Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um acht Zusatzpunkte erweitert werden. Diese Punkte — einschließlich des bereits in der gestrigen Sitzung aufgesetzten Gesetzentwurfs zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — sind in der Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführt, die Ihnen auf den Plätzen vorliegt:
1. Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksachen 9/2248, 9/2284 — Berichterstatter: Abgeordnete Clemens, Gnädinger
2. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes — Drucksache 9/2035 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 9/2252 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Meyer zu Bentrup
3. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde — Drucksache 9/1987 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/2235 — Berichterstatter: Abgeordneter Dolata
4. Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8 Oktober 1970 zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen betreffend die Herstellung pharmazeutischer Produkte — Drucksache 9/ 1901 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß) — Drucksache 9/2236 — Berichterstatter: Abgeordneter Marschall
5. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1982 der Bundesregierung — Drucksachen 9/1492. 9/2253 — Berichterstatter: Abgeordneter Müller (Schweinfurt)
6. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Dregger, Dr. Schneider, Schwarz, Hauser (Krefeld), Kroll-Schlüter, Herkenrath, Magin, Dörflinger, Deres, Dr.-Ing. Kansy, Bohl, Dr. Meyer zu Bentrup, Dr. Möller, Dr. Schroeder (Freiburg), Braun, Dr. Bötsch, Dr. Miltner, Krey, Dr. von Geldern, Fellner, Dr. Jentsch (Wiesbaden), Gerlach (Obernau), Dr. Laufs, Broll, Volmer, Spranger, Vogt (Düren), Müller (Wesseling), Dr. Jahn (Münster), Regenspurger, Dr. George und der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Schneider, Dr. Dregger, Schwarz, Sick, Braun, Dr. Möller, Herkenrath, Hauser (Krefeld), Kroll-Schlüter, Frau Karwatzki, Wimmer (Neuss), Burger, Müller (Wesseling), Regenspurger, Dr.-Ing. Kansy, Seehofer, Deres, Dörflinger, Dr. Jahn (Münster), Dr. Hüsch, Hanz (Dahlen), Spranger, Broll, Fellner, Dr. von Geldern, Gerlach (Obernau), Dr. Jentsch (Wiesbaden), Krey, Dr. Laufs, Dr. Miltner, Volmer, Weiß, Clemens, Dr. Köhler (Wolfsburg), Jung (Lörrach), Zierer, Magin, Bohl, Maaß, Louven, Dr. Schroeder (Freiburg), Hartmann, Dr. Faltlhauser, Sauer (Stuttgart), Kalisch, Breuer, Dr. Jobst, Dr. Warnke, Linsmeier, Dr.Schäuble, Vogt (Düren), Frau Pack, Milz, Frau Geiger, Tillmann, Dr. Kunz (Weiden), Lenzer, Frau Benedix-Engler. Müller (Wadern), Jagoda, Dr. Bugl, Dr. George und der Fraktion der CDU/CSU Lage der Städte, Gemeinden und Kreise — Drucksache 9/1304, 9/2117 — Berichterstatter: Abgeordneter Jaunich
7. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung
Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht —
Bericht der Sachverständigenkommission der Bundesregierung — Zusammenfassender Bericht —
sowie Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht — Drucksachen 8/3120, 9/822, 9/1286 —
Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht —
Bericht der Sachverständigenkommission der Bundesregierung — Drucksachen 8/3121, 9/822, 9/1286 — Berichterstatter: Abgeordneter Dolata
8. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Stercken, Klein (München), Pfeifer, Dr. Mertes (Gerolstein), Dr. Schäuble, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Picard, Rühe, Dr. Probst, Dr. Hornhues, Dr. Marx, Neuhaus, Linsmeier, Frau Geiger, Dr. Laufs, Lenzer, Dr. Bugl, Würzbach, Dr. Jobst, Löher, Freiherr von Schorlemer, Pohlmann, Dr. Kunz (Weiden), Niegel, Dr. Hüsch, Schwarz, Dr. Lenz (Bergstraße), Magin, Dr. Olderog, Sauter (Epfendorf), Sauter (Ichenhausen), Zierer, Jagoda, Bühler (Bruchsal), Boroffka, Dr. Rose, Spilker, Sick und der Fraktion der CDU/CSU Kulturelle Beziehungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika
Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Intensivierung der deutsch-amerikanischen Kulturbeziehungen — Drucksachen 9/1498, 9/1665, 9/2233 — Berichterstatter: Abgeordnete Gansel, von der Heydt Freiherr von Massenbach
8498 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Präsident Stücklen
9. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 7/82 — Erhöhung des Zollkontingents 1982 für Bananen) — Drucksachen 9/1994, 9/ 2230 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schachtschabel
Zugleich soll mit der Aufsetzung der Zusatzpunkte, soweit erforderlich, von der Frist für den Beginn der Beratungen abgewichen werden.
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Nun fällt mir als Präsident natürlich auf, daß eine Fraktion völlig fehlt. Besteht seitens der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, die vertreten sind, der Wunsch, die Sitzung zu unterbrechen? — Auf Wunsch der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP unterbreche ich die Sitzung für 15 Minuten. Die Sitzung ist unterbrochen.
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe die Punkte 24 und 25 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen
— Drucksache 9/1951 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses
— Drucksache 9/2185 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Scheer Dr. Todenhöfer
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 18. Mai 1977 über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken
— Drucksache 9/1952 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses
— Drucksache 9/2186 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Scheer Dr. Todenhöfer
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 24 und 25 und eine Aussprache von zwei Stunden vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Todenhöfer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutige Tag ist ein wichtiges Datum in der Abrüstungspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Der sogenannte B-Waffen-Vertrag, den wir heute hier ratifizieren und der das weltweite Verbot aller biologischen Waffen vorsieht, ist der erste echte Abrüstungsvertrag, den der Deutsche Bundestag seit seinem Bestehen ratifiziert. Der Deutsche Bundestag macht mit diesem Abrüstungsvertrag deutlich, daß es uns Deutschen ernst ist mit der Abrüstung aller Waffen, die für die Sicherung des Friedens nicht erforderlich sind.
Die CDU/CSU ist stolz, daß dieser Vertrag unter einem CDU-Kanzler ratifiziert wird. Das unterstreicht die Friedens- und Abrüstungsbereitschaft der CDU/CSU, die von unseren Gegnern gelegentlich bestritten wurde. Ich danke Bundeskanzler Kohl ganz ausdrücklich für das Engagement, mit dem er sich dafür eingesetzt hat, daß dieser Abrüstungsvertrag noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.
Bundeskanzler Kohl setzt damit die Abrüstungstradition der CDU/CSU seit Bundeskanzler Adenauer fort. Es war ein CDU-Bundeskanzler, nämlich Konrad Adenauer, der 1954 freiwillig und völkerrechtlich verbindlich für unser Land auf die Produktion aller Atomwaffen, aller chemischen Waffen und aller biologischen Waffen verzichtete. Es war ein CDU-Bundeskanzler, der 1961 den Rüstungsexport durch das Kriegswaffenkontrollgesetz beschränkte. Es war ein CDU-Bundeskanzler, der 1963 dem teilweisen Teststoppabkommen zustimmte. Es war ein CDU-Bundeskanzler, Ludwig Erhard, der 1966 mit seiner berühmten Friedensnote an die Regierungen der Welt, die weitreichende Abrüstungsvorschläge, vor allem für Europa, enthielt, eine große Abrüstungsinitiative ergriff. Und es war ein CDU-Bundeskanzler, Kurt Georg Kiesinger, der 1966 in seiner Regierungserklärung der Abrüstungspolitik einen entscheidenden Rang einräumte.
Es war eine CDU-geführte Bundesregierung, die 1967 den Weltraumvertrag unterzeichnete. Und es war eine CDU-geführte Bundesregierung, die 1968 zusammen mit ihren westlichen Bündnispartnern mit dem Signal von Reykjavik dem Osten beiderseitige und ausgewogene Truppenreduzierungen vorschlug.
Wir sind dieser abrüstungspolitischen Tradition auch während unserer Zeit als Oppositionspartei treu geblieben.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8499
Dr. Todenhöfer
Wir haben das westliche Bündnis und die sozialliberale Bundesregierung bei allen wichtigen Abrüstungsvorschlägen unterstützt, Herr Roth,
und wir wären dankbar, wenn Sie das bei uns auch täten,
Häufig haben wir darüber hinaus eigene Initiativen ergriffen, z. B. mit unserem Antrag zum weltweiten Verbot biologischer, chemischer und atomarer Waffen vom Februar 1981, dem dankenswerterweise alle Parteien — die SPD, die FDP und auch meine Fraktion — zugestimmt haben.
Als Konrad Adenauer kurz nach dem Verzicht auf die Produktion von ABC-Waffen in Moskau die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbarte, erklärte er — und an diese Erklärung fühlen wir uns auch heute noch gebunden —:
Das oberste Gebot, das es für alle Deutschen zu wahren gilt, ist Friede. In Deutschland weiß man, daß die naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte, die seit dem letzten Krieg gemacht worden sind, den Menschen Möglichkeiten der Vernichtung in die Hand geben, an die wir nur mit Schaudern denken können ... Neue Mittel zum Austrag von Differenzen und Konflikten müssen gefunden werden — Mittel, die internationale Zusammenarbeit zum Inhalt haben. Das alles ist für uns nicht Traum oder Theorie ... Friede aber darf, wenn er seinen vollen Segen stiften will, nicht gefährdet sein.
Meine Damen und Herren, es gibt im Atomzeitalter keine Alternative zum Frieden. Wir haben unsere Politik der aktiven Friedenssicherung daher von Anfang an auf zwei tragfähige Säulen gestützt: auf der einen Seite auf eine seriöse Abrüstungspolitik und auf der anderen Seite auf eine seriöse Verteidigungspolitik, eingebettet in die NATO, eingebettet in eine feste Freundschaft mit den Vereinigten Staaten.
Diese Politik der aktiven Friedenssicherung gilt für uns auch heute noch. Zu dieser Politik der aktiven Friedenssicherung gehört, daß wir auf alle Waffen verzichten, die wir für unsere Verteidigung nicht brauchen. Deshalb haben wir keine biologischen Waffen, und deshalb wollen wir keine biologischen Waffen. Biologische Waffen gehören zu den schrecklichsten Massenvernichtungswaffen, die der Mensch je erfunden hat. Es gibt keine Existenzberechtigung für diese Waffen. Sie sind eine Geißel der Menschheit und müssen deshalb ersatzlos aus den Waffenarsenalen aller Länder entfernt werden.
Leider, gibt es starke Vermutungen dafür, daß die Sowjetunion entgegen dem B-Waffen-Abkommen in Swerdlowsk biologische Waffen produziert hat und diese in Laos, Kambodscha und Afghanistan auch eingesetzt hat. Berichte von Ärzten, Berichte von
Flüchtlingen aus den betroffenen Ländern bestätigen diese Befürchtung. Die Sowjetunion bestreitet sowohl die Produktion wie den Einsatz dieser Waffen. Sie läßt aber eine Überprüfung vor Ort nicht zu und verringert damit die Glaubwürdigkeit ihrer Abrüstungsbereitschaft in diesem Bereich. Wir fordern deshalb die Sowjetunion auf, wie unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, internationale Kontrollen in ihren Fabriken zuzulassen, damit die Weltöffentlichkeit sieht, daß das kommunistische Lager genauso wie der Westen auf diese entsetzlichen Massenvernichtungswaffen verzichtet.
Meine Damen und Herren, wir fordern die Bundesregierung am heutigen Tage der Ratifizierung des B-Waffen-Abkommens auf, alles zu tun, um auch ein weltweites Verbot aller chemischen Waffen zu erreichen. Der von allen Parteien des Deutschen Bundestages angestrebte Vertrag über das weltweite Verbot aller chemischen Waffen ist bisher vor allem deshalb nicht zustande gekommen, weil die Sowjetunion auch in diesem Bereich eine wirksame Kontrolle ablehnt.
Das Kräfteverhältnis bei chemischen Kampftruppen und Kampfstoffen zwischen der Sowjetunion und den USA betrug 1981 nach Angaben der damaligen SPD-geführten Bundesregierung zehn zu eins zugunsten der Sowjetunion. Die Sowjetunion hat sich seit 1969, als die USA einseitig auf die Produktion von chemischen Waffen verzichteten — einseitig! —, in großem Maßstab die Fähigkeit zu offensiver chemischer Kriegsführung verschafft und diese Fähigkeit zu offensiver chemischer Kriegsführung ständig ausgebaut.
In einer Mitteilung der Bundesregierung vom 27. März 1981 — meine Kollegen von der SPD, ich zitiere hier bewußt eine Mitteilung der damaligen SPD-geführten Bundesregierung — heißt es:
Die sowjetische Militärdoktrin erkennt den Einsatz chemischer Kampfstoffe als Mittel der Kriegsführung an. Die Führungsgrundsätze sehen den offensiven Einsatz von C-Kampfstoffen im Rahmen der Operationsführung vor. Die Streitkräfte der Warschauer Paktstaaten verfügen über eine hohe chemische Waffenfähigkeit, die sie auch in die Lage versetzt, eigene C-Einsätze auszunutzen und längere Zeit unter CBedingungen zu kämpfen.
Ich zitiere das deshalb so ausführlich, um deutlich zu machen, vor welchem ernsten Hintergrund wir hier diskutieren.
Dennoch heißt das Plädoyer im Bereich der chemischen Waffen nicht Nachrüstung, sondern Abrüstung. Wir wollen, daß alle Länder ihre gesamten Bestände an chemischen Waffen nachprüfbar vernichten. Das Gleichgewicht bei chemischen Waffen muß in Zukunft null zu null lauten.
Wir appellieren an die Sowjetunion, durch den Abbau ihrer großen chemischen Waffenarsenale den Weg zu einer weltweiten Null-Lösung frei zu machen.
8500 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Dr. Todenhöfer
Ohne die chemische Bedrohung durch die Sowjetunion sind auch die C-Waffenbestände der Vereinigten Staaten überflüssig. Wir sind fest überzeugt, daß die Vereinigten Staaten auf eine nachprüfbare chemische Abrüstung der Sowjetunion nicht nur mit einem Verzicht auf die Modernisierung ihrer chemischen Bestände reagieren würden, sondern daß sie auch bereit wären, ihre alten chemischen Bestände ersatzlos zu vernichten. Die Welt braucht neben der nuklearen Abschreckung keine chemische Abschreckung. Die schreckliche Vision einer Gesellschaft mit Gasmasken darf nie Wirklichkeit werden.
Der Deutsche Bundestag ratifiziert heute neben dem B-Waffen-Abkommen das sogenannte Umweltkriegsübereinkommen, das die militärische Nutzung umweltverändernder Techniken verbietet. Kriegführung durch Manipulation der Umwelt, z. B. durch Veränderung der Klima- und Wetterstrukturen, ist heute, Gott sei Dank, noch nicht möglich. Aber das macht dieses Abkommen nicht überflüssig, sondern das macht dieses Abkommen besonders wertvoll. Ich finde, es ist ein Stück Vernunft in unserer Zeit, ein Stück Vernunft, das hoffnungsvoll stimmt, daß endlich einmal nicht gewartet wurde, bis Waffenlager immer größer wurden, sondern daß man endlich einmal vorbeugend bestimmte Möglichkeiten der Kriegführung ausgeschaltet, gebannt und verboten hat.
Wir sind allen Politikern in West und in Ost dankbar, die an diesem Abkommen mitgearbeitet haben.
Wir alle — das gilt für alle Parteien in diesem Deutschen Bundestag — wollen aus ganzem Herzen Frieden. Deswegen treten wir mit Vernunft, aber auch mit Leidenschaft für eine Abrüstungspolitik ein, die militärisches Gleichgewicht auf möglichst niedrigem Niveau, zu möglichst niedrigen Kosten und bei unverminderter Sicherheit erreicht. Wir sind für Abrüstung mit Sicherheit.
Wir tragen dabei bewußt auch den Sicherheitsinteressen der Sowjetunion Rechnung. Im Atomzeitalter hängt die eigene Sicherheit immer auch von der Sicherheit des potentiellen Gegners ab. Wir wollen Gleichheit und kein Übergewicht. Ich freue mich, daß in diesem Punkt Übereinstimmung besteht.
Bundeskanzler Helmut Kohl hat für uns alle gesprochen, als er sagte:
Frieden schaffen ohne Waffen, das ist ein verständlicher Wunsch, aber eine gefährliche Illusion. Frieden schaffen nur mit Waffen, das wäre eine tödliche Verblendung. Frieden schaffen mit immer weniger Waffen, das ist das Gebot der Stunde.
Ich habe allerdings Zweifel, ob sich die Sowjetunion in den letzten Jahren nach dieser Devise gerichtet hat.
Herr Abgeordneter Todenhöfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hansen?
Ja. Präsident Stücklen: Bitte sehr.
Herr Kollege Todenhöfer, bedeutet das, was Sie eben gesagt haben, eine Absage an Ihre Kollegen, die von dem Begriff und dem Inhalt der Sicherheitspartnerschaft nichts halten, wie z. B. der Kollege Mertes?
Herr Kollege Hansen, unser Sicherheitspartner sind die Vereinigten Staaten und nicht die Sowjetunion.
Die Sowjetunion scheint bisher, nach der alten russischen Regel vorgegangen zu sein, wonach militärische Macht gut, viel militärische Macht jedoch viel besser sei. Marschall Gretschko hat das ganz offen ausgesprochen, als er sagte:
Je höher die Kampfbereitschaft der sowjetischen Streitkräfte, je mächtiger die Rüstung, desto ruhiger wird es auf der Welt sein.
Das sind die harten Realitäten, vor deren Hintergrund wir heute diese Debatte führen. Trotzdem hat niemand das Recht, sich durch diese Realitäten entmutigen zu lassen. Abrüstung und Rüstungskontrolle ist und bleibt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen glaubhafte und glaubwürdige Antworten auf diese Herausforderung geben.
Wir verstehen die Sorgen und Ängste der Menschen um den Frieden sehr wohl. Diese Sorgen und Ängste lassen sich vor allem auf vier Ursachen zurückführen: auf die Angst vor der wachsenden atomaren Rüstungsspirale, auf die immer schnellere Entwicklung neuer Technologien, auf die ethische Friedenskontroverse insbesondere unter Christen und auf die sich zuspitzende politische Konfrontation nicht nur im Ost-West-Konflikt, sondern auch im Nord-Süd-Konflikt.
Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst. Unsere Aufgabe ist es, diese Sorgen durch eine glaubwürdige und erfolgreiche Abrüstungspolitik zu überwinden. Wir müssen verhindern, daß die Friedenssehnsucht der westlichen Demokratien zu einer Erpressungswaffe in der Hand der Sowjetunion wird.
Wir stellen die Abrüstungspolitik aus folgenden Gründen an eine zentrale Stelle unserer Außenpolitik: erstens, weil wir das Geld, das unsere Rüstung jährlich verschlingt, selbstverständlich lieber für die Linderung der Not in der Dritten Welt und für
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8501
Dr. Todenhöfer
öffentliche Aufgaben in unserem Land ausgeben würden,
zweitens, weil die modernen Massenvernichtungswaffen immer schrecklicher und immer verheerender werden, und drittens, weil wir uns in der deutschen Außenpolitik dem Gewaltverzicht verpflichtet fühlen, den Bundeskanzler Adenauer für unser Land bereits 1954 ausgesprochen hat.
Wir stellen unsere Abrüstungspolitik unter folgende fünf Leitsätze:
Erstens. Für die CDU/CSU haben Abrüstung und Rüstungskontrolle einen ebenso hohen Stellenwert wie Abschreckung und Verteidigung.
Abschreckung ohne Anstrengungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle gewährleistet langfristig keine ausreichende internationale Sicherheit und Stabilität.
Zweitens. Wichtigstes Ziel von Abrüstung und Rüstungskontrolle ist es, Kriege zwischen Ost und West unführbar zu machen. Eine Rüstungskontrollpolitik, die Kriegsverhinderung zum Hauptziel hat, muß aus unserer Sicht vor allem Angriffspotentiale abbauen.
Drittens. Ein rüstungskontrollpolitisches Gesamtkonzept muß konventionelle Rüstungskontrolle genauso ernst nehmen wie nukleare Rüstungskontrolle.
Das gilt insbesondere angesichts der Tatsache, daß sich die nuklearen Optionen in Ost und West zunehmend gegenseitig neutralisieren und dadurch das konventionelle Übergewicht des Warschauer Pakts immer stärker durchschlägt.
Viertens. Abrüstungsvereinbarungen müssen nicht nur zu einem rechnerisch-zahlenmäßigen Gleichgewicht führen, sondern sie müssen in erster Linie ein stabiles Gleichgewicht der Verteidigungsoptionen sicherstellen, und dies auf möglichst niedrigem Niveau.
Fünftens. Abrüstungsvereinbarungen müssen ausgewogen und überprüfbar sein, die internationale Sicherheit erhöhen und damit einen Beitrag zur Friedenssicherung leisten.
Konkret heißt das für die CDU/CSU:
Für die START-Verhandlungen unterstützen wir die Grundphilosophie des westlichen Vorschlages, Erstschlagskapazitäten abzubauen und Zweitschlagskapazitäten zu stärken. Der amerikanische Abrüstungsvorschlag unterstreicht in konsequenter Weise die ausschließlich defensive Ausrichtung der NATO.
Bei den so heftig umstrittenen INF-Verhandlungen in Genf unterstützt die CDU/CSU für die erste Verhandlungsphase eine beiderseitige echte Null-
Lösung für alle landgestützten Mittelstreckenflugkörper größerer Reichweite der Sowjetunion und der USA. Die Sowjetunion kann morgen den Verzicht auf die Nachrüstung haben, wenn sie heute ihre SS-20, ihre SS-4 und ihre SS-5 abbaut.
Das Gleichgewicht zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten im Bereich landgestützter Mittelstreckenraketen muß 0 :0 heißen. Unser Anliegen ist eine echte Null-Lösung: wir wollen eine ganze Kategorie von Waffen aus den Arsenalen der Sowjetunion und der USA beseitigen. Deshalb wäre es unzureichend, wenn die Sowjetunion lediglich ihre veralteten und damit strategisch weitgehend wertlosen SS-4 und SS-5 abbauen würde oder wenn sie nur einen Teil ihrer SS-20 abbauen würde oder wenn sie einen Teil ihrer SS-20 lediglich hinter den Ural verlegen würde. All das würde die strategische Lage in Europa nicht entscheidend ändern. Die Sowjetunion muß uneingeschränkt bereit sein, auf ihre militärische Option zu verzichten, von der Sowjetunion aus Westeuropa und insbesondere unser Land mit atomaren Mittelstreckenraketen zu bedrohen.
Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat heute morgen in einem Zeitungsinterview erklärt, ihn hätten die SS-20 vor allem beunruhigt — ich zitiere ihn — „wegen der Gefahr eines isoliert auf die Bundesrepublik Deutschland künftig denkbaren politischen Drucks, denkbarer politischer Nötigung ..."
Er — Bundeskanzler Schmidt — habe dieses Problem immer gesehen als — ich zitiere ihn wieder —„eine Gefahr für die Freiheit künftiger deutscher Bundesregierungen, unabhängig von fremdem Druck ihre Entschlüsse zu fassen".
Meine Damen und Herren, genau das ist die entscheidende Sorge der CDU/CSU, und deshalb appellieren wir an die Sowjetunion: Bauen Sie weltweit Ihre SS-20 ab, und wir werden sicherstellen, daß keine einzige landgestützte amerikanische Mittelstreckenrakete in Europa stationiert wird!
Bei den MBFR-Verhandlungen in Wien unterstützt die CDU/CSU ebenfalls den neuen Verhandlungsvorschlag des Westens, der ja noch unter Formulierungshilfe der alten Bundesregierung zustande gekommen ist. Auch dies ein Beispiel, wieweit wir damals in der Abrüstungspolitik die damalige Regierung unterstützt haben, und deshalb hoffen wir, daß nun die jetzige Opposition die jetzige Regierung genauso fair unterstützt.
Die Bedeutung der Rüstungskontrolle im konventionellen Bereich wird in der westlichen Öffentlichkeit teilweise in gefährlicher Weise unterschätzt. Trotz seines begrenzten geographischen Anwendungsbereichs könnte MBFR durch eine substantielle Verringerung der Truppenkonzentration an
8502 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Dr. Todenhöfer
der direkten Berührungsstelle von Ost und West einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung und zur Sicherheit in Europa leisten.
Auf der KSZE-Folgekonferenz in Madrid hoffen wir, daß es langfristig zu einer Konferenz über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa vom Atlantik bis zum Ural kommt, zur sogenannten KAE. Im Mittelpunkt dieser KAE müßten Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen für ganz Europa stehen. Es liegt an der Sowjetunion, durch konstruktives Verhalten auf der KSZE-Folgekonferenz in Madrid und durch Einhaltung ihrer bereits in Helsinki eingegangenen Verpflichtungen den Weg zu dieser Abrüstungskonferenz für Europa freizumachen.
Die Abrüstungsvorschläge des Westens zu START, INF, MBFR und KAE zeigen eine durchgängige Linie. Sie zielen auf die Herstellung eines erheblich niedrigeren militärischen Gleichgewichts zwischen Ost und West. Die CDU/CSU unterstützt diese kurz-, aber auch mittelfristige Abrüstungsstrategie des Westens uneingeschränkt. Diese Abrüstungsstrategie ist das, was angesichts der fortdauernden Spannungen zwischen Ost und West für die nächsten Jahre realisierbar und machbar erscheint.
Dies darf und wird uns jedoch nicht den Blick auf langfristige Abrüstungsperspektiven verstellen, die über die bisherigen offiziellen Abrüstungsvorschläge der NATO und des Warschauer Paktes hinausgehen. Franz Josef Strauß hat in den vergangenen Wochen mehrfach eine derartige langfristige Abrüstungsperspektive aufgezeigt, die auf der Basis einer freiheitlichen Friedensordnung in Europa tiefgreifende Abrüstungsschritte vorsieht, die weit über das hinausgehen, was führende westliche Politiker in den letzten Jahren vorgeschlagen haben.
Ich stimme dieser langfristigen Abrüstungsperspektive von Strauß weitgehend zu. Wir könnten in der Abrüstungspolitik in der Tat zu einem wirklichen Durchbruch kommen, wenn die Sowjetunion erstens endlich die Hauptursachen der Spannung zwischen Ost und West in Europa beseitigen würde, d. h. wenn sie den Menschen und Völkern und auch dem deutschen Volk endlich das Selbstbestimmungsrecht gewähren würde,
entsprechend der UNO-Charta, entsprechend den Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen und in Weiterentwicklung der Schlußakte von Helsinki, und wenn die Sowjetunion zweitens ihre Expansionspolitik aufgeben würde. Wenn die Sowjetunion diesen Schritt ginge, könnten wir — ich sage das mit allem Nachdruck — erstens die Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt auflösen, zweitens die Bundeswehr drastisch verkleinern und drittens die Atomwaffen weltweit auf ein absolutes Minimum reduzieren. Das wäre der wirkliche Durchbruch in der Abrüstungspolitik. Wir könnten einen Großteil der 48 Milliarden DM, die der Verteidigungshaushalt im kommenden Jahr kostet, zur Lösung wirtschaftlicher und sozialer Probleme in
unserem Lande und in der Dritten Welt ausgeben, und wir würden das gerne tun.
Ich weiß natürlich auch, daß wir damit nicht jeden lokalen und auch nicht jeden regionalen Konflikt in der Dritten Welt verhindern könnten. Aber wir könnten wenigstens für Europa, für den Kontinent, auf dem wir leben, eine Friedensordnung schaffen, in der das Gespenst einer großen atomaren Auseinandersetzung zwischen Ost und West endlich gebannt wäre. Ich meine, für eine derartige europäische Friedensordnung, in der es mehr Freiheit, aber weniger Waffen gäbe, lohnt es sich zu kämpfen.
Ob es zu einer solchen freiheitlichen Friedensordnung in Europa kommt, liegt letztlich an der Sowjetunion.
Die Sowjetunion kann und muß Zeichen setzen, daß es ihr mit ihrer Forderung nach Abrüstung und Frieden ernst ist. Die Sowjetunion könnte ihre Friedensbereitschaft überzeugend unter Beweis stellen, indem sie ihren Krieg in Afghanistan beendet,
indem sie die Aufhebung des Kriegsrechts in Polen veranlaßt
und indem sie die 700 000 Minen und Selbstschußanlagen abrüstet, die Deutschland in zwei Teile teilen.
Das wären Signale, die wir sehr ernst nehmen würden, die den Menschen in aller Welt, die Abrüstung, die Frieden und die Freiheit wollen, wieder Hoffnung geben würden.
Herr Abgeordneter Todenhöfer, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Voigt entgegenzunehmen?
Ja.
Herr Kollege Todenhöfer, nachdem Sie wie in den 50er Jahren den Schlüssel wieder in Moskau suchen, gestatte ich mir die Frage, ob dabei nicht das Risiko besteht, daß Sie die kleinen Türen zur Abrüstung, zu denen die Bundesregierung die Schlüssel hat, eventuell übersehen und die Türen zur Abrüstung, die Sie selber auf stoßen können, vielleicht nicht öffnen.
Nein, Herr Voigt. Ich habe ausdrücklich gesagt, wir unterstützen die kurz- und mittelfristige Abrüstungsstrategie des Westens uneingeschränkt, die das Ziel hat, Gleichgewicht auf wesentlich niedrigerem Niveau herzustellen, wie es den Abrüstungspositionen entspricht, die die frühere SPD/FDP-Regierung in den letzten
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8503
Dr. Todenhöfer
Jahren und Monaten, als sie noch an der Regierung war, bei START, INF und MBFR vertreten hat.
Für uns Deutsche ist und bleibt das höchste Gut der Frieden. Das ist die Aufassung aller Deutschen, gleichgültig welcher politischen Richtung sie angehören. Die Sowjetunion weiß das ganz genau. Es wird daher auch Zeit, daß die Sowjetunion ihre Propagandakanonen abrüstet. Helmut Schmidt war kein Raketenkanzler, und Helmut Kohl ist kein Raketenkanzler. Das sollte unter uns unbestritten sein.
Wir Deutschen wollen Frieden, allerdings Frieden in Freiheit und Frieden in Sicherheit. Ich sage das — ganz bewußt auch als Vertreter der jüngeren Generation — an die Adresse der Sowjetunion: Meine Generation, die Nachkriegsgeneration, hat nie einem Russen etwas zuleide getan und wird nie einem Russen etwas zuleide tun. Wenn meine Generation für Abrüstung und für Frieden mit der Sowjetunion eintritt, dann nicht aus irgendeinem Schuldgefühl, sondern weil wir als freie Bürger Frieden als unsere Pflicht empfinden. Es gibt keine Alternative zum Frieden. — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Scheer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es bei der heutigen Ratifizierung mit zwei internationalen Abkommen zu tun, die von der SPD-Bundestagsfraktion begrüßt werden und denen wir zustimmen. Es sind Abkommen, die leider nur ein kleiner Baustein sind. Sie fallen in eine Zeit, in der Übereinkünfte zur Rüstungsbegrenzung ständig von einer Rüstungseskalation bei anderen Waffensystemen überrollt werden. Das B-Waffen-Übereinkommen und das Umweltkriegsverbotsabkommen sind deshalb für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion Anlaß, darauf hinzuweisen, daß die beiden heute zur Abstimmung stehenden internationalen Vertragswerke Anstöße für weitere, umfangreichere Abrüstungsverträge sein müssen.
Bisher sind sie nur ein Tropfen auf einem von Jahr zu Jahr überhitzter werdenden Stein. Es ist ein bestürzender Tatbestand, daß die bisherigen Abrüstungsverhandlungen, wenn überhaupt, nur im Schneckentempo vorankommen, während sich der Rüstungswettlauf rasant beschleunigt und der Tag abzusehen ist, an dem die politische Kontrolle darüber zur blanken Illusion wird.
Mit dem Beitritt zum B-Waffen-Verbotsabkommen haben sich die Unterzeichnerstaaten auch den Text der Präambel zu eigen gemacht, wonach dieses Übereinkommen „einen ersten möglichen Schritt ... auch für das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung chemischer Waffen darstellt". Die Unterschriftsländer erklären sich „ent-
schlossen, auf dieses Ziel gerichtete Verhandlungen fortzusetzen". Wiederum wurde der Welt ein Versprechen gegeben, dessen Einlösung zu lange braucht, obwohl es für dieses Warten keine Gründe gibt, die vor dem gesunden Menschenverstand standhalten.
Erst 1976 wurden die amerikanisch-sowjetischen Gespräche, ohne die auch in diesen Fragen nichts richtig läuft, aufgenommen, bisher ohne Ergebnis. Erst 1980 kam es zur Bildung einer Arbeitsgruppe beim Genfer Abrüstungsausschuß. Konkrete Fortschritte sind auch hier noch nicht abzusehen. Statt dessen droht nun gar noch eine neue Stufe des chemischen Rüstungswettlaufs. Auf diese Weise verkommen feierlich gegebene Versprechen zu Feiertagsreden, die den öffentlichen Eindruck erwecken, es werde politisch anders geredet als tatsächlich gehandelt.
