Rede von
Hermann
Clausen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Gestatten Sie mir, als Vertreter der kleinsten anerkannten politischen Partei, des Südschleswigschen Wählerverbandes, und gleichzeitig als Repräsentant des dänisch gesinnten Bevölkerungsteils in Südschleswig einige Worte zum Regierungsprogramm zu sagen!
Welche Bedeutung unter Umständen eine kleine Partei, ja eine Einmann-Fraktion
im parlamentarischen Leben erhalten kann, wurde mir nach der Bundeskanzlerwahl klar,
als eine Zeitung meldete, daß man aus der bekannten zuverlässigen Quelle erfahren hätte, Clausen vom Südschleswigschen Wählerverband hätte die 202. Stimme für Herrn Dr. Adenauer abgegeben. Beinahe hätte man mir die ganze Verantwortung aufgebürdet.
Diese amüsante Behauptung stimmt übrigens schon deswegen nicht, weil ich in der fraglichen Sitzung nicht anwesend sein konnte.
Auch die Zeitungsmeldung, daß ich mich der CDU angeschlossen hätte, ist nicht richtig. Ich gehöre also nicht zur Regierungskoalition.
Meine Stellung als Vertreter des dänisch gesinnten Bevölkerungsteils oder, wenn Sie es lieber
wollen, der dänischen Minderheit in Südschleswig
zur Bundesregierung ist frei und wird sich danach richten, inwieweit die Bundesregierung den Wünschen und Sorgen dieses Grenzlandes Südschleswig gerecht wird. Es mag im Rahmen dieser Debatte beanstandet werden, wenn man von den Sorgen eines einzelnen Gebiets der Bundesrepublik spricht; aber die Mitglieder meiner politische n Organisation und meine Wähler sind auf das Grenzgebiet Südschleswig beschränkt. Ich bitte daher das Hohe Haus um Verständnis.
Der Herr Bundeskanzler hat von einer gleichmäßigeren Verteilung der Heimatvertriebenen auf die verschiedenen Länder gesprochen. Es ist mittlerweile bekannt geworden, daß Südschleswig—und ich spreche als Landtagsabgeordneter auch für Holstein — am meisten unter dem Bevölkerungsüberdruck leidet. Ich möchte daher von dieser Stelle der Regierung sagen: nicht allein der Lastenausgleich ist dringend notwendig, ebenso dringend notwendig ist der Bevölkerungsausgleich. Gehen Sie ernsthaft und schnell an eine gerechte Verteilung der Vertriebenen heran, denn Sie tun damit sowohl der einheimischen Bevölkerung einen Dienst, die unter dieser Überbevölkerung leidet, wie Sie auch den Vertriebenen einen Dienst leisten, die in unserem Grenzlande niemals eine Existenz finden können und die keine Lehr- und Arbeitsplätze für ihre Kinder finden. Sie beseitigen damit zugleich ein Unrecht gegen das Land Südschleswig.
In der Regierungserklärung und wohl auch in der Debatte ist viel über die Grenzen der Bundesrepublik gesagt worden. Ich vermisse aber eines: es ist nichts über das Selbstbestimmungsrecht eines Grenzvolkes gesagt worden. Dieses Recht fordern wir in unserem Programm, und davon ist auch in der Atlantik-Charta deutlich die Rede. Dieses Selbstbestimmungsrecht und das Recht, mit demokratischen Mitteln für die Ausübung dieses Rechts zu wirken, gehören zu den elementarsten demokratischen Grundsätzen und Grundlagen der Menschenrechte. Die Zukunft wird es zeigen, ob die Bundesregierung für die Minderheitenrechte in Grenzgebieten zu sorgen hat. Bei uns hat die schleswig-holsteinische Landesregierung die Sache in die Hand genommen, und wir hoffen, daß sie sie auch zu einem zufriedenstellenden Abschluß bringt. Sollte die Bundesregierung es als ihre Aufgabe übernehmen, in Grenzgebieten für Minderheitenrechte zu sorgen, dann bitte ich die Regierung, großzügig zu sein und Rechte zu schaffen, die tatsächlich die Forderung der Freiheit erfüllen und die von kleinlichen Schikanen frei sind, an denen die Vergangenheit so reich war. Gerade bei der Regelung von Grenzlandverhältnissen dort, wo die verschiedenen Kulturen sich überschneiden, kann eine Regierung am besten beweisen, daß es ihr mit der Demokratie ernst ist.
Nicht unerwähnt will ich lassen, daß zu den Voraussetzungen einer völligen Freiheit in unserem Grenzgebiete die Selbstverwaltung Südschleswigs gehört, die meine Organisation in ihrem Programm fordert. Nur in der Selbstverwaltung können nach unserer Auffassung die drei vorhandenen Kulturen — die deutsche, die friesische und die dänische — sich gleichberechtigt und vollkommen frei entfalten. Bei der Länderbildung hätte man darauf Rücksicht nehmen sollen. Selbst Preußen hat mehrfach erwogen, das Gebiet Südschleswigs zu einem besonderen Verwaltungsbezirk zu machen. Es ist aber nicht zur Durchführung gekommen. Historisch gesehen, hat diese Forderung ihre Berechtigung.
Zum Schlusse möchte ich sagen, um jeder Mißdeutung vorzubeugen: Sie werden den dänisch gesinnten Bevölkerungsteil Südschleswigs und mich als seinen gewählten Vertreter überall dort finden, wo es gilt, die Grundsätze der Demokratie zu pflegen, durchzuführen und zu verteidigen.