Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Der Herr Abgeordnete Pawelczyk hat heute auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger hat der Abgeordnete Glombig die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße den Herrn Abgeordneten Glombig recht herzlich als neuen und alten Kollegen des Deutschen Bundestages.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Jenninger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Beginn dieser Plenarsitzung wurde ich von einigen Kollegen meiner Fraktion darüber informiert, daß sie daran gehindert sind, an dieser Plenarsitzung teilzunehmen, weil wegen der schlechten Witterungsverhältnisse seit Stunden der Flugverkehr nach Köln/Bonn eingestellt worden ist. Ich bitte daher das Hohe Haus um Verständnis dafür, daß ich namens meiner Fraktion beantrage, die Tagungsordnungspunkte 2
— Wahl der Wahlmänner gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht — und 3
— Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses gemäß § 5 des Richterwahlgesetzes — von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wir haben alle miteinander in dieser Woche viel Rücksicht aufeinander genommen, zuerst darauf, daß die Bundesregierung in zweitägiger Sitzung den Haushalt beraten hat. Das hat unseren ganzen Ablauf der Woche verändert. Wir hatten Wünsche an Sie. Jetzt haben Sie einen Wunsch an uns. Ich stimme dem Antrag zu. Wir werden in der nächsten Sitzungswoche diese beiden Punkte auf die Tagesordnung setzen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wolfgramm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Fraktion der Freien Demokraten stimmt dem zu. Auch wir meinen, daß es richtig ist, daß Naturgewalt vor Politik rangiert.
Meine Damen und Herren, es ist der Antrag gestellt, die Punkte 2 und 3 heute von der Tagesordnung abzusetzen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen. Damit sind die Punkte 2 und 3 von der Tagesordnung abgesetzt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses nach Artikel 53 a des Grundgesetzes
— Drucksache 9/47 —
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag Drucksache 9/47 ist einstimmig angenommen. Damit sind die Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses und deren Stellvertreter wie vorgeschlagen gewählt.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes
— Drucksache 9/48 —
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
372 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Dezember 1980
Präsident Stücklen
Auch dieser Vorschlag ist einstimmig angenommen.
— Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses
— Drucksache 9/49 —
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer diesem gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Vorschlag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Parlamentarische Kontrollkommission
— Drucksache 9/52 —
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf sich vereint. Bei der gegenwärtigen Besetzung des Hauses — —
— Meine Damen und Herren, ich fahre mit den Abstimmungen nicht fort, wenn nicht die Plätze eingenommen werden. Ich bitte, Platz zu nehmen.
Bei der gegenwärtigen Besetzung des Hauses kann festgestellt werden, daß die Mehrheit der Abgeordneten im Saal ist. Ich frage deshalb, ob Einwendungen dagegen erhoben werden, daß die für die Wahl erforderliche Mehrheit von 260 Stimmen ohne Auszählung festgestellt und daß über die Vorschläge gemeinsam abgestimmt wird. — Ich sehe keine gegenteilige Meinung; es wird so verfahren.
Wir kommen zur Wahl. Wer dem gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 9/52 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist die Feststellung der Mehrheit getroffen und gleichzeitig dieser Vorschlag ohne Widerspruch angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
— Drucksache 9/53 —
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Bestehen Einwendungen dagegen, daß wir durch Handzeichen abstimmen? — Auch das ist nicht der Fall; es wird so verfahren.
Wer dem gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen. Damit sind die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und ihre Stellvertreter gewählt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Schuldenausschusses bei der Bundesschuldenverwaltung
— Drucksache 9/54 —
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem gemeinsamen Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Vorschlag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der vom Bundestag zu bestimmenden Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt
— Drucksache 9/55 —
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem gemeinsamen Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der vom Bundestag vorzuschlagenden Mitglieder des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost
— Drucksache 9/56 —
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Vorschlag ist damit einstimmig angenommen; die Mitglieder des Verwaltungsrates sind bestimmt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Dezember 1980 373
Präsident Stücklen
Wahl der vom Bundestag vorzuschlagenden Mitglieder des Programmbeirats der Deutschen Bundespost
— Drucksache 9/57 —
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Vorschlag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Wahl der vom Bundestag vorzuschlagenden Mitglieder des Kunstbeirats der Deutschen Bundespost
— Drucksache 9/58 —
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Bei einer Enthaltung ist dieser Antrag einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung von Regelungen über den Versorgungsausgleich
— Drucksache 9/34 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß
Innenausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 28. Februar 1980 mit zwei Grundprinzipien des neuen Scheidungsrechtes zu beschäftigen gehabt. Es hat bei dieser Gelegenheit sowohl das Zerrüttungsprinzip als auch den Versorgungsausgleich für verfassungsmäßig erklärt und damit das bestätigt, was nach den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses mit einer breiten Mehrheit in diesem Hause verabschiedet worden ist und auch im Bundesrat eine breite Zustimmung gefunden hat.
Bei der gleichen Gelegenheit hat das Gericht entschieden, daß in ganz bestimmten Fällen dann eine Ergänzung vorgesehen werden muß, wenn nach der rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich die tatsächliche Entwicklung anders verläuft, als das Familiengericht es vorausgesehen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn es trotz spürbarer Belastung des Verpflichteten im Wege der Kürzung nicht zu angemessenen Leistungen an den Versorgungsausgleichsberechtigten kommt.
Die Bundesregierung legt heute den Entwurf eines Gesetzes vor, das diesen Forderungen — —
Herr Bundesminister, darf ich Sie unterbrechen?
Dr. Vogel, Bundesminister: Gerne.
Meine Damen und Herren, es ist gänzlich ausgeschlossen, daß bei dieser Unruhe ein Gesetz von seiten der Bundesregierung mit dem nötigen Ernst begründet werden kann.
Dr. Vogel, Bundesminister: Herr Präsident, ich bedanke mich, darf allerdings einschieben, daß es für Rechtspolitiker offenbar nur die Wahl zwischen einer erweiterten Ausschußbesetzung und Aufmerksamkeit oder einem gut gefüllten Haus und den von Ihnen soeben erörterten Begleiterscheinungen gibt. Aber vielleicht läßt sich doch beides zusammenführen.
Der Entwurf, den ich heute für die Bundesregierung vorlege, trägt dieser Forderung Rechnung und sieht entsprechende Maßnahmen vor. Das gilt dann, wenn feststeht, daß die Versorgung des Verpflichteten durch den Versorgungsausgleich spürbar gekürzt wird, ohne daß sich diese Kürzung für den Berechtigten angemessen auswirkt. Das Gericht hat dabei zwei Fälle ausdrücklich angesprochen. Das eine ist der Fall, daß die ausgleichsberechtigte Ehefrau stirbt, bevor für sie der Versicherungsfall eingetreten ist, bevor ihr oder den Hinterbliebenen aus der Ehe irgendwelche Leistungen zugeflossen sind. Der zweite Fall tritt ein, wenn die Fähigkeit des Versorgungsausgleichspflichtigen zur Leistung des Unterhalts dadurch gemindert wird, daß für ihn selbst der Rentenfall eintritt, er also an Stelle seines Arbeitseinkommens die gekürzte Rente bezieht, die versorgungsausgleichsberechtigte Ehefrau ihrerseits aber infolge ihres Alters den Rentenfall noch nicht erlebt hat, auf den Unterhalt weiter angewiesen ist, und der Unterhalt nun sinkt, weil an die Stelle des bisherigen Einkommens die gekürzte Rente getreten ist. Dies ist eine zeitlich befristete Phase, in der sich eben der Versorgungsausgleich sowohl zuungunsten des Mannes — ich sage jetzt vereinfacht „des Mannes", es könnte auch einmal ein umgekehrter Fall sein — auswirkt, nämlich durch die Kürzung, als auch gleichzeitig zuungunsten der unterhaltsberechtigten Frau, weil die Leistungsfähigkeit des Mannes gemindert ist. Das Verfassungsgericht sagt, daß diese beiden Fallgestaltungen durch Ergänzungen einer anderen Lösung zugeführt werden sollen, und spricht in diesem Zusammenhang von der Vermeidung von Härten.
Der Entwurf sieht vor, daß in diesen beiden Fällen die Kürzung rückgängig gemacht wird, allerdings nicht zu 100 %, sondern zu höchstens 80 %. Dieser Vorschlag beruht auf der Überlegung, daß das Gericht von einer „spürbaren Belastung" spricht und daß infolgedessen dem Gesetzgeber die Aufgabe gestellt ist, sich über den Begriff dieser Spürbarkeit schlüssig zu werden. Wir schlagen, auch im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen, vor, die Kürzung um 80 % rückgängig zu machen, nicht aber um 100 %.
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Bundesminister Dr. Vogel
Dies steht mit dem Urteil im Einklang, weil das Gericht nicht fordert, die Kürzung vollständig ungeschehen zu machen.
Ich verhehle nicht, daß der Bundesrat im ersten Durchgang im Rechtsausschuß eine gewisse Neigung zu weitergehenden Lösungen hat erkennen lassen. Der Finanzausschuß des Bundesrates ist dem allerdings entgegengetreten. Ich muß auch hier schon bei der ersten Lesung darauf aufmerksam machen, daß es sicher wünschenswert wäre, die Kürzung sogar zu 100 % rückgängig zu machen, daß dies aber auf der anderen Seite für die Versichertengemeinschaft bzw. für die öffentlichen Körperschaften, die die Versorgung zu leisten haben, ganz fühlbare finanzielle Auswirkungen haben könnte. Es wird also genau wie im Bundesrat auch hier im Gesetzgebungsverfahren zwischen diesen beiden Gesichtspunkten abzuwägen sein, wobei es keinem Zweifel unterliegt, daß wir das, was von Verfassungs
wegen respektive von Verfassungsgerichts wegen geboten erscheint, natürlich in jedem Fall in das Gesetz aufnehmen müssen.
Was die Ermittlung der Kosten angeht, muß ich ebenfalls schon heute darauf hinweisen, daß wir großen Schwierigkeiten gegenüberstehen, weil die Vielzahl der Geschiedenen zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr steht, die Folgewirkungen, um die es hier geht, aber in der Regel erst nach dem 65. Lebensjahr eintreten. Wir stehen also vor der Aufgabe, Entwicklungen vorauszuschätzen, die sich erst in 20 bis 25 Jahren abspielen. Deswegen bitte ich, die Anforderungen an die Genauigkeit einer solchen Schätzung immer in Einklang mit dem zeitlichen Horizont zu halten.
Der Entwurf, den wir Ihnen vorlegen, sieht außerdem noch weitere Berechnungsgrenzen vor. Es ist im Bundesrat und auch in der Diskussion in der Praxis die Frage aufgetreten, ob man sie nicht durch eine allgemeine Härteklausel ersetzen sollte. Der Entwurf tut dies nicht, und zwar deswegen nicht, weil die Sozialversicherungsträger, also die Bundesanstalt in Berlin und die Landesanstalten, nur dann in einem verhältnismäßig einfachen Verfahren die Rentenbescheide korrigieren können, wenn wir ihnen klare Berechnungsleitlinien an die Hand geben. Wenn wir hier einen weiten Ermessensspielraum einräumen, dann überfordern wir wahrscheinlich die Versicherungsträger mit der Folge, daß die Neigung wächst, alles den Gerichten zu übertragen; das aber würde eine erhebliche Komplizierung der hier notwendigen Operation bedeuten.
Ähnliches gilt für die Korrekturen, die an den Rentenbescheiden notwendig werden, wenn die Unterhaltskonstellation sich so darstellt, wie ich es vorgetragen habe. Der Bundesrat hat ferner empfohlen, man sollte dies den Familiengerichten übertragen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wird das zu prüfen sein. Ich gebe allerdings zu bedenken: Für den, der nur eine Korrektur seines Rentenbescheids erreichen will, ist es nicht ganz einfach zu verstehen, daß man ihn zum Familiengericht schickt und — möglicherweise mit Anwaltszwang — eine sehr komplizierte Operation in Gang setzt für ein Ergebnis, das nach dem Vorschlag des Entwurfs wesentlich leichter zu erreichen ist.
Ich glaube, wir sollten im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erwägen, ob wir nicht auch die Entscheidung des Gerichts, die vor wenigen Wochen ergangen ist, wonach in extremen Härtefällen auch über die Fünfjahresfrist hinaus gescheiterte, in der Lebenswirklichkeit nicht mehr bestehende Ehen nicht geschieden werden sollen — in dem Urteil ist von einer materiell-rechtlichen Änderung oder von einer Aussetzungslösung die Rede —, bei dieser Gelegenheit in den Gesetzgebungsgang einbeziehen und auch diesen Feststellungen des Gerichts Rechnung tragen sollten.
Da und dort wird die Meinung vertreten, hier sei ein Kernbereich der Scheidungsreform berührt. Dieser Auffassung muß ich nachdrücklich widersprechen. Die Grundprinzipien sind bestätigt. Die zahlenmäßige Bedeutung der Fälle, mit denen wir es hier zu tun haben, wird deutlich, wenn ich sage, daß es bei der Deutschen Bundesbahn bei 150 000 Versorgungsempfängern nach dreieinhalb Jahren Anwendung des Gesetzes ganze 147 Kürzungsfälle gibt. Ich leugne nicht, daß die Sache für die Betroffenen ihr Gewicht hat. Ich bemühe mich deshalb auch darum, daß wir schon im Verwaltungsweg vorweg in den Fällen des Vorversterbens der Ehefrau dem Urteil des Gerichts Rechnung tragen.
Ich habe die Zahl nur genannt, um dem Eindruck entgegenzutreten, daß hier in Zehn- oder Hunderttausenden von Fällen Korrekturen zu erwarten sind. Ein solcher Eindruck baut einen Erwartungshorizont auf, der nur zu Enttäuschungen führen kann.
Im übrigen möchte ich vorsorglich noch sagen: Zu gegenseitiger Rechthaberei, von welcher Seite auch immer, besteht in diesem Zusammenhang nicht der geringste Anlaß. Der Versorgungsausgleich ist breit von allen, die an der Beratung teilgenommen haben, getragen worden. Auf die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben haben, ist in der Beratung im Rechtsausschuß in einem Fall bereits hingewiesen worden. Der andere Fall ist nicht erkannt worden, von niemandem.
Ich meine also, wir sollten unsere Zeit nicht dazu verwenden, uns gegenseitig mit ausgestrecktem Zeigefinger völliges Scheitern oder völligen Triumpf zu bestätigen. Vielmehr sollten wir miteinander nach einem Weg suchen, die hier zur Diskussion stehende Lösung so bald wie möglich in das Bundesgesetzblatt zu bringen. — Ich danke für die im Laufe der Zeit zunehmende Aufmerksamkeit bei diesen nicht gänzlich uninteressanten Fragen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nehmen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die zu diesem Gesetzentwurf geführt hat, zum Anlaß, festzustellen, daß durch dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwei Dinge festgehalten worden sind.
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Stiegler
Erstens: Der Versorgungsausgleich ist so, wie wir ihn uns vorgestellt haben, mit dem Grundgesetz vereinbar. Unser Ziel, den Frauen eine eigenständige soziale Sicherung zu geben, und das Ziel, die erworbenen Ansprüche gerecht aufzuteilen, sind erreicht und anerkannt worden.
Wir stellen zweitens fest, daß das erste Mal in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechte der sozialen Sicherung wie Eigentum anerkannt worden sind. Damit wird Art. 14 des Grundgesetzes für viele Millionen, die lediglich auf die soziale Sicherung angewiesen sind, zu einem Grundrecht, das nicht leerläuft, sondern das sich in der Praxis für sie auswirkt.
Wir haben es bei der Materie, die wir jetzt regeln, im Grunde nur damit zu tun, daß wir das Haus, das wir gebaut haben, mit einem Hinterausgang für besondere Fälle zu versehen haben, nachdem uns die „Bauaufsichtsbehörde" in Karlsruhe — das ist ja für uns als Gesetzgeber die „Bauaufsichtsbehörde" — hier einige Hinweise gegeben hat.
Wir danken dem Bundesjustizminister, daß er diesen Entwurf so schnell noch während des Wahlkampfes in diesem Sommer — obwohl er nicht gedrängt war — vorgelegt hat, um den Begünstigten so schnell wie möglich die Gelegenheit zu geben, ihre Ansprüche nach den neuen Vorschriften geltend zu machen. Das wollen wir hier ausdrücklich feststellen, und wir wollen dafür auch unsere Anerkennung aussprechen.
Wir treten auch weiterhin dafür ein — und bestätigen den Minister darin —, keine Generalklausel vorzusehen. Wir kennen gerade im Bereich des Unterhaltsrechts — genauso wie in vielen anderen Bereichen — die Zersplitterung der Rechtsprechung im Vollzug von Generalklauseln. Gerade auf diesem neuen Felde wäre die Unsicherheit sowohl für die Betroffenen als auch für die Rentenversicherungsträger im Hinblick auf die finanzielle Berechenbarkeit der Auswirkungen sehr groß geworden, wenn man ihr Schicksal einer Generalklausel anvertraut hätte.
Wir, liebe Damen und Herren, stehen zu dem Vorschlag, das Splitting für die fraglichen Fälle durch sicherlich pauschale prozentuale Abschläge erträglicher zu machen. Diese pauschale Regelung, mit der wir aber die ganze Vielfalt der Fälle erfassen können, gibt beiden Seiten die notwendige Berechenbarkeit, die Verläßlichkeit und die Sicherheit. Wir begrüßen auch die Erleichterungen bei den Unterhaltszahlungen, weisen aber darauf hin, daß hier doch erhebliche finanzielle Probleme entstehen können, die wir uns bei der näheren Ausgestaltung im Rahmen der Beratung näher ansehen müssen.