Wir müssen also fragen, ob befriedigende abrüstungspolitische Fortschritte noch herauskommen können, wenn bei jeder einzelnen Waffenart die eigene Abrüstungsbereitschaft stets allein davon abhängig gemacht wird, ob der andere in jedem einzelnen Fall vertraglich mitzieht. Statt Bewegung in der Abrüstung entsteht daraus zu häufig Stillstand — oder gar weitere Aufrüstung.
Abrüstungsverhandlungen sind ebenso unverzichtbar wie kontrollierbare Abrüstungsverträge. Erfolgt aber immer nur dann ein eigener Abrüstungsschritt, wenn man am Verhandlungstisch mühsam ein zahlenmäßiges Gleichgewicht festgestellt hat, wenn man gar zwischenzeitlich ein solches Gleichgewicht erst noch schnell durch entsprechende Rüstung herstellt und sich erst dann zu genau gleichen Schritten verpflichtet, können Verhandlungen sogar Abrüstung bremsen.
Neben Abrüstungsverhandlungen in den substantiellen Fragen ist zusätzlich die Bereitschaft notwendig, auch ohne Verhandlungen, also allein, zu solchen eigenen Abrüstungsschritten bereit zu sein, die die eigene Sicherheit nicht gefährden. Vor allem aber müssen wir politisch bereit sein, auf neue Waffentechniken bereits zu verzichten, bevor sie eingeführt werden und allseits neue Steine ins Rollen bringen.
Wenn sich statt dessen dann noch der Trend weiter durchsetzt, selbst zu solchen Verzichten immer erst durch Verhandlungen bereit zu sein, dann verlieren sich solche Verhandlungen in einem ausweglosen Dickicht.
Schauen wir uns die C-Waffen-Problematik an! Einerseits hat die Sowjetunion nichts getan, um Mißtrauen gegenüber ihrer C-Waffen-Rüstung überwinden zu helfen. Wir erwarten von ihr, endlich ausreichende Inspektionen zuzulassen. Auf der anderen Seite ist die Starrheit der Sowjetunion keine ausreichende Legitimation für ein neues chemisches Aufrüstungsprogramm im Westen in einer Größenordnung von mehr als 10 Milliarden Dollar in den nächsten 15 Jahren.
8504 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Dr. Scheer
Denn man sollte den Bürgern nicht weismachen, daß das vorhandene Potential chemischer Waffen zur Abschreckung nicht ausreiche. Gerade wegen der Schwierigkeiten, überprüfungsfähige Abkommen auszuhandeln, ist es um so widersprüchlicher, wenn die Regierung der Vereinigten Staaten jetzt die sogenannten binären chemischen Waffen herstellen lassen will, deren Qualitätsmerkmale unter anderem darin bestehen würden, daß derartige CWaffen-Bestände kaum überprüfbar wären.
Das B-Waffen-Verbot kam zustande, weil diese Waffen als militärisch wenig bedeutsam gelten und die fehlende Steuerbarkeit ihrer Wirkungen den potentiellen Angreifer mehr gefährden könnte als den potentiellen Gegner. Es gibt demgegenüber unverkennbare Ambitionen, mit C-Waffen das militätische Arsenal zu komplettieren und Rüstungskontrollen immer wieder dem jeweiligen eigenen militärischen Optimum unterzuordnen. Auch aus diesem Grunde sind die Möglichkeiten einer C-WaffenAbrüstung nicht nur bei der Sowjetunion bisher nicht ausreichend genutzt worden.
Der Deutsche Bundestag hat am 3. Dezember 1981 einstimmig den unverzüglichen Abschluß eines C-Waffen-Verbots gefordert. Meine Partei hat auf ihrem letzten Parteitag im April 1982 die Lagerung chemischer Kampfstoffe in der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert — ich zitiere —,
als Beitrag zu einer beiderseitigen Abschaffung solcher Waffen in Europa darauf hinzuwirken, daß die Giftgasbestände in der Bundesrepublik Deutschland entfernt werden und einer künftigen Lagerung solcher Kampfstoffe die Zustimmung verweigert wird.
Ich wiederhole diese Forderung auch hier an dieser Stelle. Es würde unsere Sicherheit nicht gefährden. Aus diesem Grunde sollten wir bereit sein, einen solchen Schritt zu gehen, der nicht einmal ein einseitiger Abrüstungsschritt wäre, sondern lediglich eine Weigerung, solche Waffen weiter bei uns zu stationieren — ebenso wie sich Belgien, Großbritannien und die Niederlande immer geweigert haben, dieses zu tun. Damit können wir etwas vorantreiben.
Das heute ebenfalls zu ratifizierende Verbot der militärischen Nutzung umweltverändernder Techniken veranlaßt uns leider zu dem Hinweis, daß damit keineswegs die Gefahr des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen eingeschränkt ist. Der Vertrag gilt nicht für sogenannte Nebenwirkungen des Einsatzes etwa von Kernwaffen. Ich verstehe natürlich, daß ein Verbot von Kernwaffeneinsätzen nicht über den Umweg dieses Abkommens erreichbar und zu erwarten ist. Wir haben aber keinerlei Verständnis dafür, daß einerseits ein Abkommen zum Schutz der Umwelt gegenüber Waffeneinsatz getroffen wird und andererseits immer noch weitere Kernwaffenversuche stattfinden, die eine ständige Bedrohung der Umwelt darstellen und den
weiteren nuklearen Rüstungswettlauf erheblich vorantreiben.
Aus Anlaß der heutigen Abstimmung fordern wir die Atomwaffenstaaten auf, die Kernwaffenversuche endlich einzustellen.
Wir erwarten, daß die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion und Großbritannien einen sofortigen umfassenden Teststoppvertrag vereinbaren und damit auch die politischen Voraussetzungen dafür schaffen, daß Frankreich und China einem solchen Vertrag beitreten. Trotz des begrenzten Atomtestvertrages von 1963, der nur noch Versuche unter der Erde erlaubt, hat die Anzahl der Versuche zugenommen. Seit 1963 gab es mehr Versuche als bis 1963. Die Fortsetzung weiterer Tests ist, gelinde gesagt, ökologisch wie sicherheitspolitisch verantwortungslos und geht mit beispielloser Ignoranz über die Bedürfnisse der Weltmeinung und über die drängenden, von Jahr zu Jahr wiederholten Forderungen der übergroßen Zahl der Nichtkernwaffenstaaten hinweg.
Ein umfassender Teststopp scheiterte 1963 an der Weigerung der Sowjetunion, Inspektionen an Ort und Stelle zuzulassen. Aber auch in den Vereinigten Staaten waren die Widerstände groß, weil man sich in den eigenen Versuchsprogrammen beschnitten fühlte. Der Preis für die Zustimmung des Senats zur Vereinbarung war das 1963 begonnene Interkontinentalraketen-Rüstungsprogramm. 1968 erfolgte die Zustimmung der Nichtkernwaffenstaaten zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen auf der Grundlage des Art. 6, in dem sich die unterzeichnenden Kernwaffenstaaten verpflichten, „zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung" beizutragen. Alle am Nichtverbreitungsvertrag Beteiligten sehen in einem umfassenden Teststopp den praktischen Beginn der Erfüllung dieser Verpflichtungen. Bis heute ist jedoch auch hier nichts geschehen, und die Welt wird weiter vertröstet. Am 14. Juni dieses Jahres hat deshalb Bundeskanzler Helmut Schmidt vor der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen in einer eindringlichen Mahnung verlangt, daß die Nuklearmächte ihre Verpflichtungen endlich einhalten. Er sagte — ich zitiere —: „Wir bestehen auf unserem Recht auf nukleare Abrüstung."
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?
Ja.
Herr Kollege Scheer, billigen Sie damit nachträglich die damalige Forderung der CDU/CSU, daß sich die Nuklearmächte im Atomwaffensperrvertrag nicht nur zu Verhandlungen in gutem Glauben hätten verpflichten müssen, sondern daß sie auch konkrete Abrüstungsverpflichtungen hätten eingehen müssen?
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8505
Ich billige das nicht. Der Nichtverbreitungsvertrag hat durch das nicht weitere Verzögern damals wenigstens dazu beigetragen, daß sehr, sehr viele Länder beigetreten sind. Es gilt jetzt, es nicht bei diesen Beitritten zu belassen, sondern die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sich diese Länder den Verpflichtungen dieses Vertragswerkes auch weiterhin unterwerfen. Ich komme gleich darauf zu sprechen.
In der Tat ist also ein umfassender Teststopp eine oft unterschätzte Schlüsselfrage der nuklearen Rüstungskontrolle. Die Nuklearmächte wurden in den letzten Jahren mehrmals darauf hingewiesen, daß ein Austritt vieler Länder aus diesem Vertrag droht, wenn der Teststopp nicht wenigstens bald kommt. Es gibt kein Argument und keine Entschuldigung mehr für ein weiteres Verschleppen dieser Frage. Seismographische Messungsmethoden sind inzwischen so weit entwickelt, daß die wenigen Inspektionen, die die Sowjetunion offiziell zugesagt hat, ausreichen können.
Wenn trotzdem weiter getestet wird, dann liegt das auch daran, daß nukleare Gefechtsfeldwaffen immer noch weiter entwickelt werden sollen. Dies ist ein Beispiel dafür, daß man den Schwarzen Peter nicht immer nur einer Seite zuschieben kann, wenn man wirklich Fortschritte erreichen will. Viele der Waffen, die noch getestet werden sollen, sind Waffen für ein mitteleuropäisches Gefechtsfeld, z. B. auch die Neutronenwaffe. Es sind Waffen, deren Einführung die nukleare Schwelle senken würde. Wir haben daher ein existentielles Interesse an einem umfassenden Teststopp. Ein weiteres Ausbleiben des Teststoppvertrages würde die Gefahr einer nuklearen Aufrüstung in der Dritten Welt unter dem Gesichtspunkt, der nach der Zwischenfrage von mir soeben angesprochen worden ist, heraufbeschwören. Für diesen Fall droht eine unübersehbare nukleare Waffenlawine. Dies wird nicht hinnehmbar sein. Es ist deshalb Zeit, hier Einhalt zu gebieten.
Ich sehe dazu zwei Ansätze: Der eine Ansatz liegt in der politischen Rüstungskontrolle für Mitteleuropa, die zur Abrüstung taktischer Nuklearwaffen führt, weil sie solche Waffen, die auch noch weiter getestet werden sollen, weitgehend überflüssig, wertlos macht und deshalb unseren Beitrag dazu darstellen könnte, daß man beim Teststopp vorankommt, weil dann die Motive für Tests vielleicht reduziert werden können. Ich sehe inzwischen schon die Voraussetzungen eines ungefähren konventionellen Gleichgewichts in Europa, das die Möglichkeiten zur beiderseitigen kontrollierten Abrüstung taktischer Nuklearwaffen schafft.
Wir sollten diese Chance ergreifen.
Eine zweite eigene Ansatzmöglichkeit besteht darin, daß wir zusammen mit den übrigen Nicht-kernwaffenstaaten das gemeinsame Ziel verfolgen, gegenüber den Nuklearstaaten Druck auszuüben.
Wir sind nicht in jeder Frage interessenidentisch mit den Nuklearmächten,
sondern in diesen Fragen interessenidentisch mit den Nichtnuklearstaaten. 1968 ist ein solcher Weg, den damals Außenminister Brandt verfolgte, bei der Genfer Konferenz der Nichtnuklearstaaten von uns gewählt worden. Ich glaube, er müßte fortgesetzt werden.
Die Nuklearmächte sind auf einem falschen Weg, die atomaren Supermächte auf einem verhängnisvollen Weg.
Wir müssen dafür sorgen, daß dieser Weg endlich in eine andere Richtung geht. — Vielen Dank.
Das Wort hat Herr Staatsminister Möllemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt, daß der Deutsche Bundestag noch in diesem Jahr die Vorlagen zur Ratifizierung von zwei wichtigen weltweiten Abkommen auf dem Gebiet der Abrüstung und Rüstungskontrolle, nämlich des B-Waffen-Übereinkommens von 1972 und des Umweltkriegsübereinkommens von 1977, abschließend behandelt.
Mit der Gesetzesvorlage zum B-Waffen-Übereinkommen entspricht die Bundesregierung der Aufforderung des am 3. Dezember 1981 einstimmig verabschiedeten Beschlusses des Deutschen Bundestages, unverzüglich die Ratifizierung einzuleiten. Mit der Ratifikation der beiden Abkommen, die die Bundesrepublik Deutschland am Tage der Auflegung unterzeichnet hat, wird sie Vertragspartner sämtlicher weltweiter Abkommen auf dem Gebiet der Abrüstung und Rüstungskontrolle sein, die heute in Kraft sind. Die Annahme der beiden genannten Abkommen entspricht der auf weltweite Friedenssicherung und Eindämmung der Rüstungen abzielenden Vertragspolitik der Bundesregierung.
Mit Befriedigung stellt die Bundesregierung fest, daß bei den Beratungen in den Ausschüssen Einstimmigkeit herrschte und sich auch im Plenum des Hohen Hauses die einstimmige Annahme abzeichnet. Dies entspricht dem seit vielen Jahren bestehenden Grundkonsens aller im Bundestag vertretenen Fraktionen in den Grundfragen der Sicherheitspolitik, deren integraler Bestandteil die Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sind. Die Bundesregierung hält an diesem Grundkonsens der demokratischen Parteien in den für unser Volk lebenswichtigen Fragen der Sicherheit und Abrüstung fest und wird um seine Wahrung mit aller Kraft bemüht sein.
Für die Bundesregierung ist das ernsthafte und realistische Streben nach ausgewogenen und nachprüfbaren Ergebnissen der Rüstungskontrollverhandlungen ein wichtiges, zentrales Element ihrer Politik. Sie ist sich zugleich der Tatsache bewußt,
8506 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Staatsminister Möllemann
daß Rüstungskontrollpolitik stets auch an sicherheitspolitischen Maßstäben gemessen werden muß. Abrüstung darf nicht zu einem Minus an Sicherheit führen, sondern muß für alle Beteiligten Sicherheit bewahren und erhöhen.
Wir wollen, daß durch konkrete und ausgewogene Vereinbarungen die militärischen Potentiale verringert werden und dabei ein stabiles Gleichgewicht auf möglichst niedrigem Niveau der Rüstungen hergestellt wird.
Diese Grundeinsichten und der ihnen zugrunde liegende bisherige sicherheitspolitische Konsens aller demokratischen Parteien prägen auch den ersten Jahresbericht der Bundesregierung zur Rüstungskontrolle und Abrüstung, der dem Hohen Hause jetzt gleichfalls vorliegt. Er wurde von der früheren Bundesregierung erarbeitet und am 30. Juni 1982 verabschiedet. Doch auch die neue Bundesregierung steht voll hinter ihm.
Der Beschluß vom 25. März 1981, dem alle Fraktionen zustimmten, forderte mit gutem Grund auch eine Darstellung der Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis; denn eine sinnvolle und realistische Rüstungskontrollpolitik kann ohne eine genaue Orientierung am militärischen Kräfteverhältnis nicht auskommen. Die angegebenen Daten sind dem im Frühjahr 1982 von der NATO veröffentlichten Kräftevergleich entnommen.
Dieser Jahresbericht zur Rüstungskontrolle und Abrüstung ist der erste seiner Art. Nur wenige andere Staaten des Bündnisses — wie die USA und Dänemark — veröffentlichten bisher einen derartigen Bericht. Der Bericht ist, wie seine Initiatoren dies wollten, darauf angelegt, einen möglichst großen Leserkreis zu erreichen. Er ist, da er die übereinstimmenden rüstungskontrollpolitischen Vorstellungen aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien enthält, in der Tat ein Dokument von besonderem Wert für alle Bürger unseres Landes. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat daher den Bericht in broschierter Form veröffentlicht.
Wir hoffen, daß unser in Übereinstimmung mit dem Bündnis entwickeltes Konzept über Abrüstung und Rüstungskontrolle im In- und Ausland dadurch noch besser bekannt wird. Es wird künftig regelmäßig solche Jahresberichte geben. Wir werden bei deren Gestaltung nach Möglichkeit auch die Anregungen, die bei der Beratung im Ausschuß gegeben worden sind, mit aufnehmen.
Wir sehen in den beiden Abkommen, die dem Bundestag heute vorliegen, Vereinbarungen über Teilbereiche der militärischen Fähigkeiten und damit Schritte zur Verwirklichung des langfristigen Ziels der vollständigen allgemeinen Abrüstung unter strikter internationaler Kontrolle. Diesem prinzipiellen Ziel bleibt die Bundesregierung verpflichtet.
Ich erinnere daran, daß wir auf diesem Wege frühzeitig beispielgebend vorangeschritten sind.
Schon 1954, d. h. 14 Jahre vor der Unterzeichnung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und 18 Jahre vor der Unterzeichnung des BWaffen-Verbotsabkommens, hat die damalige Bundesregierung unter dem Kanzler Adenauer unseren Verbündeten gegenüber vertraglich auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen verzichtet und erklärte sich außerdem zu internationalen Kontrollen bereit. Die Bundesrepublik Deutschland erklärte darüber hinaus am Tage der Unterzeichnung des B-Waffen-Übereinkommens, am 10. April 1972, daß wir im Bereich der chemischen Waffen über den Herstellungsverzicht hinaus solche Kampfstoffe weder entwicklen noch erwerben noch unter eigener Kontrolle lagern würden. Daran halten wir fest.
Die Bundesregierung setzt sich sowohl im Ost-West-Bereich als auch weltweit für zügige und erfolgsorientierte Verhandlungen und für den Abschluß von konkreten und nachprüfbaren Vereinbarungen ein. Dies gilt sowohl für die Verhandlungen über die Mittelstreckensysteme und für die Gespräche über die Begrenzung von strategischen Waffen in Genf und für die Wiener Verhandlungen über die Begrenzung von Truppen und Rüstungen in Mitteleuropa als auch für die C-Waffen-Verbotsverhandlungen im Genfer Abrüstungsausschuß.
Zu den beiden Abkommen im einzelnen. Das bedeutendere ist zweifellos das B-Waffen-Übereinkommen. Es ist der erste Abrüstungsvertrag im engeren Sinn, der eine gesamte Waffengattung abschafft. Es ist die Fortsetzung des mit dem Genfer Protokoll von 1925 eingeleiteten Prozesses. Damals war der Einsatz von B- und C-Waffen verboten worden. Mit dem B-Waffen-Übereinkommen ist nun auch der bloße Besitz von bakteriologischen Waffen und von Toxin-Waffen völkerrechtswidrig.
Ungeachtet seiner großen Bedeutung bedarf das B-Waffen-Übereinkommen nach unserer Auffassung künftiger Ergänzungen. Darauf weist auch zu Recht der von mir schon zitierte einstimmig gefaßte Beschluß des Bundestages vom 3. Dezember 1981 hin. Das Abkommen sieht nämlich keine wirksame, zuverlässige Nachprüfung seiner Einhaltung vor. Konsultationen der Vertragsparteien und ein Beschwerderecht beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen allein können nicht als ausreichende Verifikationsregeln angesehen werden. Sobald die Bundesrepublik Deutschland Vertragspartei geworden ist, wird sie sich daher mit ihren Bündnispartnern verstärkt für eine Verbesserung des Überprüfungsmechanismus einsetzen.
Das Problem besteht darin, daß eine solche im Konsens erreicht werden muß, also auch von der Sowjetunion mitgetragen werden muß. Ein Zusatzprotokoll, das nur der Westen, nicht aber der Osten ratifiziert, wäre naturgemäß keine Lösung. Schweden bemüht sich seit längerem um die Einberufung einer außerordentlichen Revisionskonferenz, auf der diese Fragen gelöst werden sollen. Der erste Ausschuß der Vereinten Nationen hat vor wenigen Wochen eine entsprechende Resolution verabschiedet, die wir als Miteinbringer unterstützt haben. Für diese Resolution haben 106 Staaten gestimmt.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8507
Staatsminister Möllemann
Um so bedauerlicher ist es, daß die Sowjetunion und ihre Verbündeten mit Nein votierten.
Nicht zuletzt sind es die genannten Mängel des B-Waffen-Übereinkommens, die die Bundesregierung darin bestärkt haben, auf dem Gebiet der militärisch noch bedeutsameren chemischen Waffen auf zuverlässigen, internationalen und für jedermann zumutbaren Kontrollmaßnahmen zu bestehen. Die Bundesregierung hat gerade in diesem Jahr praktische Vorschläge zur Lösung dieser zentralen Fragen in den Genfer Abrüstungsausschuß eingebracht, Vorschläge, die darauf zielen, zu einer Versachlichung der Diskussion und zu einer substantiellen Annäherung der Standpunkte zu gelangen. In diesen Bemühungen werden wir nicht nachlassen.
Das Umweltkriegsübereinkommen ist ein Vertrag vorbeugenden Charakters. Es hat seinen praktischen Wert, indem es Entwicklungen verhindert, die erst eines Tages gefährlich werden könnten. Jedenfalls soll es sie verhindern. Es ist gleichzeitig ein Beitrag zur Erhaltung unserer natürlichen Umwelt.
Die Verabschiedung des Abkommens wird die Bundesrepublik Deutschland in die Lage versetzen, an der ersten Überprüfungskonferenz im Jahre 1984 als vollberechtigtes Mitglied teilzunehmen.
Das Abkommen enthält ferner eine für die rüstungskontrollpolitische Überprüfung wertvolle Neuerung: die Einsetzung eines beratenden Sachverständigenausschusses, dessen Aufgabe es ist, auf Ersuchen Tatsachenfeststellungen im Zusammenhang mit der Einhaltung eines Abkommens zu treffen. Es ist insoweit ein Schritt in die richtige Richtung. Gleichwohl messen wir der entsprechenden Vorschrift noch keinen Modellcharakter zu. Für den C-Waffen-Bereich bedarf es einer weiter verbesserten Regelung. Deshalb streben wir einen ständigen Ausschuß mit selbständigen Untersuchungsbefugnissen an.
An dieser Stelle möchte ich auf die Bemerkungen des Kollegen Scheer eingehen, der sich für den schnellen Abschluß eines atomaren Teststoppabkommens ausgesprochen hat. Auch die Bundesregierung unterstützt sehr nachdrücklich alle Bemühungen darum. Auch die Bundesregierung tritt sehr nachdrücklich für die Forderung nach dem schnellen Abschluß eines solchen Abkommens ein.
Mit der Verabschiedung dieser beiden Abkommen, die heute vorliegen, wollen wir auch erneut vor aller Welt bekunden, daß unser Land bereit ist, einen nachhaltigen Beitrag zu den Bemühungen um Fortschritte auf dem Gebiet der Abrüstung und Rüstungskontrolle zu leisten. Unabdingbare Voraussetzungen für eine dauerhafte, auf Stabilität angelegte Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik sind einerseits eine am Gleichgewicht der militärischen Kräfte orientierte Verteidigungsbereitschaft und andererseits die Bereitschaft aller Staaten, auf die Anwendung oder Androhung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Interessen konsequent zu
verzichten und sich im Gebrauch politischer Macht, militärischer Macht zurückzuhalten.
Fortschritte auf dem Wege zu Abrüstung und Rüstungskontrolle lassen sich wesentlich beschleunigen, wenn die vier Grundsätze beachtet werden, die der Bundesaußenminister wiederholt aufgestellt hat: Ausgewogenheit, Offenheit, Nachprüfbarkeit und Vertrauensbildung. Das heißt, Abrüstungsergebnisse dürfen keiner Seite sicherheitspolitische Vorteile verschaffen. Sodann müssen eingegangene Verpflichtungen objektiv und eindeutig nachprüfbar sein. Dazu gehören erforderlichenfalls auch Ortsinspektionen durch internationale Gremien.
Wer in diesem Bereich nichts zu verbergen hat, sollte sich gegen solche Inspektionen nicht sperren.
Die Vereinbarung konkreter vertrauensbildender Maßnahmen dient der Stabilität, und sie baut auch Bedrohungsangst ab. Das gleiche gilt für den Grundsatz der Offenheit der Angaben über das militärische Kräfteverhältnis. Geheimniskrämerei in Sicherheitsfragen erschwert die Berechenbarkeit des politischen Verhaltens und wirkt daher destabilisierend.
Die Bundesrepublik Deutschland wird weiterhin alle nur denkbaren Fortschritte auf konkrete Maßnahmen der Abrüstung und Rüstungskontrolle hin fördern mit dem Ziel, zu weiteren ausgewogenen Vereinbarungen zu gelangen, die die Sicherheit aller Beteiligten bewahren, die militärische Stabilität erhöhen und einen Beitrag zur Sicherung des Friedens leisten.
In diesem Sinne tritt die Bundesregierung auch entschlossen für die Verwirklichung beider Teile des NATO-Doppelbeschlusses ein. Er ist ein Kernelement unserer Sicherheitspolitik. Er ist, Herr Kollege Scheer, eigentlich zum erstenmal ein Ausdruck der auch von Ihnen geforderten neuen Methodik in der Sicherheitspolitik,
bei einem erkannten Ungleichgewicht nicht einfach ein Gegengewicht zu schaffen, sondern zunächst den Versuch zu unternehmen, durch Abrüstungsverhandlungen das Ungleichgewicht zu beseitigen.
Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat in seiner Zwölf-Punkte-Erklärung am 1. Oktober 1982 dazu folgendes festgestellt:
Wir müssen diese Verhandlungen kritisch und anregend begleiten. Wenn aber die Verhandlungen trotz größter Anstrengungen unserer amerikanischen Freunde dennoch erfolglos bleiben sollten, so brauchen wir ein entspre-
8508 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Staatsminister Möllemann
chendes Gegengewicht gegen die uns bedrohenden sowjetischen SS-20-Raketen.
Ich appelliere deshalb mit besonderem Nachdruck an die Kollegen der Sozialdemokratischen Partei, an die SPD: Opfern Sie den Grundkonsens in dieser zentralen Frage, die Sie entscheidend mitgeprägt haben,
nicht wahltaktischen Gesichtspunkten oder anderen Opportunitätsüberlegungen!
Die Tatsache, daß der frühere Bundesminister Haack und der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Männing wegen ihres Eintretens für beide Teile des NATO-Doppelbeschlusses nicht mehr als Kandidaten für dieses Parlament nominiert wurden,
ist natürlich zunächst eine rein innerparteiliche Entscheidung der SPD. Solche und viele ähnliche Entscheidungen Ihrer Partei bergen aber die Gefahr in sich, in der Sowjetunion den falschen Eindruck zu fördern, man brauche über die Null-Lösung gar nicht ernsthaft zu verhandeln, da die Bundesrepublik — und mit ihr der Westen — ohnehin nicht zur Nachrüstung bereit sei. Es liegt im Interesse von Sicherheit und Abrüstung, daß die Sowjetunion erkennt, daß dieser Eindruck falsch ist.
Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Voigt?
Ja, bitte.
Herr Staatsminister, bevor Sie hier eine neue Dolchstoßlegende weiterverbreiten, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß z. B. auch der allüberall bekannte Kritiker des NATO-Doppelbeschlusses, Erich Meinike, in Oberhausen nicht wieder aufgestellt worden ist und daß sich deshalb die Feststellung, daß dieses in der SPD jetzt laufende Nominierungsverfahren ausschließlich auf die Frage des NATO-Doppelbeschlusses konzentriere — der natürlich eine wichtige Rolle spielt —, natürlich beliebt sein mag, aber daß das nur ein Kriterium unter vielen ist, was in den Aufstellungsgesprächen eine Rolle spielt —
sonst würde z. B. die Mehrzahl der Fraktionskollegen der SPD überhaupt nicht mehr aufgestellt wer-
den können —, und daß deshalb Sie das mißbrauchen, um dem Gerücht Vorschub zu leisten, als würde die SPD von früheren Beschlüssen abrücken, was nicht der Fall ist.
Herr Abgeordneter Voigt, eine Frage hätte natürlich schon ganz gut dazugepaßt.
Es war eine Frage, Herr Präsident. — Mir ist der Tatbestand, daß der Kollege Meinike nicht erneut nominiert worden ist, bisher nicht bekannt gewesen. Auch die Hintergründe sind mir nicht bekannt. Ich habe deswegen auch nicht darauf abgehoben, sondern nur erwähnt — und wiederhole das hier —, daß erklärtermaßen, und zwar nach eigenen Angaben, der außenpolitische Sprecher Ihrer Fraktion, der mit diesen Fragen ja befaßt ist, der Kollege Männing, wegen seines Eintretens für beide Teile des Doppelbeschlusses nicht mehr nominiert worden ist, und — zweitens — daß erklärtermaßen und auch nach eigenem Bekunden ein Mitglied der bis vor kurzem amtierenden Bundesregierung deswegen nicht wieder aufgestellt worden ist, weil es für beide Teile des Doppelbeschlusses eingetreten ist.
Mich interessiert im übrigen natürlich nicht — und hat als Mitglied der Bundesregierung nicht zu interessieren —, welche Mechanismen eine Rolle spielen bei der Aufstellung Ihrer Kandidaten.
Aber wenn führende Repräsentanten der SPD, frühere Mitglieder der Bundesregierung und der außenpolitische Sprecher, erklären, daß sie wegen ihres Eintretens für den NATO-Doppelbeschluß nicht nominiert werden, dann ist das ein Politikum, das ernstgenommen werden muß.
Der Abgeordnete Lambinus hätte auch den Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen.
Bitte schön.
Herr Staatsminister, darf ich Sie darüber aufklären — — Darf ich Sie fragen, ob ich Sie darüber aufklären darf,
daß das von Ihnen gemeinte Mitglied der bisherigen Bundesregierung in seinem Wahlkreis bisher noch überhaupt keine Wahlkreiskonferenz hatte und daß dieses ehemalige Mitglied der Bundesregierung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut aufgestellt wird?
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8509
Letzteres werden wir beide nicht beantworten können, wenn das erstere, der von Ihnen dargestellte Ablauf, zutrifft.
— Nein, nein, ich komme schon darauf. Ich bin ja ganz dankbar, daß Sie das so ausführlich darstellen.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet über die Sitzung des Unterbezirks, dem der Kollege Haack angehört,
und berichtet darüber, daß der Unterbezirksvorsitzende, der ausdrücklich gegen die Verwirklichung des Nachrüstungsteils des NATO-Doppelbeschlusses auch für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen eingetreten sei, den Vorzug im Unterbezirk bekommen habe vor dem Kandidaten und früheren Bauminister Haack, weil dieser eben für beide Teile eingetreten ist. Dieses ist ein Politikum — das kann man nicht bestreiten —, und zwar eines in dem Sinne, daß die Versuchung für die Sowjetunion natürlich groß sein könnte, zu sagen, der Erosionsprozeß in dieser Frage in der SPD könnte so schnell fortschreiten, daß es sinnlos ist, überhaupt so massiv zu verhandeln, wie es notwendig wäre.
Unsere Bitte, Herr Kollege, geht doch nur dahin, den Grundkonsens nicht aufzugeben, der in dieser Frage bestanden hat, der sich auch dadurch deutlich gemacht hat, daß der Beschluß, über den wir hier reden, der in immer weiteren Teilen Ihrer Partei zur Disposition gestellt worden ist,
von dem bis vor einiger Zeit amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt mit herbeigeführt worden ist. Insofern ist der Appell der Bundesregierung auch an Ihre Fraktion doch verständlich, diesen Konsens nicht aufzugeben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesem Appel folgen könnten. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort an den Herrn Abgeordneten Bahr gebe, darf ich eine Regierungsdelegation der Republik Gabun unter der Führung des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Transportministers Rawiri auf der Diplomatentribüne recht herzlich begrüßen.
Wir wünschen der Delegation einen erfolgreichen Aufenthalt und erfolgreiche Verhandlungen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bahr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Möllemann hat sich über die SPD Sorgen gemacht. Das ist dankenswert. Ich
wollte nur sagen, wir machen uns keine großen Sorgen um die FDP.
Der Kollege Todenhöfer und der Kollege Möllemann haben auf ihren Stolz abgestellt, den sie beide haben, weil wir in einem ganz frühen Stadium der Geschichte der Bundesrepublik einseitig Verzicht auf Gewalt, auf A-, auf B-, auf C-Waffen geleistet haben. Wir teilen als Sozialdemokraten diesen Stolz.
Wir wollen bei dieser Gelegenheit nur darauf hinweisen, daß es durchaus sinnvoll sein kann, auch einseitige Leistungen ohne Gegenleistungen auf diesem Gebiet zu machen. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sollten sich zuweilen daran erinnern, daß es möglich ist, durch einseitige Vorleistungen zum Frieden in der Welt beizutragen.
