Protokoll:
8173

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 173

  • date_rangeDatum: 21. September 1979

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:42 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/173 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 173. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Inhalt: Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 13729 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 13729 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Prozeßkostenhilfe — Drucksache 8/3068 — Dr. Vogel, Bundesminister BMJ 13729 C Dr. Langner CDU/CSU 13731 A Dr. Schöfberger SPD 13732 D Kleinert FDP 13734 C Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Todenhöfer, Dr. Marx, Höffkes, Dr. Köhler (Wolfsburg), Kunz (Berlin), Dr. Hüsch, Frau Fischer, Dr. Hoffacker, Werner, Amrehn, Klein (München), Graf Huyn und der Fraktion der CDU/CSU Vietnamflüchtlinge - Drucksache 8/3042 — Werner CDU/CSU 13735 D Oostergetelo SPD 13738 C Frau Schuchardt FDP . 13742 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Dr. von Geldern, Sauter (Epfendorf) und der Fraktion der CDU/ CSU Meeresforschung und Meerestechnik — Drucksache 8/3103 — Dr. Hubrig CDU/CSU 13746 A Grunenberg SPD 13748 C Dr.-Ing. Laermann FDP 13750 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hub- rig, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Stavenhagen, Pfeffermann, Frau Dr. Walz, Sauter (Epfendorf), Dr. Laufs und der Fraktion der CDU/CSU Grundlagenforschung in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 8/3140 — Dr. Riesenhuber CDU/CSU 13753 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 13756 C Dr.-Ing. Laermann FDP 13759 D Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13762 B Lenzer CDU/CSU 13765 C Nächste Sitzung 13767 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13769* A Anlage 2 Widersprüchliche Auffassungen über die Empfehlung der deutsch-polnischen Schulbuchkommission MdlAnfr A89 14.09.79 Drs 08/3173 Ludewig. FDP MdlAnfr A90 14.09.79.Drs 08/3173 Ludewig FDP SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 13769* D Anlage 3 Stellungnahme des Bundeskanzlers zum ungarischen Standpunkt über die deutschamerikanischen Beziehungen MdlAnfr A93 14.09.79 Drs 08/3173 Niegel CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 13770* B Anlage 4 Zurückweisung polnischer Behauptungen über die Haltung der CDU/CSU zur Normalisierung der Beziehungen zu Polen und zur Entspannung in Europa; Charakter der deutschisraelischen Beziehungen MdlAnfr A97 14.09.79 Drs 08/3173 Ey CDU/CSU MdlAnfr A98 14.09.79 Drs 08/3173 Ey CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 13770* C Anlage 5 Vorlage eines Vertragsgesetzes zur Wiener Vertragsrechtskonvention SchrAnfr B1 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 13770* D Anlage 6 Humanitäre Hilfe für Kamputschea; Stopp des Flüchtlingsstroms aus Vietnam SchrAnfr B2 14.09.79 Drs 08/3173 Neumann (Bramsche) SPD SchrAnfr B3 14.09.79 Drs 08/3173 Neumann (Bramsche) SPD SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 13770* D Anlage 7 Unterstützung der GRS-Informationsdienste SchrAnfr B4 14.09.79 Drs 08/3173 Gerstein CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 13771* B Anlage 8 Umweltbelastung durch privaten Luftverkehr SchrAnfr B5 14.09.79 Drs 08/3173 Prangenberg CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13331 * D Anlage 9 Erwerb eines eigenen Territoriums zur Ansiedlung der Indochinaflüchtlinge SchrAnfr B6 14.09.79 Drs 08/3173 Pieroth CDU/CSU SchrAnfr B7 14.09.79 Drs 08/3173 Pieroth CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 13772* A Anlage 10 Aufnahme von Indochinaflüchtlingen; Zahl der Einreisegenehmigungen und der Hilfskräfte bei den zuständigen Botschaften SchrAnfr B8 14.09.79 Drs 08/3173 Wissmann CDU/CSU SchrAnfr B9 14.09.79 Drs 08/3173 Wissmann CDU/CSU Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 III SchrAnfr B10 14.09.79 Drs 08/3173 Wissmann CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 13772* C Die Frage B 11 — Drucksache 8/3173 vom 14. 09. 1979 — des Abgeordneten Wissmann (CDU/CSU) ist nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig. Anlage 11 Rechtzeitiger Abgang alter und umweltbelastender Anlagen SchrAnfr B12 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Steger SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . .13773* C Anlage 12 Investitionszuschüsse der EG an Kohlekraftwerke nur bei Verfeuerung von Gemeinschaftskohle SchrAnfr B13 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Steger SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 13773* D Die Frage B 14 — Drucksache 8/3173 vom 14.09. 1979 — des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) ist vom Fragesteller zurückgezogen. Anlage 13 Gefährdung des Fischbestandes in Binnengewässern SchrAnfr B15 14.09.79 Drs 08/3173 Biechele CDU/CSU SchrAntw BMin Ertl BML 13774* B Anlage 14 Verwendung von Klärschlamm als Dünger SchrAnfr B16 14.09.79 Drs 08/3173 Biechele CDU/CSU SchrAnfr StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . . 13774* C Anlage 15 Zonenrandförderungsmittel für die Erneuerungsarbeiten am Kloster Haydau SchrAnfr B17 14.09.79 Drs 08/3173 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAnfr B18 14.09.79 Drs 08/3173 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Kreutzmann BMB . 13775* B Anlage 16 Beihilfeaufwendungen in den Haushaltsjahren 1976-1978 für Bundesbeamte, Richter, Soldaten und deren Familienangehörige; Behandlung von freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Bundesbeamten auf Krankenschein SchrAnfr B19 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAnfr B20 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAnfr B21 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAnfr B22 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 13775* D Anlage 17 Beurteilung der Aktionen von Kernkraftgegnern gegen die Probebohrungen in Gorleben in strafrechtlicher und haftungsrechtlicher Sicht SchrAnfr B23 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 13776* C Anlage 18 Jährliche Neuzugänge an Patentanmeldungen sowie Bearbeitungszeit für die Neueingänge; Anteil der Mittelstands- und Großbetriebe an Erfindungen sowie Aufnahme der Patente in das Informations-und Dokumentationszentrum SchrAnfr B24 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAnfr B25 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAnfr B26 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAnfr B27 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 13777* B Anlage 19 Benachteiligung der Urheber von Lichtbildwerken durch das Urheberrecht SchrAnfr B28 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 13778* D IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Anlage 20 Erweiterung der Finanzhilfen für die Gemeinden des Bonner Raums auf die Folgekosten der hauptstadtbedingten Einrichtungen SchrAnfr B29 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Nöbel SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . . 13779* A Anlage 21 Altersstruktur und Beförderungschancen der Oberinspektoren in der Bundeszollverwaltung sowie Verbesserung der Beförderungschancen der nachwachsenden Beamten SchrAnfr B30 14.09.79 Drs 08/3173 Regenspurger CDU/CSU SchrAnfr B31 14.09.79 Drs 08/3173 Regenspurger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF 13779* A Anlage 22 Stand der Rechtsprechung zur Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer SchrAnfr B32 14.09.79 Drs 08/3173 Biechele CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 13779* C Anlage 23 Überprüfung der „Preisspannen-Verordnung für den pharmazeutischen Großhandel" und Gefährdung der Arzneimittelversorgung bei weiterem Absinken der Apotheken-Handelsspanne SchrAnfr B33 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Schleicher CDU/CSU • SchrAnfr B34 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Schleicher CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 13779* D Anlage 24 Wirkungsweise von Heizkörperthermostaten zur Energieeinsparung SchrAnfr B35 14.09.79 Drs 08/3173 Kolb CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . . 13780* A Anlage 25 Transparenz der Preisbildung der Heizkosten bei Mietwohnungen durch Einführung eines „Wärmepasses" SchrAnfr B36 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Ahrens SPD SchrAnfr B37 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Ahrens SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . . 13780* C Anlage 26 Belastung kinderreicher Familien durch eine Korrektur des Stromtarifs II SchrAnfr B38 14.09.79 Drs 08/3173 Stutzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 13781* A Anlage 27 Einstufung eines die Landwirtschaft nur als Hobby betreibenden Beschäftigten als „landwirtschaftlicher Unternehmer" sowie Regelung der landwirtschaftlichen Alters-hilf e SchrAnfr B39 14.09.79 Drs 08/3173 Kirschner SPD SchrAntw BMin Ertl BML 13781* B Anlage 28 Kosten der Agrarpolitik in der DDR sowie Verwendung von Stroh zu Heizzwecken SchrAnfr B40 14.09.79 Drs 08/3173 Paintner FDP SchrAnfr B41 14.09.79 Drs 08/3173 Paintner FDP SchrAntw BMin Ertl BML 13781* D Anlage 29 Ausrichtung der Preise für alle Energiearten in der EG nach Angebot und Nachfrage SchrAnfr B42 14.09.79 Drs 08/3173 Stutzer CDU/CSU SchrAntw BMin Ertl BML 13782* D Anlage 30 Verbesserung der Vermittlungsaussichten für Arbeitslose nach § 41 a des Arbeitsförderungsgesetzes SchrAnfr B43 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Steinhauer SPD SchrAnfr B44 14.09.79 Drs 08/3173 Frau Steinhauer SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 13783* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 V Anlage 31 Höhe der den einzelnen Arbeitsamtsbezirken des bayerischen Grenzraums zugeteilten Beträge nach Abschluß des „arbeitsmarktpolitischen Schwerpunktprogramms für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen" SchrAnfr B45 14.09.79 Drs 08/3173 Handlos CDU/CSU SchrAnfr B46 14.09.79 Drs 08/3173 Handlos CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 13783* B Anlage 32 Einführung einer „Krankenscheckkarte" sowie eines Versichertenausweises für alle Mitglieder in der sozialen Krankenversicherung SchrAnfr B47 14.09.79 Drs 08/3173 Stutzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 13783* D Anlage 33 Nutzungsänderungen des militärischen Übungsgeländes im Viernheimer Wald SchrAnfr B48 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF 13784* B Anlage 34 Treibstoffversorgung der in Decimomannu (Sardinien) übenden Luftwaffenverbände SchrAnfr B49 14.09.79 Drs 08/3173 Biehle CDU/CSU SchrAnfr B50 14.09.79 Drs 08/3173 Biehle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 13784* C Anlage 35 Auffassung des Kreiswehrersatzamtes Kiel betr. Krieg gegen die OPEC-Staaten SchrAnfr B51 14.09.79 Drs 08/3173 Kretkowski SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 13785* A Anlage 36 Entsendung eines Militärattachés an die deutsche Botschaft in Pretoria SchrAnfr B52 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Narjes CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 13785* C Anlage 37 Verminderung des Verwendungs- und Beförderungsstaus bei der Bundeswehr SchrAnfr B53 14.09.79 Drs 08/3173 Würtz SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 13785* D Anlage 38 Einfluß von Medikamenten auf die Fahrer und Anzahl der von ihnen pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland verursachten Verkehrsunfälle SchrAnfr B54 14.09.79 Drs 08/3173 Seefeld SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 13786* A Anlage 39 Erfahrungen mit dem Antwort-Wahlverfahren bei Prüfungen von Medizin- und Pharmaziestudenten SchrAnfr B55 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Zumpfort FDP SchrAnfr B56 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Zumpfort FDP SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 13786* C Anlage 40 Formulierung der Informationen in den Beipackzetteln für clofibrathaltige Arzneimittel SchrAnfr B57 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAnfr B58 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAnfr B59 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 13787* A Anlage 41 Unterstützung der Gesundheitserziehung der Familien durch Aufklärung über psychische Ursachen körperlicher Gesundheitsschäden VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 SchrAnfr B60 14.09.79 Drs 08/3173 Neumann (Bramsche) SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 13787* D Anlage 42 Bau der A 8 Pirmasens—Nordelsaß mit Rheinübergang und Anschluß an die A 5 sowie an die A 652 zur Verkehrsentzerrung im Großraum Karlsruhe SchrAnfr B61 14.09.79 Drs 08/3173 Jung FDP SchrAnfr B62 14.09.79 Drs 08/3173 Jung FDP SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13788* A Anlage 43 Schadensregulierung bei Autounfällen im Ausland SchrAnfr B63 14.09.79 Drs 08/3173 Spranger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13788* B Anlage 44 • Auswirkungen der Rücknahme der Strekkenstillegungen der Bundesbahn auf die Oberpfalz und Niederbayern SchrAnfr B64 14.09.79 Drs 08/3173 Reichold CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13788* C Anlage 45 Entscheidung über die Stillegung von Bundesbahnstrecken im Lahn-Dill-Kreis; Errichtung von Lärmschutzwänden an der Autobahn Sauerlandlinie in der Ortslage Haiger-Sechshelden SchrAnfr B65 14.09.79 Drs 08/3173 Lenzer CDU/CSU SchrAnfr B66 14.09.79 Drs 08/3173 Lenzer CDU/CSU SchrAnfr B67 14.09.79 Drs 08/3173 Lenzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13788* D Anlage 46 Inbetriebnahme der elektrifizierten Bundesbahnstrecke Rheine—Leer—Emden SchrAnfr B68 14.09.79 Drs 08/3173 Seiters CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13789* A Anlage 47 Bau der Umgehung Sinzenich im Zuge der B 477; Dringlichkeitseinstufung der B 229 n SchrAnfr B69 14.09.79 Drs 08/3173 Milz CDU/CSU SchrAnfr B70 14.09.79 Drs 08/3173 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13789* B Anlage 48 Neubau und Inbetriebnahme der Fernmeldevermittlungsstellen Bad Oeynhausen und Lübbecke SchrAnfr B71 14.09.79 Drs 08/3173 Ibrügger SPD SchrAnfr B72 14.09.79 Drs 08/3173 Ibrügger SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV 13789* C Anlage 49 Aufnahme der Fernsprechteilnehmer in Gemeinden mit verschiedenen Ortsnetzen in alle betroffenen amtlichen Fernsprechbücher SchrAnfr B73 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Schäuble CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMP 13789* D Anlage 50 Ablehnung eines Sonderpoststempels durch das Postamt Essen SchrAnfr B74 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMP 13790* B Anlage 51 Ausklammerung des Ortsnetzes Bremen im amtlichen Fernsprech- und Branchenbuch Bremerhaven/Rotenburg/Diepholz SchrAnfr B75 14.09.79 Drs 08/3173 Würtz SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMP 13790* C Anlage 52 Zahl der seit 1973 ins Bundesgebiet geflohenen Angehörigen der NVA; Ausrüstung der innerdeutschen Grenze mit Tötungsap- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 VII paraten seit Inkrafttreten des Grundlagenvertrages und Zahl der Opfer der Sperranlagen SchrAnfr B76 14.09.79 Drs 08/3173 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAnfr B77 14.09.79 Drs 08/3173 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . 13791* A Anlage 53 Errichtung einer Wiederaufbereitungsanlage für radioaktiven Abfall in Karlsruhe SchrAnfr B78 14.09.79 Drs 08/3173 Jung FDP SchrAntw PStSekr Stahl BMFT 13791* C Anlage 54 Streichung der Bundesmittel für die geplante Technische Universität in Hamburg-Harburg bei Nichtberücksichtigung eines bestimmten Standorts in Harburg SchrAnfr B79 14.09.79 Drs 08/3173 Rühe CDU/CSU SchrAntw PStSekr Engholm BMBW . . . 13791* C Anlage 55 Unterstützung der deutschen Sportverbände bei der Sportförderung in Entwicklungsländern SchrAnfr B80 14.09.79 Drs 08/3173 Dr. Jentsch (Wiesbaden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Brück BMZ 13792* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September. 1979 13729 173. Sitzung Bonn, den 21. September 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 21. 9. Dr. van Aerssen** 21. 9. Dr. Ahrens * 21. 9. Dr. Aigner** 21.9. Alber ** 21. 9. Amrehn *** 21. 9. Dr. Bangemann ** 21. 9. Dr.. Bardens * 21. 9. Dr. Becher (Pullach) 21. 9. Frau Benedix-Engler 21. 9. Bindig 21.9. Blumenfeld ** 21. 9. Bühling 21. 9. Dr. Corterier ** 21. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 21. 9. Dr. Ehrenberg 21. 9. Engelsberger 21. 9. Dr. Evers 21. 9. Ey 21.9. Feinendegen 21.9. Fellermaier ** 21.9. Frau Fischer *** 21. 9. Frau Dr. Focke ** 21. 9. Friedrich (Würzburg)** 21. 9. Dr. Früh ** 21.9. Dr. Fuchs ** 21.9. Gansel 21.9. Frau Geier 21. 9. Dr. George 21. 9. Handlos 21. 9. von Hassel ** 21. 9. Dr. Hennig *** 21. 9. Höffkes 21.9. Hoffie 21.9. Horn 21.9. Dr. Hornhues 21.9. Graf Huyn 21.9. Dr. Jaeger *** 21. 9. Jahn (Marburg) 21.9. Dr. Jentsch (Wiesbaden) 21. 9. Katzer ** 21. 9. Kiechle 21.9. Dr. h. c. Kiesinger 21. 9. Kittelmann 21. 9. Dr. Klein (Göttingen) 21. 9. Dr. Klepsch ** 21. 9. Koblitz 21. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) *** 21.9. Dr. Kraske *** 21. 9. Kraus *** 21.9. Kretkowski 21. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *** für die Teilnahme an der 66. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Krockert 21.9. Kunz (Berlin) 21. 9. Dr. Kunz (Weiden) *** 21. 9. Landré 21. 9. Lange ** 21.9. Dr. Lauritzen 21.9. Lücker ** 21. 9. Luster ** 21.9. Männing *** 21. 9. Dr. Marx 21.9. Dr. Meinecke (Hamburg) *** 21. 9. Dr. Mende *** 21.9. Dr. Müller * 21. 9. Müller (Bayreuth) 21. 9. Dr. Müller-Hermann ** 21. 9. Neuhaus 21.9. Pawelczyk 21. 9. Peiter 21.9. Petersen 21. 9. Dr. Pfennig ** 21. 9. Polkehn *** 21. 9. Reddemann * 21. 9. Dr. Reimers 21.9. Reuschenbach *** 21. 9. Dr. Riedl (München) 21. 9. Dr. Ritz 21.9. Dr. Schäuble * 21. 9. Frau Schleicher ** 21. 9. Schmidt (Wattenscheid) 21. 9. Dr. Schneider 21.9. Schröder (Wilhelminenhof) 21.9. Schulte (Unna) * 21.9. Seefeld ** 21. 9. Sieglerschmidt ** 2f. 9. Dr. Starke (Franken) 21. 9. Frau Tübler 21. 9. Voigt (Frankfurt) ** 21.9. Frau Dr. Walz ´** 21.9. Wawrzik ** 21. 9. Weber (Heidelberg) 21.9. Dr. Wörner 21. 9. Baron von Wrangel 21. 9. Wurbs *** 21.9. Ziegler 21.9. Dr. Zimmermann 21. 9. Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Ludewig (FDP) (Drucksache 8/3173 Fragen A 89 und 90) : Trifft es zu, daß das polnische Außenministerium in Warschau auf der Verbindlichkeit der Schulbuchempfehlungen besteht, das Auswärtige Amt jedoch diese polnische Meinung nicht teilt und dies in einem Brief an die Kultusministerin Frau Laurien bestätigt hat? Wie ist - wenn diese Schilderung den Tatsachen entspricht - der Wortlaut dieses Briefs des Auswärtigen Amts an Frau Laurien, und was gedenkt die Bundesregierung in der nächsten Zeit zu unternehmen, damit die Empfehlung der deutsch-polnischen Schulbuchkommission und die Empfehlung verschiedener Schulbuchkonferenzen des Georg-Eckert-Instituts für Interna- Anlagen zum Stenographischen Bericht 13770' Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 tionale Schulbuchforschung in Braunschweig Einzug in die Schulbuchwirklichkeit finden und in die Richtlinien der Kultusminister der Länder aufgenommen werden? Zu Frage A 89: Die Bundesregierung hat sich stets für die Einführung der Schulbuchempfehlungen in den Schulunterricht eingesetzt und tut dies weiterhin. Sie hat die Regierungen der Länder immer wieder aufgefordert, auf eine Berücksichtigung der Empfehlungen im Schulunterricht hinzuwirken. Sie handelt dabei auf der Grundlage des Deutsch-' Polnischen Kulturabkommens vom 11. Juni 1976; danach haben beide Seiten vereinbart, darauf hinzuwirken, daß die Empfehlungen der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission berücksichtigt werden. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung konnte schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht eingegangen werden. Dies war der polnischen Seite bekannt. Es trifft zu, daß es hierzu einen Briefwechsel mit der rheinland-pfälzischen Kultusministerin Hanna-Renate Laurien gegeben hat. Zu Frage A 90: Ich bin gerne breit, diesen Briefwechsel Ihnen zur Kenntnis zu geben, soweit Frau Laurien damit einverstanden ist. Die Bundesregierung hat im. übrigen hier keine unmittelbare Zuständigkeit. Sie wird ihre Bemühungen fortsetzen, die Schulbuchempfehlungen in die Schulwirklichkeit umzusetzen. Wie Sie wissen, hat sich der Bundeskanzler mehrfach in der Öffentlichkeit und gegenüber den Ministerpräsidenten der Länder hierfür eingesetzt. Im übrigen begrüßt die Bundesregierung es sehr, daß sieben Länder dem Kuratorium des GeorgEckert-Instituts beigetreten sind. Sie hofft, daß sich auch die übrigen Länder zu einer Mitträgerschaft des Instituts entschließen werden und vor allem in ihrer Schulbuchpolitik sich der Einführung der Empfehlungen nicht widersetzen. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage A 93) : Hat der Bundeskanzler in Budapest der Behauptung des amtlichen Budapester Senders widersprochen, nach der man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, ,daß sich Bonn und Washington in ihrer Außenpolitik voneinander entfernen", und betrachtet er es nicht als unzulässige Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten, wenn der gleiche amtliche Sender dies als „einen Grund mehr" bezeichnet, „der sozialliberalen Koalition weitere Erfolge in der standhaften Verfolgung ihrer Koexistenzziele zu wünschen" (BPA — Ostinformationen vom 4. September 1979)? Nein, weil dies nicht Aufgabe des Bundeskanzlers ist. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Ey (CDU/ CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen A 97 und 98) : Was unternimmt die Bundesregierung gegen die Behauptung einer maßgeblichen polnischen Zeitschrift, die CDU/CSU seien gegen die Normalisierung der Beziehungen zu Polen und gegen dia Entspannung in Europa? Bestehen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel eher „noch besondere" oder „schon normale" Beziehungen? Zu Frage A 97: Es ist ständige Übung der Bundesregierung, sich nicht mit Presseäußerungen auseinanderzusetzen. Lassen Sie mich jedoch bei diesem Anlaß folgendes bemerken: Eine realistische Entspannungspolitik muß sich messen lassen an ihren Ergebnissen; erklärte Absichten reichen hierzu nicht aus. Eine Politik, die z. B. zur Ablehnung der Schlußakte in Helsinki geführt hat, ist nach Auffassung der Bundesregierung gegen die Entspannung in Europa gerichtet. Wenn die Außenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion heute die Außenpolitik der Bundesrepublik. Deutschland wäre, würde die Normalisierung der Beziehungen behindert und die Entspannung in Europa gefährdet werden. Zu Frage A 98: Außenminister Dayan hat die Bundesrepublik Deutschland als befreundetes Land bezeichnet. Von daher bestimmen sich auch die Beziehungen. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 1) : Wann wird die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften den Entwurf eines Vertragsgesetzes zur Wiener Vertragsrechtskonvention vorlegen, nachdem u. a. die mit uns befreundeten Staaten Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Italien, Kanada, Neuseeland, Osterreich, Spanien und auch der Heilige Stuhl, insgesamt 33 Völkerrechtssubjekte, ratifiziert haben? Nach Fertigstellung der mit anderen deutschsprachigen Staaten abzustimmenden deutschen Übersetzung . der Wiener Vertragsrechtskonvention wird im Auswärtigen Amt der Entwurf des Vertragsgesetzes erstellt. Das Auswärtige Amt beabsichtigt, den Gesetzentwurf den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen sobald die notwendigen Vorarbeiten abgeschlossen sind. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Neumann Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13771* (Bramsche) (SPD) (Drucksache 8/3173 Fragen B 2 und 3) : Ist die Bundesregierung über das Ausmaß der Hungerkatastrophe in Kamputschea unterrichtet, und ist sie bereit, humanitäre Hilfe selbst oder durch Hilfsorganisationen zu leisten? Ist der Bundesregierung bekannt, ob Vietnam die auf der Genfer Flüchtlingskonferenz gemachte Zusage, den Flüchtlingsstrom in einer ”vernünftigen Zeitspanne" zu stoppen, eingehalten hat, und welche Maßnahmen Vietnam zu diesem Zweck getroffen hat? Zu Frage B 2: Wir haben seit 1969 keine diplomatischen Beziehungen zu Kambodscha. Dennoch hat sich die Bundesregierung über das gegenwärtige Ausmaß der Hungerkatastrophe in Kambodscha durch befreundete Regierungen und durch internationale karitative Organisationen informieren lassen. Die neuesten Nachrichten lassen befürchten, daß sich die Lage für die Bevölkerung Kambodschas noch verschlechtern wird. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Kambodscha-Frage nur im Rahmen einer umfassenden politischen Regelung des Indochina-Problems gelöst werden kann. Sie hält zunächst jedoch humanitäre Hilfe an das in seiner Existenz bedrohte kambodschanische Volk für vordringlich. Sie hat daher bereits aus Mitteln der Humanitären Hilfe 1 Million DM für die Beteiligung an Betreuungsmaßnahmen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) für Kambodscha-Flüchtlinge in Thailand bzw. im thailändisch-kambodschanischen Grenzgebiet zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung ist bereit, im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten weitere humanitäre Hilfe zu leisten. Dabei versteht es sich, daß diese Hilfe auch über deutsche oder internationale karitative Organisationen abgewickelt werden kann. Darüber hinaus wird sich die Bundesregierung mit ihren europäischen Partnern an einem Hilfsprojekt von IKRK / UNICEF beteiligen. Zu Frage B 3: Vietnam hat die auf der Genfer Flüchtlingskonferenz am 20./21. Juli 1979 gemachte Zusage, jegliche illegale Ausreise von Flüchtlingen für eine angemessene Zeitspanne im Rahmen des Möglichen zu unterbinden, bis jetzt eingehalten. Ausreisen sind zur Zeit lediglich im Rahmen des am 30. Mai 1979 mit dem UNRCR vereinbarten „7-Punkte-Programm" zulässig. Die „illegale" Ausreise mit Booten wird durch Repressionen und verstärkte Kontrolle der vietnamesischen Küste so weit wie möglich unterbunden. Die vietnamesische Regierung hat jedoch wissen lassen, daß sie ihre Streitkräfte zur Überwachung der Küsten und der Küstengewässer nur für eine „angemessene Zeit" einsetzen könne. Anlage 7 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Schriftliche Frage des Abgeordeneten Gerstein (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 4) : Hat die Bundesregierung veranlaßt, die Unterstützung der GRS-Informationsdienste (Gesellschaft für Reaktorsicherheit mbH) künftig einzustellen, obwohl sie selbst die Auffassung vertritt, daß im Bereich der Kernenergiediskussion dringend eine Verbreitung und Verbesserung der Information geboten wäre und welche Gründe haben sie gegebenenfalls dazu veranlaßt? Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Jahren die Herausgabe des Informationsdienstes „Kurzinformationen" der Gesellschaft für Reaktorsicherheit mbH (GRS) in Köln gefördert; im Interesse eine Konzentration der dem Bundesminister des Innern zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf sicherheitsrelevante Untersuchungen und Studien wurde der GRS im März 1979 mitgeteilt, daß ab 1. Januar 1980 die Förderung der GRS-Kurzinformationen durch die öffentliche Hand nach einer nunmehr hinreichenden Anlaufzeit entfällt, und gleichzeitig die Erwartung ausgesprochen, daß die mittlerweile gut eingeführten „Kurzinformationen" von der GRS selbst getragen bzw. über Abonnementpreis weitergeführt werden. Für die Bundesregierung war hierbei maßgebend, daß die „Kurzinformationen" überwiegend über kerntechnische Meldungen referieren und der Interessentenkreis überwiegend im Bereich der Kernenergiewirtschaft liegt, dem ein Bezug dieses Informationsdienstes auf eigene Kosten zugemutet werden kann; zum anderen geht die Bundesregierung davon aus, daß die GRS in der Lage ist, nach mehrjähriger Starthilfe durch die öffentliche Hand ihren Informationsdienst auch in eigener Regie und im Wettbewerb mit ähnlichen Publikationen nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu betreiben und aufrechtzuerhalten. Die Bundesregierung sieht in ihrer Entscheidung keine Schmälerung des Informationsangebotes über Aspekte der Kernenergienutzung, da die GRS-Kurzinformationen von jedem Interessenten weiterhin gegen Gebühr bezogen werden können. Darüber hinaus bietet die Bundesregierung vielfältige und aktuelle Informationen über Energie- und Umweltfragen weiterhin kostenlos an, beispielsweise im Rahmen des für die Bundesregierung vom Bundesminister für Forschung und Technologie intensiv geführten Bürgerdialoges oder in der regelmäßig erscheinenden Informationsschrift „Umwelt" des Bundesministers des Innern. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Prangenberg (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 5) : Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß der private Luftverkehr in dichtbesiedelten bzw. stark umweltbelasteten Gebieten zu merkbaren Mehrbelastungen der Umwelt führt, und wenn ja, in welchen Gebieten sind solche Veränderungen der Umweltbelastung nachgewiesen? Derartige Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Zahl der Flugbewegungen im privaten Luftverkehr ist seit 1973, von geringfügi- 13772e Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 gen Schwankungen abgesehen, in etwa gleichgeblieben (1973: 1,77 Millionen /1978: 1,73 Millionen). Die Ausbildung zum Privatflugzeugführer ist dagegen seit 1976 rückläufig. Die Zahl der Flüge in Flugplatznähe hat sich daher verringert, während die Zahl der Überlandflüge leicht gestiegen ist. Durch die zahlreichen Maßnahmen der Bundesregierung zur Fluglärmbekämpfung — insbesondere Nichtzulassung lärmintensiver Leichtflugzeuge zum Luftverkehr seit 1975 und Erlaß der Verordnung über die zeitliche Einschränkung des Flugbetriebs mit Leichtflugzeugen und Motorseglern an Landeplätzen vom 16. August 1976 — kann davon ausgegangen werden, daß die Umweltbelastung durch den privaten Luftverkehr insgesamt gesehen zurückgegangen ist. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 6 und 7) : Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die vom Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes, Herrn Schilling, erneut vorgeschlagene Lösung zu verwirklichen, für die Ansiedlung der Indochinaflüchtlinge ein eigenes Territorium zu erwerben? Läßt sich für die nächsten Monate überhaupt die Verwirklichung einer solchen Lösung absehen, und gibt es bisher ein Land, das die Bereitschaft erkennen läßt, über eine solche Lösung für die derzeit rund 500 000 Indochinaflüchtlinge in den Lagern mit sich verhandeln zu lassen? Die Bundesregierung hat wiederholt, u. a. auf der Flüchtlingskonferenz in Genf, ihre Bereitschaft erklärt, Ländern der Dritten Welt, die zur Ansiedlung von Indochina-Flüchtlingen bereit sind, projektgebundene finanzielle Hilfe zu leisten. Gleiche Angebote haben auch andere westliche Staaten gemacht. Leider haben die Staaten der Dritten Welt bisher keine Neigung gezeigt, auf diese Angebote einzugehen. Die Bundesregierung hält die Anregung des Generalsekretärs des DRK, Herrn Schilling, zur Ansiedlung von Flüchtlingen eine Insel oder ein eigenes Territorium zu suchen, für einen interessanten Vorschlag. Nach ihren Erfahrungen bestehen zur Zeit jedoch nur geringe Aussichten, diesen Gedanken zu verwirklichen. Angesichts der politischen und sozialen Brisanz, die die Frage der ethnischen Minderheiten in Südostasien hat, haben sich alle ASEAN-Regierungen gegen eine endgültige Ansiedlung von Indochina-Flüchtlingen auf ihrem Territorium ausgesprochen. Bisher hat nach Wissen der Bundesregierung kein Land — auch nicht außerhalb der Region — die Bereitschaft erkennen lassen, über die Frage der Bereitstellung einer Insel oder eines eigenen Territoriums zur Ansiedlung von Flüchtlingen mit sich verhandeln zu lassen. Die Bundesregierung teilt im übrigen die Auffassung des Generalsekretärs des DRK, daß eine so delikate Frage sich nicht dazu eignet, bilateral oder auf Konferenzen als Forderung vorgetragen zu werden. Die Bundesregierung wird diese Frage mit ihren EG-Partnern und Verbündeten diskutieren. Anlage 10 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wissmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 8, 9 und 10) : Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, um ihre begrüßenswerte Zusage vor dem Untersuchungsausschuß für humanitäre Hilfe, ca. 3 000 Indochinaflüchtlinge bis Ende Oktober im Zuge der Familienzusammenführung oder kleinere Gruppen in die Bundesrepublik Deutschland zu befördern, einzuhalten? Wieviel Einreisegenehmigungen für namentlich bekannte Personen hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Botschaftern in Bangkok, Kuala Lumpur, Djarkarta und dem Generalkonsulat in Hongkong zugesandt? Wie viele zusätzliche Hilfskräfte sind den drei Botschaftern und dem Generalkonsulat bereitgestellt worden? Zu Frage B 8: Die Gesamtzahl der Flüchtlinge, denen die Einreise aus Gründen der Familienzusammenführung bereits fest zugesagt ist oder die als kleinere Gruppen aufgenommen werden, beläuft sich heute nur noch auf ca. 2 600 Personen. Die Zahl der bereits eingereisten Indochina-Flüchtlinge hat sich dafür von 6 907 auf 7 259 erhöht. Ferner ist zu berücksichtigen, daß ein gewisser Teil der in Fällen der Familienzusammenführung vergebenen Plätze laufend zurückgegeben wird, weil die gleichzeitige Bewerbung um Aufnahme in den USA, Kanada, Australien oder Frankreich zum Ziel geführt hat. Diese freigewordenen Plätze werden umgehend neu verteilt. In der obengenannten Zahl von 2 600 sind ca. 400 Personen inbegriffen, die sich zur Zeit noch in Vietnam aufhalten. Die Regierung in Hanoi hat sich gegenüber dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) grundsätzlich bereit erklärt, Ausreisegenehmigungen zum Zwecke der Familienzusammenführung zu erteilen. Dies ist in etwa der Hälfte der 400 Fälle, die eine deutsche Einreiseerlaubnis besitzen, auch bereits geschehen. Es besteht eine Absprache des UNHCR mit der vietnamesischen Regierung, daß die Ausreise im Wege von UNHCR-Charterflügen abgewickelt werden soll. Da unsere Botschaften in den Erstaufnahmeländern Personalverstärkung erhalten haben und von Helfern der großen deutschen privaten Hilfsorganisationen unterstützt werden, ist eine schnellere Einreise von Flüchtlingen aus den Auffanglagern möglich geworden. Darüber hinaus wird zur Zeit geprüft, ob sich die Abfertigung der Familienzusammenführungsfälle soweit koordinieren läßt, daß jedenfalls in Bangkok, Jakarta und Kuala Lumpur außer Linienmaschinen auch Chartermaschinen eingesetzt werden können. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13773* Zu Frage B 9: In Bangkok warten zur Zeit 521, in Kuala Lumpur 573, in Jakarta 297, in Hongkong 151, in Manila 44 Flüchtlinge, deren Anträge auf Familienzusammenführung die Bundesregierung stattgegeben hat, auf ihre Überführung ins Bundesgebiet. Zu Frage B 10: Zur Auswahl und Betreuung von Indochina-Flüchtlingen, die in die Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden sollen, sowie zur beschleunigten Vorbereitung ihrer Ausreise sind die deutschen Vertretungen in Südostasien sowohl durch Personal des Auswärtigen Amts als auch durch besonders qualifizierte Mitarbeiter der drei großen deutschen caritativen Organisationen personell verstärkt worden. Wie anläßlich der Botschafterkonferenz am 15./16. August 1979 in Bangkok vereinbart, stellen dazu das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Deutsche Caritasverband (DCV) und das Diakonische Werk (DDW) bzw. deren Unterorganisationen auf eigene Kosten weitere Mitarbeiter zur Verfügung. Der gegenwärtige Stand der vorläufig auf drei bis sechs Monate befristeten Entsendungen ist folgender: Botschaft Bangkok /Thailand Die Abordnung eines zusätzlichen Sachbearbeiters des Auswärtigen Amts an die Botschaft Bangkok wurde vorsorglich bis Ende September verlängert. Danach ist vorgesehen, im Bedarfsfalle einen Sachbearbeiter für zwei Monate aus Neu-Delhi abzuordnen. Darüber hinaus sind je zwei Mitarbeiter des DRK und des DCV der Botschaft zugeordnet, die insbesondere bei der administrativen Betreuung der Flüchtlinge eingesetzt werden. Ferner planen DRK und DCV, zwei oder drei „medical teams" zur medizinischen Untersuchung der ausreisenden Flüchtlinge in die Lager zu entsenden. Botschaft Jakarta /Indonesien An die Botschaft Jakarta wurde zunächst für zwei Monate ein Sachbearbeiter des Auswärtigen Amts aus Peking abgeordnet. Auf der Insel Bintan befinden sich bereits zwei zusätzliche Mitarbeiter des DCV, die durch einen Arzt und eine Röntgenassistentin des DRK weiter verstärkt werden. An. der Botschaft selbst sind zwei Mitarbeiter des DDW sowie, auf Kosten des DDW, zwei zusätzliche örtliche Schreibkräfte im Einsatz. Botschaft Kuala Lumpur /Malaysia Die bereits bestehende Abordnung eines Angehörigen des Auswärtigen Dienstes an die Botschaft Kuala Lumpur wurde bis Mitte September verlängert, danach soll ein Beamter aus Tokio nach Kuala Lumpur entsandt werden. Die Botschaft wurde ermächtigt, eine VST-Aushilfskraft einzustellen. Die schon seit Ende Juli zur Verstärkung der Botschaft dort befindlichen zwei DRK-Mitarbeiter wurden im September um drei weitere Vertreter des DCV vermehrt. Diesen steht auch ein zusätzliches, kurzfristig gemietetes Fahrzeug zur Verfügung. Generalkonsulat Hongkong Das Generalkonsulat wurde durch einen zusätzlichen DDW-Mitarbeiter verstärkt. Botschaft Hanoi/ Vietnam Die Botschaft Hanoi wurde vorerst durch einen zusätzlichen Sachbearbeiter verstärkt. Die Entsendung weiteren Personals kann erst nach Klärung der Unterbringungsfrage erwogen werden. Anlage 11 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 12) : Inwieweit ist von dem Instrument der „nachträglichen Anordnung" gemäß § 17 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Vergangenheit Gebrauch gemacht worden, und wie könnte dieses Instrument eingesetzt werden, um einen rechtzeitigen Abgang alter und umweltbelastender Anlagen sicherzustellen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß die für den Vollzug zuständigen Landesbehörden von dem Instrument der „nachträglichen Anordnung" gem. § 17 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) nur zurückhaltend Gebrauch machen. Die Sanierung von Altanlagen geschieht vielmehr vornehmlich durch Erneuerung bestehender Anlagen im Zuge der Rationalisierung und Modernisierung der Produktion. Dabei werden die erforderlichen Genehmigungen, seien es Änderungs- oder Neugenehmigungen, mit den für den Umweltschutz notwendigen Auflagen verbunden. Siehe hierzu Mayntz u. a. „Vollzugsprobleme der Umweltpolitik" in der Reihe „Materialien zur Umweltforschung" Nr. 4, herausgegeben vom Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Verlag Kohlhammer, 1978). Eine weitere Möglichkeit, die Modernisierung von Altanlagen herbeizuführen, enthält die Verordnungsermächtigung des § 7 BImSchG. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Rauchgasentschwefelung bei Großfeuerungsanlagen durch eine Rechtsverordnung nach § 7 BImSchG vorzuschreiben. Durch eine generelle und unmittelbare Verpflichtung der Betreiber werden nachträgliche Anordnungen im Einzelfall überflüssig. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 13) : 13774* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um sicherzustellen, daß Investitionszuschüsse der Europäischen Gemeinschaften nur an solche Kohlekraftwerke gegeben werden, die ausschließlich Gemeinschaftskohle verfeuern? Die Bundesregierung hat bereits in ihrem Memorandum zur gemeinschaftlichen Energiepolitik im Kohlebereich die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft darauf hingewiesen, daß eine finanzielle Gemeinschaftshilfe nur für Kraftwerke gewährt werden sollte, deren Betreiber sich langfristig verpflichten, ausschließlich oder zu einem wesentlichen Anteil Gemeinschaftskohle einzusetzen. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften verfolgt mit ihren kohlepolitischen Vorschlägen das grundsätzliche Ziel der Verdrängung von Öl im Verstromungsbereich und versucht zugleich, die Interessen der Kohle- und Nichtkohleländer zu berücksichtigen. Der zur Zeit in der Diskussion befindliche Vorschlag sieht Investitionshilfen zur Umstellung von Kraftwerken auf Kohle und für die Modernisierung von Kohlekraftwerken vor (40 O/0 der Investitionskosten oder 50 ERE /kW). Für den hauptsächlichen Einsatz von Gemeinschaftskohle in den ersten drei Betriebsjahren soll eine höhere Beihilfe gewährt werden. Die Bundesregierung vertritt nach wie vor die oben erläuterte Haltung. Im Rahmen der gemeinschaftlichen Kohlemaßnahmen besteht jedoch ein besonderes deutsches Interesse an der Verbesserung der geltenden Kokskohleregelung, die letztlich nur im Kompromißwege erreicht werden wird. Für den Fall einer — zur Zeit noch nicht erkennbaren — Einigung über das „Kohlepaket" im Rat ist deshalb nicht zu erwarten, daß im Rahmen der Investitionshilfe Kraftwerke auf der Basis von Drittlandskohle von der Förderung ausgeschlossen werden können. Anlage 13 Antwort des Bundesministers Ertl auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 15) : Treffen die Feststellungen von Rüdiger Bless vom Institut für Naturschutz und Tierökologie der Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie in Bonn-Bad Godesberg, die er in seiner Publikation „Bestandsänderungen der Fischfauna in der Bundesrepublik Deutschland" darlegt, heute noch zu, daß die Situation der Fische in den Binnengewässern ernst sei, da von den über 70 bodenständigen oder dort eingewanderten Süßwasserfischarten 52 mehr oder weniger gefährdet seien, und was kann nach Meinung der Bundesregierung gegebenenfalls getan werden, um dieser Entwicklung positiv zu begegnen? Der Bundesregierung ist die in Ihrer Frage genannte Veröffentlichung bekannt. Unabhängig von der Anzahl der konkret gefährdeten Süßwasserfischarten wird z. Z. untersucht, ob über die in den Bundesländern bestehenden Schutzvorschriften hinaus auf Bundesebene weitere Regelungen zum Schutz der Süßwasserfische notwendig oder zweckmäßig sind. Im Rahmen dieser Untersuchung hat die „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Fischereiverwaltungsbeamten und Fischereiwissenschaftler" in diesem Jahr ein Gutachten über den gegenwärtigen Stand des Fischartenschutzes in den Bundesländern vorgelegt. Ergänzend hierzu wird nunmehr durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geprüft, inwieweit vertiefte Forschungen über Gefahrenursachen und Möglichkeiten zum Schutz gefährdeter Fischarten notwendig und durchführbar sind. Im übrigen wird auf die EG-Richtlinie 78/659 vom 18. Juli 1978 (ABl. Nr. L 222/1 vom 14. August 1979), über die Qualität von Süßwasser, das schutz und verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten, verwiesen. Mit dieser Richtlinie sollen auf EG-Ebene die Lebensbedingungen für Süßwasserfische generell verbessert werden. Anlage 14 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 16) : Besteht nach Meinung der Bundesregierung Veranlassung, die Verwendung von Klärschlämmen als Dünger zu überprüfen, nachdem sich in den vergangenen Monaten die Fälle häuften, daß die Klärschlämme mit Schwermetallen verseucht waren? Die Bundesregierung hat ihre Haltung zur Anwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft auf Grund der angesprochenen Vorfälle überprüft. Sie vertritt auch weiterhin den Standpunkt, daß die Anwendung von Klärschlamm als Dünger oder Bodenverbesserungsmittel aus abfallwirtschaftlichen und ökologischen Gründen mit den gebotenen Mitteln anzustreben ist. Klärschlamm kann in der Landwirtschaft zur Produktion von Lebens- oder Futtermitteln aber nur verwendet werden, wenn sein Gehalt an Schadstoffen, wie z. B. die Schwermetalle Cadmium, Blei, Quecksilber u. a. m., bestimmte Grenzwerte nicht übersteigt. Die Konzentration von Schadstoffen im Klärschlamm ist überwiegend davon abhängig, in welchem Umfang im Einzugsgebiet einer Kläranlage schwermetallhaltiges Abwasser aus Gewerbe- oder Industriegebieten abgeleitet wird. Klärschlamm aus ländlichen Einzugsgebieten ohne oder mit geringer Industrieabwasserbelastung enthält in der Regel niedrige und damit tolerierbare Mengen an Schadstoffen. Dementgegen kann in Einzugsgebieten mit hoher Gewerbe- oder Industrieansiedlung ein Klärschlamm anfallen, der des zu hohen Schadstoffgehaltes wegen landwirtschaftlich nicht verwertet werden kann. Wie bei der Düngung mit Mineraldüngern muß auch bei der Klärschlammanwendung zum Schutze der menschlichen Gesundheit vorbeugend vermieden werden, daß sich Schadstoffe im Boden über eine Schwelle hinweg anreichern. Ein Mindestmaß an Überwachung ist notwendig. Diese setzt die sichere Kenntnis der Schlammzusammensetzung voraus. Auch bei einem vorwie- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13775* gend nicht industriell strukturierten Einzugsgebiet muß der Klärschlamm wenigstens bei erstmaliger Anwendung auf die in Frage kommenden Schadstoffe untersucht werden. Dahingegen ist die turnusmäßige Schlammuntersuchung dringend angezeigt bei Schlamm aus gemischtem oder überwiegend industriellen Einzugsgebieten. Das Aufbringen von Klärschlamm auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden bedarf keiner abfallrechtlichen Genehmigung oder Zulassung. Es unterliegt allerdings bestimmten Regelungen des Abfallrechts, welche durch § 15 AbfG ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt werden. Das bedeutet, Klärschlamm darf zum Zwecke der Düngung auf Böden nur in dem Maß aufgebracht werden, daß das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die in § 2 AbfG aufgezählten Schutzgüter, nicht beeinträchtigt werden. Die umweltbedingten Anforderungen an das Aufbringen von Klärschlamm unterscheiden sich materiell also nicht von den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abfallbeseitigung. Dazu gehört der Ausschluß von Gefahren für die menschliche Gesundheit, die durch das Aufbringen toxisch belasteten Klärschlamms (z. B. Cadmium) verursacht werden können. Hierauf zu achten, obliegt nach seit 1972 geltendem Recht der zuständigen Landesbehörde; denn § 15 AbfG hat auch das in § 11 AbfG verankerte Überwachungsprinzip für entsprechend anwendbar erklärt. Es zeigt sich jetzt, daß diese unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschriften des Abfallbeseitigungsgesetzes nicht immer richtig gesehen wird. Ich beabsichtige deshalb, im Zuge der gerade eingeleiteten Novellierung anderer abfallrechtlicher Vorschriften den § 15 AbfG zur Klarstellung zu ergänzen. Wenn auf diese Weise deutlich wird, daß die zuständige Behörde befugt ist, die Aufbringung bestimmter Stoffe einzuschränken, zu untersagen oder von Analysen oder anderen geeigneten Maßnahmen abhängig zu machen, dann könnte sich die in Vorbereitung befindliche Verordnung auf die Festlegung von Grenz- und Orientierungswerten für den Schadstoffgehalt beschränken. Ein solches Vorgehen würde sicher dazu beitragen, den zuständigen Behörden der Länder weitere Hilfen für den Vollzug zu geben. Andererseits könnte dann damit gerechnet werden, daß sich der Erlaß der Aufbringungsverordnung beschleunigen wird, deren fachliche Grundlagen bis in jüngste Zeit zum Teil fehlten oder doch umstritten waren. Unabhängig von diesen bundesrechtlichen Aspekten ist darauf hinzuweisen, daß die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall schon im Jahre 1977 ein Merkblatt zur Anwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft mit Grenzwerten für Schadstoffe verabschiedet hat. