Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich freue mich, Herr Wehner, daß ich außer Ihnen noch zwei Abgeordnete sehe, die Fragen zu stellen beabsichtigen.
Wir treten in die Fragestunde — Drucksache 9/1386 —
ein.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf.
Der Herr Abgeordnete Herberholz hat darum gebeten, daß seine Frage 1 schriftlich beantwortet wird. Es wird so verfahren. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Leuschner auf:
Ist der Bericht des Ausschusses des Projektkomitees „Schneller Brüter" vom Januar 1980 , der für das Bundesforschungsministerium erstellt worden war und im Bonner Energiereport abgedruckt wurde, dem Parlament und insbesondere der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" zugänglich gemacht worden bzw. warum nicht?
Herr Präsident, darf ich mit Ihrer Genehmigung die beiden Fragen des Abgeordneten Leuschner zusammen beantworten, da sie in einem ursächlichen Zusammenhang stehen?
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Leuschner auf:
Ist dem Bundesforschungsminister bekannt gewesen, als er am 10. Januar 1980 in der Enquete-Kommission des 8. Deutschen Bundestages Ausführungen zu den Kosten und dem Inbetriebnahmetermin des SNR-300 machte, daß für sein Haus seit dem 25. September 1979 dieser Bericht erstellt und in Kürze vorliegen wird?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Leuschner, Ihre Fragen 5 und 6 beantworte ich wie folgt. Das genannte Arbeitspapier ist im Auftrag des Projektkomitees „Schneller Brüter", eines Beratungsgremiums der an der Förderung des SNR 300 beteiligten Regierungen, Ende 1979 erstellt worden. Es stellt die Überlegungen einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe dieses Komitees dar.
Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat keine Veranlassung gesehen, ein solches Arbeitspapier einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe, deren Vorschläge zu einem erheblichen Teil als nicht realisierbar angesehen wurden und deren Befürchtungen sich als teilweise übertrieben und teilweise als überwindbar abzeichneten, der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" oder dem Parlament vorzulegen.
Inzwischen ist das Arbeitspapier der EnqueteKommission auf deren Wunsch übersandt worden und stand auch den Abgeordneten des Ausschusses für Forschung und Technologie zur Verfügung.
Dem Bundesministerfür Forschung und Technologie war am 10. Januar 1980 bekannt, daß eine Adhoc-Arbeitsgruppe des Projektkomitees „Schneller Brüter" eine Unterlage ausarbeitete. Unter der Vielzahl einschlägiger Informationen zum Projekt SNR 300 kam dieser Unterlage nicht die Bedeutung zu, die ihre Erwähnung vor dem Parlament gerechtfertigt hätte.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß auch relativ unwahrscheinliche Sicherheitsrisiken bei der Genehmigung eines hochgefährlichen neuen Prototyps auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen?Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Leuschner, die Frage, die Sie jetzt gestellt haben, hat unmittelbar nichts mit dem zu tun, was Sie in der Frage angesprochen haben. Aber ich will sie gleichwohl gern beantworten. Die Bundesregierung, die Reaktorsicherheitskommission und die Genehmigungsbehörden insgesamt tragen dem, was Sie bezüglich der Sicherheit angesprochen haben, Rechnung.
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5234 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1982
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß beim SNR 300 weitgehend unkoordinierte und eskalierende Forderungen der Gutachter vorliegen?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Leuschner, die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Aber ich möchte klarstellen, daß es einen neuen Stand von Wissenschaft und Technik geben kann, was bei der Durchführung des Projektes zu zeitlichen Verzögerungen führen kann. Dieser neue Stand von Wissenschaft und Technik muß natürlich berücksichtigt werden, und er wird es auch. Deshalb ist das insgesamt nicht so zu werten, wie Sie es getan haben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß die Akzeptanz dieses Vorhabens, das in seinen Kosten galoppiert, nicht erhöht wird, wenn Sicherheitsforderungen zunächst nicht ernst genommen oder den zuständigen Gremien wie z. B. der Enquete-Kommission nicht bekanntgegeben werden?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Leuschner, falls in Ihrer Frage die Unterstellung steckt, daß die Bundesregierung Sicherheitsforderungen im Bereich der Kerntechnik und -technologie nicht ernst nimmt, muß ich dies in aller Form zurückweisen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, wenn Sie noch etwas auf dem Herzen haben.
— Danke. Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 7 des Herrn Abgeordneten Catenhusen auf:
Wenn es zutrifft, daß das Projekt SNR-300 in ernsten Nöten steckte und nicht vor 1990 fertiggestellt werden kann, wie im Bericht des Ausschusses des Projektkomitees „Schneller Brüter" laut Abdruck im Bonner Energiereport festgestellt wird, welche neuen Umstände sind dann seit Januar 1980 eingetreten, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, daß die Fertigstellung vor 1990 liegen wird?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, darf ich auch diese beiden Fragen im Zusammenhang beantworten, wenn der Kollege Catenhusen einverstanden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch noch Frage 8 des Abgeordneten Catenhusen auf:
Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem Bericht des Projektkomitees „Schneller Brüter" im einzelnen gezogen, und hat sie bei der Verwirklichung dieser Konsequenzen auf die Genehmigungsbehörden und die Gutachter des SNR-300 eingewirkt?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, Ihre Fragen 7 und 8 beantworte ich wie folgt:
Im Arbeitspapier „SNR 300 — Bestandsaufnahme 1980" wurde angenommen, daß man aus den zwischen 1970 und 1979 erteilten acht Teilerrichtungsgenehmigungen einschließlich Nachträgen den Zeitbedarf bis zur Erteilung der Betriebsgenehmigung für Vollast durch lineare Hochrechnung ermitteln könne. Diese Ansicht wurde weder vom Projektkomitee Schneller Brüter noch vom Bundesforschungsminister akzeptiert. Nur aus dieser — unhaltbaren — Hochrechnung leitete die Arbeitsgruppe des Projektkomitees einen Fertigstellungstermin um bzw. nach 1990 ab.
Die Bundesregierung hat aus dem Arbeitspapier „SNR 300 — Bestandsaufnahme 1980" für das Projektkomitee Schneller Brüter keine Konsequenzen für den Ablauf des Genehmigungsverfahrens gezogen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß dieses vorliegende Arbeitspapier auch den Genehmigungsbehörden nicht zugänglich gemacht worden ist?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Das können Sie daraus entnehmen, Herr Kollege Catenhusen. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Probleme, die in diesem Arbeitspapier angesprochen wurden, im Jahre 1979 in einem großen Statusbericht bei der Kernforschungsanlage Karlsruhe erörtert wurden. Zu den einzelnen im Papier angesprochenen Themen wurden Vorträge und Diskussionen abgehalten. Zu diesem Symposium waren natürlich auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages eingeladen. Es war, wie mir bekannt ist, auch eine größere Zahl von Abgeordneten dabei.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort betont, daß Sie davon ausgehen, daß der vom Ministerium vorgesehene Zeitplan zur Fertigstellung und Inbetriebnahme des Schnellen Brüters nichts mit dem Termin 1990 zu tun habe. Ich frage Sie deshalb: Können Sie nach dem gegenwärtigen Stand des Genehmigungsverfahrens ausschließen, daß es zu weiteren Verzögerungen von etwa einem Jahr durch den Stand des Genehmigungsverfahrens bei der Fertigstellung des Schnellen Brüters kommen kann?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, die Zahl, die Sie hier eingebracht haben, ist eine rein hypothetische. Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten. Tatsache ist aber, daß die Aussage der Fachleute in diesem Arbeitspapier natürlich im Zusammenhang mit der damals vorhandenen Situation gesehen werden sollte. Sie wissen, daß damals besondere Schwierigkeiten vorhanden waren und die engagierten Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler sich große Sorgen um dieses Projekt gemacht haben. Ich gehe davon aus, daß auch dies dazu geführt hat, das eine oder andere überspitzt zu sehen, was im nachhinein so nicht eingetreten ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1982 5235
Herr Staatssekretär, welche Stellung nimmt die Bundesregierung zu der Aussage dieses Brüterpapiers ein, daß es nicht möglich sei, den Prototyp des Schnellen Brüters in Kalkar gleichzeitig gegen Flugzeugabsturz und gegen Erdbeben sicher auszulegen?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, ich bitte um Verständnis, daß ich hier überfragt bin. Ich habe dieses Papier nicht im einzelnen analysiert.
Weitere Zusatzfrage.
Kann ich mit einer schriftlichen Beantwortung dieses Punktes rechnen?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Wenn Sie es wünschen, gerne, Herr Abgeordneter.
Keine weiteren Zusatzfragen. Die Fragen 9 und 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Frage 13 des Herrn Abgeordneten Hölscher ist ebenfalls vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe Frage 11 des Herrn Abgeordneten Gärtner auf. — Der Herr Abgeordnete Gärtner ist nicht im Saal. Es wird wie in den Richtlinien vorgesehen verfahren; das gilt natürlich auch für die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Gärtner.
Frage 14 des Herrn Abgeordneten Friedmann soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Es wird so verfahren. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stahl, ist Ihr Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe Frage 25 des Herrn Abgeordneten Fischer auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird wie in den Richtlinien vorgesehen verfahren.
Ich rufe Frage 26 des Herrn Abgeordneten Duve auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Bezüglich Frage 26 und Frage 27 des Abgeordneten Duve wird wie in den Richtlinien vorgesehen verfahren.
Ich rufe Frage 28 des Herrn Abgeordneten Bergerowski auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Bezüglich Frage 28 und Frage 29 des Abgeordneten Bergerowski wird wie in den Richtlinien vorgesehen verfahren.
Frage 30 des Herrn Abgeordneten Weirich soll auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Dem wird entsprochen. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 31 des Herrn Abgeordneten Brunner auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, daß auch die in der Umgebung kerntechnischer Anlagen produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnisse gesundheitlich unbedenklich sind?
Es freut mich, daß wieder einmal ein Abgeordneter hier ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Brunner, der Bundesminister des Innern veröffentlicht in seinem Jahresbericht „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung" jeweils Meßergebnisse der Überwachung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Umgebung von kerntechnischen Anlagen und aus anderen Bereichen der Bundesrepublik Deutschland. Wie diese Meßergebnisse zeigen, bestehen hinsichtlich der Radioaktivität vergleichbarer landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Umgebung kerntechnischer Anlagen und aus anderen Bereichen kaum Unterschiede, d. h., auch Erzeugnisse aus der Umgebung kerntechnischer Anlagen sind in bezug auf ihren Gehalt an radioaktiven Stoffen gesundheitlich unbedenklich.