Ich glaube, daß die CDU und die CSU an den heutigen Verträgen nicht viel mehr Verdienste haben als an der Autobahn zwischen Hamburg und Berlin. Beides ist selbstverständlich zustande gekommen, während Helmut Schmidt Bundeskanzler war.
Alle Fraktionen dieses Hauses werden den heute vorliegenden Verträgen zustimmen. Darin drückt sich unsere Überzeugung aus, daß Abrüstung nötig ist. Aber wir sollten nicht glauben, daß damit ein großer Schritt zur Lösung der heutigen Probleme getan wird. Wir sind uns einig, schon seit 25 Jahren, daß alle Atomwaffen abgeschafft werden sollten. Aber diese Einigkeit hat nichts bewirkt. Die Rüstungen sind seither gewachsen, die atomare Drohung hat sich verstärkt. Und wenn angesichts dieser Sachlage der Herr Kollege Todenhöfer von der Fortsetzung der Adenauerschen Tradition spricht, dann stimmt das natürlich nicht besonders optimistisch. Wir berufen uns auf die Tradition zweier Bundeskanzler, von denen einer den Friedensnobelpreis bekommen hat.
Meine Damen und Herren, während die Amerikaner und die Sowjets darüber verhandelt haben, wie die interkontinentalen Waffen in ein neutralisierendes Gleichgewicht gebracht werden können, hat das Rennen über die Mittelstreckenraketen begonnen. Während über Mittelstreckenraketen nun seit über einem Jahr verhandelt wird, werden Raketen kürzerer Reichweite teils produziert, teils konstruiert. Während man in Genf verhandelt hat, hat das Rennen über die Marschflugkörper begonnen, von denen heute noch niemand weiß, ob und wie man sie kontrollieren kann. Natürlich darf nicht vergessen werden, daß gleichzeitig, ohne daß sehr viel darüber geredet wird, die Verlängerung der Kriegsmöglichkeiten in den Weltraum hinein geplant und geprobt
8510 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bahr
wird. Es ist wirklich so, daß man Angst bekommen kann, obwohl Angst kein Ratgeber werden darf.
Carl Friedrich von Weizsäcker hat es als ein Ziel bezeichnet, groß genug, aber im Zweifel, ob es erreichbar ist, für die nächsten zehn Jahre die Weltkatastrophe zu vermeiden. Es ist jedenfalls kein Wunder, wenn die Menschen, bei uns nicht weniger als in Amerika, nach Taten rufen, nachdem sie lernen mußten, wie hilflos sich die Worte erwiesen haben, die sie in den letzten 25 Jahren hören und lesen konnten.
Wenn vorher der Staatsminister, der jetzt, entschuldigt und begründet, gehen muß, gesagt hat, Abrüstung dürfe nicht zu weniger Sicherheit führen,
dann ist das natürlich richtig; aber wenn wir solche Bedingungen auch an die Rüstung stellten, wäre uns manches erspart geblieben;
denn mehr Rüstung ergibt eben nicht mehr Sicherheit.
Wenn wir die Bedingungen stellten, keine Rüstung dürfe zu weniger Sicherheit führen, dann würden wir manche Rüstungs- und neuen Systeme gar nicht erst probieren.
Parlamente wie Regierungen dürfen sich jedenfalls nicht wundern, wenn die Bevölkerung aufbegehrt, wenn sie das Vertrauen verliert, weil ihr die Erfahrung sagt, daß alles eben so weitergehen könnte wie bisher, mit Resolutionen und Verhandlungen, die langsamer sind als die Rüstung. Wir müssen uns darüber klar sein, daß der Zeitpunkt nicht mehr fern sein mag, an dem sich die Völker die bloße Fortsetzung des Rituals der letzten zwei Jahrzehnte nicht mehr gefallen lassen.
Auch in diesem Sinne stehen die Verhandlungen in Genf unter Erfolgszwang. Man muß ihnen eine Chance geben, nicht nur, damit sie die Bedrohung durch chemische Waffen, durch Mittelstreckenwaffen entscheidend reduzieren oder möglichst beseitigen; diese Verhandlungen sind vielleicht die letzte Chance, den Völkern zu zeigen, daß der Weg der Verhandlungen und Vereinbarungen erfolgreich sein kann. Deshalb haben die Verhandlungen in Genf ein Gewicht. Und ihr Scheitern würde eine Tragweite haben, die sogar über ihren materiellen Inhalt noch hinaus gehen könnte.
Die ganz elementare Frage ist gestellt: ob die Menschen die geltenden Verteidigungsstrategien überhaupt noch annehmen. Sie haben gelernt, daß im Fall der Verteidigung zerstört wird, was verteidigt werden soll, und sehen dann keinen Sinn mehr in einer solchen Verteidigung.
Es ist gut, daß der stellvertretende Vorsitzende der CDU, Herr Dr. Biedenkopf, dieser Frage nicht ausgewichen ist.
Es wäre eine Niederlage für die Demokratie, wenn diese Grundfragen nur von der Friedensbewegung, von Bürgerinitiativen und von den beiden Kirchen diskutiert werden, aber nicht in diesem Parlament.
Wir haben heute dafür zwei Stunden. Das ist wenigstens etwas angesichts dessen, was bis Ende nächster Woche noch erledigt werden soll. Es ist sehr wenig, wenn man den Anspruch erhebt, daß dem Bundestag in Fragen unserer Existenz geistige Führung zukommt.
Gleichgültig, ob es sich um die katholischen Bischöfe in Amerika handelt oder um das Dokument der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, an dem auch nichtkatholische Gelehrte mitgearbeitet haben, oder um Erklärungen des Papstes oder um Stellungnahmen evangelischer Kirchen: allen gemeinsam ist die Dringlichkeit der Warnung, das nukleare Rennen zu stoppen, damit es nicht aus der Kontrolle gerät; allen gemeinsam ist der Appell, das Denken und Handeln in den alten Kategorien der gegenseitigen Bedrohung zu stoppen und im potentiellen Gegner auch den Menschen als Ebenbild Gottes zu sehen.
Das ist radikal. Aber dieser Radikalismus ist nötig. Es ist gut, daß keine unserer Parteien diesen Radikalismus verhöhnt oder verdächtigt.
Aber wenn Bundeskanzler Helmut Schmidt von der Notwendigkeit der Sicherheitspartnerschaft gesprochen hat, wenn die Palme-Kommission mit allen ihren Mitgliedern aus Ost und West und Süd einstimmig zu dem Ergebnis gekommen ist, daß Sicherheit nicht vor dem Gegner, sondern nur mit dem Gegner möglich ist, daß also die Erkenntnis verwirklicht werden muß, daß es nur noch gemeinsam Sicherheit gibt, dann ist diese Vorstellung die politische Antwort auf die radikale Frage der Kirchen.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8511
Bahr
Es bleibt der Union unbenommen, die Partnerschaft zur Sicherheit geringzuschätzen oder zu verhöhnen oder zu verdächtigen.
Einige Äußerungen des Kollegen Todenhöfer gingen heute wieder in diese Richtung.
Die SPD wird sich jedenfall nicht davon abbringen lassen. Wir denken gar nicht daran, einen Ansatz aufzugeben, der mittelfristig international anerkannt den einzigen heute sichtbaren Weg zeigt, wie das Rüstungsrennen wirklich gestoppt, wie Abrüstung erreicht und wie wirklich das Krebsgeschwür immer neuer unkontrollierbarer destabilisierender Waffensysteme verhindert werden kann.
Der letzte Bundeskanzler hat das vor den Vereinten Nationen vertreten. Aber wer auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle die größtmögliche Einigkeit der im Bundestag vertretenen Parteien haben will, wer Kontinuität auch auf diesem Gebiet haben will, der kann das nicht, wenn er vor der Partnerschaft zur Sicherheit wegläuft oder sie ablehnt.
Der Kollege Todenhöfer hat heute gesagt: Das Sicherheitsinteresse des anderen muß man auch anerkennen. Das ist doch schon ein Schritt in die richtige Richtung.
Gehen Sie doch noch einen Schritt weiter! Jedenfalls: Auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle und der Abrüstung ist Kontinuität ohne Sicherheitspartnerschaft nicht zu haben.
Das verlangt natürlich auch die Bereitschaft, über neue Strategien nachzudenken. Die SPD versagt sich dieser Konsequenz nicht. Auch in Amerika, in der NATO wird über neue Strategien nachgedacht. Bei den Unionsparteien und der FDP habe ich davon noch nichts gehört. Aber es ist natürlich Sache dieser beiden Parteien, zu entscheiden, wie weit sie der internationalen Diskussion hinterherhinken wollen.
In der NATO wird darüber nachgedacht, ob nicht eine neue Strategie notwendig ist, die an die Stelle der Vornverteidigung die Vorwärtsverteidigung setzt — um eine Charakterisierung Weinsteins zu benutzen. Und in der Sowjetunion wird eine neue Strategie überlegt, die anstelle der atomaren Antwort auch den atomaren Erstgebrauch einschließt.
Denn nichts weniger bedeutet es, wenn Nowosti für den Fall der Stationierung von Pershing II die Stationierung von Raketen kürzerer Reichweite ankündigt, die auf ihre Ziele losgeschickt werden sollen, wenn Instrumente zeigen, daß Raketen kommen. „Launch on warning" nennen das die Amerikaner. Fehler von Instrumenten können dann irre-
parabel werden. Es ist auf dem Gebiete der Raketen in Europa der für Europa tödliche Weg, durch den ein Krieg auf Europa begrenzt werden könnte.
Aber nicht über die Annehmbarkeit, die Chancen oder die Gefahren dieser beiden neuen Strategien will ich jetzt sprechen, sondern nur darüber, daß beide das Gegenteil einer Partnerschaft zur Sicherheit sind, daß beide nur zeigen, wie notwendig die Partnerschaft zur Sicherheit ist.
Beide sind nämlich Zeugnisse der unerreichbaren Hoffnung, einen Vorteil vor dem Gegner erreichen zu können, der das Siegen erlaubt, wenn die Abschreckung scheitert. In Moskau wie in Washington ist dieses Denken vorhanden, obwohl man schon eingesehen hat, daß die gegenseitig gesicherte Zerstörung durch die Zweitschlagfähigkeit leider nur noch gemeinsamen Untergang bedeutet.
Aber ich glaube, meine Damen und Herren, wir brauchen uns keine zu großen Sorgen zu machen über die beiden Supermächte. Die sorgen schon für sich selbst. Noch während Präsident Reagan das gewaltigste Rüstungsprogramm in der Geschichte der Menschheit in Gang gesetzt hat, tauschen die beiden Supermächte von beiden positiv kommentierte ähnliche Signale zu vertrauensbildenden Maßnahmen aus, mit dem Ziel,
diese auch für sie apokalyptischen Waffen unter Kontrolle zu halten. Es gibt schon Vorkehrungen gegen den Krieg aus Irrtum, jedenfalls zwischen den beiden Großen. Für Europa und wirksam zwischen den beiden Teilen Europas gibt es solche Vereinbarungen nicht.
Für Europa ist es das erste Ziel, die atomare Schwelle zu heben,
d. h. dafür zu sorgen, daß ein Konflikt nicht unausweichlich und schnell die atomare Schwelle überschreitet, hinter der für uns das Ende unserer Existenz liegt.
Die Hebung der atomaren Schwelle also ist auch der Kern der Rogers-Überlegungen. Die Hebung der atomaren Schwelle hat auch der Kollege Wörner vor einem Jahr bejaht. Die Hebung der atomaren Schwelle will jener Vorschlag der Palme-Kommission, der einen 300 km breiten Streifen ziehen will, frei von atomaren Gefechtsfeldwaffen. Gegen diesen Vorschlag gibt es militärische Bedenken, auch wegen der Schwierigkeit, ihn zu verhandeln und zu kontrollieren. Diese Bedenken sind von dem sowjetischen Mitglied Professor Arbatow auch vorgebracht worden. Sie brauchen deshalb noch nicht falsch zu sein.
Aber wie ich höre, ist die schwedische Regierung gestern an alle europäischen Regierungen, also auch an die Bundesregierung, und die USA herangetreten mit der Aufforderung, diesen Vorschlag zu prüfen. Ich denke, alle europäischen Regierungen
8512 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bahr
werden sich die Antwort genau überlegen. Es sollte kein schnelles Nein geben. Ich hoffe, daß die Bundesregierung konstruktiv an den Vorschlag der schwedischen Regierung herangeht und berücksichtigt, daß solche Verhandlungen politisch ein Signal wären, das auch für Wien und Genf positiv wirken könnte.
— Graf Huyn, wenn Sie das für falsch halten, werden wir j a sehen, ob auch die Bundesregierung das für falsch hält. Ich hoffe es nicht.
Alle Überlegungen zur Hebung der atomaren Schwelle stoßen im Westen an die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Vertrages. Ich habe deshalb den früheren sowjetischen Botschafter Fa-lin bei einem seit langem vorbereiteten Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung darauf aufmerksam gemacht, daß unter den vielen sowjetischen Vorschlägen gerade dieser fehlt. Herr Falin hat sich in der Lage erklärt, die Bereitschaft der Sowjetunion zu Verhandlungen über ein annäherndes konventionelles Gleichgewicht zwischen NATO und Warschauer Vertrag anzukündigen. Das war, als Breschnew noch lebte.
Der Bundesaußenminister hat vor zwei Wochen eine entsprechende Anfrage in Moskau angekündigt, mit der er sich auf die eben genannte Veranstaltung der Ebert-Stiftung berief. Daran gibt es nur dann etwas zu bemängeln, wenn diese Anfrage in Moskau noch nicht erfolgt ist.
Falls die Sowjetunion zu solchen Verhandlungen bereit ist, sollte der Westen auch dazu bereit sein. Es wird sich dabei herausstellen, daß Helmut Schmidt recht hat, wenn er sich gegen ein Gerede wendet, das den Eindruck hoffnungsloser konventioneller Unterlegenheit des Westens erweckt. Hier ist heute morgen ein Interview des ehemaligen Bundeskanzlers mehrfach positiv zitiert worden. Ich hätte gewünscht, daß Sie auch diesen Passus des ehemaligen Bundeskanzlers ebenso positiv erinnert und aufgenommen hätten, in dem er gesagt hat: Von einem allgemeinen Untergewicht des Westens zu reden, ist abwegig.
Die Bundeswehr ist eine hervorragende Armee, unter der sozialliberalen Koalition zum erstenmal auf ihre Sollstärke gekommen, übrigens ohne daß wir dadurch die Entspannungspolitik gefährdet hätten. Sie kann in einer Woche auf mehr als das Doppelte ihrer heutigen Stärke gebracht werden, wohlausgerüstet, wohlausgebildet. Das darf nicht übersehen werden, wenn von konventioneller Verteidigungsfähigkeit gesprochen wird.
Wer mehr will, soll selbst erst einmal auf diesen Stand, gemessen an seiner Bevölkerungszahl, kommen.
Es ist grotesk, daß allein unser Land mit seinen
Wehrpflichtstreitkräften den Wehrpflichtarmeen
der Warschauer-Pakt-Staaten gegenübersteht und sich unsere Verbündeten den Luxus von Berufsarmeen leisten und den Mangel an ausreichenden konventionellen Verbänden beklagen.
Die Aussicht auf ein konventionelles Gleichgewicht eröffnet die Aussicht auf entscheidende Verringerung der Atomwaffen und die Möglichkeit, eine europäische Partnerschaft der gemeinsamen Sicherheit zu verhandeln und zu erproben, für die beide Führungsmächte unentbehrlich sind und bleiben. Ich wäre sehr froh, wenn sich die Friedensordnung, von der Herr Todenhöfer gesprochen hat, den gleichen Kriterien gewachsen zeigen würde.
In der schon erwähnten Debatte vor zwei Wochen ist seitens der Bundesregierung darauf hingewiesen worden, daß der Westen nicht nur den Ersteinsatz von Atomwaffen, sondern generell eine Strategie verfolgt, bei der er nicht als erster Waffen einsetzen werde, und zwar konventionell nicht und atomar nicht. Der Abrüstungsbeauftragte der Bundesregierung hat eine solche Bemerkung auf dem schon erwähnten Seminar der Ebert-Stiftung gemacht, und Herr Falin hat ihm darauf erwidert, daß die Sowjetunion auch zu solchen Abmachungen bereit sei. Auf meine nachfassende Frage hat Herr Falin erklärt, sein Land sei bereit, völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen einzugehen, auf den Ersteinsatz sowohl konventioneller als auch atomarer Waffen zu verzichten. Es lohnt sich für die Bundesregierung, auch diesem Hinweis in Moskau nachzugehen; denn wenn nach dem Westen nun auch der Osten bereit ist oder — sagen wir vorsichtiger — bereit sein sollte, nicht als erster konventionelle und atomare Waffen anzuwenden, dann lohnt es sich, daß sich beide Seiten beim Wort nehmen.
Wir werden jedenfalls den sowjetischen Außenminister Gromyko, wenn er im Januar nach Bonn kommt, nach beiden Punkten fragen. Im Falle der Bestätigung sollte, ohne daß dies die laufenden Verhandlungen stören muß, über beide Komplexe verhandelt werden.
Dabei sind wir uns darüber im klaren: So notwendig es ist, neue Strategien zu besprechen, Verhandlungen zur Rüstungskontrolle zu führen, Partnerschaft zur Sicherheit zu erstreben, so logisch ist folgendes. Erstens. Solange es keine neue Strategie gibt, gilt die alte. Zweitens. Die Aussicht auf einen verbesserten Ansatz darf uns nicht dazu bringen, die Chance der jetzigen Verhandlungen zu vertun. Damit sind wir bei Genf.
In der letzten außenpolitischen Debatte haben wir von der Bundesregierung die Mahnung gehört, in der öffentlichen Erörterung darauf Rücksicht zu nehmen, die Verhandlungen in Genf nicht zu erschweren oder die westliche Position nicht zu schwächen, indem auch andere Lösungen als die amerikanische Null-Lösung vorgebracht werden. Mit dieser Mahnung hat sich die Bundesregierung in Brüssel jedenfalls nicht durchgesetzt, denn bei der NATO sind, wie wir lesen konnten, auch Kompromiß- und Zwischenlösungen besprochen worden. Wenn so etwas in der Öffentlichkeit, soweit sie aus gedruckten und elektronischen Medien besteht, erörtert wird, hat dieses Parlament wohl ein Recht,
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8513
Bahr
die Bundesregierung zur Unterrichtung aufzufordern,
zu einer Unterrichtung, die vielleicht sogar ein bißchen über das hinausgehen kann, was in Brüssel die Journalisten erfahren haben.
Kürzlich hat ein bekannter Amerikaner erklärt, es seien zum Schluß die Europäer, die darüber zu entscheiden hätten, ob sie die neuen amerikanischen Raketen haben wollen oder nicht. Recht hat er! Ein anderer Amerikaner hat erklärt, er würde, wenn er Europäer wäre, nein sagen.
— Ja, er hat es besser. — Der frühere Chefunterhändler für SALT hat einen Kompromißvorschlag für die Verhandlungen in Genf ausgearbeitet und veröffentlicht, um den Stillstand dort zu überwinden. Dieser Vorschlag ist in den Congressional Record aufgenommen worden. Er will die Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenwaffen überflüssig machen und verlangt dafür von der Sowjetunion die Zerstörung aller 280 SS-4 und SS-5 und die Zerstörung von 100 SS-20 mit 300 Sprengköpfen. Dieser Vorschlag erkennt dann ein Gleichgewicht zwischen sowjetischen und westlichen Raketen mittlerer Reichweite, indem er die französischen und die britischen berücksichtigt und den ganzen Komplex zu einem Bestandteil der START-Verhandlungen macht.
Besonders der letzte Punkt, aber auch die anderen Überlegungen sind konstruktiv und interessant.
Auch die Bundesregierung sollte sie prüfen und sollte gegebenenfalls durch eigene Vorschläge helfen, die Genfer Verhandlungen zu einem baldigen erfolgreichen Abschluß zu bringen.
Eines jedenfalls ist klar, meine Damen und Herren: Nachdem sowohl in der NATO als auch im amerikanischen Parlament über Zwischenlösungen und Kompromisse gesprochen wird, wird die Bundesregierung die Behandlung dieses Themas im Deutschen Bundestag nicht mit einem Tabu belegen können. Schließlich geht es um unsere Sicherheitsinteressen in einem ganz zentralen und elementaren Sinn. Einer von Ihnen hat früher einmal gesagt: Niemand wird deutscher sein als die Deutschen. Denken Sie auch in diesem Falle daran!
Im Augenblick begnügt sich die SPD-Fraktion damit, die interessanten Vorschläge Paul Warnkes zu begrüßen und die Bundesregierung zu einer Prüfung aufzufordern. Die SPD-Fraktion behält sich vor, auch eigene Vorstellungen öffentlich zu erörtern, wenn das erforderlich erscheinen sollte, um die Genfer Verhandlungen zu fördern.
Diese Verhandlungen werden im Februar und März kommenden Jahres in ein wichtiges Stadium treten. Nach diesem Zeitraum, also wohl Ende März, wird abzusehen sein, ob die Zahl der inzwischen definierten Entscheidungspunkte reduziert werden konnte. Wir werden also Ende März/Anfang April einen Eindruck davon gewinnen können, ob sich die Aussicht auf ein Verhandlungsergebnis im Herbst kommenden Jahres verbessert oder verschlechtert. Heute ist eine derartige Einschätzung nicht möglich. Es gibt Pessimisten, und es gibt Optimisten. Beide können recht behalten. Jeder kann seine Überzeugung vertreten, aber nicht beweisen. Das wird bis Ende März kaum anders werden.
Ich betone das so, weil ich in diesem Hause nicht anders als draußen die Auffassung vertrete, daß am 6. März nicht über die Stationierung oder die Nichtstationierung der Raketen zu entscheiden ist.
Was zu wissen für diese Entscheidung nötig ist, wissen wir im Herbst, nicht im Frühjahr nächsten Jahres.
Deshalb braucht die SPD auch keinen neuen Beschluß zu fassen. Sie hat in München beschlossen, daß sie im Herbst 1983 im Lichte der Verhandlungen ihre Entscheidung treffen wird
und daß sie eine Automatik ablehnt.
Meine Damen und Herren, diese Entscheidung ist auch von dem damaligen Bundeskanzler, der stellvertretender SPD-Vorsitzender geblieben ist, mitgetragen worden.
Hier ist mehrfach das Interview von Helmut Schmidt zitiert worden, das heute in der „Frankfurter Rundschau" erschienen ist. Dazu darf ich daran erinnern, daß er auch gesagt hat: „Jemand, der sich auf den Standpunkt stellt, alles, was die Amerikaner tun und lassen, sei wohlgetan, kann auch keinen Einfluß auf amerikanische Entscheidungen ausüben. — Notwendig ist ein Einfluß auf beide Großmächte,
auf den eigenen Bündnisgenossen Amerika wie auch auf den Sicherheitspartner Sowjetunion."
Dies ist exakt das, was die SPD und was der frühere Bundeskanzler und der heutige Helmut Schmidt unablässig gesagt haben.
Unser Beschluß in München war richtig, und die Sozialdemokraten werden nicht von einem Beschluß weglaufen, nur weil sie nicht mehr in der Regierung sind.
8514 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bahr
Die SPD ist die Partei der Verhandlungen. Wir haben auf diese Verhandlungen gedrängt. Wir sind stolz darauf, einen wichtigen Beitrag dazu geleistet zu haben, daß sie stattfinden. Wir wollen ihnen nicht nur eine Chance geben, sondern wir drängen darauf — bei beiden Verhandlungspartnern —, zu einem Ergebnis zu kommen, bevor die Stationierung beginnen kann. Dieses Drängen bedeutet für den 6. März, daß an diesem Tag die Entscheidung für den Herbst offenbleiben muß.
In der „Welt" hat vor einigen Tagen gestanden, die SPD fürchte sich vor einem „Raketenwahlkampf". Das ist wie manches, was in dieser Zeitung steht, ungewöhnlich töricht. Es gibt im Gegenteil genug Stimmen — in meiner Partei und auch außerhalb der SPD —, die auf eine solche Auseinandersetzung geradezu drängen. Aber ich bin der Auffassung, daß es der Sache nicht angemessen wäre, wenn wir so täten, als sei am 6. März eine Entscheidung fällig, die nach Lage der Dinge erst im Herbst fällig werden kann.
Ich habe in dem erwähnten Seminar den sowjetischen Gästen gesagt: Falls die Verhandlungen an der unveränderten sowjetischen Haltung scheitern, dann würde ich ein Ja zum Beginn der Stationierung empfehlen. Das ist nichts anderes als das, was Bundeskanzler Helmut Schmidt vor diesem Hause erklärt hat, als er sich für die Stationierung aussprach, falls die Bemühungen unserer amerikanischen Freunde ohne Erfolg bleiben. Dem Sinne nach hat diese Haltung der Warnung an die Sowjetunion auch Bundeskanzler Kohl eingenommen.
Wenn die SPD sagt, daß es keine Automatik geben darf, daß wir auch das Nein zur Stationierung sagen können, dann entspricht das unserer Möglichkeit, auch auf die amerikanische Seite zu drükken. Die Möglichkeit zum Ja, zu einem Moratorium, und zum Nein muß am 6. März offenbleiben.
Nur auf diese Weise können wir in den Verhandlungen ein Ergebnis erreichen, durch das die Stationierung neuer amerikanischer Raketen überflüssig wird. Das war unser Ziel, das bleibt unser Ziel, zuverlässig, berechenbar, vor dem Regierungswechsel und danach, vor dem 6. März und danach. Aber wenn wir nach dem 6. März in der Regierung sein würden, dann mit größerer Aussicht auf Erfolg.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Feldmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir natürlich jetzt etwas schwer, nach diesen weitgreifenden Ausblicken des Kollegen Bahr
Sie nun wieder zu den beiden Tagesordnungspunkten zurückzubitten.
Die FDP-Fraktion begrüßt, daß der Deutsche Bundestag noch in diesem Jahr zwei wichtige Abkommen auf dem Gebiet der Abrüstung und Rüstungskontrolle verabschieden wird, das Abkommen von 1972 über das Verbot bakteriologischer Waffen sowie das Abkommen von 1977 über das Verbot der militärischen Nutzung umweltverändernder Techniken. Damit ist die Bundesrepublik Vertragspartner sämtlicher heute gültiger weltweiter Übereinkommen auf dem Gebiet der Abrüstung und Rüstungskontrolle.
Zunächst zum B-Waffen-Übereinkommen. Herr Kollege Todenhöfer, Sie haben richtig festgestellt: Dieser internationale Vertrag ist überhaupt der erste Abrüstungsvertrag im eigentlichen, engeren Sinne, und zwar deswegen, weil nicht nur der Abbau bestimmter Waffen, sondern erstmals auch deren endgültige Vernichtung vereinbart wird. Sie werden mir aber gestatten, Herr Kollege Todenhöfer, daß ich nach Ihren vorherigen Einlassungen die Feststellung treffe, daß die FDP an beiden Voraussetzungen unserer Friedens- und Sicherheitspolitik aktiv mitgewirkt hat: an der Westintegration und am Ausgleich mit dem Osten.
Dieses B-Waffen-Abkommen wurde nur möglich, weil das bei allen Abrüstungsverhandlungen im Vordergrund stehende Problem der Verifizierung ausgeklammert werden konnte. Da eine weltweite Überwachung des Übereinkommens ohnehin schwierig gewesen wäre, ist hier ein bloßes Beschwerdeverfahren zunächst noch hinnehmbar. Wir gehen aber davon aus, daß sich die Bundesregierung — zusammen mit anderen Staaten — nach der Ratifizierung der Überwachungsprobleme annehmen wird.
Die noch größere Bedrohung, die von ähnlichen Massenvernichtungswaffen ausgeht, nämlich den chemischen Waffen, bleibt allerdings weiterhin bestehen. Es ist daher von besonderer abrüstungspolitischer Bedeutung, daß sich die Unterzeichnerstaaten dieses Vertrages in Art. 9 verpflichtet haben, auch auf ein Verbot der C-Waffen hinzuwirken.
Einige Worte noch über das Ratifizierungsgesetz zum Umweltkriegsübereinkommen. Dieses Abkommen verbietet die militärische und sonstige feindselige Nutzung umweltverändernder Techniken. Gemeint ist damit die absichtliche Auslösung von Naturereignissen größeren Ausmaßes, wie Erdbeben, Flutwellen und Klimaveränderungen, als Mittel militärischen Zwangs. Diese Zielsetzung allein wirft schon ein bezeichnendes Licht auf das heute erreichte Verhältnis des Menschen zur Natur.
Dieses Abkommen, dem wir beitreten wollen, ist sicher noch nicht das Nonplusultra. Es umfaßt z. B. nicht die unvermeidlichen Nebenwirkungen des Einsatzes von Atomwaffen; darauf haben Sie hingewiesen, Herr Kollege Scheer. Der Schaden, der durch Atomwaffeneinsatz entsteht, geht aber über die Folgen von absichtlich ausgelösten Naturereignissen weit hinaus. Die Atomwaffenarsenale beider Bündnissysteme sind die größte Bedrohung der Weiterexistenz der Menschheit und der Erde. Abrü-
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8515
Dr. Feldmann
stung ist daher die wichtigste politische Aufgabe, meine Damen und Herren.
Sie werden mir auch zugeben: Dies erfordert nicht nur den Willen zur Abrüstung, sondern auch viel Mut der politisch Verantwortlichen; darin stimmen wir wohl überein, Herr Kollege Bahr.
Es ist bedauerlich, daß der erste Abrüstungsbericht der Bundesregierung heute kein eigener Tagesordnungspunkt ist.
Schade auch, daß dieser Bericht erst vier Monate nach Vorlage durch die Bundesregierung im Auswärtigen Ausschuß behandelt wurde. Deshalb ist es aber gut, daß wenigstens das Bundespresseamt den Bericht mit 40 000 Exemplaren aufgelegt hat. Dadurch wurde er Bestandteil der sicherheitspolitischen Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, ich habe die Forderung der Union nach einem jährlichen Bericht über den Stand der Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie über Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis hier im Plenum im letzten Jahr in der Woche der Abrüstungsdebatte der Vereinten Nationen für die FDP voll unterstützt. Die Bundesrepublik hat — im Vergleich zu anderen westlichen Demokratien — meines Erachtens einen gewissen Nachholbedarf an sicherheitspolitischer Öffentlichkeitsarbeit. Natürlich sind Fragen, die mit der Verteidigung unseres Landes zusammenhängen, ein sensibles Thema. Natürlich können nicht alle sicherheitspolitischen Fragen öffentlich erörtert werden. Aber übertriebene Geheimhaltung fördert auch nicht gerade das Vertrauen in unsere Sicherheitspolitik.
Warum kann unsere Bevölkerung z. B. die geplanten Stationierungsorte der Pershing II im Falle einer Nachrüstung nicht erfahren? In den USA, in Italien, in Großbritannien werden die Diskussionen über Stationierungsorte doch auch öffentlich geführt.
Meine Damen und Herren, dies schadet weder der Demokratie noch der Sicherheit dieser Länder.
Auch unsere Demokratie braucht in Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik das Licht der kritischen Öffentlichkeit nicht zu scheuen.
An die Abrüstungsberichte der kommenden Jahre ist in bezug auf Seriosität und Objektivität ein hoher Maßstab anzulegen. Übertriebene Darstellungen des gegnerischen Potentials sowie Untertreibungen der eigenen Stärke sind wenig hilfreich.
Mit diesem Bericht soll keine Politik gemacht werden. Dieser Bericht soll Grundlage für Politik liefern.
Erlauben Sie mir daher in diesem Zusammenhang noch einige weiter kritische Bemerkungen zum Abrüstungsbericht.
Den interessierten und kritischen Leser kann irritieren, daß der Begriff „Entspannung" in diesem Bericht nur ein einziges Mal in der Formulierung „wirkliche Entspannung" vorkommt. Im HarmelBericht von 1967 sind das Bemühen um Entspannung und die Gewährleistung militärischer Sicherheit als die beiden Hauptaufgaben der Atlantischen Allianz festgelegt.
— Graf Huyn, es ist dem Einsatz von Minister Genscher zu verdanken, daß diese Politik der NATO auf der Außenministertagung des Bündnisses in Luxemburg im Mai dieses Jahres bestätigt wurde. Es kann daher doch wohl nur ein redaktionelles Versehen sein, daß im Abrüstungsbericht selbst im Zusammenhang mit dem Harmel-Bericht statt von Entspannung von „Dialog" die Rede ist.
Sicher ist dieser erste Abrüstungsbericht noch verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig, Herr Kollege Klein. Formal entspricht er zumindest dem Auftrag dieses Parlaments. Die Abrüstungsberichte der kommenden Jahre sollten aber stärker das eigene Bemühen der Bundesregierung zum Ausdruck bringen, die Stagnation der Abrüstung und Rüstungskontrolle zu überwinden.
