Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 9/808 —
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Stahl steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Herberholz auf:
Wird im Zusammenhang mit der Förderung der Entwicklung neuer biotechnologischer Verfahrensschritte zum Aufschluß und zur Fermentation verschiedener pflanzlicher Ausgangsprodukte durch den Bundesforschungsminister auch Tapioka untersucht, oder geht die Bundesregierung davon aus, daß bereits heute die deutsche Wirtschaft über das technische Know-how verfügt, Äthanol aus Tapioka gewinnbringend industriell herzustellen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Herberholz, die Bundesregierung unterstützt im Rahmen der Projektförderung des Bundesministers für Forschung und Technologie aus dem Haushaltskapitel 30 03 biotechnologische Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zum Aufschluß von Stärke aus Tapioka, also Maniok, Cassava.
Die Forschungsarbeiten werden u. a. auch in Kooperation mit Brasilien durchgeführt. Auf deutscher Seite sind die Versuchs- und Lehranstalt für Spiritusfabrikation und die Firma Bukau-Walter beteiligt. Der brasilianische Partner ist das Instituto Nacional de Technologia. Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung und Optimierung eines kontinuierlichen Verfahrens zur Verzuckerung von Stärke aus Tapioka, also Maniok.
Die Frage der wirtschaftlichen Herstellung von Äthanol aus Tapioka mit bereits entwickelten Verfahren hängt entscheidend von den wirtschaftlichen Randbedingungen sowie der Verfügbarkeit billiger Energie ab, da herkömmliche Verfahren in ihrer Energiebilanz negativ sind. Unter gewissen Voraussetzungen kann es wirtschaftlich sein, unter Verwendung einer billigen, weil nicht anders zu verwendenden, Energiequelle, z. B. Holz, weniger Energie aus Tapioka-Stärke in Form von Äthanol zu gewinnen, da Äthanol leicht transportabel und vielseitig einsetzbar ist.
Die vom BMFT unterstützten Entwicklungen zielen darauf ab, Verfahren zu entwickeln, die in ihrer Energiebilanz eindeutig positiv- sind. Ansatzpunkte für diese Entwicklungen sind der verstärkte Einsatz von Enzymen, also Biokatalysatoren, die bei niedrigen Temperaturen einen Stärkeaufschluß ermöglichen, sowie die Rückführung nicht benötigter Prozeßenergie mittels Wärmetauschern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herberholz.
Herr Staatssekretär, ich entnehme Ihren Ausführungen, daß das Problem bei Ihren Forschungsvorhaben nicht darin besteht, aus Stärke Zucker zu gewinnen, sondern daß Ihre Forschungsvorhaben vor allem auf die Frage der Primärenergie abzielen. Ist Ihnen in diesem Zusammenhang bekannt, daß im Grunde genommen die genannte Firma ein Verfahren entwickelt hat, das seine Energie vollständig, zu 100 %, aus dem Rohstoff Tapioka gewinnt, nämlich das dabei anfallende Tapioka-Holz, und daß bereits mehrere Objekte nach diesem Verfahren von der genannten Firma in der Dritten Welt in industriellen Größenordnungen verkauft worden sind?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Herberholz, es ist natürlich klar, daß wir versuchen, Technologien zu entwickeln, die auch auf andere Länder übertragbar sind, die also einen ähnlichen Entwicklungsstand wie z. B. Brasilien aufweisen und über ausreichende Stärkepflanzen, z. B. Cassava, Süßkartoffeln, Mais, verfügen, die nicht für die Nahrungsmittelproduktion benötigt werden. Das gilt z. B. für Indonesien und die Philippinen. Ich glaube, es ist gut, daß wir mittels der Forschung Technologien entwickeln, um z. B. den Entwicklungsländern dabei behilflich zu sein, ihren Energiebedarf zu decken und von Erdölimporten unabhängiger zu werden.
Weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, würden Sie auch bereit sein, in Ihre Liste das Land Thailand,
Metadaten/Kopzeile:
2842 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Herberholzdas gleiche Voraussetzungen mitbringt, einzuschließen?Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Herberholz, ich habe diese Länder als Beispiele genannt. Vielleicht ist es interessant, daß z. B. 1 Liter Äthanol aus Tapioka unter Zugrundelegung konventioneller Technologie etwa 1,40 bis 1,50 DM kostet. Sie wissen wohl, daß 2 Liter Äthanol etwa 1 Liter Benzin entsprechen. Das heißt, daß bei steigenden Ölpreisen eine derartige Technologie für alle Entwicklungsländer, die über derartige Ressourcen verfügen, interessant sein kann. Dies entspricht auch, Herr Kollege Herberholz, der Politik der Bundesregierung im Bereich der deutschen Entwicklungshilfe.
Ich rufe Frage 86 des Herrn Abgeordneten Herberholz auf:
Gedenkt die Bundesregierung, eine andere Haltung in der Frage des Exports von Kernenergie-Technologie in andere Länder einzunehmen, nachdem am Lawrence Livermore Laboratory in Kalifornien ein Verfahren zur Laser-Isotopentrennung, das eine vereinfachte Reinigung von Plutonium 240 und damit die vereinfachte Herstellung von in Atomwaffen verwendbaren Materials ermöglicht, entwickelt wurde?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Herberholz, die nukleare Exportpolitik der Bundesregierung steht in voller Übereinstimmung mit den von der Bundesregierung eingegangenen NV-politischen Verpflichtungen und richtet sich am Grundsatz einer wirksamen NV-Politik aus. Maßgeblich sind dabei insbesondere unsere Verpflichtungen gemäß dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die Richtlinien der Gruppe der Nuklearlieferländer , zu deren Einhaltung wir uns zusammen mit anderen wichtigen Lieferländern verpflichtet haben.
Diese Grundsätze regeln den Export aller Bereiche der nuklearen Technologie, wobei einer der wichtigsten Gesichtspunkte die Anwendung von Sicherheitsmaßnahmen der IAEO auf die gelieferten Ausrüstungen und Materialien in den Empfängerländern ist.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß auf Grund der physikalischen Gesetzmäßigkeiten eine Isotopentrennung bei Plutonium im Laserverfahren grundsätzlich möglich ist. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind derartige Arbeiten im LawrenceLivermore-Laboratorium im Labormaßstab durchgeführt worden. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Arbeiten auf diesem Gebiet. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, die soeben dargelegten Grundsätze für den Export nuklearer Technologie zu verändern.
Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.
Herr Staatssekretär, sehen Sie denn in einer solchen Möglichkeit der Isotopentrennung im Laserverfahren nicht auch die Gefahr, daß unter Umständen dritte Länder in den Stand versetzt werden könnten, sich auf diese Art und Weise Material zu beschaffen, das zum Herstellen von Atomwaffen geeignet wäre?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Herberholz, nach Aussagen von Fachleuten scheint dies für längere Zeiträume ziemlich unmöglich zu sein.
Zusatzfrage? — Keine weitere Zusatzfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Frage 1 des Herrn Abgeordneten Thüsing wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Dies war die einzige Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Herr Staatsminister Huonker steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil auf:
Welche Beträge hat die Bundesregierung für das im Auftrag der Abteilung V des Bundeskanzleramts in der Zeit vom Mai 1979 bis April 1980 durchgeführte Forschungsprojekt über rechtsextreme politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, bekannt als Sinus-Studie, gezahlt, und wie wurden in den Werksverträgen die Urheberrechte im Hinbiick auf die Veröffentlichung der Studie bei ro-ro-ro im August 1981 unter dem Titel „fünf Millionen Deutsche: Wir sollten wieder einen Führer haben" geregelt?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Frage: Es ist nicht üblich, die Kosten für sozialwissenschaftliche Forschungsprojekte, die im Auftrag des Bundeskanzleramtes durchgeführt werden, öffentlich zu machen. Ich will aber zugleich hinzufügen, daß die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages im Rahmen ihrer Aufgabenstellung die Kosten auch dieses Gutachtens erfahren.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage möchte ich bemerken: Das Urheberrecht an der Studie liegt beim Bundeskanzleramt. Es hat jedoch von der vertraglich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Sinus das Recht zu einer Veröffentlichung des Abschlußberichts zu übertragen. Dabei wurde vereinbart, Gewinne, die dem Institut aus dieser Veröffentlichung entstehen, zu hundert Prozent an das Bundeskanzleramt abzuführen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte.
Herr Staatssekretär, welche besonderen Qualifikationen oder welche bedeutenden Vorarbeiten haben das Bundeskanzleramt bewogen, einen so gewichtigen Auftrag an das Sinus-Institut zu geben?
Huonker, Staatsminister: Ich will nur sagen, Ausgangsvoraussetzungen waren die damals steigenden Anzeichen für zunehmenden Rechtsextremismus, für steigende Gewalttätigkeiten, und das SinusInstitut war eines der Institute, die für die Durchführung eines solchen Auftrages in Frage kamen.
Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2843
Herr Staatsminister, wurde im Werksvertrag eine Klausel eingebaut, die eine qualitative Überprüfung der abgegebenen Arbeit vor Annahme sicherstellte?
Huonker, Staatsminister: Ob eine solche Klausel im Vertrag eingebaut worden ist, Herr Kollege, kann ich nicht sagen. Aber es ist völlig selbstverständlich, daß eine solche Arbeit natürlich durch die Mitarbeiter im Bundeskanzleramt begleitet und nachher mit der üblichen kritischen Betrachtungsweise überprüft wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka
Herr Staatsminister, hat der Bundesregierung der Vertrag vorgelegen, der von diesem Sinus-Unternehmen mit ro-ro-ro abgeschlossen worden ist; hat es da Einsprüche, Widerreden bezüglich der weiteren Veröffentlichung gegeben?
Huonker, Staatsminister: Nach einer intensiven Diskussion über dieses Thema innerhalb des Bundeskanzleramtes ist entschieden worden, daß Sinus das Recht bekommt, den Abschlußbericht dieser Studie zu veröffentlichen. Das Wesentliche an der Sache — ich nehme an, daß Ihre Frage darauf abzielt —, nämlich die Frage der Übertragung des Urheberrechts und der möglichen Verwendung von Gewinnen, ist in der Absprache, die dieser Veröffentlichung vorausging, eindeutig geregelt worden, Herr Kollege.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatsminister, hat sich das Kanzleramt vor der Übertragung der Möglichkeit an das Sinus-Institut, eine Veröffentlichung in die Wege zu leiten, mit dem Inhalt dieser Studie näher beschäftigt und geprüft, ob sie zu einer Veröffentlichung in dieser Form geeignet ist?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, diese Frage beantworte ich selbstverständlich mit Ja. Ich möchte meine Antwort ergänzen mit der letzten Passage des Vorwortes, das der sehr bekannte und unumstrittene Sozialwissenschaftler Herr Professor Greiffenhagen geschrieben hat. Da heißt es:
Zu einer demokratischen Kultur gehört, daß sie um sich selbst weiß. Die Sinus-Untersuchung liefert zur Selbstaufklärung unserer politischen Kultur einen wichtigen Beitrag ... Ich wünsche der Studie große Verbreitung und hoffe, daß die methodische wie die politische Diskussion, die sie auslösen wird, dem Rang entspricht, den sie
— ich füge hinzu: die Studie — selber setzt.
Wenn jetzt jemand auf die Idee käme, ich würde Schleichwerbung betreiben, wäre diese Idee falsch. Sie haben mich durch Ihre Frage zum Zitat dieser Passage provoziert, Herr Kollege.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weirich.
Herr Staatsminister, für wen ist der Sozialwissenschaftler Greiffenhagen unumstritten?
Huonker, Staatsminister: Dazu muß ich folgendes sagen. Obwohl es der Bundesregierung nicht ansteht, über die berufliche, wissenschaftliche Qualifikation von Professoren Urteile abzugeben, will ich doch als meine persönliche Meinung hinzufügen, daß Herr Greiffenhagen als ein Forscher insbesondere auf dem Gebiet des Konservatismus einen ausgezeichneten Ruf besitzt, und zwar weit über die eine oder andere Parteigruppierung in diesem Land hinaus.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 3 des Herrn Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil auf:
Wurden bei der Annahme der Sinus-Studie über „rechtsextreme politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland" Überprüfungen der wissenschaftlichen Qualität der Arbeit vorgenommen, und, wenn ja, durch wen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, die Antwort lautet j a, und zwar — wie ich schon gesagt habe — durch die zuständige Abteilung des Bundeskanzleramts. Was die Frage der methodischen Probleme angeht, will ich auf das verweisen, was ich eben aus dem Vorwort von Professor Greiffenhagen zitiert habe.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte.
Herr Staatsminister, wenn diese Überprüfung stattgefunden hat, erscheint es der Bundesregierung dann mit wissenschaftlicher Qualität vereinbar, wenn 45 Fallstudien bei Rechtsextremen erstellt werden, deren typische Statements bei 7 000 repräsentativen Bundesbürgern hinterfragt werden, aber die Statements selbst nicht auf typische Rechtsradikalität überprüft werden, so daß Statements stehengeblieben sind wie „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein", „Nichts geht über die Geborgenheit im Schoß einer geordneten Familie" oder, bei negativer Polung, „Man sollte sich damit abfinden, daß es zwei deutsche Staaten gibt"?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, ich will dazu zwei Bemerkungen machen. Es kann nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, methodische oder gar methodologische Untersuchungen und Fragestellungen zu erörtern. Dieses muß der Fachwelt überlassen bleiben, und die Fachwelt hat sich mit diesem Thema ja nicht zuletzt an Hand dieser Studie auseinandergesetzt. Zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, daß diese Studie Einstellungen mißt und von daher natürlich diese Fragestellungen, auf die Sie verweisen, gerechtfertigt sind.
Zusatzfrage.
Metadaten/Kopzeile:
2844 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Herr Staatsminister, erscheint es Ihnen aber auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien mit wissenschaftlicher Qualität vereinbar, wenn die Kriterien, die aus der Untersuchung gewonnen werden sollen, durch Auswahl der Stichprobengruppe vorweggenommen werden, z. B. bei der sogenannten Öko-Rechten, so daß Reaktionen wie die auf die Frage nach der Nützlichkeit von Atomkraftwerken oder ob man chemische Dungstoffe für sinnvoll hält, in der Ergebnisstudie die Ansicht der Öko-Rechten ergeben, die schon vorher ausgewählt worden ist?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, wenn Sie diese Schrift lesen, werden Sie feststellen, daß die Fragestellungen so breit angelegt sind, daß Zweifel an der wissenschaftlichen Seriosität dieser Studie, wenn ich mir diese Wertung erlauben darf, obwohl ich vorhin gesagt habe, die methodischen Fragen sollte man der Fachwelt überlassen, nicht angebracht sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Bötsch.
Herr Staatsminister, um auf die vorletzte Frage des Kollegen Waldburg-Zeil zurückzukommen: Sind Sie nicht auch der Meinung — ich frage das auf Grund der von Ihnen angeführten Zitate aus der Studie, die Sie als „sehr breit angelegt" bezeichnet haben —, daß der Slogan „Deutsche, ihr könnt stolz sein auf unser Land", der ja einmal vor einigen Jahren auf Wahlplakaten zu lesen war, auch so eingeordnet werden müßte?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe den Eindruck, daß Sie sich auf den Bericht einer bedeutenden Tageszeitung über diese Studie beziehen. Einiges, was in jenem Artikel genannt worden ist, ist als Fragestellung und Gegenstand von Statements so in der Studie gar nicht enthalten.
— Sie müssen den ganzen Zusammenhang sehen.
Ich empfehle Ihnen, daß Sie sich trotz aller zeitlichen Belastung, der wir alle unterworfen sind, die Zeit nehmen, diese Studie sehr sorgfältig zu lesen. Ich bin, wenn ich das hinzufügen darf, gern bereit, dann in einer weiteren Fragestunde detaillierter auf die Themen einzugehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatsminister, stimmen Sie mir wenigstens darin zu, daß nicht die Breite als solche für Wissenschaftlichkeit zeugt, sondern die Logik und die Durchdachtheit der Fragestellung ihrerseits?
Huonker, Staatsminister: Diese Frage kann ich natürlich uneingeschränkt mit Ja beantworten. Wenn Logik irgendwo außerhalb der Politik einen Sinn hat, dann sicher auf dem Gebiet der Wissenschaft.
— Dort ist sie selbstverständlich!
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatsminister, ist es ein Kennzeichen für wissenschaftliche Seriosität dieser Studie, wenn dort z. B. die Bereitschaft, an Demonstrationen an der Zonengrenze teilzunehmen — ein Vorhaben, an dem ja schon wichtige Mitglieder dieses Hauses aus allen Fraktionen teilgenommen haben —, als ein „typisches Merkmal rechtsradikaler Gesinnung" dargestellt wird?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, ich bin jetzt fast versucht, meine Bitte zu wiederholen, sich mit der — ich gebe zu: umfänglichen — Studie sorgfältiger zu befassen. Dann werden Sie nämlich feststellen, daß die Vielzahl der Fragestellungen, die, wenn man sie vereinzelt herausnimmt und untersucht, mißverständlich sein könnten, nach einem komplizierten, methodisch-wissenschaftlich durchaus bewährten Raster ermittelt wurden.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Metz auf:
Hatte der Leiter der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin, Staatssekretär Balling, den Auftrag, Herrn Bahr bei seinen Gesprächen in Ost-Berlin zu begleiten?
Bitte, Herr Staatsminister.
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege Metz, Herr Kollege Bahr hat seine Gespräche am 4. September 1981 in Berlin in engem Kontakt mit der Bundesregierung geführt. Daß der Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, Staatssekretär Bölling, bei den Gesprächen zugegen war, ist ein völlig normaler Vorgang.
Von einem Auftrag an Staatssekretär Bölling, Herr Kollege, kann selbstverständlich keine Rede sein; denn der Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin kann natürlich ein Mitglied dieses Hohen Hauses nur dann zu Gesprächen begleiten, wenn dieses Mitglied es wünscht.
Im übrigen möchte ich nachdrücklich darauf hinweisen, daß jedes Mitglied dieses Hohen Hauses und auch andere wichtige Politiker von unserer Ständigen Vertretung im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei Gesprächen in der DDR so gut wie irgend möglich betreut werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Metz.
Herr Staatsminister, ist es denn so, daß es in das jeweilige Ermessen des Leiters der Ständigen Vertretung gestellt ist, wen er bei Reisen in die DDR oder nach Ost-Berlin begleitet?Huonker, Staatsminister: Ich bitte um Nachsicht. Ich möchte mich nicht der Gefahr aussetzen, die Frage eines Kollegen zu kritisieren, aber ich mache deutlich, daß umgekehrt ein Schuh daraus wird. Wenn Sie, Herr Kollege, zu Gesprächen in die DDR fahren, bleibt es Ihrer freien Entscheidung — wie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2845
Staatsminister Huonkerkönnte es anders sein? — überlassen, ob Sie eine Begleitung durch Herrn Bölling oder durch einen anderen Mitarbeiter unserer Ständigen Vertretung wollen oder nicht.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 5 des Herrn Abgeordneten Metz auf:
Treffen Pressemeldungen zu, nach denen der Leiter der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin, Staatssekretär Bölling, an Gesprächen, die Herr Bahr u. a. mit SED-Chef Honecker in Ost-Berlin geführt hat, nicht oder nicht ständig teilgenommen hat?
Bitte, Herr Staatsminister.
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, Staatssekretär Bölling war bei dem Gespräch des Herrn Kollegen Bahr mit Herrn Axen ebenso zugegen wie bei dem Gespräch mit dem Generalsekretär der SED und Staatsratsvorsitzenden Honecker. Daß zum Abschluß der Begegnungen Gespräche unter vier Augen geführt werden, ist ein durchaus normaler Vorgang. Ich füge, ohne jetzt auf das Spezialthema einzugehen, hinzu: es ist auch ein international durchaus üblicher und normaler Vorgang. Sie können jedoch davon ausgehen, daß Herr Kollege Bahr die Bundesregierung über seine in Ost-Berlin geführten Gespräche sehr rasch und umfassend informiert hat.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Metz.
Herr Staatsminister, teilen Sie nicht meine Auffassung, daß, wenn schon der Herr Staatssekretär Politiker aus der Bundesrepublik Deutschland aus solchen Anlässen begleitet, dann aber bei den Gesprächen teilweise nicht dabei ist, der Eindruck entstehen kann, seine durchgängige Anwesenheit sei nicht erwünscht?
Huonker, Staatsminister: Dieser Eindruck kann natürlich bei denjenigen nicht entstehen, die die Usancen bei solchen Gelegenheiten im Verhältnis hier, aber auch bei internationalen Begegnungen — kennen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, die von Ihnen erwähnte umfangreiche Berichterstattung von Herrn Bölling an Sie über den Inhalt der Gespräche von Herrn Bahr in Ost-Berlin dem zuständigen Fachausschuß — dem Innerdeutschen Ausschuß, vermute ich — unter. „Streng vertraulich" oder unter „Geheim" zur Kenntnis zu bringen?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, dazu muß ich zwei Bemerkungen machen. Erstens ist es generell nicht üblich — wir haben vor geraumer Zeit in der Fragestunde schon einmal darüber geredet —,
über Gespräche, die auf Regierungsebene geführt werden, in dieser Form öffentlich zu berichten.
Was Ihre Frage angeht, im Ausschuß einen Bericht entgegenzunehmen, so kann es doch nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, über ein Gespräch, das ein Kollege dieses Hauses führt, zu berichten. Wenn Sie darüber Informationen haben wollen, Herr Kollege, dann müßte dies eine Bitte an den Abgeordneten dieses Hauses sein, der die Gespräche geführt hat.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, kann ich die Bundesregierung danach fragen, ob der Bundeskanzler auch über das Vier-Augen-Gespräch des Kollegen Bahr mit Herrn Honecker informiert worden ist?
Huonker, Staatsminister: Diese Frage beantworte ich mit einem eindeutigen Ja, Herr Kollege.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herberholz.
Herr Staatsminister, ich war als Mitglied dieses Hauses vor 14 Tagen in Thailand, habe im Industrieministerium Gespäche geführt und mich dabei von Herren der deutschen Botschaft begleiten lassen und habe ein Gespräch mit dem deutschen Botschafter geführt. Ich hatte bisher nicht daran gedacht, die Bundesregierung darüber zu informieren. Habe ich mich da vielleicht falsch verhalten?
Wo liegt Ihre Frage, Herr Kollege?
Huonker, Staatsminister: Frau Präsidentin, ich habe, glaube ich, die Frage verstanden. — Ich möchte Sie deswegen nicht rügen, aber es ist immer gut, die Bundesregierung zu informieren, weil ein möglichst breiter Kenntnisstand über alles das, was im Ausland erfahren wird, nur zu einer weiteren Verbesserung der Politik der Bundesregierung beitragen kann. Ich darf noch weiterhin ergänzen, daß es natürlich auch umgekehrte Fälle gibt. Herr Kollege, Sie befinden sich insoweit in guter Gesellschaft, denn ich möchte Sie an dieser Stelle darauf hinweisen, daß das ganze Gespräch, das das damalige Mitglied dieses Hauses Herr Strauß mit Mao Zedong in China geführt hat, auch ohne Begleitung des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat.
Ich danke Ihnen, daß Sie die Geschäftsführung gleich mitübernommen haben, verehrter Herr Staatsminister. Es ging zwar ganz gut so, aber in Zukunft wollen wir das lieber nicht so handhaben.Herr Kollege Jäger .
Metadaten/Kopzeile:
2846 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Herr Staatsminister, da der Bundesregierung nun sowohl der Bericht des Herrn Staatssekretärs Bölling als auch der Bericht des Kollegen Bahr, wie Sie eben sagten, bekannt ist, möchte ich Sie fragen: Ist denn der Bundesregierung bekannt, was nun in dem gesonderten Teil, an dem Herr Bölling dann nicht mehr teilgenommen hat, gesprochen worden ist, und gibt es eine Erklärung dafür, warum der Herr Staatssekretär Bölling justament an diesem Teil des Gesprächs nicht mehr teilnehmen durfte?
Huonker, Staatsminister: Den ersten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege, beantworte ich, wie bereits erfolgt, mit Ja.
