Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß das Ergebnis der Abstimmung, die wir eben vorgenommen haben, nicht ganz ohne Einfluß auf die Antragsfreudigkeit des Kollegen Blücher gewesen ist.
Im allgemeinen geben wir Sozialdemokraten Appellen an unsere Courtoisie gerne Gehör; aber in diesem Falle muß ich das Hohe Haus bitten, diesen Antrag abzulehnen. Die Damen und Herren,
die sich um die Vertagung bemühen, hatten, glaube ich, 30 mal 24 Stunden Zeit, sich zu überlegen, auf welche Prinzipien hin sie ihre Regierung bilden wollten.
Wenn ich nicht falsch unterrichtet bin, hat man diese Zeit vom 14. August ab fleißig genutzt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein weiterer Verzug von 24 Stunden sehr viel mehr Weisheit in die Entschlüsse der verantwortlichen Männer bringen könnte.
Ich glaube daher, daß das Hohe Haus darauf bestehen sollte, die Regierungserklärung am Montag verlesen zu bekommen, und zwar gibt es dafür einen sehr triftigen Grund: wir werden für die Debatte über die Regierungserklärung eine ganze Reihe von Tagen brauchen. Ich glaube sogar, daß wir darüber eine Woche debattieren werden. Ich nehme nicht an, daß die Argumente, die der Herr Bundeskanzler uns geben wird, so sein werden, daß schon die Debatte eines Tages sie erledigen könnte.
Ich könnte mir vorstellen, daß die Regierungserklärung so füllig ist, so angefüllt mit Vorschlägen, so tiefgründig,
daß man der Opposition, die keine 30 mal 24 Stunden zur Verfügung haben wird, doch die Zeit geben sollte, sich mit allem zu befassen, was uns diese Regierungserklärung kund und zu wissen tun wird. Da ich unsern verehrten Bundeskanzler schon recht lange kenne und daher weiß, wie reich seine politische Phantasie ist, bin ich überzeugt, daß er uns Stoff für eine Debatte geben wird, die sicher eine Woche dauern wird.
Wenn wir also die Regierungserklärung statt am Montag erst am Dienstag verlesen bekommen, verlieren wir einen Tag Zeit.
Die Erfahrung zeigt, meine Herren, daß von Freitag ab sehr wenige Abgeordnete mehr Lust haben werden, hier in Bonn zu bleiben.
— Das war Ihr Pech!
Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, den Antrag abzulehnen.