Ich darf zum Schluß erklären, daß die FDP-Fraktion das Bestreben der Bundesregierung voll unterstützt — auch durch das Öffnen kleiner Türen, soweit wir dazu Schlüssel haben, Herr Kollege Voigt —, zwischen West und Ost Sicherheitsvereinbarungen zu erreichen, die schließlich zu einer weltweit dauerhaften Friedenssicherung beitragen können. — Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir, die Deutschen, wollen Frieden, und wir wollen ihn mit immer weniger Waffen. So hat Bundeskanzler Kohl die Grundlinien unserer Regierungspolitik in seiner Regierungserklärung umschrieben.
Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß diese Bundesregierung Abrüstung in Ost und West so umfassend, so gründlich und so schnell wie irgend möglich will.
Mit der Ratifizierung der beiden Gesetze über das Verbot biologischer Waffen und das Verbot der militärischen Nutzung umweltschädigender Techniken geben wir ein weltweit sichtbares Zeichen die-
8516 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bundesminister Dr. Wörner
ses unseres ernsthaften Abrüstungswillens. Damit setzen wir eine sicherheitspolitische Linie fort, die mit dem bereits 1954 unter Konrad Adenauer geleisteten Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen begann, eine Linie, die sich bis zum heutigen Tag fortsetzt, an dem wir durch die Ratifizierung dieser beiden Gesetze einen weiteren Beitrag zum Verbot von Massenvernichtungswaffen leisten wollen. Diese Linie ist — niemand will das bestreiten, ganz im Gegenteil — konsequent auch von der vorangegangenen Bundesregierung fortgeführt worden. Aber, meine Damen und Herren, es muß auch einmal an die Adresse derer, die draußen im Land der sogenannten Friedensbewegung angehören, gesagt werden, daß sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen und anerkennen müssen, daß der Westen in einem umfassenden Abrüstungskonzept nahezu über das gesamte Spektrum konventioneller, nuklearer wie auch chemischer Waffen verhandeln und dieses Spektrum gemeinsam reduzieren möchte.
Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung zur Sicherheitspolitik vom 24. November 1982 deutlich gemacht, daß sie ihre ganze Kraft für Verhandlungserfolge einsetzen wird: in Genf für den vollständigen Verzicht auf amerikanische und sowjetische landgestützte Mittelstreckenflugkörper größerer Reichweite; bei den START-Verhandlungen für eine einschneidende Verringerung — nicht etwa nur für das Einfrieren — bei den interkontinentalstrategischen Systemen der USA und der Sowjetunion; in Wien für eine substantielle Verringerung der Truppenstärken in Mitteleuropa; in Madrid für militärisch bedeutsame vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen in ganz Europa; im Genfer Abrüstungsausschuß für ein umfassendes Verbot aller chemischen und radiologischen Waffen; in den Vereinten Nationen für konkrete vertrauensbildende Maßnahmen zur Erhöhung von Transparenz und gegenseitiger Berechenbarkeit im militärischen Bereich.
Dieses umfassende Abrüstungskonzept ist das größte Angebot einer kooperativen Rüstungssteuerung, das der Westen dem Osten je gemacht hat.
Ich füge hinzu und greife dabei etwas auf, was auch der Kollege Bahr hier erwähnt hat: Es sollte noch ergänzt werden durch Verhandlungen über ein Gleichgewicht auch der konventionellen Potentiale, und zwar in ganz Europa bis zum Ural. Wenn die Sowjetunion, wie Ihnen Herr Falin signalisiert hat, dazu bereit sein sollte, kann uns das nur freuen; denn in der Überlegenheit des konventionellen Offensivpotentials der Sowjetunion in Europa liegt das für uns gefährlichste Ungleichgewicht. Hier teile ich Ihre Bewertung der konventionellen Kräfteverhältnisse nicht, Herr Bahr.
All jenen, die um den Frieden in unserem Land besorgt sind, sage ich: An uns liegt es nicht, wenn die Abrüstung nicht so vorankommt, wie wir uns das so sehnlich wünschen. Wir sind zur Abrüstung
bereit, wo immer sich eine Chance bietet. Das gilt nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland; das gilt für alle Partnerstaaten der Atlantischen Allianz, und das gilt auch für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Herr Kollege Bahr, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Nicht nur ich selbst, sondern auch der Bundesaußenminister und der Bundeskanzler sowie andere haben versucht, uns ein Maximum an Information über die Genfer Verhandlungsbemühungen zu besorgen. Selbstverständlich werden wir, die Deutschen, sehr wachsam nach allen Seiten sein, daß man ernsthaft verhandelt. Aber alle unsere Informationen, die zum Teil — ich glaube, sogar in Gänze — Ihnen auch gegeben wurden, sprechen eine eindeutige Sprache. Sie lassen keinen Zweifel zu, daß die Vereinigten Staaten von Amerika ein überragendes Interesse gerade an Verhandlungserfolgen in Genf haben und daß sie ernsthaft und mit Nachdruck verhandeln, wie wir das von ihnen erwarten. Daher finde ich es nicht richtig, daß wir immer wieder Zweifel an diesem Abrüstungswillen der USA äußern.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voigt?
Bitte schön.
Herr Kollege Wörner, nachdem Sie eben gesagt haben, daß Sie von der amerikanischen Regierung umfassend über ihre Planungen informiert worden seien, darf ich Sie fragen, ob Sie von der amerikanischen Regierung auch darüber informiert worden sind, daß die Absicht besteht, das Hauptquartier Europa von Stuttgart nach Großbritannien zu verlegen, weil man in den USA nicht sicher ist, ob die Bundesrepublik lange gegen einen Angriff aus dem Osten gehalten werden kann? So Berichte des „Guardian" vom heutigen Tag, die zwar vom Sprecher des Pentagon nicht bestätigt worden sind, zu denen dieser Sprecher aber keinen Kommentar abgeben wollte.
Ich kenne, verehrter Herr Kollege Voigt, eben nur jene Meldung. Allerdings hat man mir gesagt, ehe ich von der Hardthöhe herunterfuhr, daß die Agentur selbst diese Meldung, zum Teil jedenfalls, schon zurückgenommen habe. Ich kann nur sagen: Die Bundesregierung ist über solche Absichten nicht informiert. Darüber hinaus möchte ich annehmen, daß es sich hier um eine völlige Falschmeldung handelt. Das gilt jedenfalls hinsichtlich der Begründung. Es widerspräche all dem, was nicht nur wir, sondern auch Sie über amerikanische Absichten wissen.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8517
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Minister, sind Sie mit uns einer Meinung, daß bei der Frage, ob es in Genf zu einem Erfolg kommen kann, nicht alleine der Wille, sondern auch eine geeignete Verhandlungskonzeption und ein geeigneter Verhandlungsansatz entscheidend sind, und teilen Sie die Befürchtung, daß der gegenwärtige global ausgerichtete Verhandlungsansatz bei einer Frage, bei der es um die eurostrategische Problematik geht, möglicherweise ein wesentliches Hindernis für einen Verhandlungserfolg darstellen kann — ebenso wie die gegenwärtigen Ansätze, die die Drittstaatensysteme noch nicht ausreichend berücksichtigen?
Herr Kollege Scheer, Ihre Zweifel am Verhandlungsansatz vermag ich nicht zu teilen; denn dieser Verhandlungsansatz ist im Bündnis einverständlich verhandelt und festgelegt worden, und zwar von einer Regierung, die nicht von der CDU/CSU, sondern von der SPD getragen wurde.
Das zweite allerdings: Es gehört zum Wesen von Verhandlungen, daß man sich dabei bewegen kann. Aber es gehört auch zum recht verstandenen Wesen von so heiklen Verhandlungen, daß man nicht alles, über das man verhandelt, auf dem öffentlichen Markt austragen kann.
Aber ich komme auf die Frage noch einmal zurück.
— Frau Präsidentin, ich bin in einer unglücklichen Lage. Ich würde selbstverständlich gerne jede Zwischenfrage beantworten. Allerdings fürchte ich, mir langsam den Unmut der Kollegen zuzuziehen,
da wir noch eine weitere Debatte vor uns haben. Der Kollege Schäuble gibt mir ausdrücklich recht. Vor einer so wichtigen Persönlichkeit habe ich natürlich den entsprechenden Respekt.
Ich sage also noch einmal: Es gibt nicht nur keinen Zweifel am ernsthaften Verhandlungswillen der USA, sondern in meinen Augen auch keinen Zweifel an einem richtigen Führen dieser Verhandlungen.
Ich sage jetzt an die Adresse der Sowjetunion: Die Sowjetunion täte gut daran, unsere ausgestreckte Hand nicht zurückzuweisen, sondern auf unsere Angebote einzugehen; denn eine wirkliche Abrüstung, eine umfassende Abrüstung liegt auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Sowjetunion.
Der Rüstungswettlauf nützt auch ihr auf die Dauer nichts. Im übrigen — und das ist etwas, was sie doch bitte berücksichtigen muß — weiß die Sowjetunion: Wir jedenfalls bedrohen sie nicht. Wir haben weder die Fähigkeit noch gar die Absicht, sie anzugreifen. Unsere Kräfte reichen mit Mühe, mit äußerster Mühe zur Verteidigung gerade noch aus.
Die Sowjetunion weiß auch: Wir werden unsere Waffen niemals als erste einsetzen. Unsere Waffen braucht wirklich nur der zu fürchten, der uns angreift, niemand sonst.
Herr Kollege Bahr, das ist ein Punkt, über den man sicher diskutieren kann, wenn nun erneut bekräftigt werden sollte, was in der UNO-Charta ja schon längst steht: der Verzicht auf den Angriff schlechthin. Aber dann sollte man auch bedenken, daß gerade diese Verpflichtung, die die Sowjetunion schon eingegangen ist — genau wie wir —, von ihr beispielsweise in Afghanistan verletzt wurde. Das war einer der Gründe, warum sie mit so überwältigender Mehrheit in der UNO der Verletzung eben jener Charta angeklagt, verurteilt und schuldig gesprochen wurde.
Ich sage also: Für uns sind Krieg und militärische Gewalt keine Mittel der Politik. Darum — das sage ich jetzt nicht irgend jemandem hier in diesem Hause, sondern den Menschen draußen in unserem Land — wäre es wirklich besser, die sogenannte Friedensbewegung richtete ihre Proteste und Appelle gegen diejenigen, die immer noch nach Überlegenheit streben und sich nicht scheuen, militärische Macht zu politischen Zwecken einzusetzen.
Denn wir streben nicht nach Überlegenheit. Wir wollen Gleichgewicht, und das auf einem möglichst niedrigen Niveau der Rüstungen. Allerdings — das muß dazugesagt werden — können und werden wir nicht zulassen, daß die Sowjetunion ihre militärische Überlegenheit durch eine forcierte Aufrüstung immer weiter ausbaut. Diese Bundesregierung bleibt entschlossen, die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger zu verteidigen und zu schützen.
So wie wir bereit sind, das legitime Sicherheitsinteresse der Sowjetunion anzuerkennen und zu respektieren, so können wir auch von der Sowjetunion und vom Warschauer Pakt erwarten, daß sie unsere Sicherheitsinteressen respektieren.
Herr Bahr, hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen uns bei der Anwendung des Begriffes der Sicherheitspartnerschaft. Solange die Sowjetunion fortlaufend nicht nur unsere Sicherheitsinteressen nicht anerkennt, sondern unsere Sicherheit durch Aufrüstung, und zwar durch eine forcierte und unprovozierte Aufrüstung, bedroht, so
8518 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bundesminister Dr. Wörner
lange kann doch von ernsthafter Partnerschaft zur Sicherheit nicht die Rede sein.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bahr?
Gerne — mit einer Einschränkung: Ich möchte diesen Gedanken vollends zu Ende bringen.
Sie fordern uns, die CDU/CSU, auf: Gehen Sie doch einen Schritt weiter. — Nein, Sie müssen die Sowjetunion auffordern, einen Schritt weiterzugehen und unser Sicherheitsinteresse endlich in ihre Rechnung einzustellen.
Dann kann man über Partnerschaft reden. Denn diese Bundesregierung — genauso wie die vorangegangene, wie jede deutsche Regierung — möchte nach Westen und Osten, zu möglichst vielen Staaten der Welt nicht nur gute, sondern sogar sehr gute Beziehungen haben, wenn es irgend geht, auch Partnerschaft.
Bitte schön.
Herr Bahr!
Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß ich in meinen Ausführungen vorhin darauf hingewiesen habe, daß ich in Moskau kein Denken in den Kategorien der Sicherheitspartnerschaft sehe, und sind Ihre Ausführungen jetzt dahin gehend zu verstehen, daß wir auf beide Seiten mit dem Ziel einwirken sollen, daß beide Seiten — auch die Sowjetunion — in den Kategorien der Sicherheitspartnerschaft denken?
Herr Kollege Bahr, ich bin für Ihre Information, die mir in der Tat entgangen war, sehr dankbar. Ich hatte nicht mitgehört, daß Sie gesagt hatten, daß die Sowjetunion in diesen Kategorien noch nicht denke. Sie handelt auch nicht nach diesen Kategorien. Damit ist dieser Punkt zwischen uns abgehakt.
Allerdings bin ich eines nicht bereit mitzumachen: Es gibt für mich die in Ihrer Frage zum Ausdruck gekommene Äquidistanz nicht. Die Sowjetunion verstößt gegen unsere Sicherheitsinteressen; die Vereinigten Staaten von Amerika schützen unsere legitimen Sicherheitsinteressen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bahr, Herr Bundesminister?
Bitte schön, Herr Kollege.
Die Diskussion ist ja wichtig genug.
Herr Bundesverteidigungsminister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß Sicherheitspartnerschaft mit dem Werteunterschied zwischen Ost und West nichts zu tun hat?
Herr Kollege Bahr, hier geht es zunächst einmal — damit wir die Begriffe auseinanderhalten — nicht um Wertepartnerschaft, hier geht es um die Verletzung von Sicherheitsinteressen durch ungeheure materielle, militärische Macht. Deswegen kann ich nicht erkennen, wie man beide Kategorien in einen Topf werfen kann. Solange die Sowjetunion durch ihre militärische Macht unsere Sicherheit bedroht und nicht unsere legitimen Sicherheitsinteressen anerkennt, finde ich, ist es nicht gut, von ihr als unserem Sicherheitspartner so unkritisch zu reden, wie Sie das tun — genau deswegen, weil Sie in den Köpfen der Menschen damit den Eindruck erwekken, als gäbe es schon einen Zustand, den wir alle herbeiwünschen, der aber so noch nicht vorliegt. Das ist in meinen Augen das Problem dabei.
Wir können noch einen Schritt weitergehen. Wer wollte sich nicht gern eine Welt vorstellen, in der aus dem gemeinsamen Interesse am Überleben — das würde ich in der Tat sehen — eines Tages auch eine Partnerschaft gemeinsamen Interesses wird?
Das ist eine Wunschvorstellung, der keiner — jedenfalls keiner von denen, die ich hier sehe — widersprechen würde. Man kann aber nicht fortlaufend Wunschvorstellungen an die Stelle der Realitäten setzen, weil man damit Verwirrung erzeugt.
— Herr Kollege Ehmke, Sie wissen, daß ich Ihnen nun wirklich und weiß Gott sehr gerne antworten würde; aber jetzt müssen Sie mich zu Ende kommen lassen; der Kollege Schäuble guckt mich überhaupt nicht mehr an, geschweige denn nur kritisch. Außerdem gibt es einige Punkte, über die ich hier noch zu sprechen habe. Ich möchte, weil der Kollege Bahr einige neue Fragen aufgeworfen hat, die ich nicht voraussehen konnte, die allerdings besprochen werden müssen, noch ganz wenige Bemerkungen machen.
Kollege Bahr, Sie sprachen von neuen nuklearen Kurzstreckenwaffen. In der Tat, diese Kurzstrekkenwaffen, über die ich mir große Sorgen mache — da bin ich nicht allein —, sind ausschließlich sowjetische Waffen. Die Sowjetunion stationiert ja nicht nur die SS 20, sondern sie hat stationiert und ist im Begriffe, weiter zu stationieren die SS 21, SS 22 und SS 23. Wenn jetzt die Sowjetunion beklagt, daß, wenn sie nicht abrüstet, etwa die Pershing II stationiert würde und sich damit ihre Warnzeiten verringern würden, dann, lieber Herr Kollege Bahr, ist es aber auch einmal an uns, darauf hinzuweisen, daß wir pausenlos mit dieser Situation in Europa leben
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8519
Bundesminister Dr. Wörner
müssen, weil die Warnzeiten der sowjetischen Raketen uns gegenüber noch viel kürzer sind.
Damit erst gar nicht eines aufkommen kann, was ich draußen — nicht hier — in der Diskussion gelegentlich als Argument höre: Pershing II ist keine Erstschlagswaffe, aus vielen Gründen nicht, auch wenn die sowjetische Propaganda jetzt so tut, als sei sie das. Die Sowjets wissen am allerbesten, daß sie das aus vielen Gründen gar nicht sein kann. Darum kann von einer Automatisierung der Reaktionen keine Rede sein.
Herr Kollege Bahr, noch etwas, was ich so nicht stehenlassen kann. Sie sagten, Präsident Reagan habe das gewaltigste Rüstungsprogramm aller Zeiten aufgelegt. Ich möchte dem widersprechen. Die Sowjetunion hat in knappen 15 Jahren — in knappen 15 Jahren! — ihre militärische Macht schlichtweg verdoppelt. So etwas hat es in der Weltgeschichte noch nie gegeben. Diese gigantische militärische Anstrengung ist außer Verhältnis zu allem anderen, was es in der Weltgeschichte je gegeben hat. Sie hat sich in dieser Zeit von einer Kontinentalmacht zu einer global agierenden See- und Landmacht entwickelt. Diese Rüstungsanstrengung geht bei weitem über das hinaus, was die Amerikaner jetzt in Angriff nehmen.
Ein vorletzter Punkt. Ich beziehe mich auf das, was Sie zur atomwaffenfreien Zone gesagt haben. Ich bin dafür, daß man über alles nachdenkt; nur sollte man von vornherein keine Illusionen aufkommen lassen. Atomwaffenfreie Zonen schützen nicht vor der Anwendung von Atomwaffen.
Die einzigen Atomwaffen, die je geworfen wurden, wurden auf ein atomwaffenfreies Land geworfen. Ich sage Ihnen: Die Amerikaner hätten die Atomwaffen auf Hiroschima und Nagasaki nicht geworfen, wenn sie hätten sicher sein können, daß die Japaner am nächsten Tag auf Washington oder auf San Francisco solche Atomwaffen werfen würden.
Darum sollten wir nicht den Eindruck erwecken, als ob man durch die Schaffung atomwaffenfreier Zonen etwa der Gefahr eines Nuklearkrieges entrinnen oder die Sicherheit unserer Bürger damit heben könnte.
Schließlich: Herr Kollege Bahr, mit Ihnen zusammen trete ich — und ich hoffe, dabei die Zustimmung aller zu finden — für das Heben der Nuklearschwelle ein. Das ist ein alter Punkt, den wir schon in der Opposition verfolgt haben und den ich weiter verfolge. Allerdings darf ein Mißverständnis daraus nicht entstehen, nämlich daß wir die Strategie, die wir haben, aufgäben. Das ist etwas, was sich im Rahmen der gegebenen Strategie vollzieht. Sie haben das erkannt. Andere haben es noch nicht erkannt.
Ich darf noch eine kurze Bemerkung zu den Genfer Verhandlungen über nukleare Mittelstreckenraketen machen. Ich möchte wiederholen, was der Kollege Todenhöfer völlig zu Recht hier gesagt: Wir wollen keine neuen amerikanischen Waffen. Wir wollen weder die Pershing II noch wollen wir die Cruise missiles. Wir wollen, daß die auf uns gerichteten, uns bedrohenden neuen sowjetischen Mittelstreckenraketen des Typs SS 20 abgebaut, verhindert werden.
Daher — ich sage das nicht zum Kollegen Bahr, ich sage das generell, auch nach draußen — ist die Null-Lösung nicht ein taktischer Kniff, sondern die Null-Lösung ist ein ernsthaftes Verhandlungsziel — weil sie wirkliche Abrüstung bedeutet.
Wer jetzt so tut, als sei die Null-Lösung eine Zumutung für die Sowjets, und wer öffentlich Rückfallpositionen diskutiert oder gar anbietet, der muß eben wissen, daß er damit den Abrüstungserfolg in Genf ernsthaft gefährdet.
Eines ist in meinen Augen — darüber mag man denken, wie man will — ganz sicher: Wenn es überhaupt eine Chance gibt, die UdSSR zum Einlenken zu bewegen — ich gehöre zu denen, die glauben, daß es diese Chance wirklich gibt —, dann nur, wenn die Sowjetunion nicht eine Sekunde Zweifel haben kann, daß wir es mit dem Doppelbeschluß in seinen beiden Teilen wirklich ernst meinen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Soell.
Nein, ich lasse keine Zusatzfrage mehr zu.
Hier trägt — ich hoffe, Sie merken den unpolemischen Ton — die deutsche Sozialdemokratie mit uns zusammen eine große und eine schwere Verantwortung. Die Durchführung des Doppelbeschlusses ist zu einem Testfall des Zusammenhalts und der Entschlossenheit der Allianz geworden. Es sind drei wertvolle Jahre verstrichen, in denen die Sowjetunion die Stationierung von Mittelstreckenraketen mit unvermindertem Tempo bis in diese Tage hinein fortgesetzt hat, während wir de facto ein vierjähriges einseitiges Moratorium erklärten und uns auch daran halten.
Ein Jahr bleibt uns noch, Herr Kollege Bahr; und manches, was Sie in dieser Hinsicht gesagt haben, habe ich mit Zustimmung gehört. Wir werden uns — nehmen Sie mir das bitte ab — mit aller Kraft und Entschiedenheit weiterhin für ernsthafte Verhandlungen in Genf einsetzen und alles ausloten. Aber diejenigen, die kräftig und unprovoziert vorgerüstet haben, müssen sich jetzt bewegen.
Das ist der entscheidende Punkt.
Die USA haben auf der letzten Tagung der Nuklearen Planungsgruppe am 30. November 1982 nach Beratungen in Brüssel, an denen ich teilgenommen habe, ihre Bereitschaft erklärt, jeden
8520 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bundesminister Dr. Wörner
ernsthaften sowjetischen Vorschlag eingehend zu prüfen, der die Aussichten für wirksame und verifizierbare Rüstungskontrollvereinbarungen erhöhen und die legitimen westlichen Sicherheitsinteressen berücksichtigen würde. Wer anderes verlangt, fällt nach meiner Meinung nicht nur demBündnis — nicht nur den Amerikanern — in den Rücken; er erspart der Sowjetunion den eigentlichen Test auf die Ernsthaftigkeit ihres Abrüstungswillens.
Denn darüber darf sich niemand täuschen: Gelingt es der Sowjetunion, den Doppelbeschluß, ob nun durch Druck, ob durch Propaganda, ob durch Einschüchterung, zu Fall zu bringen, dann wird nicht nur ihre Vorrüstung prämiert; schlimmer noch, dann entfällt für sie jeglicher Anreiz zur Abrüstung.
Darum stehen wir nach meinem Dafürhalten an einer für das Schicksal der Abrüstungsverhandlungen im kommenden Jahrzehnt so entscheidenden Schwelle. Angesichts wachsender Wirtschaftsprobleme nicht nur bei uns, sondern vor allem im Osten, angesichts einer auch für die Sowjetunion nur noch schwer verkraftbaren Rüstungslast gibt es — das ist nicht taktisch dahergeredet; nehmen Sie mir das ab — in meinen Augen vielleicht zum erstenmal eine wirkliche, eine ernsthafte Chance zu wirklicher Abrüstung, zu Abrüstung, die eben nicht nur Rüstungssteuerung, sondern wirkliche Abrüstung ist.
Aber ob diese Chance genutzt wird, genutzt werden kann, und ob es dahin kommt, hängt eben davon ab, ob wir jetzt in dieser Situation die nötige Festigkeit, die nötige Klarheit und auch die nötige Geduld aufbringen und nicht Positionen, kaum daß wir sie aufgestellt haben, schon wieder ins Rutschen bringen.
Die Sowjetunion weiß doch: Wir wollen sie nicht auf den Boden zwingen; wir wollen sie nicht überrüsten; wir wollen keine Überlegenheit. Aber wir müssen von ihr erwarten, daß sie auch unsere Sicherheit respektiert und sich zu wirklichen Abrüstungsergebnissen bereitfindet.
Das ist die Politik der Bundesregierung, und ich hoffe inbrünstig — völlig unabhängig von den Wahlen und ihrem Ausgang —, daß wir über diese Fragen den nötigen Konsens in diesem Haus behalten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hansen.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Gewiß muß man begrüßen, daß die Bundesregierung zehn Jahre nach der Unterzeichnung des Übereinkommens über das Verbot biologischer Waffen das Ratifikationsverfahren einleitet. Es besteht aber gar kein Grund, dies als eine abrüstungspolitische Großtat zu feiern.
Der Art. IX des dem Bundestag vorgelegten Übereinkommens verpflichtet die Bundesregierung, „in
redlicher Absicht" auf eine baldige Übereinkunft über ein wirksames Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von chemischen Waffen hinzuwirken. Wie will die Bundesregierung diesen Artikel, dem sie verbal „besondere abrüstungspolitische Bedeutung" zumißt, eigentlich „redlich" und glaubwürdig politisch verwirklichen, wenn ihre Praxis bezüglich hier schon lagernder chemischer Waffen ganz anders aussieht?
Der Punkt Glaubwürdigkeit macht auch eine Bemerkung zu dem notwendig, was der Kollege Scheer hier heute im Namen der SPD-Fraktion vorgetragen hat. Es ist schon atemberaubend, mit welcher Geschwindigkeit die SPD angesichts bevorstehender Wahlkämpfe die Kurve kriegt. Die Rede, die Herr Kollege Scheer hier gehalten hat, ist eine Rede gegen die vorige Bundesregierung, jedenfalls in dem Punkt der sogenannten Modernisierung chemischer Waffen. Die vorige Bundesregierung hat es mit der SPD-Fraktion zusammen anderthalb Jahre lang abgelehnt, die Stichworte „binäre Waffen" und „Herstellung in den USA" überhaupt nur in den Mund zu nehmen, und hat es immer abgelehnt, darüber überhaupt in Verhandlungen einzutreten.
Das gilt auch für den Kollegen Bahr. Teile seiner Rede hätten jedenfalls sehr viel früher gehalten werden müssen. Es hört sich heute so an, als habe er nachträglich den Krefelder Appell unterschrieben, wenn da die Stichwörter „atomwaffenfreie Zone" und „mögliches Moratorium" auftauchen. Diese Rede wäre vor einem Jahr, vor dem 10. Oktober vorigen Jahres notwendig gewesen, als der Bundeskanzler die Friedensbewegung noch als eine Kriegserklärung gegen die damalige Bundesregierung betrachtete.
Auf diese Weise werden Sie Glaubwürdigkeit nicht herstellen. Ihr Versuch, über eine Generalamnesie auch eine Generalamnestie für das Verhalten der vorigen Regierung zu erreichen, wird fehlschlagen.
Tatsache ist, daß die Bundesrepublik außer den USA das einzige Land ist, in dem chemische Nervenkampfstoffe in großer Menge und auf dichtem Raum gelagert werden. Alle anderen NATO-Staaten haben es abgelehnt, die Lagerung amerikanischer Nervenkampfstoffe auf ihrem Boden auch nur zu erwägen. Der Einsatz dieser Waffen auf dem und vom Boden der Bundesrepublik ist militärisch eingeplant. Denn was sonst bedeutet die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Würzbach auf eine entsprechende Frage am 2. Dezember 1982:
Solange die Verhandlungen über ein vollständiges überprüfbares C-Waffenverbot nicht zum Erfolg geführt haben, muß das Bündnis in der Lage sein, zur glaubwürdgen Abschreckungsfähigkeit über geeignete Mittel zu verfügen.
Schon die Lagerung chemischer Waffen bedeutet ständige Gefährdung für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch jederzeit mögliche Unfälle, Sabotageakte und unsachgemäße Behandlung. Für
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8521
Hansen
diese Risiken trägt die Bundesregierung die volle Verantwortung. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes garantiert allen Bürgern das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt so ausgeführt und den besonderen Rang dieses Grundrechts hervorgehoben.
Das gilt auch für die großen Gefahren, die von der Lagerung chemischer Waffen ausgehen. Mit der Einwilligung zur Lagerung und zum möglichen Einsatz von chemischen Waffen auf dem und vom Boden der Bundesrepublik verstößt die Bundesregierung gegen die Pflicht, Leben und Gesundheit aller Bürger zu schützen. Sie handelt verfassungswidrig.
Aus dieser Verantwortung wird die Bundesregierung auch nicht durch die Tatsache entlassen, daß die Verfügungsgewalt über die Lagerung und den möglichen Einsatz von chemischen Waffen bei den Vereinigten Staaten liegt. Ganz im Gegenteil! Seit 1969 verweigert die Bundesregierung — das gilt für alle Bundesregierungen, auch die vorige — jede Auskunft über Art, Menge und Orte der Lagerung amerikanischer Nervenkampfstoffe mit dem Hinweis auf die angeblich notwendige strenge militärische Geheimhaltung.
Diese entspricht früheren Vereinbarungen aller vorausgegangenen Regierungen und wurde zuletzt ausdrücklich durch den damaligen Bundeskanzler Brandt und den damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Nixon, bestätigt.
Diese fortgesetzte Verschleierungspolitik der Bundesregierung läßt für mich nur einen Schluß zu: Entweder ist die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor besetztes Territorium — dann können die Besatzungsmächte jede Art von Waffen an beliebigen Orten stationieren —, oder aber der Bundesrepublik ist durch den am 5. Mai 1955 in Kraft getretenen Deutschland-Vertrag ihre Souveränität förmlich übertragen worden. Souveränität bedeutet oberste Gewalt im Innern und völlige Unabhängigkeit nach außen. Wenn wir von der Souveränität der Bundesrepublik ausgehen, läßt sich diese Geheimhaltungsdiplomatie nur so deuten, daß die Bundesregierung entweder von den USA über die Lagerung chemischer Waffen konsultiert wurde und zugestimmt hat oder sogar in förmlichen geheimen Verträgen die Modalitäten der chemischen Bewaffnung der hier stationierten USA-Streitkräfte mit den USA ausgehandelt hat, diese Tatsache aber vor der deutschen Öffentlichkeit um jeden Preis verbergen will — „um das Volk nicht zu beunruhigen", wie der damalige Staatssekretär Penner der SPD-Fraktion erklärt hat. Wenn dieser Tatbestand zutrifft, ist
allerdings dieser Bundestag zum Handeln herausgefordert; denn unbestritten unterliegen alle völkerrechtlichen Übereinkommen und Verträge dem Gesetzesvorbehalt durch die Legislative, nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Sollte die Regierung derartige Übereinkommen mit den USA ohne Mitwirkung des Parlaments eingegangen sein, so wäre das Verfassungsbruch.
Der Verdacht einer politischen Komplizenschaft der Bundesregierung mit der Hochrüstungspolitik der USA wird auch zusätzlich durch die Verbreitung einer neuen Bedrohungslüge genährt — das haben wir heute morgen auch wieder gehört —, die gemeinsam von westlichen Nachrichtendiensten und entspannungsfeindlichen Abgeordneten der Rechten in die Welt gesetzt worden sind. Wegen der angeblich gigantischen Überlegenheit der UdSSR an chemischen Waffen müsse auch die NATO chemisch nachrüsten, und diese für das „potentielle Schlachtfeld Europa", so der USA-Senator Mark Hatfield im deutschen Fernsehen, bestimmte Nachrüstung mit chemischen Waffen ist bereits in vollem Gange. Im Mai 1981 wurde im US-Senat grünes Licht für die Produktion neuer binärer chemischer Kampfstoffe gegeben. Einen Monat später rief derselbe Senator Hatfield besonders die Deutschen auf — wörtlich —, „diese Gelegenheit wahrzunehmen und die amerikanische Regierungspolitik mitzubestimmen". Bis heute weigert sich diese Regierung, haben sich die alte Regierung und alle verantwortlichen Politiker in der Bundesrepublik geweigert, auch nur den Versuch einer Einflußnahme auf diese für alle Bürger einschneidende Entscheidung der US-Regierung zu nehmen. Damit verstoßen sie gegen die Pflicht, Leben und Gesundheit der hier wohnenden Menschen zu schützen; aber offensichtlich paßt dieses Verhalten in die absurde Strategie, erst auch an dieser Stelle aufzurüsten, um dann abzurüsten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Das ist eine Zeitfrage.
Ihre Redezeit beträgt zehn Minuten. Das müssen Sie schon selbst beurteilen.
Dann lasse ich keine Zwischenfrage zu; denn ich werde sonst nicht fertig.