Im übrigen weise ich noch einmal darauf hin, daß es bei vielen solchen und ähnlichen Begegnungen gängiger Praxis entspricht, daß man am Ende bzw. gegen Ende eines Gesprächs, das in Anwesenheit mehrerer geführt wird, noch ein Vier-Augen-Gespräch anschließt. Ich sage noch einmal: Das ist ein völlig normaler Vorgang, ein Vorgang, der in vielen Fällen auch hier in Bonn praktiziert wird.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob der Kollege, der nach Thailand gereist ist und dort die thailändische Regierung in Begleitung des deutschen Botschafters zu einem Gespräch aufgesucht hat, diesen während des Gesprächs herausgebeten hat?
Huonker, Staatsminister: Da ich mir die freundschaftliche Kritik der Frau Präsidentin nicht erneut zuziehen möchte, möchte ich Ihnen nur insoweit antworten, als ich sage, daß mir der Vorgang erst dadurch bekanntgeworden ist, daß der Herr Kollege ihn angesprochen hat.
Herr Kollege Weirich, Sie haben noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, darf ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Hennig, in der Sie von einer entsprechenden Gebräuchlichkeit bei Gesprächen auf Regierungsebene sprachen, so verstehen, daß Sie Herrn Bahr als einen Politiker der Bundesregierung betrachten?
Huonker, Staatsminister: Ich gehe davon aus, daß die gegenwärtigen Funktionen Herrn Bahrs in diesem Bundestag so bekannt sind, daß Ihre Frage natürlich mit einem schlichten Nein zu beantworten ist.
Danke. — Ich darf eine Bemerkung machen: Durch die Annahme dieser Fragen sind natürlich auch entsprechende Zusatzfragen möglich geworden. Man kann zwar darüber streiten, ob dies den Richtlinien genau entspricht, aber da sie nun einmal im Raum standen, habe ich so verfahren. — Danke schön, Herr Staatsminister.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Welche Auskunft wurde dem Bundesaußenminister nach der Erörterung der Störung deutscher und anderer Sendungen durch den bulgarischen Rundfunk während seines Aufenthaltes in Sofia erteilt?
Bitte, Frau Staatsminister.
Herr Kollege Dr. Hupka, die bulgarischen Gesprächspartner von Herrn Bundesminister Genscher haben zu der von Ihnen gestellten Frage nicht konkret Stellung genommen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.
Kann ich aber davon ausgehen, daß der Herr Bundesminister des Auswärtigen in seinen Gesprächen zu dieser Frage konkret Stellung genommen hat?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, Herr Bundesminister Genscher hat in seinen Gesprächen dazu Stellung genommen.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, wie erklären Sie es sich, daß Bulgarien — im Widerspruch zu seiner durch die Unterschrift unter die Schlußakte von Helsinki eingegangenen Verpflichtung — nach wie vor gerade die Sendungen der Deutschen Welle stört, während die BBC durch Verhandlungen der britischen Regierung mit Sofia offenbar erreicht hat, daß deren Sendungen nicht mehr gestört werden?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, zu dieser Frage und zu diesem Zusammenhang hat mein früherer Kollege von Dohnanyi — ich glaube, es war im Dezember vorigen Jahres — schon einmal ausführlich Stellung genommen. Ich möchte gern darauf verweisen und im übrigen ergänzend sagen, daß die Frage der Störung von Rundfunksendungen in den Bereich der Warschauer-Pakt-Staaten wiederholt Gegenstand auch unserer Interventionen während der Madrider Nachfolgekonferenz gewesen ist.
Keine Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:Wie erklärt sich die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der Stellungnahme des Bundeskanzlers zum Problem der Ausreise und Familienzusammenführung der Deutschen aus der Sowjetunion vom 3. Juli 1980 im Deutschen Bundestag, daß „die sowjetische Seite diese Anliegen wohlwollend prüfen wird", und der Tatsache, daß immer weniger Deutsche die Erlaubnis zur Ausreise aus der Sowjetunion erhalten?Frau Staatsminister, bitte.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung ist darüber besorgt, daß die Zahl der deutschen Aussiedler aus der UdSSR in
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2847
Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücherder letzten Zeit, insbesondere aber in diesem Jahre, abgenommen hat. Diese Tatsache steht nicht im Einklang mit der sowjetischen. Erklärung, auf die der Herr Bundeskanzler vor dem Deutschen Bundestag am 3. Juli 1980 hingewiesen hat.
Zusatzfrage.
Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung irgendwelche Gründe dafür, daß sich die Sowjetunion gerade bezüglich der Ausreise der Deutschen aus der Sowjetunion so restriktiv verhält, daß bei einer Hochrechnung der Zahlen für die acht ersten Monate dieses Jahres zum Ende dieses Jahres halb so viele Aussiedler hierher gekommen sein werden wie im Jahr 1976 — es war also noch nie so restriktiv wie jetzt —?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, Gründe dafür können wir im Augenblick nicht angeben; aber wir bedauern die Tatsache.
Die zweite Zusatzfrage, bitte.
Trägt dieses Verhalten der Sowjetunion zu einer Verbesserung des Klimas bei, oder ist es nicht eine erhebliche Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland, daß sich die Sowjetunion in dieser Weise gegenüber den Ausreisewilligen in ihrem Staat verhält?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte das hier nicht bewerten; aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß gerade dieser Punkt Gegenstand auch der bevorstehenden Gespräche anläßlich des Besuchs von Generalsekretär Breschnew sein wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Staatsminister, spricht nicht unsere Erfahrung dafür, daß die Zahl der Ausreisen jetzt deswegen gesenkt wird, damit man bei den Verhandlungen mit dem Versprechen größerer Ausreisezahlen wiederum größeres Entgegenkommen der Bundesrepublik heraushandeln kann?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das ist Ihre Interpretation. Wir sind immer davon ausgegangen, daß nach der Zusage, auf die der Herr Bundeskanzler am 3. Juli hier im Bundestag zu sprechen gekommen ist, die Zahlen wieder hinaufgehen würden. Aber leider sind sie weiter heruntergegangen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.
Frau Staatsminister, entspricht dieses Verhalten dem, was dem Bundesaußenminister bei seinem Besuch im April in Moskau zugesagt worden ist?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann jetzt auf das, was dem Herrn Bundesaußenminister im April gesagt wurde, nicht konkret antworten. Ich werde das schriftlich gern nachholen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Hansen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Löffler auf:
Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung über die Verfolgung von Anhängern der Baha'i im Iran und welche Haltung nimmt sie dazu ein?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Löffler, die Bundesregierung weiß, daß die iranischen Mitglieder der Baha'i-Glaubensgemeinschaft seit der Revolution in Iran dort größten Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Die schiitische Form des Islam, die in Iran Staatsreligion ist und in einer besonders orthodoxen Form die Regierungspolitik bestimmt, betrachtet die Baha'is als Abtrünnige. Dazu kommt, daß die Baha'is unter dem Schah eine Vorzugsstellung genossen. Die Verfolgungen und Hinrichtungen von iranischen Baha'is haben daher wohl nicht nur religiöse Gründe, sondern sind auch Teil der sogenannten revolutionären Justiz, die sehr viele Mitglieder der früheren Oberschicht trifft.
Bei den Baha'is in Iran handelt es sich um iranische Staatsangehörige. Unsere Möglichkeiten, etwas für sie zu tun, sind daher leider sehr beschränkt. Unser Botschafter in Teheran ist jedoch seit langem angewiesen, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit für diese verfolgte Gruppe zu verwenden.
Nach den bisherigen Erfahrungen besteht allerdings wenig Aussicht, daß politische Bemühungen von seiten des Auslands das Verhalten der iranischen Führung gegenüber den Baha'is positiv beeinflussen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages zu einem verbesserten Schutz der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen in welchen Organisationen oder Gremien der Vereinten Nation eingebracht, und welches ist der Stand der Beratungen über diese Initiativen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Präsident! Herr Kollege Jäger! Im Hinblick auf eine sehr umfangreiche Frage, die eine sehr umfangreiche Berichterstattung erfordert, bitte ich um Nachsicht, daß meine Antwort etwas länger sein wird.
Bitte, Frau Staatsminister.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege! Erstens. Der Bundesminister des Auswärtigen hat in seinen Reden vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen seit 1976 die Einrichtung eines internationalen Menschenrechtsgerichtshofs gefordert. Bisher hat sich der Gedanke jedoch auch bei manchen unserer Freunde noch nicht so weit
Metadaten/Kopzeile:
2848 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücherdurchgesetzt, daß wir mit detaillierten Vorschlägen an die Vereinten Nationen herantreten können.Zweitens. Die Initiative zur Schaffung eines Hohen Kommissars für die Menschenrechte verfolgt eine ähnliche Zielsetzung. Sie wird seit 1965 von Costa Rica betrieben, das wir dabei tatkräftig unterstützen. Leider war es auf Grund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse bisher noch nicht möglich, hier einen Durchbruch zu erzielen.Drittens. In der VN-Menschenrechtskommission, der 43 Staaten angehören, wirken wir seit 1975 aktiv mit. Wir werden dabei durch Bundesminister a. D. Gerhard Jahn vertreten. Auf der diesjährigen Frühjahrssitzung des Wirtschafts- und Sozialrates haben wir uns zur Wiederwahl gestellt und wurden für die Jahre 1982 bis 1984 erneut gewählt. Wir treten zusammen mit anderen westlichen Ländern dafür ein, daß die Befugnisse dieses Organs der Vereinten Nationen weiter ausgebaut werden. Es tritt gegenwärtig alljährlich im Februar/März für sechs Wochen in Genf zusammen. Wir wollen gemeinsam mit anderen, insbesondere westlichen Mitgliedern erreichen, daß die Kommission oder zumindest ihr Büro in dringlichen Situationen auch zwischen den regulären Sitzungen zusammengerufen werden kann.Viertens. Ferner wirken die westlichen Länder darauf hin, daß die Menschenrechtsabteilung des VN-Generalsekretariats in Genf zu einem Menschenrechtszentrum ausgebaut wird. Generalversammlung und Menschenrechtskommission haben 1979 bzw. 1980 Resolutionen verabschiedet, in denen der Generalsekretär aufgefordert wird, diese Frage zu untersuchen. Das Ergebnis soll er der kommenden Generalversammlung vorlegen.Fünftens. Wir wollen außerdem den Menschen-rechtsausschuß nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte stärken. Die Bundesregierung hat ihn für den 19. bis 30. Oktober 1981 zu seiner Herbstsitzung hier nach Bonn eingeladen. Der Ausschuß hat 18 Mitglieder, darunter Professor Tomuschat, Bonn. Seine Hauptaufgabe ist es bisher, die Berichte der Mitgliedstaaten über die Verwirklichung der im Pakt niedergelegten Rechte zu überprüfen. Seit seiner Konstituierung hat er stets in New York oder Genf getagt. Er möchte künftig, um seiner Arbeit in der internationalen Öffentlichkeit mehr Rückhalt zu verleihen, auch an dritten Orten zusammentreten, und Bonn soll dabei den Anfang machen.Sechstens. Die Bundesregierung möchte auch das ihre dazu beitragen, eine wirksame Prüfung der Staatenberichte nach dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu erreichen. Der Wirtschafts- und Sozialrat hat für diese Aufgabe eine 15köpfige Arbeitsgruppe gebildet, der wir — zusammen mit Spanien und Norwegen — für den Westen angehören. Im Frühjahr 1981 brachten wir in diesem Rat eine Resolution ein, die eine Konsolidierung dieser Arbeitsgruppe zum Ziel hat und die im Konsens angenommen werden wird. Wir werden auch weiterhin in dieser Richtung tätig sein.Siebtens. Über alle diese Bemühungen hinaus hat der Bundesminister des Auswärtigen 1980 vor der Generalversammlung eine Initiative zur Todesstrafe angekündigt. Die Bundesregierung hat daraufhin ein Fakultativprotokoll zum Pakt über bürgerliche und politische Rechte eingebracht, das inhaltlich auf eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe hinzielt. Die Generalversammlung hat 1980 beschlossen, diesen Entwurf 1981, also in diesem Jahr, auf der Grundlage der vom Generalsekretär einzuholenden Stellungnahmen der Mitgliedstaaten zu diskutieren.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Frau Staatsminister, können Sie uns etwas mehr darüber sagen, woran es denn nun liegt, daß die Bundesregierung den Auftrag des Bundestages noch nicht ausführen konnte, eine Initiative für einen Menschenrechtsgerichtshof bei den Vereinten Nationen einzubringen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wie Sie wissen, setzen sich die Vereinten Nationen aus über 150 Mitgliedstaaten zusammen. Hier besteht nicht der gleiche Konsens über diese Fragen wie beispielsweise in Europa. Es ist bisher einfach nicht gelungen — zu unserem großen Bedauern übrigens —, eine entspechende Initiative durchzusetzen.
Noch eine Zusatzfrage?
— Bitte.
Frau Staatsminister, ist die Bundesregierung auf Grund ihrer Beobachtungen der Tätigkeit des Menschenrechtsausschusses nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte bereits zu einer Entscheidung gekommen, ob sie dem Deutschen Bundestag das Fakultativprotokoll dieses Internationalen Pakts zur Ratifikation vorlegen wird, was ja für die Bundesrepublik den individuellen Menschenrechtsschutz erheblich verbessern würde?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Zur gegebenen Zeit wird die Bundesregierung sicherlich bereit sein, diese Frage zu prüfen, um dem Hohen Hause dann eine entsprechende Antwort zuteil werden zu lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf von Waldburg-Zeil.
Frau Staatsminister, Sie haben mitgeteilt, daß Sie die Arbeit des Menschenrechtsausschusses unterstützen möchten. Haben Sie auch etwas unternommen, um sein Sekretariat personell etwas zu verbessern, damit diese Arbeit erfolgreich abgewickelt werden kann?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich glaube, daß die Effektivität der entsprechenden Sekretariate immer auch für die Effektivität eines Ausschusses entscheidend ist. In diesem Sinne werden wir, wenn das Personal im Sekretariat nicht ausrei-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2849
Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücherchen sollte, sicher gerne bereit sein, uns für eine Verstärkung einzusetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Bötsch.
Liegen schon gewisse Erfahrungen mit einer Spruchpraxis des Menschenrechtsausschusses vor; wenn nein, ist damit in absehbarer Zeit zu rechnen? Hängt die Frage der vom Kollegen Jäger genannten Ratifikation vielleicht davon ab, wie solche Erfahrungen aussehen werden?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann diese Frage in all ihren verschiedenen Unterfragen hier nicht aus dem Handgelenk beantworten. Ich bitte um Verständnis. Ich werde das schriftlich nachholen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
Frau Staatsministerin, sind Sie bereit, im zuständigen Ausschuß, dem Auswärtigen Ausschuß, umfassender und eingehender zu diesem Komplex zu berichten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Selbstverständlich. Ich glaube überhaupt, daß eine so differenzierte Frage besser und auch ausführlicher im Ausschuß behandelt werden kann.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Manöver der Warschauer-PaktStreitkräfte in und um Polen als eine im Widerspruch zu Prinzip II der KSZE-Schlußakte stehende Gewaltmanifestation bei der nächsten Zusammenkunft der Delegation des KSZE-Folgetreffens in Madrid zur Sprache zu bringen und die beteiligten Staaten des Warschauer Pakts zur sofortigen Beendigung der friedensbedrohenden Charakter tragenden Manöver aufzufordern?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung wird bei der Koordinierung der westlichen Position für die Herbstrunde des Madrider Treffens dafür eintreten, daß diese Manöver in Madrid zur Sprache kommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Frau Staatsminister, kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung diese Manöver nicht bloß insofern als Verstoß gegen die KSZE-Schlußakte betrachtet, als sie entgegen den dortigen Vereinbarungen nicht angemeldet worden sind, sondern auch als Gewaltmanifestation im Sinne von Prinzip II in Korb I der Schlußakte, wonach j a gerade solche Aufmärsche und Militärdemonstrationen mit dem Ziel, bestimmten Staaten zu zeigen, wozu man fähig ist, wenn sie nicht so funktionieren, wie der betreffende Demonstrant gerne möchte, verboten sind?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, wenn ich den Kern Ihrer Frage richtig verstanden habe, so kann ich nur bejahen, daß sich die Unterzeichnerstaaten in Prinzip II des Korbes I der Schlußakte verpflichten, sich — ich zitiere —
„jeglicher Handlung" zu „enthalten, die eine Gewaltandrohung oder eine direkte oder indirekte Gewaltanwendung gegen einen anderen Teilnehmerstaat darstellt". Es wäre genauer zu prüfen, ob eine solche Handlung mit diesen Manövern tatsächlich stattgefunden hat.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
Frau Staatsminister, da Sie das Zitat nun gerade an dem Punkt unterbrochen haben, wo es für mich besonders interessant geworden wäre: Wären Sie bereit, auch zu bestätigen, daß es im nächsten Satz der KSZE-Schlußakte heißt: „Sie werden sich gleichermaßen jeglicher Gewaltmanifestation, die den Zweck hat, einen anderen Teilnehmerstaat zum Verzicht auf die volle Ausübung seiner souveränen Rechte zu bewegen, enthalten" und daß dies auf Manöver dieser Art rund um die Volksrepublik Polen schon seit langem zutrifft?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich kann diese Frage mit Ja beantworten.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Ist die Bundesregierung bereit, wie die Regierungen von Frankreich und Mexiko sowie Jugoslawien, die „Revolutionäre Demokratische Front" und die „Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti" (FMLN) von El Salvador als die repräsentative politische Kraft anzuerkennen, die den legitimen Anspruch hat, an Verhandlungen über eine politische Lösung des Konflikts in dem mittelamerikanischen Staat mitzuwirken?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Nein, Herr Kollege Thüsing, die Bundesregierung ist dazu nicht bereit.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Frau Staatsminister, wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund Ihres Nein die mehrmaligen Aussagen beispielsweise des mexikanischen Staatspräsidenten, der noch gestern gesagt hat, daß es doch unmöglich sei, die Existenz der FDR und ihres militärischen Flügels zu verleugnen, wenn die Regierung von El Salvador gezwungen sei, extreme Methoden bei der Bekämpfung dieser Opposition anzuwenden und sogar die Intervention einer fremden Macht — gemeint sind wohl die Vereinigten Staaten — zu erlauben, um diese politische Kraft zu bekämpfen?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat, wie Sie wissen, stets dafür plädiert, die Befriedung El Salvadors durch soziale Reformen und politische Lösungen unter Beteiligung aller demokratischen Kräfte herbeizuführen. Sie hat sich stets für die Notwendigkeit grundsätzlicher Veränderungen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich ausgesprochen. Die Bundesregierung teilt auch die mexikanische und französische Besorgnis über die Gefahr einer möglichen Internationalisierung der Krise, die ein Risiko
Metadaten/Kopzeile:
2850 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücherfür den Frieden und die Stabilität der Region beinhaltet.Die Bundesregierung ist allerdings der Meinung, daß einseitige Stellungnahmen zugunsten einer der Konfliktparteien nicht die Verwirklichung der genannten Ziele fördern. Diese Meinung wird von der großen Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten geteilt, insbesondere der demokratischen lateinamerikanische Staaten wie Kolumbien, Venezuela, Peru, Ecuador und der Dominikanischen Republik, der sich auch Costa Rica und in jüngster Zeit auch noch Brasilien angeschlossen haben; von den anderen Militärregimen möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen. Alle diese Länder haben erklärt, daß dieser Entschluß der mexikanischen und der französichen Regierung als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten El Salvadors betrachtet werden muß.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Frau Staatsminister, ich habe in dem zweiten Teil meiner Frage nach dem legitimen Anspruch der FDR und der FMLN gefragt, an Verhandlungen über eine politische Lösung teilzunehmen. Wie ist Ihr Nein vor dem Hintergrund dieses Teiles der Frage zu bewerten, wenn selbst die Vereinigten Staaten, wie man aus Presseberichten erfahren kann, inzwischen in direktem Kontakt zur FDR und zu ihrem militärischen Flügel stehen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Es ist ein großer Unterschied, ob man Kontakte hat und Gespräche führt oder ob man sie in irgendeiner Form anerkennt, Herr Kollege Thüsing.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sielaff.
Dann rufe ich die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, bisher noch nicht wieder einen Botschafter nach El Salvador zu schicken, und woran liegt es, daß die Sicherheitslage in der Hauptstadt dieses Landes von wichtigen Verbündeten, wie z. B. Italien, offensichtlich anders beurteilt wird?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Frage der erneuten Entsendung eines Botschafters nach El Salvador wird zur Zeit noch geprüft. Im Zusammenhang mit Ihrer Frage weise ich darauf hin, daß nur die Vereinigten Staaten und Italien ihre Botschafter ständig in El Salvador belassen haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.
Frau Staatsminister, kann man heute noch sagen, daß die bisherige faktische Nichtentsendung eines Botschafters nach El Salvador ausschließlich mit der in der dortigen Hauptstadt gegebenen Sicherheitslage in Zusammenhang steht?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das war mit der Sicherheitslage begründet. Auch heute ist die Sicherheitslage noch nicht absolut befriedigend. Aber aus dem Grunde, den ich vorhin nannte, nämlich, daß man die Beziehungen nach Möglichkeit durch Entsendung eines Botschafters voll wiederherstellen will, wird diese Frage zur Zeit geprüft. Ich gehe davon aus, daß die Frage in überschaubarer Zeit auch entschieden wird.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, sind Sie denn bereit, Ihren Minister darauf anzusprechen, wann er diesen in Ihrem Hause wohl längst abschließend geprüften Vorgang zu entscheiden gedenkt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich bin immer bereit, meinen Minister in jeder Frage anzusprechen.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Begrüßt es die Bundesregierung, daß in sechs Monaten Wahlen in El Salvador stattfinden, und was kann sie tun, um diesen Wahlprozeß zu unterstützen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung begrüßt die Ankündigung der Regierung von El Salvador, im März 1982 Wahlen abzuhalten. Sie hat dies wiederholt erklärt und dabei ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, daß sich alle demokratischen Kräfte des Landes an den Wahlen beteiligen und so die Bildung einer demokratisch legitimierten Regierung erlauben. Nur auf diesem Wege werden nach Ansicht der Bundesregierung die blutigen Auseinandersetzungen und damit das Leiden der Bevölkerung beendet werden.
Die Bundesregierung nutzt jede sich ihr bietende Gelegenheit, den Beteiligten diese ihre Auffassung nahezubringen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hennig, bitte.
Ist die Bundesregierung bereit, auf den früheren Bundeskanzler Brandt einzuwirken oder ihn darauf anzusprechen, daß er beim bevorstehenden Kongreß der Sozialistischen Internationale — ich glaube, in Paris — auf die sozialdemokratische Partei dieses Landes, die Partei von Herrn Ungo, einwirkt, daß sie an dieser Wahl im März 1982 auch teilnimmt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Die Bundesregierung hält ehemalige Bundeskanzler für mündig und verantwortungsbewußt genug, um nicht auf sie einwirken zu müssen.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? — Herr Dr. Hennig, bitte.
Hat die Bundesregierung dann eine Erklärung, warum sich dieser Bundeskanzler nicht mehr im Amt befindet?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2851
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich habe die Frage akustisch nicht verstanden.
Diese Frage kann ich nun tatsächlich nicht zulassen, da sie nicht mehr im Sachzusammenhang steht.
Herr Abgeordenter Thüsing zu einer Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung auch auf dem Hintergrund Ihrer Antwort die Feststellung der FDR zu den angekündigten Wahlen, daß in El Salvador die Mindestvoraussetzungen für Wahlen nicht vorhanden seien? In der Erklärung heißt es, das Land befinde sich seit 16 Monaten im Ausnahmezustand, seit Januar dieses Jahres sei das Kriegsrecht verhängt worden, und die Medien seien einer strengen Zensur unterworfen. Wie können nach Ihrer Auffassung in solch einer Situation freie Wahlen möglich sein?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann nur noch einmal wiederholen, was ich auch bei anderer Gelegenheit auf solche Fragen gesagt habe: Es ist eine innere Angelegenheit eines Landes, seine Wahlen demokratisch und legitim durchzuführen. Dazu kann man hier nicht auf Grund von Erklärungen von Parteien in dieser Auseinandersetzung Stellung nehmen.
