Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich — gewissermaßen im Wege der Arbeitsteilung mit den Herren Vorrednern — den politischen sowie wirtschafts- und sozialpolitischen Darlegungen, die Sie soeben gehört haben, einige Bemerkungen zu den Fragen hinzufügen, die das Verhältnis unserer jungen Bundesrepublik zu den Besatzungsmächten und der übrigen Welt draußen betreffen.
Sobald wir von diesen Dingen reden, begeben wir uns auf ein Terrain, auf dem es mehr als bei allen anderen Fragengebieten darauf ankommt, das Einigende herauszustellen oder doch jedenfalls jede unfruchtbare Polemik zu vermeiden. So lassen Sie mich denn auch auf solche Auseinandersetzungen mit den in der bisherigen Debatte zum Ausdruck gekommenen unterschiedlichen Auffassungen im wesentlichen verzichten und meine Darlegungen vielmehr vor allem darauf beschränken, wie wir die hier zur Erörterung stehenden Dinge sehen.
Es handelt sich dabei um Fragen, bei deren Erörterung wir uns durchaus dessen bewußt sind, daß die eigentliche Außenpolitik zu den Materien gehört, in denen unserer jungen Bundesrepublik die volle Bewegungsfreiheit vorerst noch versagt bleibt. Auch die Pflege eigener amtlicher Beziehungen zum Ausland ist uns noch nicht zugestanden worden. Dennoch stellt der Komplex der Fragen unseres Verhältnisses zur Welt draußen ein Thema dar, dessen Prüfung und Durchsprache wir uns gar nicht entziehen können. Denn dieses Verhältnis ist letztlich eben mit bestimmend für alles und jedes, für jede kleinste Frage der Innenpolitik, für die man uns nun die Selbstregierung zugestanden hat. Innenpolitik treiben, ohne den Blick nach außen zu richten, hieße ja wahrlich Politik im luftleeren Raum betreiben und unsere ganze Arbeit aus dem Rahmen herausnehmen, in den sie nun einmal durch die Umstände unabänderlich hineingestellt ist. Gerade das Besatzungsstatut, das uns die Selbständigkeit außenpolitischer Entscheidung noch vorenthält, ist ja selbst der beste Beweis dafür, wie eng unsere inneren Dinge mit dem Ausland und mit seinen Organen in. Deutschland heute verflochten und verwachsen sind, fast bis in jede Einzelfrage der Wirtschafts-, Finanz- oder sonstigen Politik hinein. Wirtschaftspolitik kann man heute in Deutschland schon gar nicht treiben, ohne fortgesetzt und ständig den Blick nach dem Auslande zu richten. Darüber hinaus wissen wir aber auch alle, und auch die Welt weiß es, daß es für die ganze Zukunft von schlechthin entscheidender Bedeutung ist, wie das deutsche Volk sich in den großen Fragen, die heute die Welt bewegen, entscheiden wird. Und darüber müssen wir uns, glaube ich, auch klar sein: Die Gleisstellung wird doch schon heute vorgenommen, und auch das Ausland nimmt — wir haben es ja gesehen — heute bereits zu unseren Wünschen und Bestrebungen wesentlich mit nach Maßgabe dessen Stellung, was es heute und jetzt aus Deutschland hört. Da die Dinge nun einmal so liegen, können wir uns gar nicht darauf beschränken, hier nur von innenpolitischen Problemen, vom Wohnungsbau, von der sozialen Frage und dergleichen mehr zu sprechen, sondern wir müssen auch zu den großen weltweiten Gegenwartsfragen Farbe bekennen, in die wir hineingestellt sind.
Daß es dabei nicht damit getan ist, Ziele und Wünsche zu proklamieren, die wir für die Zukunft hegen, weiß jeder von uns. Durch die unheilvolle Politik Hitlers und ihre schließliche Katastrophe im Jahre 1945 ist Deutschland auf einen Tiefpunkt herabgesunken, ja in einen Abgrund geraten, aus dem uns nur mühsame Arbeit Schritt für Schritt wieder herausführen kann. Aus eigenen Kräften wäre es uns vielleicht nie gelungen, den Weg nach oben wieder zu finden, und so müssen wir dankbar sein, bereits da zu stehen, wo wir heute sind, und bei der Umschau nach weiteren Möglichkeiten zur Fortsetzung unseres Weges große Vorsicht walten lassen.