Wir sind ebenfalls einverstanden mit den vorgeschlagenen Nachzahlungs- und Erstattungsregelungen. Und ebenso wie der Bundesjustizminister stehen wir als sozialdemokratische Fraktion auf dem Standpunkt, daß wir die Frage des Verfahrens, insbesondere in den Unterhaltsfällen, im Verlaufe der Beratungen noch näher miteinander erörtern müssen. Es geht uns darum, eine für die Betroffenen
günstige, rasche und möglichst billige Lösung zu finden.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Hauptproblem bei dieser Ergänzung zum Versorgungsausgleich liegt in den Kosten. Sie werden alle auf der Drucksache gelesen haben, daß — wenn man alles zusammennimmt — jährlich Kosten von bis zu 600 Millionen DM auf die Rentenversicherungsträger sowie auf Bund, Länder und Gemeinden zukommen
— bei den jetzigen Überlegungen zur Ausgleichung der Haushalte sicherlich ein sehr ernstzunehmender Brocken. Eingebrockt hat uns das nicht der Bundesjustizminister, sondern das ist unmittelbare Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das hier
— j a, das muß man sagen; ich bin da anderer Meinung — erklärt hat, in diesen Fällen gelte das Versicherungsprinzip nicht.
— Was sagen Sie?
— Die Ursache der Korrektur war nach meiner Auffassung gar keine von uns zu verantwortende Ursache. Wir als Gesetzgeber haben gesagt — und einige von Ihnen haben da auch mitgestimmt —, daß derjenige, der Rentenbeiträge absplittet und damit neue Risiken für die Versichertengemeinschaft in Lauf setzt, diese Risiken dann auch mittragen muß und sie nicht nur auf die Versichertengemeinschaft abwälzen kann.
Das ist doch das Problem: daß hier im Grunde die Versichertengemeinschaft für Auseinandersetzungen in einzelnen Familien haften, einstehen muß; das muß man sich schon überlegen. Das steht auch nicht wörtlich in der Verfassung, sondern das haben andere da hineingeschrieben, weil sie es politisch für richtig hielten. Für uns gilt aber — das sage ich ebenso —: „Benda locuto, causa finita". Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als dem hier mit — das sage ich gerade Ihnen, Herr Franke, als Sozialpolitiker — allen Konsequenzen für die Rentenversicherungsträger und Beitragszahler, die das Ganze bezahlen müssen, zu folgen. Hier müssen wir also ausloten, wie wir auf der einen Seite dem Urteil gerecht werden, auf der anderen Seite aber alle Spielräume, die das Urteil läßt, ausnutzen können, um die Kosten tragbar zu machen. Der Herr Bundesjustizminister hat ja bereits auf die Einfallstellen der „Spürbarkeit" und der „individuellen Härte" hingewiesen. Da kann man sich die einzelnen Fallgestaltungen sehr wohl mit Interesse ansehen und hier eine Lösung finden.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir als Sozialdemokraten sind mit dem Bundesjustizminister der Auffassung, daß wir bei Gelegenheit dieses Gesetzes die durch das jünste Urteil zur Härteklausel entstandene Situation mit bereinigen sollten. Ich hoffe, daß
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Stiegler
das schnell geht. Dieses Ergänzungsgesetz muß — das ist die klare Weisung des Gerichts und auch unser politischer Auftrag —, um den Betroffenen das, was ihnen von Verfassungs wegen zusteht, zukommen zu lassen, hier zügig beraten und bald verabschiedet werden. Dabei wollen wir alle Möglichkeiten nutzen. Ich betone noch einmal: Das Ganze muß finanzierbar bleiben, jede Lösung muß auch unter finanziellem Aspekt gesehen werden. Dazu werden die Sozialpolitiker sicherlich noch einiges zu sagen haben. — Herzlichen Dank.
Früher war es üblich, daß man den Kollegen, der hier seine Jungfernrede gehalten hat, nachträglich beglückwünschte. Das ist inzwischen nicht mehr so. Aber ich will es trotzdem tun. Also: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede hier im Bundestag!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erhard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ehescheidungsreform stand und steht auf dem Prüfstand der Verfassung, und zwar der Grundrechte der Verfassung.
— Bis jetzt nur. — Im Februar hat das Bundesverfassungsgericht verfassungswidrige Folgen des Versorgungsausgleichs festgestellt. Im Oktober hat das gleiche Gericht die Fristen bzw. Kündigungsautomatik für verfassungswidrig erklärt. Demnächst werden Entscheidungen im Bereich des neuen Unterhalts- und Betriebsrentenrechts erwartet. Viele andere Fragen sind, was die Rechtsprechung inzwischen sagt, offen.
Das heute geltende Ehescheidungsrecht leidet an einigen grundsätzlichen Mängeln.
Erstens. Es geht fast vollständig von der Vorstellung aus, daß es keine Verantwortung eines Ehegatten für das Scheitern der Ehe gäbe. Das führt bei den Scheidungsfolgen teilweise zu unerträglichen Ergebnissen, vor allem beim Unterhalt.
Zweitens. Das Gesetz geht davon aus, daß für den nicht scheidungswilligen Ehegatten die Kündigungsautomatik auch bei besonderer und außergewöhnlicher Härte ausnahmslos gilt. Im Klartext heißt das: Die Macht des Stärkeren geht hier über den besonders Schwachen rücksichtslos hinweg, und dies kraft Gesetzes.
Drittens. Der Versorgungsausgleich wird zwingend öffentlich-rechtlich durchgeführt, und damit wird in der Regel jede Gestaltungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich ihrer Versorgungsrechte ausgeschlossen. Der mündige Bürger wird hier praktisch wie ein Unmündiger behandelt.
— Wenn der Herr — wie habe ich neulich im Rechtsausschuß gesagt? — Detlef Damokles, Herr Kollege
Kleinert, das Gesetz insofern besser läse, würde er wissen, daß das nur in ganz seltenen Fällen und nur mit Genehmigung des Gerichts geht.
— Herr Kollege Kleinert, kennen Sie sonst eine Genehmigungspflicht bei einer Rechtshandlung eines Volljährigen und Geschäftsfähigen, wenn er einen Vertrag oder ähnliches abschließt?
Zur Vermeidung von Mißverständnissen stelle ich fest: Wir halten das Zerrüttungsprinzip für sachgerecht.
Herr Abgeordneter Erhard, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kleinert?
Aber selbstverständlich, Herr Damokles.
Bitte.
Herr Erhard, das mit dem Damokles haben wir hinter uns. Okay.
Es ist jetzt in der Welt.
Auch ich empfand das als einen netten Scherz. Aber darf ich Sie fragen, ob Sie eine Möglichkeit kennen, die Masse der brav ihre Versicherungsbeiträge zahlenden Mitglieder der Sozialversicherung so wirkungsvoll zu betrügen wie im Fall eines einverständlichen Betrugs zweier auseinandergehender Ehepartner,
und wissen Sie nicht, daß hier die richterliche Genehmigung eingeführt worden ist, um unserem liberalen Anliegen, die Möglichkeit einer vergleichsweisen Erledigung zu eröffnen, Rechnung zu tragen, und zwar gerade im Hinblick auf diese besonderen Möglichkeiten in einem Bereich, der für breiteste Bevölkerungskreise Vermögensbildung beinhaltet, mehr als es sonst in vergleichbaren Bereichen der Fall ist?
Herr Kollege Kleinert, diese Regeln haben mit einem Vergleich zu Lasten Dritter, d. h. der Rentenversicherungsträger,
überhaupt nichts zu tun.
Denn es kann über gar nichts mehr ein Vergleich zustande kommen als über bereits feststehende,
also durch Zahlung erworbene Anwartschaften in der Rentenversicherung. Über nichts sonst!
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Erhard
Aber ich weiß genau, was wir damals beraten haben. Ich will Ihnen den Grund für diese Genehmigung sagen. Die Sorge, es könnte ein bösartiger Advokat für einen cleveren. Mann die arme, immer dümmere und unterprivilegierte Frau übers Ohr hauen, stand Pate. Das ist Ausdruck der Vorstellung, als wären unsere Frauen tatsächlich dümmer als die Männer. Dem widerspreche ich ausdrücklich.
Herr Abgeordneter Erhard, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich?
Bitte.
— Frau Lepsius, Sie rechne ich zu den ganz Intelligenten!
Herr Kollege Erhard, ist Ihnen entgangen, daß durch Vereinbarungen über diese von Ihnen soeben angesprochenen bestehenden Ansprüche — in Wahrheit Anwartschaften — ein neues Mitglied der gesetzlichen Sozialversicherung mit ganz anderen Risiken als ein bisheriges Mitglied dieser unterstellt wird und daß auf diesem Weg die Manipulation zu Lasten der Gemeinschaft der Beitragszahler möglich wäre, wenn unbeschränkt Vergleichsmöglichkeiten dieser Art gegeben wären?
Wenn das wirklich die Sorge wäre, hätte man das von einer Zustimmung der Rentenversicherungsträger statt von der Zustimmung des Familienrichters abhängig machen können.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen hebe ich ausdrücklich hervor: Wir halten das Zerrüttungsprinzip bei der Scheidung für sachgerecht. Wir bejahen die Aufteilung der in der Ehe erworbenen Vermögenswerte auf die beiden Ehegatten. Vermögensausgleich und Versorgungsausgleich sind notwendig und entsprechen der Gerechtigkeit. Dem Unterhaltsbedürftigen muß Unterhalt gewährt werden. Der Zahlungsfähige darf nicht infolge der Scheidung zahlungsunfähig werden, z. B. durch die notwendige Begründung von neuen Anwartschaften bei der Rentenversicherung. Wir wissen doch, daß ein ganz normaler kleiner Hausmeister, ein Angestellter der öffentlichen Hand mit Zusatzversorgung, im Falle der Scheidung 40 000, 50 000 oder 60 000 DM bares Geld für seine bis dahin nicht versicherte Ehefrau in die Rentenversicherung einzahlen muß. Wenn das schon für den Empfänger eines Nettoeinkommens von 1 500 bis 2 000 DM als Folge der Scheidung dekretiert wird, braucht man sich nicht mehr zu wundern, wenn viele hier von einer Scheidungsbarriere für arme Leute sprechen.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird freundlich „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung von Regelungen über den Versorgungsausgleich" genannt. In Wahrheit, Herr Bundesjustizminister Vogel, handelt es sich um die Rücknahme von Regelungen des Versorgungsausgleichs, was sich schon aus dem Gesetz selbst ganz leicht ablesen läßt: Es soll nämlich nicht etwa am 1. Januar 1981 in Kraft treten, sondern am 1. Juli 1977, am Tage des Inkrafttretens des neuen Ehescheidungsrechts. Es sollen verfassungswidrige Folgen dieses nach meiner Ansicht an einigen Stellen ideologisch überfrachteten Gesetzes teilweise beseitigt werden — nur teilweise beseitigt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Recht eine unzulässige Enteignung in mehreren Folgewirkungen des Versorgungsausgleichs festgestellt. Hierfür ein erstes Beispiel: Wenn nach vieljähriger Ehe die Scheidung erfolgt ist und wesentliche Teile der Versorgungsanwartschaften — das Gericht spricht von „Werten" — etwa des Mannes auf die Frau übertragen worden sind, diese aber vor Erreichen der Altersgrenze und damit vor Bezug ihrer Rente stirbt, ist die Rentenversicherung der einzige Gewinner, denn dem alt gewordenen Mann bleibt nur die drastisch verkürzte Rente für sich und möglicherweise seine zweite Frau.
Ein zweites Beispiel: Nach langjähriger Ehe und nach Scheidung erreichen Mann und Frau das Rentenalter. Nach ganz kurzer Zeit stirbt derjenige, dem der Renten- oder Pensionsanspruch zugeteilt worden war; der andere hat nur seine stark verkürzten Bezüge. Ein krasses Mißverhältnis zwischen Beitragszahlung und Rentenempfang ist das Ergebnis. Die während der Ehe mühsam aufgebrachten Beiträge zur Alterssicherung verfallen zugunsten der Rentenversicherung.
Oder drittens: Der um Jahre ältere und unterhaltspflichtige Teil, z. B. der Mann, erreicht das Rentenalter und erhält nunmehr seine stark verkürzte Rente oder Pension. Er ist deshalb nicht mehr in der Lage, an seine jüngere, aber nicht mehr arbeitsfähige frühere Frau Unterhalt zu zahlen. Diese Frau erhält aber auf absehbare Zeit noch keine eigene Rente. Sie hat zwar künftig einen eigenen Rentenanspruch, kann aber schon jetzt nicht mehr gesichert leben, weil sie keine Unterhaltsleistungen erhalten kann. Der einzige Gewinner zu Lasten der älteren Geschiedenen ist wiederum die Rentenversicherung. Und wer muß einspringen? Die öffentliche Hand über einen anderen Titel, nämlich über die Sozialhilfe. — Die gleichen Beispiele gelten auch für die Beamtenversorgung.
All diese Fälle hält das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig, und zwar deshalb, weil Vermögenswerte, die in der Ehe erworben wurden, zugunsten der öffentlichen Hände eingezogen werden.
Diese und andere Nebenwirkungen des Versorgungsausgleichs waren schon bei der Verabschiedung des Gesetzes zum Teil durchaus erkennbar. Ich habe vor jetzt fast genau fünf Jahren, am 11. Dezember 1975, von diesem Platz aus in der zweiten Lesung darauf aufmerksam gemacht — im Protokoll können Sie es nachlesen —, daß — diese Erkenntnis konnte auf der Grundlage der sehr verschleierten Auskünfte durch das Sozialministerium im Rechtsausschuß erst mühsam erreicht werden — allein die Rentenversicherung zu Lasten der alten geschiedenen Männer und Frauen mindestens mit 640 Millio-
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Erhard
nen DM jährlich profitiert und mit diesen Einsparungen die durchaus berechtigte Erziehungsrente mit rund 200 Millionen DM Jahresaufwand finanziert werden sollte. Dann blieben immer noch 420 bis 440 Millionen DM als echte Einsparung oder echter Gewinn bei der Rentenversicherung. Nur mit Rücksicht auf diese Beträge haben die Rentenversicherer gesagt, sie brauchten keinen Ausgleich für den höheren Personalaufwand. Entsprechende, wenn auch niedrigere Einsparungen erzielen die Pensionskassen der öffentlichen Hände: Bund, Bundespost, Bundesbahn, Länder, Gemeinden und vergleichbare Einrichtungen. Wörtlich habe ich damals, am 11. Dezember 1975, hier gesagt — ich zitiere —: „Hier wird der größte Schwindel mit der sogenannten Verbesserung der Ansprüche der Witwen und Geschiedenen getrieben." Damals sagte die Regierung, die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei kostenneutral. Es hat zwar nichts gekostet, es hat aber etwas gebracht. Insofern ist das kostenneutral.
Jetzt errechnet die Regierung für Rückgaben an die zu Unrecht enteigneten geschiedenen alten Menschen Mehrbelastungen bei der Rentenversicherung zwischen 375 und 577 Millionen DM jährlich.
Bei den öffentlichen Händen erwartet man aus Gründen der Zurückgabe von Ansprüchen eine Mehrbelastung von rund 110 Millionen DM jährlich.
Jetzt endlich kommen die Zahlen auf den Tisch, um die man sich vor fünf Jahren herumgedrückt hat. Man spricht von „mehr Kosten", obwohl es, wie gesagt, nur darum geht, verfassungswidrige Rechtsverkürzungen in etwa wieder zurückzugeben.
Aber es ist ja noch schlimmer: Die Regierungsvorlage gibt noch lange nicht alle den öffentlichen Händen zu Unrecht zugeflossenen Vorteile an die Menschen, die ihr Leben lang Beiträge gezahlt haben, zurück. Der Rechtsausschuß des Bundesrates hält die noch weiterhin verbleibenden Kürzungen der Renten und Pensionen für nicht gerechtfertigt. Auch die Vorschrift, die nach einer Bagatellregelung aussieht und die Rückgabe von unrechtmäßigen Vorteilen bis zu einer Höhe von zur Zeit zirka 25 DM im Monat ausschließt, ist nach meiner Ansicht verfassungsrechtlich höchst problematisch. Für einen kleinen Rentenempfänger sind monatlich 25 DM mehr oder weniger Rente ein recht relevanter Betrag. Er soll aber zugunsten der öffentlichen Hand kassiert werden. Dieser Betrag beruht nicht irgendwie auf einem Geschenk, sondern auf einem wohlverdienten, ihm zugesplitteten oder ihm abgesplitteten Rentenanspruch.
Der Gesetzentwurf ist in seinen Formulierungen viel zu kompliziert und kaum zu praktizieren. Ich werde den Verdacht nicht los, daß man solche komplizierten Vorschriften erfindet, um den öffentlichen
Kassen auch weiterhin ein möglichst gutes Geschäft an dem Institut Versorgungsausgleich zu belassen
und dies zu verschleiern. Wir sind für eine schnelle Gesetzgebung. Die gesetzliche Regelung ist überfällig, weil teilweise feststeht und — wie das Verfassungsgericht sagt — nicht auszuschließen ist, daß es schon jetzt Fälle gibt, in denen Ausgleichspflichtigen ein Teil ihrer Rente oder Versorgungsansprüche unter Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes vorenthalten werden. Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich angeregt, eine vorläufige Regelung zu treffen. Wir regen deshalb auch an, ein eigenes, vom BGB losgelöstes Gesetz im Sinne einer vorläufigen Regelung zu verabschieden, das recht kurz und einfach sein kann. Die endgültige Regelung im BGB sollte zusammen mit den anderen notwendig werdenden Änderungen erfolgen. Die Fristenautomatik ist nicht mehr geltendes Recht. Es gab hierzu verfassungsgerichtliche Urteile, wie wir wissen. Die Gerichte können deshalb bei ganz besonderen und außergewöhnlichen Härtefällen eine Ehe über die Fünf-Jahre-Grenze hinaus bestehenlassen, also die Scheidung nicht aussprechen. Wir können dann die Regelungen betreffend den Unterhalt und sonstige Regelungen, die auf Grund dessen zu treffen sind, was sonst noch vom Verfassungsgericht beanstandet oder vom Bundesgerichtshof als unvertretbares Recht verworfen werden sollte, im Rahmen der jetzt schon ganz klar erkennbaren Korrekturnotwendigkeiten in das BGB einfügen. Das Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht darf nicht im Turnus von weniger als 12 Monaten immer wieder geändert werden. Wenn die ideologischen Scheuklappen bei der Beratung der notwendigen und neuen Regelungen abgelegt werden, dann sollte es möglich sein, ein von allen Fraktionen getragenes Recht zu schaffen, das von der Vorstellung frei ist, alt gewordene Geschiedene sollten durch Kürzungen ihrer Renten zugunsten der öffentlichen Hände für die Scheidung bestraft werden. Der Versorungsausgleich darf nicht zur Einnahmequelle für die Versorgung von öffentlichen Kassen und Rentenkassen degradiert werden.
