Meine Damen und Herren! Meine Fraktion erstrebt mit dem Ihnen vorliegenden Antrag die Fixierung eines Termins,
bis zu welchem die Regierung einen Gesetzentwurf zur Förderung und Ordnung des sozialen Wohnungsbaues vorlegen soll. Ich kann mir alle Ausführungen über die Größe der Wohnungsnot und die daraus erwachsenden Folgen ersparen. Auch Ihnen gehen ständig Eingaben von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen zu, die Ihnen diese Not mit bewegten Worten schildern. Auch Sie hören ständig die Hilferufe und Notschreie. Wir können uns dieser ernsten Lage gegenüber nicht passiv verhalten. Der Wohnungsbau muß heraus aus dem Stadium der Improvisationen. Es ist nicht länger möglich, daß fast ausschließlich für diejenigen gebaut wird, die — zum Teil erhebliche — Baukostenzuschüsse aufbringen können. Ich meine, daß ein solcher Zustand auch dem sozialen Charakter der Regierungspolitik auf das stärkste widerspricht.
Eile tut not, meine Damen und Herren, um so mehr, als wir den beängstigenden widersinnigen Zustand zu verzeichnen haben, daß angesichts eines Riesenbedarfs an Millionen Wohnungen zur gleichen Zeit 160 000 Bauarbeiter feiern müssen. Das Ziel unseres Antrags ist, bis zum Beginn der Bausaison im kommenden Frühjahr alle Vorbereitungen zu treffen, damit dann auch wirklich großzügig und erfolgversprechend angefangen werden kann.
Hierfür steht uns ein knappes halbes Jahr zur Verfügung. Wir müssen also schnell vorankommen. Nach der Statistik fehlen rund 5 Millionen Wohnungen, ungerechnet den Bedarf, der durch die Neugründung von Haushaltungen hinzukommt. Daraus ergibt sich, daß nur großzügigster Wohnungsbau hier wirksam Abhilfe schaffen kann. Ich hoffe, daß Sie mit mir einig sind, wenn ich sage: man kann die Lösung dieser Aufgabe nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Wir haben kein Vertrauen zu den „Erfolgen" der sozialen Marktwirtschaft. Die besorgniserregende Entwicklung zum Beispiel der Kartoffelpreise und die noch vollkommen offene Frage, wie etwa der Arbeitslose oder der Empfänger von Sozialunterstützung in diesem Jahre seine Kohlen und Kartoffeln in den Keller bekommen soll, geben unserem Mißtrauen erneute Nahrung.
5 Millionen Wohnungen ist eine so große Zahl, daß das Ziel nur in verhältnismäßig langer Zeit erreicht werden kann. Wir müssen also Etappenziele ins Auge fassen. Unser Antrag sieht demgemäß vor, als Nahziel zu setzen, daß zumindest 250 000 Wohnungen im Jahre errichtet werden. Vielleicht gelingt es, in späteren Zeiten schneller voranzukommen. Wir glauben, daß dieses Ziel von 250 000 Wohnungen durchaus erreichbar ist. Nach der Statistik des Vereinigten Wirtschaftsgebietes befanden sich Anfang 1949 rund 190 000 Wohnungen im Bau. Rechnen Sie die französische Zone ein und die in der Zwischenzeit angelaufenen Maßnahmen, so kommen Sie auf etwa 220 000 Wohneinheiten. Daraus ergibt sich, daß die Kapazität der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie mit diesem Ziel von 250 000 Wohnungen durchaus zu vereinbaren ist, besonders wenn ich noch einmal daran erinnere, daß zu gleicher Zeit 160 000 Arbeiter des Baufachs feiern müssen.
