Rede von
Dr.
Kurt Georg
Kiesinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion des Zentrums scheint uns in dieser Form nicht dafür geeignet, ein an sich berechtigtes Anliegen durchzusetzen. Ich stimme den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers zu, daß diese Angelegenheit einer sehr sorgfältigen Prüfung und Erwägung in einem Ausschuß bedürfen wird; denn es könnten sich zu den beiden Paragraphen eine ganze Menge von Einwänden und Bedenken vorbringen lassen. Ich will mich hier darauf beschränken, einmal darauf hinzuweisen, daß es sehr zweifelhaft ist, ob es der Bund auf dem Weg über die konkurrierende Zuständigkeit wirklich für sich in Anspruch nehmen kann, eine Amnestie zu erlassen.
Das Zweite, worauf ich hinweisen möchte, ist folgendes. Meine Damen und Herren, es mag richtig sein — ich weiß es nicht —, was der Herr Redner der Zentrumspartei vorgetragen hat, daß da und dort bei Strafverfolgungsbehörden ein gewisser Übereifer vorhanden ist, wo er besser nicht bestehen sollte. Mich und meine Freunde erinnert aber diese Formulierung, daß Straffreiheit für strafbare Handlungen verlangt wird, die nach der Besetzung Deutschlands begangen wurden und auf dem Übereifer für die Demokratie oder auf Gegnerschaft zum überwundenen Nationalsozialismus beruhen, verdächtig an Methoden eines überwundenen Regimes.
Wir haben damals ja erlebt, daß auch auf diese Weise Straftaten der Verfolgung entzogen werden sollten. Ich glaube, wir sollten diese Methoden nicht nachzuahmen versuchen. Wenn strafbare Handlungen dieser Art vorgekommen sein sollten, wenn sich wirklich Scharen von Eiferern für die demokratische Idee in zahlreichen Fällen strafbar gemacht haben sollten, wie der Herr Redner annahm, dann wird ja die Behandlung dieser strafbaren Handlungen ohne Zweifel unter die allgemeine Amnestie fallen. Ich bitte, es doch nicht gering zu achten, ob man die strafbaren Handlungen einer bestimmten Gruppe derart ausnimmt. Ich verstehe wohl die Motive für einen derartigen Vorschlag, aber wenn man einmal anfängt, wenn man dem Teufel den kleinen Finger gibt, dann nimmt er die ganze Hand. Wir wollen uns darüber einig sein, daß es sich darum handelt, wacher und aufmerksamer als nach 1919 die offenen und heimlichen Angriffe auf die Verfassung zu beobachten und abzuwehren. Aber dann tue man es bitte anders und ahme nicht Methoden eines Regimes nach, die uns wahrhaftig nicht Vorbild sein können.