Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Ihnen folgendes mitteilen: Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen — Stand: 25. September 1979 — vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Unterrichtung des Bundestages über drei von der 20. Generalkonferenz der UNESCO angenommene Empfehlungen
zuständig: Innenausschuß
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Ausschuß für Forschung und Technologie
Straßenbaubericht 1978
zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
Bericht der Bundesregierung über die steuerliche Belastung von Zuwendungen, die Stiftungen an ihre Destinatäre gewähren
zuständig: Finanzauschuß
Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Dies ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 28. September 1979 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 GG nicht gestellt:
Siebentes Gesetz zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung des Altölgesetzes
Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.
In seiner Sitzung am 28. September 1979 hat der Bundesrat ferner beschlossen, dem Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze nicht zuzustimmen. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3227 verteilt.
Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 28. September 1979 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und dem Bundesminister für Wirtschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betr. Informations-/Kommunikationstechnologie — Drucksache 8/3159 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3215 verteilt.
Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 27. September 1979 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und dem Bundesminister für Wirtschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betr. Programme zur Förderung von technischer Kommunikation, Datenverarbeitung und Informationstechnik — Drucksache 8/3160 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Druckache 8/3216 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 25. September 1979 im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Auswärtigen,
dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dem Bundesminister für Forschung und Technologie und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Mertes , Dr. Marx, Pfeifer, und der Fraktion der CDU/CSU betr. Politische Bedeutung und gegenwärtiger Stand der deutschen Forschung gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten — Drucksache 8/3094 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3219 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 4. Oktober 1979 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Bundesminister für Forschung und Technologie und dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Laufs, Volmer, Gerstein, Schwarz, Dr. Schulte , Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Dollinger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Entgiftung von Autoabgasen — Drucksache 8/3155 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3236 verteilt.
Die in Drucksache 8/3161 unter Nr. 54 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften
ist als Drucksache 8/3211 verteilt.
Die Fragen für den Monat August 1979 mit den dazu erteilten Antworten werden als Drucksachen 8/3148, 8/3156, 8/3175, 8/3180, 8/3187, 8/3196, 8/3200, 8/3229 und 8/3235 verteilt.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung rufe ich zuerst den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung eines einmaligen Heizölkostenzuschusses 1979
— Drucksache 8/3220 —Uberweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
— Drucksache 8/3237 —
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung der
13878 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979
Präsident Stücklen
Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Sind der Bundesregierung Anhaltspunkte dafür bekannt, daß bei Verfahren vor den Finanzgerichten Wartezeiten bis zu zwei Jahren vorkommen, und sieht die Bundesregierung gegebenenfalls Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen?
Bitte schön.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich bei Verfahren vor den Finanzgerichten teilweise Wartezeiten bis zu zwei Jahren und sogar noch darüber hinaus ergeben. Die Ursache hierfür ist eine zunehmende Belastung der Finanzgerichte. Seit 1970 sind die Eingänge bei den Finanzgerichten auf etwa das Dreieinhalbfache angestiegen. Rund 13 500 Eingängen im Jahre 1970 standen 1978 mehr als 44 300 Eingänge gegenüber.
Diese erheblich angestiegene Belastung der Finanzgerichte haben sowohl die Länder als auch der Bundesgesetzgeber zum Anlaß genommen, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesländer haben in den Jahren 1977 bis 1979 79 neue Richterplanstellen für die Finanzgerichtsbarkeit geschaffen und 19 zusätzliche Senate bei den Finanzgerichten gebildet. Die Schaffung weiterer Richterplanstellen ist vorgesehen. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Erlaß des Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren vom 3. Dezember 1976 und durch das Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 die Voraussetzungen für ein einfacheres und rationelleres Verfahren geschaffen, das eine zügigere Abwicklung des einzelnen Verfahrens ermöglicht. Es darf erwartet werden, daß alle diese Maßnahmen zusammen zu einer Besserung der Lage in der Finanzgerichtsbarkeit beitragen.
Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß Wartezeiten von zwei Jahren und mehr vor dem Finanzgericht für den einzelnen Betroffenen praktisch zu einer Rechtsverweigerung führen können?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich würde so sagen: Spätes Recht ist halbes Recht. — Die Bemühungen der Länder und des Bundes, diesem Mißstand abzuhelfen, habe ich geschildert.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf.
Die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. von Geldern wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Hasinger auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Diederich auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sogenannte Wabbeltiere aus Weichkunststoff vor allem bei Kleinkindern zu schweren gesundheitlichen Schäden führen können, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Handel mit derartig gefährlichem Spielzeug zu unterbinden?
Bitte schön.
Herr Kollege Dr. Diederich, auf Veranlassung des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit hat das Bundesgesundheitsamt die Gesundheitsschädlichkeit von sogenannten Wabbeltieren aus weichmacherhaltigem Polyvinylchlorid überprüft. Es ist zu dem Schluß gekommen, daß das Verschlucken dieser Gegenstände insbesondere für das Kleinkind eine ernste Gesundheitsgefährdung darstellt. Die Versuchsergebnisse wurden im Bundesgesundheitsblatt 22 Nr. 15 vom 20. Juli 1979 veröffentlicht.
Das Herstellen und Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die geeignet sind,. die Gesundheit zu schädigen, ist nach § 30 Nrn. 1 und 2 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes verboten. Die für die Überwachung des Verkehrs mit Bedarfsgegenständen zuständigen obersten Landesgesundheitsbehörden hat der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit deshalb mit Schreiben vom 13. August 1979 hiervon unterrichtet und sie gebeten, Maßnahmen zur Unterbindung des Vertriebs dieser Erzeugnisse zu ergreifen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch die Forderung der bayerischen SPD zur Kenntnis genommen, die für ein Verbot von weichmacherhaltigem PVC-Spielzeug eintritt und diese ihre Forderung u. a. auf die Erfahrungen mit Tierversuchen gründet?
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Marschall, mir ist diese Forderung der bayerischen SPD aus der Presse bekannt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Be-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979 13879
Präsident Stücklen
antwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kreutzmann zur Verfügung.
Die Frage 3 ist von dem Herrn Abgeordneten Schmidt eingebracht. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann wird die Frage 3 ebenso wie die von Herrn Abgeordneten Schmidt (Niederselters) eingebrachte Frage 4 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Wir kommen zu Frage 64 des Herrn Abgeordneten Stockleben:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tätigkeit der Innovationsberatungsstellen und deren Auswirkung auf die regionale Wirtschaftsstruktur?
Bitte schön.
Herr Präsident, darf ich die beiden von Herrn Abgeordneten Stockleben eingebrachten Fragen zusammen beantworten?
Von mir aus haben Sie die Genehmigung sowieso. Es fragt sich nur, ob der Fragesteller damit einverstanden ist.
— Einverstanden! Sie dürfen dann selbstverständlich vier Zusatzfragen stellen.
Ich rufe also noch die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Stockleben auf:
Welche Branchen und Unternehmen nehmen die Leistungen der Innovationsberatungsstellen bevorzugt in Anspruch, und wie soll dieser Service zukünftig ausgebaut werden?
Bitte schön.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, das Bundesministerium für Forschung und Technologie fördert zur Zeit 14 Modellversuche zur Innovationsberatung für kleine und mittlere Unternehmen. Das Beratungsangebot dieser Stellen ist von den Unternehmen gut angenommen worden. Bisher wurden rund 1 500 Kontaktberatungen sowie 600 Intensivberatungen durchgeführt bzw. vermittelt.
Die Beratungsstellen werden damit der ihnen zugedachten Rolle als Technologievermittler gerecht. Durch die Unterstützung der Unternehmen bei der Erschließung neuer Technologien für neue Produkte und Verfahren sind positive Auswirkungen durch die Beratungsstellen auf die Wirtschaftsstruktur in ihrer Region zu erwarten.
Die Modellversuche sind in Regionen mit unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen angesiedelt. Ich verweise z. B. auf Modellversuche des Rationalisierungskuratoriums der Deutschen Wirtschaft in Baden-Württemberg und in Niedersachsen oder Modellversuche der Industrie- und Handelskammern (IHK) in Mannheim/Heidelberg und in Koblenz sowie Krefeld/Mönchengladbach für den Niederrhein. Dadurch kann das Beratungsinstrumentarium für unterschiedliche Regionen und Sektoren überprüft und weiterentwickelt werden.
Die Modellversuche sind auf die Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen ausgerichtet. Zwei Drittel der bisher beratenen Firmen hatten weniger als 50 Beschäftigte.
Durch die nicht branchenspezifisch ausgerichteten Beratungsstellen beim RKW sowie den Industrie- und Handelskammern wurden Unternehmen nahezu aller Branchen beraten. Deutliche Schwerpunkte lagen dabei im Maschinenbau sowie in der Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik. Daneben gibt es aber auch regionalspezifische Beratungsschwerpunkte, z. B. in der Textilbranche im Bereich der Industrie- und Handelskammer Krefeld/Mönchengladbach.
Mit den geförderten Modellversuchen sollen zunächst ausreichende Erfahrungen gesammelt werden. Danach wird über die längerfristige Fortführung der Beratungsstellen zu entscheiden sein. Die Bundesregierung strebt dabei an, daß die Beratungsstellen bei Bewährung von den Trägern aus eigener Kraft und unter weitgehender Einbindung in das bestehende Beratungsförderungssystem von Bund und Ländern weitergeführt werden.
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie erstens etwas Spezielles über die Innovationsberatung im Raum Hannover/Hamburg aussagen, und die zweite Frage: Liegen, da ja ab Oktober 1978 die Innovationsberatungsstelle im Bereich der IHK Braunschweig angelaufen ist, da erste Erkenntnisse vor?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, zur ersten Zusatzfrage wäre folgendes auszuführen: Wir fördern seit 1977 die RKW-Landesgruppe Niedersachsen. Die gegenwärtige Bewilligung läuft bis Ende 1981. Gestartet wurde mit Personal in der Zentrale Hannover. Heute sind dort zwei Berater tätig. Ab 1978 wurde u. a. auf Grund Ihrer Anregung ein Beratungsstützpunkt bei der Industrie- und Handelskammer Hannover hinzugefügt, der mit einem Berater ausgestattet wurde. Eine ähnliche Ausweitung beabsichtigen wir demnächst für den Raum Hamburg.
Zur zweiten Frage wäre zu sagen, daß die Beratungsaktivitäten beim RKW Niedersachsen insgesamt gut angelaufen sind. Bisher — Stand: April 1979 — wurden etwas über 100 Firmen beraten, davon 15 % intensiver. Die Nachfrage in Braunschweig ist gut. Bis April 1979 wurden 20 Firmen, bis heute — so ergab eine Nachfrage — 70 Firmen beraten. Eine abschließende Bewertung ist nach einjähriger Tätigkeit natürlich noch nicht möglich.
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.
13880 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979
Herr Staatssekretär, wann ist
mit einem Fazit dieser Pilotprojektberatung zu rechnen, und wird die Bundesregierung Ihres Erachtens auf Grund der Einschätzung der momentanen Tätigkeit solche Pilotprojekte auch in Zukunft weiter fördern?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, zur ersten Frage wäre zu sagen, daß wir, wie ich soeben schon darlegte, derartige Projekte haushaltsmäßig bis 1981/82 fördern. Wir werden dann sicherlich eine gewisse Zeit benötigen, um die Erfahrungen dieser einzelnen Beratungsstellen auswerten zu können. Ich gehe davon aus, daß das etwa 1983 geschehen sein wird.