Der Bundesminister des Innern weist in seinem Informationsdienst „UMWELT" regelmäßig auf die Jahresberichte „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung", die an Interessenten abgegeben werden, hin. Ferner werden diese Jahresberichte in zahlreichen einschlägigen Veröffentlichungen, z. B. auch in dem Faltblatt „Umweltauswirkungen von Kernkraftwerken" der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, zitiert.
Darüber hinaus werden jeweils Pressemitteilungen des Bundesministers des Innern über die Berichte „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung" über die Nachrichtenagenturen verbreitet.
Zusatzfrage, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen der Absatz landwirtschaftlicher Produkte infolge von Rufschäden im Bereich kerntechnischer Anlagen nicht mehr gewährleistet ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mein Zuständigkeitsbereich umfaßt zwar die Sicherheit von Kernkraftwerken und auch alle mit der Strahlenbelastung in Zusammenhang stehenden Fragen. Ich fühle mich aber nicht kompetent, Fragen nach Absatzproblemen der Landwirtschaft zu beantworten. Ich bitte um Verständnis; ich kann es Ihnen einfach nicht sagen. Mir ist dergleichen nicht bekannt.
Zweite Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine zweite Zusatzfrage geht in eine ähnliche Richtung; aber der Herr Staatssekretär wird wahrscheinlich auch diese Frage nicht beantworten, so daß ich diese Zusatzfrage im Augenblick wohl zurückziehen muß.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jobst.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Fälle bekannt, daß im Bereich von kerntechnischen Anlagen landwirtschaftliche Produkte aufgekauft werden mußten, weil eine Gefährdung für die Bevölkerung zu befürchten gewe-
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5236 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1982
Dr. Jobstsen wäre? Ich darf hier einflechten: Ich meine nicht die Fälle, in denen landwirtschaftliche Produkte im Umkreis von kerntechnischen Anlagen zu Untersuchungszwecken aufgekauft worden sind.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Eine objektive Gefährdung ist nicht eingetreten.
Ich darf also aus Ihrer Antwort entnehmen, daß der Bundesregierung keine derartigen Fälle — weder im Inland noch im Ausland — bekannt sind.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich bitte noch einmal um Verständnis dafür, daß ich die Frage nur unter dem Aspekt beantworten kann, unter dem der Bundesminister des Innern als Reaktorsicherheitsminister damit befaßt ist. Nur darüber habe ich Kenntnis; die anderen Fragen müßten an den Landwirtschaftsminister gerichtet werden. Ich kann Ihnen nur sagen, daß eine objektive Notwendigkeit wegen objektiver Schäden in keinem Falle gegeben war.
— Die Absatzprobleme! — Aber Sie werden den Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bitten, daß er in diesem Fall eine schriftliche Antwort an den Fragesteller gibt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, selbstverständlich bin ich bereit, die Fragen weiterzuleiten. Ich wollte mit meiner Bemerkung nur bei den Kollegen Verständnis dafür gewinnen, daß ich einen Teil ihrer Fragen nicht beantwortet habe, weil er nicht in meinen Kompetenzbereich fällt. Aber selbstverständlich bin ich zu jeder Unterstützung zur Sachaufklärung bereit, Herr Präsident.
Also schriftliche Ergänzung.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Soell auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Vereinigung namens „Schutzbund für das deutsche Volk", die als Versuch dienen soll, die bisher nicht koordiniert arbeitenden „Bürgerinitiativen gegen Ausländereinwanderung" in einer Dachorganisation zusammenzufassen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Soell, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich die beiden Fragen zusammenfassend beantworten dürfte.
Einverstanden, Herr Abgeordneter? — Dann rufe ich auch die Frage 33 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich dieser „Schutzbund" der Argumente des sogenannten Heidelberger Manifestes bedient, um seine mit der NS-Rassenideologie teilweise übereinstimmenden Positionen pseudowissenschaftlich zu untermauern, und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten für ein Verbot des „Schutzbunds" wegen Volksverhetzung?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Der sogenannte „Schutzbund für das deutsche Volk" ist den Sicherheitsbehörden seit November 1981 bekannt. Er hat mit einem Flugblatt das sogenannte „Heidelberger Manifest" vom Juni 1981 verbreitet. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß aus den Kreisen des sogenannten „Schutzbundes" rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet wird.
Für eine endgültige Bewertung dieser Organisation reichen die derzeit vorliegenden Erkenntnisse nicht aus. Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung des sogenannten „Schutzbundes" aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls in den Verfassungsschutzberichten darüber informieren.
Das sogenannte „Heidelberger Manifest" enthält Formulierungen, die auch von Rechtsextremisten verwendet werden. Es ist unter anderem in verschiedenen rechtsextremistischen Zeitungen zustimmend verbreitet worden.
Die Mehrzahl der Unterzeichner des sogenannten „Heidelberger Manifestes" ist den Verfassungsschutzbehörden nicht bekannt. Bei einigen gibt es jedoch Anhaltspunkte für Verbindungen zu rechtsextremistischen Kreisen.
Ein Großteil der in dem „Manifest" als Unterzeichner aufgeführten Personen hat mittlerweile ein überarbeitetes sogenanntes „Manifest" unterzeichnet und sich von dem sogenannten „Schutzbund für das deutsche Volk" distanziert.
Die Vorgänge um den „Schutzbund" und das „Heidelberger Manifest" bestätigen erneut, welch hohen Stellenwert das Schüren von Ausländerfeindlichkeit in der Agitation der Rechtsextremisten einnimmt und wie sehr diese sich bemühen, Äußerungen zu diesem Thema für ihre Ziele zu gebrauchen.
Die Bundesregierung nimmt daher diese Vorgänge zum Anlaß, abermals nachdrücklich vor ausländerfeindlichen Tendenzen zu warnen.
Zusatzfrage? — Keine Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Jentsch auf:Beurteilt die Bundesregierung eine kürzlich erfolgte umfangreiche Presseveröffentlichung zu der Klar/Schulz-Observation im März 1980 ebenso als Gefährdung einer laufenden Operation wie im Spätsommer 1980 die Frage im Deutschen Bundestag zu diesem Vorgang?Bitte, Herr Staatssekretär.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Jentsch, ich nehme an, daß mit der Frage die Veröffentlichung in der „Frankfurter Rundschau" vom 8. Februar 1982 angesprochen ist. Auch diese Veröffentlichung gibt keine Veranlassung, die von der Bundesregierung und dem Hamburger Innensenator vertretene Auffassung aufzugeben, daß nachrichtendienstliche Operationen grundsätzlich nicht aufgedeckt werden, gleichgültig ob sie noch andau-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1982 5237
Parl. Staatssekretär von Schoelerern oder nicht. Daher kann insoweit auch keine Stellungnahme zu der genannten Presseveröffentlichung erfolgen.Was den in dieser Presseveröffentlichung enthaltenen Vorwurf der Rechtswidrigkeit angeht, so verweise ich auf die Ihnen bekannte Erklärung des Bundesministers der Justiz im Innenausschuß des Deutschen Bundestages am 12. September 1980. Er hat erklärt — ich zitiere —:Die Bundesanwaltschaft ist zu dem erwähnten Zeitpunkt in Wahrnehmung des Ermessens unterrichtet worden, das den zuständigen Behörden nach allseitigem Verständnis der Richtlinien für die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden, des Bundesnachrichtendienstes, des militärischen Abschirmdienstes, der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden in Staatsschutzangelegenheiten zusteht. Der dort festgestellte Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit umschließt die sorgfältige Abwägung des auszuübenden Ermessens auch für die Bestimmung des Zeitpunktes der Unterrichtung der Staatsanwaltschaft in Fällen der hier erörterten Art.
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Diesen Anordnungen, die in der im Vermerk vom 1. April 1980 festgehaltenen Dienstbesprechung vom 27. März 1980 im Einvernehmen aller beteiligten Stellen ihre endgültige Fassung erhielten, lag eine pflichtgemäße Abwägung der verschiedenen hier relevanten Gesichtspunkte zugrunde, nämlich der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches, der Gefahrenabwehr und der möglichst umfassenden Aufklärung terroristischer Bestrebungen. Nach dem Grundsatz des § 152 Abs. 2 der Strafprozeßordnung ist die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten gesetzlich verpflichtet. Dieser Grundsatz läßt aber anerkanntermaßen eine solche Abwägung zu. Diese Ansicht ist im Bundesjustizministerium bereits im Jahre 1960 vertreten und festgehalten worden.
Zitatende. — Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn dieser Bericht heute keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung als damals gibt, darf ich Sie fragen: Sehe ich es richtig, daß dann damals die Vorenthaltung näherer Auskünfte gegenüber dem Innenausschuß und gegenüber dem Parlament insgesamt nicht mit laufenden Operationen zu begründen war?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jentsch, jede Beantwortung Ihrer Frage würde einen Rückschluß auf nachrichtendienstliche Tätigkeiten zulassen. Deswegen habe ich dem, was ich zu
Ihrer Frage bereits ausgeführt habe, nichts hinzuzufügen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich zu dem Bericht am 8. Februar in der „Frankfurter Rundschau" fragen: Können Sie den Ablauf so bestätigen, wie er dort geschildert ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Frage habe ich bereits mit einem Nein beantwortet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.