Danke schön, Frau Staatsminister. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Herr Staatssekretär Dr. Fröhlich steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, daß Bauwillige, die zum Zwecke des Baus eines Eigenheims in einem Baugebiet ein Grundstück erworben, kostenträchtige Bauvorbereitungen getroffen und den Bauantrag gestellt hatten, keine Erstattung für bauliche Schallschutzmaßnahmen erhalten, obwohl sie weder die Abgrenzung eines Lärmschutzbereichs noch den Zeitpunkt der Bekanntmachung voraussehen konnten und alle anderen Bewohner der Lärmschutzzone 1 die Erstattung erhalten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich würde, diese und die darauf folgende Frage mit Ihrer Zustimmung gern gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Ist es nach dem Fluglärmgesetz zwingend, daß Bauherren, deren Baugenehmigung zur Errichtung eines Eigenheims in der Lärmschutzzone 1 erst nach der Bekanntmachung über die Festsetzung der Lärmschutzzonen erteilt worden ist, keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen haben, und wird die Bundesregierung bejahendenfalls eine entsprechende gesetzgeberische Initiative ergreifen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Ich bedanke mich. — Nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm hat Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen der Eigentümer eines in der Schutzzone 1 gelegenen Grundstücks, auf dem bei Festsetzung des Lärmschutzbereichs
eine Wohnung errichtet ist. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 des Fluglärmgesetzes. Der Eigentümer einer Wohnung, die erst nach Festsetzung des Lärmschutzbereichs in der Schutzzone 2 oder auf Grund einer Ausnahmeregelung in der Schutzzone 1 errichtet wird, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Der Gesetzgeber ging nämlich davon aus, daß die Errichtung von Wohnungen im Lärmschutzbereich nicht durch finanzielle Hilfen erleichtert werden soll und es dem Bauherrn zumutbar ist, den erforderlichen Schallschutz auf eigene Rechnung zu erstellen .
Wenn allerdings dem Bauherrn die Baugenehmigung bereits vor Festsetzung des Lärmschutzbereichs erteilt worden ist, steht ihm — das ist der Grundsatz des Schutzes des Vertrauens in die Bestandskraft der Genehmigung — gleichfalls ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen zu .
Die Bundesregierung verkennt nicht, Herr Abgeordneter, daß durch die Regelung, wonach für das Entstehen eines Erstattungsanspruchs darauf abgestellt wird, ob die Baugenehmigung vor der Festsetzung des Lärmschutzbereichs erteilt worden ist, im Einzelfall Härten entstehen können. Sie hält indessen eine Änderung des Gesetzes nicht für geboten, zumal sie die gesetzliche Regelung für sachgerecht hält und auch keine andere Regelung erkennbar ist, die Härten mit Sicherheit ausschließen würde.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Freiherr Spies von Büllesheim.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ich muß darauf hinweisen, daß ich einen Teil Ihrer Antwort rein akustisch nicht verstanden habe; aber nach dem Schlußsatz ergibt sich, daß die Bundesregierung die Regelung für richtig hält. Ich frage Sie, ob Sie nicht die Möglichkeit sehen, ein vor der Festsetzung der Lärmschutzzonen bereits gewährtes Baurecht — positive Bescheidung einer Bauvoranfrage — mit einer erteilten Baugenehmigung gleichzusetzen.
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Die Bundesregierung hält eine solche Änderung der bestehenden Rechtslage nicht für notwendig und sachgerecht, Herr Abgeordneter, weil sich auch bei einer solchen Regelung Härten in der Abgrenzung nicht vermeiden lassen würden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es eine ganz besondere Härte ist, wenn ein Bauwilliger, der von der Abgrenzung einer Lärmschutzzone zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs, zum Zeitpunkt der Erteilung des Architektenauftrages, zum Zeitpunkt der Bauvoranfrage überhaupt noch nicht wissen konnte, plötzlich von der Festsetzung überrascht wird und die ganzen Aufwendungen, die er gemacht hat, für ihn dann sinnlos werden bzw. er die Schallschutzmaßnahmen selbst bezahlen muß? Halten Sie dies nicht für eine besondere Härte?
Metadaten/Kopzeile:
2852 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, der Gesetzgeber hat die Möglichkeit einer solchen exzeptionellen Fallgestaltung sicherlich mit im Auge gehabt, hat sich aber offenbar nicht in der Lage gesehen, eine andere Abgrenzung zu treffen, als dies gesehen ist, jedenfalls eine Abgrenzung, die Härten, die entstehen könnten, vermeidet.
Dritte Zusatzfrage, Herr Kollege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht angesichts der Tatsache, daß die finanziellen Schäden der Bauherren in die Größenordnung von einem Fünftel oder einem Sechstel des ganzen Bauvorhabens gehen können, irgendeine Möglichkeit, den so plötzlich von der Festsetzung einer Lärmschutzzone Betroffenen auf andere Weise zu helfen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, auf andere Weise könnte wohl nur geholfen werden, wenn der stringente Wortlaut des Gesetzes geändert würde. Ich darf wiederholen, daß Initiativen der Bundesregierung in dieser Hinsicht derzeit nicht beabsichtigt sind.
Gibt es noch eine Zusatzfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, darf ich dann aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung in dem von mir geschilderten Fall keinen Sonderfall besonderer Härte für den einzelnen erblickt?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Das Gesetz läßt keinen Raum dafür, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in diesem Haus das Fluglärmgesetz bereits vor seiner Verabschiedung nur als ein erster Schritt bezeichnet worden ist, dem sehr bald eine weitergehende Novellierung folgen müsse?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Es ist zweifellos richtig, Herr Abgeordneter, daß das Gesetz noch nicht der Endstand aller Dinge sein wird, aber die Bundesregierung hat derzeit keine konkreten Pläne, Gesetzesinitiativen zu ergreifen.
Zweite Zusatzfrage.
Ist damit Ihre Ankündigung — schon für die vorige Legislaturperiode —, eine Novelle vorzulegen, für die gesamte Dauer dieser Legislaturperiode hinfällig?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Ja, Herr Abgeordneter, jedenfalls, was diesen Punkt betrifft.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Löffler auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele verfolgte Anhänger der Baha'i-Religion in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht haben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, über Asylsuchende wird eine Geschäftsstatistik geführt, die lediglich nach Staatsangehörigen unterscheidet, nicht aber nach der Zugehörigkeit zu politischen oder religiösen Gruppierungen. Aus den dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vorliegenden Unterlagen ergibt sich aber, daß von den Iranern, die in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht haben, rund 10 % Anhänger der Baha'i sind. Würde ich das hochrechnen, käme ich für die Jahre 1980 und 1981 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf eine Zahl von etwa 120 bis 150 Personen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Löffler?
Danke schön.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler auf:
Welche Konsequenzen ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt zum Betrieb der Kompaktlager in Block A und Block B des Kernkraftwerks Biblis für andere in Betrieb befindliche Kernkraftwerke?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, nach Auffassung der Bundesregierung ergeben sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt zum Betrieb der Kompaktlager in Block A und Block B des Kernkraftwerkes Biblis für andere in Betrieb befindliche Kernkraftwerke derzeit keine Konsequenzen.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt ist Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Kassel eingelegt worden. Es bleibt abzuwarten, ob die Interpretation des Atomgesetzes durch das Verwaltungsgericht Darmstadt rechtlich haltbar ist. Bisher liegt nur die Pressemitteilung des Gerichts vor. Die Urteilsgründe stehen noch aus und können deshalb im einzelnen noch nicht gewürdigt werden.
Ich darf im übrigen darauf hinweisen, Herr Abgeordneter, daß der Verwaltungsgerichtshof München, also ein Gericht höherer Instanz, insoweit zu einer entgegengesetzten Beurteilung gelangt ist.
Zusatzfrage, Herr Dr. Kübler.
Herr Staatssekretär, betreibt die Bundesregierung zur Zeit für alle Fälle Überlegungen, ob das Lager in Asse für eine Übergangszeit — etwa in Form eines Zwischenlagers — wieder in Betrieb genommen werden sollte?Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Situation, die sich aus dem Urteil ergibt, das Sie als Ausgangspunkt Ihrer Frage genommen haben, ist nicht so, daß sich die Bundesregierung genötigt sieht, Alternativüberlegungen zu betreiben. Wir glauben, daß das Urteil nicht in Übereinstimmung mit der durchaus herrschenden Meinung über die Interpretation des Sinnes des Atomgesetzes und seines Wortlauts steht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2853
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht trotzdem sehr zweckmäßig, da das Verfahren in der zweiten Instanz natürlich eine Weile dauern wird, Alternativüberlegungen in Richtung einer Zwischenlagerung im Hinblick auf den möglichen Zeitablauf anzustellen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß die Diskussion über Alternativüberlegungen zwischen den beteiligten Stellen von Bund und Ländern und innerhalb der Bundesregierung selbst rein prophylaktisch immer geführt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, wird der Spruch des Darmstädter Verwaltungsgerichts, falls er Bestand haben sollte, im Zusammenhang mit einer möglichen Aussetzung des Cogéma-Vertrags nach Auffassung der Bundesregierung zu einer Reduzierung bis hin zu einer Stillegung der Stromerzeugung durch Kernkraftwerke führen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, nach unserer Bewertung ist das zunächst eine sehr hypothetische Frage. Die Frage, ob der Darmstädter Spruch Bestand haben wird, wird von uns eher negativ beurteilt. Die letzte Entscheidung würde im Zweifelsfall vom Bundesverwaltungsgericht getroffen werden müssen. Die bisherigen Stimmen der Literatur und auch das von mir bereits zitierte höhergerichtliche Urteil des VGH München legen es nahe, daß das Darmstädter Urteil nicht die endgültige Position sein wird. Bei den Cogéma-Verträgen gehen wir derzeit immer noch von der Einhaltung bestehender Verträge aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bohl, bitte.
Herr Staatssekretär, schließt die Bundesregierung für den Fall, daß der Beschluß des Verwaltungsgerichts in Darmstadt bei der höchstrichterlichen Überprüfung Bestand haben sollte, eine gesetzgeberische Nachbesserung des Atomgesetzes aus?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, diese Frage wird zu gegebener Zeit zu beantworten sein. Bis das Bundesverwaltungsgericht zu einer abschließenden Beurteilung dieses Darmstädter Spruches kommt, wird sicher geraume Zeit vergehen.
Hiermit ist gleichzeitig Ihre Frage 19 angesprochen, die ich jetzt aufrufe:
Beabsichtigt die Bundesregierung für eine Übergangszeit eine entsprechende Gesetzesänderung, die es gesetzlich ermöglicht, eine Kompaktlagerung für einen längeren Zeitraum zuzulassen, bis Zwischenlager eingerichtet sind, und muß diese Gesetzesänderung nicht sofort erfolgen, um Stillegungen zu vermeiden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit keine diesbezügliche Änderung des Atomgesetzes, da sie der Meinung ist, daß die Kompaktlagerung abgebrannter Brennelemente im
Lagerbecken von Kernkraftwerken auch durch die bisherige Fassung des Gesetzes gedeckt ist. Es wird erwartet, daß eine dahin gehende Klärung vor den Verwaltungsgerichten erfolgt, bevor auf Grund fehlender Lagerkapazität zur Frage der Stillegung einzelner Kernkraftwerke Stellung genommen werden müßte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie die Ansicht des Darmstädter Verwaltungsgerichts, daß die Kompaktlagerung von ausgedienten Brennelementen weitgehend politisch motiviert sei und physikalisch-technisch nicht begründet werden könne?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, eine solche Beurteilung entspräche nicht der Auffassung, die in der Bundesregierung vertreten wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Der Herr Abgeordnete Gerlach hat rechtzeitig um schriftliche Beantwortung seiner Frage 20 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Bamberg auf:
Nimmt die Sportförderung durch die Bundesregierung darauf Rücksicht, daß die verschiedenen Sportarten durch die Fernsehanstalten derart ungleich behandelt werden, daß bei Fußballspielen und anderen Sportarten die Trikotwerbung zugelassen wird, hingegen beim Eishokkeysport dieselbe Trikotwerbung als Grund für die generelle Nichtübertragung gilt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Nichtübertragung von Sportwettkämpfen hat nur dann Einfluß auf die Sportförderung der Bundesregierung, wenn sie vom Bund geförderte Sportverbände betrifft, da sich die Zuwendungen der Fernsehanstalten für Übertragungen auf die finanzielle Lage des betreffenden Verbandes auswirken; die finanzielle Lage eines Verbandes wiederum ist für die Frage von Bedeutung, ob und in welcher Höhe Bundeszuwendungen gewährt werden können.
Im Bereich des Eishockeysports werden von den Fernsehanstalten nur die Spiele der BundesligaVereine wegen der von diesen Vereinen betriebenen Trikotwerbung nicht übertragen. Dies ist für die Sportförderung des Bundes nicht von Belang, da der Bund Vereine nicht fördern kann. Dagegen werden Spiele des Deutschen Eishockeybundes, z. B. Länderspiele, vom Fernsehen übertragen. Der Deutsche Eishockeybund, der Sportförderungsmittel des Bundes erhält, betreibt bei seinen Spielen keine Werbung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bamberg.
Herr Staatssekretär, gibt es für die Bundesregierung eine Möglichkeit, darauf einzu-
Metadaten/Kopzeile:
2854 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bambergwirken, daß die Sportarten vom Fernsehen hinsichtlich der Übertragungen gleichbehandelt werden?Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Die Möglichkeit einer solchen Einwirkung besteht nicht, Herr Abgeordneter. Die Anstalten sind bei der Programmgestaltung absolut frei. Das entspricht der gegebenen verfassungsrechtlichen Lage. Weder die Bundesregierung noch gesellschaftliche Gruppen — also auch der Sport — können hierauf bestimmend Einfluß nehmen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bötsch.
Herr Staatssekretär, wieviel Mittel bekommen eigentlich Profifußballvereine — und nur um solche kann es sich ja bei Fernsehübertragungen handeln — aus der Sportförderung?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Profifußballvereine bekommen aus der Sportförderung keine Mittel, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die Frage von Sportübertragungen mit oder ohne Werbung in den Gremien der Fernsehanstalten gelöst werden kann, oder vertreten Sie die Auffassung, daß Sie hier eingreifen müßten?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Frau Abgeordnete, wir können in die Meinungsbildung der Gremien der Fernsehanstalten nicht eingreifen, jedenfalls nicht als Bundesregierung, weil es sich um einen Eingriff in die verfassungsrechtliche Autonomie der Anstalten handeln würde. Dagegen können selbstverständlich die in diesen Gremien tätigen Persönlichkeiten des politischen und sonstiger Bereiche diese Fragen in den Organen zur Sprache bringen.
Dazu keine weiteren Wortmeldungen.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Bamberg auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß das Waffengesetz erst 1979 dahin gehend geändert wurde, daß jeder private Bürger in der Bundesrepublik Deutschland Geschosse und sonstige Gegenstände mit dem Reizstoff CS erwerben kann, und wenn ja, auf Grund welcher Initiative wurde das Waffengesetz dahin gehend geändert?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung kann das nicht bestätigen.
Seit dem Inkrafttreten des Waffengesetzes im Jahr 1973 sind vielmehr Geschosse und andere Gegenstände, mit denen der Reizstoff CS oder andere Reizstoffe zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken verwendet werden können, verboten. Sie können im Einzelfall nur mit einer Ausnahmegenehmigung des Bundeskriminalamtes erworben werden. Für CS ist eine solche Ausnahmegenehmigung noch nie erteilt worden.
Von diesem strengen Verbot gibt es nur eine generelle Ausnahme, nämlich für Geschosse und Geräte, mit denen CS und andere Reizstoffe in minimaler Menge auf eine Entfernung von nicht mehr als 2 Metern verwandt werden können. Solche Geräte und Geschosse, die nach dem Urteil vorher eingeholter wissenschaftlicher Gutachten völlig ungefährlich sind, können allerdings von Erwachsenen frei erworben werden. Die dazu erforderliche Ausnahme von dem strengen Verbot des Waffengesetzes enthält die 1. Durchführungsverordnung zum Waffengesetz von 1976.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bamberg.
Herr Staatssekretär, gibt es auf Grund der jüngsten Diskussionen auf diesem Gebiet neuere Überlegungen der Bundesregierung hinsichtlich einer nochmaligen Änderung des Waffengesetzes?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Solche Überlegungen gibt es nicht, Herr Abgeordneter.
Keine weitere Zusatzfragen.
Die Fragen 83 und 84 des Herrn Abgeordneten Lenzer sind zurückgezogen worden.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Bohl auf:
Welchen finanziellen, personellen und sächlichen Aufwand erfordert insgesamt das vom Bundesjustizminister veranstaltete Forum „Alternativen zum zivilen Justizverfahren"?
Bitte, Herr Staatssekretär Dr. de With.
Das Bundesministerium der Justiz veranstaltete in der Zeit vom 7. bis 9. September 1981 einen Workshop „Alternativen zum zivilen Justizverfahren" in Stolberg bei Aachen mit einem abschließenden Forum im Bundesministerium der Justiz in Bonn, auf dem die Arbeitsergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Bei der Arbeitstagung ging es um die Frage einer vorsorgenden und friedenstiftenden Rechtspflege, die bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen eine Konfliktlösung auch ohne Gerichtsverfahren möglich machen soll. Hieran nahmen ca. 40 Wissenschaftler und Praktiker aus Justiz, Anwaltschaft und Schlichtungswesen des In- und Auslandes teil, die in erster Linie Forschungsfragen aufgeworfen und Forschungskonzepte vorgeschlagen haben. Zu dem abschließenden Forum waren ca. 200 Rechtspolitiker, Verbands- und Parteivertreter, Vertreter der Bundes- und Landes-ressorts, Wissenschaftler und Praktiker aus Justiz-und Sozialwissenschaften sowie Journalisten eingeladen worden, von denen ca. 120 teilnahmen.Die Kosten des Forums beliefen sich auf 90 DM. Die Kosten des Workshops betrugen 20 519 DM, einschließlich sämlicher Reise-, Unterkunfts- und Vor-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2855
Parl. Staatssekretär Dr. de Withbereitungskosten. In diesen Beträgen nicht enthalten sind die personellen und sächlichen Mittel des Bundesjustizministeriums für die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltungen, da sie im Rahmen des üblichen Geschäftsablaufes abgewickelt worden sind und daher insoweit kein zusätzlicher Aufwand erforderlich war.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bohl.
Herr Staatssekretär, können Sie mir etwas über den praktischen Nutzen des ganzen Unternehmens sagen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ja. Es gab bisher in der Bundesrepublik keine zusammenfassende Darstellung der Möglichkeiten von Alternativen zur Justiz gegenüber der Konfliktlösung durch Gerichte. Wir haben mit diesem Workshop in Stolberg zum erstenmal eine Zusammenfassung — auch international — erhalten, wie sie in dieser Form bisher nicht vorhanden war.
Wir sind noch bei der Auswertung. Wir gehen davon aus, daß wir auf Grund dieser wissenschaftlichen Darstellungen und Leistungen — die Wissenschaftler haben im übrigen auf ihre Honorare verzichtet — bald Fragevorlagen fertigen können, um zu weiteren Gutachten zu kommen, damit deutlich wird, was im Vorraum des staatlichen Gerichtswesens an Konflikten lösbar erscheint, womit der Staat entscheidend entlastet werden könnte.
Noch eine Zusatzfrage?
— Bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, können Sie mir noch sagen, was ein Workshop ist?
Dr. de With, Pari. Staatssekretär: Ein Workshop ist
— das sollten Sie, so meine ich, wissen, nachdem Sie, wenn ich richtig informiert bin, an dem Forum teilgenommen habe — eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über in diesem Falle zwei Tage, wo von verschiedenen Positionen aus versucht wird, die vorgegebenen Fragen zu klären.
— Ich habe es auf deutsch gesagt, indem ich auch den Ausdruck „Veranstaltung" gebraucht habe.
Trotzdem ist es sehr schwer, diesen Begriff so zu verstehen.
Ich rufe die Frage 24 der Frau Abgeordneten Geiger auf:
Hat die Bundesregierung genaue Erkenntnisse über die Anzahl und Arbeitsweise sogenannter unechter Verbraucherschutzvereine , die oft wegen geringfügiger Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb bei Gewerbetreibenden per Einschreiben Gebühren abmahnen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung ist bekannt, daß einzelne Vereine unter dem Vorwand, unlauteres Wettbewerbsverhalten zu bekämpfen, die Klagebefugnis nach § 13 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb lediglich dazu benutzen, durch Geltendmachung von pauschalierten Abmahnkosten ihre eigenen finanziellen Interessen zu verfolgen. Solche Praktiken können die durchaus bewährte und wichtige Abmahn- und Klagetätigkeit seriöser Verbände im Rahmen des § 13 UWG in Mißkredit bringen.
Zur Arbeitsweise von sogenannten „Gebührenvereinen", die in jüngster Zeit vermehrt öffentlich diskutiert wurde und auch ein breites Echo in der Presse findet, liegt der Bundesregierung bereits umfängliches Material vor. Danach beschränken sich derartige Vereine in der Regel darauf, in zahlreichen gleichgelagerten Fällen offenkundiger Wettbewerbsverstöße von meist geringer Bedeutung Abmahnungen zu versenden oder einstweilige Verfügungen anzudrohen, scheuen aber das Klagerisiko und die ernsthafte Bekämpfung schwerwiegender Verstöße. Die Höhe der verlangten Abmahnkostenpauschale steht dabei in keinem angemessenen Verhältnis zum geringen zeitlichen Aufwand des Vereins bei der Bearbeitung der einzelnen Zuwiderhandlung.
Die Anzahl der Vereine ist Schwankungen unterworfen, da immer wieder über Neugründungen von Vereinen berichtet wird, andere Vereine dagegen — zum Teil als Folge gerichtlicher Entscheidungen — ihren Geschäftsbetrieb eingestellt haben. Die genaue Anzahl der Vereine, deren Vorgehen als mißbräuchlich eingestuft werden muß, kann die Bundesregierung daher nicht angeben, zumal sich auch sogenannte Gebührenvereine meist gegen tatsächlich gesetzwidriges Wettbewerbsverhalten wenden und auch die Gerichte in einzelnen Fällen nicht bestätigt haben, daß ein Mißbrauch der Befugnis nach § 13 UWG vorliegt.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geiger.
In welcher Höhe bewegen sich die von diesen Vereinen bei der Abmahnung von Wettbewerbsverstößen geltend gemachten Gebühren im Durchschnitt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Das läßt sich schwer feststellen; genaue Erkenntnisse liegen nicht vor. Die Abmahnkosten belaufen sich in der Regel auf 120 bis 200 DM. Aber dies ist nur ein Schätzwert.
Die zweite Zusatzfrage.
Welche sind die häufigsten Ursachen für die Abmahnungen durch diese Vereine?Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Geiger, ich versuchte, dies schon anzudeuten. Es erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß mehr das eigene Einkommen im Vordergrund steht als der Versuch, wettbewerbsrechtlich tätig zu werden, womit Mißbräuche abgestellt werden könnten.
Metadaten/Kopzeile:
2856 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Entschuldigung, vielleicht habe ich es falsch formuliert. Ich habe nach den Verstößen gefragt, die durch diese Vereine abgemahnt werden.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Verstöße betreffen ein weites Feld. Das geht von Verstößen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb bis hin zu Verstößen gegen die Pflicht zur entsprechenden Preisgestaltung, wie sie in den Bestimmungen unserer Verordnungen vorgesehen ist.
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben zwar beredt geschildert, was da alles nicht in Ordnung ist, aber Sie haben nicht gesagt, was die Bundesregierung zu unternehmen gedenkt, damit das geändert und verbessert wird.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie die zweite Frage der Frau Kollegin Geiger gelesen hätten, hätten Sie bemerkt, daß in der Beantwortung dieser zweiten Frage Ihrem Petitum entsprochen werden wird.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 25 der Frau Abgeordneten Geiger auf:
Ist beabsichtigt, die Gesetzeslücke, die das Gebührenabmahnen nicht allein zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb, sondern hauptsächlich zum Gelderwerb der betreffenden Abmahnungsvereine ermöglicht, zu schließen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat wiederholt betont, daß sie trotz der zum Teil schon erfolgreichen Bemühungen der Rechtsprechung, Mißbräuchen der Abmahn- und Klagebefugnis nach § 13 UWG entgegenzutreten, gesetzliche Maßnahmen für erforderlich hält. Sie hat dies u. a. in ihren Antworten auf die parlamentarischen Anfragen der Abgeordneten Lampersbach und Feile am 1. April dieses Jahres im Deutschen Bundestag deutlich gemacht.