Mit gutem Willen, mit Phantasie und mit Entschlossenheit läßt sich bald und schnell eine befriedigende Regelung schaffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für diejenigen, die Gelegenheit hatten, an der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts Ende November des letzten Jahres in Karlsruhe teilzunehmen, kam das Urteil vom 28. Februar dieses Jahres nicht ganz überraschend; denn alle Beteiligten dort konnten durch die Einwände des Gerichts und im Rechtsgespräch registrieren, daß hier für das Gericht ein besonders kritischer Punkt lag. Herr Kollege Dr. Emmerlich und ich, die wir als Bevollmächtigte des Deutschen Bundestages
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Engelhard
an diesem Verfahren teilgenommen haben, haben versucht, dem Gericht darzulegen, daß es dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Versorgungsausgleichs auch entscheidend darauf ankam, doch in etwa die Kostenneutralität zu wahren und dafür Sorge zu tragen, daß wir nicht in eine Entwicklung geraten, die als Subventionierung der Scheidung zu Lasten Dritter angesprochen werden müßte.
Wir brauchen uns darüber nicht mehr zu unterhalten. Im Ergebnis sind diese Darlegungen vom Bundesverfassungsgericht nicht gutgeheißen worden. Unsere Aufgabe ist es, jetzt daranzugehen, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen. Dabei werden wir uns allerdings auch mit den Kosten beschäftigen müssen. Ich denke nicht allein an die Mehrkosten, die jetzt durch das vorgelegte Ergänzungsgesetz ausgelöst werden. Uns sind auch damals vor der Verabschiedung des Ersten Eherechtsreformgesetzes Kostenberechnungen vorgelegt worden. Es wäre interessant zu wissen, wie weit z. B. die jetzt weggefallene Geschiedenenwitwenrente Einsparungen gebracht und in welcher Höhe die neu eingeführte Erziehungsrente Mehrbelastungen ausgelöst hat.
Um es aber ganz klar zu sagen: Unser Auftrag als Gesetzgeber geht j a nicht dahin, die Frage zu stellen „Wieviel Geld haben wir denn, um der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen zu können?", sondern die Frage und unser Auftrag lauten ganz anders: 1. Welche Änderungen sind notwendig, um dem Urteil des Gerichts zu entsprechen? 2. Wieviel Geld kosten diese Maßnahmen? Dies müssen wir j a ganz getrennt davon auch im Auge haben.
Es ist fast unnachahmlich — so schön kann ich es gar nicht sagen —, wie der Bundesrat dieses Problem in seiner Äußerung zum Ausdruck gebracht hat. Er war offensichtlich hin- und hergerissen zwischen dem Bestreben, verfassungstreu zu sein und trotzdem sparsam zu bleiben. Das ist eben in manchen schwierigen Situationen nicht so ganz einfach.
In der Öffentlichkeit ist weitgehend unbeachtet geblieben — der Herr Justizminister hat das j a bereits mit Nachdruck betont —, daß der Versorgungsausgleich insgesamt die volle Billigung des Bundesverfassungsgerichts gefunden hat. In der Auseinandersetzung über den Versorgungsausgleich — das will ich hinzufügen — ist aber auch eine andere, gerade für Liberale ganz entscheidende Frage weitgehend untergegangen. Eine bisher vom Bundesverfassungsgericht immer offen gehaltene Frage ist nämlich erstmals in einem Grundsatzurteil entschieden worden. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß sozialversicherungsrechtliche Positionen dem Schutz der Eigentumsgarantie unserer Verfassung unterliegen. Das wird auf Dauer weit über diesen Fall hinaus in vielen Gesetzen Konsequenzen haben, die wir zu beraten haben. Gerade wir Liberale begrüßen diese Entscheidung sehr.
Wenn sich das Bundesverfassungsgericht aber auf diesen Standpunkt gestellt hat, dann war sein Nachbesserungsauftrag an uns gleichsam nur ein Ausfluß dieser Grundsatzentscheidung. Die uns aufgegebene Ergänzung liegt in der Konsequenz dieser Auffassung des Gerichts.
Nun hat Herr Kollege Erhard eingangs seiner Ausführungen den Versuch unternommen, nochmals das ganze neue Eherecht abzuschreiten. Dabei ist er teilweise zu nicht sehr freundlichen Wertungen gekommen. Herr Kollege Erhard, wir haben j a häufig über diese Fragen diskutiert, und ich will eine Entgegnung soweit die Zeit es erlaubt, auch hier nicht aussparen. Sie haben vielleicht aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 26. Februar 1980 zur Kenntnis genommen, daß nach einer Umfrage, die bei Allensbach in Auftrag gegeben worden war, gerade der Versorgungsausgleich — ganz anders als andere Bereiche des neuen Eherechts — zu einem sehr hohen Prozentsatz die volle Zustimmung der Bevölkerung — jedenfalls im Grundsatz — gefunden hat.
Wenn Sie noch einmal den Versuch unternehmen, auch am materiellen Scheidungsrecht und an vielen anderen Punkten Kritik zu üben, so mache ich es mir nicht so einfach, daß ich nur sage, Sie haben das letztlich mit getragen. Aber ich darf daran erinnern, daß manches, was heute in der Praxis Beschwer macht, erst im Vermittlungsausschuß auf Ihr und Ihrer Freunde Betreiben in das Gesetz hineingekommen ist.
Wenn ich etwas weiter zurückgehen darf: Derjenige von der Union, dem das, was heute als neues Eherecht in Geltung ist, nicht paßt, sollte immer an jene historische Nacht im Jahre 1961 denken, als in einem parlamentarischen Überraschungsangriff Abs. 2 des alten § 48 des Ehegesetzes in einer Weise geändert wurde, daß Scheidungen nach dieser Bestimmung auch nach Jahrzehnten des Getrenntlebens praktisch nicht mehr möglich waren.
Das hat dann die ganze Diskussion erst ausgelöst. Ich stehe zu dieser Diskussion, aber ich darf daran erinnern, daß die FDP-Fraktion 1967 im Deutschen Bundestag vorgeschlagen hatte, die alte Fassung des § 48 des Ehegesetzes wiederherzustellen. Sie ist damals abgeschmettert worden. Man hat statt dessen die Eherechtskommission beim Bundesminister der Justiz eingesetzt. Das findet unsere Billigung. Aber ich betone nochmals — ich wiederhole das —: Den Kritikern, die selbst erst die Notwendigkeiten und Voraussetzungen für das Ganze geschaffen haben, kann man das überhaupt nicht oft genug sagen.
Nun wissen wir, daß der heute eingebrachte Entwurf nicht die letzte Änderung des geltenden Rechts sein wird. Der Herr Bundesjustizminister hat bereits darauf hingewiesen, daß uns der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober dieses Jahres nötigt, im Bereich der materiellen Härteklausel des Scheidungsrechts eine Änderung oder eine prozessuale Flankierung vorzunehmen. Aber auch dies wird nicht die letzte Änderung sein, weil wir nicht immer nur dann handeln werden, wenn uns eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu zwingt. Sie wissen, es stehen noch Entschei-
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Engelhard
dungen zu einem Teil des Versorgungsausgleichs und zum Unterhaltsrecht aus.
Aber darüber hinaus sind wir seit langem am Nachdenken darüber, was wir, wenn sich die Rechtsprechung gefestigt hat, von uns aus unternehmen werden, um dieses Recht noch besser und praxisnäher und der Praxis gerechter zu machen.
Dazu gehört dann etwa, im Grundtatbestand des Scheidungsrechts jenes unglückliche Trennungsjahr, das auf Betreiben der Bundesratsmehrheit im Vermittlungsaussschuß in das Gesetz hineingekommen ist, zu streichen. Wir denken immer weiter nach, wie man dort, wo heute durch Beitragszahlungen Anwartschaften begründet werden müssen, nicht doch zu einer Form des Splittings kommen könnte. Als erste Stufe beim Unterhaltsrecht ist, jedenfalls im Kreise meiner politischen Freunde, wieder in der Diskussion, ob man, um zu einer einheitlicheren Rechtsprechung zu kommen, nicht, ähnlich wie vor kurzem im Mietrecht, den Rechtsentscheid einführen könnte — um kostengünstig dahin zu wirken, daß sich auch in diesem Bereich die Rechtsprechung stärker — quer durch unser Land — vereinheitlicht.
Zum Schluß will ich darauf hinweisen, daß der vorliegende Entwurf der Bundesregierung zum Teil heftiger Kritik begegnet ist; zumindest sind eine ganze Reihe sicherlich nachdenkenswerter Anregungen gegeben worden. Ich möchte auf diese Fragen hier im einzelnen nicht eingehen. Das wird Sache der Ausschußberatung sein.
Ich möchte mich auf etwas ganz anderes beschränken, auf eine Bemerkung, die in ihrer formalen Vordergründigkeit vielleicht doch einen Teil jenes hintergründigen Unbehagens deutlich macht, das nach wie vor bei den Juristen und insbesondere auch bei den Rechtspolitikern über die Ausgestaltung des Versorgungsausgleichs im einzelnen vorhanden ist. Das erste Eherechtsreformgesetz hat im Bürgerlichen Gesetzbuch zum § 1587 die Buchstaben a bis p des Alphabets in Anspruch genommen. Jetzt kommt das Ergänzungsgesetz, und zu demselben Paragraphen werden die Buchstaben q bis x geschluckt.
Nun bleiben als Reserve noch zwei ganze Buchstaben des deutschen Alphabets. Kann man es dem Skeptiker übelnehmen, wenn er die Frage stellt, ob man vielleicht allmählich, wieder oder erstmalig, darangehen müßte, sich mit dem griechischen Alphabet vertraut zu machen?
Von solchen grollenden Betrachtungen ist es dann natürlich auch nicht weit zu der Frage, ob denn wirklich dieses Ergänzungsgesetz im Bürgerlichen Gesetzbuch Platz finden muß, wo es bei diesem Ergänzungsgesetz überhaupt nicht mehr um das Verhältnis zwischen den geschiedenen Ehegatten geht, sondern um das Verhältnis zwischen einem der geschiedenen Ehegatten und dem Versicherungsträger. Diese Frage ist in diesem Zusammenhange ganz sicherlich berechtigt. Zuweilen stellen wir auch mit Interesse und einer gewissen Verunsicherung fest, daß diejenigen, die in ihrem Hause dies alles ausgefeilt und geboren haben, dann, wenn es an die konkreten Beratungen geht, häufig die Vaterschaft für dieses Produkt etwas in Abrede stellen und gar nicht mehr so sehr mit der Sache zu tun haben wollen.
Angesichts der zahlreichen Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch, von denen ich gesprochen habe, ist es nicht verwunderlich, daß bei Rechtspolitikern allmählich der Lehrsatz Bedeutung gewinnt — und die Sozialpolitiker werden die Bemerkung sicherlich mit Humor zu tragen wissen —: Gib der Sozialpolitik einen einzigen Paragraphen. Sie wird dann schon dafür sorgen — gar nicht so auffällig, sondern nötigenfalls versteckt mit Hilfe der Alphabete der verschiedenen Sprachen dieser Welt —, schließlich nahezu das ganze Bürgerliche Gesetzbuch in den Griff zu bekommen.
Ich glaube, zu Beginn der Beratungen eines solchen Gesetzes ist es notwendig, auch hierzu einige Bemerkungen zu machen. Unser Hauptthema bei den Beratungen gerade im Rechtsausschuß wird es nicht sein, aber es ist auch ein Thema. Manchmal führt über das Formale die Erkenntnis hin zu inhaltlichen Einsichten, die für das spätere Ergebnis wichtig sind.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lepsius.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit dem Kern der Sache und stelle fest, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatz den Versorgungsausgleich als verfassungskonform bestätigt hat. Das ist die Ausgangsposition.
Herr Kollege Erhard, ich erinnere noch einmal daran, daß Sie zwar im Kern wieder im Tenor der Sprache von vor fünf Jahren aus der Debatte zum ersten Eherechtsreformgesetz gesprochen haben. Aber das erste Eherechtsreformgesetz mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Förderung auch des sozialen Ausgleichs für die geschiedenen Frauen ist inzwischen Gesetz geworden, kommt den Frauen inzwischen zugute. Wie die Versicherungsdaten zeigen, haben heute geschiedene Frauen im Alter nicht mehr die berüchtigten Minirenten, sondern in der Tat Renten, von denen sie leben können; sie müssen nicht zum Sozialamt gehen. So dumm, Herr Kollege Erhard, wie Sie die Frauen hier darstellen wollten, sind sie nicht.
— So habe ich das verstehen müssen. Ich habe
nichts gegen eingeschworene Konservative, und ich
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Frau Dr. Lepsius
wäre glücklich, wenn Sie unsere sozialdemokratischen Auffassungen über die positiven Wirkungen des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der sozialen Alterssicherung der Frau bestätigten.
Ich komme aber nun zu dem für uns entscheidenden Punkt. Der vorliegende Gesetzentwurf soll eine Reihe von Härtefällen, die sich aus der Systematik des Versorgungsausgleichs ergeben, heilen. Für uns sind die drei Härtefälle, die wir vor uns liegen haben, im übrigen nichts Neues. Wir haben uns im Arbeitsausschuß des Deutschen Bundestages damit sehr gründlich befaßt. Wir hatten uns mit diesen Härtefällen in einem Hearing sehr gründlich beschäftigt. Auf Grund des Solidaritätsprinzips und der Systematik der Sozialversicherung haben wir bei dem ersten Eherechtsreformgesetz eine andere Regelung nicht treffen können.
Wenn wir jetzt nach den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, diese drei Härtefälle nachträglich mildern, dann gibt es hierfür verschiedene Möglichkeiten. Ich will das jetzt nicht im einzelnen darlegen, sondern nur noch einmal die Grundkonstellation wiederholen, weil es sich um den Todesfall einer geschiedenen Frau handelt, die durch den Versorgungsausgleich Rentenansprüche erworben hat, die aber vor ihrer Verrentung stirbt. Das ist der eine Fall, den wir bereits aus der Vergangenheit kennen.
Der zweite Fall, der vom Bundesverfassungsgericht hier benannt worden ist, hängt damit zusammen. Es handelt sich darum, daß von der versorgungsausgleichsberechtigten Frau nicht lange, sondern nur ein bis zwei Jahre Rentenleistungen bezogen wurden. Auch für diesen Fall soll eine Rückübertragung von Rentenanwartschaften auf den geschiedenen Ehegatten, der bei der Scheidung, wann immer das war, Anwartschaften abgetreten hatte, möglich sein.
Der dritte Fall ist gewiß der problematischste: Bei einem ausgleichsverpflichteten Mann tritt der Rentenfall ein. Er hat noch Unterhaltsleistungen gegenüber der jüngeren Frau zu erbringen. Durch den Versorgungsausgleich wird aber seine Rente so geschmälert, daß die Unterhaltszahlung seine Leistungsfähigkeit übersteigt. Auch das ist kein unbekannter Fall; das haben wir auch im alten Scheidungsrecht gekannt. Neu ist nur, daß jetzt die Sozialversicherung für die Unterhaltsleistungen eintreten soll, und dies berührt natürlich die Grundprinzipien der Solidargemeinschaft. Wir kennen in der gesetzlichen Rentenversicherung das Instrument von Rückübertragungen nicht. Darüber ist zwar diskutiert worden, und es hat auch bei der sogenannten Partnerrente innerhalb der Union über dieses Instrument der Rückübertragung, des Hin- und Herschiebens von Anwartschaften, schon eine sehr ernsthafte theoretische Diskussion gegeben. Nur haben wir dieses Instrument im Grundsatz in der Sozialversicherung nicht. Rechtssystematisch sind also solche Überlegungen mehr dem Erbrecht oder auch dem Schenkungsrecht entliehen. Wir können nicht verschweigen, daß solche Regelungen die Grundsätze des Solidarprinzips berühren, so daß wir diese
neuen Regelungen natürlich mit einiger Sorge ansehen.
Folgendes möchte ich noch hinsichtlich weitergehender Wünsche aus den Reihen der Opposition ganz deutlich machen. Wir können natürlich nicht durch vermeintlich notwendige Korrekturen diesen Gesamtkomplex auch noch erweitern, weil wir damit im Grunde genommen die Rentenversicherung kaputtmachen würden.
