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ID0100709800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949 47 7. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949. Geschäftiche Mitteilungen 47B, 67C, D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 47B Ewers (DP) 47C Dr. Seelos (BP) 53D Reimann (KPD) 58C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 67A Unterbrechung der Sitzung . 67C Loritz (WAV) 67D Frau Wessel (Z) 72B Dr. Richter (DRP) 80A Clausen (SSW) 85C Dr. Edert (Parteilos) 86B Fortsetzung der Sitzung 87C Die Sitzung wird um 10 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Ich möchte bezweifeln, ob sich alle Mitglieder dieses Hauses über die Bedeutung gewisser Vorgänge im klaren sind, die sich gestern hier abgespielt haben.
    Zumindest glaube ich, daß das Echo dieser Vorgänge im Ausland den einen oder andern doch etwas nachdenklicher stimmen wird, als man gestern zu erkennen gab. Dabei möchte ich nicht gewisse Reden als entscheidend betrachten, die von einigen Sprechern der Rechten des Hauses hier gehalten worden sind. Viel wichtiger scheint mir die Frage zu sein, wie die Regierung und der Herr Bundeskanzler selbst auf diese Reden reagiert haben und auf welche Weise sie damit zu erkennen gegeben haben, wie sie sich die Grundlage ihrer künftigen Außenpolitik denken.
    Zuvor möchte ich an einige Worte der Frau Kollegin Wessel erinnern, von denen ich hoffen möchte, daß sie einigen Damen und Herren dieses Hauses doch zu etwas besinnlicherem Nachdenken Anlaß geben. Manches, was Frau Kollegin Wessel gesagt hat, wird vielleicht einen Weg für die Art der Überbrückung von Gegensätzen, die bisher scheinbar unüberwindlich waren, zeigen können. Sie hat vor allem auf einen Umstand hingewiesen', der uns Deutschen in der Vergangenheit oft den Weg zu einem freundschaftlichen Verhältnis mit unseren Nachbarvölkern und mit der ganzen Welt verbaut hat. Sie hat auf das Unvermögen vieler Deutscher hingewiesen, die politischen Gegebenheiten anderer Völker und anderer Staaten so zu beachten und in Rechnung zu stellen, als ob es unsere eigenen wären. Sie warnte insbesondere vor gewissen Traditionen der deutschen Diplomatie, die durch Überheblichkeit und Korpsstudentengeist charakterisiert sind.
    Man sollte nun meinen, daß eine Regierung, die den Namen Regierung der Bundesrepublik Deutschland trägt und ihn für sich auch weiterhin in Anspruch nehmen möchte, sich solchen Gedankengängen nicht verschließen wird. Aber das Gegenteil ist eingetreten. Man kann wohl sagen, daß diese Regierung und ihr Sprecher an einem Tage in unserm Verhältnis zur Welt mehr Porzellan zerschlagen haben als jemals irgendeine Regierung der Weimarer Republik.

    (Zustimmung bei der KPD.)

    Diese Regierung behauptet von sich, ihr Bestreben bestehe darin, den Weg in die freie Gemeinschaft der Völker erfolgreich anzutreten, ihr Weg bestehe darin, von der Weltöffentlichkeit wieder gehört, ernst genommen und beachtet zu werden. Wie stellt


    (Fisch)

    sich diese Regierung und ihr Kanzler diesen Weg vor, wenn sie auf solche Weise zu operieren gedenkt, wie sie uns das gestern demonstriert hat? Die ganze staatsmännische Weisheit und Klugheit dieser Regierung besteht anscheinend darin, eine Politik zu betreiben, die Deutschland in eine völlige Isolierung hineintreiben muß.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Ihre erste staatsmännische Handlung bestand darin, einen Schreckschuß gegen jene Völker loszulassen, die gerade erst das fürchterliche Erlebnis der Besetzung durch das Hitlerregime hinter sich haben.
    Der Bundeskanzler hielt es für angebracht, in die Debatte einzugreifen und das ganze Gewicht seiner politischen Stellung dadurch zur Geltung zu bringen, daß er solchen Auffassungen widersprach, die nichts anderes wollen, als unserem Volke zum Frieden zu verhelfen und unser Verhältnis zu unseren Nachbarvölkern und zur ganzen Welt in geordnete Bahnen zu bringen..