Zum zweiten Punkt kann schon heute gesagt werden, daß die Beratung bei den Industrie- und Handelskammern gerade aus dem Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen positiv aufgenommen wird. Denn hier ist ingesamt ein großer Bedarf vorhanden. Die Unternehmen stützen sich gern auf eine Beratung bei den Industrie- und Handelskammern, weil natürlich das Vertrauen der kleinen Unternehmen aus der Wirtschaft vor allen Dingen den Industrie- und Handelskammern gilt.
Keine weiteren Zusatzfragen; damit ist die Behandlung dieses Geschäftsbereichs abgeschlossen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Schülerinnen und Schüler einer Wirtschaftschule aus Paris, die auf der Tribüne Platz genommen haben, recht herzlich im Deutschen Bundestag zu begrüßen. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in Deutschland.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe Frage 5 des Herrn Abgeordneten Bühling auf:
Welche Ursachen sieht die Bundesregierung dafür, daß in den letzten Jahren von den im Bundesgebiet — zum Teil schon viele Jahre — wohnhaften Türken jeweils weniger als 1 Promille eingebürgert worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, wären Sie einverstanden, wenn ich Ihre beiden Fragen zusammen beantwortete?
— Danke.
Dann rufe ich zusätzlich Frage 6 des Herrn Abgeordneten Bühling auf:
Wie viele Türken, die in den letzten Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, waren Ehegatten Deutscher?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Gemessen an der Zahl von mehr als 500 000 derzeit hier beschäftigten türkischen Arbeitnehmer ist die Zahl der Einbürgerungen von Angehörigen dieses Personenkreises gering: 1976 wurden 333, 1977 246 und 1978
315 türkische Staatsangehörige eingebürgert. Aus früher in den Bundesländern durchgeführten Umfragen ergibt sich, daß es den ausländischen Arbeitnehmern vorwiegend um die Sicherung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und um die Erhaltung ihres Arbeitsplatzes geht. Diesem Anliegen der ausländischen Arbeitnehmer ist nicht zuletzt durch die seit Oktober 1978 eingeleitete Verbesserung des aufenthaltsrechtlichen Status Rechnung getragen worden.
Daneben ist festgestellt worden, daß gerade bei türkischen Arbeitnehmern vielfältige Beziehungen und Bindungen zu ihrem Heimatstaat fortbestehen. Deshalb ist davon auszugehen, daß die Aufgabe ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für eine Einbürgerung eine starke Hemmschwelle bildet, zumal dann, wenn sich die türkischen Arbeitnehmer die Rückkehr in ihre Heimat offenhalten möchten. Von den erweiterten Einbürgerungsmöglichkeiten des § 9 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes haben 1976 125, 1977 92 und 1978 118 mit Deutschen verheiratete Türken Gebrauch gemacht. Von den insgesamt eingebürgerten türkischen Staatsangehörigen waren demnach wenig mehr als ein Drittel mit deutschen Ehegatten verheiratet.
Keine Zusatzfrage?
— Eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, bestehen neben den von Ihnen genannten psychologischen Hemmnissen auch irgendwelche besonderen rechtlichen Hemmnisse von türkischer Seite, die größer sind als diejenigen, die andere Staaten der Einbürgerung etwa in den Weg legen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist ein signifkanter Unterschied zu anderen Staaten in dem Sinne Ihrer Frage nicht bekannt. Das Problem bildet nach unserer Einschätzung und der Erfahrung, die die Länder gesammelt haben, überwiegend die sich aus völkerrechtlichen Grundsätzen ergebende Notwendigkeit des Verzichts auf die eigene Staatsangehörigkeit. Das ist nach unseren Erfahrungen die wesentliche Hemmschwelle, sich für eine Einbürgerung in die Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte!
Würden die Gründe, die Sie, Herr Staatssekretär, genannt haben, nicht noch bedeutsamer erscheinen, wenn Sie statt der 500 000 türkischen Arbeitnehmer die Gesamtzahl von 1 165 000 Türken insgesamt in der Bundesrepublik nach den letzten statistischen Veröffentlichungen zugrunde legen, — wenn ich jetzt meine Feststellung in Frageform kleiden darf?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich kann die Feststellung bestätigen, Herr Kollege.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979 13881
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe auf die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss:
Hat — wie die Presse meldete — Bundesinnenminister Baum erklärt, bei dem Begriff Nazi denke er „immer an kleine Kinder, die in Verbrennungsöfen geschickt wurden", und dies im Zusammenhang mit einem Vergleich linksradikaler Gewaltdemonstranten und Chaoten mit den Methoden, die früher nationalsozialistische Kampfverbände in politischen Veranstaltungen von Andersdenkenden geübt haben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in der Tat hat Herr Bundesminister Baum die von Ihnen zitierte Erklärung abgegeben. Dies geschah im Zusammenhang mit der Äußerung von Herrn Strauß in Essen am 15. September 1979 an die Adresse störender Demonstranten. Herr Strauß sagte — ich zitiere —:
Ihr seid die besten Nazis, die es je gab.
Die Erklärung von Herrn Baum geschah vor allem im Hinblick darauf, daß in diesem Zusammenhang die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in die Nähe des Extremismus gerückt worden war und hierbei — wenn auch nicht von Herrn Strauß selbst — sogar der Begriff des „Schreibtischtäters" gebraucht worden war. Im übrigen hat Herr Baum aus diesem Anlaß öffentlich erklärt — ich zitiere —:
Ich mißbillige, daß Herr Strauß daran gehindert wurde zu reden. Auf der anderen Seite ist er ein erfahrener Politiker und muß sich überlegen, wie er auf solche Angriffe reagiert. Durch Überreaktion wird die Stimmung weiter verschlechtert. Ich halte es für ganz schlecht, daß er und auch andere Politiker der CDU die Sozialdemokraten oder Teile der Sozialdemokraten verantwortlich machen für diese Zwischenfälle ... Ich halte es überhaupt für verhängnisvoll, daß ein politisches Lager dem anderen jeweils die Extremisten zuordnete ... Das dürfen Demokraten nicht tun. Ich glaube schon, daß wir eine gemeinsame Verpflichtung haben zur Abwehr aller extremistischen Bestrebungen. Diese Gemeinsamkeit, die so oft beschworen wird, droht verlorenzugehen, schon in einem sehr frühen Stadium des Wahlkampfes. Das bedauere ich.
Ich habe dieser Erklärung nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß man die Methoden der linksradikalen Gewaltdemonstranten und Chaoten durchaus mit den Methoden vergleichen kann, die SA und SS in der damaligen Zeit bei den Störungen von demokratischen Veranstaltungen angewandt haben, und daß aus diesem Grunde der Vergleich, den Herr Bundesinnenminister Baum gebraucht hat, nicht nur historisch falsch, sondern auch unpassend, geschmacklos und deplaziert ist?
Einen Augenblick, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. — Herr Kollege Voss, streichen Sie das Wort „geschmacklos". Dann ist die Frage gelaufen.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Voss, ich weise darauf hin, daß Herr Baum in der gleichen Erklärung ausdrücklich mißbilligt hat, daß Herr Strauß daran gehindert werden sollte, zu reden. Die Erklärung von Herrn Baum ist dadurch provoziert worden, daß nicht irgendein Vergleich gemacht wurde, sondern daß die Formulierung gewählt wurde: „Ihr seid die besten Nazis, die es je gab." Dieses allerdings ist eine Äußerung, die eine solche Antwort verdient. Deswegen meine ich, daß es am besten wäre, wenn diese Äußerung aus der Welt geschafft würde. Dann könnte man auch diese Diskussion beenden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es zu den Aufgaben eines Bundesinnenministers gehört, auch Angehörige von demokratischen Parteien, mit denen er sich nicht so verbunden fühlt, vor -Vorwürfen zu bewahren und zu beschützen, die da lauten, sie seien Nazis und Faschisten und würden sich deren Methoden bedienen? Und sind Sie in der Lage, Herr Staatssekretär, mir eine derartige Äußerung von Herrn Bundesinnenminister Baum zu nennen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Voss, es ist überhaupt nicht erforderlich, Ihnen eine neue zu beschaffen, weil die Erklärung selbstverständlich da ist. Ich habe sie Ihnen vorhin sogar zitiert. Ich zitiere noch einmal, was Herr Baum in diesem Zusammenhang auch gesagt hat:
Ich halte es überhaupt für verhängnisvoll, daß ein polititsches Lager dem anderen jeweils die Extremisten zuordnet.
Selbstverständlich hat Herr Baum aus diesem Anlaß auch darauf hingewiesen — ich wiederhole es noch einmal —, daß er es verurteilt, wenn Demokraten am Reden gehindert werden. Dabei spielt der politische Standort des Redenden unter Demokraten selbstverständlich überhaupt keine Rolle. Das kann doch zwischen uns Demokraten in diesem Parlament gar nicht im Zweifel sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roth.
Herr Staatssekretär, halten sie es für richtig, wenn man die Geschichte der SA und der SS 1932, als sie vor allem durch Saalschlachten und ähnliche Veranstaltungen bekannt waren, abschneidet und die übrige Geschichte der SS, die direkt in die Verbrennungsöfen von Auschwitz geführt hat, bei derartigen Vergleichen vergißt?
13882 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Roth, ich meine in der Tat — wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe —, daß man Mittel nicht völlig isoliert betrachten kann, wenn man historische Parallelen und Vergleiche zieht, sondern daß man den ganzen ideologischen Gehalt und die Folgen des Nationalsozialismus berücksichtigen muß, wenn man sich auch nur daran begibt, zu überlegen, ob man Vergleiche mit anderen Erscheinungen ziehen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Befürchtung, daß die Bezeichnung politisch Andersdenkender in Wahlreden etwa als „Banditen" oder als „Ratten" oder als „Tiere" zu einer Polarisierung führt und solche unerfreulichen Störungen, wie wir sie erlebt haben, geradezu hervorruft?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, ich möchte an dem Prinzip festhalten, daß die Bundesregierung nicht Äußerungen einzelner demokratischer Politiker bewertet. Ich habe von diesem Prinzip hier insofern abweichen müssen, als ein Kollege des Parlaments ein Zitat von Herrn Baum zur Sprache gebracht hat, das dann erläutert werden mußte. Im übrigen verweise ich auf das, was ich gesagt habe, nämlich daß jede Überreaktion auf Störungen in Veranstaltungen die Stimmung nicht nur in dieser Veranstaltung, sondern, wenn es sich um gewichtige Politiker handelt, auch in der gesamten Öffentlichkeit gerade während eines Wahlkampfs weiter anheizt. Das sollten wir alle gemeinsam verhindern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, an Ihre letzten Ausführungen anknüpfend frage ich Sie: Mißbilligen Sie ebenso die Aussage des Finanzsenators von Bremen, der geäußert hat, Carstens, Stücklen und Strauß seien als eine Gang zu bezeichnen?
Herr Abgeordneter Niegel, so wohlwollend die Frage gemeint sein mag, aber die Bundesregierung ist nicht zuständig, zu beurteilen und zu mißbilligen, was andere außerhalb des Parlaments und der Regierung gesagt haben. Aber Sie haben die Frage ja losgebracht.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Schäfer auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage 8 und ebenso die Frage 9 desselben Fragestellers werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Hansen auf. — Der Abgeordnete ist ebenfalls nicht
im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Bestätigt die Bundesregierung, daß bei Bundesgrenzschutzabteilungen am Zonenrand Soll- und Ist-Stärke der Bundesgrenzschutzbeamten weit auseinanderklaffen, und wenn ja, wie glaubt die Bundesregierung, angesichts der Tatsache des Personalmangels die Einsatzbereitschaft aufrechterhalten zu können?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, den ersten Teil Ihrer Frage beantworte ich mit Nein. Die Beantwortung des zweiten Teils Ihrer Frage entfällt damit.