Herr Kollege Erhard, ich weiß zwar nicht, woher Sie diese seltsame Rentenberechnung von 600 Millionen DM haben. Wir haben Ihnen schon damals vorgehalten, daß das eine Milchmädchenrechnung sei. Inzwischen habe ich den Eindruck, daß Sie sich angesichts der Gesamtsituation und des Ablaufs von drei Jahren des neuen Eherechts und des eingeführten Versorgungsausgleichs auf ein Lotteriespiel eingelassen haben; denn es ist nicht richtig, wie Sie hier jonglieren, daß durch den Versorgungsausgleich bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge als ein Gewinn aus dem Versorgungsausgleich in Höhe von 600 Millionen DM stehenbleiben könnten. Das Gegenteil ist richtig. Es entstehen durch zwei Rentensäulen, nämlich die Rentensäule bei der geschiedenen Frau und die bei dem geschiedenen Mann, entsprechend mehr Leistungen — sowohl für die Betroffenen selber — für Erwerbsunfähigkeit, für Berufsunfähigkeit, für besondere Versicherungsfälle oder Rehabilitation — als auch für die Erziehungsrente. Das muß hier immer wieder deutlich gesagt werden, sonst wissen wir nicht mehr, worüber wir gemeinsam reden.
Auch möchte ich noch sagen, daß es für uns Sozialpolitiker natürlich ein dicker Brocken ist, wenn uns hier ganz kühl und gelassen ein Ergänzungsgesetz zur Beratung übergeben wird, in dem allein für die Rentenversicherung Kosten in Höhe von über 500 Millionen DM, also über eine halbe Milliarde DM, aufgezeichnet sind. Für uns bedeutet das — ich denke, wir haben als mitberatender Ausschuß die Chance —, mit den Kollegen des Rechtsausschusses nach Möglichkeiten einer Reduzierung zu suchen. Ich bin dem Kollegen Stiegler und auch Herrn Kollegen Engelhard dankbar, daß wir über diese Dinge sprechen können. Durch die gestufte Form der Regelung werden wir sicher einige Möglichkeiten haben. Unsere Sorgen als Sozialpolitiker sind jedenfalls nicht unbegründet. Wir bewegen uns auf einem hauchdünnen Grat zwischen der Rechtspolitik und der Sozialpolitik.
Noch eine weitere Bemerkung zum Solidaritätsprinzip, das ja von den Rechtspolitikern offenbar immer sehr schwer zu verstehen ist. In der Sozialversicherung zahlt, anders als in der Lebensversicherung, der Junggeselle genauso wie der Verheiratete mit seinen Beiträgen auch für Leistungen an Ehepaare mit vielen Kindern. Wenn der Junggeselle oder die unverheiratete Frau stirbt, fallen die Beiträge an die Versicherung zurück und kommen allen in der Solidargemeinschaft befindlichen Versicherten zugute. Anders könnten wir beispielsweise auch überhaupt keine Hinterbliebenenversorgung an die Witwen zahlen, die nie in ihrem Leben Beiträge in die Solidargemeinschaft geleistet haben. Das ist das
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Frau Dr. Lepsius
große Solidarprinzip, an dem wir festhalten wollen.
Ich möchte nun noch den Umkehrschluß aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ziehen. Würden wir das Prinzip des Bundesverfassungsgerichtsurteils für die Solidargemeinschaft akzeptieren, dann könnten wir — sozusagen in einem Umkehrschluß — folgern, daß das gesamte Sozialversicherungssystem eigentlich verfassungswidrig ist, weil es Rückübertragungen und Beitragsrückerstattungen in der jetzt vorgeschlagenen Form nicht kennt. Das ist aber ja wohl nicht der Fall.
Ich möchte nun noch deutlich machen, daß wir Sozialpolitiker — wie bereits in der ersten Beratung des ersten Eherechtsreformgesetzes — die Härtefälle zu regeln haben, wenn dafür eine Möglichkeit besteht. Ich will noch einmal unterstreichen, daß wir uns mit diesen Fragen nicht erst befassen, seitdem sich das Bundesverfassungsgericht hierzu geäußert hat. Wir kennen die Härtefälle. Aber wir müssen sehen, daß die soziale Sicherung, die gesetzliche Rentenversicherung eben nicht der große Medizinmann zur Lösung privater Konflikte durch eine Scheidung ist. Dies müssen wir festhalten, und daran werden wir uns auch orientieren.
Deshalb wollen wir als mitberatender Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung darauf achten und überprüfen, welche präjudizierenden Auswirkungen diese Vorschläge haben, an welcher Stelle sie möglicherweise das System der gesetzlichen Rentenversicherung gefährden oder ob über die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Härteregelung hinaus möglicherweise sogar eine Subventionierung der Scheidungen zu Lasten der Solidargemeinschaft eingetreten ist.
Ich komme zum Schluß. Für alle nach dem alten Eherecht Geschiedenen haben wir immer noch ungleiche Rechtsfolgen. Alles, was vor 1977 gelaufen ist, bringt für Mann und Frau ungleiche Rechtsfolgen. In allen Fällen, wo Ehen nach altem Recht geschieden worden sind, verbleiben den Männern die vollen Versorgungsansprüche, während die Frauen in der Regel nicht in den Genuß einer Witwenversorgung für Geschiedene kommen. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, daß das Bundesverfassungsgericht im Namen der Gleichberechtigung das alte Eherecht mit seinen katastrophalen Folgen für die geschiedenen Frauen auf die Anklagebank gestellt hätte.
Nun, der Versorgungsausgleich steht. Wir werden eine gründliche Beratung der ergänzenden Regelung vornehmen und auch als Sozialpolitiker unsere Kooperation dazu anbieten. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne den Ausschußberatungen vorzugreifen, möchte ich ganz kurz auf zwei Dinge eingehen, die Herr Kollege Erhard ausgeführt hat.
Herr Kollege Erhard, nicht die Schärfe Ihrer Kritik hat in diesem Fall ein bißchen Verwunderung erregt — dies gehört dazu, gerade auch bei Ihnen —, nein, das Bemerkenswerte an dieser Kritik ist die Tatsache, daß es sich um ausgesprochene Selbstkritik gehandelt hat. Sie vergessen zu oft, daß all die Regelungen, die Sie jetzt mit so starken Ausdrücken bedenken, Regelungen sind, die auch von der Mehrheit der Opposition nach den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses gebilligt und zum Gesetz erhoben worden sind.
Sie vergessen, Herr Kollege Erhard, daß die von Ihnen so apostrophierten Regelungen auch im Bundesrat die Zustimmung von vier der sechs unionsregierten Länder gefunden haben.
Eine solche Begeisterung für Selbstkritik und eine solche Enttäuschung darüber, daß von Ihrer Fraktion gutgeheißene Regeln nicht noch in weiteren Punkten für verfassungswidrig erklärt worden sind, habe ich selten erlebt.
Dieses Element der Selbstkritik, Herr Kollege Erhard, verbietet auch jeden Gedanken an die Figur des Beckmessers; denn dieser hat immer nur andere kritisiert, sich selber hat Beckmesser nie kritisiert. Darum wäre die Einführung dieser Person in diesem Zusammenhang unzulässig; ich unterlasse sie auch.
Aber jetzt zu den beiden Punkten, die doch eine Erwiderung erfordern. Sie sprechen hier von „Kündigungsautomatik" und feiern — so möchte ich fast sagen —, daß das Gericht diese „Kündigungsautomatik" für verfassungswidrig erklärt habe. Herr Kollege Erhard, ich finde, dies ist eine zumindest eigenwillige Darstellung der gerichtlichen Entscheidung.
Sie wissen ganz genau, es gibt die unwiderlegliche Vermutung — die mit Ihrer Stimme verabschiedet worden ist —, daß die Ehe nach einem Jahr Trennung gescheitert ist, wenn beide die Scheidung wollen. Das Gericht hat das für verfassungsmäßig erklärt.
Dann gibt es die Regel: Wenn einer der Ehepartner die Scheidung begehrt und der andere nicht, und die Trennung hat drei Jahre gedauert, dann wird unwiderleglich das Scheitern vermutet. Das Gericht hat auch das für verfassungsmäßig erklärt. Dann haben wir miteinander eine Regel eingefügt, daß auch nach dem festgestellten Scheitern der Ehe, wenn beide sich getrennt haben und einer vielleicht schon in einer neuen Gemeinschaft lebt, die gescheiterte Ehe dann höchstens fünf Jahre nicht geschieden wird, wenn damit ganz besondere Härten für den Scheidungsunwilligen verbunden sind. Jetzt hat das Gericht gesagt: Einzelne, ganz besonders extreme Fälle kann es geben, in denen auch noch nach dem fünften Jahr seit dem Scheitern der Ehe eine Aussetzung des Scheidungsurteils in Betracht kommt. Dies war Gegenstand des Urteils. Von daher nun von
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Bundesminister Dr. Vogel
einer „Kündigungsautomatik" zu sprechen und zu sagen, die Eherechtsreform sei gescheitert, Herr Kollege Erhard, das ist zumindest für diejenigen irreführend, an die wir ja auch unsere Worte richten, nämlich für die Betroffenen.
Außerdem: Wir sind alle verpflichtet, das zu tun, was das Verfassungsgericht uns bindend aufgibt, aber wir sind nicht verpflichtet, alles, was das Verfassungsgericht an Gründen anführt, für richtig zu halten.
Wenn Sie, die Union, unterlegen sind, dann hatten Sie ja auch manchmal Zweifel an der Richtigkeit der Gründe.
— Ich habe mich gar nicht entschuldigt, Herr Kollege Erhard. Ich rede j a auch nicht von „Schwindel" wie Sie. Ich bediene mich einer ganz mitteleuropäischen Ausdrucksweise.
Herr Kollege Erhard — ich spreche Sie an, weil Sie der Redner waren; ich könnte auch Herrn Klein oder wen auch immer anreden —, ich erlaube mir jetzt die Frage: Wird der Schmerz dessen, der verlassen worden ist, der Schmerz dessen, der sich im fünften Jahr noch nicht von dem anderen gelöst hat, der genau weiß, daß der andere unwiderbringlich verlorengegangen ist, wird der Schmerz des Betroffenen im sechsten und siebten Jahr nach dem Ereignis wirklich dadurch gemildert, daß der Weggegangene mit einem Wiederverheiratungsverbot belegt wird? Darauf läuft es nämlich hinaus.
Das ist eine menschliche Frage, bei der ich nicht behaupte, mein Zugang sei der allein richtige, aber ich wehre mich auch hier wieder gegen diese Schwarzweißmalerei: Diejenigen, die solche Fragen stellen, sind die unmoralischen Ideologen, und die anderen sind die hochmoralischen Pragmatiker, die alles viel besser wissen.
Gegen diese Frontstellung, die ich bei Ihnen leider immer wieder heraushöre, Herr Kollege Erhard, wehre ich mich. Ich behaupte nicht, daß ich absolut recht habe, aber ich behaupte, diese Fragestellung ist erlaubt. Viele Betroffene werden sagen: Nein, das ist eigentlich nur ein Stück — wie soll ich mich ausdrücken — Talion. Ob das den Schmerz erleichtert und ob das hilft oder ob das nicht noch weiter in die Irre führt, das ist die Frage.
Meine zweite Bemerkung, Herr Kollege Erhard. Sie haben den Sofortausgleich erwähnt. Ich leugne gar nicht, daß die Regelung für ,Betriebsrenten und die Zusatzversorgung, die wir gemeinsam wie keine andere im Ausschuß hin- und hergewendet haben,
nicht befriedigend ist. Ich leugne es doch gar nicht. Nur, Herr Kollege Erhard, die Zahlen zeigen, daß Ihr Hausmeister-Fall die absolute Ausnahme ist. 75% aller bisher bei den Rentenversicherungsträgern angekommenen Fälle bewegen sich mit Sofortbeiträgen dieser Art unterhalb von 5 000 DM. Auch 5 000 DM sind viel Geld. Aber bleiben wir doch bei den Realitäten. Den Hausmeister, der 60 000 DM auszugleichen hat, der also zu seiner Sozialversicherung noch eine zusätzliche Altersversorgung im Werte von 120 000 DM hat, diesen Hausmeister, Herr Kollege Erhard, wird es auch in Ihrem Wahlkreis nur vereinzelt geben.
Hier werden von uns Rechtspolitikern Zahlen eingeführt, die wir nur nennen, weil wir offenbar die Kenntnis derer, die in der Rentenversicherung tätig sind, erst allmählich erwerben; es wird ein falsches Bild gezeichnet. Ich biete Ihnen, insbesondere der Union, an, gemeinsam — nicht nur im Ministerium — nach Lösungen zu suchen, wie wir mit dem Sofortausgleich zu etwas Besserem kommen. Aber mit ständiger Rechthaberei, mit „Ätsch, schon wieder ..." kommen wir nicht weiter.
— Ich weiß nicht, dann merken Sie nicht, wie das ankommt.
— Nein, da könnte ich Ihnen ganz andere nennen.
Also, wenn Sie nach Empfindlichen suchen, suchen Sie doch erst einmal im eigenen Bereich!
— Nein. Ach, kurz vor Weihnachten meine ich's ja nun wirklich ganz besonders gut, ich will's ja freundlich machen.
Noch eine letzte Bemerkung: Herr Kollege Erhard, ist es wirklich richtig, die Rentenversicherungen wie einen großen Moloch darzustellen, der schwindelhaft Gelder einbehält? Das Geld, über das wir hier reden — Frau Kollegin Lepsius und andere haben es gesagt —, ist doch das Geld der Solidargemeinschaft, das Geld derer, die die Beiträge aufbringen.
Wenn wir hier sagen, was das kostet und wie das hin-und hergeht, dann sind das doch nicht die Direktoren der Landesversicherungsanstalten, sondern es ist die Versichertengemeinschaft, die — mühsam genug — die Beiträge aufbringt.
Jetzt noch einmal: Was die Zahlen angeht, die wir hier angeführt haben, so ist das doch nicht der Jetzt-Wert. Ich habe Ihnen gesagt, daß es bei der Deut-
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Bundesminister Dr. Vogel
sehen Bundesbahn mit 140 000 Versorgungsempfängern bisher 147 Kürzungsfälle gibt. Unter diesen 147 Fällen sind vielleicht zwei, die vom Gericht gemeint sind; das sind zwei oder drei zu 140 000. Die Kosten, die wir angeben, sind Kosten, die nach 25 oder 30 Jahren vielleicht erstmals erreicht werden, wenn bis dahin eine ganze Generation von den gesetzlichen Möglichkeiten hat Gebrauch machen können. Auch hier auf der Tribüne sitzen eine Menge Leute, die meinen, morgen gehen 600 Millionen über den Tisch, und da sind irgendwelche Moloche, die nehmen noch einmal 40 Millionen. So ist es doch nicht!
Ich biete an, daß wir so sorgfältig wie möglich — mit den Sozialpolitikern zusammen — eine Regelung suchen. Um das zu erleichtern, wollen wir — ich sage es noch einmal — für die Vorversterbensfälle, die wirklich ärgerlich sind, schon im Verwaltungswege, wenn die Träger mitmachen, vorweg zur Rückgängigmachung der Kürzung kommen, damit da wirklich so schnell wie möglich eine Hilfe geleistet wird. — Herzlichen Dank für die erneute Geduld.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich weiß, daß eine auf Fakten beruhende Kritik Ihnen nicht gefällt. Warum sollte sie Ihnen auch gefallen? Aber warum sollte diese Kritik, wenn sie sachlich richtig ist, nicht angebracht werden? Nur weil sie Ihnen nicht gefällt? Das kann doch wohl nicht ernsthaft eine Position zwischen Regierung und Opposition sein.
Sie meinen, ich hätte mich hier in Selbstkritik ergangen. Das nötigt mir nicht mehr als ein müdes Lächeln ab. Denn Sie wissen, über wie viele Jahre wir diese Position, daß in diesem Gesetz Fehler enthalten seien — ich habe sie heute genannt —, vertreten haben, wie wir sie hier in der zweiten Lesung vertreten und dem Gesetz dann in der dritten Lesung unsere Zustimmung deshalb verweigert haben.
Im Vermittlungsausschuß ist dann ein mühseliger Kompromiß gefunden worden. Es sind nach unserer Auffassung ein paar kleine Giftzähne aus dem Gesetz herausoperiert worden, die denen, die geschieden werden, ein bißchen Spielraum belassen, der es ihnen ermöglicht, als mündige Menschen auch in ihrer Scheidung gegebenenfalls noch etwas zu bewirken. Es ist dann hier nicht mehr über alle anderen Vorschriften, sondern über das, was der Vermittlungsausschuß entschieden hat, abgestimmt worden, und die CDU/CSU hat zugestimmt. Wenn man dies dann zum Anlaß nimmt, zu sagen, wir hätten damit alles, wofür wir immer wieder eingetreten seien, aufgegeben, dann beginnt man, miteinander unredlich umzugehen.
Das möchte ich deshalb auf jeden Fall nicht unwidersprochen lassen.
Zu der höchst persönlichen Kritik, die Sie immer dann anbringen zu müssen meinen, wenn man Ihnen gegenüber ganz klar, und zwar in diesem Fall gestützt auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, dem ich ja weiß Gott nicht angehöre, wie Sie wissen, sondern die ich nur zitiere: Wenn Sie meinen, daß sei eine Häme, dann weiß ich nicht, was das eigentlich soll. Also!
Das Bundesverfassungsgericht hat doch nun einmal in der jahrelang in der Literatur und überall so umstrittenen Frage einer unabdingbaren Fristenregelung gesagt: Diese ist mit Art. 6 des Grundgesetzes, wo die Ehe geschützt wird, nicht vereinbar. Das habe nicht ich erfunden, sondern das hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Die CDU/CSU-Fraktion hat dafür überhaupt keine Klage erhoben, auch kein CDU-regiertes Bundesland — was ja möglich gewesen wäre —, sondern es ist eine Verfassungsbeschwerde gewesen. Nun hat das Gericht einer solchen armen Frau — um die ging's — recht gegeben und gesagt: Der Mann, der sich hier löst, verletzt seine Pflichten als geschiedener Ehemann in der Nachwirkung der Ehe. Das hat das Gericht gesagt.