Nun noch einige Bemerkungen zu dem, was wir bei dem geforderten Gesetz für notwendig halten. Zunächst ein Wort zu den Mietpreisen. Wir können nicht umhin, den Mietpreis in unlösbarem
Zusammenhang mit den Lebenshaltungskosten und den Einkommen zu sehen. Es wird teilweise verlangt, die Mieten für Neubauwohnungen freizugeben oder zumindest die sogenannte Kostenmiete anzuerkennen. Wir sind der Auffassung, daß bei den derzeitigen Herstellungskosten und den hohen Kapitalkosten Mieten herauskämen, die für den Bezieher eines durchschnittlichen Einkommens nicht mehr tragbar wären. Unsere Forderung geht daher dahin, daß die Mieten zumindest im sozialen Wohnungsbau weiterhin an die durchschnittlichen Mieten für Wohnungen gleicher Größe und Ausstattung wie in den letzten Jahren vor dem Krieg gebunden bleiben. Solange das Realeinkommen der Masse der Bezieher durchschnittlicher Einkommen sich nicht wesentlich bessert, kann an eine Veränderung der Mietpreise nach oben nicht gedacht werden.
Wir haben allerdings keine Bedenken, die Mieten freizugeben für Wohnungsbauten, die nicht öffentlich gefördert werden. Die Folge wird zwar ein sehr unterschiedliches Mietenniveau — unterschiedlich zwischen frei finanzierten und sozialen Wohnungsbauten — sein; dafür haben wir aber dann den Vorteil, die private Initiative eingeschaltet zu haben, und in gewisser Weise erreichen wir vielleicht eine Entlastung des Wohnungsmarktes, wenn diejenigen, die es sich leisten können, derart teuere Wohnungen beziehen. Vielleicht steckt in dieser Freigabe auch ein gewisses Risiko der Kapitalfehlleitung und der Zusammenbrüche, wenn dieser Kreis der Bessergestellten falsch geschätzt wird oder nicht konstant bleibt.
Über das, was unter sozialem Wohnungsbau verstanden werden soll, werden wir uns wohl sehr schnell verständigen können. Eine gute Basis hierfür bietet die Bekanntmachung der obersten Baubehörde im bayrischen Innenministerium vom Februar 1949. Dort werden als wesentliche Merkmale des sozialen Wohnungsbaues Art und Größe der Wohnung sowie der Mietpreis bezeichnet. Ich kann und will das jetzt hier nicht im einzelnen ausführen, es läßt sich auf die kurze Formel bringen: kleine und billige Wohnungen.
Wir sind uns wohl auch darüber einig, für wen ausschließlich der soziale Wohnungsbau betrieben werden muß. Dies ergibt sich eigentlich schon aus den Begriffsbestimmungen, die ich kurz angedeutet habe: für alle, die. der Sozialversicherungspflicht unterliegen oder diesem Personenkreis ihrem Einkommen nach gleichstehen. Wenn für diesen Kreis gebaut wird, dann kann es uns ganz einerlei sein, ob der Bauherr ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder ein privater Grundstücksbesitzer oder eine sonstige juristische Person ist. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft erstrebt keinen Monopolanspruch auf die öffentlichen Mittel oder auf sonstige Förderungsmaßnahmen. Wir müssen aber billigerweise fordern, daß dort, wo diese Mittel oder Förderungsmaßnahmen beansprucht werden, auch die noch in Gesetzesform zu bringenden Mindestbedingungen des sozialen Wohnungsbaus akzeptiert und eingehalten werden.
Wir wären sehr befriedigt, wenn sich der soziale Charakter der Marktwirtschaft, die von der Regierung praktiziert wird, in der Weise manifestieren würde, daß sich auch unter den skizzierten Begriffsmerkmalen des sozialen Wohnungsbaus recht viel privates Kapital in diesem
investieren würde. Ich muß Ihnen aber leider gestehen, daß ich in dieser Beziehung sehr skeptisch bin,
weil meines Erachtens die Möglichkeit einer solchen Investierung privaten Kapitals im sozialen Wohnungsbau in der Vergangenheit bereits bestanden hat, aber wohl aus Gründen zu geringer Rendite nicht benutzt wurde.
