Protokoll:
9067

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 9

  • date_rangeSitzungsnummer: 67

  • date_rangeDatum: 26. November 1981

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:39 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/67 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 67. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des Parlaments der Republik Indonesien . . . . 3855 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Jobst, Dr. George, Bühler (Bruchsal), Feinendegen, Fischer (Hamburg), Hanz (Dahlen), Hinsken, Lemmrich, Milz, Pfeffermann, Seiters, Sick, Straßmeir, Tillmann, Schröder (Lüneburg), Frau Hürland, Dr. Kunz (Weiden), Regenspurger, Horstmeier, Dr. Warnke und der Fraktion der CDU/ CSU Deutsche Bundesbahn — Drucksachen 9/602, 9/952 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes — Drucksachen 9/830, 9/910 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/1079 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/1033 — Dr. Jobst CDU/CSU 3855 C Curdt SPD 3859 D Dr. Riemer FDP 3861 C Dr. Hauff, Bundesminister BMV . . . 3864A Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/ CSU 3868 D Haar SPD 3873 B Fischer (Hamburg) CDU/CSU 3878 A Antretter SPD 3881 C Rösch FDP 3883 A Seiters CDU/CSU 3885 C Daubertshäuser SPD 3888 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes — Drucksache 9/661 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/1080 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/1042 — Ganz (St. Wendel) CDU/CSU 3909 B Gerstl (Passau) SPD 3911 C Popp FDP 3912 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 3914 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 durch Schiffe und zu dem Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen — Drucksache 9/805 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/1034 — 3916A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 24. Juli 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kenia über den Fluglinienverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus — Drucksache 9/909 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/1035 — 3916 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission an den Rat über die Beziehungen zu den in der Entwicklung tätigen Nichtregierungsorganisationen (NRO), insbesondere auf dem Gebiet der Mit-Finanzierung von Vorhaben (Haushalt - 1980) — Drucksachen 9/782 Nr. 65, 9/931 — Repnik CDU/CSU 3916 D Dr. Osswald SPD 3919 B Dr. Vohrer FDP 3921 A Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 3922 C Lamers CDU/CSU 3924 C Dr. Holtz SPD 3927 A Dr. Rumpf FDP 3928 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Mai 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß- und Erbschaftsteuern — Drucksache 9/989 — 3930 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 28. April 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten über die Regelung gewisser Fragen betreffend deutsches Vermögen und zur Verteilung von Entschädigungen für deutsches Vermögen in Ägypten und Honduras — Drucksache 9/990 — 3930 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 18. Mai 1981 zur Änderung des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen — Drucksache 9/1032 — 3930 D Beratung der Sammelübersicht 22 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/935 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 23 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/954 — 3930 D Beratung des Antrags des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" — Wirtschaftsjahr 1980 — Drucksache 9/1020 — 3931A Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zum Antrag des Bundesministers der Finanzen Bundeseigenes Grundstück in EssenSchuir, Gemarkung Schuir, Flur 3, Flurstück 20 hier: Veräußerung an das Land Nordrhein-Westfalen — Drucksachen 9/757, 9/994 — 3931 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 2/81 — Zollpräferenzen 1981 gegenüber Entwicklungsländern — EGKS) — Drucksachen 9/852, 9/1036 — . . . . 3931 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Fünfzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung — Drucksachen 9/773, 9/1037 — . . . . 3931 C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 III Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Neunundsiebzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — — Drucksachen 9/789, 9/1038 — . . . . 3931C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 1/81 — Erhöhung des Zollkontingents 1981 für Bananen) — Drucksachen 9/759, 9/1039 — . . . . 3931 D Fragestunde — Drucksache 9/1058 vom 20. November 1981 — Bemühungen um eine europäisch-japanische Kooperation bei der Entwicklung eines Mittel- und Kurzstreckenflugzeugs; Verknüpfung mit der Frage eines ungehinderten japanischen Exports in die Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 30, 31 20.11.81 Drs 09/1058 Glos CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . 3891 C, D, 3892A,B ZusFr Glos CDU/CSU 3891 D, 3892 B Entwicklung der polnischen Exporte in die Bundesrepublik Deutschland seit 1979 MdlAnfr 32 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Czaja CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . 3892 C, D, 3893A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . . 3892 C, D, 3893A ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 3893 A Aussage des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Schlecht, anläßlich seines Besuchs in Chile MdlAnfr 33, 34 20.11.81 Drs 09/1058 Duve SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 3893 B,C, D, 3894 A, B, C ZusFr Duve SPD 3893 C, 3894 B ZusFr Waltemathe SPD 3893 D ZusFr Glos CDU/CSU 3894 A Aussage des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Schlecht, über Chile MdlAnfr 35, 36 20.11.81 Drs 09/1058 Waltemathe SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 3894 C, D, 3895 A, B, C, D ZusFr Waltemathe SPD 3894D, 3895 B ZusFr Bindig SPD 3895 C ZusFr Duve SPD 3895 C Sicherstellung der sachgerechten Verwendung von Subventionen an die Stahlindustrie; Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten mittelständischer Unternehmen MdlAnfr 39, 40 20.11.81 Drs 09/1058 Tillmann CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . 3895D, 3896A, B ZusFr Tillmann CDU/CSU 3896 A Vorschläge der Planungsgruppe im Bundesernährungsministerium und der EG-Kommission zur Senkung der Agrarpreise MdlAnfr 43, 44 20.11.81 Drs 09/1058 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 3896 C, D, 3897A, B, C, D, 3898 A ZusFr Eigen CDU/CSU . . . . 3896D, 3897A, B ZusFr Susset CDU/CSU 3897 B, C ZusFr Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . 3897 D ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 3898 A Ziel der Bundesregierung in der Entwicklung der Einkommen und der sozialen Sicherung der in der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei Tätigen MdlAnfr 45, 46 20.11.81 Drs 09/1058 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 3898 B, C, D, 3899 A,B,C ZusFr Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 3898 B, C, D ZusFr Eigen CDU/CSU 3899 A ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . 3899 A ZusFr Susset CDU/CSU 3899 B ZusFr Baack SPD 3899 B ZusFr Frau Dr. Martiny-Glotz SPD . . 3899 C Schadstoffe in inneren Organen von Schlachtvieh MdlAnfr 48 20.11.81 Drs 09/1058 Immer (Altenkirchen) SPD Antw PStSekr Gallus BML 3899 D, 3900 A, B, C, D, 3901 A ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . 3900A,B ZusFr Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 3900 C ZusFr Eigen CDU/CSU 3900 C ZusFr Susset CDU/CSU 3900 D ZusFr Herberholz SPD 3901 A IV Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Gesundheitsschäden durch Kadmium in Getreide MdlAnfr 49 20.11.81 Drs 09/1058 Herberholz SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . 3901 B,C,D ZusFr Herberholz SPD 3901 C ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . 3901 D Deklaration des Salzgehaltes bei Lebensmitteln MdlAnfr 58 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 3902A,B ZusFr Frau Dr. Martiny-Glotz SPD . . 3902A,B Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs über den Beruf des Psychotherapeuten MdlAnfr 60 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Weyel SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 3902C, D ZusFr Frau Weyel SPD 3902 D Voraussetzungen für die Zulassung zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten MdlAnfr 61 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Weyel SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . 3903A,B ZusFr Frau Weyel SPD 3903A, B Demonstration ausreisewilliger deutschstämmiger Sowjetbürger, insbesondere im November 1981, in Moskau und ihre Ahndung MdlAnfr 69, 70 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 3903 C, D, 3904 A, B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 3903D, 3904 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 3904 C Behebung der Ursachen und Folgen der südostasiatischen Flüchtlingsströme MdlAnfr 72 20.11.81 Drs 09/1058 Herberholz SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . 3904D, 3905 C, D, 3906A, B, C ZusFr Herberholz SPD 3905 C ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD 3905D, 3906 A ZusFr Neumann (Bramsche) SPD . . . 3906 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 3906 B Direkte Information bestimmter SPD-Politiker durch die Sowjetunion MdlAnfr 68 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . 3906C,D, 3907A,B ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . 3906C,D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 3906 D ZusFr Bindig SPD 3907 A Äußerung des Sicherheitsberaters des amerikanischen Präsidenten über die Entspannungspolitik MdlAnfr 107 20.11.81 Drs 09/1058 Schröder (Hannover) SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . 3907 B, D, 3908A ZusFr Schröder (Hannover) SPD . . . 3907C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 3907 D ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 3908 A Rahmenbedingungen für ein einheitliches Ausbildungs- und Arbeitsangebot für Frauen im Strafvollzug MdlAnfr 75, 76 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Fromm FDP Antw PStSekr Dr. de With BMJ . . 3908 B,C,D, 3909 A ZusFr Frau Fromm FDP 3908C, 3909 A Nächste Sitzung 3931 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3933*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3933* B Anlage 3 Erfahrungen mit dem sogenannten Ensembleschutzgesetz MdlAnfr 1 20.11.81 Drs 09/1058 Eymer (Lübeck) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 3933* C Anlage 4 Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf Universitäten, insbesondere im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich sowie in der Forschung MdlAnfr 3, 4 20.11.81 Drs 09/1058 Thüsing SPD SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 3933* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 V Anlage 5 Zunahme der aktiven Bestechung in der öffentlichen Verwaltung; Zahl der 1981 gegen Bundesbeamte durchgeführten Disziplinarverfahren MdlAnfr 27, 28 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Riedl (München) CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . 3934* C Anlage 6 Verwendung von MAN-Lastkraftwagen für den Transport der Mittelstreckenraketen Pershing II MdlAnfr 37, 38 20.11.81 Drs 09/1058 Kühbacher SPD SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 3935* A Anlage 7 Aussagen des Bundeswirtschaftsministers Dr. Graf Lambsdorff über die Baulandnovelle und die Gesetzentwürfe zum Vergleichsmietensystem MdlAnfr 41, 42 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 3935* B Anlage 8 Motive der Bundesregierung für die Forderung einer Beihilfenanhebung bei Magermilchpulver MdlAnfr 47 20.11.81 Drs 09/1058 Schröder (Wilhelminenhof) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 3935* D Anlage 9 Erstellung eines Gutachtens durch das Bundesgesundheitsamt über die Rolle der Nahrungsfette und Blutlipide ohne Beteiligung von Ernährungswissenschaftlern MdlAnfr 50, 51 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Neumeister CDU/CSU SchrAntw BMin Frau Huber BMJFG . . 3936*A Anlage 10 Gesundheitsschäden durch Formaldehyd in Haushaltsmitteln; Angabe gesundheitsgefährdender Stoffe auf Packungen von Industrieprodukten MdlAnfr 54, 55 20.11.81 Drs 09/1058 Purps SPD SchrAntw BMin Frau Huber BMJFG . . 3936"B Anlage 11 Entwicklung der Heroin- und Cannabisabhängigkeit seit 1971 sowie Gefährdung von Resozialisierungsprojekten durch die Sparbeschlüsse der Bundesregierung MdlAnfr 56, 57 20.11.81 Drs 09/1058 Müller (Wesseling) CDU/CSU SchrAntw BMin Frau Huber BMJFG . . 3936* D Anlage 12 Berücksichtigung der Empfehlungen der WHO bei Werbe- und Verkaufsaktionen in der Dritten Welt MdlAnfr 59 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Dr. Hartenstein SPD SchrAntw BMin Frau Huber BMJFG . . 3937* C Anlage 13 Stellungnahme des Bundeskanzlers zu Äußerungen katholischer Bischöfe über die Staatsverschuldung MdlAnfr 66 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 3938* A Anlage 14 Unterschiedliche Darstellung nordamerikanischer Kommentare und Politikeräußerungen im Spiegel und in den Ostinformationen des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung MdlAnfr 67 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StSekr Becker BPA 3938" D Anlage 15 Legalisierung des Aufenthalts polnischer Staatsbürger im Ausland durch die polnische Regierung MdlAnfr 71 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 3939* A VI Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Anlage 16 Äußerungen des Kommandeurs des strategischen Luftkommandos der USA (SAC), General Bennie Davis, über den Einsatz von Atomwaffen in Europa MdLAnfr 73 20.11.81 Drs 09/1058 Schröder (Hannover) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 3939* C Anlage 17 Herkunft der in Niedersachsen gefundenen Waffen von Neonazis MdlAnfr 77 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . 3939* D Anlage 18 Behandlung ausländischer Versicherungsnehmer durch deutsche Kraftfahrzeugversicherer MdlAnfr 78, 79 20.11.81 Drs 09/1058 Topmann SPD SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 3940*A Anlage 19 Ausklammerung der Grundstückserträge aus der Transfer-Vereinbarung mit der DDR MdlAnfr 80, 81 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Voss CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 3940* D Anlage 20 Leistungen an das Land Niedersachsen im Länderfinanzausgleich 1982; Ergänzungszuweisungen des Bundes an das Land Niedersachsen MdlAnfr 82, 83 20.11.81 Drs 09/1058 Spöri SPD SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 3941*A Anlage 21 Auswirkungen der Alkoholsteuererhöhung auf die Preisentwicklung bei Kosmetika MdlAnfr 84 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Diederich (Berlin) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 3942*A Anlage 22 Neufestsetzung des Einheitswertes für unbebaute Grundstücke, Wohngebäude und Geschoßwohnungen MdlAnfr 86, 87 20.11.81 Drs 09/1058 Niegel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 3942* B Anlage 23 Erhaltung von Arbeitsplätzen durch den Wiederaufbau des Flußspatchemiewerkes der Vereinigten Aluminium-Werke AG in Stulln MdlAnfr 88 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Jobst CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . 3943*A Anlage 24 Beeinträchtigung des Leistungsvermögens der Bundesanstalt für Arbeit durch zunehmende Reglementierung; Kostenaufwand für den Bau von Verwaltungsgebäuden der Sozialversicherung seit 1970 MdlAnfr 89, 90 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Hürland CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 3943*A Anlage 25 Entwicklung des realen Rückflusses an BAföG-Darlehen seit August 1980 MdlAnfr 91, 92 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Geiger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 3944* A Anlage 26 Abschaffung der Überprüfung der Einziehung und Abführung der Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung durch die Rentenversicherungsträger; Behandlung von Tuberkulosekranken in Krankenhäusern MdlAnfr 93, 94 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Steinhauer SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 3944* D Anlage 27 Situation der Herzchirurgie MdlAnfr 95 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 3945* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 VII Anlage 28 Auswirkungen der Aufhebung der Sozialversicherungsfreigrenze auf das Hotel-und Gaststättengewerbe MdlAnfr 96 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Feldmann FDP SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 3946* A Anlage 29 Höhe der Sozialversicherungsbeiträge für Landwirte ab 1985 bei Verwirklichung der Sparpläne der Bundesregierung MdlAnfr 99, 100 20.11.81 Drs 09/1058 Oostergetelo SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 3946* B Anlage 30 Konsequenzen für die Verantwortlichen der vom Bundesrechnungshof gerügten Kommandeurstagung der Bundeswehr im Jahre 1979 MdlAnfr 101, 102 20.11.81 Drs 09/1058 Conradi SPD SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 3946* D Anlage 31 Rechtfertigung des Kostenaufwands für die 23. Kommandeurstagung der Bundeswehr MdlAnfr 103, 104 20.11.81 Drs 09/1058 Lutz SPD SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 3947* A Anlage 32 Aufbau von Hilfskorps der Bundeswehr in den 90er Jahren angesichts des Geburtenrückgangs MdlAnfr 105 20.11.81 Drs 09/1058 Frau Krone-Appuhn CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 3947* C Anlage 33 Verkauf von Bundeswehrwaffen über die Vebeg und eine Privatfirma an Rechtsextremisten MdlAnfr 106 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 3947* D Anlage 34 Vermutungen über die Verlegung sowjetischer Atomminen in der Ostsee MdlAnfr 108, 109 20.11.81 Drs 09/1058 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 3948* B Anlage 35 Bestehen Bayerns auf Vertragserfüllung beim Bau des Main-Donau-Kanals MdlAnfr 111 20.11.81 Drs 09/1058 Merker FDP SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3948* C Anlage 36 Sinkende Nachfrage nach Mokicks und Mofas durch Einführung des Führerscheins für Leichtkrafträder MdlAnfr 112, 113 20.11.81 Drs 09/1058 Müller (Schweinfurt) SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3948* C Anlage 37 Probleme mit der Start- und Landekapazität auf dem Frankfurter Flughafen in Zusammenhang mit militärischen Übungen MdlAnfr 114 20.11.81 Drs 09/1058 Coppik SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3949*A Anlage 38 Zahl der Bewerber für einen psychologischen Test nach Verlust des Führerscheins sowie Chancen für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis bei nicht bestandenem Test MdlAnfr 115, 116 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Enders SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3949* A Anlage 39 Auswirkung des Investitionsstopps bei Bundesbahnstrecken MdlAnfr 117, 118 20.11.81 Drs 09/1058 Klein (Dieburg) SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3949* C VIII Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Anlage 40 Chartern eines Zuges der Bundesbahn durch die Lufthansa zur Verbindung der Flughäfen Düsseldorf und Frankfurt MdlAnfr 119 20.11.81 Drs 09/1058 Dr.-Ing. Laermann FDP SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3949* D Anlage 41 Überprüfung der Zulassung zusätzlicher hochgestellter Bremsleuchten MdlAnfr 121 20.11.81 Drs 09/1058 Immer (Altenkirchen) SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3950*A Anlage 42 Gestaltung der Fahrpläne der Bundesbahn; Vereinbarkeit der Ausdünnung ab Sommer 1982 mit den Bemühungen um Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs MdlAnfr 122, 123 20.11.81 Drs 09/1058 Sielaff SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3950* B Anlage 43 Ausstattung von Lastwagen mit Antiblokkiersystemen für Bremsen MdlAnfr 124, 125 20.11.81 Drs 09/1058 Bindig SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3950* D Anlage 44 Verwaltung des Abwrackfonds der deutschen Binnenschiffahrt durch die Wasser-und Schiffahrtsdirektion West MdlAnfr 126, 127 20.11.81 Drs 09/1058 Fischer (Hamburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3951* B Anlage 45 Aufrechterhaltung des Personenverkehrs auf bayerischen Eisenbahnstrecken bei Verzicht auf Erhaltungsmaßnahmen MdlAnfr 128, 129 20.11.81 Drs 09/1058 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 3951*C Anlage 46 Äußerungen von Bundespostminister Gscheidle über das Anbringen von Aufklebern an Fernsprechanlagen MdlAnfr 130, 131 20.11.81 Drs 09/1058 Pfeffermann CDU/CSU SchrAntw StSekr Elias BMP 3952* A Anlage 47 Unterbindung des Handels mit Abhöranlagen MdlAnfr 132 20.11.81 Drs 09/1058 Dr. Geßner SPD SchrAntw StSekr Elias BMP 3952* B Anlage 48 Verschiebung der Installierung eines Teletex-Netzes der Bundespost auf März 1982 MdlAnfr 133, 134 20.11.81 Drs 09/1058 Löffler SPD SchrAntw StSekr Elias BMP 3952* D Anlage 49 Zahl der seit 1976 aus der DDR zurückgeschickten Pakete und verlorengegangenen Paket- und Einschreibsendungen sowie Aufwendungen der Bundespost für Ersatz MdlAnfr 135, 136 20.11.81 Drs 09/1058 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw StSekr Elias BMP 3953*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3855 67. Sitzung Bonn, den 26. November 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 27. 11. Bahner 27. 11. Becker (Nienberge) 27. 11. Dr. Bugl 27. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Eickmeyer " 27. 11. Eymer (Lübeck) 27. 11. Glombig 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Hauck 27. 11. Höffkes 27. 11. Jansen 27. 11. Kiep 27. 11. Lampersbach 27. 11. Löher 26. 11. Dr. Mertes (Gerolstein) 27. 11. Dr. Müller * 26. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 27. 11. Schmidt (Hamburg) 27. 11. Schmidt (Würgendorf) 27. 11. Dr. Solms 27. 11. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 26. 11. Dr. Warnke 27. 11. Weiskirch (Olpe) 27. 11. Wolfgramm (Göttingen) 27. 11. Baron von Wrangel 27. 11. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die in Drucksache 9/859 unter Nummer 1 aufgeführte EG-Vorlage Bericht betreffend die Anwendung der Verordnung Nr. 1302/ 78 des Rates über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für Vorhaben zur Nutzung alternativer Energiequellen Bericht über die Anwendung der Verordnung Nr. 1303/78 des Rates über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für Demonstrationsvorhaben zur Energieeinsparung wird als Drucksache 9/1052 verteilt. Die in Drucksache 9/821 unter Nummer 1 aufgeführte EG-Vorlage Vorschläge der Kommission an den Rat über die Festlegung des Schemas der allgemeinen Zollpräferenzen der Gemeinschaft für den Zeitraum 1982 bis 1985 und seine Anwendung ab 1982 wird als Drucksache 9/1067 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 16. November 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Richtlinie des Rates (EWG) zur Ermächtigung des Königreichs der Niederlande, von der Richtlinie 73/ 403/EWG zur Synchronisierung der allgemeinen Volkszählung abzuweichen (Drucksache 9/821 Nr. 7). Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 23. November 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden, bereits verkündeten EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Anpassung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anzuwenden sind (Drucksache 9/1041 Nr. 14). Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Frage des Abgeordneten Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) 9/1058 Frage 1): Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung darüber vor, wie das in der 8. Legislaturperiode verabschiedete sogenannte Ensembleschutzgesetz greift, und ob die Erwartungen, die an die Verabschiedung des Gesetzes geknüpft waren, erfüllt sind? Ich gehe davon aus, daß Sie mit dem sogenannten Ensembleschutzgesetz das Gesetz zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude vom 22. Dezember 1977 meinen. Der Bundesminister der Finanzen hat Mitte dieses Jahres den Finanzausschüssen von Bundestag und Bundesrat einen Erfahrungsbericht über Art und Umfang der Inanspruchnahme der durch das Gesetz neu geschaffenen steuerlichen Vergünstigungen vorgelegt. Der Bericht gibt im wesentlichen die Erfahrungen der Landesdenkmalpfleger wieder. Es zeigt sich, daß die Zahl der in dem Bericht erfaßten Maßnahmen im Vergleich zur Gesamtzahl der in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Baudenkmäler nur gering ist. Dies liegt daran, daß nur abgeschlossene Maßnahmen berücksichtigt werden konnten. Nach Mitteilung der Landesdenkmalpfleger sei jedoch mit zahlreichen Baumaßnahmen begonnen worden. Das Interesse der Eigentümer von Baudenkmälern an den neuen Vergünstigungen sei groß. Die Zahl der Anfragen bei den Denkmalschutzbehörden liege in den Bundesländern je nach Größe des Landes zwischen 50 und 1 000 jährlich. Die Inanspruchnahme der Vergünstigungen zeige steigende Tendenz. Nach Auffassung der Landesdenkmalpfleger trägt das Gesetz als Ergänzung zu den direkten Hilfen erheblich zur Erhaltung geschützter Bausubstanz bei. Das Gesetz habe sich bewährt. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, daß Ziel und Inhalt des Gesetzes sachgerecht seien. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen des Abgeordneten Thüsing (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 3 und 4): Teilt die Bundesregierung die jüngst veröffentlichte Ansicht der Westdeutschen Rektorenkonferenz, daß die Sparmaßnahmen im Hochschulbereich die Funktionsfähigkeit der 3934* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Universitäten in Frage stellten, und ist sie notfalls bereit, auf die im Beschluß vom 4. November 1977 niedergelegte Absicht hinzuweisen, der Ausweitung der Zulassungsbeschränkungen durch Überlastmaßnahmen zu begegnen? Teilt die Bundesregierung die Sorge der Westdeutschen Rektorenkonferenz, daß die Sparmaßnahmen verhindern, daß ausreichende technische und naturwissenschaftliche Nachwuchskräfte ausgebildet werden können und daß die Forschung insgesamt beeinträchtigt wird? Die veränderte Finanzlage in Bund und Ländern zwingt auch im Hochschulbereich zu einer Überprüfung der Ausgabenpolitik. Die von der Westdeutschen Rektorenkonferenz in ihrer Erklärung vom 16./17. November angesprochenen Sparmaßnahmen fallen in erster Linie in den Verantwortungsbereich der Länder. Sollte sich erweisen, daß Sparmaßnahmen der Länder zu Problemen bei der Bewältigung der Überlast in vom Numerus clausus bedrohten Fächern führen, so geht die Bundesregierung davon aus, daß die Länder sich der Gefahren bewußt sind, die einer Verwirklichung des Beschlusses der Regierungschefs vom 4. November 1977 drohen und rechtzeitig „gegensteuern". Dies wird auch für die ingenieurwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächergruppen zu gelten haben, die mit der zweiten Frage angesprochen sind. Die Bundesregierung und die Länderregierungen haben sich im übrigen darauf verständigt, trotz der angespannten Haushaltslage die Mittel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Jahr 1982 um 4 % zu steigern. Diese Mittel kommen zu etwa 90 % der Hochschulforschung und dort zum großen Teil jungen wissenschaftlichen Mitarbeitern und Stipendiaten zugute. Auch die Begabtenförderungswerke, deren Studien- und Promotionsförderung fast ausschließlich vom Bund finanziert wird, erhalten 1982 einen Zuwachs. Über die Graduiertenförderung haben wir hier vor zwei Wochen debattiert. Alle Fraktionen haben dabei betont, daß die staatliche Beteiligung an der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auch künftig geboten ist. Die Bundesregierung tut das in ihren Kräften stehende, die Hochschulforschung und die Heranbildung junger Wissenschaftler auch in einer Zeit sichern zu helfen, in der das Geld knapp ist und die Hochschulen durch die Ausbildung einer noch wachsenden Zahl von Studenten stark beansprucht sind. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau sind die Studienplatzkapazitäten in den Ingenieurwissenschaften zügig ausgebaut worden. Die Zahl der Studienplätze in diesen Fächern stieg an wissenschaftlichen Hochschulen von rund 56 700 im Jahre 1973 auf rund 64 300 im Jahre 1979 um rund 13,6 %, an Fachhochschulen von rund 59 300 auf 65 000 um rund 9,6 %. Die Kapazitäten sind insgesamt nicht voll ausgelastet. Noch deutlicher stieg die Zahl der Studienplätze in Mathematik und in den naturwissenschaftlichen Fächergruppen an wissenschaftlichen Hochschulen von rund 87 500 im Jahre 1973 auf rund 114 300 im Jahre 1979 um 30,7 %. Diese Ausbildungskapazitäten sind deutlich schwächer ausgelastet. Nach der Rahmenplanung sollen die Studienplätze in den genannten Fächergruppen weiter ausgebaut werden. Deshalb ist es nicht begründet, davon zu sprechen, daß durch die Sparmaßnahmen die Ausbildung ausreichender Nachwuchskräfte verhindert werden könnte. Mit dem Ausbau der Studienplätze sind und werden zugleich auch räumliche und apparative Voraussetzungen für die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses und die Forschung geschaffen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/ CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 27 und 28): Ist der Bundesregierung der im „Münchner Merkur" vom 17. November 1981 unter der Überschrift „Ein Auge wird immer öfter zugedrückt" erschienene Bericht über die Zunahme der Fälle von passiver Bestechung in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung — insbesondere auch im Bereiche der öffentlichen Verwaltung des Bundes — bekannt, und was gedenkt die Bundesregierung innerhalb ihres Verantwortungsbereichs gegen eine derartige Entwicklung zu unternehmen? Gegen wie viele Bundesbeamte wurden im vorigen Jahr Disziplinarverfahren wegen passiver Bestechung und mit welchem Ergebnis durchgeführt? Zu Frage 27: Der Bundesregierung ist der erwähnte Zeitungsartikel bekannt. Nach einem Bericht des Bundesdisziplinaranwalts über die Handhabung der Disziplinargewalt in den Jahren 1979/1980 vom 2. März 1981 war die Anzahl der wegen Bestechung und verbotener Geschenkannahme durchgeführten Disziplinarverfahren in den letzten Jahren sehr gering. Die Bundesregierung wird innerhalb ihres Verantwortungsbereichs Bestechungsdelikten wie bisher mit einer unnachsichtigen und strikten Anwendung des Disziplinarrechts entgegentreten. Zu Frage 28: Nach Auskunft des Bundesdisziplinaranwalts wurden im Jahre 1980 von den wegen passiver Bestechung laufenden Disziplinarverfahren gegen Bundesbeamte fünf Fälle abgeschlossen, und zwar wie folgt: In zwei Fällen endete nach § 48 des Bundesbeamtengesetzes das Beamtenverhältnis kraft Gesetzes wegen strafgerichtlicher Verurteilung. Durch disziplinargerichtliche Entscheidungen wurden gegen einen Beamten eine Gehaltskürzung verhängt und in einem weiteren Fall das Ruhegehalt aberkannt. Ein Beamter wurde auf eigenen Antrag entlassen, so daß das Disziplinarverfahren einzustellen war. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3935* Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Fragen des Abgeordneten Kühbacher (SPD) (Drucksache 9/ 1058 Fragen 37 und 38): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die US-Armee erstmals 15 vierachsige Groß-Lkw bei der Firma MAN fest bestellt hat und daß für weitere 450 Lkw eine Option bis Ende des Jahres besteht, und kann die Bundesregierung die Äußerung des MAN-Vorstandsmitglieds Wilfried Lochte bestätigen, daß ein Teil dieser Fahrzeuge für den Transport der Mittelstreckenraketen Pershing II vorgesehen ist? Ist die Bundesregierung über die Verwendung dieser Fahrzeuge für Rüstungszwecke konsultiert worden? Die Vereinigten Staaten beabsichtigten, bei einem Beschaffungsvorhaben über Lastkraftwagen auch ein Angebot der Firma MAN zu berücksichtigen, 2 965 Fahrzeuge zu liefern. Auf dieser Grundlage hat die amerikanische Seite mit dem Bundesministerium der Verteidigung über ein Unterstützungsabkommen verhandelt. Es ging dabei im wesentlichen darum, einen Kauf zu vorteilhaften Konditionen zu ermöglichen, standardisierte Fahrzeuge herzustellen und bei der Güteprüfung zu helfen. Das Vorhaben wird nicht verwirklicht. Die Firma MAN hat bisher lediglich 15 Fahrzeuge in die USA zur Erprobung ausgeliefert. Eine zusätzliche Option über die Lieferung weiterer 465 Fahrzeuge bis zum Jahresende ist nach jüngster Erkenntnis auf 104 Fahrzeuge begrenzt worden. Ob und inwieweit die Option darüber hinaus genutzt wird, ist nicht bekannt. Das Bundesministerium der Verteidigung ist im Zusammenhang mit dem Verwendungszweck der Fahrzeuge nicht konsultiert worden. Im Zusammenhang mit den Unterstützungsverhandlungen mit der amerikanischen Seite wurde aber bekannt, daß von den 450 Fahrzeugen ein Teil als Sattelzugmaschinen für Pershing II und GLCM benutzt werden sollten. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Münster) (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 41 und 42): Wie beurteilt die Bundesregierung die Ausführungen von Bundeswirtschaftsminister Dr. Graf Lambsdorff am 16. November 1981 in Osnabrück, er sei skeptisch, ob das mit der Baulandnovelle der Bundesregierung angestrebte Ziel tatsächlich erreicht werde, die vorgesehenen Regelungen seien „so kompliziert, daß selbst Experten sie kaum verstehen"? Wie beurteilt die Bundesregierung die Ausführungen von Bundeswirtschaftsminister Dr. Graf Lambsdorff am 16. November 1981 in Osnabrück, die vorliegenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung zum Vergleichsmietensystem gingen „nicht weit genug", und wird die Bundesregierung weitergehende Regelungen beschließen? Zu Frage 41: Schon die bestehenden Vorschriften des Bundesbaugesetzes über die Bodenordnung bilden eine komplizierte Rechtsmaterie, für deren korrekte Anwendung es erfahrener Fachleute bedarf. Die neu vorgesehenen Instrumente der „Erweiterten Umlegung" und der „Gemeindlichen Entwicklungsmaßnahme" knüpfen an diese Regeln an und führen weitere Varianten der Grundstücksverteilung ein. Durch zusätzliche unbestimmte Rechtsbegriffe sowie Regeln über die Baupflicht und deren grundbuchrechtliche Absicherung wird das Verfahren komplexer und damit für die Gemeinden schwieriger in der Anwendung. Die von der Bundesregierung nach wie vor erwartete positive Wirkung der neu vorgesehenen Instrumente auf dem Baulandmarkt wird daher auch davon abhängen, inwieweit sie von den zuständigen kommunalen Stellen fehlerfrei angewandt und von den betroffenen Eigentümern akzeptiert werden. Zu Frage 42: Mit den Gesetzentwürfen zum Mietrecht, die die Bundesregierung im Mai 1981 vorgelegt hat, soll u. a. ein Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des freifinanzierten Wohnungsbaus geleistet werden. Über eine über diese Gesetzentwürfe hinausgehene mietrechtliche Regelung, auf die auch Minister Graf Lambsdorff auf dem wohnungspolitischen Fachkongreß der FDP in Osnabrück hingewiesen hat, ist zwischen den beteiligten Ressorts Übereinstimmung erzielt worden. Der federführende Bundesminister der Justiz hat den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages eine Formulierungshilfe zur Vereinbarung von Zeitmietverträgen vorgelegt. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/ CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 47): Welche Motive haben die Bundesregierung veranlaßt, bei der EG eine Beihilfenanhebung um mindestens 5 ECU/100 kg Magermilchpulver zu fordern, und war sie sich dabei bewußt, daß durch eine solche Maßnahme mit großer Wahrscheinlichkeit der Marktpreis in den nächsten Monaten unterhalb des Interventionspreises eingefroren wird, die in den milchknappen Wintermonaten üblichen Preisverbesserungen ausbleiben werden und der Landwirtschaft dadurch eine Erlöseinbuße von 1 DPf je kg Milch entstehen kann? Die Bundesregierung wurde durch den Rückgang der Verfütterung von Magermilchpulver und die Zunahme der Intervention veranlaßt, die Kommission um eine Anhebung der Beihilfe zu bitten, da die derzeitige Beihilfenhöhe nicht ausreicht, diese Entwicklung zu verhindern. Durch eine Anhebung der Beihilfe würde die von Ihnen befürchtete Auswirkung auf den Erzeugererlös nicht eintreten, jedoch eine stärkere Verwendung von Magermilchpulver in Futtermitteln bewirkt und damit ein weiteres Anwachsen dieser Interventionsbestände vermieden werden. 3936* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Anlage 9 Antwort des Bundesministers Frau Huber auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 50 und 51): Aus welchem Grund sind bei der Erarbeitung des Gutachtens 5/81 des Bundesgesundheitsamts über die „Rolle der Nahrungsfette und der Blutlipide in der multifaktoriellen Genese und in der Prävention kardiovaskulärer Krankheiten" die von der Thematik unmittelbar betroffenen Ernährungswissenschaftlern nicht hinzugezogen worden? Welchen Wert mißt die Bundesregierung einem solchen Gutachten bei, das ohne die Mitarbeit der betroffenen Fachleute erstellt wurde? Zu Frage 50: Der Bericht des Bundesgesundheitsamtes 5/81 „Rolle der Nahrungsfette und der Blutlipide in der multifaktoriellen Genese und in der Prävention kardiovaskulärer Krankheiten" gibt die wesentlichen Publikationen der Weltliteratur über diesen Fragenkomplex einschließlich der widersprüchlichen wissenschaftlichen Meinungen dazu wieder. Da dem Bundesgesundheitsamt für die geplante Literaturstudie eine lückenlose Dokumentation der Weltliteratur zur Verfügung stand, konnte der Bericht aus eigenem Sachverstand erstellt werden. Zu Frage 51: In dem Bericht werden die neueren Ergebnisse in der Weltliteratur umfassend referiert. Es handelt sich somit um eine aktuelle Zusammenfassung der vorliegenden Forschungsarbeiten. Der Bericht ist wichtig zur Darlegung der unterschiedlichen Auffassungen und von Forschungslücken. Er ist deshalb wertvoll, um die wissenschaftliche Diskussion anzuregen und die Forschung weiterzuführen. Anlage 10 Antwort des Bundesministers Frau Huber auf die Fragen des Abgeordneten Purps (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 54 und 55): Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß die Verwendung von Formaldehyd in vielen Haushaltsmitteln des täglichen Gebrauchs zu Gesundheitsschädigungen — insbesondere zu allergischen Reaktionen — führt? Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung einer generellen Deklarationspflicht aller Industrieprodukte, insbesondere derjenigen des täglichen Bedarfs, bezüglich ihres Gehalts an gesundheitsgefährdenden Stoffen? Zu Frage 54: In bestimmten Reinigungs- und Pflegemitteln, die im Haushalt verwendet werden, ist Formaldehyd in geringen Mengen als Konservierungs- bzw. Desinfektionsmittel enthalten. Zur gesundheitlichen Beurteilung von Formaldehyd, das bei der haushaltsüblichen Anwendung solcher Erzeugnisse in die Raumluft übergeht, ist der vom Bundesgesundheitsamt vorgeschlagene Grenzwert von 0,1 ppm Formaldehyd heranzuziehen. Dieser Grenzwert wurde für die in gesundheitlicher Sicht noch vertretbare Abgabe von Formaldehyd aus Spanplatten an die Innenraumluft zugrunde gelegt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dieser Grenzwert beim Gebrauch von Reinigungs- und Pflegemitteln, die Formaldehyd enthalten, erreicht wird. Nach gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist daher die Gefahr einer Gesundheitsschädigung durch den Gebrauch dieser Mittel nicht zu erkennen. Davon abgesehen kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß formaldehydhaltige Reinigungs- und Pflegemittel in seltenen Fällen bei Verbrauchern allergische Reaktionen auslösen können. Dies ist aber nur der Fall bei einem kleinen Personenkreis, der diese Allergisierung gegen Formaldehyd durch eine berufliche Exposition oder auf andere Weise erworben hat. Zu Frage 55: Die Bundesregierung hält eine generelle Deklarationspflicht aller Industrieprodukte nicht für erforderlich. Es gibt aber eine Reihe von Produkten wie Haarshampoons, Nägelhärter und andere kosmetische Mittel, bei denen Substanzen wie z. B. Formaldehyd schon heute kenntlich gemacht werden müssen. Bei Reinigungs- und Pflegemitteln, die im Haushalt verwendet werden, prüft die Bundesregierung gegenwärtig, ob zum Schutz des Verbrauchers über die allgemeinen Bestimmungen des Lebensmittel-und Bedarfsgegenständegesetzes hinaus besondere Regelungen erforderlich sind. Im Rahmen des „Programms Bedarfsgegenstände" befaßt sich eine Gruppe von Sachverständigen speziell mit der Frage der Kenntlichmachung bestimmter Inhaltsstoffe, auch im Hinblick auf ihre allegenen Wirkungen. Darüber hinaus wird auch die Notwendigkeit von Warnhinweisen und sonstigen Sicherheitsvorkehrungen bei bestimmten Bedarfsgegenständen, die gefährliche Stoffe enthalten, erörtert werden. Schließlich können nach Inkrafttreten des Chemikaliengesetzes am 1. Januar 1982 alle übrigen industriellen Erzeugnisse des täglichen Bedarfs, von denen gesundheitliche Gefahren ausgehen können, der Deklarationspflicht unterworfen werden. Die Bundesregierung wird prüfen, inwieweit Erzeugnisse, insbesondere diejenigen, die Formaldehyd abgeben (z. B. Spanplatten, Isolierschaum), in entsprechender Weise kenntlich zu machen sind. Anlage 11 Antwort des Bundesministers Frau Huber auf die Frage des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 56 und 57): Kann die Bundesregierung Informationen aus dem Buch „Die Drogenjugend", von W. Huncke 1981 herausgegeben, bestätigen, nach dem es seit 1971 im Bundesgebiet eine jährliche Zuwachsrate von 6 000 Heroinabhängigen sowie einen viel breiteren, stetig wachsenden Kreis von Cannabiskonsumenten mit einem geringer werdenden Durchschnittsalter gibt, und welche Ergebnisse der Ursachenforschung liegen ihr vor? Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3937* Was hat die Bundesregierung zwischenzeitlich unternommen, um das in dem 1980 fortgeschriebenen „Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung des Drogen-und Rauschmittelmißbrauchs" festgestellte Mißverhältnis zwischen dem Therapieplätzeangebot und dem Bedarf abzubauen, und inwieweit sind vorhandene Projekte, auch privater Träger, durch die derzeitigen Sparbeschlüsse der Bundesregierung gefährdet? Zu Frage 56: Die Bundesregierung kann eine angenommene jährliche Zuwachsrate von 6 000 Heroinabhängigen nicht bestätigen, da es lediglich beim Bundeskriminalamt eine Erfassung drogenabhängiger Straftäter gibt. Die genannte Zahl könnte sich an den 1980 polizeilich festgestellten Ersttätern orientiert haben, die angaben, Drogenkonsumenten zu sein. Derartige Zahlen aber sind nicht übertragbar. Zum Stichtag 15. Oktober 1980 waren 3 862 Ersttäter erfaßt, im Vorjahr zu diesem Zeitpunkt 5 387. Auch die Aussage, daß es einen stetig wachsenden Kreis von Cannabiskonsumenten mit absinkendem Durchschnittsalter gibt, kann nicht bestätigt werden. Aufgrund verschiedener Hinweise konnte eine derartige Entwicklung für 1980 vermutet werden. Im Ständigen Arbeitskreis der Drogenbeauftragten des Bundes und der Länder wurde diesen Informationen nachgegangen; sie haben sich nicht erhärten lassen. Eine facettenhaft mit Bundesförderung nach einheitlichem Verfahren in den Ländern durchgeführte epidemiologische Studie soll die derzeitige Sitution erfassen und einer Situationsanalyse zugänglich machen. Die schon abgeschlossenen Teilstudien in Bayern und Baden-Württemberg haben keine neuen Erkenntnisse über die „Demographie des Drogenkonsums" bei jungen Menschen erbracht. Die Ergebnisse für das Bundesgebiet sollen 1982 vorliegen und werden danach veröffentlicht. Zu Frage 57: Die Bundesregierung hat nur in beschränktem Umfange die Möglichkeit darauf hinzuwirken, das Angebot an Therapieplätzen für Drogenabhängige zu erhöhen. Sie hat dies in Abstimmung und gemeinsam mit den Bundesländern bei Modelleinrichtungen getan, durch die Erkenntnisse gewonnen werden sollen, die auch für bundesgesetzliche Regelungen wichtig sind. Es wurden die geschlossenen Drogenfachklinken in Parsberg und Brauel mit zusammen rund 160 Plätzen gefördert, daneben Einrichtungen für Drogenabhängige mit zusätzlichen Erschwernissen oder Behinderungen. Gefördert oder derzeit im Förderungsverfahren befindlich sind Einrichtungen in Visbek, Schwalmstadt-Traysa, Gaggenau-Michelbach, Neuenkirchen und Hamburg mit zusammen rund 290 Therapieplätzen, aus Zonenrandförderungsmitteln wird eine Einrichtung in Salzgitter mit 72 Plätzen gefördert werden. Im Rahmen des Psychiatrie-Programms wird eine Einrichtung in Bremen mit 50 Plätzen gefördert. Aus Mitteln der Stiftung Deutsche Jugendmarke wird die Therapieeinrichtung Schloß Pichel mit 30 Plätzen gefördert. Mit Mitteln der Bundesregierung sind somit über 600 Therapieplätze geschaffen worden, die jedoch zu einem Teil auch für Alkoholkranke sowie Medikamentenabhängige zur Verfügung stehen. Sparbeschlüsse der Bundesregierung sind auf diese Aktivitäten nicht durchgeschlagen. Da auch die Länder und die Freien Träger zusätzliche Therapieplätze geschaffen haben, besteht derzeit nicht mehr der Eindruck, daß es ein gravierendes Mißverhältnis zwischen dem Bedarf und dem Angebot an Therapieplätzen gibt. Die bayerische Landesregierung hat sogar eine Überkapazität festgestellt und mit dieser Begründung einen weiteren Förderungsantrag für den Bereich Augsburg abgelehnt. Anlage 12 Antwort des Bundesministers Frau Huber auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 59): Was kann die Bundesregierung unternehmen, um die deutschen Tochterfirmen des Nestlé-Konzerns zu veranlassen, bei ihren Werbe- und Verkaufsmethoden in der Dritten Welt sich an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu halten? Der von der 34. Weltgesundheitsversammlung im Mai dieses Jahres verabschiedete Internationale Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatz, dem auch die Bundesrepublik trotz erheblicher Bedenken gegen die sehr weitgehenden Werbeverbote zugestimmt hat, wurde den interessierten Kreisen zur Kenntnis gegeben. Zwischenzeitlich haben die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und der Bundesverband der diätetischen Lebensmittelindustrie den gemeinsam erarbeiteten Entwurf einer Vereinbarung über freiwillige Werbebeschränkungen zum Schutz der Muttermilchernährung vorgelegt und dem Bundeskartellamt zur Prüfung zugeleitet. Da die Forderungen des WHO-Kodex darüber hinausgehen, wurde die Gesellschaft für Kinderheilkunde und der Bundesverband der diätetischen Lebensmittelindustrie gebeten, die Gespräche fortzusetzen. Es ist davon auszugehen daß die Lebensmittelwirtschaft bei Exporten in Länder der Dritten Welt die Empfehlungen des WHO-Kodex über die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten zur Leitlinie ihres Handelns machen wird. Im übrigen hält die EG-Kommission zur Verwirklichung der Ziele des Kodex eine Gemeinschaftsregelung für zweckmäßig. Die Beratungen darüber werden in absehbarer Zeit aufgenommen. Es bleibt abzuwarten, welche nationalen Maßnahmen sich durch Beschlüsse auf Gemeinschaftsebene ergeben werden. 3938* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 66): Wie steht der Bundeskanzler heute zu der Kritik, die er vor gut einem Jahr an den katholischen Bischöfen wegen der Tatsache geübt hat, daß sie von „Staatsverschuldung" gesprochen hatten, und ist der Bundeskanzler inzwischen bereit zuzugeben, daß hier in der Tat ein moralisches Problem vorliegt, zu dem die Bischöfe aus gutem Grund Stellung genommen haben? Im Jahre 1980 hat sich der Bundeskanzler kritisch zu dem Hirtenbrief geäußert, den die deutschen katholischen Bischöfe anläßlich der Bundestagswahl 1980 herausgegeben haben. Dabei hat der Bundeskanzler den Kirchen nie das Recht abgesprochen, sich zu Themen zu äußern, die ihnen nach ihrem Dafürhalten bedeutsam erscheinen. Seine Kritik bezog sich vielmehr auf die Auswahl der Themen und die Art und Weise, wie das Problem staatlicher Finanzpolitik abgehandelt wurde. Über die Gesamtthematik hat es später ein ausführliches und konstruktives Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gegeben. Der Bundeskanzler hat deshalb nicht die Absicht, jene Auseinandersetzungen fortzusetzen. Die Bundesregierung hat es stets als eine wichtige Aufgabe angesehen, darauf hinzuwirken, daß sich die staatliche Kreditaufnahme im Rahmen der wirtschaftlichen Gegebenheiten und finanzpolitischen Notwendigkeiten hält. An diesen Prinzipien orientiert sich auch die gegenwärtige Haushaltspolitik. Ich weise in diesem Zusammenhang vor allem darauf hin, — daß — gestützt auf eine an der gesamtwirtschaftlichen Verantwortung ausgerichteten Finanzpolitik — in der Bundesrepublik das reale Wirtschaftswachstum in der zweiten Hälfte der 70er Jahre mit durchschnittlich 4 % höher als in den meisten OECD-Ländern lag und so insgesamt rd. 1 Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten, — daß trotz der damit verbundenen hohen öffentlichen Nettokreditaufnahmen die Bundesrepublik im internationalen Vergleich bei den volkswirtschaftlichen Daten günstig abschneidet: So liegt die Bundesrepublik bei der Schuldenquote (also beim Schuldenstand im Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Leistungsvermögen, dem Bruttosozialprodukt) neben der Schweiz und Frankreich an dritter Stelle aller vergleichbaren westlichen Industriestaaten; ähnlich sieht es auch beim Verhältnis der Zinsausgaben zu dem Haushaltsvolumen aus. Inzwischen hat sich die gesamtwirtschaftliche Situation seit dem Jahr, in dem das Hirtenwort der Bischöfe verlesen wurde, grundlegend geändert: Durch den damals in Gang gekommenen zweiten Ölpreisschub ist die Bundesregierung in den weltweiten Wachstumseinbruch hineingerissen worden und steht außenwirtschaftlich vor einem Leistungsbilanzdefizit. Auf Grund dieser Entwicklung muß sich die nach wie vor dem Ziel der Beschäftigungssicherung verpflichtete Finanzpolitik anderer Mittel bedienen, die den veränderten ökonomischen Bedingungen Rechnung tragen: Die Begrenzung der öffentlichen Nettokreditaufnahme ist besonders nach den konjunkturbedingten Haushaltsmehrbelastungen in 1981 zum wesentlichen Bestandteil einer finanzpolitischen Gesamtstrategie geworden, um Raum für private Investitionen zu schaffen und so das Arbeitsplatzangebot zu erhöhen. Darüber hinaus muß auch das dynamische Ausgabewachstum bei bestimmten öffentlichen Leistungen an die geringer gewordenen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten angeglichen werden. Diese ökonomischen Notwendigkeiten haben mit der von den Bischöfen 1980 vorgetragenen moralischen Bewertung von Staatstätigkeit und Staatsverschuldung nichts zu tun. Die Verantwortung des Staates für Beschäftigung und stabile Wirtschaftsentwicklung ist durch die schwieriger gewordenen weltweiten Rahmenbedingungen nicht geringer geworden. Die Mittel, mit denen er dieser Aufgabe gerecht werden kann, müssen aber unter den neuen Bedingungen ständig neu überprüft und entsprechend angepaßt werden. Anlage 14 Antwort des Staatssekretärs Becker auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 67): Warum ist der Spiegel des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung bezüglich der Auszüge aus nordamerikanischen Kommentaren sowie aus Interviews und Reden führender nordamerikanischer Politiker viel dürftiger als die Ostinformation des gleichen Amts? Ich habe Verständnis dafür, daß Sie das in den Nachrichtenspiegeln des Presse- und Informationsamtes über die USA vorhandene Material gegenüber dem in den OSTINFORMATIONEN als „dürftiger" empfinden. Das liegt einmal an dem Unterschied zwischen „Nachrichtenspiegeln" und „Grundmaterialdiensten". Da Kommentare, die über US-Sender verbreitet werden, hier nicht empfangen werden können, wird die Bundesregierung im wesentlichen durch das Material der freien internationalen Nachrichtenagenturen unterrichtet. Wichtige Informationen, wie zum Beispiel Reden des Präsidenten Reagan, werden jeweils als Anhänge zu den Diensten des Presse- und Informationsamtes gebracht. Außerdem wird der amtliche Pressedienst der USA USICA (United States Information and Communications Agency) in der Nachrichtenabtei- Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3939* lung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ausgewertet. Anlage 15 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 71): Wird die Bundesregierung die Ankündigung des polnischen Außenministers Czyrek am 10. November 1981 in Wien aufgreifen, seine Regierung sei bereit, den Aufenthalt polnischer Staatsbürger im Ausland zu legalisieren, und wie vereinbart sich eine solche Ankündigung mit der Tatsache, daß das polnische Außenministerium in solchen Fällen bisher noch nicht einmal bereit ist, Interventionsnotizen unserer Botschaft in Warschau entgegenzunehmen? Die Ankündigung des polnischen Außenministers Czyrek vom 10. November 1981 in Wien wurde auf einer Pressekonferenz abgegeben, über die ein offizielles Wortprotokoll nicht besteht. Der untechnische Begriff „legalisieren" in Ihrer Fragestellung ist nach Kenntnis des Auswärtigen Amts auf der Pressekonferenz nicht gefallen. Damit kann ebenso gemeint sein, daß die polnische Regierung dem Bestreben in der polnischen Bevölkerung zu einem zeitweiligen Aufenthalt im westlichen Ausland großzügiger begegnen will (z. B. leichtere Ausstellung von Pässen), wie auch, daß polnischen Staatsangehörigen im Ausland die Verlängerung ihres Aufenthalts erleichtert wird (z. B. durch großzügigere Verlängerung der Pässe). Möglich ist auch, daß die polnische Seite ihre bisherige Haltung gegenüber solchen polnischen Staatsangehörigen zu überprüfen bereit ist, die im westlichen Ausland um Asyl gebeten haben. Wegen der unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten habe ich veranlaßt, daß die Erklärung von Außenminister Czyrek auf ihren wirklichen Gehalt genau überprüft wird. Ich werde Sie über das Ergebnis alsbald unterrichten. Zum weiten Teil Ihrer Frage möchte ich folgendes sagen: 1. Interventionsnotizen unserer Botschaft Warschau werden vom polnischen Außenministerium entgegengenommen, wenn es sich z. B. um Fälle legaler Aussiedlung mit anschließender Familienzusammenführung oder um Heiratsfälle zwischen deutschen und polnischen Staatsangehörigen handelt. 2. Dagegen werden Interventionsnotizen in der Regel nicht entgegengenommen, wenn es sich z. B. um die Zusammenführung von rein polnischen Staats- und Volkszugehörigen handelt, oder dann, wenn die Ausreise des einen Teils nach polnischer Auffassung illegal erfolgt ist. Trotzdem versucht die Botschaft Warschau auch in diesen Fällen immer wieder, unter Hinweis auf die KSZE-Schlußakte und den humanitären Aspekt des Einzelfalles, zugunsten der Betroffenen zu intervenieren. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Schröder (Hannover) (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 73): Ist der Bundesregierung die Äußerung des Kommandeurs des strategischen Luftkommandos der USA (SAC), des Generals Bennie Davis, bekannt, der auf einer Veranstaltung in Davenport (Iowa) — nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung — erklärte, man könne sich durchaus ein Szenario vorstellen, bei dem eine geringe Anzahl von taktischen Atomwaffen zum Einsatz komme, ohne daß die Supermächte gleich gezwungen seien, den Auslöser für Intercontinentalraketen zu betätigen, und sieht die Bundesregierung diese Meinung als die offizielle amerikanische Auffassung an, die auch der Einsatzplanung für den Fall eines militärischen Konflikts in Europa zugrundegelegt werden könnte? Die offizielle amerikanische Auffassung wurde am 21. Oktober 1981 in einer Erklärung des amerikanischen Präsidenten dargelegt. In dieser Erklärung heißt es: „Der Kern der US-Nuklearstrategie besteht darin, daß kein Angreifer glauben möge, daß der Gebrauch von Kernwaffen in Europa einigermaßen auf Europa begrenzt werden könnte. Es ist in der Tat die gemeinsame europäisch-amerikanische Verpflichtung, die Last unserer gemeinsamen Verteidigung zu teilen, die den Frieden garantiert. So sehen wir jede militärische Bedrohung Europas als eine Bedrohung der USA selbst. 375 000 Angehörige der amerikanischen Streitkräfte liefern die lebende Garantie für diese unerschütterliche US-Verpflichtung dem Frieden und der Sicherheit in Europa gegenüber". Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 77): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Herkunft der in 31 Lagern in Niedersachsen gefundenen Waffen? Wegen der angesprochenen Waffenfunde führt der Generalbundesanwalt in Karlsruhe ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts eines Vergehens nach § 129 a StGB (Gründung einer terroristischen Vereinigung). Im Rahmen dieser Ermittlungen wird auch die Frage geprüft, woher die aufgefundenen Waffen stammen. Der Generalbundesanwalt hat mir anläßlich Ihrer Fragestellung das nachfolgende Zwischenergebnis der Ermittlungen mitgeteilt: a) Das gefundene G 3-Gewehr ist im Jahre 1972 im Rahmen einer MOB-Übung der Bundeswehr in Lüneburg abhanden gekommen. Der Reservist, dem das Gewehr ausgehändigt worden ist, hat nach Beendigung der Übung ein anderes Gewehr abgegeben. Das seinerzeit gegen diesen Reservisten eingeleitete Ermittlungsverfahren ist mangels Nachweises einer strafbaren Handlung eingestellt worden. 3940* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 b) Die sichergestellte Pistole P 1 ist im Jahre 1971 bei einer in Hamburg stationierten Panzereinheit „auf dem Reparaturweg" verloren gegangen. c) 12 der aufgefundenen Panzerfaustgranaten stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Delaborierungsfirma Klaus & Steinhausen GmbH, vormals Dr. Berkenhoff & Co GmbH, Werk Dragan in 3139 Karwitz. Die Herkunftsermittlungen dauern an. Weitergehende Feststellungen können nach dem derzeitigen Ermittlungsergebnis noch nicht getroffen werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Fragen des Abgeordneten Topmann (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 78 und 79): Ist der Bundesregierung bekannt, daß ausländische Kraftfahrzeughalter zunehmend auf Schwierigkeiten stoßen, ihre Kraftfahrzeuge ausreichend und dauerhaft zu versichern, da eine Reihe namenhafter Versicherer in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund des hohen Schadenverlaufs bei NichtEG-Ausländern allenfalls bereit ist, Kfz-Versicherungen für Ausländer nur im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen abzuschließen? Wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um einerseits das pauschalierende und diskriminierende Vorgehen der Versicherer zu stoppen, andererseits aber auch zu verhindern, daß durch unfallträchtige Autofahrer, gleich welcher Nationalität, verursachte Kosten zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen? Das in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin geltende Pflichtversicherungsgesetz sieht für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung den sog. Kontrahierungszwang vor. Dies bedeutet, daß die zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zugelassenen Versicherungsunternehmen grundsätzlich jedem Antragsteller — gleich welcher Nationalität — Versicherungsschutz in Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestversicherungssummen gewähren müssen. Diese Mindestversicherungssummen, die sich aus Anlage zu § 4 Abs. 2 des Pflichtversicherungsgesetzes ergeben, werden vom Bundesminister der Justiz laufend auf ihre Auskömmlichkeit überprüft. Sie werden im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr und dem Bundesminister für Wirtschaft geändert, wenn dies erforderlich ist, um bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der verkehrstechnischen Umstände einen hinreichenden Schutz der Geschädigten sicherzustellen. Die letzte Änderung wurde zum 1. Juli 1981 vorgenommen. Damit steht allen Personen, die nach dem Pflichtversicherungsgesetz zum Abschluß einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung verpflichtet sind, ausreichender und auch dauerhafter Versicherungsschutz zur Verfügung. Der Kontrahierungszwang gilt allerdings nicht für Versicherungssummen, die höher als die Mindestversicherungssummen liegen, und nicht für die Nebensparten der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Vollkasko-, Teilkasko- und Kraftfahrtunfallversicherung). Hier besteht Vertragsfreiheit, d. h. jedes Versicherungsunternehmen kann frei entscheiden, ob und inwieweit es einen Vertrag schließen will. Soweit Versicherungsunternehmen in diesem Bereich Anträge von Versicherungsinteressenten abgelehnt haben, ist dies nach den Erkenntnissen der Bundesregierung jedoch grundsätzlich unabhängig von der Nationalität der Antragsteller und unter Berücksichtigung der individuellen Umstände geschehen. Den eingegangenen Beschwerden geht die Versicherungsaufsicht jeweils nach. Für generelle Eingriffe in die Vertragsfreiheit sieht die Bundesregierung keinen Anlaß. Den erhöhten Gefahren, die von Kraftfahrern ausgehen, welche häufiger als andere Unfälle verursachen, ist in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung dadurch Rechnung getragen, daß die Prämien entsprechend der Fahrzeugstärke gestaffelt sind und überdies das individuelle Fahrverhalten durch Einstufung in Schadenfreiheits- und Malusklassen berücksichtigt wird. Zur Frage, ob noch andere und zusätzliche Lösungen gewählt werden sollten, werden z. Zt. bei dem insoweit federführenden Bundesminister für Wirtschaft Überlegungen angestellt. Diese Überlegungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen, so daß hierüber noch nichts gesagt werden kann. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Voss (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 80 und 81): Warum hat die Bundesregierung gemäß Artikel 3 Abs. 2 der Transfer-Vereinbarung vom 25. April 1974 auf weitere Transfermöglichkeiten verzichtet, und welche Rechtsgrundlagen rechtfertigten und ermächtigten sie hierzu? Welche Überlegungen waren maßgebend, über Artikel 3 Abs. 2 hinaus zusätzlich noch in Nummer 4 des Protokollvermerks (vom gleichen Tage) zu vereinbaren, daß „der Transfer sich nicht erstreckt auf in der ,DDR' bestehende Guthaben aus Grundstückserträgen"? Zu Frage 80: Ihre Frage geht davon aus, die Bundesregierung habe gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Transfervereinbarung vom 25. April 1974 auf weitere Transfermöglichkeiten verzichtet. Diese Annahme ist falsch. Artikel 3 Absatz 2 besagt lediglich, daß die Durchführung von Transferaufträgen aus dem einen der beiden deutschen Staaten nur in dem Umfang möglich ist, in dem auch Transferaufträge aus dem anderen Staat vorliegen. Transferaufträge aus der Bundesrepublik Deutschland, denen keine Transferaufträge aus der DDR gegenüberstehen, sind deshalb nicht vom Transfer ausgeschlossen. Ihre Durchführung verzögert sich nur, bis entsprechende Transferaufträge aus der DDR vorliegen oder die DDR aufgrund des Protokolls zur Sperrguthabenvereinbarung vom 16. November 1978 Mittel für die Durchführung dieser Aufträge zur Verfügung stellt. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3941* Von einem „Verzicht auf weitere Transfermöglichkeiten" kann somit nicht die Rede sein. Damit entfällt Ihre Frage nach der Rechtsgrundlage. Zu Frage 81: Nach den devisenrechtlichen Vorschriften der DDR dürfen Erträge, die Bewohner der Bundesrepublik Deutschland aus ihren in der DDR belegenen Grundstücken erzielen, nur für Zwecke der Bewirtschaftung und der Werterhaltung oder -erhöhung dieser Grundstücke verwendet werden. Der Protokollvermerk Nr. 4 der Transfervereinbarung trägt dieser Regelung Rechnung. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Spöri (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 82 und 83): Kann der Bundesfinanzminister bestätigen, daß bei Einrechnung der für 1982 zu erwartenden rd. 1,5 Milliarden DM Einnahmen der Bundesländer aus dem Förderzins auf inländische Erdöl- und Erdgasgewinnung in den Länderfinanzausgleich das Land Niedersachsen, auf das über 90 v. H. der Förderzinseinnahmen entfallen, rd. 750 Millionen DM weniger Finanzausgleichszahlungen erhalten würde? Worauf beruht die Verpflichtung des Bundes, dem Land Niedersachsen Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von über 550 Millionen DM weiter zu gewähren, obwohl Niedersachsen durch seine Einnahmen aus dem Förderzins gegenüber dem Bund und den übrigen Bundesländern einen so hohen Vorteil hat? 1. Nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz ist durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der Bundesländer angemessen ausgeglichen wird. Das Nähere ist im Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern geregelt. Nach dem geltenden Finanzausgleichsgesetz werden Einnahmen aus dem Förderzins bei der Ausgleichsbemessung nicht berücksichtigt. In die Berechnung der für den Länderfinanzausgleich maßgeblichen Steuerkraft werden im vom Finanzausgleichsgesetz genau abgegrenztem Umfang nur die Steuereinnahmen der Länder sowie die wesentlichen Steuereinnahmen der Gemeinden einbezogen. Da sich bei Verabschiedung des Finanzausgleichsgesetztes 1969 die sonstigen Einnahmen (einschließlich des Förderzinses) relativ gleichmäßig auf alle Länder verteilten, war kein Anlaß gegeben, sonstige Einnahmen der Länder beim horizontalen — und auch beim vertikalen — Finanzausgleich zu berücksichtigen. Diese Ausgangslage hat sich durch die als Folge der starken Ölpreissteigerungen angewachsenen Förderzinseinnahmen, die besonders Niedersachsen begünstigen, grundlegend geändert. Das Bundesberggesetz vom 13. August 1980, das die Möglichkeit der Erhöhung des Förderzinses bis auf 40 v. H. des Marktwertes vorsieht, überläßt die Festsetzung der Höhe landesrechtlicher Regelung. Der Förderzins ist nach seiner Ausgestaltung keine Steuer. Rund 92 v. H. des Förderzinsaufkommens entfielen 1980 auf Niedersachsen. Nachdem die niedersächsische Landesregierung den Förderzins von derzeit 22 v. H. auf 32 v. H. ab 1. Januar 1982 erhöht hat, dürften die Förderzinseinnahmen Niedersachsens 1982 schätzungsweise 1,4 Mrd. DM betragen. Eine Einbeziehung dieser Förderzinseinnahmen in die Bemessungsgrundlage des Länderfinanzausgleichs würde jedoch eine Änderung des geltenden Finanzausgleichsgesetzes voraussetzen. Rein rechnerisch könnten sich im Falle einer solchen Gesetzesänderung die Ausgleichszuweisungen an Niedersachsen ermäßigen. Genaue Zahlen ergeben sich erst im Jahr 1982. 2. Auch bei der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen wird die Finanzkraftverstärkung aus dem Förderzins nicht berücksichtigt. Nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 Grundgesetz kann der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Ergänzungszuweisungen gewähren. Die gesetzliche Regelung der Ergänzungszuweisungen im Finanzausgleichsgesetz ist — wie die des Beteiligungsverhältnisses von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer — Ende 1980 ausgelaufen. Die derzeitige Regelung beruht auf der zwischen dem Bund und allen Ländern gemäß dem Vermittlungsausschußergebnis vom 3. Juli 1980 zum Steuerentlastungsprogramm 1981 getroffenen Vereinbarung, wonach die bisherige Regelung über die Verteilung der Umsatzsteuer und über die Ergänzungszuweisungen 1981 fortgeführt wird, gegebenenfalls auch über das Jahr 1981 hinaus, bis eine gesetzliche Neuregelung erfolgt. Im Rahmen der noch laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die gesetzliche Neuregelung der Umsatzsteuer ist somit auch über die gesetzliche Regelung der Ergänzungszuweisungen neu zu befinden. Bei einer entsprechenden Überprüfung von Volumen, Dynamik und Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen wird die Finanzlage des Bundes ebenso eine Rolle spielen wie Veränderungen in der Finanzausstattung einzelner Bundesländer. Auch wird verstärkt von einigen Bundesländern für die Regelung der Bundesergänzungszuweisungen — wie für die des horizontalen Finanzausgleichs — die Berücksichtigung von Besonderheiten in der Ausgaben- und Einnahmenstruktur gefordert. Solange die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Umsatzsteuerverteilung nicht abgeschlossen sind, ist der Bund wie die Länder an die vorgenannte Vereinbarung gebunden, wonach über das Jahr 1981 hinaus die Länder einen Betrag von 1 Mrd. DM jährlich weiterhin zahlen und im übrigen die bisherige Regelung über die Verteilung der Umsatzsteuer und über die Ergänzungszuweisungen fortgeführt wird, bis es zu einer gesetzlichen Regelung der Umsatzsteuerverteilung kommt. 3942* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Frage des Abgeordneten Dr. Diederich (Berlin) (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 84): Hat die Bundesregierung Informationen darüber, wie nach der im Frühjahr vorgenommenen Steuererhöhung die Preisentwicklung auf dem Markt für Kosmetikartikel bei Produkten ist, bei denen Isopropylalkohol verwendet wird, und kann die Bundesregierung angeben, ob die Steuererhöhung die Absatzlage dieser Produkte meßbar beeinflußt und inwieweit die Einführung der Besteuerung des Isopropylalkohols zu einer Substitution durch anderen Alkohol geführt hat? Die Bundesregierung hat bisher keine Erkenntnisse darüber, wie sich die am 1. April 1981 eingeführte Branntweinsteuer auf Isopropylalkohol im einzelnen auf die Preise und den Absatz propanolhaltiger kosmetischer Produkte auswirkt. Zwar sind die Herstellerpreise für Haarpflegemittel nach der amtlichen Statistik von März bis Oktober 1981 um fast 20 % gestiegen, es ist aber nicht ersichtlich, inwieweit diese Preissteigerung durch die Besteuerung von Isopropylalkohol beeinflußt ist. Der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel kann Einzelheiten dazu noch nicht mitteilen. Auch die Entwicklung der Absatzlage kann noch nicht beurteilt werden. Die Steueranmeldungen der betroffenen Unternehmen geben darüber keinen Aufschluß, weil Vergleichsdaten für die Zeit vor dem 1. April. 1981 nicht existieren. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß sich der Handel vor der Besteuerung Vorräte für eine längere Zeit angelegt hatte; das verdeutlichen die jetzt langsam ansteigenden Versteuerungsmengen. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, daß Hersteller kosmetischer Erzeugnisse wegen der Besteuerung des Isopropylalkohols zur Verarbeitung von Äthylalkohol übergehen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Fragen des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 86 und 87): Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung zur künftigen Einheitsbewertung des Grund und Bodens und der Wohngebäude, der Ein- und Zweifamilienhäuser sowie des Geschoßwohnungsbaus, unter Berücksichtigung der Veröffentlichungen des bayerischen Staatsministers der Finanzen (25. September 1981/324/81), wonach die Bundesregierung das Sachwertverfahren bzw. das Geschoßflächenverfahren bevorzugt und entsprechend von Probebewertungen eine erhebliche Einheitswertsteigerung mit zusätzlichen Steuerbelastungen die Folge wären? Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung beabsichtigt, noch im Jahr 1982 die Einheitsbewertung für unbebaute Grundstücke vorzunehmen, und nach welchen Kriterien soll dies geschehen? Zu Frage 86: Wie ich bereits in meiner Antwort am 7. September dieses Jahres darlegen konnte, sind die Vorbereitungsarbeiten für eine allgemeine Neubewertung des Grundbesitzes noch nicht abgeschlossen. Aus den bisherigen Auswertungen der Kaufpreisuntersuchungen ergibt sich jedoch, daß das Geschoßflächenverfahren zu besseren Ergebnissen führt als das an eine tatsächliche gezahlte Miete anknüpfende Bewertungsverfahren. Um Mißverständnissen bei der Beurteilung des zur Diskussion stehenden Bewertungsverfahren zu begegnen, weise ich in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es schon nach geltendem Recht das Ziel des Ertragswertverfahrens und des Sachwertverfahrens ist, den — typisierten — gemeinen Wert, d. h. den Verkehrswert für bebaute Grundstücke zu ermitteln. Dies hat der Bundesfinanzhof jüngst in einem Urteil vom 3. Juli dieses Jahres erneut bestätigt. Auch künftig muß bei Anwendung beider Verfahren — des Geschoßflächenverfahrens und des Rohmietenverfahrens — dieses Ziel erreicht werden. Die Veröffentlichungen des Bayerischen Staatsministers der Finanzen (25. September 1981/324/81) verkennen insoweit die Funktion der beiden zur Diskussion stehenden Verfahren. Geprüft wird gegenwärtig, welches der beiden Verfahren bessere Ergebnisse erreicht und welcher Arbeitsaufwand für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung sich bei den verschiedenen Verfahren ergibt. Wegen der steuerlichen Folgen einer Neubewertung des Grundvermögens weise ich darauf hin, daß das geltende Recht — jeweils Artikel 10 § 3 des Vermögensteuer-Reformgesetzes und des Erbschaftsteuer-Reformgesetzes — bei Ablösung der Einheitswerte 1964 eine Entscheidung auch über die Steuersätze, Freibeträge usw. vorschreibt. Die gelegentlich veröffentlichten Berechnungsbeispiele über die sich bei einer Neubewertung ergebenden Belastungserhöhungen durch den Ansatz neuer Einheitswerte lassen diese Rechtslage außer acht und verkennen, daß mit der Neubewertung zugleich auch über die steuerlichen Folgen zusätzlich entschieden werden muß. Zu Frage 87: Im vergangenen Monat hat die Bundesregierung bereits auf die schriftlichen Anfragen der Abgeordneten Dr. Schneider (BT-Drucks. 9/915) und Milz (BT-Drucks. 9/942) dargelegt, daß im Zusammenhang mit den Vorbereitungsarbeiten für eine allgemeine Neubewertung des Grundbesitzes geprüft wird, ob die Neubewertung für die gegenwärtig besonders stark unterbewerteten unbebauten Grundstücke vorgezogen werden kann. Ziel einer solchen Neubewertung wäre, wie bereits bei der Einheitsbewertung 1964, die Ermittlung der gemeinen Werte zum Bewertungsstichtag. Eine solche auf unbebaute Grundstücke begrenzte Neubewertung könnte kurzfristig durchgeführt werden. Ich weise in diesem Zusammenhang auch darauf hin, daß bereits 1974 der Bundesrat bei Grund und Boden eine zeitnahe Einheitsbewertung für dringend geboten hielt. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3943* Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Jobst (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 88): Wird die Bundesregierung sich dafür entscheiden, daß das durch einen Erdeinbruch zerstörte Werk der VAW-Flußspatchemie, Stulln, das zu einem Bundeskonzern gehört, wieder aufgebaut oder daß ein anderes Werk errichtet wird, nachdem etwa 250 Arbeitnehmer betroffen sind und diese angesichts der ernsten Arbeitsplatzsituation in der mittleren Oberpfalz keine anderen Arbeitsplätze finden können? Der Wiederaufbau des durch den Erdrutsch zerstörten Betriebsbereiches „Fluor-Chemie" der VAW Flußspat-Chemie in Stulln wird zur Zeit von der verantwortlichen Unternehmensleitung geprüft. Ich gehe davon aus, daß der betroffene Betriebsbereich, soweit wirtschaftlich vertretbar, wieder aufgebaut wird, um die gefährdeten Arbeitsplätze möglichst weitgehend zu erhalten. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Fragen der Abgeordneten Frau Hürland (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 89 und 90): Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Maß Gesetzesänderungen, Erlasse und Verfügungen in der Bundesanstalt für Arbeit dazu führen, daß ein Sachbearbeiter in der Leistungsabteilung arbeitstäglich lediglich 5 bis 7 Anträge bearbeiten kann gegenüber früher etwa zwanzig, und wenn j a, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um sicherzustellen, daß bei dem hohen Stand der Arbeitslosigkeit eine zügige Bearbeitung der Anträge auf Leistung nach dem Arbeitsförderungsgesetz erfolgen kann? Mit welchem Kostenaufwand sind in den letzten zehn Jahren Verwaltungsgebäude von den einer Aufsicht des Bundes unterliegenden Körperschaften oder Anstalten öffentlichen Rechts erstellt worden, deren Einnahmen zum überwiegenden Teil aus Beiträgen der gesetzlichen Sozialversicherung, also der Versichertengemeinschaft, resultieren? Zu Frage 89: Der Zeitbedarf für die Bearbeitung der Leistungsanträge ist außerordentlich unterschiedlich. Dabei spielen — neben dem Schwierigkeitsgrad des einzelnen Antrags — vor allem auch die Struktur und die Arbeitsmarktlage der einzelnen Arbeitsamtsbezirke und die Mitwirkung der Arbeitslosen bei der Aufklärung des Sachverhalts eine erhebliche Rolle. Durchschnittswerte über die Zahl der von einem Sachbearbeiter arbeitstäglich zu bearbeitenden Leistungsanträge liegen nicht vor. Ich kann Ihnen lediglich mitteilen, daß 1975 rund 3,28 Mio. Anträge auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gestellt worden sind, 1980 rund 2,85 Mio. Die Zahl der Sachbearbeiter, die diese Anträge bearbeitet haben, kann ich leider nicht angeben; jedoch läßt sich allgemein feststellen, das 1975 rund 15 500 und 1980 rund 14 500 Mitarbeiter einschließlich der Zusatzkräfte in den Stellenplänen für die Leistungsabteilungen ausgewiesen sind. Aus diesen Zahlen läßt sich aber nicht auf die Zahl der Sachbearbeiter von Arbeitslosengeld- oder -hilfeanträgen schließen, da die Lei- stungsabteilungen außer der Bearbeitung dieser Anträge noch weitere vielfältige Aufgaben zu erledigen haben, insbesondere bei Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung, zur beruflichen Rehabilitation, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Leistungen im Rahmen der produktiven Winterbauförderung, Konkursausfallgeld und Kindergeld. Jedenfalls gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, das sich — wie es in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt — durch Rechtsänderungen die Bearbeitungszeiten verdreifacht hätten. Es ist richtig, daß in den letzten Jahren auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe erhebliche Rechtsänderungen vorgenommen worden sind. Diese Änderungen haben in der großen Mehrzahl die soziale Sicherung und die Rechtsposition des einzelnen Arbeitslosen verbessert. Seit 1969 hat sich die Bundesregierung in verstärktem Maße jedoch auch um die Vereinfachung des Leistungsrechts bemüht, beispielsweise durch Wegfall der komplizierten Wartezeitregelung, durch die Vereinfachung der Regelung über die Anwartschaftszeit und die Anspruchsdauer und durch den Wegfall der Familienzuschläge. Auch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz enthält Regelungen, die die Bearbeitung der Leistungsanträge vereinfachen, z. B. die Neuregelung der Bemessung des Arbeitslosengeldes für Auszubildende und für Arbeitslose nach kurzzeitiger Beschäftigung sowie den Wegfall der vierteljährlichen schriftlichen Erklärung über Nebenverdienste. Darüber hinaus ist die Bundesanstalt für Arbeit ständig bemüht, die Bearbeitung der Leistungsanträge durch organisatorische Maßnahmen, z. B. einen immer stärkeren Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung, zu vereinfachen. Außerdem erwartet die Bundesregierung weitere Anregungen zur Vereinfachung des Leistungsverfahrens von dem Gutachten über die Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Bundesanstalt, das auf Wunsch des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung erstellt wird. Zu Frage 90: In den Jahren 1971 bis 1980 ist bei den von Ihnen angesprochenen Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts — entsprechend den vom Bundesversicherungsamt und den Trägern kurzfristig eingeholten Angaben — folgender Kostenaufwand für Baumaßnahmen an Verwaltungsgebäuden entstanden: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 340,0 Mio DM, Bundesknappschaft 6,6 Mio DM, Landesversicherungsanstalt Oldenburg/Bremen 8,3 Mio DM, Träger der Krankenversicherung 63,8 Mio DM, Träger der Unfallversicherung 282,1 Mio DM, Bundesverbände der Krankenkassen 65,2 Mio DM, Bundesanstalt für Arbeit 826,9 Mio DM. 3944* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 In diesen Beträgen sind sowohl die Kosten für Neubauten als auch für Um- und Erweiterungsbauten enthalten. Eine gesonderte Ermittlung der Kosten war in der Kürze der Zeit nicht möglich. Bei den Angaben für die bundesunmittelbaren Träger der Krankenversicherung und Unfallversicherung handelt es sich um die von der Aufsichtsbehörde genehmigten Kosten. Diese weichen von den im gleichen Zeitraum entstandenen kassenwirksamen Aufwendungen insofern ab, als die Genehmigung jeweils vor Beginn der Baumaßnahme und grundsätzlich in einer Summe erteilt worden ist. Beim Bundesverband der Ortskrankenkassen ist außerdem zu berücksichtigen, daß von dem angegebenen Kostenaufwand 12,5 Millionen DM abzusetzen sind, die durch Verkauf des alten Verwaltungsgebäudes erzielt worden sind. Beim Bundesverband der Betriebskrankenkasse sind in den Ausgaben auch die Kosten für eine Bundesschule in Höhe von 10,5 Millionen DM eingeschlossen. Bei der Bundesanstalt für Arbeit ist zu berücksichtigen, daß der angegebene Kostenaufwand für insgesamt mehr als 650 Dienststellen der Arbeitsverwaltung entstanden ist. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen der Abgeordneten Frau Geiger (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 91 und 92): Wie hoch schätzt die Bundesregierung derzeit den realen Rückflußwert der BAföG-Darlehen ein, und hat sich die Quote seit der Beanstandung des Bundesrechnungshofs vom 8. August 1980 merklich erhöht? Sind die Rückstände im Bundesverwaltungsamt — am 8. August 1980 betrug die Zahl der noch anzulegenden Akten für die BAföG-Darlehensrückzahlung laut Bundesrechnungshof noch 770 000 — jetzt aufgearbeitet, und haben sich keine neuen Rückstände mehr angesammelt? Zu Frage 91: Der reale Rückflußwert der nach dem BAföG geleisteten Grunddarlehen wird bestimmt durch Abzüge vom ausgezahlten Darlehen für die bei der Darlehenstilgung entstehenden Ausfälle (z. B. wegen Erwerbslosigkeit oder Tod des Darlehensnehmers), die Geldwertminderung und den Verwaltungsaufwand. Die Bundesregierung hat den realen Rückflußwert in ihrem Bericht vom 9. Juni 1980 zum Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) mit 30 bis 40 v. H. der ausgezahlten Darlehen angegeben (vgl. BT-Drucksache 8/4187, S. 3). Dabei hat sie die Angaben des BWV beibehalten, der von einer auf die Gesamtlaufzeit des Darlehens bezogenen durchschnittlichen Geldwertminderung von jährlich 3 v. H. ausgegangen ist. Die jährliche Geldwertminderung beträgt zwar zur Zeit über 5 v. H.; Schwankungen sind aber bei der auf eine bis zu 30jährige Laufzeit bezogenen Quote von durchschnittlich 3 v. H. berücksichtigt worden. Im übrigen wird sich der reale Rückfluß-wert der Darlehen auf Grund der für Mitte 1982 vorgesehenen Anhebung der monatlichen Rückzahlungsraten auf 120 DM erhöhen. Insgesamt geht die Bundesregierung daher nach wie vor davon aus, daß im Durchschnitt zwischen 30 und 40 v. H. der ausgezahlten Darlehen real zurückfließen. Zu Frage 92: Zu Ihrer Frage nehme ich in Übereinstimmung mit dem für die Dienstaufsicht über das Bundesverwaltungsamt zuständigen Bundesminister des Innern wie folgt Stellung: Auf Grund erheblicher Arbeitsrückstände mußte vorübergehend (von Januar bis einschließlich August 1980) der Versand von Leistungsbescheiden eingestellt werden. Wie die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort vom 30. September 1980 auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion mitgeteilt hat, trifft es jedoch nicht zu, daß im August 1980 770 000 Akten nicht angelegt worden sind (vgl. BT-Drucksache 8/4492, S. 2). Im einzelnen wird insoweit auf die ausführliche Antwort der Bundesregierung verwiesen. Die geschilderte Aussetzung der Versendung von Leistungsbescheiden führte zu einem deutlichen Abbau der Rückstände und zu einer Konsolidierung der Arbeitssituation. Mit der Wiederaufnahme des Versandes von Bescheiden im September 1980 nahmen auch die Reaktionen der Darlehensnehmer (Anfragen, Widersprüche etc.) wieder zu. Dies führte trotz verstärkten Personaleinsatzes erneut zu einem Anstieg der Arbeitsrückstände. Eine durchgreifende Verbesserung der Arbeitssituation beim BVA ist nach Auffassung der Bundesregierung nur durch Bereitstellung der für einen ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug erforderlichen Stellen möglich. Die Bundesregierung wird sich hierfür weiterhin mit Nachdruck einsetzen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Fragen der Abgeordneten Frau Steinhauer (SPD): (Drucksache 9/1058 Fragen 93 und 94): Trifft es zu, daß die Bundesregierung Überlegungen anstellt, die darauf hinauslaufen, das — 1957 eingeführte — Recht der Rentenversicherungsträger (§ 1437 RVO, § 159 AVG), die Einziehung und Abführung der Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter bei den Einzugsstellen zu überprüfen, abzuschaffen, und worin bestünde ein Anlaß zu einer derartigen Gesetzesänderung? Treffen Beobachtungen zu, wie sie die LVA-Westfalen gemacht hat, wonach Tbc-Erkrankte, deren Aufnahme in eine spezielle Heilstätte aus medizinischen Gründen erforderlich wäre, weiter stationär — oftmals sogar mit Wochenendurlaub — in Krankenhäusern behandelt werden, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Praxis unter medizinischen, gesundheitspolitischen und kostenmäßigen Gesichtspunkten? Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3945* Zu Frage 93: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, den Trägern der Rentenversicherung der Arbeiter das Prüfrecht über die Beitragseinzugsstellen zu nehmen, wie es in § 1437 der Reichsversicherungsordnung geregelt ist. Das geltende Recht soll jedoch mit dem Ziel geändert werden, daß die Rentenversicherungsträger die Beitragseinzugsstellen häufiger prüfen und Beitragsverluste infolge verspäteter Prüfungen vermieden werden. Dies hat auch der Bundesrechnungshof wiederholt gefordert. Zu Frage 94: Die Bundesregierung kann nicht beurteilen, ob die von Ihnen angesprochene Behauptung der Landesversicherungsanstalt Westfalen zutrifft. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß — in Abweichung von der vorgesehenen Abstufung und Gliederung in der stationären Versorgung — in Einzelfällen Patienten in Allgemeinkrankenhäuser aufgenommen oder dort weiter behandelt werden, obwohl sie nach Art und Schwere ihrer Krankheit in Spezialkliniken versorgt werden müßten. Die Verantwortung für die Zweckmäßigkeit der medizinischen Versorgung trägt jedoch allein der behandelnde Arzt; die Bundesregierung beabsichtigt nicht, hier Einfluß zu nehmen. Allenfalls könnten die Bundesländer — im Rahmen ihrer Zuständigkeit für das Krankenhauswesen und die Krankenhausbedarfsplanung — darauf hinwirken, daß die Allgemeinkrankenhäuser Patienten, die aus medizinischen Gründen in einer Fachklinik behandelt werden müssen, auch dorthin abgeben. Soweit Krankenhäuser durch die von ihnen zu behandelnden Patienten nicht ausgelastet sind und z. B. durch Verlängerung der Verweildauer für Tbc-Kranke „aufgefüllt" werden, haben die Länder im Rahmen der Krankenhausbedarfsplanung dafür zu sorgen, daß überzählige Betten abgebaut werden. Im übrigen ist in dem vom Deutschen Bundestag am 12. November 1981 beschlossenen Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz (Bundesrats-Drucksache 494/81) die Einrichtung von Prüfungsausschüssen vorgesehen, die von Krankenhäusern und Krankenkassen paritätisch besetzt sind. Diese Ausschüsse sollen die Aufgabe erhalten, die Wirtschaftlichkeit der Krankenhauspflege im Einzelfall zu überwachen und gegebenenfalls nachzuprüfen (§§ 373, 374 RVO). Im Rahmen einer solchen Einzelfallprüfung können auch Fälle von Fehlbelegungen zwischen Kostenträgern und Krankenkassen geklärt werden. Es ist vorgesehen, daß die Prüfungsausschüsse aus Anlaß der Einzelprüfung Empfehlungen abgeben, die von den Beteiligten zu beachten sind. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Frage der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 95): Ist der Bundesregierung bekannt, ob Meldungen zutreffen, nach denen es im Bereich der bundesdeutschen Herzchirugie auf Grund langer Wartezeiten zu „Patientenexporten" ins Ausland kommt, und mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung die organisatorische und finanzielle Situation der Herzkliniken in der Bundesrepublik Deutschland verbessern? Die Bundesregierung hat Grund zu der Annahme, daß zahlreiche Patienten durch lange Wartezeiten veranlaßt werden, sich zur Herzoperation ins Ausland zu begeben. Über die genaue Zahl dieser Patienten liegen der Bundesregierung jedoch keine Angaben vor. Es ist Aufgabe der Länder, im Rahmen der Krankenhausbedarfsplanung für die erforderlichen Krankenhauseinrichtungen und ihre Funktionsfähigkeit zu sorgen. Die Engpässe bei Herzoperationen liegen nach den Erkenntnissen der Bundesregierung weniger im investiven als im personellen Bereich. Es fehlt vor allem an spezialisiertem pflegerischen und medizintechnischen Personal für die Intensivpflege nach der Operation. Die Bundesregierung ist bereit, den Ländern nach Kräften zu helfen, die bestehenden Engpässe zu beseitigen. Im investiven Bereich hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Schaffung von Herzzentren in die Modell- und Schwerpunktförderung nach § 23 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes aufgenommen. Zu den geförderten Zentren gehört neben der Johanniter-Kinderklinik in St. Augustin das Herzzentrum in Bad Oeynhausen, für das der Bund erst kürzlich einen Betrag in Höhe von 7,25 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat. Vorgespräche mit anderen Bundesländern über weitere Herzzentren im außeruniversitären Bereich sind angelaufen. Zur Behebung der personellen Engpässe hat der Deutsche Bundestag am 12. November 1981 im Rahmen des Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetzes eine Änderung des Krankenpflegegesetzes beschlossen, nach der die bisher dreijährige Ausbildung bei Umschülern aus artverwandten Berufen bis zu zwölf Monate verkürzt werden kann. Außerdem wird mit dem Gesetz die Finanzierung der mit den Krankenhäusern verbundenen Ausbildungsstätten auf eine dauerhafte Grundlage gestellt. Die Bundesregierung hofft, daß die Länder diesen Regelungen zustimmen und damit die Voraussetzungen für die Heranbildung des nötigen Pflegepersonals verbessern werden. Im organisatorischen Bereich ist an die Einführung einer bundesweiten zentralen Meldestelle für Operationskapazitäten nach dem Vorbild der zentralen Meldestelle für Schwerstverbrannte und für Querschnittgelähmte in Hamburg zu denken. Die bisherigen Erfahrungen der im Mai 1981 gegründeten Herzhilfe e. V., Köln, einer gemeinnützigen Privatinitiative, zeigen, daß hierfür offensichtlich ein Bedarf besteht. 3946* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Frage des Abgeordneten Dr. Feldmann (FDP) (Drucksache 9/1058 Frage 96): Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der Aufhebung der Sozialversicherungsfreigrenze für das in starkem Maß auf Saison- und Aushilfskräfte angewiesene Hotel-und Gaststättengewerbe, und wie hoch werden die zusätzlichen Belastungen für die hauptsächlich mittelständischen Betriebe sein? Nach der vom Deutschen Bundestag am 12. November 1981 verabschiedeten Regelung über den Wegfall der Versicherungsfreiheit bei geringfügigen Beschäftigungen wird für die im Hotel- und Gaststättengewerbe Beschäftigten — wie für andere Teilzeitkräfte — Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung unabhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts und der Dauer der Beschäftigung bestehen. Die daraus entstehenden Belastungen für die Arbeitgeber sind nicht höher als die für andere versicherungspflichtige Arbeitnehmer. Dies wird dadurch sichergstellt, daß — abweichend vom bisherigen Recht — auch bei geringen Entgelten Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge je zur Hälfte tragen sollen. Für kurzfristige Beschäftigungen ist ähnlich dem bisherigen Recht eine Ausnahme vorgesehen. Danach sollen Beschäftigungen, die innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens 8 Wochen oder 40 Arbeitstage begrenzt sind, versicherungsfrei sein, wenn das Entgelt aus diesen Beschäftigungen den Betrag von 2 460 DM (Wert für 1982) im Jahr nicht übersteigt. Diese Sonderregelung ermöglicht eine verwaltungsmäßige Erleichterung für saisonal bedingte Aushilfsbeschäftigungen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Fragen des Abgeordneten Oostergetelo (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 99 und 100): Ist der Bundesregierung der Artikel „Agrarsoziales Sicherungssystem in Gefahr" aus AGRA-EUROPE vorn 5. Oktober 1981 bekannt, und ist es richtig, daß 1985 bei Verwirklichung der Sparpläne der Bundesregierung die Sozialbeiträge rund 40 v. H. der bäuerlichen Einkommen beanspruchen würden? Ist es in diesem Zusammenhang richtig, daß sich die Beitragsbelastung der Landwirte in Von-Hundert-Sätzen entsprechend der Höhe des Einkommens verändert, und wäre die Bundesregierung bejahendenfalls bereits, die Beitragsbelastung in Von-Hundert bei einigen ausgewählten Einkommensgruppen — entsprechend z. B. der Statistiken des Agrarberichts — zu nennen? Die Darstellung des Herrn Kollgen Kiechle in der genannten Veröffentlichung ist der Bundesregierung bekannt. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß nach den Ergebnissen einer Sonderauswertung für das Testbetriebsnetz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Belastung landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetriebe mit Beiträgen zur sozialen Sicherung (Krankenversicherung, Unfallversicherung und Altershilfe für Landwirte) im Wirtschaftsjahr 1979/80 bei 11,64 v. H. des Gewinns lag. Differenziert nach dem Standardbetriebseinkommen, der statistischen Einteilung des Agrarberichts, betrug die Gewinnbelastung in den statistischen Gruppen: unter 20 000 DM Standardbetriebseinkommen 20,42 v. H., zwischen 20 000 und 30 000 DM Standardbetriebseinkommen 14,77 v. H., zwischen 30 000 und 40 000 DM Standardbetriebseinkommen 12,44 v. H. und über 50 000 DM Standardbetriebseinkommen 10,62 v. H. Diese Daten können nur für abgelaufene Wirtschaftsjahre ermittelt werden. Die Bundesregierung wäre bereit, sie künftig im Agrarbericht auszuweisen. Eine Prognose für 1985 — wie in der von Ihnen genannten Veröffentlichung angestellt — ist schon im Hinblick auf die nicht im einzelnen vorhersehbare Entwicklung der Einkommen der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe nicht möglich. Gruppiert man die Vollerwerbsbetriebe nach dem Gewinn — und nicht, wie im Agrarbericht üblich, nach dem Standardbetriebseinkommen —, läßt sich nicht ausschließen, daß die Belastung des untersten Viertels der ca. 400 000 Vollerwerbsbetriebe dem genannten Vom-Hundert-Satz nahekommen kann. Die starken Einkommensunterschiede in der Landwirtschaft führen allerdings auch dazu, daß der Gewinn des obersten Viertels der Vollerwerbsbetriebe erheblich geringer durch Sozialabgaben belastet wird (Wirtschaftsjahr 1979/80: 6,9 v. H.). Der Bundestag hat gerade in Kenntnis der Einkommensunterschiede innerhalb der Landwirtschaft auf Vorschlag der Bundesregierung beschlossen, die Beiträge in der Altershilfe für Landwirte nach der Einkommenshöhe zu staffeln. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Fragen des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 101 und 102): Welche Dienststelle des Bundesverteidigungsministeriums hat die Vorbereitung und Durchführung der Bundeswehr Kommandeurstagung 1979 genehmigt? Welche dienstrechtlichen Konsequenzen — zum Beispiel: Beförderung — zieht der Bundesverteidigungsminister für die Verantwortlichen dieser Tagung, deren Kosten der Bundesrechungshof gerügt hat? 1. Mit Fernschreiberlaß des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 23. Oktober 1978 wurde die 23. Kommandeurstagung der Bundeswehr sowie eine Besprechung der Kommandierenden Generale auf der Insel Borkum in der Zeit vom 2. bis 5. Mai 1979 angeordnet. 2. Nach dem geltenden Recht erscheinen disziplinarrechtliche Tatbestände nicht erfüllt. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3947* Im übrigen werden die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs zur Bundeshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1979 ernst genommen. Die Bundesregierung läßt keinen Zweifel daran, daß gerade in einer Zeit knapper werdender Mittel das Gebot sparsamen Wirtschaftens strikt eingehalten werden muß. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis auf einen nicht geklärten Dissens bei der Kostenberechnung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesrechnungshof gestattet. Nach Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung erscheint es nicht zwingend, Transport- und Personalkosten in die Kostenberechnung einzubeziehen. Dieser Teilbetrag in einer Größenordnung um 1 Million DM wäre nach Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung ohnehin angefallen. Das Bundesministerium der Verteidigung will jedoch gerade auch dieser Frage noch vertiefend nachgehen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Fragen des Abgeordneten Lutz (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 103 und 104): Wie rechtfertigt die Bundesregierung den Kostenaufwand der 23. Kommandeurstagung der Bundeswehr von 1,4 Millionen DM für 350 Teilnehmer angesichts der Tatsache, daß die Bundesversammlung des Jahrs 1979 bei einer Teilnehmerzahl von über 1000 669 586 DM Kosten verursachte? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Kommandeure in Zukunft so zu beeinflussen, daß Möbel geschont und Instandsetzungsarbeiten mit Kosten in Höhe von 29 800 DM nicht mehr anfallen werden, und wie erklärt sich die Bundesregierung, daß auf einer Insel wie Borkum 29 600 Kilometer mit Dienstfahrzeugen zurückgelegt werden? 1. Die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs zur Bundeshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1979 werden ernst genommen. Die Bundesregierung läßt keinen Zweifel daran, daß gerade in einer Zeit knapper werdender Mittel das Gebot sparsamen Wirtschaftens strikt eingehalten werden muß. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis auf einen nicht geklärten Dissens bei der Kostenberechnung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesrechnungshof gestattet. Nach Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung erscheint es nicht zwingend, Transport- und Personalkosten in die Kostenberechnung einzubeziehen. Dieser Teilbetrag in einer Größenordnung um 1 Million DM wäre nach Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung ohnehin angefallen. Das Bundesministerium der Verteidigung will jedoch gerade auch dieser Frage noch vertiefend nachgehen. Ein Vergleich mit den Kosten für die Bundesversammlung des Jahres 1979 erscheint nicht möglich. 2. Nach den Schadensberichten sind Schäden insbesondere im Unterkunftsbereich der Kaserne, auf dem Behelfsflugplatz und bei der Aus- bzw. Beladung von Mobilar von/in Frachtschiffe durch dafür nicht ausgebildetes Bundeswehrpersonal entstanden. Instandsetzungsarbeiten im Kurhaus wurden als Folge von Absicherungsmaßnahmen verursacht. Weitere Kosten für Handwerker entstanden durch Auf- und Umbaumaßnahmen am und im Kurhaus. Dienstkraftfahrzeuge wurden für zahlreiche Funktionen, wie Versorgungs-, Sicherheits-, FunkFernmelde- und Sanitätsdienst benötigt. Das entspricht bei der Ihrer Frage zugrunde gelegten Kilometerzahl einer durchschnittlichen Leistung von etwa 85 km je Fahrzeug. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage der Abgeordneten Frau Krone-Appuhn (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 105): Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der Auswirkungen des Geburtenrückgangs für die militärische Präsenz, in den 90er Jahren Hilfscorps der Bundeswehr aufzubauen, um damit Wehrdienstverweigerern die Möglichkeit zu geben, „Friedensdienst ohne Waffen" im Bereich der Versorgung der Instandsetzung und des Sanitätsdienstes leisten zu können, und damit sicherzustellen, daß alle jungen Männer im Interesse der Wehrgerechtigkeit und Friedenssicherung zum Wehr- oder Ersatzdienst einberufen werden? Nach § 25 des Wehrpflichtgesetzes können Kriegsdienstverweigerer auf ihren Antrag zum waffenlosen Dienst in der Bundeswehr herangezogen werden. Die Zahl der Antragsteller ist aber äußerst gering. Eine eigene Organisationsform erscheint darum nicht zweckmäßig. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 106): Trifft es zu, daß ein Teil der in der Lüneburger Heide gefundenen Waffen von der bundeseigenen Verwertungsfirma Vebeg an eine private Firma bei Dannenberg und von dort an Rechtsextremisten veräußert wurden, und was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um zukünftig derartige Sicherheitsrisiken auszuschalten? Während inzwischen festgestellt werden konnte, daß zwei der gefundenen Waffen (1 Gewehr G 3,1 Pistole P 1) in den Jahren 1971 und 1972 bei der Bundeswehr in Verlust geraten sind, liegen nach einer über den Bundesminister der Justiz erhaltenen Auskunft des Generalbundesanwalts beim Bundesge- 3948* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 richtshof noch keine gesicherten Erkenntnisse über die Herkunft der in der Lüneburger Heide gefundenen Munition und Sprengmittel vor. Derzeit läßt sich lediglich sagen, daß von den sichergestellten Panzerfaustgranaten 12 mit hoher Wahrscheinlichkeit im Besitz der Firma Klaus & Steinhausen GmbH, vormals Dr. Berkenhoff & Co. GmbH, Werk Dragahn, 3139 Karwitz (in der Nähe von Dannenberg) gewesen sind. Weitergehende Feststellungen, insbesondere darüber, woher und wann die Firma Klaus & Steinhausen GmbH diese Granaten erhalten hat sowie wann und wie sie aus dem Bereich dieser Firma hinausgelangt sind, lassen sich nach dem bisherigen Ergebnis der noch andauernden Ermittlungen nicht treffen. Um Mißbrauch mit ausgesonderten Waffen auszuschließen, gibt die Bundeswehr diese seit 1975 nicht mehr über die VEBEG zur Vernichtung an private Delaborierfirmen ab, sondern macht sie grundsätzlich im eigenen Bereich unbrauchbar. Nur wenn die Bundeswehr nicht über die für eine Zerstörung der Waffen erforderlichen Maschinen und Geräte verfügt, wird die Delaborierung unter ihrer Aufsicht von privaten Firmen durchgeführt (ohne Einschaltung der VEBEG). Auch ausgesonderte Munition bis zum Kaliber 20 mm wird seit 1975 durch die Bundeswehr selbst unbrauchbar gemacht. Bei der Vernichtung ausgesonderter Muniton größeren Kalibers ist die Bundeswehr dagegen mangels eigener Möglichkeiten nach wie vor auf private Delaborierfirmen angewiesen, die über die VEBEG beauftragt werden. Ob diese Verfahrensweise ein Sicherheitsrisiko darstellt, läßt sich beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen nicht beurteilen. Daher sehe ich mich auch noch nicht in der Lage, zu Ihrer Frage Stellung zu nehmen, welche Maßnahmen beabsichtigt sind, um — die von Ihnen unterstellten — Gefährdungen auszuschalten. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 108 und 109): Haben — wie Militärexperten Schwedens und der NATO laut Pressemeldungen vermuten — die Sowjets entweder schon wichtige strategische Punkte in der Ostsee mit Atomminen verseucht, oder sind sie nach den Erkenntnissen der Bundesregierung jederzeit in der Lage, dies innerhalb kürzester Zeit nach fertigen Plänen zu tun, und stimmt die Bundesregierung gegebenenfalls der Einschätzung zu, daß „die Rede der Sowjetunion von der Ostsee als einem ,Meer des Friedens' nicht mehr länger glaubwürdig" sei? Verfügt die Bundesregierung über Informationen, ob vor der deutschen Ostseeküste kürzlich bereits sowjetische Atomminen verlegt worden sind, und hält es die Bundesregierung bei Zutreffen dieser in NATO-Kreisen geäußerten Befürchtung noch für angebracht, die Einladung an den sowjetischen Parteichef Breschnew aufrechtzuerhalten? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß die Sowjetunion nukleare Kampfmittel der von Ihnen angesprochenen Art besitzt oder entwickelt. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Merker (FDP) (Drucksache 9/1058 Frage 111): Woher weiß die Bundesregierung, daß der Freistaat Bayern beim Bau der Main-Donau-Wasserstraße auf Vertragserfüllung besteht, wie die Bundesregierung dies in der Antwort auf meine Frage 102 (Drucksache 9/936) ausgeführt hat? Der Freistaat Bayern hat in zahlreichen Erklärungen, zuletzt am 14. Oktober 1981 durch einen Brief von Ministerpräsident Dr. Strauß an den Bundesverkehrsminister, seine Absicht des Weiterbaues bekundet. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Fragen des Abgeordneten Müller (Schweinfurt) (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 112 und 113): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß durch die Einführung des Führerscheins Klasse 1 b (Leichtkraftrad) die Nachfrage nach Mokicks und Mofas stark zurückgegangen ist? Hält die Bundesregierung diese Entwicklung, nach der Jugendliche mit 18 Jahren vom Fahrrad gleich auf das schnelle Leichtkraftrad umsteigen, für gut, oder stellt sie Überlegungen an, wie dem Mofa wieder zu mehr Attraktivität verholfen werden kann? Zu Frage 112: Nach Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamtes sind von Januar bis September 1981 insgesamt 21 790 Leichtkrafträder neu in den Verkehr gebracht worden. Der Bestand an Mofas 25 und Mokicks ist zur Jahresmitte 1981 im Vorjahresvergleich um rd. 13 % bzw. 3 % zurückgegangen. Ob und inwieweit diese Ergebnisse ursächlich auf das geänderte Fahrerlaubnisrecht für motorisierte Zweiräder zurückzuführen sind, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Beim Mofa 25 spricht jedoch dagegen, daß dieses Fahrzeug bereits mit 15 Jahren führerscheinfrei gefahren werden kann. Zu Frage 113: Das Fahrerlaubnisrecht für motorisierte Zweiräder ist erst durch die Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. November 1979 (BGBl. I S. 1794) neu geregelt worden. Die Maßnahmen sind teils am 1. April 1980, teils erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten. Die Bundesregierung sieht, worauf ich in meiner Antwort auf Ihre erste Frage bereits hingewiesen habe, in der Neuregelung keinen Attraktivitätsschwund für das Mofa. Sie beabsichtigt z. Z. daher nicht, das Fahrerlaubnisrecht für motorisierte Zweiräder erneut zu ändern. Vielmehr sollen erst die Erfahrungen mit der Neuregelung abgewartet und ausgewertet werden. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3949* Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordnetenn Coppik (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 114): Hat es, und wenn ja, in welchem Umfang, in Anbetracht des hohen Verkehrsaufkommens auf dem Frankfurter RheinMain-Flughafen bei der Benutzung dieses Flughafens im Rahmen von militärischen Großübungen in der Vergangenheit Probleme einer nicht ausreichenden Start- und Landekapazität gegeben? Nein. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Enders (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 115 und 116): Ist der Bundesregierung die Zahl der Bewerber bekannt, die sich nach dem Verlust ihres Führerscheins einem psychologischen Test unterziehen mußten, und kann sie mitteilen, wie viele von ihnen in diesem Test ein positives bzw. ein negatives Ergebnis erzielten? Welche Chancen besitzt ein Staatsbürger, der nach dem Verlust seines Führerscheins den psychologischen Test nicht besteht, wieder in den Besitz eines Führerscheins zu kommen? Zu Frage 115: Da die Aufsicht über die medizinisch-psychologischen Institute Sache der Bundesländer ist, führt die Bundesregierung keine eigene Statistik über die in diesen Instituten vorgenommenen Untersuchungen. Zur Frage 116: Das medizinisch-psychologische Gutachten dient lediglich als Entscheidungshilfe der Verwaltung. Ein negatives Gutachten bedeutet daher noch nicht automatisch die Versagung der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis; die Verwaltungsbehörde kann ihre Entscheidung auch auf weitere Beweismittel stützen. Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob z. B. ein Gegengutachten eines anderen Untersuchungsinstituts oder ein Obergutachten eine positive Entscheidung der Verwaltungsbehörde herbeiführen kann. Da über 90 % aller Fahrerlaubnisentziehungen wegen Alkoholverstößen vorgenommen werden, kann auch die Teilnahme an einem Nachschulungskurs für wiederholt alkoholauffällige Kraftfahrer zu einer positiven Bewertung der Kraftfahreignung führen. Schließlich besteht natürlich in jedem Falle die Möglichkeit einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Entscheidung der Behörde, in deren Rahmen auch das Gutachten kritisch gewürdigt wird. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Fragen des Abgeordneten Klein (Dieburg) (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 117 und 118): In welcher Weise wirkt sich der von der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn (DB) angeordnete Investitions-und Unterhaltungsstopp bei DB-Strecken außerhalb des „unternehmerischen Kernbereichs" aus hinsichtlich der Personaleinsparung und der Kosteneinsparung? Treffen Pressemeldungen zu, nach denen der Investitions-und Unterhaltungsstopp als Vorstufe für eine spätere Strekkenstillegung gesehen werden muß? Es trifft nicht zu, daß außerhalb des sog. unternehmerischen Kernbereiches der Deutschen Bundesbahn keinerlei Investitionen mehr durchgeführt werden. Richtig ist, daß der bisher schon bestehende Genehmigungsvorbehalt der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn für Investitionsvorhaben über 100 000 DM an Strecken außerhalb des o. g. Bereichs angesichts der angespannten finanziellen Lage der Deutschen Bundesbahn aus haushaltstechnischen Gründen auf alle Vorhaben ausgedehnt wurde. Somit kann auch nicht abgeleitet werden, daß dieser Genehmigungsvorbehalt eine Vorstufe für spätere Streckenstillegungen darstellt. Auswirkungen auf Personal- und Kosteneinsparungen lassen sich erst nach Vorliegen entsprechender Anträge bei der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn im Einzelfall beurteilen. Eine globale Aussage ist hierzu nicht möglich. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Dr.-Ing. Laermann (FDP) (Drucksache 9/1058 Frage 119): Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, aus welchen Gründen und mit welcher erwarteten Wirkung die Deutsche Lufthansa einen Zug von der Deutschen Bundesbahn gechartert hat, um die Flughäfen Düsseldorf und Frankfurt, zwei ohnedies überlastete Flughäfen, miteinander zu verbinden? Es ist nicht das Ziel des sogenannten Flughafenzuges die Flughäfen Düsseldorf und Frankfurt miteinander zu verbinden, sondern den Fluggästen, die heute Flugzeug und Pkw benutzen, ein anderes Angebot zu machen. Sie sollen dazu bewegt werden, anstelle von Flugzeug und Pkw den Zug zu benutzen. Dadurch kann eine Entlastung des innerdeutschen Flugverkehrs wie auch des Zubringerverkehrs auf der Straße eintreten. Es ist beabsichtigt daß der Zug von Düsseldorf Hbf über Köln Hbf, Bonn, Koblenz und Mainz zum Flughafen Frankfurt verkehren wird. Je nach den Erfahrungen, die damit gemacht 3950* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 werden, ist beabsichtigt, diesen Dienst bis nach Nürnberg auszudehnen. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 121): Inwieweit wird die Bundesregierung das amerikanische Testergebnis (vgl. DVR-Partner-Report Nr. 1/81) über die Vermeidung von Auffahrunfällen durch Anbringen einer höher gestellten dritten Bremsleuchte zum Anlaß nehmen, die Zulassung von zwei hochgestellten zusätzlichen Bremsleuchten zu überprüfen und eine kostenträchtige Um- und Ausrüstung zu veranlassen? In dem Bemühen, die aus den US-Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse zur Reduzierung der Auffahrunfälle auch auf unseren Straßen zu nutzen, wurde die hochgesetzte Wiederholung des reinen Bremssignals zugelassen. Dabei wurde von der in Europa üblichen paarweisen Anbringung der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen an Kraftfahrzeugen ausgegangen. Das entspricht den Zulassungsbedingungen für zusätzliche Bremsleuchten in anderen europäischen Staaten. Ohne das in den USA praktizierte Dreieckwarnsystem abschließend werten zu wollen, halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Diskussion hierüber deshalb nicht für opportun, als dadurch einer erneuten Verunsicherung unter den betroffenen Autofahrern Vorschub geleistet würde. Statt dessen sollte zunächst die Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen über die Auswirkungen der zusätzlichen Bremsleuchten auf das Unfallgeschehen abgewartet werden. Da hierbei auch mögliche nachteilige Auswirkungen dieser Leuchten einbezogen werden, wird die Bundesregierung nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses prüfen, ob ggf. Konsequenzen zu ziehen sind. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Fragen des Abgeordneten Sieloff (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 122 und 123): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Deutsche Bundesbahn nicht allein nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und einem möglichst hohen Kostendeckungsgrad, sondern auch nach volkswirtschaftlichen, infrastrukturellen und raumordnerischen Gesichtspunkten ihre Fahrpläne zu gestalten hat? Widerspricht die teilweise radikale „Ausdünnung der Fahrpläne" der Deutschen Bundesbahn im Sommerfahrplan 1982 der in der Antwort der Bundesregierung (Drucksache 9/952) vom 28. Oktober 1981 ausgesprochenen Absicht, konsequent die Bemühungen fortzusetzen, um die Position des öffentlichen Personennahverkehrs im Rahmen des Gesamtverkehrs zu verbessern und damit insbesondere in Ballungs- und Verdichtungsräumen die Aufgabe zu erfüllen, umweltfreundliche und energiegünstige Schienenverkehre abzuwickeln? Zu Frage 122: Bereits im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) ist allen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs vorgegeben, den Verkehr in Übereinstimmung mit dem Verkehrsbedürfnis zu bedienen. Für die Deutsche Bundesbahn wird diese Forderung im Bundesbahngesetz (BbG) § 28 präzisiert und deren Erfüllung der Verantwortung der Organe der Deutschen Bundesbahn (Vorstand und Verwaltungsrat) unterstellt mit der Maßgabe, dabei die Grundsätze für eine wirtschaftliche Betriebsführung zu wahren. Die Deutsche Bundesbahn gibt den Ländern bei der Bearbeitung des Reisezugfahrplanes Gelegenheit zur Stellungnahme (BbG § 48). In der Praxis geht die Deutsche Bundesbahn jedoch noch über diese Forderung hinaus und pflegt neben dem Kontakt mit dem „Ständigen Fahrplanausschuß" des Deutschen Industrie- und Handelstages weitere Kontakte mit den die Verkehrsnutzer vertretenden Stellen. Mit diesen Anhörungen strebt die Deutsche Bundesbahn eine möglichst verbrauchernahe und ausgewogene Abstimmung ihrer Fahrplankonzeption an. Damit ist gewährleistet, daß auch volkswirtschaftliche infrastrukturelle und raumordnerische Gesichtspunkte gewürdigt werden können. Zu Frage 123: Die Überprüfung und Anpassung des Leistungsangebotes im Schienenpersonennahverkehr an die Nachfrage widerspricht grundsätzlich nicht der von Ihnen zitierten Antwort der Bundesregierung. Die Notwendigkeit eines bedarfsgerechten Verkehrsangebotes wird von der Bundesregierung anerkannt. Dabei ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welches Verkehrsmittel diese Aufgabe am besten wahrnehmen kann. Dabei wird in den Ballungsräumen der Schwerpunkt auf dem Schienenverkehr und in der Fläche beim Busverkehr liegen. Nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn steht der Umfang der Anpassungsmaßnahmen zum Sommerfahrplan 1982 noch nicht fest. Aussagen hierüber sind deshalb zur Zeit noch nicht möglich. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Fragen des Abgeordneten Bindig (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 124 und 125): Hält die Bundesregierung angesichts der technischen Entwicklung von wirksamen Antiblockiersystemen und des Ergebnisses neuerer Untersuchungen, wonach auf nasser Straße und bei Geschwindigkeiten von über 60 km/h Lastzüge, die mit bisherigen Bremskraftreglern ausgerüstet sind, selbst bei Geradeausfahrt und richtiger Bremskraftabstimmung durch den Bremskraftregler kaum stabil abgebremst werden können, die Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und die Straßenverkehrs-Richtlinien bezüglich Bremsen bei Lastzügen noch für zeitgemäß? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit darin, durch die allgemeine Ausrüstung von schweren Lastzügen mit Antiblockiersystemen die Verkehrssicherheit in diesem Bereich deutlich zu steigern, zumal viele schwere Unfälle mit Güterkraftwagen im Zusammenhang mit deren Bremsverhalten Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3951* stehen, und gedenkt die Bundesregierung, auf eine allgemeine Ausrüstung von Lastzügen mit Antiblockiersystemen hinzuwirken? Zu Frage 124: Die Bestimmungen des § 41 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und die zugehörigen Richtlinien enthalten Mindestanforderungen für Bremsanlagen in Kraftfahrzeugen. Das schließt nicht aus, daß Bremsanlagen diese Mindestanforderungen übertreffen. Automatische Blockierverhinderer (ABV) stellen einen Fortschritt in der Bremsentechnik dar. Eine ABV-Anlage soll vor allem bewirken, daß die Fahrzeuge auch während des Bremsens unter ungünstigen Bedingungen lenkfähig bleiben. Schwierigkeiten bei einigen Zugkombinationen lassen es nicht angebracht erscheinen, derzeit bereits eine Änderung der für Bremsen geltenden EG-Richtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland zu betreiben. Eine Übernahme in die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung könnte zweckmäßig erst mit entsprechender Änderung der EG-Richtlinie erfolgen. Zu Frage 125: Die Bundesregierung sieht in der Ausrüstung von Lastzügen mit Automatischen Blockierverhinderern (ABV) einen Beitrag zur Erhöhung der aktiven Sicherheit. Automatische Blockierverhinderer werden ab 1981 in der Bundesrepublik Deutschland auch in Lastkraftwagen, Sattelzugmaschinen und deren Anhängern angeboten. In der Einführungsphase kann es zur Zusammenstellung von Lastkraftwagenzügen kommen, bei denen nur ein Fahrzeug mit ABV ausgerüstet ist. Solche Kombinationen können unter Umständen zu bedenklichem Bremsverhalten des Zuges führen. In diesem Bereich müssen noch entsprechende praktische Erfahrungen und technische Weiterentwicklungen, auch des Auslandes abgewartet werden, bevor seitens der Bundesrepublik Deutschland auf eine im internationalen Bereich zu regelnde Ausrüstungspflicht von Lastkraftwagen hingewirkt wird. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Fragen des Abgeordneten Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 126 und 127): Wie erklärt die Bundesregierung, daß durch die Wasser-und Schiffahrtsdirektion West in treuhänderischer Verwaltung des Abwracksfonds der deutschen Binnenschiffahrt innerhalb von 15 Monaten durch Bewilligung von mehr als 100 Anträgen, die auf gefälschten Unterlagen basierten, insgesamt rd. 17,8 Millionen DM Prämien an einen Unberechtigten aus dem allein gewerblich finanzierten Fonds gezahlt wurden? Hält es die Bundesregierung nicht jetzt für geboten, die Forderung ihres Klagegegners, des Bundesverbands der deutschen Binnenschiffahrt e. V., auf den Verzicht der Einrede der Verjährung für den noch nicht rechtshängigen Forderungsteil von ca. 16,4 Millionen DM zu erfüllen, nachdem nunmehr das Landgericht Duisburg am 17. November 1981 die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesverkehrsminister, verurteilt hat, 1 414 131 DM nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 14. Mai 1981 in den Abwrackfonds zurückzuzahlen? Zu Frage 126: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die mit den Anträgen auf Abwrackprämien vorgelegten Urkunden von den Bediensteten der Wasser- und Schiffahrtsdirektion West nicht als Fälschungen erkannt werden konnten. Zu Frage 127: Die Bundesregierung sieht sich erst nach Prüfung der Entscheidungsgründe des Landgerichts Duisburg in der Lage, über die Frage des Verzichts auf die Einrede der Verjährung zu entscheiden. Über das Ergebnis der Prüfung werden Sie schriftlich unterrichtet. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Fragen des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 128 und 129): Treffen Meldungen der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands zu, daß die Deutsche Bundesbahn in den nächsten Jahren außerhalb eines lediglich 1 200 Streckenkilometer umfassenden „Kernbereichs" keinerlei Gleis- und Weichenerneuerungen oder sonstige Erhaltungsmaßnahmen mehr vornehmen will, und wie lange will auf Grund dieser Tatsache die Bundesregierung den Personenverkehr durch die Deutsche Bundesbahn auf den Strecken Miltach-Straubing, Passau-Freyung, Passau-Pfenningbach, Plattling-Zwiesel, Zwiesel-Bayerisch-Eisenstein, Zwiesel-Bodenmais, Zwiesel-Grafenau noch aufrechterhalten? Wie lange will die Bundesregierung den Personenverkehr durch die Deutsche Bundesbahn auf den Strecken Deggendorf-Kalteneck, Erlau-Obernzell, Passau-Hautzenberg, Filshofen-Ortenburg und Waldkirchen-Jandelsbrunn noch aufrechterhalten? Zu Frage 128: Es trifft nicht zu, daß außerhalb des sog. unternehmerischen Kernbereiches der Deutschen Bundesbahn keine Investitionen mehr durchgeführt werden. Richtig ist, daß der bisher schon bestehende Genehmigungsvorbehalt der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn für Investitionsvorhaben über 100 000 DM angesichts der angespannten finanziellen Lage der Deutschen Bundesbahn aus haushaltstechnischen Gründen auf alle Vorhaben ausgedehnt wurde. Mit Zustimmung des Kabinetts wurde der Deutschen Bundesbahn die Umstellung des Reisezugbetriebes auf Busbedienung für die Strecke PassauFreyung am 20. Oktober 1981 erteilt. Für die übrigen von Ihnen genannten Strecken liegt dem Bundesminister für Verkehr noch kein Antrag vor. Auch der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn hat noch keine entsprechenden Beschlüsse gefaßt. 3952* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 Zu Frage 129: Auf den von Ihnen genannten Strecken betreibt die Deutsche Bundesbahn keinen Reisezugverkehr mehr. Anlage 46 Antwort des Staatssekretärs Elias auf die Fragen des Abgeordneten Pfeffermann (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 130 und 131): Darf den Einlassungen von Bundespostminister Gscheidle in der Sendung des Südwestfunks am 1. Oktober 1981 unter dem Thema „Die Bundespost auf dem Prüfstand" entnommen werden, daß der § 12 Abs. 7 Satz 3 der Fernmeldeordnung „Unzulässig ist auch das Bekleben posteigener Apparate" von der Deutschen Bundespost in Zukunft nicht mehr dahin gehend ausgelegt wird, daß der Deutschen Bundespost durch das Bekleben von Fernsprechapparaten mit kleinen Handzetteln oder z. B. sogenannten Notrufaufklebern Schaden entsteht, der zu ersetzen ist? Werden demzufolge Aufkleber dieser Art nicht länger als „von der Deutschen Bundespost nicht zugelassene Hilfsvorrichtungen" behandelt? Wie sich aus der Fragestellung des Teilnehmers am Bürgerforum des SWF 1 und der Antwort des Bundespostministers ergibt, hat es sich bei der mittels Klebestreifen angebrachten Telefonnotitz um eine persönliche Merkhilfe des Teilnehmers gehandelt. Es war davon auszugehen, daß eine derartige vorübergehende Notitz zu keinen Apparateschäden führte. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel bestand kein zwingender Grund, auf einer Beseitigung zu bestehen. Ungeachtet dessen, müssen nach § 12 Absatz 7 der Fernmeldeordnung Aufkleber, weil sie erfahrungsgemäß zu Schäden führen können, insbesondere solche, die eigens für diese Zweck gefertigt und vertrieben werden, weiterhin als „nicht zugelassene Hilfsvorrichtungen" betrachtet werden. Anlage 47 Antwort des Staatssekretärs Elias auf die Frage des Abgeordneten Dr. Geßner (SPD) (Drucksache 9/1058 Frage 132): Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf dem deutschen Markt leicht zu handhabende Lauschgeräte, sogenannte Wanzen, z. B. für Telefonhörer schon für 89 DM angeboten werden, auf Wunsch auch leistungstärkere, und daß beim Verkauf häufig nicht auf das Benutzungsverbot dieser Geräte hingewiesen bzw. dessen Umgehung mit dem Hinweise „für den Export bestimmt" angeregt wird, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den freien Handel mit diesen Geräten und damit deren mißbräuchliche Benutzung zu unterbinden? Seit 1965 werden auf dem Markt Kleinstsendefunkanlagen angeboten, die von ihrer Konstruktion her offensichtlich dazu bestimmt sind, unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts in die Privatsphäre einzudringen. Einschlägige Firmen und bestimmte Versandhändler bieten solche Geräte an. Dabei handelt es sich auch um Geräte, die ihrer Form nach ei- nen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind. Die Deutsche Bundespost hat bereits am 15. Februar 1966 im Bundesanzeiger Nr. 31 darauf hingewiesen, daß es sich bei solchen „Mikro-Abhöranlagen" um Fernmeldeanlagen im Sinne des Gesetzes über Fernmeldeanlagen handelt, die nur mit Genehmigung der Deutschen Bundespost errichtet und betrieben werden dürfen; solche Genehmigungen werden aber von der Deutschen Bundespost grundsätzlich nicht erteilt. Auch in der Presse wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß das Errichten und Betreiben solcher Funkgeräte illegal und mit Strafe bedroht ist. Anbieter solcher Funkgeräte werden davon unterrichtet, daß sie sich durch den Verkauf von „Mikro-Abhöranlagen" ggf. wegen Beihilfe zur Begehung eines Vergehens gegen das Gesetz über Fernmeldeanlagen strafbar machen. Mit strafprozessualen, polizeirechtlichen und gewerberechtlichen Maßnahmen wird versucht, den Handel mit „Mikro-Abhöranlagen" zu unterbinden. Im übrigen wird auf den Entwurf des Bundesrates über ein Gesetz zur Verhinderung des Mißbrauchs von Sendeanlagen (BT-Drucksache 9/719 vom 6. August 1981) hingewiesen. Dieser Entwurf sieht insbesondere vor, den Erwerb und Besitz sowie die Überlassung von Sendeanlagen von einer Genehmigung nach § 2 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen abhängig zu machen. Darüber hinaus soll die Herstellung, der Vertrieb und die Einfuhr besonders gefährlicher Sendeanlagen verboten werden. Mit diesem Gesetz würde das Inverkehrbringen von LauschSendeanlagen erheblich erschwert. Anlage 48 Antwort des Staatssekretärs Elias auf die Fragen des Abgeordneten Löffler (SPD) (Drucksache 9/1058 Fragen 133 und 134): Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Installierung eines Teletex-Netzes auf März 1982 verschoben hat, und kann dieser Termin eingehalten werden? Wenn ja, wie wertet die Deutsche Bundespost die Auswirkung dieser zeitlichen Verzögerung auf die beteiligten Industrien, und welche Hilfen kann sie ihnen gegebenenfalls anbieten? Seit dem 10. März 1981 wird im Bereich der Deutschen Bundespost das erste Teletexnetz der Welt — zunächst mit einem nationalen Vorläuferstandard — betrieben. Nach Verfügbarkeit eines entsprechenden internationalen Standards etwa Mitte 1981 wurde parallel zu dem bestehenden ein zweites Teletexnetz aufgebaut, welches am 10. November 1981 planmäßig — und als weltweit erstes Netz dieses Standards — in Betrieb ging. Die Überführung des ersten Teletexnetzes in das zweite erfolgt, sobald die Umrüstung der Endgeräte im Februar 1982 vorgenommen werden kann. Die Deutsche Bundespost hat in Absprache mit der Industrie den Zeitpunkt für die Umrüstung des Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1981 3953* ersten Netzes bis zum Februar 1982 hinausschieben müssen, da die Entwicklungszeit für die Teletexgeräte nach internationalem Standard zu knapp bemessen war. Mit der planmäßig parallelen Inbetriebnahme des zweiten Teletexnetzes nach internationalem Standard zunächst für Testverbindungen sollte die Endgeräteentwicklung gefördert und auch Erfahrungen mit dem Verhalten der Teilnehmer gesammelt werden. Damit unterstützt die Deutsche Bundespost die beteiligte Industrie erheblich. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Elias auf die Fragen des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Fragen 135 und 136): Wie hoch ist die Zahl der von den Behörden der DDR in den einzelnen Jahren seit 1976 bis jetzt an Absender in der Bundesrepublik Deutschland zurückgesandten Paketsendungen, und wie hoch war in den einzelnen Jahren die Zahl der verlorengegangenen Paket- und Einschreibsendungen? Wie hoch waren die Aufwendungen der Deutschen Bundespost in den Jahren seit 1976 bis jetzt für den Ersatz verlorengegangener Paket- und Einschreibsendungen, die für Empfänger in der DDR bestimmt waren? 1. An Absender in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) wurden in den Jahren von 1976 an nachstehend aufgeführte Paketsendungen von den Behörden der DDR zurückgesandt: 1976 71 427 Stück 1977 45 383 Stück 1978 44 282 Stück 1979 37 470 Stück 1980 40 894 Stück 2. In dieser Verkehrsbeziehung waren nachstehend genannte Verlustzahlen für Pakete und für Einschreibsendungen zu verzeichnen: Pakete Einschreibsendungen 1976 18 761 Verlustfälle 5 461 Verlustfälle 1977 19 272 Verlustfälle 3 938 Verlustfälle 1978 22 841 Verlustfälle 5 443 Verlustfälle 1979 22 573 Verlustfälle 3 921 Verlustfälle 1980 27 103 Verlustfälle 3 994 Verlustfälle Nachstehende Ersatzbeträge mußten für verlorengegangene Paket- und Einschreibsendungen, die für Empfänger in der DDR und in Berlin (Ost) bestimmt waren, gezahlt werden: 1976 1 486 022 DM 1977 1 849 686 DM 1978 2 358 878 DM 1979 2 467 474 DM 1980 3 075 383 DM
Gesamtes Protokol
Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Auf der Diplomatentribüne hat eine Parlamentsdelegation der Republik Indonesien Platz genommen. Ich habe die Ehre, die Delegation im Namen des Deutschen Bundestages recht herzlich willkommen zu heißen. Wir freuen uns, daß Sie der Bundesrepublik Deutschland einen Besuch abstatten, und hoffen, daß Ihr Aufenthalt Ihren Vorstellungen entsprechend angenehm und fruchtbar verläuft.