Bereits im Jahre 1978 hat die Bundesregierung dazu im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb eine Neufassung der §§ 13 ff. UWG vorgeschlagen, wonach die Verbandstätigkeit von strengeren Voraussetzungen abhängig gemacht werden sollte als bisher. Vorgesehen waren insbesondere eine Mindestmitgliederzahl für die Vereine sowie besondere Vorschriften über eine Registrierung und Aufsicht. Dieser Gesetzentwurf konnte in der vergangenen Wahlperiode nicht mehr abschließend beraten werden.
Die Bundesregierung hält es aber nach wie vor für notwendig, den Mißbräuchen entgegenzutreten. Angesichts des vermehrten Auftretens sogenannter Gebührenvereine beabsichtigt sie, bei der von ihr bereits angekündigten Wiedereinbringung der UWG-Novelle Regelungen vorzuschlagen, die über die im Regierungsentwurf von 1978 vorgesehenen Bestimmungen noch hinausgehen. Damit soll sichergestellt werden, daß die Verbände ihre Befugnisse sachgerecht wahrnehmen. Darauf habe ich im übrigen,
Frau Kollegin Geiger, in der Bundestagsdebatte in der vorigen Woche zur Oppositionsvorlage einer Änderung des UWG hingewiesen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geiger.
Herr Staatssekretär, wie kann sich bei der derzeitigen Gesetzeslage ein Betrieb gegen die von diesen Vereinen bei der Abmahnung geltend gemachten Gebühren schützen? Wohin kann er sich wenden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ein Betrieb, der glaubt, daß er ungerechtfertigt überzogen wird, kann es auf eine Klage ankommen lassen. Es gibt hierzu schon eine gefestigte Rechtsprechung. Ich mache ganz deutlich, daß die Rechtsprechung ihrerseits bereits Maßnahmen ergriffen hat, um Mißbräuchen entgegenzutreten. Das beginnt bei dem Versuch, Anwaltsgebühren ohne Not geltend zu machen, und hört auf bei überhöhten Abmahnkosten.
Keine weiteren Zusatzfragen. Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Böhme zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Fragen 26 und 27 des Herrn Abgeordneten Hauser auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden nicht beantwortet.
Ich rufe die Fragen 28 und 29 des Herrn Abgeordneten Louven auf. — Der Abgeordnete ist ebenfalls nicht im Saal. Auch diese Fragen werden nicht beantwortet.
Ich rufe die Frage 30 der Abgeordneten Frau Hürland auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Unterhaltszahlungen von ausländischen Steuerpflichtigen in der Bundesrepublik Deutschland an ihre minderbemittelten Angehörigen im Ausland nicht überprüfbar sind und daher auch mißbräuchlich als steuermindernd genutzt werden können?
Wenn Sie die Frage bitte beantworten wollen, Herr Staatssekretär.
Gestatten Sie, Frau Abgeordnete, daß ich Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantworte?
Ja.
Dann rufe ich auch die Frage 31 der Abgeordneten Frau Hürland auf:Sieht die Bundesregierung die Steuergerechtigkeit zwischen deutschen und ausländischen Mitbürgern dadurch als gefährdet an, daß ausländischen Steuerpflichtigen diese Unterhaltsleistungen fast uneingegrenzt, da nicht kontrollierbar, steuerabzugsfähig anerkannt werden, während bei deutschen Steuerpflichtigen diese Unterhaltszahlungen — ebenso nachweispflichtig — aber, da im eigenen Land auch kontrollierbar, nur im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen steuermindernd zuerkannt werden?Dr. Böhme, Parl. Staatssekreträr: Seit 1979 hat der Gesetzgeber die Anerkennung von Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland abweichend von dem allgemein geltenden Höchstbetrag von 3 600
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2857
Parl. Staatssekreträr Dr. BöhmeDM jährlich auf den Betrag begrenzt, der nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats der unterhaltenen Person notwendig und angemessen ist. Damit ist die Grundlage für eine differenzierte und letztlich gerechte steuerliche Behandlung geschaffen worden.Was den Nachweis angeht, ist es sicher schwieriger, die im Gesetz festgelegten Voraussetzungen zu überprüfen, wenn sie ausländische Sachverhalte betreffen. Gleichwohl: Unmöglich ist es nicht.Bei Sachverhalten im Ausland müssen sich die Steuerpflichtigen nach der Abgabenordnung in besonderem Maße um Aufklärung und Beschaffung geeigneter, in besonderen Fällen auch zusätzlicher sachdienlicher Beweismittel bemühen. Insoweit besteht für die ausländischen Steuerpflichtigen in der Bundesrepublik eine erhöhte Mitwirkungspflicht, wie es gerade auch vom Bundesfinanzhof für die Fälle der Anerkennung von Unterhaltsleistungen bestätigt wurde.Die von den obersten Finanzbehörden der Länder für die Anerkennung von Unterhaltsleistungen herausgegebenen detaillierten Verwaltungsanweisungen zeigen, daß diese Grundsätze in der Praxis beachtet werden. Soweit darüber hinaus die Steuerermäßigung mißbräuchlich, z. B. durch falsche Angaben oder durch gefälschte Bescheinigungen, ausgenutzt wird, ist das ein allgemeines und damit nicht nur auf ausländische Steuerpflichtige beschränktes Problem.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Herr Staatssekretär, sehen Sie in diesem Bereich nicht eine ähnliche Entwicklung wie zu Beginn der Kindergeldzahlung an ausländische Arbeitnehmer, und wenn ja, haben Sie Vorstellungen, wie eine Steuergerechtigkeit zwischen deutschen und ausländischen Steuerpflichtigen herbeigeführt werden kann?
Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär: Wie ich Ihnen schon sagte, bestehen auf dem Gebiete des Nachweises sowohl für die Höhe als auch für die Angemessenheit detaillierte Verwaltungsvorschriften, die nicht der Bund, sondern die Länder erlassen haben. Ich kann Ihnen aus diesen Verwaltungsanweisungen der obersten Finanzbehörden der Bundesländer — also nicht des Bundes, sondern der Länder — einige Beispiele geben. So ist die Unterhaltsbedürftigkeit durch amtliche Bescheinigung der ausländischen Behörde nachzuweisen. Grundsätzlich ist nur der Nachweis der Unterhaltszahlung durch Postoder Bankbelege möglich; dies ist also anders, schärfer als bei deutschen inländischen Unterhaltspflichtigen. Eigene Erklärungen z. B. oder eidesstattliche Versicherungen reichen alleine nicht aus. Auch die Unterhaltsleistungen werden, was die Höhe angeht, nur insoweit anerkannt, als ein vernünftiges Verhältnis zu den Einkünften des Gebers besteht. All diese Vorschriften gibt es für deutsche inländische unterhaltende Personen nicht. Die Finanzverwaltungen bemühen sich also sehr, sowohl was die
Höhe als auch was den Nachweis angeht, differenziert vorzugehen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, ich sehe ein, daß die Verwaltungsvorschriften für die Finanzämter in den Ländern ausreichend sind, wenngleich ich da meine Bedenken habe.
Könnten Sie sich eine Eingrenzung der abzugsfähigen Unterhaltszahlungen ausländischer Steuerpflichtiger und damit auch eine Vereinfachung etwa durch eine Pauschalierung vorstellen?
Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär: Das könnte man sicher diskutieren. Wir haben in § 33 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz — das ist die betreffende Vorschrift — für unterhaltene Personen, die im Inland wohnen, auch einen Pauschbetrag von 3 600 DM. Bisher haben aber die Verwaltungsvorschriften, wie meine Antwort ergeben hat, die sowohl den Nachweis als auch die Höhe betrafen, ausgereicht, um eine sachgerechte Anwendung der deutschen Gesetze sicherzustellen. Daß es immer Mißbräuche geben wird, läßt sich bei der besten Steuerverwaltung und auch bei den besten Gesetzen nicht ausschließen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 32 des Abgeordneten Biehle wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. — Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 33 des Herrn Abgeordneten Poß auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Wettbewerbs die von der Deutschen Shell für ihre letzte Benzinpreiserhöhung am 28. August 1981 gegebene Begründung, daß sie es sich nicht leisten könne, „wegen niedriger Preise leergekauft zu werden"?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Die Deutsche Shell AG hat auf Rückfrage mitgeteilt, daß sie die in Frage stehende Äußerung nicht getan habe. Sie ist vielmehr einem ihrer Mitarbeiter unterschoben worden. Es erscheint unter diesen Umständen nicht sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Poß.
Unabhängig von dieser Einschränkung hinsichtlich der Bemerkung, wegen niedriger Preise leergekauft zu werden, die Sie jetzt beantwortet haben, lautet doch die Frage, inwieweit die Mineralölkonzerne nach Ihrer Auffassung ihre Preisgestaltung nach dem gefallenen Dollar-Kurs und dem sinkenden Rohölpreis ausrichten können, d. h. die Preise senken können?
Metadaten/Kopzeile:
2858 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Grüner, Parl. Staatssekretär: In der augenblicklichen Situation bestimmt der Wettbewerb den Preis. Nach unseren Unterlagen ist bei der Erzeugung von Benzin ein kostendeckender Preis für die bei uns tätigen Mineralölgesellschaften nach wie vor nicht erreicht. Trotzdem ist im Augenblick eine Preisbewegung nach unten im Gange, die den fallenden Dollar-Kurs und die nachlassende Nachfrage deutlich widerspiegelt.
Bitte, noch eine Zusatzfrage.
Wie sehen Sie das, Herr Staatssekretär, im Hinblick auf einen Konzern wie die Shell AG, der mit gewinnbringenden deutschen 01- und Gasvorkommen ausgestattet ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dessen Situation ist insgesamt sicher günstiger. Aber auch für diesen Konzern gilt nach den Unterlagen, die uns vorliegen, daß die Erzeugung von Benzin dort im Augenblick nicht kostendeckend ist und sich das Gesamtergebnis dann eben unter Umständen auf Grund anderer Gewinnquellen günstiger gestaltet.
Herr Dr. Kübler, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung tatsächlich der Auffassung, daß eine Senkung der Benzinpreise in erheblichem Umfang zur Zeit nur aus Wettbewerbsgründen und nicht auch von der Ertragslage her möglich ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nur der Wettbewerb und die vollen Lager können in einer solchen Situation zu einer Preissenkung führen, wie sie sich im Augenblick ja andeutungsweise abzeichnet.
Was die Kostenseite angeht, ist wegen der ja allgemein bekannten Unterauslastung der Raffinerien, aber auch aus anderen Gründen eine Kostendek-kung, speziell auf die Erzeugnisse leichtes Heizöl, Benzin und anderes bezogen — wenn auch in unterschiedlicher Höhe —, für die hier tätigen Mineralölgesellschaften im Augenblick nicht erreicht.
Herr Abgeordneter Peter, ich dachte, Sie stünden schon wegen Ihrer nächsten Frage da. — Bitte, Sie haben jetzt die Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie schon Aussagen darüber machen bzw. sind Sie bereit, festzustellen, wie sich die regionalen Preisnachlässe einiger Ölkonzerne auf die Entwicklung der Absatzmenge in diesen Bereichen ausgewirkt haben?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich habe keine Informationen darüber. Ich fürchte, es wäre auch sehr schwierig, sie jetzt schon zu beschaffen, aber ich werde mich gern darum bemühen. Wenn das möglich ist, werde ich Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zuleiten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.
Herr Staatssekretär, geht die Bundesregierung tatsächlich davon aus, daß das, was wir auf dem Benzinpreismarkt erleben, Wettbewerb ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen ja, wie intensiv das Bundeskartellamt sich darum bemüht hat, festzustellen, ob dieses Oligopol, das hier auf unserem Markt ja ohne Zweifel tätig ist, seine Marktstellung mißbräuchlich ausnutzt. Sie wissen auch, daß wir sehr detaillierte Unterlagen des Energiewissenschaftlichen Instituts in Köln über die Kostensituation der hier tätigen Mineralölgesellschaften erhalten und daß sie dort objektiv geprüft werden — ein einmaliger Vorgang in unserer Wirtschaftsgeschichte.
Alles das, was ich hier ausgeführt habe, läßt sich auf diese Transparenz der Kostensituation zurückführen. Sonst könnte ich Aussagen dieser Art nicht machen. Der Umstand, daß wir den niedrigsten Benzinpreis in Europa haben, ergänzt dieses Bild, wobei Schwankungen — ich spreche jetzt auf der Basis der Umrechnung der Wechselkurse, wenn ich einen solchen Preisvergleich hier zitiere — im Einzelfall natürlich durchaus gegeben sind. Aber es ist überhaupt keine Frage, daß wir uns — auch und vor allem gegenüber Ländern, die Benzinpreise dirigistisch festlegen — in Europa jeweils im unteren Drittel befinden, was schon auf Wettbewerb hindeutet, trotz des Oligopols.
Eine Zusatzfrage, Herr Eigen.
Herr Staatssekretär, haben Sie diese Berechnungen unter Außerachtlassung oder unter Berücksichtigung von Steuern in den jeweiligen Ländern angestellt, und halten Sie die letzte Steuererhöhung in bezug auf Kostendämpfung für besonders hilfreich?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Aussage gilt sowohl für die Berechnung unter Berücksichtigung als auch für die Berechnung unter Außerachtlassung von Steuern; die Berechnungen sind für beide Konstellationen angestellt worden. Natürlich ergeben sich daraus gewisse Differenzen. Aber da wir in der Bundesrepublik Deutschland auch hinsichtlich der Besteuerung des Benzins an der unteren Grenze liegen, ist das Ergebnis für beide Arten der Berechnungen zutreffend.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Peter auf:Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, im Zusammenwirken mit anderen Ländern, die Preisgestaltung der multinationalen Ölkonzerne auf dem Benzinmarkt zu kontrollieren?Bitte, Herr Staatssekretär.Grüner, Parl. Staatssekretär: Nach Auffassung der Bundesregierung fährt der Verbraucher am günstigsten, wenn sich die Tankstellenpreise wie in der Bundesrepublik Deutschland im freien Wettbewerb bilden können. Dies zeigen auch seit langem die Preisvergleiche mit Ländern, die staatlich kontrollierte Preissysteme praktizieren. Staatlich kontrollierte Preissysteme orientieren sich in aller Regel — bei im einzelnen unterschiedlichen Regelungen —
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2859
Parl. Staatssekretär Grüneran den Kosten der anbietenden Mineralölgesellschaften, während in freien Preissystemen, insbesondere in Überangebotszeiten, Kostendeckung in sehr viel geringerem Umfang gewährleistet ist.
Zusatzfrage, bitte.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal die Frage der Anpassung an Wechselkursveränderungen dargestellt haben, Herr Staatssekretär. In welchen Zeiträumen wirken sich eigentlich auf dem internationalen Benzinmarkt solche Veränderungen aus?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dazu ist eine generelle Aussage nicht möglich. In Zeiten einer sehr starken Nachfrage würde eine Verbesserung der Ertragslage der Unternehmen etwa bei uns durch einen rückläufigen Dollarkurs nicht zu Preissenkungen führen, wenn der Wettbewerb höhere Preise hergibt. Denn der Wettbewerbspreis ist j a nicht etwa von den Kosten bestimmt, sondern von der Marktlage, und zwar sowohl nach oben wie nach unten. Eine Aussage genereller Art auf Ihre Frage ist deshalb nicht möglich. Aber in Überangebotszeiten, wie wir sie im Augenblick haben, ist ganz zweifellos der Druck auf die Preise um so stärker, je „günstiger" sich der Dollarkurs für unsere Verbraucher entwickelt.
Zusatzfrage, bitte, Herr Dr. Diederich.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort soeben erneut den freien Wettbewerb angezogen, obwohl Sie bei der Beantwortung der vorigen Frage einräumen mußten, daß mindestens eine sehr starke Oligopolisierung dieses Marktes stattfindet. Ist die Bundesregierung nicht bereit, wenigstens von dieser terminologischen Fiktion des freien Wettbewerbs auf dem Erdölmarkt abzurücken?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Das hieße, einen wirtschaftlichen Tatbestand nicht richtig beschreiben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang zum Benzinmarkt gerade an den Beitrag der freien Tankstellen, der zwar nicht mehr so ausgeprägt ist, wie er vor den beiden Ölpreiskrisen war, der aber nach wie vor doch außerordentlich wirksam ist. Es zeigt sich deutlich, daß nachgebende Preise auf dem Rotterdamer Markt zu einer Ausweitung des Angebots der freien Tankstellen und zur Erhöhung der Marktanteile der freien Tankstellen führen. Das hat natürlich auf die Möglichkeiten der Öl2konzerne beim Absatz einen erheblichen Einfluß. Das bezeichne ich als Wettbewerb, und zwar auch dann, wenn ein Oligopolsystem den Verdacht mißbräuchlicher Ausnutzung von Marktmacht immer besonders nahelegt.
Alle Untersuchungen des Bundeskartellamts, das ja jede Möglichkeit des Eingriffs, auch des Eingriffs hinsichtlich der Informationsbeschaffung hat, haben immer wieder gezeigt, daß eine solche mißbräuchliche Marktausnutzung nicht nachgewiesen werden kann. Das hängt eng damit zusammen, daß
die Kostensituation der Unternehmen auf Grund der schon geschilderten Zusammenhänge ziemlich ähnlich ist und daher bei nicht ausreichender Kostendeckung der Druck zur Ausnutzung von Preiserhöhungsspielräumen für alle Unternehmen in gleichem Maß gegeben ist, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität von der Ertragslage des einzelnen Unternehmens her.
Zusatzfrage, Herr Dr. Kübler.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie bei Ihrer Aussage in der — ich glaube — vorigen Woche bleiben, daß für den Fall, daß die Benzinpreise nicht erheblich fallen, das Kartellamt erneut eine Prüfung vornehmen müßte?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist eine Daueraufgabe für das Kartellamt, diesen Markt zu beobachten. Wenn es Anzeichen dafür gäbe, daß der Wettbewerb nicht funktioniert oder nicht mehr funktioniert oder daß Absprachen funktionieren, dann wäre das Kartellamt von Amts wegen verpflichtet, erneut zu einer Überprüfung zu schreiten. Ein Indiz für einen solchen Verdacht wäre in meinen Augen dann gegeben, wenn etwa sinkende Dollarkurse und damit sinkende Rohölpreise sich nicht in den Preisen der Produkte wiederfinden würden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Wie hat die Bundesregierung geprüft, ob die rund 5 000 Kraftfahrzeuge, die seit Verhängung des UN-Waffenembargos 1977 aus der Bundesrepublik Deutschland an die südafrikanische Armee geliefert wurden, tatsächlich nicht für militärische Zwecke konstruiert oder von den Herstellerfirmen für diese Zwecke besonders tauglich gemacht wurden, z. B. durch spezielle Halterungen, infrarotabweisende Speziallackierungen, militärische Beleuchtung, Vorrichtungen für Mittelsitzbänke, schußsichere Reifen, schußsicheres Führerhausglas, Führerhausdachschießluke u. ä. m.?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Ausfuhr von serienmäßigen Kraftfahrzeugen bedarf keiner Ausfuhrgenehmigung. Für die Bundesregierung bestand kein Anhaltspunkt dafür, daß genehmigungsbedürftige Fahrzeuge ungenehmigt nach Südafrika ausgeführt worden sind. Die Ausfuhr unterlag den üblichen Kontrollen durch die Zollstelle. Daneben werden — bei besonderen Verdachtsmomenten sowie routinemäßig — Betriebsprüfungen nach § 44 des Außenwirtschaftsgesetzes vorgenommen. Ein Verstoß gegen außenwirtschaftsrechtliche Bestimmungen konnte im Falle der Kraftfahrzeugausfuhr nach Südafrika nicht festgestellt werden.
Zusatzfrage des Herrn Jungmann.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Resolution 418 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in der Erkenntnis verabschiedet wurde, daß die Stärkung der militärischen Potentiale und die anhaltenden Angriffshandlungen Südafrikas gegen die Nachbarstaaten die Sicherheit dieser Staaten ernsthaft be-
Metadaten/Kopzeile:
2860 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Jungmanneinträchtigen, und daß die Resolution feststellt, daß der Erwerb von Waffen und dazugehörigem Material durch Südafrika angesichts der Politik und der Handlungen der südafrikanischen Regierung eine Bedrohung für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens sein kann?Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die von mir genannten ausfuhrrechtlichen Bestimmungen orientieren sich an der Resolution der Vereinten Nationen und umfassen diese; sie decken sie ab. Wir haben uns bei unserer Ausfuhrpolitik und Genehmigungspraxis voll an diese Resolution gehalten.
Zusatzfrage, Herr Kollege Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß, wenn von „militärischem Material" gesprochen wird, nicht nur Waffen gemeint sind, sondern daß auch solches Material gemeint ist, das zur Aufnahme von Waffen vorbereitet ist und das für militärische Aktionen geeignet ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, diese Auffassung teile ich nicht. Der Gesetzgeber hat eine solche Ausweitung der ausfuhrrechtlichen Bestimmungen auch nicht vorgesehen, sehr bewußt nicht vorgesehen, weil die Abgrenzung dann überhaupt nicht mehr möglich wäre.
Deshalb will ich noch einmal betonen, daß alle unsere Untersuchungen ergeben haben, daß die Ausfuhren, nach denen Sie gefragt haben, in voller Übereinstimmung mit den derzeit in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen erfolgt sind und daß diese Gesetze auch mit internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik in Übereinstimmung sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, wie steht es — wenn Sie auf die Gesetze der Bundesrepublik hinweisen — dann mit der Beachtung der Entscheidungen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, der in seiner schon erwähnten Resolution 418 festgestellt hat, daß durch das gegen Südafrika verhängte Waffenembargo ausdrücklich auch die Lieferung von Militärfahrzeugen, Ausrüstungen sowie von Ersatzteilen für die vorgenannten Gegenstände untersagt werden soll? Müßte nicht deshalb auch der Export von Fahrzeugen der Bundeswehr, Kategorie III, verhindert werden, d. h. der Genehmigungspflicht und einer strikten Ausfuhrkontrolle unterliegen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Außenwirtschaftsverordnung zählt die militärischen Fahrzeuge auf, deren Ausfuhr einer Genehmigung bedarf. Neben verschiedenen Spezialfahrzeugen nennt Buchstabe J auch andere militärische Spezialfahrzeuge. Es ist also eine klare Bezeichnung der Fahrzeuge in der Ausfuhrverordnung festgehalten, deren Ausfuhr der Genehmigung bedarf.
Aus dieser Aufstellung ergibt sich, daß es für die Genehmigungsbedürftigkeit nicht auf die Verwendung eines Fahrzeugs im Militärbereich ankommt. Das Fahrzeug muß vielmehr speziell für militärische Zwecke konstruiert sein.
Herr Kollege, ich meine, man kann sich selbstverständlich darüber unterhalten, ob das richtig ist. Ich habe hier nur klarzulegen, daß wir in voller Übereinstimmung mit unseren internationalen Verpflichtungen handeln und daß das nirgends anders gehandhabt wird. Wir könnten das ändern — ich trete dafür nicht ein —, nur: hier geht es darum, deutlich zu machen, daß wir uns im Rahmen der vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetze bewegen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter .
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß Ihre Nachprüfungen keine Anzeichen ergeben haben, daß an den betreffenden Fahrzeugen Veränderungen in der beschriebenen Art vorgenommen worden seien. Welche Möglichkeiten bestehen denn eigentlich von seiten der Bundesregierung, derartige Veränderungen zu überprüfen, bevor solche Fahrzeuge exportiert werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Durch Überprüfungen der Zollbehörden, durch entsprechende Untersuchungen im Betrieb selbst und selbstverständlich durch die Staatsanwaltschaft, wenn entsprechende Anzeigen vorliegen.