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Kreutzmann auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Böhm (Mel- sungen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 17 und 18) : Liegt der Bundesregierung ein offizieller Antrag auf Förderung der Erneuerungsarbeiten am Kloster Haydau in der Gemeinde Morschen im hessischen Schwalm-Eder-Kreis (Zonenrandgebiet) im Rahmen der kulturellen Zonenrandförderung vor, und auf welche Höhe beläuft sich gegebenenfalls dieser Antrag? Ist die Bundesregierung grundsätzlich bereit, die unbedingt erforderlichen Erneuerungsarbeiten am Kloster Haydau finanziell aus Zonenrandförderungsmitteln zu unterstützen, und sieht sie Möglichkeiten, der Gemeinde Morschen bei der Nutzung und Unterhaltung des Gebäudes zu helfen? Zu Frage B 17: Der Bundesregierung liegt ein offizieller Antrag nicht vor. Zu Frage B 18: Der Hessische Landtagsabgeordnete Radko Stöckl hat die Bundesregierung am 12. September 1977 wegen der Sanierung des Klosters Haydau in Morschen-Altmorschen angeschrieben. Die Bundesregierung hat dem Abgeordneten hierzu am 16. September 1977 mitgeteilt, daß sie grundsätzlich bereit ist, im Rahmen des Kulturellen Zonenrandprogramms des Bundes Mittel für die Baumaßnahme bereitzustellen, wenn ihr ein entsprechender Förderungsvorschlag der Hessischen Landesregierung unterbreitet wird. Dies ist bisher nicht geschehen. Die Bundesregierung ist jedoch nach wie vor bereit, die Baumaßnahme finanziell zu fördern, sofern die hierzu erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Sie sieht allerdings keine Möglichkeit, die Eigentümerin des Objektes bei der Nutzung und der laufenden Unterhaltung des Gebäudes zu unterstützen. Anlage 16 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius (SPD) (Drucksache 8/3173 Fragen B 19, 20, 21 und 22) : Wie hoch waren die Beihilfeaufwendungen des Bundes für Bundesbeamte (außer Bundesbahn und Bundespost) und Richter sowie deren Familienangehörige in den Haushaltsjahren 1976, 1977, 1978, und mit welchen Beihilfeausgaben wird für sie in den Haushaltsjahren 1979 und 1980 gerechnet? Wie lauten die entsprechenden Zahlen für die beihilfeberechtigten Familienangehörigen von Soldaten? Wie viele der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Bundesbeamten haben sich im Haushaltsjahr 1978 auf Krankenschein behandeln lassen, und wie hoch waren die sich aus der Versagung von Beihilfen zu Sachleistungen und Sachleistungssurrogaten ergebenden Minderausgaben des Bundes? Ist die Bundesregierung bereit — sofern sie zu den vorgenannten Fragen keine präzisen Angaben machen kann — gesichertes Zahlenmaterial — z. B. in einer Vierteljahressondererhebung — zu beschaffen und dieses bei der bevorstehenden Neuregelung der Beihilfevorschriften zu berücksichtigen? Zu Frage B 19: Beim Bund sind keine Unterlagen vorhanden, die Beihilfeaufwendungen getrennt nach Beamten und 13776'*Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Richtern einerseits und Angestellten und Arbeitern andererseits ausweisen. Die Beihilfeaufwendungen des Bundes für Bundesbeamte, Richter, Angestellte und Arbeiter sowie deren Familienangehörige betrugen im Jahre 1976 = 103 178 791,13 DM 1977 = 110 235 098,96 DM 1978 = 119 530 917,62 DM. Als Sollausgaben sind für 1979 = 119 035 000,— DM, im Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes 1980 = 125 713 000,— DM vorgesehen. Zu Frage B 20: Für den Bereich des Bundesministers der Verteidigung wird eine getrennte Ausweisung der Beihilfeaufwendungen ebenfalls nicht vorgenommen. Die Beihilfeaufwendungen betrugen für Soldaten, Beamte, Angestellte und Arbeiter sowie deren Familienangehörige im Jahre 1976 = 132 335 032,65 DM 1977 = 138 019 955,50 DM 1978 = 147 405 969,33 DM. Als Sollausgaben sind für 1979 = 147 000 000,— DM, im Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes 1980 = 155 000 000,— DM vorgesehen. Zu Frage B 21: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wie viele der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Bundesbeamten sich im Haushaltsjahr 1978 auf Krankenschein haben behandeln lassen. Unterlagen, die hierüber Aufschluß geben, liegen nur der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Deshalb sind auch keine Angaben über die Minderausgaben des Bundes in den von Ihnen genannten Fällen möglich. Dem Bund liegen lediglich Anträge von Beihilfeberechtigten vor, die Beihilfen zu Sachleistungssurrogaten beantragt haben, obwohl hierzu nach dem geltenden Beihilferecht keine Leistungen gewährt werden. Für diesen Personenkreis ermittelte Minderausgaben sind in keiner Weise aussagekräftig und im übrigen nur durch aufwendige Erhebungen zu ermitteln. Zu Frage B 22: Um gesichertes Zahlenmaterial zu erhalten, müßten alle Sachleistungsempfänger veranlaßt werden, Anträge auf Beihilfen unter Beifügung der Rechnungsbelege zu stellen. Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob diese Personen bereit wären, Beihilfeanträge zu stellen, denen nicht entsprochen werden kann. Die Verwaltung hätte ihrerseits in diesen Fällen Beihilfen fiktiv festzusetzen. Im übrigen wäre ein solches Verfahren — abgesehen von dem unvertretbaren Verwaltungsaufwand und dem fehlenden Aussagewert — wegen des Abrechnungsverfahrens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durchführbar, da die Sachleistungsempfänger über keinerlei Rechnungsbelege verfügen. Selbst wenn Zahlen ermittelt werden könnten, wären diese beihilferechtlich nicht entscheidend. Nach Auffassung der Bundesregierung ist das System der Krankheitsbeihilfe im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht mit der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der strukturellen Unterschiede prinzipiell nicht vergleichbar. Auch läßt ein rein unter Haushaltsgesichtspunkten angestellter Vergleich wegen der völlig unterschiedlichen Zielrichtung beider Systeme (ergänzende Fürsorge einerseits, voller Versicherungsschutz andererseits) keine generelle Aussage darüber zu, welches System letztlich günstiger ist (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 22. März 1976 auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion betr. Krankheitsbeihilfen im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht — Drucksache 7/4920 —) . Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 23) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Aktionen von Atomkraftgegnern, durch die u. a. nach Pressemeldungen erheblicher Sachschaden entstanden sein soll, gegen die Durchführung der von den zuständigen Stellen genehmigten Probebohrungen in Gorleben in strafrechtlicher und haftungsrechtlicher Sicht, unter Berücksichtigung der Frage, ob das geltende Recht ausreicht oder ergänzungsbedürftig) ist? Die Bundesregierung ist zu den Aktionen von Atomkraftgegnern in Gorleben auf die Angaben aus dem Land Niedersachsen angewiesen. Hiernach ergibt sich derzeit folgendes Bild: In tatsächlicher Hinsicht sind drei Komplexe zu unterscheiden. Zum einen sind bereits im März dieses Jahres Fahrer von Baufahrzeugen, die Material zur Errichtung einer Einfriedung bringen sollten, an der Zufahrt zur Baustelle und bei der Ausfahrt aus den Versorgungsdepots behindert worden. Weitere Blockaden von Baufahrzeugen sind im Mai 1979 durch Landwirte mit Treckern erfolgt. Zum anderen sind nach der Aufnahme von Flachbohrungen in den Monaten Juli, August und September 1979 Bohrlöcher aufgebrochen worden. Teilweise haben die Täter Bohrlöcher mit Beton und anderem Material verstopft und auf diese Weise unbrauchbar gemacht. Der dritte Komplex betrifft die Aktionen seit Beginn der Tiefbohrungen am 10. September 1979. Im Zusammenhang hiermit ist es wieder zur Behinderung von Fahrzeugen gekommen. Ferner wurden Bau- und Polizeifahrzeuge beschädigt und ein Lichtmast umgestürzt. In strafrechtlicher Hinsicht ist, soweit die Behinderung von Fahrern der Baufahrzeuge in Frage steht, in erster Linie an Nötigung, und, soweit die Beschädigung von Bohrlöchern und Fahrzeugen in Deutscher Bundestag --- 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13777* Frage steht, an Sachbeschädigung zu denken. Darüber hinaus kommen die Straftatbestände des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und des Diebstahls sowie Verstöße gegen das Versammlungsgesetz in Betracht. Zu einer abschließenden strafrechtlichen Beurteilung reichen die mir bisher zur Verfügung stehenden Angaben indessen nicht aus. Ich möchte auch, wofür ich um Verständnis bitte, der strafrechtlichen Einordnung durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden und der Beurteilung der Gerichte, die über die mitgeteilten Sachverhalte zu erkennen haben werden, nicht vorgreifen. Wegen der früheren Vorfälle ist teilweise bereits Anklage erhoben worden. Im übrigen laufen Ermittlungsverfahren. Die Pflicht der Täter, den verursachten Schaden zu ersetzen, ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Strafvorschriften. Bei einer Beteiligung mehrerer Täter ist gemäß § 830 BGB jeder einzelne für den Schaden verantwortlich. Die Bundesregierung mißbilligt Proteste, die sich nicht im Rahmen der von der Rechtsordnung gesetzten Schranken bewegen. Die Vorfälle in Gorleben geben der Bundesregierung jedoch bisher keine Veranlassung zu der Annahme, daß das geltende Straf- und Haftungsrecht nicht ausreicht. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 24, 25, 26 und 27) : Wie hoch sind die Zahl der jährlichen Neuzugänge sowie der Auftragsbestand an Patentanmeldungen beim Deutschen Patentamt, und wieviel Zeit wird benötigt, um den vorhandenen Auftragsbestand neben den laufenden Neueingängen zu bearbeiten? Wie lange dauert es durchschnittlich, bis der Anmelder eines Patents vom Deutschen Patentamt die beantragten Schutzrechte erhält, welches wäre die theoretisch kürzeste Frist, um diesen Schutz zu erlangen und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um den derzeitigen Bearbeitungszeitraum zu verkürzen? Wie teilen sich die beim Deutschen Patentamt angemeldeten Erfindungen auf mittelständische und Großbetriebe auf, und in welchem Verhältnis werden patentierte Erfindungen von mittelständischen bzw. Großbetrieben genutzt? Inwieweit werden die erteilten Patente in das im Aufbau befindliche Informations- und Dokumentationszentrum der Bundesregierung (IuD) aufgenommen, welche Möglichkeiten der Information verbleiben daneben dem Deutschen Patentamt, und was soll darüber hinaus geschehen, um patentierte Erfindungen einem breiteren Interessentenkreis als bisher zugänglich zu machen? Zu Frage B 24: Die Zahl der Neueingänge an Patentanmeldungen im Deutschen Patentamt betrug: 1977 60 401 1978 58 492 bis 31. August 1979 38 536 Für die Arbeitsbelastung der Prüfer ist die Zahl der eingehenden Prüfungsanträge nach § 28 b des Patentgesetzes maßgebend. Diese betrug: 1977 34 876 1978 37 247 bis 31. August 1979 26 923 Der Bestand an anhängigen Anmeldungen im Prüfungs- und Einspruchsverfahren betrug: 1977 121 988 1978 127 297 am 31. August 1979 117 183 Dies bedeutet einen etwa dreifachen Jahreseingang an Anmeldungen im Prüfungsverfahren. Die Erledigungszahlen der Prüfer des Deutschen Patentamts entwickelten sich wie folgt: 1977 41 293 1978 41 443 bis 31. August 1979 26 121 Daraus folgt, daß zur Bearbeitung des vorhandenen Auftragsbestandes rund drei Jahre erforderlich sein würden. Zu Frage B 25: Gegenwärtig beträgt die Verfahrensdauer bis zum Eintritt des einstweiligen Schutzes nach § 30 des Patentgesetzes 2 Jahre und 2 Monate, die Verfahrensdauer bis zur Rechtswirksamkeit des Patentes 2 Jahre und 7 Monate. Ein? Verkürzung der Verfahrensdauer im Deutschen Patentamt um 5 bis 7 Monate von derzeit 31 Monaten auf 24 bis 26 Monate erscheint langfristig möglich und erstrebenswert. D. h. der einstweilige Schutz nach § 30 des Patentgesetzes könnte dann nach 19 bzw. 21 Monaten im Durchschnitt eintreten. Hierbei handelt es sich zugleich — nach den bisherigen Erfahrungswerten — um die theoretisch kürzeste Frist. Die Erreichung dieser verkürzten Bearbeitungszeit ist vorrangig von der Anzahl der Erledigungen pro Prüfer und daneben von der Zahl der insgesamt zur Verfügung stehenden Prüfer abhängig. Die durchschnittliche Prüferleistung der Prüfer des Deutschen Patentamtes stieg von 70,4 Erledigungen im Prüfungs- und Einspruchsverfahren pro Prüfer im Jahre 1976 auf 76,9 Erledigungen im Jahre 1978. Die Anzahl der Prüfer betrug 1977 575 1978 543 am 1. Juli 1979 491 sowie weitere 64 in Ausbildung. Diesen Zahlen steht ein Prüfer-Soll von 561 sowie 98 Hilfsstellen in den prüfenden Patentabteilungen gegenüber. Das Deutsche Patentamt ist bemüht, die — auch wegen des Übertritts einiger Prüfer zum Europäischen Patentamt — noch freien Stellen mit geeignetem Prüfernachwuchs zu besetzen. 13338* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Zumindest längerfristig kann daneben mit einer Verringerung der Patentanmeldungen auf Grund der Tätigkeit des Europäischen Patentamtes gerechnet werden, wenngleich zur Zeit Aussagen über den voraussichtlichen Umfang dieser Entlastung noch nicht getroffen werden können. Zu Frage B 26: Im Rahmen des Patenterteilungsverfahrens werden Daten über Umsatz und Beschäftigungszahl anmeldender Unternehmen nicht erhoben. Beim Deutschen Patentamt werden deshalb auch keine Statistiken geführt, die eine gesicherte Aussage über die Aufteilung der zum Patent angemeldeten Erfindungen auf mittelständische und Großbetriebe zuließen. Das Zweite Hauptgutachten der Monopolkommission nach § 24 b des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das sich in Kapitel VI mit dem Problem „Patente und Konzentration" befaßt, behandelt lediglich die Lizenzvergabe- und Patentpraxis von Großbetrieben. Es stellt allerdings fest, daß größere Unternehmen tendenziell mehr Patente als weniger große besitzen und daß dies verstärkt gilt, wenn die Unternehmensgröße statt mit der Umsatzhöhe mit der Beschäftigtenzahl gemessen wird (Randnummer 126 der Kurzfassung. des Gutachtens, Anlage zur Bundestagsdrucksache 8/2835). Die Bundesregierung hat am 10. Mai 1979 zu diesem Gutachten Stellung genommen (Bundestagsdrucksache 8/2835). In ihrer Stellungnahme (Randnummer 35) weist sie darauf hin, daß rein quantitative Untersuchungen naturgemäß über die wirtschaftliche Bedeutung der Erfindungen nichts auszusagen vermögen. Bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Patentbesitz und Unternehmensgröße müsse vor allem aber auch die ausschlaggebende Bedeutung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen berücksichtigt werden. Dieses Gesetz könne sich für die Unternehmen als faktischer Zwang auswirken, die von ihren Arbeitnehmern gemachten Erfindungen auch zum Patent anzumelden. Weiter heißt es in der Stellungnahme (Randnummer 34) : „Die Bundesregierung hält aber trotz der nur eingeschränkt bestehenden nationalen Handlungsspielräume ein verbessertes Faktenwissen über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Patentwesens für erforderlich, um etwaige Fehlentwicklungen von vornherein so weit wie möglich verhindern zu können. Es ist daher beabsichtigt, durch den Bundesminister für Wirtschaft ein Forschungsvorhaben zu vergeben, das die Auswirkungen des Patentschutzes und der Lizenzvergabepraxis auf den Wettbewerb in ausgewählten Wirtschaftsbereichen unter besonderer Berücksichtigung der Marktsituation kleiner und mittlerer Unternehmen zum Gegenstand haben soll. Eine derartige Untersuchung könnte das von der Monopolkommission vorgelegte Datenmaterial im Hinblick auf entsprechende Angaben für kleine und mittlere Unternehmen erweitern und damit eine größere Repräsentativität der Daten schaffen." Dieses Forschungsvorhaben ist inzwischen vergeben worden. Seine Ergebnisse werden voraussichtlich in etwa zwei Jahren vorliegen und nähere Aufschlüsse zu dem in der Frage behandelten Problem zeitigen. Zu Frage B 27: Das Erfordernis einer verbesserten Information im Bereich des Patentwesens ist in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund getreten. Aus diesem Grunde sah das Informations- und Dokumentationsprogramm der Bundesregierung die Prüfung vor, ob ein der Öffentlichkeit zugängliches Informationssystem eingerichtet werden kann, das die Patentschriften der Länder des Internationalen Patentkooperationsabkommens (Patent cooperation treaty) erfaßt und inhaltlich erschließt, entsprechende Recherchen erstellt sowie zur Einsichtnahme und Auskunft bereithält und ob ein solches Informationssystem ggf. auch Trendforschung und Analyse der technischen Entwicklung betreiben könnte. Der zwischenzeitlich über das sogenannte „Informationssystem Patente" im Auftrag des Bundesministers für Forschung und Technologie erstellte Planungsbericht bejaht diese Frage und schlägt die Errichtung des Zentrums vor. Der Bericht geht davon aus, daß die im Deutschen Patentamt vorhandenen Patentinformationen sowie das Fachwissen der Prüfer entscheidend für die Zwecke des Informationszentrums genutzt werden sollten. Eine Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt, mit welchen Aufgaben und in welcher Organisationsform das Informationszentrum Patente errichtet wird, ist noch nicht getroffen. Zur Zeit wird im Deutschen Patentamt geprüft, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Amt in Abhängigkeit von zu bewilligenden Haushaltsmitteln in der Lage wäre, zusätzliche Informationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit zu übernehmen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 28) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß nach dem derzeitigen Stand der Diskussion die Beseitigung der Benachteilung der Urheber von Lichtbildwerken durch das Urheberrecht nicht länger hinausgezögert werden sollte, und ist sie bereit, sich dem Gesetzentwurf der CDU/CSU (Drucksache 8/2064) anzuschließen? Wegen der Forderungen nach Erweiterung des urheberrechtlichen Schutzes der Hersteller von Lichtbildwerken hat am 19. Juni 1979 im Bundesministerium der Justiz eine Anhörung stattgefunden. Eine endgültige Bewertung des Ergebnisses dieser Anhörung ist noch nicht möglich. Soweit bisher ersichtlich, wird die Bundesregierung jedoch eine Reihe von Änderungen des Urheberrechtsgesetzes zu diesen und anderen Fragen vorschlagen. Die Versendung eines Referentenentwurfs ist für Frühjahr 1980 vorgesehen. Die Arbeiten werden mit Nachdruck betrieben. Von Verzögerungen bisher kann nicht die Rede sein. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13779* Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Nöbel (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 29) : Ist die Bundesregierung bereit, die bisherige Praxis der Finanzhilfen für Gemeinden des Bonner Raums zu überprüfen und durch Zuschüsse zu den Folgekosten der Einrichtungen, die durch den Bund veranlaßt sind, der sich abzeichnenden Entwicklung Rechnung zu tragen, nach der in Zukunft von den Folgekosten die stärksten Belastungen für die Gemeindehaushalte zu erwarten sind? Die Bundesregierung hält es für sachdienlich, die bisherige Praxis der Finanzhilfegewährung an die Gemeinden des Bonner Raums nicht zu ändern, zumal allgemein anerkannt wird, daß der Bund die den Gemeinden zustehenden Ausgleichsleistungen nach Art. 106 (8) GG stets rechtzeitig und in voller Höhe gewährt hat. Allein an Gemeinden des Rhein-Sieg-Kreises und den Kreis selbst sind in den letzten 10 Jahren über 120 Millionen DM an Bundesfinanzhilfen geflossen. Laufende Folgekosten der Gemeinden können aufgrund Art. 106 (8) GG, der allein als Rechtsgrundlage für Zuschüsse und Darlehen des Bundes an Gemeinden des Bonner Raumes in Betracht kommt, nicht ausgeglichen werden. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Regenspurger (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 30 und 31): Ist es zutreffend, daß in der Bundeszollverwaltung von den rund 3 350 Oberinspektoren mehr als 1 500 Beamte, das sind 46 v. H., älter als 40 Jahre und rund 700 Oberinspektoren so- .. gar älter als 50 Jahre sind, und daß bis zum Jahr 1985 nur sehwach besetzte Jahrgänge in den Ruhestand treten, so daß die Fluktuation und die Beförderungschancen der nachwachsenden Beamten immer geringer werden? Was hat die Bundesregierung bisher getan, um diesen Zustand zu beseitigen, bzw. welche Maßnahmen sind beabsichtigt, um die Beförderungschancen der Oberinspektoren in der Bundeszollverwaltung zu verbessern? Von den z. Z. vorhandenen rund 3 260 Oberinspektoren der Bundeszollverwaltung sind rund 1 580 = rund 48 % über 40 Jahre, etwa 650 über 50 Jahre alt. Die in der Anfrage genannten Zahlen haben sich damit seit Anfang 1979 nur unwesentlich geändert. Zutreffend ist weiterhin, daß die Geburtsjahrgänge 1915-1920 verhältnismäßig schwach besetzt sind. Bedingt durch diese unausgewogene Altersstruktur ergeben sich in den Jahren bis 1980 nur wenige Beförderungsmöglichkeiten für die Beamten des gehobenen Zolldienstes, so daß die Beförderungswartezeiten, die zum Beispiel für die Beförderung zum Amtmann 10 bis 13 Jahre betragen, zum Teil noch länger werden. Diese Situation wird — verständlicherweise - von den betroffenen Beamten als unbefriedigend empfunden, um so mehr, als die Beförderungssituation in der Vergangenheit bedingt durch eine Vielzahl von Stellenhebungen wesentlich günstiger war. Bei der Beurteilung der Beförderungssituation darf allerdings nicht allein auf das Lebensalter abgestellt werden. Es gibt keine Grundlage für die Forderung, daß die Beförderungsämter jeweils in einem bestimmten Lebensalter erreicht sein müßten. Das würde auch dem im Bundesbeamtengesetz und in der Bundeslaufbahnverordnung verankerten Leistungsgrundsatz widersprechen. Trotzdem ist festzustellen, daß die Beförderungsaussichten für die nachwachsenden Beamten im gehobenen Dienst der Bundeszollverwaltung in den nächsten Jahren ungünstig sind. Es ist daher ge- prüft worden, ob eine befristete Schaffung von Beförderungsstellen mit ku-Vermerk in Betracht kommen könnte. Eine solche Maßnahme würde eine Erhöhung der in § 26 Abs. 1 BBesG festgelegten Obergrenzen für Beförderungsämter voraussetzen, wodurch allerdings die Gefahr einer allgemeinen Bewegung der Stellenobergrenzen für Bund, Länder und Gemeinden ausgelöst werden könnte. Im Gespräch war daneben die Ausbringung von Stellenhebungen im Rahmen der Funktionsgruppenverordnung vom 23. November 1977 i. d. F. der Verordnung vom 30. März 1974 (BGBl. I S. 1031). Dadurch kann aber das Problem der „Überalterung" der Oberinspektoren nicht gelöst werden. Deshalb ist von einer weiteren Verfolgung dieser Überlegungen abgesehen worden. Zur Zeit ist nach allem noch keine Möglichkeit gefunden worden, die Beförderungssituation im gehobenen Zolldienst spürbar zu verbessern. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 32) : Wie beurteilt die Bundesregierung nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung die Einführung einer Zweitwohnsitz- steuer? Nach zwei noch nicht veröffentlichten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 1979 (7 C 12/77 und 7 C 53/77) ist eine Steuer, die die für den eigenen Wohnbedarf des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen bestimmte zweite Wohnung besteuert, den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern zuzuordnen. Die Gesetzgebungskompetenz für eine solche Steuer steht gemäß Art. 105 Abs. 2 a GG den Ländern zu Gesetzgeberische PIäne für die bundeseinheitliche Einführung einer solchen Steuer kommen somit schon allein aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Sie würden im übrigen auch allen Bestrebungen zur Steuervereinfachung zuwiderlaufen. Anlage 23 Anwort des Parl. Staatssekretärs 'Grüner auf die Schriftlichen Fragen der • Abgeordneten Frau Schleicher (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 33 und 34): Sind der Bundesregierung Pläne bekannt, wonach die z. Z. geltende .Preisspannen-Verordnung für den pharmazeutischen Großhandel' hinsichtlich ihrer Spannenregelung und/oder ihres Höchstspannencharakters einer Uberprüfung unterzogen werden soll? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß — wenn solche Pläne bestehen und verwirklicht werden sollten — der gesetzliche und gesundheitspolitische Auftrag der Apotheken, und zwar die Arzneiversoigung der Bevölkerung sicherzustellen, durch ein weiteres Absinken ihrer ohnehin gefährdeten Ertragslage ernsthaft in Frage steht, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Die Bundesregierung beabsichtigt zur Zeit nicht, die in der Verordnung über Preisspannen für Fertigarzneimittel vom 17. Mai 1977 (BGBl. I S. 789) festgelegten Spannen des pharmazeutischen Großhandels oder deren Höchstspannencharakter zu ändern. 13780* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1939 Die in der Verordnung enthaltenen Spannen und Preise sind -- wie jede staatliche Preisregelung — von Zeit zu Zeit auf ihre Angemessenheit oder ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Seit Inkrafttreten der Verordnung am 1. Januar 1978 haben sich jedoch keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Änderung der Regelungen, die den Großhandelsbereich betreffen, angezeigt erscheinen. lassen. Die Spannenregelungen der Apotheken und des Großhandels stehen . in engem wirtschaftlichen Zusammenhang. Jede Änderung der Großhandelsspannen würde daher eine genaue Prüfung der mit einer solchen Änderung verbundenen Auswirkungen auf die Ertragslage der Apotheken voraussetzen. Dies ergibt sich bereits aus der Ermächtigungsgrundlage des § 78 Arzneimittelgesetz. Danach sind die Preisspannen so festzusetzen, daß sie den berechtigten Interessen sowohl der Apotheken als auch des Großhandels, aber auch der Arzneimittelverbraucher Rechnung tragen. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kolb (CDU/ CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 35) : Trifft es nach dem Erkenntnisstand der Bundesregierung über die Wirkungsweise von Heizkörperthermostaten zu, daß nicht bei allen Fabrikaten die entsprechende Energieeinsparung gegeben ist, da sich Konstruktion und auch die Wirksamkeit sehr deutlich unterscheiden, und wenn ja, denkt die Bundesregierung an die Forderung nach einem Prüfungszeugnis, wobei zwischen Thermostaten far Schlaf- bzw. Wohnräume unterschieden wird? Thermostatische Heizkörperventile sind regelungstechnischen Komponenten, deren Aufgabe es ist, die Wärmeabgabe eines Heizkörpers selbsttätig durch mehr oder weniger starke Drosselung des Heizmittelstroms so zu verändern, daß der von Hand eingestellte Sollwert der Raumtemperatur innerhalb enger Grenzen konstant gehalten wird. Zur Zeit befindet sich eine Vielzahl von Fabrikaten auf dem Markt, die sich, anderen Wirtschaftsgütern vergleichbar, nach Preis, Aussehen, Wirkungsweise und mehreren technischen Merkmalen voneinander unterscheiden; selbst Ventile gleicher Anschlußdimensionen eines Herstellers können mit unterschiedlichen Kennwerten erhältlich sein, um den verschiedenen Anforderungen des Einzelfalls gerecht zu werden. Hieraus folgt, daß nicht das Vorhandensein eines Thermostatventils bereits zwangsläufig zu einer bestimmten Energieeinsparung führt. Diese Ventile eröffnen vielmehr nur die Möglichkeit zu verstärkter Energieeinsparung; dabei wird vorausgesetzt, daß sie aus dem breiten Angebot auf den Einzelfall bezogen fachkundig ausgewählt wurden und anschließend sachgerecht verwendet werden. Geschieht dies nicht, kann die beste Konstruktion zu weniger Energieeinsparung führen, als eine schlechtere. Das Fabrikat ist lediglich eines von mehreren Beurteilungskriterien. Zur Erreichung einer wünschenswerten größeren Marktübersicht hat die Bundesregierung veranlaßt, daß Thermostatventile von der Stiftung Warentest untersucht wurden; mit der Veröffentlichung der Ergebnisse ist in Kürze zu rechnen. Daneben wurde das Deutsche Institut für Normung (DIN) angeregt, eine Qualitätsnorm für Thermostatventile zu erarbeiten, die außer der Definition von Begriffen die Festlegung von Funktionsanforderungen, das Prüfverfahren und eine Regelung zur Überwachung der Einhaltung dieser Anforderungen enthalten wird. Die Herausgabe dieser DIN-Norm soll noch in diesem Jahr ,erfolgen. Unterschiedliche Festlegungen für Ventile in Abhängigkeit vom Ort ihrer Anbringung sind technisch nicht begründbar und daher nicht vorgesehen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache 8/3173 Fragen B 36 und 37): Wie beurteilt die Bundesregierung die Transparenz der Preisbildung der Heizkosten bei Mietwohnungen? Was halt die Bundesregierung von der Einführung eines von Verbraucherseite geforderten Wärmepasses, der dem Mieter bereits vor Bezug der Wohnung eine Berechnung der auf ihn zukommenden Heizkosten gestattet und der zudem dazu beitragen kann, mit Energie zur Wohnungsheizung sparsam umzugehen? Zu Frage B 36: Nach dem derzeitigen Stand der Informationsmöglichkeiten ist es Wohnungsmietern in der Regel kaum möglich, die Qualität einer Wohnung auch unter dem Aspekt des Energiebedarfs und der zu erwartenden Heizkosten verläßlich einzuschätzen. Zu Frage B 37: Die Bundesregierung hält es im Hinblick auf die Energiepreissituation für wünschenswert, den Mietern ein Informationssystem an die Hand zu geben, das bereits vor Einzug eine möglichst zuverlässige Aussage über den Energiebedarf einer Wohnung ermöglicht. Ein solches Informationssystem könnte auf das Mietpreisgefüge einwirken und somit einen zusätzlichen Anreiz für wärmedämmende /energiesparende Maßnahmen schaffen. Wie eine Anhörung der Spitzenverbände der Vermieter, Mieter und der Heizungstechnik beim Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau am 23. August 1979 ergeben hat, besteht ein befriedigendes System zur Gebäude- oder Wohnungsklassifizierung nach Energiebedarf zur Zeit nicht; die Erarbeitung eines solchen Systems wird längere Zeit in Anspruch nehmen. Als Interimslösung hat der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau . die Spitzenverbände der Vermieter gebeten, ihren Mitgliedern zu empfehlen, den Mietern anläßlich der Vertragsverhandlungen über zentralgeheizte Wohnungen den bisherigen, über die letzten drei Heizperioden ermittelten Verbrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit in Brennstoffmengen je Quadratmeter Wohnfläche der beheizten Räume und die entsprechenden Heizkosten zu nennen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13781* Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 38) : Wie will die Bundesregierung verhindern, daß eine Korrektur des Stromtarifs II gerade kinderreiche und sozial schwache Familien, die zwangsläufig einen höheren Stromverbrauch haben, besonders belastet? Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll durch Reform der Stromtarife sparsames Verhalten der Stromverbraucher stärker honoriert, nicht aber der Stromverbrauch generell verteuert werden. Die Degression der Stromtarife wird daher grundsätzlich beibehalten. Progressive oder lineare Tarife lehnt die Bundesregierung nach wie vor ab, da sie im Widerspruch zur Kostenorientierung stehen. Es ist lediglich vorgesehen, durch Einführung einer linearen Komponente die Degression des Haushaltstarifs II bei weit überdurchschnittlichem Verbrauch zu beenden. Ein Verbrauch, der über diesen Bereich noch hinausgeht, wird damit künftig nicht weiter verbilligt. Der Einsatzpunkt dieser Korrektur ist bewußt so gewählt worden, daß Belastungen für kinderreiche und sozial schwache Familien ausbleiben. Er ist im einzelnen von dem Preisgefüge des jeweiligen Elektrizitätsversorgungsunternehmens und der Raumzahl des Kunden abhängig. So endet die Degression z. B. bei einer Familie mit drei Kindern, die erfahrungsgemäß in einer Vierzimmerwohnung leben, bei einem großen deutschen Versorgungsunternehmen mit einem monatlichen Verbrauch von ca. 470 kWh. Bereits ein solcher Verbrauch kann nur bei bester Ausstattung mit Elektrogeräten erreicht werden. Der durchschnittliche Stromverbrauch alle Haushalte im Bundesgebiet liegt demgegenüber bei 260 kWh. Die vorgesehene tarifliche Korrektur setzt im übrigen gleitend ein und hat bei üblichen Verbrauchssteigerungen nur minimale Auswirkungen. Erst bei Verbräuchen, die z. B. durch einen starken Einsatz elektrischer Direktheizgeräte verursacht werden, sind sie spürbar. Dies ist angesichts der Gefahren, die ein unvernünftiges Heizen aus der Steckdose für die Versorgungssicherheit heraufbeschwören kann, energiepolitisch erwünscht. Anlage 27 Antwort des Bundesministers Ertl auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 39) : Trifft es zu, daß ein außerlandwirtschaftlich Beschäftigter, der sich zu seinem Hobby Tiere hält, z. B. Pferde, und mehr als einen Hektar Land bewirtschaftet, als landwirtschaftlicher Unternehmer gezählt wird, obwohl er aus seinem „landwirtschaftlichen Betrieb" nichts zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt und dieses Hobby ausschließlich aus seinem außerlandwirtschaftlichen Haupteinkommen finanziert, und wenn ja, bekommt ein solcher „landwirtschaftlicher Unternehmer", der die Landwirtschaft nur als Hobby betreibt, wenn er eine entsprechend große Fläche bewirtschaftet, im Alter auch die landwirtschaftliche Altershilfe? Ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage ausschließlich auf den Unternehmerbegriff der landwirtschaftlichen Sozialversicherung bezieht. Maßgebend sind hier zunächst die §§ 792, 658 der Reichsversicherungsordnung. Diese Vorschriften besagen, daß der Unternehmerbegriff im Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und im Bereich der gewerblichen Unfallversicherung die gleiche Bedeutung hat. Unternehmer ist hiernach jeder, für dessen Rechnung das Unternehmen geht. Anders ausgedrückt: Jeder ist Unternehmer, der Gewinn und Verlust des Unternehmens trägt. Der Begriff des Unternehmers setzt keinen Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit voraus. Diese weite Definition ist für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlich, weil jeder, der in einem Unternehmen als Arbeitnehmer oder wie ein Arbeitnehmer beschäftigt ist, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Folgerichtig muß daher grundsätzlich jeder Unternehmer Mitglied der sachlich zuständigen Berufsgenossenschäft sein und sich an der Aufbringung der zur Deckung der Unfallasten erforderlichen Mittel beteiligen. Ob das Unternehmen einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt leistet, ist in der gewerblichen und in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unerheblich. Der Unternehmerbegriff der Altershilfe für Landwirte schließt sich grundsätzlich an den Unternehmerbegriff der gesetzlichen Unfallversicherung an. Er wird jedoch durch § 1 Abs. 3 bis 4 a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte entscheidend modifiziert: Nach diesen Regelungen ist nur derjenige landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne der Altershilfe für Landwirte, dessen Unternehmen unabhängig vom jeweiligen Unternehmer eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildet. Eine Existenzgrundlage ist insbesondere gegeben, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des Unternehmens eine von der landwirtschaftlichen Alterskasse im Einvernehmen mit dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen nach billigem Ermessen auf Grund der örtlichen oder bezirklichen Gegebenheiten festzusetzende Mindesthöhe erreicht. Die Mindestbetriebsgrößen stellen sicher, daß Unternehmer, die Mitglieder der Altershilfe für Landwirte sind, für den Markt produzieren. Die Auswirkung der Mindestbetriebsgrößenfestsetzung erkennen Sie daran, daß in der Agrarberichterstattung 1977 1 008 198 landwirtschaftliche Betriebe (einschließlich Gartenbau und Forstwirtschaft) festgestellt wurden (Agrarbericht 1979, Bundestags-Drucksache 8/2531, Materialband S. 22), während am 31. Dezember 1977 nur 627 589 landwirtschaftliche Unternehmer nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte beitragspflichtig waren. Es ist damit sichergestellt, daß die Bewirtschafter von landwirtschaftlichen Klein- und Kleinstbetrieben nicht nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte beitragspflichtig sind. Sie können demnach im Alter keine Leistungen der Altershilfe für Landwirte erhalten. Anlage 28 Antwort des Bundesministers Ertl auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Paintner (FDP) (Drucksache 8/3173 Fragen B 40 und 41) : 13782* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Liegen der Bundesregierung Angaben über die Kosten der Agrarpolitik bzw. über die Subventionierung der Lebensmittelpreise in der DDR vor, und ergeben sich Konsequenzen daraus für unsere eigene agrarpolitische Diskussion? Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Maß bei uns und in vergleichbaren Ländern Stroh bereits zu Heizzwecken verwendet wird, und ob solche Heizungen im Vergleich zu Gas- und Ölheizungen rentabel und in ausreichender Menge auf dem Markt zu haben sind? Zu Frage B40: Der Bundesregierung liegen aus der Haushaltsrechnung 1978 folgende Angaben über die Ausgaben der DDR für Zwecke der Landwirtschaft, veröffentlicht in „Neues Deutschland" vom 29. Juni 1979, vor: Millionen DM 1. Produktgebundene Preisstützungen für Produktionsmittel für landwirtschaftliche Betriebe 4 846,4 2. Zuwendungen für Meliorationen, Investitionszuschüsse, produktgebundene Preiszuschläge und andere produktionsfördernde Maßnahmen in der Landwirtschaft 2 152,5 3. Staatliche Aufgaben gegenüber der Landwirtschaft wie Veterinärwesen, Pflanzenschutz, Ausstellungen 593,8 4. Aufgaben der Wasserwirtschaft 556,5 5. Mittel für Wissenschaft und Technik auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft 309,7 6. Ausgaben für Rekultivierungsmaßnahmen 34,8 Zusammen: 8 493,7 Für die Gewährleistung stabiler Verbraucherpreise auf dem Lebensmittelsektor hat die DDR außerdem weitere 7 719,7 Millionen Mark in 1978 aufgewendet. Mittel- und unmittelbar sind somit von der DDR für die Landwirtschaft im Jahre 1978 nach eigenen Angaben rd. 16,2 Milliarden Mark eingesetzt worden mit dem Ziel, die Verbraucherpreise zu stützen und die landwirtschaftliche, gärtnerische, forstwirtschaftliche und fischwirtschaftliche Produktion zu steigern. Trotz dieser Maßnahme liegt die Produktivität der Landwirtschaft in der DDR deutlich unter der Produktivität der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Wegen der Unterschiedlichkeit der Agrarsysteme lassen sich aus diesen Zahlen Konsequenzen für unsere eigene agrarpolitische Diskussion nicht ziehen. Zu Frage B 41: Statistische Angaben über die Zahl der Strohöfen in der Bundesrepublik Deutschland liegen nicht vor, da diese Form der Heizung zur Zeit der letzten 1 %-Wohnungsstichprobe 1972 nicht gebräuchlich war und demzufolge lediglich Kohle-, 01-, Gas-und Elektroöfen gezählt wurden. Aus Veröffentlichungen und Auskünften ist jedoch zu entnehmen, daß bisher etwa 2 500 Heizungskessel abgesetzt wurden, die für die Strohverbrennung geeignet sind. Strohöfen werden derzeit in verschiedenen Leistungsklassen und Kesselgrößen von mehreren Firmen angeboten. Für diese Anlagen bestehen Lieferzeiten bis zu 6 Monaten. In Dänemark dagegen wurden — Pressemeldungen zufolge — bisher etwa 15 000 Durchbrandkessel, die für die Strohverbrennung geeignet sind, verkauft. Aus anderen Ländern sind keine Angaben bekannt. Bei einem Kostenvergleich zwischen Strohverbrennungs- und Gas- oder Ölverbrennungsanlagen sind viele Faktoren zu berücksichtigen. Beispielhaft soll hier eine Wohnhausheizung mit einem Jahresenergiebedarf von 200 Millionen kJ (7 260 1 Heizöl brutto) zum Vergleich herangezogen werden. Unter sehr günstigen Voraussetzungen kann selbst bei einem extrem hohen Strohpreis von 10 DM /dt am Ort der Verbrennung gegenüber einer Ölheizung mit Preisen von 0,50 DM /1 Heizöl eine rechnerische Energiekosteneinsparung von etwa 400 DM/Jahr eintreten. Muß allerdings das Stroh weit transportiert oder neuer Lagerraum dafür ge-. schaffen werden oder soll das Stroh dem Heizkessel automatisch zugeführt werden, können die Kostenrelationen für das Stroh erheblich ungünstiger ausfallen. Funktion und Verbrennungsqualität von Strohverbrennungsanlagen mit automatischer Nachführung des Strohs- müssen noch weiter entwickelt werden. Wesentliche Erkenntnisse hierzu werden von Vorhaben erwartet, die von der Bundesregierung z. B. im Rahmen des Programms „Zuwendungen und Investitionen zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben für den Umweltschutz im Agrarbereich" gefördert werden. Anlage 29 Antwort des Bundesministers Ertl auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 42) : Welche Antwort hat Bundesminister Ertl von der EG-Kommission auf seine Forderung erhalten, umgehend dafür zu sorgen, daß sich in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die Preise für alle Energiearten nach Angebot und Nachfrage ausrichten müssen und in den Niederlanden dann als Maßstab für den Erdgaspreis der Preis für leichtes Heizöl herangezogen werden sollte, das in den übrigen Mitgliedstaaten verwendet wird, mit dem Ziel, in Zukunft die deutschen Gartenbaubetriebe wettbewerbsfähig zu halten (siehe Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Susset, Drucksache 8/2948, Frage A 55)? Die EG-Kommission hat zu dem Antrag der Bundesregierung, die Wettbewerbsverzerrung im Unterglas-Gartenbau zu untersuchen, schriftlich mitgeteilt, daß die Dienststellen der EG-Kommission die notwendigen Untersuchungen anstellen. Auf der Sitzung des Ministerrats am 17./18. September 1979 hat die Kommission hierzu mündlich erklärt, daß sie wegen der EG-rechtlichen Problematik des niederländischen Sondertarifes für Erdgas, der im Unterglas-Gartenbau verwendet wird, mit den Niederlanden in bilateralen Gesprächen stehe. Sollten diese 'ohne Erfolg bleiben, beabsichtige die Kommission, eigene Vorschläge zur Lösung dieser Frage zu unterbreiten. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13783* Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Steinhauer (SPD) (Drucksache 8/3173 Fragen B 43 und 44) : Wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß das durch die fünfte Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geschaffene neue arbeitsmarktpolitische Instrument der Maßnahmen zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten für Arbeitslose nach § 41 a AFG schnell und flächendeckend im gesamten Bundesgebiet eingesetzt wird, damit insbesondere dem Personenkreis der Schwervermittelbaren eine gezielte Hilfe angeboten werden kann? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß insbesondere auch die von den Gewerkschaften und den Trägern der Erwachsenenbildung und der nachgehenden sozialen Betreuung geschaffenen Bildungseinrichtungen die geeigneten Träger der Maßnahmen zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten sind, und was ist geschehen, um diese Bildungsträger für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen? Die Maßnahmen zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten werden von der Bundesregierung als eine der wichtigsten Neuregelungen der 5. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz angesehen. Gerade bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage, die von Diskrepanzen zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage vor allem in regionaler und qualifikatorischer Hinsicht geprägt ist, werden diese Maßnahmen entscheidende Bedeutung erlangen. Aus diesem Grunde ist die Bundesanstalt für Arbeit schon in einem früheren Stadium der Beratungen des Regierungsentwurfs der 5. Novelle intensiv beteiligt worden. Sie hat daher entsprechende Vorbereitungen zur Durchführung geeigneter Maßnahmen schon vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes treffen können. In umfassenden Weisungen sind die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter aufgefordert worden, umgehend und möglichst ortsnah den Arbeitslosen entsprechende Maßnahmen anzubieten. Diese Bemühungen werden dadurch unterstützt, daß gerade die Vermittlungs- und Beratungsdienste der örtlichen Dienststellen der Bundesanstalt in den letzten Jahren eine erhebliche personelle Verstärkung erfahren haben. Zu Ihrer zweiten Frage teile ich Ihre Auffassung, daß gerade die Träger der Erwachsenenbildung geeignete Träger sind. Kontakte zu den in Frage kommenden Trägergruppen wurden daher schon vor Verkündung der 5. Novelle geknüpft. In den bereits erwähnten Weisungen hat der Präsident der Bundesanstalt die nachgeordneten Dienststellen angehalten, sich bei dem Aufbau der notwendigen Maßnahmen möglichst der Einrichtungen und Erfahrungen der Gewerkschaften, der Kammern, der Kirchen und caritativen Verbände und auch der öffentlichen Hand zu bedienen. Die Bundesregierung erwartet, daß die Bundesanstalt für Arbeit dieses neue arbeitsmarktpolitische Instrument initiativ und intensiv in der vom Bundesminister für Arbeit und Sozlalordnung gestarteten Vermittlungsoffensive umsetzt. Dabei fordert die Bundesregierung auch die Selbstverwaltungsorgane in den örtlichen Dienststellen auf, Ihre Kenntnisse und Möglichkeiten beim schnellen Aufbau eines leistungsstarken und flächendeckenden Maßnahmeangebots nutzbar zu machen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Handlos (CDU/ CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 45 und 46) : Welche Teilbeträge haben die einzelnen Arbeitsamtsbezirke des bayerischen Grenzraums zugeteilt erhalten, nachdem das „arbeitsmarktpolitische Schwerpunktprogramm für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen" abgeschlossen ist? Trifft es zu, daß der überwiegende Teil des finanziellen Schwerpunktprogramms an Großbetriebe vergeben wurde? In den bayerischen Arbeitsamtsbezirken, die von dem arbeitsmarktpolitischen Programm der Bundesregierung für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen erfaßt werden, sind bis einschließlich 1. August 1979 Anträge auf Fördermittel in folgender Höhe gestellt worden: Deggendorf 4,772 Millionen DM Passau 21,973 Millionen DM Regensburg 23,378 Millionen DM Schwandorf 18,446 Millionen DM Schweinfurt 10,225 Millionen DM Weiden 12,509 Millionen DM Wie Bundesminister Dr. Ehrenberg in seiner Pressemitteilung vom 7. August 1979 erklärt hat, können alle Anträge, die bis zum 1. August 1979 eingegangen waren, zu den Konditionen des Sonderprogramms bewilligt werden. Lediglich bei Unternehmen, die mehr als 5 Millionen Fördermittel beantragt haben, sind geringfügige Abstriche von den Antragssummen notwendig geworden. In Bayern ist davon nur ein Unternehmen betroffen. Zu Ihrer zweiten Frage bemerke ich folgendes: Es trifft nicht zu, daß der überwiegende Teil des Programms an Großbetriebe vergeben werden wird. Zwar fehlt noch ein abschließender Überblick über die Betriebsgrößenstruktur der antragstellenden Unternehmen. Eine solche Aufstellung wird zur Zeit von der Bundesanstalt für Arbeit vorgenommen. Sie dürfte in einigen Tagen vorliegen. Nach den bisherigen Mitteilungen der Arbeitsämter entfallen von den 940 Millionen DM Gesamtantragssumme 400 Millionen DM auf Schwerpunkt 1 des Programms „Innerbetriebliche Qualifizierung". Großunternehmen haben zum Schwerpunkt 1 Anträge in Höhe von rd. 160 Millionen DM gestellt, d. h. daß auch im Schwerpunkt 1 der überwiegende Teil der Antragssumme, nämlich rd. 60 °/o auf kleine und mittlere Unternehmen, entfällt. Bei Schwerpunkt 2 „Wiedereingliederung von Arbeitslosen" dürfte die Situation ähnlich sein, während Anträge zum Schwerpunkt 3 „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen" fast ausschließlich von Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie Trägern der freien Wohlfahrtspflege gestellt worden sind. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 47) : Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Auswertung eines in Schleswig-Holstein durchgeführten Versuchs, den Krankenschein künftig durch eine „Krankenscheckkarte" zu ersetzen, und welche Probleme müssen noch gelöst werden, bevor der Versichertenausweis für alle Mitglieder in der sozialen Krankenversicherung eingeführt wird? Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat im Kreis Rendsburg /Eckernförde einen 13784* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den. 21. September 1979 Modellversuch durchgeführt, bei dem die Ersetzung des in der gesetzlichen Krankenversicherung üblichen Krankenscheins durch einen Versichertenausweis in Form einer Scheckkarte getestet wurde. Über die Erfahrungen und Ergebnisse sind von den am Versuch unmittelbar beteiligten Krankenkassen, Ärzten und Apothekern Berichte erstellt worden. Ferner sind der technische Bericht und das wissenchaftliche Gutachten abgeschlossen. Aus den Berichten ist allgemein zu erkennen, daß sich das Verfahren als organisatorisch und technisch durchführbar erwiesen hat. Aufgetretene Mängel können behoben werden. Auch die Versicherten scheinen mit großer Mehrheit positiv die Verwendung des Versichertenausweises zu beurteilen. Es ist vorgesehen, eine zusammenfassende Darstellung der Erfahrungsberichte zu veröffentlichen. Sobald die Zusammenfassung fertiggestellt ist, werde ich veranlassen, daß sie den interessierten Abgeordneten zur Verfügung gestellt wird. Bevor Folgerungen aus dem Modellversuch gezogen und eine Entscheidung über die Einführung eines Versichertenausweises getroffen werden, ist es erforderlich, die Erfahrungen über den Modellversuch mit den Spitzenverbänden der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, der Ärzte, der Sozialpartner und den sonstigen Beteiligten eingehend zu erörtern. Bevor diese Gespräche noch nicht abgeschlossen sind, vermag ich noch keine abschließende Beurteilung vorzunehmen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 48): Ist die Bundesregierung bereit, mit den betroffenen Städten, Gemeinden und Kreisen die Probleme zu erörtern, die sich aus den geplanten Nutzungsänderungen des militärischen Übungsgeländes im Viernheimer Wald für die Wasserversorgung und das ökologische Gleichgewicht in diesem Raum ergeben? Die in meinem Schreiben vom 21. Juni 1979 bereits angekündigte Erörterung des Fragenkomplexes mit den amerikanischen Streitkräften hat in der Zwischenzeit stattgefunden. Um noch bestehende Unklarheiten über die vorgesehene intensive Nutzung zu beseitigen, habe ich um zusätzliche Unterlagen gebeten, die mir noch im Laufe des Monats September 1979 zugehen sollen. Es ist vorgesehen, alle mit einer intensiveren Nutzung zusammenhängenden Fragen, auch die Fragen der Wasserversorgung und der Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichts, mit dem Land Hessen und den amerikanischen Streitkräften zu erörtern. Wegen dieser Fragen sind von verschiedenen Gemeinden, Planungsträgern, Vereinen, Aktionsgemeinschaften, Bürgerinitiativen sowie einer Dienststelle der zuständigen Kreisverwaltung gegen die beabsichtigte Nutzung Einwendungen erhoben worden. Die Belange der betroffenen Bevölkerung werden in die Verhandlungen eingebracht und sicher auch vom Land Hessen vertreten werden. Bei diesem Verfahrensstand halte ich eine Erörterung der Probleme mit den betroffenen Städten, Gemeinden und Kreisen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für erforderlich. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftlichen, Fragen des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 49 und 50) : Kann die Bundesregierung bestätigen, daß es bei der Treibstoffversorgung der in Decimomannu (Sardinien) übenden Luftwaffenverbände wiederholt zu Schwierigkeiten gekommen ist, und dadurch oftmals das Erreichen der Ausbildungsziele in Frage gestellt bzw. in Einzelfällen sogar die Rückverlegung der dort übenden Verbände erforderlich wurde, und falls das zutrifft, auf welche Ursachen sind diese Mißstände zurückzuführen? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu ergreifen, um eine optimale Ausbildung der Luftwaffenverbände für die Dauer ihrer Stationierung auf Sardinien zu gewährleisten? Zu Frage B 49: Der Luftwaffenübungsplatz Decimomannu wird gemeinsam von Italien, Großbritannien, der Bundesrepublik Deutschland und seit 1979 von den Vereinigten Staaten genutzt. Für die Versorgung des Übungsplatzes mit Flugkraftstoff ist auf Grund der Vertragslage Italien als Gastgebernation verantwortlich. Der Kraftstoff wird von einer italienischen Raffinerie mit firmeneigenen Tankfahrzeugen und aus dem NATO-Depot Monte Urpino bei Cagliari über Pipelines zugeführt. Seit Jahren treten bei der Kraftstoffversorgung immer wieder Schwierigkeiten auf. Dies hat oftmals zu Unterbrechungen des Ausbildungsbetriebes und in einigen Fällen, von denen die deutsche Luftwaffe im Jahre 1979 bisher zweimal betroffen war, zu Rückverlegungen der in Decimomannu übenden Kommandos geführt. Damit konnten die für den Übungsaufenthalt in Sardinien gesteckten Ausbildungsziele mitunter nicht erreicht werden. Für die zeitweiligen Engpässe in der Kraftstoffversorgung gibt es drei Hauptursachen: 1. Die auf dem Übungsplatz Decimomannu vorhandene Lagerkapazität ist in bezug auf den Verbrauch zu knapp bemessen. Stärkere Auffüllungs- 2. und Versorgungsschwankungen können nicht ausgeglichen werden. 3. Die Produktions- und Transportkapazitäten der italienischen Raffinerie, der Firma Saras, sind begrenzt und decken nur einen Teil des Bedarfs. Streiks und zeitaufwendige Treibstoffanalysen, die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen in Rom durchgeführt werden müssen, bringen häufig Verzögerungen mit sich. 4. Die Leistung der Pipelines und Pumpen zwischen dem Hafen Cagliari, dem NATO-Depot Monte Ur-pino und dem Übungsplatz Decimomannu ist zu gering. Tankschiffe zur Auffüllung des Depots Monte Urpino werden nicht rechtzeitig bereitgestellt. Zu Frage B 50: Seit geraumer Zeit bemüht sich das Bundesverteidigungsministerium in Verbindung mit den Nutzerstaaten um eine Verbesserung der Kraftstoffversorgung. So wurden im Jahre 1978 Instandsetzungsmaßnahmen zur Erhöhung der Pipeline- und Pumpenleistungen sowie der Neubau eines Kraftstofftanks in Decimomannu beschlossen. Die Arbeiten sind angelaufen, sie sollen bis Ende 1980 durchgeführt sein. Zwischenzeitlich haben die Nutzerstaaten dem italienischen Verteidigungsministe- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13785* rium ihre Unterstützung angeboten. Diese wurde jedoch unter Hinweis auf nationale Bestimmungen teilweise abgelehnt. Hierzu gehört auch das Ange-. bot der deutschen Luftwaffe, vorübergehend bis zu 15 Straßen- und Flugfeldtankwagen bereitzustellen. Das Bundesverteidigungsministerium hält zur Ausbildung der Luftwaffenverbände eine störungsfreie Kraftstoffversorgung in Decimomannu für unabdingbar und hat dies gegenüber dem italienischen Verteidigungsministerium wiederholt deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Führungsstab der Luftwaffe steht in dieser Frage in ständiger Verbindung mit den Luftwaffenführungen der Nutzerstaaten. Maßnahmen zur Verbesserung der Kraftstoffversorgung können jedoch nur im Einvernehmen mit der Gastgebernation, in Abstimmung mit den Nutzerstaaten und im Rahmen der bestehenden vertraglichen Bestimmungen getroffen werden. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kretkowski (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 51) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Kreiswehrersatzamts in Kiel (Bescheid an den Wehrpflichtigen Christian Christiansen AZ. Reg. Nr. PA 399/58/79), daß ein bewaffneter Überfall auf die Opec-Staaten kein Angriffskrieg sei, oder ist sie der Meinung, daß die Haltung des Kreiswehrersatzamts undemokratisch ist und unserem Grundgesetz (Artikel 26, 115 a), dem Völkerrecht sowie der UNO-Resolution 3314 von 1974 zuwiderläuft und was gedenkt sie gegebenenfalls zu tun, um eine solche Haltung für die Zukunft auszuschalten? Den in Rede stehenden Bescheid hat nicht das Kreiswehrersatzamt Kiel, sondern der bei diesem Amt gebildete weisungsfreie Prüfungsausschuß für Kriegsdienstverweigerer erlassen. Die Bescheidausführungen müssen dahin verstanden werden, daß nach Auffassung des Prüfungsausschusses auch für die Bundeswehr eine Beteiligung an einer militärischen Intervention im Falle eines Erdölboykotts in Betracht kommen könnte: Diese Auffassung wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Ein solcher Einsatz läge nicht im Rahmen .des Verteidigungsauftrags, den das Grundgesetz in Artikel 87 a Absatz 1 Satz 1 erteilt hat. Grundsätzlich ist ein bewaffneter Überfall auch als Angriff zu bewerten, der mit den Regeln des Völkerrechts nicht vereinbar ist. Nach Artikel 26 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig. Artikel 5 der UN-Resolution 3314 von 1974 betont, daß keine Überlegung irgendwelcher Art, ob politisch, wirtschaftlich, militärisch oder sonstwie, als Rechtfertigung für eine Aggression dienen kann. Nach Artikel 39 der Charta der Vereinten Nationen ist die Feststellung, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt, dem Sicherheitsrat vorbehalten. Dieser gibt auch Empfehlungen oder beschließt — u. U. militärische — Maßnahmen oder Sanktionen, um den Weltfrieden bzw. die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. Von namhaften Völkerrechtlern wird zwar die Ansicht vertreten, auch ein existenzgefährdender wirtschaftlicher Boykott könne eine Bedrohung des Friedens darstellen. Danach sind militärische Sanktionen auf internationaler Ebene in einem solchen Falle nicht auszuschließen. Eine Beteiligung der Bundeswehr kann aber — schon im Hinblick auf ihren reinen Verteidigungsauftrag — nach Auffassung der Bundesregierung nicht in Betracht kommen. Der Vorsitzende des betroffenen Prüfungsausschusses ist entsprechend belehrt worden. Es ist veranlaßt, daß auch die beteiligten Beisitzer und die Vorsitzenden der übrigen Prüfungsgremien von dieser Auffassung unterrichtet werden. Eine Wiederholung ist daher nicht zu befürchten. Anlage 36 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Narjes (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 52) : Warum hat es die Bundesregierung bisher angesichts der grundlegenden Veränderungen der seestrategischen Situationen im Indischen Ozean und ihrer Rückwirkungen auch auf vitale deutsche Versorgungslinien und angesichts der dadurch noch gewachsenen Bedeutung des von der Republik Südafrika kontrollierten Seegebiets und Luftraums unterlassen, einen Militärattaché an die deutsche Botschaft in Pretoria zu entsenden? Die Bundesregierung hält weiterhin die Entsendung eines deutschen Militärattachés nach Südafrika weder für notwendig noch als in ihren allgemeinen außenpolitischen Interessen liegend. Es besteht keine militärische Zusammenarbeit mit der Republik Südafrika. Die seestrategischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland in diesem Raum sind identisch mit denen ihrer westlichen Partner und werden auf andere Art wahrgenommen als durch die Entsendung eines deutschen Militärattachés nach Südafrika. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 53) : Hat der Bundesverteidigungsminister einen konkreten Zeitplan für die Vorlage und Behandlung seines im Weißbuch 1979, Seite 231, angekündigten Lösungsvorschlags zur Beseitigung bzw. Verminderung des Verwendungs- und Beförderungsstaus, und wenn ja, wie sieht er aus? 1. Die von Ihnen angesprochene Weißbuchpassage bezieht sich auf den Verwendungs- und Beförderungsstau in der Laufbahn der Berufsoffiziere des Truppendienstes. Diese Laufbahn ist, obwohl ähnliche Probleme auch in anderen Laufbahnen der Berufssoldaten bestehen, am schärfsten betroffen. Ihr gilt daher auch die besondere Aufmerksamkeit. 2. Für die Lösung gibt es mehrere Möglichkeiten, unter anderem auch die Schaffung von annähernd 2 500 zusätzlichen Anschlußverwendungen für die Angehörigen der überbesetzten Jahrgänge. Allen Lösungen gemeinsam sind die dabei entstehenden Kosten; Lösungen, die in die alleinige Zuständigkeit des Bundesministers der Verteidigung fallen, gibt es nicht. Ein detaillierter Zeitplan liegt daher nicht vor. 13786* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 54) : Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wieviel Verkehrsunfälle pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland geschehen, bei denen die Fahrer unter Einfluß von Medikamenten standen, und beabsichtigt die Bundesregierung zu veranlassen, daß die Gebrauchsanweisung für Medikamente nicht nur in einer dem Laien verständlichen Sprache abgefaßt, sondern auch im Fall der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit mit besonderen Warnzeichen versehen werden? Der Bundesregierung liegen keine exakten Zahlen vor, wie viele Verkehrsunfälle sich pro Jahr in der Bundesrepublik ereignen, bei denen die Fahrer unter dem Einfluß von Arzneimitteln standen oder bei denen die Arzneimittel ursächlich für die Verkehrsunfälle waren. Dabei darf nicht übersehen werden, daß ein Teil der Verkehrsteilnehmer erst durch Arzneimittel verkehrstüchtig wird. Literaturangaben über Verkehrsunfälle, die auf Arzneimittel zurückzuführen sind, schwanken zwischen 2 uns 20 %. Bei Untersuchungen gaben im Jahre 1960 10 bis 12 % der an Verkehrsunfällen Beteiligten an, Arzneimittel genommen zu haben. Im Jahre 1975 waren es 25 bis 27 %, die diese Angaben gemacht haben. Die für die Durchführung des Arzneimittelgesetzes zuständigen Bundesländer haben in ihrer Mehrzahl im Jahre 1977, also schon vor Inkrafttreten des neuen Arzneimittelgesetzes in Übereinstimmung mit dem Bundesgesundheitsamt und dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit eine Liste von Arzneimitteln in ihren Amtsblättern veröffentlicht, die die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigen können. In den Veröffentlichungen wurde den Herstellern empfohlen, bestimmte Warnhinweise für verschiedene Arzneimittelgruppen in die Packungsbeilage aufzunehmen. Aufgeführt sind alkoholenthaltende Arzneimittel, blutdruckbeeinflussende Arzneimittel, blutzuckersenkende Arzneimittel, Lokalanaesthetika, Narkosemittel und Ophthalmica. Seit Inkrafttreten des neuen Arzneimittelgesetzes am 1. Januar 1978 hat das Bundesgesundheitsamt die Befugnis, durch Auflagen Warnhinweise anzuordnen. Von dieser Befugnis macht das Bundesgesundheitsamt, besonders auch bei verkehrsrelevanten Arzneimitteln, Gebrauch. Der Text solcher Warnhinweise ist so formuliert, daß er von jedem verstanden werden kann. Die Verwendung von besonderen Warnzeichen wird daneben nicht für zweckmäßig gehalten, weil sie die Wirkung der differenzierten Warnhinweise beeinträchtigen und die Anwendung des Arzneimittels negativ beeinflussen könnten. Im übrigen geht die Bundesregierung davon aus, daß der behandelnde Arzt seinen Patienten unter Berücksichtigung der Besonderheit des Einzelfalles und der von ihm verordneten Medikamente entsprechend informiert und auf die mögliche Beeinträchtigung des Fahrverhaltens hinweist. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Zumpfort (FDP) (Drucksache 8/3173 Fragen B 55 und 56) : Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit bei den Prüfungen von angehenden Medizinern und Pharmazeuten schriftliche Multiple-choice-Verfahren (Antwort-Wahlverfahren) zur Anwendung kommen? Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherige Erfahrungen mit Multiple-choice-Verfahren im Hinblick auf die Anforderungen, die an sachgerechte Prüfungen für Mediziner und Pharmazeuten zu stellen sind? Zu Frage B 55: Die staatlichen Prüfungen im Rahmen der ärztlichen Ausbildung sind in der Approbationsordnung für Ärzte vom 28. Oktober 1970 (BGBl. I S. 1458). in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1979 (BGBl. I S. 425) geregelt. Die Verordnung sieht eine Ärztliche Vorprüfung und eine in drei Abschnitte aufgegliederte Ärztliche Prüfung vor. Die Prüfungen in der Ärztlichen Vorprüfung und im Ersten und Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung sind schriftliche Prüfungen nach dem AntwortWahl-Verfahren. Der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Teil. Der schriftliche Teil wird im Antwort-Wahl-Verfahren geprüft. Die Regelungen über die staatlichen Prüfungen in der pharmazeutischen Ausbildung enthält die Approbationsordnung für Apotheker vom 23. August 1971 (BGBl. I S. 1377). Die pharmazeutische Prüfung ist in drei Prüfungsabschnitten abzulegen. Der Erste Abschnitt besteht aus einer schriftlichen Prüfung nach dem Antwort-Wahl-Verfahren. Der Zweite Abschnitt wird derzeit noch mündlich geprüft. Ab 1. Oktober 1980 soll auch dieser Teil schriftlich nach dem Antwort-Wahl-Verfahren durchgeführt werden. Der Dritte Prüfungsabschnitt besteht aus einer mündlichen Prüfung. Es ist bekannt, daß an den Hochschulen zum Teil schriftliche Prüfungen nach dem Antwort-WahlVerfahren im Rahmen von Unterrichtsveranstaltungen durchgeführt werden. Diese Prüfungen dienen der Leistungskontrolle im Rahmen der Erteilung der Bescheinigungen über die regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme der Studenten an Pflichtunterrichtsveranstaltungdn. In welchem Umfang diese Form des Leistungsnachweises gewählt wird, ist im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit nicht im einzelnen bekannt. Zu Frage B 56: Nach Auffassung der Bundesregierung sind schriftliche Prüfungen nach dem Antwort-WahlVerfahren eine geeignete Prüfungsform, um in objektiver und umfassender Weise den Kenntnisstand von Studenten festzustellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die ärztliche und pharmazeutische Ausbildung. Die bisherigen Erfahrungen mit den schriftlichen Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte bestätigen, daß Prüfungen dieser Art wesentlich mit dazu beitragen, daß der Erwerb des erforderlichen theoretischen Wissens gesichert werden kann. Für die schriftlichen Prüfungen nach der Approbationsordnung für Apotheker liegen im Hinblick darauf, daß in der pharmazeutischen Ausbildung bisher lediglich im 1. Prüfungsabschnitt schriftlich geprüft wird, noch keine ausreichenden Deutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13787* Erfahrungen vor. Durch schriftliche Prüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren kann allerdings nur beschränkt festgestellt werden, ob der Student auch die für die Ausübung des ärztlichen Berufes und des Apothekerberufes erforderlichen praktischen Fähigkeiten und Verhaltensweisen erlernt hat. Deshalb bedürfen solche schriftlichen Prüfungen der. Ergänzung durch mündliche und mündlich-praktische Prüfungen. Der Verordnungsgeber ist beim Erlaß der Approbationsordnung für Ärzte und Approbationsordnung für Apotheker davon ausgegangen, daß die Prüfungen im Rahmen der Erteilung der Bescheinigungen über die erfolgreiche und regelmäßige Teilnahme an Pflichtunterrichtsveranstaltungen mündlich oder mündlich-praktisch durchgeführt werden. Es muß erreicht werden, daß eine solche Praxis die Regel wird. Unabhängig davon werden derzeit im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit die Möglichkeiten geprüft, im Rahmen der staatlichen Prüfungen in der ärztlichen Ausbildung zusätzliche mündlich-praktische Prüfungen durchzuführen. Ob für ein solches Vorhaben Realisierungschancen bestehen, wird derzeit untersucht. Es ist nicht sicher, ob die Prüferkapazitäten angesichts der hohen Zahl der Medizinstudenten ausreichen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zanders auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hammans (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 57, 58, 59) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Erkenntniswert und Nutzen der vom Bundesgesundheitsamt erzwungenen Informationen in den Beipackzetteln für clofibrathaltige Arzneimittel über die Ergebnisse epidemiologischer Studien für den Patienten, und wie gedenkt die Bundesregierung zu verhindern, daß der Patient mit ungeklärten wissenschaftlichen Aussagen belastet wird? Wie stellt sich die Bundesregierung zu folgendem Satz in dem Widerspruchsbescheid des Bundesgesundheitsamts (R-7251-01-Clofibrat-2863/145 vom 26. Juli 1979), „Der Nutzen einer Behandlung mit Clofibrat erschöpft sich nach gegenwärtigem Wissen praktisch darin, daß Patienten mit hohen Blutfettwerten, einem unbestreitbaren Risikofaktor für koronare Herzkrankheiten, in besonderer Weise gefährdet sind, einen HerzInfarkt zu erleiden, der tödlich verlaufen kann", und gedenkt sie, das BGA zur Abfassung von Formulierungen anzuweisen, die bezüglich seines logischen und wissenschaftlichen Gehaltes keiner weiteren nach dem deutschen Sprachgebrauch aussagefähigen und unmißverständlichen Erläuterungen bedürfen? Welchen therapeutisch sinnvollen Wert für den Patienten erkennt die Bundesregierung in folgender Formulierung des vom Bundesgesundheitsamt vorgeschriebenen Beipackzettels für Clofibrat „Aus Ergebnissen langfristiger Tierversuche geht hervor, daß unter fünf- bis achtfacher therapeutischer Dosierung von Clofibrat bei Ratten und Mäusen vermehrt gutartige und bösartige Lebertumore auftreten; eine niedrigere Dosierung wurde nicht geprüft, die Bedeutung dieser Versuchsergebnisse für den Menschen ist bisher noch umstritten", und wie soll der Patient in der Lage sein, zu beurteilen, ob eine Substanz karzinogen ist oder nicht, wenn sich die Sachverständigen diesbezüglich nicht entscheiden können? Die vom Bundesgesundheitsamt nach § 28 des Arzneimittelgesetzes (AMG) durch Auflagen angeordnete Gebrauchsinformation für clofibrathaltige Arzneimittel entspricht den Vorschriften des § 11 AMG. Danach sind zur Information des Patienten Angaben unter anderem über die Anwendungsgebiete, Gegenanzeigen und Nebenwirkungen sowie gegebenenfalls Warnhinweise vorgeschrieben. Der Inhalt, der für die Gebrauchsinformation für clofibrathaltige Arzneimittel angeordnet worden ist, entspricht dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, der vom Bundesgesundheitsamt sehr sorgfältig ermittelt wurde, zuletzt in einer öffentlichen Anhörung in- und ausländischer Sachverständiger am 18. und 19. Juni 1979 in Berlin. In der Gebrauchsinformation müssen auch Risiken angegeben werden, die nach Art und Ausmaß wissenschaftlich noch umstritten sind. Das Risiko einer krebserzeugenden Wirkung von Clofibrat konnte bislang nicht ausgeräumt werden, es mußte folglich als Nebenwirkung in die Gebrauchsinformation aufgenommen werden. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Darstellung eines Risikos in der Gebrauchsinformation in einer für den Patienten verständlichen Form erfolgen muß. Die Details sollten einer Information vorbehalten bleiben, die für den Arzt bestimmt und auf ihn zugeschnitten ist. Das Arzneimittelgesetz enthält noch keine Vorschriften, in denen die sogenannte Ärzteinformation geregelt ist. Da das Instrument der Ärzteinformation im Arzneimittelgesetz nicht zur Verfügung steht, gab es für das Bundesgesundheitsamt nach der bestehenden Sachlage keine andere Möglichkeit, als das Krebsrisiko im Detail in der Gebrauchsinformation darzustellen. Dabei muß davon ausgegangen werden, daß die Gebrauchsinformation im konkreten Behandlungs- fall dem Patienten .durch den Arzt erläutert wird. Auf EG-Ebene sind Arbeiten aufgenommen worden mit dem Ziel, die Ärzteinformation in das pharmazeutische Richtliniensystem zu übernehmen mit der Folge, daß es in nationales Recht transformiert werden wird. Der von Ihnen in der Frage 58 zitierte Satz aus dem Widerspruchsbescheid des Bundesgesundheitsamtes in Sachen Clofibrat beruht auf einem bedauerlichen Redaktionsversehen, das inzwischen berichtigt wurde. Die berichtigte Fassung ist auch in den weiteren Bescheiden zur Wiederzulassung clofibrathaltiger Arzneimittel verwendet worden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Neumann (Bramsche) (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 60) : Inwieweit kann durch Aufklärung über psychische Ursachen körperlicher Gesundheitsschädigungen die Gesundheitserziehung der Familien durch die Bundesregierung unterstützt werden? Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ist darum bemüht, im Rahmen der gesundheitlichen Aufklärung auch auf den Zusammenhang zwischen seelischen Spannungen und körperlichen Beschwerden hinzuweisen. Hierfür bietet sich insbesondere die Kampagne „Familie — jeder für jeden" 'an, in der dieses Thema verschiedentlich behandelt wird: Die Broschüre „Familienbilder" hat in zwei Kapiteln psychosomatisch beeinflußte Krankheitsbilder zum Inhalt. Ebenso wurden im Rahmen von Zeitungsanzeigen, im „Familienfragespiel" und in Filmen, deren Ausstrahlung auch durch das Fernsehen vorgesehen ist, Wechselbeziehungen zwischen seelischen Spannungszuständen und körperlichen Beschwerden aufgezeigt. Das erarbeitete Informationsmaterial wird durchweg positiv beurteilt. Dies ergibt sich u. a. aus der starken Nachfrage durch Länder, Landeszentralen für Gesundheitserziehung und Organisationen, die sich diesen Fragen widmen. Es wurden z. B. von der Schrift „Familienbilder" angefordert: von dem Kultusminister von Rhein- 13788* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 land-Pfalz über 200 000 Exemplare für alle Schulen, von dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin 5 000 Exemplare für Kindertagesstätten und .Horte, vom DGB, Landesbezirk Bayern, Abteilung Frauen, 250 Exemplare für die Kreisfrauenausschüsse, von der CDU-Frauenvereinigung 50 Exemplare für die Landesgeschäftsstellen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordenten Jung (FDP) (Drucksache 8/3173 Fragen B 61 und 62) : Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, ob eine grenzübergreifende Planung der A 8-Trasse von Pirmasens durch das Nordelsaß mit Rheinübergang und Anschluß an die A 5 im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik in der EG grundsätzlich möglich ist? Führt die Verknüpfung dieser europäischen A 8-Trasse mit der A 652, die mit der „Route Industrielle' als linksrheinische Autobahn ausgebaut werden soll, zur notwendigen Verkehrsentzerrung im Großraum Karlsruhe, und damit — unter günstigeren topographischen Bedingungen und deshalb preisgünstiger — zur Verbesserung der Erschließung des Raumes beiderseits der EG-Binnengrenzen? Zu Frage B 61: Voraussetzung für die Prüfung einer Linienführung der A 8 durch das Nordelsaß ist die Bereitschaft Frankreichs, einer derartigen Untersuchung zuzustimmen. Eine entsprechende Anfrage wird von hier an die zuständige französische Straßenbaudienststelle ergehen. Zu Frage B 62: Inwieweit diese Trasse der A 8 zur notwendigen Verkehrsentzerrung im Großraum Karlsruhe und besseren Erschließung des beiderseitigen Grenzraumes führt, bliebe dem Ergebnis der Untersuchung der Trassenführung vorbehalten. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 63) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß deutsche Kraftfahrer im Ausland erhebliche Schwierigkeiten bei der Schadensregulierung nach Autounfällen haben, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um diese Schwierigkeiten zu reduzieren? Über die Abwicklung der Schadensersatzansprüche von deutschen Kraftfahrern gegen ,ausländische Schädiger oder deren Versicherer liegen der Bundesregierung keine Statistiken oder ähnliche Unterlagen vor. Es wird allerdings hin und wieder die verzögerliche Schadensabwicklung durch Versicherer im Ausland kritisiert. Die Bundesregierung sieht derzeit keine Möglichkeit (z. B. durch Vorstellung bei ausländischen Regierungen, Einwirkung auf ausländische Versichererverbände oder im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften), in solchen Fällen die ausländischen Versicherer zur beschleunigten Abwicklung und Zahlung zu veranlassen. Zudem gibt es keinen Grund für die Annahme, daß es sich hierbei nicht nur um Einzelfälle handelt. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegen einen Verpflichteten oder dessen Versicherer im Ausland muß — ebenso wie bei sonstigen zivilrechtlichen Ansprüchen gegen einen Schuldner im Ausland — notfalls dort gerichtlich durchgesetzt werden. Zur Absicherung gegen mögliche Prozeßrisiken im Ausland empfiehlt sich, vor einer Auslandsfahrt eine Unfall- und Kaskoversicherung bei einem deutschen Versicherer abzuschließen. Hierauf wurde wiederholt .L auch von seiten des Bundesverkehrsministeriums — hingewiesen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Reichold (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 64) : Stellt die Bundesregierung Überlegungen an, die geplanten Streckenstillegungen im Bereich der Deutschen Bundesbahn zurückzuziehen, und wenn ja, welche Auswirkungen hat dies auf den Streckenbereich im Raum Oberpfalz und Niederbayern? Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn (DB) hat das Ergebnis der Regionalgespräche über die Umstellung des Schienenpersonennahverkehrs auf Busbedienung inzwischen ausgewertet. Er ist dabei zu der Erkenntnis gekommen, daß ein Teil der Strecken nicht umstellbar sein wird. Zur Zeit führt er deshalb Besprechungen mit den Länderverkehrsministern, um die Schlußfolgerungen abzustimmen. Für Strecken, die nur in geringem Maße von Reisenden in Anspruch genommen werden, wird dann der Vorstand der Deutschen Bundesbahn im jeweiligen Einzelfall Entscheidungen des Verwaltungsrates • der DB herbeiführen. Erst nach dessen zustimmender Beschlußfassung kann nach den gesetzlichen Regelungen dem Bundesminister für Verkehr ein Antrag zur Entscheidung vorgelegt werden. Eine Aussage über Strecken im Raum Oberpfalz/ Niederbayern ist daher z. Z. noch nicht möglich. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 65, 66 und 67): Welche Planungen hinsichtlich der Streckenstillegung von Bundesbahnstrecken im Lahn-Dill-Kreis hat die Bundesregierung, nachdem die Regionalgespräche stattgefunden haben und die ursprünglichen Überlegungen über das „betriebswirtschaftlich optimale Netz' revidiert werden sollen? Wann ist mit einer verbindlichen Kabinettsentscheidung in dieser Angelegenheit zu rechnen? Wie beurteilt die Bundesregierung die Errichtung von Lärmschutzwänden auf der Südseite der Brücke der Bundesautobahn Sauerlandlinie in der Ortslage Haiger-Sechshelden, nachdem die Lärmschutzmaßnahmen an der nördlichen Seite der Vollendung entgegengehen bzw. zügig ausgeführt werden sollen? Zu Frage B 65: Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn (DB) hat das Ergebnis der Regionalgespräche über die Umstellung des Schienenpersonennahverkehrs auf Busbedienung inzwischen ausgewertet. Er ist dabei zu der Erkenntnis gekommen, daß ein Teil der Strecken nicht umstellbar sein wird. Zur Zeit führt er deshalb Besprechungen mit den Länderverkehrsministern, um die Schlußfolgerungen abzustimmen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13789* Zu Frage B 66: Für Strecken, die nur in geringem Maße von Reisenden in Anspruch genommen werden, wird dann der Vorstand der Deutschen Bundesbahn im jeweiligen Einzelfall Entscheidungen des Verwaltungsrates der DB herbeiführen. Erst nach dessen zustimmender Beschlußfassung kann nach den gesetzlichen Regelungen dem Bundesminister für Verkehr ein Antrag zur Entscheidung vorgelegt werden. Eine Aussage über Strecken im Lahn-Dillkreis ist daher zur Zeit nicht möglich. Zu Frage B 67: Am 7. August 1979 hat der Bundesminister für Verkehr entschieden, .zum Schutz der Wohngebäude am Klangstein in Haiger-Sechshelden auch auf der Südseite der A 45 und an der B 277 Lärmschutzeinrichtungen vorzusehen. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Seiters (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 68) : Wie ist der letzte Stand hinsichtlich der Inbetriebnahme der elektrifizierten Bahnstrecke Rheine—Leer—Emden, und mit welchen Zeitvorstellungen rechnet die Bundesregierung? Ein Termin für die Aufnahme der elektrischen Zugförderung auf der Deutschen BundesbahnStrecke Rheine — Leer — Emden — Norddeich, die ursprünglich am 1. Mai 1979 in Betrieb gehen , sollte, kann erst nach Abschluß des Verwaltungsgerichtsverfahrens genannt werden, das die Stadt Münster und mehrere Privateinwender beim Verwaltungsgericht Münster wegen des Baues der für die Versorgung der Strecke notwendigen Bahnstromfernleitung gegen den Planfeststellungsbeschluß des Bundesministers für Verkehr vom 5. März 1979 angestrengt haben. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 69 und 70): Wann wird die Umgehung Sinzenich im Zuge des Ausbaus der Bundesstraße B 477 gebaut? Welchen Vorschlag wird das Bundesverkehrsministerium im Rahmen der Fortschreibung des Bundesfernstraßenprogramms füt die Dringlichkeitseinstufung zur B 229 n im Stadtgebiet Remscheid unterbreiten? Zu Frage B 69: • Mit dem Bau der Umgehung Sinzenich im Zuge der B 477 soll voraussichtlich 1985 begonnen werden. Zu Frage B 70: In der geschlossenen Ortslage Remscheid liegt die B 299 n in der Baulast der Stadt. Ein Ausbaubedarf für diesen Abschnitt wird somit im neuen Bedarfsplan nicht dargestellt. Für die östliche Fortsetzung bis Lennep (B 51 n) in der Baulast des Bundes soll für den Entwurf des Bedarfsplanes die Stufe I vorgeschlagen werden. Für den westlichen Anschluß an die bestehende B 229 sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Ibrügger (SPD) (Drucksache 8/3173 Fragen B 71 und 72): Von welchen zeitlichen Vorstellungen für Rohbau, Innenausbau und Geräteausstattung geht die Deutsche Bundespost für den Neubau und die Inbetriebnahme der Fernmeldevermittlungsstellen Bad Oeynhausen und Lübbecke aus? Lassen sich für beide Vorhaben, die für die Einführung der Telefonnahbereiche in den Ortsnetzen Bad Oeynhausen, Vlotho, Bad Oeynhausen-Bergkirchen, Lübbecke, Preußisch Oldendorf, Hüllhorst, Stemwede-Levern zwingend erforderlich sind, solche Beschleunigungen erreichen, die eine Umstellung schon vor 1982 ermöglichen können? Zu Frage B 71: Für den Neubau der Knotenvermittlungsstelle Bad Oeynhausen ist folgender Terminablauf geplant: Baubeginn: 30. 4. 79 Fertigstellung Rohbau: 6. 80 Fertigstellung Innenausbau: 7.81 Montagebeginn der Fernmeldetechnik: Herbst 81 Inbetriebnahme der Fernmeldetechnik: Herbst 82 Der Neubau der Knotenvermittlungsstelle Lübbecke ist mit folgendem Terminablauf geplant: Baubeginn: 12. 79 Fertigstellung Rohbau: 12. 80 Fertigstellung Innenausbau: 12.81 Montagebeginn der Fernmeldetechnik: Anfang 82 Inbetriebnahme der Fernmeldetechnik: Herbst 82 Zu Frage B 72: Die Knotenvermittlungsstelle Bad Oeynhausen 573 und Lübbecke 574 sind in einer Technik ausgeführt, mit der der Nahtarif nicht realisiert werden kann. Die technischen Systeme müssen dort also ausgewechselt und wegen der durch die Verbilligung des Nahtarifs erwarteten Verkehrszuwächse stark erweitert werden. Dies ist in beiden Fällen am derzeitigen Aufbauort nicht möglich, so daß Baumaßnahmen unerläßlich sind. Nach dem derzeitigen Stand kann in Bad Oeynhausen erst im letzten Drittel 1981 und in Lübbecke erst im Januar 1982 mit dem Aufbau Nahtarif-geeigneter technischer Einrichtungen begonnen werden. Eine weitere Terminstraffung mit dem Ziel einer früheren Nandiensteinführung ist nach dem derzeitigen Planungs- /Ausführungsstand leider nicht möglich. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schäuble (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 73): Warum ist die Bundesregierung angesichts der hohen Überschüsse im Fernmeldebereich nicht bereit, die Fernsprechteil- 13790* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 nehmer eines Ortsnetzes in jedem in Frage kommenden Fernsprechbuch grundsätzlich vollständig aufzuführen, auch wenn die Fernsprechteilnehmer auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Gemeinden nicht im Geltungsbereich desselben amtlichen Fernsprechbuchs wohnen? Die gegenwärtige positive wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundespost konnte nur erreicht werden, weil sie sich bemüht, im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags auch wirtschaftliche Zielsetzungen zu verwirklichen. Die Überschüsse im Fernmeldewesen sind vor allem erforderlich, um dringende Investitionen vorzunehmen und die Kostenunterdeckung im Postwesen auszugleichen. Sie können jedoch kein Grund dafür sein, den Kunden zumutbare Einsparungsmöglichkeiten nicht zu nutzen. Das. gilt auch für die Erstellung der Amtlichen Fernsprechbücher. Ein Doppeleintrag der Teilnehmer sowohl unter dem Namen der Gemeinde als auch unter dem Namen des Ortsnetzes würde den Umfang der Amtlichen Fernsprechbücher wesentlich vergrößern und vorzeitig zu weiteren Teilungen führen. Dadurch entstehen nicht unerhebliche zusätzliche Kosten für die redaktionelle Bearbeitung und den Platzbedarf eines Doppeleintrags. Die Deutsche Bundespost hat aber den immer wieder an sie herangetragenen Wünschen, die Einträge der . Teilnehmer an politischen Grenzen auszurichten, Rechnung getragen: Auf Antrag einer Gemeinde können die Teilnehmereintragungen unter dem Gemeindenamen statt unter dem Ortsnetznamen erfolgen. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 74) : Womit begründet das Postamt in Essen und die es anweisende übergeordnete Dienststelle den angeblich politischen Charakter des Sonderstempels mit den Tatsachen: 4300 Essen 1/14. Hindenburger Heimattreffen Patenschaft Essen /Hindenburg/ OS, obwohl gleichlautende Sonderstempel 1973, 1975 und 1977 nach der geltenden Postordnung — zuletzt 2. Juli 1977 — zugelassen worden waren, und weshalb kann die Anführung bestehender und rechtlich (sowohl staats- wie völkerrechtlich) zulässiger Tatsachen ein Ablehnungsgrund sein? Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 der Postordnung vom 16. Mai 1963 sind Sendungen mit Vermerken politischen Inhalts auf der Aufschriftseite von der Postbeförderung ausgeschlossen. Der Zusatz „Patenschaft Essen /Hindenburg /OS" im geplanten Sonderstempel anläßlich des Hindenburger Heimattreffens hätte als politische Aussage mißverstanden werden und zu Schwierigkeiten bei der Postzustellung im internationalen Verkehr führen können. Aus diesem Grunde ist der Zusatz abgelehnt worden. Die in den vergangenen Jahren teilweise unterschiedliche Praxis bei der Genehmigung von Sonderstempeln und Schwierigkeiten bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften haben 1977 zur Festlegung einer einheitlichen Verfahrensweise geführt. Die Genehmigungen der Sonderstempel in den Jahren 1973, 1975 und 1977 können deshalb nicht als Berufungsfälle herangezogen werden. Die Ablehnung des Zusatzes entspricht den geltenden Vorschriften. Dagegen wäre z. B. die Verwendung eines Sonderstempels mit der Inschrift „14. Hindenburger Heimattreffen" zulässig. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 8/3173 Frage B 75): Ist dem Bundespostministerium die erhebliche Unruhe unter den Kunden der Deutschen Bundespost im Nordteil des Landkreises Diepholz bekannt, die durch das Fortlassen des Ortsnetzes Bremen im neuen amtlichen Fernsprech- sowie Branchenbuch Bremerhaven /Rotenburg/ Diepholz entstanden ist, und wenn ja, welche Maßnahmen werden getroffen, um hier Besserung eintreten zu lassen? Der Zugang an Fernsprechhauptanschlüssen erreichte in den letzten drei Jahren im Durchschnitt ca. 1,5 Millionen Anschlüsse /Jahr. Verständlicherweise bleibt eine derart stürmische Entwicklung nicht ohne Einfluß auf den Umfang der Amtlichen Fernsprechbücher. Überall im Bundesgebiet werden die Fernsprechbücher zu dick und unhandlich, sie müssen geteilt werden. Auch das Amtliche Fernsprechbuch für Bremen, das bisher die Teilnehmer des Landkreises Diepholz enthielt, war wegen des großen Zugangs an Fernsprechteilnehmern zu umfangreich geworden und mußte aufgeteilt werden. Die betroffenen Teilnehmer wurden Ende letzten Jahres von der Deutschen Bundespost benachrichtigt. Aus dem Landkreis Diepholz wurden von einigen Teilnehmern der Gemeinden Stuhr und Weyhe Einwände erhoben.. Den Gemeinden Stuhr und Weyhe wurde eine Zusammenfassung der Einträge unter dem Namen der Gemeinde angeboten. Es gelang den Gemeinden jedoch nicht, die dafür erforderliche Zustimmung der Teilnehmer zu erhalten. In den Branchen-Fernsprechbüchern, die nicht von der Deutschen Bundespost sondern von der Deutschen Postreklame GmbH in Zusammenarbeit mit privaten Vertragsverlegern herausgegeben werden, ist gegen Bezahlung ein zweiter Eintrag in einem benachbarten Branchen-Fernsprechbuch möglich. Die Deutsche Bundespost hat, um den von der Aufteilung der Amtlichen Fernsprechbücher betroffenen Teilnehmern dieses Bereiches die Situation zu erleichtern, eine Übergangsregelung vorgesehen. Sie stellt jedem Teilnehmer auf Wunsch für die Dauer von 2 Jahren ein zusätzliches Amtliches Fernsprechbuch des Nachbarbereichs gebührenfrei zur Verfügung. In einer Beilage zur Fernmelderechnung wurden die Kunden in den Monaten November /Dezember 1978 über diese Möglichkeit informiert. Bisher haben jedoch nur ca. 15 % der Teilnehmer von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Die zuständigen Fernmeldeämter nehmen auch weiterhin entsprechende Bestellungen entgegen. Darüber hinaus bietet die Deutsche Bundespost weitere zusätzliche Fernsprechbücher zu der Schutzgebühr von nur 2,— DM an. Dieser Betrag liegt weit unter den Herstellungskosten. Auf Wunsch werden diese Amtlichen Fernsprechbücher auch im Dauerbezugsverfahren porto- und verpakkungsfrei geliefert. Diese Maßnahmen bieten den Kunden nach den bisherigen Erfahrungen ausreichende Möglichkeiten bei der Benutzung der Fernsprechverzeichnisse. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September/ 1979 13791* Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Fragen B 76 und 77) : Wie viele Angehörige der Streitkräfte der DDR sind seit dem 1. Januar 1973, geordnet nach den einzelnen Jahren, aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland geflohen, wie viele davon unter Überwindung der Sperranlagen an der innerdeutschen Demarkationslinie? Welche Teilstücke der Demarkationslinie zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland sind in welcher Gesamtlänge und seit dem Inkrafttreten des innerdeutschen Grundlagenvertrags bis heute mit automatischen Tötungsapparaten am Metallgitterzaun ausgerüstet worden, und wie viele Personen sind im gleichen Zeiraum durch diese Apparate getötet bzw. verletzt worden? Zu Frage B 76: Nach den Feststellungen der Grenzbehörden der Bundesrepublik Deutschland sind seit dem 1. Januar 1973 89 Angehörige der Streitkräfte der DDR in die Bundesrepublik Deutschland geflohen, davon 1973 26 1974 22 1975 13 1976 6 1977 10 1978 6 1979 6 (bis 17. September 1979). Von den 89 überwanden 88 die Sperranlagen an der Grenze zur DDR, einer kam 1975 über ein Drittland in die Bundesrepublik Deutschland. Zu Frage B 77: Seit dem Inkrafttreten des innerdeutschen Grundlagenvertrages sind 292,2 km Metallgitterzäune mit SM 70-Anlagen ausgerüstet worden, davon im Abschnitt GSK Süd (Bayern) 60,8 km in zahlreichen Teilstücken im gesamten Abschnitt. Größter Teilabschnitt — ca. 15 km — westl. Ruppers (nördl. Mellrichstadt) Abschnitt GSK Mitte (Hessen) 80,6 km in zahlreichen Teilstücken im gesamten Abschnitt. Größter Teilabschnitt mit ca. 10 km bei Bad Soden /Allendorf Abschnitt GSK Nord (Niedersachsen) 121,4 km im gesamten Abschnitt. Größter Teilabschnitt von ca. 27 km bei Gummern (südl. Schnackenburg) Abschnitt GSK Küste (Schleswig-Holstein) 29,4 km im gesamten Abschnitt. Größter Teilabschnitt von ca. 27 km SO Gudow. Nach Erkenntnissen eigener Grenzsicherungsorgane sind im gleichen Zeitraum 21 Personen durch SM 70-Anlagen getötet bzw. verletzt worden. Eine konkretere Aussage ist hierzu nicht möglich. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stahl auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Jung (FDP) (Drucksache 8/3173 Frage B 78) : Erwägt die Bundesregierung — wie die Presse meldete — statt des vorerst gescheiterten Entsorgungszentrums in Gorleben nun in Karlsruhe eine mittlere Wiederaufbereitungsanlage für Abfall aus Kernkraftwerken zu errichten bzw. die Kapazität der in Karlsruhe befindlichen kleinen Wiederaufbereitungsanlage zu erhöhen? Es bestehen keine Planungen der Bundesregierung, eine Demonstrationsanlage mit mittlerer Kapazität in Karlsruhe zu errichten. Ebensowenig plant sie, die jetzige Kapazität der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe zu erhöhen. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Engholm auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Rühe (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 79) : Ist es zutreffend, daß Bundesmittel für die geplante Technische Universität in Hamburg-Harburg nur dann zur Verfügung gestellt werden, . wenn ein bestimmter Standort in Harburg (Irrgarten/Denickestraße) berücksichtigt wird, und welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dem Umstand bei, daß sich alle Fraktionen der Harburger Bezirksversammlung gegen diesen geplanten Standort ausgesprochen haben, und es in der Harburger Bevölkerung erhebliche Proteste gegen diesen Standort gibt? Die Beratungen zur Aufnahme einer Hochschule in das Hochschulverzeichnis nach dem Hochschulbauförderungsgesetz erfolgen im Wissenschaftsrat auf der Grundlage der Planungen des antragstellenden Landes; diese Planungen schließen den Standort mit ein. Auch zu ihm nimmt der Wissenschaftsrat Stellung. Auf Vorschlag des Wissenschaftsrates hat die Bundesregierung dem vorgeschlagenen Strukturkonzept für die Technische Universität Hamburg-Harburg einschließlich des Standortes Irrgarten zugestimmt. Die Rechtsverordnung zur Aufnahme der Technischen Universität Hamburg-Harburg in das Hochschulverzeichnis ist am 4. Juli 1979 dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet worden. Neben der Aufnahme in das Hochschulverzeichnis setzt die Bereitstellung von Bundesmitteln die vorbehaltlose Einstellung der einzelnen Baumaßnahmen in den jeweiligen Rahmenplan für den Hochschulbau voraus. Hierzu bedarf es eines entsprechenden Beschlusses des Planungsausschusses für den Hochschulbau, der in der Regel nach einer positiven Stellungnahme des Wissenschaftsrates erfolgt. Eine Änderung der ursprünglichen Planungen zum Standort, die die Gesamtkonzeption der Universität und den Zeitplan ihrer Fertigstellung beeinträchtigen könnte, kann den Wissenschaftsrat veranlassen, erneut die Gesamtplanung Hamburg-Harburg zu erörtern. In diesem Falle wäre die Aufnahme einzelner Bauvorhaben in den Rahmenplan erst nach Abschluß dieser grundsätzlichen Beratungen möglich. Die Bundesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, die internen Willensbildungsprozesse in den Ländern vorab zu kommentieren. Beurteilungsgrundlage für die Rahmenplanung des Hochschulbaus sind die Anmeldungen der Länder. 13792* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 Die Errichtung einer Universität wird im allgemeinen für die Region, in der sie entsteht, Vorteile bringen, u. a. durch die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, durch die Heranführung eines nicht unerheblichen Ausgabenpotentials und durch ein vielfältiges kulturelles Angebot. Andererseits können die besonderen lokalen und regionalen Umstände dazu führen, daß eine Universitätsgründung im Einzelfalle für Bürger und Bürgergruppen auch negative Folgen hat. Es ist verständlich, wenn sich diese Bürgermeinungen artikulieren und auch bis hin zu generellen Beschlüssen der entsprechenden Bürgervertretungen führen. Es ist die Aufgabe des Landes das als Gründer der Universität tätig wird, diese Meinungsäußerungen zu bewerten und die notwendigen Konsequenzen aus ihnen zu ziehen. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jentsch (Wiesbaden) (CDU/CSU) (Drucksache 8/3173 Frage B 80) : Wie wird die verstärkte Unterstützung gemäß den 17 Thesen der Bundesregierung zur Politik der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern vom 30. Mai 1979 für den deutschen Sport (DSB, NOK, Sportfachverbände) aussehen, der anerkanntermaßen Erhebliches für die Sportförderung in den Entwicklungsländern leistet? Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, auf die sich die von Ihnen zitierten Thesen der Bundesregierung zur Politik der Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Entwicklungsländern von 1979 beziehen, wird der Schulsport in den Ländern der Dritten Welt gefördert. Dabei können die Organisationen des deutschen Sports (NOK, Sportverbände, DSB) auf verschiedene Weise mitwirken. Dies ist zunächst bei der Durchführung staatlicher bilateraler Sportprojekte möglich, etwa bei der Veranstaltung von Seminaren zur Aus- und Fortbildung von Sportlehrern. Diese Form der Mitwirkung des deutschen Sports bei den Sportprojekten wird seit Jahren praktiziert und hat sich sehr bewährt. Sie wird auch in Zukunft fortgesetzt werden. Dabei sind einer gleichmäßigen Beteiligung der deutschen Sportinstitutionen allerdings Grenzen gesetzt, zum Beispiel dadurch, daß der Schulsport nicht zu den Schwerpunkten der Aktivitäten des NOK gehört. Gleichwohl wurde auch das NOK in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Maßnahmen, die für Nigeria, Togo, Sambia, Indonesien und Malaysia durchgeführt wurden, beteiligt. Der DSB, der auch über Erfahrungen im Schulsportbereich verfügt, ist auf Grund einer Absprache zwischen ihm und dem NOK für Maßnahmen in den Entwicklungsländern nur begrenzt zuständig. Die Mitwirkung der Sportorganisationen bei der Förderung des Schulsports in den Entwicklungsländern kann auch außerhalb der staatlichen Sportprojekte erfolgen, und zwar durch eigene Projekte, die bis zu 75 % aus Bundesmitteln bezuschußt werden können. Wie Sie wissen, habe ich während des Anhörungsverfahrens vor dem Sportausschuß des Deutschen Bundestages im Herbst 1978 diese Möglichkeiten zur Diskussion gestellt und den Vertretern der Organisationen angeboten, mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Gespräche hierüber zu führen. Auf mein Angebot, das auf eine stärkere Beteiligung im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit abzielte, ist bisher von dieser Seite nicht eingegangen worden. Dem DSB wurden im Mai 1979 noch einmal Gespräche in der o. a. Angelegenheit vorgeschlagen und ihm Mittel in Aussicht gestellt, sofern er förderungswürdige Projekte vorlegt.
Gesamtes Protokol
Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817300000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich folgende Mitteilung machen. Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen — Stand: 18. September 1979 — vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1977" (Drucksache 8/3119)