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung auf:
2. Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Jobst, Dr. George, Bühler (Bruchsal), Feinendegen, Fischer (Hamburg), Hanz (Dahlen), Hinsken, Lemmrich, Milz, Pfeffermann, Seiters, Sick, Straßmeir, Tillmann, Schröder (Lüneburg), Frau Hürland, Dr. Kunz (Weiden), Regenspurger, Horstmeier, Dr. Warnke und der Fraktion der CDU/CSU
Deutsche Bundesbahn
— Drucksachen 9/602, 9/952 —
3. Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes (3. BbÄndG)

— Drucksachen 9/830, 9/910 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 9/1079 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Wieczorek (Duisburg) Echternach
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 9/1033 —
Berichterstatter: Abgeordneter Curdt

(Erste Beratung 55. Sitzung)

Entsprechend einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Punkte 2 und 3 verbundene Debatte vorgesehen. Im übrigen ist eine Redezeit von 240 Minuten vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wünscht einer der Berichterstatter in seiner Eigenschaft als Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0906700100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn war viele Jahrzehnte das Rückgrat des Verkehrs. Ohne sie, ohne ihre Leistungen wäre die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande nicht möglich gewesen. Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß das auch für die Zukunft gilt, daß wir auf eine leistungsstarke Bahn nicht verzichten können und daß andere Verkehrsträger sie nicht ersetzen können.
Bundesverkehrsminister Hauff hat am 10. August 1981 an seine „lieben Genossinnen und Genossen" einen Brief geschrieben, in dem er die Lage der Deutschen Bundesbahn geschildert hat. Er stellt darin abschließend fest:
Die Deutsche Bundesbahn ist zu einem zentralen Problem unserer Finanzwirtschaft, zu einem unkalkulierbaren Risiko der gesamten Staatsfinanzen, zu einer für die Allgemeinheit nicht mehr tragbaren Hypothek geworden.
In der Tat, Herr Bundesverkehrsminister, die finanzielle Situation der Deutschen Bundesbahn hat sich in den letzten zehn Jahren in erschreckender Weise geändert. Auch die wirtschaftliche Situation der Bahn hat sich in dieser Zeit erheblich verschlechtert.
Mit atemberaubender Geschwindigkeit ist die Deutsche Bundesbahn in die roten Zahlen gefahren. Die Bahn ist leider Gottes zu einem Haushaltsrisiko geworden. Die Bundesregierung hat die Probleme der Verkehrspolitik wuchern lassen; jetzt kommen diese in verschärfter Form auf uns zu.
Die Verluste der Bahn, die 1970 noch 1,2 Milliarden DM ausgemacht haben, sind jetzt auf 4,4 Milliarden DM angestiegen. Die Bundeszuwendungen insgesamt sind in dieser Zeit von 3,9 Milliarden DM auf 13,5 Milliarden DM gestiegen. Das ist ein Anstieg um



Dr. Jobst
über 300 %. Die Schulden haben sich von 13,4 Milliarden DM 1970 auf 34 Milliarden DM 1981 hochentwikkelt. Die Deutsche Bundesbahn erwartet 1981 Erträge von etwa 17,3 Milliarden DM. Dem stehen Gesamtaufwendungen von etwa 30,8 Milliarden DM gegenüber. Bei Abgeltungsleistungen durch den Bund in Höhe von 9 Milliarden DM wird sie einen Verlust von 4,4 Milliarden DM haben.
Die Bundesregierung hat nun festgelegt, daß die Zuweisungen des Bundes von 13,5 Milliarden DM an die Deutsche Bundesbahn eingefroren werden sollen. Bei einer Plafondierung dieser Bundesleistungen wird die Bundesbahn weiter in die Verschuldung getrieben. Die Verschuldung hat sich bereits dramatisch zugespitzt. Sie wird eine beträchtliche, ja eine revolutionäre und besorgniserregende Höhe Mitte der 80er Jahre erreichen, wenn nichts Entscheidendes passiert. Die Deutsche Bundesbahn ist durch die Politik dieser Bundesregierung zu einem Milliardenloch geworden. Herr Bundesverkehrsminister Hauff, Sie sind auf dem Holzwege, wenn Sie glauben, mit einer Streichung von Haushaltsmitteln könnten Sie die Probleme der Deutschen Bundesbahn lösen.
Die finanzielle Misere der Deutschen Bundesbahn wäre noch schlimmer, wenn die Bahn nicht selber große Anstrengungen gemacht und den Personalstand vermindert hätte. So konnten von 1958 bis 1966 über 100 000 Mitarbeiter eingespart werden. Von 1975 bis 1981 wurde der Personalstand erneut um 85 000 Mitarbeiter abgesenkt. Allen Mitarbeitern der Bahn wurde ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit zugemutet. Zahlreiche Mitarbeiter haben ihren Arbeitsplatz verloren und mußten einen weiteren Anreiseweg zum Arbeitsplatz in Kauf nehmen. Der Bundesbahnführung und allen Eisenbahnern gilt unser Dank für diese Leistungen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In diesen Dank will ich auch die Personalräte und die Gewerkschaften einbeziehen. Ich meine, daß gerade diese Leistung in der Öffentlichkeit mehr herausgestellt werden müßte.
Was der Bundesverkehrsminister Hauff tun will, um die bedrohliche Entwicklung bei der Deutschen Bundesbahn abzuwenden, oder mit welchen Perspektiven er nun diesen Zustand ändern will, hat er weder seinen Genossen mitgeteilt, noch hat er dies der Öffentlichkeit bis heute mitgeteilt.

(Daubertshäuser [SPD]: Das werden Sie jetzt tun?!)

— Herr Kollege Daubertshäuser, wenn Sie gut zuhören, dann werden Sie dazu einiges hören.
Die Verkehrspolitik ist bei dieser Bundesregierung in den letzten Jahren immer mehr zu einem Aschenbrödel geworden. Ich erinnere an den Bundesfernstraßenbau, dessen Plan wir im Parlament 1980 verabschiedet haben. Damals ist von seiten der Bundesregierung festgestellt worden, daß dieser Bedarfsplan nach strengen Kriterien aufgestellt wurde, daß all die Maßnahmen notwendig seien. Jetzt, nach einem Jahr, ist dieser ganze Bundesfernstraßen-Ausbauplan schon wieder zu Makulatur geworden. Der Bundesverkehrsminister Hauff sucht das alles zu bemänteln, indem er sagt, der Straßenbau sei heute nicht mehr in dem Maße notwendig und die Wertvorstellungen der Bürger hätten sich entscheidend geändert. Mit solchen Ausreden entmannt sich ein Bundesverkehrsminister selbst.
Gegenüber den Problemen der Deutschen Bundesbahn ist der Bundesverkehrsminister auf Tauchstation gegangen. Man hat überhaupt den Eindruck, daß diese Bundesregierung den Verkehr nur mehr als Einnahmequelle sieht. So hat sie auch die Mineralölsteuer in der letzten Zeit mehrmals kräftig erhöht. Die Ausgaben wurden reduziert, und die Probleme wurden einfach verdrängt.
Im Mai dieses Jahres hat Bundesverkehrsminister Hauff mitgeteilt, daß der Deutschen Bundesbahn eine Kahlschlagsanierung Mitte der 80er Jahre drohen werde, wenn nichts Entscheidendes passieren werde. Dies heißt doch aber, daß jetzt etwas Einschneidendes passieren muß, damit die Kahlschlagsanierung nicht passiert.
Der Bundesverkehrsminister hat eine Novelle zum Bundesbahngesetz vorgelegt. Manager aus der Wirtschaft sollen künftig das Bahnschiff steuern. Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Aber der Handlungsspielraum für den neuen Vorstand ist um kein Jota geändert worden. Der neue Vorstand bleibt deshalb auch nur Vollzugsorgan der Politik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Aktion ist für mich so lange ein Ablenkungsmanöver zur Ablenkung von den eigentlichen Problemen der Verkehrspolitik und der deutschen Bundesbahn, solange sie alleine im verkehrspolitischen Raum steht und nicht weitere Aktionen folgen. Offenbar macht es der Bundesverkehrsminister Hauff so, wie es die SPD in Bayern versucht, die angesichts der zentralen Probleme der Gegenwart — der finanziellen, der haushaltspolitischen, der sozialpolitischen Probleme — bei uns in Bayern die Diskussion mit dem Thema Gesamtschule bestreiten möchte — auch ein Ablenkungsschlager, den wir von der CSU ihr natürlich nicht werden hingehen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU wird den Gesetzentwurf zum Bundesbahngesetz passieren lassen. Wir halten bei der gegebenen Rechtslage von dieser Änderung nichts. Eine Option für klare Verantwortlichkeiten in der Zukunft ist aber dabei nicht verbaut. Ich stelle mit Nachdruck fest, die Weichenstellung bei der Deutschen Bundesbahn kann nur von der Bundesregierung vorgenommen werden. Dies ist die politische Wirklichkeit, alles andere ist Illusion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU hat am 23. Mai dieses Jahres eine Große Anfrage zur Deutschen Bundesbahn im Deutschen Bundestag eingebracht. Angesichts der erschrekkenden wirtschaftlichen und finanziellen Situation und angesichts der Untätigkeit des Bundesverkehrsministers war dies die einzige Möglichkeit, diese Dinge noch bewußter in die Öffentlichkeit zu bringen und den Verkehrsminister hier zu stellen. Die Bundesregierung hat bei der Beantwortung dieser



Dr. Jobst
Anfrage eine klägliche Figur abgegeben. Mit Leerformeln und mit politischen, verkehrspolitischen Gemeinplätzen hat sie sich um die Antworten herumgedrückt. Ich muß sagen, an manchen Stellen ist die Beantwortung in der Form sogar eine Unverschämtheit. Die beschämende Antwort ist doch das Eingeständnis der Bundesregierung, daß sie nicht fähig ist, die Probleme der Deutschen Bundesbahn zu lösen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesverkehrsminister hat in seiner Antwort geschrieben, es gebe kein Patentrezept für eine Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn. Ich stelle hier fest, Herr Bundesverkehrsminister: Sie haben überhaupt kein Konzept für eine Sanierung der Deutschen Bundesbahn. Man muß sich wirklich fragen: Können wir uns einen Verkehrsminister leisten, der nichts weiß und der die Zügel einfach schleifen läßt?

(Zurufe von der SPD: Das ist ja alles zu billig! — So ein dummes Zeug! — Weitere Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß, daß Ihre alte Masche kommt — der Kollege Daubertshäuser hat schon einen Zwischenruf gemacht —: Welches sind eure Alternativen, eure Vorschläge? Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Opposition ist keine Ersatzregierung.

(Lachen bei der SPD)

Wir haben keine Mehrheit im Deutschen Bundestag, um eine andere Bundesbahnpolitik durchzusetzen.

(Wehner [SPD]: Aber zum Quatschen haben Sie eine Möglichkeit!)

— Das sagen Sie, Herr Wehner. Wenn Sie das so qualifizieren. — —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906700200
Herr Abgeordneter Jobst, gestatten Sie eine Unterbrechung. — Darf ich bitten, daß wir diese Debatte vielleicht doch in dem Rahmen abwickeln, der bei uns üblich ist.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0906700300
Ich darf nur sagen, hier sieht man, wie man den Stil in diese Debatte hineintragen will, um wieder von den Problemen der Deutschen Bundesbahn abzulenken.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Tatsache ist doch, daß wir in den letzten fünfzehn Jahren vier Verkehrsminister hatten, die für die Verkehrspolitik verantwortlich waren; Tatsache ist doch, daß die CDU/CSU in diesem Hause in Anträgen und in Debattenbeiträgen wiederholt ihre verkehrspolitischen Zielvorstellungen dargelegt hat; Tatsache ist — das können Sie nicht bestreiten —, daß sich die verkehrspolitischen Probleme in den letzten zehn Jahren erheblich verschärft haben trotz einer langen Phase einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur und trotz einer mehrmaligen Erhöhung der Mineralölsteuer. Der Versuch der Irreführung, die CDU/CSU sei für die Misere der Bahn verantwortlich, ist also lächerlich.
Wenn Sie hernach sicherlich wieder mit der Masche daherkommen, die Straßenbaupolitik der CDU/ CSU in den 60er Jahren habe zu diesen jetzigen Schwierigkeiten der Deutschen Bundesbahn geführt, kann ich Ihnen nur eines sagen: In den 70er Jahren sind in unserem Lande dreimal soviel Autobahnen wie in den 60er Jahren gebaut worden.

(Zuruf von der FDP: Bravo!)

