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ID0100601800

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    Deutscher Bundestag - 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1949 31 6. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 21. September 1949.. Geschäftliche Mitteilungen 31B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Dr. Schumacher (SPD) 31C Dr. von Brentano (CDU) 42D Dr. Schäfer (FDP) 49D Nächste Sitzung 56D Die Sitzung wird um 14 Uhr 21 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat gestern seine Darlegungen mit dem Hinweis auf die historische Bedeutung des Augenblicks, auf die Tragweite dieser Tage begonnen, in denen ein neuer deutscher Staat zu leben beginnt. Das bedeutet ein besonderes Maß an Verantwortung und Verpflichtung. Das bedeutet aber auch, daß man dabei von vornherein sich der Bedingungen und Bedingtheiten bewußt ist, unter denen dieses staatliche Leben nun zu wirken vermag. Das ist nicht zu ermessen unter vereinfachenden Begriffen. Das, was hier werden soll, ist nicht mit Restauration oder Revolution oder ähnlichen Worten zu kennzeichnen, sondern wir


    (Dr. Schäfer)

    müssen unter ganz bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen aus dem, was im Grundgesetz an staatlicher Form vorgezeichnet ist, nun staatlichen Inhalt schaffen.
    Wir sollen eine Demokratie machen. Demokratie besteht nicht aus formalen Bestimmungen allein, besteht auch nicht aus Instrumenten äußerer Gewalt, sondern ihre innere Festigkeit und ihre innere Kraft bekommt sie in erster Linie durch die Konvention, durch Brauchtum, durch Anerkennung wechselseitig verbindlicher Regeln für den politischen Verkehr und die politische Auseinandersetzung. Das bedeutet allerdings auch, daß man den positiven Gehalt der politischen Auseinandersetzungen, auch des Meinungsstreits, erkennt. Hier gilt für die Politik, was auch für das persönliche Leben gilt. In der Zwiesprache, in dem Wechselspiel von Äußerung und Gegenäußerung wächst die menschliche Erkenntnis. Da steigern sich die Möglichkeiten, die eigenen Einsichten immer wieder zu prüfen, zu vertiefen und zu verfeinern. Das ist auch die Aufgabe der politischen Auseinandersetzungen, die wir hier zu führen haben. Wir haben mit ihnen dazu beizutragen, daß dieser werdende Staat festes Gefüge gewinnt, indem er erlebnismäßig im Volksbewußtsein verwurzelt wird.
    Dieses Sichtbarmachen einer Staatswirklichkeit, meine Damen und Herren, erfordert allerdings, daß wir uns die Auseinandersetzung nicht zu bequem machen. Es ist hier von den beiden Vorrednern sehr viel von den Funktionen der Opposition gesprochen worden. Ich will diese Funktionen nicht geringschätzen. Ich habe ja eben schon ihren Wert angedeutet, als ich vom Sinn der Zwiesprache und l ihrer Fähigkeit, Einsichten zu steigern und zu vertiefen, gesprochen habe. Darüber hinaus aber möchte ich doch einen Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Opposition machen, nämlich zwischen der einen, die getragen ist von dem Willen, den Staat an sich und das Wechselspiel der Demokratie zu bejahen und funktionsfähig zu erhalten, und der anderen grundsätzlich staatsverneinenden Opposition. Diese hat nichts gemein mit einer Opposition, die bemüht ist, an der Entwicklung des staatlichen Lebens konstruktiv Anteil zu nehmen.

    (Zurufe links.)

    Der Herr Kollege Dr. Schumacher hat als die Aufgabe der Opposition und seiner Fraktion den Versuch bezeichnet, der Regierung und den Koalitionsparteien durch ständige Beobachtung, auch durch kritische Mitwirkung allmählich ihren Willen aufzuzwingen. Dieser Versuch nun, meine Damen und Herren, kann gemacht werden und sollte gemacht werden. Niemand von uns wird gegen diesen Versuch etwas einzuwenden haben. Ich weiß nur nicht oh die Ausführungen die wir vorhin gehört haben. gerade dazu beigetragen haben, die Überzeugung in uns zu stärken, daß wir bei diesem Versuch schon auf dem richtigen Weg sind.

    (Zustimmung.)