zuständig:
Innenausschuß (federführend)

Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie
Unterrichtung durch die deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments über die Tagung des Europäischen Parlaments vom 17. bis 20. Juni 1979 (konstituierende Sitzung) in Straßburg (Drucksache 8/3149)
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß (federführend) Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann wird so verfahren.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 17. September 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tillmann, Milz, Pfeffermann, Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Sick, Straßmeir, Dr. Waffenschmidt, Weber (Heidelberg), Dreyer, Feinendegen, Hanz, Frau Hoffmann (Hoya), Dr. Jobst, Lemmrich, Ziegler, Dr. Möller, Dr. Langguth, Stutzer und der Fraktion der CDU/CSU betr. örtliche Luftaufsicht und Flugsicherung auf den Verkehrslandeplätzen — Drucksache 8/3146 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3177 verteilt.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 5. bis 18. September 1979 eingegangene EG-Vorlage an die aus Drucksache 8/3186 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 20/79 — Erhöhung des Zollkontingents 1979 für Bananen) (Drucksache 8/3178)
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 13. Dezember 1979 vorzulegen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Prozeßkostenhilfe
— Drucksache 8/3068 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Interfraktionell ist ein Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Begründung des Entwurfs hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0817300100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den tragenden Prinzipien unserer verfassungsmäßigen Ordnung gehören das Rechtsstaatsprinzip und das Sozialstaatsprinzip. Sie erfordern u. a., daß jedermann — jeder Bürger, jede Bürgerin — die gleiche Chance hat, sein Recht bei den Gerichten zu wahren oder sein Recht bei den Gerichten zu suchen.
Eine Barriere bei der Verwirklichung dieser Chancengleichheit — eine unter mehreren — stellen die Kosten dar. Die Kostenbarriere ist mit den Gerichts-, aber auch mit den sonstigen Kosten, die mit einem Prozeß verbunden sind, gegeben. Nach dem geltenden Recht soll das Armenrecht diese Barriere beseitigen oder jedenfalls niedriger machen.
Unter gewissen Voraussetzungen kann nach den Bestimmungen des Armenrechts Kostenbefreiung gewährt werden. Für das heutige Verständnis weist dieses Armenrecht, das in seinen Grundzügen aus dem letzten Jahrhundert stammt, allerdings Mängel auf, die die Chancengleichheit beeinträchtigen und dazu führen, daß der Auftrag, der sich aus dem Rechtsstaats- und dein Sozialstaatsprinzip ergibt, für die heutige Zeit nicht mehr optimal erfüllt wird.
Dies sind die wichtigsten Mängel:
Erstens: Das Armenrecht wird nach dem geltenden Recht nur dann gewährt, wenn der notwendige Lebensunterhalt beeinträchtigt wird. In der Rechtsprechung orientieren sich die Gerichte üblicherweise an der Grenze der Unpfändbarkeit, d. h. für den Alleinstehenden sind monatlich rund 560 DM der Betrag, der hier in Betracht gezogen wird. Das Armenrecht ist auch in den Fällen nicht anwendbar, in denen die Tragung der Kosten zwar eine erhebliche Senkung des Lebensstandards, nicht aber die Beeinträchtigung des notwendigen Lebensunterhalts zur Folge hat.



Bundesminister Dr. Vogel
Ein zweiter Mangel ist, daß im Armenrechtsverfahren der armen Partei der Anwalt beigeordnet wird.
Ein dritter Mangel ist, daß die Partei, die im Armenrecht ihren Prozeß führt, einen Anwalt zwingend nur erhält, wenn Anwaltszwang besteht, also bei den Amtsgerichten im allgemeinen nicht, auch dann nicht, wenn die andere Partei durch einen Anwalt vertreten ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das stimmt nicht! — Das ist nicht mehr Praxis!)

— Entschuldigung, meine Herren von der Opposition, ich freue mich darüber, daß wir hier schon in die Ausschußberatungen eintreten: Nach dem geltenden Recht besteht kein Zwang, in diesen Fällen beizuordnen. Es kann beigeordnet werden,

(Zuruf von der CDU/CSU: Eben!) aber es muß nicht beigeordnet werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist aber die Praxis!)

Dies bezeichne ich als Mangel, weil dadurch die Chancengleichheit beeinträchtigt wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollten einmal mit den Richtern sprechen!)

— Ich spreche sehr viel mit den Richtern, und gerade das, was ich Ihnen hier mitteile, verdanke ich nicht zuletzt diesen Unterhaltungen mit den Richtern. Offenbar sprechen wir mit verschiedenen, was aber wegen der landsmannschaftlichen Distanz auch kein Wunder ist.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Nur mit bayerischen!)

— Ja, ich weiß, Herr Jenninger, das Gespräch mit Bayern hat so seine Probleme, nicht nur dann, wenn es um Richter geht; wir verstehen uns.

(Beifall bei der SPD)

Ein vierter Mangel unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit ist die Tatsache, daß der einer armen Partei beigeordnete Anwalt die vollen Gebühren nur bis zu einem Streitwert von 3 200 DM bekommt, darüber hinaus erhält er bis zu 20 000 DM nur verminderte Gebühren, und von einem Streitwert von 20 000 DM an bleiben die Gebühren stehen. Dies ist zumindest für die subjektive Situation der Partei, die ihren Prozeß im Armenrecht führt, eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit, weil die Meinung, daß das Maß des Einsatzes auch von der Höhe der Gebühren abhängt, selbstverständlich — und aus Gründen, die man zum Teil verstehen kann —, in der Bevölkerung weit verbreitet ist.
Der vorliegende Regierungsentwurf soll diesen Mängeln abhelfen. Zunächst einmal sieht er eine Regelung vor, wonach der Eckwert für die volle Kostenbefreiung bei etwa 850 DM liegen und sich in Zukunft der weiteren Entwicklung der Sozialhilferichtsätze anpassen wird.
Zum zweiten sieht der Entwurf eine Regelung vor — ich halte sie für sein Kernstück —, die die Kostenbarriere nicht nur für diejenigen, die unter-
halb der von mir genannten Eckwerte liegen, beseitigt, sondern auch für diejenigen, die im unteren und mittleren Bereich der mittleren Einkommen liegen. Für diesen Personenkreis ist der Entschluß, ob man sich auf einen Prozeß einläßt oder einen Prozeß führt, oft dadurch beeinträchtigt, daß sich schon bei Streitwerten von 5 000, 8 000 oder 10 000 DM Kosten ergeben, die für diesen Personenkreis zwar nicht die Unterschreitung der Grenze des notwendigsten Lebensunterhalts, aber eine ganz empfindliche Absenkung ihres Lebensstandards bedeuten.
Der Entwurf trägt dieser Situation dadurch Rechnung, daß ein Ratensystem eingeführt wird. In Beziehung zu dem jeweiligen Einkommen werden feste Monatsraten ausgewiesen, die zur Deckung der Prozeßkosten zu leisten sind. Außerdem soll dieses Ratensystem auf höchstens 48 Monatsraten begrenzt werden.
Die dritte Verbesserung besteht darin, daß auch der Partei, die ihre Kosten nicht selber oder nicht voll selber bezahlt, die freie Wahl des Anwalts zugestanden wird, also nicht mehr das Beiordnungsverfahren Platz greift.
Eine weitere Verbesserung besteht darin, daß immer dann, wenn die Gegenpartei durch einen Anwalt vertreten ist, auch die Partei, die Kostenbefreiung erhält, einen Anwalt bekommen kann, wählen kann.
Schließlich soll auch die Disparität auf dem Sektor der Gebühren für die Anwälte in diesen Verfahren zumindest gemildert werden: bis 5 600 DM Streitwert volle Gebühr, bis 50 000 DM ermäßigte Gebühren, und erst ab 50 000 DM soll die Gebühr stehenbleiben. Die Parität wird dadurch ganz wesentlich verbessert.
Schließlich tragen wir bei dieser Gelegenheit auch einer Empfehlung des Deutschen Juristentages und übereinstimmenden Empfehlungen aus vielen Bereichen Rechnung und ersetzen den Begriff „Armenrecht" durch den dem heutigen Verständnis viel angemesseneren Begriff der Prozeßkostenhilfe. Es hat zwar lebhaftes Bedauern des bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus in einem ganz lesenswerten Aufsatz gegeben, daß der so farbige und blutvolle Ausdruck „Armenrecht" jetzt aus dem Gesetz verschwindet. Aber ich glaube, dies ist doch eine sehr in die Vergangenheit gewandte Betrachtung; sie läßt außer acht, welche subjektiven Empfindungen bei denen immer mehr Platz greifen, die auf ihren Akten, auf ihren Schriftsätzen den Begriff „Armenrecht" finden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Im Rahmen des finanziell Durchsetzbaren wer. den wir im Rechtsausschuß sicher noch über Verbesserungen oder auch über Vereinfachungen zu reden haben. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme geglaubt, daß man bei dem Ratensystem vielleicht noch die eine oder aridere Verbesserung finden kann. Seine Empfehlung ist allerdings insofern etwas widersprüchlich, als er einerseits etwas anderes herauszufinden vorschlägt als das Ratensystem, ohne selber einen Vorschlag zu machen, ar



Bundesminister Dr. Vogel
1 anderer Stelle dann aber die Ausdehnung des Ratensystems auf 72 Monate vorschlägt, was die Verwaltungsarbeit für die mit der Überwachung der Kosten betrauten Stellen der Gerichte eher noch erschweren würde. Aber wir können die Ausschußberatung nicht vorwegnehmen. Die Bundesregierung ist für alles offen, was Verbesserung, Vereinfachung bedeutet. Sie bittet nur darum, daß wir diesen Punkt, der überall als wichtig und regelungsbedürftig angesehen wird, noch in dieser Legislaturperiode zu einem Abschluß bringen und damit auch auf diesem Sektor den Schritt aus dem 19. in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts tun.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817300200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Langner.

Dr. Manfred Langner (CDU):
Rede ID: ID0817300300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe meine Zweifel, ob das ein so gewaltiger Schritt wird, Herr Justizminister, wie das aus Ihren letzten Worten zu hören war.

(Wehner [SPD]: Auf jeden Fall ein guter; gewaltig muß er ja nicht sein!)

Wir werden heute kein hartes Nein sagen; aber wenn wir zum Schluß zu diesem Entwurf ja sagen sollen, muß er noch wesentlich besser werden. Denn es kann wohl nicht richtig sein, daß die Reform jeden Lebensbereichs, hier der Rechtspflege unter dem Gesichtspunkt der Kosten, die von uns angepackt wird, zum Schluß nur zu einer Verbürokratisierung und Verkomplizierung führt.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Lieber überhaupt nicht prozessieren dürfen!)

— Das ist eine sehr weitgehende Auslegung dessen, was ich hier gesagt habe. Das ist viel zu einfach. Vielleicht hören Sie doch etwas weiter zu; dann kommen wir uns vielleicht näher.
Dieser Vorwurf der bürokratischen Kompliziertheit ist nicht etwa oppositionelle Pflichtübung. Wie wäre das in diesem Punkt einmütige Bundesratsvotum

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

sonst zu verstehen, daß dieses Gesetz erst in größerem zeitlichen Abstand von der Verkündung in Kraft treten soll. Zur Begründung führt er aus, es komme eine erhebliche Vorbereitungslast im Kosten- und Kassenwesen auf die Gerichte zu und — man höre und staune — die Familiengerichte, die bekanntermaßen am meisten mit Armenrecht zu tun haben, sollten erst in einem größeren zeitlichen Abstand zur Eherechtsreform mit dem neuen Gesetz belastet werden. Nach einmütiger Auffassung des Bundesrats würde das vorliegende Gesetz also zu einer Belastung und erheblicher Umstellungsarbeit führen.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Vor allem Belastung!)

Von einer solchen Inkrafttretensverschiebung halte ich nicht sehr viel. Überhaupt zeichnet sich die Bundesratsstellungnahme nicht durch großen Einfallsreichtum aus. Ich meine, wir sollten besser die Zeit nutzen, um aus diesem Entwurf, mit den in a, b und c unterteilten Paragraphen noch ein anständiges Gesetz zu machen,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

das einfach und klar verständlich ist, das angewandt werden kann, ohne neue Probleme zu schaffen, und das größere Chancengerechtigkeit nicht mit dem Preis der Vermehrung von Formularen, Verwaltungswegen und am Ende einer noch spitzfindigeren Kommentarliteratur erkauft. Ich habe da schon eine Vorstellung von den Loseblattsammlungen, die etwa zur Einkommensermittlung, Einkommensfindung oder Einkommensherunterspielung herauskommen könnten. Wenn wir hier etwas reformieren, also erneuern und verbessern, wollen, dann müssen wir gerade das, was bisher unbefriedigend war, ins Visier nehmen, und dann müssen unsere Lösungen nachweisbar besser sein.
Was war also am geltenden Armenrecht der ZPO unzulänglich? Es besteht Einverständnis darüber, daß die Terminologie unzulänglich ist, Prozeßkosten- oder Verfahrenshilfe ist für die justizförmige Sozialhilfe, die auch das alte Armenrecht darstellt, ein besserer Begriff. Der Begriff der Armut, die Bewilligungsvoraussetzungen, die einerseits recht starre, andererseits aber nirgends verbindlich und allgemein festgelegte Einkommensgrenze, die Bewilligung und Ablehnung scheidet, werden im übrigen nicht erst seit gestern in der Theorie und in der Praxis als Hauptmängel des geltenden Rechts empfungen.
Dabei muß man nach meiner Auffassung dem geltenden Recht durchaus zugestehen, daß es eine ganz klare Vorstellung vom Sinn und Zweck der Bewilligung hatte: Prozeßkosten dürfen und sollen nicht den notwendigen Unterhalt einer Partei oder ihrer Familie beeinträchtigen.
Vereinfachend kann man sagen: Prozeßführung ist Privatsache und privates Risiko. Durch die Bereitstellung der Gerichte zur Streitentscheidung leistet der Staat ohnehin einen erheblichen Sockelbeitrag zu den Kosten des Prozessierens. Nur dem — und dem allerdings —, dessen Unterhalt durch Prozeßkosten beeinträchtigt würde, soll geholfen werden. Denn er soll seiner Chance, sein Recht zu suchen, natürlich nicht beraubt werden. Es ist ja bekannt: Wer sich zu den Gerichten begibt, begibt sich in Gottes Hand.

(Dr. Schöfberger [SPD] : Ja!)