— Na doch! Er war vom Gericht natürlich geschieden! Das Oberlandesgericht hat doch rechtskräftig geschieden! Und erst gegen die rechtskräftige Entscheidung ist doch die Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Oder wie ist unsere Rechtsordnung neuerdings? Das Oberlandesgericht konnte wegen dieser Frist nicht anders als scheiden, und hat das in sein Urteil geschrieben. So.
Ich und wir von der CDU stehen nun einmal auf dem Standpunkt, daß es auch zumutbare Elemente gibt, die für den, dem sie zugemutet werden, hart sind und daß nicht nur der eigene Wunsch, eine neue Ehe einzugehen, für das Verlassen und Geschieden- werden nach langjähriger Ehe von einer Frau und der Mutter der Kinder entscheidend sein darf, wie auch in diesem Fall hier, die eine ganz besondere Härte erlebt, wo dann amputiert wird und ähnliches mehr und sogar der Selbstmordversuch dann nachgewiesenermaßen besteht. Ist es nicht ein Glück, daß wir ein Verfassungsgericht haben, das über den einfachen Doktrinarismus, den wir gesetzt haben, hinaus sagt: Das geht nicht nach der Verfassung!
Habe ich etwa gesagt: Der andere wird von mir verurteilt? Ich habe gesagt: Er hat Pflichten, und die werden ihm ins Gedächtnis gerufen. Die sind unangenehm und hart. Es wird überhaupt nicht darüber gesprochen, daß die auch von uns als hart empfunden werden. Aber es darf in dieser Rechtsordnung nicht sein, daß der eine den anderen in den Dreck
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Erhard
tritt und dafür auch noch das rechtliche Prä, daß er recht getan hat, bekommt.
Die Fälle, die ich zitiert habe, sind j a gar nicht so furchtbar selten, wie Sie meinen. Ich kenne den Fall übrigens nicht aus meinem Wahlkreis, sondern aus dem Wahlkreis eines sozialdemokratischen Kollegen, der hier sitzt. Ich kenne andere Fälle, die genauso hoch gehen. Offenbar habe ich zu Hausmeistern bei der öffentlichen Hand einen besseren Kontakt als Sie. Ich weiß, was da ist.
Sonst würden Sie so etwas nicht sagen.
Jedenfalls: Muß die Rechtsordnung nicht für die Ausnahmefälle eine gerechte Lösungsmöglichkeit bereithalten, Herr Vogel? Oder muß die Rechtsordnung solches abschneiden? Wir stehen auf dem Standpunkt: Der Einzelfallgerechtigkeit muß das Recht eine Tür offenhalten. Darauf kommt es an.
Bei der Frage des Geldes sind wir uns darüber einig: Alle die Zahlen, die bei der zweiten Lesung vor fünf Jahren hier eine Rolle gespielt haben, ebenso die, die jetzt eine Rolle spielen, und das, was das kosten soll oder was die Versicherungsträger an höheren Ausgaben haben werden, das alles steht im Vorblatt, und das Vorblatt ist doch von Ihrem Ministerium gemacht. Da steht doch drin, was die Rentenversicherung an höheren Kosten hat und daß das dann eintreten wird, wenn das Gesetz voll durchgefahren ist, d. h. wenn alle die, die geschieden worden sind, im Querschnitt, statistisch, in Rente sind. Das ist selbstverständlich. Die höchsten Zahlen werden erst erreicht, wenn das alles eingetreten ist. Aber das Bundesverfassungsgericht sagt: Es gibt schon jetzt diese Fälle, die verfassungswidrige Ergebnisse zeitigen. Deshalb soll man bei diesen Zahlen nicht so tun, als gäbe es sie nicht, als gälten sie gar nichts, als hätten Sie sie vorne in das Vorblatt bloß zur Dekoration oder zur Begründung, warum gewisse Anteile nicht zurückübertragen werden sollen, hineinschreiben lassen. All das bleibt der weiteren Beratung vorbehalten.
Ich meine, wir könnten unbeschwert, aber nicht mit der gleichen Auffassung in die Beratungen des Ausschusses eintreten, und ich bitte Sie oder fordere Sie auf: Legen Sie die Auffassung, mit uns wäre nur in der Form des „du bist böse, und der andere ist es nicht" zu reden, ab, Herr Vogel! Auch für einen Kronprinzen ist es besser, diesen Stil zu verlassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Schlußworte von Herrn Erhard hätten, wären sie von den übrigen Ausführungen, die Sie, Herr Kollege Erhard, gemacht haben, getragen gewesen, den nahtlosen Übergang in die Ausschußberatungen ermöglicht — ganz problemlos, denn wir wollten uns ja die ganze Zeit unterhalten. Aber wenn hier schon so nachgekartet wird, wie ich das jetzt seit einer Stunde mit
anhöre, müssen wir doch einmal wissen, was die Christlich Demokratische Union in dieser Frage getan hat.
Deshalb begrüße ich zwar nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, denn wir hätten das vielleicht auch alleine nach und nach in Ordnung bringen können, aber die dadurch eröffnete Gelegenheit, hier der breiten deutschen Öffentlichkeit noch einmal klarzumachen, daß jeder, der hier auf den Bänken der Union sitzt, seinerzeit diesem Ehegesetz zugestimmt hat. Das ist wichtig.
Es ist Ihnen auf eine ganz besonders raffinierte Art gelungen, sich zunächst in die Reformwelle hineinzuschleichen im Zusammenhang mit einer Wahl, zu der Sie angetreten sind nach dem Rezept von Herrn Geißler mit der „Neuen Sozialen Frage" —
und wie die Dinge so hießen. Herr Geißler hatte das Ding erfunden, und Sie wollten mit dem schlanken reformerischen Fuß in die 76er Bundestagswahl hineingehen.
Daraufhin ist es dazu gekommen,
daß es da ein Gremium gab, das — wie Sie wissen, Herr Lenz — die Verfassung nicht vorsieht. Es gab ein Gremium, in dem eine Reihe von Leuten, die ich alle sehr hoch schätze — Sie waren dabei —, viele Nachmittage damit verbracht haben, darüber zu beraten, ob es wohl nützlich sein könnte, den Vermittlungsausschuß anzurufen. So etwas Listiges hatte es nach meiner Kenntnis vorher überhaupt noch nicht gegeben.
Diese Listigkeit haben wir gern mitgemacht, weil uns an der Sache gelegen war, weil wir endlich von dem wegwollten, was Sie uns 1961 mit Ihrer Nachtund-Nebel-Mehrheit hier mit dem § 48 Abs. 2 eingerührt hatten.
Das war doch der auslösende Anlaß.
Herr Abgeordneter Kleinert, Sie haben gesehen, daß der Abgeordnete Dr. Lenz gern eine Zwischenfrage stellen würde.
Bitte schön.
Herr Kollege Kleinert, im vollen Bewußtsein der Tatsache, daß dem Herrn Bundeskanzler zu widersprechen leicht, Ihnen zu widersprechen aber schwer ist, möchte ich an Sie die Frage richten, ob Sie bereit sind, mir darin zuzustimmen, daß im Jahre 1975, als sich die von Ihnen geschilderten Begebenheiten angeblich zugetragen haben sollen, der Generalsekretär der Christ-
386 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Dezember 1980
Dr. Lenz
lich Demokratischen Union Deutschlands nicht Reiner Geißler, sondern Kurt Biedenkopf war und daß dieser mit dem hier geschilderten Vorgang aber wirklich überhaupt nichts zu tun hat,
und sind Sie, Herr Kollege Kleinert, zweitens bereit, Ihr Gedächtnis noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob wir zusammengesessen haben, nachdem der Vermittlungsausschuß einberufen worden war, oder vorher? Ich kann mich an die Vorgänge noch ziemlich gut erinnern, und nach meiner Erinnerung hat es niemals einen Zweifel daran gegeben, daß dieses Gesetz so, wie es vom Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet worden war, unter gar keinen Umständen die Zustimmung des Bundesrates finden würde.
Mit Ihrem Gedächtnis ist das jetzt etwas problematisch. Das eine ist: Ich habe nicht „1975", sondern „1976" gesagt.
Die ganze Sache hat sich unmittelbar vor der Bundestagswahl 1976 abgespielt.
Damals hat der Herr Geißler die „Neue Soziale Frage" auf Ihrem Parteitag in Mannheim soeben taufrisch erfunden, um „dieses ganze neue Image" zu machen.
Anschließend, bevor der Vermittlungsausschuß zusammengetreten ist, haben wir in dem Kränzchen gesessen. Ich bestreite j a gar nicht, daß dabei Gutes herausgekommen ist. Nur Sie bestreiten das heute, und das ist es, was mich so foppt. Ich habe es nicht gerne, daß Sie sich dann da rückwärts wieder herausschleichen, wo Sie sich damals so mühsam vorwärts hineingeschlichen haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Herr Kollege Kleinert, sind Sie bereit, noch einmal zu überprüfen, wie lange Herr Biedenkopf Generalsekretär der Christlich Demokratischen Union war? Herr Geißler ist erst nach den Wahlen 1976 Generalsekretär geworden. Ich wehre mich nur dagegen, daß hier Dinge miteinander verbunden werden, die nichts miteinander zu tun haben.
Herr Lenz, so kraftvoll, wie Sie das gesagt haben, sehe ich das auch. Bloß: fest steht, daß diese „Neue Soziale Frage" der Trend war, mit dem Sie in die Bundestagswahl wollten. Ob Herr Geißler damals Generalsekretär oder Bundesgeschäftsführer — oder wer sonst gerade — war, ich bin doch nicht der Buchhalter Ihrer Personalquerelen.
Das ist j a gar nicht das Problem.
Ich versuche doch nur klarzumachen, aus welchem Antrieb nach den lauten und starken Worten gegen dieses Eherecht, die Sie hier gefunden haben, Sie dann schließlich versucht haben, sich in das Geschäft mit hineinzuhängen. Das war Ihre 76er Wahlkampfstrategie. Da haben Sie sich mit hineingehängt. Heute versuchen Sie hier, vor dem Hintergrund einer Entscheidung, die ich wegen des Perfektionismus etwas bedaure, sich wieder rückwärts zu bewegen. So geht das nicht. Sie waren dabei. Sie haben hier in der letzten Lesung zugestimmt, und Sie sind jetzt mit dabei.
Dann versuchen wir das zu tun, was Herr Erhard gesagt hat: ganz sachlich im Ausschuß über die Dinge zu reden. Bloß nicht hier die Gelegenheit benutzen, nochmals den falschen Eindruck zu unterstreichen, den Sie in der Öffentlichkeit erweckt haben: Sie hätten mit diesem Eherecht, das uns die So-pos mit ihren Kompliziertheiten eingebröselt haben, nichts zu tun. Die Rechtspolitiker wollten etwas ganz Einfaches. Was die Christenunion 1961 ruiniert hat an Minimalforderungen eines modernen Eherechts,
das wollten wir wieder in Ordnung bringen. Daß wir dann in ganz schwieriges Gewässer gekommen sind — nach Einschalten der Sozialpolitiker —, das ist allen drei Fraktionen seinerzeit klar gewesen. Wenn man Sozialpolitiker einschaltet, ist das immer ganz schwieriges Gewässer.
Aber das ist für Sie überhaupt kein Grund, sich hier aus der Grundverantwortung für das, was Sie 1961 angerichtet haben und dann glücklicherweise 1976 mit ausgelöffelt haben, herausschleichen zu wollen.
Nur das wollte ich bei der Gelegenheit noch einmal ganz deutlich machen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 9/34 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Verteidigungsausschuß sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Wenn das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden ist — ich sehe keinen Widerspruch —, dann ist so beschlossen.
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Präsident Stücklen
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 1 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 3. November 1980 eingegangenen Petitionen
— Drucksache 9/21 —
b) Beratung der Sammelübersicht 2 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 9/32 —
Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer diesen Beschlußempfehlungen zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 16 und 17 der Tagesordnung auf:
Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksache 9/30 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksache 9/31 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlagen der Bundesregierung auf den Drucksachen 9/30 und 9/31 an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksache 9/41 —
Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Welche Maßnahmen leitet die Bundesregierung ein, um sicherzustellen, daß der Zuckerbedarf für die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft 1981/1982 gedeckt werden kann, und wie hoch sind derzeit die Weltmarktpreise für Zucker im Verhältnis zu dem Marktordnungszuckerpreis in der Europäischen Gemeinschaft?
Bitte.
Herr Kollege Eigen, die Erzeugung von Zucker in der Europäischen Gemeinschaft reicht aus, um zum einen den Bedarf der Bevölkerung in der Bundesrepublik und in der Europäischen Gemeinschaft voll zu dekken und zum anderen durch Ausfuhren einen Beitrag zur Versorgung des Weltmarkts zu leisten. Ein unbegrenztes Abfließen von Zucker kann durch Festsetzen von Ausfuhrabschöpfungen verhindert werden.
In der Neukonzeption der EG-Zuckermarktregelung ab 1981, die zur Zeit in Brüssel beraten wird, sind Regelungen enthalten, die auch zukünftig eine ausreichende Zuckererzeugung und -versorgung der Gemeinschaft sicherstellen.
In den letzten Monaten betrugen die Weltmarktpreise für Weißzucker an der Pariser Börse bis zu rund 188 DM je 100 kg, d. h., der EG-Interventionspreis für Weißzucker mit rund 127 DM je 100 kg wurde um ca. 50 % überschritten.
In jüngster Zeit zeigen die Weltmarktpreise jedoch starke Schwankungen bei teilweisem Absinken bis auf EG-Niveau. Die Pariser Börse notierte jedoch vorgestern schon wieder 143 DM.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir mitteilen, ob es irgendwo in der Welt zum EG-Inlandspreis im Moment Zucker gibt? Wenn Sie das nicht können: Können Sie mir dann bestätigen, daß die EG-Marktordnung für Zucker für die Verbraucher eine außerordentlich positive Bedeutung hat?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das erste kann ich Ihnen nicht absolut bestätigen, da bis vor wenigen Tagen sowohl an der Pariser Börse als auch an der Londoner Börse der Zuckerpreis wieder abgesunken war, zum Teil sogar leicht unter EG-Niveau.
Das zweite möchte ich Ihnen gern bestätigen, nämlich daß, wenn wir die EG-Zuckermarktordnung im letzten halben oder Dreivierteljahr nicht gehabt hätten, die Verbraucher wesentlich höhere Preise für Zucker hätten zahlen müssen.
Zweite Zusatzfrage, bitte sehr.
Würden Sie, Herr Staatssekretär, dann bitte die Freundlichkeit haben, auf die Mitglieder der Bundesregierung einzuwirken, damit diese mit der Diskriminierung der EG-Agrarpolitik endlich Schluß machen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat die EG-Agrarpolitik nie diskriminiert. Deshalb habe ich keinen Anlaß, Ihrer Aufforderung nachzukommen.
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Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Welche Wettbewerbsvorteile gegenüber der deutschen Landwirtschaft hat im EG-Raum die Landwirtschaft anderer Mitgliedstaaten bei der Fleisch- insbesondere aber Schweineproduktion, und wann wird die Bundesregierung der deutschen Landwirtschaft zu den gleichen Wettbewerbschancen verhelfen, wie sie z. B. die niederländische Landwirtschaft hat?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Präsident, gestatten Sie, daß ich beide Fragen zusammen beantworte?
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Warum gibt es keine wirksame Importkontrolle, die es ausschließt, daß landwirtschaftliche Produkte aus anderen Ländern eingeführt werden, die unter Mißachtung der für die deutsche Landwirtschaft bindenden Vorschriften, die dem Schutz des Verbrauchers dienen, erzeugt wurden, und wann wird die Bundesregierung die damit verbundenen Wettbewerbsnachteile für die deutschen Erzeuger beseitigen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die deutsche Landwirtschaft hat sich bisher auf dem Gemeinschaftsmarkt und den Drittlandsmärkten insgesamt gut behaupten können. Das gilt insbesondere für die Rindfleischproduktion und grundsätzlich auch für die Entwicklung der Marktanteile der deutschen Schweinefleischerzeuger. Eine solche Entwicklung wäre nicht möglich gewesen, wenn die deutsche Landwirtschaft gegenüber der Landwirtschaft in anderen Mitgliedstaaten im Wettbewerb benachteiligt gewesen wäre.
Damit möchte ich nicht ausschließen, daß die Kostenstruktur in den Mitgliedstaaten Unterschiede aufweisen kann. Das ist die Folge teilweise noch unterschiedlicher nationaler Gesetzgebungen, etwa zum Immissions-, Gesundheits- und Tierschutz, um nur einige Beispiele zu nennen. Es ist daher ein besonderes Anliegen der Bundesregierung, daß diese Bereiche, soweit noch nicht geschehen, möglichst bald harmonisiert werden, um gleiche Rahmenbedingungen für den Wettbewerb zu schaffen.
Ich verweise hier auf die jüngsten Bemühungen zur Harmonisierung der Verwendung von Substanzen mit hormonaler oder thyreostatischer Wirkung. Im Ministerrat steht eine entsprechende Richtlinie kurz vor der Verabschiedung. Des weiteren verweise ich auf Bestrebungen, die auf Initiativen von Bundesminister Ertl zurückgehen, die Haltung von Legehennen in Käfigbatterien EG-einheitlich bestimmten Mindestanforderungen zu unterwerfen.
Im Verhältnis zu den Erzeugern in den Niederlanden gibt es zwar gewisse Vergünstigungen, die auf Grund des WIR-Gesetzes generell bei Investitionen der Wirtschaft gewährt werden und daher auch der dortigen Landwirtschaft zugute kommen. Insgesamt gesehen dürften jedoch unter Berücksichtigung auch der Unterschiede im Steuersystem die Wettbewerbsbedingungen für die deutschen Fleischerzeuger nicht ungünstiger sein als die ihrer niederländischen Konkurrenten.