Sie erinnern sich doch an die Vorschläge und die Pläne von Bundesverkehrsminister Leber, der jedem Bürger in 15 km Umkreis eine Auffahrt zur Bundesautobahn verschaffen wollte. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, daß die Kontingente im Güterkraftverkehr in den 70er Jahren laufend erhöht worden sind. Die Suche nach Sündenböcken für Ihre klägliche Politik, meine Damen und Herren von der Koalition, ist also ein sehr zweischneidiges Schwert.
Wir haben von den vier SPD-Bundesverkehrsministern in den letzten zwölf Jahren SPD/FDP-Regierung sieben Bundesbahnkonzepte gehabt. Ich erinnere an den Leber-Plan, der bis 1972 gegolten hat und mit dem die große Wende in der Verkehrspolitik herbeigeführt werden sollte. Dann kamen das Unternehmenskonzept des Vorstandes der Bahn auf der Grundlage der Regierungserklärung von 1973 und im Anschluß daran „Der Mensch hat Vorfahrt" unter Bundesverkehrsminister Lauritzen. Dann kamen die Zielvorstellungen für die Bundesbahn 1974. Dem schloß sich ein bombastischer Streckenstillegungsplan 1976 an. Und dann kam der Leistungsauftrag an die Deutsche Bundesbahn 1977. 1978 wurde uns das Modell einer Trennung von Fahrweg und Betrieb beschert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese sogenannten Konzepte waren alle sehr kurzatmig. Nach kurzer Zeit schon sind sie in der Versenkung verschwunden. Die erforderlichen Entscheidungen und Taten der Bundesregierung sind aber ausgeblieben.
Dies, meine Damen und Herren, ist alles andere als die erfolgreiche Bilanz einer Bundesbahnpolitik von SPD-Verkehrsministern. Die Bundesregierung hat die Bundesbahn und die Eisenbahner im Stich gelassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Misere der Deutschen Bundesbahn ist in erster Linie der mutlosen Politik der Bundesregierung zuzuschreiben. Sie hat die Probleme treiben und einen Zickzackkurs sich entwickeln lassen.
Meine sehr verehrten Damon und Herren, heute ist die Deutschen Bundesbahn nicht mehr fähig, sich aus eigener Kraft aus dieser Situation zu befreien und ihre Finanzen zu konsolidieren. Die zentralen Probleme der Deutschen Bundesbahn liegen erstens in der hohen Personalintensität mit den hohen Personalkosten, zweitens in den unzureichenden Investitionsmöglichkeiten, drittens in den Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Deutschen Bundesbahn und viertens in dem erheblichen Rückstand der Bahn bei der Aufgabe, sich eine moderne Organisationsform mit klaren Verantwortlichkeiten zu geben. Diese ungelösten Probleme sind auch der Grund, warum die Erträge nicht in dem erforderli-



Dr. Jobst
chen Umfange angestiegen sind, um die Kosten auch nur annähernd zu decken. Es ist eine schwere Hypothek, wenn ein hochtechnisiertes Unternehmen nahezu 70 % seiner Ausgaben für Personal aufwenden muß. Die Bahn muß ihre Produktivität steigern, d. h. mit weniger Personal höhere Leistungen erbringen. Deshalb muß weiter kräftig rationalisiert werden.

(Zuruf von der SPD: Toll!)

Auch wenn diese Aussage heute manchem nicht in die arbeitsmarktpolitische Landschaft passen mag, an dieser Forderung kommt die Bundesbahn nicht vorbei.
Die Deutsche Bundesbahn fährt auf einem Netz aus dem vorigen Jahrhundert. Eine Grundvoraussetzung für weitere Rationalisierung ist deshalb der Ausbau und Neubau ihrer Strecken. Darin sehe ich überhaupt die entscheidende Aufgabe der Verkehrspolitik in den nächsten Jahren. Mit dem Ausbau der Streckenkapazität ist bei der Bahn ja viel zu spät begonnen worden. Ein hochtechnisiertes Unternehmen muß investieren und automatisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Nur in der Automation und im Streckenausbau liegt der entscheidende Weg in eine erfolgreiche Zukunft der Deutschen .Bundesbahn. Bisher waren die Investitionen bei der Bahn überwiegend Erneuerungsinvestitionen. Es fehlen bei ihr die Zukunftsinvestitionen. In den 60er Jahren konnte die Bahn noch 30 % ihrer Aufwendungen für Investitionen ausgeben. 1981 ist dieser Satz auf 12 % abgesunken. Herr Bundesverkehrsminister Hauff, was in der Zeit versäumt wurde, muß in der Not nachgeholt werden, und zwar bei höheren Größenordnungen.
Die Bundesregierung beabsichtigt, eine Verbandsklage einzuführen. Der Bahn wurde bei der Durchsetzung ihrer Verkehrsinvestitionen schon bisher nicht geholfen. Von den Neubaustrecken sind bis jetzt nur 12 km in Betrieb. Eine Einführung der Verbandsklage wird dazu führen, daß auch in den 90er Jahren keine Züge auf diesen Neubaustrecken fahren werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906700400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Merker?

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0906700500
Ja.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906700600
Bitte.

Rolf Merker (FDP):
Rede ID: ID0906700700
Herr Kollege Dr. Jobst, ist Ihnen bekannt, daß unter all den Verbänden, die nach den Absichten der Bundesregierung zur Verbandsklage zugelassen werden sollen, kein Verband ist, der sich gegen Neubaustrecken der Bundesbahn wendet?

(Zuruf von der CDU/CSU: Woher wissen Sie denn das?)


Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0906700800
Das wundert mich sehr angesichts des mächtigen Erfolges beim Streckenneubau. Da Sie diese Frage hier stellen, Herr Kollege Merker, möchte ich Ihnen einmal folgendes vorhalten. Sie sind ja überall draußen im Lande vorzufinden, wenn es darum geht, sich vor Bürgerinitiativen
und Gruppen zu stellen, die gegen den Straßenbau sind. Sogar in Bayern tummeln Sie sich herum, obwohl wir doch mit unseren Problemen selber fertig werden.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Ich vermisse Ihren Einsatz für die Bundesbahn, damit sie ihre Strecken bauen kann. Dort müßten Sie sich zeigen, Herr Kollege Merker.

(Merker [FDP]: Ich bin gerne bereit, Ihnen meine Aktivitäten in dieser Richtung aufzuzeigen!)

— Konzentrieren Sie Ihre Aktivitäten woanders! Lassen Sie uns mit unseren eigenen Problemen in Ruhe! Wir sind noch immer damit fertiggeworden und werden auch in diesem Fall damit fertig, Herr Kollege Merker.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906700900
Herr Abgeordneter, ein Einreiseverbot ist damit aber nicht ausgesprochen.

(Heiterkeit)


Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0906701000
Leider Gottes sieht unsere bundesstaatliche Verfassung einen solchen Schritt bis jetzt nicht vor. Er sollte aber überlegt werden.

(Heiterkeit)

— Spaß darf auch bei diesem ernsten Problem sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung muß sich vorwerfen lassen, daß sie die Bahn bei der Durchsetzung ihrer Investitionen im Stich gelassen hat. Einen deutlichen Beweis liefert dieses Beispiel: Von 1978 bis 1980 hat die Bahn Mittel in Höhe von 17,7 Milliarden DM für Investitionen zur Verfügung gehabt. Sie konnte aber nur 13,4 Milliarden DM verbauen. Es ist also eine Lücke von 4,3 Milliarden DM entstanden.
Zum quantitativen Effekt dieser Neu- und Ausbaustrecken muß der qualitative Effekt kommen. Die Bahn muß ihre Angebotspalette verbessern. Sie hat mit dem IC-Verkehr im Personenverkehr einen erfolgreichen Schlager auf den Markt gebracht. Dafür gebührt ihr Dank und Anerkennung. Die Bundesbahn muß aber auch im Güterverkehr — besonders dort stellt sich die Aufgabe, die Bahn zu sanieren — schneller werden, flexibler werden. Dann ist sie auch wettbewerbsfähiger. Bei ihrer Unbeweglichkeit, bei ihren großen Schwierigkeiten im Wettbewerb gegenüber anderen Verkehrsträgern zeigt sich doch, daß hier große Investitionsrückstände bei der Bahn vorhanden sind.
Die Deutsche Bundesbahn ist in einer Investitionskrise. Auf Grund ihrer Finanzlage kann sie die Investitionsmittel nicht aufbringen. Auch diese Investitionskrise müssen wir bei der Bahn überwinden.
Die Deutsche Bundesbahn hat erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Verkehrsträgern. Es ist heute leider so, daß manche Schwierigkeiten nicht mehr national ausgeräumt werden können. Dies darf aber kein Grund sein, die Dinge treiben zu lassen, wie es z. B. beim Fahrweg, bei den Wegekosten der Bahn ist. Die Deutsche Bundesbahn



Dr. Jobst
muß als einziger Verkehrsträger ihren Fahrweg selber vorhalten. Ich meine, es sollte erneut geprüft und ein Anlauf gemacht werden, den Fahrweg der Deutschen Bundesbahn in die Hände des Bundes zu übernehmen, so wie es bei der Binnenschiffahrt und bei der Straße der Fall ist. Der Deutschen Bundesbahn müßte dann das Streckennetz gegen ein Nutzungsentgelt zur Verfügung gestellt werden. Diese eindeutige finanzielle Benachteiligung der Bahn würde damit beseitigt werden. Ich rede damit aber keineswegs einer Trennung von Fahrweg und Betrieb das Wort; das wäre nicht sinnvoll. Beides ist bei der Bahn wirtschaftlich und technisch eine Einheit. Ich lege auch Wert darauf, festzustellen, daß ich keinen Kahlschlag von Strecken bei der Bahn befürworte. Es wäre nämlich ein Irrglaube anzunehmen, wenn man 50 % der Bundesbahnstrecken stillegte, würden damit auch 50 % der Aufwendungen verschwinden. Die Aufwendungen, die die Bahn hat, liegen im wesentlichen Teil im Kernbereich ihres Netzes. Es darf auch keine Verkehrspolitik der Art geben, daß sich künftig der subventionierte Schienenverkehr in den Ballungsräumen abwickelt, dagegen die ländlichen Regionen einen Personenverkehr bekommen, der kostendeckend betrieben werden muß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiteres Problem der Deutschen Bundesbahn ist ihre Kapitalstruktur. Diese muß bereinigt werden. Die Bahn kann heute ihre Schulden nicht mehr abtragen. Die Verluste muß sie schon laufend über den Kapitalmarkt finanzieren, und dies ist sicherlich kein Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushalts. Entscheidend ist, daß die Bahn vor allem eine klare politische Vorgabe braucht. Diese Forderung haben wir seit Jahren erhoben. Es wird sich nicht vermeiden lassen — und es wird so bleiben —, daß die Bahn auch in Zukunft gemeinwirtschaftliche Leistungen zu erbringen hat. Sie muß aber endlich aus dem heutigen Packeseldasein der gemeinwirtschaftlichen Leistungen herausgebracht werden. Dieser Aufgabenbereich muß stärker entmischt werden, und auch in diesem Bereich muß die Deutsche Bundesbahn mehr zu einem Marktpartner gemacht werden.
Einen großen Nachholbedarf hat die Deutsche Bundesbahn bei ihrer Aufgabe, sich eine moderne Organisationsform zu geben, Verantwortungsbereiche zu schaffen, die klarer überschaubar sind, damit es diese Leerläufe nicht gibt, und vor allem Stellen bei ihr zu schaffen, die auch für das Resultat verantwortlich sind. Bis heute ist es immer noch so, daß viele Stellen und viele Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn bei ihren Handlungen nicht wissen, ob sie bei ihren Entscheidungen und Handlungen der Bundesbahn einen Erfolg bringen oder ob sie ihr ein Minus bescheren.

(Dr. George [CDU/CSU]: Im Zweifel ein Minus!)

Lassen Sie mich eine Bemerkung zur derzeitigen Verkehrsmarktordnung anfügen. Wir haben im Verkehr eine kontrollierte Wettbewerbsordnung mit einer Begrenzung beim Zugang zum Verkehrsmarkt. Ich sehe bei der Entwicklung, in der wir uns befinden, eine erhebliche Gefahr, ob diese Marktordnung rechtlich auf Dauer hält, und zwar infolge der ständigen Erhöhungen der Lkw-Kontingente auf der einen Seite und des Rückzugs der Deutschen Bundesbahn aus der Fläche und des Abstoßens von Verkehrsleistungen auf der anderen Seite. Diesen Gedanken müssen wir einmal näher ventilieren, wenn wir an dieser kontrollierten Wettbewerbsordnung festhalten wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Schwierigkeiten bei der Deutschen Bundesbahn können nicht durch Mittelkürzungen abgeschafft werden, wie das die Bundesregierung glaubt. Dadurch werden die Probleme bei der Bahn nur verschärft, und es droht die Kahlschlagsanierung, die keiner von uns will, mit ihren Folgen für die gesamte Volkswirtschaft. Der Verkehr darf nicht nur als Einnahmequelle gesehen werden. Verkehrspolitik läßt sich ohne Geld nicht betreiben. Die Verkehrspolitik muß wieder ihren gebührenden Rang bekommen, einen höheren Rang, als sie in den letzten Jahren gehabt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Eisenbahn war über ein Jahrhundert sinnfällig eiserner Bestand des Verkehrswesens. Sie wird es bleiben.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist bereit, einen konstruktiven Beitrag zu leisten, wenn die Bundesregierung bereit und in der Lage ist, mit dem Schwarzer-Peter-Spiel, das sie ständig betreibt, Schluß zu machen und eine erfolgversprechende Bundesbahnpolitik mit langem Atem für eine Eisenbahn der Zukunft zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906701100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Curdt.

Lothar Curdt (SPD):
Rede ID: ID0906701200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen der heute vorgesehenen verbundenen Debatte zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung möchte ich hier ausschließlich zum Dritten Gesetz zur Änderung des Bundesbahngesetzes Stellung nehmen.
Es hat — dies möchte ich vorweg feststellen — in der letzten Zeit wohl kaum einen Gesetzentwurf gegeben, der mit so viel Übereinstimmung am Ende der Ausschußberatungen verabschiedet wurde wie diese dritte Novelle, nämlich ohne Gegenstimmen bei einigen Stimmenthaltungen. Dies zeigt, daß sowohl die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Änderungen wie auch die Eilbedürftigkeit dieser Novelle eigentlich unumstritten waren und auch sind.
Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes hat die Deutsche Bundesbahn eine Führungsstruktur, die der unternehmerischen Zielsetzung und dem Auftrag, das Sondervermögen Deutsche Bundesbahn unter kaufmännischen Gesichtspunkten zu leiten, nur unvollkommen gerecht werden kann. Nicht der Mangel an Vorstellungen, wie denn weitergehende Veränderungswünsche auszusehen hätten, Herr Kollege Jobst, sondern die im Frühjahr 1982 — und dies wissen Sie — zu treffende Entscheidung über



Curdt
die personelle Zusammensetzung der Führungsspitze hat dazu geführt, in der jetzt vorgelegten Novelle nur die unstrittig regelungsbedürftigen Paragraphen des Bundesbahngesetzes neu zu fassen. So werden die Vorstandsmitglieder des Unternehmens künftig für eine Amtszeit von zwei bis fünf Jahren in ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis berufen, und Gleiches soll auch für weitere, dem Vorstand unmittelbar unterstellte Amtsinhaber der sogenannten zweiten Führungsebene gelten.
Die Kollegen des Innenausschusses hatten die Notwendigkeit der Einbeziehung dieser „zweiten Ebene" angezweifelt. Doch in der Vergangenheit hat sich mehrfach gezeigt, daß der hier gemeinte Personenkreis in fortdauernder Übereinstimmung mit den Richtlinien der Unternehmensleitung stehen muß, um angesichts der Unternehmensgröße für eine wirkungsvolle Umsetzung der Vorstandsentscheidungen sorgen und diesen Vorstand bei wichtigen Entscheidungen beraten zu können. Die Voraussetzungen für die Umwandlungen des Beamtenverhältnisses auf Zeit in ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis müssen daher nicht nur für die Vorstandsmitglieder, sondern uneingeschränkt auch für die Inhaber von Führungspositionen unterhalb der Vorstandsebene als gültig angesehen werden.
Die vertragliche Regelung des Entgelts für die erbrachten Dienstleistungen schließt individuelle Sondervergütungen für diejenigen Fälle ein, in denen besondere Leistungen für das Unternehmen erbracht werden. Die Möglichkeit, auf diesem Gebiet flexibler zu handeln, als es die bisherige Beamtenbesoldung für Führungskräfte zuließ, eröffnet zugleich die Chance, künftig kreative Vorschläge und Beschlüsse aus der Führungsebene wirksamer als bisher für die Deutsche Bundesbahn umsetzen zu können; und dies, Herr Kollege Jobst, eröffnet eben jenen von Ihnen angesprochenen Handlungsspielraum für den Vorstand und die ihm zuarbeitenden, unmittelbar ihm zugeordneten Kräfte.
Übrigens, was die Kreativität angeht, von der Sie ja gesprochen haben: Wo bleibt denn eigentlich im Hinblick auf solche Vorschläge, im Hinblick auf die Veränderung der Bundesbahnpolitik die Kreativität der Oppositionsfraktion?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ist sie vielleicht mit dem Slogan zu umreißen: „Alle reden von der Bundesbahn, wir reden vom Wetter"? Ich meine, wer in diesem Zusammenhang Resultatsverantwortung anspricht und meint, hier seien irgendwelche Dinge zu ordnen, der sollte dann allemal die Vorschläge einbringen — das macht mich sehr neugierig, Herr Kollege Jobst —, die aus Ihrer Sicht hier einzubringen wären.
Aber in einem stimmen wir sicherlich überein, gerade wenn es darum geht, die künftige Handlungsweise dieses Vorstands zu verstärken: Es ist weder dem bisherigen Vorstand noch allen Bediensteten der Bundesbahn ein Vorwurf dahin gehend zu machen, sie hätten nicht das Ihre getan, um bisher die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wirkungsvoll zu gestalten. Ich glaube, es sind mehr die äußeren Umstände, an deren Veränderung wir nunmehr arbeiten wollen, die ihnen bisher weitergehende Möglichkeiten nicht ließen. Insoweit spreche auch ich selbstverständlich in diesem Zusammenhang einen außerordentlichen Dank an alle Bediensteten der Deutschen Bundesbahn aus.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mit der Veränderung des Planungsrechts der Deutschen Bundesbahn soll eine wichtige Verbesserung im Hinblick auf die Beschleunigung und die Kostenersparnis erreicht werden. Erhebliche rechtliche Zweifelsfragen und zeitliche Verzögerungen durch den bisher vorgeschriebenen Übergang der Zuständigkeit für den Erlaß des Planfeststellungbeschlusses auf den Bundesverkehrsminister können nunmehr vermieden werden.
Gegen diese vorgesehene Vereinfachung des Planfeststellungsverfahrens haben der mitberatende Innenausschuß und der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bedenken geltend gemacht. Es wurde empfohlen, eine Regelung zu finden, nach der die Deutsche Bundesbahn verpflichtet wird, nicht berücksichtigte Einwendungen anderer Behörden und privater Bürger durch eine nicht mit der Planung befaßte Stelle überprüfen zu lassen.
Diese Empfehlung hätte dem Ziel einer Beseitigung der Rechtsunsicherheit und der Verfahrensstraffung im Baurecht der Deutschen Bundesbahn nicht entsprochen. Sie verschlechtert sogar die Mängel des geltenden Rechts, weil die Anhörungsbehörde nicht nur bei Meinungsverschiedenheiten mit anderen Behörden, sondern auch bei solchen mit Bürgern — was j a in der Praxis nie auszuschließen ist — eine Entscheidungskompetenz des Verkehrsministers beantragen kann.
Trotz einer vom Bundesverkehrsministerium angebotenen Ergänzung der Regierungsvorlage hat der Verkehrsausschuß es bei der ursprünglichen Gesetzesneuregelung belassen, um eine eindeutige Verbesserung des Planungsrechts nicht zu verwässern. In dieser Frage befinden wir uns innerhalb des Ausschusses Gott sei Dank in eindeutiger Übereinstimmung. Dies kann im Interesse der Deutschen Bundesbahn jedenfalls nur begrüßt werden und findet auch die einhellige Zustimmung meiner Fraktion.
Ein zunächst eingebrachter Vorschlag der Bundesregierung, auf dem Wege der sogenannten Organleihe die Bundesländer mit der Weiterführung des Betriebs auf solchen Strecken zu betrauen, auf denen das Verfahren zur Stillegung abgeschlossen und damit die Bundesaufgabe des Streckenbetriebs beendet ist, wurde durch den Ausschuß aus der Vorlage entfernt. Der erkennbare Dissens zwischen Bundesländern und Bundesregierung in dieser Frage hätte zu einer unvertretbaren Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens geführt und damit das alsbaldige Inkrafttreten des Gesetzes verhindert. Es wird aber in der Folge zu prüfen sein, ob eine solche Regelung überhaupt zu den in Zukunft zu regelnden Fragen des Bundesbahnrechts gehören sollte.



Curdt
Meine Damen und Herren, die heute zu verabschiedenden Veränderungen stellen den ersten Schritt auf einem Wege dar, den es im Interesse der Deutschen Bundesbahn in den kommenden Jahren fortzusetzen gilt. Während von der Opposition die Unzulänglichkeit dieser Novelle beschworen, eigene Vorstellungen aber wieder einmal nicht eingebracht wurden, hat es im Vorfeld der Erwägungen, Beratungen und als Ergebnis sowohl des BundesbahnHearings vor zwei Jahren wie auch konkreter Vorschläge von Körperschaften und Vereinigungen eine ganze Reihe von Veränderungswünschen gegeben, die aus Zeitgründen in die jetzigen Regelungen nicht aufgenommen werden konnten.
So verweise ich beispielsweise auf eine verbesserte Beschreibung der Aufgaben der Deutschen Bundesbahn, auf eine eindeutige Kompetenzabgrenzung zwischen Bundesbahnvorstand und Verkehrsminister und auf eine verbesserte Mitbestimmungsregelung für die Beschäftigten der Deutschen Bundesbahn.
Ferner wäre auf eine den gesetzlichen Gegebenheiten entsprechende Änderung der Vorschriften über die Rechtsstellung des Verwaltungsrates hinzuweisen. So wird beispielsweise von dessen Mitgliedern, die aus vier verschiedenen Gruppen vorgeschlagen und von der Bundesregierung ernannt werden, erwartet, daß sie erfahrene Kenner des Wirtschaftslebens oder Eisenbahnsachverständige sind. Sie sollen nicht Mitglieder von Regierungen oder Angehörige von Verwaltungen des Bundes und der Länder sein. Doch wie sieht es in Wirklichkeit aus? Bei den fünf Vertretern des Bundesrates handelt es sich um drei Landesminister, einen Senator und einen ehemaligen Landesminister. Wenn deren Kompetenz und Mitwirkung außer Frage steht, wäre die Ausschlußbestimmung des Abs. 3 des § 10 — Rechtsstellung des Verwaltungsrates — in der Tat überflüssig.
Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion erkläre ich die uneingeschränkte Sympathie für weitergehende Veränderungsvorschläge, die einer Verbesserung des Unternehmensrechts und der Betriebs- und Personalverfassung dienen sollen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Welche Vorschläge? — Die müssen erst mal kommen!)

Wir fordern die Bundesregierung auf, bis Ende 1982 eine Konzeption darüber vorzulegen, ob und wie die Beziehungen der Deutschen Bundesbahn zum Bund einerseits und zu den Bundesländern andererseits neu geregelt werden können. Als Berichterstatter verweise ich auf den Ausschußbericht, in dem eine veränderte Fassung des § 37 zum Enteignungsrecht zur Beschlußfassung empfohlen wird. Mit dieser Änderung erbitte ich Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906701300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riemer.

Dr. Horst-Ludwig Riemer (FDP):
Rede ID: ID0906701400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Jobst hat hier die schwierige Lage der Deutschen Bundesbahn geschildert, vielleicht auch in der Hoffnung, daß wir jetzt ein schöngefärbtes Bild malen werden, aber ich kann Ihnen nur bestätigen: Wir sind uns in der Analyse durchaus einig, und wir sind auch daran interessiert, die Lage der Bundesbahn, so wie sie wirklich ist, vor der Öffentlichkeit darzustellen, denn bei all den einschneidenden Maßnahmen, die notwendig sind, werden wir auf die Zustimmung der Öffentlichkeit angewiesen sein.
Um die Situation und die zukünftige Entwicklung der Deutschen Bundesbahn zu kennzeichnen, kann man, meine Damen und Herren, Zahlenrelationen nehmen, welche man will; eines wird — auch bei großzügiger betriebswirtschaftlicher Betrachtung — dabei immer herauskommen: daß die Bahn spätestens in fünf Jahren betriebswirtschaftlich am Ende sein wird, wenn nicht Grundsätzliches geschieht.
Zwei Alarmzahlen, die sehr plastisch sind: Von den 6,3 Milliarden DM Fremdmitteln, die im Jahre 1981 aufgenommen wurden, mußten bereits 4,5 Milliarden DM zur Schuldentilgung verwendet werden. Bald läßt sich mit der Schuldenaufnahme die Schuldentilgung nicht mehr bezahlen. Weiter: 1985 würde die Zinslast größer sein als die gesamten Einnahmen aus dem heutigen Personenverkehr. Ich glaube, daß diese Relationen deutlich machen, wo wir stehen.
Nun, das ist die finanzielle Seite, die für die Finanzwirtschaft des Bundes von größter Bedeutung ist. Aber das ist nicht alles. Es geht auch um die verkehrspolitische Frage, ob die Bundesbahn, wenn sie in diese immer schwierigere Situation hineingerät, ihre verkehrswirtschaftlichen Aufgaben wahrnehmen kann. Es stellt sich die Frage, ob die Bundesbahn z. B. mit der dadurch erzwungenen Preis- und Investitionspolitik, überhaupt der Angebotspolitik, in der Lage ist, ihre verkehrspolitischen, insbesondere aber auch die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben wahrzunehmen, denn sie ist — das möchte ich hier auch gern bestätigen — nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft im Konzept der Verkehrsträger so zu sehen, daß sie das Grundgerüst darstellt und auch die Grundlast der verkehrswirtschaftlichen Nachfrage trägt. Darüber hinaus ist sie — trotz der schwierigen Lage, in der sie sich befindet —, wie ich glaube, ein wichtiger Faktor im Wettbewerb der Verkehrsträger untereinander. Das sollte man nicht unterschätzen. Es gibt jedenfalls weniger Wettbewerb, wenn die Bundesbahn nicht leistungsfähig ist. Die Bundesbahn ist also nicht nur ein Haushaltsproblem. Sollten wir sie haushaltswirtschaftlich in den Griff bekommen, dann muß immer noch darauf geachtet werden, daß sie durch zusätzliche Maßnahmen verkehrspolitisch richtig funktioniert.
Meine Damen und Herren, wenn man die öffentliche Diskussion prüft, kann man feststellen, daß es drei Grundstrategien zur Lösung oder — lassen Sie mich auch klar sagen — zur Nicht-Lösung des Problems der Bundesbahn gibt. Die einen sagen: Die Katastrophe der Deutschen Bundesbahn wird schon seit Jahrzehnten vorausgesagt, aber sie ist eine solche Trutzburg, gegen die viele schon erfolglos ange-



Dr. Riemer
laufen sind, und sie ist ein Wert an sich. Es gilt eigentlich nur, richtig passiven Widerstand zu leisten. Dann ergibt sich notwendig der Punkt, an dem die Probleme — jedenfalls die finanziellen — dadurch gelöst werden, daß eben mit Steuermitteln aus dem Haushalt Hilfestellung geleistet wird.
Eine zweite Strategie — sie halte ich für wesentlich gefährlicher — ist die, daß manche meinen, es genügt, Alibimaßnahmen vorzuschlagen und durchzuführen; im übrigen bleibt alles beim alten.

(Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/ CSU]: So wie bei der Bahn-Novelle!)

— Dazu werde ich gleich kommen. Das ist nämlich die dritte Strategie, Herr Schulte, und das ist die schwierigste, das ist nämlich die, die die Politik handlungsfähig macht und versucht, das Unternehmen Deutsche Bundesbahn an die jetzigen und zukünftigen Realitäten heranzuführen. Damit muß, meine Damen und Herren, eine Handlungsblockade durchbrochen werden, die in den letzten Jahrzehnten durch ein Geflecht sich widersprechender Interessen und Positionen entstanden ist; darin liegt j a die Schwierigkeit.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

So unterschiedlich die Beurteilung der hier zur Beratung anstehenden Novelle auch ist, meine Damen und Herren — die einen sagen, es ist ein erster Schritt, andere — etwas spöttisch —, es ist nur das Bein-Heben

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Kosmetik!)

zum ersten Schritt, Herr Kollege Jobst —, sie ist auf jeden Fall Handeln. Und nicht nur dies; sie ist auch eine Initialzündung. Denn so, wie sie angelegt ist, zwingt dieses Handeln zu weiterem Handeln, und — was für uns vor allem wichtig ist — die Richtung stimmt. Das ist der Unterschied zu früheren Maßnahmen.
Wieso stimmt die Richtung? Weil dieses Gesetz, so begrenzt es auch ist, inhaltlich doch eine Grundentscheidung enthält. Haben wir nämlich bisher versucht, die verkehrswirtschaftlichen und verkehrspolitischen Probleme des Eisenbahnverkehrs mit dem Sondervermögen Deutsche Bundesbahn in Form einer öffentlichen Verwaltung zu lösen, so soll es jetzt — das ist für uns das Entscheidende — mit Funktionsstrukturen eines privaten Unternehmens versucht werden — jedenfalls sehen wir, daß es in diese Richtung läuft —, mit Funktionsstrukturen der privaten Wirtschaft deswegen, weil die Eisenbahn im Markt steht, ja, sie muß noch mehr in den Markt hineingebracht werden. Als öffentliche Verwaltung, wie sie sich heute darstellt, schafft sie weder die Anpassung an die ständige Veränderung der Marktnachfrage, noch ist sie den konkurrierenden Verkehrsträgern als Wettbewerber letztlich gewachsen.
Aber dieser erste Schritt bringt noch nicht genug, meine Damen und Herren. Der Bundesverkehrsminister weiß sicher am besten, daß es bei dieser Novelle nicht bleiben darf. Denn diese Kreuzung, wenn man diese Novelle isoliert sieht, zwischen Unternehmensteilstruktur aus dem Bereich der privaten Wirt-
schaft und öffentlicher Verwaltung ist auf die Dauer so nicht lebensfähig. Bleibt es dabei, bei dieser Novelle, ist der neue Vorstand wahrscheinlich nur eine Transplantation, die vom Gesamtorganismus bald abgestoßen wird und nur als totes Gewebe weiterexistiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das, was noch dazu gehört, meine Damen und Herren, ergibt sich ganz klar aus den Aufgaben der Deutschen Bundesbahn. Das sind Aufgaben, die der Markt stellt, und solche, die der Bahn im Rahmen der zu erbringenden gemeinwirtschaftlichen Leistung von der Politik gestellt werden. Es kommen Aufgaben hinzu, die sich aus der Entwicklung in der Vergangenheit ergeben, nämlich die speziellen Sanierungsaufgaben. Da sind erstens die überfällige Anpassung an den Strukturwandel und zweitens der Ausbau der schienenspezifischen Vorteile der Deutschen Bundesbahn gegenüber den anderen Verkehrsträgern, und da liegt die Zukunft der Bahn — unbestritten.
Die Probleme der Deutschen Bundesbahn sind nicht, wie man hier und da hören kann, überwiegend konjunktureller Art, sondern sie sind struktureller Art. Die Eisenbahn hat schon lange ihre absolute Vorrangstellung, die sie vor 100 Jahren hatte, Wirtschaft und Gesellschaft durch Mobilität von Personen und Gütern zu integrieren, verloren. Straßen und Kraftfahrzeuge bieten meist mehr, nämlich Unabhängigkeit und Verkehr von Haus zu Haus. Bei dem gestiegenen Lebensstandard können sich die meisten das auch leisten.
Dieses Rad der Entwicklung läßt sich nicht mehr zurückdrehen. Wer das mit ordnungspolitischen Maßnahmen, wie das in der Vergangenheit hier und da versucht worden ist, etwa im Güterverkehr, bewerkstelligen will, würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft mit all den negativen Konsequenzen auch auf den internationalen Märkten belasten, weil durch solche kontrollierenden Eingriffe letztlich Kosten entstehen.
Deswegen muß im Rahmen der Anpassung an die Nachfrage geprüft werden, ob der Expreß- und Stückgutverkehr bei der Deutschen Bundesbahn aufrechterhalten werden soll, auch wenn die Einstellung zunächst weiter Hängekosten, wie das so schön heißt, in der Größenordnung von mehreren 100 Millionen DM verursacht. Das ist vorübergehend so; aber wir müssen mittelfristig und langfristig, auf jeden Fall über den Tellerrand hinaus denken. Um die Anpassung an die veränderte Struktur zu erreichen, muß auch geprüft werden, ob der Personennahverkehr in der Fläche auf Busse verlagert werden kann, die haltegünstiger und billiger sind. Nahverkehr in der Fläche auf der Schiene ist ganz einfach zu teuer. Aber Voraussetzung für Stillegung — da stimme ich Herrn Jobst zu — ist immer ein schon vorhandener Ersatzverkehr, der aufgebaut werden muß. Deshalb muß auch im Rahmen der Anpassung an die Struktur geprüft werden, ob nicht im Vorhaltungsbereich, insbesondere bei Werkstätten und im Oberbau, Aufgaben an die private Wirtschaft abgegeben werden können. Die immer wieder vorgetragenen Behauptungen, die Deutsche Bundesbahn mache alles billi-



Dr. Riemer
ger, muß sorgfältig unter die Lupe genommen und nachgerechnet werden.
Die Anpassung ist eine Seite. Genauso wichtig ist aber die von der Bundesbahn begonnene Offensive dort, wo sie schienenspezifische Vorteile hat. Diese müssen verstärkt werden. Die bisherigen Erfolge lassen sich sehen, und es lohnt sich, auf diesem Wege weiterzugehen, und zwar im Personenfernverkehr, im Container- und Huckepackverkehr. Unverzichtbar ist die Bahn auch im Personennahverkehr in den Ballungsgebieten. Schon technisch gibt es dafür keine Alternative.
Anpassung und Offensive setzen aber ein hohes Maß an Führbarkeit der Deutschen Bundesbahn voraus. Ich benutze hier den Ausdruck „Führbarkeit", der in dem Hearing 1978 von Herrn Wegen-stein, dem Unternehmensberater, der mehrere Jahre in der Bundesbahn tätig war, verwendet worden ist. Das heißt mehr Handlungsspielraum und Eigenverantwortung des Vorstands, aber nicht nur des Vorstands, sondern auch mehr Zuständigkeiten des Verwaltungsrats in Richtung auf Aufsichtsrat, d. h. eine Organisation der Delegation und der kurzen Entscheidungswege. Aber das bedeutet auch — das ist sicher ein heißes Eisen —: weg vom Beamtenstatus, d. h. eine Schließung der Beamtenlaufbahn. Das bedeutet Resultatsverantwortlichkeit auf allen Ebenen, nicht nur auf der Ebene des Vorstands, sondern auch auf der mittleren und unteren Ebene. Das bedeutet weiter ein umfassendes Rechnungswesen; denn nur so können die Probleme erkannt und Maßnahmen zur Lösung entwickelt werden.
Ich habe mich in der zweiten Lesung ausführlich mit dem Rechnungswesen befaßt, weil es das A und O jedes größeren und erst recht eines so großen Unternehmens wie der Deutschen Bundesbahn ist. Es ist die Voraussetzung für erfolgreiches Management. Herr Müller-Hermann beklagt sich in seinem Buch über die Deutsche Bundesbahn darüber, daß diese Forderung seit 15 Jahren — das war 1976 — erhoben werde. Diese Tatsache zeigt einen gewissen Teufelskreis gerade in diesem Bereich. Die „schlechte Führbarkeit" bezieht sich nämlich auch auf die Schaffung der Voraussetzungen für Führbarkeit. Da ist eben der Kreis geschlossen. Den müssen wir ganz einfach durchbrechen, wenn wir vorankommen wollen. Ich weiß, daß die Dinge seit 1975 in Angriff genommen worden sind. Aber jetzt haben wir immerhin 1981 und sind noch nicht so weit, daß das Rechnungswesen dem Management als Steuerungsinstrument zur Verfügung steht. Das wird die Aufgabe Nummer eins für den neuen Vorstand sein.
Wenn Veränderungen notwendig sind, dann auch im Bereich der sogenannten drei Pflichten, die die Bundesbahn hat. Es handelt sich einmal um die Beförderungspflicht, um die Betriebspflicht und schließlich um die Tarifpflicht. Insbesondere im Bereich der Tarifpflicht werden wir zu prüfen haben, wie wir mehr Flexibilität für die Bundesbahn schaffen können, damit sie sich im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern behaupten kann; sie ist da ja sehr stark eingezwängt.
Von der Politik, meine Damen und Herren, müssen ebenfalls Entscheidungen getroffen werden. Sie
hat nämlich die Rahmenbedingungen zu schaffen. Nach meiner Meinung werden insbesondere im Bereich des Bundesbahngesetzes weitere Änderungen notwendig sein. Neben den die Unternehmensstruktur betreffenden Maßnahmen muß es zu einer glasklaren Trennung zwischen eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Kosten sowie den Kosten für die Schienenwegvorhaltung kommen. Die Kosten für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen müssen vom Staat abgegolten werden; das ist klar. Wer die Musik bestellt, muß sie auch bezahlen. Aber für den eigenwirtschaftlichen Bereich, der klar abgegrenzt werden muß, darf es aus den öffentlichen Haushalten keinen Pfennig geben. Hier hat eben das Management betriebswirtschaftlich zu funktionieren und hier kann es zeigen, wozu es in der Lage ist.
Wenn die gemeinwirtschaftlichen und die eigenwirtschaftlichen Kosten vermischt werden, -gibt es keinen Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Wenn Verluste mehr oder weniger global abgegolten werden, dann gibt es keine Resultatsverantwortlichkeit und für das Unternehmen insgesamt keine Motivation. Motivation ist aber etwas, was wir bei der Bundesbahn ganz besonders brauchen.
Was in dem Unternehmen Bundesbahn noch getan werden muß, ist zumindest in Ansatzpunkten vielfach vorhanden. Man muß sich einmal ansehen, welche Maßnahmen z. B. von 1975 bis 1981 ergriffen worden sind: konsequente Rationalisierung, Anstieg der Einnahmen im Verhältnis zu den Aufwendungen, Personalabbau von 1974 bis 1981 um rund 84 000 Dienstkräfte — das sind über 20% —. Natürlich muß man wissen, daß es bei der Bundesbahn einen Personalüberhang gab. Er war verhältnismäßig leicht abzubauen. Jetzt wird das schwieriger, weil es nur noch durch echte Rationalisierung möglich ist.
Es sind weitere Aktivitäten der Bundesbahn zu nennen, z. B. die Umstellung des Schienenpersonennahverkehrs in der Fläche. Dabei ist die Bundesbahn aus politischen Gründen allerdings nicht sehr weit gekommen. Ich nenne weiter: Zusammenführung der Busdienste — das läuft jetzt —, Konzentration bei Gepäck- und Expreßgut, Schaffung eines betriebswirtschaftlich optimalen Netzes. Letzteres war ebenfalls ein in der Grundtendenz richtiger Versuch, der aber politisch nicht genügend abgesichert war. Weiter: die neue Konzeption zur Führungs- und Organisationsstruktur; diese ist in der ersten Teilrealisierung.
Aber es bleibt die Grundproblematik bestehen, nämlich die verhinderte Anpassung der Unternehmensgröße an die Nachfrage und die fehlende Abgrenzung zwischen unternehmerischen und gemeinwirtschaftlichen Aufgaben. Weiter bleiben die Wegekostenproblematik und das Anlastungsrisiko bei den Wettbewerbern ungelöst, außerdem das Problem der unternehmensfremden Mitwirkungs- und Genehmigungsrechte. Alles Punkte, mit denen wir uns noch ausführlich beschäftigen müssen.
Daß manches nicht verwirklicht werden konnte, hat also oft auch an der Politik gelegen. Wenn es bei der Sanierung einen Fortschritt geben soll, muß die



Dr. Riemer
Politik ihren Beitrag zur Schaffung der Voraussetzungen leisten. Sie darf sich in dieser Situation nicht drücken. Erwarten wir nicht alles von dem neuen Vorstand. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß auch er nur insoweit handeln kann, als er von der Politik unterstützt wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Jobst [CDU/CSU]: So ist es!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906701500
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0906701600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unumstritten, daß ein leistungsfähiges Verkehrssystem eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine moderne, arbeitsteilige Industriegesellschaft darstellt. So wie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich sehr gut dasteht, so können sich unsere Leistungen beim Auf- und Ausbau unseres Verkehrssystems sehen lassen.
Die Bundesrepublik besitzt ein modernes Verkehrsnetz, das jeden Vergleich mit unseren Nachbarn in Westeuropa glänzend besteht. Die Reise-
und Transportzeiten innerhalb dieses Verkehrssystems sind für Personen, aber auch für Güter in den letzten Jahren drastisch verkürzt worden, vor allen Dingen durch Investitionen im Gesamtverkehrssystem. Dabei hat der Straßenbau in den zurückliegenden Jahren eine besondere Bedeutung gehabt: 55 % aller Autobahnen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, sind in den letzten zehn Jahren gebaut worden.
Das heißt, auf dem Gebiet des Straßenbaus ist es gelungen, einen großen Sprung nach vorn zu machen. Das Straßenverkehrsnetz in der Bundesrepublik ist an den Bedürfnissen der Zukunft orientiert. Das ist richtig und gut so. Unser Schienenverkehrsnetz hingegen ist im wesentlichen daran orientiert, wie die Investitionen im 19. Jahrhundert ausgesehen haben. Deswegen gibt es dort ein Defizit, deswegen besteht die Verpflichtung, durch Investitionen in der Zukunft verstärkt dafür zu sorgen, daß das Verkehrssystem auch im Bereich der Schiene voll leistungsfähig wird.
Die öffentliche Diskussion über die Schiene, fiber die Deutsche Bundesbahn ist meist negativ und oft widersprüchlich. Einerseits wird lautstark — und mit Recht — die zunehmende Verschuldung der Bahn beklagt. Auf der anderen Seite kann die Notwendigkeit nicht bestritten werden, im Bereich der Bahn zu investieren. Auf der einen Seite wird beklagt, daß die Personalausgaben bei der Bahn so hoch sind, daß sie die eigenen Einnahmen übersteigen. Auf der anderen Seite soll bei der Bahn aber auch noch zusätzlich gespart werden. Auf der einen Seite ist es unbestreitbar, daß viele Züge, insbesondere im Nahverkehr, leer fahren und das eine Verschleuderung von Energie und von Geld darstellt. Auf der anderen Seite werden nahezu unüberwindliche Hindernisse aufgebaut, wenn es darum geht, ein neues, vernünftiges Verhältnis zwischen Schiene und Bus im Bereich des Nahverkehrs zu schaffen.
Auf der einen Seite werden die Kostensteigerungen auf allen Gebieten der Bahn beklagt. Auf der anderen Seite gibt es herbe Kritik und Ablehnung dort, wo notwendige Fahrpreiserhöhungen durchgesetzt werden.
Dieser Katalog an widersprüchlichen Äußerungen in der öffentlichen Debatte, die bei uns stattfindet — ich will niemandem den Schwarzen Peter zuschieben —, ließe sich fortsetzen. Eine der Eigentümlichkeiten der Diskussion um die Bahn besteht darin, daß in aller Regel jede Art von konkreten Vorschlägen, wie man eigentlich vorankommen wolle, fehlt. Es bleibt bei einem allgemeinen, wehleidigen Lamentieren, es bleibt beim Klagen. Aber statt zu klagen müssen wir, die wir in der Verantwortung stehen, uns fragen, was zu tun ist. Dabei muß man zunächst einmal von den Tatsachen ausgehen.
Tatsache ist: es gibt keine einzige Eisenbahn der Welt, die nicht Subventionen brauchen würde. Dies ist der Preis für die enorme Motorisierung in allen Industrieländern — sowohl im Personenverkehr wie im Güterverkehr —, die in den ersten 70, 80 Jahren dieses Jahrhunderts stattgefunden hat.
Tatsache ist: der Personenverkehr bei der Bahn war schon immer defizitär, insbesondere der Nahverkehr, auch zu Zeiten, als die Bahn noch schwarze Zahlen schrieb. Dieses Defizit wurde durch Gewinne im Bereich des Güterverkehrs ausgeglichen. Dies gilt heute nicht mehr, weil wir auf Grund der Motorisierung eine Verlagerung im Güterverkehr haben. Die wertvollen Güter, die in aller Regel hoch tarifiert sind, sind auf die Straße abgewandert, und gleichzeitig ist ein erheblicher Teil des Massengüterverkehrs auf die Binnenwasserstraßen abgewandert. Deshalb stimmt die alte Regel nicht mehr, daß mit den Einnahmen aus dem Güterverkehr der Personenverkehr mitfinanziert werden kann.
An dieser Stelle ein Wort zu den Bundesleistungen und dazu, inwiefern das „Defizite" sind. Ich glaube, daß in der Öffentlichkeit eine große Sprachverwirrung über die Frage herrscht, was sich hinter den stark 13 Milliarden verberge, die der Bund leistet. Ich möchte Sie bitten, mir einen Augenblick einmal bei folgender Betrachtung zu folgen: Wie wäre eigentlich der Straßenbau zu beurteilen, wenn wir die Pensionsleistungen für alle Menschen, die bei der Planung, beim Bau und beim Unterhalt der Straße beschäftigt sind, dem Straßenverkehr unmittelbar zurechnen würden? Wie würde die Welt eigentlich aussehen, wenn wir den Straßenbau mit erheblichen Fremdmitteln finanziert hätten — und das wäre, weil es eine große Investition ist, zulässig — und die Zins- und Tilgungslasten jährlich als Straßenbaumittel auswiesen?

(Zuruf von der SPD: Ausgezeichnet!)

Wie würde die Welt eigentlich aussehen, wenn wir dem Straßenverkehr Lasten auferlegten und ihm sagten: „Aus politischen Gründen hast du im Personennahverkehr die und die Leistungen zu erbringen", und das dann als Straßenbaumittel ausgewiesen? Das alles tun wir aber mit der Bahn.
Die Bahn hat Altersversorgungsleistungen in der Größenordnung von 6,5 Milliarden DM zu tragen.



Bundesminister Dr. Hauff
Die Bahn hat ein Defizit im Schienenpersonennahverkehr zu tragen. Wenn man es mal um Zinsleistungen und Pensionszahlungen bereinigt, dann liegt es echt noch in der Größenordnung von 3,5 Milliarden DM. Dann sind wir schon bei 10 Milliarden DM. Die Bahn hat Zinsleistungen auf Grund der Fremdfinanzierung in der Größenordnung von 2,5 Milliarden DM zu tragen.
Durch diese Tatsachen bedingt, ist die Wirtschaftssituation bei der Bahn so, wie sie ist. Das hat nichts mit der Produktivität bei der Bahn zu tun, sondern es sind die politischen Rahmendaten, die der Bahn von der Politik vorgegeben wurden und auch in Zukunft vorgegeben werden müssen, solange wir uns an unsere Verfassung halten, in der steht, daß die Bahn 'ein Bundesvermögen ist. Das setzt allen Überlegungen darüber Grenzen, wie wir die Bahn umstrukturieren können. Deswegen ist es unfair, zu behaupten, die Bahn habe ein Defizit von 13,5 Milliarden DM. Das sind die Gründe, die wesentlich dazu geführt haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Nun zu der Frage: was ist zu tun? Was ist zu tun, wenn man nicht in das allgemeine Klagelied einstimmen will, sondern man fragt: wo sind unsere Handlungsspielräume von der Politik her? Was können wir tun, um schrittweise die Situation der Bahn zu verbessern? Dazu möchte ich meine Vorstellungen in sieben Punkten vortragen.
Erstens. Die Deutsche Bundesbahn muß stärker kaufmännisch geführt und weniger hierarchisch verwaltet werden. Ein modernes Dienstleistungsunternehmen braucht auch ein modernes kaufmännisches Management mit all den Dingen, die dazu gehören, bis zum Rechnungswesen. Und die Deutsche Bundesbahn ist ein Dienstleistungsunternehmen und keine Verwaltungsbehörde. Das müssen wir durchsetzen. Der erste Schritt dazu ist dieses Gesetz; es ist der rechtliche Rahmen dafür, die Flexibilität und die Organisationsform für den Bereich der Deutschen Bundesbahn zunächst im Vorstandsbereich zu schaffen, die notwendig sind.
Denn ich bleibe dabei: Wie sollen wir eigentlich Fortschritte bei einem Unternehmen mit 320 000 Beschäftigten und einem Umsatz von 30 Milliarden DM erreichen, das Dienstleistungen verkaufen soll, wenn das Gesetz uns daran hindert, ein Vorstandsmitglied für den Verkauf zu haben, wenn das Recht vorschreibt, daß es keine klaren Verantwortlichkeiten im Vorstand gibt, sondern nur eine Gesamtverantwortung des Vorstandes? Wie soll daraus ein modernes Dienstleistungsunternehmen entstehen, wenn wir keine resultatsorientierte Verantwortung haben? Das beginnt eben beim Vorstand. Wie soll es sich, wenn es dort nicht da ist, im Unternehmen durchsetzen? Deswegen ist das der erste Schritt dazu.
Herr Jobst, ich bin gern bereit, in einen sehr intensiven Dialog mit Ihnen einzutreten, ob weitere Vorschriften zum Verhältnis zwischen Deutscher Bundesbahn und Bundesregierung folgen müssen. Ich lade Sie herzlich ein, mit mir laut darüber nachzudenken, wie in der Zukunft eigentlich das Verhältnis
von Deutscher Bundesbahn zu den Bundesländern geregelt werden sollte. Ich bitte Sie herzlich, mit mir laut darüber nachzudenken, wie wir im öffentlichen Personennahverkehr zu einem neuen Verhältnis zu den Landkreisen kommen können.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906701700
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0906701800
Bitte schön.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906701900
Bitte, Herr Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0906702000
Herr Bundesverkehrsminister, muß ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, die Sie zu den Aufgaben des künftigen Vorstandes gemacht haben, daß die bisherigen Vorstandsmitglieder der Deutschen Bundesbahn ihre Gehälter eigentlich zu Unrecht bekommen haben?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0906702100
Nein, genau das nicht. Das ist eines der fundamentalen Mißverständnisse, das sich zwischen uns in der Debatte über die Bahn immer wieder einschleicht. Versäumnisse der Politik sind der Politik anzulasten und nicht dem Vorstand.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich bin auch sehr dafür, laut mit Ihnen darüber nachzudenken, wie die innere Organisation bei der Bahn aussehen sollte, denn der hierarchische Aufbau mit all den Vorschriften führt dazu, daß wir bei der Deutschen Bundesbahn für jede Entscheidung viele Verantwortliche, aber keinen Verantwortlichen für eine Entscheidung haben. Das beruht auf Rahmenvorgaben, die im Beamtenrecht stehen, nicht auf Entscheidungen des Vorstandes.

(Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/ CSU]: Wollen Sie das ändern?)

Es ist unsere Aufgabe, im Rahmen unserer Verfassung — Herr Kollege Schulte, daß dies eine Bundesverwaltung ist, steht in der Verfassung, und das setzt den Rahmen — dennoch alle Anstrengungen zu unternehmen. Für den Vorstand haben wir das jetzt erarbeitet. Sie sollten nicht nur klagen und fordern: „Was wollen Sie?", „Wir fordern Sie auf". Sie drängen und lamentieren: „Sie machen nichts, Sie entmannen sich."

(Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/ CSU]: Das letztere stammt von Ihnen!)

Schöne Worte, Herr Jobst. Ich fühle mich da gar nicht angegriffen, denn über die Frage, was davon zu halten ist, urteilen andere Menschen als Sie, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich möchte an der Stelle nicht versäumen, den Ausschüssen, insbesondere dem Verkehrsausschuß, meinen herzlichen Dank für die zügige Beratung dieses ersten Schritts, dieser Novelle zu sagen, die uns in die Lage versetzt, fristgerecht, weil da Termine gesetzt sind, die Handlungsmöglichkeiten zu bekommen.



Bundesminister Dr. Hauff
Das war das erste: kaufmännische Führung, modernes Management, modernes Dienstleistungsunternehmen.
Zweitens. Die Bahn selbst, ihr Produktionsapparat, muß modernisiert werden. Wir haben in der Verkehrsinfrastruktur unseres Landes eine ungleichgewichtige Entwicklung. Ich sagte schon, wir haben bei der Straße einen großen Sprung nach vorn, und wir haben die Notwendigkeit, Ausbaudefizite bei der Bahn jetzt zu beheben. Unser heutiges Eisenbahnnetz stammt im wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man mit Recht zunächst Wert gelegt auf eine Modernisierung dieses Netzes, ohne das Netz selbst in Frage zu stellen. Man hat insbesondere elektrifiziert. Dazu gibt es stolze Zahlen. 1950 waren nur 1 700 Kilometer elektrifiziert, zur Zeit sind es über 11 000 Kilometer. Das führt dazu, daß die Deutsche Bundesbahn heute in der Lage ist, 84 % ihrer gesamten Transportleistungen auf elektrifizierten Strecken zu erbringen. Sie braucht dazu übrigens nur 39 % des gesamten Netzes.
Deswegen kommt es jetzt darauf an, das Netz zu verändern. Bei der Frage, wie das Netz zu verändern ist, werden wir sehr rasch feststellen, daß das, was wir im Straßenbau gemacht haben, jetzt auch im Eisenbahnbereich gemacht wird. Das Verkehrsnetz in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg war ein Verkehrsnetz, das wesentlich durch Ost-West-Verbindungslinien geprägt war. Das Verkehrsnetz der Bundesrepublik — eines Landes innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und, was den Verkehr angeht, eines großen Transitlandes — in den 80er Jahren ist im wesentlichen durch Nord-Süd-Verbindungslinien geprägt. So, wie wir bei den Autobahnen Neubaustrecken hauptsächlich als Nord-Süd-Verbindungen geschaffen haben, ist es auch erforderlich, die Nord-Süd-Verbindungslinien für die Eisenbahnen zu verbessern und ihre Kapazitäten zu erhöhen. Deswegen kommt bei der Modernisierung der Bahn dem Aus- und Neubau auf den Nord-Süd-Verbindungslinien eine ganz entscheidende Bedeutung zu; denn nur im Bereich der Bahn können wir durch neue Investitionen bei den Hauptverbindungslinien noch zu einer wesentlichen Verringerung der Reise-und Transportzeiten kommen.
Deswegen wird jetzt das Streckennetz auf rund 1 000 km ausgebaut, und auf 500 km werden Neubaustrecken geschaffen. Damit wollen und können wir die Reisezeit verkürzen, insbesondere im Vergleich zur Straße. Auch schaffen wir mit dieser Investition eine wichtige Voraussetzung dafür, daß wir in einer Zeit, die möglicherweise ölärmer, ganz sicher aber, was den Ölpreis angeht, sehr viel teurer sein wird, innerhalb unseres Transportsystems eine zusätzliche Möglichkeit haben. Eine moderne Bundesbahn ist eine wichtige Zukunftsinvestition für die Welt, in die wir hineinwachsen.
Dazu müssen wir dann auch — das ist ein weiterer wesentlicher Punkt — das Planungsrecht straffen. Wer sich mit der Praxis der Deutschen Bundesbahn beschäftigt hat und nicht nur allgemeine Reden hält, wird sehr rasch erkannt haben, daß eine der großen Schwierigkeiten, vor denen die Bahn immer wieder
stand, das Planungsrecht war, das die Bahn gegenüber anderen Verkehrsträgern diskriminierte. Das wird mit dieser Novelle geändert. Der Verkehrsträger „Schiene" wird planungsrechtlich den anderen Verkehrsträgern gleichgestellt.
Drittens. Auch für die Bahn gilt: Die Verkehrssysteme müssen noch besser miteinander verknüpft werden. Das gilt für den Personenverkehr wie für den Güterverkehr. Ich freue mich sehr darüber, daß im Personenverkehr so rasch der Durchbruch gelungen ist, die Bahn verstärkt als Zubringer für den internationalen und interkontinentalen Flugverkehr einzusetzen. So wird ab April nächsten Jahres der erste Lufthansa-Zug vom Ruhrgebiet über Köln, Bonn und Koblenz nach Frankfurt verkehren, womit der Versuch unternommen wird, innerdeutschen Flugverkehr durch ein Angebot auf die Schiene zu bringen, bei dem der Reisende auch den vollen Komfort hat, den er ansonsten bei Inanspruchnahme des Flugverkehrs hat. Das heißt, die Gepäckabwicklung erfolgt über diesen Zug, und auch der Flugschein kann benutzt werden, wenn man etwa vom Ruhrgebiet nach Frankfurt kommen möchte.
Aber auch bei den Nahverkehrssystemen ist es erforderlich, durch mehr Park-and-ride-Anlagen zu einer stärkeren Verknüpfung zu kommen. Hier ist in der Vergangenheit schon Entscheidendes gelungen, aber die Anstrengungen müssen fortgesetzt werden. Erforderlich ist auch der Bau zentraler Busbahnhöfe, damit in diesem Bereich die Busse und die Deutsche Bundesbahn besser miteinander verknüpft werden.
Entsprechendes gilt auch für den Güterverkehr. Deswegen werden wir den kombinierten Verkehr weiter ausbauen. Dieser Ausbau des kombinierten Verkehrs — Container-Verkehr, Huckepack-Verkehr, rollende Landstraße — ist die erfolgreichste Antwort auf die Forderung, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Wir haben bereits heute eine nennenswerte Straßenentlastung durch den Güterverkehr auf der Schiene, und wenn wir bis 1985 unser Ziel erreichen — die gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung spricht eine deutliche Sprache in dem Sinne, daß wir es auch tatsächlich erreichen können —, wird das bedeuten, daß wir 1985 bei den wichtigen Nord-Süd-Autobahnen eine Straßenentlastung durch den kombinierten Verkehr in der Größenordnung von 18 % haben.
Dies alles kann nur dann erreicht werden, wenn wir den Schienenverkehr selbst attraktiver machen. Deswegen bleiben wir auch bei den bewährten Grundsätzen unserer Verkehrspolitik. Wir werden niemandem vorschreiben, welches Verkehrsmittel er zu benutzen hat. Wir werden auch dafür Sorge tragen, daß es eben keinen ruinösen Verdrängungswettbewerb gibt, der letztlich nur das Geld der Steuerzahler kostete.
Viertens. Die Bundesbahn muß ihre Erträge steigern. Sie muß sie steigern, damit sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht weiter öffnet. Deshalb ist es nötig, immer und immer wieder darüber nachzudenken, wie man durch bessere und attraktivere Leistungen die Einnahmen verbessern kann. Der Intercity-Verkehr war ein großer



Bundesminister Dr. Hauff
Sprung nach vorn und ist ein Beispiel für erfolgreiches Management. Dem Vorstand der Bundesbahn gebührt dafür auch großer Dank, wie er dies durchgesetzt hat. Dies ist ein Stück Modernisierung, das auf diese Weise erreicht wurde.
Wir brauchen aber auch eine bessere Verkaufspolitik, wie brauchen mehr Marketing — darauf hat auch Herr Riemer hingewiesen —, um die Dienstleistungen wirklich bürgernah zu erbringen und auf das tatsächliche Bedürfnis der Bürger abzustellen. Ich sage ganz offen: Dazu gehören auch die Erhöhungen der Preise, damit die Kostendeckungsrate nicht weiter absinkt. Dies ist ein relativ bescheidenes Ziel, daß die Kostendeckungsrate nicht weiter absinkt. Die Bahn ist im Vergleich das billigste Verkehrsmittel. Wir fahren bei der Deutschen Bundesbahn den Personenkilometer für Berufspendler derzeit mit 9,3 Pfennig. Im Schülerverkehr fahren wir den Personenkilometer mit 7,4 Pfennig. Wer diese Zahlen in Ruhe zur Kenntnis nimmt, wird rasch feststellen, daß die Bahn für den Berufspendler dort, wo er sie tatsächlich in Anspruch nehmen kann, weil ein Angebot für ihn da ist, erheblich billiger ist als der eigene Pkw, und zwar selbst dann, wenn es zu Fahrgemeinschaften kommt.
Fünftens. Die Aufwandssteigerungen bei der Bahn müssen verlangsamt werden. Hier gab es in der Vergangenheit große Leistungen. Die Reduzierung des Personals seit 1974 um 85 000 Stellen ist ein solches erfolgreiches Beispiel. Ich möchte mich an dieser Stelle — das werde ich immer wieder tun — insbesondere bei den Personalräten und bei den Gewerkschaften bedanken, die an dieser Entscheidung verantwortlich mitgewirkt und mit dazu beigetragen haben, daß dies möglich wurde und daß es sozial verträglich möglich wurde.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Das ist beispielhaft für das Verantwortungsbewußtsein der Gewerkschaften in unserem Lande. Darauf baue ich und darauf hoffe ich auch in Zukunft.
Sechstens. Die Deutsche Bundesbahn muß den Nahverkehr aktiv mitgestalten. In den Ballungsräumen läuft es ja sehr gut. In all unseren Ballungsräumen haben wir Verbünde, haben wir die Kooperation der verschiedenen Verkehrsträger. In der Fläche aber ist noch viel zu tun. Hier brauchen wir eine ganz neue Anstrengung, denn das Defizit im Bereich des Schienen-Personennahverkehrs, das insgesamt 4,3 Milliarden DM ausmacht, entfällt zum allergrößten Teil, zu 70 % — das sind über 3 Milliarden DM — auf die Fläche. Wir geben als Bund nicht zuwenig Geld für die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs in der Fläche aus, aber wir geben es nicht intelligent genug aus. Die Frage der Organisation des öffentlichen Nahverkehrs in der Fläche ist das Hauptproblem,

(Hinsken [CDU/CSU]: Späte Erkenntnis!) nicht so sehr die Finanzmittel.

Wenn wir uns alle miteinander darauf verständigen könnten, daß der Maßstab, an dem wir auch die Bahn zu messen haben, nicht das Verkehren von Zügen oder Bussen ist, sondern der Transport von Menschen, sind wir, wie ich glaube, in der öffentlichen Diskussion ein sehr großes Stück vorangekommen. Wir haben nicht über Fahrpläne zu streiten, sondern im wesentlichen über Transportleistungen zu reden und alles daran zu messen, ob hier tatsächlich Menschen transportiert werden.
Es stellt sich auch die Frage, wie eigentlich die Zusammenarbeit zwischen Schiene und Bus in der Fläche ist, ob es eigentlich vernünftig ist, eine Diesellokomotive mit 2 500 PS und 145 t Stahl durch die Gegend zu ziehen, um damit 10, 20, 30, 40, 50 oder 60 Menschen zu transportieren. Dies ist nicht nur finanzwirtschaftlich fragwürdig, dies ist nicht nur verkehrspolitisch umstritten — dies ist energiepolitischer Wahnsinn.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Deswegen müssen wir zu einem neuen Verhältnis von Schiene und Bus kommen und müssen auch bereit sein, Umstellungen vorzunehmen. Der Vorstand der Bahn plant für das nächste Jahr den nächsten Schritt dieser Umstellung.

(Hinsken [CDU/CSU]: Warum nicht schon früher?)

Ich werde dem nicht widersprechen.
Was ich tun werde und was wir hoffentlich miteinander tun werden, ist; darauf zu drängen, daß die Erkenntnisse, die wir aus den Modellvorhaben gewonnen haben, bei denen wir den öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche ganz neu organisiert haben — hier ist insbesondere das Hohenlohe-Modell, aber nicht nur dieses zu nennen —, zur Grundlage bei Entscheidungen im Bereich der Unternehmenspolitik der Bahn gemacht werden. Das heißt, daß man das Problem öffentlicher Nahverkehr nicht isoliert nur von der Deutschen Bundesbahn aus sehen darf, sondern bezogen auf die jeweilige Region sehen muß.
Ich freue mich sehr darüber, daß der Deutsche Landkreistag vor ungefähr 14 Tagen eine Entscheidung getroffen hat, in der er sagt, er sehe die Notwendigkeit, daß bei der Organisation des öffentlichen Nahverkehrs in der Fläche die Landkreise eine aktivere Rolle übernehmen. Rolle der Bahn muß es sein, diese neue entstandene Kooperationsbereitschaft aufzugreifen, aktiv anzugehen, auf die Landkreise zuzugehen, regionale Kooperation zu suchen, um dazu zu kommen, daß wir mit einer solchen Regionalisierung einen konstruktiven Beitrag zum öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche leisten und nicht nur defensiv öffentlich darüber diskutieren, was alles nicht geschieht. Diese Kooperationsbereitschaft — das wird schwierig sein, da landen wir wieder bei Entscheidungsprozeduren und Motivationsfragen — muß gelten von der Spitze bis ganz hinunter bei der Bahn. Es wird ein schwieriges Unterfangen sein, diesen Kooperationsprozeß zu organisieren. Er wird uns in den 80er Jahren beschäftigen; es wird keine einmalige Kraftanstrengung sein. Am Ende der 80er Jahre werden wir eine andere Bundesbahn haben, wenn es gelingt, die Kooperation wirklich so voranzutreiben.



Bundesminister Dr. Hauff
Siebentens: Wir geben der Deutschen Bundesbahn weiterhin Flankenschutz. Das heißt, Tarife, Kontingente, müssen so ausgelegt werden, daß es Leistungswettbewerb gibt, aber keinen Verdrängungswettbewerb. Herr Jobst, Ihren Sachverstand, was die Deutsche Bundesbahn angeht, in Ehren. Nur nehmen Sie bitte in Fragen der Kontingentpolitik zur Kenntnis, daß die letzte Kontingenterhöhung, die wir in der Bundesrepublik durchgeführt haben, im Jahre 1970 war. Nur als kleiner Hinweis, wenn Sie nochmal Ihr Manuskript verwenden.

(Schulte [Schwäbisch Hall] [CDU/CSU]; Und in Europa lassen Sie die Geschichte laufen!)

— In den letzten drei Jahren gab es keine in Europa; das wissen auch Sie, Herr Schulte.

(Schulte [Schwäbisch Hall] [CDU/CSU]: Sie haben zugegeben, daß wir bei 1978 sind und nicht mehr bei 1970! Das ist Ihre Trickserei!)

— Das ist keine Trickserei. Ich sprach von der Kontingenterhöhung in der Bundesrepublik und Herr Jobst hat in seinem Manuskript gesagt, wir hätten in der Bundesrepublik in den 70er Jahren Kontingentaufstockungen gemacht; das ist falsch, schlicht und ergreifend.

(Beifall bei der SPD — Dr. Jobst [CDU/ CSU]: Und wie ist es mit dem grenzüberschreitenden Verkehr?)

An der Tarifpolitik gegenüber dem Güterfernverkehr und der Binnenschiffahrt wird festgehalten.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Das ist doch vorgeschlagen worden!)

Es gibt auch weiterhin Beschränkungen für die Zulassung zum Güterfernverkehr, die bestehen bleiben.
Dies alles dient dem Schutz der Deutschen Bundesbahn. Sie soll die unterschiedlicheren Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger ausgleichen und den Leistungswettbewerb fördern. Wir werden auch international, Herr Kollege Schulte, bei dieser Politik bleiben, das sehr restriktiv zu fahren. Wir werden uns in der Zukunft vor allem international darum zu bemühen haben, daß der kombinierte Verkehr so wachsen kann, wie er vorn Markt her tatsächlich wächst; denn nach meiner Überzeugung gehören stark überlastete Transitstraßen bei gleichzeitig freien Eisenbahnkapazitäten nicht zum Bild einer rationalen Verkehrspolitik in Europa.
Meine Damen und Herren, wir haben bei der Deutschen Bundesbahn schwierige Wegstrecken vor uns, und wir werden nur schrittweise vorankommen. Wir werden nur vorankommen, wenn wir uns wirklich zur Bundesbahn bekennen. Wir stehen auf der Seite der Eisenbahner. Vor allen Dingen stehen wir auf der Seite der vielen Menschen, die Tag für Tag die Zuverlässigkeit unseres Eisenbahnwesens selbst erfahren. Die Schwarzmalerei der Redner der Opposition, die auch heute vormittag wieder vor-
herrschte, hilft nicht weiter. Es besteht die große Gefahr, wenn wir uns dem Problem so nähern,

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Sie sprachen doch von Sanierung!)

daß wir die Deutsche Bundesbahn krank reden und tot fordern. Es darf nicht eine Stimmung erzeugt werden, die alles verhindert, was notwendig ist, um wirtschaftlich und verkehrspolitisch wirklich Fortschritte zu erzielen. Es gibt keinen anderen Weg als den, schrittweise voranzuschreiten. Dabei bin ich sehr daran interessiert, konkrete Vorschläge zu hören, nicht allgemeines Lamento und nicht Anklagen, daß wir versagt haben.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: So ist es!)

Das mag Ihre Meinung sein. Ich habe Ihnen hierzu sieben Punkte genannt, wo wir ansetzen. Aber eigene Vorschläge zu machen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist Sache der Regierung!)

würde den Schweiß der Edlen lohnen, wenn Sie wirklich beabsichtigten, irgendwann einmal Regierungsverantwortung zu übernehmen. Wir brauchen keine Patentrezepte, sondern wir brauchen solche Einzelschritte, wie ich sie in diesen sieben Punkten zusammenzufassen versucht habe. Herr Kollege Jobst, der richtige Schritt — auch ein kleiner Schritt — ist immer noch besser als leeres Getöse.

(Beifall bei der SPD)

Gestern abend habe ich mich lange mit einem Mann unterhalten, der große Verdienste für die Deutsche Bundesbahn hat, der mehrere Jahrzehnte lang aktiv mitgearbeitet hat, mit Herrn Abs, weil ich dachte, daß es sinnvoll ist, an den Erfahrungen dieses Mannes, der in herausgehobener Funktion mit für die Deutsche Bundesbahn verantwortlich war, teilzuhaben und zu hören, wo er Möglichkeiten und Notwendigkeiten sieht, der Bahn zu helfen, ein modernes Dienstleistungsunternehmen zu werden. Er hat einen Satz gesagt, den ich hier gern zitieren möchte, weil ich ihn für richtig halte. Er lautete: Die Deutsche Bundesbahn ist die beste Eisenbahn der Welt. — Ich glaube, daß er recht hat.
Und daß dies so ist, ist im wesentlichen das Verdienst der Eisenbahner, das Ergebnis ihrer Leistungen. Ihnen gilt mein ganz besonderer Dank.
Unsere Aufgabe wird es sein, von der Politik her die Entscheidungen zu treffen, die eine Entwicklung ermöglichen, die uns in die Lage versetzt, auch in zehn oder zwanzig Jahren noch sagen zu können: Die Deutsche Bundesbahn ist die beste Bahn der Welt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0906702200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd).