Der richtige und der bleibende Sinn dieser Regelung ist klar. Das Subsidiaritätsprinzip hat bisher klar geschieden, was des Staates und was des Privaten ist. Ich meine, jede neue Lösung muß ebenfalls davon ausgehen, daß es bei Prozeßkosten weder einen Nulltarif noch etwa einen staatlichen Rechtsbeistand, weder Pflichtrechtsschutzversicherung noch generelle Streitwertherabsetzung für ärmere Parteien geben darf. Auch sollte nach unserer Auffassung niemand den Ehrgeiz entwickeln, möglichst viele Menschen dadurch glücklich zu machen, daß er sie durch staatliche Bewilligungsentscheidugen jagt.



Dr. Langner
Nein, die staatliche Prozeßkostenhilfe hat den einzigen Sinn, den Kostenpunkt beim Prozeß nicht zu der Barriere werden zu lassen, an der einzig und allein sich die Frage entscheidet, ob man den Versuch, sein Recht bei Gericht zu suchen, wagen kann. Dabei muß der Kostenpunkt nach seiner Funktion natürlich eine Schranke bleiben, die unsinnige Prozesse verhindert und die Kosten insgesamt in Grenzen hält. Er darf eben nur nicht zu einer unüberwindbaren Barriere werden.
Die Entwicklung der Kosten für bestimmte Prozesse macht hier in der Tat das Prozessieren zum Problem. Dabei wird gar nicht verkannt, daß die Anwälte bei den heutigen Bürokosten diese Gebühren brauchen und daß die Gebühren der Gerichte ohnehin nur einen kleinen Teil ihrer tatsächlichen Kosten decken. Wenn man bedenkt, daß bei einem Streitwert von 3 000 DM die Kosten zweier Instanzen beinahe 3 000 DM ausmachen, bei einem Streitwert von 5 000 DM weit über 4 000 DM und bei einem Streitwert von 10 000 DM annähernd 8 000, DM, bekommt man eine Vorstellung, wie teuer das Prozessieren ist und daß sich hier auch für Bezieher mittlerer Einkommen Probleme ergeben.
Die entscheidende Frage ist: Wem muß und kann wie geholfen werden? Die Antwort des Regierungsentwurfs lautet: „Einer Partei wird ... entsprechend ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen" — das ist die ganze Legaldefinition! —„ ... Prozeßkostenhilfe bewilligt". Dies soll nach Maßgabe einer Tabelle geschehen. Auf diese Tabelle komme ich gleich.
Kann man sich überhaupt eine unpräzisere Umschreibung als „die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer Partei" in einem Gesetz vorstellen? Wir fragen: Nach welchem Leitbild soll hier denn Prozeßkostenhilfe gewährt werden? Wie muß der Grundgedanke lauten, an dem sich die Einzelregelungen ausrichten? Ich weiß: Nachdem man von dem klaren Kriterium der Unterhaltsbeeinträchtigung abgegangen ist, wird es schwerer, den Gesetzeszweck präzis zu definieren. Aber es darf doch nicht wahr sein, daß hier Schwammiges und eine Tabelle genügen sollen. So können wir keine Gesetze machen.
Die Prozeßkostenhilfe als Abwehr einer nicht tragbaren Belastung für das Familieneinkommen muß in ihrer Zielsetzung und ihrem Zweck klar definiert werden. Das ist die Aufgabe der Regierung und ihres Apparats. Der Bundesrat mag dabei helfen.
Nun zur Tabelle. Als Orientierungshilfe folgt sie auch nach unserer Aufassung einem richtigen Grundgedanken.. Die Berücksichtigung der Belastung durch Unterhaltspflichten ist richtig, im übrigen auch nichts Neues. Daß eine Partei, der Prozeßkostenhilfe gewährt wird, diese in Monatsraten zurückzuzahlen hat, daß sich die Partei also an den Kosten beteiligt, ist sicher eine sinnvolle Rechtsfortbildung. Auch daß völlig kostenfrei bleibt, wer nur Geringes über dem Existenzminimum zur Verfügung hat, ist richtig und entspricht im übrigen heutigem Recht. Für diesen Personenkreis tritt allerdings eine Begünstigung durch den Wegfall der Nachzahlungspflicht ein.
Ein entscheidendes Problem scheint mir in folgendem zu liegen: Denkt man nun die Tabellenlösung wirtschaftlich zu Ende, so ist sie doch eigentlich nichts anderes als eine staatliche zinslose Kreditierung der Gerichtskosten und eine Vorlage der Anwaltskosten für eine Mehrzahl der Fälle. Nach unserer Auffassung darf und soll derjenige nicht berechtigt sein, diesen Weg der Prozeßkosten zu gehen, der selbst Eigenvorsorge treffen kann. Dazu gehört — das versteht sich von selbst, war auch immer so und ist im Entwurf so vorgesehen — derjenige, der zwar geringes Einkommen, aber Vermögen hat. Auch wer eine Rechtsschutzversicherung hat, fällt nicht unter die Prozeßkostenhilfe. Wir meinen, auch wer kreditfähig ist, sollte nicht hierunter fallen.
Das größte Problem sehe ich in der nach oben hin offenen Tabelle.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817300400
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Dr. Manfred Langner (CDU):
Rede ID: ID0817300500
Ja, ich werde zum Ende kommen, Herr Präsident.
Dadurch kommt nämlich eine viel zu große Zahl von Berechtigten in dieses System hinein, auch von Besserverdienenden, die selbst Vorsorge treffen können und die letztlich keinen anderen Vorteil haben als die Zinsersparnis. Ich meine, daß dies nicht der Sinn einer Reform des Armenrechtes, einer Umgestaltung zur Prozeßkostenhilfe sein kann.
Ich muß zum Ende kommen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817300600
Herr Abgeordneter, Sie müssen nicht zum Ende kommen, Sie sind zu Ende. Tut mir leid.

(Heiterkeit)


Dr. Manfred Langner (CDU):
Rede ID: ID0817300700
Es wären noch einige wichtige Fragen anzusprechen. Dies werden wir dann im Ausschuß nachzuholen haben.
Ich danke, Herr Präsident, für Ihre Nachsicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817300800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schöfberger.

Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0817300900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Langner, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede recht flapsig gesagt, man dürfe nicht jedes Feld regeln wollen. Ich kenne Ihren Erfahrungshintergrund nicht. Aber aus diesen Worten entnehme ich, daß Sie nicht in einer Arbeiterwohnküche groß geworden sind

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

und daß Sie es jedenfalls nicht am eigenen Leibe
verspürt haben, wies es ist, wenn man Gerechtig-



Dr. Schöfberger
keit sucht und sich die Suche nach der Gerechtigkeit nicht leisten kann, weil man das Kostenrisiko überhaupt nicht überblickt.

(Beifall bei der SPD)

Der Gesetzentwurf ist in der Regierungserklärung angekündigt. Wie Sozialdemokraten begrüßen seine Einbringung. Für uns ist dies eine der wichtigsten rechtspolitischen Reformen dieser Legislaturperiode. Im sozialen Rechtsstaat ist es unerträglich, wenn Bürger, die nicht zahlen können, aus der Rechtspflege und damit aus der Gerechtigkeit abgedrängt werden oder wenn ihnen auch nur der Zugang zur Rechtspflege so erschwert wird, daß dies in der Praxis einem Ausschluß aus der Gerechtigkeit gleichkommt. Für uns ist es Aufgabe des modernen Sozialstaates, menschliche Grundbedürfnisse in der Form der Teilhabe an Gemeinschaftsgütern und -einrichtungen weitgehend einkommens- und vermögensunabhängig zu machen. Dies gilt für die Gesundheitseinrichtungen, Bildungseinrichtungen, den Naturgenuß, ebenso wie ganz sicher auch für den Bereich der Rechtspflege, für den Zugang zu den Rechtspflegeeinrichtungen. Das bisherige Armenrecht hat nicht nur die Kostenbarriere nicht abgebaut, sondern allein durch den diskriminierenden Ausdruck, durch ein umständliches Prüfverfahren, durch Beiordnung von Rechtsreferendaren, die man dann als „Lehrbuben" bezeichnet hat, oftmals eine weitere sozialpsychologische Schwelle aufgebaut. Wir alle wissen, daß recht haben und recht bekommen zweierlei ist. Die Gleichheit im materiellen Recht nützt den Leuten wenig, wenn die Chancen, dieses materielle Recht zu erstreiten, höchst unterschiedlich,

(Sehr richtig! bei der SPD)

d. h. einkommens- und vermögensabhängig sind. Es geht also um Chancengleichheit beim Zugang zum Recht. Wir haben gar nichts dagegen, wenn Sie das nach Ihrer Terminologie „Chancengerechtigkeit" nennen.
Diese neue rechtspolitische Architektur hat zwei Säulen: das Beratungshilfegesetz und das Prozeßkostenhilfegesetz; ich würde nach meinem Geschmack gerne noch eine dritte hinzufügen: die Reform des Rechtsberatungsmißbrauchsgesetzes aus dem Jahre 1935. Vielleicht sollten wir uns in den Ausschußberatungen auch damit beschäftigen.
Das bisherige Armenrecht hat drei grundlegende Schwächen, von denen z. T. schon gesprochen wurde. Viele Leute meinen ja, das Armenrecht würde von Kosten befreien. Richtig ist, daß die Kosten nach der geltenden Zivilprozeßordnung nur vorläufig gestundet werden, daß nur einstweilig befreit wird. Wenn ein Prozeß ganz oder teilweise verloren wird, sind dem gegnerischen Anwalt die Kosten voll zu erstatten, wie auch die Gerichtskosten und der eigene Anwalt — wenn auch mit niedrigeren Sätzen — zu bezahlen waren. Den einkommenschwachen Bürger trifft im Falle des Prozeßverlustes also nahezu die volle Kostenlast.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Nicht nur den, sondern alle!)

— Alle, die anderen auch, selbstverständlich. Nur: die können es sich leisten; das ist der Unterschied.
Die zweite Schwäche ist das umständliche Armenrechtsgesuch, dem ein Armutszeugnis beizufügen ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch jetzt viel umständlicher!)

Leider räumt der Entwurf — das sage ich kritisch — damit nicht auf,

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Im Gegenteil!)

obwohl wir wissen, daß mittlerweile aus dem

(Zuruf von der CDU/CSU: Steuererklärungsartig wird das!)

ganzen Armenrecht ein Armutzeugnis für den sozialen Rechtsstaat selbst geworden ist.
Das dritte ist das umständliche Prüfungsverfahren. Hier findet quasi ein Vorprozeß statt. Zwar werden in der Praxis nur 7% der Armenrechtsgesuche abgelehnt, jedoch würde es meiner Ansicht nach ausreichen, wenn man den Ablehnungsgrund des mutwilligen Prozessierens vorsehen würde. Auf „hinreichende Ausischt auf Erfolg" könnte man auch im vorliegenden Entwurf verzichten.
Noch eine Bemerkung zum Prozeßkostenrisiko. Dieses Risiko ist für jemanden, der heute einen Prozeß beginnen will, ganz unabhängig von den Prozeßaussichten kaum überschaubar, denn wenn es nicht um zahlenmäßige Klagesummen geht, weiß er ja nicht einmal, wie hoch der Streitwert festgesetzt werden wird, ob man einen Beweis braucht, ob es zu einem Vergleich mit Kostenfolge kommt und ob der Gegner in die Instanz oder in die Instanzen geht. Alles dies ist bei Beginn eines Prozesses nicht absehbar.
Wenn es in der zweiten Instanz nach Beweis zu einem Vergleich kommt, betragen die Prozeßkosten bei einem Streitwert von 1 000 DM 1 200 DM; das sind 120 °/o der Klagesumme. Klagt man jedoch 1 Million DM ein, betragen die Prozeßkosten nach demselben Verfahrensgang 120 000 DM; das sind 12 °/o der Klagesumme. Das heißt: für denjenigen, der i Million DM zu erstreiten hat — und wer hat dies schon? — sind die Prozeßkostenrisiken sehr viel überschaubarer, und 12 % der Klagesumme wird man sehr viel leichter riskieren als 120 °/o der Klagesumme.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: In jeder Sache appellieren Sie an den Neidkomplex und an den Klassenkampf! — Wehner [SPD] : Das hat doch nichts mit Neidkomplex zu tun, Herr!)

Ich stelle also fest, daß, das Prozeßkostenrisiko für Prozesse der kleinen Leute 120 % beträgt, das Prozeßkostenrisiko ab dem Millionenprozeß — das ist die höchste Gerichtskostenstufe, die es gibt; darüber geht es nicht hinaus — nur 12 % beträgt.



Dr. Schöfberger
Wenn Sie das nicht stört, ist das Ihre Sache. Mich hat das immer gestört.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Und das unter zehn Jahren SPD-Regierung!)

Ich bin deshalb froh, wenn durch den neuen Gesetzentwurf eine Höchstgrenze bei 48 Monatsraten eingezogen wird, weil diese Höchstgrenze das Risiko überschaubarer macht.
Wir sind auch dafür, daß mit dem Anwaltsmodell gearbeitet wird. Vor allem sind wir dafür, daß es eine freie Anwaltswahl geben soll; nicht nur wegen der Belange des freien Berufs, sondern auch weil wir wollen, daß die Chancen des einkommenschwachen Rechtsuchenden tendenziell den Chancen eines anderen Rechtsuchenden angenähert werden. Und der andere hat eben eine freie Anwaltswahl.
Das alles ist für uns kein Ausdruck einer mildtätigen Armenfürsorge, wie sie im bisherigen Armenrecht immer noch zum Durchschein kommt, vielmehr wollen wir einen Rechtsanspruch nach dem Grundsatz der modernen Sozialhilfe.
Es gibt auch rechtspolitische Alternativen zu erwägen, z. B. die kostenlose Rechtspflege. Es war eine alte sozialdemokratische Forderung — im Gothaer, Eisenacher und Heidelberger Programm —, die kostenlose Rechtspflege vorzusehen. Wir wissen, aber auch, wer die Gerichte vorwiegend in Anspruch nimmt. Wir wissen deshalb, daß bei einer kostenlose Rechtspflege alle Bürger über die Steuerlast die Prozeßlust und die hohen Streitwerte weniger finanzieren würden.
Auch die Frage der Pflichtrechtsschutzversicherung könnte, glaube ich, zu den Akten gelegt werden.
Der bayerische Kultusminister Hans Maier hat unter der Überschrift „Adieu Armenrecht" darüber lamentiert, daß unsere Sprache um ein plastisches Wort ärmer werde. So wie ich ihn aus nächster Nähe kenne, ist Herr Maier ja nicht ein philologischer Geschmäckler, der sich nur für den Erhalt einer kraftvollen Sprache einsetzen möchte. Er ist im Bildungsbereich als Dreiklassenkämpfer bekannt und hat halt nun einmal einen Ausflug in die Rechtspolitik gemacht. Er meint, es müsse beim Zugang zum Recht auch Arme, Wohlhabende und Reiche geben, damit die heile Welt ihre angebliche
gottgewollte Ordnung behält.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Hört! Hört!)

Wir Sozialdemokraten werden ihn enttäuschen müssen. Wir werden nicht nur mit dem Begriff „Armenrecht" aufräumen und diesen durch „Prozeßkostenhilfe" ersetzen, sondern wir werden auch die Inhalte ändern. Es hat lange genug gedauert, bis auf diesem wichtigen Feld der soziale Rechtsstaat des Grundgesetzes seinen Einzug hält.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817301000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0817301100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich halte es für etwas gewagt, Herr Schöfberger, daß Sie den Zugang zu den Schönheiten der Natur mit dem Zugang zum Prozeß verglichen haben. Ich glaube, so sehen die Leute das nicht. Selbst wenn es ihnen kostenmäßig etwas erleichtert wird, werden sie sich vernünftigerweise lieber in der Natur bewegen als in den Gerichtssälen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist ja doch immer etwas mißlich, in einen Prozeß verwickelt zu werden.
Ihre Anmerkungen zur kostenlosen Prozeßführung sollten Sie übrigens einmal in sozialpolitischen Kreisen Ihrer Fraktion verbreiten; denn die Kostenexplosion, die wir in den Bereichen schon haben, zu denen der absolut kostenfreie Zugang gegeben ist, bekämen wir mit Sicherheit auch in der Justiz, wie Sie das eben sehr zutreffend dargestellt haben.
Ich finde es nicht schön, Herr Langner, daß Sie hingehen und an einer Sache herumnölen, die so viele deutliche Merkmale der Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand aufweist, und sich auf die Einzelheiten kaprizieren, die wir im Ausschuß in dem einen oder anderen Punkt gern besprechen können.

(Dr. Langner [CDU/CSU] : Der Teufel steckt im Detail!)

Sie sollten stattdessen würdigen, daß das Justizministerium im Kern der Sache einen Entwurf vorgelegt hat, der gleich mit mehreren offenen Mißständen gründlich aufräumt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Bei der Abschaffung des Begriffs „Armenrecht" handelt es sich ausnahmsweise nicht um eine Sprachkosmetik überflüssiger, beflissener und zum Teil fast alberner Art. Die Wortbildung „Azubis" hätten wir uns schenken und stattdessen beim „Lehrling" bleiben können. Aber vom Armenrecht zu sprechen, wenn es sich um den Zugang zum Recht in Fällen handelt, die meistens für die sogenannten Armen existenzberührender sind als für diejenigen, die „auch diese Gelegenheit noch geklärt haben wollen und dann einmal sehen, wie es ausgeht", das finde ich allerdings sehr verfehlt. Darum bin ich hier einmal — ich möchte ausdrücklich sagen: ausnahmsweise — für die sogenannte Sprachkosmetik. Das ist hier etwas anderes. Das geht an den Kern der Sache, und deshalb — nachdem das Armutszeugnis in der Sprache schon sprichwörtlich geworden ist — bin ich auch sehr dafür, daß das hier verschwindet. Die Einzelheiten der Erteilung können wir im Ausschuß noch besprechen.

(Zuruf des Abg. Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU])

Zu diesem Zugang zum Recht gehört etwas, was man hier auch einmal ansprechen sollte, obwohl das dann dem einen oder anderen als eine standespolitische Interessenvertretung vorkommen könnte:



Kleinert
Es ist hier auch vieles auf dem Rücken der Advokaten ausgetragen worden. Mit schöner Selbstverständlichkeit sind die Länderfinanzminister hergegangen und haben sich gegen jede Veränderung der Prozeßkostenhilfe oder des Armenrechts hergebrachter Prägung gewehrt, weil sie gesagt haben: Die Anwälte tun das ja alles zu den ermäßigten Sätzen; auf die Weise kommen die Leute zu ihrem Recht, und wir haben im öffentlichen Haushalt nichts damit zu tun. Daß man eine Berufsgruppe in dieser Weise nachhaltig und immer wieder belastet, um die sozialen Verpflichtungen des Staates wahrzunehmen, das ist einfach nicht richtig. Man muß einmal zu einer gewissen Kostenehrlichkeit auch in diesem Bereich kommen. Daß das hier geschieht, ist gut, und daß das in dem Bereich geschieht, der die Masse der kleinen und mittleren Anwaltspraxen betrifft — nämlich bei den hier vorgesehenen Streitwerten bis etwa 6 500 DM die Gleichstellung herbeizuführen —, ist auch richtig. Denn bei den großen Werten, die dann meist auch die großen Praxen betreffen, sind soziale Mißstände zweifellos nicht zu erblicken. Das kann man hier durchaus auch einmal sagen. Bei den kleinen Praxen aber war das eine Belastung, die der Staat auf eine Berufsgruppe abgewälzt hat, von der im Grunde nicht so leicht einzusehen ist, warum ausgerechnet sie das tragen soll. Das ist hier in einer beispielhaften Weise geschehen, indem nämlich unten gründlich und oben fast gar nicht geändert wird. Das finde ich an diesem Entwurf so bemerkenswert gut. Das ist einfach eine gescheite Lösung eines lange schon schwelenden bis schwärenden Problems.
Es ist eben nicht, wie ich eben sagte, anwaltliche Interessenvertretung, sondern es ist ja der Zugang, von dem Herr Schöfberger auch schon gesprochen hat. Es geht darum, daß man als gleich gern Gesehener dahin kommt, wo man sein Recht sucht, und daß der Anwalt nicht sagt: Jetzt kommt der, und ich soll hier für ein Drittel der Kosten meine Stunden und meine Energie aufwenden, sondern daß der Mann wirklich genauso gern gesehen ist, wenn er kommt. Das ist das Entscheidende an dieser Veränderung,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

und das ist der Zugang zum Recht in der Praxis.
Deshalb bin ich der Meinung: Wenn hier solche wichtigen Dinge in dem Entwurf so klar und vernünftig angesprochen sind, dann sollten wir erst einmal dem Bundesjustizminister sehr herzlich dafür danken, daß er das getan hat,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

und dann sollten Ihre Freunde in den Ländern nicht nur auf der Seite der Justizminister, sondern auch auf der Seite der Finanzminister zu gegebener Zeit versuchen, diesem Entwurf zum Durchbruch zu verhelfen.
Über ein paar Kleinigkeiten der Gesetzestechnik wollen wir uns im Ausschuß unterhalten, aber wir sollten hier nicht an einer Sache herumnölen, die in Wirklichkeit sehr vernünftig ist und für die wir Freien Demokraten jedenfalls sehr dankbar sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817301200
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 8/3068 an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend — sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß vor.
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Todenhöfer, Dr. Marx, Höffkes, Dr. Köhler (Wolfsburg), Kunz (Berlin), Dr. Hüsch, Frau Fischer, Dr. Hoffacker, Werner, Amrehn, Klein (München), Graf Huyn und der Fraktion der CDU/CSU
Vietnamflüchtlinge
— Drucksache 8/3042 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Werner.

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0817301300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über 700 000 Menschen haben in den vergangenen 12 Monaten die Sozialistische Republik Vietnam erzwungenermaßen verlassen oder sind brutal vertrieben worden. Etwa 200 000 Menschen sind auf der Flucht umgekommen, ertrunken oder verhungert. 500 000 Flüchtlinge sitzen unter entwürdigenden Umständen zusammengepfercht in den Auffanglagern Südostasiens. Sie leben dort zu einem durchschnittlichen Tagessatz von etwa 36 Pfennig.
Diese Flüchtlinge warten auf unsere Hilfe, die Hilfe der freien Welt. Die UN-Organisationen und die Staaten der freien Welt helfen, während die politischen Schutzpatrone Vietnams, die kommunistischen Staaten, bisher im wahrsten Sinne des Wortes untätig zusehen, wie Menschen verhungern und ertrinken.
Für diesen Exodus aus Vietnam gibt es sicherlich mehrere Gründe, die jedoch alle die Sozialistische Republik Vietnam zu verantworten hat. Großmachtträume verleiten das Regime zu einer Politik der Destabilisierung Südostasiens, gegen die sich gerade die benachbarten Staaten in diesem Raum erbittert wehren, und die zu den Invasionen in Laos und Kambodscha wie zu dem chinesischer Grenzkrieg führte. Dadurch wurde die durch den



Werner
zwanzigjährigen Krieg zerrüttete Volkswirtschaft Vietnams total zugrunde gerichtet.
Seitdem der Bruch des Waffenstillstands zur Herrschaft der Kommunisten in ganz Vietnam ge- führt hat, wurden auch in Südvietnam alle bestehenden Strukturen kurzerhand zerschlagen. Wer dem früheren Regime gedient hatte, verschwand in Konzentrations- und Umerziehungslagern. Familien wurden und werden entwurzelt. Eine militante, antireligiöse Ideologie wurde und wird den Menschen aufgezwungen.
Die im indochinesisch-südostasiatischen Raum latenten ethnischen Spannungen wurden und werden von dem Regime in Vietnam gezielt benützt, um von dem eigenen Versagen abzulenken. Denn mit der kommunistischen Herrschaft in ganz Vietnam sollten ja angeblich Frieden und Wohlstand in dieses Land einkehren.
So wurden die in Vietnam lebenden Chinesen zu den Prügelknaben für das Peking-feindliche Regime gemacht, das bisher keinerlei Positivposten aufzuweisen vermag. Vietnam ließ die Fliehenden gerne ziehen und half durch gewaltsame Vertreibungsmaßnahmen nach, nicht zuletzt um sich an dem Eigentum der Flüchtlinge und Vertriebenen zu bereichern.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Nach bekanntem Vorbild!)

Ich betone es noch einmal: Vietnam ist der Schuldige für diesen Exodus und sonst niemand.
Die CDU/CSU glaubt, daß auch die deutsche Politik aus diesen Vorgängen die notwendigen Konsequenzen ziehen muß. Wir fordern daher in der Ihnen vorliegenden Drucksache 8/3042 die Bundesregierung auf,
1. die Vietnam zugesagten Mittel zugunsten der Flüchtlinge umzuwidmen,
2. die UdSSR zur Einflußnahme in Vietnam zugunsten der Beendigung der Vertreibung zu veranlassen,
3. eine Debatte über diese vietnamesische Politik in der Vollversammlung der Vereinten Nationen durchzusetzen,
4. ein Einfrieren der EG-Hilfen an Vietnam zu erreichen und
5. mehr Flüchtlinge in der Bundesrepublik aufzunehmen und das Aufnahmeverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch heute wird die Koalition, wird die Bundesregierung, erklären, das alles sei ja nicht machbar. Zunächst wird die Feststellung erfolgen, eine Umwidmung könne nicht vorgenommen werden. Nichts jedoch steht einer Aufkündigung von Zusagen an Staaten entgegen, wenn — wie hier — wichtige Gründe dafür sprechen. § 45 der Bundeshaushaltsordnung steht einem Ansatz in Höhe der diskutierten 89 Millionen DM in einem Nachtragshaushalt oder einer Umschichtung nach § 38 der Bundeshaushaltsordnung in keinerlei Weise im
Wege. Man muß dazu nur den guten Willen haben, meine Damen und Herren. Gegebene Zusagen lassen sich widerrufen, wenn die Geschäftsgrundlage und die Voraussetzungen geändert worden sind.
Dies und das gleichzeitige Bereitstellen der diskutierten Summe als humanitäre Hilfe für die Vertriebenen und deren Aufnahmeländer wären ein Akt echter Humanität! Niemand würde es verstehen, wenn den Vertreibern weiterhin Summen in Aussicht gestellt würden — wie dies indirekt zuletzt Bundesminister Offergeld in der „Bunten Illustrierten" tat —, die die Opfer und die Staatenwelt nur als Draufgabe nach der Vertreibung ansehen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Doch genau dies, meine Damen und Herren, tat und tut der Herr Bundeskanzler. Einseitig verwenden der Herr Bundeskanzler, der Herr Bundesfinanzminister und die übrigen Minister der Regierung die Formulierung, „unter den gegenwärtigen Umständen" wolle man das Geld für Vietnam nicht bereitstellen. Das heißt doch im Klartext, daß die Zusagen dann eingelöst werden können, wenn die Vertreibung beendet und eine Regelung betreffs der Berlin-Klausel und der Altschulden vereinbart werden konnte.
Die Bundesregierung will also flexibel bleiben und wird gerade dadurch und damit unglaubwürdig für die Flüchtlinge, für die ASEAN-Staaten und auch für den deutschen Steuerzahler.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Warum, so fragen wir, hat die Bundesregierung nicht den Mut, zu sagen, daß Vietnam die Voraussetzungen der Zusagen von 1973 und 1974 beseitigt hat, daß sich die Frage der Verbindlichkeit für sie heute gar nicht stellt? Durch die Aufrechterhaltung einstiger Zusagen und durch die Wortwahl „unter den gegenwärtigen Umständen" signalisiert die Bundesregierung der Republik Vietnam doch geradezu, daß man die Vertreibung gleichsam nur als einen vorübergehenden politischen Betriebsunfall betrachtet.
Beifallheischend übernimmt der Bundeskanzler zugleich die Forderung der CDU/CSU, man müsse den Vertriebenen und nicht den Vertreibern helfen. Doch, meine Damen und Herren, wie gerade gezeigt, wirkt der Herr Bundeskanzler damit in keiner Weise glaubhaft.
Unser Antrag soll verhindern, daß Vietnam nach dem Exodus mit Forderungen an uns, die Bundesrepublik Deutschland, herantreten kann. Unser Antrag will aber vor allem zusätzliche Mittel für die Opfer freimachen bzw. schaffen.
Das törichte Wort von der Strafaktion gegen Vietnam verkehrt die Wirklichkeit doch vollständig. Es geht um mehr Hilfe für die Leidenden, für die Opfer. Es geht aber auch darum, der Weltöffentlichkeit zu zeigen, daß wir Deutsche die moralische Kraft aufbringen, das Unrecht der Vertreibung nicht nur beim Namen zu nennen, sondern auch unser Handeln von dieser Kraft her weltweit bestimmen zu lassen.



Werner
Dies ist der Grund, warum wir die Bundesregierung auffordern, diese Vertreibung in der UN-Vollversammlung und der UN-Menschenrechtskommission zur Sprache zu bringen. Warum tut sie denn dies nicht? Vor wem scheut sie dort zurück? Wo denn sonst will die Bundesregierung der Welt klarmachen, daß ein Staat, der innenpolitische Schwierigkeiten mit Mord und Vertreibung lösen will, gegen fundamentalste Menschenrechte verstößt und sich damit außerhalb der Staatengemeinschaft stellt?
Dies, meine Damen und Herren, ist letzten Endes die elementare Frage nach der Moral in der Politik und auch nach der Glaubhaftigkeit einer Politik. Offensichtlich fühlt sich der Herr Bundeskanzler jedoch aus außenpolitischen wie aus parteipolitischen Gründen zu dieser Politik der Doppelgleisigkeit veranlaßt.
Im Einklang mit unserem Antrag frage ich deshalb auch hier, warum die Bundesregierung es einfach hingenommen hat, von den Sowjets brüsk zurückgewiesen zu werden, als sie diese um Einwirkung auf Vietnam gebeten hatte. Die Bundesregierung muß unseres Erachtens die UdSSR unbeirrbar immer wieder auf deren Mitverantwortung für Vietnam hinweisen; und hier könnten einmal die privaten Kanäle der Spitzen der SPD auch nach Moskau hilfreich sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielleicht könne wir irgendwann einmal erfahren, was auf diesen Wegen geschehen ist und was möglich war. Es kann, meine Damen und Herren, nicht angehen, daß die UdSSR, der Schutzherr Vietnams, unbewegt und zynisch die Vertreibung registriert und nichts tut. Wo es um die Freiheit außerhalb des kommunistischen Machtbereichs geht, ist doch die Sowjetunion sonst in aller Welt lautstarker Befürworter der Unterdrückten.
Hinter der Taktik des Herrn Bundeskanzlers steht aber wohl auch erneut das Bestreben, pragmatisch und ohne Schmälerung seiner parteiinternen Position gegenüber den Linken in der SPD auftreten und bestehen zu können. Diese hatten doch dereinst Georg Leber beschimpft, als er Verständnis für den Kampf der USA in Südvietnam gezeigt hatte. Diese waren doch bei den Ho-Tschi-Minh rufenden Dauerprotestlern auf unseren Straßen dabei. Diese waren doch bei jenen, die die sozialistische Staatengründung für ganz Vietnam begrüßt hatten,

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Eppler!)

und diese fordern kurioserweise oder besser konsequenterweise doch gerade heute zur Zeit der Vertreibung mehr Geld für die Vertreiber, für die Republik Vietnam.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Schöne Moralisten!)

Da versteht man doch die Welt nicht mehr.
Sicherlich ist bisher einiges an Hilfe für die Vertriebenen in Südostasien geleistet worden. Doch auch hier muß man leider feststellen, daß die Bundesregierung viel zu spät gehandelt hat und bisher nicht in der Lage ist, eine Vielzahl bürokratischer Hemmnisse zu beseitigen. Die Bundesländer Niedersachsen und Baden-Württemberg hatten gehandelt, bevor der Bund überhaupt die Vorgänge in Indochina wahrzunehmen schien. Rasch gehandelt haben die deutschen Hilfsorganisationen; rasch gehandelt haben private Institutionen, das Vietnam-Büro, politische Organisationen wie z. B. die Junge Union und viele andere. Der Bund brauchte für ein Programm von Maßnahmen zugunsten der Vietnamflüchtlinge ganze neun Monate; und jetzt rühmt sich diese Bundesregierung der etwa 7 000 Vietnamesen, die im Land sind, und der Aufnahmequote von insgesamt 13 000 Personen, die mit den Ländern gemeinsam vereinbart wurde.
Doch, meine Damen und Herren, .die Entwicklung in Indochina, wo neue gewaltige Flüchtlingsströme, diesmal reine Vietnamesen, Kambodschaner und Laoten, unterwegs sind, wird uns alle zwingen, noch mehr Plätze zur Verfügung zu stellen. Wir rufen daher Bund und Länder auf, erneut die Quoten anzuheben und dabei die Maßnahmen der Familienzusammenführung als Sonderfall 'zu behandeln. Die Bürger unseres Landes sind noch voller Hilfsbereitschaft. Aber wenn sie sehen, daß die Behörden nicht fähig sind, die Flüchtlinge überhaupt ins Land zu bringen, dann, so ist .zu befürchten, wird diese Hilfsbereitschaft in Passivität und Resignation umschlagen. Die Behörden müssen also aktiver werden, die Aufnahme muß beschleunigt werden.
Die von den internationalen und nationalen Hilfsorganisationen in den ASEAN-Ländern verwalteten Lagern werden bald unter dem Druck dieser neuen Zuströme zusammenbrechen. Die Zehntausende wild kampierenden Flüchtlinge in Nordthailand sind noch nicht einmal erfaßt. Was wird passieren, wenn der Monsun vorüber sein wird? Daher müssen die Quoten erhöht werden, wobei Vorsorge zu tragen ist, daß es in unserem Land im Rahmen der Integrationsmaßnahmen weder zu Gettobildungen noch zu einem Zerreißen von Großfamilien kommen wird.
Lassen Sie mich im Hinblick auf Pressenotizen aus den vergangenen Tagen auch sagen, daß wir das Meditieren darüber, ob überhaupt, wie und wie lange wir Flüchtlinge aufnehmen sollen, im derzeitigen Augenblick, wo Menschen verhungern und ertrinken, für überflüssig erachten, weil es um rasche Hilfe geht. Wir können kaum von anderen verlangen, wozu wir nicht bereit sind.
Die Registrierung und Auswahl der Flüchtlinge in den Lagern zwecks Aufnahme in die Bundesrepublik kann beschleunigt werden, wenn die Botschaften der Bundesrepublik verstärkt unmittelbar in den Lagern tätig werden. Dabei wäre es auch von Bedeutung, einmal die Auswahlkriterien zu erfahren. Was geschieht denn mit den Kranken, den alten Menschen, den getrennten Familien? Notwendig sind auch zusätzlicher Transportraum für die südostasiatischen Staaten, Ärzteteams, Hilfsmittel der verschiedensten Art, um die Menschen aus den ersten Auffanglagern weiterleiten zu können.



Werner
Der Amtsschimmel wiehert laut, wenn auf Grund der deutschen Klassifizierungsvorschriften sogenannte Cargo-Schiffe nur eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen aufnehmen bzw. transportieren dürfen. Wie ein Hohn klingt es, wenn Reedereien Anweisung geben, nach Möglichkeit aus den Booten keine Flüchtlinge aufzunehmen, weil die Schiffe sonst Schwierigkeiten beim Anlanden in einzelnen Häfen oder Schwierigkeiten mit dem Ersatz von Liegegebühren und Transportkosten bekommen. Auch hier könnte die Bundesregierung sowohl finanziell als auch diplomatisch — iah denke an Singapur — tätig werden.
Die deutschen Mittel für die internationalen und nationalen Hilfsorganisationen werden gewaltig gesteigert werden müssen. Auf Grund der Genfer Konferenz für die Vietnam-Flüchtlinge sollen 260 000 Menschen außerhalb Indochinas angesiedelt werden. Auch die Bundesregierung hat sich hier zu einem Beitrag verpflichtet. Doch geschehen ist seit Abschluß der Konferenz nichts. Die Bundesregierung sieht zu, wie die UN-Gremien über Sinn oder Unsinn des Ankaufs von Inseln zwecks Ansiedlung der Flüchtlinge diskutieren. Dabei ist doch für jeden Kenner der Situation ganz klar, daß derartige Lösungen nicht durchführbar sein werden, da die ASEAN-Staaten innerpolitisch und wirtschaftlich schon jetzt mit Schwierigkeiten überbeansprucht sind.
Daher, so meinen wir, sollte die Bundesregierung mit einem Expertenteam untersuchen, wo Ansiedlungen möglich sind, und dann an die betreffenden Staaten mit dem Angebot von Ansiedlungshilfen herantreten. Doch die Bundesregierung hat sich bisher passiv verhalten. Als jüngst Argentinien wegen einer eventuellen Ansiedlungshilfe in Bonn anklopfte, wurde ihm bürokratisch beschieden, man könne nur nach Vorlage detaillierter Planungsunterlagen entscheiden. So wird man der Not nicht Herr.

(Zuruf der Abg. Frau Schlei [SPD])

— Im übrigen, Frau Schlei, empfinde ich es als töricht, daß auf der Genfer Konferenz auch die Bundesregierung dem Passus von der Eindämmung der „illegalen Ausreise" zustimmte; denn nach Berichten von Kapitänen schießen nunmehr die vietnamesischen Küstenwachboote auf die Flüchtlingsboote, deren Insassen zuvor die gewaltigen Ausreisegebühren nicht bezahlt haben. Die Küstenbehörden tun dies jetzt angeblich unter Hinweis auf den betreffenden Beschluß der Genfer Konferenz.
Wie dargelegt, werden die Kosten für die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in den südostasiatischen Staaten, aber natürlich auch für die Integration in der Bundesrepublik, gewaltig steigen. Sie lassen sich bisher insgesamt kaum abschätzen.
Dazu kommt, daß die freie Welt nicht darum herumkommen wird, einen großzügigen Plan zur Stabilisierung der ASEAN-Staaten auszuarbeiten und auch mitzufinanzieren. Da wird von uns Deutschen mit unserer doch gewaltigen Wirtschaftskraft ein entsprechender Beitrag zu alledem verlangt werden.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Unser der heutigen Diskussion zugrunde liegende Antrag ist humanitär, moralisch und politisch begründet und notwendig. Bei gutem Willen ist er auch voll realisierbar. Deshalb appelliere ich an Ihren guten Willen, meine Damen und Herren von der Koalition: Stimmen Sie diesem Antrag in den Beratungen zu.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Seien Sie versichert, daß wir unsererseits alle humanitären Maßnahmen zugunsten der Vertriebenen und Flüchtlinge, die Sie uns vorschlagen werden, mit zu tragen bereit sind; denn uns geht es um Hilfe für die Opfer der Politik Vietnams! Es geht uns um rasche und großzügige Hilfe! Wir Deutsche haben erfahren, wie andere, denen wir Unheil zugefügt hatten, uns geholfen haben. Um wieviel mehr müssen daher wir denen helfen, die uns nichts getan haben, — wenn Sie so wollen, einfach um der Mitmenschlichkeit und unseres staatlichen Selbstverständnisses willen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817301400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Oostergetelo.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID0817301500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU, über den wir hier diskutieren, hat den Titel „Vietnamflüchtlinge". Das bedeutet für mich, daß wir uns darüber zu unterhalten haben, wie man Menschen, die in akuter Not, ja, in Lebensgefahr schweben, helfen kann, Menschen nicht nur aus Vietnam. Bei der gesamten Behandlung dieses Problems sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, daß auf jeden Flüchtling aus Vietnam, der lebend von einem Schiff im Chinesischen Meer aufgegriffen wird oder den Weg bis in einen der Anrainerstaaten des Chinesischen Meeres findet, ein toter Flüchtling kommt, jemand, der den Weg nicht geschafft hat. Hunderttausende von Menschen sind gestorben, und es besteht die Gefahr, daß weitere sterben werden. Für Parteipolitik, Herr Kollege Werner, ist hier kein Platz; das überlasse ich Ihrer Verantwortlichkeit.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Das war doch keine Parteipolitik!)

Wenn also die Behandlung des vorliegenden Antrages dazu führen kann, daß wir alle zusammen die Hilfe für die Vietnamflüchtlinge und auch die Kambodschaflüchtlinge zu optimieren versuchen, hat dieser Antrag seinen Sinn und Zweck erfüllt. Namens meiner Fraktion darf ich erklären, daß wir mit dem Überweisungsvorschlag einverstanden sind, damit in den Fachgremien dieses Hauses tatsächlich das Beste und das Machbare erreicht wird, obwohl der Antrag eigentlich schon überholt ist, was ich auch begründen kann und will.

(Dr. Pinger [CDU/CSU] : Das können Sie nicht!)




