren würde. Ich bitte Sie darum, unserm Antrag zuzustimmen, mit welchem die Regierung aufgefordert wird, bis zum Jahresschluß einen Gesetzentwurf zur Förderung und Ordnung des sozialen Wohnungsbaues vorzulegen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Die drei Anträge sind eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wirths.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Carl Wirths


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich bin über zwei Punkte, die in der Begründung angeführt worden sind, außerordentlich befriedigt. Ich möchte das vorweg feststellen. Das, was der Herr Abgeordnete der SPD hier über den sozialen Wohnungsbau und insbesondere über die Definition des sozialen Wohnungsbaues erklärt hat, ist durchaus richtig; darüber bestanden aber bisher in der Öffentlichkeit und auch in den beteiligten Kreisen außerordentlich große Zweifel.

    (Abg. Renner: Vor allen Dingen im Wahlkampf!)

    — Richtig! Man dachte sich unter sozialem Wohnungsbau in der Öffentlichkeit und auch bei vielen Beteiligten die Herstellung dieser Wohnungen nur durch gemeinnützige Genossenschaften. Ich bin befriedigt, daß der Herr Begründer des Antrags erklärt hat, daß darunter die Art der Wohnung, eine bestimmte Größe und eine bestimmte Miete zu verstehen sind, wobei alle drei Punkte ein Höchstmaß nicht überschreiten sollen. Ich bin aber andererseits der Auffassung, daß früher, auch vor 1933, die private Wohnungswirtschaft in weitem Umfange gerade solche Wohnungen erstellt hat, und zwar mit tragbaren Mieten. Ich erinnere an die Ära der Hauszinssteuer, wo ja jeder Privatmann, der kleine Wohnungen bauen wollte und sie mit Hauszinssteuermitteln finanziert bekam, eine Mietberechnung einreichen mußte, und wenn die Miete zu hoch war, bekam er eben keine Mittel dafür. Insoweit ist das nicht richtig.
    Wenn andererseits im Antrag der KPD erklärt worden ist, daß man nur 40 % der Besatzungskosten zu nehmen und eine Sonderabgabe auf Bar- und Sachvermögen sowie 5 % von den Gesamteinnahmen des Bundes zu erheben brauche, so kann ich dazu nur sagen: das wäre ja sehr einfach, und dann wären wir alle glücklich; denn dann könnten wir das von heute auf morgen machen. Aber so einfach ist es nicht.

    (Abg. Renner: Regierungserklärung! „Senkung der Besatzungskosten!" Ist das schon wieder vergessen?)



    (Wirths)

    — Wo wollen Sie denn 40 % der Besatzungskosten herkriegen? Wie wollen Sie bestimmen, daß 5 % der Gesamteinnahmen des Bundes für den Wohnungsbau verwendet werden? Das sind ja, ich möchte sagen, Mätzchen. Und wenn Ihr Herr Paul darauf hingewiesen hat, daß hier in den Westzonen eine ganze Reihe von gewerblichen Bauten, luxuriösen Ladenbauten usw. errichtet worden ist, dann möchte ich ihn bitten, doch einmal zur Ostzone zu sehen und festzustellen, wieviel Parteibauten da entstehen. Wenn seit dem Winter des vergangenen Jahres diese gewerblichen Bauten hier nicht errichtet worden wären, wäre die Arbeitslosigkeit noch größer. Sie können doch von den Geschäftsleuten, die dringend einen Laden brauchen oder ihre Fabrik erweitern müssen, nicht verlangen, daß sie sich das Geld für den Wohnungsbau wegnehmen lassen. Mit demselben Recht und mit einem viel größeren Recht können Sie verlangen, daß die übergroßen Verwaltungen in allen Stufen, in den Gemeinden, den Ländern und im Bund, abgebaut werden; da werden Sie eher Mittel herausholen können!

    (Abg. Renner: Wer hat denn die 14 Minister eingesetzt? — Heiterkeit links.)

    — Herr Renner, die Ministergehälter machen das nicht aus.

    (Abg. Renner: Aber der Apparat darum herum!)