    (Zuruf in der Mitte: Oder-Neiße-Linie!)

    Er bediente sich dabei Methoden, die jeglicher parlamentarischen Gepflogenheit widersprechen.

    (Zuruf von der CDU: Woher weißt du?)

    Obwohl er das getan hat, hatte er jedoch nichts zu einigen Ausführungen von Freunden seiner Regierungskoalition zu bemerken, die uns und auch diese westdeutsche Bundesrepublik im Ausland aufs schwerste belasten müssen. Hier sprach ein Angehöriger der Bayernpartei davon, daß Böhmen und Mähren urdeutsche Gebiete seien genau wie Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Westpreußen usw., auf die wir nicht verzichten könnten. Der Herr Bundeskanzler schweigt zu diesem Anspruch der neuen westdeutschen Bundesrepublik auf die Eingliederung von Böhmen und Mähren. Ein anderer Sprecher, ein Angehöriger der Bayernpartei, erklärt, er bedaure, daß österreich aus dem Deutschen Bund ausgeschlossen sei. Ein weiterer Sprecher hat soeben erklärt, er bedaure, daß es nicht eine deutsch geführte Vormacht im Donauraum gebe, die den alten Zustand der österreich-ungarischen Monarchie wiederherstelle. Auch dazu schweigt die Regierung. Es gab einen anderen Sprecher, der sich die Kühnheit erlaubte, zu erklären: Wir werden keinem Friedensvertrag zustimmen, der den Mordbanden Bieruts und Gottwalds den deutschen Osten überläßt.

    (Zuruf in der Mitte: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, das sind keine Einzelgänger oder absonderliche Gestalten, die sich in das Bundeshaus verirrt haben.

    (Zuruf rechts: Gott sei Dank!)

    Das sind Sprecher von Regierungsparteien, das sind Sprecher solcher Gruppen, die der Regierung zum mindesten nahestehen. Einer von ihnen erklärt unwidersprochen, er nehme an, daß die von ihm wiedergegebene Auffassung auch der Meinung des Herrn Bundeskanzlers entspreche. Auch dazu schwieg der Herr Bundeskanzler, und der Herr Präsident hielt es in diesem Falle nicht für geboten einzugreifen.
    Ist eine solche Redeweise bei der Eröffnung dieses Parlaments nicht geradezu eine Herausforderung aller Völker, die unter der Besetzung des Naziregimes so Fürchterliches erduldet haben? Eine Herausforderung ist es, die alten nazistischen Ansprüche wieder geltend zu machen und sie sich zu eigen zu machen. Man kann sich nicht wundern, wenn sich ein Mann der Rechten dieses Hauses zum
    Wortführer dieser Ansprüche macht, der selbst einmal Funktionär der Henlein-Partei gewesen ist.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Man braucht sich nicht zu wundern, wenn von dieser Seite jenes obskure Wort von der „tschechischen Soldateska" fällt, hier im sogenannten Deutschen Bundestag unwidersprochen, die gleiche Formulierung, die wir von Goebbels und Hitler unmittelbar vor dem Überfall auf die Tschechoslowakei hörten.

    (Erneute Rufe von der KPD: Hört! Hört!)

    Ich muß schon darum bitten, diesen Ausdruck hinzunehmen, aber ich finde keinen andern dafür, wenn ich sage: Es ist doch zumindest eine Geschmacklosigkeit sondergleichen, im Jahre 1949 von den deutschen Leistungen in Polen und der Tschechoslowakei zu sprechen und daraus Gebietsansprüche abzuleiten.

    (Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, Sie haben den Ausdruck „Geschmacklosigkeit" gebraucht. Das ist keine sachliche Feststellung, sondern ein Werturteil, das geeignet ist, die Personen, die Sie meinten, in ihrem Selbstgefühl zu treffen.