Zum Wesen einer funktionierenden Demokratie gehört, daß Regierungshandeln prinzipiell öffentlich ist. Nur in Ausnahmefällen darf es einen Geheimnisvorbehalt geben, für dessen Notwendigkeit die Regierung dann auch beweispflichtig ist. Auch die vorige Bundesregierung hat dieses demokratische Grundprinzip praktisch außer Kraft gesetzt. In der Bundesrepublik gilt inzwischen grundsätzliches Geheimhaltungsprinzip in diesen Fragen mit nur gelegentlicher und oft erst durch massive Proteste erzwungener Öffentlichkeit. Wegen dieser Geheimhaltung sind für chemische Waffen Katastrophen-
8522 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Hansen
schutzpläne unmöglich. Während in den USA nicht nur die Stationierungsorte chemischer Waffen bekannt sind, sondern auch der kleinste Transport von Giftgas allen anwohnenden Bürgern einen Monat vorher bekanntgegeben wird, wird bei uns bestritten, daß es solche Transporte überhaupt gebe.
Wieweit der Unmut über diese ungleiche Behandlung der deutschen und der amerikanischen Bevölkerung gediehen ist, kann man etwa einem Brief entnehmen, den der DGB-Vorsitzende von Rheinland-Pfalz an den damaligen Bundeskanzler geschrieben hat — wörtlich —: „So kann man mit Ratten, Mäusen und Kaninchen umgehen oder mit Schädlingen, die vergast werden können, nicht aber mit den Bürgern der Bundesrepublik." Es wäre zu begrüßen, wenn uns der Kollege Marx hier einmal Auskunft darüber gäbe, ob er den Bundeskanzler inzwischen gefragt hat, ob diese Geheimhaltungsdiplomatie fortgesetzt werde, und vor allem was der Bundeskanzler ihm geantwortet hat. Wenn dies so weitergeht, dann haben nicht nur die Einwohner von Hanau, Mannheim, Fischbach, Weilerbach, Pirmasens und anderer noch nicht bekannter C-Waffen-Standorte, sondern alle ein Recht darauf zu erfahren, welches tödliche Risiko die Lagerung chemischer Waffen bei uns bedeutet.
—Ich komme gleich zum Ende.
Wenn dies alles nicht hilft, kann notfalls der Kollege Voigt — vielleicht nehme ich damit seine Frage auf —, der inzwischen der gleichen Meinung ist wie ich — hier einen Gruppenantrag für ein Gesetz einbringen, das dieses Öffentlichkeitsprinzip bei Regierungshandeln herstellt, etwa so wie es in den USA seit 1967 ein Gesetz gibt, den „Freedom of Information Act", wo diese demokratische Selbstverständlichkeit niedergelegt ist.
Würden Sie Ihre Rede jetzt bitte beenden?
Unserer Unterschrift, Herr Kollege Voigt, von Manfred Coppik und mir, können Sie dann sicher sein. Jedenfalls — —
Ihre Redezeit ist zu Ende. Lassen Sie mich das doch nicht dreimal sagen. Herzlichen Dank, daß Sie das zur Kenntnis nehmen. —
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Einzelberatung und zur Schlußabstimmung zu Tagesordnungspunkt 24. Es geht um die Vorlagen auf den Drucksachen 9/1951 und 9/2185. Ich rufe Art. 1 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 2 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/2251 ein Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP vor. Wer diesem interfraktionellen Änderungsantrag zuzustimmen
wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Wer Art. 2 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Einzelberatung und zur Schlußabstimmung zu Tagesordnungspunkt 25 mit den Drucksachen 9/1952 und 9/2186. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung darüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen
— Drucksache 9/2079 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksachen 9/2248, 9/2284 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Clemens Gnädinger
Der Ältestenrat schlägt vor, für die Debatte zwei Stunden vorzusehen. — Es erhebt sich kein Widerspruch.
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gnädinger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute erleben wir im Plenum des Deutschen Bundestages das vorläufige Ende eines von den Koalitionsfraktionen zu verantwortenden und insgesamt verunglückten Gesetzgebungsverf ahrens.
Damit meine ich nicht nur die vielen fragwürdigen Sondersitzungen des Rechtsausschusses, sondern auch das Ergebnis der Beratungen, das für Millionen vertragstreuer Mieter mehr als bedenklich ist:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8523
Gnädinger
Ihre Rechte werden beschnitten, die Mieten werden erhöht.
Die Koalitionsfraktionen selbst räumen ein, daß es das Ziel dieses Gesetzes ist, Mieterhöhungen herbeizuführen.
Durch eine drastische Anhebung der Mieten im Wohnungsbestand sollen Investitionen im Neubau ausgelöst werden. Da kann man nur sagen: welch volkswirtschaftlicher Unsinn! Kein Hausbesitzer wird zusätzliche Mieteinnahmen dazu benutzen, unrentable Neubauten zu erstellen. Das einzige Ergebnis werden also die Mieterhöhungen sein.
Der Titel des Gesetzes, in dem von einer Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen die Rede ist, bedeutet eine massive Irreführung der Öffentlichkeit.
Wir schlagen deshalb konsequenterweise eine Änderung der Überschrift vor, damit der Wahrheit und der Klarheit eine Chance gegeben wird.
Der wesentliche Inhalt des Entwurfs widerspricht den Grundsätzen sozialdemokratischer Mietenpolitik. Diese sozialdemokratische Mietenpolitik hat zum zentralen Ziel einen gerechten und fairen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Mieter und Vermieter. Der vorliegende Entwurf verschiebt jedoch die Gewichte und verbessert durchweg die Rechtspositionen der Vermieter zu Lasten der Mieter.
Für den einzelnen und seine Familie ist die Mietwohnung Mittelpunkt der privaten Existenz. Ebenso wie der Arbeitsplatz ist sie unerläßliche Voraussetzung zur Führung eines menschenwürdigen Daseins. Für den Mieter ist sie deshalb kein Wirtschaftsgut, sondern der private Bereich, der besonders geschützt werden muß. Die Gewährleistung und Erhaltung dieses existentiellen Lebensbereiches ist eine sozialpolitische Verpflichtung, die das Grundgesetz dem Staat auferlegt.
Ein Eckpfeiler des fairen Interessenausgleichs ist für uns das bewährte Vergleichsmietenverfahren. Es schützt den Mieter vor willkürlichen Erhöhungen und erlaubt dem Vermieter andererseits in angemessenen Abständen eine maßvolle Anhebung seiner Mieteinkünfte. Daran möchten wir festhalten.
Sie von den Koalitionsfraktionen beschädigen jedoch das marktwirtschaftliche Vergleichsmietensystem. Sie zerstören es in letzter Konsequenz.
Zunächst, Herr Kansy, beseitigen Sie die von uns gemeinsam beschlossene — daran wird man erinnern dürfen — ortsübliche Vergleichsmiete und nehmen als Maßstab nur noch die teuren Mietabschlüsse der letzten drei Jahre. Sie wollen weiter zulassen, daß Mieten aus dem eigenen Bestand bei Mieterhöhungsverfahren herangezogen werden können, und eröffnen damit Manipulationsmöglichkeiten. Die Beschädigung des Vergleichsmietenverfahrens genügt Ihnen jedoch offensichtlich nicht.
Um es restlos zu erlegen, wollen Sie darüber hinaus noch die Staffelmiete für Neubauten und für den Bestand einführen, und zwar nach dem Prinzip „Einmal Staffelmiete, immer Staffelmiete". Die Anhörung im Rechtsausschuß hat klar ergeben, daß die Staffelmiete insgesamt abzulehnen ist. Das ist die Position der Sozialdemokratischen Partei. Durch niedrige Eingangsmieten wird der dringend nach einer Wohnung suchende Bürger in eine Falle gelockt. Eine häufig zu positive Einschätzung seiner Verdienstmöglichkeiten während der nächsten vier bis fünf Jahre wird ihm dabei zum Verhängnis. Zum Schlusse kommt er von einem Vertrage nicht mehr los, der ihm unerträgliche Mietsteigerungen abverlangt.
Sie kennen die vielfach vorgetragenen Bedenken gegen die Staffelmiete, die auch aus der Sicht eines Teils der Eigentümer vorgetragen worden sind. Nicht ganz zu Unrecht haben deshalb die beiden zuständigen Minister nach Möglichkeiten gesucht, Gleitklauseln an die Stelle der Staffelmieten zu setzen. Damit keine Unklarheiten entstehen: Gleitklauseln widersprechen dem von uns verteidigten Vergleichsmietensystem. Aber in einem Punkte nähern wir uns doch, nämlich in unseren Bedenken gegen das Instrument Staffelmiete. Ganz gleich wie der Ausgang der nächsten Bundestagswahl sein wird, eine Änderung in diesem Punkte steht ins Haus. Sie von den Koalitionsfraktionen haben wiederholt erklärt, häufige Gesetzesänderungen seien mit Ihren Prinzipien nicht zu vereinbaren. Deshalb unsere ernste Mahnung und unser dringender Appell: streichen Sie mit uns gemeinsam die Staffelmiete aus dem vorliegenden Entwurf!
Auch die Chance, eine sinnvolle Regelung für Zeitmietverträge zu finden, wird von Ihnen vertan. Man kann darüber streiten, wie viele Wohnungen für einige Zeit leerstehen, weil der Vermieter beabsichtigt, sie später für Familienangehörige zu nutzen oder grundlegend umzubauen. Auch die Anhörung hat keine Klarheit über die genannten Zahlen gebracht. Aber das Problem gibt es, und es gibt Mieter, die vorübergehend Unterkunft suchen. Deshalb waren wir Sozialdemokraten bereit, eine Lösung mit klaren Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Vertragsform sowie mit eindeutigen Sicherungen gegen den Mißbrauch zu akzeptieren. Die in der Beschlußempfehlung gefundene Formulierung ermöglicht den Mißbrauch, weil sie Kettenverträge nicht ausschließt. Diese Lösung wird unsere Zustimmung deshalb nicht finden.
Wir müssen leider auch feststellen, daß der Gesetzentwurf gegen die Verdrängung von Mietern aus ihren angestammten Wohnungen — ein drän-
8524 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Gnädinger
gendes Problem für Großstädte — nichts unternehmen will.
Dort verdienen sich Spekulanten mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen dumm und dämlich.
Deshalb, Herr Kansy, legen wir in der zweiten Lesung einen Antrag vor, der vorsieht, die Sperrfrist für sogenannte Eigenbedarfskündigungen der Neuerwerber von drei auf acht Jahre zu verlängern und dem Mieter ein Vorkaufsrecht einzuräumen.
Dies, meine Damen und Herren, wäre ein wirksames Mittel gegen den auch von vielen CDU- und CSU-Oberbürgermeistern beklagten Mißstand. Sie werden in der Abstimmung Gelegenheit haben, Ihre Haltung in dieser Frage der Öffentlichkeit noch einmal deutlich zu machen.
Weil nur noch die besonders teuren Wohnungen in das Vergleichsmietenverfahren eingehen und weil Sie die Staffelmiete zulassen, bauen Sie zwei Treibsätze für Mieterhöhungen in das Gesetz ein.
Sie wissen auch: Diese Mieterhöhungen könnten so drastisch ausfallen, daß der Vermieter, wenn er seine Spielräume nutzt, nach geltendem Recht wegen Wuchers verfolgt werden müßte. Aus diesem Grunde müssen Sie die Wuchergrenze konsequenterweise kräftig nach oben verschieben. Sie haben die Änderung der Wucherbestimmungen immer wieder damit begründet, daß Staffelmieten ohne eine solche Änderung nicht möglich wären. Im Ergebnis aber führt Ihr Vorschlag zum Wirtschaftsstrafgesetz dazu, daß künftig überhaupt nicht mehr mit Verurteilungen wegen Mietwuchers zu rechnen sein wird.
Damit ergibt sich: Das Vorhaben der Koalitionsfraktionen ist volkswirtschaftlicher Unsinn, mietenpolitisch verfehlt; es bedroht den sozialen Frieden.
Deshalb werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen. Die Mieter und ihre Angehörigen jedoch werden auch künftig die SPD an ihrer Seite finden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Clemens.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Talleyrand hat einmal gesagt: Kein Abschied auf der Welt fällt schwerer als der Abschied von der Macht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, das umschreibt genau den Zustand, in dem Sie sich seit dem Regierungswechsel am 1. Oktober befinden.
Sie müssen sich mit Ihrer Oppositionsrolle erst ein bißchen befreunden, hoffentlich recht lange.
Sie haben bei der Beratung des Mietrechts im Rechtsausschuß Opposition mit Obstruktion und sachliche Beratung mit Wahlkampfparolen verwechselt, so wie Herr Gnädinger das soeben fortgesetzt hat.
Wir müssen da mit Ihnen Nachsicht üben.
Seit fast eineinhalb Jahren befassen wir uns mit der Änderung des Mietrechts. Es gab diverse Gesetzentwürfe, wir haben zwei Hearings durchgeführt, wir haben permanent Sitzungen durchgeführt, wobei es einige bei Ihnen gab, die diese Sitzungen verlängert haben, wo es nur ging. All das widerlegt Ihren Einwand, wir hätten die Rechtsprobleme, die wir hier heute abschließend behandeln, nicht rechtzeitig und gut genug beraten.
Lassen Sie mich hier einen Dank an all diejenigen aussprechen, die daran beteiligt waren: das Sekretariat des Rechtsausschusses, die Stenographen, das BMJ und auch die Mitarbeiter, die zum Teil Nachtarbeit leisten mußten, damit wir dieses Gesetz über die Hürden kriegten.
Die Statistiken weisen deutlich aus, daß der Wohnungsbau seit 1974 drastisch zurückgegangen ist. Es ist daher unser Ziel, dem Wohnungsmarkt zusätzliche Wohnungen in Neubauten und im Althausbestand zuzuführen, um die teilweise besorgniserregende Nachfrage der Wohnungssuchenden zu befriedigen. Wir können es nicht länger hinnehmen, daß viele Wohnungssuchende, insbesondere sozial schwache, junge und kinderreiche Familien, weiter draußen vor der Tür stehen, so wie Sie das haben wollen, weil Sie sich dieser Politik verweigern.
Der öffentlich geförderte, d. h. der soziale Wohnungsbau ist tot. Er ist dank der SPD-Politik gescheitert. Die Kassen des Staates sind leer. Der Staat ist nicht mehr in der Lage, weiterhin Wohnungsbau mit in erheblichem Maße subventionierten Sozialmieten zu betreiben. Es bedarf daher der Förderung des frei finanzierten Wohnungsbaus, und zwar durch Gewährung von Investitionsanreizen für private Anleger. Das läßt sich nur dadurch bewirken, daß das neue Mietrecht wieder mehr an marktwirtschaftlichen Grundsätzen orientiert ist.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8525
Clemens
— Ich weiß nicht, warum Sie lachen. Ich habe nicht die Zeit, aber ich könnte Ihnen haufenweise Zitate von Ihrem Kanzlerkandidaten Vogel, von Professor Karl Schiller — der ist ja jetzt wohl wieder Mitglied bei Ihnen — und von diversen anderen SPD-Leuten bringen, die sich alle in dieser Richtung ausgesprochen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben bezweifelt, daß der Titel dieses Gesetzes — „Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen" — Wirklichkeit wird. Ich empfehle Ihnen, einmal das Protokoll der Anhörung — es ist sehr umfangreich — genau durchzulesen. Dann werden Sie feststellen, daß die Sachverständigen diesen Gesetzentwurf in der großen Überzahl als den Schritt in die richtige Richtung bezeichnet haben.
— Ich verstehe ja Ihre Aufregung, meine Herren von der SPD.
Ich zitiere jetzt ganz bewußt in Richtung auf Sie, Herr Schmidt. Sie haben einen Sachverständigen aus München benannt, den wir eingeladen haben. Es ist Herr Dr. Rußig vom Ifo-Institut. Er hat ausgesagt, daß durch die Lockerung des Mietrechts tendenziell bessere Lösungen zu erreichen sind und potentielle Investoren zu einem stärkeren Engagement im Wohnungsbau sich leiten lassen. Ich meine, diese Aussage hat auch für Sie einiges an Gewicht.
Es steht völlig außer Frage, daß das Mietrecht einen wesentlichen Faktor für die dramatische Abnahme des Mietwohnungsbaus darstellt, daß es also ein Investitionshemmnis ist. Ich weiß, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, diese Tatsache wider besseres Wissen leugnen. Kronzeuge für meine Auffassung ist das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft vom Januar dieses Jahres, in dem u. a. ausgeführt wird:
Von entscheidender Bedeutung für den Rückgang des frei finanzierten Mietwohnungsbaus war die Tatsache, daß durch die wohnungspolitische Gesetzgebung Unsicherheit über die zukünftige Rentabilität von Mietwohnungen geschaffen wurde.
So nachzulesen auf Seite 7. Ich empfehle Ihnen überhaupt, sich einmal dieses Gutachtens zu bemächtigen und es zu lesen; dann würden Sie merken, daß Sie im Mietrecht total in die falsche Richtung laufen.
Ich erspare mir in diesem Zusammenhang die Aufzählung der hochkarätigen Besetzung dieses Gutachtergremiums. Darin sind viele Mitglieder bzw. ehemalige Mitglieder des Sachverständigenrats. Darunter ist auch ein gewisser Professor Karl Schiller. Wenn ich mich recht erinnere, wollte doch Ihr Kanzlerkandidat Vogel Herrn Schiller irgendwie als Berater hinzuziehen. Nach den Einlassungen des Herrn Kollegen Gnädinger von der SPD zum Mietrecht kann ich mir nicht vorstellen, daß Herr Schiller diese Aufgabe annehmen würde. Ich glaube, er hat es auch schon abgelehnt. Dafür muß man aus unserer Sicht auch Verständnis haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir bestreiten natürlich nicht, daß es noch andere investitionshemmende Faktoren gibt. Da gibt es hohe Zinsen, da gibt es die Bodenpreise. Aber gerade das Institut für Wohnen und Umwelt in Darmstadt, das Ihnen von der SPD sehr wohlgesonnen ist, hat ausgeführt, daß z. B. die Bodenpreise nur einen sehr geringen Einfluß auf die Preise im Mietwohnungsbau haben. Das ist der erste Punkt.
Nun der zweite Punkt. Bezüglich der hohen Zinsen verweise ich z. B. auf einen größeren Investor, nämlich die Versicherungswirtschaft. Sie hat früher 7 % ihrer Investitionen im Wohnungsbau getätigt. Jetzt liegt diese Zahl unter 1 %. Die Versicherungswirtschaft arbeitet aber zu 100 % mit Eigenkapital. Sie ist also gar nicht auf Fremdmittel, die hohe Zinsen kosten, angewiesen, d. h. sie ist unabhängig davon. Trotzdem hat sie nicht investiert. Das macht die These sehr deutlich, daß das Mietrecht das entscheidende Investitionshemmnis ist.
Wir müssen die Mietrechtsgesetzgebung wieder an marktwirtschaftlichen Grundsätzen orientieren, wenn wir die private Investitionstätigkeit im Wohnungsbau fördern wollen. Die Verwirklichung dieses Grundsatzes bedeutet, daß im Mietrecht wieder mehr Vertragsfreiheit zwischen Mietern und Vermietern eingeführt wird.
Derzeit ist derjenige, der Wohnungen vermieten will, in seiner Freiheit, das Verhältnis zu seinen Mietern zu gestalten, erheblich eingeschränkt. Die Folge davon ist: Die Bereitschaft, zu vermieten, geht damit grundsätzlich zurück. Das ist übrigens auch wieder ein Zitat aus dem von mit bereits mehrfach zitierten Gutachten.
Wie wollen wir nun Vertragsfreiheit erreichen? Ich beschäftige mich in erster Linie mit zwei Instituten, nämlich dem Zeitmietvertrag und der Staffelmietvereinbarung.
Ich muß gleich eines vorweg sagen: Herr Gnädinger, Sie treiben hier ein erhebliches Verwirrspiel. Ich habe gehört, Sie sind auf einmal für den Zeitmietvertrag, der zunächst von den Linken in Ihrer Fraktion hart bekämpft wurde.
— Darauf komme ich gleich zu sprechen. — Jetzt sind Sie sozusagen kollegialiter zu Ihrem früheren Bundesjustizminister Schmude für den Zeitmietvertrag, aber zur gleichen Zeit sind Sie gegen den früheren Bundesjustizminister Jahn, der den Zeitmietvertrag ganz kräftig ablehnt.
Der Zeitmietvertrag ist auch in dem Mietrechtsänderungsgesetz 1981 enthalten gewesen. Ziel eines Zeitmietvertrags ist es, Vermieter von Althausbestand zu animieren, gehorteten und leerstehenden Wohnraum dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Teil-
8526 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Clemens
weise wurde bisher dieser Wohnraum nicht vermietet, und zwar aus Sorge, daß der Mieter nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder auszog und erst ein zeitaufwendiges Gerichtsverfahren — für den Mieter oft ohne Erfolg — notwendig wurde. In Zukunft sollen die Mietparteien für maximal fünf Jahre vereinbaren können, daß das Mietverhältnis bei beabsichtigtem Eigenbedarf oder bei beabsichtigten wesentlichen Baumaßnahmen des Vermieters beendet wird, ohne daß sich der Mieter auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen kann. Der Zeitmietvertrag vermeidet also gerichtliche Auseinandersetzungen. Bei Mißbrauch durch den Vermieter ist dieser zu Schadensersatz verpflichtet.
Da der Vermieter in diesen Fällen Wohnraum aber nur dann vermietet, wenn er gewiß sein kann, daß in freier Absprache der Mieter zum vereinbarten Zeitpunkt wieder auszieht, muß die Gewährung von Räumungsschutz in diesem Fall ausgeschlossen werden. Ich finde, das gehört einfach zum Wesen eines solchen echten Zeitmietvertrags. Das ist das Thema der Vertragsfreiheit: Man einigt sich beiderseits auf einen bestimmten Zeitpunkt.
Wenn die SPD durch ihren Mieterbundpräsidenten, Herrn Jahn, in einem sehr polemischen Flugblatt erklären läßt, daß Mieter nach Ablauf eines Zeitmietvertrags vogelfrei werden, kann das nur bedeuten, Herr Jahn — das ist auch an die SPD gerichtet —, daß Sie und der Mieterbund lieber weiterhin Wohnraum leerstehen lassen wollen, als jungen und sozial schwachen Leuten neuen Wohnraum zu verschaffen.
Ich bezeichne das als eine mieterfeindliche Politik. Ich meine, Sie handeln hier ausdrücklich gegen Mieterinteressen. Wer will eigentlich behaupten, daß nicht in fünf Jahren mehr Wohnraum zur Verfügung steht, damit die Nachfrage dann befriedigt werden kann? Ich meine, wir haben hier ein gutes Mittel, um zu helfen, die Wohnraumnot in bestimmten Bereichen zu überbrücken.
Nun zur Staffelmietvereinbarung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier malen SPD und Mieterbund wahre Horrorgemälde in einem Flugblatt, das die Überschrift trägt „Wann verlieren Sie Ihre Wohnung?". Zur Staffelmiete wird dort folgendes ausgeführt:
In Zukunft können Vermieter schon für zehn Jahre im voraus Mieterhöhungen festlegen. Kann der Mieter dann nicht mehr zahlen, fliegt er raus.
Diese Aussage ist nicht nur rechtlich absolut falsch; sie ist auch bösartig. Ich will das in fünf Punkten belegen.
Erstens. Der Vermieter kann von sich aus Mieterhöhungen im voraus nicht festlegen, sondern Staffelmietvereinbarungen müssen zwischen Mieter und Vermieter getroffen werden.
Zweitens. Das Flugblatt verschweigt, daß der Mieter nach vier Jahren ein Kündigungsrecht hat, also keinesfalls zehn Jahre an eine Staffelmietvereinbarung gebunden ist.
Drittens. Staffelmietvereinbarungen, gleichgültig ob für Neubauten oder im Althausbestand, können nur bei Neuabschlüssen vereinbart werden. Das heißt: kein Mieter, der eine Wohnung besitzt, kann gezwungen werden, eine solche Staffelmiete zu akzeptieren.
Viertens. Lehnt ein Mieter ein Staffelmietangebot des Vermieters ab, entstehen ihm hieraus keine Nachteile. Es bleibt dann bei der gültigen Vergleichsmiete.
— Sie als Jurist müßten das mindestens wissen, Herr Schmidt.
Fünftens. Das Flugblatt verschweigt, daß einem Mieter bei Ablehnung des Staffelmietangebotes des Vermieters oder bei Beendigung einer Staffelmietvereinbarung der volle Kündigungs- und Sozialschutz erhalten bleibt, er also nicht aus der Wohnung fliegen kann.
Nun frage ich mich, was das eigentlich soll. Was ist das für eine Art Brunnenvergiftung, die der Mieterbund und SPD Hand in Hand betreiben?
Will man mit solchen Klassenkampfparolen die Mieter einschüchtern und sie in Richtung SPD auf den Wahlkampf einstimmen, oder will der Mieterbund etwa durch Einschüchterung seine Mitgliederzahl erhöhen? Ich frage Sie. Beides ist bösartige Polemik, was dort von Ihrer Seite betrieben wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Der Mieterbund handelt gegen die Interessen seiner Mitglieder, wenn er sich so verhält, anstatt seine Mitglieder rechtlich zu beraten. Ich meine, ein Interessenverband hätte eigentlich eine andere Aufgabe.
Ich kann mich nicht erinnern, daß ein ähnliches Flugblatt seinerzeit herausgegeben wurde, als die SPD noch für die Staffelmiete bei Neubauten war. Inzwischen ist sie von diesem Standpunkt wieder abgerückt. Das ist das Verwirrspiel; sicher alles in
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8527
Clemens
Richtung auf den 6. März 1983, Herr Gnädinger. Wir haben das kapiert.
Damals stellte sich Herr Jahn lediglich hin und sagte: Wir sind von der FDP hintergangen worden. Ich muß schon sagen, Herr Jahn, Sie spielen eine eigenartige Doppelrolle. Hier haben Sie mit der SPD-Fraktion dafür gestimmt, und als Präsident des Mieterbundes haben Sie sich dann letzten Endes darüber beklagt.
Wir wollen die Staffelmiete auch im Althausbestand einführen.
Dafür haben wir volkswirtschaftliche Gründe.
Ich lese Ihnen aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats vor und bitte Sie, genau zuzuhören:
Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Verminderung des Angebots aus dem Bestand und dem neuen, seit 1974 geltenden Mietrecht ist insofern offensichtlich, als die Möglichkeit der Mieterhöhung in bestehenden Verträgen stark eingeschränkt ist, während bei neuen Verträgen die Miete frei ausgehandelt werden kann. Daher sind bei nicht gebundenem Wohnungsbau die Mieten in neuen Verträgen tendenziell höher als in alten Verträgen. Die Folge ist eine Hortung von Wohnraum; denn es ist für einen Mieter oft vorteilhafter, eine große Altbauwohnung zu behalten, als eine kleinere Wohnung zu höherem Mietpreis pro Quadratmeter neu zu mieten.
Das heißt, eine einzige Person, die in einer großen Wohnung wohnt, die sie eigentlich gar nicht alleine bewohnen kann, bleibt dort wohnen, obwohl diese Wohnung hervorragend geeignet wäre für eine größere Familie, die wiederum ihrerseits gezwungen ist, eine große Wohnung im Neubau zu wesentlich teurerer Miete zu nehmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?
Ich bin sehr unter Zeitdruck, aber weil es mein Braunschweiger Kollege ist, ganz kurz.
Das verstehe ich, aber ich muß Sie trotzdem fragen, Herr Abgeordneter.
Bitte, Herr Kühbacher.
Herr Kollege Clemens, können Sie mir bestätigen, daß nach diesem phantastischen
Geldschöpfungsgesetz in Braunschweig das Angebot an neuen Mietwohnungen massiv erhöht wird, oder ist dieses Gesetz nicht eher ein Beschäftigungsprogramm für Anwälte?
Ich finde es ja sehr schön, daß wir Braunschweig ins Spiel bringen. Ich gehe davon aus, daß wir in der Tat eine ganze Menge mehr Wohnungen als bisher bekommen. Ich will Ihnen sagen: 1973 wurden dort letzten Endes 2 890 Wohnungen fertiggestellt. Das war vor dem Mietrechtsänderungsgesetz 1974.
1981 sind es noch ganze 597 Wohnungen.
Genau das müssen wir ändern, wir müssen mehr Wohnungen bauen. Wenn die Stadtverwaltung und das Planungsamt mitspielen und genügend Raum für entsprechenden Wohnbau ausweisen, werden wir in der Tat mehr Wohnungen bauen.
Ich nehme den Faden wieder auf: Wir brauchen eben wieder mehr Mobilität, damit auch kinderreiche Familien den für sie angemessenen Wohnraum finden, d. h. wir brauchen mehr Mobilität, um den Wohnungsbestand marktwirtschaftlich besser nutzen zu können.
Nun zum angeblichen Mietpreissteigerungseffekt. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD — und ich beziehe auch gleich den Mieterbund ein —, ich muß Ihnen vorhalten: Entweder beherrschen Sie das Einmaleins der Sozialen Marktwirtschaft nicht oder Sie wollen es boshafterweise nicht beherrschen. Bekanntlich bilden Angebot und Nachfrage den Preis. Wenn genügend Wohnungen angeboten werden und die Nachfrage der Wohnungssuchenden befriedigt werden kann, kriegen wir auch einen angemessenen Mietzins. Sehen Sie, aus diesem Grunde wollen wir so schnell wie möglich durch Neubau von Wohnungen oder im Althausbestand das Wohnungsangebot erhöhen, um dadurch die Nachfrage zu befriedigen. Ich bezeichne das als mieterfreundliche Politik. Wer sich diesen Gedanken widersetzt, wie Sie es tun,
handelt zumindest mittelfristig gegen die Interessen der Mieter. Lassen Sie mich das nun polemisch ausdrücken: Wer sich dem widersetzt, das ist die Mieterhöhungspartei von morgen. Und das sind Sie, meine Damen und Herren von der SPD.
Die Anhörung der Sachverständigen hat im übrigen eindeutig ergeben — Herr Gnädinger, wie Sie überhaupt die Anhörung der Sachverständigen in diesem Zusammenhang erwähnen können, bleibt mir ein Rätsel —, daß die Einführung der Staffelmiete nirgendwo starke Mieterhöhungseffekte zeitigt. Ich kann nicht alle Sachverständigen nennen.
8528 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Clemens
Es ist eine ganze Anzahl. Ich nenne nur einen, nämlich den Vertreter der Deutschen Bundesbank. Er hat betont, daß aus stabilitätspolitischer Sicht einiges für die Staffelmiete spricht und daß mögliche Preisimpulse durch die Staffelmiete in recht engen Grenzen bleiben. Es könnte sich dabei allenfalls um wenige Zehntel eines Prozentpunktes handeln, wobei er mögliche Mieterhöhungseffekte aus der Neuregelung der Vergleichsmiete schon mit einbezogen hat.
Zugunsten der Mieter spricht auf jeden Fall, daß bei Staffelmietvereinbarungen in dieser Zeit zusätzliche Mieterhöhungen wegen Modernisierung — das wären sonst bis zu 11 % jährlich — ausgeschlossen sind, daß zusätzliche Mieterhöhungen wegen gestiegener Kapitalkosten ausgeschlossen sind. Das steht leider nicht in Ihrem Flugblatt, Herr Jahn. Das sollten Sie schreiben. Das sollten Ihre Mieter wissen. Dann würden sie von Ihnen gut beraten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Zweites. Eine Staffelmietvereinbarung wird nur dann abgeschlossen, wenn sie auch für den Mieter attraktiv ist. Wenn er die gestaffelte Miete nicht bezahlen kann, kommt es eben gar nicht zu einer solchen Vereinbarung. Auch das muß man sich vergegenwärtigen.
— Ich habe j a Verständnis für Ihre Unruhe. Sie mögen das nicht gern hören; das glaube ich Ihnen gern. Aber hören Sie sich vielleicht einmal an, was die Versicherungswirtschaft und einige andere erklärt haben.
Die haben deutlich gesagt, daß sie sich vorsichtig an die Staffelmiete herantasten wollen, daß sie davon ausgehen, daß sie nicht gleich Staffelmietvereinbarungen über zehn Jahre abschließen, sondern nur für eine relativ kurze Zeit, und daß man dabei von vorausgeschätzten Größen ausgehen wird, und zwar auf die Vergangenheit bezogen, sei es Einkommensentwicklung oder Lebenshaltungskostenindex. Auch das spricht zugunsten der Mieter. Bei größeren Investoren spielt ein Weiteres eine Rolle, inbesondere bei der Staffelmiete im Bestand: Dadurch, daß wir das jetzt schaffen, wird ein vereinfachtes Verfahren bei Mietfestsetzungen möglich; durch die Einschaltung von Computern entsteht weniger Verwaltungsaufwand; das kann zur Kostensenkung führen, und das kann auch wieder Einfluß auf die Staffelmiete haben. So haben das mehrere Interessenvertreter aus diesem Bereich dargelegt.