Oostergetelo
Der vorliegende Antrag enthält fünf konkrete Forderungen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, bei vier dieser Vorschläge finden Sie völlige Übereinstimmung mit den Intentionen meiner Fraktion.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Einer Ihrer Vorschläge ist für uns so nicht annehmbar. Lassen Sie mich zuerst zu den Vorschlägen kommen, bei denen ich eine Übereinstimmung sehe.
Da wäre zunächst einmal Punkt 2 des Antrages — Einflußnahme auf Vietnam — zu nennen. Das, was, dort gefordert wird, ist bereits geschehen und wird laufend unternommen, was natürlich nicht bedeutet, daß die Bundesregierung nicht immer wieder versuchen sollte und versuchen muß, Vietnam zu einer Änderung seiner Politik zu bringen. Der Bundeskanzler hat auf der Durchreise zum Weltwirtschaftsgipfel Ende Juni dieses Jahres das Problem der Vietnamflüchtlinge in Moskau der sowjetischen Regierung vorgetragen. Nicht zuletzt diesem Vorgehen sowie dem verbündeter Nationen und des UNO-Generalsekretärs Waldheim kann man wohl die Tatsache zuschreiben, daß die Sowjetunion an der Flüchtlingskonferenz in Genf teilgenommen hat,

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Mit welchem Ziel?)

obwohl sie nicht Mitglied des Exekutivausschusses des Hohen Flüchtlingskommissars ist. Welche weiteren Folgen das Vorstelligwerden bei der sowjetischen Regierung hat und haben wird, vermag letztlich doch wohl niemand mit Sicherheit zu beurteilen.
In Punkt 3 des Antrages wird die Bundesregierung aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß die Europäischen Gemeinschaften und die Organisationen der multilateralen Entwicklungshilfe jede Unterstützung Vietnams so lange aussetzen, bis Vietnam eine Änderung der Politik zeigt, die zu dem Flüchtlingselend geführt hat. Auch dies ist mittlerweile geschehen. Eine Mehrheit der EG-Mitglied- Staaten hat sich dafür ausgesprochen, die EG-Nahrungsmittelhilfe für Vietnam einzustellen. Eine Änderung ist erst zu erwarten, wenn Vietnam sein Verhalten gegenüber den Flüchtlingen ändert und insbesondere seine Verpflichtungen einhält, die es in der Genfer Flüchtlingskonferenz eingegangen ist.
Ich persönlich halte allerdings die Einstellung der Nahrungsmittelhilfe für ein zweischneidiges Schwert, weil die Gefahr besteht, daß es diejenigen am meisten trifft, denen es am dreckigsten geht

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Bei Chile sind Sie dafür!)

und deren Wohl wir doch wohl alle im Auge haben. Aus humanitären Gründen muß Nahrungsmittelhilfe besonders für Kambodscha gegeben werden, um den Hunger zu beseitigen, allerdings nicht, um Armeen zu ernähren. Aber im Ernstfall, wenn es um die Rettung von Leben geht, muß auch dann
geholfen werden, wenn nicht alle Risiken auszuschließen sind.
In Punkt 4 wird die Behandlung des Flüchtlingsproblems in der UNO-Vollversammlung gefordert. Ende dieses Monats wird die 34. Ordentliche Generalversammlung der Vereinten Nationen zusammentreten. Außenminister Genscher hat seine Absicht erklärt, das Vietnam-Flüchtlingsproblem dort zur Sprache zu bringen. Zudem ist zu vermerken, daß die ASEAN-Staaten beantragt haben, eine Debatte über die Lage in Kambodscha auf die Tagesordnung der 34. Generalversammlung zu setzen. Es ist leicht möglich, daß sich daraus eine Debatte über das gesamte indochinesische Flüchtlingsproblem entwickelt. Somit wäre dem Antrag eigentlich schon Genüge getan. ,
Ich möchte aber trotzdem einige zusätzliche Worte darüber verlieren. Das Problem wurde in seiner Gesamtheit bereits auf der Genfer Flüchtlingskonferenz, die ja auch eine Veranstaltung der Vereinten Nationen war, behandelt.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Aber nicht die politische Seite des Problems!)

Wir alle kennen die Ergebnisse.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion teilt überdies nach wie vor die Meinung des Staatsministers von Dohnanyi zu diesem Problem, zu dem in der Fragestunde am 21. Juni 1979 er folgendes gesagt hat. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817301600
Herr Abgeordneter, auch heute noch einmal: Sie brauchen keine Genehmigung von mir einzuholen.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID0817301700
Danke schön. Der Staatsminister sagte:
... diejenigen, die unmittelbar mit den Flüchtlingsströmen in Indochina zu tun haben, legen begründeten Wert darauf, daß das, was dort getan werden kann, nicht unnötig politisiert wird. Sie fürchten, daß sie sonst schwerer mit den Problemen fertig werden.
In Punkt 5 des Antrages wird eine Erhöhung der Aufnahmequote für Vietnamflüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland und eine Vereinfachung des Verfahrens zur Ansiedlung gefordert. Auch diesem Anliegen wurde bereits Rechnung getragen. Gleichwohl muß ich einschränkend sagen, daß sicherlich noch mehr getan werden muß. Wir sollten uns vielleicht einmal ganz kurz in Erinnerung rufen, wie zum Zeitpunkt Ihrer Antragstellung die Bereitschaft beim Bund und bei den Ländern war. Damals waren es 5 200 Plätze, die zur Verfügung standen. Die neuesten Zahlen des Auswärtigen Amtes vom 20. September weisen dagegen über 13 000 Plätze für Flüchtlinge aus. Das ist eine Verzweieinhalbfachung in einem Zeitraum von zwei Monaten.

(Werner [CDU/CSU] : Das ist eine Vereinbarung mit den Ländern!)




Oostergetelo
— Ich komme darauf. — Ich halte das für richtig, und ich bin mit Ihnen der Meinung — wie schon ausgeführt —, daß dieses Ziel für uns noch lange nicht die Obergrenze sein kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817301800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pinger?

Dr. Winfried Pinger (CDU):
Rede ID: ID0817301900
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß von den insgesamt 13 000 Flüchtlingen immer noch 3 000 noch nicht in kürzester Zeit in die Bundesrepublik kommen können und sollen, weil die entsprechenden Vorkehrungen von der Bundesregierung nicht getroffen worden sind: im Hinblick auf Auswahlkriterien, im Hinblick auf Anweisungen an die Botschaften? Sehen Sie darin nicht einen eklatanten Widerspruch zu dem, was Sie hier vortragen, und auch zu den Erklärungen, der Bundesregierung?

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID0817302000
Herr Kollege, ich würde Sie bitten, sich besser zu informieren.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

In den letzten zwei Monaten ist in den Botschaften so viel Positives geschehen — ich komme darauf noch —, daß alle Botschaften, die ich noch angerufen habe, sich für die Personalverstärkung bedankt haben. Es stehen jetzt noch 420 offene Plätze zur Verfügung; das ist viel zuwenig. Gerade in den letzten zwei Monaten ist enorm viel geleistet worden, was Sie zur Kenntnis nehmen sollten. Mir wäre es lieber, wenn Sie sich um diese Maßnahmen wirklich kümmerten und sie nicht pauschal abwerteten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817302100
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID0817302200
Ich möchte mit meinem Vortrag vorankommen; ich gehe darauf noch weiter ein.

(Dr. Pinger [CDU/CSU] : Sie haben überhaupt keine Ahnung!)

Die Reise von sieben Mitgliedern dieses Hauses aus allen Fraktionen — ich habe daran teilgenommen — durch die Anrainerstaaten des Chinesischen Meeres hat deutlich gezeigt, daß momentan Leben nur gerettet werden kann, wenn Flüchtlinge aus den Flüchtlingslagern — z. B. hierher zu uns — übernommen werden. Darin sind wir uns einig. Eine Alternative gibt es nicht.
In diesem Moment tagt die Innenministerkonferenz. Der Bundesinnenminister wird im Namen der Bundesregierung auch vor dem von mir dargelegten Hintergrund eine Erhöhung der derzeitigen Aufnahmequote beantragen. Da einige Bundesländer bereits signalisert haben, daß sie dieser Politik zustimmen, sehe ich einem entsprechenden Beschluß der Konferenz optimistisch entgegen. Der Bundeskanzler wird im übrigen am 28. September
noch die Möglichkeit haben, mit den Ministerpräsidenten darüber zu verhandeln. Sie wissen, daß das nur im Einvernehmen mit den Ländern geht.
Im Namen der Bundestagsfraktion der SPD darf ich bei dieser Gelegenheit all denjenigen recht herzlich danken, die besonders in den letzten Monaten ihre Bereitschaft erklärt haben, bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems zu helfen. Mein Dank gilt einzelnen Bürgern und Privatvereinigungen, karitativen Vereinigungen wie , dem Deutschen Roten Kreuz, der Caritas und dem Diakonischen Werk, den Kommunen, den Ländern und der Bundesregierung.

(Pieroth [CDU/CSU] : Und der Jungen Union!)

— Ich bin nicht bereit, in dieser Frage Parteipolitik zu machen. Das überlasse ich Ihnen, Herr Kollege.
Was nun die Erleichterung der Übernahme und Ansiedlung angeht, so hat die Bundesregierung in Verbindung mit den karitativen Organisationen für eine Aufstockung des Botschaftspersonals im indochinesischen Raum gesorgt, was eine große technische Hilfe ist.

(Dr. Pinger [CDU/CSU] : Viel zu spät und viel zu wenig!)

Ich habe mir das bei den Botschaften bestätigen lassen. Alle sieben Abgeordneten waren sich einig, daß hier etwas geschehen muß. Daraufhin ist spontan geholfen worden. Hinsichtlich der Erleichterung der Ansiedlung hat die Bundesrepublik am 29. August 1979 ein Programm für ausländische Flüchtlinge vorgelegt. Ich möchte ein Dankeschön dafür sagen, daß hier Vorschläge zur besseren Koordination innerhalb unseres Landes — diese ist absolut notwendig — vorgelegt wurden.
Zwei Dinge möchte ich noch sagen, die mir in diesem Zusammenhang bemerkenswert erscheinen. Zum einen werden durch dieses Programm die sogenannten Kontingentflüchtlinge mit Asylsuchenden in der Weise rechtlich gleichgestellt, daß sie wie diese sofort soziale Sicherung erfahren und in den Genuß umfangreicher Maßnahmen kommen, die die Eingliederung erleichtern sollen. Zum zweiten schafft das Programm der Bundesregierung nicht Flüchtlinge verschiedener Klassen. Es bezieht sich ausdrücklich auf alle ausländischen Flüchtlinge, nicht nur auf diejenigen aus Indochina. Damit hat die Bundesregierung die Möglichkeit geschaffen, zukünftig den Flüchtlingen weltweit zu helfen, wo sie in akuter Not sind.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Sie müssen das Problem an der politischen Wurzel anpacken!)

Es sollte hier noch einmal ganz deutlich gesagt werden, daß das Problem der Vietnamflüchtlinge nur ein Teil des weltweiten Flüchtlingsproblems ist, das auch weltweit politisch zu lösen ist.

(Werner [CDU/CSU]: Es geht doch jetzt unmittelbar um die Lösung dieser konkreten Fälle!)




Oostergetelo
Die SPD-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß sich die Bundesrepublik Deutschland auch weltweit zu ihrer Verantwortung bekannt hat und bekennen muß.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Zur politischen Verantwortung!)

Wir können nicht verantwortungsvolle Dinge tun, die in erster Linie nur demonstrativen Charakter haben. Solche Demonstrationen, wie sie hier von der CDU/CSU gefordert werden, nützen den betroffenen Menschen nicht in einem einzigen Fall.

(Werner [CDU/CSU]: Bei Chile haben Sie aber etwas anders argumentiert!)

Bei der Behandlung des Punktes 1 will ich ganz bewußt nicht auf die Frage eingehen, ob eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht. Ich will auch nicht auf die haushaltstechnischen Schwierigkeiten oder Unmöglichkeiten eingehen, die Mittel umzupolen. Das würde der Problematik nicht gerecht.
Vietnam hat seit 1973 keine bilaterale Entwicklungshilfe aus der Bundesrepublik erhalten — das ist ein Faktum —,

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Sie haben sie aber mehrmals angeboten!)

weil eine Auszahlung an den Süden Vietnams wegen der Fortsetzung der Kriegshandlungen nicht möglich war, weil eine Auszahlung an den Norden nicht möglich war, da keine förderungswürdigen Projekte angeboten wurden, und weil das vereinigte Vietnam durch die Nichtanerkennung der Berlin-Klausel eine völkerrechtliche Einigung unmöglich macht.

(Abg. Werner [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Herr Kollege, ich komme darauf sicher noch zurück.

(Werner [CDU/CSU] : Sie wissen doch gar nicht, was ich fragen will!)

Vietnam erhält auch derzeit — lassen Sie mich das doch wenigstens vortragen, keine Entwicklungshilfe. Das wissen Sie.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Aber demnächst!)

Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung am 4. Juli 1979 ganz klar darauf hingewiesen, daß es vielmehr um die Hilfe für die Flüchtlinge geht.
Die Annahme von Punkt 1 Ihres Antrages wäre also eine Demonstration ohne jegliche Substanz.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Das Übel an der Wurzel anpacken wollen Sie nicht! — Werner [CDU/CSU] : Ein Akt der Glaubhaftigkeit!)

— Ich glaube gar nicht, Herr Todenhöfer, daß es Ihnen um die 89 Papier-Millionen geht. Ihnen geht es doch darum, innenpolitische Wirkungen zu erzielen.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Das ist doch unredlich, was Sie da sagen!)

Mit solchen politischen Kraftakten sollten wir alle bei der politischen Vergangenheit unseres Volkes sehr vorsichtig sein.

(Werner [CDU/CSU] : Was soll denn das? — Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Können Sie mir das bitte einmal erläutern?)

Die Möglichkeit der Einflußnahme sollten wir uns auf gar keinen Fall nehmen lassen, wenn wir — das wollen Sie ja wissen — heute aus den bekannten Gründen, über die wir uns ja einig sind, keine Entwicklungshilfe geben,

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Aber demnächst!)

dann bedeutet das doch nicht: auf ewige Zeiten.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Aha!)

Damit liegt die Bundesregierung übrigens auf einer Linie mit der EG. Die EG hatte für Vietnam umfangreiche Hilfe vorgesehen. Angesichts der vietnamesischen Intervention in Kambodscha und der Vertreibung Hunderttausender vietnamesischer Bürger mußte die Gewährung dieser Hilfe jedoch zurückgestellt werden. Die Entscheidung, ob Vietnam noch EG-Hilfe erhält, hängt demnach wesentlich vom Verhalten der Regierung in Hanoi ab.
Für die Entwicklungshilfe aus der Bundesrepublik gelten über die erwähnten völkerrechtlichen und die von der EG formulierten Voraussetzungen hinaus aus der Sicht der Sozialdemokraten die Leitlinien, die wir uns für die Entwicklungspolitik gesetzt haben. Ich zitiere:
Unabhängig von äußeren Formen des Regierungssystems und der außenpolitischen Orientierung der Entwicklungsländer muß sozialdemokratische Entwicklungspolitik dort ansetzen, wo Erfolge im Kampf für bessere Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung zu erwarten sind. Sozialdemokraten erwarten von den Regierungen der Entwicklungsländer, daß sie in ihrer eigenen Verantwortung die Entwicklung und Verbesserung der Lebensbedingungen der benachteiligten Bevölkerungsschichten betreiben.
Dies ist in Vietnam nicht gegeben. Darum gibt es jetzt keine Entwicklungshilfe. Hier besteht überhaupt kein Unterschied zu dem von Ihnen oft zitierten, Chile.
Ganz kurz möchte ich auch auf das eingehen, was für die Flüchtlinge in der Bundesrepublik konkret getan worden ist, ohne daß irgendwo Mittel umgeschichtet wurden, Herr Kollege.

(Werner [CDU/CSU]: Wir haben sie zusätzlich zur Verfügung gestellt!)

Die Bundesrepublik hat sich im Rahmen der EG mit zirka 30 Millionen DM an Hilfsmaßnahmen für Indochina beteiligt. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat dem hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen 5 Millionen DM für Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung gestellt. Das Auswärtige Amt hat über 23 Millionen DM für humanitäre Hilfe für Flüchtlinge aus den



Oostergetelo
Ländern des ehemaligen Indochina bereitgestellt. Ich glaube, das ist eine sehr positive Bilanz.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung den Anrainerstaaten des Chinesischen Meeres großzügige Hilfe angeboten, falls sie bereit sind, Flüchtlinge in ihren Kulturkreis, also bei sich, zu integrieren. Sie wissen genau .wie ich, daß das nicht möglich ist. Aus demselben Grund hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit auch zugesagt, Argentinien bei der Aufnahme von Flüchtlingen bilateral zu unterstützen. Natürlich muß geprüft werden — wollen Sie das etwa nicht? —, was Argentinien an Plänen vorzulegen hat.
Meine Damen und Herren, ich stelle mit allem Nachdruck fest, daß die faktischen Forderungen des Punktes 1 Ihres Antrages Realität sind, die politische Wertung und Absicht von uns aber nicht getragen werden kann.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion einerseits die Möglichkeit gibt, in den Fachausschüssen nach Möglichkeiten zu suchen, den Flüchtlingen noch besser zu helfen, andererseits, Herr Todenhöfer, gilt es, bei dieser Diskussion zu vermeiden, daß diese notwendige Hilfe für betroffene Menschen nicht zugunsten einer ideologisch gefärbten Diskussion und einer politischen Demonstration in den Hintergrund gerät. Wenn es um die Rettung von nackten Existenzen geht, um die Rettung von Menschenleben, sollten wir uns alle einig wissen. Jeder von uns hat die Möglichkeit, in seinem Bereich dafür aktiv einzutreten und um Verständnis zu werben. Dies sollte eigentlich ganz selbstverständlich sein und keiner besonderen Erwähnung bedürfen.

(Werner [CDU/CSU] : Da haben Sie nicht zugehört!)

Es gibt ein altes Wort: „Gehe hin und tue desgleichen."

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0817302300
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0817302400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Thema eignet sich am allerwenigsten, um Konflikte in dieses Haus zu tragen. Insofern bedaure ich außerordentlich die Diktion des Antrages der Opposition. Hier soll der Eindruck erweckt werden, als ob die Bundesregierung trotz des Flüchtlingselends im Augenblick für Vietnam eine Hilfe unternimmt oder ins Auge faßt.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Ins Auge faßt!)

Die Opposition fordert die Bundesregierung auf, sofort die haushaltsmäßigen Voraussetzungen zu schaffen. Ich habe immer gedacht, dies sei das oberste Recht und die Pflicht dieses Parlaments. Insofern mutet es mich sehr seltsam an, daß man zu dieser Verkehrung der Gewalten kommt. Wir befinden uns mitten in den Haushaltsberatungen.

(Werner [CDU/CSU]: Frau Schuchardt wird Staatsrechtlerin!)

Wir reden hier über finanzielle Bereitstellung.

(Werner [CDU/CSU] : Sagen Sie etwas zur politischen Situation!)

Nichts anderes als der öffentliche Haushalt ist der angemessene Platz, um dieses zu erörtern. Das haben wir bereits gestern im Ausschuß für Entwicklungshilfe getan. Ich bin sicher, daß dieses auch Thema im Haushaltsausschuß sein wird. Gestern hat uns die Bundesregierung über die umfangreichen Mittel — ich werde nachher kurz darauf zurückkommen — berichtet, die in den letzten Jahren und zunehmend in den letzten Monaten bereitgestellt wurden und deren Bewilligung vermutlich noch in diesem Jahr, erst recht aber im nächsten Jahr auf uns zukommen wird.
Nun ist es so, daß die Opposition sehr häufig den Koalitionsfraktionen vorwirft, sie betreibe eine hemmungslose Verschuldenspolitik. Insofern ist es bequemer, statt hier genaue haushaltswirksame Anträge zu stellen, es der Bundesregierung zu überlassen, diese haushaltswirksamen Anträge zu stellen, damit man anschließend sagen kann, die Verschuldung werde nach oben gebracht.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Eine Umschichtung kostet doch kein Geld, das ist doch lächerlich!)

— Hier geht es nicht um Umschichtung, Herr Todenhöfer. Sie mißbrauchen im Augenblick in unverantwortlicher Weise die Unkenntnis weiter Teile der Bevölkerung über das Haushaltsrecht und die Haushaltsberatungen in diesem Hause.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Hier geht es nicht um Umstellungen. Die CDU erweckt den Eindruck, als ob im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit Mittel für Nordvietnam stünden. Dieses ist nicht richtig. Das heißt aber, Sie wollen Mittel umschichten und ausgeben, die gar nicht im Haushalt stehen.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Seit 1976 stehen die drin!)

Dieser Eindruck wird von Ihnen bewußt geschürt, und dem müssen wir uns ganz entschieden widersetzen. Es hilft uns überhaupt nicht weiter, wenn wir uns auf diese Ebene abgleiten lassen.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Sie können Herrn Offergeld in der „Bunten" nachlesen!)

Meine Damen und Herren, ich will kurz sagen, welche Mittel für Flüchtlinge in Südostasien bereitgestellt worden sind: Geplant und ausgegeben in den Jahren 1978/79 sind 10 Millionen DM direkt aus dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie weitere 30 Millionen DM über die EG. Das Auswärtige Amt hat seit 1975 23 Millionen DM an humanitärer Hilfe bereits ausgegeben; weitere 23 Millionen DM sind geplant. Es ist zu erwarten, daß wir im Jahre 1980 gerade in diesem Bereich wahrscheinlich einen sehr viel höheren Bedarf haben werden. Ich finde, wir sollten hier nun wirklich keinen Popanz aufstellen. Jeder von uns sieht ein, daß hier etwas



Frau Schuchardt
getan werden muß. Dazu bedarf es insoweit nun wirklich nicht dieser Diskussion.
Meine Damen und Herren, die Hilfe an Vietnam geht im Augenblick über die evangelische Zentralstelle und das Diakonische Werk. Hier heißt es für christliche Organisationen im Bereich der Ernährungshilfe, Not und Hunger auch in einem Land zu bekämpfen, das unserer politischen Couleur weiß Gott widerspricht, weil es hier um Menschen geht.
Wie ist nun die Hilfe für Vietnam insgesamt zu bewerten? Die Bundesregierung hat Hilfe für den Wiederaufbau Vietnams angeboten. Wir haben dies zu der damaligen Zeit auch begrüßt. Leider aber hat Vietnam dieses Hilfsangebot nicht angenommen, weil es nicht bereit war, die sogenannte Berlin-Klausel zu akzeptieren. Hiermit hat dieses Land für mich in erschreckender Weise zu erkennen gegeben, daß ihm außenpolitische Demonstration wichtiger ist als die Verbesserung der Lebensbedingungen seiner Bürger. Das halte ich für eine schlimme Fehlleistung eines solchen Regimes.
Die Bundesregierung hat durch den Bundeskanzler und den Außenminister nun wirklich deutlich gemacht, daß in Anbetracht des Flüchtlingsstromes und der Vertreibung zur Zeit keine Entwicklungsprogramme von unserer Seite in Vietnam zu erwarten sind. Ich weiß nicht, warum man noch deutlicher werden muß. Man kann allerdings ununterbrochen bewußt mißverstehen. Aber das scheint ja ein politisches Mittel zu sein.

(Werner [CDU/CSU] : Oder auf die politische Situation nicht eingehen wollen!)

Meine Damen und Herren, der Hintergrund für diese Haltung ist, daß wir es für untragbar halten, daß dieses Land nicht selten Menschen, die vertrieben werden, das Vermögen, ihre privaten Goldbestände, abverlangt und diese im eigenen Lande behält, um möglicherweise sogar Schulden bei der UdSSR abzutragen. Wer sich so verhält, braucht sich nicht zu wundern, daß wir zu der Überzeugung kommen, zunächst einmal primär den Vertriebenen zu helfen und nicht den Vertreibern. Auch hierüber brauchen wir uns nicht lange zu unterhalten.
Die ASEAN-Staaten — ich gehörte zu der siebenköpfigen Gruppe aus den drei Fraktionen, die Anfang Juli in diesen südostasiatischen Raum reiste — sind der Auffassung, daß man dieses Problem langfristig nur mit Vietnam gemeinsam lösen kann. Dies ist letztendlich auch einleuchtend. Ziel muß es sein, daß es gar nicht erst zu Flüchtlingsströmen kommen kann. Denn — das müssen wir ja bei dieser Gelegenheit auch einmal sagen — die Aufnahmebereitschaft und die Aufnahmefähigkeit aller Länder ist natürlich irgendwo begrenzt.
Die Entscheidung, die Verhandlungen in Genf zunächst einmal nur unter das Thema der humanitären Behandlung zu stellen, war richtig. Ich scheue mich aber nicht, Vietnam zu verurteilen. Was muß das für ein Land sein, aus dem Menschen über ein Meer fliehen, mit der nur 50 %igen Chance, lebend eine Insel oder ein anderes Land zu erreichen? Ich meine, daß sich dieses Land selbst einen schlechten Dienst erweist, weil alle Welt er-
kennen kann, daß es Menschen in diesem Land nicht fertigbringen, dort weiter zu leben, sondern lieber ihr Leben aufs Spiel setzen. Eine politische Verurteilung mag wohl das Gewissen beruhigen, es hilft nur in der Sache leider überhaupt nicht weiter.
Die Aufforderung an Vietnam in Genf, dafür zu sorgen, daß weniger Flüchtlinge das Land verlassen, kann ja für die Menschen, die das Land verlassen wollen, fatale Folgen haben. Gestern habe ich an einem Gespräch mit dem Botschafter von Vietnam teilgenommen. Er ließ durchblicken — ich will mich sehr vorsichtig ausdrücken —, daß offenbar diejenigen, die flüchten wollen, mit Bestrafung zu rechnen haben, wie immer das in einem solchen Land aussieht.
Wer also davon ausgeht, daß langfristig dieses Problem nicht durch Flucht und Flüchtlingsströme gelöst werden kann, wer weiterhin davon ausgeht, daß die Bitte an Vietnam, diese Flüchtlingsströme abzubrechen, mit verheerenden Folgen für die Betroffenen verbunden ist, muß nach Alternativen fragen. Die Hungersnot in Vietnam und Kambodscha wird möglicherweise zu bisher noch ungeahnten Fluchtbewegungen führen. Dieses zeigte sich schon sehr deutlich bei unserem Besuch im südostasiatischen Raum.
Ich halte es deshalb für logisch, wenn wir versuchen, über die Kirchen und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen Hilfen im Bereich der Ernährung in diesen Ländern zu leisten. Es darf doch wohl nicht wahr sein, daß Menschen aus diesen Ländern erst fliehen müssen, um anschließend durch unsere Länder ihre Ernährung sichergestellt zu bekommen.

(Beifall bei der FDP und der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte deshalb die Bundesregierung in dieser Weise sehr herzlich ermuntern, die Ernährungsprogramme auch im Kambodscha und in Vietnam zu unterstützen, falls wir die Vermutung haben, daß sie wirklich dort ankommen, wo sie ankommen sollen.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Nur dann!)

— Nur dann. Darüber brauchen wir nicht lange zu reden. Wir sollten uns übrigens auch nicht scheuen, in diese Länder zu reisen, um uns davon zu überzeugen.
Ziel muß es auch sein, Vietnam aus der Einflußzone und der einseitigen Abhängigkeit von der Sowjetunion zu lösen. Ich meine, daß wir sehr aufmerksam beobachten müssen, um die Chance nicht zu verpassen wenn sie sich stellt. Insofern ist es nur allzu logisch, immer von Zeit zu Zeit zu entscheiden, ob man Entwicklungshilfe bereitstellen wird oder nicht. Die Erfahrungen in den letzten 20 Jahren haben doch wirklich gelehrt, daß wirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammenarbeit langfristig gesehen ein hervorragendes Instrument war, solche Entwicklungsländer aus der einseitigen Abhängigkeit zu befreien. Zur Zeit ist



Frau Schuchardt
dies sicherlich leider nicht aktuell, aber die Chance müssen wir offenhalten.
Die Länder Südostasiens sind ihrerseits nicht daran interessiert — das muß man, glaube ich, hier betonen, so bitter es auch ist —, das Flüchten wirtschaftlich attraktiv zu machen, weil sie sagen: Es kann zu einer fatalen Spirale von Hifsmaßnahmen und neuem Flüchtlingsstrom kommen. Dies klingt zwar zynisch, aber es ist nun einmal eine Tatsache. Wenn man bedenkt, daß wir eine Insel in Indonesien besuchen konnten, in der die Preise an den Märkten für Nahrungsmittel auch für die Bewohner dieser Insel in ganz kurzer Zeit um 100 % gestiegen waren, weil die Nachfrage durch die Flüchtlinge erheblich gestiegen war, dann muß man Verständnis dafür haben, daß sich diese Länder heute bereits nicht mehr in der Lage sehen, weitere Flüchtlingsströme aufzunehmen. Wenn man bedenkt, daß wir in Thailand erfahren mußten, daß die Zuteilung von Reis pro Person in den Flüchtlingslagern den Verdienst mancher thailändischer Einwohner übertrifft, dann kann man sich in etwa vorstellen, welcher Sprengstoff hier vorhanden ist.

(Werner [CDU/CSU] : Das ist doch Schönfärberei durch Herausgreifen von Extremen!)

— Entschuldigen Sie bitte, Herr Werner, das stimmt nun leider einmal.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : So ist es in der Tat!)

— Ich bin Ihnen sehr dankbar, Prinz zu Sayn-Wittgenstein, daß Sie dieses noch einmal betonen. Es wäre vielleicht besser gewesen, man hätte hier einen reden lassen, der sich im Juli von der Sache überzeugen konnte, nicht jemanden, der sich von der Sache leider nicht persönlich überzeugen konnte.

(Beifall bei der SPD — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Was Sie gesagt haben, ist vollkommen richtig, Frau Kollegin!)

Möglicherweise aber hätte man auch insoweit ein bißchen Emotionen verhindern können. Ich möchte das gar nicht vorschlagen, aber darauf hinweisen darf man ja vielleicht.
Natürlich ist es wichtig, daß die Länder in Südostasien die Flüchtlinge aufnehmen. Um sie dazu zu befähigen, müssen wir sie ganz intensiv unterstützen. Was mich allerdings an dieser Diskussion ein wenig stört, ist die Tatsache, daß wir im Augenblick nur über die Flüchtlinge aus dem südostasiatischen Raum reden. Ich will mich nicht an der Auseinandersetzung beteiligen, ob wir nun im Augenblick insgesamt 10 Millionen oder 12 Millionen Flüchtlinge weltweit haben; aber eines ist sicher: daß wir uns im Windschatten des Interesses, das sich im Augenblick sehr einseitig auf den südostasiatischen Raum richtet, nicht den Blick für die Not in den anderen Ländern verstellen lassen dürfen. Wir, die wir dort waren, mußten vom Innenminister Malaysias hören: Wir mußten wohl erst diese Schiffe zurück auf das Meer treiben, damit ihr
Industrieländer tätig wurdet. Dies wird möglicherweise einmal ein Vorwurf sein, den wir von afrikanischer Seite, von südamerikanischer Seite, aus vielen Bereichen der Welt, in denen es eben Flüchtlingsprobleme gibt, hören werden. Ich meine, dies darf man bei der Gelegenheit nicht unterschätzen.
Natürlich ist es so, daß die Flüchtlingsprobleme immer zunächst in der jeweiligen Region gelöst werden sollten, und das geschieht auch überall; aber wir konnten uns in der Tat — Herr Werner, Sie haben darauf hingewiesen — davon überzeugen, daß natürlich Vietnam eine Destabilisierung des südostasiatischen Raumes beabsichtigt. Daran können wir nun weiß Gott nicht interessiert sein.
Insofern müssen wir — ob das nun eine gute Lösung ist oder nicht; aber im Augenblick ist es die einzige Lösung — bereit sein, Flüchtlinge aus diesen Ländern auch hier aufzunehmen. In diesem Zusammenhang ist es für mich als Mitglied dieser Koalition außerordentlich bedrückend, daß die sogenannten B-Länder, nämlich die CDU-regierten Länder, bisher bereiter waren, Menschen aus diesem Raum aufzunehmen. Ich finde, dies sollten wir ganz schnell den Landesregierungen mitteilen — das sollte ihnen ja auch langsam aufgefallen sein —, die sich im Augenblick noch zieren, höhere Quoten aufzunehmen. Das sollte an dieser Stelle nicht verheimlicht werden.
Die Bundesregierung bemüht sich im Augenblick gerade darum, daß die Länder Kinder und — infolge der jetzigen Einsiedlung hier — Familienangehörige, die nachkommen, nicht auf das Kontingent anrechnen. Wir alle sollten die Bundesregierung bei diesen Bemühungen den Ländern gegenüber unterstützen.

(Allgemeiner Beifall)

Nun möchte ich doch noch einmal deutlich machen, daß der Eindruck, der hier entstanden ist, die Bundesregierung habe nichts getan, nicht zutrifft.

(Werner [CDU/CSU] : Das hat niemand gesagt!)

Seit 1975 gibt es das Flüchtlingsproblem; seit 1975 haben wir auch Flüchtlinge aus Vietnam aufgenommen. Meine Damen und Herren! Wenn Herr Albrecht — sicherlich zu einer Zeit, die sehr früh lag — bereit war, eine Reihe von Flüchtlingen in seinem Land aufzunehmen, so darf man dabei ja nicht vergessen, daß dazu eine ganz unglaublich unbürokratische Arbeit der Bundesbehörden, nämlich des Auswärtigen Amtes und der Botschaften in diesen Ländern, erforderlich war.

(Dr. Pinger [CDU/CSU] : Ausstellung eines Sammelpasses, sonst nichts!)

Wir konnten uns davon überzeugen, wie unbürokratisch man zu diesen Zeiten von seiten des Auswärtigen Amtes und seiner einzelnen Botschaften reagiert hat; ich möchte dies noch einmal besonders erwähnen.

(Werner [CDU/CSU]: Das ist ja ein Tadel an der derzeitigen Praxis!)




Frau Schuchardt
Entscheidend ist doch aber, daß die Bundesregierung ihrerseits nicht sagen kann: Wir nehmen 20 000 oder 30 000 Menschen auf. Das liegt gar nicht in ihrer Kompetenz. Sie muß zunächst einmal die Zustimmung der Länder haben, bevor sie Reisepässe in diesen Ländern ausstellen darf. Ich finde, hier sollten wir nun auch die Kompetenzverteilung nicht immer dann auf den Kopf stellen, wenn es uns gerade paßt!

(Beifall des Abg. Wehner [SPD])

Insofern sollten wir weiterhin zu erreichen versuchen, daß die Quoten auch im nächsten Jahr erhalten bleiben und unsere Bereitschaft nicht nur einmalig in diesem Jahr vorhanden war.
Ich möchte darauf hinweisen, daß es sich erst kurz vor Genf entschieden hat, daß die Bundesregierung überhaupt mit einem Angebot, mindestens 10 000 Flüchtlinge aufzunehmen, nach Genf gehen konnte; dazu brauchte sie ja die Zustimmung der einzelnen Länder.
Meine Damen und Herren, es ist noch einmal darauf hingewiesen worden, die Botschaften sollten in die Lage versetzt werden, in den Lagern tätig zu werden. Dies ist geschehen. Ich möchte unterstützen, was Herr Oostergetelo hier gesagt hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zu spät!)

— Nein, das ist nicht zu spät. Sie dürfen eines nicht vergessen: Sehr viel früher gab es nur wenige, die willig waren, in unser Land auszureisen; und daher ist es nur allzu logisch, daß man Aufnahmeplätze erst dann zur Verfügung stellt, wenn in der Bundesrepublik die Bereitschaft, Menschen zu übernehmen, tatsächlich stärker vorhanden ist. Dies ist aber geschehen. Ich darf hier sagen, daß unsere Anregung dazu in außerordentlicher Schnelligkeit aufgenommen worden ist.
Es wird hier empfohlen, die Bundesregierung möge ihre guten Beziehungen zur UdSSR nutzen, um diese darauf aufmerksam zu machen, daß sie ihren Teil dazu beitragen möge, daß Vietnam seine Politik ändere. Selbstverständlich hat die Bundesregierung ihre guten Beziehungen und die diplomatischen Kanäle, die dafür geeignet sind, genutzt. Ich darf an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, daß es ohne unsere Ostpolitik zu diesen guten Beziehungen gar nicht gekommen wäre. Wir danken deshalb der Opposition außerordentlich, daß sie uns Gelegenheit gibt, immer mehr zur Kenntnis zu nehmen, daß sie offenbar das, was sie damals nicht für richtig hielt, jetzt doch als geeignet empfindet, bestimmte Dinge zu vollziehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja wunderschön!)

Herr Genscher ist natürlich nicht nur bereit, sondern auch willens, die UNO-Vollversammlung dazu zu nutzen, dieses Thema anzusprechen. Ich weiß nicht, Herr Werner, woher Sie die Sicherheit nehmen, hier zu sagen, daß er das nicht beabsichtige. Hat er Ihnen das gesagt? Oder stellen Sie das hier nur einfach als Behauptung in den Raum, damit sie von der Öffentlichkeit erst einmal gehört wird?
Dadurch wird eine falsche Behauptung nicht wahr.

(Zuruf von der CDU/CSU: Doch, das ist wahr!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817302500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0817302600
Frau Kollegin Schuchardt, haben Sie etwa überhört, daß ich vorhin gefragt habe, warum die Bundesregierung dazu bisher nicht bereit gewesen sei? Und haben Sie gleichfalls überhört, daß ich sehr wohl darauf hingewiesen habe, daß die Bundesregierung nach meiner Information über das Auswärtige Amt gegenüber der Sowjetunion einen Schritt unternommen hat, aber dort brüsk zurückgewiesen worden ist?

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Rede ist doch schon vorher geschrieben worden!)


Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0817302700
Die Bundesregierung hat verhältnismäßig wenig Möglichkeiten, die Reaktionen ihrer Gesprächspartner insoweit selber zu beeinflussen. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß der Flüchtlingsstrom aus Vietnam nachgelassen hat. Es muß eine ziemliche Böswilligkeit dahinterstecken, wenn man sagt, das Gespräch zwischen der Bundesregierung und der UdSSR habe daran überhaupt keinen Anteil. Ich glaube, ohne diese diplomatischen Kanäle wäre es in Genf wohl kaum zu der Zusage von Vietnam gekommen.
Ich darf dazu noch sagen, daß der Außenminister keine Gelegenheit ausgelassen hat, darauf hinzuweisen, daß er beabsichtige, die diplomatischen Kanäle selbstverständlich zu nutzen, um hier einiges zu bewirken.
Ich glaube, wir sollten die Bundesregierung ermutigen, dafür zu sorgen, daß erstens das aktuelle Problem der Flüchtlinge gelöst wird und zweitens durch eine geeignete Politik dafür gesorgt wird, daß dieses Flüchtlingsproblem abebbt. Es darf nicht gesagt werden: Es ist uns egal, was mit den Menschen, die nicht geflohen sind, aber fluchtwillig sind, in Vietnam geschieht. Daher werden wir eine Politik betreiben müssen, in der wir sehr vorsichtig eine langfristige Chance nutzen, daß sich die Verhältnisse in Südostasien normalisieren.

(Beifall bei .der FDP und der SPD — Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Fazit: Die 89 Millionen DM bleiben weiter für Vietnam!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817302800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und an den Innenausschuß zur Mitberatung vor. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsber-



Vizepräsident Frau Renger
ger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Dr. von Geldern, Sauter (Epfendorf) und der Fraktion der CDU/CSU
Meeresforschung und Meerestechnik — Drucksache 8/3103 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Debatte. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hubrig.