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    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Ich meine, wenn man heute — im Jahre 1949 — von Leistungen, die unter deutschem Namen in jenen Ländern vollbracht worden sind, spricht, dann hätte man die Pflicht, an die „Leistungen" der Jahre 1939 bis 1945 zu denken. Das polnische Volk denkt bei Worten wie deutsche Leistungen an Lodz, an Auschwitz, an Warschau, an Lublin, und das tschechoslowakische Volk denkt bei diesen Formulierungen an den Namen Lidice,

    (Zuruf in der Mitte: An Aussig!)

    der tief in die Herzen aller tschechoslowakischen Bürger eingeprägt ist.

    (Unruhe und Zuruf rechts: Unerhört!)

    Meine Damen und Herren! Ich glaube, man muß es auch als eine Herausforderung bezeichnen, wenn in diesem Hause Staatsoberhäupter in einer solchen Form tituliert werden, wie das gestern hier geschehen ist, Staatsoberhäupter von Staaten, mit denen die Länder, die Hohe Kommissare auf den Petersberg geschickt haben, normale und korrekte Beziehungen pflegen und aufrechtzuerhalten wünschen. Ist es nicht der Ausdruck eines unglaublichen Chauvinismus und nebenbei eines politischen Unverstandes, derartige Reden gerade gegenüber den Staatsoberhäuptern solcher Länder zu führen, mit denen gerade Handelsverträge abgeschlossen werden sollen, auf deren Erfolg die Wohlfahrt und das Vorwärtskommen unserer Wirtschaft in starkem Maße angewiesen sind?

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Solche Reden können aber nur gehalten, geduldet
    und damit sanktioniert werden, wenn man den
    Chauvinismus zur Grundlage seiner Politik erklärt.

    (Zuruf rechts: Unerhört!)

    Das ist die Politik der Katastrophe. Es kann einen nicht wundern, wenn als Sprecher einer solchen Politik Leute auftreten, die die deutsche Außenpolitik der Zukunft auf ihren Erfahrungen und Aspekten aus ihrer Tätigkeit während der Nazizeit aufbauen wollen. Wenn es hier im Hause Leute gibt, die sich während der Nazizeit damit beschäftigten, als Syndizi des IG-Farbenkonzerns Tausende von tschechischen Zwangsarbeitern anzuwerben und sie nach Auschwitz zu bringen,

    (Hört! Hört! bei der KPD)



    (Fisch)

    dann allerdings darf man sich nicht wundern, wenn solche Leute glauben, sie könnten die Theorien und Praktiken ihrer eigenen Vergangenheit heute als die moderne Außenpolitik dem deutschen Volke empfehlen.

    (Zuruf von der FDP: Namen nennen!)

    - Die Herren der FDP-Fraktion sind genau informiert, wen ich meine.

    (Erneuter Zuruf von der FDP: Namen nennen!)

    — Ich meine den Herrn Abgeordneten Euler.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Vielleicht sind manche erstaunt über die frivole Unbekümmertheit, mit der gewisse amerikanische Zeitschriften heute Karten drucken, in denen die Niedergangspunkte von Atombomben fein säuberlich eingezeichnet sind, die Städte Bonn, Mannheim und Düsseldorf. Aber ich glaube, es liegt in der gleichen Richtung, wenn hier in diesem Hause Reden gehalten werden, die nicht zurückschrecken vor der Spekulation auf neue kriegerische Aktionen, vor der Spekulation auf neue gewaltsame Abänderungen der europäischen Landkarte.

    (Lachen rechts.)