Herr Staatssekretär, ist der Bericht nach Ihrer Auffassung jedenfalls insofern zutreffend, als der damals zuständige Generalbundesanwalt erst dann verständigt wurde, als sich Herr Klar bereits abgesetzt hatte?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spranger, ich habe den Ihnen bekannten Erklärungen des Bundesinnenministers, des Hamburger Innensenators und des Bundesjustizministers vor der Innenausschußsitzung, an der Sie — wenn meine Erinnerung richtig ist — teilgenommen haben, nichts hinzuzufügen.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Spranger auf:Hält die Bundesregierung die Unterrichtung des für die Verfolgung der mit Haftbefehl gesuchten Terroristen zuständigen Generalbundesanwalts erst am Tag nach dem Abreißen des Observationskontakts zu Klar und Schulz auch heute noch für rechtlich, fachlich und politisch gerechtfertigt, oder ist sie inzwischen auch angesichts neuer Erkenntnisse über die Aktivitäten der Gesuchten zu einer neuen Beurteilung gekommen?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spranger, der Generalbundesanwalt ist durch die zuständige Behörde des Landes Hamburg am 12. März 1980 unterrichtet worden. Zu der in Ihrer Frage enthaltenen Unterstellung, daß die Unterrichtung in einer bestimmten Phase einer nachrichtendienstlichen Operation erfolgt sei, kann ich aus den bekannten Gründen nicht Stellung nehmen. Auf die Stellungnahme des Bundesministers der Justiz zur rechtlichen Seite der Angelegenheit habe ich bereits bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Jentsch hingewiesen.Im übrigen hat Herr Bundesminister Baum zu der Angelegenheit in der Sitzung des Innenausschusses vom 12. September 1980 ausgeführt — ich möchte auch das zitieren —:Wir haben es hier mit einer Aktion zu tun, die von Hamburg ausging und von Hamburg geführt wurde. Der Bund ist nicht Vorgesetzter des Landes Hamburg. Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Arbeit in
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Parl. Staatssekretär von SchoelerHamburg ist Sache des dortigen Kontrollausschusses.Der Hamburger Kontrollausschuß hat sich am 5. September 1980 wie folgt geäußert — ich zitiere —:Der Ausschuß zur parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes in Hamburg ist mehrfach vom Senat über die Maßnahmen unterrichtet worden, die Gegenstand des Artikels der „Welt" — „Terroristen Klar und Schulz Fahndern wieder entkommen" — vom 27. August 1980 gewesen sind. Der Kontrollausschuß ist überzeugt, daß die Entscheidungen, die der Senat und die zuständigen Hamburger Stellen getroffen haben, richtig waren und die Arbeit der zuständigen Hamburger Beamten Anerkennung verdient.Neue Erkenntnisse rechtlicher oder fachlicher Art, die zu einer anderen Bewertung Anlaß geben könnten, liegen mir nicht vor.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, welche Vorteile hat es nach Ansicht der Bundesregierung bis heute gebracht, daß damals Klar nicht festgenommen wurde?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spranger, ich glaube, es ist selbstverständlich, daß auch eine Beantwortung dieser Frage die Behandlung nachrichtendienstlicher Arbeit der Sicherheitsbehörden betreffen würde und deshalb unmöglich ist.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie sich aus sicherheitspolitischer Sicht vielleicht zu der Frage äußern, ob ein Vorteil bei einer Festnahme des Herrn Klar damals im März darin bestanden hätte, daß er sich nicht an weiteren terroristischen Anschlägen, wie beispielsweise gegen den amerikanischen General Kroesen, hätte beteiligen können.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spranger, Ihre Frage enthält indirekt mehrere Unterstellungen oder Voraussetzungen, von denen Sie ausgehen. Da mir das Eingehen auf diese Unterstellungen bzw. Voraussetzungen nicht möglich ist, ist mir auch ein Eingehen auf die Frage an sich nicht möglich.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Miltner auf:
Auf welche Weise ist sichergestellt, daß bei einem künftigen Kontakt zu gesuchten Terroristen der für ihre Verfolgung zuständige Generalbundesanwalt sofort unterrichtet wird, damit er die Möglichkeit erhält, die in seiner Verantwortung liegenden Entscheidungen rechtzeitig zu treffen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Miltner, wie ich bereits in den Antworten auf die vorhergehenden Fragen, insbesondere mit dem Hinweis auf die Erklärung des Bundesministers der Justiz, ausgeführt habe, ist durch verbindliche Regelungen und Absprachen sichergestellt, daß der Generalbundesanwalt und die Polizei unverzüglich verständigt werden, sobald sich bei einer Operation des Verfassungsschutzes der Verdacht auf einen Kontakt mit gesuchten terroristischen Gewalttätern ergibt und die Voraussetzungen für einen Zugriff gegeben sind.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß bei dem in Frage stehenden Vorgang diese von Ihnen auch jetzt genannten Zusammenarbeitsrichtlinien zwischen Polizei, GBA und den Nachrichtendiensten auch dadurch verletzt worden sind, daß die Polizei auf der einen Seite eine Fahndung gegen diese Personen durchgeführt hat und auf der anderen Seite der Verfassungsschutz gleichzeitig eine Observation vorgenommen hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Miltner, das trifft nicht zu. Ich verweise auf die Erklärung, die der Bundesminister der Justiz bei der Innenausschußsitzung, an der Sie, glaube ich, ebenfalls teilgenommen haben, abgegeben hat. Dieser Erklärung ist nichts hinzuzufügen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wie können Sie es sich erklären, daß der Generalbundesanwalt oder der hessische Innenminister Erklärungen abgegeben haben, die darauf hindeuten, daß hier erstens die Zusammenarbeitsrichtlinien nicht erfüllt, also verletzt worden sind, und zweitens unter ihrer Verantwortung, wenn sie von dem Fall gewußt hätten, eine andere Entscheidung getroffen worden wäre?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Miltner, ich kann nur die Frage nach dem Generalbundesanwalt beantworten, da ich für die Bundesregierung zu sprechen habe. Dazu ist zu sagen, daß ein Vertreter des Generalbundesanwalts an der betreffenden Sitzung des Innenausschusses, die ich jetzt bereits mehrfach erwähnt habe, teilgenommen hat. Ganz abgesehen davon, daß der Bundesjustizminister für das Bundesjustizministerium spricht, hat es dort auch gar keine gegenteilige Stellungnahme des Generalbundesanwalts gegeben. Ich habe also gar keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß die Erklärung des Bundesjustizministers, die er vor dem Innenausschuß abgegeben hat, auch vom Generalbundesanwalt geteilt wird.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Mertes auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird, wie es in den Richtlinien vorgesehen ist, erledigt.Die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Herberholz und ebenfalls die Frage 39 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1982 5239
Präsident Stücklensteht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär de With zur Verfügung.Die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Schmöle ist zurückgezogen worden.Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird hinsichtlich dieser Frage und der Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich wie in den Richtlinien vorgesehen verfahren.Damit sind Sie schon wieder entlassen, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser zur Verfügung.Ich rufe die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Pfeifer auf. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird entsprechend behandelt.Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Rossmanith auf:Welche Haltung nimmt der Bundesfinanzminister zu der Kritik ein, „der von ihnen gesetzte Finanzrahmen (85 Milliarden DM) für die Jahre bis 1985 bleibe weit hinter den bildungspolitischen Notwendigkeiten der nächsten Jahre zurück" (dpa-Dienst für Kulturpolitik, 1. Februar 1982, Seite 5)?Bitte sehr.
Herr Kollege, dem Bundesministerium der Finanzen steht in Fragen der gesamtstaatlichen Bildungsfinanzierung weder eine Entscheidungskompetenz noch eine Schiedsrichterfunktion zu. Auf keinen Fall kann der Bundesminister der Finanzen bei der Erstellung des Bildungsgesamtplans z. B. darüber befinden, ob, wo und wie viele Kindergartenplätze geschaffen, Berufsschuloder Gymnasiallehrer eingestellt werden können. Im übrigen stellt der Bildungsgesamtplan nicht etwa eine Entscheidung über die konkrete Finanzierung des Sachprogramms im einzelnen bis zum Jahr 1985 oder 1990 und erst recht nicht für .das einzelne Land, also auch nicht für den Freistaat Bayern dar.
Dieser Bildungsgesamtplan ist vielmehr eine unverzichtbare Hilfe zur Orientierung im Bildungs- und Finanzbereich. Die Plandaten des Bildungsgesamtplans sind Bundesdurchschnittswerte und werden nicht etwa nach Gebietskörperschaften oder gar einzelnen Ländern getrennt ausgewiesen. Die Länder legen wegen ihrer Zuständigkeit für Kultur, Bildung und Wissenschaft großen Wert darauf, daß dies nicht geschieht. Um regionale Probleme, wie z. B. Lehrereinstellung, geht es aber im Kern wohl bei Ihrer kritischen, die Notwendigkeiten ansprechenden Fragestellung. Herr Kollege, dafür allerdings finden Sie im Bundesministerium der Finanzen nicht den richtigen Adressaten.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beanwortung. Ich darf jetzt trotzdem die Frage an Sie richten: Halten Sie diesen
Finanzrahmen von 85 Milliarden DM für ausreichend oder nicht?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Diese Frage ist nicht an mich zu richten. Sie kennen das Verfahren: Die Bund-Länder-Kommission sitzt zusammen mit den Finanzministern der Länder, der Finanzministerkonferenz. Diese beiden Institutionen sind durch ihre jeweiligen Vorsitzenden und Stellvertreter vertreten. In der Bund-Länder-Kommission ist das Bundesfinanzministerium vertreten. Eine Reihe anderer Ressorts des Bundes ist ebenso vertreten: das Bundeskanzleramt, das Bundesinnenministerium, das Bundesministrium für Bildung und Wissenschaft, das BMJFG, das BMFT und das BMW. Wir sind, wie ich schon gesagt habe, ebenfalls vertreten. Daß in einem solchen Gremium Meinungsverschiedenheiten auftreten — hier das Interesse an der Bildung allein, dort, bei den Finanzministern, das Interesse an der Finanzierung aller staatlichen Aufgaben —, ist selbstverständlich. Daß man miteinander redet und versucht, sich aufeinander zuzubewegen, sich zu finden, ist ebenso selbstverständlich, und dies ist in der Vergangenheit meistens geglückt. Ich bin eigentlich auch für die Zukunft zuversichtlich.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann aber die Tatsache, daß der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Engholm, diesen Betrag von 85 Milliarden DM als zu niedrig ansieht und in der Bund-Länder-Kommission erklärt hat, daß dies die Meinung der gesamten Bundesregierung sei?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich erkläre mir das mit dem, was ich Ihnen eben erklärt habe, nämlich daß es hier das berechtigte Interesse eines Fachressorts und dort Überlegungen gibt, die sich auf die gesamte Finanzpolitik des Staates — der einzelnen Länder auf der einen Seite und des Bundes auf der anderen Seite — beziehen. Damit erkläre ich mir das — und bleibe dennoch mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft befreundet.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Wilms.
Herr Staatssekretär, ich möchte gern sehr konkret von Ihnen wissen: Beabsichtigt der Bundesminister denn, von sich aus eine Erweiterung des bisher vorgesehenen Finanzvolumens von 85 Milliarden DM in die Wege zu leiten?Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich würde die Frage eigentlich gern zurückgeben und fragen: Was regen Sie an? Damit wäre aber den Richtlinien für die Fragestunde vielleicht nicht entsprochen.
