Meine Damen und Herren! Der vorläufige Geschäftsordnungsausschuß hat sich mit der Frage beschäftigt, dem Haus möglichst bald die Grundlage einer sachlichen Arbeit zu schaffen. Es bestand Einmütigkeit darüber, daß wir dem Hohen Haus vorschlagen, die Geschäftsordnung des früheren Deutschen Reichstags in der Fassung vom 31. Dezember 1922, die Ihnen ja wohl vorliegt, mit den Änderungen, die sich aus der Drucksache Nr. 18 ergeben, welche Ihnen ebenfalls vorliegen wird und die ich kurz mündlich erläutern möchte, anzunehmen. Ich stelle ausdrücklich fest, daß im Geschäftsordnungsausschuß Einmütigkeit darüber bestand, daß es sich nur um eine vorläufige Geschäftsordnung handelt, daß also alle Beschlüsse, die im Ausschuß gefaßt und von den Fraktionen im wesentlichen bestätigt wurden, ohne jede präjudizielle Bedeutung für die endgültige Beratung der Geschäftsordnung sind. Meine Damen und Herren, sachliche Änderungen sind nur vorgenommen worden, soweit das nötig war, um die Geschäftsordnung dem Grundgesetz anzupassen und soweit gewisse sachliche Änderungen im Ausschuß beschlossen wurden.
Hervorzuheben ist, daß zunächst einmütig beschlossen wurde, die Mitgliederzahl für die Fraktionsstärke von 15 auf 10 herabzusetzen.
— Pardon, es ist richtig; ich muß feststellen, daß von der Deutschen Rechtspartei gebeten wurde, die Mindeststärke auf 5 festzusetzen. Ich bitte, das zu entschuldigen.
- Der Antrag ist nicht gestellt worden.
Im § 4, den ich zu vergleichen bitte, mußte auf das Wahlprüfungsverfahren nach Artikel 41 des Grundgesetzes verwiesen werden, und außerdem mußte die im Wahlgesetz vom 15. Juni 1949 getroffene Regelung berücksichtigt werden.
In den §§ 26 und 30 haben wir den Ausdruck „ständige Ausschüsse" durch „ordentliche Ausschüsse" ersetzt, weil wir der Meinung waren, daß Artikel 45 des Grundgesetzes, der von einem ständigen Ausschuß spricht, damit diesen Begriff konsumiert hat. Im übrigen bestand Einmütigkeit im Ausschuß darüber, daß die Zahl der Ausschüsse und auch die Besetzung der Ausschüsse erst demnächst von Fall zu Fall beschlossen werden soll, daß also der zweite Absatz des § 26 in Wegfall kommt.
Im § 35 mußte Artikel 76 des Grundgesetzes, nämlich das unmittelbare Initiativrecht des Bundesrats, berücksichtigt werden. Im § 36 hat sich die Einfügung eines neuen Absatzes 2 als notwendig erwiesen. Dadurch wird nun klargestellt, daß je eine weitere Beratung, also praktisch eine vierte oder fünfte Lesung, erfolgen muß, wenn entweder der nach Artikel 77 des Grundgesetzes vorgesehene
gemeinsame Ausschuß des Bundestags und des Bundesrats einen Abänderungsvorschlag unterbreitet oder wenn der Bundesrat Einspruch einlegt. Wir wollten damit den Auseinandersetzungen vorbeugen, die sich in der Weimarer Zeit ergeben haben. Damals ist verschiedentlich die Frage strittig geworden, ob in einem solchen Falle etwa drei neue Lesungen erforderlich seien. Wir haben deshalb auch ausdrücklich festgestellt, daß § 52 der Geschäftsordnung in diesem Falle keine Anwendung findet.
§ 38 bringt insofern eine Änderung, als wir vorgeschlagen haben, in Anlehnung an die Praxis des Wirtschaftsrats die Möglichkeit vorzusehen, daß Anträge und Entwürfe gleichzeitig mehreren Ausschüssen zugewiesen werden, wobei allerdings jeweils festgelegt werden muß, welchem Ausschuß die Federführung obliegt.