    Meine Damen und Herren! Jene, die sich so sehr als Realisten bezeichnen, sollten einen Moment daran denken, auf welchem Erdteil wir eigentlich leben, ob wir in Texas oder vielleicht in der Nähe von Hollywood leben. Wenn das der Fall wäre, könnte ich mir vorstellen, daß gewisse Reden den Schein einer Berechtigung hätten. Aber wir leben in Europa. Wir leben in einem Gebiet, in dem Nachbar sich an Nachbar drängt. Wir können unsere Außenpolitik nicht darauf aufbauen, daß gewisse Senatoren zu gegebener Zeit unsere deutsche Jugend in Divisionen einrangieren wollen mit dem Versprechen, sie selber würden dann die dazu erforderlichen Atombomber bereitstellen. Wir können nicht auf eine mehr als fragliche Hilfe bauen, die nur erteilt wird, um demjenigen, der sie spendet, eine um so höhere Rendite zu verschaffen. Ich denke, das Beispiel Berlin sollte manchen nachdenklich machen. Es gibt Opfer der Luftbrücke, jene, die allzustark darauf spekuliert haben, die militärische Demonstration gewisser Husarengenerale würde gleichzeitg eine Lösung auf die Dauer für das Leben der West-Berliner Bevölkerung bedeuten. Wir wünschen nicht, daß es dem deutschen Volke so geht wie heute der West-Berliner Bevölkerung, die sich in immer stärkere Krisen verstrickt sieht, nur deshalb, weil sie sich dazu verführen ließ, einer Husarenstrategie ihr Ohr und ihre Aufmerksamkeit zu leihen.
    Ich möchte das unterstreichen, was sehr bescheiden aus einigen Reihen dieses Hauses angedeutet worden ist, nämlich: wenn wir eine Chance haben, als deutsches Volk zu gesunden, dann nur auf dem Wege, daß wir nichts tun, was irgendwie die bestehenden Gegensätze zwischen den Großmächten, die gegenwärtig noch über Deutschland bestimmen, vertiefen könnte.

    (Sehr richtig! links.)

    Es gibt in der Debatte des gestrigen und vorgestrigen Tages noch einen anderen Beweis politischer Kurzsichtigkeit und Unbelehrbarkeit. Es wurde zwar von allen Seiten betont, man möchte alles tun, um die Einheit Deutschlands vorzubereiten. Aber die Erläuterungen, die uns seitens der CDU-Fraktion über die Funktionen des Ostministeriums gegeben worden sind, müssen uns alles andere als optimistisch stimmen. Herr von Brentano als Sprecher der CDU-Fraktion wollte uns zwar glauben machen, dieses Ministerium verzichte auf die Pflege völkerrechtlicher Beziehungen, es habe nur die eine Aufgabe: zu verfolgen, was dort geschieht. Und in Anbetracht der sozialen und strukturellen Änderungen, die in diesem Teil Deutschlands vor sich gehen, hielt es Herr von Brentano in der ihm eigenen bescheidenen und zurückhaltenden Weise für angebracht, zu erklären, es sei die Aufgabe des Ostministeriums, zu prüfen, wie gewisse Dinge revidiert werden können, die sich in den letzten Jahren in der gesellschaftlichen Struktur der Ostzone Deutschlands angebahnt haben. Er meinte, das könne ja nicht von heute auf morgen revidiert werden. Was wollen Sie, Herr von Brentano?

    (Abg. Dr. von Brentano: Wissen Sie genau!) Wollen Sie Listen zusammenstellen, nach denen festgestellt wird, wie die enteigneten Junker von Ostelbien wieder zu ihrem alten Besitz kommen, von dem dann die Neubauern verjagt werden sollen?


    (Zuruf von der CDU: Die gehen ja von allein!) Wollen Sie die Gleichschaltung von hier aus betreiben? Wollen Sie die alten Konzernherren wieder in ihre alten Privilegien zurückbringen? Wollen Sie alle jene reaktionären Onkels aus dem Justizapparat wieder in ihre alten Positionen zurückführen? Wollen Sie Vorbereitungen treffen für die Wiederherstellung der Privilegien der Söhne und Töchter der Reichen, damit ihnen allein die Bildungsstätten und Hochschulen gehören?