    Denn, was ich in diesen Ausführungen gehört habe, blieben mehr oder weniger negative Anmerkungen, aber nicht die Versuche, nun wirklich zu überzeugen, wirklich denen, die glauben, jetzt die Regierung tragen zu müssen, klarzumachen, daß sie andere Wege einschlagen müssen oder daß echte Gründe gegeben sind, von den Absichten, die gestern durch den Herrn Bundeskanzler ausgesprochen worden sind, abzuweichen.
    Meine Damen und Herren! Wir müssen von einer Tatsache ausgehen: diese neue deutsche Demokratie steht insofern unter einem ungünstigen Vorzeichen, als sie nicht das Ergebnis einer Staatsumwälzung ist, die aus den inneren Kräften des Volkes durchgebrochen ist. Dieser neue Staat kommt zustande im Gefolge einer militärischen Auseinandersetzung und eines militärischen Zusammenbruchs, der die Grundlagen und die Grundordnung des gesamten staatlichen Lebens der Vergangenheit zerstört und zerrüttet hat. So steht — anders als in Weimar — die Regierung jetzt vor der Tatsache, daß sie von Grund auf überhaupt den ganzen politischen Apparat, das gesamte Gebiet der Administration völlig neu aufzubauen hat. Gewiß sind einige Ansätze und Vorstufen vorhanden. Zuerst wurden die Gemeinden notdürftig rekonstruiert, dann wuchsen darüber die Länder, und nun entsteht über ihnen diese Bundesrepublik. Aber noch ist dieser ganze Staat nicht voll funktionsfähig.
    Meine Damen und Herren, das erste, was man eigentlich daraus folgern sollte, wäre wohl, daß man dieser Regierung einige Wochen Zeit lassen sollte, damit sie nun praktisch anfangen kann, an die politische Arbeit heranzugehen und zunächst einmal sich das organisatorische Instrument zu schaffen, mit dem man überhaupt in Deutschland Politik machen kann. Ich glaube, daß diese Arbeit und diese Tätigkeit dem deutschen Volk viel mehr wert ist als soviele theoretische Bemühungen, ob diese oder jene Entschlüsse so oder so mißdeutet werden können. Dabei wird diese Regierung, eben wegen der ungewöhnlichen Bedingtheiten der politischen Verhältnisse, unter denen der Staat entsteht, wesentliche Auseinandersetzungen zu führen haben. Sie hat alle die Realitäten, die sich um das Besatzungs- und das Ruhrstatut gruppieren, in ihre Betrachtungen hineinzunehmen.
    Meine Damen und Herren, nur einen Hinweis möchte ich in diesem Zusammenhange machen. Entscheidend ist der Geist der Handhabung dieser sogenannten Statuten. Daher liegt mir sehr daran, noch einmal mit besonderem Nachdruck auf das Begleitschreiben zu verweisen, das seinerzeit der Parlamentarische Rat erhalten hat, als ihm der Entwurf des Besatzungsstatuts zur Kenntnis gebracht wurde. Damals sind Richtlinien für die Beziehungen zwischen den Besatzungsmächten und der werdenden Bundesrepublik ausgesprochen worden, deren Verwirklichung allein überhaupt die Möglichkeit geben kann, daß unsere Bemühungen um einen neuen, um einen echten, lebendigen, im Volksbewußtsein verwurzelten Staat Erfolg haben.
    Dabei werden wir bei allen unseren ökonomischen und sozialpolitischen Erwägungen immer wieder auch von der Tatsache auszugehen haben, daß wir dies politische Gebilde, das wir hier innerhalb der drei westlichen Besatzungszonen als Staatswesen beginnen, dieses Teilstück eines Gesamtdeutschlands nur lebensfähig erhalten und seine Entwicklungsmöglichkeiten nur dann sicherstellen können, wenn diese in den größeren Zusammenhang einer europäischen Föderation einmünden. Hier werden besondere Aufgaben einer Politik des Kabinetts vorliegen; sie sind wesentlicher als irgendwelche innerpolitischen Auseinandersetzungen. Ich glaube, hier darf es einen Zwie-


    (Dr. Schäfer)

    spalt zwischen einer staatsbejahenden Opposition und den Regierungsparteien überhaupt nicht geben.
    Wir haben nämlich mehr zu erreichen. Wir stehen doch vor einer ungeheuer tragischen Lage unserer Geschichte. Das größte Unheil der Erbschaft, die uns die fürchterlichen Jahre der Despotie hinterlassen haben, liegt darin: Es ist verkannt worden, was schon in den Dreißiger Jahren in seinen Entwicklungsansätzen durchaus sichtbar war, daß sich im Westen und im Osten zwei große neue Gravitationszentren von epochebestimmender Kraft und Gewalt gebildet haben. Wir sind gegenwärtig, meine Damen und Herren — und das ist das Schlimmste, was die rasenden Machtstreber hinterlassen haben -, das Land, durch dessen Volksgebiet der Graben zwischen zwei Welten gezogen ist. Den Folgen einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken und die deutsche Einheit zurückzugewinnen, setzt ein hohes Maß politischer Konzentration, setzt eine Anstrengung voraus, diesen Staat, den wir hier beginnen, zu einem echten Kristallisationskern neuer deutscher Einheit zu machen. Sie läßt nach meiner Meinung die Dinge, die heute überwiegend zur Sprache gekommen sind, als Geringfügigkeit und Nebensächlichkeit erscheinen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    In diesem Zusammenhang möchte ich in Erwägung dessen, was dazu seitens des Herrn Bundeskanzlers erklärt worden ist, noch besonders zum Ausdruck bringen, daß für uns die Notwendigkeit besteht, zu einer baldigen Friedensordnung zu gelangen, daß auf der anderen Seite aber auch die Herstellung einer Friedensordnung für dieses zentraleuropäische Gebiet die Voraussetzung bildet, um überhaupt den Weltfrieden herstellen, sichern und erhalten zu können.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Man wird sich dazu entschließen müssen, für die Beziehungen der Menschen und Völker wieder die Vorstellung lebendig zu machen, daß diese Erde eigentlich Raum für alle hat und daß nur dann ein Frieden Wirklichkeit wird, wenn die Beziehungen und Zusammenhänge zwischen den Völkern eine echte gesellschaftliche Grundlage haben. Das geschieht aber nur dann, wenn zwischen den Menschen jenseits und diesseits der Grenzen, hüben und drüben, echte, geistige, wirtschaftliche und auch persönliche Zusammenhänge wirksam werden. So kann ich gar nicht anders, als in diesem Augenblick, da wir diesen Staat beginnen und uns zu den besonderen Notwendigkeiten dieses Staates bekennen, wieder sagen, daß für uns, für diesen Staat, aber auch für das Gedeihen und für die Herstellung des Friedens in aller Welt die entscheidende Voraussetzung ist, daß wir wieder zu einer weitgehenden, ja vollständigen Freizügigkeit und freien Beweglichkeit für Menschen, für Güter und für Gedanken gelangen.

    (Bravo! bei der FDP.)