    Wenn Sie dagegen in einer Landesverwaltung feststellen, daß soviele Ressorts bei einem Landesministerium bestehen, und dort anfangen abzubauen, dann erbringt die Ersparnis nicht das bißchen Gehalt der oberen Beamten, sondern die Aufgaben, die den Gemeinden auferlegt werden, fallen weg, und die Ersparnis tritt in erster Linie auf der Ebene der Gemeinden ein. Das ist das Entscheidende.
    Meine Damen und Herren, es dreht sich bei dem Problem letzten Endes um die Finanzierung. Ich bin mit dem Herrn Kollegen von der SPD durchaus der Meinung, daß die Kapazität der Bauwirtschaft für den Bau von 250 000 Wohnungen vorhanden ist bzw. erreicht werden kann. Ich weise nur darauf hin, daß wir in den Zementwerken relativ geringe Zerstörungen haben. Die Kapazität kann wesentlich gesteigert werden. Wir haben Schwierigkeiten, wir haben Engpässe — ich denke nur an Holz und ähnliche Stoffe —; aber die werden sich überbrücken lassen. Die Schwierigkeit liegt in der Beschaffung des Geldes. Und wieviel Projekte über Geldbeschaffung haben wir vorliegen! Deren Zahl ist ja Legion. Wir haben Wohnungsbauabgaben bereits in verschiedenen Ländern. Wir haben Wohnraumabgaben, wir haben einen Wohnbaugroschen, wir haben einen Sportgroschen. Wir haben Vorschläge über Lotterien; teils sind sie eingeführt, teils sind sie nicht bewilligt worden. Aber das bringt letzten Endes nicht viel. Es ist sehr zu überlegen, ob wir überhaupt die Finanzierung durchführen sollen, indem neue Zwecksteuern geschaffen werden, nachdem die Regierung versprochen hat, daß demnächst eine Steuerreform kommen soll.
    Weiter ist der Vorschlag gemacht worden — ich weiß nicht, ob er in einzelnen Ländern verwirklicht worden ist —, die Altmiete, das heißt die Miete der Häuser, die vor 1924 gebaut worden sind, an die Neumiete, das heißt an die Miete in den Häusern, die nachher gebaut worden sind, anzugleichen.

    (Abg. Renner: Regierungserklärung!)

    — Ja, es war dort angedeutet. Das ist ein Weg, den man gehen kann. Das hat aber zur Voraussetzung, daß das ganze Mietenproblem von A bis Z aufgerollt wird. Es ist nicht möglich, die Mieten ohne weiteres zu erhöhen, aus dem einfachen Grunde nicht, weil es heute einem großen Teil der Bevölkerung schwer wird, die Miete auch in Altwohnungen zu zahlen, während andererseits eine ganze Reihe von Mietern, die viel verdienen, in billigen Wohnungen lebt. Sie haben Hunderte und Tausende von vollkommen verarmten Hausbesitzern, deren Wohnungen von Mietern bewohnt sind, denen es wirtschaftlich viel besser geht. Es würde aber zu weit führen, das Problem im einzelnen zu besprechen. Allerdings glaube ich, daß es in die Gesamtberatungen einbezogen werden muß.
    Es ist davon gesprochen worden, daß man den Sparern einen neuen Anreiz geben müsse. Vielleicht kommt der Anreiz dadurch, daß die Regierung nun eine etwas bessere Aufwertung der alten Sparguthaben herbeiführen will. Aber alle diese Dinge bedeuten ja letzten Endes nur, daß man aus dem Gesamtvolumen des verfügbaren Geldes bei irgendwelchen Ausgaben etwas abstreicht und dies dem Wohnungsbau zuteilt. Die große Frage ist, ob das in dem Umfange möglich ist, der gefordert werden muß.
    Ich möchte nur andeutungsweise auf den neuen Weg hinweisen, der in einer Denkschrift der vorläufigen Hauptwirtschaftskammer des Landes Rheinland-Pfalz aufgezeigt ist. In dieser Wirtschaftskammer sitzen 13 Leute von der Arbeitnehmerseite, 13 von der Arbeitgeberseite und 3 wirtschaftliche Sachverständige, die sich einstimmig diese Denkschrift zu eigen gemacht haben. Der Vorschlag läuft darauf hinaus, eine Initialzündung der Bauwirtschaft dadurch zu erreichen, daß man die Bank deutscher Länder veranlaßt, in einem großzügigen Maße zur Kreditneuschöpfung zu kommen.