Wir werden also durch die Staffelmiete unter Umständen durchaus sehr günstige Verträge abschließen können. Es bleibt offen, zu welchen Gunsten sich die Staffelmiete auswirkt. Die Staffelmiete ist eine Option für Mieter und Vermieter zu mehr Vertragsfreiheit. Die Vermieter können Staffelmieten günstig anbieten, wenn sie wissen, daß sie im Laufe der Zeit näher an eine Marktmiete herankommen
und dadurch auf längere Sicht eine Rendite erwirtschaften.
Lassen Sie mich noch kurz zwei Punkte nennen. Der eine Punkt ist, daß ich mich außerordentlich wundern muß, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, im Rechtsausschuß gegen Diverses gestimmt haben, was Sie früher mitbeschlossen haben, aber daß Sie ausgerechnet gegen die Kappungsgrenze bei der Vergleichsmietenerhöhung von maximal 30 % für die nächsten drei Jahre nichts eingewendet haben. Ich habe eigentlich erwartet, daß Sie bei Ihrer Einstellung des totalen Sich-Verweigerns hier wenigstens Anträge gestellt hätten, diese Grenze zu reduzieren. Das haben Sie nicht gemacht. Aber zur gleichen Zeit stellt sich der Mieterbund hin, stellen Sie sich hin und sagen: Es gibt eine Mietpreisexplosion bis zu 30 % in drei Jahren. Sie haben sie selber mit beschlossen. Ich bezeichne das als Heuchelei.
Zum Schluß komme ich auf die beiden geschätzten Münchner Kollegen und auf die Münchner Verhältnisse zu sprechen, die in unserem Ausschuß eine große Rolle spielten. Herr Schöfberger hat mehrfach Auswüchse mit enormen Mietsteigerungen bei Modernisierungen und Erwerbermodellen dargestellt. Ich sage Ihnen, Herr Schöfberger, auch wir beklagen diese Auswüchse, aber auf der anderen Seite muß ich sagen, daß durch die Neuregelung des § 541 b BGB in Zukunft Luxusmodernisierungen ausgeschlossen werden. Ich kann Sie nur auffordern, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen; dann haben Sie zumindest in diesem Bereich die Sicherheit, daß keine weiteren Auswüchse stattfinden.
Im übrigen muß ich sagen, daß das Ganze auf Ihre Politik zurückzuführen ist. Sie haben eine Wohnungspolitik mit einem übersteigerten Mieterschutz betrieben. Ich sage bewußt: übersteigerten Mieterschutz. Dadurch haben Sie erhebliche Restriktionen für die Vertragsfreiheit zwischen Mietern und Vermietern eingeführt; Sie haben die Vertragsfreiheit erheblich eingeschränkt. Dadurch haben Sie die Investoren vom Mietwohnungsbau verdrängt. Gleichzeitig — das hat Herr Schöfberger j a zugegeben — haben Sie steuerliche Begünstigungen von Modernisierungen vorgenommen. Dadurch hat sich die natürliche Angebotsstruktur im Wohnungsbau verändert, d. h. die Neubautätigkeit nahm ab und wurde durch Modernisierungen ersetzt.
Herr Abgeordneter, Ihre angemeldete Redezeit ist seit langem überschritten. Das wird natürlich den anderen Kollegen Ihrer Fraktion abgezogen. Darauf möchte ich nur hinweisen.
Frau Präsident, ich bin gleich am Ende.
Die Modernisierung ist also letzten Endes durch Ihre Politik gekommen; auch die ganzen Auswüchse sind auf Ihre Politik zurückzuführen. Deswegen bitten wir Sie, unserem Mietgesetzentwurf
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8529
Clemens
zuzustimmen, denn wir brauchen in Zukunft mehr Wohnungen, um solche Auswüchse zu verhindern. Wer vorgibt, wirklich die Mieterinteressen zu vertreten, muß diesem neuen Mietrecht zustimmen. Ich hoffe auf Ihre Einsicht. — Ich bedanke mich fürs Zuhören.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen und auch heute morgen hat man gelegentlich den Eindruck, als ob dieses Haus als Wahlkampfarena mißverstanden wird. Ich will jeder Versuchung widerstehen, einer ähnlichen Fehleinschätzung zu erliegen.
Die zu behandelnde Materie des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen ist wirtschaftspolitisch, wohnungspolitisch und — ich betone das — sozialpolitisch viel zu bedeutsam, als daß sie mit plakativen, griffigen Wahlkampfformeln abgehandelt werden könnte.
Die jüngere Geschichte des Mietrechts der Bundesrepublik Deutschland beginnt mit dem „Gesetz zum Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und ein soziales Mietrecht". In diesem ersten Versuch, einen fairen Ausgleich zwischen Mietern und Vermietern herbeizuführen, in diesem ersten Versuch, der wohnungssozialpolitischen Verantwortung gerecht zu werden und zugleich die notwendigen ökonomischen Grundlagen für die Wohnungswirtschaft nicht zu zerstören, gab es einen entscheidenden Fehler, der sich gegen Ende der 60er Jahre deutlich herauskristallisiert hatte, nämlich die Zulässigkeit der Änderungskündigung. Unter dem Druck, nachbarschaftliche Bindungen preiszugeben und mit hohen Umzugsinvestitionen belastet zu sein, gibt es eben keine Chancengleichheit beim Aushandeln eines neuen Mietzinses nach einer Änderungskündigung.
Das Erste und das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz — das Zweite übrigens mit allen Stimmen dieses Hauses verabschiedet — versuchte nunmehr, diesen Nachteil zu beseitigen und die Rechtspositionen des Mieters deutlich zu verbessern. Gegen Ende der 70er Jahre war dann mit zunehmender Deutlichkeit festzustellen, daß Einzelvermieter, aber auch gewerbliche Vermieter aus dem Vermietungsgeschäft ausstiegen und daß Investitionen im Mietwohnungsbau praktisch nur noch in der Form von Bauherrenmodellen vorkommen. Das ist gewiß nicht eine Entwicklung zum Wohle der Mieter und gewiß nicht eine Entwicklung zum Wohle der Wohnungsuchenden.
Wir sind weit davon entfernt, diesen unstreitigen Tatbestand nun allein auf das Mietrecht zurückzuführen. Eine solche monokausale Betrachtungsweise würde den Problemen des Wohnungsmarktes ganz sicher nicht gerecht. Wir wissen selbstverständlich, daß überproportional gestiegene Baupreise, unzureichend angebotenes Bauland, überhöhte Kapitalmarktkosten, erhebliche Baunebenkosten, überhöhte Komfortansprüche und langwierige Genehmigungsverfahren mit überzogenen staatlichen Normvorgaben und eine nicht immer glückliche Subventionspolitik des Staates zu diesem Ergebnis ganz wesentlich mit beigetragen haben: aber eben auch das Mietrecht. Wenn wir den Wohnungsmarkt wieder in Ordnung bringen wollen — und die Koalition der Mitte will dies —, dann muß eben auch das Mietrecht in Ordnung gebracht werden, und zwar sorgfältig austariert.
Die Wohnung sei „ein Gut besonderer Art", wird gesagt, und das ist richtig. Sie ist zugleich unverzichtbares Konsumgut und Investitionsgut. Wohnungspolitik — und hier insbesondere Mietenpolitik — muß beiden Anforderungen genügen. Was die wirtschaftliche Seite betrifft, ist dies offensichtlich mit dem geltenden Mietrecht nicht gelungen. Wir müssen deshalb, bei voller Wahrung des Besitzschutzes des Mieters, die rechtlichen Grundlagen für eine maßvolle Verbesserung der Renditen im Wohnungsmarkt schaffen. Und nur dies ist unser Anliegen.
Die entsprechende Geschichte dieses aktuellen Gesetzentwurfs ist — lassen Sie mich das so sagen — bis zu einem gewissen Grade auch Ausdruck der Kontinuität in einem Drei-Parteien-System, trotz Regierungswechsels. Sie führt nämlich zurück an den Beginn dieser Legislaturperiode. Da gab es den Regierungsentwuf eines Mietrechtsänderungsgesetzes vom 27. Mai 1981, da gab es dazu korrespondierende Entwürfe der damaligen Opposition und des Bundesrates, da gab es die Erweiterungen der Entwürfe des Mietrechtsänderungsgesetzes im Februar dieses Jahres auf Grund der Gemeinschaftsinitiative, und das alles wurde ungewöhnlich sorgfältig, mit Experten-Anhörungen, beraten — bis hin zu einem ausgiebigen Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat.
Es ist deshalb richtig, wenn man sagt: Dies ist das Ende einer zweijährigen Mietrechtsänderungsdiskussion. Es wäre deshalb sehr vordergründig, wenn man jetzt sagte, das erst am 5. November 1982 eingebrachte konkrete Gesetz sei „durchgepeitscht" worden. Auch dieses Gesetz ist noch einmal ausgiebig parlamentarisch beraten worden. Es hat ein zweitägiges Experten-Hearing stattgefunden,
so daß — ich meine, dies hier feststellen zu sollen — der Vorwurf einer unzulänglichen Beratung eindeutig widerlegt ist.
Die Opposition hat es für richtig gehalten, den Titel des Gesetzes zu beanstanden und zu fordern, dieses Gesetz als „Mieterhöhungsgesetz 1983" zu
8530 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Gattermann
benennen. Im Ausschuß war es dann noch ein bißchen polemisch deutlicher: „Gesetz zum Abbau des sozialen Mietrechts und zur Mieterhöhung." — Meine Damen und Herren, hier wird das deutlich, von dem ich eingangs gesagt habe, daß wir es vermeiden sollten: Dies ist Polemik; dies sollten wir nicht tun.
Das Parlament — auch die Opposition — sollte sich davor hüten, emotionale Widerstände gegen Besitzstandsveränderungen jeder Art unreflektiert, d. h. ohne sehr sorgfältige Auseinandersetzung mit allen einzelnen Detailpunkten, zur Grundlage von Entscheidungen zu nehmen. Man trägt dadurch sozialen Unfrieden ins Land, wo es nicht nötig ist.
Der Gesetzentwurf hat eben gar nichts mit dieser „Umverteilung" und den „Ellenbogen" zu tun. Den besseren Möglichkeiten der Vermieter zur Mietzinsanpassung an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse — und diese Anpassungsmöglichkeiten sind maßvoll — stehen auch verbesserte Positionen des Mieters gegenüber. Ich will das belegen:
Das Gesetz löst das Versprechen der Regierung Schmidt/Genscher ein, die Duldungspflichtregelung im bürgerlichen Recht und im Wohnungsmodernisierungsgesetz, die unterschiedlich gestaltet war, zu harmonisieren. Die neue Regelung des § 541 b BGB bringt dem Mieter Schutz vor Luxusmodernisierungen. Die finanziellen Auswirkungen einer Modernisierung, die nach altem Recht bei der Duldungspflicht nicht zu berücksichtigen waren, werden nunmehr berücksichtigt. Allerdings kann dies nur in der Weise Beachtung finden, als das Maß der Modernisierung nicht überschritten wird, das im Umfeld der jeweiligen Wohnung allgemein üblich ist. Das ist Mieterschutz, ohne zugleich die Bestandserhaltung und die Stadtentwicklung zu gefährden.
Der Vergleichsmietenbegriff wird zwar konkreter dem Marktgeschehen angepaßt, indem das Marktgeschehen durch die Vertragsabschlüsse der letzten drei Jahre definiert wird. Zugleich wird aber zum Schutz des Mieters eine Kappungsgrenze für Mieterhöhungen eingefügt, die sicherstellt, daß Mieterhöhungen nach § 2 MHG in drei Jahren nicht höher sein dürfen als 30 %. Das heißt nicht, daß nunmehr Jahr für Jahr Wohnungen um 10 % teurer werden. Denn in weiten Bereichen der Bundesrepublik Deutschland werden auch nach neuem Recht die Mieten nicht schneller als bisher oder nur ganz, ganz geringfügig schneller steigen. In Ballungszentren wird sich — was immer wieder zu Recht gesagt wird — diese Kappungsgrenze geradezu segensreich gegenüber dem geltenden Rechtszustand auswirken.
Der Kollege Schöfberger — Herr Clemens hat bereits davon gesprochen — hat im Rechtsausschuß aus einem bunt bebilderten Prospekt eines sogenannten Erwerbsmodells aus München-Giesing zitiert, wo derzeit insbesondere ältere Mieter, die für 2,75 DM pro Quadratmeter in kleinen Mietwohnungen in Jugendstilhäusern wohnen, von der Umwandlung bedroht und betroffen sind. Die Kapitalanleger, die hier gesucht werden, werden mit Mietkalkulationen auf der Grundlage des geltenden Rechts geködert,
die sagen, daß diese Mieten auf 12 DM pro Quadratmeter steigerungsfähig sind.
Hier läßt sich die Wohltat des neuen Rechts,
sprich: Kappungsgrenzen, geradezu exemplarisch belegen. Im Rahmen des § 2 MHG sind diese Mieten in der Zukunft innerhalb von drei Jahren nur auf 3,57 DM pro Quadratmeter und in weiteren drei Jahren auf 4,65 DM pro Quadratmeter steigerungsfähig.
Der Kollege Schöfberger hat gegen diese Berechnung zu Recht eingewandt, daß die Kappungsgrenzen nicht für die Umlage von Modernisierungskosten nach § 3 MHG und für die Umlage von Kapitalkosten nach § 5 MHG gelten. Dieser Einwand läßt wiederum zu, an zwei Stellen zu belegen, daß dieses so bekämpfte Recht auch positiv für die Mieter ist. Die umlagefähigen Modernisierungskosten sind nämlich durch die Neuregelung der Duldungspflicht in § 541 b BGB der Höhe nach deutlich begrenzt.
Was die Kapitalkostenumlage betrifft, enthält dieser Entwurf im neuen § 5 MHG die ausdrückliche Regelung, daß Kapitalmehrkosten bei Eigentümerwechsel nicht auf Mieter umgelegt werden dürfen.
Das Gesetz bringt erstmals auch eine Kautionsregelung zugunsten der Mieter. — Ich will das im einzelnen jetzt nicht darstellen, weil die Zeit knapp ist. — Das hat es bisher nicht gegeben.
Schließlich ist auf die deutliche Entformalisierung des Mieterhöhungsverfahrens einzugehen. Hier legt das neue Recht fest, daß ein vorprozessuales Mieterhöhungsbegehren nicht länger unwirksam sein kann, wenn es sich innerhalb der Spannen von Mietspiegeln bewegt. Darin wird gleichfalls eine starke Mieterhöhungstendenz vermutet. Tatsache dagegen ist, daß sich an der notwendigen Einstufung der einzelnen Wohnungen je nach Lage und Qualität innerhalb der Spanne des Mietspiegels materiell überhaupt nichts ändert. Verhindert wird, daß materiell berechtigte Mieterhöhungsverlangen formal scheitern. Und das ist gut so.
Dasselbe gilt für die Regelung, daß formell unwirksame Mieterhöhungsbegehren ohne Beeinträchtigung von Mieterrechten im Prozeß repariert werden können. Es ist eben nicht Ausdruck fairer Partnerschaft, wenn ein Formfehler mit Rechtsverlust bestraft wird. Ausdruck einer gerechten partnerschaftlichen Lösung ist es, daß die verspätete
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8531
Gattermann
Gewährung der Gelegenheit zur Prüfung der Berechtigung einer Mieterhöhung mit der Belastung mit Verspätungskosten bestraft wird. Das ist fair und gerecht; alles andere nicht.
Fünftens. Einer der am nachhaltigsten umstrittenen Punkte des Gesetzes ist die Zulassung von Staffelmieten sowohl für Neubauten wie auch im Bestand. Positiv an dieser Regelung ist nach unserer Einschätzung zweifellos, daß in die Mietpreisgestaltung endlich wieder ein Stückchen Vertragsfreiheit eingeführt wird. Positiv ist nach unserer Einschätzung ferner, daß dem Vermieter von Neubauten eine hinreichend sichere Kalkulationsgrundlage für seine Renditeberechnungen geboten wird.
Wenn dies im Neubaubereich funktionieren soll — damit sind wir bei dem kritischen Punkt —, muß es korrespondierend auch im Bestand zulässig sein, weil sonst der Trend aus Neubauwohnungen in Bestandswohnungen zu stark wäre, was das Mietausfallwagnis bei Neubauinvestitionen zu sehr in die Höhe treiben würde.
Staffelmieten sind im übrigen ein Angebot an die Marktteilnehmer und nicht mehr, bei dem wir gar nicht mal sicher sind, in welchem Umfang es angenommen wird. Ich darf noch einmal das unterstreichen, was Herr Kollege Clemens gesagt hat: Wenn es angenommen wird, bietet es, insbesondere in unseren wirtschaftlichen Zeiten, die reelle Chance, daß es sich umgekehrt auch zugunsten des Staffelmieters auswirken wird.
Wir haben natürlich als Marktwirtschaftler nach wie vor den Einwand gegen Staffelmieten, daß sie in die Zukunft gerichtet sind, auf Prognosen basieren, von denen man nicht sicher sein kann, ob sie richtig sind. Wir haben deshalb, wie Sie wissen, immer nach Anpassungsklauseln, nach Revisionsklauseln als Alternative gesucht; eine konsensfähige Lösung haben wir nicht gefunden.
Sechstens. Ein weiterer nachhaltig umstrittener Punkt des Gesetzes ist die Einführung von Zeitmietverträgen. Wenn für maximal fünf Jahre der Abschluß von befristeten Mietverträgen zugelassen wird, wenn für den vorher bestimmten Zeitpunkt der Abriß, die durchgreifende Modernisierung oder die Eigennutzung erfolgen soll, werden damit nach unserer Überzeugung leerstehende Wohnungen dem Markt zugeführt, die jetzt wegen des fast absoluten Kündigungsschutzes nicht vermietet sind. Niemand kann sagen, in welchem Umfang dieses Instrument greifen wird. Es ist aber unstreitig, daß es solche Fälle in beachtlicher Zahl gibt.
Meine Damen und Herren, ich will, weil hier bereits das rote Licht leuchtet, nur noch einen Punkt ansprechen. Wir weisen den Vorwurf, wir wollten den Mietwucher straffrei stellen, nachdrücklich zurück. § 302 a bleibt völlig unangetastet. In § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes wird lediglich eine flexiblere Lösung eingeführt, die verhindert, daß angemessen betriebswirtschaftlich kalkulierte Mieten plötzlich strafbar sein sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das neue Mietrecht bedeutet also nicht Ausbeutung des Mieters, es dient vielmehr dazu, einen fairen Aus-
gleich zwischen Mieter und Vermieter zu ermöglichen. Es dient dazu, die Rahmenbedingungen für Investitionen im Mietwohnungsbau zu verbessern. Es dient dazu, gehortete Wohnungsbestände dem Markt zuzuführen. Kurz, es dient der Schaffung ausgeglichener, ausreichender Wohnungsversorgung durch private Investitionen, und zwar nicht nur für die glücklichen Besitzer einer Wohnung, sondern auch für diejenigen, die Wohnungen suchen. Um es in Abwandlung eines Wortes von Bertolt Brecht zu sagen: Wir sehen nicht nur die im Lichte, wir sehen auch die im Dunkeln. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen dient — und es ist nicht so, wie fälschlich behauptet wurde, daß nur der Name dies besagt — der Belebung des Mietwohnungsmarktes.
Niemand kann bestreiten, daß sich Bauherren und Vermieter in der Vergangenheit zunehmend vom Markt zurückgezogen haben, während gleichzeitig die Nachfrage nach Mietwohnungen gestiegen ist. Es besteht kein Zweifel, daß das geltende Mietrecht mit eine Ursache dafür ist, daß eine starke Rezession auf dem Wohnungsmarkt festzustellen ist. Diese Entwicklung muß schnellstens gestoppt werden. Deswegen ist der Gesetzgeber aufgerufen zu handeln, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt zu handeln. Eine Umkehr der Entwicklung ist aber nur möglich, wenn marktwirtschaftlichen Gegebenheiten wieder mehr Geltung verschafft wird.
Die bestehenden Vorschriften sind so zu ändern, daß ein gerechter Ausgleich der schutzwürdigen Interessen der Mieter einerseits und der Vermieter anderererseits erreicht wird. Ein ausgewogenes Mietrecht hat sowohl der sozialen Bedeutung des Mietverhältnisses für die Mieter Rechnung zu tragen als auch die Interessen der Vermieter an der Wirtschaftlichkeit der Wohnungen zu berücksichtigen. Diesen Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1975 aufgestellt, und diesen Grundsatz befolgt das heute in diesem Haus zu verabschiedende Gesetz. Dieses Gesetz läßt nämlich einerseits das Kernstück des sozialen Mietrechts, den Kündigungsschutz, völlig unberührt, aber auf der anderen Seite schafft es Anreize dafür, daß Kapitalanleger wieder verstärkt in den Wohnungsbau investieren. Das kommt dann dem Mietwohnungsmarkt und damit letztlich den Wohnungssuchenden und den Mietern insgesamt zugute.
Ich habe bei anderer Gelegenheit immer, wenn wir über die Fragen des Mietrechts diskutiert haben, darauf hingewiesen, daß man sich der vollen
8532 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bundesminister Engelhard
Konsequenz der Schwierigkeit, vor der wir heute stehen, bewußt sein muß. Würde sich das Angebot auf dem Mietwohnungsmarkt weiter verknappen und zu einer Wohnungsnot werden, dann wird man den hier vorgeschlagenen Weg gehen müssen. Eine Alternative wäre, die Versorgung breitester Bevölkerungskreise mit Mietwohnungen allein als eine Aufgabe der öffentlichen Hand anzusehen, was schon vom Finanziellen her nicht zu leisten ist.
Es hat mich vor allem deshalb verwundert, daß gegen den hier vorliegenden Gesetzentwurf ein Rundumschlag in dieser Breite gestartet worden ist, weil in der Vorlage der alten Koalition, dem Mietrechtsänderungsgesetz, erheblichste Teile dessen, was wir hier zu verabschieden haben, gleichfalls enthalten waren. Einen Punkt empfinde ich in der Tat wirklich bedrückend, daß nämlich in die Kreise der Mieter draußen im Lande durch Entstellung des heute zu verabschiedenden Gesetzestextes durch eine, wie ich fast annehmen muß, manchmal bewußt falsche Auslegung gegenüber nicht so gut Informierten eine Verunsicherungskampagne gestartet wird, die ich gerade im Vorfeld von Weihnachten wirklich nur als unpassend und gefährlich bezeichnen kann.
Lassen Sie mich deswegen auf einige wesentliche Verbesserungen, die diese Gesetzesvorlage bringt, im einzelnen eingehen. Das Angebot an Mietwohnungen kann in nicht unerheblichem Umfang am leichtesten und schnellsten dadurch erhöht werden, daß leerstehende Wohnungen dem Markt wieder zur Verfügung gestellt werden. Diese Möglichkeit wird jetzt durch die Zulassung von Zeitmietverträgen bei erwartetem familiären Eigenbedarf des Vermieters oder vor der Durchführung erheblicher Baumaßnahmen für die Dauer von bis zu fünf Jahren eröffnet. Die Voraussetzungen für diese Zeitmietverträge neuer Art sind so klar umrissen, daß Mißbräuchen mit diesem Rechtsinstitut von vornherein ein Riegel vorgeschoben ist. Täuscht nämlich der Vermieter etwa seine Verwendungsabsicht nur vor, so wandelt sich der Zeitmietvertrag bei einem entsprechenden Verlangen des Mieters in ein unbefristetes Mietverhältnis um, oder der Vermieter macht sich in solchen Fällen voll schadenersatzpflichtig. Das Gesetz ist deshalb so gefaßt, daß Zeitmietverträge zum Zwecke des Unterlaufens des Kündigungsschutzes nicht abgeschlossen werden können.
Durch die Zeitmietverträge neuer Art soll leerstehender Wohnraum einer zweckbestimmten befristeten Nutzung zugeführt werden. Wer sich dagegen wendet, der billigt oder nimmt hin, daß Wohnungen, ja, ganze Wohnblocks leerstehen, was wiederum in der Vergangenheit häufig ein starker Anreiz oder eine Ursache für Hausbesetzungen war. Diesen Mißständen will jedenfalls diese Regierung
gerade abhelfen. Auch deshalb muß der vorliegende Entwurf bald Gesetz werden.
Die Zulassung der Staffelmiete im Bereich des Neubaus schafft einen besonderen Anreiz für Investitionen auf dem Wohnungsmarkt, denn die Staffelmiete gibt eine bessere Kalkulationsmöglichkeit für die oft schwierige Anfangsphase beim Neubau. Dadurch erleichtert sie dann Investitionsentscheidungen der Kapitalanleger. Nach der Gesetzesvorlage kann für einen Zeitraum von jeweils zehn Jahren die Miete in ganz bestimmter Höhe im voraus vereinbart werden.
Daß die Staffelmiete darüber hinaus auch für den Wohnungsbestand vorgesehen ist, hat seine guten Gründe. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, bei den voraussehbaren Verlusten beim Neubau zu einer Mischkalkulation zu greifen.
Wenn nun in der Debatte behauptet wird, durch die Einführung der Staffelmiete werde die Vergleichsmiete ausgehöhlt und ausgehebelt, so trifft dies nicht zu. Richtig ist vielmehr folgendes: Voraussetzung für die Erhebung der Staffelmiete ist — dies wird man draußen in den Diskussionen und in den Einzelgesprächen immer wieder mit aller Deutlichkeit sagen müssen — eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien. Das heißt, Staffelmiete kann der Vermieter nur dann verlangen, wenn der Mieter damit einverstanden ist. Daraus folgt: Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, bleibt es bei der Vergleichsmiete. Das gilt insbesondere für die sogenannten Altverträge, also die jetzt bestehenden Verträge, in denen eine Staffelmiete nicht vereinbart ist. Der Vermieter hat in diesen Fällen nicht das Recht, nach Inkrafttreten dieses Gesetzes von seinem Mieter zu verlangen, daß dieser mit ihm jetzt einen neuen Vertrag mit Staffelmiete abschließt, nur weil es dieses Gesetz gibt. Ich meine, dies muß gerade draußen in der Diskussion immer wieder mit aller Deutlichkeit gesagt werden, weil die Bestimmung draußen bewußt sinnentstellend dargestellt wird.
Es muß ein Weiteres zu den Überlegungen gesagt werden, die die Mieter im einzelnen werden anzustellen haben. Die Vereinbarung eines Staffelmietvertrages kann im Einzelfall durchaus auch im Interesse des Vermieters liegen. Zum einen ist dann nämlich eine dem Mieter bei Vertragsschluß betragsmäßig bekannte Mietsteigerung für die nächsten Jahre vorgesehen. Zum anderen darf nicht vergessen werden, daß während der Laufzeit eines Staffelmietvertrages jegliche andere Mieterhöhung, und sei es eine aus Gründen der Modernisierung oder der Erhöhung der Kapitalkosten, kraft Gesetzes ausdrücklich ausgeschlossen ist. Auch dies ist ein wichtiger Umstand, der vom Mieter im Einzelfall mit zu bedenken sein wird.
Es ist von mir bereits hervorgehoben worden, daß es im Grundsatz bei der Vergleichsmiete verbleibt. Der Begriff der Vergleichsmiete wird allerdings
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8533
Bundesminister Engelhard
durch den vorliegenden Gesetzentwurf aktualisiert.
Künftig werden nur noch Mietzinsvereinbarungen und Änderungen aus den letzten drei Jahren herangezogen werden können. — Auch durch die Entwicklung großer stimmlicher Lautstärke, Herr Kollege, wird sich nichts an dem uns vorliegenden Gesetzentwurf ändern.
Auch in den Mietspiegel werden künftig nur solche Mieten eingehen, und damit orientiert sich die Vergleichsmiete stärker als früher am aktuellen Marktgeschehen. Schließlich ist die Miete ja nichts anderes als der Preis für eine wirtschaftliche Leistung, für eine wirtschaftliche Leistung besonderer Bedeutung. Deswegen muß selbstverständlich dieser ganze Komplex in sozial vertretbarem Umfang gesehen werden.
Den schutzwürdigen Interessen der Mieter wird insofern durch die Einführung der sogenannten Kappungsgrenze Rechnung getragen. Hiervon ist bereits gesprochen worden. Man wird auch hier mit allem Nachdruck den draußen vielfach vorzufindenden Vorstellungen entgegentreten müssen, als sei etwa in diesem Gesetz vorgeschrieben — zwar nicht mehr, aber mindestens in dieser Höhe —, in den nächsten drei Jahren die Miete um 30% anzuheben.
Davon kann überhaupt im einzelnen nicht die Rede sein.
Das neue Gesetz sieht ferner eine Straffung des Mieterhöhungsverfahrens vor. Auch darauf ist bereits im einzelnen hingewiesen worden. Das Verfahren zur Mieterhöhung wird von formalen Schwierigkeiten befreit. Künftig kann sich der Vermieter zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens auch auf Vergleichsmieten aus dem eigenen Wohnungsbestand berufen. Nur orientiert sich die Erhöhung weiter an der Vergleichsmiete.
Entgegenzutreten ist der Meinung, daß, was für eine Miete im Einzelfall immer vorhanden sein mag, auf die man sich berufen kann, materiell für den Vermieter im Mieterhöhungsverfahren alles durchsetzbar wäre. Deswegen kann auch gar nicht die Rede davon sein, daß, wie vielfach argumentiert wird, hier ein Selbstbedienungsladen für Großvermieter eröffnet worden wäre.
Die schutzwürdigen Belange der Mieter werden überdies durch zivilrechtliche Regelungen weiterhin gesichert. Sowohl das Ordnungswidrigkeiten-wie das Strafrecht stellen wie bisher die erforderlichen Ahndungsmöglichkeiten gegen Verstöße zur Verfügung. Ob eine Miete wucherisch ist, wird weiterhin an der Vergleichsmiete gemessen. Ein Vermieter wird bei Überschreiten der Wuchergrenze daher in demselben Umfange wie bisher strafrechtlich belangt werden können und belangt werden müssen.
Schließlich wird durch die Gesetzesvorlage gewährleistet, daß dem Vermieter die zur Erhaltung des Wohnungsbestandes erforderlichen Baumaßnahmen nicht ungebührlich erschwert werden. Dies geschieht durch eine Vereinheitlichung und Neuregelung der Duldungspflicht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen. Es muß dem Vermieter gestattet sein, seine vermieteten Räume ohne ein Widerspruchsrecht des Mieters wenigstens in einen Zustand versetzen zu können, der in dieser Wohngegend allgemein üblich ist. Andererseits aber wird der Mieter durch die neuen Vorschriften vor besonders aufwendigen Maßnahmen, den sogenannten Luxusmodernisierungen, jetzt besser geschützt, und dieser Schutz erfolgt mit vollem Recht, wie ich unterstreichen möchte.
Ich möchte abschließend
darauf hinweisen, daß das soziale Mietrecht trotz dieser wesentlichen Verbesserungen in seinem Kernstück, dem Kündigungsschutz, völlig unangetastet bleibt. Der vertragstreue Mieter braucht den Verlust seiner Wohnung auch künftig nicht zu befürchten.
Vor allem aber stellt die Gesetzesvorlage eine solide Grundlage für mehr Marktwirtschaft im Mietrecht her.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schöfberger?
Ich komme zum Ende. —
Die vorgesehenen Maßnahmen sollen dem Vermieter wieder das Vertrauen darauf ermöglichen, daß die mietrechtlichen Bestimmungen einer wirtschaftlichen Nutzung seines Eigentums nicht entgegenstehen. Aber andererseits stellt der vorliegende Entwurf in der gleichen ausgewogenen Weise sicher, daß der vertragstreue Mieter seiner Wohnung sicher sein kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Waltemathe.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den beiden FDP-Vorrednern möchte ich nur eine kurze Bemerkung machen: Herr Bundesminister der Justiz, Sie finden das Gesetz offensichtlich so hervorragend, daß Sie genau die Anträge der Bundesratsmehrheit im Sep-
8534 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Waltemathe
tember hier abgelehnt haben. Sie haben damals das Gegenteil von dem gemacht, was Sie uns heute anempfehlen wollen.
Herr Gattermann, man kann den Mietern nicht in die Tasche greifen wollen und dann in einer Baldrian-Rede so tun, als wenn dies ein Weihnachtsgeschenk sei.
Dieser 10. Dezember, meine Damen und Herren, wird sich für Millionen von Mieterhaushalten und Wohnungssuchenden als Schwarzer Freitag erweisen,
wenn, Herr Clemens, CDU/CSU und FDP nicht noch in letzter Minute der Vernunft Vorfahrt gewähren,
als Schwarzer Freitag deshalb, weil die Mieten insbesondere in Großstädten und in Ballungsräumen drastisch ansteigen werden, während die Zahl bezahlbarer Wohnungen gleichzeitig abnehmen wird.
— Herr Clemens, mit ideologischen Floskeln von der Vertragsfreiheit
will die Noch-Mehrheit in diesem Hause vertuschen, daß sie mehr Freiheit für Vermieter fordert und die Freiheit der Wohnungssuchenden und der Wohnhaushalte eingrenzen will.