Ich sage hier noch einmal ganz deutlich, was ich, eingehend auf die Frage des Herrn Kollegen Rossmanith, gesagt habe. Dem Bundesminister der Finan-
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5240 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1982
Parl. Staatssekretär Haehserzen steht in Fragen der gesamtstaatlichen Bildungsfinanzierung weder eine Entscheidungskompetenz noch eine Schiedsrichterfunktion zu. Wäre ich dazu gekommen, auch die Frage des Abgeordneten Pfeifer zu beantworten, und würde ich dazu kommen, die übrigen Fragen zu beantworten, so hätten Sie auf Grund meiner Antworten einen umfassenden Überblick über das, was unsere Kompetenzen und unsere Möglichkeiten sind.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, das wäre eine ganz neue Variation: Die Bundesregierung fragt Abgeordnete. Sie ist aber nicht nur vielleicht, sondern tatsächlich nicht vorgesehen.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich bedaure das sehr, Herr Präsident.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete von Braun-Stützer.
Herr Staatssekretär, es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß die Zahl von 85 Milliarden DM bei den Bildungspolitikern aller Parteien sehr umstritten ist und als zu niedrig angesehen wird, sogar bei Bildungspolitikern der CSU. Ich möchte Sie im übrigen fragen, ob Sie nicht der Ansicht sind, daß der Schwarze Peter — hier wird im Zusammenhang mit der Schuldverteilung in bezug auf falsche Prioritäten in unseren öffentlichen Haushalten j a ein Schwarzer-Peter-Spiel vorgeführt — ohne weiteres an die Länderfinanzminister zurückgegeben werden kann.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ja, verehrte Frau Kollegin, ich hatte schon in dem letzten Satz meiner Antwort an den Herrn Kollegen, der die Frage an mich gerichtet hat, gesagt, daß ich, sprich: das Bundesministerium der Finanzen, ganze Teile der hier vorliegenden Fragen betreffend, nicht der richtige Adressat sei. Es sollte vielleicht empfohlen werden, die Landtagskollegen, die wir alle haben, zu bitten, in ihren jeweiligen Landtagen die dortigen Regierungen zu befragen. Sie sind eigentlich sachkompetenter.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 45 der Frau Abgeordneten Geiger auf:
Welche Konsequenzen gedenkt der Bundesfinanzminister aus der Feststellung zu ziehen, daß der bisherige Verlauf der Beratungen der Bund-Länder-Kommission erwarten lasse, daß die Stellungnahme der Finanzminister in keiner Weise als akzeptabel betrachtet werden könne ?
Bitte.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Liebe Frau Kollegin, der Bundesminister der Finanzen wird sich wie immer konstruktiv an der Meinungsbildung der Bundesregierung für die nächsten Sitzungen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung beteiligen, um weiterhin mitzuwirken, daß endlich der Zweite Bildungsgesamtplan in der Bund-Länder-Kommission beschlossen und den Regierungschefs von Bund und Ländern vorgelegt werden kann.
Es lag zunächst bei den Vorsitzenden der BundLänder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung und der Landesfinanzministerkonferenz, nach Lösungen zur Überbrückung der noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten zu suchen. Da diese Spitzengespräche bisher keine Ergebnisse gezeitigt haben, wird man die Sachlage in der nächsten Sitzung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung erörtern und sich über das weitere Verfahren verständigen müssen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen immer von „man"; jetzt habe ich die Frage: Wird der Finanzminister von sich aus neue Gespräche in dieser Sache anregen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Das ist nicht seine Kompetenz, verehrte Frau Kollegin.
Aber ist er bereit, die Sachlage neu zu überdenken?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Hier geht es gar nicht um die Bereitschaft, sondern hier geht es um Zuständigkeiten. Um diese Zuständigkeiten liegen eindeutig — ich wiederhole das noch einmal — bei der Bund-Länder-Kommission auf der einen Seite, und zwar dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter, und bei der Länderfinanzministerkonferenz auf der anderen Seite, und zwar beim Vorsitzenden und seinem Stellvertreter.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeifer.
Herr Staatssekretär, wenn sich die Bundesregierung weiterhin konstruktiv an den Arbeiten für die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans in der zuständigen Bund-Länder-Kommission beteiligen wird: Welchen Finanzrahmen für die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans hält die Bundesregierung auf Grund ihrer Verantwortung für vertretbar?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Dieser Finanzrahmen wird am Ende aller Beratungen festgestellt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rayer.
Herr Staatssekretär, können Sie mir, nachdem Sie festgestellt haben, daß es nicht eigentliche Aufgabe des Bundesfinanzministers sei, Konsequenzen zu ziehen, vielleicht sagen, ob die Landesfinanzminister Konsequenzen aus der Tatsache ziehen wollen, daß man ihre Stellungnahme, wie es in der Anfrage formuliert ist, nicht akzeptabel findet?Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich verstehe, daß Sie die Frage, da hier im Augenblick eine Fragestunde ist, gern an den Mann bringen wol-
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Parl. Staatssekretär Haehserlen, in diesem Fall an mich, aber vielleicht sind zu gleicher Zeit auch in Länderparlamenten Fragestunden. Dort gehören diese Fragen hin. Ich werde veranlassen, daß eine Reihe von Kollegen aller Fraktionen aus den Landtagen das Protokoll über diese Fragestunde zugeschickt bekommen, und dann wird es sicher eine Möglichkeit geben, daß die Kollegen in den Länderparlamenten die Themen wieder aufgreifen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weisskirchen.
Wenn Sie dies tun, Herr Staatssekretär, können Sie den Kollegen in den Landtagen vielleicht auch das Material zu folgender Frage mit zusenden: Wie hoch ist der Anteil der Aufwendungen des Bundes an dem gesamten Bildungsbudget der öffentlichen Hand, und welche Bildungsmaßnahmen unterstützen Sie damit?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie sind sehr zurückhaltend in Ihren Ausführungen. Aber auf diese Zusatzfrage dürfen Sie sogar schweigen. Das ist nicht Ihre Aufgabe.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich kann es deswegen tun, Herr Präsident, weil in einer der nächsten Fragen danach gefragt wird. Ich werde gern die Gelegenheit benutzen, zu sagen, wie die Verteilung der Ausgaben für Bildung nach Recht und Gesetz, auch Grundgesetz, auf die einzelnen Gebietskörperschaften, Länder, Bund und Gemeinden, ist. Ich hoffe, ich komme noch dazu, Herr Präsident.
Herr Abgeordneter Daweke, ist das noch eine Zusatzfrage zu der laufenden Frage? — Bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Haehser, wenn Sie hier laufend auf die Nicht-Zuständigkeit des Bundesfinanzministers hinweisen, darf ich fragen: Weshalb nehmen Sie denn an den Beratungen teil?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich habe nicht davon gesprochen, daß wir nicht zuständig sind. Das haben Sie jedenfalls nicht heraushören können. Ich habe gesagt, daß der Bundesminister der Finanzen einer von sieben Vertretern des Bundes ist. Diese sieben Vertreter des Bundes geben ihre Auffassung einheitlich ab. Diesen sieben Vertretern des Bundes sitzen die von mir genannten Damen und Herren gegenüber. Ich hatte gesagt, daß man sich in der Vergangenheit zusammengerauft hat und daß ich auch für die Zukunft nicht schwarzsehe. Mut zur Zukunft!
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Daweke auf:
Wird sich der Bundesfinanzminister an dem vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft vorgeschlagenen neuen Gespräch zwischen der Bund-Länder-Kommission für
Bildungsplanung und der Finanzministerkonferenz zur Finanzierung des Bildungsgesamtplans beteiligen, und welche Positionen wird der Bundesfinanzminister dabei vertreten?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die zwischen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung einerseits und der Landesfinanzministerkonferenz andererseits geführten Gespräche werden auf der Seite der Bund-Länder-Kommission durch den jeweiligen Vorsitzenden und seinen Stellvertreter wahrgenommen und auf der Seite der Landesfinanzministerkonferenz ebenfalls durch deren Vorsitzenden und Stellvertreter. Der Bundesminister der Finanzen war und ist deshalb an den geführten Gesprächen nicht beteiligt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie darf ich dann die öffentliche Äußerung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft verstehen, in der es heißt, er sei enttäuscht über die Reaktion der Finanzminister — also auch des Finanzministers des Bundes —, und er biete ein Gespräch im Februar an?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Zu diesem Thema hat sich nicht das Bundesministerium der Finanzen, sondern die Konferenz der Länderfinanzminister geäußert. An dieser Konferenz ist das Bundesministerium der Finanzen nicht beteiligt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich noch einmal konkret nachfragen: Hat zwischen dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und dem Bundesminister für Finanzen das durch den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft angekündigte Gespräch über die zusätzlichen Finanzforderungen stattgefunden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Fragen, die in der heutigen Fragestunde eine Rolle spielen — ich habe sie mir, wie Sie sich denken können, sorgfältig angesehen, übrigens schon deswegen, weil ich vermutet hatte, schon in der vorigen Fragestunde dranzukommen —, drehen sich um Gespräche zwischen der Bund-Länder-Kommission und der Landesfinanzministerkonferenz. Das ist der Gegenstand aller Fragen. Ich hatte Ihnen gesagt, wer dort die Gesprächspartner sind, nämlich die beiden Vorsitzenden der einen Seite und die beiden Vorsitzenden der anderen Seite. Daß es zwischen dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und uns immer wieder Besprechungen gibt, ist eine bare Selbstverständlichkeit.
— Über viele Themen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pfeifer.
Da der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft die Verhandlungen mit dem
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PfeiferZiel führt, für die Fortschreibung des Bildungsgesamtplanes einen Finanzrahmen von bis zu 94 Milliarden DM im Jahre 1985 zu erreichen, möchte ich Sie fragen: Halten Sie dieses Verhandlungsziel für vertretbar?Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich halte es für vertretbar, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft einen Finanzierungsrahmen anstrebt, der alles abdeckt, was nach seinem Gefühl abgedeckt werden muß.
Bei dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft handelt es sich — wie bei allen Bundesministern — um einen gescheiten Mann.
Er wird mit uns und mit den Landesfinanzministern nicht nur über das, was bildungspolitisch erwünscht, sondern auch über das, was finanziell durchsetzbar und vertretbar ist, im Gespräch sein.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rayer.