    (Zuruf: Nein, aber nicht das Kz Buchenwald!) Was wollen Sie eigentlich? - Meine Damen und Herren, ich habe heute mittag einen kleinen Hinweis in der heutigen Ausgabe des Düsseldorfer „Handelsblattes" gefunden, der — so scheint mir - die künftige Funktion des Ostministeriums erläutern könnte. Hier findet sich ein großes Inserat mit folgendem Text:

    Reichsverbürgte Rüstungskredite für früheren Ostzonenbesitz. Namens einer mir nahestehenden seriösen Gesellschaft, die sich der Geltendmachung der Rückzahlung von reichsverbürgten Rüstungskrediten nach Verlust ihres Ostzonenbesitzes gegenübersieht, suche ich andere Gesellschaften oder Personen, die sich in der gleichen Lage befinden, zwecks unentgeltlichen wechselseitigen Gedankenaustauschs zur Vorbereitung gemeinsamer Interessenwahrnehmung, eventuell auch durch Einflußnahme bei den gesetzgebenden Körperschaften.

    (Hört! Hört! bei der KPD. — Lachen bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß mit diesen gesetzgebenden Körperschaften die Organe des sogenannten .Ostministeriums gemeint sind.

    (Zuruf rechts: Das sind doch keine gesetzgebenden Körperschaften!)

    Was Sie wollen, meine Herren vom rechten Flügel dieses Hauses, ist folgendes. Sie haben den komischen Ehrgeiz, sich in die Serie jener Hasardeure der modernen Geschichte einzureihen, die es nie vermögen, aus der Vergangenheit zu lernen, und die immer meinen, die künftige Geschichte müßte so ablaufen, wie es sich in ihren Hirnen als Zukunftsmusik abspielt.
    Meine Damen und Herren, es hat sich in den letzten Monaten einiges ereignet, an dem auch Sie nicht achtlos vorübergehen sollten. Auch auf der Pariser Konferenz glaubte man am Anfang, mit


    (Fisch)

    jenen bekannten fünf ultimativen Punkten die These der Eingliederung der Ostzone in den westdeutschen Bundesstaat und die These der Gleichschaltung vertreten zu müssen. Aber vom Anfang bis zum Ende dieser Pariser Konferenz hat sich einiges gewandelt, und vielleicht erinnern Sie sich, meine Damen und Herren von der Rechten des Hauses, daß seitdem einige Generale und Zivilstrategen des „kalten Krieges" von der amerikanischen Regierung zurückgepfiffen worden sind.

    (Zuruf von der SPD: Oder vom Osten!)

    Zu Ende der Pariser Konferenz gab man den Deutschen andere Empfehlungen als im vergangenen Jahre, nämlich sie mögen gemeinsame Organe aus Osten und Westen bilden, die die dringlichsten Forderungen der Gegenwart besprechen und in Vorschlägen formulieren, wie man zuerst die interzonale Wirtschaft und den Handel wieder in Gang setzen kann. Ja, Herr von Brentano, Sie erinnern sich vielleicht auch an einen Satz: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fort. Gesetz wird Unsinn, Wohltat Plage; weh dir, daß du ein Enkel bist!"

    (Abg. Dr. von Brentano: Wissen Sie auch, wer das gesagt hat?)

    Wenn Sie noch immer an jener alten Konzeption des „kalten Krieges" der Londoner Konferenz von 1948 festhalten, dann werden Sie Ihr Lebtag einer dieser Enkel bleiben, dem das Gesetz nur Unsinn ist, aber der den Unsinn dieses Gesetzes niemals begreifen wird.
    Meine Damen und Herren! Ich glaube, es kann n ur einen Weg zur Herstellung der Einheit Deutschlands geben, nämlich den Weg der freien Selbstbestimmung des ganzen deutschen Volkes.

    (Lebhafte Zustimmung und Händeklatschen rechts und in der Mitte. — Zuruf: Das war das erste vernünftige Wort! — Heiterkeit.)

    Sie kann sich nicht vollziehen unter dem Regime von Ruhr- und Besatzungsstatut und unter dem Diktat gewisser Hoher Kommissare.

    (Zurufe rechts: Auch nicht in Kzs! Polit-Kommissare meinen Sie wohl!) -- Das ist ein alter Witz.