Mit dem Schlagwort „Mehr Markt" werden höchst notwendige Schutzrechte gegen Wohnungsverlust und Preistreiberei beseitigt.
— Frau Präsident, ich nehme an, daß ich das Wort habe. — Mit der Parole „Verbesserung der Rahmenbedingungen" wird die notwendige Balance zwischen Vertragsparteien, die einerseits Wohnraum anbieten, andererseits Wohnraum nachfragen, höchst einseitig zerstört, und dies angeblich alles nur, um mehr Wohnungsneubau anzuregen — mit dem ganz gesicherten Wissen, daß genau das nicht geschehen wird.
Meine Damen und Herren, nach den verheerenden Auswirkungen der Lücke-Gesetzgebung der 60er Jahre
hatte die sozialliberale Koalition einen passenden Anzug geschneidert, der eine Kombination von Mieterschutz und Mieterhöhungsschutz lieferte
und einen gerechten Ausgleich zwischen Vermieter- und Mieterinteressen bot. Dieser Anzug war immerhin so paßgenau, daß alle Fraktionen dieses Hauses — nur Herr Lorenz Niegel von der CSU war eine Ausnahme — 1974 in diesen Anzug hineinschlüpften. Am 14. Mai 1981 schrieb der Fraktionsvorsitzende der FDP, Wolfgang Mischnick, im Tagesdienst „fdk" Nr. 404 wörtlich — ich zitiere —
Die Mieterschutzgesetzgebung war eines der bedeutendsten Anliegen der sozialliberalen Koalition in den 70er Jahren. An ihr wird nicht gerüttelt werden.
— Ich darf doch Herrn Mischnick zitieren, oder haben Sie was dagegen, Herr Kansy? —
Denn die Verbesserung der Situation auf dem Wohnungsmarkt
— so Mischnick —
darf keinesfalls auf Kosten unvertretbarer Benachteiligungen derjenigen geschehen, die auf Mietwohnungen angewiesen sind.
So weit das Zitat, dem wir als Sozialdemokraten uneingeschränkt zustimmen können. Aber soweit die FDP noch steht, fragt es sich, ob sie auch zu dieser Feststellung steht.
Als wäre der Wohnraum, dieser Lebensmittelpunkt der Menschen, eine ganz beliebige Ware, die bei Knappheit eben beliebig teurer werden darf
— das bedeutet ja Ihre Marktwirtschaftsideologie —, sollen in das Wohnungsmietrecht neue Instrumente eingeführt werden, die in ihrem Zusammenwirken lediglich eines mit Sicherheit zur Folge haben werden,
nämlich Teuerungsraten von jährlich an die 10 %, die Absenkung des Lebensstandards von Millionen von Familien mit Durchschnittseinkommen.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8535
Waltemathe
Denn die neue Vertragsfreiheit für Vermieter bedeutet, daß frei werdende Wohnungen künftig durch Staffelmieten von vornherein jährliche Mietsteigerungen einprogrammiert bekommen.
Die neue Vermieterfreiheit bewirkt, daß der gesamte Wohnungsaltbestand durch Veränderung des Vergleichsmietenbegriffs im Mietenniveau ansteigt. Die neue Vertragsfreiheit der Vermieter wird den Kündigungs- und den Räumungsschutz durch großzügige Ermöglichung von Zeitmietverträgen umgehen.
Die neue Vertragsfreiheit für Vermieter und Spekulanten wird den Schutz vorhandener Mieter vor Vertreibung durch Umwandlung und Verkauf ihrer Wohnung sowie durch Luxusmodernisierung schwächen. Die neue Vertragsfreiheit für Vermieter bedeutet, daß Mietwucher künftig praktisch nicht mehr geahndet werden kann.
Ich nehme an, Herr Clemens, auch Sie haben den Staatsanwalt Vollmer aus Stuttgart in der Anhörung so verstanden. Er war gar nicht anders zu verstehen.
Der soziale Effekt des Kahlschlags ist also klar. Nicht nur dürfen viele Mieter besonders in den Städten mit teilweiser Wohnungsnot tiefer in die Tasche greifen, nicht nur werden zirka 10 bis 15 Milliarden DM aus Mietertaschen in Vermietertaschen umverteilt, nein, auch Wohngeldleistungen werden gleichzeitig gekürzt.
Dazu will ich Ihnen einmal drei Beispiele ganz konkret vorführen. Ich sage dazu, daß ich mich dabei noch auf die Regierungsvorlage stütze. Ich weiß, daß gestern der Haushaltsausschuß zu dem Wohngeldartikel noch Änderungen vorgeschlagen hat, die bei meinen Beispielen noch weiter wohngeldmindernd wirken werden. Aber meine Beispiele sind an der Regierungsvorlage orientiert.
Erstes Beispiel: ein arbeitsloser Schwerstbehinderter, verheiratet, ein Kind, Einkommen inklusive Kindergeld 1 500 DM im Monat, Miete 600 DM im Monat, Wohnung in einer Großstadt, die zwischen 100 000 und 200 000 Einwohnern hat. Dieser Haushalt erhielt bislang 253 DM Wohngeld. Selbst wenn die Miete künftig gleichbleibt, also nicht steigt, wird das Wohngeld nur noch 185 DM betragen. Er bekommt also 68 DM weniger; das bedeutet eine Kürzung um 27 %.
Er zahlt also künftig — wenn die Miete nicht steigt — schon 415 DM selber aus einem Einkommen von 1 500 DM. Das sind — ohne jegliche Nebenkosten — mehr als 25 %.
Zweites Beispiel: ein Vier-Personen-Haushalt, Vater erwerbstätig und unterhalb von 80 % behindert, Bruttoeinkommen 2 500 DM. Eines seiner beiden Kinder steht in der Ausbildung und erhält eine Vergütung von 500 DM. Die Miete beträgt 600 DM in einer Gemeinde unter 100 000 Einwohnern. Dieser Haushalt erhielt bisher 104 DM Wohngeld. Künftig wird er nach der Regierungsvorlage 50 DM, nach dem, was der Haushaltsausschuß gestern beschlossen hat, 0 DM erhalten.
Drittes Beispiel: eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern erhält Sozialhilfe. Das Einkommen beträgt 1 000 DM, die Miete 400 DM. Die Wohnung befindet sich in einem Altbau in einer Großstadt. Das Wohngeld betrug bisher 262 DM und wird künftig 210 DM betragen. Die Kürzung macht 20 % aus. Wer zahlt? Natürlich die Stadt. Die Sozialhilfe erhöht sich um den Betrag, um den das Wohngeld gekürzt wird.
Nun könnte man naiverweise glauben, die Mietrechtsänderungen würden geradezu zu einem Bauboom führen und tatsächlich eine Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen bewirken. Aber weit gefehlt. Die Anhörungen haben ganz eindeutig ergeben — das gilt auch für Ihren Sachverständigen, Herrn Rußig, den Sie zitiert haben, Herr Clemens —: Erstens. Der Mietenanstieg wird zu einem Nachfragerückgang von Wohnraum führen.
Zweitens. Der Mietenanstieg macht Investitionen in Altbauten und die Umwandlung von bestehenden Mietwohnungen in Eigentumswohnungen noch attraktiver.
Also wird keiner sein Geld in Neubauten, sondern in den Altbau stecken; infolgedessen werden nicht mehr, sondern weniger Mietwohnungen entstehen.
Drittens. Die Städte müssen gleich mit zwei Problemen fertig werden. Sie werden zum einen mehr Wohnungsnotfälle unterbringen müssen, und sie werden zum anderen mehr Sozialhilfeleistungen finanzieren müssen, mit der Folge, daß auch sie im Stadtsäckel weniger Geld für Bauinvestitionen haben.
Deshalb hat ja z. B. der Münchener Oberbürgermeister Kiesl, der meines Wissens mit der Sozialdemokratie nicht viel am Hut hat, leidenschaftlich für einen größeren Schutz gegen die Umwandlung von Mietwohnungen gekämpft, für ein verbessertes Wohngeld für Millionenstädte und für mehr sozialen Wohnungsbau.
— Herr Kolb, Sie können so viel wie möglich dazwischenreden; Sie verstehen davon zuwenig.
Die Vorschläge der neuen Rechtskoalition sind demnach wirtschaftspolitisch unsinnig, sozialpoli-
8536 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Waltemathe
tisch einäugig, rechtspolitisch unausgewogen, und insgesamt sind sie schädlich.
Sie sind nämlich nicht fördernd für den sozialen Frieden, sondern sie bedeuten Sprengstoff für die wohnungspolitische Zukunft.
Nun wird seitens der Befürworter der Gesetzesvorlage behauptet, Mieterhöhungen würden sich ja in Grenzen halten und 4 bis 5 % im Jahr nicht übersteigen.
— Haben Sie das nun behauptet oder nicht? Darauf gehe ich ein, Herr Clemens. Das verstehe ich unter einer Debatte.
Dazu darf ich folgendes feststellen. Erstens. Mietpreissteigerungen sind ja auch nach bisherigem Recht nicht etwa ausgeschlossen. Sie betragen bereits 4 bis 5 % jährlich.
Wer also Lockerungen vornimmt, will höhere Anstiegsraten, oder er braucht das Gesetz nicht.
Zweitens. Daß Sie höhere Mietpreissteigerungen wünschen, ist Ihre eigene erklärte Absicht. Sonst brauchen Sie nicht vorzuschlagen, daß nicht mehr als 30 % Teuerung in drei Jahren zugelassen wird, und Sie brauchen auch keine Staffelmiete im Wohnungsbestand, wenn Sie nicht mehr Mietpreisanstieg wollen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich etwas für die Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen tun wollten, so müßten Sie dort ansetzen, wo die wirklichen Investitionshemmnisse liegen,
neben den Zinskosten, die jetzt fallen, nämlich bei den Bau- und Bodenpreisen.
Aber gerade im Bodenrecht und bei der Bodenbesteuerung tun Sie überhaupt nichts. Wissen Sie eigentlich nicht, daß im Bundesdurchschnitt — wohlgemerkt: eine statistische Zahl — ein Industriearbeiter im Jahre 1965 fast fünf Stunden, im Jahre 1981 aber sieben Stunden arbeiten mußte, um einen einzigen Quadratmeter Baugrund erwerben zu können?
Wissen Sie eigentlich nicht, daß in Städten zwischen 100 000 und 200 000 Einwohnern sogar 12,5 Stundenlöhne und in Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern sogar 25 Stundenlöhne fällig sind für
einen einzigen Quadratmeter bebaubaren Grund und Boden?
Wissen Sie eigentlich nicht, daß sich ein Baugrundstück von 500 qm im Bundesdurchschnitt zwischen 17 000 DM und 152 000 DM verteuert hat, je nachdem, ob es sich um eine Kleinstgemeinde unter 2 000 Einwohner oder um eine Großstadt über 500 000 Einwohner handelt?
Meinen Sie jetzt wirklich, daß man mehr Wohnungsbau, auch mehr Eigentumsförderung betreiben kann, wenn weiterhin die Bodenspekulation nicht ernsthaft bekämpft wird?
Meine Damen und Herren, die Regierungskoalition hat drei Möglichkeiten: Erstens — das ist die schlechteste — sie hält an ihrem Gesetzentwurf fest. Das ist wirklich das Schlechteste. Aber wenn Sie das schon tun und das hier so durchpeitschen wie in den Ausschüssen, dann seien Sie wenigstens so wahrhaftig und stimmen unserem Antrag zu, das Gesetz „Mietenerhöhungsgesetz 1983" zu nennen.
Zweite Möglichkeit: Um das Allerschlimmste zu verhindern, nehmen Sie wenigstens unsere sachbezogenen und wohlbegründeten Änderungs- und Ergänzungsanträge an.
Dritte und beste Möglichkeit: Ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf schleunigst zurück, wenn Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, Schaden vom Volke abzuwenden. — Ich bedanke mich.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Ruf.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es fällt schwer, der Inkonsequenz zu folgen, mit der die SPD ihre eigenen Mietrechtsänderungsvorschläge aus dem Mietrechtsänderungsgesetz 1981 — also noch von der alten Bundesregierung eingebracht — jetzt plötzlich als sozial unausgewogen, als Gefährdung des sozialen Friedens, als eine Demontage von Mieterrechten, als eine Täuschung der Mieter und als eine Umverteilung aus den Taschen vieler Mieter in die Taschen weniger Vermieter bezeichnet und damit de facto selbst abqualifiziert.
Leider reicht die mir zur Verfügung stehende Zeit nicht aus, die damaligen grundsätzlichen Einlassungen der Kollegen aus der SPD-Fraktion im Detail vorzutragen und zu vergleichen. Ich empfehle aber den Kollegen aus der Opposition, zur besseren Vergangenheitsbewältigung ihre damalige Argu-
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8537
Ruf
mentation noch einmal nachzulesen, falls das eigene Gedächtnis so kurz sein sollte.
Tatsache, daß die abgelöste alte Bundesregierung im Jahr 1981 der Meinung war — und das auch expressis verbis in den Gesetzentwurf auf Drucksache 9/791 hineingeschrieben hat; ich zitiere —:
Durch Änderungen des Mietrechts soll ein Beitrag zur Verbesserung ... des freifinanzierten Mietwohnungsbaus geleistet werden.
Wenn das heute für die Opposition nicht mehr gelten soll, muß es doch andere Gründe geben, warum sich die SPD von ihren bisherigen Positionen in der Liberalisierung des Mietrechts distanziert und jetzt eine Änderung des Mietrechts zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen ablehnt.
Bedauerlich ist dabei, daß die Opposition gleich mit dem großen Hammer zuschlägt. Es wird aggressiv und polemisch argumentiert, und alle verfügbaren Hilfstruppen werden aufgeboten,
um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Mieter und der Vermieter zu verhindern. Vermutlich soll von wahltaktischen Gründen abgesehen auch von der Tatsache abgelenkt werden, daß 13 Jahre sozialistischer Wohnungspolitik eine Zweiklassengesellschaft
— ich weiß, das tut Ihnen weh —
der Wohnungsinhaber, darunter viele Fehlbeleger, und der Wohnungssuchenden geschaffen haben, bei der insbesondere die Familien und die sozial Schwachen auf der Strecke bleiben.
Wenn ich eben von den verfügbaren Hilfstruppen der Opposition sprach, so meine ich damit nicht die Neue Heimat oder die Neue Heimat Städtebau, die zur Zeit aus der Schußlinie gezogen und damit beschäftigt sind, ihre Verluste aus den Jahren 1981 und 1982, die zusammen über 1 000 Millionen DM betragen sollen, von unten nach oben, d. h. von den Gewerkschaftsbeiträgen der Arbeitnehmer zum Mißmanagement der Chefetagen umzuverteilen,
und deshalb die Gehälter ihrer Angestellten kürzt. Nachdem ich gesagt habe, wen ich mit den verfügbaren Hilfstruppen nicht meine, muß ich natürlich sagen, wen ich meine.
Ich meine die Funktionäre des Deutschen Mieterbundes, die für mich nicht mit den vielen Millionen
Mietern in unserem Lande identisch sind und des-
halb nur für ihre Vereinsmitglieder und nicht für die Mieter insgesamt sprechen können.
In die Klassenkampfdenkschablone dieser Funktionäre paßt offensichtlich nicht die Tatsache, daß die große Mehrheit der zitierten angeblich 40 Millionen Mieter mit ihren Vermietern in Frieden und Einvernehmen leben und weder den Verlust ihrer Wohnung befürchten noch der Willkür bei Mieterhöhungen und Kündigungen ausgesetzt sind oder ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können und dann rausfliegen.
Wer so argumentiert und das Geschäft mit der Angst betreibt, ist schlicht — ich habe schlicht mit „t" gesagt — und einfach unglaubwürdig.
Wer seine Behauptungen, wie im Flugblatt des Mieterbundes zu lesen, von angeblich 15 Milliarden DM, die von den Mietern zu den Vermietern umgeschaufelt werden sollen,
von jetzt auf nachher im Hearing vom 1. Dezember um 10 Milliarden DM auf 5 Milliarden DM reduzierte, der hat ein gestörtes Verhältnis zum Geld und weiß nicht, was eine Milliarde ist.
Wer einen so großzügigen Umgang mit Zahlen und Tatsachen pflegt wie der Herr Direktor Schlich vom Deutschen Mieterbund, dem werden die Mieter bald auf seine Schliche kommen. Und das ist gut so.
Jedenfalls hat der Direktor des Deutschen Mieterbundes im Hearing zum Mietrecht am 1. Dezember 1982 wieder einmal den Beweis angetreten, daß er und seine Organisation über jeden Zweifel erhaben sind, parteipolitisch neutral zu sein.
Die Funktionäre des Deutschen Mieterbundes mißbrauchen ihren Verband und ihre Organisationen, wenn sie so reden und handeln,
als ob alle Mieter SPD-Wähler und alle Vermieter CDU/CSU- oder FDP-Wähler und damit Ausbeuter und Profithaie seien.
Ohne Bedenken wird nach dem Motto „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf" ignoriert, daß der Mietwohnungsbau in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen ist.
Objektive Sachverständige haben in vielen Stellungnahmen und Gutachten bestätigt, daß das geltende Mietrecht mit eine Ursache für die besorgnis-
8538 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Ruf
erregende Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist.
Es kommt doch nicht von ungefähr, daß sich Bauherren und Vermieter zunehmend vom Wohnungsmarkt zurückgezogen haben, während gleichzeitig die Nachfrage nach Mietwohnungen von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Wohnungsmangel ist nach wie vor der größte Mietpreistreiber. Das beweisen 13 Jahre sozialistischer Wohnungsbaupolitik
und die Schlangen vor den Wohnungsämtern. Und die können sie nicht abstreiten.
Dieser Wohnungsmangel wird noch zunehmen, wenn die geburtenstarke Jahrgänge, die sich zur Zeit in der Ausbildung befinden, ins Arbeitsleben treten und Familien gründen wollen. Wir hoffen wenigstens, daß sie Familien gründen wollen. Deshalb muß heute gehandelt werden, damit diese Wohnungen morgen fertig sind. Wir sollten und müssen dafür sorgen, daß der jungen Generation Wohnungen und nicht Berechtigungsscheine für nicht vorhandenen Wohnraum angeboten werden,
wenn wir der Aussteigermentalität „no future" ernsthaft und mit Erfolg entgegentreten wollen. Als Handwerksmeister weiß ich, wovon ich rede.
Meine Damen und Herren, über die wirtschafts-und gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Zusammenhänge hat mein Kollege Clemens bereits gesprochen. Es kommt aber noch ein Problem dazu, das einer Fraktion, die behauptet, hauptsächlich Arbeitnehmerinteressen zu vertreten, eigentlich nicht ganz gleichgültig sein sollte: Wer die Arbeitslosigkeit im Baugewerbe ernsthaft bekämpfen will, der muß für die Beseitigung der Investitionshemmnisse im Wohnungsbau sorgen. Dabei kommt dem Mietrecht, wie gesagt und unbestritten ist, eine ganz entscheidende Bedeutung zu.
Wer die arbeitslosen Bauarbeiter wieder in Lohn und Brot bringen will und ihnen damit die Möglichkeit gibt, Steuern und Abgaben zu bezahlen statt Transfereinkommen zu beziehen, der muß für Investitionen im Baubereich sorgen, statt sie zu verhindern und zu diffamieren.
Dabei ist es völlig unwichtig, wie der Mieterbund die Investitionsbereitschaft der möglichen Investoren beurteilt. Denn er investiert ja nicht. Entscheidend ist nur, was diese Investoren selbst sagen und vor allem, was sie künftig tun werden. Hier waren die Aussagen der Versicherungswirtschaft und anderer möglicher Bauträger im Hearing vom 1. bis 3. Dezember 1982 eindeutig für das neue Mietrecht. Und darauf kommt es an.
Ich meine deshalb, die Verabschiedung dieses konjunktur- und arbeitsmarktpolitisch orientierten neuen Mietrechts muß noch vor der Auflösung des Bundestags erfolgen,
um als flankierende Maßnahme zu dem großen Wohnbauprogramm der Bundesregierung auch die im derzeitigen Mietrecht begründeten Investitionshemmnisse zu beseitigen.
Wer dies tut, leistet einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und handelt damit sozial. Sozial ist doch nicht derjenige, der auf Kosten anderer viel verteilt, umverteilt oder den Mangel verwaltet, sozial ist derjenige, der dafür sorgt, daß es überhaupt etwas zu verteilen gibt. Das es wieder dazu kommt, dazu muß das Parlament die notwendigen Voraussetzungen schaffen.
Der SPD-Opposition ist jetzt offenbar wieder an weiterer staatlich verordneter und dirigistischer Wohnungszwangswirtschaft gelegen, während die CDU/CSU mit ihrem Koalitionspartner FDP auf die Kräfte des sozialen Marktes setzt, in dem Vermieter einen Anreiz zum Bauen und Mieter eine sichere und zeitgemäße preislich erschwingliche Wohnung haben.
Deshalb werden wir als Koalition der Mitte unseren Weg zur Liberalisierung des Mietrechts fortsetzen und durch eine objektive und faire Sachaufklärung
— ja, ich weiß, das gefällt Ihnen nicht — der Polemik und Demagogie der selbsternannten Sprecher der angeblich bedrohten Mieter entgegentreten.
Zu dem Antrag 9/2278 der SPD-Fraktion darf ich sagen, daß er überflüssig ist. Das ist bereits im Wohngeldgesetz als Pflicht festgelegt. — Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Darf ich, ehe ich das Wort weitergebe, die Kolleginnen und Kollegen im Saal bitten, ihre Plätze einzunehmen.
Das Wort hat der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will den ernsthaften Versuch unternehmen, der Debatte jenes Maß an Sachlichkeit zu geben, die das Thema der heutigen Debatte verdient.
Ich darf aber eingangs feststellen: wie auf vielen Feldern der Politik, so hatte die Bundesregierung auch im Bereich der Wohnungsbaupolitik eine schwere Erblast zu übernehmen.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8539
Bundesminister Dr. Schneider
— Meine Damen und Herren, lassen Sie sich bitte an den Maßstäben messen, die Sie selber gesetzt haben.
Die Koalitionsparteien begründen den Gesetzentwurf u. a. folgendermaßen: Ein ausgewogenes — —
Herr Minister, der Abgeordnete Müntefering möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden?
Ich will dem sympathischen Abgeordneten Müntefering diesen Gefallen erweisen.
Herr Abgeordneter Müntefering zu einer Zwischenfrage.
Herr Minister Dr. Schneider, da Sie über die Erblast sprechen, die Sie übernommen haben, und da Sie über das Mietrecht sprechen: Wie hat denn der Abgeordnete Schneider 1974 gestimmt?
— Sie eilen meinen Ausführungen voraus. Hören Sie mal gut zu.
Die Koalitionsparteien begründen den zur Verabschiedung stehenden Gesetzentwurf u. a. wie folgt:
Ein ausgewogenes Mietrecht hat sowohl der sozialen Bedeutung des Mietverhältnisses für die Mieter Rechnung zu tragen, als auch die Interessen der Vermieter an der Wirtschaftlichkeit der Wohnung zu berücksichtigen.
Nicht wortgleich, aber inhaltlich völlig identisch, hat die Bundesregierung 1974 einen Gesetzentwurf begründet, dem ich zugestimmt habe.
Dort heißt es:
Der Schutz des Mieters vor willkürlichen Kündigungen und unberechtigten Mieterhöhungen soll nicht entfallen,
— machen wir auch nicht —
sondern wegen der überragenden Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt dauerhaft ausgestaltet werden.
Dann kommt der entscheidende Satz:
Marktorientierte Mieterhöhungen müssen jedoch zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes möglich sein.
Genau das ist durch jenes Gesetz nicht mehr möglich geworden. Deswegen wurde dieser Gesetzentwurf notwendig.
Ein Weiteres, meine Herren. Die alte Bundesregierung hat — ich zitiere aus der Drucksache 9/791 Seite 6 — den Entwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes '81, u. a. wie folgt begründet:
So erweist sich eine Belebung des zurückgegangenen Mietwohnungsneubaues als erforderlich. Dies liegt nicht nur im Interesse der Gesamtwirtschaft, sondern auch im Interesse der Mieter selbst.
Wir machen das jetzt und erhalten dafür skandalöse Ausdrücke. Ich will auf dieses Niveau nicht heruntersteigen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn?
Bitte sehr.
Herr Minister, warum verschweigen Sie eigentlich, daß Sie auf die damaligen Beschlüsse der sozialliberalen Koalition jetzt mit Ihrer Vorlage kräftig draufgesattelt haben?
Ich bin dabei, dies näher zu begründen.
Es heißt dann zum Thema Staffelmiete, Herr Kollege Jahn:
Als Beitrag des Mietrechts zur Verstärkung der Investitionsbereitschaft
— das war die Begründung der Bundesregierung —
privater Anleger im freifinanzierten Mietwohnungsbau läßt der Entwurf für neu errichteten Wohnraum die zeitlich begrenzte sog. Staffelmiete zu ...
— Ich habe richtig zitiert. Ich weiß, daß wir die Zulässigkeit der Staffelmiete erweitern, auch für den Bestand.
Es heißt dann in der Begründung der alten Bundesregierung — Drucksache 9/791 — weiter:
In dieser Phase müssen die Anleger unter den obwaltenden Marktbedingungen in vielen Fällen Verluste hinnehmen und sind daher besonders dringlich auf künftige Anhebungen des Mietzinses angewiesen.
Sie haben die Anhebung des Mietzinses als dringlich notwendig in Ihrem eigenen Gesetzentwurf, in Ihrer eigenen Begründung verlangt. Wir legen einen verbesserten Gesetzentwurf vor, und jetzt sind Sie dagegen, weil Sie das Volk verhetzen wollen.
Ein weiteres Zitat:
8540 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Bundesminister Dr. Schneider
Die Möglichkeit von Staffelmietenvereinbarungen, wie sie der Entwurf zuläßt, erscheint auch aus der Sicht des Mieters hinnehmbar.
Bei Neubauten soll es hinnehmbar sein. Warum soll es nicht auch beim Bestand hinnehmbar sein? Erklären Sie das doch einmal deutlicher.
Ein weiteres: Herr Kollege Jahn, Sie sind hier natürlich auch als Präsident des Deutschen Mieterbundes anwesend.
Und Sie geraten als Mitglied dieses Hauses und als Vertreter des Deutschen Mieterbundes immer mehr in einen Interessenkonflikt.
Ich darf Ihnen sagen: Sie sind ein sehr schlechter Anwalt des Deutschen Mieterbundes.
Sie haben am 27. Mai 1982 vor der Abstimmung eine persönliche Erklärung abgegeben. Gestatten Sie mir, daraus zu zitieren:
In dieser Lage führen die Entscheidungen im Mietspiegelgesetz und im Mietrechtsänderungsgesetz zwar zu dringend gebotenen Verbesserungen des Mieterschutzes ...
Sie sagen also, der Entwurf der alten Regierung führe zu dringend gebotenen Verbesserungen des Mieterschutzes. Jetzt haben wir das Gesetz noch verbessert,
und nun sagen Sie: Das sind keine Verbesserungen des Mieterschutzes. Was soll ich denn eigentlich glauben?
Meine Damen und Herren von der SPD, wir machen es Ihnen nicht so billig, weil vor allen Dingen der beschäftigungspolitische, der arbeitsmarktpolitische, der konjunkturpolitische, der gesamtwirtschaftliche Zusammenhang doch gesehen werden muß. Den hat damals auch der Kollege Jahn gesehen. Ich darf zitieren:
Ich bin mir bewußt, daß die heutigen Entscheidungen Bestandteil der beschäftigungspolitischen Zielsetzungen der Koalition von SPD und FDP sind.
Heute machen wir das gleiche,
und heute ist dies ein soziales Vergehen am Mieter.
Vizepräsidet Windelen: Herr Minister, Herr Abgeordneter Jahn möchte Ihnen eine weitere Zwischenfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden?
Bitte sehr.
Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, hier nicht nur Ihnen passende Auszüge, sondern die vollständige Erklärung, die ich damals abgegeben habe, zu zitieren, mit der ich meine Nichtzustimmung zu den damaligen Gesetzen begründet habe?
Werter Herr Kollege Jahn, ich bitte um Verständnis, daß ich nicht Ihre ganze Erklärung verlese. Sie haben sich damals der Stimme enthalten. Warum haben Sie sich der Stimme enthalten? Eben weil Sie in einem Interessenkonflikt als Abgeordneter und als Präsident des Deutschen Mieterbundes waren.
Das ist nicht unehrenhaft, Herr Kollege Jahn, aber man muß es halt der Öffentlichkeit sagen, daß Sie eine sehr wackelige, sehr zittrige und wenig tragfähige Argumentation geliefert haben.
Meine Damen und Herren, glauben Sie mir, daß es für diese Bundesregierung eine besondere Aufgabe ist, dieses Gesetz vorzulegen. Wir wissen doch, was Sie draußen mit diesem Gesetz alles anstellen. Ich habe doch Ihr Flugblatt gelesen. Davon ist doch vom ersten Anstrich des A bis zum Z kein einziges Wort wahr.
Herr Minister, der Abgeordnete Jahn möchte Ihnen eine weitere Zusatzfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden?
Nein. Ich muß jetzt zu diesem Flugblatt kommen.
Herr Minister, darf ich davon ausgehen, daß Sie eine weitere Zwischenfrage nicht zulassen.
Ja, davon dürfen Sie ausgehen, Herr Präsident.
Hier heißt es:
Jahr für Jahr soll die Miete 10% höher werden.
Das ist einfach die gedruckte, geschriebene, kolportierte Unwahrheit.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode— 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8541
Bundesminister Dr. Schneider
Ja, meine Damen und Herren, was ist denn wahr?
Diese Bestimmung mit den 10 % ist eine Schutzbestimmung für den Mieter.
Und diese Bestimmung stand im früheren Regierungsentwurf. Sie wurde als Schutzklausel aufgenommen. Wir übernehmen sie. Und jetzt dient eine Schutzklausel für den Mieter als Diffamierung des Vermieters und der CDU/CSU und der FDP-Fraktion.
Gegen diese Verleumdungskampagne werden wir zu Felde ziehen.
Man kann das Volk nicht so flagrant belügen und betrügen, wie es hier versucht wird.
Wenn ich kräftige Ausdrücke gebrauche, will ich sie auch belegen und begründen. Hier steht: 10 % Mietsteigerung pro Jahr. Daran ist überhaupt nicht gedacht. Sondern es ist an die Fälle gedacht, wo ein Vermieter jahrelang die gesetzlich erlaubte Vergleichsmiete nicht verlangt hat.
Die Vergleichsmiete liegt z. B. bei 5 DM. Er aber hat nur eine Miete von 3 DM verlangt. Nun sollte verhindert werden, ihm das Recht zu geben, in einem Zug von 3 auf 5 DM zu erhöhen.
Er sollte also nicht das Recht erhalten, 2 DM auf einmal zu verlangen, sondern nur das Recht, 30 Pfennige zu verlangen. Und das sind die 10%.
Ein Weiteres. In dem Flugblatt wird von einer Mieterhöhung von 15 Milliarden DM gesprochen. Wir haben ein geschätztes jährliches Gesamtaufkommen aus Vermietung von 40 Milliarden. Wenn diese 15 Milliarden der Wahrheit entsprächen, wie es im Flugblatt steht, dann hätte dies zu bedeuten, daß die Mieten für alle Mietwohnungen auf einen Schlag um 37 °Á erhöht werden müßten. So kann man doch das Volk nicht belügen!
Ich will Ihnen sagen: So kann man mit der Regierung nicht umspringen.
Sie kennen unsere sachlichen Argumente ganz genau. Wir wollen einen fairen sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Mieter und Vermieter. Wir wollen einen Beitrag zum sozialen Frieden leisten. Wir erhöhen das Wohngeld in diesem Jahr gegenüber dem Entwurf der alten Regierung um 80 Millionen DM.
Und wir — Bund und Länder gemeinsam — leisten im Jahr 1983 2,62 Milliarden DM für Wohngeld.
Und wir haben die Bauleistungen im sozialen Wohnungsbau beträchtlich erhöht. Wir lassen Schuldzinsenabzug zu. Wir verbilligen die Zinsen bei der Zwischenfinanzierung um 2'/2 %. Und wir sorgen mit 100 Millionen für besseren Studentenwohnungsbau. Wir geben Gelder in die städtischen Verdichtungsräume. Wir legen wenige Wochen nach Regierungsantritt eine beispiellose wohnungspolitische Leistungsbilanz vor.
Meine Damen und Herren der SPD, Sie werden diesen Angriff
noch schwer bereuen. Der Wähler wird es Ihnen nicht honorieren.
Und verehrter Herr Kollege Jahn , ich bitte Sie: Trennen Sie Ihre Funktion als Mitglied der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion von Ihrem Amt als Präsident des Deutschen Mieterbundes. — Danke sehr.
Ich erteile dem Abgeordneten Schmidt das Wort.