Gewiß, das Besatzungsstatut zieht unserem eigenen Wirken noch viele Grenzen. Und doch stellt es einen erheblichen Fortschritt dar, um so mehr, als es die bekannte Revisionsklausel enthält, die uns ein weiteres Fortschreiten auf dem Weg erhoffen läßt, der uns wieder als voll gleichberechtigtes Volk in die Familie der freien Völker dieser Erde zurückführen soll. Wie segensreich wäre es doch für die ganze Welt gewesen, hätte sich eine Revisionsklausel seinerzeit auch im Versailler Vertrag von 1919 befunden!
Diesmal können wir die Hoffnung und den Willen haben, unseren Weg nicht gegen eine Welt zu suchen, sondern m i t einer Welt, die uns hilfreich die Hand bietet. Solch hilfreiche Handbietung erhoffen wir vor allem von der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren der Besatzungsmächte. Daß sie sich ersprießlich und vertrauensvoll gestalten möge, ist unser aller lebhaftester Wunsch.
Ein Gutes haben diese Fragen unseres Verhältnisses zur Welt draußen jedenfalls vor allen son-
stigen Fragen voraus, die uns hier in diesem Hause beschäftigen werden, nämlich daß wir uns über sie in den wesentlichen Punkten ja nahezu alle einig sind. Einig sind wir uns, daß die Wiedergewinnung der deutschen Einheit für uns alle oberstes Ziel deutscher Politik bleibt, einig, daß die Oder-NeißeLinie als Ostgrenze für uns indiskutabel und unannehmbar ist.
Einig ist sich die erdrückende Mehrheit dieses Hauses, daß wir — wie das Ergebnis der Bundestagswahl aller Welt klar gezeigt hat — unsere Zukunft vor allem an der Seite der Welt des Westens suchen wollen, daß heißt einer Welt, die die Freiheit des einzelnen und die Gerechtigkeit für alle Völker, große und kleine, auf ihre Fahnen geschrieben hat. Was uns eint, ist auch der Glaube daran, daß die Welt des Westens uns letztlich verstehen wird' und daß damit dann die Mißverständnisse verschwinden werden, die heute noch vielfach bestehen, weil man vielerorts bei uns nur einen übersteigerten Nationalismus sehen will, während wir doch wirklich alles und jedes nur vom friedlichen Zusammenwirken der Völker erhoffen und jedem Gedanken an Gewaltlösungen durch unsagbar schwere Erfahrung belehrt, wahrlich entsagt haben.
Diese unsere positive Haltung zur Welt des Westens, der wir uns zugehörig fühlen, bedeutet natürlich nicht, daß wir nicht auch mit dem Osten irk Frieden und Freundschaft leben wollen. Nichts kann uns, glaube ich, erwünschter sein, als daß es auch in dieser Richtung der Welt gelingen möge, zu Lösungen zu kommen, die die noch bestehenden Gegensätze und Spannungen überbrücken und in den Hintergrund treten lassen. Daß das immerhin möglich ist, hat ja schließlich die Vergangenheit gezeigt, und wir wehren uns gegen jeden grundsätzlichen Pessimismus in dieser Hinsicht. Die Fragen, die dabei für uns auf dem Spiele stehen, nämlich die Wiederherstellung der deutschen Einheit und, schon heute, das Schicksal und Ergehen unserer Brüder und Schwestern in der russischen Zone, sind viel zu wichtig und bedeutsam, als daß eine pessimistische Resignation - denn auf etwas anderes würde es ja nicht hinauslaufen - für uns denkbar wäre. Es ist selbstverständlich, daß wir den Berlinern nach Kräften helfen werden; doch dahinter steht das noch größere Problem des gesamten Ostdeutschlands. Wir geben uns vor allem davon Rechenschaft, daß dieses Problem besonders schwer belastet ist mit der unglückseligen Forderung nach der Oder-Neiße-Linie. Darüber, wie in dieser Hinsicht die rechtliche und internationale Lage und der deutsche Standpunkt dazu beschaffen sind, hat der Herr Bundeskanzler hier so eindeutige Ausführungen gemacht, daß ich dem nichts hinzuzufügen brauche.