    Ich habe schon vorhin gesagt, daß das Kabinett bei der staatlichen Neuordnung vor schwierigeren Aufgaben stehen wird als etwa die Regierung nach der Verabschiedung der Verfassung in Weimar. Wir müssen dem Kabinett eine gewisse Anlaufzeit lassen. Wir können nicht ungeduldig nur Forderungen stellen und Anträge einreichen. Es ist wichtiger, zunächst einmal die Staatseinrichtungen zu ordnen.
    Dabei müssen einige Überlegungen in den Vordergrund gerückt werden. Meine Damen und Herren, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat in allen Ländern zu einer Hypertrophie der Staatsfunktionen geführt. Der Staat hat ein solches Maß von Aufgaben zugeschanzt bekommen, hat so viele Dinge an sich gerissen oder dafür die entsprechenden Einrichtungen und Apparaturen schaffen müssen, daß die Gefahr besteht, daß durch das Übermaß der Staatsfunktionen die Demokratie in Wirklichkeit unwirksam gemacht wird.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Wenn ein Staat zuviel tut, wird er undurchsichtig und unübersehbar. Die Wirksamkeit eines Parlaments hängt bis zu einem gewissen Grade davon ab, daß die Staatsfunktionen auf das wirklich Notwendige und Wesentliche begrenzt werden.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Wird der Staatsapparat durch sein Übermaß undurchsichtig, so daß nicht einmal ein Parlament ihn überwachen und durchschauen kann, dann mag formal eine Demokratie vorhanden sein, in Wirklichkeit regiert dann mit absoluter Gewalt eine Administration.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Bei Ihrem Zentralstaat! Sie widerlegen sich selbst, Herr Abgeordneter!)

    — Ich widerlege mich nicht! Ich habe von dem Umfang der Staatsfunktionen gesprochen. Wo ich die einzelnen Staatsfunktionen hinlege, in das Zentrum oder zu irgendwelchen Zwischengliedern, das ist eine Zweckmäßigkeitsfrage. Ich wüßte nicht, welche anderen Gründe ich haben könnte, bei der Beurteilung von Form und Konstruktion staatlichen Lebens andere als Zweckmäßigkeitsgründe sprechen zu lassen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der FDP. — Abg. Dr. Baumgartner: Sie sprechen dauernd nur vom Staat statt vom Bunde! — Heiterkeit.)

    — Ich muß allerdings sagen, daß ich auf Grund des Grundgesetzes die Ihnen vielleicht merkwürdig erscheinende Auffassung habe: Bund und Bundesrepublik und Staatswesen sind irgendwie doch identisch.

    (Sehr gut! bei der FDP. Zurufe von der BP.)

    Notwendig ist also, daß das Kabinett beim Aufbau der organisatorischen Einrichtungen des Staates, der Verwaltungen, von vornherein entschlossen ist, äußerste Sparsamkeit walten zu lassen, einmal aus finanziellen Gründen, weil es angesichts der Fülle drängender Nöte gar nicht verantwortet werden kann, in den Verwaltungsfunktionen und Verwaltungseinrichtungen irgendein Übermaß eintreten zu lassen. dann aber auch, um die Durchsichtigkeit und Übersichtlichkeit des Staates für die kontrollierende Volksvertretung nicht zu erschweren oder zu vernebeln. Hier gilt die Konzentration auf das Wesentliche. Es wäre an sich notwendig, hier Überlegungen zu wiederholen, die ich aber wegen der Kürze der Zeit im einzelnen nicht ausführen will, Gedanken, die im Laufe der jahrzehntelangen Erörterungen über Verwaltungsreform und verwandte Dinge ausgesprochen worden sind.
    In diesem Zusammenhang wird natürlich auch die Personalpolitik eine Rolle spielen, und da




    (Dr. Schäfer)

    kann ich nur wiederholen und das unterstreichen, was der Herr Bundeskanzler hinsichtlich der Notwendigkeit ausgeführt hat: die Bejahung eines intakten und sorgfältig vorgebildeten Berufsbeamtentums. Wir haben nicht die Absicht, wir denken nicht daran, irgendeine Auslese parteipolitischer Art bei der Besetzung von fachlichen Beamtenstellen zu begünstigen oder zu betreiben.

    (Händeklatschen bei der FDP. — Zurufe links.)

    Wir denken vor allen Dingen nicht daran, meine Damen und Herren, etwa - das Berufsbeamtentum zurückzudrängen zugunsten von Zwölfendern der Partei- und Berufsformationen.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    In diesem Zusammenhang wird — da eben der Einwand gekommen ist, daß ich bei der Erörterung des Verwaltungsaufbaus die Länder nicht genügend erwähnt habe — darauf hinzuweisen sein, daß durch den Aufbau des Bundes eine ganze Reihe von Funktionen, die bisher bei den Ländern lagen, von dem Bund übernommen werden und infolgedessen auch sehr erhebliche Vereinfachungen in der Zusammensetzung der Länderkabinette durchaus möglich sind.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Ich kann in diesem Zusammenhang nur auf das Beispiel von Württemberg-Baden verweisen und die Bitte und die Anregung aussprechen, diese Weisheit in bezug auf Sparsamkeit und Vereinfachung möge, ohne daß lange Erörterungen notwendig sind, nun auch in anderen Ländern Schule machen.

    (Händeklatschen bei der FDP. — Zurufe links und rechts.)

    Das Entscheidende aber, meine Damen und Herren. für den Aufbau des Staates und für seine Reputation. möchte ich sagen, wird sein. daß wir nach anderthalb Jahrzehnten der Rechtlosigkeit nun mehr und mehr diesen Staat wirklich wieder als Rechtsstaat aufziehen und daß wieder die Verpflichtung, nach Gesetz und Recht 7u handeln und zu verfahren, nicht nur für die Beziehungen der einzelnen Staatsfunktionäre zueinander maßgebend wird, sondern auch entscheidend wird für das Verhältnis von Regierung zu Verwaltung, von Bürger zu Staat und von Bürger 711 Bürger. Auch hierbei ist entscheidend — das deckt sich wieder mit dem. was ich vorhin über die Notwendigkeit einer Konzentration auf die entscheidenden Aufgaben des Staates ausgeführt habe — ein Verständnis für Sinn und Grenzen der Wirksamkeit des Staates. Wenn wir zuviel Gesetze machen meine Damen und Herren. und so entsetzlich viel Vorschriften haben. daß kein Mensch mehr weiß und übersehen kann was denn eigentlich gestattet und verboten ist dann erleben wir den Zustand. in den wir hineingekommen waren vor allen Dingen in den, Zeiten der wuchernden Zwangswirtscht.
    daß nämlich die Gesetzesübertretung zur allgemeinen Volksbelustigung wird.