Im § 58 war lediglich ein Druckfehler zu berichtigen. § 75 haben wir gestrichen, da die Regelung der Behandlung beschleunigter Anträge auch zurückgestellt werden soll.
Im § 86 haben wir insofern eine Änderung vorgenommen, als der Grundsatz aufgestellt worden ist, daß die Redner nicht vom Platz, sondern von der Rednertribüne aus zu sprechen haben.
Die Überschrift zu Abschnitt 15 mußte auch dem Grundgesetz angepaßt werden. Im übrigen mußte Artikel 43 des Grundgesetzes in § 96 berücksichtigt werden, nämlich das Recht des jederzeitigen Gehörs für Mitglieder und Beauftragte des Bundesrats und der Bundesregierung.
§ 98 ist lediglich auf die verschiedenen Formulierungen des Grundgesetzes abgestellt worden, das ja in verschiedenen Fällen von der gesetzlichen g) Mitgliederzahl ausgeht.
§ 113 sah vor, daß Gesetzesvorlagen nach der Beschlußfassung dem zuständigen, wie es damals hieß, Reichsminister überwiesen werden sollten. In Konsequenz der dem Bundeskanzler im Grundgesetz zugewiesenen besonderen Stellung haben wir vorgeschlagen, nunmehr die Übersendung an ihn und an den Ressortminister vorzuschreiben, gleichzeitig aber auch mit Rücksicht auf Artikel 77 des Grundgesetzes an den Bundesrat.
§ 115 regelt lediglich die Zustellung der Drucksachen. Wir haben es bei der möglichst einfachen Form der Einlegung in das Fach belassen. § 121 hat auch insofern eine Änderung erfahren, als Artikel 49 des Grundgesetzes von den Mitgliedern des Präsidiums spricht und insofern eben eine Änderung vorgenommen werden mußte.
Ich habe § 54 übersehen und darf Sie bitten, noch einmal zurückzublättern. § 54 mußte eine Änderung erfahren. Das Grundgesetz kennt ja nicht mehr den Begriff des Mißtrauensvotums, sondern das, was wir im Parlamentarischen Rat als konstruktives Mißtrauensvotum bezeichnet haben, ist rechtssystematisch eine Neuwahl des Kanzlers. Deshalb mußte § 54 entsprechend gestrichen werden.
Im übrigen weise ich noch darauf hin, daß sich der Ausschuß insbesondere mit einem Antrag des Herrn Kollegen Dr. Becker beschäftigt hat, der vorgeschlagen hat, in die Geschäftsordnung wieder eine Bestimmung aufzunehmen, wie sie durch Beschluß des Reichstags vom 9. Februar 1931 als § 48 a eingefügt worden ist, des Inhalts, daß ein Antrag, der eine Finanzvorlage darstellt und eine Ausgabenerhöhung oder Einnahmensenkung zum Gegenstand hat, nur zusammen mit den dazu ge-
hörigen Titeln des Haushaltsplans und nur dann beraten werden durfte, wenn er mit einem Ausgleichsantrag zu ihrer Deckung verbunden war.
Es bestanden im Ausschuß Meinungsverschiedenheiten darüber, ob durch diesen § 48 a das im Grundgesetz garantierte Initiativrecht in einer unzulässigen Weise beschränkt oder beeinträchtigt werde. Deswegen war der Ausschuß auch in diesem Punkt einmütig der Auffassung, zu dieser-Frage erst in der endgültigen Vorlage Stellung zu nehmen und sie zu klären.
Im übrigen kann ich es mir wohl ersparen, die anderen Differenzpunkte, die im Ausschuß zutage getreten sind, zu behandeln. Es wird Aufgabe des endgültigen Geschäftsordnungsausschusses sein, sich mit den Anregungen und Anträgen, die im vorläufigen Geschäftsordnungsausschuß bereits diskutiert wurden, zu befassen.
Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, entsprechend der Drucksache Nr. 18 zu beschließen, wobei ich, um jedes Mißverständnis zu vermeiden, abschließend noch einmal darauf hinweise, daß die endgültige Fassung der Geschäftsordnung durch den heutigen Beschluß in keiner Weise präjudiziert werden soli.