Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! In einer im September erschienenen Nummer der Zeitung „Die Zeit", die ich zufällig zur Hand habe, befindet sich die Wiedergabe der folgenden Bemerkung, die ein Reichstagsabgeordneter an den früheren Kanzler von Bülow gerichtet hat:
Meine Aufgabe als Volksvertreter ist es, den Gefühlen des deutschen Volkes Ausdruck zu geben. Ihre Aufgabe als Minister des Äußern wird es sein, den hieraus entstehenden Schaden wiedergutzumachen.
Meine Damen und Herren! Ich bin selbstverständlich davon überzeugt, daß keiner der Herren Vorredner so verantwortungslos gedacht hat wie dieser Reichstagsabgeordnete, aber ich möchte mir doch erlauben, darauf hinzuweisen, daß jeder von uns, der von diesem Pult aus spricht, gegenüber dem deutschen Volke eine Verantwortung trägt!
Ich darf weiter noch folgendes bemerken: Die Verhandlungen mit der Hohen Kommission sind noch im Gange.
— Verhandlungen! — Wenn es mir möglich gewesen wäre, die Veröffentlichung in Frankreich hintanzuhalten, würde ich selbstverständlich auch hier der Presse keine Mitteilung gegeben haben; denn ich halte es für eine außerordentliche Gefährdung solcher Verhandlungen und damit der Interessen des deutschen Volkes, wenn während schwebender Verhandlungen eine entweder unangebrachte oder zum mindesten doch verletzende Kritik geübt wird. Man sollte meines Erachtens damit zurückhalten, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind.
Nun, meine Damen und Herren, bitte ich doch im Interesse der deutschen Öffentlichkeit — ich sage das namentlich gegenüber dem, was der Herr Abgeordnete Dr. Reismann gesagt hat —, daran festzuhalten, daß bisher überhaupt noch nichts vorgeschrieben und auch noch nichts irgendwie zugesagt ist. Ich darf gegenüber Herrn Dr. Reismann feststellen, daß ich hier ausdrücklich erklärt habe, die Bundesregierung sei einmütig entschlossen, den Vorschlag der Hohen Kommissare auf eine Erhöhung der inländischen Kohlenpreise nicht anzunehmen. Das bitte ich doch festzuhalten und nicht durch Ausführungen, wie sie der Vertreter einer angesehenen Partei hier eben gemacht hat, Beunruhigung im deutschen Volke hervorzurufen.
Daß die Verhandlungen im Flusse sind, geht auch daraus hervor, daß meinem Ersuchen um eine mündliche Verhandlung mit den Hohen Kommissaren stattgegeben worden ist. Die Verhandlung wird stattfinden.
Ich bitte, diesen Beschluß der Hohen Kommissare einmal in Ruhe durchzulesen; Sie werden dann finden, daß in dem Wortlaut dieses Beschlusses selbst Möglichkeiten zu Verhandlungen aufgezeigt sind.
Sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird das Ergebnis dem Hohen Hause selbstverständlich mitgeteilt werden. Aber ich glaube, die heutigen Verhandlungen waren ein Schulbeispiel dafür, daß man während schwebender Verhandlungen nicht darüber sprechen soll.