In bezug auf die Finanzierung interessieren uns bei dem Gesetzentwurf, der uns vorschwebt, in der Hauptsache die Mittel, die dazu dienen müssen, den unrentierlichen Teil der Baukosten zu finanzieren. Wir fordern, daß diese öffentlichen Mittel als zinslose Tilgungsdarlehen gegeben werden. Es kann unter gar keinen Umständen in der Weise weitergehen, wie es einzelne Behörden oder öffentliche Kapitalgeber bereits getan haben, daß sie solche öffentlichen Mittel zu 6 bis 61/2 Prozent ausleihen mit der Begründung: wir haben keine Ursache, unser Geld zu verschenken! Sie passen sich also dem allgemeinen Kapitalmarkt an. So kann und darf es nicht gehen. Hier muß einheitlich durchgegriffen werden. Tragbar ist ein Tilgungssatz von 1 Prozent. Aber grundsätzlich muß gefordert werden, daß die öffentlichen Mittel, die zur Deckung der unrentierlichen Kosten dienen müssen, zinslos gegeben werden.
Es geht darum, meine Damen und Herren, durch eine rechtzeitige und langfristige Planung die Bereitstellung der Mittel zu sichern, die für die Durchführung eines so großen Vorhabens nötig sind. Ich weiß, daß manche von Ihnen das Wort „Planung" schreckt. Mir scheint der Streit weniger darum zu gehen, ob Planung oder Nichtplanung. Ich halte die Gegner unserer Auffassung für so gute und kluge Wirtschaftler, daß sie die Notwendigkeit der Planung durchaus einsehen und auch ständig die Planung praktizieren. Der Streit geht meines Erachtens mehr um die Frage: wer plant, und für wen wird geplant? Ich darf wohl hoffen, daß wir zumindest dieser großen Aufgabe gegenüber, die ein so großes Wohnungsbauprogramm mit so starken Auswirkungen auf unser ganzes Wirtschaftsleben beinhaltet, einig darüber sind, daß diese große Aufgabe geplant werden muß, worunter ich die Koordinierung der Wohnungspolitik mit der Kapitalmarkt- und Arbeitsmarktpolitik verstehe. Bliebe also zu klären: für wen wird geplant? Ich habe es bereits gesagt: für die Ärmsten, für diejenigen, die sich nicht selbst helfen können, die nicht in der Lage sind, Baukostenzuschüsse in nennenswertem Maße aufzubringen. Daraus ergibt sich meines Erachtens auch, wer plant. Nicht diejenigen, die im Wohnungsbau ein kommendes großes Geschäft wittern! Wir schlagen einen ständigen Beirat für den sozialen Wohnungsbau beim Wiederaufbauministerium vor, der alle an dieser Frage interessierten Kreise zusammenfaßt. Über die Einzelheiten wäre dann noch zu reden.
Planung bedeutet nicht Schaffung einer neuen Bürokratie. Planung bedeutet hier Schaffung einheitlicher Grundlagen, Schaffung einer Rahmenregelung für die ersten Maßnahmen der nächsten Jahre, schon damit baldigst Übereinstimmung auch der einzelnen Ländermaßnahmen erzielt wird. Planung bedeutet hier Konzentration aller den sozialen Wohnungsbau betreffenden Fragen an einer Stelle, sowohl beim Bund als auch bei den Ländern. Der Wirrwarr muß einmal aufhören, daß bei den Länderregierungen zwei, drei, ja zum Teil vier Ministerien und Stellen zuständig sind und sich der geplagte Bauinteressent durch diesen Wirrwarr überhaupt nicht mehr durchfindet. Planung bedeutet hier auch einheitliche Entwicklung aller Finanzierungsmöglichkeiten. Planung bedeutet hier die ehrenamtliche freiwillige Zusammenfassung aller an dieser Frage interessierten Kräfte.
Der Wohnungsbau ist eine wirtschaftspolitische Aufgabe allerersten Ranges geworden. Die Lage der breitesten Schichten der arbeitenden Bevölkerung macht es zur zwingenden Notwendigkeit, daß eine Form des Wohnungsbaus, nämlich der soziale Wohnungsbau, sowohl mengen- wie auch finanzierunsgmäßig den unbedingten Vorrang genießt. Die Lösung dieser großen Aufgabe kann man nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Die wirtschaftlich Schwächsten blieben auf der Strecke, wenn anders verfahren würde. Ich bitte Sie darum, unserm Antrag zuzustimmen, mit welchem die Regierung aufgefordert wird, bis zum Jahresschluß einen Gesetzentwurf zur Förderung und Ordnung des sozialen Wohnungsbaues vorzulegen.