    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler sprach von einer eminent wichtigen Aufgabe, die er als die Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik und damit auch einer erfolgreichen Sozialpolitik bezeichnete. Er meinte, man müsse das Vertrauen des ausländischen Kapitals wiedergewinnen. Nun gut, das ausländische Kapital steht vor den Toren. Es hat sich die erforderlichen Maßnahmen zum leichteren Eingang bereits im Ruhrstatut und im Besatzungsstatut geschaffen. Es hat durch die Währungsumstellung dieser Tage die letzten Vorbereitungen getroffen, und am Ende muß der Aufkauf entscheidender Teile der deutschen Wirtschaft stehen.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Aber ich möchte den Herrn Bundeskanzler fragen: Womit möchte er denn nun das ausländische Kapital anlocken?

    (Abg. Dr. von Brentano: Nicht mit Ihnen!)

    Womit möchte er den Eindruck erwecken, daß es
    sich lohnt, in Deutschland zu investieren? Doch
    wohl nur damit, daß die Anlagebedingungen für
    das ausländische, insbesondere für das amerikanische Kapital ein Höchstmaß von Profiten in
    Aussicht stellen. Womit kann man also anlocken?
    Mit dem Lebensniveau von Kulilöhnen, mit der Beseitigung des Mitbestimmungsrechts der Arbeiter und Angestellten sowie der Gewerkschaften in den Betrieben. Man kann anlocken mit der Perspektive der Minderung des sozialen Lebensniveaus für die Rentner, für die Flüchtlinge und alle anderen, die heute die Opfer unserer fürchterlichen Notlage geworden sind.
    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine kurze Antwort auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer von heute vormittag. Der Herr Kollege Ollenhauer nahm zu den Ausführungen meines Parteifreundes Reimann Stellung. Er meinte, die Ereignisse um den 20. Juli des Jahres 1932 seien doch wohl nicht ohne die Mithilfe der Kommunisten zustande gekommen. Herr Kollege Ollenhauer, wenn unsere Partei so überheblich wäre, nie von ihren Fehlern, sondern nur von ihren positiven Leistungen zu sprechen, dann wäre diese Mahnung angebracht gewesen. Wir haben zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt erklärt, daß wir es für falsch halten, was im Jahre 1932 auch nur im geringsten der Reaktion vielleicht dazu verholfen hat, schneller an die Macht heranzukommen, indem wir nicht alle Möglichkeiten der Schaffung eines einheitlichen Handelns der Arbeiterklasse und der werktätigen Bevölkerung förderten und unterstützten.

    (Zuruf von der SPD: Und Ihre Kzs?)

    Meine Damen und Herren, die Kommunisten sind eine ernste Partei, die ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit nicht nur in programmatischen Erklärungen, sondern auch

    (Zuruf rechts: In Konzentrationslagern!)

    in offener Einstellung gegenüber ihren eigenen Handlungen und in einer offenen Selbstkritik darstellt. Wir wünschen, daß jede deutsche Partei, die in diesem Hause vertreten ist, ein ebensolches Maß an Selbstkritik an ihre eigene Haltung in der Vergangenheit bis zum Jahre 1933 und während der Nazizeit anlegen und das auch der Öffentlichkeit mitteilen würde. Ich glaube, es würde unter solchen Bedingungen seit 1945 manches anders gegangen sein.

    (Abg. Neumann: Reden Sie doch von den Kz's seit 1945!)

    — Herr Kollege Neumann, ich bin gerne bereit, gemeinsam mit Ihnen festzustellen, welche wirklichen Sozialdemokraten sich heute in sogenannten Internierungslagern befinden.

    (Abg. Neumann: Wo ist Major Heinrich? Weitere Zurufe.)

    Meine Herren, ich möchte den Kollegen Ollenhauer daran erinnern, daß auch in seiner Partei in der Vergangenheit die Kritik nicht übersehen wurde, jedenfalls zu einem früheren Zeitpunkt. Ich möchte Sie, Herr Kollege Ollenhauer, an das Dokument des Prager Parteivorstandes vom Jahre 1934 erinnern, das Sie selbst unterzeichnet haben und in dem Sie zu Ihrer Politik der Vergangenheit sehr kritisch Stellung nehmen und einen neuen Kurs, eine Neuorientierung ausarbeiten. Ich möchte Sie auch an die von Ihnen selbst mitbeschlossene Entschließung des Parteivorstandes in Köln vorn September 1946 erinnern, in der Sie feststellen, daß heute bereits wieder die alten Kräfte der Reaktion in den entscheidenden Stellen von Staat und Wirtschaft stehen. Nun, meine Damen und Herren, wenn dies der Fall ist — und wir unterstreichen diese Feststellung —, dann muß man aus dieser Feststellung Schlüsse ziehen, und zwar nicht