Dr. Dieter Schulte (CDU):
Rede ID: ID0906702300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir gerade vom Bundesverkehrsminister gehört haben, war eine Mischung von Zustandsbeschreibung und Rückblick, diesmal gegenüber der Opposition vornehmer als sonst üblich. Es war, was



Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

die Gegenwart angeht, aber auch ein Stück Oppositionsbeschimpfung. Offensichtlich hat der Minister unseren Entschließungsantrag nicht gesehen; denn er hat behauptet, da gäbe es nur leeres Getöse. Man kann die Opposition sehr leicht beschimpfen, wenn man selber nur sieben magere Punkte zu bieten hat, so nach dem Motto: Wenn ich selber in der Bahnpolitik versage, dann sollte am besten die Opposition zurücktreten!

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Hat lange gedauert mit dem Beifall!)

Der Ausblick, meine Damen und Herren, den der Verkehrsminister geboten hat, nimmt sich zahlenmäßig groß aus. Er hat sieben Punkte erwähnt. Wenn man die einzelnen Punkte aber einmal anschaut, wenn man sie gewichtet, dann wird das ganze Bild doch wesentlich anders.
Der Minister sprach von verstärkten Investitionen. Wenn wir die mittelfristige Finanzplanung anschauen, wird deutlich, daß die Investitionen nicht verstärkt, sondern zurückgefahren werden.
Er spricht von der Änderung des Verkehrsnetzes der Bahn. Da sind wir schon lange dran. Im Hinblick auf manche Strecken habe ich den Eindruck, daß mehr Papier als Schotter verbraucht wird. Wenn er heute Hoffnungen in bezug auf dieses neue Netz in die Welt setzt, muß er dazusagen, daß vor dem Jahr 1995 auf diesen Neubaustrecken kein einziger Zug durchgängig verkehren wird. Das ist die Wirklichkeit, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sprechen von der Verknüpfung der Verkehrsarten. Einverstanden, das ist ein Weg, den auch wir beschreiten wollen. Wenn Sie aber Ihren berühmten Lufthansa-Zug nach Frankfurt erwähnen, dann ist das zwar eine schöne Sache, aber gemessen an den Problemen der Bundesbahn ein wirklicher Klacks. Der kombinierte Verkehr ist etwas, was wir bejahen. Wir müssen ihn ausbauen. Aber warum sagen Sie denn nicht, daß der kombinierte Verkehr kaum mehr als 31)/0 der beförderten Tonnage ausmacht?

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Sie reden davon, man müsse Geld intelligent ausgeben. Einverstanden, treten wir da in einen Wettbewerb miteinander ein! Aber wenn Sie auf diese Art und Weise eine intelligent verpackte Streckenstillegungs- und Ausdünnungsdebatte beginnen wollen, dann müssen wir dies heute beim Namen nennen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man so das arithmetische Mittel zieht aus dem, Herr Verkehrsminister, was Sie gesagt haben, dann wird sicherlich keiner der Kollegen aus dem Haushaltsausschuß in die Versuchung kommen, etwa einen Haushalt der nächsten Jahre aus den Gewinnen der Bahn finanzieren zu wollen. Aber ich glaube, daß die Gewichtung in Ihrer Rede doch so war, daß man sagen muß: Das ist der Problematik, die Sie selbst ja erkannt haben, nicht angemessen, und es war von daher in der Gewichtung eher Verkehrslyrik.
Wie es wirklich in der Eisenbahnpolitik aussieht, das können wir an den Zahlen ablesen, die uns von der Bahn auf Grund der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung genannt werden. Da heißt es, daß die Bahn im Jahre 1985 53 Milliarden DM Schulden und im Jahre 1990 100 Milliarden DM Schulden haben wird. Und da reden Sie vom Lufthansa-Zug! Diese Zahlen aber verschweigen Sie.
Wie es wirklich aussieht, das kann man in einer Verfügung des Vorstands der Bahn vom 28. September 1981 nachlesen, in der es im Blick auf die Investitionen heißt:
Daher dürfen vorerst, soweit von hier im Einzelfall nichts anderes verfügt wird, auf schwächer belasteten Strecken/Streckenabschnitten nur Maßnahmen der Kleinstunterhaltung (z. B. Beseitigung von Schienenbrüchen und die chemische Aufwuchsbekämpfung, aber nicht Einzelschwellenauswechslung) und zur Abwendung von Gefahren für Dritte ausgeführt werden.
Einzelschwellenauswechslung ist also bereits verboten. Meine Damen und Herren, das ist die Lage, in der wir uns befinden.
Heute können wir in der „Deutschen Verkehrszeitung" nachlesen, daß beim Stückgutverkehr demnächst jede zehnte Station geschlossen wird. Wahrscheinlich gibt es noch ganz andere Pläne. Deswegen kommt es nicht von ungefähr, Herr Verkehrsminister, daß auch vorhin der Finanzminister hier kurz seinen Besuch abgestattet hat. Ich glaube, dies beweist alles.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben mit Blick auf die öffentliche Diskussion, aber gewiß auch mit Blick auf die Opposition in diesem Hause gesagt, man solle die Bahn nicht krankreden. Einverstanden! Nur, meine Damen und Herren, mit Allgemeinplätzen ist der Bahn, wie wir alle wissen, nicht zu helfen.
Wir brauchen ein klares Ziel für die Bahn. Wir brauchen sicher auch eine Motivation für die Eisenbahner. Aber wenn der Verkehrsminister den Begriff der Kahlschlagsanierung erfunden hat, dann muß in diesem Parlament darüber geredet werden, und dann darf er nicht darüber lamentieren, andere würden lamentieren.

(Zuruf von der SPD: Ihre Vorschläge!)

— Wir haben einen Entschließungsantrag, den Sie nachlesen können; ich komme auch in meiner Rede noch darauf zurück. —
Es ist j a wohl auch ein seltener Zufall, Herr Verkehrsminister, daß man bis zum Wahltag von der „Renaissance der Schiene" seitens der SPD gesprochen hat und am Tag nach der Wahl von Kahlschlagsanierung.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist doch bei denen normal! Eben!)

Es besteht sicher kein Zweifel darüber, meine Damen und Herren, daß die Verkehrspolitik der Bundesregierung in den 70er Jahren dem heutigen Minister eine schwere Hypothek hinterlassen hat. Be-



Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

trachtet man die wirtschaftlichen, konjunkturellen und finanzpolitischen Bedingungen, so waren die Probleme der Bahn in den 70er Jahren leichter zu lösen als in den 80er Jahren.
Die Bahn und die Bahnpolitik stehen meines Erachtens vor den Folgen von vier Defiziten. Das ist erstens das langjährige Entscheidungsdefizit. In den 70er Jahren gab es eine Inflation von regierungsamtlichen Sanierungskonzepten, aber keine zukunftsträchtigen Entscheidungen für die Bahn. Sogar das Modell vom „Fahrweg ohne Betrieb" war Gegenstand der Politik. Durch die totale Vermischung unternehmerischer Aufgaben einerseits und politischer Aufgaben des Eigentümers Bund andererseits wurden fällige Entscheidungen nach Art eines Schwarzer-Peter-Spiels zwischen Politik und Unternehmensführung hin- und hergeschoben. Es gab zwar immer wieder den Meinungsaustausch zwischen dem Vorstand der Bahn und dem Verkehrsminister, aber das lief nach folgendem Schema ab: Der Vorstand kommt ins Ministerium und geht mit anderer Meinung aus dem Ministerium wieder heraus. Dies nennt man „Meinungsaustausch".
Meine Damen und Herren, die Bahn leidet — zweitens — ebenso unter einem schwerwiegenden Investitionsdefizit. Ich komme im Gegensatz zu dem, was der Minister gesagt hat, zu den wirklichen Zahlen. Die Investitionsquote der Bahn, also der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben, ist ständig und rapide abgesunken. Wir hatten im Jahre 1960 noch eine Investitionsquote von 37 %, im Jahre 1970 von 21 % und im Jahre 1980 von ca. 13 %.
In dieser Situation und bei weiterem Rückgang der Investitionen der Bahn redet der Minister davon, daß wir einer Investitionsblüte entgegengingen. Wir hatten in den 70er Jahren ein z. T. erhebliches Wirtschaftswachstum, aber trotzdem hat die Eisenbahnpolitik es zugelassen, daß die Investitionen der Bahn in den 70er Jahren real um 2 Milliarden DM unter den Investitionen der 60er Jahre lagen. Wir hatten in den 60er Jahren Investitionen von 29,7 Milliarden DM, in den 70er Jahren von nur 27,8 Milliarden DM. Im Jahre 1979 lagen die Investitionen der Bahn real um 17 % unter den realen Investitionsvolumen des Jahres 1970. Bei der privaten Konkurrenz war es dagegen umgekehrt; sie waren dort um 15 % höher.
Meine Damen und Herren, die heutige Misere bei der Bahn ist — drittens — aber auch eine Folge eines schwerwiegenden Strukturdefizits. Die Veränderung der Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft sind nahezu sämtlich zu Lasten der Bahn gegangen. Dies gilt für den Personenverkehr, für den Güterverkehr, insbesondere bei Montangütern. Dieses Strukturdefizit ist zunächst nicht der Verkehrspolitik anzulasten, aber sowohl das Entscheidungsdefizit wie auch das Investitionsdefizit bei der Bahn haben bewirkt, daß das Unternehmen denkbar schlecht mit dem notwendigen strukturellen Anpassungsprozeß fertig wird.
Als Folge dieser drei wichtigen Schwachstellen der Bahn steht das Unternehmen — viertens — vor einer kaum noch lösbaren Finanzschwierigkeit, vor einem kaum noch lösbaren Finanzierungsdefizit.
Nachdem in den 70er Jahren die Bundesleistungen an die Bahn um 300 % gestiegen sind, sieht die neue mittelfristige Finanzplanung in einer Art Vollbremsung ein totales Einfrieren der jährlichen Bundesleistungen vor. Statt der plafondierten jährlichen Zuschußsumme von ungefähr 13 Milliarden DM beläuft sich aber der tatsächliche Bedarf der Bahn — selbstverständlich auf der Grundlage der heutigen Bedingungen — im Jahre 1985 auf fast 19 Milliarden DM. Wenn in der Bahn-Politik nichts geschieht, dann wird die Folge sein, daß wir — ich habe es bereits vorher kurz erwähnt — im Jahre 1985 53 Milliarden DM an Schulden haben werden, im Jahre 1990 100 Milliarden DM, eine für realistische Maßstäbe undenkbare Entwicklung.
Meine Damen und Herren, die Bahn muß heute 10 % ihrer Gesamterträge aufwenden, um die Zinsen zu bezahlen; bei privaten Unternehmen sind es ungefähr 3 bis 4 %. Jeder kann sich ausmalen, daß, wenn die Entwicklung eintritt, die ich angedeutet habe, im Grunde genommen der Handlungsspielraum passé ist. Im Grunde wäre ein Stück Verschuldung allenfalls zu verantworten, wenn der Modernitätsgrad der Bahn dabei gestiegen wäre. Aber das genaue Gegenteil ist als Folge des Investitionsdefizits der Fall. Der Modernitätsgrad der Bahn ist seit 1970 deutlich gesunken; dies sagt der Vorstand der Bahn selber. Das ist wiederum etwas ganz anderes als das, was der Verkehrsminister vorhin hier, als er die Investitionen ansprach, gesagt hat.
Gemessen an diesen Problemen ist das, was Verkehrsminister Hauff in der Bahnpolitik bisher geleistet und angedeutet hat, mehr als kümmerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zwar kam er am 20. Mai dieses Jahres im Kabinett für die Bahn zu einer nachgerade dramatischen Diagnose, „Kahlschlagsanierung" wurde an die Wand gemalt, aber es fehlen die wirksamen Maßnahmen, die der Minister nach seiner eigenen Erkenntnis ergreifen müßte, um diese Kahlschlagsanierung abzuwenden.
Was erhofft er sich eigentlich von seiner BahnNovelle?

(Zuruf von der CDU/CSU: Ablenkung!)

Noch vor ein paar Wochen hieß es, sie sei ein erster, wichtiger, wesentlicher Schritt. Heute traut er sich schon gar nicht mehr, diese Adjektiva in den Mund zu nehmen. Das Urteil der Fachwelt zu dieser Frage ist jedenfalls einmütig wie selten. „Untauglich", so sagten der Bundesrechnungshof und der Deutsche Industrie- und Handelstag. Der Bundesrechnungshof hat seine Kritik gestern im Haushaltsausschuß auf das massivste wiederholt. Der Kommentator der „Frankfurter Rundschau" empfiehlt der Koalition die Ablehnung des Gesetzes, um dem Verkehrsminister eine Blamage zu ersparen.

(Straßmeir [CDU/CSU]: Und das ist wohlmeinend!)

„Ablenkungsmanöver" war das Resümee der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung"; das „Handelsblatt" sprach von „Kosmetik", „Die Welt" von „Reförmchen". Im Verkehrsausschuß des Bundestages,



Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

meine Damen und Herren, wurde der Winzling noch weiter abgemagert. Zum Abstimmen heute lohnt sich die ganze Geschichte fast nicht mehr.
Aber was hat der Verkehrsminister über diese Novelle hinaus getan? Was hat er vor, um die drohende Kahlschlagsanierung — sein eigener Begriff — abzuwenden? Die Bahn-Novelle leistet, wie wir wissen, keinen Beitrag dazu. Aber warum wird nicht der ernsthafte Versuch gemacht, durch eine Reform des Bundesbahngesetzes unternehmerische Aufgaben der Bahn von ihren Aufgaben der Daseinsvorsorge klar und eindeutig abzugrenzen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies fragen wir den Verkehrsminister, und wir fordern ihn gleichzeitig auf, dieses Problem anzupakken. Wir sichern unsere Mitarbeit zu; dies haben wir in unserem Entschließungsantrag ebenfalls angesprochen.
Im Januar dieses Jahres erklärte der Verkehrsminister im Verkehrsausschuß — dies war sein Antrittsbesuch —: „In dieser Situation" — gemeint ist die Bahn — „ist auf Grund der finanzwirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht weniger, sondern mehr verkehrspolitische Entscheidungsbereitschaft gefordert." Genau dies, Herr Hauff, ist der Punkt. Schaffen Sie die Voraussetzungen für die Entscheidungsbereitschaft innerhalb des Unternehmens, entscheiden Sie in der Bahnpolitik durch klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten! Wir haben den Eindruck, daß diese Rede im Januar noch unter dem Zeichen der ersten 100 Tage stand. In Wirklichkeit ist der Minister in seinem neuen Haus noch gar nicht angekommen. Mit der Bahn-Novelle kann er höchstens versuchen, den Winter 1981/82 zu überbrücken.
Im übrigen gilt das angesprochene Entscheidungsdefizit nicht nur für die Bahnpolitik, sondern für den Minister ganz persönlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Über seinen Gesetzentwurf haben wir im Grunde genommen schon viel zu lange diskutiert. Aber dies ist ja nicht ein Einzelbeispiel dafür, wo Entscheidungskraft fehlt: Bei der Frage der Erhöhung der TÜV-Gebühren versuchte er, die Verantwortlichkeit auf die Länder abzuwälzen; beim Flensburger Punktesystem gibt er nach vierjähriger Diskussion eine neue Untersuchung in Auftrag; beim Verkehrslärmschutzgesetz schreibt er die Länder an, sie möchten sich bitte schön so einigen, daß er dann einen Gesetzentwurf im Bundestag einbringen kann. Als Forschungsminister hatte Volker Hauff bisher seinen Ruf durchs Geldausgeben. Ist das Geld weg, ist plötzlich auch der Ruf weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Verkehrsminister hat bisher nicht zu erkennen gegeben, wie er das Investitionsdefizit der Bahn in der Zukunft bewältigen will. Tatsache ist, daß nach der neuen mittelfristigen Finanzplanung die realen Investitionen der Bahn von 3,35 Milliarden DM auf 2,58 Milliarden DM im Jahre 1984 sinken werden. Nominal sieht es so aus: 1981 minus 16 %, 1982 minus 18 %, 1983 minus 17 %. Herr Minister, ist
das zukunftsträchtige Bahnpolitik, und wie vereinbart sich dies mit Ihrer Aussage zu den Investitionen von vorher?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Warum halten Sie es nicht für notwendig, einmal den Versuch zu machen, für die Bahn eine gesetzlich abgesicherte Investitionsplanung und -finanzierung zu veranstalten, wie sich dies bisher beim Fernstraßenbau bewährt und als schlagkräftiges Instrument erwiesen hat? Welche Schritte wollen Sie einleiten, um der Bahn z. B. bei Umschlageinrichtungen privates Kapital zuzuführen, nachdem die Bahn selber kein Geld mehr hat und Sie selber Pleite sind?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Verkehrsminister hat sich in der Antwort auf unsere Große Anfrage damit gebrüstet, daß der Bund der Deutschen Bundesbahn in den 80er Jahren durchschnittlich 29 % seiner Verkehrsinvestitionen zur Verfügung stellen werde. Er stellt dies den 16 % aus den 70er Jahren gegenüber. Diese Rechnung ist nichts anderes als ein plumpes Täuschungsmanöver; denn die Mittel, die der Bund der Bahn früher zur Verlustabdeckung gab, bekommt die Bahn heute unter dem Etikett „Investitionshilfen", und ihre Verluste muß sie dafür über den Kapitalmarkt abdecken. Oder auch nicht? Der Minister schrieb am 28. September, also erst vor kurzer Zeit, an den Verwaltungsrat der Bahn: Die Abdeckung der Verluste solle durch — ich zitiere jetzt wörtlich — „Verrechnung mit aus Investitionszuschüssen des Bundes zur Verstärkung der eigenen Mittel gebildeten Rücklagen" erfolgen. Mit einem solchen Eiertanz macht der Verkehrsminister aus Investitionsdefizit Investitionspropaganda, redet von moderner Bahn, Neubaustrecken und neuer Reisegeschwindigkeit, obwohl er ganz genau weiß, daß durch Fehlen der Investitionsmittel die Zahl der Langsamfahrstrecken bei der Bahn in der Zukunft zunehmen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei diesem Problem ist die eine Seite verkehrspolitischer Art; die andere Seite betrifft den Minister selber. Wir haben Herrn Hauff am Anfang dieses Jahres auf dieses Täuschungsmanöver hingewiesen. In seiner Antwort auf unsere Große Anfrage hat er das gleiche wiederholt. Dies ist kein Einzelfall. Am Freitag der letzten Sitzungswoche nahm der Minister zu der Frage Stellung, in welchem Zeitraum die Dringlichkeitsstufe I des Bedarfsplans für Bundesfernstraßen realisiert wird. Er sagte wörtlich:
Sie können doch nicht bestreiten, daß wir dort ein Projektvolumen definiert haben, daß eine Größenordnung von 63 Milliarden DM hat. Und in § 1 dieses Bedarfsplanes steht: Das wird in den nächsten zehn Jahren verwirklicht.
Herr Minister, das steht aber mitnichten in diesem Gesetz, und jeder Ihrer Beamten kann Sie darüber aufklären. Auf mehrfache Zwischenrufe sagte Herr Hauff dann an meine Adresse:
Lesen Sie den § 1, dann unterhalten wir uns weiter! Offensichtlich kennen Sie das Gesetz, das Sie mit verabschiedet haben, gar nicht.



Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

Herr Minister, an diesem Punkt kommen wir nicht mehr mit. Statt Gesetzesforschung zu betreiben, sind Sie lediglich forsch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sagte, dies seien keine Einzelfälle. Sie reden vorher von den bewährten Grundsätzen unserer Verkehrspolitik. Im SPD-Papier „Verkehr und Umwelt" stehen ganz andere Geschichten. Da heißt es, man müsse einen völlig neuen Anfang machen. Sie handeln nach der Maxime, daß sich die Länge des zukünftigen Autobahnnetzes nach Ihrem Gesprächspartner richtet.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Wir haben objektive Probleme in der Verkehrs-und in der Eisenbahnpolitik. Aber dieser Minister ist ebenfalls ein objektives Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Was juckt Sie denn so, daß Sie immer so zucken? — Heiterkeit)

— Und dabei, Herr Wehner, haben wir ja von den Hauffschen Einlassungen zum Doppelbeschluß der NATO noch gar nicht gesprochen. Wir bleiben heute bei der Verkehrspolitik.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat gejuckt!)

Meine Damen und Herren, was tut der Verkehrsminister, um den schwerwiegenden Auswirkungen des Strukturdefizits bei der Bahn entgegenzuwirken? Wir erkennen im Schienenpersonenfernverkehr die unternehmerischen Leistungen bei der Einführung des IC-Systems voll an. Hier ist ein Hoffnungsschimmer, daß man in einem wichtigen Leistungsbereich der Strukturkrise schrumpfender Märkte entgegenwirkt.
Aber wie sieht es in anderen Leistungsbereichen aus? Das Strukturdefizit der Bahn liegt in ganz besonderem Maße im Rückgang des Transportaufkommens im Massengutverkehr. Dieser Markt ist nicht nur in der Vergangenheit kleiner geworden, er wird in der Zukunft noch kleiner werden. Hier müssen wir versuchen, zusammen mit anderen Verkehrsträgern Transportgefäße zu schaffen und diese unabhängig von den jeweiligen Chassis zu entwikkeln. In diesen Fragen sind wir im Grunde genommen noch in der ersten Generation.
Wenn das gelingt, bekommt die Bahn im Güterverkehr Einsatzmöglichkeiten, die weit über die heutigen Formen des kombinierten Verkehrs hinaus auch hinsichtlich des Volumens Anlaß zu neuem Optimismus geben könnten. Die heutigen Technologien des kombinierten Verkehrs haben trotz aller Zuwachsraten, über die wir uns freuen, nur dazu geführt, daß sein Anteil an der Gesamttonnage etwas über 3 % beträgt.
Deshalb unsere Frage, Herr Minister Hauff: Was hat die Bundesregierung bisher getan, um solche technologischen Entwicklungen voranzutreiben? Hat das Investitionsdefizit die technologischen Möglichkeiten verschüttet? Oder geht es hier wie bei der Erforschung der Rad-Schiene-Technik, die die Bundesregierung trotz aller Sprüche über den Wert der Schiene schlicht eingestellt hat?
Die Bahn hat ihre Stärke im Güterverkehr in dem massenhaften Transport über lange Strecken. Aber die zweistelligen Steigerungsraten im grenzüberschreitenden Güterverkehr, die wir jahrelang hatten, sind allesamt an der Schiene vorbeigegangen. Der Verkaufsapparat im Ausland ist unzureichend. Europäische Eisenbahnpolitik gibt es praktisch nicht.
Weil das so ist und es anders werden muß, sind wir bereit, auf diesem Gebiet die Bundesregierung auf jede nur denkbare Art und Weise zu unterstützen. Das gilt auch dann, wenn sie darangeht, den Ausbau des grenzüberschreitenden europäischen Schienenverkehrs in die europäische Verkehrspolitik einzuführen und dort durchzusetzen. Aus unserer Sicht kommt es darauf an, viel mehr als bisher Verhandlungspakete in die europäische Verkehrspolitik einzubringen. Unsere europäischen Partner müssen wissen, daß wir nicht nur aus der Sicht der Verkehrswirtschaft und der Verkehrspolitik, sondern auch aus der Sicht der öffentlichen Finanzen ganz konkrete europäische Verkehrsinteressen haben.
Der Bundesverkehrsminister, meine Damen und Herren, will den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu einem Schwerpunkt seiner Politik machen. Was bedeutet dies aber für den öffentlichen Nahverkehr der Bahn? Nach wie vor ist die Bahn dabei, jährlich 350 bis 400 Millionen DM aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz in den Ausbau ihres Nahverkehrs zu investieren. Aber wir wissen, daß der Schienenpersonennahverkehr nur ungefähr ein Drittel seiner Kosten deckt.
Was geschieht aber, Herr Hauff, in der Zukunft mit den Folgekosten all dieser Investitionen, wenn die jährlichen Bundesmittel für die Bahn vom Finanzminister eingefroren werden? Sie haben vorhin über die gemeinwirtschaftlichen Auflagen gesprochen. Soll die Bahn etwa auch noch für alle neuen gemeinwirtschaftlichen Leistungen im öffentlichen Nahverkehr geradestehen, weil dem Bund das Geld ausgegangen ist? Wo ist also die Anwort hinsichtlich der zukünftigen Nahverkehrspolitik der Bahn und ihrer Finanzierung? Einfrieren der Bundeszuwendungen „undenkbare" Verschuldung der Bahn und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, diese drei Dinge gehen zusammen jedenfalls nicht.
Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen kosteten den Bund 1970 rund 2,6 Milliarden DM. Im letzten Jahr lag die Belastung des Haushalts bereits bei 8,8 Milliarden DM. Das sind pro Jahr über 6 Milliarden DM mehr, und die finanzielle Dynamik ist hier unbegrenzt. Demgegenüber lag das unternehmerische Defizit der Bahn 1980 um 2,5 Milliarden DM höher als 1970. Für die gemeinwirtschaftlichen Lasten der Bahn, die also wesentlich stärker als das Defizit gestiegen sind, trägt aber nicht das Bahnmanagement, sondern die Politik Verantwortung. Wenn der Verkehrsminister das in den Griff bekommen will, steht eines fest: Dann können auch seine Bahnmanager dabei nichts machen, und ein neues Gesetz nützt überhaupt nichts. Da ist dann Politik gefragt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich fasse zusammen. Die CDU/CSU fordert erstens, eine klare Abgrenzung der eigenverantwortli-



Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

chen Unternehmensbereiche und der Bereiche staatlicher Daseinsvorsorge herbeizuführen; zweitens die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Bahn und die daraus resultierenden finanziellen Abgeltungen des Bundes nach Funktion und Verursachung klar bestimmbar im Bundeshaushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung auszuweisen; drittens hinsichtlich des weiteren Engagements der Bahn im Schienenpersonennahverkehr und im öffentlichen Nahverkehr insgesamt sowie der Abgeltung der Folgekosten durch den Bund politisch verbindliche Entscheidungen zu treffen; viertens für die Investitionen der Bahn eine dem Fernstraßenbau entsprechende gesetzlich abzusichernde langfristige Investitionsplanung zu verwirklichen; fünftens eine schnelle Entscheidung der Bundesregierung, ob und inwieweit sie die jüngsten Vorschläge des Bundesministeriums der Finanzen zur weiteren innerbetrieblichen Rationalisierung übernimmt; sechstens einen deutschen Beitrag zur europäischen Verkehrspolitik mit dem Ziel, dem grenzüberschreitenden Schienenverkehr über lange Strecken entscheidende Impulse zu geben.
Das ist der Inhalt eines Entschließungsantrags der CDU/CSU zur heutigen dritten Lesung der Bundesbahngesetznovelle. Wir sind der Ansicht, daß das konkrete Ansätze für die Gestaltung einer zukunftsträchtigen Bundesbahn sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906702400
Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Haar.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0906702500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grunde waren wir ja alle ein wenig auf das gespannt, was Herr Kollege Jobst und Herr Dr. Schulte heute in kritischer Begleitung der Diskussionen aus dem Verkehrsausschuß hier vor allem auch konzeptionell, vortragen würden. Ich möchte es im Augenblick mit einer Feststellung bewenden lassen — ich komme während meiner Ausführungen auf einige Sachbeiträge zurück —: Herr Dr. Schulte, was Sie vorgetragen haben, war vom sachlichen Gehalt her keine ernstzunehmende kritische Bestandsaufnahme. Und konzeptionell gesehen sind Sie bei Positionen stehengeblieben, die vor zehn, fünfzehn Jahren galten; darauf will ich auch zurückkommen. Ich finde, abgesehen von Ihrer Kritik haben Sie insoweit keinen Beitrag mit Blick nach vorne geleistet.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Straßmeir [CDU/CSU]: Da haben Sie zum Schluß nicht mehr zugehört! — Dr. Jobst [CDU/ CSU]: Dann sind wir jetzt gespannt, was Sie bringen, Herr Haar!)

— Sie glänzen heute ohnehin durch viele Zwischenrufe, Herr Jobst. Ich weiß nicht, warum Sie so aufgeregt sind.
Die Rahmenbedingungen der Verkehrspolitik haben sich grundlegend verändert. Die Zeiten des billigen Öls sind endgültig vorbei. Ein 100 000-TonnenTanker pro Tag ist erforderlich, um den Rohölbedarf des Verkehrs zu decken. Fast die Hälfte der Ölrechnungen unseres Landes geht auf das Konto des Verkehrs.
Auch bei der Umweltbelastung stoßen wir an die Grenzen der Zulässigkeit. Die vermehrten Auseinandersetzungen um Großprojekte aller Verkehrsträger sind ein Hinweis, ein wichtiges Indiz dafür, daß die wachsende Auffassung in der Bevölkerung, es dürfe nicht so weitergehen, von uns allen ernst zu nehmen ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Gerade auf dem Verkehrssektor wird die große Wandlung deutlich, die sich im Bewußtsein der Menschen und unserer Gesellschaft vollzieht.
Angesichts dieser Entwicklung nimmt der Stellenwert des Schienenverkehrs wieder deutlich zu. Der schienengebundene Verkehr ist weithin erdölunabhängig. Er bewirkt kaum giftige Schadstoffe. Der Landschaftsverbrauch ist gering. Im Bereich der Verkehrssicherheit ist die Bundesbahn ihren Konkurrenten weit voraus. Die Schiene — das sagen ja die Sprecher aller Fraktionen — hat unbestreitbar Zukunftschancen. Ob diese Chancen vertan oder ergriffen werden, hängt einerseits von der Fähigkeit der Bahn ab, sich zu einem umfassenden, leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsunternehmen weiterzuentwickeln, und andererseits von den investitions-und den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. Das wird wohl auch niemand bestreiten, egal wie man bestimmte Entwicklungen einschätzt.
Licht und Schatten — auch darüber können wir uns sicher einigen — bestimmen das Bild der Deutschen Bundesbahn. Licht ist überall dort zu sehen, wo in den letzten Jahren — übrigens, Herr Kollege Dr. Schulte, dank erheblicher Investitionen, soweit es auch die letzten zehn Jahre anlangt — das Leistungsangebot der Schiene erheblich verbessert worden ist.
Ich erwähne z. B. den S-Bahn-Bereich — eine kleine Erinnerung an die Auseinandersetzungen Anfang der 70er Jahre. Da hat die Opposition nicht gerade freundlich auf die Positionen für die Entwicklung hin zum ÖPNV reagiert. Das ist erst im Laufe der 70er Jahre gekommen; es wurde aber nicht ganz vergessen. Die Zahl der Fahrgäste im S-Bahn-Bereich hat von rund 150 Millionen im Jahr 1970 auf heute rund 550 Millionen zugenommen. Durch jede neue S-Bahn-Strecke erhöht sich diese Zahl weiter. Vor zehn Jahren — kurz vor Aufnahme des S-Bahn-Betriebs in München — hatte man mit einem Verkehrsaufkommen von 250 000 Fahrgästen pro Werktag gerechnet. Inzwischen sind es bereits täglich 560 000, und der Trend geht weiter nach oben.
Im kombinierten Verkehr kann man Vergleichbares feststellen. Auch in diesem Bereich ist in den letzten zehn Jahren erheblich investiert worden. Die Bundesbahn hat Umschlagplätze gebaut, Kräne, Wagen, Container beschafft. Das Straßengüterverkehrsgewerbe hat erhebliche Summen in kranbare Sattelaufleger und Wechselkästen investiert. Die im kombinierten Verkehr mit der Bahn transportierte Gütermenge hat in einem Jahrzehnt von 2,8 Millionen Tonnen auf über elf Millionen Tonnen zugenom-



Haar
men. In folgender Beurteilung mögen wir uns einig sein. Hier handelt es sich insgesamt um 6,5% des heute noch im Straßenverkehr verbliebenen Teiles der Gütermenge. Daß das keine Relation ist, aber eine Hoffnung, auch künftig weiter voranzukommen, darauf können wir uns sicher verständigen.
Ähnlich ist es im Intercity-Verkehr. Seit der Einführung dieser schnellen und im Stundentakt verkehrenden Züge ist auf den Intercity-Strecken die Zahl der Reisenden um rund 20 % gestiegen. Das ist ein überzeugender Beweis dafür, daß es der Bahn nicht an Kunden fehlt, wenn sie ihr Angebot verbessert.
Sehr beachtlich sind die in den letzten Jahren realisierten Produktivitätsfortschritte. Im Personenverkehr ist die Arbeitsproduktivität, gemessen an der erbrachten Kilometerleistung je Beschäftigten, in den letzten fünf Jahren um 26 % gestiegen, im Güterverkehr um insgesamt 16 %. Den Damen und Herren, die so viel von betriebswirtschaftlichen Positionen oder Vergleichen mit der Wirtschaft reden, kann man sagen: hier sind Leistungen nachgewiesen, die auch deutlich machen, warum die Eisenbahner mit Recht erwarten, daß wir nicht nur von möglichen Vergleichen mit der Industrie reden, sondern auch ihre Leistungen anerkennen.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf aber ebenso die Schattenseiten erwähnen. Das Verkehrsangebot in der Fläche wird sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr immer schlechter. Strecken werden geschlossen, Bahnhöfe aufgelassen und Züge im Fahrplan gestrichen. Erst im Mai dieses Jahres wurden 3,5 % der täglich verkehrenden Züge aus dem Fahrplan gestrichen.
Im übrigen darf ich den Kollegen von der Opposition bei dieser Gelegenheit sagen: Alle Antworten, die wir von den Ministerpräsidenten der CDU- und CSU-regierten Länder auf die Anfrage bekommen haben, ob sie denn bereit seien, außer ihrem Nein zu den vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn da und dort eingeleiteten Maßnahmen auch etwas zu tun, waren äußerst interessant, denn sie waren alles in allem völlig negativ. Ich sage Ihnen, wenn wir zu einer Versachlichung der Diskussion in diesem weiten Bereich kommen wollen, ob wir bestimmte strukturelle Leistungen im schienengebundenen Nahverkehr erhalten, dann kann es nicht dabei bleiben, daß die Liebe der Länder zur Bundesbahn ausschließlich mit einem Ja zum Verbleiben der Verkehrsleistung, aber mit einem Nein, wenn es um D-Mark geht, behaftet ist. Das ist das Problem, vor dem wir stehen.
Trotz unbestreitbarer Erfolge der Bahn

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Sie haben die Steuereinnahmen!)

— das können Sie in der Bahnpolitik wohl nicht sagen — in Teilbereichen ist ihr Anteil im Güterfernverkehr an der Gesamtleistung aller Verkehrsträger in den letzten zehn Jahren von 40 auf 30 % zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum sank der Verkehrsanteil der Bahn im Personenverkehr von 8,4 auf 6,5%.
Von 1950 bis heute ist der Personalstand — wenn Sie das Saarland in den Vergleich einbeziehen — um fast 200 000 Eisenbahner zurückgegangen. Der Abbau des Personals um nahezu 90 000 Dienstkräfte seit 1974 ist nicht nur das Ergebnis von Rationalisierungsinvestitionen, sondern auch eines immer stärkeren Leistungsdrucks. Insbesondere im Betriebs-und Verkehrsdienst, wo der Schicht- und Wechseldienst fast die Regel ist, wird der zunehmende Verschleiß der Mitarbeiter unübersehbar. Es gibt einen hohen Krankenstand. Wenn da noch im Bundestag Anfragen mit dem negativen Unterton einlaufen: „Was ist da alles los?", frage ich mich, was bestimmte Leute denken, wenn derartige Dinge breitgetreten werden.
Ich kann hier nur folgendes festhalten, und ich glaube, da müssen wir uns alle ein Stück verantwortlich fühlen: Neun von zehn Eisenbahnern scheiden aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem aktiven Dienst aus. Die Grenzen der Belastbarkeit der 350 000 bei der Bahn aktiv beschäftigten Frauen und Männer sind erreicht. Die Überstundenleistungen der Eisenbahner haben sich zu über 700 000 Tagen bis Mitte dieses Jahres aufsummiert. Ich glaube, wenn man Bilanz in der Bahnpolitik macht, muß man die Personalsituation ein ganz klein wenig in die Betrachtung einschließen. Der Rückstand an Urlaubstagen betrug zum gleichen Zeitpunkt 1,3 Millionen. Der für 1981 festgelegte Rahmen für Personaleinstellungen wird durch viel zu geringe Einstellungsgenehmigungen für die einzelnen Bundesbahndirektionen unterlaufen. Durch diese Politik des leeren Stuhls werden zusätzliche Mängel im Kundenservice der Bahn eigenproduziert.
Meine Damen und Herren, bei 160 000 Arbeitern, Angestellten und Beamten ist nahezu jeder zweite Eisenbahner von Nachtschicht und Wechseldienst betroffen. Nacht- und Wechseldienstzuschläge können nur einige materielle Nachteile ausgleichen, sind aber nicht geeignet, die gesundheitlichen, familiären und sozialen Belastungen zu mildern, die durch diese unregelmäßigen Arbeitszeiten entstehen. Das kann nur durch entsprechenden Freizeitausgleich geschehen, der natürlich auch eine entsprechende Personalpolitik erfordert.
Damit sind wir bei der Finanzpolitik. Die finanzielle Lage der Bahn hat sich bedrohlich verschlechtert. Die Gesamtverschuldung liegt zur Zeit bei 33 Milliarden DM und wird, wenn sich an den Rahmenbedingungen bis 1985 nichts wesentlich ändert, auf über 50 Milliarden DM anwachsen. Die Zinslasten, die bereits jetzt fast die Hälfte der eigenen Erträge der Bahn im Personenverkehr wieder aufzehren, werden dann geradezu untragbar. Auch wir sagen: So kann das nicht weitergehen! Darin sind sich alle einig.
Bevor jedoch vorschnell Patentlösungen oder längst abgegriffene Vokabeln aus dem Hut gezaubert werden, die zum Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben führen können, sollten erst vorurteilsfrei die Gründe hierfür analysiert werden. An erster Stelle stehen die hohen ungedeckten Kosten des Schienen-Personennahverkehrs. Trotz der überproportionalen Tarifanhebung der letzten Zeit und



Haar
der beachtlichen Ausgleichsleistung des Bundes bleiben seit Jahren rund 15 % der Kosten des SBahn-Verkehrs und rund 25 % der Kosten des Schienen-Personennahverkehrs in der Fläche für die Bahn ungedeckt. Zur Zeit sind das, meine Damen und Herren, 1,5 Milliarden DM pro Jahr. Der Nahverkehr ist damit der wichtigste Einzelposten des Jahresfehlbetrages der Bahn. Die Bahn muß zur Deckung dieses Defizits neue Kredite aufnehmen. Ein erheblicher Teil der wachsenden roten Zahlen ist damit die direkte Folge der unausgeglichenen Defizite des Nahverkehrs der vergangenen Jahre. Das heißt, die Hälfte des Defizits der Bahn ist das Ergebnis der fehlenden Kostenerstattung im Nahverkehr. Deswegen beraten wir sehr wohl und sachlich auch über Teile Ihrer Überlegungen in Ihrer Vorlage.
Ich möchte dem Herrn Bundesverkehrsminister danken, daß er das Thema „Versorgungslasten" hier mit solcher Klarheit, auch in Vergleich, vor diesem Hohen Hause angesprochen hat. Den rund 180 000 aktiven Beamten der Bahn stehen als Folge der drastischen Personalverringerung rund 260 000 Versorgungsempfänger gegenüber. 1980 leistete die Bahn Pensionszahlungen von knapp 6 Milliarden DM. Kein Unternehmen der Wirtschaft ist mit solch hohen Versorgungsaufwendungen belastet. In jedem anderen Wirtschaftsbereich werden solche Aufwendungen von der Solidargemeinschaft aller Erwerbstätigen aufgebracht. Nur bei Bahn und Post ist das anders. Meine Damen und Herren, ich denke, wir alle sind uns darin einig: Die Eisenbahner wehren sich mit Recht dagegen, daß die durch diese besondere Struktur entstehenden Belastungen ihnen als Unwirtschaftlichkeit angekreidet werden.
Wenn die Verschuldung, die ihre Ursache in den ungedeckten Kosten des Wiederaufbaus und den aufgelaufenen Defiziten der letzten Jahrzehnte hat, weiter wie zur Zeit ansteigt, dann ist das finanzielle Chaos bei der Bahn ganz zweifellos vorprogrammiert. Kostendeckende Tarife kann die Bahn angesichts Zinszahlungen in Höhe von heute 2,7 Milliarden DM und möglicherweise rund 5 Milliarden DM bis 1984/85 bei ihren Kunden nicht durchsetzen. Sie würde sich sonst zunehmend aus dem Markt heraus-manövrieren.
Seit Jahren bekannt und weiterhin ungelöst sind die Wettbewerbsverzerrungen im Güterverkehr. Noch immer ist die Binnenschiffahrt auf dem Rhein von allen Abgaben befreit. Auch auf den abgabepflichtigen Kanälen und Flüssen decken die Einnahmen kaum die laufenden Kosten. Eine volle Dekkung der Wegekosten der Binnenschiffahrt brächte dem Bund Mehreinnahmen in Höhe von rund 1 Milliarde DM. Gleichzeitig könnte die Bundesbahn ihre Tarife wettbewerbsneutral erhöhen. Ich bin gespannt, wie wir im Dialog um diese Fragen weiterkommen können. Wollen wir weiterhin tatenlos zusehen, wie z. B. die Werkverkehr treibenden Unternehmen ihre eigenen Schiffe und Lastkraftwagen unabhängig von Konjunkturschwankungen kontinuierlich auslasten, während der Bundesbahn eine sogenannte Rotes-Kreuz-Funktion in Zeiten des Hochbedarfs zufällt? Es braucht, meine Damen und
Herren, das ist doch nicht neu, nur eine Frostperiode von vier Wochen zu kommen, in der die Flüsse und Kanäle nicht befahrbar sind und in der auch der Straßengüterverkehr zumindest eingeengt und gehemmt ist, dann ist und bleibt der einzige intakte Verkehrsträger die Eisenbahn. Wenn sie aber nicht fahrbereit ist mit einer Kapazität, die dann überall erwartet wird, dann bricht einiges an Vorstellungen zusammen, und die Kritik wird dann an der Bundesbahn laut. Deshalb muß es gelingen, das ohnehin geschrumpfte Schienennetz zu erhalten und die Bahn in dem bereits reduzierten Zustand wirtschaftlich auf eigene Füße zu bringen oder die wachsenden finanziellen Lasten abzugelten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dem Minister müssen Sie das sagen!)

— Nein! Im Parlament reden die Parlamentarier. Und wir versuchen heute in der Aussprache, zu bestimmten Linien zu gelangen.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Das ist die falsche Adresse hier!)

— Der Bundesverkehrsminister kennt unsere Vorstellungen auch.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Wenn er danach handelte, wäre es besser!)

Bei Ihnen ist bisher im Grunde alles darauf hinausgelaufen, alles, was gewesen ist, zu kritisieren. Ich habe nur noch keinen konkreten, konstruktiven Vorschlag in der Bahnpolitik von Ihnen gehört.

(Beifall bei der SPD — Pfeffermann [CDU/ CSU]: Was haben Sie denn seither davon gehabt, daß der Minister Ihre Vorstellungen kennt?)

— Daß Sie so aufgeregt sind, macht mir Mut, weiterzumachen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Alte Schallplatte! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Solange diese politisch und historisch bedingten Gründe unverändert bleiben, werden alle Eigenanstrengungen der Deutschen Bundesbahn zur Kostensenkung und zur Verbesserung des Angebots an der bedrohlichen finanziellen Lage der Bahn nichts Wesentliches verändern.
Nun zur Situation heute. Wir wollen einmal sehen, ob Sie jetzt auch noch sagen: nur an eine Adresse. — Sie müssen schließlich auch einmal Antworten geben. Der ordnungspolitische Rahmen ist falsch konzipiert. Gleiche Startbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sind nicht gegeben. Die Bahn erhält keinen vollen Ausgleich für die ihr politisch auferlegten Pflichten. Die in der Vergangenheit entstandenen Belastungen sind nicht abgenommen worden. Die Konkurrenten der Bahn werden weiter subventioniert. Meine Damen und Herren, wenn wir — dies richtet sich doch an alle, wenn wir eine Bestandsaufnahme vornehmen — daran nichts ändern, sondern nur reden oder durch Zwischenrufe glänzen wollen, führt die bestehende Wettbewerbs-



Haar
ordnung immer weiter in die Sackgasse. Das müßte jeder von uns erkennen.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Wer trägt denn die Regierungsverantwortung?)

— Nicht so laut, Dr. Jobst!

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Sie waren doch Parlamentarischer Staatssekretär!)

— so billig würde ich es mir an Ihrer Stelle nicht noch ein paarmal machen.

(Beifall bei der SPD)

Sonst kann ich Ihnen auch nicht mehr ruhig zuhören.
Erst vor kurzem sind ein paar alte Ladenhüter der Bundesbahndebatte wieder aus der Schublade hervorgeholt worden. Eine Politik, die auf den Ausverkauf der Bahn und die Einschränkung der öffentlichen Dienstleistungen durch die Aufgabe von Leistungsbereichen und massive Streckenstillegungen zielt, ist kurzsichtig und auch sozial unausgewogen. Sie zielt gegen die Arbeitnehmer und die ärmeren Bevölkerungsschichten, die auf preiswerte öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind. Übersehen wir bei solchen Vorschlägen, daß die Bahn einen Kostenvergleich mit der Industrie nicht zu scheuen braucht. Angesichts der Führungsschwäche des gegenwärtigen Vorstands der Bahn, dem es nur ungenügend gelungen ist, Lerrlauf zu verhindern und das Leistungsangebot in allen Bereichen wirksam zu verbessern, wird einer unsinnigen Privatisierung das Wort geredet.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Er meint jetzt Herrn Riemer!)

— Ich bin sehr dankbar, daß sich die Kollegen von der CDU/CSU bei einem Gespräch, das wir auf anderer Ebene mit ihnen geführt haben, von den Daueräußerungen einer Kollegin aus ihren Reihen aus dem Landesbereich zunächst einmal distanziert haben. Ich will das ausdrücklich festgehalten wissen. Trotzdem ändert das nichts an der fortwährenden weiteren Diskussion über solche Fragen.

(Straßmeir [CDU/CSU]: Wer ist denn nun schuld, der Vorstand oder die Politiker?)

— Sie haben heute auch eine Fieberkurve, kann ich dazu nur sagen.

(Heiterkeit)

Bei allen Untersuchungen in der Vergangenheit hat sich herausgestellt, daß infolge der gemeinsamen Nutzung der Produktionsanlagen der Bahn durch Schienen-Personennahverkehr, Personenfernverkehr, Wagenladungsverkehr und Stückgutverkehr die Aufgabe eines Produktionszweiges automatisch die Kosten der verbleibenden Verkehre erhöht. Die mehrfach propagierte Einstellung des Stückgut- und Expreßgutverkehrs oder die Reduzierung der Eigenleistungen führen weder zu einer finanziellen Entlastung noch werden die Probleme der Bahn dadurch gelöst.
Die Bahn braucht eine mit Konsequenz betriebene Politik wirksamer Schritte. Ob es nun kleine oder mittelfristig geplante Schritte sind — wir brauchen solche Schritte. Deshalb sollten wir uns in der Sache zunächst einmal aufeinander zubewegen.

(Zustimmung bei der SPD und der FDP)

Die Zielrichtung dabei muß sein, die Ertragskraft der Deutschen Bundesbahn zu verbessern, die Flexibilität des Unternehmens zu steigern und die politischen Lasten klarer abzugrenzen. Grundlegende verkehrs- und ordnungspolitische Veränderungen sind auch bei dieser Diskussion und in dieser Richtung unumgänglich. Die Einnahmesituation der Bahn, insbesondere im Güterverkehr, muß verbessert, die Kostenunterdeckung im Nahverkehr muß beseitigt und die Bahn muß von der Last der ansteigenden Zinsen befreit werden. Wir stimmen dem Bundesverkehrsminister voll zu, wenn er bürokratische Verkrustungen beseitigen, Verantwortungen nach draußen verlagert sehen will, die Verkürzung der Transportzeiten durch Aus- und Neubau im Schienennetz erreichen und weiteren Flankenschutz für die Deutsche Bundesbahn geben will.
Notwendige Schritte im ordnungspolitischen Bereich sollten jedoch in aller Offenheit und ohne bösartige Unterstellungen erörtert und nicht länger vertagt werden. Die wichtigsten Elemente dabei sind die folgenden.
Zunächst ein paar Worte zur Eindämmung des Werkfernverkehrs. Die Verkehrsleistung im Werkfernverkehr hat sich im abgelaufenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Energie- und umweltpolitisch extrem ungünstig sind dabei die Transporte über große Entfernungen. Die Verkehrspolitik muß endlich den Mut aufbringen, den Werkfernverkehr wirksam einzudämmen. Von 100 Millionen t Güteraufkommen im Werkfernverkehr könnte z. B. bei einer maßvollen Entfernungsbegrenzung auf jeden zehnten Transport verzichtet werden, und die Fahrleistung könnte dadurch um 4 bis 5 Millionen Tonnenkilometer im Jahr reduziert werden. Dabei kann man über alle praktischen Dinge revierferner Bereiche oder zonenrandnaher Bereiche reden, um zu praktischen Regelungen zu kommen, damit wir nicht ewig nur bei Überschriften und Forderungen bleiben.
Zweiter Punkt: Verlagerung extrem langer Straßentransporte auf die Bahn. Die verkehrswirtschaftlichen und energiepolitischen Vorteile der Bahn sind bei Transporten über sehr große Entfernungen besonders ausgeprägt. Die guten Erfolge des kombinierten Verkehrs Schiene/Straße, dessen durchschnittliche Versandweite bei rund 500 km liegt, unterstreichen das alles. Es wäre doch verkehrspolitisch nur logisch, im Straßengüterverkehr ein Verbot für Transporte über mehr als 700 km Entfernung einzuführen.

(Zuruf von der FDP: Ideologie! — Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/CSU]: Ist das freie Marktwirtschaft?)

— Jetzt werden noch ein paar andere aufgeregt. Jawohl! — Von den 125 Millionen t Güteraufkommen im gewerblichen Straßengüterfernverkehr wären das lediglich 3 Millionen t, d. h. 2,4 %. Ich habe das schon im Verkehrsausschuß vorgetragen und bedanke mich dafür, daß bis heute von keiner Fraktion



Haar
eine öffentliche negative Position bezogen worden ist. Das Verkehrsaufkommen im gewerblichen Fernverkehr würde hierdurch um 6,7 % oder um rund 2,4 Milliarden Tonnenkilometer reduziert. Keiner der Unternehmer des gewerblichen Straßengüterfernverkehrs würde hierdurch in seiner Existenz bedroht. Um was geht es denn eigentlich? Wenn die Bahn bislang in 20, 30 Jahren nur Rotes-Kreuz-Funktionen wahrgenommen hat und dafür auch politische Lasten und gemeinwirtschaftliche Aufgaben erfüllt, dann müssen wir ihr doch auf Dauer die Bedingungen schaffen, wenn Sie es nicht laufend aus der Umverteilung über Steuern tun wollen, auch zu einem Anteil im Güterverkehr zu kommen, der niemanden an den Ruin bringen kann; denn das sind Anteile, über die ernsthaft geredet werden kann. Fragen Sie doch die Millionen Kraftfahrer auf unseren Bundesfernstraßen, ob sie nicht Entlastung der Straßen, mehr Verkehrsfluß, mehr Verkehrssicherheit und damit auch ein Stückchen mehr Entlastung für den Steuerzahler bejahen würden. Ich meine, der Grundgedanke könnte vertieft werden.
Der damalige Bundesverkehrsminister Leber — ich erinnere Sie an die Zeit der Großen Koalition, meine Damen und Herren — hat 1968 — Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren —

(Heiterkeit) folgendes formuliert:

Indien leidet darunter, daß es heilige Kühe hat. Ganz Indien hungert. Ich habe das Gefühl, Deutschlands heilige Kühe sind seine Lastwagen auf unseren Fernstraßen. Wenn wir nicht den Mut haben, da anzupacken, werden wir eine Rechnung zahlen, die viel schlimmer ist als das, was wir im Augenblick noch zu überschauen vermögen. Wir müssen aber den Mut haben, einzugreifen und die Dinge von der Straße zu verbannen, die nicht nötig sind.

(Beifall bei der SPD — Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/CSU]: Beifall bei Herrn Duve!)

Ich sehe nicht ein, daß Langholz, das wir in Österreich oder in der Tschechoslowakei kaufen, auf der Eisenbahn bis zur deutschen Grenze kommt, und dann am ersten deutschen Grenzbahnhof auf Lastwagen umgeladen und auf unseren Straßen nach Oldenburg und Schleswig-Holstein gefahren wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe nicht ein, daß wir täglich viele Lastzüge fahren lassen müssen mit Kies und vielen anderen Gütern mehr, mit allen Unfallgefahren, die daraus entstehen. Darüber wird zu sprechen sein.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Ist das noch Zitat?)

— Immer noch Zitat von Herrn Leber.
Wenn jemand da ist, der eine Maßnahme vorschlägt, die eine ebenso sichere Wirkung hat, bin ich bereit, auf diese Verbotsliste
— das stand damals zur Diskussion —
zu verzichten. Nur ersatzlos wird auf keine Maßnahme in diesem Programm verzichtet werden können. Wenn wir das tun, fällen wir auch eine politische Entscheidung, nämlich dann müssen wir die Rechnung bezahlen für das, was wir an politischem Mut nicht aufbringen, und die kostet Geld in Mark und Pfennig.
Die Milliarden-Beträge, über die Sie alle heute mit uns heulen, die die Bundesbahn braucht, sind die „Mark und Pfennig" aus den Versäumnissen, auch aus der Zeit der Großen Koalition. Machen wir uns doch nichts vor!

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Wie lange stellt ihr eigentlich schon den Verkehrsminister, Herr Haar? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Natürlich ist das so. Es gilt hier nicht, Schuld zu verteilen. Nein, meine Damen und Herren, wenn wir schon zur Bestandsaufnahme kommen, dann, denke ich, wäre es angemessen, einander zuzuhören.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Und die Wahrheit zu sagen!)

Es geht um Dinge, bei denen es eine gemeinsame Verantwortung für die kommenden Jahre gibt.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906702600
Herr Kollege Haar, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die von Ihrer Fraktion für Sie gemeldete Redezeit überschritten ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das Zitat war zu lang!)


Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0906702700
Danke schön. — Ich komme zum Schluß. Keine Aufstockung der Genehmigungen im gewerblichen Straßengüterverkehr! Das ist eine Bitte, die ich hier deutlich machen will. Eine weitere Bitte gilt der Kündigung des Straßburger Gasölabkommens, das bei einjähriger Kündigungsfrist einige Dinge einleiten läßt, die dem Finanzminister Geld bringen und andererseits der Bahn die Chance geben, am Markt auch einiges zu ihren Gunsten zu tun.
Wir sind gespannt auf das vom Bundesverkehrsminister angeforderte Konzept der Bahn über alternative Möglichkeiten der Bedienung des ÖPNV durch die Bahn in der Fläche.

(Zuruf von der CDU/CSU: Welche Nummer kriegt das Rezept?)

Nach Auffassung unserer Fraktion sollte alles getan werden, um Chancengleichheit zwischen industriellen Ballungsräumen und der Fläche in der Verkehrsbedienung herzustellen und aus den Erfahrungen der bisherigen Modelle auch Nutzen zu ziehen.
Mit der heutigen Bestandsaufnahme über Probleme und Lösungsmöglichkeiten für die Bahn der Zukunft möchte ich auch für die SPD-Fraktion den Dank an alle Frauen und Männer am Schienenstrang und an die vielen älteren Eisenbahner, die ein Leben für ihre Bahn gewirkt haben, verbinden. Wir alle wissen um die Bedeutung des größten Verkehrsträgers der Bundesrepublik als Kern- und Ansatz-



Haar
punkt für eine sinnvolle Ordnung im Verkehr. Unser Land — vielleicht können wir uns wenigstens darin einig sein — braucht eine moderne, gesunde und jederzeit dienstbereite Bundesbahn. Die SPD-Bundestagsfraktion wird alle Bemühungen unterstützen, die Bundesbahn nach außen und nach innen zu stärken. — Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906702800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fischer (Hamburg).

Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID0906702900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man dem Kollegen Haar eben zugehört hat, hat man den Eindruck gehabt, einem Redner folgen zu müssen, der sich mal den Ärger aus langen, langen Jahren der Opposition von der Seele redet und der sich mal so richtig ärgerlich darüber äußern möchte, daß hier notwendige Schritte nicht eingeleitet worden sind. Nur, ich glaube, Sie übersehen dabei, daß Ihre Fraktion seit 1966 den Bundesverkehrsminister stellt. Sie übersehen dabei vielleicht auch, daß Sie persönlich eine doch recht lange Zeit als Staatssekretär an verantwortlicher Stelle der Bundesregierung mitgewirkt haben. Insoweit kann ich das, was Sie, Herr Haar, hier geäußert haben, nur als ein Schuldeingeständnis für Versäumnisse werten, die nach nunmehr 15 Jahren beklagt werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist uns als Opposition natürlich auch nicht entgangen, daß die Frage, die Herr Dr. Jobst heute morgen an den Bundesverkehrsminister gestellt hat, von ihm anders als von Ihnen, Herr Haar, eben beantwortet worden ist. Hier ist klar gefragt worden: Hat nach Ihrer Auffassung das Management der Deutschen Bundesbahn versagt? Daraufhin der Bundesverkehrsminister: Nein, man kann diesem Management nicht die Fehler und Versäumnisse der Politik anlasten. — Sie haben eben, aber auch schon am 21. Februar 1981 in einem Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung", das ich vorliegen habe, auf die Frage „Hat das Management der Deutschen Bundesbahn versagt?" geäußert: „Ja, aber Lippenbekenntnisse aus der Politik helfen nicht weiter, jetzt müssen Entscheidungen fallen." Das heißt, Sie haben diese Frage völlig anders beurteilt als Ihr zuständiger Minister. Ich möchte doch empfehlen, daß sich die SPD-Fraktion einmal auf einer Klausurtagung mit der Frage befaßt, wer nun eigentlich die Verantwortung zu tragen hat und der Schuldige ist; hier sind doch erhebliche Bewertungsunterschiede festzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Dr. Jobst hat für meine Fraktion heute bereits dargelegt, welche Entwicklung und Perspektiven für uns Anlaß für die Große Anfrage, die wir an die Bundesregierung gerichtet haben, gewesen sind. Ich möchte nunmehr auf einige Antworten der Bundesregierung eingehen, möchte diese analysieren und politisch bewerten.
Ich komme aber nicht daran vorbei, am Anfang doch zu Form, Stil und Inhalt der Beantwortung un-
serer Großen Anfrage festzustellen, daß man, wenn man diese Antworten liest, den Eindruck gewinnen muß, die Bundesregierung empfinde die legitimen Fragen der Opposition eher als eine Art Majestätsbeleidigung. Dieser Unwille zu antworten, sich auch Mühe zu geben, sachlich umfassend zu informieren, wird an allen Ecken und Kanten der Antwort sichtbar, so daß ich insgesamt doch sagen muß: Es ist eine miese Antwort, die uns die Bundesregierung hier auf den Tisch gelegt hat.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Dr. Schulte [Schwäbisch Gemünd] [CDU/CSU]: Das hat auch die GdED so gesehen!)

— Ich hoffe, daß auch die zuständige Gewerkschaft dies so gesehen hat, aber wir vermissen leider Gottes aus dieser Richtung bisher eindeutige und klare Stellungnahmen dazu.
Meine Damen und Herren, diese Art der Bewertung unserer Großen Anfrage steht völlig im Gegensatz zu dem Informationsangebot, das der Bundesverkehrsminister mit seiner Sonderinformation an die SPD-Fraktion vom 10. August 1981 geliefert hat. Ich glaube, daß das politische Selbstverständnis des Bundesverkehrsministers so ist: Die Fraktion, die mich trägt, wird umfassend, großzügig informiert, alle anderen möchte ich lieber künstlich uninformiert halten; denn es könnte für mich schädlich sein, wenn dort zuviel Sachwissen vorhanden ist.

(Dr. Riemer [FDP]: Nennen Sie doch mal ein Beispiel!)

Meine Damen und Herren, an „liebe Genossinnen und Genossen" wird eben vom Bundesverkehrsminister ein anderes Informationsangebot geliefert als an uns, übrigens auch als an den Koalitionspartner, die FDP, also das Parlament insgesamt; denn, Herr Dr. Riemer, diese Sonderinformation mit Anlagen, die die SPD-Fraktion bekommen hat, ist mit Sicherheit in Ihrer Fraktion nicht verbreitet worden.
Auf der einen Seite Großzügigkeit, auf der anderen Seite Unwille, Unmut, Oberflächlichkeit in den Antworten auf unsere Große Anfrage — dies muß hier erwähnt werden —, das kann das Parlament sich nicht bieten lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Vorwort zur Beantwortung unserer Großen Anfrage, gleichsam das Hohelied bundesbahnpolitischer Regierungskunst, soll offenbar das ausgleichen, was der Herr Minister hinterher bei den konkreten Antworten uns zuwenig gesagt hat. Aber wie jämmerlich wenig das ist, wird insbesondere in den Antworten zu den beiden letzten Fragen deutlich.
Die eine Frage geht dahin, was die Bundesregierung tun wird, um den wachsenden Verlusten und der zunehmenden Verschuldung der Deutschen Bundesbahn entgegenzuwirken. Die Antwort lautet, das sei die Aufgabe der Bahnführung, schließlich mache die Bundesregierung mit der Bahnnovelle die Führung der Deutschen Bundesbahn gerade effizienter.
Ich meine, der letzte Punkt muß sich erst noch erweisen; Skepsis ist schon angebracht. Er ist in der Sache aber auch falsch; denn es ist doch ganz klar,



Fischer (Hamburg)

daß mit dieser Gesetzesnovelle Vorstand und Leitungsebene Vollzugsorgan der Politik dieser Bundesregierung bleiben und nach wie vor keinen Spielraum für eigenverantwortliches Handeln erhalten. Wir haben das in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Ich habe die Befürchtung oder, um es positiv auszudrücken, ich möchte nicht hoffen, daß Ihnen widerfährt, daß Sie im Grunde genommen nach dieser Novelle weiterhin die gleichen Probleme haben, die Sie vorher gehabt haben, nur mit der Konsequenz, daß die ganze Sache uns alle 1,6 Millionen DM mehr im Jahr kostet; die gleiche Sache, nur um diesen Betrag verteuert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Haushaltsausschuß war schon sehr diplomatisch in seiner Stellungnahme, die uns heute auf den Tisch gelegt worden ist und in der er formulierte: Deckung ist im Betriebshaushalt der Deutschen Bundesbahn vorhanden. — Dies ist angesichts des hohen Defizits der Bundesbahn natürlich eine äußerst diplomatische Formulierung der Kollegen im Haushaltsausschuß.
Meine Damen und Herren, abgesehen davon müssen wir Sie fragen: Glauben Sie allen Ernstes, daß die Bahn heute noch in der Lage ist, sich gleichsam an den eigenen Haaren aus den Schwierigkeiten einer kumulierten Gesamtverschuldung von rund 35 Milliarden DM und — trotz aller Bundeszuschüsse — eines jährlichen Verlustes von rund 5 Milliarden DM herauszuziehen? Ich glaube, wenn der Mann, den Sie jetzt zum Chef der Deutschen Bundesbahn machen wollen, in der Lage ist, dies ohne die notwendigen Rahmenentscheidungen des Bundes zu schaffen, dann gehört er nicht auf den Stuhl des Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, dann gehört er auf den Stuhl des Bundesfinanzministers.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Dies ist nach meiner Auffassung eine Aufgabe, die vom Bahnvorstand in eigener Verantwortung überhaupt nicht geleistet werden kann. Insoweit ist die Antwort doch schon eine Zumutung für dieses Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben sich in Ihrer Gesetzesnovelle ausdrücklich vorbehalten, daß die Bundesregierung den Bahnvorstand in der Zukunft jederzeit, und zwar ohne Angabe wichtiger Gründe — dies ist ein Unterschied z. B. zum Aktiengesetz und den Usancen in der freien Wirtschaft —, feuern kann. Sie glauben offenbar, daß Sie durch das Mixtum compositum von Zuckerbrot der besseren Gehälter und der Peitsche des jederzeitigen Rausschmisses den Vorstand so antreiben können, daß er Ihnen in Zukunft alle Probleme vom Halse hält.
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß Sie glauben, Sie müßten sich auf diese Art und Weise in der Zukunft nicht die Finger verbrennen, Sie könnten sich an den Dingen vorbeimogeln. Aber ich haben auch den Eindruck, daß hier eher der Vergleich gilt, den man im Zusammenhang mit Trainern von Klubs der Fußballbundesliga gebraucht, daß sie auf Schleudersitzen säßen. Wenn aber das, was Sie in Ihrer Antwort zum Ausdruck bringen, Ihre Erwartung ist, dann kann ich nur sagen, daß die Bundesliga-Trainer in der Zukunft in den Damen und Herren des neuen Bahnmanagements offenbar noch bedauernswertere Leidensgenossen erhalten sollen. Das heißt, daß Sie immer dann, wenn die Dinge nicht so vorangehen, den Beelzebub haben, auf den man kräftig dreinschlagen kann, auf den man Verantwortung abschieben kann, um auf die Art und Weise zu versuchen, über die Runden zu kommen. Meine Damen und Herren, so leicht können Sie sich die Dinge nicht machen. Sie müssen über kurz oder lang Farbe bekennen, Sie müssen sagen, welche konkreten Beiträge Sie leisten wollen, um die wachsende Verschuldung und die steigenden Verluste der Bahn zu mindern, ihnen entgegenwirken zu können.
Ich glaube, Sie können es nicht vertreten, noch weitere Jahre tatenlos verstreichen zu lassen. Ich knüpfe hier an die Kritik an, die der Kollege Haar geübt hat; ich kann sie mir vollinhaltlich zu eigen machen. Das sind mahnende, ernstzunehmende Worte aus Ihren eigenen Reihen, die an Sie appellieren, endlich zu handeln und uns die notwendigen Vorgaben auf den Tisch zu legen. Das, was Sie hier heute genauso wie auch im Verkehrsausschuß wieder offeriert haben, ist nach meiner Auffassung bei der klaren Rollenzuweisung an Regierung und Opposition nicht erträglich. Sie sagen: Opposition, liefere mir die Vorschläge; wir gehen dann in eine öffentliche Diskussion und werden beide gemeinsam zum Wohle der Deutschen Bundesbahn handeln. — Sie haben den Handlungsauftrag. Wir verlangen Ihre Vorlagen, Ihre Initiativen, und dann wird sich der Ausschuß damit befassen. Daran mangelt es zur Zeit noch.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen Sie dringend ermahnen, diese Vorgaben auf den Tisch zu legen, um die auch aus Ihren eigenen Reihen prophezeite Kahlschlagsanierung zu vermeiden. Der vage Hinweis auf die Investitionen als die große Hilfe der Bundesregierung ist eher peinlich. Herr Kollege Dr. Schulte hat von dem hohen Investitionsdefizit gesprochen, und wir wissen, daß Hilfe für die Deutsche Bundesbahn nach den bereits durchgeführten Rationalisierungen nur erwartet werden kann, wenn die großen Investitionsmaßnahmen endlich in Gang gesetzt werden, die seit langer Zeit auf sich warten lassen. Ich glaube, der fundamentale Fehler Ihrer Politik ist gerade, daß Sie hinnehmen und bewirken, daß die realen Investitionsmöglichkeiten der Bahn weiter absinken.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß der vage Hinweis auf den verkehrspolitischen Ordnungsrahmen als Beitrag des Bundesverkehrsministers zur Konsolidierung der Bahn nur ein völlig gespaltenes Bewußtsein des Bundesverkehrsministers offenlegt. Denn in der Beantwortung unserer Großen Anfrage sagen Sie, der ordnungspolitische Gesamtrahmen habe sich bewährt. Als Vorsitzender der SPD-Vorstandskommission Umwelt und Ökologie fordern Sie im Thesenpapier zur Verkehrspolitik



Fischer (Hamburg)

einen zusätzlichen ordnungspolitischen Flankenschutz für die Bahn. Ich meine, daß dies wieder einmal ein Beispiel dafür ist, daß man mal so und mal so redet, für jeden Saal eine andere Rede bereit hält, je nachdem, welche Gesprächspartner, welches Podium man vorfindet.
Die Antwort auf unsere letzte Anfrage offenbart noch mehr Konzeptionslosigkeit. Nach den konkreten politischen Zielen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Bahn für diese 9. Legislaturperiode befragt, lautet die ganze Antwort: Die Finanzplanung eines jeden Jahres sieht 13,5 Milliarden DM für die Bahn vor. Dies ist noch nicht einmal der Versuch einer Antwort. Es fehlt nur noch, der Minister hätte hinzugefügt, die Bundesregierung hoffe, daß die Bahn dieses Geld voraussichtlich noch nicht einmal brauchen werde, um zur Minderung der Bundesverschuldung beizutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, auch dies vermittelt mir wieder den Eindruck, daß dieser Bundesverkehrsminister gar keinen echten Gestaltungswillen hat, sondern sein Hauptbemühen darauf gerichtet ist, ohne Blessuren über die Runden zu kommen. Glauben Sie denn selbst noch an das, was Sie hier schreiben? Wohl kaum, meine ich. Denn Sie kennen genauso gut wie ich die Berechnungen des Bahnvorstandes über den jährlichen Zuschußbedarf. Interessant ist j a, daß diese Planungen der Bahn von Ihren eigenen Planungen abweichen. Der jährliche Zuschußbedarf wird vom Bahnvorstand mit „Tendenz steigend" eingeschätzt. Hier öffnet sich eine Schere, weil Sie sehr viel weniger prognostizieren. So kann man zwar mit Zahlenspielereien natürlich einiges bewirken und Pläne am Ende stimmig machen, die Realität aber diktiert in der Regel am Ende das Gegenteil.
Meine Damen und Herren, hinsichtlich des öffentlichen Personennahverkehrs, soweit er die Bahn betrifft, heißt es — das ist interessant —, in den Ballungsräumen werde der Schwerpunkt zukünftig auf dem Schienenverkehr, in der Fläche beim Busverkehr liegen. Dies verstehen wir als eine Ankündigung dahin gehend, daß die Stillegung von Schienenstrecken in der Fläche in Zukunft verstärkt weitergehen wird. Der Erlaß des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn vom 28. September geht j a in die gleiche Richtung. De facto heißt dies, wenn man aus diesem Bereich Investitionsmittel abzieht, Streckenstillegung zu bewirken. Das ist genau das, was auch der Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn, Herr Vaerst, im Verkehrsausschuß erklärt hat, als er sagte, daß 3 Milliarden DM an Investitionen erforderlich wären, um diese Strecken in Betrieb zu halten. Die stellen Sie nicht zur Verfügung, sie dürfen nicht investiert werden. Damit werden diese Strekken dem Tode geweiht. Meine Damen und Herren, das steht völlig im Gegensatz zu dem, Herr Kollege Haar, was Sie landauf, landab auch für die sozialdemokratische Fraktion erklären. Ich meine, dies ist nur ein weiteres Beispiel für das heillose Durcheinander in der Erklärungspolitik der Sozialdemokraten im Bereich der Bundesbahnpolitik.
Interessant sind auch die Maßnahmen, die man bereits durchgeführt hat: Abbau der Gasöl-Betriebsbeihilfe, Erhöhung der Mineralölsteuer. Es wird genau das Gegenteil von dem getan, was man nach draußen erklärt;

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sonntagsreden kontra Alltagsrealität, meine Damen und Herren. Sie fördern nicht den öffentlichen Personennahverkehr nach Kräften — schon gar nicht erhält er eine Priorität —, sondern Sie machen genau das Gegenteil: Sie dünnen ihn aus, machen ihn teurer, machen ihn unattraktiver. Meine Damen und Herren, eine krasse Benachteiligung der ländlichen Räume ist hier festzustellen. Tariferhöhungen in einer Größenordnung von 10 bis 15 % werden nur durch diese beiden soeben angesprochenen Maßnahmen bewirkt.
Herr Kollege Haar, wenn Sie ein stärkeres Engagement der Länder fordern, muß man darauf hinweisen, daß laut Grundgesetz und Bundesbahngesetz hier eine Zuständigkeit des Bundes vorliegt. Wenn der Bund nicht in der Lage ist, mit dieser Zuständigkeit fertigzuwerden, dann muß er nach unserer Überzeugung zunächst einmal mit den Ländern über die Korrektur der Gesetzesgrundlagen sprechen, aber nicht einfach sagen: „Ich will die Kompetenz, und ihr müßt zahlen" und Finanzlasten verschieben. Hier sollen die Länder das ausbügeln, was die Bundesregierung durch finanzielle Selbstbedienung herbeigeführt hat. Dadurch, daß man Probleme verlagert, löst man sie nicht.
Die innerbetriebliche Rationalisierung bei der Deutschen Bundesbahn ist ein weiterer kritischer Punkt in der Antwort der Bundesregierung. Hier soll nach Auffassung des Bundesverkehrsministers im Bereich der Vorhaltung, also Oberbau, Werkstättendienst, Zentralämter, rationalisiert werden. Aber ich glaube, nicht nur wir von der CDU/CSU, sondern auch Herr Haar wären interessiert, Genaueres zu erfahren, was Sie uns aber leider nicht mitgeteilt haben. In Ihren Sonderinformationen für die SPD-Fraktion heißt es: „Lediglich im Vorhaltungsbereich gibt es noch beachtliche Einsparungsmöglichkeiten." Da werden dann Prozentsätze genannt, daß nämlich in einem Bereich, wo 30 % des Personalbestandes vorhanden sind, nur 13,1 % Personal eingespart worden ist, während im Bereich Betriebsführung 23,5 % und im Bereich Verwaltung 20,5 % eingespart worden sind. Wir fragen den Bundesverkehrsminister: Was haben Sie hier konkret vor? Was wollen Sie mit dieser Ankündigung bewirken? Wir meinen — ich glaube, das ist ziemlich offensichtlich —, Sie fürchten sich vor der geballten Streitmacht der Gewerkschaften; das lähmt Sie, in diesem Bereich die notwendigen Maßnahmen und Entscheidungen herbeizuführen. Ich glaube, es muß irgendwie mit dem Parteibuch zusammenhängen, daß Ihnen aus dem Bereich der Gewerkschaften bislang noch nicht der Schlachtruf entgegengehalten worden ist: Nieder mit dem Privatisierer!
Ich glaube, daß wir im Transportbereich von dem bewährten Verhältnis von Schiene zu Straße in der Form der Kooperation und nicht der Konfrontation ausgehen sollten. Ich glaube, Herr Kollege Haar, wer



Fischer (Hamburg)

meint, auf Dauer beides haben zu können, je nachdem, wo es einem gefällt, einmal Kooperation, einmal Konfrontation dieser beiden Bereiche, der täuscht sich gewaltig.
Es ist erst ein gutes Jahr her, da übertraf man sich in den Reihen der Bundesregierung in Bundesbahneuphorie. Das war natürlich reiner Zufall, es war gerade Wahlkampfzeit. Der Bundeskanzler selbst hat von einer „Renaissance der Bahn" gesprochen. In der Regierungserklärung heißt es: „Ich könnte mir vorstellen, daß der Schienenverkehr in den nächsten Jahren insgesamt einen Aufschwung vor sich hat, weil er j a seine Energie aus Kohle bezieht und nicht aus 01." Andere hohe Würdenträger der Regierung sprachen ständig von der großen Zukunft der Bahn. Hinter all dieser voreiligen Euphorie stand offensichtlich die Erwartung, daß die wachsenden Risiken der Ölpreise und der Ölversorgung quasi automatisch der Bundesbahn zugute kämen. Ich meine, mit dieser Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage ist dieser Traum ausgeträumt; denn der Verkehrsminister antwortet darauf mit einem schlichten „Nein".

(Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/ CSU]: Hört! Hört!)

Wir werden allesamt gemeinsam im Interesse der Eisenbahn und ihrer Zukunft den mühsamen Weg einer Konsolidierung dieses Unternehmens beschreiten müssen. Wir gewinnen aber aus der Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage erneut den Eindruck, daß sich die Bundesregierung und der Bundesverkehrsminister vor der Verantwortung und vor den notwendigen Entscheidungen in der Bundesbahnpolitik drücken. Ich meine, dieser Mut zu unpopulären Entscheidungen ist unerläßlich und die Unterstützung des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn bei den erforderlichen Maßnahmen nötig. — Diese Worte stammen nicht von mir, sondern aus dem Originaltext von Herrn Minister Hauff. Ich meine, wir haben zu fragen: Herr Minister, wo ist Ihr unerläßlicher Mut? Es muß deutlich gesagt werden: Mit Ihrer jetzigen Eisenbahnnovelle haben Sie diesen Mut zu einschneidenden, unpopulären Entscheidungen noch längst nicht bewiesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier stehen Sie auch vor Ihrer Nagelprobe als Fachminister in diesem Bereich. Wir sind gespannt, was Sie uns auf den Tisch legen werden.
Ich fordere Herrn Haar und die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion auf, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, weil darin ganz klare Fristen für die Vorlage dieser Entscheidungsunterlagen durch den Bundesverkehrsminister genannt sind. Wir möchten nicht erleben, daß Sie sagen, das möge zwar alles kommen, aber alle Fristen müßten herausgestrichen werden. Das würde die Dinge auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Wir meinen, nach vielen großen Worten können wir jetzt erwarten, daß der Bundesverkehrsminister zu bahnpolitischen Entscheidungen voranschreitet.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906703000
Das Wort hat der Abgeordnete Antretter.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID0906703100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als erstes den Dank an den Bundesverkehrsminister dafür aussprechen, daß er heute erneut deutlich gemacht hat, welch hohen Stellenwert der öffentliche Personennahverkehr für ihn und für diese Bundesregierung hat. Diesen Dank sage ich im Namen meiner Bundestagsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Die letzten drei Punkte der Großen Anfrage, die von der Bundesregierung beantwortet wurde und heute debattiert wird, befassen sich mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Ich möchte mich damit besonders auseinandersetzen.
Hauptziel der bisherigen Politik war es, meine Damen und Herren, Infrastruktur für den steigenden motorisierten Verkehr zu schaffen. Dies ist im Hinblick auf die erreichten Grenzen der Umweltbelastung nicht mehr vertretbar. Eine Fortsetzung dieser Politik könnte übrigens auch die individuelle Freizügigkeit nicht mehr wesentlich erhöhen. Um den erreichten hohen Grad an Verkehrsmobilität zu erhalten und andererseits die unerfreulich angewachsenen Nebenwirkungen — jährlich 13 000 Verkehrstote und 500 000 Verletzte, 100 % Mineralölabhängigkeit — möglichst weitgehend abzubauen, brauchen wir als erstes eine volkswirtschaftlich sinnvollere Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Verkehrsträgern und Verkehrsmitteln.
Besondere Beachtung müßte in diesem Zusammenhang, wie ich meine, dem ländlichen Raum geschenkt werden. Hier muß man sehen: Konzentrationstendenzen und Rationalisierungsbestrebungen haben in den letzten 20 Jahren im ländlichen Raum in besonderer Weise ihre Auswirkungen gezeigt. Kommunale Gebiets- und Verwaltungsreformen haben viele kleine Gebietseinheiten zu großen Einheiten zusammengeschlossen. Viele soziale Einrichtungen machen zur Sicherung bestimmter Mindestbedienungsstandards auch Mindestbetriebsgrößen erforderlich. Diese Entwicklungen zwingen die Bevölkerung des ländlichen Raums zu noch größerer Mobilität als bisher und machen viele Menschen zunehmend vom öffentlichen Personennahverkehr abhängig.
Die Entwicklung des Nahverkehrs im ländlichen Raum hat jedoch in den wenigsten Fällen mit diesen Veränderungen schrittgehalten. Dafür gibt es viele Gründe. Zusammengenommen werden sie, wenn wir daran nichts verändern, zu einer weiteren Unterversorgung des ländlichen Raums führen.
Lassen Sie mich einige dieser Gründe nennen: Schüler-, Berufs- und öffentlicher Verkehr wurden getrennt eingerichtet, zum Teil auf gleichen Trassen und zu fast gleichen Zeiten. Unkoordiniertes Nebeneinander von Schiene und Bus sowie Parallelverkehr von Bussen wegen bestehender Linienkonzessionen machen den Verkehr für die Benutzer insofern uninteressant, als die Linien oft nicht mit dem Bedarf übereinstimmen, die erforderlichen Verknüpfungen der Einzellinien fehlen oder, wenn doch vorhanden, nur mit unterschiedlichen Tarifen und



Antretter
damit verbundenem mehrmaligem Fahrscheinlösen zu befahren sind.
Befragungen, die für unsere Arbeit an der Fortentwicklung des ÖPNV hilfreich sind, haben gezeigt, daß die Häufigkeit der Bedienung als absolut wichtigstes Qualitätsmerkmal der Nahverkehrserschließung gewertet wird. Ein problemloser Handgepäcktransport, zumutbare Unterstellmöglichkeiten, vor allem an den Umsteigeplätzen, fahrgastfreundliche Ausstattung und kundenfreundliches Informations-und Verkaufssystem sind weitere vorrangige Qualitätsanforderungen der Bürger an den ÖPNV, wie diese Umfrage weiter ergeben hat. Das Qualitätsangebot im ländlichen Raum kann also nicht allein daran orientiert werden, wer unbedingt darauf angewiesen ist — sei es aus Alters-, sei es aus Einkommensgründen —, sondern es muß auch darauf bedacht sein, freiwillige Fahrgäste zu gewinnen, für die die Benutzung des ÖPNV sinnvoll sein könnte. Das verlangt aber, daß sich die Verkehrsversorgung des ländlichen Raums an den Mobilitätsbedürfnissen sehr breiter Bevölkerungsschichten orientiert und die Bedienung daran ausgerichtet wird.
Deshalb ist es Aufgabe der Bundes-, der Landes-und der Kommunalpolitiker, nach Wegen zu suchen, die die öffentliche Verkehrsversorgung im ländlichen Raum so attraktiv wie möglich gestalten und die zu erwartenden Defizite der öffentlichen Hände eingrenzbar und auf die Dauer bezahlbar machen. Mit einem Wort — hier möchte ich einen Satz weiterführen, den der Bundesverkehrsminister angesprochen hat —: So wie die deutsche Wirtschaft darauf angewiesen ist, zu ihrer Behauptung in der Weltwirtschaft intelligente Technologien zu entwickeln, so kommt es im Verkehr darauf an, intelligente Organisationsformen zu finden, deren Ziel es sein muß, bei einem Minimum an Investitionen und einem Optimum an Kooperation wirtschaftlich tragfähige Verkehrssysteme zu entwickeln.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es gibt Bevölkerungsgruppen, die im Blick auf ihre persönliche Mobilität und Lebensqualität besonders auf den ÖPNV angewiesen sind: alte Menschen, Frauen aus Arbeiterfamilien mit geringem, mittlerem Einkommen, Kinder und Jugendliche, ausländische Mitbürger. Daraus ergeben sich natürlich auch Konsequenzen für die Tarifgestaltung. Gewiß müssen bei der Gestaltung der Tarife Kostenentwicklungen berücksichtigt werden; denn die öffentlichen Haushalte können die Kosten nicht ständig allein übernehmen. Aber, ich meine, das darf nicht nach Rasenmäherart geschehen. Da müssen natürlich auch hinsichtlich bestimmter Nutzergruppen soziale Aspekte berücksichtigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Trotz vieler positiver Ansätze — Seniorenpaß, Familienpaß — bleibt hier noch ein weites Feld für den Einfallsreichtum nicht nur der Experten. Die Deutsche Bundesbahn hat sehr differenzierte Konzepte für den Nahverkehr in den Ballungsräumen, in den mittleren Verdichtungsräumen und in den ländlichen Räumen entwickelt. Die Bundesbahn hat den ÖPNV in den Ballungsräumen und in den mittleren
Verdichtungsräumen, wo es vor allem auf die Bewältigung von Kapazitätsproblemen ankommt, mit Hilfe des Bundes systematisch ausgebaut.
So wie sich in den Ballungsräumen S-Bahn, U-Bahn und Bus gegenseitig ergänzen und Linien aufeinander abgestimmt sind, muß auch in der Fläche ein langfristiges Konzept für eine vernünftige Verkehrsbedienung entwickelt werden. Schienenstrekken, Herr Fischer, gegen die die Bürger bereits mit der Fahrkarte abgestimmt haben, weil sie nämlich gar nicht mehr fahren, und wo die Demonstranten gegen die Ausdünnung mit dem Privat-Pkw anreisen, können dabei aber nicht aus lauter Nostalgie erhalten bleiben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dafür, daß sich unsere Siedlungen von den Bahnhöfen und Haltepunkten wegentwickelt haben, können wir schließlich nicht der Deutschen Bundesbahn die Schuld geben. Schienenstrecken jedoch, die auf Grund ihres Aufkommens und der Siedlungsstruktur langfristig als sinnvoll erscheinen, müssen selbstverständlich voll integriert werden.
Der Verkehrsminister kann auf eine gute Zwischenbilanz über die Nahverkehrsmodelle — zu nennen ist vor allem das Hohenlohe-Modell — verweisen. Ich möchte die eindrucksvollsten Zahlen kurz wiederholen: Tag für Tag acht Buspaare zu allen Wohnplätzen ab 50 Einwohner; 95 % der Bevölkerung haben die Möglichkeit, am öffentlichen Nahverkehr teilzunehmen, und das bei einer Kostendek-kung von zur Zeit 72 bis 73 %. Ich meine, das ist ein sehr guter Ansatz für ein zukünftiges vernünftiges Nahverkehrskonzept.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt kommt es jedoch darauf an, daß die Bundesbahn aus diesen Modellen die richtigen Konsequenzen zieht und die Chancen und Notwendigkeiten der Regionalisierung erkennt. Dazu gehört: Angebotsverantwortung, Finanzverantwortung sollen bei den Gebietskörperschaften liegen, z. B. bei den Landkreisen. Dazu gehört, daß die Bundesbahn auch bereit sein muß, auf alleinige Zuständigkeit bei Bedienung, Netz und Tarif zu verzichten, wie es bei Verbünden in Ballungsräumen bisher schon der Fall ist. Ich bin sicher, trotz Übernahme der Angebotsverantwortung und der Finanzverantwortung durch diese Gebietskörperschaften bleibt der Deutschen Bundesbahn ein breites Feld für die Betätigung in den Bereichen Planung und Betriebsführung, z. B. als Dienstleistung gegen kostendeckende Aufwandserstattung, und natürlich im Bereich Absatz — und dies unter Wahrung ihres personellen, leistungsmäßigen und betriebswirtschaftlichen Besitzstandes.
Das Gebot der Stunde heißt Regionalisierung im öffentlichen Personennahverkehr mit dem Ziel: ein Fahrplan, ein Fahrschein für alle Unternehmungen. Sicher ist: in den 80er Jahren muß dem öffentlichen Personennahverkehr der Durchbruch als öffentliche Dienstleistung für die Menschen gelingen. Die Fixierung auf einzelne Produktionsmittel allein wie beispielsweise die Schiene muß überwunden werden. Damit können bereits vorhandene Ressourcen an



Antretter
Personal, Fahrzeugen und technischem Gerät besser genutzt werden, kann mehr öffentlicher Nahverkehr für die Bürger angeboten werden, und dies muß nicht automatisch teurer werden.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906703200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rösch.

Dr. Klaus Rösch (FDP):
Rede ID: ID0906703300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von mir sehr geschätzte Kollege Antretter hat sich in seinen Ausführungen soeben auf das Verhältnis Bahn/Lkw bezogen und von einer Arbeitsteilung gesprochen, ebenso vorher in einem anderen Zusammenhang der geschätzte Kollege Haar. Der Meinung bin auch ich, daß es zu einer Arbeitsteilung kommen muß, aber: zu einer Arbeitsteilung durch Wettbewerb, nicht zu einer Arbeitsteilung durch Gesetz. Denn wenn wir in dem Bereich für das staatliche Unternehmen gewissermaßen ein Reservat schaffen, dann lösen wir weder die Probleme der Bahn auf lange Sicht, sondern wir bewirken, daß wir den Benutzer dieser Einrichtung benachteiligen, weil er nicht das wirtschaftlichste Verkehrsmittel in Anspruch nehmen kann. Also: Arbeitsteilung j a, aber nicht durch Gesetz, sondern durch Wettbewerb.
Der verehrte Kollege Fischer hat der Bundesregierung vorgeworfen, sie würde die Verantwortung von sich schieben. Herr Kollege Fischer, ich halte das für eine eigentlich sophistische bis zynische Bemerkung. Denn wenn die Bundesregierung sich bemüht, das Management zu stärken, dann tut sie etwas Richtiges. Und wenn die Koalitionsfraktionen versuchen, dem Management mehr Möglichkeiten zu geben, dann tun sie etwas Richtiges. Aber das Stärken des Managements heißt doch nicht, die politische Verantwortung für die Bundesbahn wegzuschieben, sondern es heißt, für die Bundesbahn das Richtige zu tun. Wir sollten uns davor hüten, mit derartigen Formulierungen den Eindruck entstehen zu lassen, daß es einen anderen Weg für die Bundesbahn gebe als den, mehr und stärkere Verantwortung in die Bahn hinein und weniger in andere Einrichtungen zu verlegen.
Hier sind die großen Vogelfluglinien der Bundesbahnpolitik gezogen worden. Es sind wichtige und richtige Dinge ausgeführt worden. Ich will mich dem anschließen, indem ich zum Ausdruck bringe, daß ich überzeugt davon bin, daß die Bundesbahn eine große Zukunftschance hat, auch deshalb, weil sie als Verkehrseinrichtung zunächst einmal im Image — und hoffentlich später auch in der Praxis — ein zunehmendes Ansehen bei der Bevölkerung gewinnt, sei es wegen des Energiebewußtseins, sei es durch verstopfte Autobahnen. Man beginnt einzusehen, daß die Bundesbahn eine wichtige Verkehrseinrichtung ist. Ich glaube an die Chance der Bahn.
Nun hat man die Linien der Verkehrs-, der Eisenbahnpolitik aufgezeigt. Ich erlaube mir, unterhalb dieser Linien dann doch etwas in die Bahn, in den Vorstand hinein, zu sagen. Diese Chance wird die Bundesbahn wirklich nur für uns und die Gesell-
schaft nutzen können, wenn sie die Motivation hat und aus sich heraus bereit ist, das zu sein, was wir von ihr fordern, nämlich ein Dienstleistungsunternehmen. Lassen Sie mich das einmal praktisch und plastisch darstellen. Wenn dieser neu angesprochene Bundesbahnkunde einsieht, daß das ein wichtiges und richtiges Verkehrsmittel ist, und sich entschließt, Bundesbahnfahrgast zu werden, dann wird er sich als erstes nach dem Zug für seine bevorstehende Reise erkundigen. Er will wissen, wann er denn fahren kann. Was passiert dann? Das Dienstleistungsunternehmen Bundesbahn wird ihm nur in den wenigsten Fällen und unter Aufwendung größter Geduld eine Fahrplanauskunft geben, weil z. B. in einem Bereich wie Freiburg, wie Tübingen ebenso wie in Stuttgart zwischen ein und zwei Beamte für nahezu 200 000 oder 300 000 Einwohner Zeit finden, Auskünfte zu geben. Das heißt: er wird völlig ohne Ergebnis den ganzen Tag lang versuchen anzutelefonieren; das Dienstleistungsunternehmen Bahn wird ihm diese Auskunft nicht oder vielleicht in den großen Städten nur vom Band geben.
Er wird dann zum Bahnhof fahren. Was wird er nicht vorfinden? Er wird keinen Parkplatz vorfinden, auch nicht die Möglichkeit, die es in Amerika gibt. Dort gibt es die „Kiss and drive"-Parkplätze, wo man anfahren kann, sich verabschieden kann und aussteigt. Er wird das nicht vorfinden, weil das Dienstleistungsunternehmen Bahn im Regelfall die Parkplätze vor dem Bahnhof für ihre eigenen Bediensteten vorhält mit einem Schild: „Widerrechtlich Parkende werden sofort kostenpflichtig abgeschleppt."

(Straßmeier [CDU/CSU]: Aber nicht mit der Bahn! — Heiterkeit)

— Ich will versuchen, Ihnen das plastisch zu machen, weil ich glaube, daß die Bahn auch von sich aus etwas beitragen muß.
Er wird dann zum Schalter gehen und wird im Unterschied zum sonstigen Konsumverhalten feststellen, daß die Einrichtungen für ihn gar nicht geschaffen sind, denn zuerst muß er sich einmal bücken, weil die Scheibe, wo er die Fahrkarte kauft, so kundenfeindlich angebracht ist, daß er zunächst die große Verbeugung vor dem Fahrkartenverkäufer machen muß Die Bahn hat bis zur Stunde keine anderen Schalter.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Er geht dann weiter, geht an das Gleis und wartet auf den Zug. Wenn er Glück hat, kommt der Zug pünktlich. Das ist in der letzten Zeit und zunehmend seit Einführung des Intercity-Verkehrs, wie man überall feststellt, die Ausnahme.

(Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie fliegen zuviel!)

— Nein. — Das Dienstleistungsunternehmen Bundesbahn hat es bis zur Stunde nur in den seltensten Fällen fertiggebracht, ihm am Bahngleis eine Möglichkeit zu geben, geschützt auf diesen verspäteten Zug zu warten. Da gilt Bonn als ein großes Bei-



Rösch
spiel. Er wird also 20 Minuten in der Kälte stehen und auf den Zug warten.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Hier spricht ein Bahnfremder!)

— Nein, da spricht kein Bahnfremder, im Gegenteil.
— Er wird nur sehr selten die Möglichkeit haben, seinen Aufenthalt in der Bahngaststätte zu verschönen, weil die Bundesbahn in den letzten zehn Jahren das Niveau der Versorgung völlig hat verkommen lassen. Man sage mir nicht, das ginge nicht besser. Es gibt viele Beispiele, in Ulm und anderswo, wo das umgekehrt ist. Aber heute ist es so: wenn die Bundesbahngaststätte geöffnet hat, ist es im Regelfall eine, die für den Fahrgast nicht sehr einladend ist.

(Zuruf von der SPD: Im Gegensatz zur Schweiz!)

— Im Gegensatz zu anderen Ländern beispielsweise.
Dieser umworbene Fahrgast, der auf die zunehmende Chance der Bahn wartet, befindet sich dann auf einem Bahngelände, und man kann sich — das will ich auch einmal sagen — die Verhältnisse räumlicher Art, wie sie früher, in der 30er Jahren, waren, am ehesten vorstellen, wenn man sich den Zustand unserer Bahnhöfe ansieht. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur ein Investitionsproblem, sondern das ist auch eine Frage, mit wieviel Sorgfalt und mit wieviel innerem Engagement man, beispielsweise mit ein bißchen Farbe und ein paar Blumen, diese teilweise in einem schlechten Zustand befindlichen Einrichtungen für den Fahrgast verschönert.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Am besten mit einem Freibier!)

Was will ich damit sagen? Ich will damit sagen, daß es notwendig ist, daß die Bahn von sich aus die Chance wahrnimmt.
Ich will weiter bei dem Fahrgast bleiben. Dieser Fahrgast wird also dann einsteigen. Sofern er Hunger oder Durst hat, wird er dem großen Angebot der Deutschen Schlafwagen-Gesellschaft zum Opfer fallen. Unter der Voraussetzung, daß er deren teures Angebot annimmt, hat er nur in den seltensten Fällen die Garantie, daß das Angebot auch dem Preis entspricht. Die Deutsche Schlafwagen-Gesellschaft gibt sich zwar große Mühe, es stellt sich aber die Frage, ob eine zentralistische Organisation wie bei der Deutschen Schlafwagen-Gesellschaft ein solches Dienstleistungsangebot wirklich leisten kann. Man weiß doch, daß in anderen Ländern, beispielsweise in der Schweiz oder teilweise in Frankreich, durch Dezentralisierung oder durch den Versuch von privaten Konzessionen das Angebot innerhalb dieses Bereiches viel leistungsfähiger sein kann.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Seien Sie froh, daß Sie den Schlafwagen haben!)

Wenn dieser Fahrgast großes Pech hat, stößt er nicht auf einen Speisewagen der Deutschen Schlafwagen-Gesellschaft mit Bedienung, sondern dann muß er sich in diesen neuen sogenannten Versorgungsbuffets ernähren. Dort findet er Plastiktassen, und das Essen ist mit Plastik umhüllt; er braucht also einen großen Abfalleimer. Wenn ich mir vorstelle, daß ausländische Gäste das, was sie in diesen Buffetwagen geboten bekommen, für deutsche Gastfreundschaft bzw. für das Niveau der deutschen Gastronomie halten, dann muß ich sagen: die werden einen ausgesprochen schlechten Eindruck von den Lebensqualitätsverhältnissen in unserem Lande haben.
Ich meine also, meine Damen und Herren, daß das auch an der Bahn liegt. Ich habe vorher ganz klar gesagt, daß auch von seiten der Politik Maßnahmen getroffen werden müssen, daß es aber auch Aufgabe der Bahn ist, durch Maßnahmen im Dienstleistungsbereich, die gar nicht so sehr viel kosten müssen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß der Fahrgast, den ich Ihnen gerade geschildert habe, nicht nach all den möglichen Erfahrungen das nächste Mal sagt: Ich fahre nie mehr mit der Bahn; lieber nehme ich alles andere in Kauf, als z. B. auf einer Fahrt dreimal kontrolliert zu werden, ob ich auch die richtige Fahrkarte habe. Während offensichtlich für die Kontrolleure ausreichend Personal da ist, ist für die Auskunftsbeamten zuwenig Personal da.
Ich glaube, daß sich die Kritik auch an die innere Struktur der Bundesbahn richten muß, nicht nur an die großen Konstellationen. Man muß begreifen, daß der Kunde ein Kunde ist und kein Beförderungsgut. Auf andere Weise wird es nicht möglich sein, die Bahn zu einem Dienstleistungsunternehmen zu entwickeln.
Nun, meine Damen und Herren, gibt es noch drei andere Bereiche, die ich ansprechen will. Der erste Bereich ist das Verhalten des Bahnvorstandes bzw. der Bahndirektionen bei der Nutzung von Bundesbahnvermögen, insbesondere im Grundstücksbereich. Erlauben Sie mir in dieser Diskussion die Feststellung, daß die Bahn meiner Auffassung nach eine zu restriktive Grundstückspolitik macht. Ich kann nicht einsehen, daß sich die Bahn in weiten Landstrichen — wenigstens in den Bereichen, die ich persönlich kenne — weigert, wichtige Grundstücke in Innenstädten zu verkaufen. Ein Fall ist mir bekannt. 1923 war geplant, 48 km Bahnstrecke durch verschiedene Orte zu bauen. Damals wurde der Grunderwerb getätigt. Die Eisenbahnstrecke ist nie gebaut worden, aber auf der ganzen Strecke befinden sich die Grundstücke noch im Besitze der Bahn. Das schafft teilweise große Lasten für die Gemeinden, die in den Innenstädten oder Ortskernen gerne sanieren würden, aber dies nicht können, weil sich die Bahn bis zur Stunde weigert, hier etwas zu verkaufen. Das ist etwas, was ich nicht einsehen kann, wenn es darum geht, das Angebot der Bahn zu verbessern. Wir haben einmal ausgerechnet — diese Rechnung kann falsch sein; in der Richtung stimmt sie aber, wie ich glaube —, daß die Bahn, wenn sie sich im Bereich der Bahndirektion Karlsruhe von allen betriebswirtschaftlich nicht notwendigen Grundstücksanlagen trennen würde, nicht nur dazu beitragen würde, daß auf dem Grundstücksmarkt etwas mehr Beweglichkeit erreicht wird, sondern dann auch die Investitionsmittel hätte, um in dem betreffenden Bereich alle Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, die die Voraussetzung dafür bieten, daß



Rösch
Strecken nicht stillgelegt werden. Im Zusammenhang mit den Streckenstillegungen ist zu sagen, daß bestimmte Strecken oft nicht deswegen nicht angenommen werden, weil die Leute in der betreffenden Gegend nicht mit der Bahn fahren wollen, sondern deshalb, weil einfach das Serviceangebot in puncto Schnelligkeit, in puncto Frequenz so schlecht ist, daß die Bahn dort nicht als adäquates Verkehrsmittel betrachtet wird. Über einen konstruktiven Vorschlag in dieser Richtung könnte man meiner Meinung nach reden.
Ich will ein Drittes sagen. Ich sage dies als jemand, der bisher einem Landesparlament angehört hat, auch an die Adresse des Bahnvorstandes. Ich finde, daß Bahn und Post einfach nicht berechtigt sind, fortlaufend und über Jahre hinweg zu ignorieren, daß sich die Länder im Bereich ihrer Gebietsstruktur Reformen unterworfen haben. Ich halte es für schiere Arroganz eines zentralen Unternehmens, wenn nicht akzeptiert wird, daß z. B. im Lande Baden-Württemberg die frühere Stadt Ebingen heute — weil ein Zusammenschluß erfolgt ist, Albstadt heißt, wenn nicht akzeptiert wird, daß die frühere Stadt Villingen heute zu Schwenningen gehört und daß der Bahnhof deshalb auch nicht mehr „Villingen" heißen sollte. Es geht nicht an, sich einfach über das hinwegzusetzen, was der Gesetzgeber im Bereich der Landesgesetzgebung an Tatsachen und Fakten geschaffen hat, und so zu tun, als wenn die Einteilung Deutschlands ausschließlich eine Sache dieser zentralen Verwaltungen wäre. Ich sehe so etwas nicht ein. Ich glaube, die Bahn hat die Aufgabe, einfach die Konsequenzen aus dem zu ziehen, was der Landesgesetzgeber vorgegeben hat. Wenn sie das nicht tut, trägt sie nicht dazu bei, daß sich die Strukturmaßnahmen insgesamt und miteinander verzahnen.
Zusammenfassend möchte ich folgendes feststellen. Ich glaube, trotz allem, was hier richtigerweise über die Aufgabe der Politik gesagt worden ist, trotz allen Engagements, das man bei Bediensteten der Bundesbahn sieht, z. B. bei dem sehr unterbezahlten und nicht ausreichend gewürdigten Personal im Bereich der Lokomotivführer, trotz des Engagements in allen diesen Bereichen, auch im Verantwortlichkeitsbereich der Politik, kann die Dienstleistung der Bundesbahn nur dann als eine Dienstleistung im eigentlichen Sinne betrachtet werden, wenn die Bundesbahn alles dazu tut, um deutlich zu machen, daß sie als Dienstleistungsunternehmen um den Kunden wirbt und dem Kunden ein auch im Detail ordentliches Angebot macht, also nicht so tut, als wäre der Kunde Beförderungsgut. Wenn der Kunde das Gefühl hat, Beförderungsgut zu sein, wird er nicht das Angebot der Bahn nutzen, auch wenn es ihn möglicherweise, wie der Herr Minister sagt, billiger kommt. Es geht nicht nur um den Fahrpreis, Herr Minister, sondern auch um das Darumherum. Ich habe dies in einer gedrängten Form und zugegebenermaßen vielleicht auch in einer überzeichneten Form zu schildern versucht. Ich meine, daß man in dieser Diskussion auch einmal Positionen formulieren muß, die derjenige einnimmt, der täglich mit der Bahn fährt. Manchmal hat man den Eindruck, als würden diejenigen, die immer über die Bahn reden
oder dort das Sagen haben, zu häufig den Dienstwagen benutzen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906703400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0906703500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, bei der Bewertung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion doch noch ein Pressezitat einzubringen. Ich fände es schade, wenn dieses Zitat nicht in das Protokoll des Deutschen Bundestages aufgenommen würde. Ich meine die „Süddeutsche Zeitung", die von einer „Zumutung" gesprochen hat, von einer „Aneinanderreihung von verkehrs- und finanzpolitischen Banalitäten", die geradezu lückenlos sei, und davon, daß „auf 14 Schreibmaschinenseiten leeres Stroh gedroschen" wurde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Sie fügt hinzu, daß sich der Bundesverkehrsminister mit einer geradezu verblüffenden Dreistigkeit an der Beantwortung der Frage vorbeimogle, welches Investitionsvolumen die Bahn in den 80er Jahren denn benötige, wie der Bund dieses finanzieren wolle und wie die mittel- und langfristigen Investitionserfordernisse bei der Deutschen Bundesbahn mit den derzeitigen Mittelkürzungen zu vereinbaren seien. Ich finde dieses Zitat bemerkenswert und will nur eine persönliche Ergänzung hinzufügen. Ich greife ein Beispiel aus der Antwort heraus: Die Regierung erklärt, die finanzielle Situation der Deutschen Bundesbahn sei trotz beachtlicher Rationalisierungserfolge weiterhin unbefriedigend.
Meine Damen und Herren, ich finde, wer angesichts der Tatsache, daß die Verschuldung der Bahn mittlerweile zu dem zentralen Problem der Verkehrspolitik geworden ist, daß die Verschuldung im nächsten Jahr um 4,6 Milliarden DM und 1985 auf 53 Milliarden DM steigen wird, so läppisch und einfach formuliert, wer die Probleme der Bahn so herunterspielt und verharmlost, der darf sich nicht wundern, Herr Hauff, wenn wir ihm die Kraft nicht mehr zutrauen, in seiner Partei, in der Koalition und im Kabinett eine zukunftssichere und erfolgreiche Bahnpolitik durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will nicht mehr im einzelnen auf die Vergangenheit eingehen, aber ich möchte unterstreichen, daß wir heute in der Tat die Zeche für den Zickzackkurs von vier sozialdemokratischen Verkehrsministern in den letzten 15 Jahren bezahlen müssen. Ehrlicherweise kann niemand bestreiten, daß jeder dieser Verkehrsminister ein eigenes Verkehrskonzept gehabt hat, mit dem Ergebnis, daß in der Bundesbahnpolitik langfristig unumgängliche Entscheidungen immer wieder hinausgezögert wurden, um kurzfristigen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen.
Heute stehen wir vor der Situation, daß der Staat total verschuldet ist. Jetzt ist die Bahn nach den Worten des Ministers zu einem unkalkulierbaren Ri-



Seiters
siko der Gesamtstaatsfinanzen geworden. Jetzt mischt sich immer stärker der Finanzminister ein, und Dieter Schulte hat ja darauf hingewiesen, daß es schon Symbolcharakter hat, wenn Herr Matthöfer hier verschiedentlich auf der Regierungsbank gesessen hat.

(Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/ CSU]: Hohen Symbolcharakter!)

Ich finde, daß es konkreten Anlaß zu der Frage gibt, ob die Bundesbahnpolitik der Bundesregierung eigentlich noch von Verkehrsminister Hauff oder nicht vielmehr zu einem großen Teil von Finanzminister Matthöfer betrieben wird.
Dafür möchte ich einige Beispiele nennen; vielleicht geht der Kollege Daubertshäuser, der noch sprechen wird, darauf ein.
Ich habe mich sehr gewundert, daß über die Widersprüchlichkeiten zwischen Herrn Hauff, Herrn Matthöfer und Herrn Haar im Plenum des Deutschen Bundestages überhaupt nicht geredet worden ist, obwohl Sie ja nur mal hineinschauen müssen in die Protokolle der Sitzungen Ihrer Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, von Gewerkschaftsveranstaltungen und anderen Tagungen. Hier wird so getan, als gäbe es diese Widersprüche nicht, und dabei machen sie eines der Probleme dieser Regierungspolitik aus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Beispiel Nummer eins. Tatsache ist, daß der Bundesfinanzminister die jährlichen Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt an die Bundesbahn für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung auf 13 bis 13,5 Milliarden DM eingefroren und damit der Bundesbahn ein finanzielles Korsett verpaßt hat, wie es dies bislang in der Geschichte der Bahn nie gegeben hat.

(Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/ CSU]: Sehr richtig!)

In der letzten Legislaturperiode hatten wir noch eine Aufstockung von 9 auf 13 Milliarden DM; in dieser Legislaturperiode bekommt der Bundesverkehrsminister keinen Pfennig mehr. Mit anderen Worten: der Verkehrsminister darf noch die Überschriften seiner Verkehrspolitik liefern — sehr schöne Überschriften, wie ich zugebe: Kontinuität der Ziele, Konzentration und Erneuerung, demokratischer Dialog —, aber der Finanzminister setzt den finanziellen Rahmen, und die deutsche Presse und die Fachblätter kommen zu Recht zu dem Ergebnis: Stagnation im Verkehrsetat — Verkehr unter den Verlierern. — Das Verkehrswesen verliert für die Bundesregierung immer mehr an Bedeutung.
Zweites Beispiel. Es verdichtet sich der Eindruck, daß der Bundesverkehrsminister, ob er nun will oder nicht, vom Finanzminster nunmehr auch zu konkreten Änderungen seiner Bahnpolitik gezwungen werden soll. Im Juni dieses Jahres hat der Bundesfinanzminister dem Bundesminister für Verkehr schriftlich mitgeteilt, daß eine Reihe von Maßnahmen bei der Bahn vordringlich durchgeführt werden müßten. Das Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Haehser vom 5. Oktober an die Berichterstatter im Haushaltsausschuß bezieht sich ja auf diese Maßnahmen, ein Schreiben mit ziemlich deutlichen, beinahe schon, Herr Haar, ultimativen Formulierungen.
Ich finde es bemerkenswert, daß darauf hier überhaupt nicht eingegangen worden ist. Ich kann das auch in gewisser Weise verstehen; denn es ist natürlich peinlich, wenn man feststellen muß, daß die eigenen Genossen im Finanzministerium an einer völlig anderen Bahnpolitik basteln als uns hier von den Sprechern der SPD-Fraktion vorgegaukelt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich kann die Kollegen nur auffordern, einmal die hier von der SPD gehaltenen Reden mit dem Maßnahmenkatalog von Herrn Matthöfer und von Herrn Haehser zu vergleichen.
Wenn Sie von der SPD-Fraktion schon bemängeln, daß unsere Vorschläge nicht konkret genug seien, dann setzen Sie sich doch bitte auch mit den Vorschlägen Ihres eigenen Finanzministers auseinander. Die sind nämlich sehr konkret.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Da ist die Forderung, nun endlich mit der neuen Kostenrechnung der Bahn überzukommen. Ganze Leistungsbereiche der Bahn sollen auf die Notwendigkeit ihrer Aufrechterhaltung hin überprüft werden, wenn eine nachhaltige Besserung nicht mehr erwartet werden kann. Gefordert wird eine Preispolitik für die Bahn, die in allen Leistungsbereichen der Bahn zu einer Verbesserung des Verhältnisses von eigenen Erträgen zu den Aufwendungen führt. Im Vorhaltungsbereich will der Finanzminister eine Privatisierung durch Vergabe von Leistungen an Dritte erzwingen. Alle Tätigkeitsbereiche, die mit dem übrigen Verkehrsgewebe vergleichbar sind, sollen für Beamtenlaufbahnen geschlossen werden. Und schließlich soll durch den vermehrten Einsatz von Teilzeitarbeitskräften das Personalkostenproblem in Angriff genommen werden.
Ich möchte nur feststellen, daß dies alles Forderungen sind, die an die Substanz der Bundesbahnpolitik, der Verkehrspolitik gehen, die hier von Herrn Hauff und auch von dem Kollegen Haar vertreten werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen, glaube ich, dürfen wir feststellen, daß wir es trotz der bekannten Erfahrung, daß viele Köche den Brei verderben, in der regierungsamtlichen Verkehrspolitik derzeit mit drei Köchen zu tun haben: mit dem Herrn Haar, mit dem Herrn Matthöfer und dann schließlich, schön unverbindlich in der Mitte, mit dem Herrn Hauff.
Ich jedenfalls, Herr Bundesverkehrsminister, habe mit Interesse gelesen, daß auf der zentralen Arbeitstagung Deutsche Bundesbahn der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD am 27. Oktober der SPD-Abgeordnete Haar massive gegenteilige Forderungen erhoben und nach Pressemitteilungen diese Forderungen gerade an die



Seiters
Adresse des anwesenden Bundesverkehrsministers Hauff gerichtet habe.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Da heißt es wörtlich — und das ist bezeichnend —, „Minister Hauff habe sich jedoch zu den erwähnten Punkten nicht im Detail geäußert, sondern die Situation grundsätzlich angesprochen"; also schön unverbindlich.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Und dann kommen die Sprüche: „Nach den Worten von Hauff ist man sich mit der Gewerkschaft einig darüber, daß die DB für die Verkehrswirtschaft unverzichtbar ist und bleibt, jedoch bestehe auch Einigkeit darin, daß die Wirtschafts- und Finanzsituation der DB bedrohlich sei. Es komme jetzt darauf an, das Notwendige möglich zu machen sowie die Kraft aufzubringen, auch Unpopuläres auszusprechen und durchzusetzen, wenn es denn sein müsse."
Meine Damen und Herren, wollen Sie uns bei diesen Sprüchen und Widersprüchen wirklich verüblen, wenn wir die Frage stellen: Wer bestimmt eigentlich die Richtlinien der Bahnpolitik, und wie sollen diese Richtlinien in der Zukunft aussehen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ein drittes Beispiel betrifft noch einmal die mittelfristige Finanzplanung. Hier gibt es einen sehr engen finanziellen Rahmen, den der Bundesfinanzminister gesetzt hat. Er sagt, bezogen auf die Bahn, schlicht und einfach, ob dieser Rahmen eingehalten oder vielleicht unterschritten werden könne, hänge vom Grad der Eingriffe in die Unternehmensstruktur der Bahn ab. Blieben diese Eingriffe aus, so sei das Risiko einer Inanspruchnahme des Bundeshaushalts bis 1985 auf 20 Milliarden DM zu beziffern. Dann erinnert der Bundesfinanzminister mit aller Deutlichkeit an die Zielvorgaben aus dem Jahre 1977, moniert ausdrücklich, daß die Bundesbahn diesen Leitlinien bisher nur ungenügend nachgekommen sei. Es müsse umgehend eine Umsetzung erfolgen. Er kritisiert auch die mehrjährige Finanzplanung der Bundesbahn und deren Maßnahmen. Und wir haben heute morgen von Herrn Hauff gehört, daß sich solche Kritik nicht an die Adresse des Bundesbahnvorstandes, sondern an die eigene Adresse zu richten habe.
Bei alledem, bei diesem Zickzackkurs und diesen Widersprüchlickeiten, habe ich durchaus Verständnis für die Auffassung eines Gewerkschaftsfunktionärs, der vor kurzem in mehreren überregionalen deutschen Zeitungen einen Leserbrief veröffentlicht hat, geradezu einen Stoßseufzer aus einer gequälten Eisenbahnerseele. Da heißt es:
Wechselnde Zielsetzung, immer neue Experimente, ständig neue Versprechungen und jetzt das große Wehklagen. Die Eisenbahner sind maßlos enttäuscht und spüren, daß sie nur die Zeche der verfehlten Bundesbahnpolitik bezahlen sollen.

(Susset [CDU/CSU]: War das ein Eisenbahner?)

Wann wird Bundesverkehrsminister Hauff, der sich auf allen möglichen Nebenkriegsschauplätzen betätigt und sich offenbar mehr Gedanken macht über die Verkehrssünderkartei, über Gurtpflicht, über Radwege und Verkehrserziehung als über die kranke Bahn, endlich ein überzeugendes Konzept vorlegen?
Ich finde schon, daß das eine berechtigte Frage ist, auf die eine Antwort gegeben werden sollte.

(Haar [SPD]: Haben Sie Gewerkschaftsmitglied gesagt? Das ist ein Spalter!)

—Wissen Sie, Herr Kollege Haar, über die Frage, wann man das Gewerkschaftsbuch oder das Parteibuch hervorzieht, könnten wir beide j a miteinander sprechen. Ich kann mich an die Diskussion im Verkehrsausschuß des Bundestages erinnern, wo uns ein Brief der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands vorlag, der Abbau der Gasölbetriebsbeihilfe für den schienengebundenen Verkehr sei verkehrspolitisch, energiepolitisch, strukturpolitisch, arbeitsmarktpolitisch unvernünftig und müsse unter allen Umständen blockiert werden. Das trug Ihre Unterschrift. Wir haben uns danach verhalten. Wir wollten ablehnen. Nur, wären Sie bei der Sitzung dabeigewesen, hätten wir das verhindert, was Ihre Gewerkschaft von uns gefordert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906703600
Herr Kollege Seiters, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haar?

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0906703700
Bitte sehr.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0906703800
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß dieser mein Antrag in meiner Fraktion mit drei Stimmen Mehrheit unterlegen ist? Würden Sie dann anders gehandelt haben?

(Zuruf von der CDU/CSU: Selbstverständlich!)


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0906703900
Ich habe ja durchaus Verständnis für Ihre Situation, Herr Kollege Haar; nur soll man nicht auf Gewerkschaftstagungen das Gewerkschaftsmitgliedsbuch hochhalten und die CDU kritisieren und dann in dem Augenblick, wo die CDU die eigenen Gewerkschaftsvorstellungen durchsetzen will und das auch mit eigenen gewerkschaftlichen Stimmen tun kann, sich hinter das Parteibuch der SPD zurückziehen. Darum geht es hier.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das ist noch die Frage!)

Letztes Beispiel, mir bleibt nicht mehr viel Zeit: Ich möchte noch auf den Widerspruch auch bei dem Thema ÖPNV hinweisen. Herr Antretter hat dazu sehr schöne Worte gefunden, nur, auch hier bestimmt der Finanzminister mit seinem Geld das, was geschieht. Der Finanzminister hat in seiner Stellungnahme an den Haushaltsausschuß des Bundestages ganz konkret gefordert, daß die Bahn über die eingegangenen Verpflichtungen hinaus kein weiteres Engagement im Nahverkehr mehr eingeht. Er fordert sogar ausdrücklich die Prüfung der Frage, ob die Bahn künftig überhaupt noch in die Investi-



Seiters
tionsfinanzierung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz einbezogen werden soll.
Meine Damen und Herren, auch hier ein völlig diametraler Gegensatz zwischen dem, was der Bundesfinanzminister will, und dem, was etwa der Kollege Haar oder der Kollege Antretter sagt und wo sich der Bundesverkehrsminister heraushält.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906704000
Herr Abgeordneter Seiters, Herr Kollege Haar signalisiert, er möchte gern noch eine Frage stellen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0906704100
Gern.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0906704200
Herr Kollege, können wir uns darauf verständigen, daß bei so wichtigen Fragen wie in der Verkehrspolitik unterschiedliche Positionen in allen Fraktionen bestehen, ohne daß wir uns deswegen indirekt Unredlichkeit vorwerfen müssen?

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0906704300
Herr Haar, ich bin gern bereit zu sagen, daß es mir fern lag, Sie der Unredlichkeit zu bezichtigen. Ich habe vorhin auch gesagt, daß es manchmal schwierig ist, abzuwägen bei den Entscheidungen, sich einbinden zu lassen in die Solidarität einer Fraktion. Das will ich ausdrücklich bestätigen.
Nur, wenn ich eben so manche Gewerkschaftstöne höre, die an unsere Adresse gerichtet sind, dann bitte ich auch um Verständnis für meine Aussage, für meine Position, für meine Kritik und dafür, daß ich in diesem Hause auch die Widersprüche einmal deutlich machen wollte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insgesamt, meine Damen und Herren, möchte ich zum Schluß sagen: Wer dies alles liest und analysiert, was jetzt aus dem Hause des Bundesfinanzministers gekommen ist, der muß sich zwangsläufig die Frage stellen, was der Bundesverkehrsminister zu diesen Forderungen zu sagen hat, ob er allen Ernstes glaubt, sich langfristig gegen den Bundesfinanzminister durchsetzen zu können, wie dies schließlich und endlich mit den hehren Grundsätzen der SPDBundesbahnpolitik zu vereinbaren ist, ob hier bereits der zweite Akt der Übergabe der Bundesbahnpolitik vom Verkehrsminister auf den Bundesfinanzminister eingeläutet wird und ob dies die weiteren Schritte sind, von denen Verkehrsminister Hauff in der Bundesbahnpolitik laufend redet, die er aber konkret nicht nennen will.
Ich finde, eine wichtige Konsequenz dieser Debatte muß sein, das Verwirrspiel bei der Bundesbahnpolitik in den Reihen der Koalition und der Bundesregierung endlich zu beenden. Unser Entschließungsantrag zur dritten Lesung der Bundesbahnnovelle wird dafür sorgen, daß die Bundesbahn in diesem Hause auch in den nächsten Monaten ein Dauerthema bleibt, bis endlich Klarheit darüber herrscht, was die Bürger und die Eisenbahner von dieser Bundesregierung in der Bundesbahnpolitik erwarten können.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906704400
Das Wort hat der Abgeordnete Daubertshäuser.

Klaus Daubertshäuser (SPD):
Rede ID: ID0906704500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat heute morgen 96 Minuten lang die Möglichkeit gehabt, neben einer ihr zuzugestehenden kritischen Analyse der Bahnpolitik auch ihre Konzepte, Herr Kollege Jobst und Herr Kollege Dr. Schulte, ihre Lösungsansätze und damit eine konstruktive Begleitung dieses wichtigen verkehrspolitischen Problemfeldes darzustellen. Sie wären gut beraten gewesen, einem für unser demokratisches Miteinander entscheidenden Wort unseres Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner aus dessen Rede vom 30. Juni 1960 zu folgen, in der er ausführte:
... nicht Selbstzerfleischung, sondern Miteinanderwirken im Rahmen des demokratischen Ganzen, wenn auch in sachlicher innenpolitischer Gegnerschaft. Innenpolitische Gegnerschaft belebt die Demokratie. Aber ein Feindverhältnis, wie es von manchen gesucht und angestrebt wird, tötet schließlich die Demokratie.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Meine Damen und Herren der Opposition, wären Sie den Handlungsanleitungen, die man aus diesem Zitat Herbert Wehners ableiten kann, gefolgt, dann hätten wir von Ihnen heute morgen mehr Bereitschaft für ein konstruktives Miteinander und, Herr Kollege Dr. Jobst, ein Weniger an polemischen Ausfällen erlebt.

(Beifall bei der SPD)

Man kann Sie nur bedauern, daß Sie diese Chance heute morgen nicht genutzt haben. Es war doch schlimm, in welch einer unwürdigen Art und Weise Sie, Herr Kollege Dr. Jobst, aber auch Sie, Herr Kollege Dr. Schulte, hier versuchten, die Person von Volker Hauff abzuqualifizieren. Dies kann und darf nicht zum Stil einer von sachlicher Gegnerschaft geprägten Auseinandersetzung werden.
Wenn Sie sagen, Sie hätten hier Lösungsansätze vorgelegt, kann ich nur erwidern: Diese Lösungsansätze sind nicht erkennbar gewesen. Was kam, waren schwammige globale Aussagen ohne eine konkrete Auflistung im Detail.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kritisieren Sie die Regierung!)

Was haben Sie denn hier gesagt? Harte Rationalisierungseffekte, Zukunftsinvestitionen, gemeinwirtschaftliche Leistungen in der mittelfristigen Finanzplanung ausweisen, die Bundesbahn mehr zu einem Marktpartner machen, Definition der europäischen Politik. Dann haben Sie, Herr Kollege Dr. Jobst, konkret die Trennung von Fahrweg und Betrieb angesprochen, aber im nachfolgenden Satz haben Sie diesen Vorschlag gleich wieder zurückgenommen. Als einziger konkreter Punkt blieb: kein Anwachsen der Lkw-Kontingente. Darauf hat Ihnen der Verkehrsminister geantwortet.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

Aber wir haben dies hier mit großem Interesse zur
Kenntnis genommen. All dies, was Sie hier an Ein-



Daubertshäuser
zelpunkten vorgeschlagen haben, ist doch, gemessen an den überspitzten und polemischen Attacken gegenüber dem Bundesverkehrsminister — und wenn ich dann Ihre vollmundigen Ankündigungen noch dazunehme —, außerordentlich dünn.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Seiters, wenn Sie hier von „Verwirrspielen" sprechen und Gegensätze konstruieren wollen, dann müssen Sie hier den Bundesfinanzminister doch einmal vollständig zitieren, der gesagt hat, er habe und er wolle keine Weisungsbefugnis gegenüber anderen Ressorts. Aber er wird doch Lösungsvorschläge unterbreiten dürfen. Darin unterscheidet er sich offensichtlich positiv von Ihnen, denn er hat hier wenigstens Lösungsvorschläge angeboten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der regiert ja auch!)

Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, verbale Kraftmeierei und Schuldzuweisungen lösen kein einziges Problem. Daher kann auch keine Hilfe für die Eisenbahner kommen, auch nicht für die Verkehrsnutzer, nicht für die Steuerzahler, für die Volkswirtschaft schon gar nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie jetzt mit Ihrem Sachbeitrag beginnen?)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906704600
Herr Kollege Daubertshäuser, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Seiters?

Klaus Daubertshäuser (SPD):
Rede ID: ID0906704700
Herr Präsident, ich sehe, daß ich hier nur noch elf Minuten zur Verfügung habe, weil ich als letzter Redner spreche. — Herr Kollege Seiters, ich bin sicher, daß wir diese Fragen auch im Ausschuß behandeln können. Ich bitte sehr um Nachsicht, weil ich sonst mit meiner Redezeit nicht zurande komme.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich meine, es hilft auch überhaupt nicht, Herr Kollege Lemmrich, wenn wir hier verbale Schlachten austragen; was hilft, sind Lösungsvorschläge, Handlungsanweisungen für die die Bürger draußen bedrückenden Probleme.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Sagen Sie doch etwas zur Sache!)

— Ich komme darauf. — Wenn diese harte, konkrete Sacharbeit nicht erfolgt

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: „Zur Sache, Schätzchen!")

— Herr Jobst —, dann dürfen wir uns als Parlamentarier nicht wundern, daß das Interesse draußen an unserer Arbeit nachläßt. Ich weiß nicht, ob wir heute morgen hier dazu beigetragen haben, daß dieses Interesse gesteigert wird.

(Straßmeir [CDU/CSU]: Wann liefern Sie Ihren Sachbeitrag ab?)

Dieser Hinweis auf die Gesamtverantwortung ist, glaube ich, auch deshalb berechtigt, weil Verkehrspolitik, Herr Kollege Straßmeir, eine Fachpolitik ist,

(Straßmeir [CDU/CSU]: Eben!)

auf die in unserem föderativen Staatsaufbau alle politischen Ebenen einwirken. Der Umstand, daß Verkehrspolitik und Verkehrsinvestitionen nun einmal sehr langfristig konzipiert werden müssen, daß z. B. Entscheidungen, die in den 60er Jahren getroffen oder aber auch nicht getroffen worden sind, weit über dieses Jahrhundert hinaus wirken, daß unsere Entscheidungen hier nicht rückholbar sind und auch nicht mehr kurz- oder mittelfristig neutralisiert werden können, macht Verkehrspolitik eben so schwierig. Daß in parlamentarischen Demokratien die Träger der Regierungs- und der Oppositionsfunktionen nun einmal nach gewissen Zeiträumen wechseln, kann doch bei verantwortungsvoll Handelnden nicht bedeuten, daß sie sich mit diesen wechselhaften Zeitläuften auch aus der Gesamtverantwortung stehlen wollen, wie das heute morgen bei Ihnen hier anklang.

(Beifall bei der SPD — Dr. Jobst [CDU/ CSU]: Herr Kollege Daubertshäuser, wir warten immer noch auf die Antwort auf unsere Große Anfrage!)

— Wir müssen uns, Herr Kollege Jobst, alle miteinander selbstkritisch die Frage stellen, ob wir in der Vergangenheit nicht vieles unterlassen haben, was die unternehmenspolitische Situation der Deutschen Bundesbahn hätte verbessern können.

(Feinendegen [CDU/CSU]: Bis jetzt noch kein Wort zur Sache!)

Ich will das hier an ganz wenigen Beispielen belegen.
Erstens. Haben wir nicht alle miteinander die Entscheidungen herbeigeführt, die die unterschiedlichen Investitionen in die Wegeinfrastruktur vor allem mit der Priorität Straßenbau für einen langen Zeitraum festgeschrieben haben?
Zweitens. Haben wir nicht alle miteinander einiges unterlassen, um einen fairen Wettbewerb zwischen Schiene und Straße herbeizuführen? Ich nenne in diesem Zusammenhang nur das Problem der Anrechnung der Sozialkosten und der Unfallkosten.
Drittens. Haben wir denn — alle miteinander — die Steuerungsmittel der Verkehrspolitik so eingesetzt, daß andere Benachteiligungen der Deutschen Bundesbahn hätten egalisiert werden können? Ich denke dabei an die Kontingentpolitik, an Konzessionsfragen, an technische Regulative wie Maße und Gewichte von Fahrzeugen und Transportgefäßen, Achslasten, Grenzwerte für Emissionen usw. Ich glaube, diese Fragen sind Beispiele dafür, daß wir alle miteinander, wenn wir noch zu einem vorurteilsfreien, historischen Rückblick fähig sind, zu einer Verzerrung des Verkehrsmarktes beigetragen haben und damit auch alle in der Verantwortung für die schwierige finanzielle Situation des öffentlichen Verkehrs stehen.

(Lemmrich [CDU/CSU]: Haben Sie die Mehrheit oder wir?)

— Herr Kollege Lemmrich, hier haben wir doch die schizophrene Situation, daß diejenigen, die diese Anspruchsinflation anheizen, mit denjenigen identisch



Daubertshäuser
sind, die den Eindruck, und zwar den falschen Eindruck, erwecken, der Steuerzahler zahle laufend in ein Faß ohne Boden. Daß dabei die Leistungen, die aus gesamtgesellschaftlichen Gründen gefordert werden, häufig auch noch unterschlagen werden, ist heute morgen bereits hinreichend dargestellt worden. Es muß also — ich meine: in unserem gemeinsamen Interesse — Schluß sein mit den gegenseitigen Versuchen der Schuldzuweisung. Es muß ebenso Schluß sein mit der unnützen Vergangenheitsbewältigung, die diese Debatte heute morgen über weite Strecken geprägt hat.

(Lemmrich [CDU/CSU]: Das haben Sie bei der Haushaltsdebatte auch getan, Sie persönlich!)

Da wir wollen, daß jeder Bürger wählen kann, mit welchem Verkehrsmittel er reisen will, daß die Wirtschaft entscheiden kann, mit welchem Verkehrsmittel sie ihre Waren transportiert, komme ich zu folgenden Schlußfolgerungen, und zwar im Interesse unserer Bürger, der Wirtschaft und damit letztlich auch der Eisenbahner.
Erstens. Wir müssen den objektiven Wettbewerbsnachteil der Bahn durch Zuwendungen aus der Staatskasse ausgleichen.
Zweitens. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, Kosten und Erträge in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. Hier fordere ich Sie zur sachlichen Diskussion mit uns auf. Sachliche Diskussion heißt beispielsweise nicht, die Verschuldung und ihre mögliche Weiterentwicklung als Gespenst an die Wand zu malen, sondern — umgekehrt — auch einmal die Frage zu stellen, wie hoch das Sachanlagevermögen durch Eigenkapital gedeckt ist. Das waren 1980 nämlich rund 45 %, ein Prozentsatz im übrigen, der von vielen Großunternehmen der deutschen Wirtschaft nicht erreicht wird.

(Topmann [SPD]: Sehr richtig!)

Wir Sozialdemokraten nehmen das Angebot von Bundesverkehrsminister Volker Hauff an. Seine sieben Punkte zeigen die Richtung für die Politik für das Unternehmen Deutsche Bundesbahn.
Erstens. Das Unternehmen muß kaufmännisch geführt werden; eine hierarchische Verwaltung für ein Transportunternehmen ist nicht angemessen.
Zweitens. Unsere Bundesbahn — ich sage hier bewußt: unsere Bundesbahn —, also unser aller Bundesbahn, muß weiter modernisiert werden, wenn ihr Leistungsangebot attraktiver werden soll.
Drittens. Eine Verknüpfung von Schiene, Straße, Luftverkehr und Wasserstraßen wird die vorhandenen Eisenbahnkapazitäten besser nutzen und nicht ständig neue mit hohem Investitionsaufwand anderswo schaffen müssen.
Viertens. Unsere Bundesbahn — ich wiederhole: unsere Bundesbahn — muß ihre eigenen Erträge steigern.
Fünftens. Wir alle müssen unseren Beitrag leisten, um die Steigerung des Aufwandes zu verlangsamen. Verlangsamen heißt, keine falschen Hoffnungen zu
erwecken. Ein völliges Stoppen oder ein Rückgang sind nicht zu realisieren.
Sechstens. Unsere Bundesbahn muß den Personennahverkehr aktiv mitgestalten, in dem Sinne, wie von Robert Antretter soeben dargestellt. Sie darf nicht passiv danebenstehen. Wir müssen sie drängen, daß sie die anderen Verkehrsträger zur Mitwirkung motiviert.
Siebentens. Wir müssen unserer Bundesbahn auch künftig weiter Flankenschutz durch fortschreitende Gestaltung der kontrollierten Wettbewerbsordnung in der Verkehrspolitik geben.
Bundesverkehrsminister Hauff hat heute hier seinen politischen Kurs dargestellt. Er hat seinen Handlungsrahmen vorgelegt. Mit diesen sieben Punkten kann und muß man sich auseinandersetzen. Sie sind schon deshalb uneingeschränkt zu begrüßen, weil sie es uns allen ermöglichen, diese nutzlose Vergangenheitsbewältigung, die niemand mehr hinter dem Ofen hervorlockt, beiseitezuschieben und den Blick nach vorn zu richten. Hier werden Organisation, Produktions- und Absatzfragen, sowie die Fortentwicklung des Ordnungsrahmens so prägnant angesprochen, daß man auch, Herr Kollege Jobst, im Nachhinein eine Erfolgskontrolle dieser Politik möglich machen kann.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das heißt, dieser Bundesverkehrsminister stellt sich der politischen Verantwortung, und es wäre ein Trauerspiel für dieses Parlament,

(Straßmeir [CDU/CSU]: Nicht für das Parlament, sondern für die Koalition!)

wenn wir uns nunmehr in der Rolle des ständigen Lamentierens weiterbewegten. Herr Kollege Straßmeir, wir alle sind nun aufgerufen, diese nach vorn gerichtete offensive Eisenbahnpolitik konstruktiv zu begleiten und damit auch uns in die Verantwortung zu zwingen.
Die zugegebenermaßen konstruktive Arbeit des gesamten Verkehrsausschusses im Zusammenhang mit der Beratung der Novellierung des Bundesbahngesetzes — da muß man sicher auch dem Vorsitzenden dieses Ausschusses, Herrn Lemmrich, einmal danken — darf keine Eintagsfliege bleiben, sondern dies muß auch für die weiteren Beratungen gelten. Wenn wir nicht dies tun, verliert das Parlament die Glaubwürdigkeit im wichtigsten Problembereich der deutschen Verkehrspolitik, nämlich in den Fragen der Deutschen Bundesbahn ein ernstzunehmender Gesprächspartner zu sein.
Der Zustand des Unternehmens Deutsche Bundesbahn ist ein Produkt vieler Faktoren und unterschiedlichster Einwirkungen. Weil dies so ist, gibt es auch eine gemeinsame Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen Deutsche Bundesbahn und seinen Bediensteten.
Der Bundesverkehrsminister hat heute unübersehbar verdeutlicht, daß er bereit ist, neue Akzente in der Bahnpolitik zu setzen. Ich meine, diese lohnen aufgegriffen zu werden. Nun müssen alle Partner an einen Tisch, um dann beharrlich Schritt für Schritt das Unternehmen Deutsche Bundesbahn und die



Daubertshäuser
auf das Unternehmen einwirkenden Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß die Deutsche Bundesbahn auch auf sich weiter verändernden Verkehrsmärkten wirklich eine gesicherte Zukunft haben kann. — Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906704800
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung, zur Abstimmung in zweiter Beratung über Tagesordnungspunkt 3, Drittes Gesetz zur Änderung des Bundesbahngesetzes.
Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke sehr. Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Bei überwiegender Enthaltung der Fraktion der CDU/CSU angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke sehr. Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Das Gesetz ist in dritter Beratung angenommen.
Zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Bundesbahngesetzes liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/1069 vor. Von der Fraktion der CDU/CSU wird Überweisung beantragt. Wird dem widersprochen? — Wie ich sehe, ist das nicht der Fall.
Außerdem wird vorgeschlagen, die Überweisung an den Ausschuß für Verkehr — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung vorzunehmen. — Auch darüber herrscht Einvernehmen. Oder erhebt sich dagegen Widerspruch? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Die Überweisung ist entsprechend beschlossen.
Meine Damen und Herren, entsprechend einer Vereinbarung im Ältestenrat wird eine Pause eingelegt.
Wir unterbrechen die Sitzung. Der Bundestag tritt um 14 Uhr wieder zusammen.

(Unterbrechung von 12.56 bis 14 Uhr)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906704900
Meine Damen und Herren! Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksache 9/1058 —
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Riedl (München) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Glos auf.
Entsprechen Pressemeldungen den Tatsachen, denenzufolge die japanische Luftfahrtindustrie bei der Entwicklung eines neuen Mittel- und Kurzstreckenflugzeugs mit der amerikanischen Luftfahrtindustrie statt mit der europäischen Airbus Industrie zu kooperieren beabsichtigt, und ist der Bundeswirtschaftsminister bereit, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für eine europäische-japanische Kooperation in dieser Frage zu verwenden angesichts der Tatsache, daß ein hohes europäisches Handels- und Zahlungsbilanzdefizit gegenüber Japan besteht?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0906705000
Entgegen Presseverlautbarungen der letzten Zeit hat die japanische Luftfahrtindustrie noch nicht entschieden, mit wem sie bei der Entwicklung eines neuen Kurz- und Mittelstreckenflugzeugs in der Größenordnung von 150 Plätzen zusammenarbeiten will. Verhandlungen mit Boeing McDonnell, Douglas/Fokker und Airbus Industrie dauern noch an. Allerdings wäre es keine Überraschung, wenn sich die japanische Seite für Boeing entscheiden würde. Die japanische Industrie kooperiert mit dieser amerikanischen Firma bereits bei der Boeing 767, die mit dem Airbus in direktem Wettbewerb steht. Die Entscheidung über die Kooperation zwischen Industrieunternehmen ist eine Frage der unternehmens- und betriebswirtschaftlichen Optimierung. Unter diesem Gesichtspunkt hat auch Airbus Industrie Gespräche mit Japan geführt. Die Bundesregierung sieht ebenso wie die anderen am Airbus beteiligten europäischen Regierungen keinen Anlaß, in die industriellen Verhandlungen einzugreifen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906705100
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Glos. Bitte sehr.

Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID0906705200
Herr Staatssekretär, da ich Ihrer Antwort entnehmen kann, daß ein Abschluß in dieser Hinsicht noch offen ist, frage ich Sie, ob der Bundeswirtschaftsminister in Verhandlungen z. B. der deutsch-japanischen Wirtschaftskommission seinen ganzen Einfluß geltend macht, um hier der europäischen Kooperation „Airbus Industrie" eine Zusammenarbeit mit den Japanern zu ermöglichen, auch unter dem Gesichtspunkt, daß in das Airbusprogramm erhebliche öffentliche Mittel investiert worden sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wiederhole, daß wir keinen Anlaß sehen, von Regierungsseite in diese industriellen Verhandlungen einzugreifen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, den Sie gerade genannt haben.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906705300
Die zweite Zusatzfrage. Bitte.

Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID0906705400
Herr Staatssekretär, könnte eine möglicherweise negativ ausfallende Entscheidung der japanischen Flugzeugindustrie in bezug auf die Kooperation mit der „Airbus Industrie" Einfluß auf die Überlegungen der Bundesregierung



Glos
haben, in die Enwicklung einer neuen Flugzeuggeneration mit 150 Sitzplätzen — Bezeichnung A 310 — einzutreten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein. Entscheidend bei dieser neuen Generation von Airbusflugzeugen ist für die europäischen Regierungen die Frage, welche Absatzmöglichkeiten sich für ein solches Flugzeug abzeichnen. Das ist also nicht eine Frage der industriellen Kooperation mit einem weiteren Partner. Sollten sich Absatzmöglichkeiten abzeichnen, dann wäre natürlich auch eine Absatzmöglichkeit in Japan von großer Bedeutung. Wir würden uns bei im übrigen gegebenen Absatzaussichten auch dafür einsetzen, daß solche Möglichkeiten — soweit politischer Einfluß darauf gegeben ist — eröffnet werden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906705500
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Glos auf:
Ist der Bundeswirtschaftsminister bereit, bei einem Scheitern seiner Bemühungen seine Haltung in der Frage des ungehinderten Exports, z. B. der japanischen Automobil- und Zweiradindustrie, in die Bundesrepublik Deutschland zu überprüfen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, ihre grundsätzliche handelspolitische Linie von einzelnen Kooperationsfällen auf unternehmerischer Ebene abhängig zu machen. Sie würde es im Interesse der deutschen Wirtschaft für gefährlich halten, gegenüber anderen Ländern einen Präzedenzfall dafür zu schaffen, daß handelspolitischer Druck zur Durchsetzung konkreter Kooperationsprojekte gebraucht wird.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906705600
Eine Zusatzfrage. Bitte.

Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID0906705700
Herr Staatssekretär, da am Airbus-Programm auch die französische Luftfahrtindustrie und damit öffentliche Mittel der französischen Steuerzahler beteiligt sind, frage ich: Glauben Sie, daß die französische Regierung in dieser Frage die gleiche Haltung einnehmen wird, d. h. daß es der französischen Regierung oder den französischen Partnern egal ist, inwieweit sich die Japaner in der Frage des Ausgleichs der Handelsbilanz entgegenkommend zeigen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Hier ist nicht die Frage des Ausgleichs der Handelsbilanz angesprochen, sondern die Frage einer industriellen Kooperation in einem ganz konkreten Fall. Da ist die französische Regierung nach unseren Informationen der gleichen Meinung wie wir. Es ist eine ganz andere Frage, der Zweibahnstraße im Handel mehr Nachdruck zu verschaffen. Dazu sind die intensiven Bemühungen aller europäischen Regierungen ja bekannt.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906705800
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Wie hoch waren die Exporte der Volksrepublik Polen in die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1979 und 1980, wie hoch werden sie voraussichtlich 1981 sein, und wie zeichnet sich die Erfüllung der durch Kredite vorfinanzierten Lieferungszusagen der Volksrepublik Polen ab?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: 1979 betrug der Export der Volksrepublik Polen in die Bundesrepublik Deutschland 2,207 Milliarden DM und steigerte sich im Jahr 1980 auf 2,495 Milliarden DM, d. h. er nahm um 13 % zu.
1981 liegt erst das Ergebnis der ersten drei Quartale vor. Hier betrug der Export 1,578 Milliarden DM. Das bedeutet gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, in dem Polen für 1,911 Milliarden DM hierher exportierte, eine Abnahme um zirka 17 %.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906705900
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0906706000
Sind in den letzten Monaten nicht die Einfuhren aus Polen um ein Drittel gesunken, und betraf dies auch Güter, deren Lieferung durch Kredite vorfinanziert wurde?
Grüner, Parl. Staatssekretär. Ich habe Ihnen die Zahlen der drei ersten Quartale 1981 vorgetragen. Darüber hinausgehende Zahlen liegen mir nicht vor.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906706100
Weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0906706200
Wie steht es mit der Lieferung von Kohle oder aus Kohle gewonnenen und insoweit vorfinanzierten Produkten?
Grüner, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, das würde die Frage zwei, wenn ich das recht sehe, mit umfassen.

(Dr. Czaja [CDU/CSU]: Ich habe keine Frage zwei gestellt!)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906706300
Verzeihen Sie, Herr Staatssekretär, Herr Abgeordneter Dr. Czaja hat nur eine Frage gestellt.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich bitte sehr um Entschuldigung. Ich habe leider den zweiten Teil Ihrer Frage nicht beantwortet. Erlauben Sie, daß ich das jetzt nachhole. Ich habe das übersehen.

(Dr. Czaja [CDU/CSU]: Bitte, bitte!)

Die Bundesrepublik Deutschland gewährt grundsätzlich keine Kredite zur Vorfinanzierung von Lieferungszusagen. Auch gegenüber der Volksrepublik Polen ist sie bei dieser Linie geblieben. Sie hat lediglich Kredite zur teilweisen Finanzierung von Rohstoffprojekten garantiert, bei denen sie davon ausgeht, daß die Produktion zum Erlös von Devisen verwandt wird, aus denen die Kredite dann zurückgezahlt werden können. In diesem Rahmen ist vorgesehen, daß ein Teil der Produktion in die Bundesrepublik Deutschland gelangt.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906706400
Zusatzfrage?




Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0906706500
Die Zusatzfrage, die ich gestellt habe, ist noch nicht beantwortet, da Sie auf die erste Frage noch geantwortet haben: Wie steht es mit der Lieferung von aus Kohle gewonnenen und in der Vorfinanzierung verbürgten Projekten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Soweit Projekte bereits angelaufen sind, hat es bei der Lieferung keine nennenswerten Störungen bisher gegeben. Andere Projekte befinden sich noch im Stadium der Vorbereitung. Lieferungen daraus sind erst in einigen Jahren vorgesehen. Die Frage, ob sie wie geplant durchgeführt werden können, läßt sich heute naturgemäß nicht beantworten.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906706600
Zusatzfrage des Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906706700
Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts der Situation in Polen nicht für etwas makaber, daß solche Fragen hier im Plenum des Deutschen Bundestages gestellt werden, weil doch klar ist, daß innerhalb der Volksrepublik Polen sich eine Entwicklung anbahnt, in der mehr Freiheit für die Bürger entwickelt werden soll?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es steht mir nicht zu, ein Urteil über Fragen abzugeben. Aber ich weise doch darauf hin, daß die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Polens allgemein öffentlich diskutiert werden. Sosehr ich Ihrer Bewertung hinsichtlich unserer Anteilnahme an diesen Schwierigkeiten zustimme, sowenig glaube ich, daß durch Verschweigen dieser Fragen etwas geholfen wird.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906706800
Ich rufe Frage 33 — des Abgeordneten Duve — auf:
Auf Grund welcher wirtschaftspolitischer und wirtschaftstheoretischer Maßstäbe hat der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Schlecht, anläßlich seines Besuchs in Chile seine „Bewunderung" ausgedrückt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ihre Anfrage, Herr Kollege bezieht sich auf chilenische Pressemeldungen, die ohne Kenntnis der deutschen Seite veröffentlicht worden sind.
Die chilenische Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren in der Tat Erfolge zu verzeichnen. Das Wachstum in den Jahren 1978 bis 1980 lag bei 8% pro anno. Die Exportwirtschaft wurde diversifiziert und damit die außenwirtschaftliche Abhängigkeit verringert. Die Preissteigerungsrate konnte reduziert werden und wird im Jahre 1981 voraussichtlich unter 10 % sinken. Der Haushalt ist ausgeglichen. Staatssekretär Dr. Schlecht hat die Ergebnisse der chilenischen Wirtschaftspolitik, die im wesentlichen mit marktwirtschaftlichen Mitteln erzielt worden sind, anerkannt. Er hat allerdings auch seine Besorgnis über die nach wie vor zu hohe Arbeitslosigkeit zum Ausdruck gebracht. Außerdem hat Staatssekretär Dr. Schlecht gegenüber seinen chilenischen Gesprächspartnern deutlich die politischen Vorbehalte der Bundesregierung gegenüber der gegenwärtigen Regierung in Chile zur Sprache gebracht und mehrfach seiner Hoffnung Ausdruck ge-
geben, daß Chile bald zur Demokratie zurückkehren werde.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906706900
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Duve.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID0906707000
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß zu einer solchen Beurteilung einer Volkswirtschaft auch etwa die Deutung des Erzbischofs von Santiago gehören müßte, daß nach wie vor etwa 60 % der Bevölkerung an Unterernährung leiden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ganz sicher sind alle politischen Probleme eines Landes in eine solche Betrachtung einzubeziehen, wobei das Ausmaß der Intervention — auch im Gespräch — im Einzelfall dem verantwortlich politisch Reisenden überlassen werden muß. An unserer Generallinie hat Herr Dr. Schlecht bei seinem Besuch in Chile keinen Zweifel gelassen, und er hat alle Aspekte unseres Verhältnisses zu Chile in den Gesprächen erörtert, zu denen er Gelegenheit hatte.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906707100
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Duve.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID0906707200
Herr Staatssekretär, würden Sie mir weiterhin zustimmen, daß es dem Ansehen der Bundesrepublik bestimmt keinen Schaden, sondern möglicherweise großen Nutzen zugefügt hätte, wenn der Herr Staatssekretär bei seinem Besuch gerade auf diese Sachen ganz öffentlich und sehr deutlich und nicht nur im stillen Gespräch aufmerksam gemacht hätte, so daß nur die andere Seite der Beurteilung an die Öffentlichkeit geraten ist, und würden Sie den Herrn Staatssekretär ermuntern können, nunmehr eine solche Beurteilung der Menschenrechtslage in der Diktatur hier zu veröffentlichen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich würde das nicht für zweckdienlich halten. Ich meine auch, daß es nicht zweckmäßig wäre, heute hier an dieser Stelle eine nachträgliche Beurteilung dessen, was öffentlich gesagt werden muß und was nicht gesagt werden muß, vorzunehmen. Ich meine, daß Gespräche hinter verschlossenen Türen der Sache der Demokratie in Chile unter Umständen mehr nützen können als öffentliche Deklamationen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906707300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Waltemathe.

Ernst Waltemathe (SPD):
Rede ID: ID0906707400
Herr Staatssekretär, auch wenn wir nicht beurteilen können, ob die Zeitungsmeldung in dem Teil zutrifft, in dem es heißt, die Bundesregierung stehe der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern mit Sympathie gegenüber und werde versuchen, sie im Rahmen ihrer Möglichkeit zu vertiefen, so möchte ich Sie fragen, ob trotz der Menschenrechtsverletzungen die Bundesregierung daran denkt, bessere wirtschaftliche Beziehungen zu Chile aufzubauen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege, es ist die Politik der Bundesregierung, daß wir mit allen Ländern dieser Erde gute wirtschaftliche Bezie-



Parl. Staatssekretär Grüner
hungen anstreben und diese wirtschaftlichen Beziehungen pflegen wollen. Das ist streng zu unterscheiden von finanzieller Hilfe für das eine oder andere Land. Hierbei sind andere Gesichtspunkte maßgebend als bei der Entwicklung unserer wirtschaftlichen Beziehungen. Ich darf daran erinnern, daß wir eine außerordentliche Schrumpfung unserer wirtschaftlichen Beziehungen hinnehmen müßten, wenn wir diese wirtschaftlichen Beziehungen abhängig machten von dem Maß an Demokratie, das in den Handelspartnerländern vorhanden ist, und wenn wir den Maßstab anlegen würden, den wir hier bei uns anzulegen gewohnt sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906707500
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Glos.

Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID0906707600
Herr Staatssekretär, würden Sie bitte den Kollegen von der SPD, die diese Frage stellen, klarmachen, daß es sich nicht um eine Sitzung der deutsch-chilenischen Menschenrechtskommission, sondern um eine Sitzung der deutsch-chilenischen Wirtschaftskommission gehandelt hat, und wären Sie bereit, gleichfalls darauf hinzuweisen, daß bei Anlegen strenger Kriterien an die Handhabung der Menschenrechte in den Ländern, mit denen wir Handelsbeziehungen haben, auch zwischen Deutschland und der Sowjetunion keinerlei Handelsbeziehungen bestehen dürften?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glos, ich habe auf die Grundzüge unserer wirtschaftspolitischen Linie hingewiesen, die im Sinne Ihrer Frage gehandhabt werden, unterstreiche aber die große Bedeutung, die auch bei Wirtschaftsgesprächen der Erörterung humanitärer Fragen zukommt, die wir — wo notwendig — aufgreifen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906707700
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Duve auf:
Läßt sich die Bundesregierung in ihrer Beurteilung entwicklungspolitischer Aktivitäten bei anderen Staaten der Dritten Welt von einer ähnlichen Beurteilungsgrundlage leiten wie derjenigen, die Staatssekretär Dr. Schlecht in bezug auf Chile veranlaßt hat, seine „Bewunderung" auszudrükken?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung läßt sich bei der Beurteilung der Wirtschaftspolitik anderer Länder von den Erfolgen leiten, die diese Wirtschaftspolitik für die Bevölkerung des Landes gebracht hat. Sie fühlt sich in ihrer eigenen Auffassung bestätigt, wenn dank marktwirtschaftlicher Mittel besondere Erfolge erreicht worden sind. Sie scheut sich allerdings nicht, auch auf Schwachstellen der jeweiligen Wirtschaftspolitik hinzuweisen. Staatssekretär Dr. Schlecht hat dies auch gegenüber seinen chilenischen Gesprächspartnern getan.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906707800
Zusatzfrage, bitte.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID0906707900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung denn bereit, die Aussage des Unterausschusses für Wirtschaft und Soziales der UNO-Menschenrechtskommission zur Kenntnis zu nehmen, nicht nur im Falle Chile, sondern auch anderswo? Ich darf zitieren:
Die von der Regierung angewandte Wirtschaftspolitik strebt in ihrer Natur danach, die Bedürfnisse der breiten Mehrheit der Bevölkerung, speziell der unterprivilegierten Schichten, zu opfern zugunsten der Interessen einer kleinen Elite von Großgrundbesitzern, Finanzleuten und Industriellen sowie auch herrschender Militärkreise, die mit ihren verbunden sind.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann mir ein solches Urteil nicht zu eigen machen, wäre aber dankbar, wenn die Frage an den zuständigen Kollegen hier in der Bundesregierung gerichtet würde.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906708000
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Waltemathe auf:
Soll die nach Pressemeldungen vom Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Schlecht, gegenüber der chilenischen Militärjunta zum Ausdruck gebrachte „Bewunderung" dazu führen, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre wirtschaftlichen Beziehungen mit Chile erweitert und gegebenenfalls Hilfe leistet, obwohl der seit über acht Jahren verhängte Ausnahmezustand nach wie vor und seit eineinhalb Jahren verstärkt zu Menschenrechtsverletzungen gravierenden Ausmaßes führt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ihre beiden Anfragen beziehen sich auf chilenische Pressemeldungen, die ohne Kenntnis der deutschen Seite veröffentlicht worden sind.
Staatssekretär Dr. Schlecht hat gegenüber seinen chilenischen Gesprächspartnern nicht Bewunderung geäußert, sondern lediglich anerkannt, daß die von der chilenischen Regierung verfolgte marktwirtschaftliche Politik Erfolge erzielt hat. Er hat ferner darauf hingewiesen, daß die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile noch nicht ausgeschöpft sind. Unter den Handelspartnern Chiles nimmt die Bundesrepublik Deutschland bezüglich der chilenischen Ausfuhren den ersten Platz und bezüglich der chilenischen Einfuhren den vierten Platz ein.
Die Bundesrepublik Deutschland gewährt Chile keine Hilfen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906708100
Zusatzfrage.

Ernst Waltemathe (SPD):
Rede ID: ID0906708200
Darf man aus Ihrer Antwort schließen, Herr Staatssekretär, daß unter „Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen" mit Chile die Anhebung von Hermes-Bürgschaften für private Geschäfte verstanden wird?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Jede Ausweitung der Handelsbeziehungen, soweit sie möglich ist, schließt auch diesen Aspekt ein, wobei wir die strengen Maßstäbe der Hermes-Kreditversicherung in jedem Falle anwenden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906708300
Weitere Zusatzfrage.

Ernst Waltemathe (SPD):
Rede ID: ID0906708400
Könnte die geäußerte Bewunderung, Sympathie oder Feststellung der wirtschaftlichen Fortschritte auch im Zusammenhang damit stehen, daß gegebenenfalls U-Boote nach Chile geliefert werden sollen?



Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen ja, daß die Bundesregierung eine solche Entscheidung schon getroffen hat. Sie hat mit der Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen nichts zu tun, sondern es ist an andere mögliche Geschäfte gedacht, die im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906708500
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Waltemathe auf:
Schließt die von Staatssekretär Dr. Schlecht zum Ausdruck gebrachte Bewunderung für die in Chile gemachten wirtschaftlichen Fortschritte die Kenntnis der laufenden Verschlechterung der sozialen Lage der arbeitenden und der arbeitslosen Menschen in Chile ein?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Anerkennung der wirtschaftlichen Erfolge Chiles durch Staatssekretär Dr. Schlecht schließt die Kenntnis ein, daß damit auch Verbesserungen für die Bevölkerung verbunden sind. Das reale Wirtschaftswachstum in den Jahren 1978 bis 1980 mit jahresdurchschnittlich 8 % war mit entsprechenden Reallohnsteigerungen verbunden. Allerdings hat der Staatssekretär auch seine Besorgnis über die nach wie vor zu hohe Arbeitslosigkeit zum Ausdruck gebracht.
Er hat außerdem gegenüber seinen chilenischen Gesprächspartnern deutlich die politischen Vorbehalte gegenüber der gegenwärtigen Regierung in Chile zur Sprache gebracht und mehrfach seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, daß Chile bald zur Demokratie zurückkehren werde.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906708600
Zusatzfrage.

Ernst Waltemathe (SPD):
Rede ID: ID0906708700
Herr Staatssekretär Grüner, bezogen sich die Vorbehalte, die Herr Staatssekretär Dr. Schlecht geltend gemacht hat, auch darauf, daß die wirtschaftlichen Ergebnisse offensichtlich dadurch zu erzielen sind, daß Gewerkschaften verboten und Gewerkschaftsführer verhaftet oder des Landes verwiesen werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, unser Urteil bezieht sich auf die nachweisbaren realen Wachstumsraten, auf den Rückgang der Arbeitslosigkeit trotz eines weiterhin schlechten Zustandes und hat nichts damit zu tun, daß in vielen Diktaturen Gewerkschaften verboten oder zu einem Scheindasein verurteilt sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906708800
Weitere Zusatzfrage.

Ernst Waltemathe (SPD):
Rede ID: ID0906708900
Kann man aus den Antworten, die Sie gegeben haben, schließen, daß Herr Staatssekretär Dr. Schlecht jedenfalls beeindruckt ist von den Erfolgen einer strikten Monetarismuspolitik à la Milton Friedman?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das kann man daraus nicht schließen. Man kann daraus nur schließen, daß wir über jedes Land froh sind, dessen wirtschaftliche Entwicklung nach aufwärts zeigt, weil sich dadurch die Chancen erhöhen, die großen Schwierigkeiten, die weltwirtschaftlich bestehen, zu überwinden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906709000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bindig.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0906709100
Herr Staatssekretär, hat denn Ihrer Auffassung nach die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung einen so hohen Stellenwert, daß überhaupt nicht mehr berücksichtigt wird, mit welchen Methoden und auf welche Weise eine solche wirtschaftliche Entwicklung zustande kommt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das ist damit nicht gemeint. Ich habe j a sehr deutlich gesagt, daß Herr Dr. Schlecht auch wichtige andere politische Aspekte des Regimes in Chile angesprochen hat, und zwar zusammenfassend mit dem Hinweis, daß die Bundesregierung hoffe, daß Chile recht bald zur Demokratie zurückkehren möge. Er hat übrigens auch mit Oppositionspolitikern gesprochen, die ihn darin bestärkt haben, daß Besuche in Chile gerade mit diesem Appell zur Rückkehr zur Demokratie auch im Interesse der Opposition richtig sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906709200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Duve.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID0906709300
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit der Auffassung der Akademie für christlichen Humanismus in Santiago, einer Institution der katholischen Kirche, überein, daß die — auch von Herrn Schlecht gesehene — hohe, viel zu hohe Arbeitslosigkeit eine Folge der weitgehenden Privatisierung der öffentlichen Dienste, des Gesundheits- und vor allem des Erziehungswesens ist?

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) — Warum lachen Sie?

Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, aus Mangel an Kenntnissen kann ich mich zu dieser speziellen Frage nicht äußern. Der enge Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit ist aber unbestreitbar. Erhöhtes Wirtschaftswachstum hat eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit zur Folge. Wir selber erleben im Augenblick j a im eigenen Lande, daß dieser Zusammenhang besteht. Insofern bestand Veranlassung, das reale wirtschaftliche Wachstum in Chile, das sehr beachtlich ist, auch unter dem Gesichtspunkt des Abbaus der Arbeitslosigkeit, die nach wie vor zu hoch ist, zu begrüßen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906709400
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Tillmann auf:
Wird die Bundesregierung sicherstellen, daß die von ihr im Rahmen der Maßnahmen zur Umstrukturierung der deutschen Stahlindustrie vorgesehenen Finanzmittel von den Empfängern dieser Subventionen nicht in den Ausbau der sogenannten Weiterverarbeitung, sondern auch wirklich in die Verbesserung der Struktur der eigentlichen Stahlerzeugung investiert werden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nach dem Entwurf des Gesetzes über die Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie können nur Investitionsvorhaben zur Produktion von Stahl im Sinne des EGKS-Vertrags gefördert werden. Auf Grund einer im Gesetzentwurf vorgeschriebenen Einzelprüfung, in die eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingeschaltet wird, können auch bei Stahl-



Parl. Staatssekretär Grüner
unternehmen mit angegliederter Weiterverarbeitung nur Investitionsvorhaben im EGKS-Stahlbereich als förderbar anerkannt werden. Sollte eine ausgezahlte Zulage zweckentfremdet werden, wäre sie zurückzuzahlen. Außerdem kann in einem derartigen Falle der Tatbestand des Subventionsbetruges mit strafrechtlichen Folgen vorliegen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906709500
Eine Zusatzfrage.

Ferdinand Tillmann (CDU):
Rede ID: ID0906709600
Herr Staatssekretär, können Sie unabhängig vom Investitionszulagengesetz bestätigen, daß die im Rahmen einer regionalen Flankierung der Strukturmaßnahmen der deutschen Stahlindustrie vorgesehenen Investitionszulagen von 8,75 % für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen allen investitionswilligen Unternehmen — gleich welcher Größe und Branche — und nicht etwa nur Unternehmen der Stahlindustrie gewährt werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Unter diesen regionalen Gesichtspunkten ist es richtig, daß sie allen gewährt werden, die zusätzliche Arbeitsplätze schaffen und im übrigen die Voraussetzungen nach dem Investitionszulagengesetz erfüllen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906709700
Ich rufe die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Tillmann auf:
Sieht die Bundesregierung die Gefahr für mittelständische Unternehmen der Stahlverarbeitung, die dadurch entstehen könnte, daß von der Bundesregierung gewährte Strukturhilfen für die Stahlindustrie nicht in die Verbesserung der Produktionsverhältnisse der Stahlindustrie, sondern in die der Stahlerzeugung nachfolgenden Produktionsstufen investiert werden, und ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß dadurch Wettbewerbsverzerrungstatbestände geschaffen würden, die auch noch von den durch diese Tatbestände benachteiligten mittelständischen Unternehmen über ihre Steuerzahlungen finanziert werden müßten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Da die Investitionshilfen eindeutig auf den Bereich der Stahlerzeugung begrenzt sind, sieht die Bundesregierung die von Ihnen angesprochene Gefahr für mittlere und kleinere Unternehmen der Stahlverarbeitung nicht. Vor Gewährung einer Stahlinvestitionszulage ist darüber hinaus nach dem Gesetzentwurf in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob das Investitionsvorhaben für die Wettbewerbsverhältnisse unbedenklich ist.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906709800
Keine Zusatzfragen.
Der Fragesteller der Fragen 41 und 42, Herr Abgeordneter Dr. Jahn (Münster), hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich bedanke mich sehr, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Ist es richtig, daß die Planungsgruppe im Bundesernährungsministerium vorschlägt, die Agrarpreise in der EG den Weltmarktpreisen für Agrarprodukte anzupassen, d. h. erheblich zu senken?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID0906709900
Herr Kollege, gestatten Sie, daß ich die Fragen 43 und 44 gemeinsam beantworte?

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906710000
Ist der Fragesteller damit einverstanden? — Dann rufe ich noch die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Ist es richtig, daß die im Bundesernährungsministererium erarbeiteten Agrarpreisvorstellungen weitgehend mit den Preissenkungsvorschlägen der EG-Kommission im sogenannten Mandatspapier und den Erläuterungen dazu übereinstimmen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Planungsgruppe meines Hauses hat sich nicht für eine Senkung der gemeinsamen Agrarpreise ausgesprochen. Um Mißverständnissen vorzubeugen, darf ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es nicht Aufgabe der Planungsgruppe ist, selbst Entscheidungen zu treffen. Vielmehr hat sie Entscheidungshilfen für den politisch verantwortlichen Minister zu erarbeiten. Die in Ihrer Frage ebenfalls genannten Papiere der EG-Kommission können nicht im Sinne einer nominalen Preissenkung interpretiert werden.
Was die Bundesregierung anbelangt, so ist Ihnen bekannt, daß sie sich für eine vorsichtige Preispolitik, insbesondere bei Produkten mit sturkturellen Marktungleichgewichten, ausgesprochen hat. Bei einer vorsichtigen Preispolitik kann bei steigenden Weltmarktpreisen eine Annäherung der Gemeinschaftspreise an die Weltmarktpreise erfolgen, wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906710100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0906710200
Herr Staatssekretär, können Sie Pressemeldungen bestätigen, wonach die Planungsgruppe in bezug auf die Zielvorgabe für den Agrarbericht 1982 eine wesentliche Veränderung vorschlägt, die genau in diese Richtung zielt? Das heißt, daß nicht mehr darin stehen wird, daß die Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommens-und Wohlstandsentwicklung teilhaben soll?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann hier nur das bestätigen, was ich bereits ausgeführt habe, nämlich daß ich der Planungsgruppe das Denken nicht verbieten kann. Im Gegenteil, sie ist dazu eingesetzt, über alle Aspekte der Agrarpolitik nachzudenken. Ob ein Mitarbeiter des betreffenden Presseorgans Zugang zur Planungsgruppe meines Hauses hat, weiß ich nicht.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906710300
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0906710400
Darf ich Sie denn fragen, Herr Staatssekretär, ob es richtig ist, daß nicht nur in dem Mandatspapier der Kommission, sondern auch im Papier der Bundesregierung — dem sogenannten Dohnanyi-Papier — eine Preisveränderung von der Bundesregierung vorgeschlagen wird, die nicht dem



Eigen
Kostenwachstum entspricht, sondern die real eine wesentliche Preissenkung ausmacht?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe von dieser Stelle aus bereits mehrmals in der Beantwortung entsprechender Fragen dargelegt, daß die Bundesregierung bei der Festlegung der Agrarpreise in der EWG eine vorsichtige Preispolitik anstrebt. Das bedeutet aber keine nominale Preissenkung der Agrarpreise in der EWG. Es kann aber unter Umständen eine reale Preissenkung bedeuten.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906710500
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0906710600
Herr Staatssekretär, natürlich darf die Planungsgruppe denken, aber der Minister muß das Gedachte nicht übernehmen. Jetzt aber meine Frage an Sie: Werden wir — die Vorbereitungen für den Agrarbericht 1982 sind ja in vollem Gange — damit rechnen dürfen, daß die Zielvorgaben der Bundesregierung im Agrarbericht 1982 anders aussehen werden als im Agrarbericht 1981, und wenn, dann wie anders?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie können von mir heute nicht erwarten, daß ich zu einem Zeitpunkt, wo in unserem eigenen Hause vom Minister noch nicht darüber entschieden ist, wie der Agrarbericht endgültig aussehen wird, entsprechende Pressemeldungen bestätigen oder dementieren kann. Ich bedaure zutiefst, daß zu dieser Zeit Meldungen in die Öffentlichkeit lanciert worden sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906710700
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0906710800
Herr Staatssekretär, wenn Sie im Positionspapier der Bundesregierung an die Kommission von einer realen Preissenkung ausgehen, in welcher Weise haben Sie dann vorgesehen, das Einkommen der Landwirte in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten bzw. einen Ausgleich vorzunehmen, wie es in Frankreich geschieht?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe gesagt, eine vorsichtige Preispolitik kann bei gewissen Produkten auch eine reale Preissenkung bedeuten. Um was es heute geht, ist, die Marschrichtung in bezug auf die Verhandlungen bei der EG festzulegen. Was dabei am Ende als Kompromiß herauskommt, muß zunächst einmal abgewartet werden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906710900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0906711000
Herr Staatssekretär, nachdem Sie jetzt schon des öfteren den Begriff „vorsichtige Preispolitik" in die agrarpolitische Diskussion eingeführt haben, wären Sie dann vielleicht jetzt bereit, diesen Begriff einmal zu definieren und zu quantifizieren?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich möchte diesen Begriff in dem Sinne auslegen, wie er
von diesem Parlament am 27. Juni 1979 nachts um 22.30 Uhr behandelt wurde, nämlich daß die Ausgaben der EG die 1-%-Mehrwertsteuer-Grenze nicht überschreiten dürfen und daß von daher gesehen eine vorsichtige Preispolitik zu entwickeln ist, die keine übermäßigen Zusatzkosten für die EG-Agrarpolitik verursacht.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906711100
Eine weitere Zusatzfrage.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0906711200
Herr Staatssekretär, auch wenn wir der Diskussion diesen Parlamentsbeschluß zugrunde legen: Sind Sie bereit, zu erklären, daß es in diesem Jahr möglicherweise nicht nötig ist, eingesetzte Gelder in Anspruch zu nehmen, so daß also dieses eine Prozent, wie vom Parlament festgelegt, sicherlich nicht alleiniger Maßstab für die Preisdiskussion sein kann?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie so wollen, ist das ein Erfolg dieser Politik und auch der EG-Kommission, mit dem Limit von 1 % möglichst lange auszukommen. Es resultiert auch aus der Tatsache, daß wir günstige Konstellationen auf dem Weltmarkt und günstige Konstellationen beim Dollarkurs gehabt haben. Beim Dollarkurs hat sich die Entwicklung bereits wieder in das Gegenteil verkehrt, und die Weltmarktpreise verändern sich laufend. Ob sich langfristig diese jetzt günstige Konstellation aufrechterhalten läßt, muß zunächst einmal abgewartet werden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906711300
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitz (Baesweiler).

Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID0906711400
Herr Staatssekretär, ich darf auf den Ausgangspunkt der Fragestellung zurückkommen. Teilen Sie die Auffassung Ihrer Planungsgruppe, daß die Abstimmungen zwischen den Ressorts ergeben haben, daß die Zielvorgabe im Agrarbericht von den übrigen Ressorts der Bundesregierung nicht mehr geteilt wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann nur bestätigen, daß der Agrarbericht vom Minister noch nicht gebilligt worden ist. Der Minister entscheidet letzten Endes darüber, was zu geschehen hat. Die Planungsgruppe hat vorauszudenken; das ist ihre Aufgabe. Ich muß noch einmal sagen: Daß diese Meldung an die Öffentlichkeit gelangt ist, kann ich nur bedauern.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906711500
Eine weitere Zusatzfrage.

Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID0906711600
Herr Staatssekretär, ich darf Sie noch konkreter fragen. Wieso kommen Sie, nachdem Sie klargestellt haben, daß eine Planungsgruppe denken muß, zu dem Ergebnis, daß innerhalb der Ressorts keine Zustimmung zur Zielvorstellung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mehr gegeben ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist nicht die Aufgabe der Planungsgruppe, festzustellen, was die anderen Ressorts denken, sondern es ist die Aufgabe der Planungsgruppe, über mögliche Konstellationen und Alternativen nachzudenken.




Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906711700
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906711800
Herr Staatssekretär, da die Frage darauf zielt, inwieweit im Agrarmarkt der Europäischen Gemeinschaft Preisfestlegungen und Preisfestsetzungen erfolgen sollen — der eine will die Preise höher, der andere niedriger angesetzt wissen —, möchte ich Sie fragen, ob es richtig ist, daß der Agrarmarkt als Markt, nämlich als Ort, an dem Wettbewerb stattfindet, gar nicht funktioniert. Wie stehen Sie zu der Meinung, daß das Marktgeschehen, also der Wettbewerb und das Realisieren von Preisen innerhalb des Marktgeschehens, verbessert werden muß, statt sozusagen eine Käseglocke über die Landwirtschaft zu stülpen, so daß kein Markt mehr stattfindet?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe hier mehrmals erklärt, daß die Politik der Bundesregierung darauf ausgerichtet ist, daß im Rahmen der europäischen Marktordnungen soviel Markt wie möglich stattfinden kann. Wenn auf Grund dieser Tatsache der Markt mehr hergibt als die Interventionspreise, wie das z. B. im Augenblick im Bereich des Fleischmarktes der Fall ist, dann kommt das den Landwirten zugute. Das ist es, was wir anstreben.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906711900
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Schmitz (Baesweiler) auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß es in der Bundesregierung erhebliche Widerstände gegen die im Agrarbericht genannte Zielstruktur „Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum sowie gleichrangige Teilnahme der in der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei Tätigen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung' gibt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schmitz, die Zielstruktur des BML dient dazu, die agrarpolitische Entscheidungsfindung und den effizienten Einsatz öffentlicher Mittel zu erleichtern. Es ist daher erforderlich, daß die Zielstruktur periodisch fortgeschrieben wird. Demgemäß wird die Bundesregierung auch im Agrarbericht 1982 Anpassungen der Zielstruktur vornehmen. Relevante Änderungen an der Zielstruktur, auf die Ihre Fragen offenbar Bezug nehmen, sind jedoch von der Bundesregierung nicht beabsichtigt.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906712000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitz.

Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID0906712100
Herr Staatssekretär, wird die Vorgabe des letzten Agrarberichts für den Agrarbericht 1982 übernommen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann nur noch einmal bestätigen, daß die Entscheidung in unserem Haus noch nicht gefallen ist. Es ist aber eine Tatsache, daß sich im Laufe der Zeit die Gewichte der einzelnen Ziele verschieben können. Das muß dann auch im Agrarbericht seinen Ausdruck finden; das ist ganz klar. Aber es ist so, wie ich gesagt habe: daß von der Bundesregierung relevante Änderungen nicht vorgesehen sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906712200
Zusatzfrage.

Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID0906712300
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Hohen Hause mitzuteilen, daß die Schlußredaktion für den Agrarbericht 1982 stattgefunden hat?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Nein, ich habe hier mehrmals gesagt, daß sie nicht stattgefunden hat. Der Minister hat die Schlußbesprechung noch nicht abgehalten. Voraus geht dem eine Besprechung des Parlamentarischen Staatssekretärs mit den zuständigen Mitarbeitern, die ebenfalls noch nicht stattgefunden hat.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906712400
Keine Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Schmitz (Baesweiler) auf:
Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Verbesserung der sozialen Sicherung der in der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei Tätigen als abgeschlossen zu betrachten und zukünftig lediglich noch als politisches Ziel die soziale Sicherung der in der Land- und Forstwirtschaft Tätigen zu nennen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schmitz, wie Sie wissen, haben Bundesregierung und Bundestag gemeinsam seit 1969 die agrarsoziale Sicherung sukzessiv weiter ausgebaut und hinsichtlich der Leistungs- und Beitragsgestaltung abgerundet. Die landwirtschaftliche Bevölkerung ist heute gegen die sozialen Grundrisiken in einer Weise gesichert, wie sie vor Beginn der sozialliberalen Koalition kaum denkbar erschien. Zukünftig wird es verstärkt darauf ankommen, das Erreichte zu sichern.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906712500
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitz.

Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID0906712600
Herr Staatssekretär, nachdem Sie soeben, was die Zielstruktur bezogen auf die Einkommensverbesserung der Landwirtschaft angeht, erklärt haben, keine substantiellen Änderungen vornehmen zu wollen, frage ich Sie: Was meinen Sie damit, wenn Sie jetzt sagen, daß die Phase der Konsolidierung in der Agrarsozialpolitik erreicht ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin der Auffassung, daß mit der Einführung der Witwenrente, die von diesem Hohen Hause beschlossen worden ist, eine Abrundung des Gesamtbereichs der agrarsozialen Sicherung erreicht worden ist. Damit ist er praktisch abgeschlossen und wird sich jetzt ganz natürlich weiterentwickeln.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906712700
Zweite Zusatzfrage.

Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID0906712800
Teilen Sie damit die Auffassung Ihrer Planungsgruppe, daß eine Verbesserung der Agrarsozialstruktur insgesamt nicht mehr möglich ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie unter Verbesserung verstehen, weitere öffentliche Mittel in die agrarsoziale Sicherung fließen zu lassen, muß ich sagen, daß das in den nächsten Jahren nicht möglich sein wird. Wenn Sie aber unter Verbesserung verstehen sollten, daß die Landwirt-



Parl. Staatssekretär Gallus
schaft selbst mit dazu beiträgt, daß eine Verbesserung zustande kommt, dann ist das offen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906712900
Weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0906713000
Herr Staatssekretär, nennen Sie es „Sicherung des Erreichten in der Sozialpolitik", wenn die Bundesregierung 1982 sowohl bei der Berufsgenossenschaft als auch bei der Alterskasse empfindliche Kürzungen vornimmt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Tatsache ist, daß im Etat 1981 für den agrarsozialen Bereich 3,68 Milliarden DM zur Verfügung gestellt werden. Für 1982 sind das derzeit 3,64 Milliarden DM, also 1,1 % weniger. Es ist nämlich so, daß auf der einen Seite 210 Millionen DM bei der Alterskasse und 60 Millionen DM bei der Berufsgenossenschaft gestrichen worden sind, daß aber auf der anderen Seite der Staat verpflichtet ist, für die alte Last mehr Geld aufzuwenden. Deshalb sind es 1982 in etwa so viel Mittel wie 1981.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906713100
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906713200
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß anläßlich der Sitzung in diesem Hohen Hause 1972 bei der Beschlußfassung über die Alterssicherung der Landwirte die CDU/ CSU durch ihren Sprecher erklärt hat, daß sie auf eine Beteiligung aus Steuermitteln für diese Alterskasse verzichtet, weil sie — so wörtlich der Abgeordnete Wehking — kein Staatsbauerntum entwickeln möchte?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe die damalige Sitzung des Hohen Hauses nicht mehr im Gedächtnis. Ich müßte da im Protokoll nachschauen.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Ich danke Ihnen! Tun Sie das!)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906713300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Susset.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0906713400
Herr Staatssekretär, würden Sie Ihrem Kollegen Immer mitteilen, daß die landwirtschaftliche Krankenkasse im Jahre 1972, das Altershilfegesetz dagegen schon im Jahre 1957 beschlossen worden ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Es stimmt, Herr Kollege Susset, was Sie hier sagen, aber beides betrifft den Bereich der agrarsozialen Sicherung.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906713500
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Baack, bitte.

Herbert Baack (SPD):
Rede ID: ID0906713600
Herr Staatssekretär, Sie stellten gerade die Summe von 3,68 Milliarden DM in den Raum, mit der die Sozialhilfe der Landwirte bezuschußt wird. Für mich stellt sich die Frage: Wie groß ist der Personenkreis, der an diesen 3,68 Milliarden DM partizipiert?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin jetzt überfragt. Ich kann Ihnen die genaue Zahl unserer Altersgeldempfänger sowie der Versicherten bei der Krankenkasse und bei der Berufsgenossenschaft jetzt nicht aus dem Stegreif nennen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen das schriftlich nachzureichen.

(Baack [SPD]: Das wäre sehr nett! Danke schön!)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906713700
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Martiny.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0906713800
Herr Staatssekretär, es ist sicherlich zuviel verlangt, daß Sie die genaue Zahl wissen, aber könnten Sie vielleicht größenordnungsmäßig sagen, ob es sich um 250 000, um 500 000 oder um 1 Million Menschen handelt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ich habe soeben erklärt, daß ich die Zahl schriftlich übermitteln werde. Es ist schwierig, dies hier exakt zu sagen, weil die Zahlen in den einzelnen Bereichen unterschiedlich sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906713900
Keine Zusatzfragen mehr.
Frage 47 des Herrn Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 48 des Abgeordneten Immer auf:
Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über ökologische oder physiologische Gründe für eine gesundheitsschädigende Anreicherung von Giftstoffen bzw. Schwermetallen in sonst durchaus für die Ernährung geeigneten inneren Organen von Schlachttieren vor, und sieht sie sich gegebenenfalls in der Lage, die Ursachen „an der Quelle" durch regionale Begrenzungen oder schärfere Festlegungen von Grenzwerten bei Futtermitteln zu bekämpfen an Stelle von Warnungen an die Adresse der Verbraucher?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, das Vorkommen unerwünschter Stoffe in und auf Futtermitteln läßt sich nicht völlig vermeiden. Dabei sind stoffgruppenspezifisch verschiedene Ursachen zu nennen, wie z. B. aktuelle Emissionen; Überschwemmungen; Aufbringung von Kompost, Müll, Schlamm oder Baggergut; Anwendung von Pflanzenbehandlungs- oder Vorratsschutzmitteln.
Je nach Art des Stoffes findet im Tierorganismus eine vollständige Ausscheidung — mit oder ohne Metabolisierung —, eine Anreicherung in Geweben und Organen oder gar eine Schädigung des Tieres statt. Bevorzugte Organe für die Anreicherung von Rückständen an Schadstoffen sind dabei die Niere als Hauptausscheidungsorgan und die Leber als zentrales Stoffwechselorgan.
Aus der Verpflichtung heraus, unbedenkliche Nahrungsmittel sicherzustellen, ist die Bundesregierung bemüht, frühzeitig in erkennbare Belastungsketten einzugreifen, wobei die Maßnahmen im einzelnen sich jeweils an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen unter Berücksichtigung der aktuellen Situation zu orientieren haben. Unter diesen Voraussetzungen sind im Futtermittelrecht für eine Reihe von Schadstoffen Höchstmengen festgelegt, die bei der Herstellung von Futtermitteln und deren



Parl. Staatssekretär Gallus
Verfütterung einzuhalten sind, so z. B. für Arsen, Blei, Fluor, Quecksilber und verschiedene Schädlingsbekämpfungsmittel. Zur Zeit werden Vorschläge erarbeitet für die Festlegung von Höchstmengen für Kadmium sowie für weitere Isomere des Hexachlorcyclohexan. Darüber hinaus prüft die Bundesregierung z. Z., in welchem Umfang regionalen Gegebenheiten durch besondere Maßnahmen begegnet werden kann.
Dennoch wird es wegen der weltweiten Verbreitung bestimmter Stoffe in der Umwelt, z. B. bei Blei und Kadmium, und ihrer möglichen Anreicherung im tierischen Organismus, z. B. in den Nieren, auch zukünftig nicht zu umgehen sein, ergänzend Verzehrsempfehlungen für die Bevölkerung herauszugeben.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906714000
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Immer, bitte.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906714100
Herr Staatssekretär, dann wird also nach Ihrer Meinung nicht daran gedacht, etwa eine Bodenkartierung für Bodenuntersuchungen herzustellen, die Ausweis darüber geben könnte, in welchen Bereichen ganz bestimmte Grenzwerte für die Futtermittelherstellung oder für die Nahrungsmittelherstellung überschritten werden.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin der Auffassung, daß die Belastung der deutschen Böden im großen und ganzen bei weitem noch nicht so weit fortgeschritten ist, daß etwas Derartiges notwendig ist. Aber es kann durchaus sein, daß ein derartiger Stand in gewissen Gebieten in Zukunft erreicht wird und daß dann solche Karten notwendig werden; das kann ich nicht bestreiten. Aber im Augenblick denkt die Bundesregierung nicht daran.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906714200
Eine weitere Zusatzfrage.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906714300
Da das Abfallbeseitigungsgesetz insbesondere im Hinblick auf die Ausbringung von Klärschlamm im Augenblick novelliert wird, möchte ich Sie fragen: Inwieweit trifft die Bundesregierung Maßnahmen oder veranlaßt sie gesetzliche Regelungen mit dem Ziel, daß die Quellen für die Einleitung insbesondere von Schwermetallen in den Klärschlamm, die dann wirksam werden, verstopft werden, insbesondere auch deshalb, um zu vermeiden, daß die Landwirte, die solche Klärschlämme aufnehmen, in eine Haftungssituation hineingeraten?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Klärschlammverordnung ist das eine. Hinsichtlich einer Verordnung für das wichtige Schwermetall, das uns zusätzlich Sorge bereitet, Kadmium, wird es wohl so sein, daß man in bezug auf die Einleitung in die Kläranlagen um eine Lösung hier nicht herumkommt. Aber zunächst einmal geht es um die Klärschlammverordnung. Hier ist es so, daß der Klärschlamm vorher untersucht wird und dann, wenn die Belastung zu hoch ist, deponiert werden muß. Im übrigen schreibt die Klärschlammverordnung vor, daß die in aufgebrachtem Klärschlamm enthaltenen durchschnittlichen Werte von Schadstoffen so gering sein müssen, daß sie keine Schäden in der Landwirtschaft verursachen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906714400
Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitz.

Hans Peter Schmitz (CDU):
Rede ID: ID0906714500
Herr Staatssekretär, da der Herr Kollege Immer dieses Schadstoffkataster gefordert hat, möchte ich Sie fragen, ob auch daran gedacht ist, dabei die Haus- und Gemüsegärten eventuell mit einzubeziehen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe hier gesagt, daß die Bundesregierung an etwas Derartiges nicht denkt. Aber wenn ich an gewisse Gebiete z. B. in Norddeutschland, etwa an die Bleibelastung bei Nordenham, und an Gebiete in Baden-Württemberg denke, in denen z. B. von einer Zementfabrik eine hohe Kadmiumbelastung ausgeht, wovon gerade Gemüsegärten betroffen sind, so wird man in diesen eng abgegrenzten Bereichen nicht darum herumkommen, entsprechende Bodenuntersuchungen zum Schutze der Bevölkerung anzustellen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906714600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0906714700
Herr Staatssekretär, würden Sie bestätigen, daß die Importe von Rohstoffen für die Futtermittelherstellung mehr Schadstoffe enthalten als zulässig und daß deswegen eine Beimischung deutscher Futtermittel über das Futtermittelgesetz erzwungen wird, damit das höchstzulässige Maß unterschritten wird, damit also nicht zu viele Schadstoffe in den Futtermitteln sind, und hätten Sie die Möglichkeit, über eine Novellierung des Futtermittelgesetzes dafür zu sorgen, daß keine Rohstoffe mit überhöhtem Schadstoffgehalt importiert werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Futtermittelverordnung gilt auch für die importierten Futtermittel.

(Zuruf des Abg. Eigen [CDU/CSU])

— Zumindest kann in der Bundesrepublik Deutschland kein Futtermittel zum Landwirt kommen, das die Höchstwerte überschreitet. Tatsache ist — dazu wollte ich gerade kommen; Sie haben mich unterbrochen, Herr Kollege —, daß die Gehalte an Schadstoffen durch Verschnitt gemindert werden müssen. Das muß in vielen Fällen gemacht werden; das stimmt.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906714800
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0906714900
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß der Verschnitt praktisch nur bei Mischfuttermitteln möglich ist, daß aber bei Futtermitteln, die als Einzelfuttermittel auf den Markt kommen, keine Vermischungsmöglichkeit mehr besteht?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Soweit das in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird und dann



Parl. Staatssekretär Gallus
als Einzelfuttermittel verfüttert werden soll, gelten auch hier die Höchstmengengrenzen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906715000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Herberholz.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0906715100
Herr Staatssekretär, haben Sie Erkenntnisse darüber, bei welchen importierten Futtermitteln welche Schadstoffe besonders häufig auftreten, so daß der höchstzulässige Gehalt überschritten ist, und aus welchen Ländern diese Futtermittel importiert werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin im Augenblick überfordert, ein Futtermittel und ein Land zu nennen, worauf das zutrifft. Ich gebe Ihnen das aber gern schriftlich.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906715200
Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Minister Huber zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Herberholz auf:
Kann die Bundesregierung Meldungen bestätigen, wonach in in der Bundesrepublik Deutschland geerntetem Getreide Kadmium entdeckt wurde, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls gegen diese Gesundheitsschädigung zu unternehmen?
Bitte, Frau Minister.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0906715300
Herr Kollege Herberholz, der Bundesregierung ist bekannt, daß Kadmium weltweit vorkommt und sich auch in unserem Getreide findet. Die Untersuchungsergebnisse sind von der Zentralen Erfassungs- und Bewertungsstelle für Umweltchemikalien des Bundesgesundheitsamts datenmäßig erfaßt. Diese Stelle ist unter der Abkürzung ZEBS bekannt. Die Daten werden dort ausgewertet und auch veröffentlicht.
Auf der Grundlage der im ZEBS-Bericht 1/79 unter dem Titel „Blei, Kadmium, Quecksilber in und auf Lebensmitteln" veröffentlichten Daten hat das Bundesgesundheitsamt in den Richtwerten von 1979 für „Blei, Kadmium und Quecksilber in und auf Lebensmitteln", denen auch toxikologische Überlegungen zugrunde gelegt wurden, für Getreide einen Richtwert von 0,1 Milligramm pro Kilogramm für Kadmium bekanntgegeben (Bundesgesundheitsblatt 22 Nr. 15 vom 20. Juli 1979). Die von der ZEBS und auch von der Bundesforschungsanstalt für Getreide- und Kartoffelverarbeitung in Detmold ermittelten Durchschnittswerte liegen weit unter diesem Richtwert. Dr. Lorenz von der ZEBS hat anläßlich des Hearings im Oktober in Berlin über Kadmium erklärt, daß sich die Kontamination, insbesondere der Schwermetalle nicht wesentlich geändert hat. Die Bundesregierung unternimmt natürlich alle Anstrengungen, um die Belastung der Umwelt und damit der Nahrungskette mit Kadmium weiter zu reduzieren.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906715400
Eine Zusatzfrage, bitte.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0906715500
Frau Minister, wenn nun aber regional höhere Werte festgestellt werden, wie ich z. B. einer Pressemitteilung des „Hamburger Abendblatts" vom 29. September entnehme, daß nämlich 1,4 Milligramm je Kilo festgestellt wurden, würden Sie dann Formulierungen dieser Presse, wie „Giftgetreide" oder „verseuchtes Futter muß verboten werden", zustimmen?
Frau Huber, Bundesminister: Wenn der Richtwert überschritten wird, würde ich dem zustimmen. Ich möchte Ihnen aber mitteilen, daß die Werte im allgemeinen weit unterschritten werden und daß die Zahl der Verstöße, was z. B. den Weizen betrifft, auf den sich Ihre Frage bezog, im Jahre 1980 unter der des Jahres 1979 lag.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906715600
Eine weitere Zusatzfrage, bitte Herr Abgeordneter.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0906715700
Frau Minister, in diesem Pressebericht wird den zuständigen Gesundheitsbehörden vorgeworfen, sie würden in diesem konkreten Fall die Gefahr, die von Kadmium im Getreide ausgeht, bagatellisieren. In diesem Zusammenhang fallen Formulierungen wie „fahrlässig", „leichtsinnig" und „in hohem Maße verantwortungslos" gegenüber den zuständigen Behörden. Könnten Sie auch dem zustimmen?
Frau Huber, Bundesminister: Das Bundesgesundheitsamt und mein Haus bagatellisieren die Fragen nicht. Die Frage der praktischen Durchführung ist eine andere. Wenn Verstöße bekannt werden und diese erheblich sind, würde ich dem zustimmen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906715800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906715900
Frau Minister, sollte nicht eine Analyse beigegeben werden, wenn Landwirte Futtermittel oder Bäcker Getreide verwenden, damit sie wissen, welche Werte unter- oder überschritten werden?
Frau Huber, Bundesminister: Solange die Werte so deutlich unter den Richtwerten liegen, ist dies wohl nicht erforderlich. Ich will damit aber für die Zukunft keine andere Entwicklung ausschließen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906716000
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragestellerin der Fragen 50 und 51, Frau Abgeordnete Dr. Neumeister, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Der Fragesteller der Fragen 52 und 53, Herr Abgeordneter Fiebig, hat seine Fragen zurückgezogen.
Die Fragesteller der Fragen 54 und 55, Herr Abgeordneter Purps, und 56 und 57, Herr Abgeordneter Müller (Wesseling), haben um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 58 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:



Vizepräsident Wurbs
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, bei Lebensmitteln den Salzgehalt zu deklarieren, um diätbedürftigen Kranken oder Übergewichtigen eine Orientierung zu bieten?
Bitte, Frau Minister.
Frau Huber, Bundesminister: Frau Kollegin Martiny, in der neuen Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung, die gegenwärtig dem Bundesrat vorliegt und voraussichtlich Ende dieses Jahres in Kraft treten wird, ist eine wesentliche Erweiterung der Kennzeichnungsvorschriften vorgesehen. Bei Lebensmitteln, die in Fertigpackungen an Verbraucher abgegeben werden, wird grundsätzlich ein Verzeichnis der Zutaten anzugeben sein, in dem, von gewissen Ausnahmen abgesehen, die einzelnen Zutaten in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils anzuführen sind. Durch die Angabe von Salz in der Zutatenliste erhalten alle Verbraucher, die Kochsalz meiden müssen, eine wichtige Entscheidungshilfe.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906716100
Zu einer Zusatzfrage Frau Martiny-Glotz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0906716200
Frau Minister, teilen Sie die Ansicht der Mediziner, daß die Kennzeichnung von Kochsalz in Nahrungsmitteln für Bluthochdruckkranke und Übergewichtige von ganz besonderer Bedeutung ist, und halten Sie die Erkenntnisse in der Bevölkerung in dieser Frage für ausreichend?
Frau Huber, Bundesminister: Ich kann nicht beurteilen, ob die Erkenntnisse in der Bevölkerung, was diese Frage angeht, schon ausreichend sind. Aber ich teile die Ansicht, daß die Salzfrage von Bedeutung ist. Deshalb möchte ich Sie darauf hinweisen, daß unsere Vorschriften für diätetische Lebensmittel dies berücksichtigen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906716300
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0906716400
Darf ich Sie dann noch fragen, ob die Ergebnisse eines zweitätigen Hearings, das in diesem Zusammenhang in den vereinigten Staaten stattgefunden hat, wo die Frage der Salzkennzeichnung diskutiert worden ist, auch in Ihre Beratungen und Überlegungen Eingang finden? In dem Hearing ist nämlich eine solche Kennzeichnung für zwingend erachtet worden.
Frau Huber, Bundesminister: Frau Kollegin Martiny, über das, was wir mit der neuen Kennzeichnungsvorschrift vorhaben, die sehr bald in Kraft treten soll, können wir im Moment nicht hinausgehen; denn angesichts der EG-Kennzeichnungsrichtlinie sind wir dazu nicht ermächtigt. Wollten wir weitergehen, so bedürfte es einer Abstimmung in der EG. Eine solche Abstimmung wäre im Moment wohl etwas schwer zu erzielen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906716500
Die Frage 59 der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein wird auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 60 der Abgeordneten Frau Weyel auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung — wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt —, dem im Sommer 1978 vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz über den Beruf des Psychotherapeuten einen überarbeiteten zweiten Gesetzentwurf folgen zu lassen?
Frau Huber, Bundesminister: Frau Kollegin Weyel, im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit wird an einem zweiten Referentenentwurf eines Gesetzes über den Beruf des Psychotherapeuten gearbeitet. Die mit dem Gesetzentwurf zusammenhängenden Fragen werfen schwerwiegende Probleme auf, deren weitere Klärung notwendig ist. Hierzu gehören die Forderung nach einem umfassenden Gesetz für die Versorgung mit Psychotherapie ebenso wie die Kostenproblematik, ferner Fragen der Abgrenzung des Tätigkeitsbereichs des Psychotherapeuten gegen die Tätigkeitsbereiche anderer auf diesem Felde arbeitenden Berufe sowie Fragen der Zusammenarbeit mit Ärzten, Fragen der Vor- und Ausbildung und die Übergangsregelungen.
Ob und gegebenenfalls wann der zweite Referentenentwurf zur Diskussion gestellt werden kann, hängt vom Ergebnis der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung ab.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906716600
Zu einer Zusatzfrage, bitte, Frau Abgeordnete.

Gudrun Weyel (SPD):
Rede ID: ID0906716700
Gibt es Vermutungen darüber, wie dieser Zeitplan aussehen wird?
Frau Huber, Bundesminister: Vermutungen möchte ich hier nicht anstellen, Frau Kollegin Weyel. Aber es gibt außerordentliche Schwierigkeiten, die a) in der Natur der Sache liegen, weil es sich hier um einen neuen Beruf handelt, bei dem es vielerlei Einwände, Forderungen und Bedenken gibt, b) aber auch durch die Abstimmung entstehen, deren es mit anderen Ministerien bedarf, und zwar besonders hinsichtlich der Kostenproblematik.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906716800
Zu einer weiteren Zusatzfrage, bitte.

Gudrun Weyel (SPD):
Rede ID: ID0906716900
Ist davon auszugehen, daß sich bis zur Verabschiedung des Entwurfs an den bisherigen Gegebenheiten nichts ändert?
Frau Huber, Bundesminister: Die Periode dauert noch ungefähr drei Jahre. Ich vermag einen so langen Zeitraum nicht so zu überblicken, um hier sagen zu können, daß sich da definitiv nichts ändern werde. Das hängt vom Ablauf der Diskussion in den nächsten Jahren ab.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906717000
Ich rufe die Frage 61 der Abgeordneten Frau Weyel auf:
Ist der Bundesregierung die Kritik der Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten an der Zulassungsvoraussetzung zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, wie sie der Referentenentwurf vom Sommer 1978 vorsieht, bekannt, und inwieweit gedenkt die Bundesregierung, die diesbezüglichen Einwände zu berücksichtigen?



Frau Huber, Bundesminister: Frau Kollegin Weyel, die Frage, ob und gegebenenfalls auf welche Weise der Kreis der Personen, die derzeit ohne ein abgeschlossenes Psychologiestudium eine Ausbildung zum Kinder- oder Jugendpsychotherapeuten aufnehmen können, beim Zugang zur Ausbildung zum Psychotherapeuten berücksichtigt werden kann, gehört zu den Fragen, die im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bei den Arbeiten am zweiten Referentenentwurf für ein Psychotherapeutengesetz zu prüfen sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906717100
Eine Zusatzfrage.

Gudrun Weyel (SPD):
Rede ID: ID0906717200
Ist davon auszugehen, daß im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit Betrachtungen darüber angestellt werden, daß die praktischen Erfahrungen z. B. von Erziehern, Lehrern, Diplompädagogen, Sozialarbeitern und anderen, die Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen haben, die theoretischen Kenntnisse eines Psychologiestudiums weitgehend ausgleichen können bzw. daß man die fehlenden theoretischen Kenntnisse in einer solchen Ausbildung nachholen könnte?
Frau Huber, Bundesminister: Bei der großen Diskussion um den ersten Referentenentwurf hat es vielerlei Bemühungen gegeben, aus einer ganzen Reihe von Berufen in den neuen Beruf einzusteigen. Wir haben uns aber den Grundsatz zu eigen gemacht, hier einen möglichst einheitlichen Berufsstand zu konzipieren, mit Ausnahme des Feldes, das Sie gerade ansprechen, nämlich der Jugendpsychologie und -psychotherapie, die ein ganz besonderes Gebiet sind. Hier wollen wir auch in den Regelungen den Besonderheiten entgegenkommen. Ob das aber darin bestehen kann, daß Leute ohne bestimmte Zugangsvoraussetzungen einsteigen können, ist eine sehr offene und sehr kritische Frage. Wir sind bemüht, den Zugang zu diesem Beruf Personen zu verschaffen, die sowohl die theoretischen als auch die praktischen Kenntnisse haben. Deswegen möchten wir auf das Studium eine weitere Ausbildung aufstocken.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906717300
Die zweite Zusatzfrage. Bitte, Frau Abgeordnete.

Gudrun Weyel (SPD):
Rede ID: ID0906717400
Könnte in diesem Zusammenhang nicht bedacht werden, daß unter Umständen auch ausgebildeten Lehrern, denen die Berufsausübung aus Stellenmangel versagt ist, hier ein Zugang zu einem neuen Beruf eröffnet wird?
Frau Huber, Bundesminister: Das ist eine Frage, die sich aus der aktuellen Situation anbietet. Aber es ist eine sehr schwierige Frage. Denn wir können die Zusatzausbildung nur begrenzt halten und nur mit bestimmten Anforderungen belasten. Ein Nachholen einer Ausbildung, die über Jahre bei anderen schon vollzogen worden ist, würde sich sehr schwierig gestalten. Deswegen hatten wir die Psychologen zum Ausgangsberuf gemacht, unbeschadet dessen, daß in Einzelfällen anderes gelten kann. Aber dies ist in der Diskussion.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906717500
Keine weitere Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Frau Minister.
Die Fragen 62 und 63 des Abgeordneten Dr. Miltner und die Fragen 64 und 65 des Abgeordneten Broll aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts wurden von den Fragestellern zurückgezogen.
Die Frage 67 des Abgeordneten Dr. Czaja soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. Corterier zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Welche Auskunft kann die Bundesregierung über Meldungen erteilen, denen zufolge acht Sowjetbürger deutscher Volkszugehörigkeit auf dem Roten Platz in Moskau für die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland am 16. November 1981 (oder zuvor) demonstrieren wollten und festgenommen worden sind?
Bitte, Herr Staatsminister.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0906717600
Die Meldungen sind im Kern zutreffend. Der Bundesregierung ist bekannt, daß am 16. November 1981 vier Männer und vier Frauen in Begleitung eines dreijährigen Kindes auf dem Roten Platz in Moskau für ihre Ausreise demonstrierten. Nach sehr kurzer Zeit wurde die Demonstration aufgelöst. Die rußlanddeutschen Demonstranten, die auf Transparenten „Wir wollen in unsere Heimat" und „Laßt mich zu meinem Vater in die Bundesrepublik" forderten, wurden von sowjetischen Sicherheitsorganen in Fahrzeugen weggebracht. Da ihre Namen bekannt sind, wird unsere Botschaft in Moskau sich für die Demonstranten einsetzen und ihr Ausreiseanliegen unterstützen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906717700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0906717800
Herr Staatsminister, kann die Bundesregierung auch darüber Auskunft geben, ob die Demonstranten für längere Zeit inhaftiert und auch verurteilt worden sind?
Dr. Corterier, Staatsminister: Nein. Vizepräsident Wurbs: Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0906717900
Kann die Bundesregierung mir darin zustimmen, daß ein derartiges Verhalten sowjetischer Dienststellen und Aufsichtsorgane gegenüber Staatsbürgern, die ausreisen wollen, im Widerspruch zu Korb III der KSZE-Schlußakte steht?
Dr. Corterier, Staatsminister: Herr Abgeordneter, diese Fälle sind bei dem Besuch des Generalsekretärs Breschnew zur Sprache gebracht worden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906718000
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:



Vizepräsident Wurbs
Von wieviel Demonstrationen — versuchten und vollzogenen — von Sowjetbürgern deutscher Volkszugehörigkeit für die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1981 und von wieviel Inhaftierungen der Demonstranten im Jahr 1981 und deren Verurteilung hat die Bundesregierung Nachricht?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. Corterier, Staatsminister: Der Bundesregierung ist bekannt, daß 1981 für die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland demonstriert haben: am 16. November auf dem Roten Platz acht Rußlanddeutsche mit einem Kind, am 19. August auf dem Roten Platz zwei Rußlanddeutsche mit einem Kind, am 17. August auf dem Roten Platz zehn Rußlanddeutsche mit einem Kind, im Juni in einem Parteihaus in Tiflis Angehörige mehrerer rußlanddeutscher Familien, von denen nur wenige namentlich bekannt sind, am 8. März auf dem Roten Platz zwei Rußlanddeutsche.
Die am 29. Juli 1981 erklärte Absicht einiger Ausreisewilliger, anläßlich des Besuchs des SPD-Vorsitzenden in Moskau auf dem Roten Platz zu demonstrieren, wurde offensichtlich aufgegeben. Die Teilnehmer der Demonstration vom 19. August demonstrierten auch am 17. August. Sie waren damals schon am Roten Platz freigelassen worden. Hinsichtlich der Demonstration am 17. August wurde telefonisch mitgeteilt, daß die acht festgenommenen Teilnehmer nach ein paar Stunden in ihre Heimatorte abgeschoben worden seien.
Der Bundesregierung wurde bisher nicht bekannt, daß Ausreisewillige wegen einer Demonstration auf dem Roten Platz verurteilt worden sind.
Die Ausreiseanliegen der bekannten Teilnehmer an den Demonstrationen am Roten Platz werden von unserer Botschaft in Moskau unterstützt. Gleiches gilt für die Demonstranten in Tiflis, soweit sie namentlich bekannt sind.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906718100
Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0906718200
Herr Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß es für unsere Botschaft in Moskau beim besten Willen sehr, sehr schwer ist, Ausreisewilligen Unterstützung zu gewähren?
Dr. Corterier, Staatsminister: Sie müssen das, glaube ich, doch etwas konkreter formulieren. In dieser Allgemeinheit kann ich das nicht bestätigen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906718300
Zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0906718400
Herr Staatsminister, ist nicht diese Fülle von Demonstrationen der Ausdruck der Verzweiflung der Deutschen, die ausreisen wollen und nicht ausreisen dürfen und Schikanen und Pressionen ausgesetzt sind, wenn sie den Antrag auf Ausreise stellen?
Dr. Corterier, Staatsminister: Herr Abgeordneter, wir haben ja in der Debatte, die wir vor ganz kurzer Zeit hier im Hause gehabt haben, uns alle miteinander dahin gehend verständigt, daß das starke Absinken der Ausreisezahlen ein Anlaß zu großer Sorge ist. Sie wissen — ich kann das nur noch einmal wiederholen, was ich vorhin gesagt habe —, daß wir dieses Problem gegenüber dem Generalsekretär Breschnew zur Sprache gebracht haben. Wir hoffen, daß sich in dieser Situation auch als Folge des Besuchs des Generalsekretärs eine Verbesserung ergibt.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906718500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0906718600
Herr Staatsminister, trifft das zu, was der Leiter des Presse- und Informationsamtes in einem Interview im Deutschlandfunk mitgeteilt hat: daß diese Frage gegenüber Herrn Breschnew nur mit größter Zurückhaltung angesprochen worden ist?
Dr. Corterier, Staatsminister: Wenn ich die Äußerung des Regierungssprechers, die er auch bei anderer Gelegenheit gemacht hat, richtig im Gedächtnis habe, dann hat er für Zurückhaltung in dieser Frage in der Öffentlichkeit plädiert und hat damit nicht eine Zurückhaltung in dem Gespräch gemeint.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906718700
Keine weitere Zusatzfrage.
Der Fragesteller der Frage 71, Herr Abgeordneter Dr. Hennig, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 72 des Abgeordneten Herberholz auf:
Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, ein nationales bzw. internationales Konzept zu entwickeln, um die Ursachen und Folgen der südostasiatischen Flüchtlingsströme zu beheben, und ist sie gegebenenfalls bereit, diesbezüglich initiativ zu werden?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich kann Ihre Frage, Herr Abgeordneter, jedenfalls bezüglich des ersten Teiles bejahen. Die Bundesregierung hält die Behebung der Ursachen wie der Folgen des südostasiatischen Flüchtlingsproblems für notwendig. Die Größe wie sein historischer Hintergrund erfordern jedoch eine gemeinsame internationale Anstrengung. Ein deutscher Beitrag ist nur in diesem Rahmen möglich.
Was die Linderung der Folgen angeht, so gibt es spätestens seit der Genfer Indochina-Flüchtlingskonferenz vom Juli 1979 eine enge internationale Zusammenarbeit, die dem Ihnen vorschwebenden Konzept nahekommt, wenn nicht gar entspricht. Ziel dieser Zusammenarbeit ist in erster Linie die Repatriierung, in zweiter Linie — wo die Rückkehr in die Heimatländer, wie nach Vietnam, nicht möglich ist — die Aufnahme der Flüchtlinge in Drittländern.
Eine hervorragende Rolle bei diesen Bemühungen haben die Vereinten Nationen — die Genfer Indochina-Flüchtlingskonferenz wurde bekanntlich vom Generalsekretär der Vereinten Nationen einberufen — sowie insbesondere der Hohe Flüchtingskommissar der Vereinten Nationen gespielt. Eine kleine Zahl westlicher Aufnahmeländer, an erster Stelle mit Abstand die Vereinigten Staaten, haben den Erfolg dieser Bemühungen gewährleistet, in-



Staatsminister Dr. Corterier
dem sie Flüchtlingen großzügig eine neue Heimat boten.
Ebenso wichtig war und ist es, in der Zwischenzeit das Überleben der Flüchtlinge in Erstaufnahmeländern zu sichern. Wo deren Anstrengungen nicht ausreichten, sind internationale und nationale staatliche und private Organisationen — vor allem das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, der Hohe Flüchtlingskommissar, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die FAO sowie das Welternährungsprogramm — tätig geworden. Ihre Arbeit wiederum wäre nicht ohne großzügige finanzielle Beiträge einer kleinen Gruppe westlicher Geberländer möglich gewesen. Die humanitäre Hilfe wird auch im kommenden Jahr fortgesetzt.
Schwieriger ist die Behebung der Ursachen, insbesondere wo sie politischer Natur sind. Dazu gehören vor allem die kriegerischen Ereignisse in Vietnam 1975 sowie später in Kambodscha, aber auch die fortdauernde sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in Vietnam mit Umerziehungslagern, neuen Wirtschaftszonen, Wehrdienst in Kambodscha, Diskriminierung bestimmter Gesellschaftsschichten und ethnischer Minderheiten. Hand in Hand damit ging und geht wirtschaftliche Not.
In Kambodscha ist es vor allem dem gemeinsamen Hilfsprogramm von UNICEF, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, des Roten Kreuzes und des Welternährungsprogramms dank großzügiger Finanzierung durch westliche Geberländer gelungen, den Anschluß an eine Selbstversorgung wiederherzustellen. Die Rückwanderung kambodschanischer Flüchtlinge hat begonnen.
In Vietnam sind die Ursachen andauernder Flucht dagegen überwiegend im politischen Bereich zu suchen. Versuche, die vietnamesische Regierung in dieser Hinsicht zu beeinflussen, haben leider kaum Erfolg gehabt. Eine Ausnahme war lediglich das im Frühjahr 1979 zwischen der vietnamesischen Regierung und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen vereinbarte Programm über geregelte Ausreise — Orderly Departure Program —, mit dem der Druck auf die Fluchtbewegung verringert werden sollte. Das Programm hat leidlich funktioniert und in diesem Maße illegale Flucht überflüssig gemacht.
Was die Rolle der Bundesrepublik Deutschland betrifft, so habe ich bereits angedeutet, daß der Umfang und die Geschichte des südostasiatischen Flüchtlingsproblems eine gemeinsame, d. h. internationale Anstrengung nötig machten. In diesem Rahmen hat die Bundesregierung das ihr Mögliche beigetragen und wird dies weiter tun. Dies gilt sowohl für die Aufnahme von Flüchtlingen wie für ihren finanziellen Beitrag zu den obengenannten Hilfsprogrammen vor Ort, vor allem in Thailand und Kambodscha.
Die Bundesregierung hat es dabei allerdings nicht bewenden lassen. Unter anderem unter dem Eindruck der Massenflucht aus Vietnam hat die 35. Generalversammlung der Vereinten Nationen 1980 auf Initiative des Bundesministers des Auswärtigen den Tagesordnungspunkt „Internationale Zusammenarbeit zur Vermeidung neuer Flüchtlingsströme" aufgenommen. Auch auf der diesjährigen Generalversammlung bildet das Problem ein wichtiges Arbeitsthema im Politischen Sonderausschuß.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906718800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0906718900
Herr Staatssekretär, ich anerkenne durchaus die vielen Bemühungen zur Linderung dieser Schicksale, aber ist die Bundesregierung der Ansicht, daß — wie Sie sich ausdrückten: die Sicherung des Überlebens über einen Zeitraum, der mittlerweile doch schon etliche Jahre dauert, ausreicht, um menschenwürdiges Leben sicherzustellen, und sind Sie in der Tat der Ansicht, daß in einem überschaubaren Rahmen mit Repatriierung gerechnet werden kann?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich bin nicht sicher, ob man angesichts der verschiedenen Situationen in den Ländern, von denen die Rede war, eine so generelle Antwort geben kann, aber offensichtlich ist die Repatriierung doch in einigen Ländern möglich. Es gibt in einem gewissen Maße Repatriierung in Kambodscha und offensichtlich auch in Laos.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906719000
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0906719100
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen können, daß die quasi Kasernierung der Flüchtlinge in Thailand ein unhaltbarer Zustand ist und auch dann aufgehoben werden sollte, wenn dadurch unter Umständen Anreize für weitere Flüchtlinge geschaffen werden, ihr Land zu verlassen?
Dr. Corterier, Staatsminister: Es ist sehr schwer, Herr Abgeordneter, hier aus der Bundesrepublik zu der Lage in Thailand eine Stellungnahme abzugeben. Thailand hat ein besonderes Problem. Es ist wohl am unmittelbarsten mit diesen hohen Flüchtlingszahlen konfrontiert. Um weitere Flüchtlinge von einer Zuwanderung abzuschrecken, hat man solche Lager, die Sie offenbar meinen, eingerichtet.
Nur läßt man, wie Sie wissen, keine internationalen oder ausländischen Beobachter in diese Lager, so daß es auch von daher kaum möglich ist, eine Beurteilung abzugeben. Ich kann nur hoffen, daß gerade auch dieses Repatriierungsprogramm, das in Thailand eine Rolle spielt, hier zur Abhilfe geeignet ist.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906719200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906719300
Herr Staatsminister, nachdem vor einiger Zeit spektakulär die Übernahme vietnamesischer Flüchtlinge in einigen Bundesländern sozusagen als der Weisheit letzter Schluß angesehen worden war, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung im Verein mit den Vereinten Nationen initiativ wird, damit die Flüchtlingsfrage durch Verträge mit Staaten im südostasiatischen Raum in dem Sinne zu lösen versucht wird, daß die Flüchtlinge dort ein eigenes Leben ent-



Immer (Altenkirchen)

wickeln können und nicht aus ihrem jeweiligen Kulturkreis herausgelöst werden. Ich denke z. B an — —

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906719400
Herr Abgeordneter, ich darf Sie doch bitten, eine Frage zu stellen.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906719500
Ich habe gefragt.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906719600
Aber etwas kürzer, wenn ich bitten darf!