    (Lebhafte Zustimmung hei der FDP)

    Hier möchte ich noch einmal das Wort hervorheben. unter denn unser Bundepräsident hier in diesem Hause sein Amt angetreten hat: daß Gerechtigkeit ein Volk erhöht. Das gilt, meine Damen und Herren, auch für die Beseitigung aller Bestimmungen. die im Zurre der stufenweisen Umstellung des staatlichen Lebens von der Desnotie zu dieser allmählich in demokratische Formen
    übergleitenden Entwicklung eingeschaltet gewesen sind, all diese Gesetze und Bestimmungen, die im letzten aber auch bewirkt haben, daß Staatsbürger zweiter Klasse, Menschen verschiedenen Rechts entstanden. Daß wir Verbrecher nicht schützen, darüber dürfte wohl kein Zweifel bestehen. Aber daß man Menschen bloß deshalb, weil sie als Opfer erlogener Darstellungen sich geirrt haben,

    (Abg. Rische: Auch Schacht?)

    weil sie darum geglaubt haben, eine bestimmte Entwicklung, die über uns gekommen ist, äußerlich mitmachen zu müssen, nun ständig als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt, das ist mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht vereinbar.
    Das, meine Damen und Herren, ist gerade unter dem Gesichtspunkt, den der Herr Kollege Dr. Schumacher erwähnt hat, sehr wichtig. Er hat — nach meiner Meinung übertreibend — von einer nationalrevolutionären Gefahr gesprochen. Ich sehe, offen gestanden. diese Gefahr nicht, und ich halte es auch nicht für geschickt und klug, sie dadurch interessant zu machen. daß man sie größer darstellt, als sie in Wirklichkeit ist.

    (Sehr richtig! bei der FDP. — Zurufe links.) Aber, meine Damen und Herren, wenn man ihr schon entgegentreten will, dann ist es zumindest eine falsche Psychologie, nun noch an diesen Gesetzen, Bestimmungen, Fragebogen und Einrichtungen festzuhalten, die nichts weiter bewirken, als Menschen, die innerlich sich keiner Schuld bewußt sind, zu Staatsbürgern zweiter Klasse zu stempeln, damit zu deklassieren und hineinzutreiben in eine Bereitschaft, nun eben die eigene Chance nur noch in einer revolutionären Haltung und Einstellung zu suchen.


    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Das schließt aber auf der anderen Seite wiederum nicht aus, daß wir uns auch ebenso zur Wehr setzen

    (Zuruf links: Na also!)

    Perlen einen Mißbrauch der staatsbürgerlichen Freiheit. Wir denken nicht daran, den Fehler zu wiederholen. den die Weimarer Republik begangen hat. Wer die Freiheit verneint, stellt sich außerhalb der Freiheitsrechte.

    (Sehr richtig! bei der FDP. Abg. Dr. Baumgartner: Das gilt auch für die Länder!)

    Hier. meire Damen und Herren. wird es notwendig sein. ein wachsames Auge zu halten auf Bestrebungen und Tendenzen, die darauf hinausgehen könnten. durch einen neuen Freiheitsmißbrauch die Festigung eines freiheitlichen Staatsweses zu stören. zu hemmen oder zu gefährden.

    (Zuruf rechts. Freiheit gilt auch für die kleinen Parteien! — Heiterkeit.)

    — Natürlich! Ich habe nicht die Freiheit der kleinen Parteien bestritten: aber die Freiheit der kleinen Parteien kann ia nun nicht dahin führen, daß sie Privilegien erhalten.

    (Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren! Das, was uns als die entscheidendste Aufgabe gilt, hat der Herr Bundeskanzler gestern zum Ausdruck gebracht, als er von der Notwendigkeit sprach, mit beherzter Entschlossenheit an die sozialen Aufgaben unserer Zeit heranzugehen. Auch da haben wir wieder mit dem traurigen Erbe der Vergangenheit zu schaffen. D i e soziale Frage unserer Zeit, wenig-



    (Dr. Schäfer)

    stens das Kernstück aller sozialen Fragen unserer Zeit ist das ungeheuerliche Schicksal, das die Millionen der Menschen betroffen hat, die man aus ihrer Heimat, aus ihrer Existenz vertrieben hat. Hier — das ist schon von den Vorrednern ausgesprochen worden, und ich freue mich dieser weitgehenden Übereinstimmung — besteht die Notwendigkeit, dafür zu sorgen, daß die Lasten dieses Krieges nicht nur von den unmittelbar Betroffenen getragen werden, sondern daß hier das große ethische Prinzip gilt, daß der eine des anderen Last zu tragen hat. Dabei sind wir aber nicht der Meinung — das ganze Problem des Lastenausgleichs in diesem Zusammenhang zu erörtern, würde zu weit führen —, daß es damit getan ist, etwa mit schematischen Rentenansprüchen eine Lösung dieser überaus schwierigen und verwickelten Frage zu suchen. Der individuelle Lastenausgleich, der der Größe des Schadens nicht immer in vollem, aber in einem angemessenen und möglichen Umfange entspricht, scheint uns nach wie vor die bessere und erstrebenswertere Lösung zu sein.
    Damit ist es notwendig, sich nicht darauf zu beschränken, daß man das Recht dieser vertriebenen deutschen Menschen auf ihre angestammten Heimatgebiete ausspricht. Wir dürfen uns auch nicht etwa damit aus der Affäre ziehen, daß wir nun sagen, in diesen Dinge müsse sehr weitgehende ausländische Hilfe kommen, sondern das erste, was in dieser Angelegenheit zu geschehen hat, ist, daß das Äußerste an Anstrengungen gemacht wird, um zunächst aus eigenen Kräften und mit den eigenen Möglichkeiten diese schwierigste, diese entscheidende, diese eigentliche soziale Frage unserer Zeit zu einer Lösung zu bringen.