Ich rufe Frage 36 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Mit welcher Begründung und rechtlichen Handhabe hat die Bundesregierung seinerzeit einen Antrag der Firma Magirus-Deutz, 10 000 nichtmilitärische Baustellenfahrzeuge in die UdSSR zu liefern, nur unter der Bedingung bewilligt, daß diese nicht mit Allradantrieb ausgestattet werden, und warum verzichtet sie auf eine Genehmigungspflicht z. B. für den Export der von Magirus-Deutz unter der firmeninternen Tarnbezeichnung „Projekt Schwalbe" für militärische Zwecke entwickelten Fahrzeuge mit Allradantrieb, NATO-Kupplung, Tarnbeleuchtung und Speziallackierung nach Südafrika zu Händen der südafrikanischen Armee?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Bei dem Lieferauftrag der Firma Magirus-Deutz „Projekt Schwalbe" handelt es sich um serienmäßige Allradantriebsfahrzeuge. Sie wurden zerlegt und ohne NATO-Kupplung, Tarnbeleuchtung sowie Speziallackierung nach Südafrika geliefert. Der Lieferanteil betrug zwischen 40 und 55 % eines vollständigen Fahrzeugs dieser Bauart. Der Rest wird in Südafrika selbst hergestellt. Technische Konstruktionsmerkmale, die einen militärischen Charakter haben könnten, sind nicht bekanntgeworden. Diese Tatsachen sind in einem Ermittlungsverfahren der OFD Stuttgart — Zollfahndung — bestätigt worden. Das Verfahren wurde inzwischen eingestellt.
Eine irgendwie eingeschränkte Bewilligung zur Lieferung von Lastkraftwagen in die UdSSR in dem von Ihnen genannten Sinne ist mir nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, kann es nicht sein, daß mit den Einzelheiten — wie Sie das
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2861
Jungmannhier dargestellt haben — auch militärische Teile mitgeliefert worden sind, ohne daß darüber eine detaillierte Kontrolle stattgefunden hat?Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich halte das für ausgeschlossen, da eine detaillierte Nachprüfung stattgefunden hat und diese detaillierte Kontrolle das hier vorgetragene Ergebnis gehabt hat.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß aber die Möglichkeit bestanden hat — ohne daß die Bundesregierung darauf Einfluß hatte —, die Voraussetzungen in Südafrika zu schaffen, um diese von Deutschland exportierten Fahrzeuge militärisch nutzen zu können?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ja, diese Möglichkeit wird vermutlich bestanden haben.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, würden Sie es für eine Erleichterung der Nachprüfung halten, wenn man die Lkws bzw. die Fahrzeuge, die von der Firma Magirus-Deutz nach Südafrika exportiert wurden, an Hand der von der Firma selbst herausgegebenen Unterlagen, nämlich der Programmübersicht der Militärfahrzeuge, in der genau jene Lkws wieder auftauchen, prüfte?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist geschehen, Frau Kollegin. Das Ergebnis ist kein anderes, als hier vorgetragen wurde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, ist es im Anschluß an die Frage meiner Kollegin Frau Simonis nicht mindestens überlegenswert, die von Ihnen genannten Kategorien zu überprüfen, da in einem Prospekt der Firma Magirus-Deutz zunächst als Adresse „Produktbereich Militärfahrzeuge" angegeben wird und es dann u. a. heißt: Motoren, die beschußsicher sind, gebaut nach den strengen Anforderungen militärischer Logistik, für die zuverlässige Versorgung der Truppe?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube deutlich gemacht zu haben, daß die Möglichkeit, Teile von Fahrzeugen für Militärfahrzeuge zu verwenden, durchaus gegeben ist und von der Außenwirtschaftsverordnung nicht mit einem Verbot belegt wird. Ich würde aber vorschlagen — bei dem Interesse, das an Ausfuhren nach Südafrika hier besteht —, einmal in einem Kreis der daran Interessierten sehr viel detaillierter, als das hier in der Fragestunde möglich ist, die Probleme in Rede und Gegenrede aufzuzeigen, die hier entstehen und die ja das Parlament ohnehin beschäftigen.
Dann können Sie die einzelnen Problembereiche besser erkennen.
Ich rufe die Frage 37 der Frau Abgeordneten Simonis auf:
Auf welche „geltenden international verabredeten Rechtsvorschriften" nimmt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Frage von Frau Dr. Lepsius vom 24. Juli 1981 Bezug , und in welcher Weise rechtfertigen diese den Export von Fahrzeugen der Bundeswehr-Kategorie III (Wehrtechnik 11/78 Lkw tmil gl = teilmilitarisierte, geländegängige Kraftfahrzeuge), wie z. B. Unimogs mit Waffenhalterungen und Verstaukästen für Kfz-Ausstattungssätze, oder die
Lieferung der von der Firma Magirus-Deutz in ihrer „Programmübersicht der Militärfahrzeuge" aufgeführten Lkw der Typen 130 M 7 FAL und 192 D 12 AL nach Südafrika?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Bei den „geltenden international verabredeten Rechtsvorschriften" handelt es sich um das mit der Resolution 418 des UN-Sicherheitsrats gegen die Republik Südafrika verhängte Waffenembargo und die im COCOM vereinbarten Exportbeschränkungen, die durch Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste in nationales Recht umgesetzt worden sind.
Ausfuhrgenehmigungspflichtig nach der Außenwirtschaftsverordnung sind Fahrzeuge nur dann, wenn sie für militärische Zwecke besonders konstruiert sind. Das trifft auf die zivilen Normalausführungen des Daimler-Benz-Unimog nicht zu. Zur Kategorie III von ungepanzerten Transportkraftfahrzeugen bei der Bundeswehr gehören handelsübliche Fahrzeuge, die für den Einsatz bei der Truppe geringfügig abgeändert worden sind . Nach unseren Erkenntnissen handelt es sich bei den nach Südafrika gelieferten Unimogs um Fahrzeuge, die weder für militärische Zwecke besonders konstruiert noch hierfür abgewandelt worden sind und die auch sonst keinerlei spezifisch militärische Merkmale aufweisen. Aus diesem Grunde unterlagen die Fahrzeuge keiner Ausfuhrgenehmigungspflicht und unterfielen auch nicht dem Waffenembargo gegenüber Südafrika, das ein Ausfuhrverbot für „Militärfahrzeuge" vorsieht.
Auch die Magirus-Deutz-Lastkraftwagen der Typen 130 M 7 FAL und 192 D 12 AL sind nach den der Genehmigungsbehörde vorliegenden technischen Beschreibungen keine Fahrzeuge, die für militärische Zwecke besonders konstruiert sind, und unterliegen daher keiner Ausfuhrgenehmigungspflicht.
Ergänzend sei bemerkt, daß handelsübliche Fahrzeuge nicht schon deshalb zu ausfuhrgenehmigungspflichtigen Rüstungsgütern im Sinne der Außenwirtschaftsverordnung werden, wenn sie eventuell auch für militärische Zwecke einsetzbar sind oder vom Käufer eingesetzt werden.
Zu einer Zusatzfrage Frau Simonis.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt und wie bewerten Sie gegebenenfalls diese Tatsache, daß die amerikanische und die französische Regierung erklärt haben, sie würden diese Bestimmungen über die Ausfuhrgenehmigung sehr viel strenger fassen als die Bundesregierung, so daß
Metadaten/Kopzeile:
2862 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Frau Simonisfür die eben vom Kollegen Thüsing bezeichneten Fahrzeuge in diesen beiden Ländern keinesfalls eine Genehmigung zur Ausfuhr nach Südafrika hätte erteilt werden können?Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist mir nicht bekannt. Ich muß hinzufügen: Das würde mich außerordentlich überraschen.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Thüsing.
Herr Staatssekretär, gibt es nicht auch Anlaß, erneut über die Frage nachzudenken, angesichts der von mir eben schon erwähnten, am 4. November 1977 einstimmig verabschiedeten Resolution 418 des Sicherheitsrats, nach der die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen aufgefordert werden, nicht nur keine Militärfahrzeuge und Ausrüstungen zu liefern, sondern auch auf die Bereitstellung aller Arten von Ausrüstungen und Materialien zu verzichten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Auch diese Resolution bezieht „Ausrüstungen" und „Materialien" auf militärisches Gerät. Ich will noch einmal sagen, daß wir uns mit unserer gesetzlichen Regelung in voller Übereinstimmung mit dieser UN-Resolution befinden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade noch einmal ausgeführt, daß hier eine Obereinstimmung besteht, daß es aber durchaus möglich ist, daß Einzelteile, die in der Liste der Außenwirtschaftsverordnung nicht erfaßt sind, militärisch nutzbar sind und für militärische Nutzbarkeit vorbereitet sind und daß diese Einzelteile exportiert werden. Ist die Bundesregierung auf Grund Ihrer Aussage bereit, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß bei Ausfuhrgenehmigungen auch für solche Teile, die militärisch nutzbar sind, in Zukunft eine detailliertere Kontrolle möglich wird?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist im Augenblick in der Uberprüfung ihrer Rüstungsexportgrundsätze begriffen. Selbstverständlich werden alle Anregungen des Parlaments in diesem Zusammenhang besprochen und gewürdigt. Sie werden vor allem auch mit den Fraktionen des Deutschen Bundestages besprochen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Eigen.
Ist die Bundesregierung bereit, den Arbeitnehmern in den Werken, in denen diese Lastkraftwagen hergestellt werden, mitzuteilen, was hier im Bundestag diskutiert worden ist?
Ich möchte darauf hinweisen, daß es sich um eine der Öffentlichkeit zugängliche Plenarsitzung handelt. Eine Beantwortung der Zusatzfrage ist also nicht erforderlich, Herr Staatssekretär, es sei denn, Sie wünschen eine Antwort zu geben.
— Ich denke, diese Erörterung wird sich in der Tagespresse wiederfinden.
Die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Meininghaus werden nach den Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit ist die Behandlung der Fragen dieses Geschäftsbereichs beendet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Stutzer auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit es durch größere Betriebe der Massentierhaltung zu einer Strukturveränderung im ländlischen Raum gekommen ist, und wie groß der Produktionsanteil bei Hühnern, Kälbern und Schweinen der Unternehmen ist, die nicht mehr als bäuerliche Betriebe anzusehen sind?
Herr Kollege Stutzer, der Bundesregierung ist bekannt, daß sich durch eine Zunahme der Betriebe mit Großbeständen die Struktur der landwirtschaftlichen Tierproduktion verändert hat. So ist beispielsweise im Zeitabschnitt von 1969 bis 1979 der Anteil der Legehennen in Beständen über 10 000 Tieren von 22,7 auf 53,3 %, des Mastgeflügels in Beständen über 25 000 Tieren von 35,9 auf 75,2 %, der Zuchtsauen in Beständen über 50 Tieren von 4,3 auf 26,4 % gestiegen. Bei Mastschweinen hat sich im Zeitabschnitt von 1973 bis 1979 der Anteil von Beständen mit über 400 Tieren von 6,8 % auf 13,2 % erhöht.
Der Konzentrationsgrad in der Milchviehhaltung ist in der Bundesrepublik Deutschland noch sehr gering, die Flächenbindung stark.
Genaue Zahlen über den Produktionsanteil bei Hühnern, Kälbern und Schweinen, die nicht mehr in bäuerlichen Betrieben gehalten werden, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Als Anhaltspunkt für den ausgesprochen gewerblichen Charakter der Legehennen- und Masthühnerhaltung kann dienen, daß 1979 38 % aller Legehennen in Betrieben mit weniger als 1 ha landwirtschaftlicher Fläche gehalten und 52 % der Masthühner in solchen Betrieben produziert wurden. Bei Mastschweinen spielt die gewerbliche Haltung eine untergeordnete Rolle, bei Zuchtsauen keine Rolle.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2863
Herr Staatssekretär, haben die Unternehmen der Massentierhaltung, die nicht mehr als bäuerliche Betriebe anzusehen sind, eine höhere Fremdkapitalausstattung als die landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe, und inwieweit sind hier auch ausländische Kapitalgeber eingestiegen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, darüber liegen mir keine Zahlen vor. Ich bin aber der Meinung, daß bis jetzt kaum ausländische Kapitalgeber in der Bundesrepublik Deutschland eingestiegen sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, Ihr Kollege, der Staatssekretär im hessischen Landwirtschaftsministerium, wies am 12. September in Wiesbaden in Ihrem Beisein auf den Plan seines Ministers hin, der Landwirtschaftspolitik auf europäischer und auf nationaler Ebene eine völlig neue Richtung zu geben, mit dem Ziel, eine gesunde ländliche Struktur wiederherzustellen und gleichzeitig von der Massentierhaltung wegzukommen, was nach Meinung dieses Ministers im Interesse der Bauern und der Tierschützer läge. Wäre das nach Ansicht der Bundesregierung ein gangbarer Weg, und wird sie diesen Vorschlag des Ministers aufgreifen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Grundsatz ist die Bundesregierung der Auffassung, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland zum Großteil — mit wenigen Ausnahmen — nach wie vor eine bäuerlich fundierte Landwirtschaft haben, aber über die Größenordnungen, darüber, was im Grundsatz unter einem bäuerlichen Familienbetrieb zu verstehen ist, und über die Definition der Massentierhaltung als solcher müßte man sich näher unterhalten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 41 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor. wieviel Hühner von den Bauern in Bodenhaltung, Freilandhaltung und Käfigen gehalten werden. und inwieweit die Bauern Wettbewerbsnachteile gegenüber den Firmen haben, die die Hühner wie in einem Industriebetrieb erzeugen und halten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, über die Zahl der Hühner in Käfigen, Boden- und Freilandhaltung liegen ebenfalls keine genauen Zahlenangaben vor. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß mehr als 80 % der Legehennen in Käfigen gehalten werden und die übrigen in Boden- und Auslaufhaltung. Mastgeflügel wird fast ausschließlich in Bodenhaltung gehalten. Nach Modellkalkulationen liegen die Erzeugungskosten je Ei in der Bodenhaltung um etwa 2 bis 4 Pfennig höher als in der Käfighaltung.
In einigen Ländern der Europäischen Gemeinschaft, vornehmlich in Großbritannien und den Niederlanden, ist der Konzentrationsgrad in der
Schweine- und Hühnerhaltung noch weit höher als in der Bundesrepublik Deutschland.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, wie unterscheiden sich die sogenannten „Hühnerfabriken" in ihrer Ertrags- und Aufwandsstruktur von den echten landwirtschaftlichen Betrieben mit Hühnerhaltung, und hat sich die Schere bei der Bewertung der betrieblichen Arbeitsleistung noch weiter geöffnet?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es muß hier eines ganz klar gesagt werden: In bäuerlichen Geflügelhaltungen — soweit sie zum Teil die Verbraucher direkt beliefern; bei denen ist es hauptsächlich der Fall — wird zum Großteil die gleiche Haltungsform gewählt wie in sogenannten „Eierfabriken" — wenn Sie so sagen wollen. Sie unterscheiden sich weniger hinsichtlich der Produktionsmethode als vielmehr im Verhältnis Bauer und Mensch auf der einen Seite zum Tier auf der anderen Seite.
Über den entsprechenden Kapitalaufwand kann ich keine Angaben machen. Ich bin aber der Meinung, daß die bäuerliche Landwirtschaft, die in der Bundesrepublik Deutschland in der Regel zu wenig Flächenausstattung hat, auch in der Zukunft dringend der Veredelungsproduktion bedarf, und zwar einmal im Geflügel- und Eierbereich, soweit das noch möglich ist, insbesondere aber im Bereich der Schweine.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, inwieweit gibt es bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung Unterschiede zwischen den bäuerlichen Betrieben mit einer traditionellen Hühnerhaltung und den nichtbäuerlichen Betrieben mit Käfighaltung?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt insofern keine Unterschiede, als die Eierproduktion seit Jahren überhaupt nicht mehr gefördert wird und der Situation des Marktes frei ausgeliefert ist außer in gewissen Einzelfällen bei Aussiedlungen, die, von staatlichen Behörden angeordnet, notwendig sind.
Herr Kollege Eigen, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung darauf achten, daß alle Veränderungen in diesem Bereich der Tierhaltung — die wir alle ja wünschen — europäisch abgestimmt werden, damit nicht neuerliche Wettbewerbsverzerrungen entstehen können?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir achten sehr darauf. Aber das allein wird natürlich nicht genügen. Man muß sich in Europa einmal grundsätzlich darüber unterhalten, wie der bäuerliche Fami-
Metadaten/Kopzeile:
2864 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Parl. Staatssekretär Galluslienbetrieb und eine gewisse Bindung der Veredelungsproduktion an den Boden erhalten werden kann.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordenten Eigen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß, nachdem die deutsche Produktion bei Naßkonserven auf unter 15 v. H. des deutschen Bedarfs zurückgegangen ist, nun auch die Produktion von Sauerkonserven -einem ruinösen Wettbewerb aus Ostblock-Drittländern ausgesetzt ist, und was gedenkt die Bundesregierung im Rahmen der EG oder direkt zu unternehmen, um die Erzeugung deutscher Rohwaren für die Sauerkonservenherstellung zu schützen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, die Wettbewerbslage der deutschen Sauerkonservenindustrie ist mit der Lage der deutschen Gemüsenaßkonservenindustrie nicht vergleichbar. Während der Marktanteil der deutschen Gemüsenaßkonservenindustrie am einheimischen Verbrauch auf 17 % im Jahre 1980 gesunken ist — ich verweise insoweit auf die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage des Kollegen Müller vom 6. August 1981 —, hat sich der Marktanteil der deutschen Industrie bei Gurkenkonserven auf 83 % ...
Eine Sekunde, Herr Staatssekretär! — Ich darf doch bitten, noch ein bißchen Ruhe zu geben. Das gilt auch für die Regierungsbank und für die Mitarbeiter. — Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär:... und bei Gemüse in Essig ohne Gurkenkonserven auf 84 % im gleichen Jahr gefestigt. Bei Sauerkrautkonserven, die gemeinhin zu den Sauerkonserven gerechnet werden, betrug der Marktanteil der deutschen Herstellung am einheimischen Verbrauch im Jahre 1980 sogar 93 %. Die Marktstellung der deutschen Erzeugung ist daher nach wie vor stark. Die sichtbar gewordenen Absatz- bzw. Preisprobleme sind nach meiner Überzeugung in erster Linie auf die Verbrauchsentwicklung in den letzten Jahren zurückzuführen, die mit den Produktionssteigerungen der. deutschen Industrie nicht mehr Schritt gehalten hat.
Der prozentual geringe Import hat im Gesamtbereich Gemüse in Essig im Jahre 1980 gegenüber den Vorjahren nachgelassen, wobei die Einfuhren aus den Staatshandelsländern bei Gurkenkonserven um 9 % und bei Gemüse in Essig um 18 % gegenüber dem Vorjahr gesunken sind. Gleichzeitig sind die Ausfuhren spürbar gestiegen.
Zur Stärkung der Wettbewerbskraft der deutschen Gemüsekonservenindustrie hat die Bundesregierung Hilfestellung geleistet. Soweit die Bundesländer entsprechende Programme nach der EG-Verordnung Nr. 355/77 erstellt haben und diese von der EG-Kommission genehmigt worden sind, ist eine Finanzierung von Investitionsvorhaben der Sauerkonservenindustrie in diesen Ländern aus Mitteln des EAGFL möglich und auch erfolgt, ergänzt durch Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes".
Herr Kollege, vielleicht können Sie sich mit einer Zusatzfrage begnügen. Die Zeit ist nämlich um, und Sie werden sich kaum
noch durchsetzen können, da es sehr laut ist. Aber bitte schön!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung auch untersucht, wieviel Sauerkonserven fertig eingedost ohne Etiketten eingeführt worden sind, und sind dabei auch die pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen zum Schutze des Verbrauchers ausreichend eingehalten worden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Soweit der Bundesregierung bekannt ist, werden sämtliche Nahrungsmitteleinfuhren nach den Höchstbestandsverordnungen geprüft und von den Ländern überwacht. Hierunter fallen alle Nahrungsmittelimporte in die Bundesrepublik Deutschland.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Damit ist die Fragestunde beendet. Die Fragen 49 des Herrn Abgeordneten Dr. Diederich , 51 und 52 des Abgeordneten Horstmeier sowie 89 und 90 des Abgeordneten Müller (Wesseling) sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die noch offenen Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich darf den Vorsitz abgeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir die Behandlung der Tagesordnung fortsetzen, darf ich eine Begrüßung vornehmen. Auf der Diplomatentribüne hat der Minister für Wohnungsbau und Städteplanung der Vereinigten Staaten von Amerika, Herr Samuel R. Pierce, Platz genommen. Als Gast der Bundesregierung hält sich der Herr Minister zu einem offiziellen Besuch in der Bundesrepublik Deutschland auf. Ich habe die Ehre und Freude, Herr Minister Pierce in dieser Plenarsitzung des Deutschen Bundestages recht herzlich zu begrüßen und ihm einen angenehmen und erfolgreichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu wünschen.
Ich rufe die Punkte 2 bis 10 der Tagesordnung auf:2. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982
— Drucksache 9/770 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschußb) Beratung des Finanzplans des Bundes 1981 bis 1985— Drucksache 9/771 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß3. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2865
Präsident StücklenZweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur
— Drucksache 9/795 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Haushaltsausschuß
InnenausschußFinanzausschußAusschuß für WirtschaftAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung VerteidigungsausschußAusschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für VerkehrAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für innerdeutsche BeziehungenAusschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit4. a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Kiep, Dr. Jahn , Dr. Schneider, Dr. Möller, Hauser (Krefeld), Müller (Remscheid), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter , Zierer, Dr. Blüm, Clemens, Erhard (Bad Schwalbach), Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus— Drucksache 9/467 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebaub) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft— Drucksache 9/796 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO5. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen
— Drucksache 9/797 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß
Ausschuß für WirtschaftHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO6. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung
— Drucksache 9/799 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Bildung und WissenschaftHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO7. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung
— Drucksache 9/800 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung FinanzausschußAusschuß für WirtschaftHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO8. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
— Drucksache 9/801 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO9. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung
— Drucksache 9/798 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit VerteidigungsausschußHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO10. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller , Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Müller (Wadern), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz (St. Wendel), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer (Salzgitter), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel (Ennepetal), Borchert, Kittelmann, Vogt (Düren), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSUStrukturkrise der deutschen Stahlindustrie— Drucksache 9/612 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und SozialordnungZur Einbringung des Haushalts hat der Herr Bundesminister der Finanzen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Einbringung des ersten Haushaltsentwurfs dieser Legislaturperiode habe ich vor acht Monaten versucht darzulegen, wie ich die wirtschaftlichen Entwicklungsaussichten unserer Bundesrepublik in den 80er Jahren in neuen Gesamtzusammenhängen sehe:
Metadaten/Kopzeile:
2866 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bundesminister MatthöferIch verwies damals auf die weltweiten Strukturverschiebungen, die Folgen der Ölpreisexplosion, auf wachsende Leistungsbilanzdefizite in vielen Ländern mit zunehmenden Finanzierungsschwierigkeiten, auf die weltweiten Inflationstendenzen und Unsicherheiten im Währungsgefüge, auf den internationalen Wettbewerb bei hohem Kostengefälle zu unseren Ungunsten, auf die Forderungen der Völker der Dritten Welt, auf die vielfältigen Risiken im internationalen Wirtschaftsverlauf und schließlich auch auf die Frage, welches wirtschaftliche Wachsturn sich künftig bei verändertem Verbraucherverhalten, veränderten Wertvorstellungen und verändertem Arbeitsverhalten ergeben kann.Die seit Januar vergangenen Monate haben für diese Darstellung zusätzliche Bestätigungen erbracht. Die internationalen Risiken erscheinen heute nicht in einem günstigeren Licht, und die Folgen weltweit höherer Zinsen hinterlassen immer stärkere Spuren. Unsere Wirtschaft hatte die nachteiligen Auswirkungen des starken Anstiegs des Dollarkurses zu bewältigen, insbesondere eine weitere kräftige Kostensteigerung bei der Öleinfuhr, zusätzliche von außen in unser Land hineinwirkende Preisauftriebskräfte und die durch das Leistungsbilanzdefizit entstehende Notwendigkeit, drohenden Kapitalabfluß mit hohen Zinsen zu verhindern.Mit gewisser Verzögerung zeigen sich allerdings auch positive Seiten der DM-Abwertung im Verhältnis zum Dollarraum. Die deutschen Exporte sind im ersten Halbjahr kräftig gestiegen und haben unsere im übrigen nach wie vor ungewisse Konjunktur gestützt. Der Anstieg der Exporte hat die weitere Verschlechterung unserer Leistungsbilanz deutlich sichtbar beendet.Schon diese in den letzten Monaten sichtbar gewordene Trendumkehr hat auf den internationalen Kapitalmärkten zu einem merklichen Vertrauensgewinn in die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, zu einer Stärkung der D-Mark und zu Kapitalzuflüssen geführt, die die Probleme der Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits ganz merklich vermindern. Diese — noch nicht ausreichende und gewiß auch noch nicht dauerhaft gesicherte — Verbesserung zeigt aber, wie die Wiederherstellung des internationalen Vertrauens in die deutsche Leistungsfähigkeit zu einem Schlüssel für die weitere Entwicklung geworden ist.Die Entwicklung im ersten Halbjahr 1981 konnte angesichts des hohen Zinsniveaus nicht die Voraussetzungen für einen Aufschwung im zweiten Halbjahr schaffen, der noch zu Beginn dieses Jahres von den meisten wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten, von der Bundesbank, vom Sachverständigenrat, vom Finanzplanungsrat und auch von der Bundesregierung vorhergesagt wurde.Das reale Sozialprodukt hat im ersten Halbjahr 1981 gegenüber dem zweiten Halbjahr 1980 stagniert bzw. ist in dieser Zeit leicht zurückgegangen. Es gibt leider wohl nicht Gewißheit, jedoch durchaus die Chance, daß sich diese Entwicklung im zweiten Halbjahr oder auch zu Beginn des nächsten Jahres deutlich verbessern könnte. Es gibt keinen Grund, schwarzen Konjunkturpessimismus festzuschreiben; man muß aber darauf vorbereitet sein, daß die Wirtschaft weiter stagniert.Wir müssen auf jeden Fall — und dies muß jeden, der sich verantwortlich fühlt, beunruhigen —, trotz des jetzt hohen Standes der Arbeitslosigkeit, aus saisonalen Gründen in den Wintermonaten noch mit einer weitersteigenden Arbeitslosigkeit rechnen. Wir haben z. B. bei den Vorausschätzungen berücksichtigen müssen, daß der Arbeitsmarkt 1982 aus demographischen Gründen zusätzlich mindestens — mindestens! — 120 000 Beschäftigungssuchende, vor allen Dingen Ausländer und Jugendliche, aufnehmen muß.Wir werden also auch weiterhin einer wirtschaftlichen Lage gegenüberstehen, die uns die Diskussion von Antworten auf Fragen nach dem richtigen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs und nach den Möglichkeiten staatlichen Handelns mit großer Eindringlichkeit aufzwingen wird. In einem Land, das von der Arbeit seiner Menschen lebt, muß Vollbeschäftigung das erste Ziel der Finanz- und Wirtschaftspolitik sein.