Dr. Hans Hubrig (CDU):
Rede ID: ID0817302900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde an den Küsten unseres Landes der Ruf laut: Seefahrt tut not! Ich möchte diese Forderung heute für uns erweitern: Seefahrt, Meeresforschung und Meerestechnik tun not! Zwei Drittel der Erdoberfläche sind vom Wasser bedeckt. Die Freiheit der Meere ist gleichbedeutend mit der Freiheit der Forschung. Die Erschließung der Ozeane zur Sicherung von Energie, Rohstoffen und Nahrung für die künftigen Generationen ist gleichbedeutend mit der Erschließung des Weltraums.
Ich bin überzeugt, daß alle Parteien dieses Hauses der Auffassung sind, daß der Meeresforschung und der Meerestechnik in unserem Lande und weltweit ein immer größeres Gewicht im Rahmen der Forschungs-, Technologie-, Energie- und Rohstoffpolitik zugemessen werden muß.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Der äußere Anlaß für unseren Antrag ist der Tatbestand, daß das dritte Gesamtprogramm der Bundesregierung zur Förderung der Meeresforschung und Meerestechnik 1979 ausläuft. Wichtiger für uns war eine weitere Überlegung: Angesichts der Energiekrise und der Rohstoffversorgungsprobleme, mit denen wir im Jahre 1979 in aller Härte konfrontiert wurden, erscheint es uns erforderlich, die Fragen und Probleme der Meeresforschung und Meerestechnik im Parlament und damit in der Öffentlichkeit zu diskutieren.
Die CDU/CSU-Fraktion ist der Auffassung, daß es sich bei der Fortschreibung des Programms nicht um die Festschreibung der alten Förderungsrichtlinien handeln darf, sondern daß es darauf ankommt, das Programm auf dem Hintergrund der Rohstoff-, Energie- und Umweltprobleme in einen nationalen und internationalen Zusammenhang zu stellen.
Bevor ich auf unsere Forderungen im einzelnen zu sprechen komme, möchte ich noch einige Ausführungen zur Situation der Meeresforschung und insbesondere der Meerestechnik in der Bundesrepublik Deutschland machen. Allen Bundesregierungen seit 1967 und allen Parlamenten gebühren Dank und Anerkennung dafür, daß sie die Bedeutung der Meeresforschung und Meerestechnik
durch die Verabschiedung von Förderungsprogrammen anerkannt haben. Nachdem bei der Konzeption und dem Vollzug der ersten Förderungsprogramme mancher Umweg und manche Fehlentwicklungen notwendigerweise nicht immer vermieden werden konnten, begann ab 1974 eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Regierung, dem Fachausschuß für Meeresforschung und Meerestechnik beim BMFT und der Industrie. Die Jubiläumsveranstaltung der Wirtschaftsvereinigung industrieller Meerestechnik vor 14 Tagen in Düsseldorf hat diesen Tatbestand dokumentiert. Die deutsche meerestechnische Industrie hat trotz des zeitlichen Vorsprungs und des Vorteils der großen Küstenländer wie Großbritannien, die USA, Japan, Kanada und Italien Spitzentechnologien entwickelt. Das gilt insbesondere. für das Gebiet des Meeresbergbaus, meine Damen und Herren. Hier hat sie sich auf dem internationalen Markt eine führende Stellung erarbeitet.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich weitere Bereiche nennen, in denen sich besonders positive Entwicklungen vollzogen haben. Stichwort: Meerwasserentsalzung. Hier sind konkurrenzfähige Anlagen unterer und mittlerer Größenordnungen errichtet worden; eine erste Großanlage wurde 1975 in Oman installiert. Um den entscheidenden Durchbruch zu sichern, möchten wir die Bundesregierung bitten, die Förderung der Entwicklung der Meerwasserentsalzung nicht vorzeitig abzubrechen. Dank der Errichtung der Forschungsplattform Nordsee ist es der Industrie möglich, einzelne technische Entwicklungen einem Dauertest zu unterwerfen.
Ein Wort noch zu dem Bereich der Off-shore-Anlagen. Hier hatte und hat die ausländische Konkurrenz einen großen Vorsprung. Aus dieser Konkurrenzsituation heraus hat die deutsche Industrie Zukunftsaufgaben in Angriff genommen, u. a. bei der Explorationstechnik und Produktionstechnik für Wassertiefen von mehr als 200 Metern, für die Erschließung sogenannter marginaler Felder, für die Off-shore-Nutzung von Erdgas sowie die Off-shore-Lagerung, für den Transfer, die Entwicklung und Planung von Off-shore-Kraftwerken und Produktionsstätten für die Herstellung von Methanol, Ammoniak und Harnstoff. Dennoch: Trotz allen Fortschritts ist es bis heute nicht gelungen, eine Offshore-Großanlage im Ausland zu installieren.
Wir begrüßen es daher sehr, daß die Bundesregierung nach einer Ankündigung des Bundesministers für Forschung und Technologie bereit ist, im vierten Gesamtprogramm auch eine Risikobeteiligung bei der Erprobung von Prototypen neuer meerestechnischer Systeme und Komponenten vorzusehen. Wir begrüßen diese Absicht; denn ohne diese Unterstützung wird es nicht gelingen, den Protektionismus der Nordseeanrainerstaaten, aber auch der anderen Off-shore-Staaten, z. B. Kanada und USA, zu überwinden. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre zeitweise vornehme Zurückhaltung aufzugeben und mit allem Nachdruck und mit Unterstützung der EG für die Aufhebung dieser protektionistischen Politik einzutreten.



Dr. Hubrig
Das Bild wäre unrichtig, wenn ich nicht auch einige positive Beispiele für mögliche Lösungen nennen würde: Es sind bilaterale Verträge mit Norwegen und Neuseeland und auf dem Gebiet des Meeresbergbaus die Kooperation deutscher Unternehmen mit der Saudi-Sudanesischen Rotmeerkommission. Diese Beispiele sollten Schule machen.
Nun zu unseren Vorstellungen und Wünschen hinsichtlich der Fortschreibung des Programms für Meeresforschung und Meerestechnik.
1. Der Bundesminister für Forschung und Technologie wird aufgefordert, die fachliche Abstimmung und administrative Koordination durch eine bessere Zusammenfassung der Aktivitäten des BMFT auf den Gebieten der Meeresforschung und Meerestechnik sicherzustellen. Wenn wir richtig informiert sind, werden die Meeresforschung und die Meerestechnik in je einer Abteilung bearbeitet. Für die Bereiche Klimaforschung, Umwelt- und Wasserforschung sind drei andere Abteilungen zuständig. Bei dem bekannten Tatbestand der Abschottung der Abteilungen gegeneinander wird unsere Forderung nach einer Gesamtschau ohne eine notwendige fachliche Klammer in einer Abteilung die Probleme nicht lösen können. Wenn es der Bundesregierung ernst ist mit ihrer Absicht, die Meeresforschung und Meerestechnik mit Vorrang zu fördern, müßte umgehend der Referentenposten in der Abteilung Meeresforschung, welcher seit April dieses Jahres verwaist ist, besetzt werden. Aus diesem Grund der Koordinierung wird es auch notwendig sein, die Aktivitäten der Polarforschung einzubeziehen und fachlich wie organisatorisch zu integrieren.
2. Die Standortentscheidung für das Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung. Meine Fraktion hat in mehreren Anfragen die Bundesregierung aufgefordert, diese Entscheidung ohne weitere Verzögerung zu treffen.

(Zuruf. von der CDU/CSU: Ist überfällig!)

Nach den positiven Voten des Wissenschaftsrates, der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, für innerdeutsche Beziehungen und Wirtschaft für den Standort Kiel fragen wir uns, was die Bundesregierung veranlaßt, diese Entscheidung weiter zu verzögern.

(Dr. Steger [SPD] : Ihre Parteifreunde aus Münster!)

— Herr Steger, die Rücksicht auf den Bürgerschaftswahltermin in Bremen, meine Damen und Herren — übrigens eine seltene Tugend dieser Bundesregierung —, läßt doch eher die Vermutung zu, daß gegen alle fachlichen und sachlichen Gründe, die für Kiel sprechen, hier im Handstreich das Bundeskabinett am 24. Oktober sich für Bremen entscheiden wird. Es wird von der Bundesregierung ins Feld geführt, daß regionalpolitische Gründe für Bremen sprechen, sprich regionale Ausgewogenheit der Forschungsstandorte. Wenn ich recht informiert bin, haben Bremen und Kiel je eine Universität, Bremen bzw. Bremerhaven das Institut für
Meeresforschung und Kiel das Institut für Meereskunde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was für eine Universität in Bremen! Das ist ja der Punkt!)

— Ich weiß schon, meine Herren, Bremer Universität — Fragezeichen! Bremen hat das Institut für Meeresforschung und Kiel das Institut für Meereskunde — also eine Pattsituation.
Apropos regionale Ausgewogenheit der Forschungsstandorte in der Bundesrepublik! Ich darf Sie, Herr Minister Hauff, daran erinnern, daß die Bundesregierung den Standort Trauen der DFVLR in Niedersachsen ohne Rücksicht auf diesen Gesichtspunkt liquidiert hat. Es bleibt — siehe Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage vom 29. März 1979 — nur der Hinweis auf die Notwendigkeit eines Flughafens. Ich hoffe nicht, daß die Bundesregierung das Fehlen eines Flughafens mit internationaler Anbindung — bei Bremen muß man da übrigens auch ein Fragezeichen machen — zum Entscheidungskriterium für den Standort Bremen macht.
Wir fordern noch einmal die Bundesregierung auf, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Eine weitere Verzögerung aus Wahltermingründen ist nicht zu verantworten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

3. Im Rahmen der Meeres- und Polarforschung sollten künftig insbesondere die Probleme mit globaler Bedeutung und Auswirkung verstärkt in Angriff genommen werden. Hierzu zählt vor allem die Klimaforschung mit Untersuchungen zur Wechselwirkung der Atmosphäre und Ozeane allgemein sowie die Meere und Pole auf unser Klima und auf den CO2-Kreislauf im besonderen.
4. In diesem Zusammenhang sollten unserer Auffassung nach Technologien zur Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung und der Umweltschäden bei industrieller Aktivität im Meer intensiver gefördert werden. Nach unseren Informationen hat die Bundesregierung eine Studie über die Meeresverschmutzung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Wir fragen die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, welche Konsequenzen sie aus dem Ergebnis dieser Studie zu ziehen gedenkt.
5. Ein besonderes Anliegen ist unsere Forderung nach Berücksichtigung der kleinen und mittleren Unternehmen bei der Förderung von Forschung. und Entwicklung auf den Gebieten der Meeresforschung, insbesondere der Meerestechnik. Nach meinen Informationen sind bereits heute weit mehr als 100 kleine und mittlere Unternehmen, vom Ingenieurbüro bis hin zum Elektronikbetrieb und Maschinenbaubetrieb, in diesem Bereich tätig.
Ich weiß, wie schwer diese Forderung in die Tat umzusetzen ist; denn Zukunftstechnologien sind Risikotechnologien. Risikokapitalbildung ist die wichtigste Voraussetzung. Dieses Feld bedarf dringend der Bestellung.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)




Dr. Hubrig
Die Worte in Ihrer Rede, Herr Minister Hauff, die Sie anläßlich des zehnjährigen Jubiläums der WiM gesprochen haben — ich zitiere —:
Ich habe hier festgestellt, daß deutsche Unternehmen — im Gegensatz zu ausländischen — zu wenig Risikobereitschaft zeigen,
wirken eher destruktiv, insbesondere dann, wenn Sie gleichzeitig fordern — ich zitiere —:
Es kommt darauf an, daß Unternehmen (im Bereich der Meerestechnik) ihre Forschungs- und Entwicklungskapazität ausbauen und erhalten.
Sie können sich große Verdienste erwerben und zuschreiben, Herr Minister Hauff, wenn Sie durch Ihre Politik ohne Wenn und Aber dafür eintreten, daß die Unternehmen durch die Chance, Risikokapital zu bilden, im nationalen und internationalen Wettbewerb befähigt werden, in diese Zukunftstechnologien zu investieren und zu reüssieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem Bemühen der deutschen Werftindustrie, durch Diversifikationen in den Bereich der Meerestechnik die eigenen Strukturprobleme zu lösen. Hier sollten Anstöße gegeben werden. Sicher ist, daß diese Diversifikationen bei dem Schwierigkeitsgrad dieser Technologie mit ihren Problemen der Ausbildung bis hin zum Marketing kein Allheilmittel sein werden.
Abschließend noch ein paar Bemerkungen zu einem Thema, das alle gemeinsamen Bemühungen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf diesem zukunftsweisenden Gebiet der Meeresforschung und Meerestechnik belastet: Es geht um die Ergebnisse und Folgen der 3. UNO-Seerechtskonferenz. Die CDU/CSU-Fraktion ist der Auffassung, daß diese Bundesregierung von Anfang an dieser entscheidenden Frage internationaler Politik nicht den entsprechenden Rang eingeräumt hat und ohne tragfähiges Konzept und ohne Abstimmung mit den Verbündeten in die Verhandlungen gegangen ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Schon heute sind 40 °/o der Meeresoberfläche durch die 200-Meilen-Zonen nationalisiert, . in denen sich mehr als 85 °/o der Schiffahrts- und Offshore-Aktivitäten vollziehen. Damit nicht weitere Einschränkungen der Freiheit der Meere, insbesondere bei der Gewinnung und Verarbeitung mariner Rohstoffe, erfolgen, fordern wir die Bundesregierung auf, eine Kabinettsentscheidung zu treffen und für die entscheidenden Schlußverhandlungen der 3. UNO-Seerechtskonferenz auf höchster Ebene mit den Verbündeten Verhandlungen zu führen und durch eine entsprechende Repräsentanz durch den Bundesaußenminister oder seinen Staatssekretär bei der nächsten Session der Bedeutung dieser Herausforderung gerecht zu werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Höchste Zeit!)

Eine weitere Aufforderung möchte ich an uns richten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Fraktionen sollten umgehend in den Ausschüssen den interfraktionellen Entwurf eines Gesetzes
zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 8/2363 — beraten. Wir müssen unseren Beitrag leisten, damit nicht andere nationale Gesetzgebungen wie in den USA unsere Chancen weiter einengen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion bittet, ihren Antrag zur Meeresforschung und Meerestechnik den zuständigen Ausschüssen zu überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817303000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grunenberg.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0817303100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß die Opposition die Wichtigkeit des Themas so sieht wie wir. Meeresforschung und Meerestechnik sind in der Tat von der Größe und vom Risiko, aber auch von ihrem Nutzen her den großen Vorhaben der Energie- und Weltraumtechnik oder der Datenverarbeitung vergleichbar.
Es war die von der sozialliberalen Koalition getragene Bundesregierung, die neben der Meeresforschung seit 1972 auch die Meerestechnik zu einem Schwerpunkt ihrer Förderungspolitik gemacht hat. Der Bund hat in den letzten zehn Jahren in drei Gesamtprogrammen und im Zusatzprogramm von 1978 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den Küstenländern erhebliche Anstrengungen unternommen, sowohl Grundlagen- als auch angewandte Forschung auf diesem Gebiet mit dem Ziel zu fördern, sowohl den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu verbreitern und zu vertiefen als auch Ressourcen zu schonen und natürliche Lebensvoraussetzungen zu erhalten sowie — was wichtig ist — die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten, auszubauen und strukturell zu verbessern. Schon jetzt sind auf Grund der Programme eine Reihe von Erfolgen zu verzeichnen. Ich verweise z. B. auf die Untersuchung der Abbaumöglichkeiten von Erzschlämmen im Roten Meer in 2 000 m Wassertiefe einschließlich der Auswirkungen auf die marine Umwelt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817303200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hubrig? — Bitte.

Dr. Hans Hubrig (CDU):
Rede ID: ID0817303300
Herr Grunenberg, ich störe Sie ungern, möchte Sie aber fragen: Ist Ihnen bekannt — eigentlich müßte das der Fall sein —, daß die Regierung der Großen Koalition mit Forschungsminister Stoltenberg das erste Programm zur Meeresforschung und Meerestechnik verabschiedet hat?

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0817303400
Herr Kollege Dr. Hubrig, das geht auf Kosten meiner Redezeit; darauf mache ich aufmerksam. — Natürlich ist mir das bekannt. Nur geschah das nicht in dem Maße, wie es notwendig gewesen wäre. Dies war damals noch reichlich provinziell.



Grunenberg
Ich verweise weiter auf die Beispiele der Entwicklung von technischen Systemen zur Förderung von Manganknollen vom Tiefseeboden aus 5 000 m Wassertiefe, auf die Erforschung der größten Eiweißreserve der Welt, die bekannten Krill-Expeditionen im Südpolarmeer, auf die Fischereiforschungsexpeditionen im Atlantik, im Pazifik und bald auch im Indischen Ozean, auf die vielseitigen Möglichkeiten, die durch die Forschungsplattform Nordsee gegeben sind, z. B. auch auf die auf dieser Plattform laufenden Versuche zur Gewinnung von Uran aus dem Meerwasser.
Diese und andere Erfolge der deutschen Meeresforschung und Meerestechnik sind auch Erfolge der von uns vertretenen Politik der direkten Forschungs- und Entwicklungsförderung. Herr Hubrig, ich frage mich, wie diese Projekte durch die von der Opposition geforderte indirekte Forschungsförderung — Sie haben das ja eben angesprochen — hätten verwirklicht werden sollen.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Einbeziehung der Meerestechnik in die staatliche Förderung hat unserer meerestechnischen Industrie wichtige Impulse vermittelt und in manchen Bereichen Zukunftsentwicklungen eingeleitet. Obwohl die Zugangsbedingungen auf dem Weltmarkt und das Fehlen eines größeren deutschen Marktes die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten erschweren, sind die Umsatzerfolge der meerestechnischen Industrie mit jährlich etwa 3 Milliarden DM schon ganz beachtlich, woran gerade auch eine erhebliche Zahl kleiner und mittlerer Betriebe — bis weit ins Binnenland hinein — beteiligt ist. Bei Projekten der Meerwasserentsalzung und der Off-shore-Bohrtechnik bedauern wir ebenfalls das mangelhafte Engagement der Wirtschaft.
Die Entwicklung der weltweit begonnenen Erschließung mariner Ressourcen eröffnet gute Marktchancen. Wer diese Chancen nutzen will, darf sich aber nicht nur auf staatliche Förderung verlassen, sondern muß auch bereit sein, sich mit innovativer Phantasie und unternehmerischer Risikobereitschaft an Forschung und Entwicklung zu beteiligen, um aus eigener Kraft mehr Erfolge auf den Märkten zu erringen. Von ihrem Leistungsstand und ihren Kapazitäten her ist unsere meerestechnische Industrie dazu durchaus in der Lage.
Die Forderungen der Opposition, die Förderung von Meeresforschung und Meerestechnik in einem fortgeschriebenen Programm zur Stärkung der indirekten Förderung auf eine andere Grundlage zu stellen und die „administrative Koordination" zu einem Mittelpunkt des Programms zu machen, gehen an den notwendigen sachlichen Zielen und Anforderungen eines solchen Programms vorbei. Inhaltlich darf es bei einem neuen Gesamtprogramm „Meeresforschung und Meerestechnik", das die Bundesregierung rechtzeitig vorlegen wird, nicht nur, wie die Opposition betont, um die anwendungsorientierte Forschung gehen. Vielmehr müssen die Aktivitäten der Grundlagenforschung auch weiter gefördert und ausgebaut werden. Der An-
trag der Opposition greift zu kurz, wenn er diesen Bereich nicht genügend berücksichtigt.

(Lenzer [CDU/CSU] : Darauf kommen wir sofort noch, Sie werden prompt bedient!)

Meeresforschung und Meerestechnik sind in besonderem Maße von der internationalen Rechtsentwicklung abhängig und betroffen. Die Verhandlungen der 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen werden, so umstritten einzelne wichtige Bereiche zur Zeit auch noch sein mögen, in absehbarer Zeit zu einer völligen Neuordnung des Meeresvölkerrechts führen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bloß, wie wird das aussehen? Das ist die Frage!)

Die Verzonung der Meere — eventuell bis an den Rand des Festlandsockels — wird riesige Aquatorien unter weitgehender nationaler Jurisdiktion der Küstenländer schaffen.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Schlimm genug!)

Die Nutzung der Ressourcen der Tiefsee wird durch die Völkergemeinschaft zukünftig stark kontrolliert werden.

(Lenzer [CDU/CSU]: Hoffentlich kommt dabei etwas heraus!)

Diese von uns nicht mehr aufzuhaltende, aber mitzugestaltende Entwicklung erfordert erhebliches Umdenken. Das fällt Ihnen wahrscheinlich manchmal ein bißchen schwer. Hier hilft es nichts, wie es die Opposition macht, Hugo Grotius und den zu Beginn des kolonialen Zeitalters entwickelten Meeresfreiheiten nachzutrauern. So einschneidend und schmerzlich diese Entwicklung sein mag, so bietet sie auch eine neue Chance und Impulse für staatliche, wissenschaftliche und wirtschaftliche Kooperation. Wir sehen in einer Neugestaltung des Meeresvölkerrechts auch einen Beitrag zur internationalen Friedenssicherung und die Grundlage für bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit, sei es in internationalen Forschungsprogrammen, in Industriekonsortien oder Staaten mit gleichen Interessen.
Die Beteiligung an internationalen Forschungsprogrammen soll in verstärktem Maße Schwerpunkt unserer Forschungspolitik sein, nämlich hier insbesondere die internationale Phase des Tiefseebohrprojekts, die nach- Aussage namhafter Wissenschaftler für die deutsche Geowissenschaft erst den geistigen Sprung aus der Provinzialität in die Dimension der globalen Erforschung oder — wie Kennedy diesen Raum bezeichnete — des „Inner Space" bewirkt hat. Wir müssen uns aber auch darauf vorbereiten, mit Küstenstaaten, vor allem der Dritten Welt, bei der Erforschung und Erschließung der marinen Wirtschaftszonen zusammenzuarbeiten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß zukünftig die personellen wie technischen Kapazitäten wissenschaftlicher Einrichtungen der Bundesrepublik ausreichen. Ich rechne nämlich mit eine lebhaften Nachfrage nach deutscher Unterstützung.



Grunenberg
Die Opposition fordert, daß im Gesamtprogramm Meeresforschung künftig auch die Aktivitäten der Polarforschung fachlich wie organisatorisch zu integrieren sind. Gerade aus fachlicher Sicht ist diese Forderung unsinnig. Die Opposition übersieht, daß die Antarktis ein riesiger Kontinent ist, wo im Rahmen des geplanten Antarktisprogramms der Bundesregierung auch geowissenschaftliche Untersuchungen in großem Maße und Umfange durchgeführt werden müssen.

(Lenzer [CDU/CSU] : Was hat das denn damit zu tun?)

Gerade die klimatische Eigenart der Polargebiete verlangt, daß ihre Erforschung nicht in das neue Gesamtprogramm Meeresforschung integriert, sondern mit ihm wie mit unterschiedlichsten anderen Programmen verzahnt wird.

(Pfeffermann [CDU/CSU] : Antarktis nur im Sommer!)

— Ich weiß nicht, ob Astronomie mit Meeresforschung zu tun hat — um nur mal ein Beispiel zu sagen —, Herr Kollege.
Übrigens — dies muß auch einmal gesagt werden —: der Beitritt der Bundesrepublik zum Antarktisvertrag wurde weder aus dem wirtschaftlichen noch aus dem wissenschaftlichen Bereich gefordert. Die Anregung hierzu kam aus der SPD-Fraktion schon in der 7. Legislaturperiode. Das können Sie nachlesen.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Auf unseren Antrag hin ist es behandelt worden! — Zuruf von der CDU/CSU: Der Erbsenzähler!)

Zu den wichtigsten Aktivitäten bei der Erfüllung des Antarktisvertrages wird neben der Errichtung einer deutschen Forschungsstation in der Antarktis, dem Bau eines Polarforschungs- und -versorgungsschiffes, umfangreichen Expeditionen und Forschungsarbeiten auch die Gründung eines Polarforschungsinstituts der Bundesrepublik gehören. Das Institut soll die wissenschaftlichen Aktivitäten, verstreut über die ganze Bundesrepublik, koordinieren, unterstützen und vor allem auch die deutsche Antarktisstation betreuen.

(Lenzer [CDU/CSU] : Sagen Sie einmal etwas zum Standort!)

— Der optimale Standort für das Institut ist von verschiedenen Seiten begutachtet und erörtert worden, wobei unterschiedliche Gesichtspunkte gewählt wurden. Die Standortentscheidung darf jedoch nicht nur einseitig nach wissenschaftlichen oder wissenschaftspolitischen Kriterien gefällt werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mehr nach politischen?)

Wenn man das so betrachtet, ist Kiel genausogut wie München, Münster, Bonn, Göttingen oder Hannover. Ich könnte noch andere nennen.

(Lenzer [CDU/CSU] : Vielleicht noch Pützchen!)

Man muß ebenso den Gesichtspunkt der regionalen
Ausgewogenheit, die günstige Verkehrslage im
Hinblick auf andere Polarforschungseinrichtungen,
die zu erwartende Ausstrahlung auf bestehende wissenschaftliche Einrichtungen und die regionale Wirtschaftsstruktur berücksichtigen. Die Bundesregierung befindet sich bereits im Entscheidungsverfahren und wird dieses, wie auch die Opposition weiß, noch in diesem Jahr abschließen. Dieses Institut wird, soweit ich es weiß, seine Arbeit am 1. Januar 1980 aufnehmen.
Das Drängen der Opposition ist damit auch an dieser wie an anderen Stellen völlig überflüssig und bringt nicht einmal den Schaueffekt, den sie sich davon verspricht.

(Pfeffermann [CDU/CSU] : Opposition ist überhaupt überflüssig! Wir brauchen keine Opposition! Das haben wir schon einmal gehört! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Herr Kollege, ich bin im Bereich Meeresforschung, Meerestechnik, Polarforschung persönlich sehr engagiert. Deshalb kann ich hier einiges deutlich sagen. Leider reicht mir die Zeit nicht, um das weiter auszuführen.
Ich habe an einigen zentralen Punkten des Antrages der Opposition versucht aufzuzeigen, daß sie entweder Selbstverständliches verlangt oder falsche Forderungen aufstellt. Wir werden im Ausschuß noch speziell auf die einzelnen Fragen eingehen; aber es läßt sich jetzt schon erkennen, daß die Opposition dabei nicht gut aussehen wird;

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Wir wollen auch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen!)

denn ein Konzept, das neue, zukunftsweisende Elemente für die Fortschreibung des Programms Meeresforschung und Meerestechnik enthält, ist in Ihrem Antrag leider nicht zu finden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817303500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laermann.

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0817303600
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme mit meinen beiden Vorrednern sicherlich darin überein, daß Meerestechnik, Meeresforschung und die Förderung der Meerestechnik nicht nur für unsere Volkswirtschaft, sondern auch für die zukünftige Rohstoffsicherung und für die Sicherung der Ernährung wichtig sind. Ich meine — das sollte man besonders betonen und herausstellen —, daß wir mit der Förderung der Meerestechnik und der Förderung der Meeresforschung auch eine wichtige Verpflichtung gegenüber den Entwicklungsländern erfüllen; denn nur dort — so können wir feststellen
— werden in Zukunft in zunehmendem Maße die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dieser Forschung und die daraus abgeleiteten Techniken in größerem Umfang einsetzbar sein. .
Ich stelle nun mit Befriedigung fest, daß die Opposition die Bundesregierung bezüglich ihrer bisherigen Förderungspolitik lobt und auch ihre Bemühungen auf diesem Gebiet nachdrücklich unterstützt. Sie fordert in ihrem Antrag zur Meeresfor-



Dr.-Ing. Laermann
schung eine wirkungsvolle staatliche Förderung
dieser Meeresforschung und Meerestechnik. Ich
meine, daß die Bundesregierung auf diesem Gebiet
— Sie, Herr Kollege Hubrig, haben auf die Veranstaltungen der Wirtschaftsvereinigung Meerestechnik, Meeresforschung vor 14 Tagen hingewiesen —eine gute Bilanz aufweisen kann.
Nach Ihrem Antrag soll die Bundesregierung u. a. in Abstimmung mit den Bundesländern ein neues mittelfristiges Gesamtprogramm für den Zeitraum 1980 bis 1984 erarbeiten und dem Deutschen Bundestag vorlegen. Ich glaube, hier fordern Sie etwas, was die Bundesregierung bereits vollzogen hat. Sie wird dieses Programm vorlegen, und wir wissen auch bereits, daß dieses vierte Programm bis 1983 ein Volumen von etwa 600 Millionen DM haben wird. Ich meine, es muß auch anerkannt werden — das sollte ausdrücklich erwähnt werden —, daß wir allein im Bereich der Meerestechnik für das Haushaltsjahr 1980 einen Zuwachs von 40 Millionen DM haben werden, so daß das Gesamtvolumen etwas mehr als 170 Millionen DM beträgt. Ich glaube, das ist eine beachtliche Bilanz, und ich freue mich, feststellen zu können, daß auch Sie das positiv sehen.
Die Bundesregierung ist darüber hinaus bemüht, die Errichtung eines deutschen Polarforschungsinstituts möglichst rasch zu verwirklichen. Ich möchte hier gar nicht in Detaildiskussionen eintreten, warum eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen ist. Die vielfältigen Aktivitäten in unserem Land machen eine sorgfältige Überlegung erforderlich. Es muß sichergestellt werden, daß die vielfältigen Aktivitäten vernünftig zusammengeführt werden, damit wir hier zu einer Kooperation kommen.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Die Entscheidung war aber längst angekündigt!)

— Ich sagte soeben schon: Es geht nicht darum, jetzt hier im Detail die Entscheidungsvorbereitungen zu analysieren, sondern es kommt im wesentlichen auf ein vernünftiges Endergebnis an. Wir werden nach den Ankündigungen sicher sein können, daß

(Pfeffermann [CDU/CSU] : In endlicher Zeit!)

ab 1. Januar das Polarforschungsinstitut steht.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Hoffentlich!)

Ich gehe davon aus, daß dieses Institut über viele Jahrzehnte hin seine Arbeit strukturieren muß und viele Jahrzehnte arbeiten wird, so daß es nicht darauf ankommt, ob die endgültige Entscheidung über den zentralen Standort innerhalb eines halben Jahres fällt. Dieses halbe Jahr ist nicht entscheidend. Wir brauchen auch nicht zu befürchten, daß die entsprechenden Kapazitäten und Aktivitäten dadurch beeinträchtigt würden.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Wo soll es nach Ihrer Meinung hinkommen? — Pfeffermann [CDU/CSU] : Legen Sie sich nicht fest, Herr Kollege! Sie werden sonst daran erinnert!)

— Dies ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung in Abstimmung mit den wissenschaftlichen Instituten und auf Grund der Überlegungen des Wissenschaftsrats treffen wird.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Vielleicht haben Sie eine eigene Meinung dazu! — Lenzer [CDU/CSU] : Eine echt staatserhaltende Äußerung! — Pfeffermann [CDU/ CSU] : Wo haben wir denn den nächsten Wahlkampf?)

Dieses Institut soll — das ist bekannt — die Betreuung der deutschen Antarktisstation übernehmen. Die Ausschreibungen für den Bau dieser Station sowie für das benötigte Versorgungsschiff sind ja bereits abgeschlossen. Ebenfalls fertiggestellt ist das Programm zur Förderung der Polarforschung.
Der hohe Leistungsstandard der deutschen meerestechnischen Industrie dürfte diesem Industriezweig gute Marktchancen für die 80er Jahre einräumen. Ich möchte hier erwähnen, daß diese Industrie ausdrücklich betont hat, daß die bisherige Zusammenarbeit mit der Bundesregierung gut und zufriedenstellend gewesen ist. Das wollen wir auch hier einmal deutlich und nachdrücklich feststellen.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Das habe ich betont!)

— Es ist ja nicht schädlich, Herr Kollege Hubrig, eine Tatsache noch einmal darzustellen. Im übrigen spreche ich hier für die Freien Demokraten. Sie haben, glaube ich, für die Opposition, die CDU/CSU, gesprochen.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Ich freue mich über die Übereinstimmung!)

— Das sollte man auch einmal anerkennen. Ich bedanke mich.
Wir wollen auch nicht verkennen, daß es auf diesem Gebiet Schwierigkeiten gibt, vor allem aus einem, fehlenden Binnenmarkt. Die geographische Situation unseres Landes ist dafür Ausdruck genug. Ich brauche das nicht weiter auszuführen. Schwierigkeiten ergeben sich aber auch aus Marktverzerrungen sowie nur schwer vorhersehbaren Preisentwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten. Auch die Auswirkungen protektionistischen Verhaltens einiger Partnerländer sollten hier deutlich angesprochen werden. Ich glaube, sicher aussagen zu können, daß die Bundesregierung, Herr Kollege Hubrig, sich seit langem nachdrücklich darum bemüht, gerade die negativen Auswirkungen eines solchen Protektionismus zu überwinden. Aber wir haben es hier mit Partnerstaaten innerhalb der EG zu tun. Die Fairneß und der Umgang mit den Partnern gebieten es, daß man hier mit aller Behutsamkeit, aber mit Nachdruck die Bemühungen zur Auflösung solcher protektionistischer Bestrebungen weiter verfolgt.
Weitere Schwierigkeiten ergeben sich — und die möchte ich hier ganz besonders erwähnen — aus



Dr.-Ing. Laermann
dem Fehlen des Nachweises der Funktionstüchtigkeit bestimmter Systementwicklungen. Denn wir müssen feststellen: Auf dem Reißbrett entwickelte Dinge lassen sich in diesem Bereich halt schlecht verkaufen. Notwendig ist die Förderung von Referenz- und Demonstrationsanlagen. Dies ist vorgesehen. Die Bundesregierung hat dies angekündigt. Wir sollen dieses Vorhaben mit Nachdruck unterstützen. Denn es wird hier auf eine internationale Kooperation hinauslaufen. Auch hier sage ich: Wir müssen uns die Partner dort suchen, wo zu erwarten ist, daß solche Anlagen, Off-Shore-Anlagen, aber vor allem auch Anlagen im Bereich der Meerwasserentsalzung, gebaut werden. Kein Mensch wird davon ausgehen, daß wir in unserem Land in größerem Maß Meerwasserentsalzungsanlagen bauen werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, mit jenen Ländern, in denen so etwas ansteht, zu einer engeren Kooperation zu kommen.
Wir sind hier auf gutem Weg. Wir müssen diese Entwicklung fortsetzen. Diese Entwicklung soll weiter gefördert werden.
Deswegen wird die Bundesregierung in dem 4. Programm das hohe Risiko für die Industrie gerade in diesem Bereich der Meerestechnik, im Bereich der Off-Shore-Technik, aber auch im Bereich des Tiefseebergbaues abfedern und abpuffern. Die Förderungsmaßnahmen werden demzufolge von Zuschüssen zu Forschungsvorhaben bis zu Risikobeteiligungsverträgen mit dem Erproben neuer meerestechnischer Systeme reichen.
Herr Kollege Hubrig, Sie haben davon gesprochen, daß in stärkerem Umfange auch kleinere und mittlere Unternehmen in diese Forschungsförderung einbezogen werden müssen. Dies ist sicherlich richtig. Sie wissen aber — darauf ist auf der eben bereits erwähnten Veranstaltung der „Meerestechnik" hingewiesen worden —, welch große Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen an diesen Entwicklungen beteiligt ist.
Ich möchte Ihnen eigentlich widersprechen, daß alle Aktivitäten, die in irgendeinem Zusammenhang mit Meerestechnik und Meeresforschung stehen, auch organisatorisch zusammengefaßt werden müßten. Sie haben gefordert, die Polarforschung müsse integriert werden, die Klimaforschung, die Anstrengungen zur Verhütung von Meeresverschmutzung müßten zusammengefaßt werden. Ich meine, dann könnten Sie auch das Stahlprogramm, das Werftprogramm, das Rohstoffprogramm zusammenfassen. Sie könnten eine ganze Reihe von Bereichen organisatorisch in einem Programm zusammenfassen, selbst Teile des Raumfahrtprogramms, wenn Sie Forderungen zur Klimaforschung stellen.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Sie haben doch besser verstanden, als Sie jetzt sagen!)

Wir können davon ausgehen, daß Ansätze und Entwicklungen aus vielen Bereichen wieder rückgeführt werden in die Meerestechnik und dort genutzt werden. Von daher haben wir sicherlich eine breite Skala von Möglichkeiten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817303700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hubrig?

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0817303800
Aber ja.

Dr. Hans Hubrig (CDU):
Rede ID: ID0817303900
Herr Laermann, darf ich fragen, ob Sie mich wirklich mißverstanden haben oder ob das nur ein Irrtum Ihrerseits ist. Ich habe nicht gefordert, sämtliche Aktivitäten sollten zusammengefaßt werden. Wir haben gefordert, daß im BMFT die entsprechenden Abteilungen, die mit Meeresforschung, Meerestechnik, Wasserforschung, Umwelt befaßt sind, koordiniert werden und möglichst in einer Abteilung ihre Spitze finden. Das war unser Petitum.

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0817304000
Ich glaube, ich habe Sie da nicht falsch verstanden, Herr Kollege Hubrig. Sie haben bessere fachliche Abstimmung, bessere Koordinierung und Zusammenfassung in einem Referat gefordert. Sie haben auch die Meerestechnik, die Klimaforschung und die Wasserforschung genannt. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß Sie mit der gleichen Berechtigung fordern könnten, auch andere Bereiche zusammenzuführen.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Wenn es genauso sinnvoll ist!)

Jeder dieser Bereiche ist wichtig, hat auch Ausstrahlungen und Auswirkungen auf andere Bereiche. Wir müssen es aber wohl der Bundesregierung oder dem Forschungsministerium überlassen, wie die Arbeit strukturiert wird. Dies ist nicht unser Problem. Wir sollten uns hier mit dem grundsätzlichen politischen Anliegen auseinandersetzen. Das übrige ist wohl dann bei der Administration in guten Händen.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Ich habe das Gefühl, der Herr Professor ist administrationsgläubig!)

— In gewisser Weise ja, nämlich immer dann, wenn ich den Eindruck habe, daß sie das besser kann als wir, Herr Kollege Pfeffermann.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Davon sollten wir uns dann von Zeit zu Zeit einmal überzeugen!)

— Das geschieht, aber auf sachlichere Art und Weise, als Sie das manchmal vorhaben und zu politisch-demagogischen Zwecken hier vortragen.
Lassen Sie mich noch einige abschließende Bemerkungen zum Problem des Seerechts und der internationalen Seerechtskonferenz machen. Es ist unbestreitbar, daß wir technische Entwicklungen auf diesem Gebiet nicht einsetzen und kommerziell nutzen können, wenn wir nicht zu abschließenden und tragbaren Regelungen kommen.
Nun werden aus Ihren Reihen immer wieder Vorwürfe erhoben. Ich möchte ganz kurz auf zwei wesentliche Punkte eingehen. Die 200-SeemeilenWirtschaftszone ist nun einmal keine Erfindung der 3. Seerechtskonferenz. Die Einrichtung dieser Zonen durch die Küstenstaaten hat vor und außer-



Dr.-Ing. Laermann
halb der Konferenz stattgefunden. Sie geht letztlich auf die Truman-Proklamation der Vereinigten Staaten vom September 1944 zurück, eine Fischereizone und eine Zone im Bereich dés Festlandsockels zu errichten. Ich möchte also wissen, in welcher Weise die Bundesregierung auf diese Entwicklung eigentlich noch dergestalt Einfluß haben kann, daß das, was hier vollzogen ist, wieder aufgelöst wird.
Ich möchte auch feststellen, daß der Bundesregierung keine eklatante Fehleinschätzung der Bedeutung der Seerechtskonferenz vorzuwerfen ist.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Konzeptionslosigkeit!)

Sie hat die deutsche Delegation mit einem von der Regierung erarbeiteten und im Kabinett verabschiedeten Verhandlungsauftrag in die Konferenz entsandt. Herr Kollege Hubrig, genau das, was Sie fordern, ist geschehen. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die Partnerstaaten in der EG, aber auch die übrigen Partner im westlichen Bereich auf dieser Seerechtskonferenz durchaus unterschiedliche Interessen verfolgen. Es dürfte unbestreitbar sein, daß die Bundesregierung, wie schwierig die Situation auch immer sein mag, nicht in der Lage sein wird, sich jetzt gegen sämtliche Partner innerhalb der EG oder auch innerhalb des westlichen Lagers im Alleingang durchzusetzen. Ich glaube, wir müssen die Entwicklung realistischer einschätzen. Das, was sich dort bisher entwickelt hat, ist für uns gewiß unbefriedigend. Es gibt Bemühungen, festzustellen, ob Verbesserungen noch erzielt werden können. Manche sagen ja sehr provozierend, keine Regelung zu haben, sei besser als die jetzt vorgesehene. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob wir in jedem Falle — auch wenn nichts geschieht — am Ende doch die Benachteiligten sein werden. Von daher meine ich, daß es notwendig ist, gerade auf diesem Gebiet zu mehr internationaler Kooperation zu kommen.

(Dr. von Geldern [CDU/CSU] : Eben das haben wir gefordert!)

Die Herstellung einer solchen Kooperation mit Ländern der Dritten Welt dürfte ein erster und wichtiger Schritt auf diesem Gebiet sein.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817304100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Forschung und Technologie — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft — mitberatend — zu überweisen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Pfeffermann, Frau Dr. Walz, Sauter (Epfendorf), Dr. Laufs und der Fraktion der CDU/CSU
Grundlagenforschung in der Bundesrepublik Deutschland
— Drucksache 8/3140
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riesenhuber.

