Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Heute morgen sind in diesem Hause schon einige Feststellungen in der Richtung getroffen worden, daß man allen Versuchen, das Grundgesetz irgendwie zu erschüttern, Widerstand leisten, daß man sich an
die verfassungsrechtlichen Grundlagen des neuen Staates halten solle. Der Herr Begründer dieses Antrags hat heute hier die Katze, wie man bei uns, wo man ein deutsches Wort spricht, zu sagen pflegt, in tieferem Sinne nicht aus dem Sack gelassen.
Worauf kam es Ihnen an? Ihnen und den Fraktionen, die diesen Antrag unterzeichnet haben, also auch der sozialdemokratischen Fraktion, kam es darauf an, eine bestimmte Fraktion dieses Hauses von den Ausschußverhandlungen fernzuhalten. Sie wollen ein Sonderrecht schaffen, das dazu führt, diese eine Fraktion, und zwar die kommunistische Fraktion, auszuschalten!
Eine Begründung zu geben, haben Sie peinlich vermieden. Sie haben sich damit begnügt zu sagen: „Ich brauche wohl nicht zu begründen, warum dieser Antrag gestellt worden ist." — Richtiger und dankenswerter wäre es gewesen, wenn ein so wortgewandter Herr wie Sie, Herr Dr. von Brentano, eine Begründung gegeben hätte; das sollte Ihnen doch nicht schwer fallen, hier die Wahrheit zu sagen.
Die Wahrheit ist die, daß Sie vermeiden wollen, daß Dinge, die, um Gesetz zu werden, vom Plenum des Hauses gebilligt werden müssen, von allen hier ins Haus gewählten Fraktionen ordnungsgemäß behandelt werden. Sie schaffen ein Sonderrecht gegen die kommunistischen Abgeordneten.
— Warum wohl? — Weil Sie in diesen Ausschüssen Dinge zu verbergen haben, die die Öffentlichkeit nicht erfahren soll.
Das ist der Grund: weil Sie eine Geheimhaltung nötig haben in Fragen wie zum Beispiel ERP-Angelegenheiten, Marshallplanhilfe und nicht zuletzt auch Berlin. So liegen die Dinge!
— Gelernt von uns? Fauler Zauber!
Wenn Sie von uns etwas gelernt hätten, dann hätten Sie sich keine antideutsche Politik angewöhnt, dann hätten Sie eine deutsche Politik gemacht.
— Machen Sie nicht so billige Zwischenrufe! Sie sind doch ein geistsprühender Mann, wenigstens deklarieren Sie sich so vor der Öffentlichkeit.
Hier handelt es sich — das stelle ich ganz klar, ohne Überstürzung und Übersteigerung fest — darum: es kommt den Herren von der SPD bis rechts darauf an, die Möglichkeit zu schaffen, in Geheimkonventikeln politische Dinge — wie sage ich bloß — zu drehen unter Ausschaltung des Volkes! So liegen die Dinge! Wenn es Ihnen auf die Geheimhaltung gewisser Dinge angekommen wäre, die aus bestimmten, auch von uns anerkannten Gründen nicht vor der endgültigen Erledigung bekanntgegeben werden sollten, dann hätten Sie bloß das Recht einzuführen brauchen, das es schon in den Parlamenten vor 1933 wie überall gegeben hat, nämlich dann hätten Sie in die Geschäftsordnung nur die Verpflichtung einzubauen brauchen, daß Mitglieder bestimmter, genau zu benennender Ausschüsse an die Geheimhaltungspflicht gebunden sind. Nur das hätten Sie zu tun brauchen.
— Was haben Sie da drüben gesagt? Wollen Sie mit Ihren blöden Zwischenrufen behaupten, daß uns diese Geheimhaltungspflicht nicht zugetraut werden kann? Ich bitte um eine klare Antwort! Wir sind ja keine Minister, die es nicht fertigbringen, irgendeine Geschichte geheimzuhalten.
Wir haben aber in den letzten Wochen hier einige Erfahrungen gesammelt. Wenn hier über Ausschußdinge geplaudert worden ist, dann waren es immer die Leute auf Ihrer Seite, die ein Interesse daran hatten, die Geschichte aus parteiegoistischem oder agitatorischem Bedürfnis heraus bekanntzugeben. So liegen die Dinge!
Wenn man die Dinge demokratisch regeln wollte — und damit komme ich zum Schluß —, hätte man in die Geschäftsordnung eine Bestimmung einbauen können, die für bestimmte Fälle die Geheimhaltungspflicht vorschreibt, und man hätte einen Schritt weiter gehen können und die Mitglieder der Ausschüsse, die diese Geheimhaltungspflicht verletzt haben, ausschließen können, man hätte sie
zur Rechenschaft ziehen können. All das wäre durchaus möglich gewesen. Wir Kommunisten erkennen durchaus die Notwendigkeit an, derartige parlamentarische Regeln innezuhalten. Sie haben uns aber vorher gar nicht einmal die Frage gestellt, sondern Sie wollten — das kam schon durch die Art, wie Sie die Ausschüsse zusammengestellt haben, zum Ausdruck — durch diese Ausschaltung der kommunistischen Fraktion die Möglichkeit in die Hand bekommen, gewisse Ihnen unangenehme Dinge, das heißt Dinge, deren öffentliche Diskussion Ihnen unangenehm ist, zu vermeiden. Sie wollten unter anderem zudem nicht öffentlich bekannt werden lassen, daß nach Ihren eigenen Auffassungen die Marshallplanhilfe eine Pleite ist. Sie wollen nicht bekannt werden lassen, daß Ihre Pläne zur Sanierung West-Berlins scheitern müssen, weil es gar keinen Topf gibt, aus dem man die Mittel nehmen könnte, um dieses Loch auszufüllen. Alle diese Dinge sollen geheimgehalten werden, und darum machen Sie, Herr Dr. von Brentano, dieses undemokratische Manöver.
Wir wissen, daß wir hier nicht stark genug und deshalb nicht in der Lage sind, es abzuwehren. Aber wir werden in der Öffentlichkeit die Hintergründe dieses interfraktionellen Antrags von der SPD bis ganz rechts klar herausstellen.