Die Bundesregierung achtet im Interesse gleicher Wettbewerbsbedingungen für die deutschen Landwirte seit jeher darauf, daß Kontrollen, die dem Schutze des Verbrauchers dienen, im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Warenverkehr in nicht diskriminierender Weise gehandhabt werden. Die Bundesregierung wird daher auch weiterhin dafür Sorge tragen, daß in die Bundesrepublik importierte Waren nach den gleichen Kriterien kontrolliert werden, wie das für in Deutschland erzeugte Produkte der Fall ist.
Nach den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie sie der Europäische Gerichtshof mehrfach bestätigt hat, soll in Übereinstimmung mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit die Untersuchung der Ware bereits im Versandstaat stattfinden und von diesem durch beweiskräftige Bescheinigungen bestätigt werden. An der Grenze darf eine nochmalige Untersuchung nur vorgenommen werden, wenn ausreichende Bescheinigungen über die bereits durchgeführten Kontrollen nicht vorliegen oder sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, daß Kontrollen nicht oder nicht in ausreichendem Umfange stattgefunden haben.
Wegen des zur Zeit generell bestehenden Verdachts der Verwendung von Östrogenen bei der Aufzucht von Kälbern hat der Bund die Länder gebeten, an den Grenzen verstärkte Kontrollen durchzuführen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, in welcher Höhe bekommen niederländische Landwirte nach dem WIR-Gesetz — Sie hatten es eben erwähnt — Zuschüsse für Investitionen, und wie hoch sind in den Niederlanden im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland die Untersuchungsgebühren für Schlachtschweine? Falls Sie das nicht wissen, kann ich dann eine schriftliche Antwort bekommen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Investitionsförderung nach dem niederländischen WIR-Gesetz, die Sie angesprochen haben, sieht im Bereich der Fleischproduktion keine Bezuschussung des Kaufs von Schweinen oder Rindern, die zur Mast bestimmt sind, vor — im Gegensatz zur Bezuschussung des Kaufs von Legehennen. Die Bezuschussung des Kaufs von Legehennen ist zwischenzeitlich auf Intervention der Kommission und der deutschen Regierung beseitigt worden.
Gewährt wird eine Investitionsprämie für die Errichtung von Gebäuden, Stallbauten. Diese betrug ursprünglich 23 % und ist nunmehr, auch auf Beschwerden der deutschen Regierung hin — Minister Ertl hat mehrmals bei der Kommission Beschwerde eingelegt —, auf 18 % ermäßigt worden.
Zu berücksichtigen haben wir demgegenüber die Vorteile — wie Sie in Ihrer Frage auch andeuten —, die sich für die deutsche Landwirtschaft ergeben, wie die Möglichkeit von Abschreibungen für Investitionen für buchführende Betriebe in Höhe von 50 für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und in Höhe von 30 % für Gebäude in den ersten drei Jahren nach der Anschaffung. Entsprechende Vergünstigungen gibt es in der Bundesrepu-
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Dezember 1980 389
Parl. Staatssekretär Gallus
blik Deutschland auch für nichtbuchführende Betriebe.
Zu berücksichtigen sind auch die sonstigen Unterschiede im Steuersystem. Die niederländischen Landwirte unterliegen der normalen Einkommensteuerveranlagung, das heißt, es gibt dort überhaupt kein Pauschalierungssystem wie bei uns. Der Spitzensteuersatz beträgt dort 72 %, in Deutschland dagegen nur -56 %.
Eine weitere Zusatzfrage.
Nachdem Sie die zweite Hälfte meiner Frage nicht beantwortet haben, darf ich Sie doch fragen: Welche Östrogene und sonstigen Hormone werden in den anderen EG-Ländern im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland verwendet, und wird sich die Bundesregierung für ein generelles Verbot der Östrogene einsetzen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe bereits im allgemeinen Teil meiner Antwort darauf hingewiesen, daß in bezug auf eine Vereinheitlichung des Gebrauchs von Östrogenen und allem, was sonst noch dazu gehört, bei der EG eine Richtlinie vor der Verabschiedung steht.
Dritte Zusatzfrage, Herr Kollege Stutzer.
Herr Staatssekretär, welche Strafandrohungen gibt es denn in den anderen EG-Ländern bei Verwendung von Östrogenen, Hormonen und anderen unzulässigen Stoffen, und wie beurteilen Sie diese Strafandrohungen im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann im Augenblick nicht sagen, wie die Strafandrohungen in den übrigen Ländern aussehen. In der Bundesrepublik Deutschland ist es so: Ordnungswidrigkeiten bis zu 50 000 DM, Straftaten mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, mindestens aber vier Wochen. Bei der Geldstrafe gibt es in der Bundesrepublik keine Mindeststrafe.
Letzte Zusatzfrage, Herr Kollege Stutzer.
Herr Staatssekretär, können Sie mir nun konkret sagen, was wir den Bauern vor Ort antworten sollen, deren Stimmung heute miserabel ist, wenn die uns fragen, wie lange die Bundesregierung noch warten will, bis unsere Landwirtschaft im Rahmen der EG die gleichen Wettbewerbschancen hat wie die anderen nationalen Landwirtschaften?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, genau das, was ich Ihnen vorgetragen habe. Ich habe- da nichts hinzuzufügen. Die Meinung vieler unserer Landwirte, daß es Wettbewerbsverzerrungen in der EWG nur in einer Richtung geben würde, ist irrig. Tatsächlich gibt es auch Wettbewerbsverzerrungen, von denen andere behaupten — z. B. meinen dies die Niederländer gegenüber der Bundesrepublik —, daß
z. B. durch eine günstigere Besteuerung unsere Landwirtschaft besser gestellt sei.
Zusatzfrage, Herr Kollege Eigen.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben ausgeführt, daß auch in der Bundesrepublik Deutschland durch Abschreibungen gewisse Vorteile zu erlangen sind. Würden Sie mir zustimmen, daß das WIR-Gesetz in Holland eine stärkere Förderung bedeutet? Wie wirkt sich die 20%ige Kürzung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz jetzt aus, die j a gerade im Bereich der einzelbetrieblichen Investitionen eine Rolle spielt? Kommt es hier nicht zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen?
Gallus, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß Ihnen zugeben, daß das WIR-Gesetz in Holland einen Push in Richtung auf höhere Investitionen hervorgerufen hat und dadurch sicher auch die Produktion in den sensiblen Bereichen der Überschußprodukte angekurbelt worden ist. Weil das so ist, haben wir Einspruch eingelegt. Das gleiche hat die Kommission getan. Das hat zu einer Reduzierung der Prämien in Holland geführt.
Ich glaube, daß Ihre Gedanken nur dahin gehend einen Niederschlag finden können, durch weitere Verhandlungen in der EWG über das vorgelegte Strukturpaket — über das die Diskussion noch nicht abgeschlossen ist —, sich zu verständigen, wie und in welcher Höhe in der Zukunft im strukturellen Bereich in ganz Europa weiter verfahren werden soll. Das ist bis jetzt noch eine offene Frage.
Zweite Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, Sie wissen doch, daß es in Deutschland Rückstandsverordnungen gibt, die bei pflanzlichen Produkten mit Rückständen von 60 Substanzen, deren Anwendung in Deutschland verboten ist, die Einfuhr erlaubt, und daß dies in der Bundesrepublik Deutschland bei tierischen Produkten für über 20 Substanzen gilt. Würden Sie mir nicht doch zustimmen, daß in diesem Bereich ganz erhebliche Wettbewerbsverzerrungen entstanden sind, die zu direkten Produktionsverlagerungen geführt haben?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen hier leider nur teilweise zustimmen. Ihre Annahme, die Rückstandsverordnung enthielte keine Höchstwertgrenzen für die Pflanzenschutzmittel, die bei uns verboten sind, ist völlig irrig. Es gibt nämlich Pflanzenschutzmittel, die bei uns längst verboten sind, von denen aber noch Rückstände im Boden vorhanden sind, die auch bei der nachfolgenden Kultur über Jahre hinweg von der Pflanze aufgenommen werden. Wenn wir hier die Toleranzgrenze bei null gesetzt hätten, dann könnte ein deutscher Gärtner manche Produkte nicht auf dem Markt verkaufen. Das gleiche gilt im Bereich des Fleisches. Auch hier gibt es die Tatsache, daß Östrogen usw. in Deutschland verboten ist und vie-
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Parl. Staatssekretär Gallus
les andere mehr. Niemand kann aber verhindern, daß über den Umweg der Futtermittel, die wir ja in gewaltigem Ausmaß einführen, Substanzen in die Tiere hineinkommen, vor denen andererseits der Verbraucher durch entsprechende Toleranzgrenzen in der Verordnung geschützt werden mußte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, Ihre Schlußbemerkung in der ersten Antwort auf die Anfrage ließ vermuten, Sie wollten den Eindruck erwecken, daß außerhalb der Bundesrepublik in den EG-Staaten vieles Bedenkliche erlaubt oder praktiziert wird, während in der Bundesrepublik alles im reinen sei. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, daß in verschiedenen Ländern staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Mißbrauchs von Östrogen stattfinden, daß Hunderte von Kälbern aus dem Verkehr gezogen worden sind? Würde es nicht ein falsches Bild geben, wenn Sie die Aussage so stehen ließen: als ob unsere Bauern alle Engel wären?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Frage, die an mich gerichtet war, hat sich auf die Verbote der entsprechenden Substanzen bezogen, und nicht auf das, was hier auf dem Schwarzmarkt gehandelt worden ist. Auch Hasch ist in Deutschland verboten. Trotzdem haben wir hier ein gewaltiges Problem bei den Menschen. Ich habe die Antwort gegeben, die von der Gesetzgebung her notwendig gewesen ist. Das andere ist sehr zu bedauern. Ich habe auf die Frage geantwortet, welche Strafen im Zusammenhang mit der Verwendung von Östrogen in der Bundesrepublik Deutschland angedroht sind. Ich glaube, daß wir den übrigen EG-Staaten immer einen Schritt insofern voraus waren, als die deutsche Futtermittel-, Arzneimittel- und Lebensmittelgesetzgebung die härteste in Europa ist. Gerade die Vorgänge bei Östrogen sind mit dazu angetan, daß auch die übrigen Staaten jetzt bereit sind, einer Harmonisierung in diesem Bereich zuzustimmen.
Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Immer.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß Sie nicht den Weg gehen wollen eine Wettbewerbsverzerrung dadurch zu beseitigen, daß man hier erleichtert, sondern dadurch, daß man durchsetzt, daß auch in den anderen EG-Staaten dieselben Gesetze angewendet werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, daß es bisher immer schon unser Bestreben war, eine Harmonisierung in diesen Bereichen auf unserem Niveau zu bekommen. Diese Verhandlungen waren aber sehr zählebig. Jetzt, nachdem die anderen EG-Staaten, die auf dem deutschen Markt absetzen wollen, sehen, was entstanden ist, sind sie viel eher bereit gewesen, hier in zügige Verhandlungen einzutreten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Stiegler auf:
Hat sich nach Auffassung der Bundesregierung das Dorferneuerungsprogramm im Rahmen des Programms für Zukunftsinvestitionen bewährt, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Dorferneuerungsprogramm generell in der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" auch für die Zukunft fortzuschreiben?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, die Abwicklung des Programms für Zukunftsinvestitionen hat nach Auffassung der Bundesregierung im Programmteil Dorferneuerung im Sinne der Zielsetzung des gesamten Programms, insbesondere Verbesserungen der Wachstumsbedingungen sowie Stabilisierung des Konjunkturklimas, eine positive Bilanz aufzuweisen. Die durch die Förderung der Dorferneuerung initiierten Investitionen übersteigen den Mittelansatz des Bundes um ein Mehrfaches. Das sachliche Bedürfnis nach Maßnahmen der Dorferneuerung und deren Beitrag zur Erhaltung der Lebensfähigkeit ländlicher Räume stehen nach Auffassung der Bundesregierung außer Zweifel.
Die Frage einer Fortführung der Förderung der Dorferneuerung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes wird zur Zeit innerhalb der Bundesregierung und mit den Ländern geprüft. Die derzeit schwierige Haushaltslage im Bund und in den Ländern macht es allerdings erforderlich, die Frage besonders sorgfältig zu prüfen, zumal eine spürbare Reduzierung des Mittelansatzes für die Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen ist. Eine Entscheidung steht noch aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Maßnahmen der Dorferneuerung neben der Verbesserung der Struktur im ländlichen Raum gerade in einer Zeit im ländlichen Raum schwieriger werdender Konjunktur mithelfen könnten, Impulse und Anstöße zu geben, und werden Sie das bei den kommenden Beratungen berücksichtigen, wenn es um die Entscheidung geht, ob dieses Programm fortgesetzt wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin Ihrer Überzeugung. Ich bitte Sie mitzuhelfen, daß alle politisch Verantwortlichen zu dieser Überzeugung kommen.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, haben Sie eine Übersicht, in welchen Gemeindegrößenklassen dieses Vorläuferprogramm, wie ich es nennen möchte, im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms abgewickelt worden ist, ob sich hier ein Schwerpunkt abzeichnet, und können Sie mir das mitteilen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen mitteilen, und ich kann Ihnen jetzt schon aus dem Handgelenk sagen, daß das Programm sehr unter-
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Parl. Staatssekretär Gallus
schiedlich gehandhabt worden ist. Die meisten Vorhaben entfallen auf die mehr im Süden gelegenen Länder, wie Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg usw., weil sie in den Dörfern nur einfache Aufgaben vollzogen haben, während z. B. in Bayern im Zusammenhang mit der Flurbereinigung Schwerpunktmaßnahmen in den Dörfern zur Umstrukturierung finanziert worden sind. Dort sind es dann weniger Maßnahmen, aber die vollzogenen Maßnahmen hatten größere Ausmaße.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, werden Sie angesichts dieser Äußerungen dafür sorgen, daß bei den Haushaltsberatungen die Frage, ob die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz um 20 % gekürzt werden soll, noch einmal sehr sorgfältig überdacht wird? Wenn man die Dorferneuerung wirklich will, kann man unmöglich das Programm, das hier helfen soll, auch noch kürzen. Auch der Küstenschutz kann nicht gekürzt werden. Es fragt sich, wo gekürzt werden soll, wenn so große Mittel abgezogen werden sollen.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist nicht meine Aufgabe, als Vertreter der Bundesregierung, bei den Haushaltsberatungen dafür zu sorgen, daß womöglich in Ihrem Sinne eine Wende stattfindet.
Die Bundesregierung hat eine Kürzung der Haushaltsmittel für die Gemeinschaftsaufgabe um 20 % vorgelegt, und damit liegt der Haushalt zur Beratung in den Händen des Parlaments.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz .
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, entsprechend dem überdurchschnittlichen Nachholbedarf des Zonenrandgebietes auf dem Sektor der Dorferneuerung, diesem Anliegen mehr als bisher Rechnung zu tragen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Frage sollten Sie nicht an mich, sondern an das Land Bayern richten, aus dem Sie kommen. Wenn die Dorferneuerung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe wieder in den Haushalt eingestellt wird — es ist auch eine Frage des Planungsausschusses, wie die Länder sich entscheiden —, dann ist es eine Sache der jeweiligen Länder, die dann einem Land zustehende Quote so zu verteilen, daß z. B. das Zonenrandgebiet im Bereich Bayern entsprechend stärker berücksichtigt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Immer.
Herr Staatssekretär, wenn es nicht möglich ist, dieses Programm in die Gemeinschaftsaufgabe aufzunehmen, ziehen Sie dann in Erwägung, eine Anregung zu geben, daß dieses Programm im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes so verankert wird, daß es dort mit einer bestimmten Quote eingebracht wird und dann nach ganz bestimmten Kriterien weiterläuft? Es geht um die Fortführung einer solchen Maßnahme.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das sehe ich im Augenblick nicht. So, wie die Dorferneuerung bisher als Zukunftsinvestitionsprogramm im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe über die Etats der Landwirtschaftsminister, auch in den einzelnen Ländern, vollzogen worden ist, hat das eine sehr positive Auswirkung gehabt, und es ist so gehandhabt worden, daß die Mittel schnell abgeflossen' sind. Ich glaube, wenn man das in der Zukunft weiter so gestalten könnte, wird es der Sache nützen.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich sind damit beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Herr Staatssekretär Lahnstein steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Treffen Presseberichte zu , wonach die Bundesregierung sich bereit erklärt hat. dem Waffenhändler Gerhard Mertins fünf Millionen D-Mark zu zahlen, um seine Ansprüche aus Waffenlieferungen, die mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes getätigt wurden, abzugelten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsident, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten betreffen den gleichen gerichtlichen Vorgang. Ich möchte daher fragen, ob ich beide Fragen zusammen beantworten kann.
Können sie zusammen beantwortet werden, Herr Abgeordneter Hansen?
Ja.
Dann rufe ich auch die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Trifft es zu, daß dieses „Arrangement" geheim vor dem Oberlandesgericht Köln unter Ausschluß des Protokollführers getroffen wurde, und wie vereinbart sich eine solche Regelung gegebenenfalls mit den Vorschriften der Zivilprozeßordnung?
Bitte schön.
Lahnstein, Staatssekretär: Ich beantworte die Fragen 78 und 79 wie folgt.
Die Bundesregierung hat auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Oberlandesgericht Köln an die MEREX AG den genannten Betrag gezahlt. Ohne mir die Presseberichterstattung zu eigen machen zu wollen, füge ich hinzu: Über die Frage der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffenexportgeschäften der MEREX AG hat die Bundesregierung bereits im Mai 1975 das damalige Parlamentarische Vertrauensmännergremium für die Nachrichtendienste eingehend unterrichtet. Der gleiche Problemkreis ist im Jahre 1975 auch Gegenstand von Fragestunden des Deutschen Bundestages gewesen.