Zur Erläuterung weise ich auf folgendes hin. Die Planstellen der genannten Abteilungen des Bundesgrenzschutzes sind nahezu vollständig besetzt. Die Soll-Stärke beträgt 17 535, die Ist-Stärke beträgt 16 977. Beide Angaben beziehen sich auf den Stichtag 5. September 1979. Der Unterschied zwischen beiden Zahlen ist eine Folge der Fluktuation innerhalb des BGS, die bei der hohen Gesamtzahl der Beamten unvermeidlich ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, vorausgesetzt, daß die Soll-Stärke so zutreffen mag, wie Sie sie angegeben haben, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Zahl der Beamten des Bundesgrenzschutzes, die ihre eigentlichen Aufgaben wahrnehmen sollen, nicht ausreichen kann, weil ein großer Teil dieser Beamten für den Schutz von ausländischen Vertretungen oder auch zur Bewachung von Flughäfen, zur Sicherungsüberprüfung auf den Flughäfen usw. benötigt wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, erstens stimmt die Zahl der Soll-Stärke, die ich angegeben habe. Zweitens ist es so, daß Beamte, die für Aufgaben, die dem BGS zugewiesen sind, eingesetzt worden sind oder eingesetzt werden — z. B. zum Schutz ausländischer Missionen —, nicht etwa zum Einsatz nicht bereitstehen, sondern sie werden schon entsprechend dem Auftrag des BGS eingesetzt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, besteht die Gefahr, daß z. B. an der Zonengrenze nicht genügend Beamte zur Verfügung stehen, so daß zwangsläufig die Beamten des BGS nicht mehr ihre regelmäßigen Streifen absolvieren können und dadurch sogar Übertritte von Beamten der Volkspolizei zum Zwecke der Vereitelung von Fluchtversuchen möglich gemacht werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, wir berichten dem Bundestag ja regelmäßig — auch der Grenzschutz tut das in seinem Jahresbericht — über die Tätigkeit des Bundesgrenschutzes an den Grenzen. Die Sicherheitsaufgaben des Bundesgrenzschutzes an den Grenzen wird mit den verfügbaren Kräften voll wahrgenommen.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979. 13883
Keine weiteren Zusatzfragen. Frage 12 des Herrn Abgeordneten Würtz, die Fragen 13 und 14 der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein sowie die Fragen 66 und 67 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Frage 44 der Abgeordneten Frau Schuchardt ist zurückgezogen worden.
— Gut, dann wird Frage 44 der Abgeordneten Frau Schuchardt schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 16 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:
Hat die Bundesregierung alle der Gesellschaft für Reaktorsicherheit mitgeteilten Störfälle bis 1977 erfaßt, und sind diese mit den in der vor kurzem erschienenen Dokumentation des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz e. V. veröffentlichten Störfallberichten deutscher Kernkraftwerke identisch?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre Frage beantworte ich mit Ja.
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marschall?
Dann bitte.
Herr Staatssekretär, wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch, der darin besteht, daß beispielsweise in der Dokumentation der Bundesregierung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie für das Jahr 1976 14 besondere Störfälle angegeben sind, während in der Dokumentation der BBU über 130 Fälle nachgewiesen sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bei diesem Vergleich, der von der BBU angestellt worden ist, werden zwei nicht vergleichbare Zahlen miteinander verglichen. Die Zahl von 14 Störfällen, die in dem von Ihnen zitierten Bericht der Bundesregierung, und zwar vom Bundesforschungsminister, genannt worden ist, beinhaltete nicht alle in dem Berichtszeitraum erfaßten Vorfälle, sondern diese Zahl war eine Auswahl von beispielhaft herangezogenen Störfällen, von denen in diesem Bericht die Rede war. Die vollständige Information des Parlaments über die Störfälle in Kernkraftwerken in der Bundesrepublik Deutschland enthält der Bericht des Bundesinnenministers an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1977, der für die folgenden Jahre fortgeschrieben und dem Innenausschuß übermittelt worden ist.
Die Erklärung — kurz zusammengefaßt — dafür ist, daß zwei nicht vergleichbare Zahlen miteinander verglichen wurden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Ist die Bundesregierung bereit, dem Parlament auch die Zahlen der Jahre vor 1977 zur Gänze mitzuteilen und sie damit auch der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, für die Jahre vor 1977 ist das durch einen Bericht geschehen, der dem Innenausschuß im Juni 1977 vorgelegt wurde. Dieser Bericht umfaßt eine Zusammenstellung der besonderen Vorfälle in Kernkraftwerken der Bundesrepublik Deutschland von 1965 bis 1976. Der Bericht, den wir 1977 vorgelegt haben, umfaßte also den Berichtszeitraum 1965 bis 1976. Im Jahre 1979 haben wir einen Bericht über die Jahre 1977 und 1978 abgegeben. Es ist also vollständig informiert worden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 17 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die seither zur Kenntnis der GRS bzw. des Bundesinnenministeriums gelangten Störfälle in vollem Umfang zu veröffentlichen, und wenn nicht, welche rechtlichen Gründe stehen dem entgegen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Frage ist durch meine Antworten auf Ihre Zusatzfragen beantwortet worden. Ich weise noch einmal auf den Bericht des Bundesministers des Innern vom 22. Mai 1977 an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages hin. Ihre Frage ist deshalb im Grunde genommen jetzt ergänzend nur noch mit dem einfachen Wort „selbstverständlich" zu beantworten.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben wieder gesagt, daß, für die vorangegangenen Jahre die Zahl der besonderen Vorfälle zur Kenntnis gebracht werden soll. Dies ist unter anderem einer der Gründe, weshalb ich frage, weil beispielsweise die Zahl der Störfälle in der Kategorie A, die sicherheitstechnisch unmittelbar signifikant sind, die Zahl der von der Bundesregierung bisher dokumentierten Vorfälle deutlich übersteigt.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß es noch einmal auseinandernehmen. Die Berichte an den Innenausschuß, und zwar sowohl der Bericht aus dem Jahre 1977 — er betrifft den Zeitraum 1975 bis 1976 — als auch der Bericht aus dem Jahre 1979 — er betrifft den Zeitraum 1977 und 1978 —, enthalten eine Aufstellung aller sicherheitsbedeutsamen Ereignisse in Kernkraftwerken der Bundesrepublik Deutschland für den Berichtszeitraum. In dem Anschreiben an den Ausschußvorsitzenden ist darauf hingewiesen worden, daß in den Berichten nicht die gesamte im Berichtszeitraum angefallene Betriebserfahrung dokumentiert wird. Ereignisse mit ausschließlich betrieblicher Bedeutung werden in der Regel auf diesem Wege nicht mitgeteilt. Daraus mag sich jetzt
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Parl. Staatssekretär von Schoeler
eine Differenz ergeben, aber es handelt sich dabei — ich sage es noch einmal, wie es in dem Anschreiben an den Innenausschuß mitgeteilt worden ist — um Ereignisse mit ausschließlich betrieblicher Bedeutung.
Zusatzfrage.
Kurz und präzise gefragt, Herr Staatssekretär: Ist die Bundesregierung bereit, alle über die Gesellschaft für Reaktorsicherheit gemeldeten Fälle auch der Öffentlichkeit mitzuteilen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich, Herr Kollege. Wir haben das dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages nicht mitgeteilt, um einfach zu beschränken, was an Informationen mitgeteilt wird. Sie müssen auch sehen, daß der Umfang der Informationen entscheidend dafür ist, ob man das überhaupt noch aufnehmen kann. Wir wollen nicht, daß eine Liste mit einem Sammelsurium auf der einen Seite und von wirklich sicherheitsbedeutsamen Ereignissen auf der anderen Seite, vermischt miteinander, mitgeteilt wird mit dem Ergebnis, daß der Innenausschuß des Parlaments vor der schwierigen Frage steht, sich herauszusuchen: „Welches sind nun die Dinge, mit denen wir uns beschäftigen müssen?" Dies ist dem Innenausschuß als Kriterium mitgeteilt worden. Der Innenausschuß war damit einverstanden.
Wenn Sie die Unterlagen einzusehen wünschen oder wenn der Innenausschuß das wünscht, dann wird Ihnen das selbstverständlich in voller Offenheit mitgeteilt. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Das Prinzip der vollkommenen Information des Parlaments und damit der Öffentlichkeit gilt für uns in diesem. sensiblen Bereich voll und uneingeschränkt.
„Vollkommen" — darauf könnte das Parlament noch verzichten; „vollständig" wäre schon ausreichend.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wenn beides zusammenfällt, ist es natürlich noch besser, Herr Präsident.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Wolfram werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 21 des Herrn Abgeordneten Löffler auf:
Glaubt die Bundesregierung, daß sie die in Tokio eingegangene Verpflichtung, die jährlichen Öleinfuhren in den Jahren von 1980 bis 1985 auf dem Stand des Jahrs 1978 zu halten, erfüllen kann?
Herr Präsident, ich würde gerne beide Fragen im Zusammenhang beantworten.
Ich rufe auch noch Frage 22 des Abgeordneten Löffler auf:
Wenn nicht, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um 1980 und in den folgenden Jahren die Öleinfuhr gegenüber 1978 nicht steigen zu lassen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wird ihre auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio eingegangenen Verpflichtungen zur Begrenzung der Öleinfuhren erfüllen. In Tokio war der Beschluß des vorangegangenen Europäischen Rates in Straßburg bekräftigt worden, die Öleinfuhren der Gemeinschaft zwischen 1980 und 1985 nicht über den Stand von 1978 steigen zu lassen, nämlich nicht über 472 Millionen Tonnen. Zusätzlich hatten die am Tokio-Gipfel teilnehmenden vier EG-Länder zugesagt, sich um eine Auffächerung dieses Globalziels zu bemühen. Diese Auffächerung ist für 1985 inzwischen in der Europäischen Gemeinschaft vorgenommen und auf dem Treffen der Energie-Minister der sieben Tokio-Teilnehmerländer am 26. September 1979 in Paris bestätigt worden. Dabei hat die Bundesrepublik für 1985 eine Netto-Einfuhr von 141 Millionen Tonnen als politische Verpflichtung und als Zielgröße ihrer Energiepolitik akzeptiert. Ob bzw. inwieweit es zu einer ländermäßigen Aufteilung der Öleinfuhren der EG-Länder in den Jahren vor 1985 kommen wird, ist gegenwärtig noch offen. Die Möglichkeiten dafür sind aber sehr positiv zu bewerten.