Herr Staatssekretär, nachdem eben darauf hingewiesen worden ist, daß vom Bundesminister der Finanzen und vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft möglicherweise unterschiedlich zu interpretierende Äußerungen vorliegen, darf ich fragen: Ist Ihnen bekannt, ob die Länderfinanzminister und die Kultusminister der Länder auch ab und zu miteinander sprechen? In der Öffentlichkeit kann man manchmal den Eindruck haben, als sei auch da nicht immer alles interpretationsgleich.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist in der Tat bekannt, daß die Finanzminister jedes einzelnen Bundeslandes mit Ressortministern sprechen und daß sie Meinungsverschiedenheiten untereinander haben.
Ich bin mit dem Ablauf der Fragestunde jetzt doch zufriedengestellt, weil die letzte Zusatzfrage sehr konkret beantwortet wurde.
— Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß wir die anderen Fragen an den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär in die Rubrik stellen müßten — ich würde das tun, wenn ich nicht die Würde des Hauses im ganz strengen Sinne wahren müßte —: „Mäh" hat der Ziegenbock gemacht, als man ihn melken wollte.
Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Nelle auf:
Stimmt die Bundesregierung der Feststellung zu, die Bildungsminister von Bund und Ländern hätten die Pflicht, das Bildungs- und Ausbildungssystem der Bundesrepublik Deutschland auf einem Stand zu halten, der es befähige, mit den besonderen Herausforderungen der 80er Jahre fertigzuwerden, und welche Konsequenzen ergeben sich nach Ansicht des Bundesfinanzministers daraus für die Finanzierung des Bildungsgesamtplans ?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Nelle, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es nicht nur Aufgabe der Bildungsminister von Bund und Ländern, sondern aller politisch Verantwortlichen ist, das Bildungs- und Ausbildungssystem der Bundesrepublik auf einen Stand zu bringen, der es befähigt, mit den besonderen Herausforderungen der 80er Jahre fertig zu werden. Diese für Bund, Länder und Gemeinden schwierige Aufgabe soll durch die Verabschiedung der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans erleichtert werden. Dieser Bildungsgesamtplan soll für die dazu notwendigen vielen Einzelentscheidungen eine wichtige Orientierungshilfe sein. Ich gehe davon aus — ich habe das in dieser Fragestunde schon mehrfach betont—, daß alle Verantwortlichen in den beteiligten Gebietskörperschaften bei der Aufstellung der jeweiligen Haushalte auch die in ihrer Zuständigkeit liegenden Entscheidungen über die Finanzierung des Bildungsgesamtplanes entsprechend fällen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Daweke.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie noch einmal fragen: Wird der Bundesfinanzminister dem Bundesbildungsminister folgen und eine Ausweitung des Finanzvolumens vorschlagen, oder wird er den Länderfinanzministern folgen, die bei der Finanzierung von 85 Milliarden Mark eine Grenze ziehen?Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich hatte vorhin, Herr Kollege, einmal gesagt, daß der Einfluß des Bundes in diesem Bereich relativ gering ist.
Der Präsident hat mich gerügt.
— Dann hat der Kollege Gärtner recht: Der Präsident meint es gut mit mir.
Ich muß doch noch einmal zu Ihrer Unterrichtung und zur Unterrichtung der Öffentlichkeit folgendes sagen. Dieser relativ geringe Einfluß des Bundes ist auch zahlenmäßig zu belegen. Ich kann daran erinnern, daß im Jahre 1980 von den gesamten Bildungsausgaben der öffentlichen Hand in Höhe von 77,1 Milliarden DM rund 72 % auf die Länderhaushalte, rund 19 % auf die Gemeindehaushalte und nur rund 9 % auf den Bundeshaushalt entfallen sind. Immerhin machen aber auch diese rund 9 % noch einen Betrag von etwa 6,7 Milliarden DM aus. Mit diesem finanziellen Engagement war es immerhin möglich,
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Parl. Staatssekretär Haehserviele neue Universitäten zu erstellen, übrigens auch in meiner Heimatstadt Trier; sie entwickelt sich ganz gut. Zu den seit 1970 im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ausgegebenen rund 29 Milliarden hat der Bund knapp 14 Milliarden beigetragen.Mit all dem will ich sagen: Die Hauptlast — das hat der Grundgesetzgeber so gewollt — der Ausgaben für die Verteidigung und für vieles andere mehr liegt beim Bund, aber gerade für Schulen, Hochschulen usw. liegt sie bei den Ländern. Deswegen wird von dort aus auch der größte Einfluß auf die Höhe der Summe ausgehen, die letztlich für die Bildung ausgegeben wird. Zum Zustandekommen der Summe trägt der Bundesfinanzminister und tragen andere Ressorts der Bundesregierung, darunter der Fachminister für Bildung und Wissenschaft, mit ihrem Rat bei.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeifer.
Herr Staatssekretär, können Sie meiner Feststellung zustimmen, daß die Bundesregierung in dieser Fragestunde allen für die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans relevanten finanzpolitischen Fragestellungen ausgewichen ist?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nein.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Weyel.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit der Auffassung des Herrn Präsidenten, die er so besonders bildreich ausgedrückt hat, überein, daß es sich bei diesem Komplex der fünf Fragen um die Kategorie des untauglichen Versuchs am untauglichen Objekt handelt?
Frau Abgeordnete Weyel, aus zwei Gründen kann ich die Frage nicht zulassen, die freilich schon im Protokoll festgehalten ist: zum einen, weil der Parlamentarische Staatssekretär nicht zuständig ist, eine Bemerkung des Präsidenten zu beurteilen,
und zweitens, weil diese Frage nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Frage steht.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Wilms.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer vorletzten Antwort sicher zu Recht darauf hingewiesen, daß der größte Einfluß auf den Finanzrahmen in Sachen Bildung von den Ländern ausgehe. Dürfte ich von Ihnen mal wissen, in welcher Richtung der Herr Bundesfinanzminister denn seinen zweifellos geringeren Einfluß auf die gesamte Finanzgebarung und den Finanzrahmen auszuüben gedenkt?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Einen pflichtgemäßen Einfluß, Frau Kollegin. Das heißt, das Bundesministerium der Finanzen wird so operieren, daß die Belange der Bildung und die Belange der Staatsfinanzen nicht zu kurz kommen.
Keine weiteren Zusatzfragen — wegen völliger Aufklärung.Herr Parlamentarischer Staatssekretär, jetzt nenne ich eine ganze Reihe von Fragen, die auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden sollen, und zwar die Frage 48 der Frau Abgeordneten Hoffmann , die Frage 49 derselben Abgeordneten, die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Conradi, die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, und zwar nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien, weil diese Fragen noch in der laufenden Woche im Plenum behandelt werden. Das gilt auch für die Frage 53 desselben Abgeordneten und für die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler. Auch die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Coppik soll schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Die Fragen 56 und 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri sind zurückgezogen worden.Die Frage 60 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Wir kommen zu den letzten Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, und zwar zunächst zu der Frage 58 des Herrn Abgeordneten Dr. Olderog.
— Haben wir noch 51 zu behandeln? Einen Moment! Ich komme sofort darauf zurück.Ich rufe die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Zeitler auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß die VEBA OEL AG einen Auftrag im Wert von 1,5 bis 2 Millionen DM an eine Schweizer Firma vergeben hat, obwohl ein günstigeres Angebot von einem deutschen Unternehmen vorlag, und wird die Bundesregierung bei bundeseigenen Unternehmen und bei Unternehmen, an denen der Bund maßgeblich beteiligt ist, aus arbeitsmarktpolitischen Gründen darauf hinwirken, daß Aufträge künftig vorrangig an deutsche Firmen vergeben werden?Darf ich bitten.Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zeitler, Entscheidungen wie die Auftragsvergabe im vorliegenden Fall fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Unternehmensvorstands, der auch die alleinige Verantwortung für solche Entscheidungen trägt. Das Aktienrecht verbietet Aktionären, in diesem Fall der Bundesregierung, Eingriffe in die dem Vorstand obliegenden laufenden Geschäfte. Das gilt, wie ich damit gesagt habe, auch für Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist.Das Unternehmen VEBA hat mir aber zu dem von Ihnen angesprochenen Fall mitgeteilt, daß die Ent-
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Parl. Staatssekretär Haehserscheidung bei praktisch preisgleichen Konkurrenzangeboten zugunsten der Schweizer Firma gefallen ist, weil diese die im Detail bessere technische Ausführung angeboten hat.Im übrigen weist VEBA darauf hin, daß 75 bis etwa 80 % des Auftragswertes an deutsche Unterlieferanten gehen werden.
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, eigentlich geht man davon aus, daß derjenige, der eine Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen hat, auch einen ganz bestimmten Einfluß auf das Unternehmen hat. Deshalb frage ich Sie, ob Sie mir nicht zustimmen, daß es, wenn ein Betrieb im gebeutelten Ruhrgebiet Konstruktionsteile und Montage braucht und fast daneben der andere deutsche Betrieb liegt, der das leisten kann und dem mündlich zugesagt worden ist, daß der Auftrag dorthin erteilt wird, unverständlich bleibt, daß dennoch ein Auftrag ins Ausland geht.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Von diesem Detail, Herr Kollege Zeitler, der — so muß ich es formulieren — angeblich erfolgten mündlichen Zusage war mir nichts bekannt. Dem Detail gehe ich nach.
Aber im übrigen muß sich auch der Eigentümer Bund darauf beschränken, im Rahmen des Aktienrechts tätig zu werden; und, verehrter Herr Kollege Zeitler, meine Damen und meine Herren, wir haben auch Rücksicht darauf zu nehmen, daß die Bundesrepublik Deutschland — auch Firmen des Ruhrgebiets — größtes Interesse am Export ihrer Waren hat. Wir könnten also nicht etwa sagen: Laßt uns munter exportieren, aber nichts aus dem Ausland hereinnehmen. Das wäre eine falsche Politik.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da Sie offensichtlich gewillt sind, mich freundlicher zu behandeln als andere Fragesteller, und gesagt haben, Sie wollten dem, was ich sage, nachgehen, würden Sie dann vielleicht bereit sein, auch dem nachzugehen, daß da ein etwas größerer Auftrag in den gleichen Zusammenhängen zur Rede steht, und da Ihren Einfluß geltend zu machen, daß die beteiligte deutsche Firma den Auftrag erhält?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich bin mir nicht bewußt, jemanden unfreundlich behandelt zu haben, sondern ich behandele doch alle Kollegen, da sie j a Kollegen sind, so freundlich wie Sie, Herr Kollege Zeitler.