392 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Dezember 1980
Staatssekretär Lahnstein
Da es sich hier um einen ordentlichen gerichtlichen Vergleich handelt, kann sich die Bundesregierung den Begriff des „Arrangements" in diesem Zusammenhang nicht zu eigen machen. Der in Frage stehende Prozeßvergleich ist am 30. Mai 1980 vor dem 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln in nichtöffentlicher Sitzung ohne Hinzuziehung eines Protokollführers geschlossen worden. Die Offentlichkeit war durch Gerichtsbeschluß gemäß § 172 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgeschlossen worden. Der Senatsvorsitzende konnte nach § 159 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung von der Hinzuziehung eines Protokollführers absehen.
§ 172 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes lautet in seinem wesentlichen Teil:
Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn
1. eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist, .. .
§ 159 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung heißt in seinem relevanten Text:
Für die Protokollführung ist ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle hinzuzuziehen, wenn nicht der Vorsitzende davon absieht.
Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Köln und des Senatsvorsitzenden sind also mit dem Gerichtsverfassungsgesetz und der Zivilprozeßordnung voll vereinbar.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen, bitte.
Herr Staatssekretär, welche Nachteile oder Gefahren für die öffentliche Ordnung und die Sittlichkeit oder für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen die Verwendung von Millionen DM an Steuergeldern, um Vorgänge und Beteiligung an gesetzlich verbotenen Waffengeschäften in den 60er Jahren vor dem Bekanntwerden in der Öffentlichkeit zu schützen?
Lahnstein, Staatssekretär: Sie fragen im ersten Teil, Herr Abgeordneter, nach Vorgängen, die ihrem Charakter nach eben dazu geführt haben, daß das Oberlandesgericht Köln verfahrensmäßig so vorgegangen ist, wie es vorgegangen ist. Aus dem gleichen Grunde habe ich in meiner ersten Antwort darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung in dem dafür vorgesehenen Gremium der Parlamentarischen Vertrauensmänner im Jahre 1975 bereits auf Ihre Fragen eingegangen ist.
Sie haben im zweiten Teil Ihrer Frage darauf hingewiesen, daß die in Frage stehenden Vorgänge zeitlich bereits weit zurückliegen. Dies ist richtig. Aber auch heute noch könnten durch die regierungsamtliche Bekanntgabe von Einzelheiten insbesondere unsere auswärtigen Beziehungen gefährdet werden. Dies ist nicht nur meine persönliche Auffassung, sondern auch die des Auswärtigen Amtes.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß in einem Rechtsstaat das Prinzip uneingeschränkt Gültigkeit haben muß, daß alle strafbaren Handlungen zu verfolgen sind, und zwar ohne Ansehen der Person, wie es auch bekräftigt wurde von dem Parlamentarischen Staatssekretär de With in der von Ihnen angezogenen Fragestunde vom 3. Dezember 1975, und daß keinesfalls das Prinzip der politischen Opportunität eingeführt werden darf, schon gar nicht durch die Regierung selbst und schon gar nicht dann, wenn die Regierung selber betroffen ist?
Lahnstein, Staatssekretär: Ich bin Ihrer Auffassung, Herr Abgeordneter. Nur, hier ist es auch nicht nach dem Grundsatz der politischen Opportunität gegangen, sondern streng nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes.
Dritte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, wenn Öffentlichkeit Kernbestandteil von Demokratie ist — und ich hoffe, da stimmen wir überein —, gebietet dann nicht die von Ihnen auch angezogene Staatsräson und vor allen Dingen die Glaubwürdigkeit eines demokratischen Rechtsstaates — ich betone: demokratischen — die vollständige Offenlegung aller Vorgänge gerade dann, wenn auch Regierungsangehörige in zwielichtige Waffengeschäfte verwickelt waren, zumal diese ja schon anderthalb Jahrzehnte zurückliegen, und wird durch die Geheimhaltung solcher Vorgänge nicht die Vermutung bestärkt, Politik sei ein schmutziges Geschäft?
Lahnstein, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich kann mir Ihre Wertung der Vorgänge nicht zu eigen machen. Im übrigen spricht das Gerichtsverfassungsgesetz auch nicht von der Staatsräson, sondern von Staatssicherheit. Ich wiederhole: Das Gerichtsverfahren vor dem Oberlandesgericht in Köln ist streng nach Recht und Gesetz abgewickelt worden.
Die letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird nach diesem Präzedenzfall in Zukunft jeder, der auf amtliche Anregung hin illegal in Waffengeschäften tätig wird, mit einer ähnlich hohen Gratifikation aus Steuermitteln rechnen können?
Herr Staatssekretär, es ist für mich etwas schwierig, immer zu erkennen, ob die Fragen in dieser Weise zulässig sind.
Es ist für mich deswegen schwierig, weil mit Ihrer ersten Antwort diese Fragen eigentlich alle beantwortet sind.
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Vizepräsident Frau Renger
— Verzeihen Sie, Herr Kollege, diese letzte Frage scheint mir nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage zu stehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Coppik.
Herr Staatssekretär, auf welcher Rechtsgrundlage beruhten die Ansprüche der Firma MEREX AG, wie sie vor dem Gericht geltend gemacht wurden und nachher Gegenstand des Vergleichs wurden, wodurch sie j a bereinigt worden sind?
Lahnstein, Staatssekretär: Ich wiederhole: Wesentliche Rechtsgrundlage für den gerichtlichen Vergleich vor dem Oberlandesgericht Köln, Herr Abgeordneter, war § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit Art. 34 unseres Grundgesetzes.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Coppik.
Wenn es so war, daß § 839 die Grundlage gewesen ist, dann frage ich, ob die Bundesregierung beabsichtigt, die für die damaligen Geschäfte Verantwortlichen in Regreß zu nehmen.
Lahnstein, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, für die Bundesregierung ist mit diesem gerichtlichen Vergleich vor dem Oberlandesgericht Köln der Rechtsfrieden wiederhergestellt. Das war auch die Absicht aller Parteien bei diesem Vergleich.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Meinike.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob es allgemein üblich ist, daß bei Waffenlieferungen, auch bei illegalen, Umsatzsteuerrückvergütungen gewährt werden, daß aber im Fall Mertins darauf verzichtet worden ist, diese Umsatzsteuer zu vergüten, weil sie gewissermaßen im Rahmen der 5 Millionen DM aufgefangen werden konnte?
Lahnstein, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Sie fragen zum Teil mit Unterstellungen, die ich mir nicht zu eigen machen kann. Zutreffend ist, daß Vermögensschädigung nicht bei Herrn Mertins, sondern bei der MEREX AG die Grundlage für den Vergleich gewesen ist.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meinike.
Darf ich annehmen, daß Ihre Antwort so zu verstehen ist, daß im Rahmen des Vergleichs gewissermaßen auch die Umsatzsteuerrückvergütungen gegengerechnet worden sind?
Lahnstein, Staatssekretär: Das dürfen Sie nicht annehmen, Herr Abgeordneter.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, wann wird die Bundesregierung mit der Ankündigung der Regierungserklärung Ernst machen, zukünftig alle Waffenexportgeschäfte offenzulegen, um in Zukunft die Verantwortlichen — —
Herr Kollege Thüsing, das hängt nun wirklich nicht mit der Frage nach dem Prozeß zusammen. Das entspricht nicht den Richtlinien für die Fragestunde. Es tut mir leid. — Aber Sie möchten eine weitere Zusatzfrage stellen, bitte.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie meiner Meinung zu, daß der von Ihnen hier erläuterte Vorgang nach wie vor den Verdacht erhärtet, hier hätten sich Täter und Anstifter hinter verschlossenen Türen gegenseitig reingewaschen?
Auch diese Frage kann ich nicht zulassen. Es tut mir leid, Herr Kollege.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Die Frage 80 des Abgeordneten Kirschner wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär Lahnstein.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Huonker zur Verfügung.
Ich rufe Frage 81 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Hat der Ständige Vertreter der Bundesregierung in der DDR, Staatssekretär Gaus, zu irgendeinem Zeitpunkt während seiner Amtszeit durch Zusage, Inaussichtstellung oder auf andere Weise der DDR-Regierung signalisiert, daß in der Frage der einen deutschen Staatsangehörigkeit oder in der Frage der besonderen innerdeutschen Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutschland die Bundesregierung zu Entgegenkommen bereit sein könnte, oder daß er sie zu Entgegenkommen veranlassen werde, die von der bisherigen Rechtslage abweichen, die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 1973 niedergelegt ist?
Bitte, Herr Staatsminister.
Herr Kollege, ich beantworte die Frage mit Nein.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, beruht Ihre Antwort auf einer Vergewisserung bei der Person, nach deren Äußerungen ich gefragt habe, nämlich bei Herrn Staatssekretär Gaus?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben alle uns verfügbaren Quellen untersucht. Das Ergebnis dieser Untersuchung führt zu der Antwort: Nein.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
394 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Dezember 1980
Herr Staatsminister, paßt Ihre Antwort, die Sie mir jetzt gegeben haben, zu der außergewöhnlichen Zurückhaltung, die sich die Bundesregierung in den letzten Tagen angesichts der außerordentlich massiven Forderungen der DDR-Führung nach Herstellung voller völkerrechtlicher Beziehungen und nach Anerkennung der DDR-Staatsangehörigkeit auferlegt hat, und — wenn ja — ist diese Frage wirklich auf Grund erschöpfender Recherchen beantwortet worden?
Huonker, Staatsminister: Wir haben uns, Herr Kollege, um noch einmal auf Ihre vorige Frage zurückzukommen, im Rahmen des überhaupt Möglichen sachkundig gemacht. Die Tatsache, daß wir nicht auf jede Forderung der DDR nach Anerkennung einer eigenen Staatsangehörigkeit usw. jeweils erwidern, hängt damit zusammen, daß es sich hier um Forderungen handelt, die seit vielen Jahren immer wieder erhoben werden. Die Rechtspositionen der Bundesregierung zu diesen Forderungen, Herr Kollege, sind eindeutig und klar. Es gibt, wenn ich das hinzufügen darf, in diesen Punkten auch keinen Dissens zwischen den Fraktionen dieses Hauses.
Ich rufe Frage 82 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwarz-Schilling auf:
Hat der Planungsstab des Bundeskanzleramts Sorge um das Sendemonopol der öffentlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland, und sieht er private Programmgestalter als „Hugenbergs" an, und wird die Bundesregierung auf Grund dieser Betrachtungsweise alle juristischen und technischen Möglichkeiten zur Abwehr privater Programme ausschöpfen und damit gleichzeitig in Kauf nehmen, daß der Grundsatz des „free-flow-of-informations" über die nationalen Grenzen hinweg eingeschränkt bzw. zerstört wird?
Bitte schön.
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, ich beantworte Frage 82 wie folgt: Die Bundesregierung sorgt sich um den Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Charakters der elektronischen Medien. Der Leiter der Planungsabteilung sieht private Programmgestalter nicht als „Hugenbergs" an und hat sie als solche auch nicht bezeichnet. Er hat mit seiner Bezugnahme in jener Rede, auf die Sie sich beziehen, wie ich unterstelle, vielmehr auf eine mögliche Gefahr hingewiesen, die aus einer publizistischen Machtzusammenballung bei Druckerzeugnissen und elektronischen Medien in Zukunft resultieren könnte.
Ich zitiere dazu den Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Nation vom 18. Mai 1979, wo es heißt:
Die privaten Rundfunkpläne können die Substanz unseres demokratischen Lebens angreifen, und deshalb müssen sie mit unserem Widerstand rechnen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag bekräftigt — ich zitiere —:
Die sozialliberale Koalition wird — wie früher — auch in Zukunft für den privatrechtlichen Charakter der Presse und für den öffentlich-rechtlichen Charakter der elektronischen Medien, d. h. des Rundfunks und Fernsehens, eintreten.
Dies, sehr verehrter Herr Kollege, ist der Maßstab
der Bundesregierung. Zur Verwirklichung wird sich
die Bundesregierung selbstverständlich an nationales und internationales Recht halten, auch an das Prinzip des free flow of information.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwarz-Schilling.
Herr Staatssekretär, macht sich die Bundesregierung die Auffassung, die der Leiter der Planungsabteilung, Herr Müller, in dieser Rede ausgeführt hat, zu eigen, daß nämlich der Rundfunk in der Bundesrepublik nicht wie die Presse — dies sagte er ohne jede Einschränkung — zu einem Propagandainstrument einzelner weniger kapitalkräftiger Gruppen geworden ist?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, dies ist von Herrn Müller meines Wissens so in seiner Rede nicht gesagt worden. Ich habe den Eindruck, daß es sich hier insofern um ein Mißverständnis handelt, als Ihnen ein Rohentwurf vorliegt. Die von Herrn Müller in Lüttich bei jener Tagung gehaltene Rede enthält diese Passage wohl nicht.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Die Ausführungen des Herrn Müller bezüglich der Technik, nämlich daß die Übertragung von Satelliten zwar technisch, aber nicht fernmeldetechnisch über Grenzen hinweggeht, lassen darauf schließen, daß die Bundesregierung Überlegungen darüber anstellt, daß Frequenzen, die von Satelliten, d. h. also von Satelliten außerhalb der Bundesrepublik, benutzt werden, auf deutschem Gebiet bewußt mit anderen Sende-und Empfangsmöglichkeiten ausgefüllt werden, um solche Sendungen nicht empfangen zu können. Ist dies richtig?
Huonker, Staatsminister: Dies kann man so nicht bestätigen. Klar ist, daß die Meinung der Bundesregierung darin besteht, daß das, was man over-spill nennt, durch Maßnahmen hier in der Bundesrepublik nicht „gezielt gestört" werden soll.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie meiner Auffassung zu, daß die Aktivitäten von Abgeordneten der Union — schon in der letzten Periode und jetzt wieder — —
Ich muß Sie um Entschuldigung bitten, aber Sie können die Regierung nicht nach dem Verhalten von Abgeordneten fragen. Wenn Sie die Frage freundlicherweise vielleicht ein bißchen anders stellen würden.
Herr Staatssekretär — dann will ich die Frage anders formulieren —, besteht die Gefahr, daß sich bestimmte politische Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland mehr Sorge um die Freiheit von Radio Luxemburg als um die Freiheit des deutschen öffentlichen Rundfunksystems von politischen Beeinflussungsversuchen machen?
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Huonker, Staatsminister: Ich möchte dazu nur so viel sagen, daß die Meinung der Bundesregierung — ich habe das an Hand der Zitate aus der Regierungserklärung dargelegt — deutlich ist. Wir wollen den öffentlich-rechtlichen Charakter des deutschen elektronischen Medienbereichs aufrechterhalten. Daß es in der Politik natürlich unterschiedliche Meinungen zu diesem Punkt gibt, ist völlig klar. Welche Motive bei Kollegen — sollte es solche geben —, die sich besonders um Radiotelevision Luxemburg hier in der Bundesrepublik kümmern, vorhanden sind, weiß ich nicht. Ich möchte hier nicht in eine spekulative Motivationsanalyse eintreten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Nöbel.
Herr Staatsminister, ist es richtig, daß der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Vogel im Januar 1977 an die Bundesregierung die Bitte herangetragen hat, dafür zu sorgen, daß RTL mit Fernsehprogrammen von der Bundesrepublik ferngehalten wird, und können Sie sich den Wandel in der Opposition erklären, was die Unterstützung eines ausländischen Privatsenders betrifft?
Huonker, Staatsminister: Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich bejahen.
Der zweite Teil würde zu Spekulationen führen müssen. Ich stelle anheim, daß sich angesichts der Interessenlagen, die es gibt, jeder die Frage, die Sie in Teil zwei Ihrer Frage gestellt haben, selber beantwortet.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatsminister, um Ihnen Spekulationen zu ersparen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß es eine europäische Übereinkunft gibt, aus der zwingend hervorgeht, daß sich die Bundesrepublik Deutschland nicht gegen Sendungen aus einem benachbarten Land wehren darf?
Huonker, Staatsminister: Mir ist die Konvention sehr wohl bekannt. Aber ich möchte dazu das sagen, was die Bundesregierung in der Ihnen bekannten Antwort auf die Große Anfrage zur Entwicklung der Kommunikationstechniken und in ihrem Beschluß vom 26. September 1979 schon erklärt hat. Dort heißt es wörtlich:
Sie
— die Bundesregierung —
setzt sich ein für eine Europäische Rundfunkkonvention, die die Freiheit der Information und Kommunikation im internationalen Rahmen gewährleistet, aber
— dies möchte ich unterstreichen, Herr Kollege —
die Beeinträchtigung nationaler Medienstrukturen durch Fremdkommerzialisierung verhindert.
Zusatzfrage? Nein. Wir sind erst bei der ersten Frage. Die andere ist noch nicht aufgerufen. Ja? Fein!
Herr Abgeordneter Dr. Hupka, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie, nachdem Radio Luxemburg in die Fragestunde eingeführt worden ist, mir darin zustimmen, daß sich Radio Luxemburg in einem Land befindet, mit dem wir aufs engste befreundet sind?
Huonker, Staatsminister: Das will ich eindeutig mit Ja beantworten, Herr Kollege.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Duve.
Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß es sich bei diesen Fragen um sehr langfristige Planungen handelt und daß es Aufgabe gerade des Leiters einer Planungsabteilung sein muß, solche Fragen zu überprüfen und möglicherweise auch seine persönliche Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, angesichts der Bedeutung der Frage hat die Bundesregierung in einem Kabinettsbeschluß zu einem öffentlichen Dialog darüber aufgefordert, wie die Rundfunk- und Fernsehlandschaft in diesem Land aussehen soll. Es ist völlig klar, daß dann, wenn die Bundesregierung zu einem breiten Dialog insbesondere mit der betroffenen oder begünstigten Bevölkerung — wie man es haben will — auffordert, der Leiter der Planungsabteilung des Kanzleramts die Pflicht hat, vorauszudenken und Vorschläge zu machen, auch wenn sie nachher nicht alle von der Bundesregierung übernommen werden. Dies ist, wenn ich es richtig sehe, die Aufgabe jeder Planungsabteilung, ob diese Abteilung auf der Ebene des Bundes oder der Länder, seien es CDU- oder SPD-regierte, angesiedelt ist.