Ich bin mit meinem DGB-Kollegen Alois Pfeiffer der Meinung, daß man Arbeitslosenzahlen nicht wie Verkehrsdurchsagen hinnehmen darf.
Es mag sein, daß die bisherige Diskussion darüber der Öffentlichkeit ein zeitweilig unklares Bild über die tatsächlichen Vorgänge vermittelt hat. Das muß in einer Demokratie mit freier und sich auf die Meinungsverschiedenheiten und Konflikte konzentrierender Berichterstattung wohl so sein, und man sollte das nicht beklagen. Aber das Ringen der die Bundesregierung tragende Kräfte um den bestmöglichen finanzpolitischen Kurs in einer ungewöhnlich schwierigen Lage sollte von keiner Seite als Rückzug aus der Verantwortung für die Erhaltung der Arbeitsplätze mißverstanden werden, ganz im Gegenteil.
Wir werden den Auftrag des Gesetzes erfüllen und alles tun, was uns realistisch möglich ist, um Beschäftigung zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen.Man kann in der gegenwärtigen Lage allerdings nicht mit abstrakten Patentrezepten, schon gar nicht mit ausländischen, arbeiten. Vielleicht wird mir der Hauptsprecher der Opposition den Gefallen tun und noch einmal ausführlich wiederholen, was er bisher Lobendes über die amerikanische und britische Wirtschafts- und Finanzpolitik gesagt hat.Wir müssen uns bemühen, unserer sozialen und wirtschaftlichen Wirklichkeit gerecht zu werden. Zu dieser Wirklichkeit gehören für uns vor allem die Menschen unseres Volkes mit ihren Sorgen, Bedürfnissen, Meinungen und Antriebskräften, ihrem Leistungsvermögen und ihren unterschiedlichen Interessen und Einstellungen. Wir müssen unsere Geschichte, unsere Institutionen, unsere Strukturen und unsere Erfahrungen berücksichtigen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2867
Bundesminister MatthöferIn einer Gesellschaft, die wie die unsrige vom Wettbewerb und von einer großen Vielfalt von Selbständigen, Angehörigen der freien Berufe und Handwerkern, von kleinen und mittleren Unternehmen und großen Konzernen, von der Arbeitskraft, dem Geschick, der Qualifikation, der Motivation Millionen arbeitender Menschen aus allen sozialen Schichten lebt, nützen einfache Modellösungen nichts, die nicht die Bedürfnisse und Möglichkeiten dieser Menschen einschließen. Deshalb muß in unserem Lande immer wieder ein sozialer Konsensus gesucht und gefunden werden. Eine Störung des sozialen Friedens könnte auch gesamtwirtschaftlich zerstörerisch wirken.Soziale Gerechtigkeit, Bestand und Verläßlichkeit sozialer Sicherheit in Notlagen sind unverzichtbar und für uns unantastbar.
Aber, wenn sich in schwierigen Zeiten bei denen, die das Sozialprodukt erarbeiten, ein Gefühl zu verbreiten beginnt, daß ihre Arbeit ausgenutzt wird, daß Menschen es fertigbringen, Leistungen der Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen, ohne eigentlich darauf angewiesen zu sein oder ohne einen angemessenen und zumutbaren Beitrag zum Gesamtertrag zu erbringen, dann kann auch von dieser Seite her sozialer Unfrieden entstehen.
In weiten Schichten unseres Volkes bis hin zu denen, die nun wirklich nicht im Überfluß leben, ist verstanden worden, daß die drastische Erhöhung der Ölrechnung nicht spurlos an unserem Lebensstandard vorbeigehen kann. Es gibt durchaus Bereitschaft, Einschränkungen hinzunehmen, wenn sich unser Gemeinwesen insgesamt vernünftig auf die neue Lage einstellt. Die Bürger erwarten, daß sich der Staat auf allen Ebenen — Bund, Länder und Gemeinden — einschränkt und an alle Ausgaben eine den neuen Umständen entsprechende Meßlatte anlegt.Diese Bereitschaft, Verzichte hinzunehmen, ist nach meinem Eindruck bei den unmittelbar Betroffenen sogar noch ausgeprägter als bei denen, die sich in Verbänden oder Parteien zum durchaus legitimen Fürsprecher dieser Gruppen machen.
Es ist unsere Verantwortung in Regierung und Parlament, im Bund ebenso wie in Ländern und Gemeinden, die richtigen Schlußfolgerungen aus der neuen, uns durch die weltweite Entwicklung aufgezwungenen wirtschafts- und finanzpolitischen Lage zu ziehen, den Erwartungen in unserem Land gerecht zu werden und im In- und Ausland das Vertrauen in unsere wirtschaftliche Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit zu stärken.Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen die Grundlagen für eine Einsparung von über 60 Milliarden DM im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung allein beim Bund gelegt. Darüber hinaus werden Länder und Gemeinden unabhängig von eigenen Sparanstrengungen, über die wir ja hoffentlich in den nächsten Wochen und Monaten noch rechtzeitig etwas Konkretes hören, um über 10 Milliarden DM entlastet. Wenn alle diese Anstrengungen mittragen, werden wir eine beachtliche Sparleistung vollbringen und Raum schaffen für private Initiativen und Investitionen.Wir sollten diesen Erfolg nicht zerreden. Wir sollten auch nicht zulassen, daß er zerredet wird.
Nichts, was Menschen machen, ist vollkommen.
— Also, ich kann mich j a über die Reaktionen der CDU/CSU-Fraktion nur wundern. Wenn ich Sie wäre, würde ich mit gesenktem Haupt dasitzen, wenn ich von den Sparleistungen anderer Leute höre.
— Herr Kohl, Sie werden doch die Hauptrede hier gar nicht halten; die Hauptrede werden nicht Sie halten und auch nicht der gestern von der „Süddeutschen Zeitung" als finanzpolitischer Hauptsprecher der unionsgeführten Länder im Bundesrat Bezeichnete, sondern die Hauptrede wird hier der Herr Ministerpräsident Strauß halten. Er wird uns mit seinen bekannten Bonmots und Klischees erheitern, ergötzen und ermuntern und alles, was er seit Sonthofen gesagt hat, wiederholen.
Nichts, was Menschen machen, ist vollkommen, gewiß nicht Haushaltsbeschlüsse der Bundesregierung und Gesetzentwürfe mit über 60 Einsparmaßnahmen. Aber es kann keiner politischen Kraft daran liegen, Geduld und Vertrauen der Bürger in die Verantwortungsbereitschaft und in die Handlungsfähigkeit der Institutionen des demokratischen Staates zu strapazieren. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, daß sich jetzt die Organe unseres demokratischen Staats in der Zusammenarbeit als handlungsfähig bewähren.Sparen ist für uns kein Selbstzweck. Die Überprüfung der Finanzierbarkeit öffentlicher Ausgaben in einer veränderten Lage darf kein Vorwand sein, jenen Kräften nachzugeben, die schon immer den Staat auf eine viel engere Rolle beschränken wollten, als dies in einem Sozialstaat der Fall sein darf.
Es geht nicht darum, die öffentliche Erfüllung bestimmter Aufgaben und Bedürfnisse der Gemeinschaft grundsätzlich in Frage zu stellen. Jetzt geht es ausschließlich darum, auf Umstände zu reagieren,
Metadaten/Kopzeile:
2868 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bundesminister Matthöferdie außerhalb unseres Einflußbereichs liegen, und den Notwendigkeiten einer veränderten wirtschaftlichen Lage Rechnung zu tragen, um die Voraussetzungen für die erforderliche Umstrukturierung unserer Wirtschaft und für einen neuen Aufschwung zu schaffen.
Von 1973 bis 1980 haben sich die jährlichen Ausgaben für Öleinfuhren von 13 Milliarden DM auf 60 Milliarden DM mehr als vervierfacht. Allein von 1978 bis 1980 hat sich die Ölrechnung von 30 auf 60 Milliarden DM verdoppelt. In diesem Jahr werden wir wahrscheinlich 70 Milliarden DM ausgeben müssen.
Dieser Kaufkraftentzug muß den Verbrauch anderer Güter und Dienste vermindern. Das sich daraus ergebende Leistungsbilanzdefizit muß durch zusätzliche Leistungen finanziert werden. Dies ist mittel-und langfristig nur durch zusätzliche produktive Investitionen in der Wirtschaft möglich.Von 1978 bis 1980 — also innerhalb von nur zwei Jahren — hat sich unsere Leistungsbilanz von einem 18-Milliarden-DM-Überschuß zu einem Defizit von 30 Milliarden DM verschlechtert, ein negativer Umschwung also von 48 Milliarden DM. 1978 hatten wir noch — nach den Japanern — den zweithöchsten Leistungsbilanzüberschuß aller Industriestaaten und 1980 das größte Leistungsbilanzdefizit aller westlichen Länder.Zur Finanzierung dieses Defizits brauchen wir Nettokapitalimporte. Im letzten Jahr waren jedoch die privaten Kapitalabflüsse trotz unserer hohen Zinsen so groß, daß das Leistungsbilanzdefizit fast vollständig aus unseren Devisenreserven finanziert werden mußte, die freilich immer noch die größten der Welt sind. Aber der Rückgriff auf diese Reserven kann sich selbstverständlich nicht jedes Jahr wiederholen.
Trotz unserer hohen Zinsen ist der DM-Kurs gegenüber dem Dollar seit dem Frühjahr 1980 um etwa 30 % gesunken. Wir spüren es negativ bei den Importpreisen, die binnen Jahresfrist um 20 % gestiegen sind, und positiv natürlich bei unserer Exportentwicklung und den Auftragseingängen aus dem Ausland.Der Grad der Abhängigkeit vom amerikanischen Zinsniveau ist auch eine Frage des internationalen Vertrauens in die Leistungskraft der deutschen Wirtschaft und in die Stärke unserer Währung. Die nicht unbeachtliche Differenz zwischen DM- und Dollar-Zinsen spiegelt den Vertrauensbonus der D-Mark wider. Dieser aber ist heute kleiner als vor 1978. Er wird wieder wachsen, und damit auch der mögliche Abstand zwischen DM- und Dollar-Zinsen, wenn die klare Tendenz zum dauerhaften Abbau unseres Leistungsbilanzdefizits noch deutlicher wird. Eines muß aber deutlich verstanden werden: Solange dem Zinsabstand zu den USA nicht eine deutliche Aufwertungserwartung für die D-Mark gegenübersteht, gibt es für uns keine Möglichkeit der Abkopplung vom hohen amerikanischen Zinsniveau.
— Ich meine die deutsche Wirtschaft, und ich meine unsere sehr starke Währung, deren inhärente Kraft, Herr Sprung, sich noch zeigen wird. The higher they rise, the harder they fall — sagen die Amerikaner.
Die jüngste Entwicklung unserer Leistungsbilanz und die sich langsam abzeichnende Erholung der D-Mark auf den Devisenmärkten zeigt, daß wir uns auf dem richtigen Wege befinden. Jetzt kommt es darauf an, nicht lockerzulassen. Die Zeichen stehen gut, und der Erfolg wird uns recht geben.
— Sagen Sie: Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich?
Oder anders ausgedrückt: Which side are you on?
Aufschlußreich ist das japanische Beispiel. Der Ölpreisanstieg führte 1979 in Japan zunächst, wie bei uns, zu einem erheblichen Leistungsbilanzdefizit bis weit in das Jahr 1980 hinein. Der Kurs des Yen fiel, die Zinsen stiegen. Die Wende kam durch einen scharfen Ausfuhranstieg und einen deutlichen Einfuhrrückgang. Das Vertrauen in den Yen stieg schlagartig. Schon ab Frühjahr 1980 stieg sein Kurs deutlich. Dies verbesserte wiederum das Verhältnis der Ausfuhr- zu den Einfuhrpreisen. Dadurch wurde die japanische Leistungsbilanz zusätzlich entlastet, und zum Jahresende 1980 war das Leistungsbilanzdefizit abgebaut. Schon ab Jahresmitte 1980 ermöglichte dies eine weitgehende Abkopplung Japans von der amerikanischen Zinsentwicklung, was sich in größerem Wirtschaftswachstum und in höherer Preisstabilität auswirkt.Nun ist es weder notwendig noch realistisch zu erwarten, daß wir, ähnlich wie Japan, in kurzer Frist unser Leistungsbilanzdefizit völlig abbauen. Das muß man nicht nur beklagen, denn es ist durchaus sinnvoll, OPEC-Geldern bei uns produktive Anlagemöglichkeiten zu bieten.Aber das Niveau eines für die deutsche Volkswirtschaft und für ihre Währung vertrauensunschädlichen Leistungsbilanzdefizits liegt weit unter der gegenwärtigen Größenordnung. Um dort hinzukommen, muß vor allem die Wettbewerbs-, Leistungs-und Innovationskraft der deutschen Wirtschaft gestärkt werden.
Wir brauchen eine grundlegende Modernisierung unserer Wirtschaft, d. h. vor allem mehr Investitionen, um die Lösung wirtschaftlicher Strukturprobleme zu beschleunigen, z. B. im Hinblick auf 01- und Energieeinsparung. Die Wirtschaft muß mehr inve-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2869
Bundesminister Matthöferstieren, um sich auf die neue weltweite Arbeitsteilung einzustellen, veränderten Nachfragestrukturen im In- und Ausland zu folgen, neue Technologien zu nutzen, den Umweltanforderungen besser gerecht zu werden und nicht zuletzt für eine noch für mehrere Jahre wachsende Zahl von Erwerbstätigen rechtzeitig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Es liegt auf der Hand, daß unser Sozialprodukt diese erhöhte Investitionsquote auch bei wieder zunehmendem Kapitalimport nicht hergeben kann, wenn die Wachstumsdynamik der konsumtiven Ausgaben unvermindert anhält.Es ist allerdings keine einfache politische Führungs- und Gestaltungsaufgabe, über Jahrzehnte gewachsene und zum Teil in harten Auseinandersetzungen errungene Systeme der sozialen Sicherheit auf den Prüfstand zu stellen und über ihre solide Finanzierung unter veränderten Wachstumsbedingungen nachzudenken. Hier müssen Weichenstellungen erfolgen, die nachhaltig und weit über das einzelne Haushaltsjahr hinauswirken, denn wir haben es eben mit Problemen zu tun, die nicht allein kurzfristiger, konjunktureller Natur sind. Deshalb muß alles, was wir tun, mindestens in einer mittelfristigen Perspektive gesehen und beurteilt werden.Obwohl dies in weiten Kreisen unbestritten ist, bleibt bei vielen die große Besorgnis, daß bei schon jetzt hoher Arbeitslosigkeit jeder zusätzliche Nachfrageentzug Konjunktur und Beschäftigung mit multiplikativen Wirkungen weiter belasten könnte. Nun kann man schon darüber streiten, ob bei einer Zunahme der Bundesausgaben in diesem Jahr um voraussichtlich 7,2 % und einer im Haushaltsplan '82 angesetzten Zuwachsrate von 4,2 %
von einem Nachfrageentzug gesprochen werden kann.Bei dieser Frage wird aber übersehen, daß eine Ausweitung der öffentlichen Neuverschuldung bei der wegen der internationalen Zinskonstellation gegenwärtig erforderlichen Geldpolitik — bei gleichzeitiger Notwendigkeit, das Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren — nicht zu einer Ausweitung der Gesamtnachfrage führen darf. Es ist ein Irrtum, zu glauben, durch eine Ausweitung der öffentlichen Defizite ließe sich in der gegenwärtigen Lage zusätzliche Nachfrage schaffen.
Es gibt allerdings Situationen — z. B. bei Leistungsbilanzüberschüssen, hohen Devisenvorräten, niedrigen Zinsen, unausgenutzten Kapazitäten —, in denen es unverantwortlich wäre, Arbeitslosigkeit nicht mit Hilfe öffentlicher Kreditaufnahme zu bekämpfen. Eine Ausweitung der öffentlichen Defizite in der augenblicklichen Lage würde jedoch mit dem sich aus den Umstellungsnotwendigkeiten ergebenden hohen Kapitalbedarf unserer Wirtschaft zusammentreffen. Die Folge wäre wahrscheinlich ein Zurückdrängen dieser für die Modernisierung unserer Wirtschaft eminent wichtigen Kreditnachfrage; die Folge davon wäre wiederum noch höhere Kapitalmarktzinsen, an denen wir in der gegenwärtigen Lage nun wirklich nicht interessiert sein können.
Ein Wort zur Warnung vor Einseitigkeit: Selbst wenn man wirtschaftliche Probleme zunächst vom Bedarf an Innovationen und Investitionen und von einer Belebung der Leistungskräfte her angehen will, kann man die notwendige Wechselwirkung mit Nachfrageerwartungen nicht beiseite lassen. Selbstverständlich investieren Unternehmer nur, wenn sie Märkte und Absatzchancen sehen. Beides, Investitionen und ausreichende Nachfrage, gehört zum gleichgewichtigen Wachstum.Es wäre jedoch illusionär, zu glauben, wir könnten die Nachfrageerwartungen der Wirtschaft für den Planungs- und Produktionszeitraum neuer Investitionen heute mit zusätzlichen Haushaltsdefiziten stützen. Eine Ausweitung der öffentlichen Defizite über das gegenwärtige und gar nicht so unbeachtliche Maß hinaus würde positive Zukunftserwartungen vermutlich eher untergraben. Denn die für Investitionsentscheidungen in der Wirtschaft Verantwortlichen würden kaum Vertrauen in die Dauerhaftigkeit einer mit wachsender Verschuldung finanzierten öffentlichen Nachfrage haben.
— Ich hatte eigentlich auch Ihren Beifall erwartet, Herr Kollege Barzel.
— Meine Fraktion hat schon in der letzten Fraktionssitzung Beifall gespendet.
— Wir leiden nicht unter Wiederholungszwängen, Herr Kollege.
Wir sind jetzt auf dem besten Wege, das durch das Leistungsbilanzdefizit verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen; die traditionelle deutsche Exportstärke tritt wieder zutage, und die Einsparung von Erdöl schlägt sich in einem deutlichen Rückgang der eingeführten Mengen nieder. Wir dürfen uns durch unsere Erfolge aber nicht davon abhalten lassen, die Leistungsbilanz durch zusätzliche Maßnahmen und eine noch stärkere Einsparung von Öl langfristig zu verbessern.Ich bin überzeugt, daß die Regierungsbeschlüsse dieses Sommers das internationale Vertrauen in die Entwicklung der deutschen Wirtschaft zusätzlich stärken. Sie verdienen auch das Vertrauen der deutschen Politik und der Bürger, denn sie sind gewiß
Metadaten/Kopzeile:
2870 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bundesminister Matthöferwesentlich besser, als ihre Begleiterscheinungen sich öffentlich darstellten.
Das wird jeder erkennen, der sich die Mühe macht, die Originaldokumente sorgfältig zu studieren, und sich nicht auf Sekundärliteratur beschränkt.
— Das sollte man ja von einem Bundestagsabgeordneten erwarten können.Wer die Beschlüsse der Bundesregierung und den Haushaltsentwurf für 1982 und ihre Auswirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Beschäftigungsaussichten objektiv beurteilen will, der darf nicht isoliert einzelne Maßnahmen herausgreifen und etwa den durch sie entstehenden Nachfrageausfall und dadurch scheinbar verursachte negative Beschäftigungswirkungen berechnen wollen.Man kann die Beschäftigungswirkungen öffentlicher Ausgaben in Höhe von einer oder zwei oder — was weiß ich — wieviel Milliarden DM nicht abstrakt und isoliert von den wirtschaftlichen Gesamtzusammenhängen ermitteln. Es gibt gewiß Situationen, in denen ein Ausgabenprogramm mit multiplikativer Wirkung Nachfrage vermehrt und eine hohe Beschäftigungswirkung entfaltet. Es gibt andere Lagen, und die gegenwärtige ist eine solche, in denen der Versuch, mit kreditfinanzierten öffentlichen Ausgaben die Nachfrage über ein bestimmtes Maß hinaus auszuweiten, ins Leere läuft und die dadurch geschaffenen zusätzlichen Finanzierungsprobleme mehr Schaden anrichten, als an positiven Beschäftigungswirkungen vielleicht entsteht.Unsere Beschlüsse entkräften in der Tat Besorgnisse im In- und Ausland, daß unser Land durch eine in unserer jetzigen Lage der Beschäftigungssicherung nicht mehr dienliche hohe öffentliche Kreditaufnahme die Kapitalbildung für Investitionen in der Wirtschaft erschwert, den von Leistungen unabhängigen Verbrauch weiter ausweitet und die Geldwertstabilität gefährden könnte. Sie sind deshalb nach meiner Überzeugung in ihrem Gesamtzusammenhang das beste zur Zeit Mögliche und Durchsetzbare, was wir zur Sicherung der Beschäftigung tun können.Wir verbessern die Rahmenbedingungen der Wirtschaft, insbesondere für Innovationen und Investitionen. Wir erschweren durch die stärkere Bekämpfung von Schwarzarbeit und Leiharbeit und durch die Anrechnung von Lohnersatzleistungen bei der Besteuerung anderer Einkünfte die Möglichkeiten, sich durch ausgeklügelte Gestaltungen von Steuervorteilen und Leistungen außerhalb ordentlicher Arbeitsverhältnisse besserzustellen als jemand, der regelmäßig arbeitet.