Im Rahmen der aktienrechtlichen Möglichkeiten will ich diese Frage überprüfen.
Herr Abgeordneter Zeitler, freundlich ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser immer.
Er ist nur nicht immer so konkret, wie Sie es wünschen. Aber das hat sicherlich andere Gründe.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn Sie unter Hinweis auf das Aktiengesetz sagen, Sie können nicht in die einfachen Rechtsgeschäfte eines Unternehmens einwirken, so ist das sicher im Einzelfall so, wie Sie es sagen. Aber bestehen nicht bei einem bundeseigenen Unternehmen von seiten des Aufsichtsrats gewisse Richtlinien oder gewisse, wenn auch nicht zwingende Hinweise darauf, daß in solchen und ähnlichen Fällen zunächst einmal die bundesdeutschen Unternehmen Berücksichtigung finden sollten, oder sollte man nicht gar vom Management eines bundeseigenen Unternehmens so viel Gespür erwarten, daß bei der Auftragsvergabe die Bemühungen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unterstützt werden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Solche Richtlinien, Herr Kollege Meininghaus, bestehen nicht. Andererseits muß ich im vorliegenden Fall darauf hinweisen, daß ich in der Beantwortung der Hauptfrage darauf aufmerksam gemacht hatte, daß das Konkurrenzangebot zum Angebot einer deutschen Firma im Detail eine bessere technische Ausführung geboten hat. So wird mir berichtet; ich kann das selber nicht nachprüfen. Wenn dem aber so ist, dann wäre der Vorstand wohl gehalten, das von ihm als günstiger empfundene Angebot zu akzeptieren.
Im übrigen nutze ich gern die Gelegenheit, hier in der Öffentlichkeit zu sagen, daß ich von deutschen Firmen erwarte, daß bei Berücksichtigung des Grundsatzes, daß wir auch exportieren wollen — und im Interesse unserer Volkswirtschaft viel exportieren wollen und müssen —, deutsche Firmen so oft, wie das vertretbar ist, bei Auftragsvergaben berücksichtigt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Dr. Olderog auf:
Wird die Bundesregierung — erforderlichenfalls durch entsprechende Anweisungen an die zuständigen Zollbeamten — gewährleisten, daß die sog. Butterschiffe an der Nord- und Ostsee auch in Zukunft ihren Betrieb im bisherigen Umfang fortführen können?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, wenn der Kollege damit einverstanden ist, möchte ich gerne beide Fragen zusammen beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Dr. Olderog auf:
Falls nein, welche Wege und Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, zumindest eine angemessene Übergangsfrist zu gewährleisten, um den betroffenen Arbeitnehmern eine berufliche Neuorientierung und den Reedereien eine ordnungsgemäße Liquidierung ihrer Gewerbebetriebe zu ermöglichen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Olderog, wie der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. Juli 1981 — Rechtssache 158/80 — festgestellt hat, sind die Eingangsabgabenbefreiungen, die
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Parl. Staatssekretär Haehser
für Einkäufe unverzollter oder unversteuerter Waren auf sogenannten Butterschiffen gewährt werden, nicht rechtmäßig. Die EG-Kommission hat gefordert, diese Abgabenbefreiungen spätestens bis zum 31. März 1982 abzuschaffen.
Das zuständige Finanzgericht hat, gestützt auf das vom Europäischen Gerichtshof ausgelegte Gemeinschaftsrecht, das zuständige Hauptzollamt — vorläufig vollstreckbar — verurteilt, es zu unterlassen, Waren abgabenfrei abzufertigen, die auf den als Butterfahrten bezeichneten Stichfahrten — das sind Fahrten ohne Anlaufen eines Auslandshafens — von Einkaufsreisenden erworben worden sind.
Die Bundesregierung wird über die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Folgen in nächster Zeit beraten.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, kann die Beratung der Bundesregierung, die ja wohl am 24. März 1982 stattfinden soll, mit dem Ergebnis enden, daß die Butterfahrten ab 31. März 1982, wie es die Europäische Kommission wünscht, endgültig verboten werden, und wie ist es zu erklären, daß die Bundesregierung seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes acht Monate benötigt hat, um zu einer Entscheidung — wenn es dazu überhaupt kommt — zu kommen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn die Bundesregierung darüber am 24. März 1982 beraten sollte — Tagesordnungen von Kabinettssitzungen werden immer mal wieder geändert —, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß die Wirkung eines Beschlusses, sollte er im Kabinett gefaßt werden, bereits sieben Tage später eintreten könnte. Ich kann mir das nicht vorstellen, aber ich kann mich irren. Ich gehe der Sache gerne noch einmal nach, um Sie per Telefonanruf oder auch per kurzen Brief zu informieren.
Was nun die acht Monate angeht, so liegt zwar ein Urteil vor, wie ich es geschildert habe. Nach unserer Vorstellung betrifft es aber nicht nur Butterfahrten. Weil das unsere Vorstellung ist, beraten wir darüber mit unseren europäischen Partnern, mit denen aber z. B. eine gleiche Beurteilung des Duty-and-TaxFree-Verkehrs noch nicht möglich gewesen ist. Das verzögert die Beratungen, die dennoch wohl eines Tages zu einem Ende führen werden, das nach meinem Gefühl so aussehen sollte, daß die Problematik in allen EG-Ländern gleichbehandelt wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, für den Fall, daß die Kabinettsberatung ergibt, aus zwingenden europarechtlichen Gründen müsse ein Aus für die Butterschiffe verkündet werden: Ist die Bundesregierung dann bereit, auf europäischer Ebene eine Initiative zu ergreifen, die dahin zielt, eine Rechtsänderung zugunsten der Butterfahrten herbeizuführen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen nicht zusagen. Was ich Ihnen zusagen kann, ist, daß sich die Bundesregierung bemühen wird, gleiches Recht für alle in allen europäischen Staaten herbeiführen zu helfen.
Dieses Urteil liegt nun vor. Es ist ja nicht von der Bundesregierung angestrebt worden. Nach diesem Urteil haben wir uns zu richten. Wie das in der Praxis aussieht, werden die Beratungen ergeben. Aber es darf nicht so sein — da es gegen die Bundesregierung ergangen ist —, daß sich nur die Bundesrepublik danach richtet. So darf es nicht sein.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie erklärt es sich, daß der Bundesminister der Verteidigung, Herr Apel, vor wenigen Wochen auf einer Wahlveranstaltung in Heiligenhafen erklärt hat, daß es mit den Butterfahrten unabhängig vom Urteil des Europäischen Gerichtshofes weitergehen werde, und können Sie sagen, daß Herr Apel diese Äußerung ohne Deckung des Kabinetts gemacht hat?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich kann hier nicht zu Wahlveranstaltungen Stellung nehmen, Herr Kollege.
Das werden Sie verstehen. Ich müßte dann zu vielen Wahlveranstaltungen Stellung nehmen, auch des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten und des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Das will ich gerne aus der Fragestunde weglassen.
Es gibt keine Möglichkeit, die Bundesregierung zu zwingen, die Antwort zu geben, die der Fragesteller oder die anwesenden Abgeordneten erwarten. Die Bundesregierung ist hier frei.
Eine Einschränkung kann ich vornehmen, nämlich die, daß der Parlamentarische Staatssekretär, ganz gleich aus welchem Ressort, nicht zuständig ist für Äußerungen des Ministerpräsidenten eines Landes. Aber sonst haben Sie Ihre Antwort allein zu vertreten.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Hat sich der Herr Bundesminister Apel in den letzten Wochen mit dem Bundesfinanzminister in Verbindung gesetzt, um eine Klärung dieser Frage herbeizuführen oder aus dem Bundesfinanzministerium zu erfragen, in welchem Sinne er sich öffentlich äußern kann?Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will einmal so sagen, Herr Kollege — warum soll man nicht einmal ein bißchen aus dem Nähkörbchen plaudern —: Im Bundeskabinett sind — —
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Herr Abgeordneter, wenn der Herr Parlamentarische Staatssekretär jetzt eine Antwort geben will, die womöglich zur Zufriedenheit der Fragesteller ausfällt, sollte man ihn daran keinesfalls hindern. — Bitte schön.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nach dem Einwurf will ich doch vorsichtiger mit dem Nähkörbchen sein, als ich ursprünglich wollte. Ich will aber doch soviel sagen: Die Angelegenheit der Butterschiffahrt — so will ich es einmal nennen — und der Beschäftigten in diesem Rahmen hat nicht nur eine rechtliche Seite, sondern auch die, die von Ihrer Frage eigentlich gemeint ist. Im Kabinett sitzen Männer, die sich hellhörig für diese Angelegenheit der Butterschiffe interessieren. Das fängt bei dem hamburgischen Abgeordneten Bundeskanzler Schmidt an und hört beim Bundesverteidigungsminister Apel nicht auf. Das war das, was ich aus dem Nähkörbchen sagen wollte.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bei den Beratungen im Kabinett darüber im klaren, daß die ganze Küstenregion, vor allen Dingen die an der Ostsee, schwer getroffen würde, falls die sogenannten Butterschiffe, bei denen es vor allen Dingen auf die Zollfreiheit von Schnaps und Zigaretten ankommt, gefährdet wären? Können Sie sich vorstellen, daß ein anderes Land wie meinetwegen Italien folgen würde, wenn in Sizilien ähnlich schwierige Verhältnisse durch einen Beschluß des Europäischen Gerichtshofes entstehen würden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich gehe so weit, daß ich unterstreiche, was ich gesagt habe: Es wird der Bundesregierung bei dem, was sie schließlich als Ergebnis ihrer Beratungen festlegt, darauf ankommen, daß andere Länder dem Sinn des Urteils folgen. Darauf wird es uns ankommen. Ich bin sicher, das wird auch für andere Urteile gelten müssen, denn solche Urteile werden nicht gegen die Bundesregierung oder gegen die Bundesrepublik Deutschland, sondern für Europa gesprochen, und zu Europa gehört auch Italien.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung bei ihren Beratungen im Kabinett auch Überlegungen anstellen, wie man die empfindlichen Verluste der Reeder, der Schiffer, der Busunternehmer, der Mitarbeiter der verschiedenen beteiligten Institute und Organisationen und vor allen Dingen der Unternehmen sozial einigermaßen verkraftbar machen kann?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Das, Herr Kollege, wird eine Rolle spielen müssen. Aber auch die Geschäftsgänge, die an Land nicht zustande kommen und das dort ansässige Gewerbe treffen, werden in den Überlegungen eine Rolle spielen müssen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leuschner.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, trifft es zu, daß der zuständige EG-Kommissar, der aus Schleswig-Holstein stammende Herr Narjes, hinsichtlich der Verlängerung oder einer günstigen Übergangsregelung für Butterfahrten keine konstruktive Haltung gezeigt hat?