    (Beifall bei der FDP.)

    In diesem Zusammenhang werden dann auch die übrigen Opfer des Krieges, die Kriegsbeschädigten, eine besondere Wertung und Berücksichtigung finden müssen. Im einzelnen wird über diese Dinge zu sprechen sein, wenn die einschlägigen Gesetzentwürfe eingebracht werden und wenn die Absicht verwirklicht werden kann, ähnlich der früheren Reichsversorgung eine feste und einheitliche Rechtsgrundlage für die Versorgung aller Opfer dieses Krieges zu schaffen.
    Das Arbeitsrecht wird weiterzuentwickeln sein, denn, meine Damen und Herren, die sozialen Lebensformen, auch auf dem Gebiete des Arbeitsvertragsrechts, des Individualvertrages wie des Kollektivvertrages, sind verwickelter und komplizierter geworden. Ich beschränke mich dazu heute auf diese Bemerkung: seinerzeit konnte die Weimarer Republik für sich in Anspruch nehmen, daß sie das fortschrittlichste Arbeitsrecht der Welt entwickelt hatte. Der Wille, daran wieder anzuknüpfen, scheint mir zunächst einmal als allgemeiner Ausdruck einer Absicht und eines Willens ausreichend zu sein.
    Hinzu tritt eine sehr wesentliche Aufgabe: die Herstellung der sozialen Sicherheit mit den Mitteln der Sozialversicherung und der sozialen Fürsorge. Eins scheint uns dabei entscheidend: daß diese soziale Versicherung und daß dieses System der Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens nicht dazu führt, die unterschiedlichen Lebensformen der Menschen zu schablonisieren. Wir sind vielmehr der Überzeugung, daß wir, weil für unseren ökonomischen Fortschritt eine wachsende Verschiedenheit der Menschen, ihrer Fähigkeiten und Gaben notwendig ist, eine Normung, eine Schematisierung der menschlichen Lebensformen unter allen Umständen weitgehend vermeiden müssen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    So vertreten wir die Ansicht gegenüber der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, daß wir die deutsche Sozialversicherung wieder aus der Gefahr lösen müssen, in die sie hineingeraten war und ist, nämlich so etwas wie ein Geheimratsgewerbe zu sein. Wir sind vielmehr der Meinung, daß wir Sozialversicherungsträger entwickeln müssen, die den Versicherten selbst gehören,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und daß auf diese Weise eine echte Selbstverwaltung — unter Anpassung an die verschiedenen und wechselnden Bedürfnisse der Vorsorge — ein lebendiges Verhältnis zwischen Versicherungsträger und Versicherten herbeiführen kann. Daß dabei notwendig ist, für ihre verlorenen Vermögen einen Ausgleich herbeizuführen, dürfte unbestritten sein. Es besteht nur die Frage, ob man ihn etwa in der Form von alljährlichen Dotationen herbeiführt oder ob man nicht von vornherein zum Ausgleich der eingetretenen Verluste den Versicherungsträgern wenigstens teilweise Ausgleichsforderungen zur Verfügung stellt, um eine stetige und auch zur Sicherung der Anwartschaftsdeckung tragfähige Vermögensgrundlage zu geben.
    Es ist heute hier soviel von der Jugend gesprochen worden. Meine Damen und Herren, entscheidend ist doch wohl, daß wir die nachgewachsene Generation in das Arbeits- und Berufsleben unseres Staates und unserer Gesellschaft hineinbringen. Dafür, meine Damen und Herren, ist notwendig, daß man dazu die Wege erleichtert. Dazu gehört die Schaffung von geeigneten Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten, dazu gehört auch eine Form der Arbeitsvermittlung, die von wirklich betriebswirtschaftlich erfahrenen Persönlichkeiten durchgeführt wird,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    die die Eignung des einzelnen und seine Verwendbarkeit beurteilen können.
    Das Wichtigste bei aller Sozialpolitik aber ist, meine Damen und Herren, daß wir uns nicht nur über die Frage der Verteilung unterhalten, sondern daß wir die Frage in den Vordergrund rükken: wie kommen wir denn zu einer Mehrung der Güter und Werte? Denn man kann ja nur verteilen, was vorher geschaffen ist. So gesehen ist eine leistungerhöhende, Werte und Güter mehrende Wirtschaftspolitik eine im besten Sinne dynamische Sozialpolitik.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wer ehrlich und ernsthaft soziale Forderungen erfüllen will, wie ich sie ausgesprochen habe, auf dem Gebiete des Lastenausgleichs, in der Verbesserung der Daseinsbedingungen der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen, Körperbehinderten usw., wer die ganze Aufgabe der Wiederherstellung und der Wiedergesundung der deutschen Sozialversicherungseinrichtungen verwirklichen will, wer das Fürsorgewesen verbessern will, wer auf dem Gebiete der Gesundheitspolitik und der sozialen Hygiene fortschrittliche Entwicklungen anstrebt, der kann das nur mit einer Wirtschaftspolitik verwirklichen, die dazu überhaupt die materiellen Voraussetzungen schafft. Da sind wir allerdings der Überzeugung, daß mit einer Befehlswirtschaft, mit der Errich-


    (Dr. Schäfer)

    tung von Kommandozentralen diese Möglichkeit nicht gegeben ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir stehen heute genau so wieder in einer Situation, wie Völker etwa in dem Pionierzeitalter gestanden haben, wo sie auch von vorne anzufangen hatten. Wir stehen in einer Situation, wie wir sie in Europa nach den Freiheitskriegen hatten, damals, als auch so ein Tyrann über die Lande gezogen war, als er auch gestürzt war: da waren auch die Städte verwüstet und der Verkehr lahmgelegt und alles heruntergewirtschaftet.