Dies in Paris für 1985 akzeptierte Einfuhrziel für die Bundesrepublik Deutschland erfordert in den kommenden Jahren zusätzliche Anstrengungen im Bereich der Energieeinsparung und der Mineralölsubstitution sowie im Bereich der Entwicklung alternativer Energieträger. Die Bundesregierung hat zu diesem Zweck einen speziellen Kabinettsausschuß gebildet und am 12. September dieses Jahres bereits eine Reihe neuer Energiesparmaßnahmen beschlossen. Weitere Maßnahmen werden noch geprüft, wobei zunehmend die Ansatzpunkte für die Substitution des Öleinsatzes in der Industrie in den Mittelpunkt rücken.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts der Tatsache, daß in den ersten acht Monaten dieses Jahres die Preise für Rohöl um 17 % gestiegen sind, aber gleichzeitig die Rohöleinfuhren auch um 16,3 % gestiegen sind, nicht für unwahrscheinlich, daß das von Ihnen skizzierte Ziel erreicht wird? Die bisher vertretene Auffassung der Bundesregierung, daß eine Mengenregulierung auch über den Preis erfolgen werde, trifft doch offensichtlich nicht zu.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann diese Schlußfolgerung nicht teilen, Herr Kollege. Die Bundesrepublik rangiert mit 2,8 % Mehrverbrauch
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Parl. Staatssekretär Grüner
im ersten Halbjahr im Vergleich zu den übrigen EG-Ländern an dritter Stelle nach Frankreich mit 1,8 % und Großbritannien mit 2,6 % Mehrverbrauch. Das ist allerdings auf das in 1979 sehr viel stärkere Wachstum des Bruttosozialprodukts in der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen: plus 4,3 % bei uns gegenüber minus 0,6 % in Großbritannien und plus 2,5 % in Frankreich.
Das wird vor allem bei einer auch nach Hauptprodukten differenzierten Betrachtung deutlich: sehr viel geringerer bzw. rückläufiger Verbrauchsanstieg bei den vom privaten Konsum bestimmten Mineralölprodukten — Motorenbenzin und leichtes Heizöl —, stärkerer Verbrauchsanstieg bei den stärker konjunkturabhängigen Mineralölprodukten Dieselkraftstoff und schweres Heizöl. Die Absatzentwicklung von Januar bis August zeigt: Vergaserkraftstoff plus 1,7 %, leichtes Heizöl minus 2 %, Dieselkraftstoff plus 12 %, schweres Heizöl plus 4,8 %. Hier- wird sehr deutlich, daß die konjukturelle Aufwärtsentwicklung, zu ,der wir ja international besonders nachdrücklich aufgefordert worden sind, eine große Rolle spielt.
Man muß hinzufügen, daß die Auswirkungen der Preisentwicklung sich naturgemäß nicht schlagartig sichtbar machen lassen. Denn die enormen Möglichkeiten des Einsatzes von Substitutionsenergie treten nicht von heute auf morgen hervor, sind aber durch die hohen Preise sehr deutlich sichtbar geworden. Der Umstellungsprozeß in unserer Wirtschaft, aber auch in den privaten Haushaltungen ist in vollem Gange.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich glaube doch nicht, daß ich Ihre Antwort so verstehen muß, daß Sie die von mir genannten Zahlen in Zweifel ziehen, die ich der Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums Nr. 7810 vom 25. September 1979 entnommen habe?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das tue ich nicht. Ich möchte nur die damit verbundene Schlußfolgerung nicht ziehen, die Preise hätten nicht einen dämpfenden Effekt auf den Verbrauch. Daß ein Verbrauch nicht unabhängig ist von einer außerordentlich günstigen Baukonjunktur, vom Wiederanlaufen der Stahlproduktion, ist selbstverständlich. Diesen Zusammenhang versuchte ich mit meinen Zahlen deutlich zu machen.
Man war sich auch bei den internationalen Abmachungen völlig klar darüber, daß ein hohes Wachstum des Bruttosozialprodukts andere Maßstäbe bei der Beurteilung der Entwicklung der Einfuhrmengen verlange als ein sehr niedriges. Auch sind bei der Gesamtbeurteilung insbesondere die bisherigen Anstregungen zur Energieeinsparung mit zu berücksichtigen, bei denen die Bundesrepublik Deutschland ja eine sehr erfolgreiche Bilanz vorzulegen hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß der weiter expandierende Rohölverbrauch in unserem Lande unsere Abhängigkeit von den ölfördernden Ländern noch vergrößert und diese Länder geradezu auffordert, die Preise noch weiter zu erhöhen mit allen Gefahren, die sich daraus für unsere Wirtschaft ergeben können?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich gehe nicht von einem weiter steigenden Mineralölverbrauch, sondern davon aus, daß wir das uns gesetzte Ziel für 1985 einhalten werden, was im Verlauf der Jahre mit einer Stagnation unseres Ölverbrauchs gleichbedeutend ist. Persönlich bin ich der Meinung, daß wir sehr viel günstiger abschneiden werden, was ich hier allerdings nicht beweisen kann, weil die Wir, kungen des Einsatzes von Substitutionsenergie naturgemäß schwer vorauszuschätzen sind. Ich bewerte diese Chancen wesentlich höher, als sie heute berechenbar sind.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie ihre Hoffnung, daß der Rohölverbrauch nicht weiter expandieren wird, in etwa quantifizieren?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich habe schon auf den rückläufigen Verbrauch bei Benzin bzw. auf das sehr schwache Anwachsen bei Benzin und leichtem Heizöl hingewiesen. Weiter sind die großen Möglichkeiten des Ersatzes von Öl, etwa durch Kohle, aber auch durch andere Energien bis in Bereiche des Haushaltes zu nennen, wo etwa von einer Öl- in eine Gasversorgung übergegangen werden kann. All diese Wirkungen rechtfertigen und tragen unsere Erwartungen, daß wir unser Ziel mittelfristig bis 1985 erreichen können. Es ist durchaus denkbar, daß sich dieser Erfolg in den einzelnen Jahren, insbesondere gerade zu Beginn einer solchen extremen Preisentwicklung, wie wir sie beim 01 im Augenblick haben, nicht so unmittelbar einstellt, wie das wünschenswert wäre. Aber ich glaube, daß wir das Ziel für 1985 in der Gesamtbilanz als erfüllbar betrachten können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roth.
Herr Staatssekretär, widerspricht diese These nicht dem Verhalten, das wir im Jahre 1974 beobachten konnten, als der Rückgang des Ölverbrauchs kurzfristig wesentlich deutlicher als mittelfristig war?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich sehe das nicht so, weil die Verteuerungen der Jahre 1973/74 speziell für die Bundesrepublik Deutschland in einem erheblichen Umfang durch die Kaufkraftsteigerung der D-Mark aufgefangen worden sind und daher die Preiswirkung in ihrer absoluten Höhe, insbesondere bei der Industrie, nicht den gleichen Um. fang wie heute erreicht hat. Daher ist damals das
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Parl. Staatssekretär Grüner
) Energieeinsparungspotential auch nicht in dein gleichen Umfang in Anspruch genommen worden, wie das jetzt der Fall sein wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Stimmen Sie mir zu, daß Ihre optimistische Sicht der Dinge schon im Verlauf des nächsten Jahres prüfbar werden muß? Da wir in diesem Jahr eine Zunahme von 16 % hatten, können wir realistisch das Ziel, daß der Import 1985 so groß wie 1978 ist, wohl nur erreichen, wenn wir bereits im nächsten Jahr einen deutlichen Rückgang der Ölimporte gegenüber dem Jahr 1979 haben werden.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dieser Zahlenvergleich ist nicht richtig, weil die Steigerung der Rohölimporte darauf beruht, daß bei uns jetzt sehr viel mehr als vor dieser Preisexplosion raffiniert wird. Die Rohöleinfuhr ist gestiegen, die Produkteneinfuhr ist zurückgegangen, und deshalb ist die Rohöleinfuhr als Maßstab nicht unbedingt zutreffend. Ich möchte noch einmal sagen, daß wir insgesamt glauben, daß wir in den nächsten Jahren global zu einer Stagnation des Ölverbrauchs kommen werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Die Fragen 29 und 30 des Herrn Abgeordneten Hölscher und die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Schedl werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Können Nebenerwerbslandwirte, die die Beitragsvoraussetzungen in einer gesetzlichen Rentenversicherung für eine flexible Altersrente erfüllen, diese in Anspruch nehmen und gleichzeitig ihren landwirtschaftlichen Betrieb unabhängig von der Größe weiterführen, und, wenn nein, zieht die Bunderegierung eine Novellierung der geltenden Regelungen in, Betracht?
Herr Kollege Horstmeier, es gibt Landwirte, welche die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für das flexible Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen. Sie können das Altersruhegeld grundsätzlich auch dann in Anspruch nehmen, wenn sie ihr landwirtschaftliches Unternehmen weiterführen. Voraussetzung ist allerdings, daß sie bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Grenze des zulässigen Hinzuverdienstes in Höhe eines Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens von monatlich 1 000 DM nicht überschreiten.
Die Bundesregierung sieht• keine Veranlassung, die geltende Regelung zu ändern. Sie soll den älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Versicherten das Ausscheiden aus dem Berufsleben erleichtern.
Deshalb stellt das Gesetz mit Recht eine Beziehung zwischen dem Anspruch auf das flexible Altersruhegeld und der Erwerbstätigkeit her.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, nach welchen Kriterien wird das Einkommen aus selbständiger Arbeit bei Nebenerwerbslandwirten geschätzt oder festgestellt?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, Sie sind auf diesem Feld ein viel besserer Fachmann als ich. Sie wissen, daß die Bodenqualität die Bemessungsgrundlage für den erwirtschafteten Ertrag ist. Hier gibt es Tabellen, die zur Grundlage gemacht werden, und es gibt Schätzungen über das durchschnittliche Einkommen für einen Bezugszeitraum von zwölf Monaten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Dies erfolgt also auf Grund einer Schätzung. Wird in dem Falle, daß im nachhinein festgestellt wird, daß das Einkommen 1 000 DM übersteigt, die Rente nicht gewährt, oder wird, wenn die 1 000 DM nicht erreicht werden, die Rente im nachhinein noch gegeben?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, hier gibt es keinen Unterschied zwischen Landwirten und sonstigen vergleichbaren Rentenempfängern. Die Rentenversicherung kann immer erst im nachhinein feststellen, ob die Einkommensgrenze tatsächlich überschritten worden ist, und muß dann auf einer Regulierung bestehen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten KrollSchlüter auf:
Ist die Bundesregierung innerhalb ihrer Kompetenzen in der Lage und bereit, darauf hinzuwirken, daß die zuständigen Stellen ein energisches Handeln bei Verstößen der Jugendsekten gegen die Arbeitszeitordnung zur Regel werden lassen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Aufsicht über die Einhaltung der Vorschriften der Arbeitszeitordnung obliegt den Aufsichtsbehörden der Länder. Diese gehen bei Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften vor, die sie bei ihren Revisionen feststellen oder die ihnen von anderer Seite mitgeteilt werden. Ich bin deshalb gern bereit, die leitenden Gewerbeaufsichtsbeamten der Länder zu bitten, die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durch Jugendsekten zu überprüfen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Liegen bis jetzt keine Angaben über solche meiner Meinung nach notwendigen Aktionen der Bundesländer vor, und gibt es Überprüfungen, ob die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen und Gesetze eingehalten werden?
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Buschfort, Parl. Staatssekretär: Mir liegen im Augenblick keine Erkenntnisse vor. Das schließt nicht aus, daß bei einzelnen Krankenkassen oder Gewerbeaufsichtsämtern Verstöße bekanntgeworden sind. Sobald dies der Fall ist, muß und wird. eine Überprüfung einsetzen. Dies tun die Versicherungsträger schon aus finanziellen Gründen, aber auch aus Gründen des Schutzes der jeweiligen Person. Die Gewerbeaufsichtsämter sind gehalten, diesen gesetzeswidrigen Zustand bei Bekanntwerden abzustellen.
