Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Kiesinger sagte soeben während seiner Ausführungen zum Amnestiegesetz, wir müßten wachsamer und aufmerksamer sein, als wir es vor 1933 waren. Dieser Gedanke ist auch der Grundgedanke für den Antrag und den Entwurf der Zentrumsfraktion zum Schutze der Bundesfarben und der Bundesflagge, Drucksache Nr. 25.
Der Sinn dieses Antrags und sein Zweck ist, zu verhindern, daß wiederum, wie wir das schon einmal erlebt haben, ein Kampf um die Bundesfarben und die Bundesflagge entbrennt, der zum Objekt und zum Ziel von parteipolitischen Auseinandersetzungen und Agitationen gemacht wird, ohne Rücksicht auf die Würde der Nation. Die nationalen Symbole sind fast das einzige Einigende, was uns nach dem Zusammenbruch geblieben ist und was uns mit dem Osten Deutschlands einigt. Wer sie zum Kampf für parteipolitische Zwecke mißbraucht und sie dadurch herabsetzt und wer dadurch ihre Werbekraft und Wirkungskraft schädigt und die Würde der Nation nach außenhin schwächt, macht sich eines Verbrechens schuldig - darüber müssen wir uns klar sein —, das in der gegenwärtigen Zeit ganz besonders schwer wiegt. Es spielt dabei keine Rolle, für und gegen welche Farben und Symbole der Kampf geführt wird. Das, was nun einmal in der Verfassung festgelegt ist, muß den vollen Schutz des Bundes genießen. Darauf kommt es an. Daß es die Farben und. die Flagge Schwarz-WeißRot sind — oder Schwarz-Rot-Gold, gegen welche, und Schwarz-Weiß-Rot, f ü r welche man kämpft,
— ja, man könnte es auch umdrehen, wenn Sie wollen: Schwarz-Weiß-Rot, für welche, und Schwarz-Rot-Gold, gegen welche man kämpft —, das ist dabei nur von nebensächlicher Bedeutung. Es sollte bei uns wie in andern Ländern doch eine Selbstverständlichkeit sein, daß man diese Symbole, die nun einmal da sind, respektiert.
Es hat sich schon jetzt, kaum daß der Beschluß des Parlamentarischen Rates vorliegt, kaum daß die Verfassung akzeptiert worden ist, ergeben, daß es wieder heftige Gegner nicht bloß dieser Symbole, sondern der Demokratie überhaupt gibt, die gar nicht daran denken, diesen alten Streit erledigt sein zu lassen. Es ist vielleicht von besonderer Bedeutung, dabei zu notieren, daß es ein Vertreter der Regierungspartei war, der dieses Thema angerührt hat.
Gleichviel, von welcher Seite die Frage aufgeworfen wird, ob von rechts oder von links oder sonstwoher, dem Streit muß ein Ende gesetzt werden, und es können unter den gegenwärtigen Verhältnissen keine anderen als ziemlich drastische Mittel sein, die uns dazu helfen. Es ist zu bedenken, daß man nicht bloß gegen die Symbole kämpft und sie treffen will, sondern daß man damit die Demokratie meint.
Ich habe mich gewundert, in einigen Zeitungen zu lesen, man wolle wieder den „deutschen Blick" einführen. Wenn wir uns nicht gegen die Angriffe schützen, werden wir diejenigen sein, die mit dem deutschen Blick herumlaufen und sich gegen andere schützen müssen. Das ist gerade die Aggressivität, die sich hier zum erstenmal wieder äußert. Und wenn wir nicht gleich am Anfang dagegen auftreten, können wir sicher sein, daß wir einen ähnlichen Weg gehen werden wie die Weimarer Demokratie.
Der Herr Kollege Kiesinger hat eben mit Recht das Stichwort gebraucht: wir müssen aufmerksamer und wacher sein, als wir es das vorige Mal waren. Das, was nun einmal als nationales Symbol beschlossen und herausgestellt worden ist, muß den vollen Schutz des deutschen Staates finden.
Dann ist insbesondere der § 2 des von uns dem Bundestag vorgelegten Entwurfs in der Öffentlichkeit und ,in der Presse angefochten worden, wonach nicht bloß verboten sein soll, die Bundesfarben zu beschimpfen, sondern auch die Bundesfarben und die Bundesflagge außerhalb des Bundesparlaments zu dem Zweck zu erörtern, eine Änderung derselben herbeizuführen. Das ist deswegen notwendig — Ich möchte das ausdrücklich hervorheben —, weil man sonst lediglich auf eine andere Weise und auf einem Umweg zu dem gleichen Ergebnis, Ziel und Zweck kommen könnte, nämlich die Bundesfarben in ihrer Autorität herabzusetzen. Das kann man auf verschiedene Art und Weise tun. Man kann es dadurch tun, daß man sie beschimpft. Ich habe eine Zuschrift bekommen, worin gefragt wird, was eigentlich eine Beleidigung oder Beschimpfung der Bundesfarben sein solle; so wenig genau sei unser Antrag. Als ob es einer Definition der Beleidigung bedürfte! Die Herrschaften, die darauf ausgehen, die Farben und Symbole zu beleidigen und zu beschimpfen, wissen darüber sehr genau Bescheid. Aber damit kann man sich nicht begnügen; denn wir wissen, mit welcher Hartnäckigkeit vorgegangen wird, wobei man in der Vergangenheit meistens den Schutz der Gerichte gefunden hat. Es ist also notwendig, Vorsorge zu treffen, daß auch nicht auf andere Art und Weise die Würde
dieser Symbole angetastet wird. Da gibt es zweierlei: die eine Möglichkeit ist die Protegierung der entgegengesetzten Symbole, und die andere Möglichkeit besteht darin, daß man die Symbole für gewerblichen Wettbewerb, für parteipolitische Zwecke oder für privatgeschäftliche Zwecke mißbraucht. Ich könnte mir schlechterdings nicht vorstellen, daß in England oder Frankreich die nationalen Farben in einem Kabarett zum Lustigmachen der Leute benutzt werden. Aber in Deutschland ist es schon wieder so. Auch da muß ein Riegel vorgeschoben werden. Wir halten es für notwendig — und es ist kein Zufall, daß es sich um das zweite Gesetz handelt, das dem Bundestag zur Beratung vorliegt —, von Anfang an entsprechend vorzubeugen, und ich bitte daher um die Zustimmung des Hauses zu diesem Antrag.