Meine Damen und Herren! Churchill, Roosevelt und Stalin haben auf der JaltaKonferenz erklärt, es sei nicht ihre Absicht, das deutsche Volk zu vernichten, man wolle dem deutschen Volk eine Hoffnung auf ein würdiges Leben und einen Platz in der Völkergemeinschaft lassen. Gewiß erklärte man auch, daß man die deutsche Industrie, soweit sie für die militärische Produktion benutzt werden könne, beseitigen wolle oder unter Kontrolle zu stellen beabsichtige. Allerdings wissen wir aus der in allen Zonen Deutschlands durchgeführten Demontage, was man unter Umständen als für die militärische Produktion geeignet hinstellen kann.
Es ist in mehreren Plänen, die die Demontage betreffen, nicht zuletzt in dem Reparationsplan der beiden angelsächsischen Mächte vorn 31. März 1946 erklärt worden, Deutschland sollten soviel Mittel belassen werden, daß es ohne eine Hilfe von außen existieren könne. Daß das schon längst nicht mehr der Fall ist, wissen wir. Wir wissen auf der andern Seite, daß eine weitere Zerstörung der deutschen Wirtschaftskraft das deutsche Leben schlechthin bedroht, nachdem uns die Ostgebiete geraubt worden sind und wir gerade heute auf einen weit größeren Export zur Ernährung unseres deutschen Volkes angewiesen sind, als das der Fall wäre, wenn wir diese Ostgebiete noch hätten.
Es erhebt sich in diesem Zusammenhang eine Frage, über die ich nachzudenken bitte, die Frage nämlich, ob die Reparationen völkerrechtlich überhaupt begründet werden können. Der amerikanische Senator Armstrong hat am. 5. Oktober 1947 an General Clay einen Brief gerichtet, in dem es wörtlich heißt:
Des weiteren, General Clay, erlaube ich mir,
Ihnen zu empfehlen, daß Sie einmal prüfen,
mit welchem Recht man Ihnen empfiehlt, diese
Demontagen durchzuführen. Ich kann weder im
amerikanischen noch im internationalen Recht
irgendeine diesbezügliche Bestimmung finden.
Die Vereinigten Staaten haben die Haager
Konvention unterzeichnet, welche ausdrücklich
festlegt, daß nach Einstellung der Feindseligkeiten die Streitkräfte irgendeiner kriegführenden Macht kein Recht haben, Eigentum zu
zerstören oder zu demontieren und daß die
Entscheidung über zu leistende Reparationen
ein Teil des Friedensvertrags sein muß.
„Ist aber ein Sieger berechtigt, v o r dem Friedensvertrag Reparationen zu entnehmen?" fragte der Abgeordnete Stokes am 27. Oktober 1947 das britische Unterhaus. Ich glaube, diese Äußerungen und der Hinweis, den ich eben gemacht habe, zeigen klar und deutlich, daß von dieser Seite her die deutschen Ansprüche durchaus erhärtet werden können, endlich mit der Demontage Schluß zu machen, von der es selbst im Potsdamer Abkommen heißt — das nebenbei bemerkt dem Völkerrecht widerspricht —, daß die Demontage am 2. 2. 1948 beendet sein sollte. Den Beweis hierfür können Sie im „Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland" ebenso finden wie in einem Bericht Sir Ralph Clynns im Unterausschuß des Estimates Committee des britischen Unterhauses.
Wir wissen genau, worauf die späteren Demon-
tagen zurückzuführen sind. Es ist hier in diesem
Kreise des öfteren darüber gesprochen worden,
und es ist auch das Wort vom Konkurrenzneid gefallen. Der New Yorker Abgeordnete George faßte
das am 25. Juli dieses Jahres in folgende Worte:
Beweise, die ich in den letzten zwei Wochen beschaffen konnte, zeigen, daß seit dem 13. April 1949 die Demontagen mehr und mehr die Form einer regelrechten Verschrottung der Fabriken angenommen haben. In britischen Militärregierungskreisen wird der Vorwand, es handle sich um die Demontage von Rüstungsunternehmen oder die Ausmerzung überschüssiger Kapazitäten offensichtlich schnell fallengelassen. Seit dem Washingtoner Abkommen sind verschiedene unvorsichtige Erklärungen -offizieller Persönlichkeiten in der britischen Zone gemacht worden, aus denen sich ergibt, daß die Demontagen für Großbritannien eine gesunde Wirkung haben werden, indem sie nämlich die gefährlichste deutsche Konkurrenz ausschalten.
Nachdem er darauf hingewiesen hatte, daß die Zerstörung der deutschen Betriebe vor allem in den Herzgebieten der deutschen Industrie dieselbe Wirkung haben muß, wie wenn man einem Menschen zwar Kopf und Füße läßt, dagegen den ganzen Rumpf wegoperiert, schloß er seine Ausführungen mit den Worten:
All dieses läuft auf eins hinaus, daß, wenn Deutschland in Weideland verwandelt werden soll, um England den Verkauf seiner preisgesteigerten Erzeugnisse zu ermöglichen, die amerikanischen Steuerzahler auch weiterhin die deutsche Bevölkerung auf einem Hungerlebensniveau erhalten müssen, für das sie nur Haß ernten werden.