Ich komme nun zu den weiteren Fragen, vor die sich die Bundesregierung schon heute gestellt sieht und in denen sie gewiß sein muß, daß die Mehrheit dieses Hauses hinter ihr steht Das ist einmal das Problem der deutschen Haltung zum Gedanken der Europäischen Union und im besonderen zur Frage des deutschen Beitritts zum Europa-Rat. In dieser Frage hat man uns jetzt in Straßburg das Wort ja geradezu zugeschoben. Man hat gesagt, es sei unsere Sache, gegebenenfalls unseren Beitrittswunsch zur Kenntnis des Ministerkomitees der zwölf Regierungen zu bringen. Es wird Aufgabe der Bundesregierung sein, zu entscheiden, ob die Voraussetzungen zur formellen Anhängigmachung eines solchen Wunsches vorliegen und ob und wann er zweckmäßig vorgebracht wird. Hier dieses Haus aber ist das Forum, in dem gerade auch von uns Abgeordneten unterstrichen werden sollte, daß es auf unserer Seite nicht im geringsten an dem Wunsche nach ehrlicher und enger Zusammenarbeit mit den zwölf im Europa-Rat vereinigten Ländern fehlt, daß wir im Gegenteil zu solch enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit bereit sind und uns ihr bestimmt da nicht entziehen werden, wo man uns die Möglichkeit dazu bietet.
Der Europa-Rat ist noch ein recht bescheidener Anfang. Das hat die Straßburger Tagung deutlich gezeigt. Unser Grundgesetz ist jedenfalls dafür Zeuge — das möchte ich auch meinerseits nochmals betonen —, daß wir bereit sind, den Weg, der sich in Straßburg als eine Zukunftsmöglichkeit abgezeichnet hat, auch wirklich zu gehen, das heißt eigenstaatliche Rechte dem Gesamtinteresse Europas zu opfern.
Von einer engen Zusammenarbeit in einer Europäischen Union erhoffen wir vor allem die endliche Ersetzung des alten Interessengegensatzes zwischen uns und unseren westlichen Nachbarn durch die Herstellung einer weitgehenden Interessengemeinschaft. Hierzu gab es ja schon immer soviele natürliche Voraussetzungen wirtschaftlicher und sonstiger Art. Sie müssten aber in unserer Generation endlich fruchtbar gemacht werden, wollen wir uns nicht mitschuldig machen am Versäumen einer bedeutsamen geschichtlichen Stunde. Freilich wird diese Interessengemeinschaft nur dann sich auswirken können, wenn beide Seiten dazu Opfer zu bringen bereit sind, vor allem das Opfer der endlichen Überwindung des Mißtrauens in die Absichten des anderen, dieser alten Erbsünde aller Politik, die so viel Schuld daran trägt, daß frühere Anläufe zur Behebung des deutschfranzösischen Gegensatzes zum Scheitern verurteilt blieben. Der erfolgversprechendste dieser Anläufe war wohl in den 20er Jahren die Politik Gustav Stresemanns und Aristide Briands. Sie scheiterte, wie ja so oft großes Wollen wiederholten Anlaufs bedarf und nicht immer gleich beim ersten Wurf gelingt. Das soll uns deshalb nur zu neuem Versuche anspornen. Blinde Vertrauensseligkeit können wir natürlich von niemandem erwarten, und wir denken auch selbst nicht daran, uns ihr zu verschreiben. Übertriebenes Mißtrauen ist aber der Totengräber jeden Fortschritts, auch wenn man sich dabei noch so sehr auf die halbe Weltgeschichte glaubt berufen zu können.
Lebhaft teilen wir den Wunsch des Herrn Bundeskanzlers, daß sich nicht etwa die Saarfrage als ein neuer Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich schieben möge. Die Bundesregierung wird, so hoffe ich, Mittel und Wege finden, darauf hinzuwirken, daß das vermieden wird. Was gefährlich ist, sind nur überstürzte Festlegungen und Entscheidungen. Gelingt es, die große Interessengemeinschaft zu verwirklichen, von der ich sprach und die wir erhoffen, so beheben sich viele Dinge von selbst. Bis dahin sollte manches ein Provisorium bleiben.
Nicht anders steht es auch mit der Ruhrkontrolle. Wir lehnen die Ruhrbehörde nicht von vornherein ab, und wir sind bereit, in ihr mitzuarbeiten, freilich in der Erwartung und Voraussetzung, daß sie sich dann auch wirklich als ein Auftakt zu größerer
Zusammenarbeit in einem breiteren Rahmen erweist, wie das von seiten der fremden Mächte ja auch bei ihrer Begründung ausdrücklich als anzustrebendes Ziel bezeichnet worden ist.