    (Bravo!)

    Es ist zu überlegen, ob wir nicht diesen Weg mit allen anderen Möglichkeiten zusammenfassen müssen, ja vielleicht diesen Weg zuerst gehen müssen. Der Vorschlag geht auf der einen Seite dahin, daß man aus der Schattenquote die Beträge zur Verfügung stellt und vorfinanzieren läßt. Man kann es da auch so machen, daß die Leute, die ihr Guthaben verloren haben, einen Teil gutgeschrieben bekommen und daß man sie verpflichtet, dafür eine geringe verzinsliche Wohnungsbauanleihe zu zeichnen, die gesperrt ist. Die Leute haben dann die Möglichkeit, jährlich über Zinsen und Tilgung zu verfügen. Man kann auch den andern Weg gehen, der ebenfalls vorgeschlagen worden ist, daß die Bank deutscher Länder entweder für den Bund eine Bundesanleihe lombardiert oder daß man das den Landeszentralbanken im Bereiche der Länder überläßt. Wer das macht, ist ziemlich gleichgültig. Das Interessante an dieser Denkschrift ist zunächst einmal die Mitwirkung von bedeutenden Wissenschaftlern der Volkswirtschaft, insbesondere der Finanzwissenschaft, die deutlich erklären, man dürfe es nicht so machen, wie man es 1931/32 gemacht hat, als man es versäumte, die Arbeitslosigkeit anzupacken; man müsse feststellen, daß wir heute neue volkswirtschaftliche Erkenntnisse hätten und daß man die Fehler, die in der damaligen Theorie der Geldschöpfung steckten, einsehen müsse. Wenn sich diese Auffassung, die von der praktischen Bauwirtschaft durchaus geteilt wird, in den Kreisen, die sich damit zu beschäftigen haben, durchsetzen könnte, also


    (Wirths)

    beispielsweise hier in der Regierung und bei der Bank deutscher Länder, dann, glaube ich, würden wir einen erheblichen Schritt vorankommen. Damit hätte man auch das Problem der rentierlichen und unrentierlichen Baukosten einer Lösung entgegengebracht.
    Meine Damen und Herren! Das zweite Problem ist der Zins. Die Miethöhe ist vom Zins abhängig. Es ist ein absoluter Unfug, zu glauben, man könnte heute erste Hypotheken auf die Dauer mit 61/2 Prozent begeben. Das ist nicht möglich, und ich bin der Meinung, daß die Pfandbriefanstalten, die diesen Weg gehen, sich allmählich das eigene Grab graben. Ebenso verwerflich ist, daß, wie es heute geschieht, Kündigungen von Versicherungsgesellschaften und auch von Sparkassen mit dem Ziel ausgesprochen werden, eine höhere Verzinsung zu kriegen. Wir müssen zwischen dem Zins für das Kapital und dem Zins für das Geld unterscheiden. Das sind zwei Dinge, die man trennen muß, und ich bin der Meinung, daß wir durch geeignete Maßnahmen dahin kommen müssen, daß der Zinssatz für die erste Hypothek nicht mehr als 4 Prozent beträgt. Das ist zu erreichen, und da hilft uns der Sparer, der heute sein Geld nicht zu den Sparinstituten bringt, um hohe Zinsen zu bekommen, sondern nur noch für einen bestimmten Zweck spart. Wir müssen das Zwecksparen für den Wohnungsbau fördern.
    Dazu gehört natürlich auch, daß der Formularkrieg abgebaut und daß auch das Problem der Trümmerhypotheken gänzlich gelöst wird. Das Problem muß auch einmal nach der technischen Seite betrachtet werden. Wir haben, soviel ich weiß, einen Normenausschuß, der aus Beamten besteht. Wir haben den Normenausschuß vor 1933 gehabt, und er hat ganz gute Arbeit geleistet. Ich bin der Meinung, daß ein neuer Normenausschuß aus Sachverständigen und Praktikern der Bauwirtschaft und der Bauwissenschaft gebildet werden muß. Es hat keinen Zweck, diese Dinge in der Hand von Beamten zu lassen, und wir müssen dahin kommen, daß sich diese Arbeit des Normenausschusses nicht nur in Form von Empfehlungen für die beteiligten Kreise präsentiert, sondern unter Umständen in einem Normengesetz für den Kleinwohnungsbau, das absolut anzuwenden ist. Es ist ein Unfug, daß heute noch ein Dutzend und mehr Arten von Schlössern für Zimmertüren gemacht werden, daß wir heute noch 20 bis 30 verschiedene Sorten von Türdrückern haben. Der Geschmack der Bauherren und auch der Hausfrauen muß da etwas zurücktreten. Ich glaube, wenn wir da einmal die Kräfte aus der Bauwirtschaft einschalten, wird man sich sehr leicht verständigen. Das muß dann aber nachher auch gesetzlich in einem bestimmten Rahmen verankert werden.