Wir wissen nach amtlichen Feststellungen, daß im September dieses Jahres bereits 300 000 Arbeitsplätze durch die Demontage verlorengegangen sind. Das bedeutet, daß ungefähr 900 000 Menschen
ihren Lebensunterhalt aus der früheren Arbeit verloren haben. Betrachtet man die völkerrechtliche Situation Deutschlands in dieser Hinsicht, so, glaube ich, haben wir allen Grund, immer und immer wieder gegen diese Maßnahmen Front zu machen, die wahrhaftig nicht dem auch von uns gewünschten Frieden und dem Zusammengehen der Völker Europas dienen können.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch das Augenmerk des Hohen Hauses auf ein Gebiet hinwenden, das meines Wissens heute noch nicht erwähnt wurde und in dem bei den nunmehr begonnenen Demontagen gerade Ostvertriebene in außerordentlich großer Zahl um ihre Arbeitsplätze kommen: das ist das Gebiet von Watenstedt-Salzgitter.
— Es ist erwähnt worden? Ich habe gesagt „meines Wissens"; ich bitte um Verzeihung.
In den Jahren 1945 bis 1947 wurden in allen Zonen ohne deutsche Zustimmung einseitig Reparationsmaßnahmen durchgeführt, und im Jahre 1948 begann eine Serie systematischer Reparationsentnahmen besonders in der britischen Zone, in welcher sich ja das wichtigste deutsche Industriegebiet in Rheinland-Westfalen befindet. Da es nicht möglich war, in diesem in langen Jahrzehnten feingegliederten Organismus die Demontagearbeiten mit den eigenen Besatzungstruppen durchzuführen, griff die britische Militärregierung dazu, unter Ausschluß eines Berufungsrechts und mit Strafandrohung im Weigerungsfalle deutsche Arbeiter dazu zu zwingen, an einseitig beschlossenen Demontagemaßnahmen gegen deutsche Friedensproduktionsbetriebe mitzuwirken. Sie ließ sich darin auch nicht durch den in dem großen Demontageverweigererprozeß in Bochum erbrachten Beweis behindern, daß nach internationalen Rechtsvorschriften die bisherigen Reparationsmaßnahmen in Deutschland keine Rechtsgültigkeit besitzen. Einmal widerspricht es dem Grundgesetz, Artikel 12, Absatz 3 und 4, deutsche Arbeiter zur Zwangsarbeit zu bringen. Aber nicht nur hier wird jede Zwangsarbeit abgelehnt. Ich verweise auf das am 3. November 1947 durch das Internationale Militärgericht gefällte Urteil gegen Oswald Pohl, in dem es heißt:
Es gibt keine wohlwollende Sklaverei. Unfreiwilliger Dienst, wenn auch durch humane
Behandlung gemildert, ist immer noch Sklaverei. Und in der Verfassung der Vereinigten Staaten heißt es:
Weder Sklaverei noch unfreiwillige Dienstleistung — ausgenommen als Strafe — soll weder in den Vereinigten Staaten noch in irgendeinem anderen unter deren Gerichtsbarkeit stehenden Ort bestehen.
Und die Charta der Menschenrechte der Vereinten
Nationen vom Dezember 1948 erklärt in Artikel 23:
Jeder hat das Recht der freien Wahl der Beschäftigung.
Niemand darf also nach dieser Charta der Menschenrechte zu irgendeiner Arbeit gezwungen werden.
Wenn man sich nun hier vielleicht damit herauswinden möchte, daß man diese ganzen Befehle, die darüber ergangen sind, auf das Militärische schieben wollte, so erlaube ich mir, das Hohe Haus auf das „Manual of Military Law" hinzuweisen, in dem es in Punkt 354, nachdem vorher das Völkerrecht genau aufgebaut und gegliedert und damit die Rechte der Besatzungsmacht gekennzeichnet sind, heißt:
Es wird ihr als nicht mehr gestattet angesehen, daß sie ihren Willen ungezügelt durchsetzt und die Rechte der Einwohner ignoriert.
Wir sehen in den Anträgen, die hier vorliegen, Anträge, denen wir an sich unsere innerste Zustimmung geben. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang betonen, daß wir für die Demontageverweigerer wie für die Verurteilten die Regierung bitten, auf jeden Fall alles zu tun, um diesen Menschen zu helfen. Aber auch das Schicksal jener Millionen, die durch die Demontage um ihre Arbeitsplätze gekommen sind, steht uns so hoch und ist für uns so ungeheuer bedeutungsvoll, daß wir es ablehnen müssen, das Schicksal dieser Menschen hier zu Propagandazwecken mißbrauchen zu lassen.
Wir wissen genau, wie man diesen Menschen helfen kann, aber wir stehen auf dem Standpunkt, daß sich diejenigen auch auf der andern Seite des Eisernen Vorhangs für die Belange des deutschen schaffenden Menschen einsetzen sollten, die sich über dieses oder jenes auf dieser Seite — hier hüben — aufregen, ohne den Mut aufzubringen, auch, der sowjetischen Besatzungsmacht, ihrem Brötchengeber, ganz gehörig Bescheid zu geben, um die Rechte Deutschlands zu verteidigen. Anträgen dieser Leute, die nur Propaganda mit der Not der Menschen treiben, können wir unsere Zustimmung nicht geben.