Ich kann Ihre Befürchtungen gut verstehen.
Herr Bundeswohnungsbauminister, Sie haben hier gesagt, Sie wollten einen fairen Ton in diese Diskussion bringen. Anschließend haben Sie in einer unvorstellbaren Art und Weise den Kollegen Jahn beschimpft
und ihm nicht einmal die Möglichkeit gegeben, durch eine Zwischenfrage etwas zurechtzurücken.
Ich halte das für einen symptomatischen Ausdruck
des Umgangs dieser neuen Rechtskoalition mit ein-
zelnen Mitgliedern dieses Parlaments, und ich
8542 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Schmidt
weise namens der SPD-Fraktion die Angriffe auf den Kollegen Jahn mit Entschiedenheit zurück.
Der Bundesjustizminister hat sich hier bemüht, im Tone eines Weihnachtsmannes eine Weihnachtsbotschaft zu verlesen. Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß er hier nicht als Weihnachtsmann, sondern als Knecht Ruprecht aufgetreten ist, der die Mieter in den Sack stecken will.
Wir betonen noch einmal: Dieser Entwurf, den Sie heute hier vorgelegt haben, wird katastrophale Auswirkungen auf etwa 40 Millionen Mieter in diesem Lande haben.
Und es ist symptomatisch, daß Sie diesen Gesetzentwurf in einer Art und Weise durchgepeitscht haben, wie sie früher in diesem Bundestag nie üblich war.
Die Mitglieder der Rechtskoalition im Rechtsausschuß haben es nicht für notwendig befunden, auf Änderungsanträge, auf Vorhaltungen zu reagieren, sondern ihnen ist nur eines eingefallen,
nämlich zu sagen: wir haben die Mehrheit! Sie haben in jedem Falle die Abstimmungsguillotine in Gang gesetzt.
Sie haben uns in keinem einzigen Fall die Möglichkeit gegeben, uns mit Ihnen auseinanderzusetzen. Daß Sie davor Angst hatten
und daß Sie uns auch nicht die Möglichkeit gegeben haben, die Ergebnisse des Hearings auszuwerten,
dafür habe ich allerdings viel Verständnis. Denn das Hearing ist so ausgefallen, daß es unseren Vorstellungen recht gibt.
Sie können soviel Kreide fressen, wie Sie wollen, es
ändert nichts daran: Dies ist kein Entwurf zur Er-
höhung des Angebots an Mietwohnungen, dies ist
ein Entwurf zur Ausplünderung und Rechtlosstellung von Mietern.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klein ?
Ich will mich hier genauso verhalten wie der Bundesjustizminister, der keine Frage zugelassen hat.
— Herr Kollege Klein, weil Sie mein Gegenkandidat sind, mache ich für Sie eine Ausnahme.
Herr Abgeordneter Klein zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Waigel, wenn das zulässig wäre, würde ich Ihnen von hier aus eine Wette anbieten.
Herr Abgeordneter, ich habe im Einvernehmen mit Ihnen dem Abgeordneten Klein das Wort gegeben.
Herr Kollege Schmidt, ist mein Eindruck richtig,
daß Sie diese 40 Millionen Mieter mit Hilfe einer Sprache, bei der Sie als Staatsanwalt von Guillotine sprechen, zu SPD-Wählern machen mochten?
Daran, Herr Kollege Klein, gibt es keinen Zweifel. Und wenn die Mieter nach ihren Interessen stimmen würden, gäbe es für sie überhaupt keine andere Wahl als die SPD.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich Ihnen auch noch etwas sagen, damit Sie nicht den Eindruck haben, nur die Mieter, die Gewerkschaften und die SPD protestierten gegen Ihren Kurs oder auch gegen die Art und Weise, wie Sie das Gesetz durchgepeitscht haben, gegen die Schluderarbeit, die Sie da geleistet haben. Der Vorstandsvorsitzende des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, Helmut Tepper — die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sind ja die mit dem größten Wohnungsbestand in der Bundesrepublik —,
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8543
Schmidt
hat heute in einem SZ-Interview gesagt, daß dieses Gesetz mit einer verdammt heißen Nadel genäht wurde. Dem können wir nur zustimmen.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen? Meine Damen und Herren, ich glaube, wir täten uns allen einen Gefallen, wenn wir diese Debatte in Ruhe zu Ende führen würden.
Das glaube ich Ihnen gern. Herr Kollege Klein, wenn Sie jetzt ein Votum gegen die Münchner Mieter abgeben werden, dann wird es Ihnen schwerfallen. Darum hören Sie auch nicht gern, was ich hier sage.
Ich möchte Ihnen folgendes sagen. Ihnen geht es im Grunde nicht um eine Erhöhung des Angebots an Mietwohungen, Ihnen geht es um eine Umverteilung von vielen Milliarden DM von Millionen von Mietern auf die Hauseigentümer.
Im übrigen erwecken Sie einen völlig falschen Eindurck. Sie tun so, als ob von diesem Gesetz auch nur der geringste Investitionsimpuls ausgehen würde. Das Hearing hat uns darin bestätigt, daß dies nicht stimmt.
— Gerade der Herr Dr. Rußig hat erklärt: Davon geht kein Investitionsimpuls aus.
Im übrigen wollen Sie den Wohnungsbau angeblich mit einer Zwangsanleihe finanzieren.
Diese Zwangsanleihe ist nach dem Hearing, das wir im Rechtsausschuß durchgeführt haben, eindeutig verfassungswidrig.
Sie täuschen also in zweifacher Weise. Sie geben diese Zwangsanleihe als sozialen Ausgleich dafür aus, daß Sie den kleinen Leuten eine Menge wegnehmen.
Die Zwangsanleihe wird nicht kommen, weil sie verfassungswidrig ist, und die Zwangsanleihe wird nicht zur Finanzierung dienen können.
Sie wollen die Staffelmiete einführen.
Zugegebenermaßen haben wir Sozialdemokraten damals unserem Koalitionspartner die Staffelmiete für Neubauten zugestanden.
Wir waren der Meinung, daß dies dann, wenn es für Neubauten ist, weniger schädlich ist, als wenn das insgesamt eingeführt wird.
Die enttäuschte Reaktion aller, die an der Staffelmiete interessiert sind, hat deutlich gemacht, daß die Interessenten nicht an der Einführung der Staffelmiete für Neubauten, sondern nur an der Staffelmiete für den Bestand interessiert waren.
Für die Bewertung zitiere ich noch einmal aus dem Interview mit Helmut Tepper. Es heißt dort:
Vor dem Hintergrund der unsicheren Einkommenssituation der privaten Haushalte ist auch die geplante Zulassung von Staffelmietverträgen ein falsches Instrument der Wohnungspolitik. Wie die Erfahrungen im sozialen Wohnungsbau mit degressiv gestaffelten Aufwendungsdarlehen gezeigt hätten, könne es leicht dazu kommen, daß die Mieter bei im voraus festgelegten Mietsprüngen den Vertragsanforderungen letztlich nicht gewachsen sind. Angesichts einer Wirtschaftsentwicklung, in der reale Einkommenssteigerungen ohnehin kaum zu erwarten seien, würden in Staffelmieten nur Inflationsraten vorgeschrieben.
Genau dies werden Sie auch tun.
Ich werfe Ihnen ausdrücklich vor, daß Sie uns im Rechtsausschuß nicht die Möglichkeit gegeben haben,
nach Mehrheitsabstimmungen auch nur mit einem Ihrer beiden zuständigen Minister zu reden. Heute werden die beiden Minister in München eine Art Zirkusvorstellung geben, in der sie eine Illusionsnummer aufführen; sie werden nämlich vor dem Münchner Stadtrat zu einem Hearing antreten. Da Sie heute das Gesetz verabschieden, kommt mir das Ganze so vor, als ob die zwei, die erst ein Kind in den Brunnen geworfen haben, später den Chor der Klageweiber anführen.
Einer der gravierendsten Vorwürfe, die wir erheben, ist — und das ist für Ihre Art und Weise bezeichnend, hier ein Gesetz zu machen —, daß Sie
8544 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Schmidt
den Mietwucher für die Zukunft praktisch nicht mehr für strafbar erklären.
Wir haben im Hearing einen Staatsanwalt gehört, der alle Verfahren in Stuttgart ausgewertet hat.
Dieser hat uns wortwörtlich gesagt: Nach dieser Formulierung ist der Mietwucher nicht mehr strafbar. Ich möchte einmal wissen, für wen Sie hier Politik machen, wenn Sie ein Interesse daran haben, daß der Mietwucher nicht mehr bestraft werden kann.
— Diesen Zwischenruf nehme ich gerne auf. Wenn der Mietwucherer das Gemeinwohl in Ihrem Sinne verkörpert, ist deutlich und klar, was Sie eigentlich wollen!
Da wir wissen, daß von diesem Gesetzentwurf kein Impuls für den Wohnungsbau ausgeht, da wir wissen, daß es andere Gründe haben muß, und wenn wir uns dann überlegen, welch drastische Mieterhöhungen Sie ins Auge fassen, wie Sie zusätzlich auch noch im Bereich des Wohngelds — vor allen Dingen für diejenigen, die am meisten betroffen sind — Kürzungen vornehmen, muß ich hier eindeutig feststellen: Dieser Tag ist für die Mieter in diesem Lande nicht nur ein schwarzer Freitag, sondern eine Katastrophe!
Wir haben angesichts des Verhaltens, das Sie im Rechtsausschuß an den Tag gelegt haben, und angesichts des Verhaltens, das Sie auch hier an den Tag legen, längst eingesehen, daß es völlig sinnlos ist, Sie aufzufordern, diesen Entwurf zurückzuziehen. Ich sage Ihnen nur eines: Wir fordern alle Mieter auf, uneingeschränkt zu prüfen, für wen hier ein Gesetz gemacht wird. Hier wird ein Gesetz gegen die Interessen der Mieter gemacht,
und ich möchte alle Mieter auffordern, daraus am 6. März auch die Konsequenzen zu ziehen.
— Wenn Sie nicht schreien würden wie ein balzender Auerhahn, Herr Kollege Clemens, könnte ich Ihnen gelegentlich auch antworten.
Ich sage Ihnen auch, warum diese Aufforderung: weil Mieter dieses Gesetz nur dadurch wieder aufheben lassen können, daß sie am 6. März SPD wählen. — Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Abgeordneten Schöfberger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesjustizminister hat von diesem Pult aus mit dem Brustton der Überzeugung behauptet, der Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts bleibe unangetastet.
Der Herr Minister hat offenbar die Begründung des Entwurfs und den Gesetzesvorschlag nicht gelesen. Ich zitiere wörtlich:
Durch die Vorschrift wird
— das gilt für den Zeitmietvertrag —
ferner eine Verlängerung des Mietverhältnisses aufgrund der Sozialklausel ausgeschlossen. ... Aus den gleichen Gründen werden auch die Vorschriften über die Räumungsfrist ... ausgeschlossen.
— Beim Zeitmietvertrag! Wenn dies keine Einschränkung des Kündigungsschutzrechts nach dem sozialen Mietrecht ist, weiß ich nicht mehr, wie man das sonst noch nennen kann. Dies ist ein Rückschritt nicht hinter 1971, sondern in die Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches,
wo es noch keine Sozialklausel und keinen Räumungsschutz gegeben hat.
Im übrigen möchte ich den Herrn Bundesminister fragen, ob nicht eine Kappungsgrenze von 30 % nach aller bisherigen Erfahrung auch als Zuggrenze für die Erhöhung von Mieten wirkt. Wer Mieterhöhungen bis zu 30% nicht nur zuläßt, sondern sogar gesetzlich vorschreibt, bringt über Millionen — —
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8545
Dr. Schöfberger
— Nein, ich habe nicht zugestimmt!
Lesen Sie bitte meine persönliche Erklärung aus dem Protokoll vom 27. Mai 1982! Ich habe bei dem damaligen Gesetz mit Nein gestimmt und habe, wenn ich hier heute meine Meinung vortrage, keinerlei Identitätsschwierigkeiten.
Darf ich Ihnen im Anschluß an meine Rede meine persönliche Erklärung vom 27. Mai überreichen?
Herr Abgeordneter Helmrich möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden?
Ja.
Herr Kollege Schöfberger, sind Sie mit mir der Meinung, daß es sehr wohl einen Unterschied macht, ob ich von vornherein einen Zeitmietvertrag, begrenzt auf ein oder zwei Jahre, abschließe oder ob ich einen Mietvertrag auf unbegrenzte Dauer abschließe? Und sind Sie weiterhin mit mir der Meinung, daß das im Sinne des Gleichheitssatzes keine vergleichbaren Tatbestände sind und es von daher auch gerechtfertigt ist, was den Kündigungsschutz betrifft, beide Fälle unterschiedlich zu behandeln?
Herr Kollege Helmrich, ich habe die Zeitmiete nicht zu vertreten. Sie ist nicht meine Erfindung. Aber wenn Sie selbst bei einem Zeitmietvertrag und bei nach Abschluß des Vertrages eintretenden persönlichen Umständen des Mieters einen Gebrechlichen, einen Schwerkranken oder alte Menschen ins Obdachlosenheim treiben, ohne Sozialklausel und ohne jeden Räumungsschutz, dann steht das in Ihrer christlichen Verantwortung als christlicher Politiker und nicht in meiner.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen.
Meine Damen und Herren, die Unruhe in diesem Saal ist so groß, daß eine ordnungsgemäße Abwicklung der Sitzung nicht mehr möglich ist.
— Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen und die Gespräche im Saal zu unterlassen.
Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Nein, Herr Kollege Helmrich, ich habe nur noch drei Minuten. Ich bitte um Entschuldigung.
Wer es also zuläßt, daß Mieten in den nächsten drei Jahren, Kaltmieten wohlgemerkt, bis zu 30 steigen dürfen, Bruttomieten also bis zu 50 %, der bringt nicht nur Leid und Sorgen über Millionen von Mitbürgern, der höhlt auch das soziale Mietrecht aus und der läßt bestenfalls den allgemeinen Kündigungsschutz als Fassade in der Landschaft stehen. Denn was nützt den Mietern der beste Kündigungsschutz, wenn sie nicht mehr die Kraft haben, die Mieterhöhungen mitzumachen und die verlangte Miete zu zahlen, und aus diesem Grund die Wohnung selber verlassen müssen?
Sie machen mit diesem Gesetz die Schleusen für die größte und höchste Mietpreiswelle auf, die seit dem Zweiten Weltkrieg durch das Land gehen wird.
— Jawohl, das sage ich als Münchner Anwalt, der jede Woche die Folgen Ihrer Politik in seiner Kanzlei zusammen mit den Sozien auszubaden hat.
Es wäre besser gewesen, wenn Sie sich endlich den explodierenden Bodenpreisen in dieser Republik zugewendet hätten.
In Artikel 168 Abs. 2 der bayerischen Verfassung steht ein wesentlicher Verfassungsauftrag, den ich Ihnen gern anempfehlen möchte. Dort heißt es: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne Arbeits-und Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind abzuschöpfen und der Allgemeinheit nutzbar zu machen."
Sie machen daraus folgenden Grundsatz: „Bescheidene Einkommensverbesserungen der Arbeitnehmer, der Beamten und der Rentner, die nicht ohnehin durch Preissteigerungsraten aufgezehrt werden, sind abzuschöpfen und den Vermietern nutzbar zu machen."
Ihr besonderer Einsatz für die Mietwucherer in diesem Lande ist skandalös: Sie haben die Strafbarkeitsgrenze so weit zurückgenommen, daß niemand mehr wegen Mietwuchers bestraft werden kann. Dieser Ihr Einsatz für den Mietwucher ist ein deutliches Zeichen für „christliche" Verantwortung.
Um noch mit einem Satz auf unsere Änderungsanträge zu sprechen zu kommen: Wir haben — das sage ich vor allem an die Adresse der Münchner CSU-Abgeordneten — alle Änderungsanträge des Oberbürgermeisters Kiesl — CSU — und der Stadtratsmehrheit in München — CSU — hier als Anträge eingebracht. Wir haben sie auch im Rechtsausschuß eingebracht. Wir werden mit Interesse verfolgen, wie sich die Münchener Abgeordneten gegenüber den Anträgen ihres eigenen Oberbürgermeisters und ihrer Stadtratsfraktion heute hier verhalten. Das wird im Interesse der Wahrheit und der
8546 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Dr. Schöfberger
Klarheit in unserer Demokratie in München auch transparent gemacht werden.
Sie dürfen sich darauf verlassen: Mit dem heutigen Freitag geht die Roßtäuscherei der CSU zu Ende, in München für die Mieter einzutreten und hier das soziale Mietrecht aus den Angeln zu heben.
Damit das allen Mietern in den Großstädten, allen Mietern im Lande, Herr Kollege Waigel, dokumentarisch klar wird, beantrage ich im Auftrag und im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, im Namen der Fraktion der SPD ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich gehe davon aus, daß sich dies auf die Schlußabstimmung bezieht. Ich komme dann bei der Schlußabstimmung in dritter Lesung auf diesen Antrag zurück.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ehe ich fortfahre, bitte ich Sie, Ihre Plätze einzunehmen. Sie schaden sich selbst, wenn Sie die Beratung weiter verzögern.
— Meine Damen und Herren, ich werde in der Abstimmung nicht fortfahren, bis Sie nicht Ihre Plätze eingenommen haben.
Ich rufe Art. 1 Nr. 1 bis 3 mit der vom Ausschuß angenommenen Änderung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen?
— Wer enthält sich der Stimme? — Die aufgerufenen Vorschriften sind gegen die Stimmen der SPD-Fraktion angenommen.
Ich rufe Ziffer 2 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 9/2277 auf. Es wird beantragt, in Art. 1 nach Nr. 3 eine neue Nr. 3 a einzufügen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Es gibt im Präsidium kein Einvernehmen über die Mehrheitsverhältnisse.
Ich wiederhole die einfache Abstimmung: Ich bitte noch einmal um das Handzeichen derer, die zuzustimmen wünschen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und gegen wenige Stimmen aus der FDP-Fraktion abgelehnt.
Ich rufe Art. 1 Nr. 4 und 5 auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen?
— Stimmenthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden.
Ich rufe nunmehr Ziffer 3 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD auf Drucksache 9/2277 auf. Es wird beantragt, in Art. 1 nach Nr. 5 eine neue Nr. 6 einzufügen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Änderungsantrag ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Art. 2 und Art. 3 Nr. 1 bis 5 mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit gegen die Stimmen der SPD und wenige Stimmen aus der FDP-Fraktion angenommen.
— Meine Damen und Herren, ich werde darauf hingewiesen, daß jene, die aus dem Block der FDP mit der SPD-Fraktion gestimmt haben, der Fraktion der FDP nicht mehr angehören. Ich gebe dies zu Protokoll. Das ist für den Präsidenten nicht leicht zu übersehen.
Ich rufe Art. 4 bis 6 sowie die Einleitung mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die aufgerufenen Vorschriften sind mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie bei den vorhergehenden Abstimmungen angenommen.
Ich rufe Ziffer 1 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD Drucksache 9/2277 auf. Es wird eine Neufassung der Überschrift des Gesetzes beantragt.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Ziffer 4 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 9/2277 auf. Hier wird beantragt, in Art. 3 nach Nr. 5 eine neue Nr. 6 anzufügen. Der Direktor weist mich darauf hin, daß ich darüber noch nicht habe abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer der Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfs zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überschrift ist damit in dieser Fassung mit Mehrheit angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Hierzu hat die SPD-Fraktion gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. —
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8547
Vizepräsident Windelen
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen mitteilen, daß nach Abschluß der namentlichen Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf noch über einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD abgestimmt werden wird. Darüber hinaus liegen noch einige Zusatzpunkte zur Tagesordnung vor, die allerdings nach meiner Information nicht kontrovers sind.
Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob ein Mitglied des Hauses seine Stimme noch nicht abgegeben hat. — Dies ist offenbar nicht der Fall. Dann schließe ich hiermit die Abstimmung. Wir beginnen mit der Auszählung. —*)
Zu dem Gesetzentwurf, über den wir jetzt abschließend abgestimmt haben, liegt noch ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wenn die Fraktionen damit einverstanden wären, ließe ich jetzt schon über diesen Entschließungsantrag abstimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Dann bitte ich Sie, die Plätze einzunehmen, weil es sonst für das Präsidium unmöglich ist, die Mehrheitsverhältnisse festzustellen.
Zu dem Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 9/2278 vor. Ich frage Sie, ob das Wort zur Begründung des Antrags gewünscht wird.
— Das ist nicht der Fall. Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke schön. Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wenn Sie einverstanden wären, könnten wir jetzt auch schon die Zusatztagesordnungspunkte behandeln. Wird dem widersprochen?
— Das ist nicht der Fall.
Ich rufe Zusatzpunkt 2 zur Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes
— Drucksache 9/2035 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 9/2252 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Meyer zu Bentrup
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.
*) Ergebnis siehe S. 8548.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 5 mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die aufgerufenen Vorschriften sind damit einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 3 zur Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde
— Drucksache 9/1987 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 9/2235 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dolata
Der Berichterstatter muß eine kurze Berichtigung anbringen. Er erhält dazu das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zusammenstellung in dem Bericht des 13. Ausschusses muß ergänzt werden um die Anlage zu § 2 Abs. 1 Satz 2 und die Anlage zu § 3 Abs. 1 Satz 2, beide ausgedruckt in der Drucksache 9/1987 auf den Seiten 9 und 10 im Gesetzentwurf. Beide Anlagen sind in der vom Ausschußvorsitzenden und vom Berichterstatter unterzeichneten Originalfassung der Beschlußempfehlung enthalten, versehentlich aber nicht in der Ihnen heute vorliegenden Vorlage ausgedruckt.
Ich bitte darum, dieses Gesetz in der Fassung der Beschlußempfehlung des Ausschusses anzunehmen. — Danke schön.
Darf ich davon ausgehen, daß Sie diesem Vorschlag zustimmen? —
— Dann beraten wir jetzt auf der Grundlage der berichtigten Fassung der Vorlage.
Das Wort zur Beratung wird nicht gewünscht? — Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 5 in der Ausschußfassung, ergänzt durch die Berichtigung, die Sie eben angenommen haben, auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? —
8548 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Vizepräsident Windelen
Wer enthält sich der Stimme? — Bei einer Stimmenthaltung sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Das Gesetz ist bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/2235 unter Ziffer 2 die Annahme einer Entschließung. Wer der Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme?
— Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 4 zur Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. Oktober 1970 zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen betreffend die Herstellung pharmazeutischer Produkte
— Drucksache 9/1901 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 9/2236 —
Berichterstatter: Abgeordneter Marschall
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Auch dies ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme'? — Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/2236 unter Ziffer 2 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, inzwischen liegt mir das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksachen 9/2079 und 9/2248 — vor. Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 449 ihre Stimme abgegeben. Es war keine ungültige Stimme dabei. Mit Ja haben gestimmt: 247. Mit Nein haben gestimmt: 199. 3 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten.
19 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Alle Stimmen waren gültig. Mit Ja haben gestimmt: 10. Mit Nein haben gestimmt: 9. Enthalten hat sich keiner.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen 449 und 19 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 247 und 10 Berliner Abgeordnete
nein: 199 und 9 Berliner Abgeordnete
enthalten: 3
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. van Aerssen
Dr. Althammer
Dr. Arnold Austermann Dr. Barzel Bayha
Dr. Becker Frau Benedix-Engler Berger (Lahnstein) Biehle
Böhm
Dr. Bötsch Bohl
Borchert
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler
Dr. Bugl
Carstens Clemens
Conrad
Dr. Czaja Dallmeyer Daweke
Deres
Dörflinger Doss
Dr. Dregger Echternach Eigen
Engelsberger
Erhard Dr. Faltlhauser Feinendegen
Fellner
Frau Fischer Fischer Francke (Hamburg) Franke
Dr. Friedmann
Funk
Ganz
Frau Geier Frau Geiger Dr. Geißler Dr. George Gerlach
Gerstein Gerster
Glos
Dr. Götz
Günther
Haase
Dr. Häfele Hanz
Hauser
Frau Dr. Hellwig
Helmrich Dr. Hennig von der Heydt Freiherr
von Massenbach
Hinsken
Höffkes
Höpfinger
Frau Hoffmann
Dr. Hornhues
Horstmeier Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
Jagoda
Dr. Jahn
Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung
Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle
Dr. Klein
Klein
Dr. Köhler
Dr. Köhler Köster
Kolb
Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz
Lamers
Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner Lattmann
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8549
Vizepräsident Windelen
Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz Lenzer
Link
Linsmeier Lintner
Löher
Louven
Lowack
Maaß
Magin
Dr. Mertes Metz
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller
Müller
Müller
Müller
Nelle
Neuhaus
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Petersen Pfeffermann Pfeifer
Picard
Dr. Pinger Pohlmann
Dr. Pohlmeier Prangenberg
Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Regenspurger
Repnik
Dr. Riedl
Dr. Riesenhuber
Dr. Rose Rossmanith Rühe
Ruf
Sauer
Sauer
Sauter
Sauter
Dr. Schäuble
Schartz
Schmitz
Dr. Schneider
Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder Schröder (Lüneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Dr. Schulte (Schwäbisch
Gmünd) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seehofer Seiters
Sick
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Spranger Dr. Sprung Dr. Stark
Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken
Stücklen Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel
Vogt Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil
Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer
Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
Berliner Abgeordnete
Bahner
Frau Berger Boroffka
Buschbom Dolata
Dr. Hackel Kalisch
Schulze
Straßmeir
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann
Frau von Braun-Stützer Bredehorn
Cronenberg Eimer
Engelhard
Dr. Feldmann
Gärtner
Gallus
Gattermann Grüner
Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Holsteg
Jung
Kleinert
Dr. Graf Lambsdorff Merker
Möllemann Neuhausen Frau Noth Paintner
Popp
Rentrop
Dr. Riemer Rösch
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer
Schmidt
Timm
Dr. Vohrer
Wolfgramm Wurbs
Dr. Zumpfort
Zywietz
Berliner Abgeordneter Hoppe
Nein
SPD
Dr. Ahrens Amling
Antretter Auch
Bamberg
Dr. Bardens Becker Bernrath
Berschkeit Biermann Bindig
Frau Blunck Börnsen
Brandt Brück
Büchler
Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Collet
Conradi
Dr. Corterier Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dreßler
Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Frau Erler Esters
Ewen
Feile
Fiebig
Fischer Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs Gansel
Gerstl
Dr. Geßner Gilges
Ginnuttis Glombig
Gnädinger Gobrecht Grobecker Dr. Haack Haar
Haase
Haehser
Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauff
Heistermann
Herberholz Herterich Heyenn
Hoffmann Dr. Holtz
Horn
Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer Jahn (Marburg)
Jaunich
Dr. Jens
Jungmann Kiehm
Kirschner
Klein
Kolbow
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein
Lambinus Lennartz Leonhart Leuschner Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Meinike Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens Möhring
Müller
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann Neumann (Stelle)
Dr. Nöbel Oostergetelo
Dr. Osswald
Paterna Pauli
Dr. Penner Pensky
Peter
Polkehn Poß
Purps
Rapp
Rappe
Rayer
Frau Renger
Reschke Reuter
Rohde
Rosenthal Roth
Sander
Dr. Schachtschabel
Schäfer
Schätz
Dr. Scheer Schirmer Schlaga Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (München)
Frau Schmidt Schmidt (Wattenscheid Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber Schreiner
Schröder Schröer (Mülheim)
Schulte
Dr. Schwenk
Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl
Dr. Steger Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stockleben Stöckl
Dr. Struck Frau Terborg
8550 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982
Vizepräsident Windelen
Thüsing
Tietjen
Frau Dr. Timm
Topmann
Frau Traupe Dr. Ueberschär
Urbaniak
Vogelsang
Voigt
Vosen
Wallow
Waltemathe Walther
Wehner
Weinhofer
Weisskirchen Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek Wiefel
von der Wiesche
Wimmer Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram Wrede
Würtz
Wuttke Zander Zeitler Frau Zutt
Berliner Abgeordnete
Bühling
Dr. Diederich Dr. Dübber
Egert
Hitzigrath
Frau Luuk
Männing
Dr. Mitzscherling Wartenberg
fraktionslos
Coppik
Hansen
Hölscher
Frau Schuchardt
Enthalten
FDP
Frau Dr. Engel
Frau Fromm
Frau Dr. Hamm-Brücher
Damit ist das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 5 zur Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1982 der Bundesregierung
— Drucksachen 9/1492, 9/2253 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Müller
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/2253 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme ist die Entschließung angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 6 zur Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Dregger, Dr. Schneider, Schwarz, Hauser (Krefeld), Kroll-Schlüter, Herkenrath, Magin, Dörflinger, Deres, Dr.-Ing. Kansy, Bohl, Dr. Meyer zu Bentrup, Dr. Möller, Dr. Schroeder (Freiburg), Braun, Dr. Bötsch, Dr. Miltner, Krey, Dr. von Geldern, Fellner, Dr. Jentsch (Wiesbaden), Gerlach (Obernau), Dr. Laufs, Broll, Volmer, Spranger, Vogt (Düren), Müller (Wesseling), Dr. Jahn (Münster), Regenspurger, Dr. George und der Fraktion der CDU/CSU
zur Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Schneider, Dr. Dregger, Schwarz, Sick, Braun, Dr. Möller, Herkenrath, Hauser , Kroll-Schlüter, Frau Karwatzki, Wimmer (Neuss), Burger, Müller (Wesseling), Regenspurger, Dr.-Ing. Kansy, Seehofer, Deres, Dörflinger, Dr. Jahn (Münster), Dr. Hüsch, Hanz (Dahlen), Spranger, Broll, Fellner, Dr. von Geldern, Gerlach (Obernau), Dr. Jentsch (Wiesbaden), Krey, Dr. Laufs, Dr. Miltner, Volmer, Weiß, Clemens, Dr. Köhler (Wolfsburg), Jung (Lörrach), Zierer, Magin, Bohl, Maaß, Louven, Dr. Schroeder (Freiburg), Hartmann, Dr. Faltlhauser, Sauer (Stuttgart), Kalisch, Breuer, Dr. Jobst, Dr. Warnke, Linsmeier, Dr. Schäuble, Vogt (Düren), Frau Pack, Milz, Frau Geiger, Tillmann, Dr. Kunz (Weiden), Lenzer, Frau Benedix-Engler, Müller (Wadern), Jagoda, Dr. Bugl, Dr. George und der Fraktion der CDU/CSU
Lage der Städte, Gemeinden und Kreise
— Drucksachen 9/1304, 9/2117 —
Berichterstatter: Abgeordneter Jaunich
Wird das Wort gewünscht? — Dies ist nicht der Fall.
Wir kommen damit zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/2117 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Entschließung ist bei einer Stimmenthaltung einstimmig angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 7 zur Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung
Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland
— Dritter Familienbericht —
Bericht der Sachverständigenkommission der Bundesregierung — Zusammenfassender Bericht —
sowie Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht
— Drucksachen 8/3120, 9/822, 9/1286 —
Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland
— Dritter Familienbericht —
Bericht der Sachverständigenkommission der Bundesregierung
— Drucksachen 8/3121, 9/822, 9/1286 — Berichterstatter: Abgeordneter Dolata Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Dezember 1982 8551
Vizepräsident Windelen
und Gesundheit auf Drucksache 9/1286 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stirn-me? — Bei zwei Gegenstimmen ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 8 zur Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem
Antrag der Abgeordneten Dr. Stercken, Klein , Pfeifer, Dr. Mertes (Gerolstein), Dr. Schäuble, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Picard, Rühe, Dr. Probst, Dr. Hornhues, Dr. Marx, Neuhaus, Linsmeier, Frau Geiger, Dr. Laufs, Lenzer, Dr. Bugl, Würzbach, Dr. Jobst, Löher, Freiherr von Schorlemer, Pohlmann, Dr. Kunz (Weiden), Niegel, Dr. Hüsch, Schwarz, Dr. Lenz (Bergstraße), Magin, Dr. Olderog, Sauter (Epfendorf), Sauter (Ichenhausen), Zierer, Jagoda, Bühler (Bruchsal), Boroffka, Dr. Rose, Spilker, Sick und der Fraktion der CDU/CSU
Kulturelle Beziehungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika
Antrag der Fraktionen der SPD und FDP
Intensivierung der deutsch-amerikanischen Kulturbeziehungen
— Drucksachen 9/1498, 9/1665, 9/2233 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Gansel
von der Heydt Freiherr von Massenbach
Das Wort wird weder von dem einen noch von dem anderen Berichterstatter gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/2233 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diesmal ist diese Entschließung ohne Gegenstimmen und Enthaltungen einstimmig angenommen.
Ich rufe den letzten Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf, nämlich Punkt 9:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 7/82 — Erhöhung des Zollkontingents 1982 für Bananen)
— Drucksachen 9/1994, 9/2230 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schachtschabel
Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 9/2230 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Gegenstimmen ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer Tagesordnung. Ich bedanke mich bei den Verbliebenen. Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg und ein schönes Wochenende.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 14. Dezember 1982, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.