    (Zuruf von der SPD: In der freien Wirtschaft?)

    — Meine Herren, es ist eben von Planung gesprochen worden. Glauben Sie denn, wir stünden auf dem Standpunkt, daß jeder planlos wirtschaften soll?

    (Aha-Rufe bei der SPD.)

    Jeder Gemüsehändler, jeder Milchvertreiber macht sich einen Plan über seine Kundschaft und über die Bedienung der Kundschaft.

    (Beifall und Lachen bei der SPD. — Zurufe von der KPD: Bloß die Minister nicht! — Heiterkeit.)

    — Die machen es auch!
    Wenn wir hier in dem großen Rahmen eine konstruktive Wohnungsbaupolitik machen, dann ist das Planung. Letztlich ist Politik ja weiter nichts als Planung.

    (Lachen bei der SPD.)

    Wenn wir in diesem großen Rahmen der privaten Initiative den Weg freigeben, dann werden wir, wie ich glaube, alle Kräfte herausholen können. Ich glaube, daß nicht allein — ich bin auch in diesem Punkt über das befriedigt, was der Begründer des Antrags erklärt hat — die gemeinnützigen Genossenschaften die Aufgabe lösen können. Das können sie wirklich nicht.
    Wir müssen — um hier noch zwei Gedanken in die Debatte zu werfen — ein Bundesaufbaugesetz, das heißt ein Rahmengesetz für den Aufbau der deutschen Gemeinden erhalten. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie die Grundstücksumlegungen vorgenommen werden sollen. Wir müssen die Grundlagen für die Planung überhaupt schaffen und, meine Damen und Herren, uns damit beschäftigen, daß wir auch neue Formen des Eigentums an Wohnungen bringen. Ich erinnere daran. daß seit 1946 die Diskussion über
    eine erneuerte Form des früheren sogenannten Stockwerkseigentums — ich möchte es besser Wohnungseigentum nennen — nicht abgerissen ist. Ich bin persönlich ein Befürworter dieses Gedankens. Aber da sind Leute vom Zentraljustizamt in Hamburg nach Württemberg gefahren und haben sich diese mittelalterlichen Häuser angesehen. Sie glaubten, daß wir das so wollten. Das ist nicht der Fall. Die Leute haben vergessen, daß in den letzten zehn bis zwanzig Jahren nahezu sämtliche europäischen Staaten ein modernes Gesetzgebungswerk über dieses Problem geschaffen haben. Wenn Sie etwa nach Brüssel gehen, werden Sie feststellen, daß nahezu 90 Prozent aller Wohnungen, die von dem privaten Markt erstellt sind, mit Hilfe dieser Konstruktion errichtet worden sind. Das führt dazu, daß sich die Kräfte des einzelnen auf das Problem konzentrieren. Meine Damen und Herren, wenn wir nicht alle Quellen erschließen, wenn wir nicht alle materiellen und alle technischen und wissenschaftlichen Mittel einsetzen und alle Möglichkeiten der Bauträgerschaft, sowohl der gemeinnützigen als auch der privaten, ausnutzen, werden wir das Problem nicht meistern. Wenn irgend etwas zu tun ist, dann ist es hier die Zusammenfügung aller Kräfte.

    (Beifall.)