Zusatzfrage.
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die Möglichkeiten des Einwirkens auf Jugendsekten zum Schutze der Mitglieder auf dem hier gezeigten Weg sowohl von der Bundesregierung als auch von den Landesregierungen stärker genutzt werden sollten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kroll-Schlüter, ich bin schon der Auffassung, daß bei Bekanntwerden solcher Verletzungen die Bundesregierung mit allen Möglichkeiten — die Fragestunde ist beispielsweise eine solche Möglichkeit — einwirken muß. Ich gehe selbstverständlich davon aus, daß dies auch die Ländergremien tun werden. Ob es sich um Jugendsekten oder um andere Bereiche handelt, in denen Jugendliche beschäftigt oder versichert werden, mag dahingestellt sein. Wenn wir diese Gesetze zum Schutze der Jugend hier verabschieden, müssen wir auch Wert darauf legen, daß sie eingehalten werden. Das, was wir dazu beitragen können, wollen wir gerne tun.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Bülow zur Verfügung.
Die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Dr. Wernitz, die Frage 20 des Abgeordneten Dr. von Geldern, die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Dr. Ahrens, die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Gansel und die Frage 41 des Abgeordneten Biehle werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Ey auf :
Ist die Bundesregierung bereit, zur Vermeidung und Linderung etwa durch Krankheitsfälle bedingter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligungen von Landwirtsfamilien und deren Betrieben die eigens dafür eingerichteten privaten Hilfsdienste, wie zum Beispiel den Betriebshilfsdienst „Dümmer" e. V., zu unterstützen, indem die Bundesregierung die von solchen Betriebshilfsdiensten eingesetzten landwirtschaftlichen Betriebshelfer nicht nur im Einzelfall und vorübergehend vom Wehrdienst unabkömmlich stellt, sondern indem sie deren Tätigkeit generell als Wehrersatzdienst anerkennt?
Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte?
Wenn Herr Ey damit einverstanden ist.
Keine Bedenken.
Dann rufe ich die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Wird sich die Bundesregierung nach Prüfung der Rechtslage, auch unter Abwägung von Wehrgerechtigkeit und sozialer und wirtschaftlicher Notlage in der Landwirtschaft, mit den Kreiswehrersatzämtern ins Benehmen setzen, um die Personalschwierigkeiten solcher Betriebshilfsdienste durch Anerkennung der Betriebshelfer als Wehrersatzdienstleistende abzubauen?
Bitte schön.
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, die Tätigkeit der landwirtschaftlichen Betriebshelfer auf den Wehrdienst anzurechnen. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht vorhanden.
Es ist auch nicht beabsichtigt, dem Deutschen Bundestag eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen vorzuschlagen. Nach Auffassung der Bundesregierung kann den Belangen der Landwirtschaft durch eine Unabkömmlichstellung der Betriebshelfer im Einzelfall Rechnung getragen werden.
Im gleichen Sinne hat sich die Bundesregierung in der Fragestunde des Bundestags schon am 8. Juni 1973 geäußert.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß in der Mehrzahl aller Fälle der Gestellung landwirtschaftlicher Betriebshelfer soziale Aspekte im überwiegenden Maße vorhanden sind?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Ich verkenne nicht die sozialen Aspekte in diesen Fällen. Aber Sie müssen natürlich sofort die Weiterung eines solchen Anliegens, das Sie hier offenbar vertreten, sehen. Sie finden im ganzen Mittelstand eine Vielzahl von ähnlichen Fällen, wo wir der Meinung sind, daß es sinnvoller ist, in bezug auf den Einzelfall durch Unabkömmlichstellung und Zurückstellung vom Wehrdienst zu helfen als durch eine generelle Regelung.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß moderne technische Einrichtungen, wie sie heute in der Landwirtschaft allgemein die Strukturen bestimmen, einfach dazu zwingen, in überbetrieblichen Formen jede Nutzungsmöglichkeit, ob es sich um technische oder menschliche Hilfsmittel handelt, zu sichern?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Ich bin sicher, daß man das tun muß. Ich bin auf der anderen Seite aber auch sicher, daß unser Instrumentarium in bezug auf den Einzelfall so flexibel ist, daß
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Parl. Staatssekretär Dr. von Bülow
I wir dort wirklich helfen und den Gesichtspunkten Rechnung tragen können, die Sie vorgetragen haben.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, im Rahmen Ihrer Zuständigkeit innerhalb des Verteidigungsbereichs Ihre untergeordneten Stellen auf die besondere Situation der Landwirtschaft im Verhältnis zum Einsatz überbetrieblicher Hilfskräfte erneut hinzuweisen?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Das will ich gerne tun. Das geschieht auch ständig auf Grund von Einzelfällen, die uns vorgetragen werden und in denen wir versuchen, zu einer vernünftigen Regelung zu kommen.
Keine Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Voigt auf:
Trifft es zu, daß Generalmajor Bastian die Auffassung vertreten hat, daß Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ebenso wie die Geschwister Scholl, Wilhelm Leuschner und Oberst Graf Stauffenberg „für ein humaneres Deutschland gestorben" seien, und teilt die Bundesregierung diese Auffassung, und wenn ja, ist in absehbarer Zeit mit der Benennung von Bundeswehreinrichtungen nach Liebknecht und Luxemburg zu rechnen?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Voigt, in Ihre Frage haben Sie eigentlich drei Fragen eingekleidet. Ich darf diese Fragen der Reihe nach beantworten.
Erstens. Generalmajor Bastian ist der Verfasser eines Vorworts zu dem von Herrn Heinz Artzt herausgegebenen Buch mit dem Titel „Mörder in Uniform". Das Vorwort enthält kritisch-engagierte Feststellungen zu den Verstrickungen Deutscher in Uniform in Unrecht und persönliche Schuld während des Zweiten Weltkriegs. Zum anderen geht Generalmajor Bastian auf die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland aus seiner persönlichen Sicht ein.
In diesem Vorwort heißt es:
Was macht es da schon aus, daß doch nichts, auch keine eindrucksvolle Waffentat, losgelöst vom Hintergrund der Ziele und Auswirkungen bewertet werden kann; daß deshalb meist die falschen Namen von Taten genannt werden, während die entscheidenden Ereignisse der Epoche ebenso dem Vergessen überantwortet bleiben wie die für ein humaneres Deutschland Gestorbenen — angefangen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg über Carl von Ossietzky und die Geschwister Scholl bis hin zu Wilhelm Leuschner und Graf Stauffenberg.
Zweitens. Zu Ihrer Frage nach der Bewertung dieser Äußerung gehe ich davon aus, daß Ihnen als Major a. D. der Bundeswehr noch aus Ihrer aktiven Dienstzeit, während der auch Sie sich politisch engagiert haben, bekannt ist, daß das Grundrecht der Meinungsfreiheit grundsätzlich auch für Soldaten gilt. Die ausführenden Erlasse des Bundesministeriums der Verteidigung müßten Ihnen geläufig sein.
Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, private Meinungsäußerungen von Schriftstellern, auch von schriftstellernden Offizieren, zu bewerten.
Drittens. Ihre aus der zitierten Passage abgeleitete Frage nach der Benennung von Kasernen der Bundeswehr erscheint der Bundesregierung außerordentlich weit hergeholt. Sie wissen als stellvertretendes Mitglied des Verteidigungsausschusses, daß die Kasernenbenennungen in einem festgelegten Verfahren erfolgen. Hierbei werden mit den regionalen Körperschaften, insbesondere den Kommunen, abgestimmte Vorschläge der Truppe über die Führungsstäbe dem Bundesminister der Verteidigung vorgelegt. Bisher ist noch kein Vorschlag eingegangen, eine Bundeswehreinrichtung nach Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu benennen.
Ich hoffe, es beruhigt Sie, wenn ich Ihnen sage, daß die Bundesregierung auch nicht mit einem derartigen Vorschlag in absehbarer Zeit rechnet.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß Generalmajor Bastian Graf Stauffenberg und die anderen Widerstandskämpfer des 20. Juli sowie die Geschwister Scholl beleidigt, indem er in dem von Ihnen zitierten Vorwort deren Taten gleichsam auf eine Stufe mit den Zielen kommunistischer Umstürzler stellt?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Nein, ich bleibe bei meiner Aussage, daß die Bundesregierung es nicht zur Aufgabe hat, wertend auf Äußerungen Dritter, schriftstellernder Soldaten, einzugehen. Ihre Frage müßte mit einer umfassenden Würdigung des Widerstands gegen das Dritte Reich beantwortet werden, und darauf kann ich im Augenblick nicht eingehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, im Zusammenhang mit der wohl auch von Ihnen vertretenen Auffassung, kein Soldat sollte eine entsprechende Zurückhaltung in seiner Meinungsäußerung bewahren, folgende Frage: Sind Sie mit mir der Meinung, daß der Auftritt des Generals Bastian — verbotswidrig in Uniform auf einer JusoVeranstaltung —, seine haarsträubenden Thesen über den defensiven Charakter der Sowjetarmee, die verunglimpfenden Äußerungen über einen Abgeordneten dieses Hauses und nicht zuletzt dieses Zitat, das Sie eben angesprochen haben, die Frage aufwerfen, ob er überhaupt noch zur Erziehung junger Soldaten befähigt ist,
zumal Bastian disziplinar bereits bestraft worden ist?
Einen Moment, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979 13889
Präsident Stücklen
Ich brauche Ihren aufmunternden Zwischenruf nicht, Herr Kollege. Es ist Aufgabe des Präsidenten
— nicht Aufgabe der einzelnen Abgeordneten — zu beurteilen, ob eine Frage zulässig ist oder nicht. Das ist nun einmal die Ordnung, die wir hier in diesem Parlament pflegen, und dem möchte ich voll entsprechen. Ich lasse die Frage nicht zu. Sind Sie jetzt beruhigt?
— Herr Abgeordneter, ich kann doch nicht wissen, was gesagt werden wird. Das kennen wir schon seit langem, daß hier Fragen gestellt und nachträglich nicht zugelassen werden. Aber sie sind natürlich im Raum. Allein auf die Mundbewegung hin ist es auch einem versierten Parlamentspräsidenten nicht möglich, hellseherische Gaben zu entfalten.
Ich rufe Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird ebenso wie Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 38 des Herrn Abgeordneten Engelsberger auf. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Wrede zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Urbaniak auf:
Trifft es zu, daß es noch 50 Brücken dieses Typs, der jetzt bei einem Unfall auf der A 2 bei Dortmund eingestürzt ist, über deutschen Autobahnen gibt?
Herr Präsident, wenn der Fragesteller einverstanden ist, würde ich gern die Fragen 46 und 47 im Zusammenhang beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Urbaniak auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die Standsicherheit dieser Brücken verbessert wird?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, an Bundesautobahnen gibt es derzeit rund 100 Brücken ähnlicher Bauart, wie sie bei Duisburg und Dortmund durch Fahrzeuganprall eingestürzt sind. Die genaue Anzahl wird derzeit ermittelt. Im Einvernehmen mit den Straßenbauverwaltungen der Länder wird zur Zeit geprüft, ob und gegebenenfalls welche zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen gegen Fahrzeuganprall vorgesehen werden
können. Sofern an diesen Brücken im Zusammenhang mit einem Ausbau der Bundesautobahn oder Bundesstraßen Änderungen vorgenommen werden müßten, werden diese Brücken in der Regel durch einen völligen Neubau ersetzt.
Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wann die Prüfungen abgeschlossen sein werden, so daß man weitere Informationen über diesen Komplex bekommen kann?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ein Datum kann ich Ihnen nicht nennen, weil ja die Länder — im Auftrag des Bundes — diese Arbeiten durchführen. Aber ich gehe wie auch Sie davon aus, daß diese Arbeiten schnellstmöglich durchgeführt werden.
Eine weitere Zusatzfrage? —Bitte.
Hat die Bundesregierung Vorstellungen über mögliche Kostenauswirkungen, falls man alle 100 Brückenbauwerke der Sicherheit wegen erneuerte?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Urbaniak. Diese können wir erst bekommen, wenn die Untersuchungen der Länder, die ich angesprochen habe, abgeschlossen sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe nunmehr die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Menzel auf. — Er ist nicht im Raum. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Spöri auf. — Er ist nicht im Saal. Diese Frage wie auch seine Frage 50 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nunmehr die Frage 51 des Herr Abgeordneten Merker auf. — Er ist nicht im Saal. Diese Frage wie auch seine Frage 52 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, ich möchte mir das nicht bis zum Schluß der Fragestunde aufheben: Es ist nicht unbedingt der höchste Grad der Höflichkeit, die Parlamentarischen Staatssekretäre nach der Geschäftsordnung zur Beantwortung der Fragen hierherzuzitieren und dann nicht anwesend zu sein,
ohne dem Präsidium auch nur Mitteilung davon zu machen. Dies geht natürlich an alle Seiten des Hauses. Auch hier wäre Beifall durchaus berechtigt.
— Danke.
13890 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979
Präsident Stücklen
Ich rufe die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Conradi auf. — Der Abgeordnete Conradi war zwar da, aber inzwischen ist er nicht mehr da. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Nun sehe ich zu meiner großen Freude, daß wieder ein Fragesteller — genauer gesagt: eine Fragestellerin — da ist. — Ich rufe die Frage 55 der
Frau Abgeordneten Steinhauer auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die ab 2. Oktober 1979 gültige Gebührenermäßigung für den Neuanschluß und die Übernahme eines Telefonanschlusses auch schon für am 1. Oktober 1979 umgemeldete bzw. neu angemeldete Anschlüsse wirksam werden zu lassen, da erfahrungsgemäß dieser Termin als Quartalsende bzw. Monatsbeginn bevorzugt als Umzugstermin gewählt wird und daher eine sehr große Anzahl von Neu- und Ummeldungen an diesem Tag vorgenommen werden?
Bitte schön.
Wrede, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, da der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost in seiner Sitzung vom 1. Oktober 1979 die Neuregelung der Anschließ- und Übernahmegebühren beschlossen hat, konnte die Anwendung der neuen Gebührensätze aus verwaltungs- und betriebstechnischen Gründen erst zum 2. Oktober 1979 verfügt werden. Ein früherer Anwendungstermin kann deshalb leider nicht in Betracht gezogen werden.
Zusatzfrage? — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, kann sichergestellt werden, daß man bei Beratungen auch im Postverwaltungsrat Zeitpunkte wie Quartalsende bzw. Monatsbeginn mehr berücksichtigt?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, dies möchte ich Ihnen nicht zusagen, weil ich nicht voraussehen kann, ob, wenn ein Beschlußgremium, beispielsweise der Postverwaltungsrat, tagt, im Laufe der Beratung eines solchen Tagesordnungspunktes plötzlich ein Beschluß gefaßt wird. Dies hängt von den Terminen der Beschlußgremien, in diesem Fall des Postverwaltungsrates, ab. Ich weiß, daß die Antwort nicht befriedigt, aber eine andere Möglichkeit ist leider nicht gegeben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Niegel auf. — Der Kollege Niegel war auch schon mal da,
aber im Augenblick ist er nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Bindig auf:
Hat der Bundespostminister Erkenntnisse darüber, wieviel Schreibtelefone von Gehörlosen in der Bundesrepublik Deutschland und speziell in Baden-Württemberg z. Z. im Einsatz sind, und wie schätzt er die Entwicklung des Bestands für die nächsten Jahre in den genannten Gebietsbereichen ein?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich würde die Fragen 57 und 58 gern zusammen beantworten, wenn der Kollege einverstanden ist.
Einverstanden, ja?
Herr Präsident, ich hatte schriftlich zwar um getrennte Beantwortung gebeten, aber es bleibt mir jetzt wohl nichts anderes übrig, als hier eine gemeinsame Beantwortung meiner Fragen entgegenzunehmen.
Nein, nein, das liegt ganz in Ihrem Ermessen. Wenn Sie sagen, daß Sie eine Einzelbeantwortung wünschen, ist der Parlamentarische Staatssekretär gezwungen, Ihre Fragen auch einzeln zu beantworten. Wie wollen Sie es haben?
Ich bitte um getrennte Beantwortung.
Zur getrennten Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär.
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Schreibtelefon ist eine private Zusatzeinrichtung. Die Zahl der im Einsatz befindlichen Schreibtelefone läßt sich nur über den Fachhandel oder über regionale bzw. überregionale Interessenverbände der Gehörlosen ermitteln. Als akustisch anschließbares Gerät ist das Schreibtelefon geführenfrei und wird bei der Deutschen Bundespost nicht erfaßt.
Zusatzfrage? — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, sehen Sie für die Post keine Möglichkeit — vielleicht durch Umfrage bei den Gehörlosenverbänden —, die Zahl der im Einsatz befindlichen Gehörlosentelefone, also Schreibtelefone, zu ermitteln?
. Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist sicherlich möglich, das zu ermitteln. Nur, es war bis zur heutigen Fragestunde nicht möglich.
Herr Staatssekretär, ich darf nachfragen: Haben Sie aus Anlaß dieser Fragestunde die Absicht, diese Zahl zu ermitteln, um sich ein Bild darüber zu machen, wie viele solcher Schreibtelefone von Gehörlosen bereits im Einsatz sind?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Ich werde gern veranlassen, daß diese Zahlen, soweit sie erfaßbar sind, bei den entsprechenden Verbänden durch Nachfrage ermittelt werden.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Bindig auf:
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979 13891
Präsident Stücklen
Hat der Bundespostminister ermitteln lassen, mit welchem ungefähren Zeitverlängerungsfaktor Gehörlose beim Informationsapstausch unter Verwendung eines Schreibtelefons im Vergleich zu gesunden Telefonbenutzern rechnen müssen, und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, bald für Gehörlose, welche ein Schreibtelefon verwenden, eine spezielle Gebührenregelung zu schaffen, und falls nein, aus welchen Gründen?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Eine technische Unterscheidung für automatische Gebührenerfassung in der Fernsprechvermittlungsstelle ist nicht möglich. Der durch den Einsatz eines Schreibtelefons bedingte Zeitverlust läßt sich in einem allgemein angebbaren Faktor nicht ausdrücken, da er individuell vom Betreiber des Gerätes und dessen Fertigkeit im Umgang mit einer Schreibmaschine abhängt. Das Schreibtelefon ist außerdem nicht an einen bestimmten Anschluß gebunden. Die Deutsche Bundespost beabsichtigt daher keine spezielle Gebührenregelung, die über die bereits für diesen Benutzerkreis bestehende Sozialanschlußregelung hinausgeht. Mit Einführung des Nandienstes wird dieser Benutzerkreis in der Regel auch 30 freie Gebühreneinheiten erhalten, die sich zu dem für alle Anschlüsse generell beabsichtigten 15 freien Gebühreneinheiten addieren.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sieht das Ministerium nicht die Möglichkeit, durch wissenschaftliche Gutachten Durchschnittswerte ermitteln zu lassen — es gibt bereits solche, die besagen, daß es das Vier- bis Fünffache an Zeit erfordert, unter Verwendung des Schreibtelefons zu telefonieren —, und kann das Ministerium vor diesem Hintergrund in der Frage der Gebührenregelung nicht doch eine positive Willensbildung herbeiführen?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das sind zwei unterschiedliche Sachverhalte. Was den ersten Sachverhalt angeht, so könnte ich Ihre Auffassung teilen, daß eine Ermittlung solcher Werte möglich ist. Im Hinblick auf den zweiten Sachverhalt habe ich Ihnen bereits gesagt, daß es sich um Zusatzeinrichtungen handelt, die nicht an einen festen Anschluß gebunden sind. Insofern ist es nicht möglich, dafür eine spezielle Gebührenregelung einzuführen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, neben der Möglichkeit, eine Gebührenregelung im Zusammenhang mit der Zeit einzuführen, gibt es ja auch Möglichkeiten, für Gehörlose eine andere allgemeine, pauschale Gebührenregelung vorzusehen. Ist es in dieser: Richtung nicht doch möglich, den Gehörlosen ebenso eine kostenmäßige Erleichterung zu verschaffen, wie dies z. B. dankenswerterweise und notwendigerweise im Falle von Blindensendungen bereits geschieht?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich verweise noch einmal auf die allgemeine Sozialanschlußklausel. Die Bundespost hat nicht die Absicht, über diesen Rahmen hinaus für einen ganz bestimmten Kreis — es würde zweifellos für andere Benutzerkreise zu ähnlichen Auswirkungen kommen müssen — etwas Besonderes zu tun.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, da die Frage der Gewährung und Einrichtung von Gehörlosentelefonen und -schreibaufzeichnungsgeräten nicht in Ihre Zuständigkeit fällt, frage ich Sie: Hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, wie die soziale Frage möglicherweise in den zuständigen anderen Bereichen im Sinne der Gehörlosen gelöst werden soll?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ey, ich gehe davon aus, daß beispielsweise diese Fragestunde und die hier gestellten Fragen und erteilten Antworten für die in diesem Bereich Tätigen Anlaß sein werden, sich darüber Gedanken zu machen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Böhm auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Zusammenhang mit den jetzt erfolgenden Gebührensenkungen im Telefonverkehr dafür zu sorgen, daß die Deutsche Bundespost entsprechend dem Zonenrandförderungsgesetz für die Telefonkunden im Zonenrandgebiet besonders günstige Bedingungen schafft, was durch besondere Gebühren und durch größere Nahverkehrsbereiche als in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck kommen könnte?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Ortsnetze an den Grenzen und Küsten erhalten einen Ausgleich für den Flächenverlust, der durch die Grenz- oder Küstenlinie beim Nahbereich verursacht wird. Dadurch soll sichergestellt werden, daß die Nahbereichsfläche der Grenz- und Küstenortsnetze derjenigen vergleichbarer Ortsnetze im Innern der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Bei der Modellberechnung wurde eine Kreisfläche mit einem 20-km-Radius als normale Nahbereichsfläche unterstellt. Ein Flächenverlust von rund 30 % wird dann durch einen 30-km-Nahbereichsradius ausgeglichen. Durch diese Sonderregelung für die Ortsnetze an den Grenzen und Küsten hat die Deutsche Bundespost im Rahmen des Möglichen den besonderen Verhältnissen in diesen Gebieten Rechnung getragen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es in einzelnen Zonenrandgemeinden, die sich in extremer Lage befinden, für die Bürger unzumutbar ist, wenn sie trotz der von Ihnen genannten besonderen Berücksichtigung nicht zum Nahbereich des nächsten Mittelzentrums bzw. der Kreisstadt gehören, mit der häufig telefoniert werden muß?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich teile diese Auffassung, daß das unzumutbar sei,
13892 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979
Parl. Staatssekretär Wrede
nicht, da das, was hier eingeführt wird, gegenüber der heutigen Regelung einen ganz enormen Fortschritt darstellt. Im übrigen treffen ,die von Ihnen genannten Sachverhalte nicht nur für den Grenzbereich zu; solche Fälle gibt es überall in der Bundesrepublik. Dieses neue Konzept mußte aber nach einem einheitlichen Schema entwickelt werden, und dabei konnte auf örtliche Besonderheiten — dies habe ich wiederholt auch schon in der Fragestunde erklären müssen — leider nicht Rücksicht genommen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht im Rahmen der Gebührenermäßigungen, die vorgenommen werden, den Ansatz für eine Strukturpolitik der Deutschen Bundespost, die es ermöglichen könnte, den Gemeinden im Zonenrandgebiet durch niedrigere Gebühren und durch noch günstigere Gestaltung der Nahverkehrsbereiche stärker zu helfen, als es ohnehin beabsichtigt ist?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich möchte nicht in eine Debatte darüber eintreten, ob die Bundespost verpflichtet ist, in Verfolg des Zonenrandförderungsgesetzes besondere Maßnahmen zu ergreifen. Eine rechtliche Verpflichtung gibt es sicherlich nicht, aber die Bundespost tut selbstverständlich alles, was ihr in ihrem Rahmen möglich ist. Nur kann sie natürlich nicht unterschiedliche Gebühren einführen, zumal solche unterschiedliche Gebühren den von Ihnen angesprochenen Schwierigkeiten, daß in einzelnen Fällen einzelne Gemeinden wegen der geographischen Lage besondere Probleme haben, ja nicht gerecht würden. Dies ergäbe wiederum eine allgemeine Vergünstigung für einen größeren Benutzerkreis, was sicher nicht im Interesse der Postkunden liegen kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Dr. Schmid zur Verfügung.