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906719700
Pardon, Herr Präsident, es ist eine schwierige Problematik, und deshalb erlaube ich mir, eine etwas längere Frage zu stellen.
Ich weiß, daß man z. B. mit den Philippinen verhandelt hat. Sind diese Bemühungen aussichtsreich, oder gibt es da keine Möglichkeiten einer Regelung von Teilproblemen dieser Art?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich bin über den neuesten Stand dieser Gespräche mit den Philippinen, die Sie erwähnen, nicht informiert. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß die unmittelbar benachbarten Länder, also vor allem die ASEAN-Länder, sich mit ganz wenigen Ausnahmen strikt weigern, die Flüchtlinge aufzunehmen, und daß darin natürlich ein großes Problem liegt.
Es gibt offenbar einige wenige Länder in Lateinamerika, die die grundsätzliche Bereitschaft haben erkennen lassen, eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Das muß noch weiter geklärt werden, und dann müßte natürlich auch finanzielle Hilfe zur Eingliederung in diese Länder geleistet werden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906719800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Neumann. Bitte, Herr Abgeordneter.

Volker Neumann (SPD):
Rede ID: ID0906719900
Zu der nationalen Konzeption bezüglich der Folgen der südostasiatischen Flüchtlingsströme hätte ich aus der aktuellen Situation heraus eine Zuatzfrage: Bemüht sich die Bundesregierung weiterhin darum, für die 377 Flüchtlinge, die seit 39 Tagen auf der „Cap Anamur" durch das Südchinesische Meer fahren, die Möglichkeit zu schaffen, nach Deutschland zu kommen, nachdem in den südostasiatischen Ländern keine Bereitschaft besteht, mehr Flüchtlinge aus Vietnam aufzunehmen?
Dr. Corterier, Staatsminister: Herr Abgeordneter, Sie kennen das Problem, das wir hier auch und vor allem mit den Ländern haben. Wir sind ganz offensichtlich an Grenzen gestoßen, die wir nicht ohne weiteres überwinden können.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906720000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0906720100
Herr Staatsminister, gehört zum Konzept der Bundesregierung auch eine breite Erörterung dieses Fragenkomplexes in den Vereinten Nationen, und wenn ja, steht dieses Thema bereits auf der Tagesordnung der laufenden Vollversammlung der Vereinten Nationen?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich darf an den letzten Teil meiner Antwort auf die Ausgangsfrage erinnern. Dort hatte ich ausgeführt, daß auf der diesjährigen Generalversammlung dieses Thema ein Tagesordnungspunkt ist.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906720200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Fragesteller der Frage 74, der Herr Abgeordnete Dr. Lammert, hat seine Frage zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß sowjetische Stellen bestimmte führende SPD-Politiker, von denen sowjetischerseits offensichtlich angenommen wird, daß sie gegen die Politik der Bundesregierung opponieren, über die Originaltexte sowjetischer Regierungsmitteilungen an die Bundesregierung direkt informieren, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. Corterier, Staatsminister: Die Antwort auf die Frage, Herr Abgeordneter, ist: Nein.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906720300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0906720400
Herr Staatsminister, können Sie diese Frage für die SPD-Präsiden Bahr, Eppler und Brandt wirklich mit gutem Gewissen mit Nein beantworten?
Dr. Corterier, Staatsminister: Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob diese Frage zulässig ist.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906720500
Verzeihen Sie, Herr Staatsminister, die Frage ist wohl zulässig, aber es steht in Ihrem Ermessen, ob Sie sie beantworten wollen.
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich kann j a nur in meinem Hause nachforschen, ob uns derartige Informationen vorliegen. Sie liegen uns nicht vor.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906720600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0906720700
Herr Staatsminister, gibt es Fälle von mündlichen oder schrifltichen Verhandlungen zwischen führenden SPD-Mitgliedern und Regierungsstellen des Ostblocks ohne Absprache mit dem Auswärtigen Amt, oder sind solche Verhandlungen erst im nachhinein bekanntgeworden?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich vermag keinen Zusammenhang mit der Frage zu erkennen, Herr Abgeordneter.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das liegt nicht an mir, Herr Staatsminister!)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906720800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0906720900
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung, wenn sie dies schon nicht bestätigen kann, irgendwelche Hinweise darauf, daß die Sowjetunion entsprechende Texte bestimmten politischen Persönlichkeiten, von denen angenom-



Jäger (Wangen)

men wird, daß sie gegen eine bestimmte Politik der Bundesregierung opponieren, gleichgültig, wo sie politisch stehen, zukommen läßt, um sie auf diese Weise in der politischen Diskussion mit Material auszurüsten?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich habe keine derartigen Hinweise, muß Ihnen aber sagen, daß ich den Anlaß Ihrer Frage nur schwer zu verstehen vermag; denn die Bundesregierung hält es für absolut normal, daß ausländische Regierungen durch ihre Botschaften oder wie auch immer Kontakte zu den Parteien des Deutschen Bundestages unterhalten.

(Zustimmung bei der SPD)

Dies entspricht einer bewährten internationalen Praxis. Es ist selbstverständlich, daß bei diesen Kontakten die Auffassungen der betreffenden Regierungen vermittelt werden. Das ist überhaupt nicht zu beanstanden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906721000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bindig.

Rudolf Bindig (SPD):
Rede ID: ID0906721100
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob CDU-Politikern, die sich in letzter Zeit in Moskau aufgehalten haben, von sowjetischen Regierungsstellen irgendwelche Papiere zugesteckt worden sind?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Corterier, Staatsminister: Leider liegen mir auch in dieser Hinsicht keine Erkenntnisse vor, Herr Abgeordneter.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906721200
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe nunmehr die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Schröder (Hannover) auf:
Ist der Bundesregierung die in der Zeitschrift „Strategie Review" geäußerte Auffassung des Sicherheitsberaters des amerikanischen Präsidenten, Richard Allen, „Die Politik der vergangenen 10 Jahre, die als Entspannungspolitik bekannt wurde, hat nicht funktioniert. Sie hat sich tatsächlich als völliger Fehlschlag erwiesen", bekannt, gibt diese Auffassung nach Meinung der Bundesregierung die offizielle amerikanische Einschätzung wieder, und bedeutet dies eine Abkehr von der bisherigen Politik?
Dr. Corterier, Staatsminister: Der Autor bringt in dem von Ihnen erwähnten Artikel den Begriff der Entspannung in Zusammenhang mit der Vernachlässigung, wie er es nennt, militärischer Stärke und einer nachgiebigen Haltung gegenüber sowjetischer Agression und Abenteurertum in der Welt. Die Bundesregierung hat demgegenüber stets betont, daß sie auf der Grundlage gesicherter Verteidigungsfähigkeit gemeinsam mit den Bündnispartnern der Atlantischen Allianz eine realistisch fundierte Entspannungspolitik verfolge. So steht es in der Antwort der Bundesregierung vom 24. Mai 1977 auf Große Anfragen zur Sicherheitspolitik. In dieser Antwort heißt es u. a. weiter:
Die Entspannungspolitik hat sich bewährt, vor allem für uns Deutsche.
In derselben Antwort hat die Bundesregierung betont:
Wenn Krisen außerhalb Europas ... ausgenutzt werden, so wird auch die Entspannung in Europa beeinträchtigt. Entspannung kann nur dauerhaft wirksam sein, wenn sie sich nicht auf eine Region beschränkt.
Diese Standpunkte hat die Bundesregierung immer wieder bekräftigt, zuletzt in ihrer Antwort vom 23. September 1980 auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP über die zukünftige Weiterentwicklung des Entspannungsprozesses.
Die Bundesregierung weiß sich mit der Regierung der Vereinigten Staaten darin einig, daß auf der Grundlage des militärischen Gleichgewichts in enger Abstimmung zwischen allen Partnern der Atlantischen Allianz sowie unter Aufrechterhaltung der überall geltenden Forderung nach Zurückhaltung und Mäßigung eine Politik des Dialoges und der Verhandlungen gegenüber der Sowjetunion geführt werden soll. Die Rede Präsident Reagans vom 18. November 1981 liegt völlig auf dieser Linie.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906721300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schröder. Bitte, Herr Abgeordneter.

Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID0906721400
Kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung die von Ihnen soeben inhaltlich umschriebene Außenpolitik auch Entspannungspolitik nennen würde?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ja.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906721500
Eine weitere Zusatzfrage.

Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID0906721600
Kann ich weiter davon ausgehen, daß sich gegenüber der Zeit vor Installierung der neuen amerikanischen Administration die Inhalte dieser Entspannungspolitik — jedenfalls aus der Sicht der Bundesregierung — nicht geändert haben?
Dr. Corterier, Staatsminister: Herr Abgeordneter, die beste Beschreibung des Inhalts der amerikanischen Politik gegenüber dem Osten findet sich für mich in der Rede des Präsidenten vom 18. November. Ich würde eine sorgfältige Lektüre dieser Rede empfehlen. Dann werden Sie feststellen, daß sie in allen wesentlichen Punkten voll der Linie entspricht, die auch wir vertreten.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906721700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0906721800
Herr Staatsminister, hat Mr. Allen mit seiner Bemerkung, die Entspannungspolitik habe in den letzten 10 Jahren nicht funktioniert, nicht insofern eine ganz realistische Feststellung getroffen, als der Bundeskanzler selber ja neulich den sowjetischen Generalsekretär Breschnew darauf aufmerksam gemacht hat, daß es mit dieser Entspannungspolitik nicht in Einklang zu bringen sei, daß die Sowjetunion gerade in diesen Jahren ihre ungeheure einseitige Aufrüstung auf dem Gebiet der Mittelstreckenraketen vogenommen



Jäger (Wangen)

habe, während der Westen sich auf diesem Gebiet zurückgehalten habe?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich glaube, man kann nur an Hand des Textes von Herrn Allen selbst feststellen, was er wirklich gemeint hat. Wie ich es sehe, geht es in diesem Text vor allem um eine Auseinandersetzung mit der Politik der Carter-Administration. Das heißt, es handelt sich vor allem auch um eine innenpolitische Auseinandersetzung, in die wir uns als Deutsche nicht einmischen sollten.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906721900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0906722000
Herr Staatsminister, würden Sie, wenn Sie die Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten vom 18. November zitieren, nicht auch Verständnis dafür aufbringen, daß wegen der sehr verschiedenartigen Äußerungen aus dem gesamten Bereich der Regierung der USA manchen in der Bundesrepublik Zweifel an der Kontinuität dieser Politik geboten erscheinen?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich glaube, daß einige Äußerungen, die zum Teil widersprüchlich waren, wohl auch der Anlaß für diese Rede gewesen sind. Wir sollten uns in diesem Stadium nicht mehr an das, was einzelne auch noch so wichtige Berater gesagt haben, halten, sondern an das, was der Mann, auf den es ankommt, nämlich der Präsident, gesagt hat. Das ist eindeutig. Auf der Basis sollten wir gemeinsam weiterarbeiten.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906722100
Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung. Ich rufe die Frage 75 der Frau Abgeordneten Fromm auf:
Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, Rahmenbedingungen für ein einheitliches Ausbildungs- und Arbeitsangebot für Frauen im Strafvollzug zu schaffen, um der Forderung gerecht zu werden, daß Strafe Befähigung zur Übernahme sozialer Verantwortung sein soll?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0906722200
In der Erkenntnis, daß Ausbildung und Arbeit zu den wesentlichen Bestandteilen einer am Vollzugsziel der sozialen Integration orientierten Behandlung im Strafvollzug zählen, hat der Gesetzgeber mit den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes über Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung ein Instrumentarium geschaffen, das die Entwicklung in diesem Bereich auch im Frauenstrafvollzug gefördert hat. So bemühen sich die Vollzugsbehörden neben der Bereitstellung von qualifizierter Arbeit nachhaltig um die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung der weiblichen Gefangenen im Zusammenwirken insbesondere mit Arbeitsämtern, Industrie- und Handelskammern, Schulbehörden sowie freien Trägern. Neben den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes geben Vorschriften wie das Arbeitsförderungsgesetz, das Bundesausbildungsförderungsgesetz und das Berufsbildungsgesetz den bundesrechtlichen Rahmen hierfür ab. Die Bundesregierung hat auf Grund der alleinigen Zuständigkeit der Vollzugsbehörden der Bundesländer für die Durchführung des Strafvollzuges keine Möglichkeit, einen weitergehenden Rahmen mit dem Ziel der Vereinheitlichung des Ausbildungs- und Arbeitsangebotes in den einzelnen Justizvollzugsanstalten zu schaffen. Sie ist der Ansicht, daß sich die gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich bewährt haben.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906722300
Eine Zusatzfrage. Bitte, Frau Abgeordnete.

Rita Fromm (FDP):
Rede ID: ID0906722400
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir die Frage beantworten, ob auch Ausbildungsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten im Rahmen der gewerblich-technischen Berufe für Frauen angeboten werden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen hier keine präzise Auskunft geben, möchte aber meinen, daß dies durchaus der Fall ist. Ich bin gern bereit, soweit bei uns Material vorhanden ist, Ihnen dieses nachzuliefern.

(Frau Fromm [FDP]: Darum würde ich Sie bitten!)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906722500
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte, Frau Abgeordnete.

Rita Fromm (FDP):
Rede ID: ID0906722600
Liegen die Schwierigkeiten, die sich im Strafvollzug für die Beschäftigung von Frauen stellen, vielleicht daran, daß bisher bei den Justizministerkonferenzen das Thema Frauenbeschäftigung und -ausbildung in anderen als in den bisher typischen Berufen, wie z. B. in der Wäscherei oder in der Näherei, noch nicht auf der Tagesordnung stand?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Das von Ihnen angesprochene Thema „Beschäftigung im Strafvollzug" stand mehrmals auf der Tagesordnung. Mir ist nicht bewußt, daß der von Ihnen vorgetragene Unterschied dabei gemacht wurde.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906722700
Ich rufe die Frage 76 der Frau Abgeordneten Fromm auf:
Sind- der Bundesregierung Zahlen darüber bekannt, getrennt nach Männern und Frauen, wie viele Insassen in Strafanstalten an einer beruflichen Ausbildung teilnehmen, und welche Ausbildungsberufe angeboten werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung, Frau Kollegin Fromm, sind keine Zahlen bekannt, wie viele Insassen in Justizvollzugsanstalten an einer beruflichen Ausbildung teilnehmen. Das Angebot an Ausbildungsberufen ergibt sich aus einem von der Bundesanstalt für Arbeit zur Information ihrer Beratungsdienste 1981 herausgegebenen Nachschlagewerk über Bildungsmaßnahmen in Justizvollzugsanstalten, das über Bildungsstätten, Zugangsvoraussetzungen, Unterrichtsform und -dauer, Bildungsinhalte und -schwerpunkte, Abschlüsse, Aufnahmemöglichkeiten, Aufnahmekriterien und dergleichen unterrichtet.




Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906722800
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Fromm.

Rita Fromm (FDP):
Rede ID: ID0906722900
Ist in den Ausbildungsvorschriften vorgesehen, daß Berufstätigkeiten für Frauen mehr unter emanzipatorischen Gesichtspunkten eingeführt werden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich bin nicht sicher, ob der Ausdruck „emanzipatorische Gesichtspunkte" dort aufgeführt ist. Aber ich gehe davon aus, daß kein Unterschied gemacht wird, der auch nur irgendwie andeutungsweise Frauen diskriminieren könnte, weil der Gesetzgeber den klaren Auftrag gegeben hat, alle Gefangenen gleich zu behandeln. Ich verweise hier auf die §§ 2 und 38 des Bundesstrafvollzugsgesetzes.

Rita Fromm (FDP):
Rede ID: ID0906723000
Danke schön.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906723100
Die Frage 77 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 85 des Abgeordneten Dr. Emmerlich, die Fragen 97 und 98 des Abgeordneten Collet und die Frage 110 des Abgeordneten Wimmer (Neuss) sind von den Fragestellern zurückgezogen worden.
Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nunmehr Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
— Drucksache 9/661 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 9/1080 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Hauser (Bonn-Bad Godesberg) Frau Traupe
Dr. Zumpfort
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksache 9/1042 —
Berichterstatter: Abgeordnete Krey Witek

(Erste Beratung 49. Sitzung)

Im Ältestenrat ist für diese Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wird das Wort als Berichterstatter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Ganz.
Ganz (St. Wendel) [CDU/CSU]: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für
mich, der ich seit einem Jahr diesem Hohen Hause angehöre, schon ein besonderes Erlebnis, für meine Fraktion sagen zu können: Wir stimmen dieser Gesetzesvorlage der Bundesregierung zur Änderung des Wehrsoldgesetzes zu. Es ist ein besonderes Erlebnis deshalb, weil ich dabei zum erstenmal das Gefühl habe, daß die Regierung damit überhaupt etwas nach vorn bewegt — und das noch in einem Bereich, in dem die dafür politisch Verantwortlichen im letzten Jahr mehr für Schlagzeilen als für die unter ihrer Fürsorgepflicht stehenden Menschen gesorgt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daß die Erhöhung des Wehrsolds wegen der seit der letzten Erhöhung am 1. Januar 1978 eingetretenen Teuerungen längst überfällig war, bestreitet wohl niemand. Daß die CDU/CSU-Fraktion bereits zum Haushaltsjahr 1980 eine Erhöhung vorgeschlagen, damit aber bei der Koalition keine Mehrheit gefunden hat, kann ich nur noch einmal bedauernd in Erinnerung rufen. Vertrauensbildend war das Verfahren jedenfalls nicht; denn wenn man die Notwendigkeit einer Erhöhung einsieht und anerkennt und eine Anhebung ankündigt, dann sollte man sich bis zum Vollzug nicht zwei Jahre Zeit lassen.
Die in der Regierungsvorlage getroffene Zielsetzung, nämlich eine Milderung der zwischenzeitlich eingetretenen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse herbeizuführen, wird mit dieser Erhöhung um 1 DM nicht erreicht. Gut, der Wehrsold ist keine Ersatzbesoldung, er hat Taschengeldcharakter und soll dazu dienen, es dem Wehrpflichtigen zu ermöglichen, die notwendigen Ausgaben des persönlichen Bedarfs zu decken. So sehen es auch die Soldaten. Aber die Erhöhung um 1 DM wird gerade ausreichen, um die vor zwei Wochen hier beschlossene Verteuerung der Zigaretten zu kompensieren. Von einer dringenden Anpassung an die zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse kann dann wohl keine Rede mehr sein.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal das Problem der Wochenendheimfahrten ansprechen. Ich weiß, Herr Minister, daß Sie sich mit einer Regelung über die Kilometerpauschale nicht anfreunden wollen. Wir anerkennen durchaus Ihre Bemühungen, über eine heimatnahe Stationierung, Bustransfer vom Standort zum Bahnhof und über eine Angleichung der Dienstzeiten an die Fahrpläne eine Milderung des Problems zu erreichen. Aber die Struktur insbesondere des ländlichen Raums und das Verkehrsangebot dort zwingen die Wehrdienstleistenden in vielen Fällen dazu, ihren eigenen Pkw zu benutzen.
Dazu ein Beispiel aus meinem Erfahrungsbereich. Trier ist für Wehrpflichtige aus meinem Heimatkreis, aus St. Wendel, sicher heimatnah. Es sind rund 50 km Entfernung. Aber es gibt keine direkte Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit der Bundesbahn muß man den etwa 150 km weiten Umweg über Saarbrücken und Saarburg in Kauf nehmen. Das ist erstens teurer und zweitens zeitraubender. Ein Wehrpflichtiger muß bereits am Sonn-



Ganz (St. Wendel)

tagnachmittag abreisen, um am Montagmorgen an seinem Standort zu sein.
Dieses Beispiel steht sicherlich für viele andere. Es muß doch angesichts der hohen Benzinpreise möglich sein, denen, die nachweisbar keine andere Möglichkeit haben, zu helfen. Ihr Wehrsold reicht einfach nicht aus, um die Fahrtkosten zu bestreiten, geschweige denn noch andere Ausgaben des persönlichen täglichen Bedarfs.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir sollten uns im Ausschuß und Sie, Herr Minister, in Ihrem Hause dieses Problems noch einmal annehmen.
Soweit zum Wehrsoldgesetz, dem, wie ich schon gesagt habe, meine Fraktion zustimmen wird.
Aber auch diese Medaille hat eine zweite Seite. Wenn man die betrachtet, könnte man das soeben Gesagte schon wieder vergessen; dann ist die Freude über die Wehrsolderhöhung dahin. Wir müssen diese Kehrseite mit ansprechen, weil es die Wehrpflichtigen auch tun. Es zu unterlassen wäre Augenwischerei.
Am vorigen Wochenende haben mich fünf Wehrdienstleistende in meiner Sprechstunde aufgesucht, um ihrem Unmut Luft zu machen. Ob wir im Bundestag noch ganz bei Troste seien, haben sie gefragt. Ob man die Wehrpflichtigen für dumm verkaufen wolle, war ihr Vorwurf.
Vier von ihnen zeigten mir den ihnen per Einschreiben am 16. November 1981 zugestellten Änderungsbescheid des Landratsamtes, in dem mitgeteilt wird:
Der Sparförderungsbetrag nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 des Unterhaltssicherungsgesetzes wird Ihnen bis zur Beendigung des Grundwehrdienstes, längstens bis einschließlich Dezember 1981 gewährt.
Beigefügt ist ein Merkblatt des Bundesministers der Verteidigung mit dem Titel „Ratschläge für Wehrpflichtige".

(Zuruf von der CDU/CSU: Guter Rat ist teuer!)

Darin heißt es:
Falls Sie über keine Geldmittel verfügen, können Sie mit Ihrem Vertragspartner vereinbaren, daß die Beitragsverpflichtungen während des Wehrdienstes ruhen. Zu einer solchen Vereinbarung sind erfahrungsgemäß alle Lebensversicherungen und Sparinstitute bereit.
Dann kommt:
Selbstverständlich können Sie die Beitragszahlungen auch während des Grundwehrdienstes ganz oder teilweise aufrechterhalten, falls Ihnen dazu die Geldmittel zur Verfügung stehen. Dies ist natürlich in jedem Fall dem Ruhenlassen der Beitragszahlungen vorzuziehen. Das Ruhen befreit Sie zwar für die Zeit Ihres Dienstes von der Zahlungsverpflichtung, kann aber natürlich nicht verhindern, daß der Zweck Ihres
Vertrages beeinträchtigt wird, z. B. Verminderung oder Aufhebung des Versicherungsschutzes während des Grundwehrdienstes, Verzögerung der Zuteilung eines Bauspardarlehens.
Bekanntlich beträgt die Sparförderung 50 DM. Es bedarf für die Soldaten keiner großen Rechenkünste, wenn sie feststellen: Ab 1. Juli haben wir 30 DM mehr Wehrsold, ab 1. Januar 1982 50 DM mehr Ausgaben, macht 20 DM netto weniger als vor der Wehrsolderhöhung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und die Regierung nennt das sozial!)

Ich konnte dem nicht widersprechen.
Beim Bundesminister der Verteidigung sieht das umgekehrt aus. Er hat Ausgaben für die Wehrsolderhöhung in einer Größenordnung von 110,2 Millionen DM, spart aber auf der anderen Seite bei der Sparförderung 116 Millionen DM ein. Das macht für ihn ein Plus von 5,8 Millionen DM.
Sie wollten nicht mißverstanden werden, diese jungen Leute. Es geht ihnen nicht vordergründig ums Geld. Sie bekennen sich uneingeschränkt zum Wehrdienst als Verpflichtung gegenüber Staat und Gesellschaft, und sie sind durchaus bereit, dafür auch Opfer zu bringen. Ihr Wortführer war Bergmann. Er verzichtet während seiner fünfzehnmonatigen Wehrdienstzeit auf rund 30 000 DM Lohn, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Arbeitnehmersparzulage und anderes mehr.
Aber was sie nicht begreifen, ist, daß ausgerechnet sie, die sie unsere äußere Sicherheit gewährleisten, die dem Frieden mehr als die meisten, die nur davon reden, dienen und ihn sichern,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

die damit die Voraussetzungen dafür schaffen, daß an andere noch etwas verteilt werden kann, daß gerade sie, die sie schon Opfer bringen, zusätzlich zur Sanierung der Staatsfinanzen herangezogen werden sollen, wogegen andere ungeschoren davonkommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Den letzten beißen die Hunde!)

— In der Tat! — Herr Minister Apel, wenn Ihr Ministerkollege Engholm sich in Sachen BAföG vor seine Schüler und Studenten und deren Eltern gestellt und sich durchgesetzt hat, um wieviel mehr hätten Sie sich dann im Interesse der Wehrgerechtigkeit auch vor Ihre Wehrpflichtigen und deren Eltern stellen müssen!

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Mit viel größerer Berechtigung!)

Glaubwürdigkeit und Treuepflicht, Herr Minister, sind keine Einbahnstraße. Sie haben bei der Traditionsdebatte in diesem Jahr selbst postuliert, die Motivation der wehrpflichtigen Soldaten stärken zu wollen. Die Frage, ob diese Art der Behandlung dazu angetan ist, mögen Sie sich selbst beantworten.
Noch einmal: Die Wehrdienstleistenden und deren Eltern sind bereit, im Dienste des Friedens Opfer zu



Ganz (St. Wendel)

bringen. Aber sie haben es nicht gern, wenn man in ihnen den Verdacht nährt, daß diese ihre Bereitwilligkeit noch zusätzlich ausgenutzt werden soll. Deren Motivation ist dahin, wenn ihre Bereitschaft zu dienen mit Sonderopfern bestraft wird.
Die Sache mit der Kürzung der Berechnungsgrundlage für die Beitragszahlungen an die Rentenversicherung, bei der der Verteidigungsminister noch einmal rund 300 Millionen DM spart, muß in diesem Zusammenhang ebenfalls genannt werden. Ich will das der Zeit wegen nicht noch einmal im einzelnen darstellen.
Wenn die Wehrpflichtigen davon auch nicht unmittelbar geldlich betroffen sind, so muß man aber feststellen, daß auch hier Ungerechtigkeiten und Härten mit einprogrammiert sind. Ist es etwa gerecht, wenn bei dem vorhin zitierten Bergmann während seiner Wehrdienstzeit für ihn weniger Beiträge entrichtet werden als in seiner aktiven Zeit? Ist es keine Härte, wenn ein Wehrpflichtiger, der durch eine Wehrdienstbeschädigung erwerbsunfähig wird — was niemand wünscht, was aber leider vorkommt —, dadurch ab Januar 1982 monatlich rund 200 DM weniger Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, als seine Kameraden bekommen? Hier hätte man eine Härteklausel einbauen müssen.

(Würzbach [CDU/CSU]: Ungerecht und unsozial! — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Unglaublich ist das!)

Ganz unverständlich ist, wenn der Finanzminister dann noch erklärt, daß die so eingesparten Mittel — siehe Protokoll des Bundesrates — für die Renovierung von Kasernenanlagen verwendet werden sollen. Es ist doch geradezu lächerlich, wenn den Wehrpflichtigen, die in der Mehrzahl mit ihrem geringen Sold auskommen müssen, auch noch das Geld für Infrastrukturmaßnahmen aus der Tasche gezogen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber selbst dafür wird es nicht verwendet, denn das zweite Streichkonzert — das war j a, nachdem man das Ende der Fahnenstange erreicht zu haben glaubte — hat das Sonderprogramm für Baumaßnahmen und Bauunterhaltungen um 40 % — sprich: 80 Millionen DM — gekürzt.
Alles in allem keine schöne Seite der Medaille. Frust oben — fehlende Dienstzeitregelung, Verwendungs- und Beförderungsstau; aber darüber werden wir uns ja morgen hier ausgiebig zu unterhalten haben — und Verdruß unten, wie gerade beschrieben. Wenn Sie, Herr Minister, trotzt dieser Zustandsbeschreibung behaupten können, Wehrbereitschaft und Wehrfähigkeit seien gewährleistet, dann doch nur deswegen, weil die Soldaten, Offiziere, Unteroffiziere und Wehrdienstleistende bereit sind, mehr als ihre Pflicht zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wollen dafür keinen Dank und keine Sonderrechte, aber auch keine soziale Benachteiligung und keine Diskriminierung. Letzteres zu verhindern ist unsere ständige Aufgabe.
Sie, Herr Minister Apel, haben gesagt: Frieden und Freiheit sind nicht zum Nulltarif zu haben. Wie recht! Aber ich meine, dann darf man auch von den jungen Menschen keinen Dienst fast zum Nulltarif verlangen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch ein Letztes. Ich wollte Ihnen das sagen; ich hatte bisher keine Gelegenheit und weiß nicht, ob ich morgen zum Zuge komme. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 2. Oktober 1981 haben Sie Ihren Kritikern als Motiv für ihre Kritik eine „subtile Form, sich an der Bundeswehr zu reiben", unterstellt. Ich bin fast sicher, daß dies — sofern dieses Hohe Haus gemeint war — nicht an die Adresse der CDU/CSU-Fraktion gerichtet war. Wenn aber doch, dann müßte ich das aufs schärfste zurückweisen. Wenn wir hier Kritik üben, dann nicht, um uns an der Bundeswehr zu reiben, sondern um ihr zu helfen. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906723200
Das Wort hat der Abgeordnete Gerstl.

Friedrich Gerstl (SPD):
Rede ID: ID0906723300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausrüstung, Ausbildung und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr genießen international Anerkennung. Die Bundeswehr gehört auch heute noch — unter einem großen Spardruck stehend — zu den leistungsfähigsten und modernsten Streitkräften in Europa. Wichtiger als die Waffensysteme, die wir besitzen, ist der Mensch, der sie bedient. Deshalb ist auch seine soziale Lage von besonderer Bedeutung.
Der Verteidigungsetat ist zwischen 1969 und 1980 um 105 % angewachsen. Im gleichen Zeitraum sind die Ausgaben für soziale Maßnahmen der Bundeswehr, also für die Menschen in den Streitkräften, von 1,17 auf 2,8 Milliarden DM, d. h. um 140 %, gesteigert worden. Wenn wir heute über die Anhebung des Wehrsoldes im Parlament reden, soll der Öffentlichkeit auch bewußt gemacht werden, daß der Wehrsold nur einen Teil der sozialen Lage unserer Wehrpflichtigen darstellt.
Die jährlichen Mehraufwendungen von 125,35 Millionen DM können nur eine bescheidene Verbesserung des Taschengeldes unserer wehrpflichtigen Soldaten darstellen. Die regelmäßige Anhebung ist für den Bund und für uns Sozialdemokraten eine Selbstverständlichkeit und noch nie umstritten gewesen. Herr Kollege Ganz, wenn Sie sich die Protokolle angesehen hätten, hätten Sie feststellen können, daß auch zu Zeiten, in denen die CDU/ CSU die Regierungsverantwortung hatte, immer ein Zeitraum von vier Jahren verstrichen ist,

(Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Da gab es keine so hohe Inflationsrate wie heute!)

bis eine Anhebung des Wehrsoldes als notwendig anerkannt worden ist. Über die Höhe der Anhebung wird man immer streiten können. Daß es für den Wehrpflichtigen zuwenig ist und der Finanzminister unter der Last vielfältigster Wünsche immer Mühe hat, in angemessener Weise mitzumachen, ist auch klar.



Gerstl (Passau)

Am 15. Dezember 1977, als wir die letzte Wehrsolderhöhung im Plenum debattierten, wurde von mir schon darauf hingewiesen, daß erstmals die sozialliberale Regierung, nämlich 1971, bei der Staffelung der Wehrsoldgruppen wegen der veränderten Bedeutung und Wertigkeit der Funktionen der Unterführer bei den Mannschaftsdienstgraden Konsequenzen gezogen hatte. Die vorliegende Novelle berücksichtigt erneut, daß im Laufe von zehn Jahren erhebliche technische Veränderungen bei den Waffen eingetreten sind und die Führung unserer jungen Wehrpflichtigen aus vielerlei Gründen nicht leichter geworden ist. Für Obergefreite und Hauptgefreite beträgt die Anhebung deshalb nicht — wie bei den übrigen Wehrsoldgruppen — 1 DM je Tag, sondern 1,40 DM bzw. 1,50 DM. Diese Differenzierung ist zwar noch nicht voll befriedigend, würde aber bei einer Ausweitung logischerweise die ganze Tabelle verändern und damit den Finanzrahmen erheblich ausweiten.
Wenn man bei Truppenbesuchen mit den Soldaten spricht, wird der Wehrsold — so stelle ich jedenfalls fest — in den seltensten Fällen angesprochen. Die Einsicht der Soldaten in Zwänge des Haushalts ist offensichtlich groß. Ich glaube, daß bei den Soldaten anerkannt wird, daß wir die Wochenend- und Freizeitheimfahrten in den letzten Jahren wesentlich verbessert haben. Bei den Einberufungen wird von vielen Kreiswehrersatzämtern, wenn eine heimatnahe Einberufung nicht möglich ist, auf Zugverbindungen und Reisezeiten schon Rücksicht genommen. Daß dies nicht in allen Fällen möglich ist, dürfte verständlich sein, wenn man die teilstreitkräftebedingten Sondersituationen, die Verwendungsfähigkeit des Soldaten und die grenznahen Bundeswehrstandorte mit ungenügender Bundesbahnverbindung berücksichtigt.
Nicht voll befriedigen kann die Neuregelung der Vergütung von Mehrleistungsstunden. Aber auch hier haben unsere Wehrpflichtigen erkannt, daß ein echtes Bemühen um Anerkennung dieser Mehrleistung vorliegt. 1,80 DM täglich für die Betroffenen bessert den Wehrsold um 54 DM monatlich auf. Die verbesserte Wohngeldregelung hat ebenfalls dazu geführt, daß vom Wehrpflichtigen während des Wehrdienstes eine eigene Wohnung aufrechterhalten oder bezogen werden kann. Bei der Bewertung der Bareinkünfte des wehrpflichtigen Soldaten bitte ich auch zu berücksichtigen, daß bei einer Reihe von Tätigkeiten Aufwandsentschädigung geleistet wird, so z. B. die Zulagen für Bord-, U-Boot- und Fallschirmspringersoldaten, die Grubenaufwandsentschädigung für dienstlich angeordnetes Einfahren in unterirdische Schutzbauten und Depotanlagen und — in Ausnahmefällen auch bei Wehrpflichtigen — die Zulagen an Heeresbergführer, Kampfschwimmer und Minentaucher.
Bei den Beratungen der Projektgruppe Zulagewesen ist deutlich zum Ausdruck gekommen, daß nicht alles, was so als Aufwandsentschädigung deklariert wird, auch absolut nur mit zusätzlichem Aufwand zu rechtfertigen ist, sondern auch Elemente der höheren Belastung und höherwertigen Tätigkeit mit enthalten sind. Nimmt man alles zusammen, dann dürfen unsere Soldaten doch das Gefühl haben, daß wir
uns redlich Mühe geben, im Rahmen eines knapp geschneiderten Haushalts soziale Sicherheit zu gewähren.
Wir wissen darum, daß dem zum Grundwehrdienst einberufenen Soldaten ein persönliches Opfer für Staat und Gesellschaft abverlangt wird. Wir wissen auch, daß die Eltern häufig noch kräftig mithelfen. Ob diese Hilfe immer auch wirklich notwendig ist, müssen wir der Entscheidung der Eltern überlassen. Ich denke dabei z. B. an die Heimschläfer, die lieber an den Kühlschrank der Eltern gehen und sich das Frühstück zu Hause servieren lassen, bevor sie an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen.
Diese Stunde will ich gern dazu benutzen, um all denen zu danken, die sich freiwillig oder gezwungenermaßen nicht vom Dienst für die Allgemeinheit ausschließen, die für die Sicherung des Friedens ihr Bestes geben oder für die Not bedürftiger Menschen soziale Dienste leisten. Zu danken ist auch den Eltern, denen es manchmal schwerfällt, den Sohn für 15 Monate zu entbehren, insbesondere in der Landwirtschaft oder in den mittelständischen Betrieben.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Den Drükkebergern sollte man es schwerer machen!)

Sie helfen, wie vorher schon erwähnt, mit, daß die materiellen Verhältnisse für den Soldaten zu bewältigen sind.
Zufriedenheit schafft man nicht dadurch, daß man auch den Wehrpflichtigen täglich sagt, was noch besser sein könnte, oder unerfüllbare Wünsche weckt, sondern dadurch, daß man auch die positiven Seiten darstellt und vor allen Dingen die Grenzen aufzeigt, die uns die gesamtwirtschaftliche Lage aufzwingt.

(Würzbach [CDU/CSU]: Und weitere Ungerechtigkeiten vermeidet!)

Wer den Wehrwillen stärken will, muß helfen und nicht ständig nörgeln und anklagen. Wir Sozialdemokraten meinen, daß mit der Wehrsoldnovelle ein weiterer Schritt für die Verbesserung der sozialen Lage geleistet wird, und stimmen deshalb der Vorlage zu.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906723400
Das Wort hat der Abgeordnete Popp.

Karl-Heinz Popp (FDP):
Rede ID: ID0906723500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Zeit, in der man als Politiker fast nur über Sparmaßnahmen, Streichungen und Kürzungen sprechen muß, empfindet man es geradezu als wohltuend, wenn man auch einmal über Leistungsverbesserungen sprechen kann.

(Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Aber nur auf der einen Seite! — Zuruf von der CDU/ CSU: Scheinbar!)

Die Erhöhung des Wehrsolds, die bereits im Vorgriff zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft getreten ist, sowie die Erhöhung der besonderen Zuwendungen und des Entlassungsgeldes, die heute beschlossen wer-



Popp
den soll, finden — wie könnte es anders sein? — die Zustimmung der FDP-Fraktion. Ich meine, daß diese Wehrsolderhöhung auch durchaus fällig gewesen ist, nachdem die letzte Anhebung vor dreieinhalb Jahren erfolgt ist. Wenn man dies in Rechnung stellt, ist die Anhebung um etwa 15 % in den für die Grundwehrdienstleistenden bedeutsamen Wehrsoldgruppen nicht gerade üppig.
Freilich darf nicht übersehen werden — das ist heute schon zum Ausdruck gekommen —, daß der Wehrsold kein Gehalt ist und als Taschengeld nur ein Teil der Leistungen ist, die für die Wehrdienstleistenden erbracht werden. Weil dies so ist und weil der Wehrsold nichts mit der Besoldung im öffentlichen Dienst zu tun hat, wäre es sinnvoll, so meine ich, die Zuständigkeit für den Wehrsold dorthin zu verlagern, wo auch die Zuständigkeit für die übrigen Leistungen für die Wehrpflichtigen, Verpflegung, Unterkunft, Bekleidung usw., liegt, nämlich in das Verteidigungsministerium. Darüber sollten wir einmal nachdenken. Es ist eigentlich nicht einzusehen, warum das Bundesinnenministerium damit behelligt werden soll, da es ja auch für die anderen Leistungen für die Wehrpflichtigen nicht zuständig ist.
Die Anhebung der Tagessätze des Wehrsolds beträgt in den Gruppen 3 und 4 1,40 DM bzw. 1,50 DM und in den Gruppen 1 und 2 1 DM. Die Gruppen 3 und 4 werden damit funktionsgerecht höher eingestuft. Damit wird erfreulicherweise einer Nivellierung entgegengewirkt, damit werden Leistungsanreize für den Aufstieg zum Obergefreiten und Hauptgefreiten gegeben. Dies möchte ich für die FDP-Fraktion ausdrücklich begrüßen.
Ich habe gesagt, die Verbesserungen des Wehrsolds sind nicht gerade üppig ausgefallen. Aber dies muß man natürlich im Zusammenhang mit der gesamten Wirtschafts- und Finanzlage sehen. Vor dem Hintergrund, daß überall gespart werden muß, daß an allen Ecken und Enden gekürzt wird, finde ich es der Beachtung und Würdigung wert, daß der Wehrsold trotz der notwendigen Sparmaßnahmen erhöht wird; denn schließlich erfahren die Sparhaushalte 1981 und 1982 durch diese Wehrsolderhöhung eine Mehrbelastung von 62 Millionen bzw. 125 Millionen DM. Aber dazu stehen wir, weil damit zum Ausdruck gebracht wird, daß der Dienst für die Gemeinschaft Anerkennung findet.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein paar Bemerkungen zum Wehrdienst allgemein machen. Ich möchte auch an dieser Stelle deutlich hervorheben, daß der Dienst in der Bundeswehr Dienst für Frieden und Freiheit ist. Der Wehrdienst ist das aktive Eintreten für die Sicherung unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung, die ohne Wehrpflicht und Wehrdienst nicht gesichert wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Demokratie muß eine wehrhafte Demokratie sein, weil sie eine Lebens- und Gesellschaftsform ist, die es trotz aller immer wieder auftretenden Mängel wert ist, gegen alle Bedrohungen von innen und außen geschützt zu werden.
Wehrpflicht und Demokratie gehören zusammen. Nach den Worten von Theodor Heuss ist die Wehrpflicht das legitime Kind der Demokratie. Aber wie ein Kind in der Familie Anerkennung braucht, braucht die Wehrpflichtarmee Anerkennung in der Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Verteidigungswille kann nicht allein Sache der Wehrpflichtigen oder allgemein der Soldaten sein. Der Verteidigungswille muß Ausdruck des ganzen Volkes sein. Er entspricht dem natürlichen Selbsterhaltungswillen eines Volkes.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Die Wehrpflichtigen, die bereit sind, Freiheit und Recht ihrer Mitbürger zu schützen, brauchen die Anerkennung, brauchen die Sympathie ihrer Mitbürger. Wer bereit ist, 15 Monate seines Lebens für die Gesellschaft zu opfern, ja, im Ernstfall sein Leben dafür einzusetzen, muß auf diesen Dienst vorbereitet werden. Der Pflicht des Wehrpflichtigen zum Dienen steht auf der anderen Seite die Pflicht des Staates gegenüber, ihn über Sinn und Zweck seines Dienens zu informieren.
Der wiederholten Forderung der FDP und auch des Bundesverteidigungsministers, in den Schulen die Probleme der Friedens- und Sicherheitspolitik sowie die Grundlagen von Wehrdienst und Zivildienst ausreichend zu behandeln, ist immer noch nicht Rechnung getragen. Die Kultusminister bleiben aufgefordert, endlich Lehrplanvorschläge zu unterbreiten, in denen diese Probleme berücksichtigt werden. Die Schule muß sich damit befassen, ohne daß wir einem Wehrkundeunterricht das Wort reden wollten.
Die jungen Menschen, von denen wir Gemeinschaftsdienst verlangen, brauchen unsere Unterstützung. Wir dürfen sie nicht allein lassen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Die FDP steht zu den Wehrpflichtigen. Sie tritt für sie ein. Der Diffamierung derer, die in Pflichterfüllung ihren Wehrdienst leisten, muß entschieden entgegengetreten werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können es nicht hinnehmen, daß in der Diskussion über Frieden und Abrüstung gelegentlich der Eindruck erweckt wird, als ob diejenigen, die aktiv unsere Verteidigungsfähigkeit sichern, den Frieden stören, während andere, die für einseitige Abrüstung eintreten oder gegen den NATO-Doppelbeschluß demonstrieren, zur Friedenssicherung beitragen würden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir können es nicht hinnehmen, daß unter den Jugendlichen diejenigen als die Dummen angesehen werden, die bereit sind, den Wehrdienst zu leisten, und man sich andererseits rühmt, sich mit Tricks und Einfallsreichtum der Wehrpflicht zu entziehen.
Damit kein Mißverständnis aufkommt: Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist selbstverständlich völlig unbestritten.



Popp
Aber der Zivildienst ist eben nicht die freie Wahlmöglichkeit gegenüber dem Wehrdienst.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Wir brauchen eine positivere Einstellung zur Wehrpflicht und zu den Wehrpflichtigen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Hölscher meint das anders!)

die sich oft schon scheuen, in Uniform in der Gesellschaft in Erscheinung zu treten.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit namens der FDP-Fraktion den Wehrdienstleistenden einmal aufrichtig danken für ihre Verteidigungsbereitschaft, danken für ihre Bereitschaft, Opfer für die Gemeinschaft zu bringen. In meinen Dank schließe ich selbstverständlich auch die Zivildienstleistenden ein, die ehrlichen Gewissens den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern und sich nicht drücken, sondern sich in aufopfernder Weise hilfsbedürftiger Mitmenschen annehmen.
Die Wehrsolderhöhung, die wir heute beschließen wollen, kommt den Wehrdienstleistenden und den Zivildienstleistenden gleichermaßen zugute.
Die FDP — ich habe es bereits gesagt — begrüßt diese Wehrsolderhöhung. Wir werden deshalb diesem Gesetz zustimmen. — Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0906723600
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0906723700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als vor einigen Wochen die Unions-Parteien ihre Sparvorschläge in die öffentliche Debatte einbrachten, hat die deutsche Presse sehr eindeutig reagiert. Die „Frankfurter Rundschau" hat von „Wischiwaschi-Vorstellungen" gesprochen, die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung" von „Sammelsurium". Die „Mittelbayerische Zeitung" in Regensburg hat gesagt: „Der riesige Unionsberg kreißte und gebar ein Mäuslein." „Die Welt" hat geschrieben: „Opposition entrahmt." Und was Sie, lieber Herr Ganz, heute geboten haben, war wirklich Magermilch. Dem kann ich also nur zustimmen.

(Würzbach [CDU/CSU]: Nicht mal Magermilchpulver von Ihnen!)

Nun zum Thema.

(Lachen bei der CDU/CSU — Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Die Wehrpflichtigen sind das Thema!)

— Auch Sie haben weit über das Thema hinaus geredet. Sie hatten sich j a auch gründlich schriftlich vorbereitet. Insofern will auch ich zu diesem Thema reden.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Leber)

Erstens. Der Wehrsold gleicht in etwa die Preissteigerungsraten aus, die seit der letzten Wehrsolderhöhung eingetreten sind.

(Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Geringer als ein Lehrlingsgehalt!)

Zweitens. Damit kann überhaupt nicht das abgegolten werden, was jemand, der in seinem Zivilberuf arbeitet, verdienen kann. — Deswegen sind Sie, hochverehrter Herr Kollege Berger, wenn Sie so argumentieren, wie Sie argumentieren, in einer ganz großen Gefahr, nämlich den Dienst abzuwerten und Dienen mit Verdienen gleichzusetzen. Sie sollten sich sehr hüten, das zu tun, weil dies den Dienst der Wehrpflichtigen in der Bundeswehr disqualifiziert.

(Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Hat er nicht getan! Er sprach vom Lehrlingsgehalt!)

Nun komme ich zu den Argumenten, die Sie, hochverehrter Herr Kollege Ganz, in die Debatte gebracht haben. Sie haben gesagt — so mußte ich das in jedem Fall verstehen —, Sie seien dafür, daß für eine Reihe von Fällen das Benzingeld eingeführt wird, weil Sie feststellen, daß — und das ist zweifelsohne unbestritten — die Freifahrkarte der Bundeswehr, die jeder Wehrpflichtige hat und die beliebig häufig zur Heimfahrt eingesetzt werden kann, nicht überall im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nutzt, weil nämlich das Bahnnetz nicht ausreicht.
Ich frage Sie, ob Sie diese Forderung ernsthaft erheben. Wenn j a, dann bitte ich darum, daß wir in der zweiten und dritten Lesung dazu einen entsprechenden Antrag der Unionsparteien bekommen. Forderungen dieser Art bei dieser Debatte so in den Raum zu stellen, reicht nicht aus.

(Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Ich habe gesagt, wir sollten es nochmals im Ausschuß und in Ihrem Haus überlegen!)

— Und ich sage Ihnen: Wir haben es überlegt. Und ich sage Ihnen auch: Es wird kein Bezingeld geben. Denn erstens kann es keine Diskriminierung zwischen Wehrpflichtigen und Wehrpflichtigen geben. Benzingeld entweder für alle oder für niemanden. Im übrigen: Bürokratisierung, die den Einzelfall untersucht, kann ja wohl nicht im Sinne der Bundeswehr sein. Wenn wir Bezingeld für alle Wehrpflichtigen einführten, wäre eine halbe Milliarde das mindeste, was man ansetzen müßte.
Sie haben zweitens über die Probleme der Sparförderung gesprochen. Darauf bezogen sich meine Eingangsbemerkungen. Sie können nicht landauf, landab Sparen fordern, quer durch die Last alle Leistungen und Subventionen zum Kürzen um fünf Prozent andienen, aber im übrigen immer dann, wenn es konkret wird, zurückzucken und sagen, diesen Bereich hätten Sie nun ausnahmsweise nicht gemeint.
Bei dieser Kürzung der Sparprämie, die sicher für die Wehrpflichtigen schmerzlich ist, können Sie hier nicht so tun, als sei dies etwas ganz Schlimmes.

(Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Ich habe der Gleichbehandlung das Wort geredet!)

— Es ist Gleichbehandlung für alle, die Dienst tun. Denn die Zivildienstleistenden erhalten künftig diese Sparprämie genauso wenig wie die, die zur Bundeswehr müssen.

(Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Und die BAföG-Leute?)




Bundesminister Dr. Apel
— Augenblick! — Die, die ausgemustert werden, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen

(Dallmeyer [CDU/CSU]: Keine Gleichbehandlung! — Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Zurückgestellt werden!)

oder einer besonderen Notlage nicht zum Bund müssen, können Sie nicht auf diese Art und Weise in eine besondere Kategorie tun. Alle, die für diese Republik als Wehrdienstleistende oder als Zivildienstleistende Dienst tun, werden von dieser Sparmaßnahme gleichermaßen betroffen. Ich halte diese Sparmaßnahme für erträglich, auch wenn sie ein Opfer für die Zivildienstleistenden und die Wehrdienstleistenden bedeutet.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906723800
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dallmeyer?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0906723900
Bitte.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906724000
Bitte sehr, Herr Dallmeyer.

Harm Dallmeyer (CDU):
Rede ID: ID0906724100
Herr Bundesverteidigungsminister, sind Sie bereit, zuzugestehen, daß alle diejenigen, die in der gleichen Zeit keinerlei Dienst leisten, in dieser Zeit neben ihrem Einkommen die Arbeitnehmersparzulage erhalten und daß es sich somit nicht um eine Gleichbehandlung handelt?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0906724200
Herr Kollege Dallmeyer, solange wir unterstellen — und wir können das unterstellen —, daß die Musterungskammern gründlich mustern und nur diejenigen nicht zum Dienst einziehen, sei es zum Wehrdienst oder zum Zivildienst, die entweder körperlich oder geistig dazu nicht in der Lage sind oder die wirklich unabkömmlich sind — aus Gründen, die im familiären Bereich oder im betrieblichen Bereich liegen —, solange wir unterstellen, daß die Musterungskammern mit aller Genauigkeit an die Arbeit gehen, kann — ich sehe zwar ein, daß diejenigen, die nicht zum Bund müssen oder nicht Zivildienst leisten, in einer besseren Situation sind — von einer Diskriminierung dieser Art nicht gesprochen werden.
Im übrigen, ob Sparprämie ja oder nein: diejenigen, die nicht zum Bund müssen oder die nicht Zivildienst leisten, sind eh und je besser dran. Das hat mit dem Thema Sparprämie nur in Grenzen etwas zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen: wir werden das Problem nicht lösen — —

(Zuruf des Abg. Dallmeyer [CDU/CSU])

— Jawohl, wenn gespart werden muß, hochverehrter Herr Kollege Dallmeyer, dann muß überall gespart werden und dann müssen auch Opfer in Kauf genommen werden. Da können Sie sich nicht hinstellen und sagen: „Überall soll gespart werden", aber bei jedem speziellen Thema, das auf der Tagesordnung steht, zurückzucken und denen nach dem
Munde reden, die sich natürlich subjektiv beschwert fühlen.

(Beifall bei der SPD — Dallmeyer [CDU/ CSU]: Das ist aber keine Logik! Bei den Wehrpflichtigen ist es etwas anderes! Sie sind per Gesetz da!)

Nun komme ich zum zweiten Bereich Ihrer Argumentation, zur Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze. Hochverehrter Kollege Ganz, dies kann ich nun überhaupt nicht nachvollziehen. Wir zahlen im Jahr 1981 für jeden Wehrpflichtigen Beiträge an die Rentenversicherungsträger auf der Annahme eines fiktiven Monatsgehalts von fast 2 600 DM. Das heißt: der Wehrpflichtige bekommt auf sein Konto bei der Bundesanstalt für Angestelltenversicherung oder bei den Landesversicherungsanstalten Beiträge für ein Einkommen von 2 600 DM verbucht. Nun nennen Sie mir mal einen 18jährigen oder einen 20jährigen — Sie haben den Bergmann herbeigezogen; das ist aber wirklich der Ausnahmefall —, der in diesem Alter bereits ein solches Monatseinkommen bezieht. Das findet normalerweise nicht statt. Wir senken jetzt die Beitragsbemessungsgrundlage für die Abführung der Beiträge herab auf 1 946 DM, also um 25 %. Das ist dann immer noch eine Basis, die höher ist als das Einkommen, das die Wehrpflichtigen normalerweise beziehen würden, wenn sie arbeiteten.

(Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Das habe ich nicht kritisiert!)

— Gut. Wenn Sie das nicht kritisieren, kann ich allerdings nicht begreifen, warum Sie das hier in die Debatte einführen, es sei denn — Sie haben darauf hingewiesen —, daß Sie Probleme z. B. bei einer Wehrdienstbeschädigung erkennen würden. Aber Sie wissen doch genauso gut wie ich, Herr Kollege Berger, daß in dem Moment das Soldatenversorgungsgesetz bzw. das Bundesversorgungsgesetz Platz greift

(Zurufe von der CDU/CSU)

mit einer Versorgungsleistung bis zu einer Größenordnung von 3 000 Mark monatlich und auf diese Weise auch das, was bei der Unfallversicherung, Abteilung Rentenversicherung, geringer wird, zum größten Teil — bis zu 70 % — ausgleicht. Ich meine, wir sollten hier wirklich die Kirche im Dorfe lassen. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, daß dies bei Gott kein Problem ist.
Ich fasse zusammen. Ich bin zufrieden, daß alle Parteien zustimmen wollen. Ich halte das für ein gutes Zeichen. Es ist ein Zeichen dafür, daß wir unseren Wehrpflichtigen danken. Wir sollten uns aber vor einem hüten: das Engagement, den Dienst, die Bereitschaft, 15 Monate des jungen Lebens bereitzustellen, um Frieden und Freiheit in unserem Lande zu sichern, wegen 50 Mark im Monat weniger in Frage zu stellen. Das schafft in unserem Lande hinsichtlich der Vorstellung, was junge Menschen der Gemeinschaft schuldig sind, am Ende ein Klima, das so schädlich ist, daß ich mir wünsche, daß wir solche Debatten in der künftigen Zeit tunlichst nicht mehr führen.



Bundesminister Dr. Apel Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906724300
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung.
Ich rufe die §§ 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. — Danke sehr. Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke sehr. Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Das Gesetz ist mit allen Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und zu dem Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen
— Drucksache 9/805 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 9/1034 —
Berichterstatter: Abgeordneter Duve

(Erste Beratung 55. Sitzung)

Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Wir kommen dann zur Einzelberatung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke sehr. Wer stimmt dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Das ist nicht der Fall. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 24. Juli 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kenia über den Fluglinienverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus
— Drucksache 9/909 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 9/1035 —
Berichterstatter: Abgeordneter Ibrügger

(Erste Beratung 62. Sitzung)

Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Er wünscht nicht das Wort. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Wir kommen dann zur Einzelberatung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke sehr. Wer stimmt dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Das ist nicht der Fall. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit (20. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Kommission an den Rat über die Beziehungen zu den in der Entwicklung tätigen Nichtregierungsorganisationen (NRO), insbesondere auf dem Gebiet der Mit-Finanzierung von Vorhaben (Haushalt 1980)
— Drucksachen 9/782 Nr. 65, 9/931 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Osswald Repnik
Dr. Rumpf
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von 90 Minuten vereinbart worden. Erhebt sich Widerspruch dagegen? — Das Haus ist damit einverstanden.
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Herrn Abgeordneten Repnik.

Hans-Peter Repnik (CDU):
Rede ID: ID0906724400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegenstand dieser Beratung ist der — ich zitiere — „Bericht der Kommission an den Rat über die Beziehungen zu den in der Entwicklung tätigen Nichtregierungsorganisationen (NRO), insbesondere auf dem Gebiet der Mitfinanzierung von Vorhaben".

(Zuruf von der CDU/CSU: Toller Titel!)

Das ist — zugegeben — eine sehr technokratische Überschrift, und kaum jemand vermutet hinter diesem Titel lebendige Politik, Politik von vielen tausend Menschen und Organisationen für viele Millionen Hungernde in der Welt. Vielleicht ist auch dieser technokratische Titel ein Grund dafür, daß sowenig Kolleginnen und Kollegen dieser Debatte heute nachmittag folgen.
Jedermann weiß: Wir von der CDU/CSU begreifen — viel stärker als die Kollegen von der SPD und von der FDP dies tun — Entwicklungspolitik nicht nur



Repnik
als Aufgabe des Staates, sondern der gesamten Gesellschaft.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Hört! Hört! bei der SPD)

Wir setzen uns deshalb — Herr Kollege Wehner — auch mit Nachdruck dafür ein, daß alle diese staatstragenden gesellschaftlichen Gruppen einen konkreten Beitrag zu dieser Generationenaufgabe leisten. Die Aufgabe, uns und unseren Kindern den Frieden zwischen Nord und Süd zu erhalten, stellt sich uns ebenso wie unseren europäischen Nachbarn. Dies haben übrigens die Holländer schon lange vor uns verstanden. Sie sind ein Beispiel dafür, wie die Verpflichtung gegenüber der Dritten Welt auch in einer Wohlstandsgesellschaft gerade im Bewußtsein des einzelnen Bürgers verankert werden kann. Wir verfügen hier in der Bundesrepublik Deutschland zwar nunmehr über eine 20jährige Erfahrung in der Entwicklungspolitik, aber unter den sozialdemokratischen Ministern hat diese Politik bisher wenig politisches Gewicht und wenig Anerkennung gefunden. Um so mehr begrüßen wir es, daß sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaft vor fünf Jahren dieser entwicklungspolitischen — und damit nach außen gerichteten — wie gesellschaftspolitischen — und damit nach innen gerichteten — Aufgabe zugewandt hat. Sie sieht in der Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen Europas an der Dritte-Welt-Politik auch einen Beitrag zur europäischen Integration, aber nicht nur das. Es geht in erster Linie um einen solidarischen Beitrag gegenüber den sozial schwachen und unterrepräsentierten gesellschaftlichen Gruppen draußen in der Dritten Welt.
Daher sind wir seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sehr froh, daß dieser Bericht über die Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft mit der Vielzahl der Nichtregierungsorganisationen zum Anlaß für diese Aussprache heute nachmittag genommen wurde. Was dieser Bericht beschreibt, meine Damen und Herren, ist erst ein Anfang, ein positiver Anfang, sowohl unter dem Gesichtspunkt des finanziellen Volumens, um das es dabei geht, wie auch unter dem der Qualität. Was an diesem Bericht auffällt, ist, trotz aller Anerkennung, eine unkritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen dieser Zusammenarbeit.
Herr Minister, Sie wissen doch besser als ich, daß es wohl kein Instrument der Entwicklungspolitik gibt, das nicht in seiner Handhabung und in seiner Wirkung draußen Probleme mit sich bringt. Nun kann es für diese unkritische Bewertung in diesem Bericht zwei Antworten geben: entweder ist es ein rein politisch gedachter Bericht — dann entspricht er allerdings nicht unserem Diskussionsniveau, zumindest nicht dem Diskussionsniveau der Opposition in diesem Hohen Hause —, oder aber der Bericht spiegelt ein weit geringeres entwicklungspolitisches wie fachlich-technisches Anspruchsniveau der Kommission selbst wider. Wenn letzteres der Fall sein sollte, dann stellt sich aus unserer Sicht die Frage der politischen Steuerungsverantworung der Bundesregierung gegenüber der Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Daß diese sich an unseren Erfahrungen orientiert, reicht dann nicht mehr aus. Es geht vielmehr darum, ob wir, die wir 30 % des EG-Haushalts finanzieren, nicht auch unseren qualitativen Anspruch stärker durchsetzen müßten. Deshalb frage ich die Bundesregierung, deshalb frage ich Sie, Herr Minister: Wo und in welcher Form findet der politische Wille der Mitgliedsregierungen seinen Niederschlag?

(Zuruf von der CDU/CSU: Nirgends! — Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: So ähnlich wie bei der FAO!)

Es hat den Anschein, als ob man sich weniger auf entwicklungspolitische Grundlinien verständigt denn auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. — Auch dies ist ein Beispiel, Herr Kollege Köhler, das man in diesem Zusammenhang anfügen könnte.
Ich persönlich habe im übrigen den Eindruck, daß das von der EG betriebene NRO-Programm oft als ein Programm sui generis begriffen wird, auf das die Mitgliedsregierungen keinen konkreten Einfluß nehmen. Wie sehen Sie diese Frage? Wie sehen insbesondere die anderen Mitgliedsregierungen diese Frage? Hat die Bundesregierung bisher irgendwann im NRO-Bereich zu vermehrter Koordination und Information gedrängt?
Es wundert mich in diesem Zusammenhang gar nicht, daß Ihr sozialistischer Kollege in Frankreich zwar sehr lautstark erst kürzlich in Paris wieder erklärt hat, daß er die Nichtregierungsorganisationen unterstützen wolle, grundsätzlich und konkret, daß diesen Ankündigungen bisher aber die Taten nicht gefolgt sind.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Dies hat Gründe, wie ich meine. Sozialistische Politik verträgt sich nun mal schlecht mit der Hereinnahme freier gesellschaftlicher Gruppen in die konkrete entwicklungspolitische Verantwortung.

(Bindig [SPD]: Müssen Sie denn solche Platten leiern?)

— Herr Kollege Bindig, daß, wenn ich sozialistische Politik anspreche, gerade Sie reagieren, dafür habe ich großes Verständnis.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

— Ja, wir setzen uns gelegentlich auch in anderen Gremien auseinander, Herr Kollege Osswald, und von daher kenne ich seine Haltung.
Dabei werden in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Qualitäten der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen übersehen. Erstens. Was diese Arbeit der staatlichen Entwicklungshilfe so überlegen macht, ist ihr unbürokratisches Arbeiten, die Tatsache, daß in den Empfängerländern über nahestehende Gruppen die Bedürftigen direkt erreicht werden und die Projekterfahrung dann auch direkt umgesetzt wird. Zweitens verfügen diese Organisationen über einen starken Rückhalt in der Bevölkerung. Deutlichster Beleg dafür ist nicht zuletzt das starke Spendenaufkommen in den vergangenen Jahren. Allein im letzten Jahr waren es 764 Millionen DM, die von der deutschen Öffentlichkeit, von



Repnik
der Bevölkerung für entwicklungspolitische karitative Zwecke genau diesen Organisationen zur Verfügung gestellt, gespendet wurden.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Freiwillig!)

— Freiwillig! Die ungeheure Chance, das Ansehen dieser Organisationen mit in die Waagschale zu werfen — nicht nur finanziell, sondern auch entwicklungspolitisch —, wenn es darum geht, noch mehr Mitbürger zur Solidarität mit den Millionen Hungernder zu bewegen, muß nicht nur national, sondern auch in den anderen Mitgliedstaaten der EG genutzt werden. Hier hätten Sie, Herr Minister, eine dankbare Aufgabe, an der Meinungsbildung und an der Sensibilisierung Ihrer europäischen Kollegen mitzuwirken. Erforderlich wäre allerdings darüber hinaus ein Dialog der Regierungen mit dem Ziel eines gemeinsamen europäischen entwicklungspolitischen Selbstverständnisses. Die Bundesregierung könnte den gesamten deutschen Erfahrungsschatz in die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen einbringen. Herr Minister, warum bemüht sich die Bundesregierung nicht, die Entwicklungspolitik auch einmal auf europäischer Ebene inhaltlich zu diskutieren, Fragen anzusprechen, die über das Thema jährlicher Zuwachsraten hinausgehen?

(Zustimmung bei der CDU/CSU) Davon hört uns sieht man leider nichts.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die haben keine Ideen!)

Haben sich die Entwicklungshilfeminister in ihren Routinesitzungen jeweils mit einer stärkeren Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen befaßt, wenn ja, was waren die Antworten? Zugegeben, auch hier bedarf es politischer Phantasie, einer Gabe, mit der diese Regierung nicht besonders gesegnet ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Bindig [SPD])

— Ich mache gerade eine ganze Reihe von Vorschlägen, Herr Kollege Bindig.
Herr Minister, setzen Sie sich doch einmal dafür ein, daß in Brüssel nicht ausschließlich nationale Nichtregierungsorganisationen unterstützt werden, sondern daß in Zukunft auch gesamteuropäische NRO-Initiativen finanziert und unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es zeugt doch auch von wenig Phantasie und von einem falschen Denkansatz, wenn auf europäischer Ebene keine andere als nationale Entwicklungspolitik betrieben wird. Noch einmal die Frage an Sie, Herr Minister: Warum lassen wir seit Jahren die Chancen aus, die sich uns europapolitisch bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten bieten? Ein Prioritätskriterium der EG bei der Auswahl der Projekte müßte darin liegen, eine konkrete europäische Entwicklungszusammenarbeit zu ermöglichen. Warum soll eben dem entwicklungspolitischen Gedanken nicht auch der Gedanke einer europäischen Zusammenarbeit im Sinne eines positiven Kriteriums eingeführt werden? Es müßte doch hochinteressant sein und wäre im Sinne der Darstellung der Europäischen Gemeinschaft nach außen sicher auch wichtig, wenn z. B. im Rahmen eines europäischen Gesundheitsprojektes englische Arzte, französische Krankenpfleger und deutsche Schwestern im wahrsten Sinne des Wortes europäische Entwicklungspolitik machen würden.

(Zuruf von der FDP: Eine gute Kombination!)

Ansätze gäbe es zur Genüge. Die Kirchen, die Universitäten sind offen für solche Beispiele. Warum hat die Bundesregierung z. B. für solche Veranstaltungen nicht das Forum der Deutschen Stiftung in den letzten Jahren stärker genutzt? Hat sie es überhaupt genutzt? Muß es denn sein, daß südamerikanische oder afrikanische Experten, die in Europa ausgebildet werden, auch bei EG-Projekten eben nur die kulturellen, sozialen und politischen Hintergründe des Landes erfahren, aus dem die Durchführungsorganisation stammt? Europa hätte hier große Möglichkeiten, nach außen nicht nur als einheitlicher europäischer Geldgeber, sondern auch als geschlossene politische Einheit aufzutreten. Sind Sie, Herr Minister, und die Bundesregierung bereit, solche Gedanken aufzugreifen? Sind Sie in der Lage, eine solche Politik zu formulieren?

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Nein, das sind sie nicht!)

— Ich habe die Befürchtung, daß Sie mit dieser Außerung recht haben, Herr Kollege Kunz.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Sicher, die Unterstützung für Nichtregierungsorganisationen durch den Staat bei uns ist erfreulich. Wenn man allerdings um die aufgezählten Vorteile weiß, wundert man sich, daß lediglich 6 % der Mittel des Einzelplans 23 zur Finanzierung von Maßnahmen verwandt werden, die von Nichtregierungsorganisationen durchgeführt werden; 10 %, meine ich, wäre eine durchaus akzeptable und anstrebbare Größe.

(Dr. Vohrer [FDP]: Im Rahmen dieser Steigerungsraten!)