Wir begrenzen die Dynamik von Ausgabenrisiken, die — wie bei bestimmten Kosten im Gesundheitswesen — sonst die Gefahr in sich bergen würden, unser Sozialprodukt zunehmend in unproduktiven Verwendungen aufzuzehren. Gleichzeitig wird erneut bekräftigt, daß die jetzt erreichten Grenzen derBelastung der Löhne und Einkommen mit direkten Steuern und Sozialabgaben nicht mehr überschritten werden sollen.Es wäre allerdings eine gefährliche Fehlvorstellung, zu glauben, man könne unter den Bedingungen der Bundesrepublik Deutschland mit den uns zur Verfügung stehenden staatlichen Steuerungsinstrumenten jeden wirtschaftlichen Erfolg — Vollbeschäftigung, Wachstum, Wohlstandsmehrung, Preisstabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht technokratisch garantieren — ungeachtet all dessen, was sonst in der Welt vorgeht. Das geht nicht.
Das Sozialprodukt wird von Millionen von Erwerbstätigen erarbeitet. Deshalb ist es grundsätzlich richtig, ohne Übertreibung den Menschen in unserem Lande zu sagen, daß wirtschaftlicher Erfolg, Zukunftsaussichten und Wohlstand buchstäblich in ihrer eigenen Hand liegen und daß es sich deshalb für jeden lohnt und lohnen muß, seine Leistungskräfte und seine Leistungsbereitschaft einzusetzen.Hier liegt auch ein entscheidender Grund dafür, daß eine weitere Erhöhung des Anteils der direkten Lohn- und Einkommenbesteuerung und der Sozialabgaben wirtschaftlich nicht sinnvoll, sondern eher schädlich wäre. Der Grenznutzen zusätzlicher Arbeitsanstrengungen darf nicht noch weiter geschmälert werden, zumal wir schon jetzt bedenkliche Formen des Unmuts und des Ausweichens in Schwarzarbeit und Untergrundwirtschaft beobachten müssen.
Die Eckdaten des Ihnen vorliegenden Entwurfs für den Bundeshaushalt 1982 sind nach unserer Auffassung gesamtwirtschaftlich und finanzpolitisch richtig. Der geplante Anstieg der Ausgaben um 4,2 %, der auf dem gegenüber den früheren Planungen erhöhten Sockel des Ausgabenzuwachses 1981 von 7,2 % zu sehen ist, ermöglicht eine Abbremsung der Neuverschuldung auf 26,5 Milliarden DM bei einer durch Gesetz geregelten Bundesbankablieferung von 6,1 Milliarden DM.Die Bundesregierung hat sich von der Erwartung einer hohen Gewinnabführung der Bundesbank nicht verleiten lassen, in ihren Sparanstrengungen nachzulassen. Im übrigen ist der Gewinn der Bundesbank nur die Kehrseite des hohen Zinsniveaus, das den Bundeshaushalt zur Zeit in außergewöhnlicher Weise belastet. Wenn beides in den nächsten Jahren wieder zurückgeht, hohe Zinsen und Bundesbankgewinn, soll es dem Bundesfinanzminister mehr als recht sein.Die Diskussion, wie eine „normale" Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte in „Normallagen" bemessen sein soll und inwieweit konjunkturabhängige Daten wie geringere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben für Arbeitslosigkeit oder Zinsbelastungen in konjunkturschwachen Zeiten eine höhere Nettokreditaufnahme rechtfertigen, ist und bleibt ziemlich akademisch. Versuche des Sachverständigenrates, die Höhe eines konjunkturunabhängigen,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2871
Bundesminister Matthöfer„strukturellen" und folglich schädlichen Defizits zu errechnen, sind alles andere als überzeugend. Wenn wir — womit wir leider aus heutiger Sicht noch nicht eindeutig rechnen können — im nächsten Jahr einen kräftigen Aufschwung bekämen, könnte sich das Defizit des Bundes sehr rasch so zurückbilden, daß vom angeblich strukturellen Defizit wenig, wenn überhaupt irgend etwas übrigbliebe.Bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs für 1981 hatte die Bundesregierung ähnliche Zielwerte — ein Ausgabenwachstum von 4,3 % und ein Defizit von 27,4 Milliarden DM -- angesetzt, die dann durch die konjunkturelle Entwicklung überholt wurden, die schlechter als erwartet verlief. Dies führte bis zur abschließenden Beratung des Haushalts im Juni zu einer Diskussion, in der sich die Sorge ausdrückte, das Vertrauen in die Solidität der Finanzpolitik könne bei solchen Veränderungen erschüttert werden, und unsere Entschlossenheit, die Neuverschuldung einzugrenzen, verliere an Glaubwürdigkeit. Zweifellos muß Finanzpolitik immer um Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit bemüht bleiben. Deshalb muß schon die Planung alle berechenbaren Risiken für die Ausgabenentwicklung nach Möglichkeit berücksichtigen. Auf der anderen Seite kann und darf die Haushaltsplanung aber nicht alle vielleicht möglichen oder sogar nur vermuteten negativen Entwicklungen vorwegnehmen wollen. Das wäre in diesen unruhigen Zeiten bei unserer großen Abhängigkeit von internationalen Entwicklungen auch gar nicht möglich.Die Arbeitslosigkeit und die Zahl der Leistungsempfänger könnte sich angesichts der ungewissen Konjunkturaussichten und der zusätzlich auf den Arbeitsmarkt kommenden Jugendlichen und Ausländer schlechter entwickeln, als es bisher von den Fachleuten geschätzt wird. Hier besteht zweifellos ein nicht unbeachtliches, jedoch nicht quantifizierbares Haushaltsrisiko.Risiken können auch bei der Zinsentwicklung liegen, bei den Tarifrunden im öffentlichen Dienst, bei der Deutschen Bundesbahn und — nach aller Erf ah-rung — im Bereich der äußeren Sicherheit. Internationale Lasten können neu auf uns zukommen. Es ist durchaus möglich, daß schon bei der nächsten Steuerschätzung die Erwartungen für die Steuereinnahmen des nächsten Jahres weiter nach unten korrigiert werden,
ohne daß wir dann wirklich schon wüßten, wie sich die Steuereinnahmen im nächsten Jahr tatsächlich entwickeln.Aber ich sähe es nicht als die bestmögliche Finanzplanung an, im Hinblick auf höchst ungewisse Risiken schon heute weitere Ausgabenkürzungen oder Veränderungen auf der Deckungsseite vernehmen zu wollen. Dies könnte bekanntlich dazu beitragen, Entwicklungen hervorzurufen, die man gerade vermeiden will, und dies wäre unverantwortlich. Umgekehrt sind diese Risiken allerdings ein zusätzliches Argument dafür, wie richtig es ist, den Sockel der finanziellen Dauerbelastungen der öffentlichenHände abzubauen. Zudem wird es sich — gewiß zum Ärger unserer Kritiker — im Laufe des Jahres, vielleicht auch schon vorher, zeigen, daß auf der Einnahmeseite und auf der Ausgabenseite des Haushalts durchaus auch positive Entwicklungen zu erwarten sind.Es bleibt in Zeiten so schwieriger und unvorhersehbarer wirtschaftlicher Daten gar nichts anders übrig, als bestimmte mittlere Wahrscheinlichkeitswerte anzusteuern, sonst aber insbesondere bei den steuerlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaft, aber auch bei der privaten Einkommensbesteuerung Stetigkeit und Kontinuität zu wahren und jede unnötige Verunsicherung und Belastung der Steuerzahler zu vermeiden. Die öffentlichen Haushalte und die Systeme der Transferleistungen müssen dann künftig mehr als in der Vergangenheit Anpassungsfähigkeit an die jeweiligen wirtschaftlichen Erfordernisse und Möglichkeiten beweisen.Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Entlastung durch Maßnahmen auf der Ausgabenseite beträgt in dem Ihnen vorliegenden Entwurf allein beim Bund im Jahr 1982 12,9 Milliarden DM und steigert sich auf 17,7 Milliarden DM im Jahre 1984. Bei den Ländern und Gemeinden werden über 2 Milliarden DM jährlich eingespart. Dem stehen bei den Steuern Mehreinnahmen durch Abbau steuerlicher Subventionen oder Vergünstigungen in Höhe von 1,39 Milliarden DM 1982 gegenüber, die im Jahr 1984 auf 2,7 Milliarden DM ansteigen. Als Folge der Verbrauchsteuererhöhungen bei Tabak, Branntwein und Schaumwein rechnen wir fest mit Mehreinnahmen von 1,85 Milliarden DM im nächsten Jahr und 3,2 Milliarden DM 1984. Das Verhältnis von Ausgabenkürzungen zu Einnahmeverbesserungen beträgt bis 1985 insgesamt 3 zu 1. Die Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben überwiegen also bei weitem gegenüber den steuerlichen Mehreinnahmen.Im übrigen dienen die Erhöhungen der drei Verbrauchsteuern auch der notwendigen Verbesserung der Steuerstruktur. So richtig es im letzten Jahr trotz Kritik von vielen Seiten war, den Anstieg der direkten Lohn- und Einkommensteuern durch kräftige Tarifkorrekturen zu bremsen, so muß umgekehrt das unterdurchschnittliche Wachstum der mengenabhängigen Verbrauchsteuern immer wieder nach oben angepaßt werden.Daß es sich bei unseren Maßnahmen nicht um ein Steuererhöhungsprogramm handelt, wird vollends klar, wenn man die Verbesserungen der steuerlichen Rahmenbedingungen für die gewerbliche Wirtschaft und die verbesserte Bauförderung berücksichtigt. Dieser Tatbestand wird nicht hinlänglich deutlich, wenn man die in den nächsten beiden Jahren unmittelbar zu erwartenden Steuermindereinnahmen in Betracht zieht; denn es ist ungewiß, in welchem Maße Wirtschaft und Wohnungsbau günstigere Abschreibungssätze schon im ersten Jahr realisieren. Viel wichtiger für die Beurteilung ist die nachhaltige Wirkung dieser Instrumente.Kurzfristige Änderungen der Besteuerung sind meist nicht geeignet, die Wirtschaftstätigkeit dauerhaft anzuregen. Sie gehen oft an den wirklichen und in der Regel sehr zeitaufwendigen Planungs- und
Metadaten/Kopzeile:
2872 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bundesminister MatthöferKalkulationsabläufen vorbei und sind obendrein steuertechnisch oft nicht sinnvoll nachvollziehbar. Deshalb ist es ein Kernstück des Gesamtpaketes, die degressive Abschreibung dauerhaft zu verbessern. Wer die Bedeutung dieser Maßnahme ausschließlich daran messen will, welche zusätzlich, sonst nicht geplanten Investitionen sie im nächsten Jahr anregt, sieht die Wirkungsweise der degressiven Abschreibung zu eng.Wesentlich ist, daß ein Besteuerungsgefälle vom entnommenen zum investierten Gewinn entsteht und daß der Vorteil auf Dauer nur durch Reinvestitionen erhalten bleiben kann. Deshalb wirkt die degressive Abschreibung langfristig und nachhaltig. Sie entspricht der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit einer technologischen Erneuerung der Investitionsgüterausstattung. Schließlich sind wir auch daran interessiert, Kapital aus dem Ausland in produktive Anlagen bei uns zu lenken. Eine Verbesserung der steuerlichen Abschreibungssätze macht Kapitalimporte nun einmal zusätzlich attraktiver.Die Baukonjunktur leidet — zweifellos noch stärker als andere Bereiche — unter den hohen Zinsen. Diese Belastungen lassen sich durch kein Instrument ausgleichen, zumal ja die Zinspolitik der Bundesbank durch unsere Maßnahmen eben nicht unterlaufen werden soll. Dennoch können wir in den nächsten zwei Jahren von den sich gegenseitig verstärkenden Wirkungen der Verbesserung der Abschreibungssätze und der Abschaffung der Umsatzsteueroption im Bauherrenmodell zum 1. Januar 1984 eine gewisse Belebung der Baunachfrage und auch des Wohnungsbaus erwarten.Ich weiß, daß sich gerade an diesen Beschlüssen Kritik entzündet. Es ist für viele geringer Verdienende, für viele, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, schwer nachvollziehbar, daß Einkommensschwachen Einschränkungen zugemutet, gleichzeitig aber Steuervergünstigungen beschlossen werden, die nach aller Erfahrung in erster Linie den besser Verdienenden und denen, die über größere Kapitalvermögen verfügen, zugute kommen.Ob und wie die Lasten der Sparmaßnahmen sozial gerecht verteilt werden, ist zweifellos eine schwerwiegende und gar nicht leicht zu beantwortende Frage. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß es ungemein wichtig ist, den sozialen Frieden in unserem Land zu wahren, und daß dieser Frieden von vielen Seiten her gefährdet werden kann. Es wäre z. B. gefährlich, wenn bei der großen Zahl der Arbeitnehmer, bei kinderreichen Familien, auch bei alleinerziehenden Müttern und Väter, bei Jugendlichen, die sich um ihre Ausbildungs- und Berufschancen Sorgen machen, oder auch bei den vielen, die auf soziale Hilfen angewiesen sind, ein Gefühl entstehen würde, als ob wir ihre Belange schlechter verträten als die Interessen derjenigen, denen es sowieso schon gut geht.Ich bitte dringend, die Frage wirklich sorgfältig zu prüfen, wie bei dem, was jetzt im Interesse der Beschäftigungssicherung geschehen muß, soziale Gerechtigkeit gewahrt werden kann, dann nach Prüfung dies draußen aber auch redlich zu vertreten und nicht um taktischer Vorteile willen in sozialenTeilgruppen Stimmungen zu schüren, die eines Tages unserem Gemeinwesen insgesamt schaden könnten.
Es ist z. B. bemerkenswert, daß Landwirte aller Einkommensklassen in stürmischen Demonstrationen gegen den Rückgang ihrer Realeinkommen protestieren und zugleich andere darüber empört sind, daß dieser Teil unseres Volkes angeblich zu sehr geschont worden sei, oder daß Vertreter des öffentlichen Dienstes das Verfassungsgericht anrufen wollen, weil der Staat angeblich seiner Alimentationspflicht nicht mehr nachkomme, oder von einer Kampfansage gesprochen wird, die mit allen Möglichkeiten des Arbeitskampfes zu beantworten sei, und gleichzeitig große Teile unseres Volkes und auch der Mitgliedschaft der politischen Parteien, wie wir aus den Diskussionen wissen, den öffentlichen Dienst in dieser Zeit wachsender Arbeitslosigkeit für privilegiert halten — übrigens weitgehend zu Unrecht, wie ich glaube.Was die sozial gerechte Verteilung der Lasten aber am schwierigsten macht, ist die Tatsache, daß es in unserem Land viele gut Verdienende gibt — hochbezahlte Angestellte in der Wirtschaft, gut verdienende Selbständige, seien es nun die so oft zitierten Zahnärzte, die ja als Berufsgruppe in der Tat an der Spitze der Einkommensstatistik stehen,
seien es Anwälte oder andere Angehörige freier Berufe oder selbständige Unternehmer — —
— Sie nennen die Minister. Ich will Ihnen eines sagen: Ich muß ja für die Banken, in denen der Bund den beherrschenden Einfluß hat, Vorstandsmitglieder einstellen oder zur Einstellung vorschlagen. Ich finde es nicht richtig, daß heute jüngere Leute in diese Vorstände nicht mehr zu einem Ministergehalt gehen wollen. Ein Volk, das auf sich hält, muß auch seine politischen Führungskräfte gut bezahlen; sonst kann nichts daraus werden.
Es ist ausgeprägter Masochismus, der sich in Ihrem Zwischenruf bemerkbar machte.
Ich sprach von den gut verdienenden Selbständigen, seien es nun die so oft zitierten Zahnärzte, deren Durchschnittsgehalt ja weit über das des Bundeskanzlers hinausgeht, die als Berufsgruppe in der Tat an der Spitze der Einkommensstatistik stehen, seien es Anwälte oder Angehörige anderer freier Berufe oder selbständige Unternehmer oder Anteilseigner von größeren und kleineren Unternehmen. Diejenigen, die auf Wohngeld, BAföG, Kindergeld, kleine Renten, Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe angewiesen sind, sehen zugleich, daß solche Einkommensgruppen keine oder kaum sichtbare Einschränkungen hinnehmen müssen. Oft genug müssen sie sogar beobachten, daß diese Bessergestellten noch
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2873
Bundesminister Matthöferverschiedenste Möglichkeiten wahrnehmen, von Leistungen zu profitieren, die für sie eigentlich gar nicht gedacht sind, und sich dann auch noch durch sogenannte Gestaltungsmöglichkeiten der gesetzlichen Besteuerung entziehen.
Es ist nur zu selbstverständlich, daß die Bundesregierung gefragt wird und daß das Parlament gefragt werden wird, wie es mit dem Beitrag dieser Schichten unseres Volkes zur gemeinsamen Sparbemühung denn eigentlich steht.
Ein Teil der Antwort auf diese Frage ist sicherlich ganz unbefriedigend, aber dennoch richtig: die sozial vorrangigste Frage ist zur Zeit die zunehmende Arbeitslosigkeit und der Verlust weiterer Arbeitsplätze. Wir können aber bei der Beschäftigungspolitik nur erfolgreich sein, wenn wir die Investitionsquote in der Wirtschaft wieder erhöhen und jedenfalls das Wachstum der konsumtiven Transferleistungen begrenzen. Bei der Begrenzung von Transferleistungen müssen wir übrigens alle Möglichkeiten ausschöpfen, nach der Dringlichkeit sozialer Bedürfnisse zu differenzieren, und mit dem Abbau dort beginnen, wo die Grauzone von vielleicht mißbräuchlicher oder jedenfalls sozial nicht unbedingt unterstützungsbedürftiger Inanspruchnahme am größten ist. Und wir halten allerdings um so nachdrücklicher fest am Kernbestand der sozialen Sicherung, und der wird nicht angetastet werden.
Auf der anderen Seite bedeutet eine Erhöhung der Investitionsquote in der Wirtschaft, daß der Wirtschaft — und dazu gehören nun einmal Selbständige und Freiberufler ebenso wie kleine und mittlere Unternehmer und große Konzerne — eben nicht investierbares Kapital entzogen werden sollte. Im Gegenteil, das für Investitionen verfügbare Kapital müßte eigentlich vermehrt werden. Die kurzfristig von uns nicht veränderbare ungleiche Verteilung des Produktivvermögens darf uns nicht daran hindern,
unter den uns vorgegebenen Bedingungen das volkswirtschaftlich Notwendige zu tun, wenn wir wirklich Vollbeschäftigung anstreben wollen.In diesen Tagen machen wieder Zahlen über eine Zunahme von Zahlungsunfähigkeit und Konkursen Schlagzeilen. Sie sind in hohem Maße Folge des andauernd hohen Zinsniveaus und fast immer mit dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden. Es wäre deshalb im Sinne einer Sicherung der Beschäftigung jetzt falsch, der Wirtschaft noch zusätzlich Liquidität und Kapital zu entziehen. Eine angemessene Beschäftigung schaffende Wachstumsrate verlangt nun einmal ausreichend Mittel für die Modernisierung und Erweiterung der Produktionsanlagen.Es ist zweifellos unbefriedigend, wenn diese Zusammenhänge im Ergebnis oft dazu führen, daß Unternehmer, Selbständige und Freiberufler ihre Lebensführung völlig unbeeinträchtigt von jeglicher Konsumeinschränkung fortführen. Man sollte sich allerdings auch hier vor Pauschalurteilen hüten. Genauso wie es schlechte oder weniger vorsorgende Unternehmer gibt, gibt es auch zahlreiche Selbständige, deren Einsatzbereitschaft für ihre Unternehmung und die davon abhängigen Arbeitsplätze weit über das hinausgeht, was durchschnittlich im Arbeitsleben geleistet wird.Die Bundesregierung hat sich bemüht, bei der Besteuerung der Selbständigen, der Angehörigen der freien Berufe und der höheren Einkommensschichten in der Wirtschaft die private Lebensführung, oder was in der Nähe der privaten Lebensführung ist, stärker zu besteuern und die im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung reinvestierten Erträge günstiger zu behandeln. Auch in diesem Licht muß die Verbesserung der degressiven Abschreibung für Investitionen gesehen werden. Der gegenüber steht der Wegfall des halben Mehrwertsteuersatzes für Freiberufler, die Beseitigung des Vorsteuerabzugs für Betriebs-Pkws, der Wegfall der Umsatzsteueroption beim Bauherrenmodell und auch die Einschränkung des § 6 b des Einkommensteuergesetzes.Die soziale Ausgewogenheit des Gesamtpakets der Sparmaßnahmen und der steuerlichen Veränderungen kann also nicht isoliert von den gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten gesehen werden.Das ist auch aus einem anderen Grunde zwangsläufig. Das Ausmaß, in dem die Menschen in unserem Lande Einschränkungen in ihrer Lebensführung hinnehmen müssen, hängt nicht allein davon ab, ob staatliche Transferleistungen in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Viel entscheidender ist, welche Löhne und Gehälter in den nächsten Jahren erwirtschaftet werden und wie sich die Lebenshaltungskosten entwickeln. Die Lebenshaltungskosten sind überall dort zwangsläufig unter Druck geraten, wo 01 und Energie beteiligt sind. Dieser ölkostenbedingte Preisanstieg ist unvermeidbar, und er muß von allen getragen werden.Wer allerdings in unsere Nachbarstaaten schaut, der kann ermessen, wie die sozial Bedürftigsten unter Inflationsraten von 10 % und mehr leiden. Ein erfolgreicher Stabilitätskurs — das ist auch eine Erfahrung aus der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik —, ein Kurs, der die Kaufkraft der DM stärkt, kommt letztlich gerade auch den Arbeitnehmerhaushalten mehr zugute, als eine Politik, die mehr verteilen will, als produziert wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die umfangreichsten Einsparungen haben wir im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit vorgenommen. Das ist darauf zurückzuführen, daß hier in letzter Zeit Ausgaben sprunghaft angestiegen sind und das Prinzip der Beitragsdeckung von Leistungen der Sozialversicherung in Frage gestellt wurde. Angesichts der Gefahr einer weiteren Zunahme der Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen zusätzlichen Haushaltsrisiken waren hier Einschnitte leider ganz unvermeidlich.
Metadaten/Kopzeile:
2874 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bundesminister MatthöferDies bedeutet nun keineswegs, daß die Finanzprobleme einseitig auf dem Rücken der Arbeitslosen abgeladen werden, die j a in ihrer überwiegenden Zahl schon durch den meist von ihnen nicht zu verantwortenden Verlust ihres Arbeitsplatzes die Risiken der schlechteren wirtschaftlichen Lage in voller Härte zu spüren bekommen. Lassen Sie mich betonen, daß die Bundesregierung nach wie vor der Meinung ist, daß Arbeitsmarktpolitik mehr sein muß als nur die Gewährung des notwendigsten Lebensunterhalts.
Die vordringliche Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß, der Erwerb zusätzlicher beruflicher Qualifikationen, möglicherweise Umschulungen können allerdings nur gelingen, wenn sie vom Willen zur Selbstbehauptung und der Einsicht getragen sind, daß der Arbeitsmarkt nicht für jeden individuellen Berufswunsch maßgeschneiderte Stellen bereithalten kann. Alle Menschen in unserem Lande, nicht nur die Arbeitslosen, sondern gerade auch die jungen Menschen, die sich heute in einem Ausbildungsgang befinden, die sich um ihre beruflichen Aussichten sorgen, müssen in der Zukunft eine hohe Bereitschaft zur Mobilität und Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Bedingungen aufbringen.Deshalb ist es grundsätzlich richtig, auch in der Arbeitsmarktpolitik einige Anforderungen an die Eigenverantwortung und Zumutbarkeit erreichbarer Arbeitsplätze zu verstärken und sie vor allen Dingen wirkungsvoller durchzusetzen. Dies schließt auch die Praxis der Arbeitsämter ein, die sich wieder stärker am wirklichen gesetzlichen Auftrag und an dem Ziel der Rückführung der Arbeitslosen in ein Arbeitsverhältnis ausrichten müssen.
Die Änderungen bei den Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz werden zu Einsparungen von rund 3,3 Milliarden DM führen. Durch die Erhöhung des Beitragssatzes um 0,5 % werden weitere 3 Milliarden DM zur Deckung des Defizits der BfA auf gebracht, was bei gleichzeitiger Zurücknahme der Beitragserhöhung bei der Rentenversicherung zu keinen Belastungen der Arbeitnehmer und Betriebe führt. Ich stelle ausdrücklich fest, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß es bei der beschlossenen Rentenerhöhung um 5,8 % am 1. Januar 1982 bleiben soll.