Frage 15 des Herrn Abgeordneten Hoffmann wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 60 des Herrn Abgeordneten Ludewig auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung beim Ankauf des ehemaligen Hotels Petersberg das Inventar nicht mit erworben und die jetzt von einem privaten Auktionator mit erheblichem Gewinn vorgenommene Versteigerung nicht selbst durchgeführt, um die dabei erzielten Gewinne zur Reduzierung der Renovierungskosten zu benutzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist im Rahmen der Verhandlungen über den Ankauf des ehemaligen Hotels Petersberg das Inventar nicht angeboten worden. Sie hat auch von sich aus keine Anstrengungen unternommen, das Inventar zu erwerben.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es nicht zu ihren Aufgaben zählt, von ihr nicht benötigte Einrichtungsgegenstände zu erwerben und anschließend zu versteigern, abgesehen davon, daß die hiermit verbundenen Risiken nicht abzugrenzen waren. Gewinne hätte es auch nur dann geben können, wenn die Eigentümer bereit gewesen wären, billig zu verkaufen. Nach den vorliegenden Erfahrungen hätte damit nicht gerechnet werden können. Mit Sicherheit wären an dieser Stelle eingetretene Verluste der Bundesregierung entgegengehalten worden.
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, wie äußern Sie sich, wenn das, was Sie eben sagen, stimmt, zu den Meldungen, nach denen die Bundesregierung für 70 000 DM Gegenstände übernommen hat? Das wäre ja ein Widerspruch.
Dr. Schmid, Staatssekretär: Die Bundesregierung hat aus dem Mobiliar für ca. 75 000 DM Gegenstände erworben, die sie bei der Umgestaltung dieses Gebäudes zu einem Gästehaus auch verwenden kann. Es handelt sich um einige besonders wertvolle und für die vorgesehenen Zwecke geeignete Gegenstände.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ludewig.
Herr Staatssekretär, wenn es stimmt, daß Sie von sechs Messingleuchtern aus dem Eichensaal einen erworben haben, erlaube ich mir die Frage, ob dieser Leuchter wertvoll ist und, wenn ja, warum Sie die anderen fünf nicht gekauft haben. Oder warum haben Sie, wenn die sechs Leuchter nichts taugen, einen, von ihnen gekauft?
Dr. Schmid, Staatssekretär: Wir haben nicht nur einen, sondern mehrere Leuchter erworben, einen Kronleuchter aus dem Kaminzimmer, drei Deckenleuchten und zwei Wandleuchten aus der Eingangshalle. Von einem Leuchter aus dem Eichensaal ist mir nichts bekannt.
Herr Staatssekretär, wen wollen Sie denn damit erleuchten?
Dr. Schmid, Staatssekretär: Herr Präsident, ich denke, daß wir bei der künftigen Umgestaltung und Nutzung dieses Gebäudes einige Räume in ihrem Charakter erhalten, was es uns erlaubt, diese Beleuchtungskörper zu verwenden, auch wenn wir das bisherige Mobiliar nicht mehr benutzen können.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979 13893
Keine weitere Zusatzfrage mehr. Ich rufe die nächste Frage auf, die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Ludewig:
Welche Überlegungen haben die Bundesregierung dazu geführt, aus dem zukünftigen Gästehaus der Bundesregierung, das vielfach Ort historischer Begegnungen in der Vergangenheit gewesen ist, sämtliches historische Mobiliar zu entfernen?
Dr. Schmid, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg soll in Formen, die unserer Zeit und unserer Gesellschaft entsprechen, gestaltet werden. Diesem Anspruch werden die Einrichtungsgegenstände des ehemaligen Hotels Petersberg mit den vorgenannten Ausnahmen nicht gerecht. Es kann hier nicht von einem historisch wertvollen Mobiliar gesprochen werden. Die Einrichtungsgegenstände wurden überwiegend nach dem Kriege für die Hotelausstattung beschafft. Diese Bewertung wird auch von den Beratern, von städtebaulichen und gestalterischen Beratern der Bundesregierung, hinzugezogenen Gutachtern und von den Architekten bestätigt, die aufgefordert sind, Vorschläge zur Umgestaltung und Erweiterung der Gebäudeanlage zu erarbeiten. Im Einvernehmen mit den genannten Beratern und den Architekten sowie mit dem Auswärtigen Amt wurden lediglich jene Einrichtungsgegenstände erworben, die voraussichtlich in die angestrebte Gestaltung eingefügt werden können.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn ich zu Recht davon ausgehe, daß das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt worden ist und deshalb ja doch wohl eine gewisse Werterhaltung garantiert werden soll, hatte ich das eigentlich auch auf die Inneneinrichtung übertragen. Aber ich schließe an diese Vermutung die Frage an: Ist die Bundesregierung bereit, etwas dafür zu tun, daß beim weiteren Ausbau des Petersberges weitere wertvolle architektonische Inneneinrichtungen, wie z. B. Parkettfußböden, Marmorfußböden, Mahagonitüren, Mahagonitüreinfassungen, nicht zerstört, sondern erhalten werden? Und wieso wird die Bundesregierung — ich gehe auf die Antwort ein, die schon einmal gegeben worden ist, die Bundesregierung dürfte oder könnte nicht kaufmännisch denken — über die VEBEG-Verwertungsgesellschaft Frankfurt bei der Verwertung von ausgemustertem Bundeswehrmaterial wirtschaftlich tätig, während es im Falle des Petersberges verneint wird?
Also, Herr Abgeordneter Ludewig, das war ein bißchen viel auf einmal. — Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Schmid, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung will bei der Umgestaltung des Petersberg-Hotels in ein Gästehaus vorhandene Bausubstanz nach Möglichkeit erhalten. Dazu werden im Einzelfall auch ganze Raumstrukturen gehören können. Einzelheiten sind erst abzusehen,
wenn die Architektenwettbewerbe, die gerade in diesen Tagen ausgewertet werden, Ergebnisse gezeitigt haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, war der von der Bundesregierung herangezogene Kunstsachverständige zur Beurteilung der Einrichtungsgegenstände auch historisch ausreichend qualifiziert, um hier ein ausgewogenes Urteil fällen zu können?
Dr. Schmid, Staatssekretär: Wir gehen davon aus, daß der Beraterkreis für die Bundesregierung, den wir gebildet haben und der sich nicht nur aus Mitarbeitern der Ministerien und uns nachgeordneter Behörden zusammensetzt, sondern aus freien Architekten, unterscheiden konnte, was für die zukünftige Verwendung nutzbar ist und was nicht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ludewig.
Herr Staatssekretär, wenn es stimmt, daß, wie einer Zeitungsmeldung zu entnehmen war, fünf bekannte Architekten bereits mit dem Ausbau des Petersberges beauftragt sind, frage ich Sie, weshalb die Bundesregierung in diesem Falle nicht durch Wettbewerb, z. B. Ideenwettbewerb, feststellt, wem sie — wie üblich einem Architekten — den Auftrag zum Ausbau des Peters-berges geben soll?
Dr. Schmid, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es hat bereits Anfang der 70er Jahre dazu ein Ideenwettbewerb stattgefunden.
Im Hinblick darauf, daß Erkenntnisse bereits vorliegen und daß dieses Gästehaus nach Möglichkeit in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Freigabe anderer Unterbringungsmöglichkeiten für Gäste möglichst bald nutzbar gemacht werden soll, hat die Bundesregierung davon Abstand genommen, ein anderes Verfahren zu wählen als das eingeschlagene, bei dem wir mehrere Architekten beauftragt haben, Vorlagen zu machen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.
Könnten Sie, um deutlich zu machen, wieviel die Bundesregierung für willkommene Gäste aufwendet, vielleicht sagen, wieviel denn jetzt der Petersberg gekostet hat und wieviel die Umbau- und Renovierungsarbeiten kosten werden?
Dr. Schmid, Staatssekretär: Die Bundesregierung hat im Frühjahr dieses Jahres das Petersberg-Areal erworben. Die Summe für den Erwerb belief sich auf etwas mehr als 17 Millionen DM. Die Aus- und Umbaukosten müssen sorgfältig ermittelt und konkretisiert werden. Die Belange der Sicherheit sind noch zu berücksichtigen. Dann sind genaue Zahlenangaben möglich.
13894 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Kolb auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Diese Frage und die Frage 63 desselben Fragestellers werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Engholm zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 68 der Frau Abgeordneten Simonis auf. — Die Frau Abgeordnete ist nicht im Saal. Diese Frage und die Frage 69 derselben Fragestellerin werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Hält die Bundesregierung besondere, auf Zigeunerkinder beschränkte schulische Fördermaßnahmen sowie Maßnahmen zur Ansprache der Zigeunereltern für erforderlich?
Herr Abgeordneter Thüsing, ich darf zunächst einmal seitens der Bundesregierung für Ihre Anteilnahme am Schicksal der Zigeuner nachdrücklich danken, dies um so mehr, als, wie wir wissen, den Zigeunern in der Phase des Nationalsozialismus bitteres Unrecht zugefügt worden ist. Nicht zuletzt deshalb sollten wir heute alle Kräfte dafür einsetzen, daß geholfen wird, wo geholfen werden kann.
Ich bedaure, daß ich die Fragen der Frau Kollegin Simonis, die in einem engen Zusammenhang mit Ihren Fragen stehen, hier nicht beantworten darf. Wegen der Kürze der Zeit kann ich diese Antworten auch nicht nachholen.