    (Abg. Dr. Schmid: Der hat die Gewerbefreiheit eingeführt, Herr Kollege!)

    — Richtig! Aber damals, Herr Kollege Dr. Schmid, hat man eins nicht gemacht: man hat an den Anfang der Entwicklung des großen technischen Zeitalters nicht Planungszentralen und Lenkungsbürokratie gestellt, sondern man hat den Merkantilismus der absoluten Fürsten beseitigt, die Zünfte, all die Privilegien beseitigt, die die Berufstätigkeit der Menschen, den Eigentumserwerb der Menschen einschränkten. Man hat die Menschen freigemacht, sich nach dem höchsten Maße ihrer Leistungsfähigkeit zu entfalten.

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe von der SPD.)

    — Die Kehrseite der Medaille kenne ich auch.

    (Abg. Dr. Schmid: Sie kennen auch den Leitsatz: „Enrichez vous, Messieurs!" So ganz einfach ist es nicht, Herr Kollege!)

    — Es ist wirklich nicht ganz einfach!
    Aber entscheidend ist jetzt die Frage: wie entfessele ich die Antriebskräfte zu einer Wirtschaft, die aufsteigt? — und nicht: wie bremse ich sie, wie hemme ich sie, oder wie korrumpiere ich sie?

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe links: Ihr seid doch die Wirtschaft! Wo sitzen denn die größten?)

    — Ich muß sagen: das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die so leicht Schlechtes von jemand sagen, einfach weil sie von einer vorgefaßten Meinung ausgehen.

    (Abg. Schoettle: Wer zahlt denn die Korruptionsgelder? Einer muß doch bezahlen, wenn der andere nimmt!)

    — Nach meinen Beobachtungen haben sehr viele gezahlt. Ich kenne keinen Stand und keine Schicht, die sich nicht an diesen Dingen entweder passiv oder aktiv beteiligt hätte.

    (Zuruf von der SPD: Die andern können es besser als wir! Gegenruf: Seien Sie nur nicht so bescheiden!)

    Meine Damen und Herren, es wäre sehr reizvoll, nun diese ganzen Erörterungen fortzuspinnen. Die Redezeit ist aber beschränkt, und ich kann mich immer nur auf die grundsätzlichen Feststellungen beschränken. Entscheidend für unsere Überlegungen — um daran wieder anzuküpfen — ist, daß es darauf ankommt, die Auftriebkräfte der wirtschaftlichen Entwicklung freizumachen, zu entfesseln, und daß es darauf ankommt, das Erfolgstreben lebendig zu machen, damit mehr geschaffen wird. Denken Sie an unsere weltwirtschaftliche Abhängigkeit. Stellen Sie sich nur die Möglichkeit einer zentralen Planung vor. Was bedeutet denn zentrale Planung? Sie bedeutet, daß ich zunächst einmal den Planungsraum gegen weltwirtschaftliche Austauschbeziehungen abkapsele. Denn sonst ist die Planung gar nicht richtig möglich.

    (Zuruf: Siehe England! Gegenrufe von der SPD.)

    Das ist das eine. Wenn wir mit so primitiven Begriffen arbeiten, die noch aus der Zeit etwa des Vulgär-Marxismus des 19. Jahrhunderts stammen, kommen wir ja nicht weiter.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wie stellen Sie sich das bloß vor? Die entscheidende Frage für uns ist, durch weltwirtschaftliche Verflechtung Einfuhren hereinzubekommen, weil einfach die Möglichkeit, im eigenen Lande aus eigenen Erzeugnissen Ernährung, Bekleidung, Textilien und Rohstoffe herbeizuschaffen, nicht gegeben ist.

    (Zuruf von der KPD: Was macht eigentlich die Marshall-Behörde? — Dasselbe!)

    — Sie dürften wissen, daß der Marshallplan eine zeitweilige Angelegenheit ist, die in einigen Jahren ihre Erledigung findet. Dann entsteht für uns die entscheidende Frage, die Einfuhren, die wir dringend benötigen, selbst zu bezahlen. Einfuhren kann man aber nur bezahlen, wenn ihnen Ausfuhren gegenüberstehen. Das ist eine sehr einfache Regel, die durch noch so viele Zwischenrufe nicht aus der Welt zu schaffen ist.

    (Zuruf rechts: Hören Sie doch damit auf! Wir wollen vernünftige Reden hören! Das sind lauter Wahlreden!)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer hat das Wort. Jeder hat die Freiheit zu reden. — Bitte, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Wenn wir diese Ausweitung unseres Außenhandels haben wollen, dann brauchen wir doch ein ungeheures Maß an vielseitiger Initiative, und wir brauchen vor allen Dingen Wagnis-Bereitschaft und Wagnis-Gesinnung. Nun, meine Damen und Herren, wie Sie Wagemut schaffen wollen, wenn Sie den Leuten sagen: „Schön, du kannst etwas wagen; wenn es schief geht, dann hast du einen Verlust, aber wenn du Erfolg hast, dann wird dir alles weggenommen!"—, wie Sie unter solchen Bedingungen Wagemut schaffen wollen, weiß ich nicht. Meine psychologische Einsicht reicht dazu nicht aus.
    Aus diesen Erwägungen aber wird es notwendig sein, daß die Bundesregierung sich sehr bald bemüht, ein System der auswärtigen Handelsvertretungen für uns zu erreichen. Sie muß dabei gleichzeitig anstreben, auch unsere Devisenlage dadurch zu verbessern und zu erleichtern, daß mit Hilfe eines deutschen Schiffbaues auch die Möglichkeit gegeben ist, wieder eine eigene deutsche Handelsflotte zu betreiben.
    Im übrigen, meine Damen und Herren, besteht wohl kein Zweifel darüber, daß das, was wir auszuführen haben, in erster Linie arbeitsintensiv hergestellte Qualitätserzeugnisse sein müssen. Qualität aber ist gleichbedeutend mit dem Maß an geistiger Energie, die hineingeformt wird in den Stoff. Weil dem so ist, wird sich die Bundesregierung auch sehr bald dafür interessieren müssen, daß wissenschaftliche Einrichtungen zur Vervollkommnung unserer technischen Methoden — namentlich nach dem Verlust der gesamten gewerblichen Schutzrechte unseres Landes — geschaffen werden. Sie muß bemüht sein, gerade den wissenschaftlichen Instituten, die der technischen Entwicklung