Der Kostenanstieg im Gesundheitswesen hat die Krankensicherungsbeiträge, insbesondere der Krankenkassen mit der schlechtesten Risikomischung, bis an die Grenzen der Belastung der Arbeitnehmer getrieben. Diese Entwicklung kann und darf so nicht weitergehen.
Die Kostendämpfung im Gesundheitswesen hat für die meisten Arbeitnehmer angesichts der jetzt schon erreichten Beitragsbelastung größere materielle Bedeutung als Einsparungen im übrigen Sozialbereich. Dem entspricht, jedenfalls teilweise aufder anderen Seite, daß Einkommen im Bereich medizinischer und pharmazeutischer Leistungen in einer Weise am Kostenanstieg im Gesundheitswesen teilhaben, die, um das Mindeste zu sagen, nicht immer leistungsgerecht erscheint. Ein neuer Anlauf zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen ist deshalb richtig und notwendig. Dies ist eine der Aufgaben, deren Einsparungswirkungen sich heute nicht in Heller und Pfennig beziffern lassen, die aber, wenn sie richtig durchgeführt werden, nachhaltige Wirkung zeigen kann.Es ist kein Geheimnis, daß einer der schwierigsten und auch umstrittensten Teile des Sparpakets die Kürzung des Kindergeldes für das zweite und dritte Kind um je 20 DM war und noch immer ist. Die Bundesregierung sieht das Kindergeld nach wie vor als das wichtigste Element des Familienausgleichs an, da es dort, wo der Bedarf familien- und sozialpolitisch am größten ist, besser als jede steuerliche Entlastung wirkt. Der hohe Rang der Unterstützung der Familien und auch der alleinstehenden Mütter und Väter, die die Last der Kindererziehung auf sich nehmen, ist durch nichts gemindert. Deshalb wäre im großen Spektrum der familien- und kinderbezogenen steuerlichen Vergünstigungen und Transferleistungen eigentlich das Kindergeld für kinderreiche und einkommensschwache Familien eine Einsparmöglichkeit, die erst an letzter Stelle verfolgt werden sollte.
Wenn sich die Bundesregierung dennoch gezwungen sieht, jetzt vorzuschlagen, die im letzten Jahr beschlossenen und am 1. Februar dieses Jahres in Kraft getretenen Kindergelderhöhungen zum Teil wieder rückgängig zu machen, so ist dies eine Folge der als unwiderruflich bezeichneten Absage der Bundesratsmehrheit,
irgendeine Begrenzung steuerlicher Tatbestände, sei es der Kinderadditive, sei es der sogenannten Betreuungskosten oder auch eine Modifizierung des Ehegattensplitting, in Betracht zu ziehen.
Es hat für mich politisch keinen Sinn, Planungen zu verfolgen, die im Bundesrat keine Verwirklichungschance haben. Da muß man eben das vorschlagen, was schon eher zu verwirklichen ist. Die Abschaffung der Kinderadditive bei den Sonderausgabenhöchstbeträgen wäre z. B. ein beachtlicher Schritt auf dem Wege zur Steuervereinfachung. Wir haben hier bedauerlicherweise ein weiteres Beispiel dafür, wie Opposition und Bundesratsmehrheit das Steuersystem absichtlich verkomplizieren, ausschließlich um den oberen Einkommensschichten zu helfen.
Immerhin wird auch die Bundesratsmehrheit irgendwann in nachvollziehbarer Weise klären müssen, wie sie es fertigbringen will, an steuerlichen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2875
Bundesminister MatthöferVergünstigungen festzuhalten, gleichzeitig Kindergeldkürzungen abzulehnen und dennoch insgesamt ein höheres Sparvolumen als die Bundesregierung zu erreichen.
Herr Kiep, Sie lächeln mich so freundlich an. Ich sage „Bundesratsmehrheit", weil ich in Ihre Fraktion überhaupt keine Hoffnungen mehr setze, daß Sie etwas zustande bringen.
Wer beim Kindergeld Einsparungen in einer sozial noch am ehesten erträglichen Weise vornehmen will, wird um die Frage nach einer einkommensabhängigen Staffelung nicht herumkommen. Vielen Menschen in unserem Lande, vielen Besserverdienenden, ja sogar Ministerpräsidenten, ist es wenig verständlich, daß Kindergeld auch an die gezahlt wird, die darauf nicht angewiesen sind.Die Bundesregierung sah sich aber hier zwei Problemen gegenüber, die ihr letztlich nicht überwindbar erschienen. Verfassungsjuristen haben schwerwiegende Bedenken, ob bei einer einkommensabhängigen Staffelung des Kindergeldes die Besteuerung noch verfassungsgemäß sei, weil möglicherweise, nicht unbedingt, die Lasten der Kindererziehung dann nicht mehr genügend berücksichtigt seien. Zum zweiten aber waren die Fachleute der Auffassung, daß für einkommensabhängige Kindergeldlösungen erst einmal eine zusätzliche Bürokratie aufgebaut werden müsse und jährlich rund 200 Millionen DM allein für zusätzliche Verwaltungskosten verlorengehen würden.Alle diese Fragen werden sicher zu gegebener Zeit noch einmal in größeren Zusammenhängen durchdacht werden müssen. Kurzfristig sehen wir keine realistische Alternative dazu, 1,7 Milliarden DM Ausgaben durch verschiedene kleine Änderungen und durch eine lineare Kürzung beim zweiten und dritten Kind einzusparen. Damit bleibt die Regelung — insbesondere für das vierte und weitere Kinder — immer noch besser, als sie es am 31. Januar dieses Jahres war. Es wird niemand schlechtergestellt, als er am 31. Januar dieses Jahres dagestanden hat. Aber wie die Lösung letztlich sein wird, darüber wird man wohl im Vermittlungsausschuß beraten müssen.Es war von vornherein klar und ist in der Sache eigentlich unbestritten, daß eine Begrenzung der öffentlichen Ausgaben in Bund, Ländern und Gemeinden auch bei den hohen und ständig steigenden Personalausgaben stattfinden muß. Heute machen die Personalausgaben beim Bund etwa 15 %, bei den Ländern über 40 % und bei den Gemeinden rund 30 % der Gesamtausgaben aus. Überlegungen, die Dynamik der Personalausgaben zu begrenzen, müssen zwangsläufig bei der Stellenvermehrung einsetzen.Ich kann an dieser Stelle nicht darlegen, wie die Stellen im öffentlichen Dienst seit 1970 jeweils in Bund, Ländern und Gemeinden vermehrt worden sind. Eindeutig hat es beim Bund nur bescheideneStellenvermehrungen gegeben. Gegenüber 1975 hat der Bund sogar 6 000 Stellen abgebaut. Richtig ist, daß ein nicht unerheblicher Teil der Stellenvermehrungen bei Ländern und Gemeinden darauf zurückzuführen ist, daß die öffentliche Hand früher vernachlässigten Aufgaben — z. B. in der Bildung, in der inneren Sicherheit, im Umweltschutz oder bei sozialen Diensten — zu Recht einen höheren Rang eingeräumt hat. An dieser Entwicklung haben alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte auf allen Ebenen unseres Staates mitgewirkt.Wir erkennen heute aber, daß die Entwicklung so nicht weitergehen kann. Der Bund hat in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich Konsequenzen gezogen — und nicht nur in diesem eigenen. Ich erinnere an die Bemühungen, gemeinsam mit den Finanzministern der Länder die Zahlen im Bildungsgesamtplan auf ein mittel- und längerfristig sachgerechtes und finanzpolitisch verantwortbares Niveau zurückzuführen.Grundsätzlich hat es wenig Sinn und auf Dauer auch wenig Überzeugungskraft, Einsparungsziele nur in abstrakten Größenordnungen zu formulieren. Die Bundesregierung wird in ihrem Zuständigkeitsbereich mit der erneuten Kürzung von 1 Prozent der Stellen das maximal Mögliche tun. Die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, müssen unter anderem durch organisatorische Änderungen gelöst werden.Eine Begrenzung der Personalkosten in den öffentlichen Haushalten kann aber auch nicht die Höhe und die Struktur der Besoldung und das Gesamtspektrum der Versorgungsleistungen und Vergünstigungen ausklammern.Der öffentliche Dienst, insbesondere der Status der Beamten, dem aber die Angestellten kaum nachstehen, wird beherrscht von dem im Grundgesetz verankerten und vom Verfassungsgericht mit viel Leben erfüllten Alimentationsprinzip.
Dieses Prinzip wird in Besoldungsfragen im allgemeinen zugunsten der Beamten gegenüber dem Staat angewendet, der eine lebenslange Versorgungspflicht zu tragen hat.Es muß hier aber auch die andere Seite gesehen werden. Der öffentliche Dienst, der keinem oder fast keinem Arbeitsplatzrisiko ausgesetzt ist, steht in besonderer Beziehung zum Staat, der sein Arbeitgeber ist, und muß deshalb auch in besonderer Weise Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nehmen.
Wenn es richtig ist, daß die Beamten nicht — wie andere Arbeitnehmer — zu den steigenden Kosten der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitsmarktpolitik einen Beitrag leisten müssen, ist es wohl nur gerecht, diese Arbeitsplatzsicherheit bei der Ermittlung einer gerechten Besoldung zu berücksichtigen.
Metadaten/Kopzeile:
2876 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bundesminister MatthöferIm übrigen stellt sich auch die Frage, welche Einkommensentwicklung im nächsten Jahr aus gesamtwirtschaftlicher Sicht überhaupt möglich sein wird. Das, was für den Arbeitnehmer in der Wirtschaft — ebenso wie im öffentlichen Dienst — letztlich zählen wird, ist die reale Einkommensentwicklung. Aus dieser Sicht appelliere ich an alle Beteiligten, die Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen auch weiterhin in ihre gesamtwirtschaftliche Verantwortung einzubetten.
Auch die Landwirtschaft hat leider Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Aber sie kann nicht von der Ölverteuerung und von den Risiken wirtschaftlichen Wettbewerbs verschont bleiben. Es kann auf Dauer keine starren Einkommensgarantien geben, auch wenn wir mit den Agrarmarktordnungen leben müssen, die innerhalb der EG konsensfähig sind.Der Versuch, hier alle mit den Haushaltsbeschlüssen verbundenen Einsparungen und steuerlichen Veränderungen im einzelnen vorzutragen und zu begründen, würde den Rahmen dieser Rede sprengen. Wichtig ist es an dieser Stelle, das Gesamtkonzept — die hinter den Haushaltszahlen stehenden finanz-und wirtschaftspolitischen Überlegungen — zu erläutern und durch Betonung des Gesamtzusammenhangs allen Schichten unseres Volkes deutlich zu machen, daß nicht jeweils Sonderopfer abverlangt werden, sondern daß es sich hier um den Versuch handelt, gemeinsam die Probleme und Herausforderungen zu bewältigen, vor denen unser Volk jetzt steht.Es gibt noch eine große Zahl von Leistungen, bei denen versucht worden ist und sicher im Verlauf der parlamentarischen Beratungen weiter versucht werden muß, das auch bei engeren finanzpolitischen Möglichkeiten Unabdingbare vom weniger Vorrangigen oder gar nicht mehr Zeitgerechten zu scheiden. So ist es sicher keine unzumutbare Belastung, wenn die Arbeitnehmersparzulage auf vermögenswirksame Anlagen im Schnitt um 10 Prozentpunkte gesenkt wird — übrigens mit einer Differenzierung zugunsten der Wohnungswirtschaft.Bei der Beurteilung der öffentlichen Haushalte wird — grundsätzlich zu Recht und in der gegenwärtigen Lage in besonderem Maße — geprüft, ob die Struktur der Ausgaben gesamtwirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung trägt. Es hat sich leider gerade auch in die Haushaltsdebatten der Sprachgebrauch eingeschlichen, diese Struktur am Begriffspaar der „investiven" und der „konsumtiven" Ausgaben zu messen.Diese formale Unterscheidung geht an der wirklichen Fragestellung vorbei, inwieweit öffentliche Ausgaben geeignet sind, die gesamtwirtschaftliche Produktivität zu erhöhen oder sonst zu Wachstum, Beschäftigung, Mobilität und Leistungsfähigkeit beizutragen. Viele sogenannte investive Ausgaben dienen einem Zweck, der gar nicht oder nur entfernt im Zusammenhang mit dem Ziel gesehen werden kann, die volkswirtschaftlichen Produktivkräfte zu stärken.Die Folgekosten mancher Investitionen belasten als konsumtive Ausgaben die Haushalte dauerhaft und jährlich oft bis zu 50 % der Investitionskosten. Soweit die öffentliche Infrastruktur zur Erwirtschaftung des Sozialprodukts unmittelbar oder mittelbar beiträgt — z. B. im Bildungswesen, im Verkehr oder auch im Gesundheitswesen —, nähern wir uns zudem Sättigungsgrenzen, so daß der Grenznutzen bestimmter zusätzlicher Investitionen notwendigerweise immer geringer wird.Umgekehrt haben wir natürlich öffentliche Investitionen — wissenschaftliche Laboratorien, Forschungsinstitute, Schulen, Krankenhäuser —, die nur dann einen gesamtwirtschaftlichen Sinn haben, wenn sie auch optimal betrieben und ausgelastet werden können, was natürlich die Finanzierung von Personal- und Sachkosten erfordert, die sich dann im Haushalt als sogenannte konsumtive Ausgaben niederschlagen.Im übrigen steht allein auf Grund der Natur der Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundes von vornherein fest, daß der Bundeshaushalt zu weit über 80 % aus „konsumtiven" Ausgaben bestehen muß. Große Blöcke — Ausgaben für die soziale Sicherung, Zuschüsse zur Bundesanstalt für Arbeit, Personalausgaben, Verteidigungsausgaben, internationale Verpflichtungen und nicht zuletzt steigende Zinsausgaben — sind nicht umstrukturierbar.Wer dem Ziel, die Innovations- und Investitionstätigkeit in der Wirtschaft zu stärken, gerecht werden will, muß das Gesamtkonzept der Begrenzung der Dynamik einzelner Transferleistungen verbunden sehen mit einer investitionsfördernden Veränderung der steuerlichen Rahmenbedingungen als die wirkliche und richtige Umstrukturierung. Im Rahmen unserer Möglichkeiten sind eine Reihe von Haushaltsansätzen dort verstärkt worden, wo eine wachstumsfördernde oder arbeitsmarktpolitisch günstige Wirkung erwartet werden kann.Bei der Planung und Aufstellung des Haushalts haben wir schon darauf geachtet, diejenigen Ausgaben zu schonen oder sogar zu verstärken, die geeignet erscheinen, die Wirtschaftstätigkeit anzuregen und neue Beschäftigungschancen zu eröffnen, z. B. Ausgaben für Wissenschaft, Forschung und neue technologische Entwicklungen, für die Innovationsförderung, zur besseren Verwendung von Energie — wie z. B. der Ausbau der Fernwärmeversorgung —, für Investitionen bei öffentlichen Verkehrsträgern im Nah- und Fernverkehr, wobei neben dem Leistungsangebot selbstverständlich auch die Betriebsergebnisse verbessert werden müssen.Ende Juli hat das Kabinett eine Reihe besonderer Hilfen für die Stahlindustrie im Grundsatz beschlossen: Investitionszulagen zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in Stahlregionen, bessere Sozialhilfen nach Art. 56 des Montanvertrags, ein Stahlforschungsprogramm und eine allgemeine Investitionszulage für Stahlunternehmen.Für den Zeitraum von 1982 bis 1985 sind Hilfen in einem Umfang von 1,7 Milliarden DM eingeplant. Hiervon entfallen knapp 1,3 Milliarden DM auf den Bund, der Rest auf die Länder.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981 2877
Bundesminister MatthöferAußerdem hat die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen beschlossen, die sich nach der Prüfung im August als erfolgversprechend erwiesen haben.Wir werden den Ländern vorschlagen, nach dem Auslaufen des bisherigen Heizenergiesparprogramms ein neues, stärker auf die energiepolitisch noch subventionsbedürftigen Investitionen zugeschnittenes Folgeprogramm sowohl mit direkten Zuschüssen als auch mit einem steuerlichen Teil zu vereinbaren. Dabei geht es vor allem um die Förderung von Fernwärmeanschlüssen, von neuen Technologien, möglicherweise auch im Zusammenhang mit Umstellung des Heizsystems und baulichen MaßnahmenDie Bundesregierung wird ihre Anstrengungen verstärken, den Baubestand des Bundes energiepolitisch besser auszurüsten. Dafür werden 1982 100 Millionen DM und 1983 bis 1985 jährlich 200 Millionen DM zusätzlich vorgesehen.Für Investitionen im Verkehrsbereich werden zusätzlich zu den bisherigen Ansätzen 1982 200 und 1983 160 Millionen DM bereitgestellt. Der Bundesverkehrsminister wird die Maßnahmen nach ihrer nachhaltigen Wirkung auswählen.Der Haushalt des Bundesministers für Forschung und Technologie wird erhöht für ein zusätzliches Programm „Mikroelektronik" 1982 bis 1984 um je 100 Millionen DM und für die Förderung der optischen Nachrichtentechnik 1982 bis 1984 um je 30 Millionen DM.Der Bund wird der Kreditanstalt für Wiederaufbau von 1982 bis 1984 jeweils 200 Millionen DM zur Aufstockung ihres Eigenkapitals zuführen. Damit soll das Ausleihvolumen für volkswirtschaftlich wichtige Bereiche erhöht werden.Der Rahmen des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit für Verpflichtungsermächtigungen in der Kapitalhilfe wird um zusätzlich noch einmal 100 Millionen DM aufgestockt. Wir erwarten davon zusätzliche Finanzierungswirkungen für die deutsche Exportwirtschaft.Für die Bekämpfung von Ölschäden an der deutschen Nordseeküste werden bis 1985 weitere 42 Millionen DM bereitgestellt. Das mag manchem vielleicht nicht als beschäftigungsrelevant erscheinen, aber es war der Bundesregierung wichtig, auch im Umweltschutz und insbesondere bei der Bekämpfung der immer bedrohlicheren Folgen der Meeresverschmutzung etwas Zusätzliches zu tun.
Über den finanziellen Umfang hinaus handelt es sich bei den erwähnten Maßnahmen um Elemente, die deutlich machen, in welche Richtungen die Anstrengungen unserer Wirtschaft gehen sollten: Erschließung neuer Wachstumschancen und Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Nutzung neuer Technologien, insbesondere durch frühzeitige Nutzung der bei weitem noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten der Mikroelektronik, ein Gebiet, auf dem andere Länder, z. B. Japan und USA, einen weiten Vorsprung haben; Überwindung der Strukturkrisen beim Stahl und auch im Schiffbau; Fortführung energiesparender Investitionen, Erschließung neuer Energiequellen und Umstrukturierung des Energieverbrauchs; kein Nachlassen im Umweltschutz, sondern — in Zusammenarbeit mit den Ländern — Fortführung umweltverbessernder Investitionen, insbesondere zur Gewässerreinhaltung, zur Abfallbeseitigung und zur Luftreinhaltung.Die Planungen des Bundeshaushalts 1982 standen stärker als je zuvor unter der Zielsetzung, finanzpolitischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen und gleichzeitig zur Überwindung wirtschaftlichen Schwierigkeiten in unserem Lande beizutragen. Dennoch sollte nicht völlig in den Hintergrund treten, daß der Bundeshaushalt selbstverständlich auch anderen Aufgaben gerecht werden muß.Insbesondere dürfen wir nicht vergessen, daß die Wahrung des Friedens und damit zusammenhängend sowohl die Erfüllung unserer Pflichten im westlichen Bündnis als auch unsere finanziellen Lasten für Europa, für die Völker der dritten Welt und gerade in diesem Jahr auch die finanzielle Zusammenarbeit mit der DDR, mit Polen und anderen Staaten des Comecon-Bereichs Grundvoraussetzung unserer Lebensmöglichkeiten und unseres Wohlstands sind.
Über die Krisenherde in der Welt und über unsere Friedens- und Sicherheitspolitik ist in der letzten Woche in diesem Hause debattiert worden. Mir liegt daran, hier nur folgendes zu sagen. Die Entscheidung des Präsidenten der USA, den Verteidigungshaushalt der USA mittelfristig um etwa 30 Milliarden DM weniger als ursprünglich geplant steigen zu lassen, weil sonst andere finanzpolitische Ziele nicht erreicht werden können, beantwortet noch nachträglich jene Kritik, die den deutschen Verteidigungshaushalt 1981 als unzureichend bewerten wollte.
Es wäre um die Welt besser bestellt, wenn sich nicht nur in den USA und in der Bundesrepublik, sondern auch in der Sowjetunion und bei ihren Verbündeten und leider auch in vielen ärmsten Ländern dieser Welt die Erkenntnis durchsetzen würde, daß militärische Rüstung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zurücktreten muß gegenüber dem Ziel, allen Menschen Arbeit und Brot zu verschaffen und ihren Wohlstand zu mehren.
Im Haushaltsentwurf 1982 muß auch der deutsche Verteidigungsetat Sparsamkeit beweisen. Ich bin an dieser Stelle dem Verteidigungsminister Hans Apel Dank und Respekt schuldig, daß er diese Beschlüsse loyal aus gesamtwirtschaftlicher Verantwortung mitträgt.
Auch im Verteidigungsbereich haben wir übrigens eine Verbesserung der Ausgabenstruktur im Sinne eines — ich sage es mit aller Vorsicht; ich habe es vorhin beschrieben — höheren Investitions-
Metadaten/Kopzeile:
2878 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. September 1981
Bundesminister Matthöferanteils zu verzeichnen. Der Anteil der verteidigungsinvestiven Ausgaben — das sind insbesondere Ausgaben für Beschaffungen, Baumaßnahmen sowie militärische Forschung und Entwicklung — an den Gesamtausgaben steigt gegenüber 1981 von 33,4 auf 34,8 %. Ermöglicht wurde diese Verbesserung der Ausgabenstruktur durch Umschichtungen sowie durch eine Entlastung des Einzelplans 14 bei den konsumtiven Ausgaben, nämlich durch den Wegfall der Sparförderung für Wehrpflichtige und durch die Verminderung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Wehrdienstleistende von 100 auf 75 v. H. des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten. Das sind im nächsten Jahr immerhin Einsparungen von etwa 420 Millionen DM. Auch an dieser Strukturverbesserung zeigt sich übrigens wieder einmal die Fragwürdigkeit des Herumrechnens mit mechanistischen Zuwachsraten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung versucht mit ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 1982, unserem Volk einen vielleicht nicht bequemen, aber dafür erfolgversprechenden Weg durch die großen internationalen Krisen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bahnen. Die Bundesregierung kann den Erfolg nicht versprechen. Sie muß alle Teile des deutschen Volkes, sie muß Verbände, Tarifvertragsparteien, Meinungsführer und Medien auffordern, an der gemeinsamen Aufgabe und an der gemeinsamen Verantwortung mitzuwirken.
Es wäre ein historisches Versagen unserer gesamten Gesellschaft, wenn wir mit dieser — in geschichtlicher Sicht nun vergleichsweise wirklich geringen — Aufgabe aus Gruppenegoismus, mangelnder Einsichtsfähigkeit in die Realitäten, parteipolitischem Egoismus oder mangelnder Verantwortungsund Leistungsbereitschaft nicht fertig werden sollten.
Ich bitte den Deutschen Bundestag im Namen der Bundesregierung, das Seine zu tun, unsere Vorschläge und Entwürfe konstruktiv aufzugreifen, in seinen Beratungen zu verbessern und dann als Gesetze zu verabschieden. Es wird keiner politischen Kraft zum Schaden gereichen, in dieser schwierigen Zeit zuerst an den Erfolg des Ganzen und erst später an Wählerstimmen zu denken.
Gemeinsam können wir das für das Wohl des deutschen Volkes Notwendige tun. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Aussprache über den Haushalt 1982, den Finanzplan des Bundes 1981 bis 1985 sowie die Tagesordnungspunkte 3 bis 10 in den Plenarsitzungen am Donnerstag und Freitag dieser Woche stattfinden. — Ich sehe keinen Widerspruch. Das Haus ist damit einverstanden.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 17. September 1981, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.