Was im besonderen unser Verhältnis zum britischen Volk anlangt, so wünschen wir, glaube ich, alle, daß es sich denkbar freundschaftlich gestalten möge. Wir bedauern es sehr, daß in letzter Zeit besonders die leidige Demontagefrage, die ja geradezu zu einem neuralgischen Punkt unserer Beziehungen zu den Besatzungsmächten geworden ist, darauf so etwas wie einen Schatten geworfen hat. Wenn man uns dieser Frage wegen in England vielfach eines Nationalismus schlimmster Sorte bezichtigte, so hat man dabei, glaube ich, doch übersehen, daß es sich bei aller Behandlung dieses Themas aus deutschem Munde letztlich um nichts anderes handelt als eine Flucht in die Öffentlichkeit, und zwar in die Weltöffentlichkeit, einfach deshalb, weil man -auf der Gegenseite jede weitere Erörterung dieses Themas kategorisch verweigerte.
Eine der wichtigsten Seiten der Demontagefrage ist und wird immer die psychologisch-politische sein. Wiederaufbau und Abbruch zugleich sind nun einmal Gegensätze, die sich nicht zusammenreimen,
und wer den Abbruch vor Augen hat, wird zwangsläufig in seinem Glauben an die Aufrichtigkeit des Strebens nach Wiederaufbau irre.
Und wie groß auch immer die Zahl der zusätzlichen Arbeitslosigkeit sein mag, die die Demontage nach sich ziehen würde, ein Land, das schon an 11/4 Millionen Arbeitslose zählt, muß in diesem Punkte überaus empfindlich sein.
Wir sind nun einmal ein Volk, das mitten in dem Ringen um seine Lebensgrundlage steht. Und diese Lebensgrundlage heißt und kann nicht anders heißen als Produktion und Wirtschaft. Daher und nur daher die heftige Reaktion in Deutschland gegen die Beseitigung von Produktionsstätten, die für die Friedenswirtschaft von Nutzen sein können. Wenn deshalb der Herr Bundeskanzler sagte, wir würden uns freuen, wenn es zu einer Nachprüfung dieses Problems käme, so gibt es sicher keinen Deutschen, der diese Freude nicht aus vollem Herzen teilen würde. Das gilt besonders natürlich auch von der Bevölkerung an Ruhr und Rhein, als deren Wortführer ich hier mit sprechen darf.
Und nun ein kurzes Wort zu der Frage der Sicherheit, die bei der Ruhrkontrolle und den Demontagen ja so stark mit im Spiele steht. Ich sagte im Frankfurter Wirtschaftsrat schon einmal, die entscheidende Sicherheitsgarantie für die gesamte westliche Welt liege nicht in Demontagen und ähnlichen Maßnahmen, sondern im Gewinn der Seele des deutschen Volkes für die Ideale des Westens.
In den Bundestagswahlen hat sich das deutsche Volk nun in erdrückender Mehrheit zu diesen Idealen bekannt, und unsere ganze Aufgabe hier richtet sich darauf, den Glauben daran in ihm zu festigen. t
Aber es gibt noch eine andere Seite der Sicherheitsfrage. Ich glaube wirklich, die Welt redet etwas zu viel von der Sicherheit vor uns, das heißt vor einem restlos entwaffneten und abgerüsteten Lande, und zu wenig von der Sicherheit für uns,
die wir doch die höchstgerüstete Macht des Erdballs im eigenen Lande stehen haben. Bei all den Erörterungen von Sicherheitsfragen spricht ira Auslande meist die unheilvolle Verstricktheit in Auffassungen der Vergangenheit mit, von der sich Nationen, die nicht einen solch furchtbaren Zusammenbruch wie wir erlebt haben, ja wohl auch schwerer lösen können. Und doch scheint es mir dringend wünschenswert, daß man sich überall Rechenschaft geben möge von dem völligen Wandel der politischen Bühne, der sich in Europa vollzogen hat und der ein Weiterfahren in den alten Gleisen nationaler Rivalität als ebenso anachronistisch erscheinen lassen müßte, wie es einst der Fortgang der Kämpfe zwischen den hellenischen Staaten oder auch der zwischen den italienischen Stadtstaaten des Mittelalters war, als ihr Schicksal schon längst von Mächten weit größeren Ausmaßes überschattet wurde.