    (Dr. Schäfer)

    förderlich sein könnten, einen besonderen Vorrang in ihrer Zielsetzung einzuräumen.
    Eines, meine Damen und Herren, möchte ich dabei von vornherein erklären: wir werden uns nie damit befreunden können, daß man auf irgendeinem Gebiet neue staatliche Monopole oder Monopolverwaltungen errichtet. Genau so, wie wir private Monopole ablehnen und gewillt sind, uns für die baldige Verabschiedung eines Anti-Monopolgesetzes einzusetzen, genau so wehren wir uns aber auch gegen die Versuche, etwa durch die Errichtung neuer staatlicher Monopole wirtschaftliche Verfügungsmacht und administrative Gewalt in einer Hand zu vereinigen

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts)

    und damit Machtzentralen in unserem staatlichen Leben aufzurichten, von denen aus die Demokratie ausgehöhlt werden könnte.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Mit dem Ausbau der Außenhandelsbeziehungen hat aber auch eine Steigerung aller Möglichkeiten der Bedarfsdeckung aus dem eigenen Lande Hand in Hand zu gehen. Hier sind wir uns darüber klar, daß wichtiger und dringlicher als alle doktrinäre Wertung über landwirtschaftliche Betriebs- und Besitzgrößen die Durchführung entschiedener Maßnahmen zur Produktionssteigerung ist. Dazu wird die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine schnelle Durchführung der Flurbereinigung gehören. Dazu werden Meliorationen gehören, Erschließung namentlich von gewissen Produktionsreserven, die noch in Nordwestdeutschland gegeben sind. Es wird dazu ferner eine Schädlingsbekämpfung gehören, die aber auch tatsächlich wirksam wird und nicht nur an Symptomen herumkuriert; und es wird weiterhin notwendig sein, den Hackfruchtbau zu begünstigen.
    Das Kernstück aber der ganzen wirtschaftspolitischen Arbeit sehen wir in der Durchführung des Wohnungsbaus. Deswegen begrüßen wir es, daß ein besonderes Ministerium die Notwendigkeit des Wohnungsbau eigens hervorhebt, ja auch die Gewähr gibt, daß diese Aufgabe nicht als Nebenangelegenheit irgendeines Ressorts begonnen, sondern als Gegenstand einer besonderen Verantwortung in diesem Kabinett angesehen wird. Angebracht wird dabei auch hier eine gewisse Wagnisbereitschaft sein. Ich rede natürlich nicht etwa bedenklichen und gefährlichen inflationistischen Experimenten das Wort. Aber notwendig wird es sein, doch den Mut zu haben zu einem gewissen, bedachtsamen Maß der Kreditausweitung, mindestens um die dringenden Forderungen der Vorfinanzierung befriedigen zu können.
    Dabei erkennen wir zugleich etwas, was ich dem Kabinett allerdings dringend als einen besonderen Wunsch meiner Freunde empfehlen möchte: die strenge Koordinierung von Wirtschafts- und Finanzpolitik. Denn es darf unter keinen Umständen hier eine Zweigleisigkeit entstehen, und es darf vor allen Dingen nicht geschehen, daß etwa durch Ressortpartikularismus die Einheit der gesamten wirtschafts- und finanzpolitischen Aufgaben, ihre Zusammenhänge und ihre Verbundenheit gelockert und gelöst werden und sich dadurch Reibungen und Hemmungen ergeben, die den wirtschaftspolitischen Leistungseffekt der Regierung beeinträchtigen. Dabei haben wir außerdem den Wunsch: alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen seien immer von dem Gedanken getragen, daß das Gebiet der Bundesrepublik eine Wirtschaftseinheit ist. Alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen und Entscheidungen müssen in erster Linie von dem Gesichtspunkt ausgehen, daß wir die sozialen Verpflichtungen, die in ihrer Zahllosigkeit, in ihrer ungeheuren Größe und Vielgestaltigkeit auf uns lasten, nur dann erfüllen können, wenn die gesamte Wirtschaftskraft der Bundesrepublik einheitlich zusammengefaßt und angesetzt wird.
    Dazu gehört, wie ich schon gesagt habe, auch eine Art der Steuerpolitik und überhaupt eine Bemessung der öffentlichen Abgaben, die verhindert, daß der deutsche Mensch dahin gebracht wird, überhaupt nicht mehr an eine selbstverantwortliche Sicherstellung seines eigenen Daseins zu denken. Hier gilt es auch, eine Umkehr zu bewirken. Das Ziel muß sein, wieder solche Existenzbedingungen für alle, für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in gleicher Weise, zu entwickeln, die sie in die Lage versetzen, am Ende ihres Arbeitslebens nicht von der Fürsorge abhängig zu sein. Es ist ein Unfug, den Menschen vorher soviel wegzunehmen, daß sie nachher unter allen Umständen auf öffentliche Fürsorge angewiesen sind.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Dabei ist dann noch eine wichtige Überlegung der Übgabenpolitik fur uns entscheidend: Kapitalbildung muß die Möglichkeit geben, nun für die Zwecke der Finanzierung in erster Linie auf echte Rücklagen zurückgreifen zu können. Dazu gehört allerdings, daß eine Währungspolitik betrieben wird, die das Vertrauen der Sparer in die Spareinlage oder des Versicherten in seine Versicherungsrücklage nicht immer wieder in Frage stellt. Hier entsteht eine große und sehr schwierige und, ich glaube, sehr viel Takt erfordernde Aufgabe der wirtschaftspolitischen Führung des Kabinetts.
    Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde im Parlamentarischen Rat haben sich nur sehr schwer die Bestimmungen des Grundgesetzes zu eigen gemacht, die sich mit der Aufteilung der Steuern und der Ordnung der Finanzverwaltung beschäftigen. Diese Bestimmungen sind nicht aus der Initiative dieser verfassunggebenden Versammlung, sondern sehr weitgehend unter fremden Einflüssen zustande gekommen. Wir möchten ausdrücklich hervorheben, daß mit den hierher gehörenden Bestimmungen des Grundgesetzes und mit den Gedankengängen, die für diejenigen malgebend gewesen sind, die diese Bestimmungen in die Verfassung aufgenommen haben, das Äußerste an Zugeständnissen hinsichtlich der Zersplitterung des deutschen Finanzwesens gemacht worden ist. Wir möchten ausdrücklich hervorheben, daß wir uns jedem Versuch, etwa im Sinne einer weiteren Streuung, einer weiteren Aufgliederung oder faktischen Schwächung der Finanzhoheit des Bundes. die finanzpolitischen Bestimmungen des Grundgesetzes extensiv zu interpretieren, mit äußerster Entschiedenheit widersetzen werden.