    (Fisch)

    nur in Worten, sondern auch im Handeln. Das ist es, was uns not tut. Sie meinen, Herr Kollege Ollenhauer, daß wir Kommunisten einen solchen Kurs befolgen, weil uns nur darum zu tun sei, die fehlenden Massen für unsere Propaganda zu gewinnen. Wir sind weit davon entfernt! Es geht uns keineswegs um Prestigeerfolge unserer Partei. Wir haben 1933 erlebt, was es bedeutet, wenn eine Partei der Arbeiterklasse sich in erster Linie von Prestigegesichtspunkten ihrer Partei leiten läßt. Zuerst kam die KPD in Zuchthäuser und Konzentrationslager, dann folgten die Funktionäre der SPD, und dann folgten die Funktionäre der christlichen Gewerkschaften und andere. Es geht uns nicht um einen Propagandaerfolg für den Augenblick. Wir sagen deutlich, was wir wollen: wir wollen verhindern, daß die jetzige Situation, die allzusehr der Lage von 1932 ähnelt, ihre Fortsetzung in einem neuen 1933 und in einem neuen 1939 findet.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Ich denke, das ist klar! Und zu diesem Ziel ist uns jedes Mittel recht.

    (Aha! in der Mitte.)

    Man kann über dieses und jenes in der Ostzone verschiedener Meinung sein. Es läßt sich darüber streiten. Aber, meine Damen und Herren, eines muß gesagt werden: Die erdrückende Mehrheit aller ehemals führenden Sozialdemokraten in dieser Zone, Schöpflin, Ebert, Buchwitz, und wie sie alle heißen, hat eine Lehre aus den Fehlern beider Arbeiterparteien in der Weimarer Republik gezogen. Sie alle haben erkannt, daß der entscheidende Fehler darin lag, daß die fortschrittlichen Kräfte und die Arbeiterklasse damals nicht einheitlich und nicht mit starker Hand handelten. Daraus haben sie gelernt. Niemand kann ihnen daraus einen Vorwurf machen.
    Wir sagen darum heute: das Programm des Herrn Bundeskanzlers ist mehr als deutlich. Es droht die Gefahr eines Vormarsches der reaktionärsten Elemente in Deutschland. Es droht die Gefahr eines Generalangriffs auf die Löhne der Arbeiterklasse, auf die Renten, auf die Mieten, auf das Leben aller einfachen Menschen und auch auf die demokratischen Rechte der Arbeiterschaft, der Gewerkschaften und aller anderen Angehörigen der werktätiger. Schichten.

    (Hört! Hört!)

    Darum, meine Damen und Herren, wollen wir darauf hinweisen — das ist die Frage, die wir in der Rede meines Parteifreundes Reimann angeschnitten haben —: es kommt nicht darauf an, hier Deklamationen zu verkünden, sondern dem Volk draußen einen Weg zu zeigen, der der Reaktion den Weg zum Sieg versperrt, einen Weg zu zeigen, der dem Volk die Mittel in die Hand gibt, mit denen es kämpfen kann, mit denen es stärker wird als in der 'Vergangenheit.
    Die Regierung ist mit ihren 202 Stimmen, die sie erhalten hat, schwach. Das heißt aber noch nicht, daß die andern, die ihr entgegenstehen, automatisch stark sind. Sie sind nur stark, wenn sie gemeinsam handeln. Sie sind stark, wenn sie die große Chance erkennen, die im gemeinsamen Handeln für den Sieg des Fortschritts und des Friedens unseres Volkes liegt.

    (Beifall bei der KPD. — Zuruf: Zur Volksrepublik!)