— Das ist richtig.
Natürlich weiß ich, daß die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen mit diesem Anteil nicht schlecht abschneidet. Angesichts der vielen Bedürfnisse, die gerade durch die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen am besten befriedigt werden könnten, dürfen diese 6 % jedoch kein Grund zur Selbstzufriedenheit sein,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

insbesondere wenn man das wachsende Interesse sowohl der Industrienationen, als auch in den Entwicklungsländern an der Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen verfolgt. Die Opposition würde Sie allerdings noch tatkräftiger unterstützen, wenn Sie die vorgenannten Fragen zu einer gesamteuropäischen Initiative veranlassen würden. Bestes Beispiel hierfür — allerdings bei uns im nationalen Rahmen — ist das Entwicklungspolitische Dialogprogramm der Kirchen mit den gesellschaft-



Repnik
lichen Gruppen und Parteien, das nach wie vor läuft. Nur, auch da hat ihr Haus, das BMZ, außer Ihrem Festvortrag auf dem Entwicklungspolitischen Kongreß der Kirchen meines Wissens bisher kein Interesse gezeigt. Diese Haltung ihres Hauses ist so bedauerlich, daß ich sie nicht einmal mehr mit wohltuender Passivität umschreiben kann, sondern bestenfalls mit bürokratisierender Ignoranz.

(Widerspruch bei der SPD und der FDP)

Doch dies ist nicht das einzige Beispiel. In unserem Land sollten noch stärker die gesellschaftlichen und politischen Gruppen zu Trägern entwicklungspolitischer Anstrengungen werden. Diese Versuche, Herr Minister, sollten unterstützt und nicht als mißliebige Konkurrenzveranstaltung beargwöhnt werden. Deshalb begrüße ich nachdrücklich, daß sich die Bundesländer immer offener zu ihrer entwicklungspolitischen Verantwortung bekennen, daß sie sich dieser Verantwortung stellen. Daß dabei die CDU/CSU-regierten Länder die Führungsrolle übernommen haben, macht dieses Engagement nicht weniger verdienstvoll.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer angesichts dieser Arbeit den Ländern das Recht zur entwicklungspolitischen Tätigkeit absprechen will und eine total verengte Bundeskompetenz dafür propagiert — so geschehen durch einen Ihrer Fraktionskollegen —, der hat noch nicht begriffen, wie wichtig die Verankerung der Entwicklungspolitik in unserer Gesellschaft insgesamt auf allen Ebenen ist. Doch genausowenig, wie die Regierungsfraktion und die Regierung ein Konzept für eine wirkliche europäische Entwicklungspolitik haben, scheinen Sie ein Konzept dafür zu haben, wie das zunehmende Interesse der Länder, der Städte sowie der Parteien positiv aufgenommen und mit den politischen Aktivitäten des Bundes koordiniert werden kann. Ich meine, wir alle können es uns nicht leisten, solche Chancen zu einem gemeinsamen Verantwortungsbewußtsein, zum Dialog mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Gruppen nicht zu nutzen. Dies gilt ganz besonders in einer Zeit des knappen Geldes, in der die Entwicklungspolitik in ganz besonderem Maße auf den Rückhalt in der Öffentlichkeit, beim Bürger, beim Steuerzahler angewiesen ist. Ergreifen Sie, Herr Minister, endlich die Initiative. Wir werden Sie dabei kritisch, aber konstruktiv begleiten.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das war eine hochpolitische Rede!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906724500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Osswald.

Dr. Klaus-Dieter Osswald (SPD):
Rede ID: ID0906724600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur eine kurze Vorbemerkung. In der Drucksache 9/931 ist auf der ersten Innenseite eine Beschlußempfehlung und auf der letzten Seite der Bericht der Abgeordneten Osswald, Repnik und Rumpf. Mir ist nicht bekannt, daß der Kollege Repnik auch nur einen einzigen Satz oder nur ein einziges Wort in dieser von mir formulierten
Empfehlung ändern wollte. Ganz so schlimm kann es also mit uns nicht sein.

(Zuruf von der SPD: Das zur Richtigstellung!)

Meine Damen und Herren, wie Sie alle wissen, hat die Entwicklungspolitik im öffentlichen Bewußtsein unseres Landes noch lange nicht den Stellenwert, der ihr als einer wichtigen Komponente unserer Friedenspolitik gebührt.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Und das nach 20 Jahren BMZ!)

— So ist es. Und nach nicht ganz 20 Jahren Oppositionspolitik zu dieser Frage!
Nur ganz langsam setzt sich die Erkenntnis durch, daß die Hilfe für die Entwicklungsländer zum Interessenausgleich im sich verschärfenden Nord-SüdKonflikt beiträgt. Das von Willy Brandt angeregte Gipfeltreffen in Cancun hat hierbei sicher eine wichtige Signalwirkung gehabt.
Was aber unsere Bevölkerung — da stimme ich Herrn Repnik zu — schon lange erkannt hat, ist die wachsende Not in der Dritten Welt und die Tatsache, daß wir in den reichen Industrieländern Mitverantwortung zu tragen haben. Dies zeigt sich an dem großen Spendenaufkommen — Sie haben die Zahl genannt, das z. B. Sammlungen für „Brot für die Welt", „Miserior", für die Deutsche Welthungerhilfe und andere Nichtregierungsorganisationen erzielt haben. Ich glaube, daß die hohe Spendenbereitschaft auch auf der Erkenntnis beruht, daß bei diesen Organisationen die eingesetzten Mittel meist schnell und unbürokratisch die notleidenden Bevölkerungen in den Entwicklungsländern erreichen.
Die politische Ungebundenheit dieser Organsationen, die meist gut funktionierende Zusammenarbeit mit einheimischen Partnerorganisationen, die Flexibilität auch in politisch unruhigen Zonen und Zeiten und nicht zuletzt der relativ niedrige Verwaltungsaufwand — all dies sind Punkte, die diese Art der Hilfe besonders effizient mache. In einer Zeit, in der auch in den Industrieländern das Geld knapper wird und lange geplante Großprojekte kaum noch verwirklicht werden können, sinkt in unseren Bevölkerungen automatisch auch die Bereitschaft, in der Dritten Welt solche Großprojekte zu finanzieren, obwohl man sicher nicht alle Großprojekte von vornherein abwerten soll. Es gibt sicher im Infrastrukturbereich Großprojekte, die notwendig sind, die von den Nichtregierungsorganisationen nicht finanziert werden könnten. Ich denke dabei an zwar oft umstrittene Projekte wie Staudammprojekte, die über die Bewässerung die Nahrungsmittelsicherung verbessern und über die Stromerzeugung die Abhängigkeit von Ölimporten vermindern.
Die Nichtregierungsorganisationen betreiben aber bekanntermaßen eine Entwicklungshilfe, die sich vorwiegend auf kleine und kleinste Projekte stützt. Sie haben lange Erfahrungen und betrieben zum Teil Entwicklungshilfe, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Damit wird eine wichtige Lücke abgedeckt. Sie ergänzen den öffentlichen Bereich, wo dieser nicht oder noch nicht tätig werden kann.



Dr. Osswald
Heute nun sprechen wir über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der die Bundesregierung ersucht, sich in der EG für eine Erhöhung der Zuwendungen an die Nichtregierungsorganisationen einzusetzen. Meine Damen und Herren, ich darf mit Genugtuung feststellen, daß — trotz der kämpferischen Rede meines sehr geschätzten Vorredners — bei dieser Sache im Ausschuß eine begrüßenswerte Einmütigkeit vorhanden war.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Unsere Argumente waren eben überwältigend!)

— So ist es, Herr Köhler. Wenn Herr Rumpf, Herr Repnik und ich sich zusammentun, dann schafft es der Ausschuß kaum, mit Argumenten gegen uns anzukommen!

(Heiterkeit — Schmöle [CDU/CSU]: Das wissen wir!)

Diese Einmütigkeit war sicher nicht nur dadurch gegeben, daß wir — wie hier — den bundesrepublikanischen Entwicklungshilfehaushalt nicht direkt mit zusätzlichen Kosten belasten — da einigt man sich ja im allgemeinen sehr schnell —, sondern es gab, wie ich glaube, darüber hinaus eine Übereinstimmung der Vertreter aller Parteien darüber, daß auch im Rahmen der EG dieser wichtige Bereich der Entwicklungshilfe stärker unterstützt werden soll.
Ich möchte mit einigen Aspekten begründen, wieso wir es für sinnvoll erachten, diesen privaten Bereich mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Der erste Punkt ist dabei die Tatsache, daß der Multiplikationseffekt der eingesetzten Mittel sehr hoch ist. Das heißt konkret: Zu jeder Mark, die wir als Zuschuß geben, kommen noch einmal fast 2 DM aus den Eigenmitteln der Nichtregierungsorganisationen — z. B. aus Spenden — hinzu.
Im europäischen Bereich — darum geht es ja im Augenblick — bedeutet dies, daß in dem Zeitraum von 1976 bis 1980 mit einem EG-Zuschuß von 43,5 Millionen Europäischen Rechnungseinheiten eine Gesamtinvestition von 125 Millionen Europäischen Rechnungseinheiten getätigt werden konnte. Eine bessere Verwertung des eingesetzten Kapitals gibt es wohl in keinem anderen Bereich der Entwicklungspolitik. Das soll anerkannt werden.
Der zweite Punkt liegt in der Möglichkeit der Ausschöpfung eines Potentials, das in vielen Bereichen die Möglichkeit der öffentlichen Hilfe überschreiten kann. Die meist traditionell gute Zusammenarbeit der Nichtregierungsorganisationen mit einheimischen Trägern — ich denke vor allem an den kirchlichen Bereich — stellt oft ideale Voraussetzungen zur Verfügung, die offizielle Projekte sich erst langsam aufbauen müssen.
Die weitgehende Unabhängigkeit von der jeweiligen Politik und der Bürokratie der Entwicklungsländer selbst schafft Flexibilität und Arbeitsmöglichkeiten auch dann, wenn staatliche Kooperation schwierig wird oder nicht mehr möglich ist. Insgesamt zeigt die wachsende Zahl der Anträge auf Bezuschussung, daß die Nichtregierungsorganisationen noch über personelle und organisatorische Kapazitäten verfügen, die dann nutzbar werden, wenn ihre eigenen begrenzten Finanzmittel aufgestockt werden können.
Der dritte Punkt ist die Art der Arbeit, die von den Nichtregierungsorganisationen geleistet wird. Zur Verdeutlichung möchte ich drei typische Beispiele aus der Liste der Projekte, die von der EG gefördert worden sind, nennen: Trinkwasserbereitstellung in Guatemala, integriertes Dorfentwicklungsprogramm für zehn Dörfer in Indien, Verringerung des Brennholzverbrauchs durch Erzeugung von Methangas in Obervolta. Das erste Projekt ist ein gutes Beispiel für eine der wichtigsten Aufgaben jeglicher Entwicklungspolitik, die Befriedigung von Grundbedürfnissen. Das zweite Projekt, die Dorfentwicklung, weist auf die umfassenden Arbeitsbereiche der Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklung des ländlichen Raums, und das dritte Projekt ist dem Bereich der Nutzung alternativer Energien entnommen, womit oft auch ökologische Verbesserungen erreicht werden.
Alle drei Beispiele zeigen, daß die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen die öffentliche Entwicklungshilfe ergänzen kann und sich mit den entwicklungspolitischen Grundlinien der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vereinbaren läßt, sondern diese im besten Sinne in die Tat umsetzen.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Einer muß es ja tun!)

Der vierte Punkt betrifft die bisherigen Leistungen der Nichtregierungsorganisationen, die sich durchaus sehen lassen können. Nur stichwortartig: eine Fülle von Projekten, 68 % in die LLDCs. Die Konzentration auf Projekte, die im Bereich zwischen 10 000 und 100 000 Europäischen Rechnungseinheiten liegen, ist ein ganz wichtiger Bereich, den wir j a nur mit Mühe und Schwierigkeit aus dem öffentlichen Bereich erreichen können.
Der fünfte Punkt ist die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen im Bereich der humanitären Hilfe. Gerade bei akuten Notsituationen, die durch die immer häufiger werdenden militärischen Konflikte in der Dritten Welt hervorgerufen werden, können die unpolitischen Nichtregierungsorganisationen oft schnell reagieren und hier auch öffentliche Maßnahmen ergänzen. Besonders zu erwähnen ist dabei die fruchtbare Arbeit, die in den weltweit verbreiteten Flüchtlingslagern geleistet wird. Zu diesem Bereich gehört auch die Nahrungsmittelhilfe bei Hungerkatastrophen, z. B. nach Dürreperioden und Mißernten. Auf Grund der guten lokalen Kontakte zu den privaten Partnern und der langen Erfahrungen können Nichtregierungsorganisationen gerade hier eine schnelle Verteilung von Hilfsgütern organisieren, was in einigen Fällen bei staatlichen Hilfslieferungen nicht immer reibungslos zu bewerkstelligen ist.
Meine Damen und Herren, ich glaube, diese fünf Punkte reichen aus, um die Sinnhaftigkeit einer Erhöhung der Zuschüsse an die Nichtregierungsorganisationen zu begründen. Anknüpfend an den letzten Punkt, die humanitäre Hilfe, möchte ich noch einmal an das eingangs Gesagte erinnern. Ich bin



Dr. Osswald
der Überzeugung, daß gerade dieser Bereich dazu geeignet ist, das Bewußtsein unserer Bevölkerung für Entwicklungshilfefragen zu verstärken.
Schließlich darf nicht übersehen werden, daß die Vielfalt der privaten Hilfsorganisationen eine nicht zu unterschätzende Breitenwirkung hat, von der wertvolle Rückkippelungen auch auf das Bewußtsein unserer Bevölkerung ausgehen. Ich möchte daher die Bundesregierung im Sinne der Beschlußempfehlung auffordern, unter diesem Aspekt die Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Ausschußempfehlung in der EG auch zu verstärken.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906724700
Das Wort hat Herr Abgeordenter Dr. Vohrer.

Dr. Manfred Vohrer (FDP):
Rede ID: ID0906724800
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Dieser Debatte liegt ein technokratisch anmutender Bericht zugrunde, dessen Titel man zweimal lesen muß, bis man erahnt, um was es konkret geht.
Dem Kollegen Repnik darf man das Kompliment machen, daß er einen trockenen Bericht über Nichtregierungsorganisationen, der in der Tat im Ausschuß mit Einmütigkeit verabschiedet wurde, zu einem schwarz-roten Schattenboxen hochstilisiert hat, wobei er die roten Beispiele gar nicht in unserem Lande fand, sondern eigens nach Frankreich ausweichen mußte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Frankreich gehört ja auch zu Europa! — Heiterkeit)

Das Problem, das wir hier diskutieren, paßt gut in die haushaltspolitische Landschaft; denn einmal mehr reichen die Mittel nicht aus. Der Ausschuß wendet sich an die Bundesregierung mit der Aufforderung, daß sich die Bundesregierung im Rat für die Aufstockung der Mittel in der EG für Nichtregierungsorganisationen einsetzt.
Dennoch gibt es schon auf dem Deckblatt einige sehr originelle Punkte zu bemerken. Wenn dort steht „Alternativen: keine", dann sollte dies sicherlich nicht heißen, daß man sich über bessere Möglichkeiten des Einsatzes der Gelder keine Gedanken machen sollte. Wenn dann dort auch noch steht: „Kosten: keine", dann läßt es sich rechtfertigen, daß man darüber einmal nachdenkt; denn wo immer wir EG-Ausgaben steigern, sind wir mit 30 % dabei, es sei denn, wir würden innerhalb des Haushalts der Entwicklungspolitik umschichten. Dabei möchte ich davor warnen, daß wir Mittel, die für das AKP-Abkommen bereitstehen, deshalb kürzen.

(Dr. Osswald [SPD]: Landwirtschaft!)

— Hier kommt von dem Kollegen Osswald der Hinweis auf die Landwirtschaft. Wir haben j a das Glück, daß die Agrarier im Plenum so dünn oder gar nicht anwesend sind, so daß wir hier sicherlich solche Vorschläge unterbreiten könnten. Das wäre sicherlich der „Brocken", wo am ehesten Mittel vorhanden wären, um in dem Bereich der Entwicklungspolitik et-
was mehr zu leisten. Aber wir sollten es uns nicht so einfach machen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bergbauernprogramm!)

Ich wollte hier auf das Fragezeichen hinweisen. „Kosten: keine" ist eine gewisse Vereinfachung, die am Rande der Zulässigkeit liegt.
Ich habe mir ein zweites Fragezeichen gemacht. Ich frage mich, weshalb wir hier eigentlich die Debatte über die Nichtregierungsorganisationen oder die privaten Träger führen und sie an einem Bericht aufhängen, der sich auf die Steigerung der Mittel im EG-Bereich beschränkt. Wenn man sieht, daß wir im EG-Bereich einen Betrag von 35 Millionen DM ausgeben und dies 1 % des EG-Entwicklungshaushaltes ist, dann sollte man auch einmal darauf hinweisen, daß wir im nationalen Bereich nahezu das Zehnfache für diesen Zweck ausgeben. Dieser Anteil erreicht immerhin 6 % unseres nationalen Entwicklungshaushalts. Wir fördern mit 327 Millionen DM die Kirchenstiftungen und private Träger in ganz erheblichem Maße. Insofern halte ich es für angemessen, daß die Debatte über Nichtregierungsorganisationen insgesamt geführt wird, zumal dieser Ansatz auch in den parteipolitischen Programmen eine gewichtige Rolle spielt. — Herr Repnik, das gilt auch für die Liberalen.

(Repnik [CDU/CSU]: Nur: Wir praktizieren es!)

Die FDP hat in ihren entwicklungspolitischen Thesen ganz deutlich zum Ausdruck gebracht: „Liberale Politik verläßt sich nicht allein auf staatliche Aktivitäten; sie vertraut in besonderem Maße auf Initiativen von einzelnen, privaten Wirtschaftsunternehmen und von Gruppen bei uns selbst wie in den Entwicklungsländern."

(Repnik [CDU/CSU]: Nur: Wir setzen es um!)

Das ist genau der Ansatz, der von den Liberalen als ein gewichtiger Punkt gesehen wird.
Wenn man die entwicklungspolitischen Ziele der Bundesregierung mit den Schwerpunkten Landwirtschaft, Ernährungssicherung, Förderung des ländlichen Raumes, ökologische Fragen, regenerierbare Energieträger sieht, dann läßt sich daraus ableiten, daß in verstärktem Maße Klein- und Kleinstprojekte gefördert werden sollen. Wer weiß, wie schwierig es ist, kleine Projekte zu administrieren, zu evaluieren oder auch zu kontrollieren, der weiß auch, wieviel Aufwand notwendig ist, um solche Projekte mit der gegebenen Administration abzuwickeln. Es ist kein Wunder, daß die BMZ-Mitarbeiter unter den Anforderungen, die wir als Parlament an sie richten, immer wieder stöhnen und sagen: Wir können nicht ein größeres Volumen, mehr Projekte — das ist schwieriger zu verwalten —, mit dem gleichen oder mit schrumpfendem Personalbestand abwickeln. — Wenn wir dann auch noch die strengeren Kriterien sehen, die wir auch von der Entwicklungspolitik verlangen — integrierte Programme; die Akzeptanz der Bevölkerung; Entwicklungsprojekte, die nicht von oben kommen, sondern die von unten auch wirklich mitgetragen werden; Beachtung kultureller Zusam-



Dr. Vohrer
menhänge; ökologische Aspekte —, dann wird aber auch deutlich, wie schwierig es ist, solche Projekte zu verwalten, und wie wichtig private Träger sind, wenn solche Projekte von uns in den Ländern der Dritten Welt verstärkt gefördert werden.
Es ist ein ganz wirksamer Ansatz, die Effizienz unserer Hilfe durch Kostensenkungen zu steigern und die vorhandenen Strukturen stärker einzubeziehen, wenn wir unsere Projekte abwickeln. Auf den Multiplikatoreffekt solcher öffentlicher Gelder hat der Kollege Osswald ganz deutlich hingewiesen.
Ich sehe aber auch einen zweiten gewichtigen Ansatz, nämlich zu versuchen, zu erreichen, daß Entwicklungspolitik in der Bevölkerung verstanden wird, daß Entwicklungspolitik von der Bevölkerung mit der gleichen Dringlichkeit gesehen wird, wie wir sie hier im Parlament sehen. Es ist schon ein großer Unterschied, ob wir Öffentlichkeitsarbeit mit Hochglanzbroschüren betreiben oder ob wir die Bevölkerung mobilisieren können, daß sie selber Mittel dafür aufbringt, daß Projekte in der Dritten Welt realisiert werden können.
Einer der entscheidenden Punkte, die hier mit angeführt werden können, ist die Tatsache, daß die Projekte mit größerer Transparenz für die Bevölkerung abgewickelt werden. Sie kann genauer kontrollieren, wieviel von dem Geld, das oben hineingegeben wird, unten ankommt,

(Schmöle [CDU/CSU]: So ist es!)

weil die Rückkoppelung durch die Träger perfekter geschieht, weil die Leute auch fragen können: Was ist mit dem Geld passiert? Wieviel kam unten an?

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Das fordern wir von der Bundesregierung seit zehn Jahren vergeblich! — Bindig [SPD]: Mit wachsendem Erfolg!)

Das ist für uns mit ein Grund, eine verstärkte Entwicklungshilfe in dem Bereich zu geben. Wenn Sie sehen, daß dabei noch in erheblichem Maße öffentliche Mittel mitverwandt werden — die Mehrzahl aller Projekte wird mit 75 % öffentlicher Mittel gefördert, im Bereich der Stiftungen sogar mit 100 % —, dann wird ganz deutlich, daß das Zusammenspiel hier nicht nur zu einer Verbilligung der aufgewendeten Mittel, sondern ganz gezielt zu einer Verbesserung des Einsatzes führen soll.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen: Ich komme zu dem Ergebnis, daß der Trend, bilaterale Leistungen, also nationale Entwicklungshilfe über nationale private Träger, zu fördern, nicht eingeschränkt werden darf, sondern ausgeweitet werden muß, und daß der Umweg der Mittel über Brüssel kein Patentrezept ist. Ich möchte hier ganz klar sagen: Für mich ist der Weg, der hier in der Beschlußempfehlung vorgeschlagen wird, nur sinnvoll, wenn es darum geht, europäisch koordinierte Aktionen zu fördern,

(Repnik [CDU/CSU]: Prima, einverstanden!)

nicht aber dann, wenn es darum geht, nationale private Träger hier über einen Umweg zu fördern, zumal dann auch die Haushaltsklarheit nicht mehr in dem Maße gegeben ist, wie es im Moment noch der
Fall ist, und Mischfinanzierungen möglich würden, möglicherweise sogar EG-Mittel und Bundesmittel gemeinsam einfließen würden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dort, wo Aktionen europäisch koordiniert werden und dadurch besser abgewickelt werden können — es gibt Konsortien der nationalen Welthungerhilfen, es gibt jetzt schon einige Beispiele für Projekte, die gut funktioniert haben; aber das ist bei den aufgeführten Beispielen nicht der Regelfall —, dort, wo europäische Aktionen besser zum Ziele führen, eine größere Effizienz der eingesetzten Mittel zur Folge haben, sollten wir den hier aufgezeigten Weg verstärkt fördern und hier auch — via Bundesregierung — darauf drängen, daß die Gelder bereitgestellt werden.
In diesem Sinne darf ich die Bundesregierung auffordern, unsere Empfehlungen mit zu unterstützen, damit die hier gemachten Vorschläge auch zum Tragen kommen. — Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906724900
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0906725000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen Teil der Anregungen des Parlaments, Herr Kollege Dr. Vohrer, konnte die Bundesregierung bereits in die Tat umsetzen, nämlich den Teil, in dem es darum geht, die Nichtregierungsorganisationen verstärkt zu fördern. Beim Budgetrat der EG am vergangenen Dienstag sind die ursprünglich vorgesehenen Ansätze für diese Organisationen heraufgesetzt worden.
Herr Kollege Repnik, ich habe einiges Verständnis dafür, daß man sich als Neuling in diesem Haus profilieren muß. Nur, blinder Eifer schadet nur; das gilt auch in diesem Fall.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Wenn man sich in seiner Rede in so eklatantem Widerspruch zu dem setzt, was man als Berichterstatter unterschrieben hat,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

dann wirkt das unglaubwürdig, dann ist das ein Eigentor.
Wenn Sie sich nun einen sozialistischen Popanz in unserem Nachbarland glauben aufbauen zu müssen, dann wirkt das lächerlich. Besonders wenn man bedenkt, daß konservative Regierungen in Frankreich — aus welchen Gründen auch immer, ich habe darüber nicht zu urteilen — zwei Jahrzehnte lang mit diesen Organisationen nicht zusammengearbeitet haben. Nun ist ein sozialistischer Entwicklungsminister ein halbes Jahr im Amt, und über diesen schütten Sie Ihre Polemik aus.

(Beifall bei der SPD)

Ich überlasse es diesem Haus zu beurteilen, wie ernst so etwas zu nehmen ist.



Offergeld
Im übrigen wird mein französischer Kollege Cot in der nächsten Woche mit einer Delegation einen Besuch hier in Bonn machen. Wir werden sehr intensive Arbeitsgespräche haben, wir werden sehr sorgfältig über viele Themen sprechen. Das ist ein Teil praktischer Koordination innerhalb Europas.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906725100
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Repnik?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0906725200
Bitte sehr.

Hans-Peter Repnik (CDU):
Rede ID: ID0906725300
Herr Bundesminister, ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie mir nur einen Widerspruch zwischen der Empfehlung der Berichterstatter und meinen Aussagen aufzeigen könnten.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0906725400
Das ist ganz einfach, Herr Repnik. In der Beschlußempfehlung wird die Tätigkeit der Nichtregierungsorganisationen, die durch die EG finanziert wird, uneingeschränkt gelobt. Hier haben Sie heftige Kritik hinsichtlich der Qualität der Arbeit geübt, und Sie haben kräftige Polemik gegenüber der Bundesregierung geübt, daß sie sich zu diesem Thema zu wenig Gedanken mache. Das steht in eklatantem Widerspruch zu dem, was sie als Berichterstatter unterschrieben haben.

(Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Herr Minister, entweder haben Sie das nicht richtig gelesen oder nicht richtig zugehört!)

— Ich habe das sehr sorgfältig gelesen. Wahrscheinlich haben Sie das nicht gelesen.

(Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Dann haben Sie nicht zugehört!)

Ich möchte nun zur Sache kommen. Wir sind uns in vielem einig.
Herr Repnik, Sie haben jetzt ein Übersoll an Polemik erfüllt, und das begründet in mir die Hoffnung, daß Sie anschließend wieder zur sachlichen Arbeit im Ausschuß bereit sind.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Vielleicht kommen Sie einmal in den Ausschuß, Herr Minister!)

— Jederzeit, Herr Dr. Köhler, wenn dies der Ausschuß wünscht.
Wir sind uns darüber einig, daß wir die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen — ich wähle statt dieses Wortungeheuers lieber den Begriff „gesellschaftliche Gruppen" —, daß wir die Arbeit dieser Gruppen in der Entwicklungspolitik hoch einschätzen. Sie kommt den bedürftigen Menschen zugute, sie dient unmittelbar der Bekämpfung der absoluten Armut. Sie stärkt unmittelbar den Selbsthilfewillen. Bei dieser Hilfe steht also der Gesichtspunkt der Hilfe zur Selbsthilfe besonders im Vordergrund. Der Hebel der Veränderung wird ganz unten, an den Graswurzeln, angesetzt. Dies sind alles außerordentlich positive Aspekte.
Die gesellschaftlichen Gruppen können auch dort arbeiten, wo die Regierung in ihrer staatlichen Zusammenarbeit noch nicht oder nicht mehr wirksam werden kann; das war z. B. im Uganda Idi Amins der Fall. Die gesellschaftlichen Gruppen haben in Zimbabwe schon Ansprechpartner gehabt, bevor die Selbständigkeit dieses Landes erreicht war. Unsere guten Beziehungen zu Zimbabwe sind sicherlich auch auf die Vorarbeiten der gesellschaftlichen Gruppen zurückzuführen.
Deswegen ist auch die Eigenständigkeit, die Autonomie dieser Gruppen in der entwicklungspolitischen Arbeit so außerordentlich wichtig. Wir legen sicherlich etwas mehr als die Europäische Gemeinschaft Gewicht auf die Leistungsfähigkeit, auf die Vertrauenswürdigkeit dieser Organisationen, und wir legen Gewicht auf die Qualität der Projekte. Abgesehen von diesen Grenzen sind die Gruppen autonom, eigenständig, und das sollen sie auch künftig bleiben.
Im übrigen gibt es vielerlei Belege dafür, daß diese Gruppen, anders als die Opposition das offenbar sieht, mit der Zusammenarbeit mit der Bundesregierung außerordentlich zufrieden sind. Ich möchte auf das Interview mit Prälat Bocklet in der „Katholischen Nachrichtenagentur" hinweisen, Herr Dr. Köhler, was Ihnen besonders sympathisch sein muß, wo Prälat Bocklet darauf hinweist, daß es eine fruchtbare sich gegenseitig ergänzende Zusammenarbeit zwischen staatlichem und nichtstaatlichem Bereich gibt. Es gibt keine ungute Konkurrenz oder Doppelarbeit auf diesem Gebiet, sondern eine abgestimmte, gegenseitige Förderung und Zusammenarbeit. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Wir haben im übrigen — auch das war unrichtig, was Herr Repnik dazu sagte — diese Arbeit gemeinsam mit den Niederländern in einem sehr frühen Stadium begonnen und haben inzwischen fast 20 Jahre Erfahrung.
Ich will nur die Summen in Ihr Gedächtnis zurückrufen: Weit über 2 Milliarden DM sind aus der Bundeskasse in diese Zusammenarbeit geflossen. Zehntausende von Projekten — es geht inzwischen sicherlich an die Hunderttausend heran — sind in der Zwischenzeit gefördert worden.
Die „nur 6 Prozent", Herr Repnik, bedeuten in Wirklichkeit für die Bundesrepublik eine Spitzenstellung in Europa. Es kommt im übrigen sehr viel weniger auf die Summen als auf die Anzahl der konkreten Projekte an. Gerade in diesem Bereich ist mit wenig Geld besonders viel zu bewirken.
Oft wird die Frage nach dem Verhältnis zwischen staatlicher Entwicklungszusammenarbeit und der der gesellschaftlichen Gruppen im Sinne eines Entweder-Oder gestellt. Ich halte dies für töricht. Es geht hier um eine gegenseitige Ergänzung. Die staatliche und die Hilfe der gesellschaftlichen Gruppen sind komplementär.
Entwicklungspolitik ist eine sehr komplexe Aufgabe, eine Aufgabe, die vielerlei Instrumente erfordert. Sie ist eine neuartige Aufgabe. Wir haben auf dem Feld der Entwicklungspolitik auch künftig noch zu lernen.



Bundesminister Offergeld
Diejenigen, die über die Arbeit dieser gesellschaftlichen Gruppen wegen ihrer kleinen finanziellen Ansätze lächeln, und diejenigen, die sie mit Mißtrauen verfolgen und deswegen allein auf die staatliche Zusammenarbeit setzen, sind ebenso im Unrecht wie diejenigen, die glauben, es gehe ohne staatliche Zusammenarbeit.
Wir brauchen in einem Entwicklungsland die Aktivitäten der gesellschaftlichen Gruppen, um Strukturen zu verändern, wir brauchen aber auch die staatliche Zusammenarbeit.
Ich zitiere einen Vertreter des Bensheimer Kreises, der im Hearing des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Mai 1981 sinngemäß gesagt hat: Zur Befriedigung der Grundbedürfnisse gehören eben auch der Straßenbau und der Eisenbahnbau. Wir brauchen Staudämme zur Bewässerung der Landwirtschaft und zur Energieerzeugung.
Die bestgemeinte Förderung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft bringt im Endergebnis nichts, wenn die staatliche Politik im Entwicklungsland — etwa die Preispolitik — dieser Genossenschaft die ökonomische Basis entzieht. — Es kommt also auf ein komplementäres Zusammenwirken der gesellschaftlichen Gruppen und der staatlichen Politik an. Es kann gar nicht darum gehen, die Frage des Entweder-Oder zu stellen, sondern es geht um das Sowohl-Als-auch. Es kann in der Entwicklungspolitik nicht den archimedischen Punkt geben, bei dem mit nur einer Initiative, nur mit der staatlichen Zusammenarbeit oder nur mit der Aktivität der gesellschaftlichen Gruppen, geholfen wird. Eine Entwicklungspolitik aus einem Guß in diesem Sinne kann es nicht geben. Der Komplexität der Aufgaben entspricht die Vielfalt der Instrumente und der Organisationen, die wirken müssen.
Die Bedeutung der gesellschaftlichen Gruppen im Innern liegt darin, daß sie zur Bewußtseinsbildung beitragen und die Bereitschaft fördern, etwas für die Entwicklungspolitik zu tun. Es muß das Bewußtsein gefördert werden, daß es bei der Entwicklungspolitik um eine Generationenaufgabe geht. Sie ist ein wichtiges Feld der Friedenssicherung, sie ist bedeutsam für die Zukunft unserer Kinder. Wir sind uns weitgehend einig, daß das wachsende Bewußtsein für die Probleme der Dritten Welt und die zunehmende Bereitschaft, sich der Nord-Süd-Politik anzunehmen, mit auf die Aktivitäten dieser gesellschaftlichen Gruppen zurückzuführen sind.
Was unsere Politik innerhalb der Europäischen Gemeinschaft betrifft, so habe ich schon angedeutet: Unsere Maßstäbe in der Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Gruppen sind strenger als die der EG. Wir werden innerhalb der EG darauf hinwirken, daß die Meßlatte auch in der EG strenger wird. Nur geht das, Herr Repnik, nicht so, daß wir kommandieren und die anderen strammstehen, sondern es geht um einen Dialog innerhalb der EG. Nochmals: Wir werden darauf hinwirken, daß die Maßstäbe den unseren angeglichen werden. Es darf nicht nach unten, sondern muß nach oben angeglichen werden; andere haben in diesem Bereich der Zusammenarbeit noch
nicht so viel Erfahrung. Dies wird ein langer Prozeß sein.
Wir werden auch in der Zukunft die Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Gruppen als ein wesentliches Element unserer Entwicklungspolitik betrachten. Die Bundesregierung ist bereit, den Beschluß des Bundestages nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch befolgen.
Wir werden auch in der bilateralen und in der innerstaatlichen Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Gruppen unsere Mittel weiter erhöhen.
Ich bin auch froh über den Versuch des Fachausschusses und des Haushaltsausschusses, die Mittel für die gesellschaftlichen Gruppen im Gesamtrahmen des Einzelplans 23 zu erhöhen.
Wir werden die entwicklungspolitische Partnerschaft mit allen gesellschaftlichen Gruppen, die bereit sind, sich auf diesem Felde zu engagieren, weiterentwickeln.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906725500
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Lamers das Wort.

Karl Lamers (CDU):
Rede ID: ID0906725600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Ihr Beitrag hat gezeigt, daß die Kritik meines Kollegen Repnik, die Sie ein wenig billig als Profilierungssucht eines Neulings abzutun versuchten, nur allzu berechtigt ist, weil Sie nämlich offensichtlich nicht begriffen haben, um was es im Grunde bei dem so technokratisch klingenden Thema NGOs geht.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Bei ihm nichts Neues!)

Auf die Gefahr hin, daß auch das, was ich sage, von Ihnen gleich als Profilierungssucht eines Neulings abgetan wird, versuche ich, Ihnen zwar nicht privatissime, aber gratissime noch einiges zu diesem Thema aus der Sicht der Union zu sagen.
Wenn schon staatliche Entwicklungshilfe schwerlich in den Rahmen klassischer Diplomatie paßt, weil sie mit dem Grundsatz der Nichteinmischung in seinem ursprünglichen Verständnis nicht übereinstimmt, so gilt das erst recht für Entwicklungshilfe, die Gruppen in einer staatlich verfaßten Gesellschaft und mit Hilfe eben dieses ihres Staates Gruppen in der Gesellschaft eines anderen Staates leisten.
Das Bedeutsame an diesem Vorgang ist, daß die Beziehungen zwischen den Nationen und den Staaten der Ersten und der Dritten Welt, also das, was man herkömmlicherweise dem Bereich der Außenpolitik zuordnet, damit eine ganz andere, eine ganz neue, nämlich eine dynamische gesellschaftliche Qualität bekommen.
Die außerordentlich dynamische Entwicklung beispielsweise der außenwirtschaftlichen Beziehungen hängt damit zusammen, daß die sie tragenden gesellschaftlichen Gruppen längst untereinander diese Beziehungen haben. Das bekannte negative Beispiel



Lamers
für diese Dynamisierung der internationalen Beziehungen ist die Einbeziehung der Völker in den Krieg und die Kriegsführung seit der Französischen Revolution — Stichworte: Goethe, Valmy —.
Versuchen wir doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese bösen Erfahrungen unserer europäischen Geschichte zum Guten zu wenden! Versuchen wir doch, dem Kampf gegen Not, Elend, Hunger, Ungerechtigkeit und für die Chance menschenwürdigen Lebens aller Menschen unserer Erde neue Truppen aus unserem Volk zu gewinnen!
Darum geht es im Kern bei der Behandlung des technokratisch klingenden Themas Nichtregierungsorganisationen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht wirklich nicht darum, hier auf dem Weg über die EG ihnen ein paar Millionen mehr zukommen zu lassen, zumal da wir alle wissen — und da stimme ich Ihnen zu, Herr Minister —, daß die Kapazität der bestehenden Organisationen nur schrittweise erweitert werden kann, wenn die Qualität ihrer Arbeit nicht leiden soll.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Richtig!)

Es geht darum, die Nichtregierungsorganisationen als die Spitze eines ungeheuren Potentials zu begreifen, das in unserer Gesellschaft schlummert, das geweckt, mobilisiert und formiert werden muß. Ich werde sogleich an zwei, drei Beispielen klarzumachen versuchen, was ich meine. Doch diese grundsätzlichen' Überlegungen scheinen mir notwendig zu sein, weil ich befürchte, daß eben diese fundamentale Bedeutung freier Träger von Ihnen, Herr Minister, nicht verstanden worden ist.
Ihre Bedeutung — und ich schließe hier natürlich alle Nichtregierungsorganisationen, besonders die Kirchen und die politischen Stiftungen, ein — liegt eben nicht darin, daß sie auch Entwicklungsarbeit leisten, sondern darin, wie sie sie leisten, nämlich daß sie sie wirkungsvoller leisten, weil sie sie wirkungsvoller leisten können, da sie direkt an die Menschen herankommen, denen geholfen werden muß. Ihre Bedeutung liegt auch nicht darin, daß sie zusätzlich Geld aufbringen — so nützlich und schön das auch ist —, sondern darin, daß sie es aufbringen können; und sie können es aufbringen, weil sie Teile unserer Gesellschaft sind, die sie mobilisieren können. Ihre Bedeutung liegt eben darin, daß sie den Menschen bei uns konkrete Erfahrungen vom Wesen und vom Sinn der Entwicklung und die Einsicht vermitteln, daß Abhängigkeit und Entwicklung nicht einseitig sein dürfen. Mit einem Wort: Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie nicht der Staat, sondern Teile der Gesellschaft sind.
Die Mobilisierung der gesellschaftlichen Kräfte bei uns zu dem Zweck, daß sie in den Ländern der Dritten Welt gesellschaftliche Dynamik entfachen, setzt natürlich voraus, daß die Regierungen solchen einheimischen Kräften und ihren deutschen Helfern den notwendigen Raum zur Entfaltung gewähren. Entfaltung gesellschaftlicher Dynamik setzt ein Mindestmaß an politischer Freiheit voraus. Ich frage
Sie deswegen, Herr Minister: Wann haben Sie mit welchen Regierungen hierüber gesprochen, und welche Prioritäten für die Länderpolitik haben Sie daraus bezogen?
Zwei, drei Beispiele können nur andeuten, wo wir nach meiner Meinung neue Kräfte mobilisieren können. Der größte Teil der Bevölkerung in den Entwicklungsländern lebt immer noch auf dem Lande. Die Bauern stellen die meisten Erwerbstätigen. Was unternimmt die Bundesregierung, um deren Selbsthilfe durch private Organisationen zu fördern? Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die wirklich bemerkenswerte Rede, die Bauernverbandspräsident Heereman am 16. November in Münster gehalten hat. Bei uns wurde das ländliche Sparaufkommen von Raiffeisenbanken und anderen kleinen Kapitalsammelstellen mobilisiert. Zieht das BMZ daraus Schlüsse für eigene Schwerpunkte, und wird es versuchen, das Wissen und die Erfahrung von Raiffeisen- und Volksbanken und anderen Genossenschaftsverbänden direkt zu mobilisieren?
Wir alle wissen, wie wichtig das Handwerk für eine regional gleichgewichtige, technologisch auf breiter Basis stehende wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist. Wir wissen ferner, daß es ohne Handwerk keinen dynamischen Binnenmarkt gibt. Man sucht aber vergebens beim BMZ eigene Handwerksprogramme, die zur Gründung vieler neuer Kleinbetriebe führen. Dies wird nur über die Förderung privater Handwerksorganisationen möglich sein. Haben wir nicht in Deutschland ein Handwerkertum und eine Handwerksorganisation, auf die wir zu Recht stolz sind und die wir gewinnen können, dabei mitzuwirken?
Mein Kollege Schröder, Herr Minister, hat bereits in der Haushaltsdebatte 1981 auf diese Schwachstelle hingewiesen. Sie haben uns dann auf die vielen Gewerbeschulen, die das BMZ fördert, verwiesen. Eben daraus sehe ich wieder, daß Sie das Problem nicht wirklich erkannt haben. Denn es geht eben nicht um Gewerbeschulabgänger für Großindustrie und Administration, sondern es geht um die Schaffung neuer produktiver Existenzen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Köhler [Wolfsburg]: [CDU/CSU)

Ich kann hier nicht die vielen weiteren organisierten Kräfte unserer Gesellschaft nennen, die von den teilautonomen Regionalverbänden etwa bis hin zu den Gewerkschaften und den Frauenverbänden reichen, die wir alle gewinnen können und die wir gewinnen müssen. Ich fürchte, daß es andernfalls um die Entwicklungspolitik schlecht aussieht. Es sieht schlecht aus erstens, weil der Staat, die öffentliche Administration, in den Entwicklungsländern längst an den Grenzen ihrer Fähigkeit und Absorptionsfähigkeit angelangt sind, weil der Staat in den Ländern der Dritten Welt restlos mit der in der Tat „gewaltig" zu nennenden Aufgabe der Entwicklung überfordert ist. Trotz dieser Überforderung werden die Administrationen durch die offizielle Entwicklungspolitik mit immer neuen, weiteren Aufgaben überfrachtet. Ich frage mich, ob unsere eigene Ver-



Lamers
waltung nicht ebenfalls mit solchen Aufgaben überfordert wäre

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Das ist nicht eine Frage, das ist eine Gewißheit!)

— jedenfalls solange die Verwaltung von dieser Regierung geführt wird, Herr Kollege Köhler.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Das ist unbedingt richtig!)

Zweitens sieht es um die Entwicklungspolitik schlecht aus ohne die Mobilisierung dieser neuen Kräfte, weil die Bereitschaft unseres Volkes, anders zu leben, damit andere überleben können, nun nicht staatlicherseits verordnet werden kann, sondern von uns allen, von uns, den Politikern, geweckt werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch das wäre ein Stück geistiger Führung, über die in diesem Hause in letzter Zeit gesprochen worden ist, die natürlich nicht nur, aber zumindest auch von der Regierung ausgehen muß. Anders leben lernen müssen wir übrigens nach meiner Überzeugung nicht nur deshalb, damit andere, sondern auch, damit wir überleben.
Kräfte unserer Gesellschaft können nicht nur in anderen Gesellschaften Dynamik entfalten, sondern werden auch, indem sie das leisten, uns zugute kommen. Ich befürchte wirklich, Herr Minister, das begreifen Sie zuwenig, und zwar deswegen — ich will es einmal vorsichtig ausdrücken, Herr Kollege Bindig —, weil Demokraten sozialistischer Herkunft zwar viel über gesellschaftliche Kräfte theoretisieren, aber meist Etatismus praktizieren,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und zwar deswegen, weil Sie sich im Grunde vor der Dynamik der gesellschaftlichen Kräfte fürchten. Aber ich hoffe, daß in Ihnen, Herr Minister, und in Ihren Parteifreunden noch ein Funken revolutionäres Feuer glüht, und daß Sie mit uns gemeinsam dieses gewaltige entwicklungspolitische Potential unseres Volkes wecken, nutzen, aktualisieren. Aber das erfordert in der Tat etwas mehr, Herr Minister, als die ordentliche Verwaltung der Ihrem Hause zur Verfügung stehenden Mittel.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Nicht einmal das geschieht!)

Es erfordert insbesondere Phantasie, Elan, Überzeugungskraft — alles Eigenschaften, von denen bislang wirklich nicht allzuviel zu spüren war.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Das ist Charisma!)

Es erfordert, daß Sie Ihrem Hause Ideen vermitteln, die Ihre Mitarbeiter umsetzen, und die sie zu mehr motivieren als zu treu braver Pflichterfüllung.
Von Ihrem Hause geht nichts aus, was die Menschen in unserem Lande mitreißen könnte, nichts, was die Menschen bewegen könnte, ihre Fähigkeiten in den Dienst einer Sache zu stellen, die, recht betrachtet, sowohl der Bereitschaft und dem Bedürfnis zu helfen gerecht wird, als auch dem wohlverstandenen Interesse unseres eigenen Landes dient.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Traurig, aber wahr!)

Von Ihrem Hause geht nichts aus, weil von Ihnen keine Impulse auf Ihr Haus und die Träger entwicklungspolitischer Arbeit ausgehen und weil Sie auch von diesen keine Impulse empfangen, von ihnen nichts für die staatliche Entwicklungshilfe lernen, nicht lernen, wie man Entwicklungshilfe an die Menschen bringt, wie man die Menschen dazu bringt, sich selbst zu helfen und zu erkennen, daß Entwicklung Entwicklung des Menschen und seiner sozialen Beziehungen heißt.
Ich glaube wirklich, Herr Minister, daß Ihr auf Etatismus zusammengeschrumpftes sozialistisches Credo genau das nicht erlaubt, daß Sie dazu ebensowenig einen Zugang haben, wie Sie die Vorstellung lockt — ach Gott, was sage ich „lockt" —, wie Sie überhaupt einmal auf die Idee kommen könnten, das schlummernde Potential in unserer Bevölkerung zu wecken und neue Truppen in die Schlacht um das Überleben von Millionen von Menschen zu schicken. Es ist wirklich meine Überzeugung, daß wir diese Menschen nicht tausend- sondern hunderttausendfach brauchen, die durch konkrete Arbeit in der Entwicklungshilfe nicht nur Sinn für ihre individuelle und kollektive Existenz erfahren, sondern die auch unsere zunehmende Abhängigkeit von der Dritten Welt erleben, die wahrnehmen, daß wir wechselseitig abhängig sind, daß auch wir uns entwickeln müssen oder — wie es Bischof Hemmerle kürzlich einmal gesagt hat — daß Entwicklung entweder wechselseitig ist oder gar nicht ist.
Daß dies gelingt, dafür tragen Sie, Herr Minister, nicht die alleinige Verantwortung, aber eine große Mitverantwortung. Der können Sie nur gerecht werden, wenn Sie sich nicht — wie der Bundeskanzler das wahrscheinlich von Ihnen erwartet — auf eine möglichst geräuschlose Verwaltung Ihres Ressorts beschränken. Nicht für Ruhe, sondern für Bewegung hat ein Minister zu sorgen, in dessen Kompetenz die Sorge um den Hunger, die Not und die Ungerechtigkeit, j a, um die Existenz von Abermillionen Menschen liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Diese Bewegung werden Sie nie erzeugen, wenn Sie
sich brav und koalitionsdienlich in den Schatten von
Herrn Genscher und Graf Lambsdorff stellen und höchstens einmal aufmucken — wie ich dem „Spiegel" entnehmen konnte —, wenn Herr Genscher Sie in die zweite Reihe, hinter seinen Staatssekretär, setzen will,

(Heiterkeit bei der SPD)

oder auch, wenn Genscher einmal etwas Richtiges sagt, indem er nämlich zu überlegen gibt, ob man nicht über die Entwicklungshilfe für El Salvador noch einmal nachdenken solle.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Glänzen Sie ruhig etwas mehr, Herr Minister, damit die Sache der Entwicklungspolitik etwas mehr



Lamers
glänzt! Sie machen es uns, der Opposition, dann zwar etwas schwerer; trotzdem können Sie dann unserer Unterstützung gewiß sein, denn lange währt es ja mit Ihnen und Ihrer Regierung ohnehin nicht mehr. — Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Der Schluß war faul!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906725700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Holtz.

Prof. Dr. Uwe Holtz (SPD):
Rede ID: ID0906725800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dadurch, daß man Hoffnungen hier immer wieder vorträgt, werden sie noch nicht realer, besonders was die Regierungsbeteiligung angeht.
Ich habe meine großen Zweifel,

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Zu Recht!)

ob man dadurch, daß man die Entwicklungspolitik als Schlagknüppel in der innenpolitischen Auseinandersetzung benutzt, wirklich mehr Menschen in der Bundesrepublik für den Nord-Süd-Ausgleich gewinnen kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Das sollten Sie aber einmal verinnerlichen, Herr Holtz!)

Die Europäische Gemeinschaft soll mehr Mittel für die in der Entwicklungshilfe tätigen Nichtregierungsorganisationen bereitstellen. Dies fordert der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Heute wird der Bundestag der Bundesregierung die Entschließung vorlegen mit dem Ersuchen, daß aUch sie sich dieser Forderung anschließt. Ich freue mich darüber, daß der Herr Bundesminister soeben gesagt hat, daß er dem Petitum folgen wird.
Eine solche Forderung ist aber nicht nur an das fernere Europa zu richten. In den vergangenen Jahren haben wir selbst als Parlament die Mittel für die Nichtregierungsorganisationen fast jedes Jahr erhöht. Das wird auch 1982 so sein; darauf können sich die Organisationen verlassen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wer gehört eigentlich zu diesen Nichtregierungsorganisationen, zu den — wie sie auch genannt werden — nichtstaatlichen, den privaten Trägern, zu den gesellschaftlichen Gruppen? Dazu gehören die Hilfsorganisationen der evangelischen und der katholischen Kirche, die Stiftungen der politischen Parteien sowie die mehr als 20 freien Träger der Entwicklungszusammenarbeit, zu denen beispielsweise die Andheri-Hilfe, die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk, Terre des Hommes, der Weltfriedensdienst und die Deutsche Welthungerhilfe gehören.
Jede 16. Mark — immerhin rund 330 Millionen DM — hat die Bundesregierung aus dem Entwicklungshilfehaushalt 1980 für deren Arbeit zur Verfügung gestellt; bei der Europäischen Gemeinschaft ist es gerade ein Zehntel dieser Summe. Mit einem so hohen Förderungsbetrag liegt die Bundesrepublik an der Spitze der Industrieländer. Für uns — auch für die Bundesregierung — ist also die Tätigkeit dieser Organisationen ein unverzichtbarer Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit.
Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisationen kritisieren selbst, daß sie auch nicht so geglückte Projekte in der Dritten Welt zu beklagen haben, aber ihr Wirken ist doch insgesamt positiv. Das führe ich auf einige wesentliche Gründe und Ziele zurück: Hilfe für die Ärmsten, Konzentration auf Kleinprojekte, besonders im Grundbedürfnisbereich, direkter Zugang zu den Menschen, Phantasie bei der Arbeit — einer Arbeit, die unterhalb der staatlichen Ebene stattfindet, etwa in Kooperation auch mit Ländern, zu denen wir noch keine entwicklungspolitischen Beziehungen haben; ein Beispiel ist Mozambique —, zusätzliche Mittelmobilisierung und entwicklungspolitische Bewußtseinsbildung. Sie leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Bewußtseinsbildung hier in der Bundesrepublik, aber durch ihr internationales koordiniertes Engagement auch zum internationalen entwicklungspolitischen Dialog.
Ihre zu Recht vorgetragenen Thesen lauten: Die Dritte Welt kann und darf nicht auf denselben Entwicklungspfad geschickt werden, den die Industrieländer bei der industriellen Revolution • im letzten Jahrhundert und bis heute beschritten haben; im Mittelpunkt hat eine Strategie der grundbedürfnisorientierten Entwicklung zu stehen, deren Kernpunkt größeres Vertrauen in die eigenen Kräfte ist, was aber nicht Abkoppelung vom Rest der Welt bedeutet, sondern vielmehr bewußte Konzentration aller Kräfte auf eine binnenorientierte Entwicklung; eine Neuordnung der internationalen Beziehungen zugunsten von Benachteiligten und Abhängigen ist nötig; die Entwicklungspolitik darf nicht die Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln sein.
Ich darf den Vertretern der Nichtregierungsorganisationen sagen, daß wir Parlamentarier viel von ihnen lernen können, zumindest in drei Bereichen: Entwicklung muß von unten kommen; im Zentrum der Entwicklungsanstrengungen stehen die ärmsten Bevölkerungsschichten; der Selbsthilfewillen der Bevölkerung muß mobilisiert werden. Die Nichtregierungsorganisationen können die staatliche Entwicklungshilfe allein schon wegen ihrer finanziellen, personellen, regionalen und sektoralen Begrenztheiten nicht ersetzen. Insofern ergänzen sich staatliche und nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit.
Entwicklungspolitische Projekte, ob vom Staat oder von privaten Organisationen gemacht, dürfen jedoch nicht isoliert von den gesellschaftlichen Bedingungen im Entwicklungsland gesehen werden, denn durch die Macht- und Besitzverhältnisse in einem Land wird weitgehend bestimmt, ob das Projekt wirklich der Masse der Armen und den Bedürftigen zugute kommt. Deshalb spreche ich mich für strengere Maßstäbe bei der Vergabe der Bonner Entwicklungshilfe an die Länder der Dritten Welt aus. Entwicklungshilfe sollte mehr als bisher mit der Bereitschaft der Entwicklungsländer verknüpft wer-



Dr. Holtz
den, ihre eigenen Anstrengungen zu verstärken und innere Probleme zur Diskussion zu stellen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Bei allen Projekten und Maßnahmen muß geprüft werden, ob sie bestimmte politisch-soziale Mindestbedingungen fördern. Ohne die Koalitionsfreiheit z. B. kann keine Privatorganisation das Genossenschaftswesen in der Dritten Welt fördern. Man kann zwar nicht von außen die inneren Verhältnisse in der Dritten Welt umkrempeln, aber dennoch gibt es Möglichkeiten, den politischen Dialog mit den Entwicklungsländern über diese Fragen zu intensivieren. Es gilt zu erreichen, daß Eigenanstrengungen und Reformen in der Dritten Welt konsequenter durchgeführt werden.
Die Europäische Gemeinschaft diskutiert einen richtigen Weg in diese Richtung. Zwischen ihr und einzelnen Entwicklungsländern soll ein Konzept erarbeitet werden, gemäß dem sich das Entwicklungsland verpflichtet, gewisse Leistungen und Eigenanstrengungen zu erbringen, bei deren Erfüllung die Europäische Gemeinschaft dann behilflich sein will. Ich fordere die Bundesregierung auf, dieses Konzept, das auf eine Art Entwicklungsvertrag hinausläuft, zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Das Parlament hat nicht nur über Zuwendungen an die Träger der Entwicklungszusammenarbeit zu beschließen; es hat auch eine Kontrollfunktion. Es muß darauf geachtet werden, daß diese Mittel so sorgfältig und so effektiv wie nur irgend möglich verwendet werden. Wie ernst es diese Aufgabe nimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren — auch die Sie zuhören — zeigte kürzlich der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit bei der Behandlung der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO. Er führte im Oktober dieses Jahres — übrigens wie der Landwirtschaftsausschuß — ein Gespräch mit dem Generaldirektor. In diesem Gespräch gelang es nicht, Bedenken der Ausschußmitglieder bezüglich der Wirksamkeit der Arbeit der FAO zu entkräften. Seine Bedenken richten sich unter anderem gegen die von der FAO mitverantwortete Nahrungsmittelhilfe, deren Ausgestaltung nicht selten eher geeignet erscheint, die dringend notwendigen Eigenbemühungen der Erzeuger in den Empfängerländern zu lähmen, als sie anzuregen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird den Kontrollaufgaben künftig noch mehr Aufmerksamkeit widmen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Er wird eine Entwicklungshilfeorganisation nach der anderen im internationalen Bereich kritisch auf ihre Effektivität hin überprüfen und aus den Ergebnissen auch die notwendigen Folgerungen ziehen.
Wenn wir von Effektivität sprechen, dann geht es dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur um wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung, sondern auch um Aspekte, die sich nicht so einfach in Zahlen fassen lassen. Darauf haben dankenswerterweise die privaten Träger im Ausschußhearing vom 6. Mai 1981 aufmerksam gemacht. Zur Effektivitätskontrolle einer entwicklungspolitischen Maßnahme gehört ebenfalls die Prüfung, ob und inwieweit Selbsthilfewillen, kulturelle Identität, Mitbestimmung und Solidarität der Menschen untereinander gefördert werden. — Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906725900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rumpf.

Dr. Wolfgang Rumpf (FDP):
Rede ID: ID0906726000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Als siebenter Sprecher zu einem solchen Thema habe ich es natürlich nicht leicht, und der einzige, der mir von vornherein Applaus versprochen hat, Dr. Kunz (Weiden), ist auch noch weggegangen.

(Heiterkeit — Beifall bei der FDP)

Nachdem sich Herr Lamers bei Herrn Offergeld für seine Rede offensichtlich schon entschuldigt hat, habe ich nicht zu erwarten, daß Herr Offergeld nach mir noch einmal dran kommt.

(Heiterkeit bei der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906726100
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Köhler? Sie haben noch gar nicht richtig begonnen.

Dr. Volkmar Köhler (CDU):
Rede ID: ID0906726200
Herr Kollege Rumpf, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß der Kollege Lamers sich wegen einer Besuchergruppe entschuldigen mußte, aber für kein Wort, was er hier gesagt hat.

Dr. Wolfgang Rumpf (FDP):
Rede ID: ID0906726300
Das bedaure ich natürlich sehr.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, könnte man zunächst vermuten, daß dabei noch mehr Bürokratie und weniger Effektivität herauskommt.
Als die Kommission der EG in Brüssel beschloß, mit den Nichtregierungsorganisationen zusammenzuarbeiten, war dies auch von vornherein zu befürchten. Die Erfahrung der letzten fünf Jahre war aber positiv. Das hat zwei Gründe.
Bei der EG-Kommission bestand weder der Wille noch die Möglichkeit, den Nichtregierungsorganisationen in ihre Projekte hineinzureden. Das hatte die Wirkung, daß die einzelnen Organisationen ihren eigenen Weg gehen konnten und dabei finanziell unterstützt wurden.
Ein zweiter Grund: Die Nichtregierungsorganisationen haben ihrerseits keine straffe, übergeordnete Organisation, sondern sie sind selbständig und selbstverantwortlich und können ihrer Arbeit so in eigener Zuständigkeit und Verantwortung nachgehen, ohne daß ihnen von einer Verwaltung oder Behörde oder auch nur von einem Stab Vorschriften gemacht werden. Ich möche ausdrücklich deutlich machen, daß es dabei auch bleiben sollte. Die Freien Demokraten sind jedenfalls nicht der Meinung, daß



Dr. Rumpf
sich die Nichtregierungsorganisationen in irgendeiner Weise organisieren sollten. Es muß vielmehr bei der Koordinierung bleiben, die bereits in lockerer Weise stattfindet.
In dem Bericht der Kommission wird angedeutet, daß man diese Organisationen ermuntert habe, sich stärker zusammenzuschließen und enger zu verbinden. Wir würden dies für den falschen Weg halten. Die Devise muß heißen: Koordination j a, aber Organisation nein. Wenn neue Gremien, Ausschüsse, Unterausschüsse, Kontaktgruppen, Einzelversammlungen, Generalversammlungen überhandnehmen, gibt es auch bald neue Büros und neue Institutionen mit einer Heerschar von Mitarbeitern, die die Akten füllen und das Geld verschlingen, das eigentlich für etwas ganz anderes zur Verfügung gestellt wird, nämlich wirklich den Ärmsten der Armen und wirklich vor Ort zu helfen.
Ich habe vielleicht hier etwas zu drastisch gezeichnet und den Teufel schon an die Wand gemalt. Ich muß Ihnen aber sagen, daß mir die Erfahrung mit der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO kürzlich vor dem Bundestagsausschuß tief unter die Haut gegangen ist. Deshalb reagiere ich allergisch auf solcherlei neue Organe, gleichgültig, welche Rechtsstellung sie haben. Ich will dazu hier keine weiteren Ausführungen mehr machen. Meine Kollegen Repnik, Dr. Kunz und Neuhaus — also quer durch die Fraktionen — und ich haben dazu schon genug gesagt und geschrieben. Ja, für manche unserer Minister haben wir vielleicht schon zuviel gesagt und geschrieben.
Aber eines will ich anmerken. Ich war wirklich froh, als ich gehört habe, daß die Bundesregierung den Haushalt der FAO abgelehnt hat.

(Beifall)

Vielleicht konnte sie damit ein Zeichen setzen, daß in Zukunft weniger Geld in der Bürokratie hängenbleibt und daß wenigstens besser aufgeschlüsselt und nachgewiesen wird, wie die Mittel verwandt werden.
Jedenfalls — und das wollte ich zum Ausdruck bringen — dürfen die Nichtregierungsorganisationen nicht zu einer übernationalen Mammutorganisation oder zu einer — schreckliches Wort! — gesamteuropäischen gemischten Nichtregierungsorganisation werden. Sie sollen bleiben, was sie sind: Sie sollen — und das sind sie eigentlich — die Nachfolger der früheren Missionsstationen sein, die überall auf der Welt seit langem Basisarbeit leisten.
Noch heute ist es doch so, daß man die Missionare fragen muß, wenn man wissen will, wie die Stimmung in dem Volk in den Entwicklungsländern ist. Hätte man in Zimbabwe/Rhodesien die Jesuiten gefragt, wäre man nicht von dem haushohen Sieg Mugawes und der schrecklichen Niederlage Muzorewas überrascht worden. Die Medien hatten vorher etwas anderes erwarten lassen. In Südwestafrika/Namibia sollte man sich vielleicht auch jetzt mehr mit den evangelischen Missionen und den Kirchen unterhalten, insbesondere mit der finnisch-lutherischen Kirche vor Ort.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Vielleicht sollte man da dasselbe tun wie in Zimbabwe: rechtzeitig NGOs hinschicken!)

— Das ist genau richtig. Aber es ist eben kein selbständiges Land. Um die politische Entwicklung besser vorauszusehen, kann man sich aber mit den Kirchen jetzt schon unterhalten. Was die Missionen den Menschen in Afrika, Asien und Südamerika an Grundkenntnissen und technischen Erleichterungen gebracht haben, müssen heute in großem Umfang die Nichtregierungsorganisationen leisten. Sie leisten ihre Arbeit gut, wie man erkennt, wenn man die Berichte der Kommission analysiert und sieht, was draußen vor sich geht.
Es geht um die angepaßte technische Hilfe. Das heißt, für jede Kultur, für jedes Volk oder jeden Stamm muß die technische Hilfe angepaßt sein. Sie darf nicht übergestülpt werden. Sonst passiert das, was einem immer wieder berichtet wird und was man beobachten kann, nämlich daß teures technisches Gerät zwar angenommen und benutzt, aber nicht gewartet wird. Wenn es unbrauchbar geworden ist oder einfach nicht mehr funktioniert, werden die Einzelteile abmontiert. Daraus wird dann das angepaßte Gerät hergestellt. Hier gibt es bei den Nichtregierungsorganisationen und bei den Stiftungen hervorragende Ansätze. Einen solchen richtigen Ansatz konnte ich gerade vorige Woche in Botswana bei der Friedrich-Ebert-Stiftung im ländlichen handwerklichen Bereich sehen.
Eines muß immer wieder festgestellt werden: Wer vor Ort arbeitet, hat im allgemeinen zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten und zu wenig Verantwortung. Vielleicht hört das die GTZ und auch unser Ministerium. — Der Minister unterhält sich gerade mit meiner lieben Kollegin Schuchardt. Sie hören es freilich nicht gern, aber man muß es doch sagen: Viele Entwicklungshelfer draußen sind frustriert, weil sie nicht schöpferisch und nicht kreativ sein können, sondern in Schablonen eingepreßt werden. Da sollte das alte Prinzip von der Verlagerung der Handlungsverantwortung nach wie vor gelten. Auch hier waren übrigens die Missionen beispielhaft. Das heißt, die Verantwortung für die einzelnen Handlungen und die Folgen liegt beim Mitarbeiter, aber die Gesamtverantwortung behält der Vorgesetzte bzw. die vorgesetzte Dienststelle, und zwar auch dann, wenn etwas schiefgegangen ist. Ich meine, man müßte auch hier einmal den Mut zur Lücke haben.
Am schlimmsten frustriert sind unsere Leute immer dann, wenn sie einmal eine gute Idee haben und es dann heißt: Dafür ist kein Geld da, das entspricht nicht der Vorschrift, dafür haben wir gar keinen Titel. Ich meine, die Kommission hat richtig erkannt, daß Kleinstvorhaben unterstützt werden sollten, um aus den engen Schablonen herauszukommen, weil die vielen Nicht-Regierungsorganisationen — 1980 waren es 124 mit fast 700 Vorhaben — sich natürlich auch auf sehr viele individuelle Mitarbeiter stützen können.
Das Auswärtige Amt ist meines Erachtens auf dem richtigen Weg mit der Erhöhung der Verfü-



Dr. Rumpf
gungsmittel in den Botschaften, um im Einzelfall schnelle und unbürokratische Hilfe nach Einschätzung des Botschafters leisten zu können.
Ein Letztes. Wenn Regierungen miteinander verhandeln und schließlich zu einem Abschluß kommen, geht es entweder um ein Großprojekt oder um Projekte, in denen ein erheblicher Teil Prestige steckt, also Projekte, welche die Regierungen der Empfängerländer natürlich auch selbst betreiben wollen. Aber gerade die längerfristigen Objekte leiden unter der Politisierung und sind abhängig von den jeweiligen politischen Verhältnissen im Lande. Auch die Bundesregierung läßt langfristige Projekte einfrieren wie z. B. die Ausbildung von Forstleuten und die Aufforstung in Bolivien wegen des — man höre und staune — 83. Militärputsches seit Bestehen des Landes. Oder sie sucht nach Wegen, ob sie San Salvador Hilfe gewähren soll oder nicht.
Die Nicht-Regierungsorganisationen leisten aber Hilfe für die Betroffenen und nicht für die Regierungen. Sie verlieren auch dann nicht das Interesse, wenn die Erfolge nur langfristig angelegt sind und nicht sofort sichtbar werden. Wir müssen, meine Damen und Herren, die Langfristigkeit und die Nachhaltigkeit solcher Kleinstprojekte mehr vor Augen haben. Ich will nur zwei Beispiele nennen:
Wenn der Holzvorrat um die Städte und Siedlungen herum drastisch abnimmt und die Frauen und Kinder schon eine Tagesarbeit leisten müssen, um das Holz heranzuschaffen, dann muß eben der Dorfälteste davon überzeugt werden, daß man Bäume pflanzen und fünf bis zehn Jahre warten muß, bis man die ersten Brennholzhiebe machen kann, damit das Holz dann auch nachhaltig vorhanden ist.
Ein zweites Beispiel: Wenn das Vieh alles hoffnungslos überweidet und die Ziegen den Rest an grünen Gräsern und Blättern aufgefressen haben, das Weideland verbuscht und voller Dornen wird, dann kann nur der Stammesführer dafür sorgen, daß solche Flächen im Wechsel eingezäunt und beweidet werden. Nur wenn er überzeugt wird, ist er auch bereit, die Zäune zu überwachen.
Hier wirkt die wertvolle Arbeit der Nicht-Regierungsorganisationen in vorderster Front ökologisch richtig. Hier, Herr Minister, können Sie Ihrem Namen in Zukunft — Sie tun es schon, wie ich gehört habe, in verstärktem Maße — zunehmend gerecht werden: „I offer Geld", also „Ich gebe das Geld".

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0906726400
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/931 unter der Nr. 1, den Bericht der Kommission an den Rat zur Kenntnis zu nehmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Ich stelle fest, das Haus hat einstimmig so beschlossen.
Der Ausschuß empfiehlt außerdem auf Drucksache 9/931 unter den Nr. 2 und 3 die Annahme von
Entschließungen. Die Entschließungen liegen dem Haus vor. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Die Entschließungen sind angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 bis 10 auf:
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Mai 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß- und Erbschaftsteuern
— Drucksache 9/989 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 28. April 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten über die Regelung gewisser Fragen betreffend deutsches Vermögen und zur Verteilung von Entschädigungen für deutsches Vermögen in Ägypten und Honduras
— Drucksache 9/990 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 18. Mai 1981 zur Änderung des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen
— Drucksache 9/1032 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 9/989, 9/990 und 9/1032 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 22 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 9/935 —



Vizepräsident Dr. h. c. Leber
b) Beratung der Sammelübersicht 23 des Petitonsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 9/954 — Das Wort dazu wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 9/935 und 9/954, die in den Sammelübersichten 22 und 23 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Antrag des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" — Wirtschaftsjahr 1980
— Drucksache 9/1020 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zum Antrag des Bundesministers der Finanzen Bundeseigenes Grundstück in Essen-Schuir,
Gemarkung Schuir, Flur 3, Flurstück 20 hier: Veräußerung an das Land Nordrhein-Westfalen
— Drucksachen 9/757, 9/994 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Grobecker, Dr. Hackel
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf der Drucksache 9/994 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Das ist nicht der Fall. Das Haus hat der Empfehlung des Ausschusses zugestimmt und entsprechend beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs

(Nr. 2/81 — Zollpräferenzen 1981 gegenüber Entwicklungsländern — EGKS)

— Drucksachen 9/852, 9/1036 —
Berichterstatter: Abgeordneter Echternach
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1036, der Verordnung auf der Drucksache 9/852 zuzustimmen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist ensprechend beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 bis 17 auf:
15. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Aufhebbaren Fünfzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
— Drucksachen 9/773, 9/1037 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ahrens
16. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Aufhebbaren Neunundsiebzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
Drucksachen 9/789, 9/1038 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schwörer
17. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 1/81 — Erhöhung des Zollkontingents 1981 für Bananen)
— Drucksachen 9/759, 9/1039 —
Berichterstatter: Abgeordneter Beckmann
Der Ausschuß empfiehlt, die Aufhebung der Verordnungen nicht zu verlangen.
Wird das Wort dazu gewünscht? — Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Ich lasse jetzt über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft auf den Drucksachen 9/1037 bis 9/1039 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich auch niemand der Stimme? — Die Beschlußempfehlungen sind angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 27. November 1981, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.