— Ich frage nach der Haltung des zuständigen Kommissars.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich müßte das, Herr Kollege, prüfen lassen; ich kann Ihnen das aus dem Handgelenk nicht sagen. Ich vermute aber, daß Sie Informationen haben, die mir die Prüfung erleichtern könnten. Sind Sie so freundlich und geben Sie mir diese Informationen.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß ein Mitglied der Europäischen Kommission sicher am ehesten Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofes zu akzeptieren hat?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Wenn ich Ihnen da zustimmen wollte, dann würde ich ja die Fragen in der Fragestunde nicht verstehen, denn in diesen wird j a von der Bundesregierung quasi verlangt, daß sie sich differenziert zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes verhalten soll.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir darüber einig, daß ein Mitglied der Europäischen Kommission als Mitglied der Behörde der Europäischen Gemeinschaft durchaus andere Auffassungen haben kann — nach dem Vertrag sogar haben muß — als die Bundesregierung, die allein nationale Interessen zu vertreten hat?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist jedenfalls nicht erschüttert, wenn andere Leute anderer Meinung sind als sie selber.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß die widersprüchlichen Au-
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Frau Blunckßerungen, die der zuständige Kommissar, Herr Dr. Narjes, in Schleswig-Holstein und in Brüssel gemacht hat, in bezug auf Frage 59 nicht unbedingt hilfreich sind, wo es um die berufliche Neuorientierung der Reedereien geht?Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich halte es für möglich, Frau Kollegin, daß ich Ihnen dann, wenn ich die Äußerungen von Herrn Narjes gelesen haben, zustimmen werde.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich nenne zuerst einmal die Fragen, die schriftlich beantwortet werden sollen. Die Fragen 67 und 68 des Herrn Abgeordneten Dolata sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Milz wird auf Grund der Bestimmung Nr. 2 Abs. 2 unserer Richtlinien schriftlich beantwortet; das gleiche gilt auch für die Frage 142 des Herrn Abgeordneten Link. Diese Fragen sind damit zu streichen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Rapp auf:
Lassen die Massenentlassungen bei den Firmen Nordtuende, Saba und Videocolor nach Auffassung der Bundesregierung eine gegen die Interessen der deutschen Arbeitnehmer gerichtete Unternehmenspolitik des diese Firmen beherrschenden französischen Thomson/Brandt-Konzerns erkennen, und teilt die Bundesregierung die Befürchtung, daß die geplante Beteiligung des Thomson/Brandt-Konzerns an AEG-Telefunken letztlich die Auszehrung auch dieses Unternehmens zur Folge haben könnte?
Die Bundesregierung beobachtet mit großer Aufmerksamkeit die Umstrukturierungsmaßnahmen bei den deutschen Thomson/BrandtTöchtern. Dabei darf nicht verkannt werden, daß die Unterhaltungselektronikindustrie insgesamt unter starkem Anpassungsdruck steht und andere Firmen dieser Branche ebenfalls große Probleme zu überwinden haben.
Minister Graf Lambsdorff hat gegenüber der französischen Regierung ebenso wie Staatssekretär von Würzen gegenüber der Geschäftsführung von Thomson/Brandt unsere Besorgnis über die jüngsten Entscheidungen des französischen Konzerns deutlich zum Ausdruck gebracht. Von französischer Seite ist uns versichert worden, daß man sich um eine ausgewogene Lastenteilung bemüht habe. In Frankreich sei ebenfalls ein erheblicher Verlust an Arbeitsplätzen unvermeidbar gewesen.
Die geplante Ausweitung der Zusammenarbeit von Thomson/Brandt mit Telefunken befindet sich unseres Wissens noch in einem frühen Stadium der Überlegungen. Wegen der auch davon tangierten Wettbewerbsprobleme möchte ich mich hierzu im einzelnen nicht äußern. Grundsätzlich haben wir in unseren Gesprächen mit Thomson/Brandt darauf hingewiesen, daß wir vor allem Wert darauf legen, daß Unternehmensentscheidungen auch weiterhin nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht unter dem Blickwinkel einer nationalen Beschäftigungspolitik getroffen werden.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der in Ulm und teilweise auch in der Presse aufgestellten Behauptung nachgegangen, der Thomson/Brandt-Konzern habe die Verbindlichkeiten des Gesamtkonzerns buchhalterisch auf das Werk Videocolor in Ulm vereinigt, so daß von daher überhaupt erst die Voraussetzungen für das Betreiben eines Liquidationsvergleichs nachgewiesen werden konnten? Und angenommen, es wäre an dem, wäre dies steuerrechtlich und gesellschaftsrechtlich überhaupt zulässig gewesen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, für die Vermutung, es habe hier eine buchhalterische Manipulation gegeben — so will ich das einmal ausdrükken —, hat sich aus unseren Gesprächen und Recherchen kein Anhaltspunkt ergeben. Die Bundesregierung hat aber nicht die Möglichkeit, interne betriebswirtschaftliche Vorgänge eines ausländischen Konzerns zu kontrollieren.
Mit sehr großer Intensität haben sich die IG Metall und die Landesregierung Baden-Württemberg mit diesem Vorwurf beschäftigt. Das Ergebnis des Versuchs der Rettung des Unternehmens ist schließlich in die Erkenntnis eingemündet, daß tatsächlich bei Videocolor nicht mit Aussicht auf Rentabilität produziert werden kann.
Was Ihre weitere Frage anlangt, so würde ich gern darauf schriftlich antworten, weil eine Fülle sehr komplizierter rechtlicher Fragen, die auch nicht allein das Ressort des Bundeswirtschaftsministeriums betreffen, damit angeschnitten werden. Ich bitte um Verständnis.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie oft hatte die Bundesregierung mit französischen Regierungsstellen Kontakt und mit wem dort? Könnten Sie über die Ergebnisse etwas präziser berichten?Grüner, Parl. Staatssekretär: Graf Lambsdorff hat insbesondere mit Minister Dreyfus gesprochen. Ich habe von Herrn von Würzen schon berichtet hinsichtlich der Geschäftsführung. Ich weise mit großem Nachdruck daraufhin, daß die Verhandlungen über die Rettung von Videocolor von der dafür zustandigen, nämlich für die regionalen wirtschaftspolitischen Fragen zuständigen Landesregierung von Baden-Württemberg mit großer Intensität geführt worden sind und dort alle die Fragen, die hier gestellt werden, detailliert erörtert worden sind, und zwar unter Beiziehung auch etwa der IG Metall.Unsere Gespräche auf der politischen Ebene haben vor allem dem Ziel gedient, den verständlicherweise naheliegenden Verdacht zu entkräften, daß ein auf der Verstaatlichungsliste stehendes Unternehmen wie Thomson/Brandt nunmehr unter staat-
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Parl. Staatssekretär Grünerlichen Gesichtspunkten gegenüber den ausländischen Töchtern dieses Unternehmens eine Politik betreiben könnte, die auf nationale Beschäftigungspolitik in Frankreich abzielt und keine wirtschaftlichen Erwägungen mehr berücksichtigt, die bisher internationale Konzerne im allgemeinen beachtet haben.Wir haben gegenüber der französischen Regierung sehr nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht — und auch die Zustimmung der französischen Regierung zu diesem Gesichtspunkt gefunden —, daß weiterhin nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht unter dem Gesichtspunkt einer nationalen Beschäftigungspolitik verfahren wird. Das ist uns vom französischen Minister Dreyfus ausdrücklich bestätigt worden. Wir haben den Standpunkt vertreten, daß für die Zukunft sichergestellt sein muß — angesichts der Verstaatlichung des Unternehmens und der damit gegebenen besonderen Lage, die den Verdacht nationaler Beschäftigungspolitik bei jeder Art des wirtschaflichen Eingriffs nahelegt —, daß andere als wirtschaftliche Gesichtspunkte keine Rolle spielen und daß in deutschen Werkstätten in angemessenem Umfang auch weiterhin Forschung und Entwicklung durchgeführt werden muß und daß ausländische Muttergesellschaften auch deutsches Führungspersonal zu beschäftigen haben. Außerdem haben wir unseren Standpunkt bekräftigt, daß in einer vernünftigen Relation zum deutschen Markt auch eine angemessene Produktion in Deutschland aufrechterhalten werden muß.Wir haben in allen diesen Fragen die Zustimmung der französischen Regierung erhalten. Wir werden auch in Zukunft mit besonderem Nachdruck gerade auf der Einhaltung dieser Grundsätze bestehen, ohne daß ich verschweigen will, wie schwierig es im konkreten Fall ist, nachzuprüfen, transparent zu machen, welche Gründe wirtschaftlicher oder anderer Art im einzelnen für diese oder jene weitreichende unternehmenspolitische Maßnahme ausschlaggebend sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß — generell gesprochen — multinationale Konzerne durchaus in der Lage und fähig sind, konzerninterne Interessen oder auch nationale Interessen höher zu bewerten als betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten, und gibt es möglicherweise in Ihrem Hause Untersuchungen darüber?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Diese Möglichkeit muß durchaus gesehen und eingeräumt werden. Es gibt in unserem Hause darüber keine Untersuchungen. Die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland als Standort für internationale Konzerne in der Vergangenheit außerordentlich interessant war, deutet allerdings darauf hin, daß es wirtschaftliche Gründe waren, die diese Konzerne veranlaßt haben, in Deutschland Produktionsstätten zu unterhalten. Ich bin zuversichtlich, daß das auch in Zukunft so sein wird.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, gibt es eine Übersicht über die Exporte aus den Nordmende-, Saba- und Videocolor-Märkten von der Bundesrepublik nach Frankreich, und lassen etwa vorhandene Zahlen den Schluß zu, daß die Produktionseinschränkungen und die Schließung dieser Werke mit der Politik der Rückeroberung des Binnenmarkts in Frankreich zusammenhängen könnten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Diesen Schluß lassen die uns vorliegenden Zahlen nicht zu. Der Thomson/ Brandt-Konzern hat für uns überzeugend dargelegt, daß es ihm in seiner Konzernstrategie insbesondere darum geht, der japanischen Herausforderung zu begegnen, und daß bedauerlicherweise auch die Schließung des Videocolor-Werks damit zusammenhängt, daß die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der japanischen Konkurrenz in bestimmten Bereichen nicht mehr gegeben war.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Rapp auf:
Wie stellt sich die Bundesregierung zu der z. B. auch im Zusammenhang mit der Unternehmenspolitik des Thomson/ Brandt-Konzerns geäußerten Vermutung, daß multinationale Konzerne im Fall der Reduzierung des Angebots Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland deshalb bevorzugt als Manövriermasse für ihre Anpassungsstrategien ansehen, weil hier die rechtlichen und die tatsächlichen Widerstände gegen die Vernichtung von Arbeitsplätzen geringer sind als in anderen Staaten, und welche Folgerungen zieht sie daraus?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über derartige, vermutete Überlegungen multinationaler Konzerne. Entscheidungen über im Rahmen von Strukturanpassungen notwendige Betriebsstillegungen werden im Rahmen der Geschäftspolitik der einzelnen Unternehmen getroffen. Bei diesen meist komplexen Unternehmensentscheidungen dürften auch die Produktionsbedingungen der Niederlassungen in der Bundesrepublik — insbesondere die Faktorkosten der Fertigung in der Bundesrepublik — eine Rolle spielen. Die rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen von Betriebsstillegungen sind in der Tat in den einzelnen Ländern unterschiedlich, zugleich aber auch schwer vergleichbar. Es gibt Hinweise dafür, daß die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik einen Anreiz für ausländische Investitionen in unserem Lande darstellen. Damit tragen sie zugleich zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik bei.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, durch welche Rechtsvorschriften ist in der Bundesrepublik Deutschland das Recht des Unternehmens, seinen Betrieb stillzulegen, eingeschränkt oder an Voraussetzungen geknüpft?Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich würde gern auch diese Frage wegen des komplexen Inhalts schriftlich beantworten.