— Die haben keinen Ministerpräsidenten. Ich bitte um Nachsicht.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwarz-Schilling auf:
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß der Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt, Albrecht Müller, unter Anspielung auf die Änderung des luxemburgischen Außenministers Gaston Thorn bezüglich der Haltung der Bundesregierung im Hinblick auf das Satellitenfernsehen gegenüber Luxemburg die Befürworter des Kabel-
und Satellitenfernsehens mit Personen des Dritten Reichs verglich bzw. gleichstellte, indem er die folgenden Äußerungen tätigt: „Sie stünden den Nazis jedenfalls näher als die andere Seite des Hauses" und „Wir haben Sorge, daß sich dann zwar nicht die Goebbels, aber die ,Hugenbergs in unserem Rundfunksystem breit machen", und finden diese Äußerungen die Billigung des Bundesaußenministers?
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Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, der Leiter der Planungsabteilung hat in seiner Rede in Lüttich, wie sie wirklich gehalten worden ist — und auf die beziehen Sie sich ganz offenkundig —, die Befürworter des Kabel- und Satellitenfernsehens nicht mit Personen des Dritten Reichs verglichen oder sie sonst sogar gleichgestellt. Wenn die Äußerungen des Leiters der Planungsabteilung so gemacht worden wären, wie es in der Frage angegeben worden ist, würden sie nicht die Billigung — auch danach fragen Sie ja — des Bundesministers des Auswärtigen finden.
Herr Müller hat sich allerdings in seinem Statement in Lüttich gegen eine Äußerung des vormaligen Außenministers des Großherzogtums Luxemburg gewandt, die die Skeptiker gegenüber der Ausweitung des Fernsehkonsums und der Kommerzialisierung in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt hatte. Herr Müller wies in Abwehr dieser Äußerung darauf hin, daß die Gegner des kommerziellen Fernsehens in der Bundesrepublik diese Ressentiments zu allerletzt verdient hätten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herr Dr. Schwarz-Schilling.
Trifft es zu, daß Herr Müller in dieser Rede — mir liegt, wie gesagt, ein Manuskript dieser Rede vor — erklärt hat, daß die sogenannten Vorkämpfer für Kabel- und Satellitenfernsehen, die nachrichtentechnische Industrie, die eng mit der Rüstungsindustrie verflochten ist, die monopolisierten Medienkonzerne, die technisch-industrielle Elite, die konservativen Parteien in der Bundesrepublik traditionell autoritären, elitären und von Sachzwängen beherrschten Staats- und Gesellschaftsverständnisses seien, und hinzugefügt hat — jetzt hat er ein Zitat des ehemaligen Kollegen im Deutschen Bundestag Alex Möller benutzt —: „Sie stünden den Nazis jedenfalls näher als die andere Seite des Hauses"; und ist es, falls dieses Zitat zutrifft, Auffassung der Bundesregierung, daß es richtig ist, im Ausland eine vielleicht in diesem Haus geführte Diskussion in dieser Weise in einer Zweiteilung unseres Volkes dort in bezug auf Medienpolitik darzustellen?
Huonker, Staatsminister: Herr Kollege, die von Ihnen zitierten Passagen sind von Herrn Müller nicht geredet worden. Sie waren in einem Vorentwurf enthalten, der den Veranstaltern nur zu dem Zweck geschickt worden ist, daß, weil es eine Diskussionsveranstaltung war, in etwa die Linie dessen klar wird, was Herr Müller zu sagen gedenkt.
— Einen Augenblick! Dieser Entwurf wurde natürlich überarbeitet.
— Von dem Autor.
Und er hat die Rede ohne die Passagen, die Sie zitiert haben, gehalten, so daß ich mich nicht veranlaßt sehe, zu diesen von Ihnen zitierten Passagen Stellung zu nehmen,
weil sie nicht Teil der von Herrn Müller gehaltene Rede waren.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwarz-Schilling.
In den Argumentationen des Herrn Müller spielte die Frage „Werbung und Kommerzialisierung" eine große Rolle. Darf ich daran anknüpfen: Ist es Auffassung der Bundesregierung, daß in der Bundesrepublik Deutschland auch Werbung grundgesetzlich geschützt ist und daß nach den entsprechenden Verträgen der EG, der UNESCO und der KSZE auch grenzüberschreitende Werbung nicht beeinträchtigt werden darf?
Huonker, Staatsminister: Ich kann nur das wiederholen, was ich vorher unter Zitierung der Regierungserklärung ausgeführt habe: Die Bundesregierung möchte am öffentlich-rechtlichen Charakter des deutschen Fernsehens festhalten. Daraus folgt natürlich die Antwort auf Ihre Frage.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klein.
Herr Staatsminister, ist dieser Entwurf, der, wie Sie sagen, mit der Rede nicht übereinstimmt, in den Passagen, über die eben diskutiert wurde, gegenüber denen, an die er versandt worden ist, zurückgezogen oder qualifiziert worden?
Huonker, Staatsminister: Klar ist folgendes — ich will noch einmal den Hergang darstellen —: Frühzeitig, ehe Herr Müller mit dem, was er sagen wollte, fertig war, wurde um eine Information gebeten. Das ist doch üblich. Man setzt sich hin und macht einen Entwurf. Die andere Seite, die Diskussionsleitung, kommt und sagt, wir möchten gern wissen, was etwa die Linie dessen ist, was inhaltlich, was sachlich gesagt werden soll, um eine Vorstrukturierung vorzunehmen. Daraufhin wurde dieser Entwurf — nicht in der Absicht, daß er irgendwo vervielfältigt und verteilt wird — geschickt. Herr Müller hat dann diesen Entwurf, wie das üblich ist — so machen wir es doch in der Regel oder häufig auch, wenn wir eine Bundestagsrede vorbereiten —, überarbeitet und hat schließlich eine Rede gehalten, in der diese Passage, die eben vom Fragesteller zitiert worden ist, nicht enthalten war.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voigt.
Herr Staatsminister, nachdem Sie eben gesagt haben, daß diese Passagen in der gehaltenen Rede nicht vorkommen, wohl aber
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Dezember 1980 397
Voigt
in dem Entwurf: Sind Sie bereit, mir den Entwurf mit diesen Passagen zukommen zu lassen, damit ich diese vorzüglichen Passagen in meinen Reden selber mit verwenden kann?
Huonker, Staatsminister: Ich bin nicht in der Lage, hier zuzusagen, daß Entwürfe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Es gilt in einem solchen Fall — wie in anderen Fällen auch — die tatsächlich gehaltene Rede.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatsminister, muß ich aus Ihren Antworten schließen, daß die Bundesregierung die Formulierungen, die in dem ins Ausland geschickten Redeentwurf enthalten sind, nicht mißbilligt?
Huonker, Staatsminister: Weil die zweite Frage des Herrn Kollegen Schwarz-Schilling in der Schlußpassage ausdrücklich die Unterfrage enthielt, ob denn der Bundesaußenminister dies billigen würde, habe ich unter Bezugnahme auf die Passage, wer denn da nun wohl den Nazis näherstünde, wörtlich gesagt, Herr Kollege:
Wenn die Äußerungen des Leiters der Planungsabteilung so gemacht worden wären, wie es in der Frage angegeben worden ist, würden sie nicht die Billigung des Bundesministers des Auswärtigen finden.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weisskirchen.
Würden Sie, sehr verehrter Herr Staatsminister, den Herrn Kollegen Schwarz-Schilling darauf aufmerksam machen, daß es parlamentarischer und ansonsten üblicher Brauch ist, daß das gesprochene Wort gilt?
Huonker, Staatsminister: Ich glaubte, ich hätte dies schon in einer Antwort auf eine Zusatzfrage gesagt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kleinert.
Herr Staatsminister, glauben Sie, daß die Möglichkeit besteht, daß durch Cliquenbildungen weltanschaulicher oder parteipolitischer Art die befürchteten Mängel eines kommerziellen Fernsehens sich auch in öffentlichen Anstalten einstellen könnten?
Huonker, Staatsminister: Ich hoffe, daß Ihre Prognose, die zugleich mit einer Warnung, wie mir scheint, verbunden ist, nicht zutrifft.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, ist es Ihnen möglich, daß wir den genauen Text der wirklich gehaltenen Rede von Herrn Müller zugeleitet bekommen?
Huonker, Staatsminister: Davon gehe ich aus. Ich gehe davon aus, daß es eine Tonbandaufnahme gibt. Sollte meine Vermutung — ich kann das nicht mit Sicherheit sagen — zutreffen, wird das Tonband abgeschrieben,
und die Tonbandabschrift wird denen, die es wünschen, zugestellt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatsminister, könnte man sich nicht darauf einigen, nach der Weisheit des Altbundeskanzlers Adenauer zu verfahren, der sagte: „Was ich gesagt habe, habe ich nicht gesagt, und wenn ich es gesagt habe, hat es nichts zu sagen"?
Schönen Dank. Dies reicht, glaube ich, als Frage vollkommen aus. — Nein, jetzt keine weiteren Zusatzfragen mehr zu diesem Punkt. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Frage 84 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Anträge auf Absage der polnischen Staatsangehörigkeit von der polnischen Botschaft erst nach Ablauf von fünf Jahren behandelt werden, und ist sie bereit, dahin gehend zu wirken, daß Aussiedler aus Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße nicht über einen so langen Zeitraum von der Volksrepublik Polen entgegen ihrem Willen als polnische Staatsangehörige in Anspruch genommen werden?
Bitte, Frau Staatsminister.
Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß im Normalfall ein im Ausland lebender polnischer Staatsangehöriger erst nach einem Aufenthalt von fünf Jahren aus der polnischen Staatsangehörigkeit entlassen wird. Nach den Regeln des Völkerrechts bestimmt jeder Staat selbst, wie seine Staatsangehörigkeit erworben wird oder verlorengeht. Die Bundesregierung vermag daher keinen Einfluß auf eine Änderung des polnischen Staatsangehörigkeitsrechts auszuüben. Ein solcher Versuch würde als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik Polen zurückgewiesen werden.
In besonderen Einzelfällen kann das Auswärtige Amt jedoch über die Botschaft in Warschau aus hu-
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Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher
manitären Gründen um Beschleunigung des Verfahrens bitten. Dies hat in der Vergangenheit teilweise Erfolg gehabt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Frau Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß es für die von dieser Praxis Betroffenen, sobald sie in der Bundesrepublik Deutschland Wohnung genommen haben, sehr große Komplikationen mit sich bringt, etwa wenn sie Beamte werden möchten, weil dann immer gefragt wird: „Sind Sie aus der polnischen Staatsangehörigkeit entlassen?" Bis überhaupt der Antrag bearbeitet wird, dauert das mehr als fünf Jahre.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich will das nicht bestreiten. Aber die größere Zahl der deutschstämmigen Aussiedler kommt ja bereits nicht mehr mit einem polnischen Paß, sondern mit einem Staatenlosenpaß. Da ist j a diese Frist gar nicht gegeben. In den anderen Fällen haben wir, wie gesagt, keinen Einfluß auf die Gestaltung des Staatsangehörigkeitsrechts der Volksrepublik Polen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Frau Staatsminister, wenn es auch richtig ist, daß die überwältigende Mehrheit der Deutschen aus Oder-Neiße-Gebieten, wenn sie hierher kommen, aus der polnischen Staatsangehörigkeit entlassen sind, so sind es doch ungefähr 10 %, die hierher kommen, ohne daß sie nachweisen können, bereits aus der polnischen Staatsangehörigkeit entlassen worden zu sein. Die betrifft das dann sehr hart.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe meiner ersten Antwort gar nichts hinzuzufügen. Ich kann vielleicht nur noch ergänzen, daß die Frist von fünf Jahren bis zur Entlassung aus einer Staatsangehörigkeit durchaus üblich ist und daß es im Gegenteil viele Staaten gibt, bei denen es länger dauert oder überhaupt nicht möglich ist, aus der Staatsangehörigkeit entlassen zu werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Frau Staatsminister, da es sich hier um eine beachtliche Minderheit handelt, die zu uns kommt und z. B. nicht ohne weiteres Beamter werden kann: Sehen Sie eine Möglichkeit, durch eine Änderung der rechtlichen Vorschriften innerhalb der Bundesrepublik diesen dessenungeachtet die Chance zu geben, auch bei theoretischem Weiterbestehen der polnischen Staatsbürgerschaft Beamter in der Bundesrepublik zu werden?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, Sie werden Verständnis haben, daß ich das aus dem Handgelenk nicht beantworten kann. Dies ist auch keine Frage an den Bundesminister des Auswärtigen, sondern an den Kollegen des Innenressorts. Ich bitte Sie, eine entsprechende Frage zu stellen.
Danke. Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 85 und 86 des Herrn Abgeordneten Sauer werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesregierung den Vorwurf des Außenministers Czyrek der Volksrepublik Polen, daß sie Buchstaben und Geist des Warschauer Vertrags untergrabe , zurückgewiesen und auf der vertragsgetreuen Auslegung dieses Vertrags durch die Volksrepublik Polen beharrt?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, das von Ihnen angeführte Zitat ist unvollständig und fehlerhaft wiedergegeben. Nach den „Ost-Informationen" vom 9. Dezember 1980 lautet die von Ihnen angezogene Passage in der PAP-Meldung:
Minister Josef Czyrek befaßte sich dann mit den bilateralen Beziehungen und vertrat die Auffassung, daß sie sich in allen Bereichen entwickelt haben und daß die aufgestellte Bilanz endgültig positiv ist.
Der Minister verwies auf die wesentlichen Hindernisse, die immer noch den Weg zu einer vollen Normalisierung blockieren, und erwähnte eine Reihe von Beispielen der westdeutschen Gesetzgebung, die mit dem Geist und Buchstaben des Vertrags unvereinbar sind.
Nach Ansicht des polnischen Außenministers behindern solche Akte die Normalisierung der Beziehungen und die Durchführung der erzielten Abkommen. Er verwies auf das Rentenabkommen, die Frage der Schulbücher und die geographischen Bezeichnungen.
Herr Kollege, die in dem Interview ausgedrückte polnische Auffassung ist der Bundesregierung seit längerem bekannt. Die Bundesregierung hat ihren Standpunkt hierzu immer wieder deutlich gemacht und erläutert und wird dies auch in Zukunft tun. Sie tritt polnischen Auslegungen entgegen, soweit sie nach Auffassung der Bundesregierung dem Vertrag nicht entsprechen.
Zwei kurze Zusatzfragen, bitte. Wir sind eigentlich schon am Ende der Fragestunde. Aber die beiden Fragen des Abgeordneten Dr. Czaja wollen wir noch beantworten.
Bitte, Herr Czaja.
Frau Staatsminister, nachdem ich mich auf den Nachrichtenspiegel I vom 7. Dezember 1980 bezogen habe, frage ich Sie, ob dort nicht das Zitat steht:
Als wichtigstes unerwartetes Hindernis für den
Normalisierungsprozeß bezeichnete Czyrek,
daß die offiziellen Institutionen der Bundesre-
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Dr. Czaja
publik Deutschland so hartnäckig interpretierende Schritte unternehmen, die Buchstaben und Geist des Vertrags untergraben.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das kann ich im Augenblick nicht nachprüfen; ich werde es aber tun. Ich habe hier eine andere Aufzeichnung.
Zweite Zusatzfrage.
Wird durch das Verschweigen der völkerrechtskonformen Auslegung nicht der Schwächung der eigenen Rechtsposition Vorschub geleistet?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Präsident, ich habe die Frage akustisch nicht verstanden.
Tut mir leid, ich auch nicht. Ich darf Sie vielleicht noch einmal darum bitten, Herr Czaja.
Wird nicht durch das Verschweigen der völkerrechtskonformen Auslegung der Schwächung der eigenen Rechtsposition Vorschub geleistet?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe vorhin schon gesagt, daß die Bundesregierung bei jeder Gelegenheit ihre Rechtsauffassung vertritt und der anderen Seite in entsprechender Weise entgegentritt.
Ich rufe noch die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Czaja auf:
Vor welcher „deutschen Sonderrolle" zwischen Ost und West warnte Bundesminister Genscher beim „Jahresessen" der Berliner Pressekonferenz ?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die hypothetische politische Linie, die der Bundesminister abgelehnt hat, ist mit den Worten „Sonderrolle zwischen Ost und West" klar gekennzeichnet. Die tatsächliche Politik der Bundesregierung gründet sich auf die feste Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Atlantische Allianz und in die Europäische Gemeinschaft.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Welche Kräfte, die eine deutsche Sonderrolle im Auge haben, meinte der Bundesminister dabei?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Er hat hypothetisch eine solche Möglichkeit konstruiert und gesagt, eine solche Sonderrolle zwischen Ost und West komme für die Bundesrepublik Deutschland nicht und niemals in Frage.
Eine letzte Zusatzfrage, bitte.
Welche charakteristischen Merkmale einer solchen deutschen Sonderrolle zwischen den USA und der Sowjetunion hatte der Bundesminister im Auge, als er davor warnte?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, ich bin gerne bereit, Ihnen den Wortlaut der Rede zuzusenden. Dann können Sie nachlesen, daß die Interpretation genauso ist, wie ich sie Ihnen bei Beantwortung Ihrer Frage vorgetragen habe.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Frau Staatsminister.
Die Fragen 57 bis 62 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich darf mir erlauben, Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr zu wünschen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 21. Januar 1981, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.