Zu Ihrer Frage 70: Grundsätzlich hält die Bundesregierung besondere Förderungsmaßnahmen für möglich und erforderlich. Allerdings müßte zunächst geprüft werden, welche Förderungsmaßnahmen den besonderen Bedürfnissen der Zigeunerkinder angemessen sind. Der Bundesregierung sind, Modelle bekannt, in denen dies bereits versucht wird. Hinzuweisen ist z. B. auf die Stadt Hildesheim, in der für Zigeunerkinder auf dem Gelände für Wohnwagen ein Schulpavillon mit einem Kindergarten, einem Schulkindergarten und zwei Schulklassen eingerichtet und eine Lehrerin besonders abgeordnet worden ist. Ein anderes Beispiel findet sich in der Zigeunersiedlung Köln-Tenhoven, in der in einem Sozialzentrum schulbegleitende Maßnahmen im Verbund von Kindergarten, Hort, Jugendarbeit, Erwachsenen- und Elternarbeit durchgeführt werden. Für die Ansprache der Eltern kommen insbesondere Beratungsdienste in Betracht, die Erfahrungen mit der Einbeziehung besonderer Gruppen in das Bildungswesen bereits gesammelt haben.
Ich habe veranlaßt, Herr Kollege Thüsing, daß zu diesen Sachverhalten gezielte Informationen insbesondere bei den Bundesländern eingeholt werden,
und werde Sie nach vorliegenden Informationen besonders unterrichten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, sind auch aus anderen westeuropäischen Ländern vornehmlich Modelle bekannt, die auf besondere schulische Förderungsmaßnahmen für Zigeunerkinder abheben?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Es gibt einige Erfahrungen aus anderen Ländern. Allerdings muß ich gestehen, daß sie nicht in systematisch aufbereiteter Form vorliegen. Ich darf auf Erfahrungen hinweisen, die es etwa in skandinavischen Staaten gibt. Dort werden für Zigeunerkinder, besonders auch für neu eingewanderte Zigeuner, spezielle Unterrichtsgruppen geschaffen. Außerdem ist mir bekannt, daß etwa in Spanien gute Erfolge mit kleineren Privatschuleinheiten und u. a. auch mit Open-air-Schulen gemacht warden sind, in denen der Unterricht unter freiem Himmel stattfindet und die insofern den besonderen Bedürfnissen der Zigeuner und ihrer Kinder angemessen sind. Es gibt eine Reihe anderer Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern. Wir bemühen uns zur Zeit, alle diese Erfahrungen zu sammeln. Wir werden sie Ihnen dann auch zugänglich machen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung nach Vorliegen der angekündigten Informationen aus den Bundesländern eventuell bereit, auch vom Bund her einmal besondere Modellmaßnahmen, wie das auf anderen bildungspolitischen Gebieten geschieht, zu unterstützen?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wäre bei Vorliegen ausreichender Unterlagen und entsprechender Wünsche ohne Frage bereit, Modellversuche oder auch Forschungsvorhaben im Rahmen der üblichen Möglichkeiten, die Sie kennen, durch den Bundesminister für Bildung zu unterstützen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.
Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen die Gelegenheit geben, Frage 68 zu beantworten und frage Sie deshalb, ob der Bundesregierung Anhaltspunkte dafür bekannt sind, daß Zigeunerkinder in zahlenmäßig größerem Umfang nicht der bestehenden Schulpflicht genügen.
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lambinus, hierüber gibt es einige Informationen, u. a. eine Untersuchung, die mit Bezug auf 554 Zigeunerkinder in der Bundesrepublik vorgenommen worden ist. Sie hat ergeben, daß ein erheblicher
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979 13895
Parl. Staatssekretär Engholm
Teil der Kinder die Schule gar nicht besucht und daß ein weiterer erheblicher Teil der Zigeunerkinder die Schule nur unregelmäßig besucht. Das heißt im Prinzip dann auch, daß bei Zigeunerkindern weniger Schulabschlüsse zu verzeichnen sind. Dies hat logischerweise zur Folge, daß die Zigeunerkinder im Regelfalle auch sehr viel schlechtere Berufsaussichten — etwa im Rahmen einer Berufsausbildung — haben als die vergleichbaren anderen Kinder in der Bundesrepublik.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, wenn wir, wie Sie richtig sagen, den Zigeunern wegen des im Dritten Reich erlittenen Leides soviel schuldig sind, warum liegen der Bundesregierung bis jetzt nicht internationale Erfahrungen im Umgang mit ihnen vor und warum sind ihr weder Fakten noch Daten, die eine bessere Betreuung und die Schaffung eines größeren Bildungsangebotes ermöglichen würden, bekannt?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich will dies mit aller Deutlichkeit sagen. Bei jeder Antwort, die ich auf eine Frage dieser Art gebe, gerate ich automatisch in den Kompetenzbereich der Bundesländer. Angesichts der Akribie, mit der gerade die Ihnen nahestehenden Bundesländer darauf achten, daß kein falsches Wort über ihre Bemühungen fällt, werden Sie verstehen, daß ich mich da einer gewissen Zurückhaltung befleißigen muß.
Es wäre also zunächst Aufgabe der Bundesländer, sich um diese Dinge zu kümmern. Ich mache hier keine Einschränkungen, von wem sie regiert werden.
Das zweite ist, daß die Melderegister in der Bundesrepublik — dies ist im Grunde eine gute Einrichtung — nicht nach der ethnischen Zugehörigkeit oder der Rasse eines Menschen fragen. Insofern reichen die statistischen Daten nicht aus, um ad hoc profunde Auskünfte geben zu können. Wir •sind deshalb zur Zeit mit einer Reihe von Instituten dabei, statistisches Material aufzubereiten, u. a. durch besondere Untersuchungen, die die KMK und der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit anstellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, von welchen genotypischen oder phänotypischen Merkmalen läßt sich die Bundesregierung in der Unterscheidung von Zigeunern und übrigen Menschen leiten?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Es ist außerordentlich schwer, dies im Rahmen der Antwort auf eine Zusatzfrage darzulegen. Uns sind zwei große
Stämme bekannt: die Sinti und die Rom . Die einen waren seit langem überwiegend in Deutschland seßhaft, die anderen kommen aus anderen europäischen und außereuropäischen Regionen.
Ein für unsere Fragestellung wichtigeres Unterscheidungsmerkmal ist, wie viele von ihnen seit langer Zeit bereits seßhaft sind und insofern auch von schulischen oder berufsausbildenden Maßnahmen erreichbar sind und wie viele nach wie vor ein Nomadendasein führen und uns vor ganz erhebliche zusätzliche Probleme stellen. Ich bin auch gern bereit, mit Ihnen diesen Gedanken weiter auszutauschen. Im Rahmen einer Zusatzfrage überschreite ich, glaube ich, jetzt meine Zeit, Herr Präsident.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weisskirchen .
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung denn bekannt, wie die Verteilung bei den Schülern in bestimmten Schullaufbahnen in den einzelnen Bundesländern bei Zigeunerkindern aussehen, und sehen Sie darüber hinaus Ansatzpunkte für die Bundesregierung, falls diese Vergleichszahlen negativ aussehen, d. h. sozial ungerecht verteilt sind, Maßnahmen in die Wege zu leiten, um diese soziale Unausgewogenheit zu bekämpfen?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Aus den vorliegenden relativ unvollständigen Daten können wir entnehmen, daß die Mehrzahl der Zigeunerkinder in Sonderschulen oder Hauptschulen beheimatet ist. Ein zweites Merkmal ist, daß die meisten dieser Kinder keinen Schulabschluß schaffen. Das gibt zugleich die Zielrichtung besonderer Förderungsmaßnahmen vor. Es muß dafür gesorgt werden, daß auch aus dieser Gruppe alle Kinder wenigstens nen ersten schulischen Abschluß erreichen.
Ich rufe Frage 71 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, welche Ausbildungsgänge der beruflichen Bildung jugendliche Zigeuner wählen und ob sie die Ausbildung abschließen?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Thüsing, der Bundesregierung liegen keine exakten Informationen vor, welche beruflichen Ausbildungsgänge die jugendlichen Zigeuner wählen. Uns ist' jedoch bekannt, daß eine berufliche Ausbildung auch auf Grund der vorher geschilderten schulischen Situation eine relativ seltene Ausnahme ist.
Die Bundesregierung nimmt Ihre Frage zum Anlaß, u. a. nicht nur bei den Ländern, sondern auch bei den zuständigen Stellen, etwa bei den Kammern, nachzufragen, wie die Situation vor Ort ist. Sobald mir diese Informationen vorliegen und ausgewertet sind, werde ich Sie darüber unterrichten und auch Hinweise geben, welche zusätzlichen Fördermaßnahmen möglich sind.
Zusatzfrage.
13896 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode —176. Sitzung. — Bonn, Mittwoch, den 10. Oktober 1979
Herr Staatssekretär, gibt es auch dort Erfahrungen aus anderen westeuropäischen Ländern, die für die Bundesrepublik nutzbar wären?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Kaum. Für die berufliche Eingliederung der Zigeuner gibt es schon deshalb weniger Erfahrungen, weil das deutsche Berufsausbildungssystem eine ganz spezifische Ausprägung in Form des dualen Systems hat, das viele Länder in dieser Form so nicht kennen. Wir werden also bei Förderungsmaßnahmen zur beruflichen Eingliederung mit den zuständigen Stellen der Wirtschaft und den Gewerkschaften darüber reden müssen, welche besonderen Maßnahmen getroffen werden können.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich kann nach dieser kurzen Debatte und dem Frage-und-Antwort-Spiel in der Fragestunde erfreut feststellen, daß Sie sich offensichtlich jedenfalls anläßlich dieser Fragestunde recht intensiv mit der Problematik der Zigeuner beschäftigt haben. Stimmen Sie meiner generellen Auffassung zu, daß das einzige' System in der Bundesrepublik, in das die Zigeuner voll integriert sind, das deutsche Strafsystem ist?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Ich kann das auf Grund meiner Informationen nicht sagen. Ich weiß nur, daß in der Tendenz in dieser Richtung bei uns erhebliche Probleme bestehen und daß wir alles tun müssen, um den Zigeunern, die es von sich aus bewußt wollen, eine volle Integration in unsere Gesellschaft zu ermöglichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.
Darf ich davon ausgehen, daß zu dieser Frage Zahlen und Fakten deswegen nicht vorliegen, weil auch hier die Bundesländer versagt haben?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Gesamtbereich Schule, der auch den Bereich Berufsschule umfaßt, ist eine Angelegenheit der Bundesländer. Ich bitte, mich nicht falsch zu interpretieren. Ich habe das Wort „versagen" in diesem Zusammenhang nicht gebraucht. Ich habe nur gesagt, es lägen Defizite an Erkenntnissen vor. Zu
dieser Aussage muß ich allerdings stehen. Die Tatsache, daß sich die KMK zur Zeit mit dieser Problematik beschäftigt, bestätigt es.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es tut mir leid, daß wir am Ende der Fragestunde angelangt sind. Wir hätten zwar noch zwei Fragen, die aber nach den Richtlinien für die Fragestunde, wonach die Zeitbegrenzung unbedingt eingehalten werden muß, morgen zum Zuge kommen, es sei denn, es würde der Antrag auf eine Ad-hoc-Änderung der Geschäftsordnung zur Verlängerung der Fragestunde gestellt. — Das wird nicht gewünscht.
Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Donnerstag, den 11. Oktober 1939, 9 Uhr ein.