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Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung im Reorganisationsverfahren des amerikanischen Insolvenzrechts einen auch für unsere Rechtsordnung geeigneten Weg, im Falle drohender Arbeitsplatzverluste von relevantem Ausmaß die Unternehmensinteressen und das Gemeinwohlinteresse in Einklang zu bringen, und wie ist in Amerika gewährleistet, daß in diesem Re-organisationsverfahren gleichwohl notwendiger Strukturwandel nicht behindert wird?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich würde diese Frage gerne erst zwischen den Ressorts prüfen lassen und kann hier keine Antwort geben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Auch.
Herr Staatssekretär, ist nach Ansicht der Bundesregierung im Betriebsverfassungsgesetz das Recht des Betriebsrats, im Falle beabsichtigter Betriebsschließung über einen Interessenausgleich zu verhandeln, ausreichend wirksam ausgestaltet, oder bedürfte es dazu einer paritätisch angelegten Verhandlungsmacht mit der Möglichkeit der Anrufung einer Schiedsstelle?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist der Meinung, daß sich diese Regelungen, die wir im Betriebsverfassungsgesetz haben, bewährt haben. Das schließt natürlich nicht aus, daß neue Entwicklungen auch weitere Überlegungen in diesem Bereich nahelegen können, ohne daß ich mich jetzt mit dem von Ihnen gemachten Vorschlag identifizieren würde. Das müßte wirklich sehr eingehend geprüft und besprochen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leuschner.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten hat ein einzelnes von einer Betriebsschließung betroffenes Belegschaftsmitglied, das gegen die Schließung wegen Willkür klagen will, Unterlagen dieses Unternehmens einzusehen, um so seine Behauptung stützen zu können, daß die Schließung willkürlich ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich möchte auch das gern schriftlich beantworten, Herr Kollege. Ich bitte um Verständnis.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Hält die Bundesregierung die Frist von bis zu zwei Monaten für ausreichend, innerhalb deren die Arbeitsverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland bei drohenden Massenentlassungen einen Aufschub durchsetzen kann, und gibt es Staaten, in denen die Behörden einen länger dauernden Aufschub verfügen können?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Regelungen in diesem Bereich sind ungewöhnlich schwer zu vergleichen. Ich kann Ihnen deshalb nicht sagen, wie das in anderen Staaten geregelt ist. Bisher sind die praktischen Erfahrungen bei uns so, daß wir keine Veranlassung haben, diese Regelungen zu verändern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, Sie wissen, daß in Frankreich, Großbritannien und in den Niederlanden eine Betriebsschließung nur mit Zustimmung der Arbeitsverwaltung möglich ist und daß im Zustimmungsverfahren die Gründe geprüft werden. Sehen Sie nicht die Gefahr, daß das insoweit weniger deutliche Recht der Bundesrepublik bei europaweit tätigen Konzernen dazu führen könnte, daß Strukturanpassungen dort vorgenommen werden, wo das am leichtesten möglich ist, weil die arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften einen weniger als in anderen Ländern der Gemeinschaft behindern? Sehen Sie nicht, daß hier eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung auf dem Arbeitsmarkt entstehen könnte?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann das so nicht sehen, Herr Kollege, weil keine gesetzliche oder verwaltungsmäßige Regelung denkbar ist, die es verhindern könnte, daß ein nicht mehr wettbewerbsfähiger Betrieb geschlossen wird. Leider können wir das per Gesetz oder Verwaltungsvorschrift nicht regeln. Arbeitsplatzsicherheit durch gesetzliche oder verwaltungsmäßige Regelungen gibt es nicht.
Wenn aber etwa Investitionsentscheidungen ausländischer Unternehmen unter dem Gesichtspunkt stehen, wie man sich bei einem Engagement im Ausland unter möglichst geringen Kosten wieder zurückziehen kann, wenn solche Überlegungen bei der Ansiedlung eine Rolle spielen sollten, was nicht auszuschließen ist, dann darf man nicht außer acht lassen, daß einmal unterstellte günstigere Bedingungen in Deutschland für einen solchen Rückzug gleichzeitig ein erheblicher Anreiz für Investitionen und für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland durch ausländische Unternehmen wären. Ich glaube, man muß dann auch diese Seite der Medaille sehen, ohne daß ich mich damit etwa der Bedeutung des Problems verschließe, daß Investitionsentscheidungen oder Entscheidungen zur Übernahme von Unternehmen auch unter dem Gesichtspunkt getroffen werden: Wie kann ich mich wieder zurückziehen?
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fischer .
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die in gewissen anderen Ländern praktizierte Regelung, wonach Entschädigungszahlungen nach gesetzlichen Vorschriften zu leisten sind und nicht, wie hier bei uns in der Bundesrepublik, zwischen dem Betriebsrat und der Unternehmensleitung ausgehandelt werden müssen?Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich halte eine gesetzliche Regelung dieser Vorschriften eigentlich eher für negativ, weil die Verhandlungen vor Ort in
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Parl. Staatssekretär GrünerKenntnis der für die Belegschaft gegebenen Möglichkeiten, aber auch in Kenntnis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens sehr viel eher zu einem wirtschaftlich sinnvollen und für die übrigen Arbeitsplätze des Unternehmens erträglichen Ergebnis führen, als wenn eine notwendigerweise schematische gesetzliche Regelung Platz greifen würde. Das würde ich für einen falschen und im Einzelfall für Arbeitsplätze außerordentlich problematischen Weg halten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kübler.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für zutreffend, daß Entschädigungszahlungen — seien sie gesetzlicher oder vertraglicher Art — in anderen Industriestaaten erheblich höher festgesetzt werden, als dies in der Bundesrepublik erfahrungsgemäß geschehen ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich habe darüber keinen Überblick, Herr Kollege, werde der Frage aber gerne nachgehen. Ich bin nicht sicher, ob ich dazu eine verläßliche Aussage machen kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hitzigrath, bitte.
Herr Staatssekretär, zieht die Bundesregierung aus all dem, was wir heute hier gehört haben, die Konsequenz, daß neue gesetzliche Vorschriften im arbeitsrechtlichen Bereich, im Insolvenzbereich, im unternehmensrechtlichen Bereich notwendig sind, um deutsche Arbeitsplätze besser und wirksamer als bisher zu schützen und den internationalen Standard erreichen zu können?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, diese Konsequenz zieht die Bundesregierung nicht. Ich unterstreiche noch einmal, daß gesetzliche Regelungen Arbeitsplätze bedauerlicherweise nicht sichern können. Wenn das möglich wäre, hätten wir keine Arbeitslosen. Die Bundesregierung ist aber selbstverständlich jederzeit bereit, mit dem Parlament die Frage zu prüfen, ob im Einzelfall Verbesserungen unserer sozialen und betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen sinnvoll sein können. Die Prüfung solcher Anregungen ist also natürlich nicht ausgeschlossen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie denn die in der Diskussion befindliche Idee einer Konkursauffanggesellschaft, damit vor allem mittelständischen Unternehmen im Konkursfall geholfen werden kann, insbesondere natürlich dann, wenn Managementfehler oder Finanzierungsfragen ursächlich für einen Konkurs sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bei uns werden Konkursauffanggesellschaften ja in vielfältigster Form tatsächlich praktiziert. Ein neues Instrumentarium, das der Vielfalt der Einzelfälle gerecht werden könnte, steht nicht zur Verfügung. Ich erinnere jedoch an das Eingreifen von Landesregierungen und die Hilfestellungen von Landeskreditbanken, so problematisch diese im Einzelfall auch sind und sosehr solche Auffanggesellschaften mit staatlicher Hilfe im Einzelfall dazu beigetragen haben, Arbeitsplätze in anderen Betrieben zu gefährden. Auch letzteres muß gesehen werden, ohne daß es im Einzelfall leicht nachweisbar ist. Das Gesamtthema ist sicher von großer Bedeutung, auch wenn man das Problem nicht mit einem bestimmten Instrumentarium bewältigen kann. Entscheidend bleibt natürlich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Darauf muß sich unsere ganze Aufmerksamkeit konzentrieren, weil nur sie zu zusätzlichen Arbeitsplätzen und auch dazu beitragen kann, daß etwa auf Grund von Managementfehlern in Schwierigkeiten geratene Unternehmen von anderen übernommen werden, was j a Gott sei Dank auch tägliche Praxis ist.
Wir sind am Ende der Fragestunde angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 4. März 1982, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.