    (Beifall bei der FDP.)

    In diesem Zusammenhang möchte ich die Bundesregierung noch auf die dringende Notwendigkeit aufmerksam machen, sich mit größter Beschleunigung der Frage der Besatzungskosten zuzuwenden. So wie die Dinge bisher gelaufen sind, kann es nicht bleiben. Dieses Anliegen muß bald aus dem Stadium der theoretischen Betrachtungen herausgebracht werden. Denn alle Möglichkeiten, Etats aufzustellen, Haushaltsvoranschläge zu machen, überhaupt über irgendwelche Anlagen und Einnahmen zu disponieren, sind ausgeschlossen, solange nicht wirklich eine verläßliche Begrenzung der Forderungen der Besatzungsmächte erfolgt.


    (Dr. Schäfer)

    Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist eine Koalitionsregierung. Das bedeutet, daß politische Parteien mit verschiedenen Auffassungen, mit Persönlichkeiten verschiedener politischer Herkunft sich zusammengetan haben, um eine Regierung zu bilden. Für mich und meine Freunde ist bei dem Entschluß, diesen Weg zu gehen, die Überlegung entscheidend gewesen, daß unter diesen den Staatsbeginn bestimmenden und bedingenden Umständen und unter diesen Zeitverhältnissen, sowie nach dem ganzen Ergebnis und dem Verlauf des Wahlkampfes eine andere als diese Koalition gar nicht vorstellbar ist, um den Start der Bundesrepublik durchzuführen.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Es ist auch bisher angesichts der innenpolitischen Kräfteverhältnisse in diesem Hause mit ernsten Begründungen nicht der Versuch gemacht worden, eine andere Koalitionsmöglichkeit aufzuzeigen. Es hat unter diesen Umständen auch gar keinen Sinn, diese Koalition an sich zu bestreiten oder anzuzweifeln. Koalitionen sind ihrem Wesen nach eben aus verschiedenen politischen Richtungen zusammengesetzt. Das bedeutet aber nicht, daß eine Koalitionsregierung deswegen brüchig sein muß. Vielmehr ist durch die gegenwärtige Lage eine solche Fülle von dringenden und unbestreitbaren Staatsnotwendigkeiten gegeben, daß über den Willen zur Verwirklichung dieser praktischen Ziele zwischen den Koalitionspartnern überhaupt gar keine Meinungsverschiedenheiten bestehen können. Sie mögen von Fall zu Fall in Zweckmäßigkeitsfragen bestehen, sie mögen in Nebenfragen bestehen. Bei den Aufgaben, auf die es in der nächsten Zeit, in der unmittelbaren Gegenwart und in der nächsten Zukunft ankommt, befürchte ich bei allseitigem Willen zur loyalen Zusammenarbeit keine Bestandsgefährdung. Das möchte ich hier
    gegenüber den Versuchen zum Ausdruck bringen, etwa die Wirksamkeit und die Tragfähigkeit dieser Regierung dadurch fragwürdig zu machen, daß man allzu stark auf die Tatsache hinweist, daß immerhin drei Parteien an dieser Regierungsbildung beteiligt sind.

    (Abg. Dr. Schmid: Das hat doch niemand getan!)

    — Doch, das ist geschehen.
    Ich möchte noch etwas Weiteres sagen. Es gibt soviele Leute, die es ruhmvoll finden, die Kompromißlosigkeit zu preisen. In Wahrheit ist schöpferische Wirklichkeit in der Politik eigentlich immer ein Kompromiß gewesen.

    (Zuruf von der SPD: Es fragt sich nur, was für eins!)

    Die schöpferische Politik, die gestaltende Politik besteht eigentlich nie aus dem Wirksamwerden chemisch reiner Ideen, sondern immer aus der Verbindung von verschiedenen Denkelementen. Und dieser Wille zur Synthese in der praktischen politischen Arbeit wird bei Wahrung der eigenen Ausgangsstellung und Grundhaltung in der nächsten Zeit unser Weg gegenüber dieser Regierung und in diesem Hause sein.

    (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)