Gewiß, die Vergangenheit hält uns noch mit tausend Fäden fest. Noch leben wir heute, über vier Jahre nach Einstellung der Feindseligkeiten, im Kriegszustand mit den Kriegsgegnern HitlerDeutschlands, ein eigentlich widersinniger Zustand gerade in Anbetracht all dessen, was inzwischen von seiten der Westmächte zur Wiederaufrichtung der deutschen Wirtschaft und des deutschen Staatswesens geschehen ist. Mit seinem Dank für die uns vielfach gewährte ausländische Hilfe hat der Herr Bundeskanzler, so glaube ich, uns allen aus dem Herzen gesprochen. Es ist in der Tat etwas Großes, was besonders von den Vereinigten Staaten hier geleistet worden ist, deren Regierung mit dem großzügigen Hilfsprogramm des Marshallplanes die ganze westeuropäische Wirtschaft überhaupt erst wieder flott gemacht und damit der Lethargie entrissen hat, unsere eigene Wirtschaft mit einbegriffen. Doch noch leidet diese unsere Wirtschaft an dem heutigen Zwischenzustand zwischen Krieg und Frieden, in dem wir leben. Ich meine, es müßte sich doch wohl die juristische Formel finden lassen, aus diesem noch unbefriedigenden Bild wenigstens das Wort „Kriegszustand" auszumerzen mit allen seinen bedenklichen Folgen für die Rechtslage und auch für unsere wirtschaftliche Betätigung in der Welt draußen, auf die wir angewiesen sind.
Wir hoffen, daß vor allem unser Außenhandel sich bald wieder wirklich frei in der Welt wird bewegen können; denn das ist ein unbedingtes Erfordernis, sollen wir nicht auf allen Märkten von vornherein benachteiligt sein. Dazu gehört wesentlich auch die Wiederöffnung unserer Grenzen. Wir müssen heraus aus dieser Art Isolierung, in der sich Deutschland im großen gesehen ja immer noch befindet, heraus in die Weite der Welt, und zwar nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch um sozusagen geistig den Anschluß an unsere Mitwelt nicht zu versäumen und mit Scheuklappen herumzulaufen, wo es doch so not tut, daß wir den Weg der Friedensarbeit auch geistig zusammen mit den anderen Ländern gehen. Das gilt besonders auch von unserer Jugend, deren Blick sich wieder weiten muß, weshalb zum Beispiel jeder Studenten- und Schüleraustausch die wärmste Förderung durch die Bundesregierung erfahren sollte.
Vielleicht ist es nicht zu optimistisch, dem Gedanken Ausdruck zu geben, daß man die Möglichkeit der Erteilung von Aus- und Einreisegenehmi-
gungen doch bald in die Hand deutscher Behörden legen möge,
wobei ja das Ausland durch die Erteilung Seiner Sichtvermerke immer noch eingeschaltet bleibt. Der britische Außenminister hat, wenn ich nicht irre. vor längerer Zeit einmal geäußert, er betrachte es als ein Ziel einer gesunden Außenpolitik, wenn man wieder überallhin eine Fahrkarte lösen und dann ohne weitere Förmlichkeiten ungehindert dorthin reisen könne. Nun, diese Empfindung teilen wir, glaube ich, alle ganz und ear, denn wir sehnen uns wahrlich nach einer Niederlegung, der die Völker heute noch trennenden Schranken und damit nach einem wirklichen Frieden. Möge man sich im Ausland — und mit diesem Wunsche möchte ich schließen — von einem überzeugen lassen: der Friedensgeist, der jeden wahren Frieden tragen muß, ist bei uns vorhanden. Er verkörpert sich auch hier in diesem Hause und bei uns im Lande draußen, auch ohne daß wir geräuschvolle Friedenstage veranstalten. Möge dieser Baugrund von allen denen, die in diesen -unheilvollsten aller Kriege verstrickt worden sind, nicht ungenutzt gelassen bleiben, damit nicht Unkraut aus ihm emporschießt, sondern vielmehr rasch genutzt werden zum Aufbau eines neuen, der Gesundung und Einigkeit zustrebenden Europa.