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID0817304200
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über alle Parteien hinweg besteht Einigkeit in einem Punkt: Die Zukunft unseres Landes wird davon abhängen, ob es uns gelingt, Wohlstand auf wissenschaftliche Leistung, auf Forschung und auf Innovation zu gründen. Dieser Notwendigkeit, in der wir übereinstimmen, entspricht die tatsächliche Lage nicht.
In den letzten Jahren stagniert die Forschungsleistung in Deutschland. Sie stagniert in der Wirtschaft. Die Zahlen des Stifterverbandes weisen aus, daß seit 1970 in der Wirtschaft praktisch keine neuen Stellen in der Forschung geschaffen worden sind. Gleichzeitig nimmt der Anteil der defensiven Forschung ständig zu. Die Aufwendungen für Umweltschutz, für Verträglichkeitsprüfungen steigen ständig. Sie sind notwendig und steigern die Qualität unserer Produkte. Aber der Anteil kreativer Forschung nimmt ab.
Der Einsatz in der Grundlagenforschung stagniert. Der Anteil der Grundlagenforschung am Haushalt des Forschungsministers ist in den letzten Jahren ständig gesunken, und zwar von 30,5 °/o im Jahre 1975 auf 26,7 % im Jahre 1979. Die Fortschreibung bis zum Jahre 1982 sieht eine weitere Minderung auf 24,4 % vor.
Die umfassende Vielfalt der Grundlagenforschung, über die wir heute im besonderen diskutieren, wird im wesentlichen von der Max-Planck-Gesellschaft, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie von den Großforschungseinrichtungen getragen.
In der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist die Ablehnungsquote der Anträge von 11,7 °/o im Jahre 1966 auf 34 % im Jahre 1978 gestiegen.

(Dr. Steger [SPD]: Gott sei Dank!)

— Wir sind ganz entschieden der Ansicht, Herr Steger, daß Ablehnungsquoten sein müssen — dies ist eine Auswahl —, wir sind aber ebenso der Ansicht, daß eine zu hohe Ablehnungsquote das Risiko hervorruft, daß gerade die riskanten und zukunftweisenden Projekte, bei denen auch einmal der „große Wurf" gelingen kann, durch das Netz hindurchfallen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Die Max-Planck-Gesellschaft hat seit 1972 bei einem Bestand von über 6 500 Stellen insgesamt nur neun neue Stellen erhalten, abgesehen von den Max-Planck-Instituten für Kohleforschung, Eisen-



Dr. Riesenhuber
forschung und Plasmaphysik, die rechtlich selbständig sind. Bei der Max-Planck-Gesellschaft arbeiten seit Jahren Projektgruppen mit ungewisser Zukunft, die die Gründung eines Instituts rechtfertigen würden. Andere Projektgruppen werden seit Jahren erwogen und nicht gegründet. Die MaxPlanck-Gesellschaft hat trotzdem neue Gebiete aufgreifen können, indem bestehende Institute umstrukturiert, geschlossen oder eingeschränkt worden sind.
Ich möchte festhalten, daß wir diese Einschränkung von bestehenden Instituten — bis zur Schließung — für einen vernünftigen und logischen Schritt im Prozeß eines Forschungsunternehmens ansehen. Wenn aber trotz dieser Schließung nicht mehr die Möglichkeit besteht, in dem Maße neue Gebiete aufzugreifen, in dem es die Wissenschaft selbst für notwendig hält, dann heben wir eine bedrohliche Situation.
Ich möchte hier nicht auf die zahlreichen Zitate eingehen, die man von Professor Lüst aus den vergangenen Jahren, von der Tagung der Nobelpreisträger in Lindau und schließlich von Professor Lämmert, dem alten Rektor der Freien Universität Berlin, einem unverdächtigen Zeugen, vortragen könnte. Sie alle laufen darauf hinaus, daß diese Entwicklung der Grundlagenforschung beängstigend ist.
Im Bereich der Grundlagenforschung ist das Urteil über die Bedeutung von Fachgebieten und über den Wert einer Arbeit nur aus der Auseinandersetzung in der Wissenschaft selbst heraus zu erarbeiten. Es gibt hier keine vorrangig verbindlichen Kriterien von gesellschaftlicher Relevanz oder ökonomischer Bedeutung. Deshalb war der Bundeskanzler nicht gut beraten, als er vor der Max-PlanckGesellschaft erklärte — ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin —:
Es .verletzt keineswegs die Wissenschaftlichkeit der Forschung, wenn der Staat sich in einem gewissen Umfang auch für Themenstellungen interessiert. Dieses Interesse wird auch durch die Tatsache legitimiert, daß die Steuerzahler in Bund und Ländern die Grundlagenforschung finanzieren. Der Staat muß die Ausgaben ständig rechtfertigen gegenüber den Notwendigkeiten und Bedürfnissen in anderen Aufgabenbereichen.
Niemand soll sich über die Wirkung eines solchen Kanzlerworts täuschen. Es verordnet eine Forschungspolitik des möglichst geringen Risikos, der kleinen Schritte; eine Forschungspolitik des populären und verständlichen Mittelmaßes. Das ist vielleicht nicht die Absicht, aber bestimmt die Wirkung dieser Maxime. Die Forderung nach gesellschaftlicher Relevanz ist letzten Endes nichts anderes als eine schamhafte Verbrämung einer Forderung nach politischer Dienstbarkeit und Verwertbarkeit.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Hier sind wir entschieden anderer Ansicht. Die Förderung der Grundlagenforschung durch die öffentliche Hand rechtfertigt sich aus der notwendigen Freiheit der Grundlagenforschung, und nur daher, aus ihrer notwendigen Unabhängigkeit von absehbaren Interessen. Herr Stockleben, wenn Sie den Begriff der Elite ironisierend in die Debatte einbringen, werden wir uns gleich darüber zu unterhalten haben. Ohne Elite ist eine gesunde Forschung überhaupt nicht denkbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur aus dieser Unabhängigkeit der Grundlagenforschung heraus können Sachgebiete erschlossen werden, die ein neues Verständnis für Mensch und Gesellschaft überhaupt ermöglichen, die ein vertiefstes Verständnis der Natur bewirken. Erst in der nächsten Phase kann aus dieser Grundlagenforschung eine angewandte Diskussion entstehen, die sinnvoll ist, über Staat und Gesellschaft, über Innovationen in der Technik, in der Energieverwertung, in der Rohstoffverwertung, in der Kommunikation. Grundlagenforschung selbst hat vorgängig unabhängig und frei zu sein.
Die Bundesregierung hat in den letzten zehn Jahren konsequent den Einfluß des Staates auf den In- halt der Forschung verstärkt.

(Zustimmung des Abg. Dr. Steger [SPD])

— Daß Sie da klatschen, Herr Steger, zeigt nichts anderes, als daß wir in diesem Problem und seinen Grunderkenntnissen meilenweit auseinander sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817304300
Herr Kollege, gestatten Sie gleich eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Steger?

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID0817304400
Bitte sehr.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0817304500
Herr Kollege Riesenhuber, ist Ihnen nicht mittlerweile klar geworden, daß auch die Grundlagenforschung nicht mehr in Einsamkeit und Freiheit eines einzelnen Forschers stattfindet, sondern sie big science geworden ist und demzufolge eine entsprechende politische Verantwortung mitzutragen hat?

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID0817304600
Ich bin der Ansicht, daß jeder Forscher — wie jeder Bürger — eine erhebliche Verantwortung für unseren Staat und unsere Gesellschaft zu tragen hat. Ich bin aber nicht der Ansicht, daß es Aufgabe des Staates ist, durch Auswahl und Vorschreiben der Projekte ihm diese Verantwortung abzunehmen. Dies wäre genau gegen Ihren eigenen Grundansatz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesregierung hat in allen ihren Forschungshaushalten als großen Wachstumsbereich nichts anderes als die Projektförderung selbst. Dies gilt auch für die Großforschungseinrichtungen, die ursprünglich für die Grundlagenforschung in ihrem umfassenden Sinn gegründet worden sind. Dem Rückgang der Anteile der Grundlagenforschung am Gesamthaushalt des Forschungsministers entspricht



Dr. Riesenhuber
auf der anderen Seite die Zurückdrängung der indirekten Forschungsförderung in der Wirtschaft.

(Dr. Steger [SPD]: Das ist sehr gut!)

Noch stärker als seine Vorgänger setzt Minister Hauff die staatliche Forschung bewußt als Lenkungsinstrument ein. Die Investitionen sind in seinem Haushalt ständig gestiegen. Damit ist — ich nehmen mit Interesse zur Kenntnis, Herr Steger, daß Sie es begrüßen — das Gewicht der Bürokratie gewachsen, und zwar auf Kosten einerseits der möglichen Entscheidung des Marktes, andererseits auf Kosten einer rationalen Diskussion in der Wissenschaft, die selbst ihre eigenen Urteile über die Ergebnisse ihrer Arbeit erarbeiten will. Wenn Sie dies für richtig halten, dann machen Sie konsequente Politik; wenn Sie das für falsch halten, sind Sie auf einem Irrweg. Wir halten es für falsch.

(Dr. Steger [SPD]: Wir machen die richtige Politik!)

Meine Damen und Herren, Spitzenleistungen, wie sie in den 20er Jahren die unbestrittene Weltgeltung der deutschen Wissenschaft ausgemacht haben, sind selten geworden. Wir kennen natürlich die Schwierigkeit eines internationalen Vergleichs. Die Lizenzbilanz der Patente ist nicht leicht zu bereinigen. Die Zitierhäufigkeit in Fachschriften ist begrenzt aussagefähig. Wenn man aber insgesamt betrachtet, wie die Wissenschaft selbst die Situation beurteilt, so stellt etwa Professor Maier-Leibnitz fest, daß nur in wenigen Fachgebieten Forschungsgruppen in den USA glauben, auf Ergebnisse deutscher Forschungsteams nicht verzichten zu können. Dies war einmal umgekehrt. Das ist ein Hinweis darauf, daß wir jetzt schon in der Grundlagenforschung die Leistungen verfehlen könnten, die allein langfristig einen Beitrag zu einer kraftvollen partnerschaftlichen Beziehung unseres Landes zu den anderen Völkern in der internationalen Zusammenarbeit gewährleisten.
Vor diesem Hintergrund haben wir unseren Antrag gestellt. Wir gehen nicht davon aus — vielleicht im Gegensatz zu anderen —, daß Politik hervorragende Wissenschaft verordnen oder erzwingen kann; aber die Politik muß bessere Rahmenbedingungen schaffen, in denen Wissenschaft und wissenschaftliche Forschung gedeihen können. Wir gehen von unserer föderalistischen Ordnung aus, die in der Vielfalt der Bundesländer ein Stück der Vitalität unseres kulturellen Lebens ausmacht. Deshalb beantragen wir, daß die Fragen in Verhandlungen zwischen Bund und Ländern geklärt werden. Nur gemeinsam können die Aufgaben angegangen werden. Das soll und darf aber den Bund nicht veranlassen, sich in Bereichen, in denen er selbst agieren kann — etwa bei der Zuweisung von Sonderfinanzierungen an die Max-Planck-Gesellschaft —, zurückzuhalten. Dies ist möglich und ist bisher am Einspruch des Bundesfinanzministers gescheitert.
Wir sehen insbesondere drei Bereiche, in denen die Politik Rahmenbedingungen setzen kann, die die Wissenschaft nicht beengen, sondern ihre Selbstorganisationskraft stärken und sich auf ihre
Arbeit ermutigend auswirken. Das ist — erstens — die Finanzierung und Ausstattung, das ist — zweitens — die Eröffnung attraktiver Lebenschancen, insbesondere für junge Wissenschaftler, und das ist — drittens — die Schaffung eines forschungsfreundlichen Klimas. Alle drei Bereiche gehören zusammen.
Zum ersten: Grundlagenforschung soll soweit wie möglich auf direkte Projektförderung verzichten. Ihr Schwergewicht liegt im Aufbau gut ausgestatteter Forschungsinstitute, in der Stärkung der Selbstverwaltung der Wissenschaft. Die Finanzierung in den vergleichsweise kleinen Größenordnungen, um die es sich hier handelt — wir sprechen über wenige Prozente beim Haushalt des Forschungsministers —, sollte das entscheidende Problem nicht sein; denn dies ist ein Schlüsselbereich. Die seitherigen Planungen des Bundes für die kommenden Jahre sind restriktiv. Sie sehen für das Jahr 1980 für die Max-Planck-Gesellschaft einen realen Zuwachs von genau 1,8 °% vor, für 1981 und 1982 eine reale Abnahme um 1,8 bzw. 0,6 %.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Das erlaubt nicht einmal eine vernünftige Ausweitung der bestehenden Gebiete, geschweige denn die Aufnahme der neuen Gebiete, über die wir gesprochen haben.
Zum zweiten: Wir haben über Jahre in allen Bundesländern die Bildungschancen der Jugend erweitert. Die steigenden Zahlen der Abiturienten wurden jährlich als Erfolgsmeldungen verkündet. Heute haben wir dafür die Verantwortung, daß die jungen Menschen, die nach einem Schulstreß und Leistungsdruck ohnegleichen jetzt in die Hochschule oder den Beruf eintreten wollen, dort auch die entsprechenden Arbeits- und Lebenschancen vorfinden. Was sie vorfinden, ist nicht eine Gesellschaft, die ihre Leistungsbereitschaft begrüßt, die ihre Ausbildung honoriert, die den Beitrag aller zur Arbeit einfordert; was sie finden, ist vielmehr eine Gesellschaft, in der die Chancen verteilt und die Positionen besetzt sind — in Hochschulen, im Staatsdienst und in der Wirtschaft.
Hier schlagen wir keine Patentrezepte vor. Das Heisenberg-Programm, das wir beantragt haben, war ein guter Beginn.
Wir gehen auch nicht davon aus, daß dramatische Wachstumsraten möglich sind. Dies würde die Wissenschaft selbst nicht verkraften. Aber eine Wachstumsrate um 1 % oder ein bißchen mehr bei der Max-Planck-Gesellschaft und entsprechend bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft wäre ein Beginn und wäre etwas anderes als die geschlossenen Stellenpläne, vor denen wir jetzt stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir gehen davon aus, daß wir auch qualitativ das Studium und die wissenschaftliche Arbeit im Ausland wieder attraktiver machen müssen. Das ist nicht eine Frage von höherdotierten Stipendien, und das ist auch nicht eine Frage von finanziellen Möglichkeiten kurzfristiger Natur, sondern es geht darum, daß diejenigen, die aus dem Ausland zu-



Dr. Riesenhuber
rückkehren, hier bei ihrer Rückkehr Arbeits- und Lebenschancen vorfinden, in denen sich ihre Erfahrungen aus dem Ausland sinnvoll und fruchtbar verwenden lassen, und daß sie nicht aus den Möglichkeiten der Arbeit im Land herausfallen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wissen selbstverständlich, daß eines der Grundstrukturprobleme unserer Gesellschaft ist, daß die Bereiche Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft, Politik jeweils gegeneinander abgeschottet sind. Wir wissen, daß die Übergänge zwischen diesen Bereichen für die Zukunft unserer Gesellschaft lebenswichtig sein werden. Die Entscheidungen an den verantwortlichen Positionen dieser komplexen Gesellschaft können richtig überhaupt nur fallen, wenn aus der eigenen konkreten Erfahrung in den verschiedenen Lebensbereichen vernünftige Entscheidungsgrundlagen geschaffen werden, die umfassend genug sind.
Das Problem ist seit langem erkannt. Wir sehen die mangelnde Mobilität und die abgeschotteten Lebensbereiche. Ich weiß nicht, ob es eine sehr glückliche Entwicklung ist, wenn ein Wissenschaftler sein Leben lang Wissenschaftler, ein Wirtschaftler sein Leben lang Wirtschaftler und künftig vielleicht auch ein Politiker sein Leben lang Politiker ist. Hier liegt ein Kernproblem unserer Forschung und unserer Gesellschaft.
Bisher ist nicht zu erkennen, daß das Forschungsministerium in dieser Hinsicht erfolgreich gewesen wäre, obwohl manche Versuche unternommen worden sind.
Drittens komme ich zu dem forschungsfreundlichen Klima. Es ist wohl die schwierigste Aufgabe, hierauf einzuwirken. Denn dieses Klima entsteht ja nicht dadurch, daß man das Richtige umfassend tut, sondern dadurch, daß man das Falsche umfassend unterläßt. Das ist bei dem Aktivismus, der hier sehr häufig in der Politik entwickelt wird, eine sehr schwierige Sache. Bei allem Willen zur Arbeit im Team ist es erforderlich, hervorragende Leistungen herauszustellen. Eine hervorragende Forscherpersönlichkeit muß hervorragende Arbeitsbedingungen haben. Es ist erforderlich, daß der Begriff „Elite", Herr Steger, nicht mit Anmaßung und Arroganz zusammengebracht, sondern als eine notwendige Funktion und Dienstleistung gegenüber unserer Gesellschaft verstanden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hierzu legen wir Ihnen im einzelnen Vorschläge vor. Die Zeit erlaubt es mir nicht, sie detailliert zu erläutern.
Grundsätzlich läßt sich aber folgendes sagen. Je offener die Möglichkeiten für die Forschung selbst sind, je offener die Möglichkeiten sind, daß .der einzelne sein Arbeitsgebiet aus eigenem Wissen und eigener Verantwortung wählt, nicht programmiert durch Projektaufträge, um so unmittelbarer sind seine Verantwortung und die Freude an seiner Arbeit.
Auch hier stellt sich die entscheidende Frager ob wir langfristig eine Gesellschaft wollen, in der einzelne mit Zuversicht und Verantwortlichkeit und mit Freude an der Herausforderung arbeitet, oder eine verwaltete Gesellschaft begrenzter Pflichterfüllung, die die Zukunft zunehmend pessimistisch prognostiziert, statt sie zu gestalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Freiheit der Forschung in unserer bundesstaatlichen Ordnung in einem verläßlichen und vernünftigen staatlichen Rahmen — das ist die Voraussetzung für eine offene Zukunft. Der Weg der Bundesregierung ist der Weg in eine verwaltete Welt, auch in der Wissenschaft. Es könnte zur Umkehr zu spät sein, wenn die Folgen eines solchen Weges für jedermann offensichtlich geworden sind.
Wir bitten um Überweisung an die Ausschüsse.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817304700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoffmann (Saarbrücken).

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0817304800
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag zur Grundlagenforschung, den Sie hier soeben vorgelegt haben, ist für uns in etlichen Details durchaus akzeptabel, beispielsweise wenn es um die Frage der geforderten personellen Mobilität zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung geht. Wir stimmen weiterhin zu, wenn Sie sagen: Wir müssen eine kontinuierliche Förderung der Grundlagenforschung unter Erhöhung der hierfür zur Verfügung zu stellenden Mittel betreiben. Das deckt sich mit unseren Intentionen. Wenn Sie die Haushalte durchlesen, werden Sie das feststellen.
Nun eine Randbemerkung zu Ihren Zahlen. Es ist nicht seriös, wenn Sie die Zahlen der Grundlagenforschung an den Zuwachsraten eines einzigen Instituts festmachen wollen. Man muß schon ein bißchen intensiver in das Zahlenmaterial Einblick nehmen.
Weil ich der Auffassung bin, daß wir in vielen Kleinigkeiten übereinstimmen, möchte ich Ihnen vier Fragenkomplexe vortragen, bei denen ich meine, daß dort einiges sehr, sehr Schwarzes durchschimmert:
1. Ist Grundlagenforschung streng von direkter Projektförderung zu trennen?
2. Ist Grundlagenforschung unabhängig von der gesellschaftlichen Bedeutung und Wirksamkeit zu betreiben?
3. Ist der Hebel zum Ausbau der Grundlagenforschung in der individuellen Elitenförderung zu finden?
4. Wen trifft eigentlich der Vorwurf der Vernachlässigung der Grundlagenforschung?
Zum ersten Fragenkomplex: Ist Grundlagenforschung von direkter Projektförderung eigentlich trennbar? Ich meine, eigentlich ist das eine ausgestandene Diskussion. Herr Steger hat in seiner Zwi-



Hoffmann (Saarbrücken)

schenfrage schon darauf hingewiesen. Es ist doch praktisch überhaupt nicht mehr möglich, zwischen der Grundlagenforschung auf der einen und der projektbezogenen Forschung auf der anderen Seite, die nach Ihrer Auffassung mit der Grundlage eigentlich nicht mehr sehr viel zu tun hat, schön säuberlich zu trennen. Das wäre doch ein völlig irreales Verständnis von Wissenschaftsprozeß;

(Dr. Steger [SPD] : Sehr richtig!)

der ist doch viel komplexer. Der fängt doch mindestens an mit Problemstellung und Erkenntnisinteresse. Der geht weiter über grundlegende Aufarbeitung des Problems, die Erarbeitung des wissenschaftlichen Instrumentariums, die Vereinbarkeit der Thesen und Axiome mit dem Wissensstand verwandter Wissenschaftszweige, über das Umsetzen und Überprüfen am Projekt und schließlich — ein ganz bedeutender Punkt — bis zum Erfassen der gesellschaftlichen Voraussetzungen und der entsprechenden Folgen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich bin der Auffassung, daß Sie also eine reine Trennung zwischen Grundlagenforschung und Projektforschung gar nicht vornehmen können, weil Sie sonst diese Zusammenhänge auflösen.
Nun zu dem zweiten von mir aufgeworfenen Fragenkomplex: Ist die Grundlagenforschung ohne gesellschaftliche Relevanz? In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst einmal ein Zitat aus der Begründung Ihres Antrags hier vortragen. Es heißt dort:
Das Konzept der Bundesregierung, Forschungspolitik als dienenden Teil der aktuellen Gesellschaftspolitik einzusetzen, hat sich als schädlich erwiesen. Schädlich ist das Diktat der ,gesellschaftlichen Relevanz' als Kriterium der Prioritätenfindung.
Wenn ich einen solchen Satz lese, frage ich mich, welches Wissenschaftsverständnis Sie haben. Das Wissenschaftsverständnis, das aus diesem Zitat hervorleuchtet, läßt sich in die Position zusammenfassen: Grundlagenforschung ist sozusagen wertneutral, also soll sie gefördert werden, und die Projektforschung ist eine ganz schlimme Art der Investitionslenkung; deshalb muß sie verringert werden.
Ein solches Wissenschaftsverständnis ist seit der Diskussion der 30er Jahre — ich will Sie nur daran erinnern, daß es diese Diskussion mit Myrdal längst gegeben hat — längst überholt. Deshalb ist festzustellen: Jede Wissenschaft, auch die Grundlagenforschung, ist selbstverständlich wertgebunden. Sie ist es beispielsweise schon allein deshalb, weil ein Erkenntnisinteresse formuliert werden muß. Sie ist es deshalb, weil Sie ein Forschungsobjekt auswählen und sich Gedanken darüber machen müssen, welche Methode Sie wählen. Sie ist es deshalb, weil sie eine Interpretation der Ergebnisse vornehmen müssen. Und sie ist es auch, weil Voraussetzungen und Folgen bei der Umsetzung des Erforschten in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu beobachten sind.
Das heißt: Wenn Sie diese Punkte zusammen nehmen, dann ist es doch völlig klar, daß von einer Wertneutralität oder einer völlig abstrakten, sogenannten freien Forschungssituation gar keine Rede sein kann. Natürlich wollen wir so viel Bewegungsfreiheit und Kreativitätsentfaltung wie irgend möglich. Aber wir können doch nicht so tun, als würde der Wissenschaftsbegriff außerhalb der Gesellschaft stehen; das kann doch einfach nicht wahr sein. Dies wird, finde ich, auch ganz besonders deutlich, wenn man die Förderinteressen derjenigen im Blick hat, die die Mittel für Infrastrukturmaßnahmen oder sonstige Investitionen aufzubringen haben. Allein schon daran können Sie erkennen, daß Grundlagenforschung immer auch von gesellschaftlicher Relevanz ist.
Ich komme zu meinem dritten Fragenbereich, nämlich der Elitenförderung als wesentlichen Hebel. Wenn man das, was Sie dazu vorhin gesagt haben — Sie haben auf ein paar Einwürfe hinsichtlich des Elitebegriffs etwas allergisch reagiert einmal kritisch betrachtet, dann ist das nach meiner Auffassung ungefähr so, wie wenn wir sagen: Wir Akademiker unter uns unterhalten uns jetzt einmal über Wissenschaft. Das kann zwar eine sehr intellektuelle Diskussion sein, nur: mit der gesellschaftlichen Wirksamkeit von Wissenschaft hat sie meistens sehr, sehr wenig zu tun.
Es ist ein zweifach elitäres Verständnis, das Sie dabei haben. Das erste ist genereller Art. Ich darf auch hier zunächst einmal aus der Begründung Ihres Antrags zitieren. Es heißt dort:
Grundlagenforschung erwächst auch ... aus einem ganz ursprünglichen Drang von Neugier, Entdeckungsfreude und Schönheitsempfinden, wenn etwa mathematische Strukturen die Wirklichkeit überprüfbar abbilden.
Ein solches Zitat erinnert mich an ein in der Literatur sehr bekanntes Modell, die Modellschreinerei. Da stellt man eine Formel auf, eine mathematische Größe, und meint, man könne damit die komplexe gesellschaftliche Realität so aussagekräftig abbilden, daß politische Entscheidungen in diesem Bereich keine Rolle mehr spielen. Das ist ein völlig absurdes Wissenschaftsverständnis.
Der zweite Teil Ihres zweifach elitären Wissenschaftsverständnisses ist nach meiner Auffassung der, daß Sie ein sehr elitäres Verständnis von der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Wissenschaftlers haben. Ich will zwar nicht in Frage stellen, daß es dort hervorragende Kapazitäten gibt, aber ich stelle in Frage, daß der Wissenschaftsprozeß heute nur auf individueller Leistung beruht; er ist ja viel komplexer. Er heißt beispielsweise, daß diese Wissenschaftsleistung im Team erbracht wird. Er heißt, daß dazu materielle Voraussetzungen notwendig sind, daß eine öffentliche Infrastruktur für Wissenschaft vorhanden sein muß, daß es Investitionen aus dem öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bereich gibt. Wenn ich diesen letzten Bereich herausgreife, nämlich den der Investitionen, die aus dem privatwirtschaftlichen Bereich kommen, dann läßt sich auch hier der



Hoffmann (Saarbrücken)

gesellschaftliche Bezug feststellen, nämlich der, daß diese Investitionen doch nur möglich sind als Ergebnis eines wirtschaftlich organisierten Arbeitsprozesses. Allein schon von dort her ergibt sich die verbindliche Erklärung, daß es hier nicht nur um die individuelle Leistungsfähigkeit, sondern um die Organisierung eines gesamten Prozesses geht.
Meine Damen und Herren, so wichtige Persönlichkeiten wie Newton, Kepler oder Galilei bestimmen' eben heute nicht mehr signifikant den Wissenschaftsprozeß. Sie haben damals Wesentliches verändert und Wesentliches in Gang gesetzt. Heute ist Wissenschaft ein komplexer Prozeß von Ausbildung, von Bildungschancen, von Infrastrukturen, von Investitionen.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Ohne persönliche Leistung, oder?)

— Natürlich ist da eine hohe persönliche Leistung drin. Das habe ich doch vorhin gesagt; das versteht sich sozusagen als Komponente. Sie können aus einem Team, wo die einzelnen nichts können, kein funktionierendes Team machen. Das ist doch ganz klar. Ein Team kann nicht besser sein, wenn alle nur schlecht arbeiten. Das versteht sich von selbst.
Ich möchte das deshalb dahin zusammenfassen, daß die Ausschöpfung des wissenschaftlichen Potentials eigentlich nicht darin liegt, daß wir jetzt eine sehr enge Elitenförderung betreiben, wie Sie sie angesprochen haben, sondern das Problem reicht doch viel, viel weiter. Die Ausschöpfung unserer wissenschaftlichen Kreativität, all dieser Möglichkeiten ist doch nur dann gegeben, wenn unser Bildungssystem so weit entwickelt wird, daß, volle Chancengleichheit gewährt ist, daß eine Förderung bisher benachteiligter sozialer Gruppen geschieht, daß die Verbesserung der universitären Forschungsbedingungen erreicht wird und daß schließlich gesellschaftlich — und darunter verstehe ich nicht „parteipolitisch" — verantwortliche Forschungsinvestitionen getätigt werden.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Was ist das, „verantwortlich" ? Können Sie das sagen?)

— Ich versuche, das sehr kurz zu erklären.. Wenn Sie genau hinhören, werden Sie das sehr schnell feststellen. Für mich ist das keine parteipolitische Frage, sondern es ist eine logische Frage von Wissenschaftsverständnis. Deshalb bin ich davon ausgegangen, daß das eigentlich auch in Ihren Reihen nicht so ganz unumstritten ist.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Wer entscheidet? Die Bundesregierung?)

— Welche öffentlichen Investitionen in diesem Bereich getätigt werden, ist doch nicht eine Entscheidung der Bundesregierung, sondern eine des Parlaments. Das versteht sich doch von selbst. Es ist doch auch völlig klar, daß die Bundesregierung aufgefordert ist, Vorlagen zu machen, und dann haben wir dazu Stellung zu beziehen, genauso wie Sie beispielsweise jetzt zu dem vorgelegten Haushalt Stellung nehmen müssen, was Sie ja auch tun.
Dazu komme ich gleich noch. Da wird etwas ganz Interessantes herauskommen.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Das heißt, die Parlamentsmehrheit soll die Grundlagenforschung bestimmen!)

— Das ist wirklich ein etwas naiver Einwurf. Mir geht es darum festzustellen, ob Sie zu Ihrem eigenen Papier konsequent sind.

(Dr. Steger [SPD]: Politische Nostalgiewelle!)

Lassen Sie mich kurz zum vierten Fragenkomplex kommen: Wer ist denn eigentlich verantwortlich für eine etwaige Vernachlässigung der Grundlagenforschung? Es muß doch zuerst einmal festgestellt werden, daß ein erheblicher Teil der Grundlagenforschung im universitären Bereich läuft, und dieser universitäre Bereich liegt zuerst einmal innerhalb der Hoheit der Länder. Das heißt: wenn Sie hier große Worte verlieren, müssen Sie sich zuerst einmal an dieser Stelle auseinandersetzen mit der jeweiligen Forschungspolitik und den entsprechenden Ausgaben, die über die Länderhaushalte erfolgen. Wir werden Sie darin unterstützen; denn wir sind der Meinung, daß es hier eine stetige Weiterentwicklung und Förderung geben muß.
Zweitens möchte ich Sie auffordern, den Wissenschaftsbericht der Bundesregierung zu analysieren. Wenn Sie das tun, stellen Sie fest, daß es einen erheblichen Anteil der Grundlagenforschung gibt. Je nachdem, wie Sie das interpretieren — ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß dieser Begriff nicht so schön abgrenzbar ist —, können Sie durchaus feststellen, daß 40 bis 60 °/o der Bundesausgaben für Forschung und Entwicklung den Bereich der Grundlagenforschung betreffen.
Schließlich — und jetzt komme ich an den Punkt, wo Ihre Zwischenrufe sehr interessant waren —: Wie sieht es . denn eigentlich mit dem Haushaltsentwurf für 1980 aus? Wir werden uns darüber bei den Haushaltsberatungen noch genauer unterhalten können. Aber Sie haben schon einige sehr interessante Streichungsvorschläge vorgesehen, und deshalb greife ich einmal drei kleine Komplexe heraus.
Erster Komplex: Wie steht es denn eigentlich mit der Vorstellung von Herrn Strauß, daß die Airbus-Finanzhilfen nicht zurückzuzahlen sind? Ist das denn nicht eigentlich eine ausgesprochen projektbezogene Förderung, die dort stattfindet, und widerspricht das nicht genau dem, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben? Gerade hier müßten Sie uns doch zustimmen und sagen: Laßt uns diese Gelder wieder zurückzahlen, damit sie in anderer Weise in der Grundlagenforschung oder für entsprechende Projekte verwandt werden können.
Zweiter Bereich.

(Abg. Lenzer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Lassen Sie mich das gerade noch ausführen.
Ich habe gehört, daß Sie eine Kürzung im Bereich Humanisierung der Arbeit vorschlagen werden, und zwar in Höhe von 18 Millionen DM. Wenn sich das bewahrheiten sollte, möchte ich Sie



Hoffmann (Saarbrücken)

darauf aufmerksam machen, daß die Humanisierung der Arbeitswelt ein ganz wesentlicher Grundlagenbereich ist; in dem selbstverständlich an Projekten orientiert gearbeitet werden muß. Aber er ist ein Grundlagenbereich. Deshalb bin ich der Auffassung, daß Sie gerade hier eine im Verhältnis zu den Forderungen Ihres Papiers völlig unlogische Kürzung vornehmen wollen. Das ist nur ein Hinweis; daß Sie da unlogisch handeln.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU] : So kann man das auch mißverstehen!)

Bitte schön, Ihre Zwischenfrage.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817304900
Herr Kollege Lenzer, bitte, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.

Christian Lenzer (CDU):
Rede ID: ID0817305000
Herr Kollege, Sie haben die Airbus-Frage angesprochen: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sich bei diesem Komplex staatlicher Finanzhilfen nicht in erster Linie um Unterstützung von Technologieentwicklung handelt, sondern um die Schaffung ausgewogener Wettbewerbsverhältnisse geht, weil die Mitkonkurrenten, etwa aus den Vereinigten Staaten, mit Konditionen auf dem Markt erscheinen, die eine europäische — ich sage ausdrücklich nicht nur: deutsche — Entwicklung völlig chancenlos lassen würden?

(Dr. Steger [SPD] : Ein Vorwand für eine Subvention!)


Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0817305100
Ich hätte aus meinem Diskussionsbeitrag etwas anderes herausgehört. Das, was Sie sagen, stimmt sicher. Es heißt aber, diese Gelder — und so war auch letztens noch einmal die Begründung für ihre Nichtrückzahlung — seien im wesentlichen notwendig, um Techniken, die man bis heute noch nicht voll im Griff habe, weiterzuentwickeln. Gerade beim Airbus würden sie für weitere Modelle und für weitere Entwicklungen gebraucht werden. Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, in welchem Einzelhaushalt das untergebracht werden soll. Wir haben das hier vielmehr von dieser Grundsatzposition zu beurteilen.
Ich komme zu dem letzten Bereich, den ich ansprechen wollte, einem dritten Widerspruch, der aus Ihrem Papier hervorgeht. Sie haben vorhin in Ihrer Rede gesagt — das steht im Papier nicht so drin —, daß hier bestimmte marktwirksame Elemente gestört werden könnten. Nun frage ich Sie einmal: Wie sollen wir zukunftsorientierte Entwicklungspolitik im Energiebereich betreiben, wenn wir nicht zur Kenntnis nehmen, daß der Markt an dieser Stelle gar nicht funktioniert?
Es ist doch offensichtlich so, daß die Forschungen, auch die projektorientierten, die hier mit Finanzierung des Bundes betrieben werden, doch nur deshalb notwendig sind, weil die Marktteilnehmer nicht ausreichend vorausschauend sind, um das von selbst zu erledigen. Wenn das längst sozusagen fein gesteuert wäre, bräuchten wir diese konkreten projektbezogenen Forschungsausgaben gar
nicht zu tätigen und uns nicht darüber zu unterhalten, ob wir in diesem Bereich viel Geld investieren müssen. Ich finde also, daß das, was Sie gesagt haben, sehr unlogisch ist. Ich habe den Eindruck, daß Sie das eigentlich auch wissen; denn Sie ziehen sich nachher auf ein ganz allgemeines Argument zurück, das ich in seiner Qualität gar nicht klassifizieren kann. Wenn Sie nämlich nicht mehr wissen, was für ein Argument Sie noch nehmen sollen, dann argumentieren Sie plötzlich mit dem nicht vorhandenen positiven Forschungsklima. Das ist so ein Begriff, den man auf alles anwenden kann: Das Klima im allgemeinen unter der besonderen Berücksichtigung des Speziellen. Für mich ist völlig ungreifbar, was Sie damit machen wollen.
Ich möchte zum Schluß unsere Positionen, die Positionen der SPD-Fraktion, kurz zusammenfassen:
Erstens. Wir halten die Grundlagenforschung für einen wichtigen Förderungsbereich, dessen Förderungsvolumen es weiter zu steigern gilt.
Zweitens. Wir fordern die Bundesregierung auf, in Verhandlungen mit den Ländern — ich erinnere noch einmal an das, was ich über Kulturhoheit gesagt habe — durchzusetzen, daß die Mittel für die Grundlagenforschung langfristig stärker steigen und daß eine bessere regionale Ausgewogenheit erreicht wird.
Drittens. Wir bestehen auf der Erkenntnis und der politischen Bewertung, daß Wissenschaft immer auch gesellschaftliche Verantwortung bedeutet.
Viertens. Wir stimmen der Überweisung des Antrags zu.

(Beifall. bei der SPD und der FDP)



Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817305200
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laermann.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Der Arme, der muß schon wieder reden! — Lenzer [CDU/ CSU] : Alleinunterhalter!)


Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0817305300
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Riesenhuber, ich habe mich eigentlich gewundert — ich hatte bisher immer angenommen, daß Sie die Dinge in einem größeren Zusammenhang sehen. Deswegen war ich etwas überrascht, daß Ihr einziges Zielobjekt offenbar der Forschungsminister ist. Dabei sind wir uns doch auf Grund der Debatten, die wir im Ausschuß zu führen versucht haben, im klaren darüber, daß wir das Thema Forschung in einen größeren Zusammenhang stellen und z. B. unter Einbeziehung des Bereichs Bildung und Wissenschaft und der Bereiche anderer Ressorts behandeln müssen. Aber Ihr besonderes Zielobjekt scheint das BMFT zu sein.
Nun kenne ich ja auch Ihre Liebe zu intellektuellen Wortspielereien, aber ich habe den Eindruck, daß Ihnen Ihre Liebe da im Augenblick etwas durchgaloppiert ist; dies aber nur als eine persönliche Bemerkung.



Dr.-Ing. Laermann
Außerdem meine ich, daß Grundlagenforschung nicht nur auf die Max-Planck-Gesellschaft bezogen ist. Das besondere Anliegen ist mir sehr wohl bekannt, aber ich glaube, wir sollten den Begriff „Grundlagenforschung" etwas weiter fassen,

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Deutsche Forschungsgemeinschaft!)

wie ich überhaupt den Eindruck habe, daß wir uns, wenn wir über diesen Bereich reden, erst einmal um eine allgemeinverbindliche Definition bemühen sollten; da fangen, wenn ich die beiden Beiträge eben gehört habe,

(Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Ja, nach der Rede von Herrn Hoffmann ist das auch dringend notwendig!)

meines Erachtens die Schwierigkeiten an.
Grundsätzlich möchte ich feststellen, daß wir den Einstieg in eine prinzipielle politische Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Forschung begrüßen. Ich meine aber, daß wir uns dabei nicht auf die Grundlagenforschung beschränken können, denn wir müssen sie in den Gesamtzusammenhang von Wissenschaft und Forschung stellen, und wir müssen diese Auseinandersetzung auch mit aller Angemessenheit und aller Tiefe, die der Forschungspolitik zukommt, führen. Ich möchte davor warnen, daß wir uns hier in politische Oberflächlichkeiten begeben; dies ist schädlich für die Forschung.
Ich stimme mit vielen grundsätzlichen Aussagen des Antrags der Opposition durchaus überein, möchte aber gleichzeitig feststellen, daß — und das bedrückt mich bei der Diskussion heute morgen etwas — die ganze Diskussion zu negativ läuft. Ich möchte mit allem Nachdruck versuchen, diesen Eindruck abzuwehren, den Eindruck, als ob diese Grundsätze, die da formuliert worden sind, nicht schon bisher weitestgehend in die praktische Politik der Bundesregierung Eingang gefunden hätten. Und insoweit wird diese Politik der Bundesregierung auch von der FDP-Fraktion gestützt.
Ich möchte hier auch nicht versäumen, doch den Wissenschaftlern, den in der Wissenschaft Tätigen Dank und Anerkennung zu zollen, denn wir haben es hier mit hervorragenden Leistungen zu tun. Nun mag hier heute morgen beklagt worden sein, es wäre zu wenig für die Grundlagenforschung getan worden, und man hätte zehn Jahre versäumt. Hier kann ich Ihren Formulierungen, verehrte Kollegen von der Opposition, nun überhaupt nicht zustimmen; den Vorwurf, den Sie da erheben, muß man zurückweisen.
Ich möchte an dieser Stelle auf das hinweisen, was in den letzten Tagen in der „International Herald Tribune", aber auch in „Science" und in anderen internationalen Publikationen, die sicherlich — darüber sind wir uns bestimmt einig — parteipolitisch unverdächtig sind, nachzulesen war. Dort wird — in einem Falle mit besonderem Bezug auf DESY — festgestellt, daß der Bundesrepublik die Rückkehr zur Spitzenposition, der Anschluß an die Spitzenposition, die Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg besetzt hatte, nun gelungen ist. Dies zeigt sehr deutlich, daß Ihr Vorwurf, daß hier in den letzten zehn Jahren die Grundlagenforschung vernachlässigt worden wäre, doch, von den Ergebnissen her gesehen, überhaupt nicht haltbar ist.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Ein DESY und eine PETRA machen noch keinen Sommer! — Lenzer [CDU/CSU] : Das ist doch nur eine Momentaufnahme!)

— Ich sehe dies überhaupt nicht so. So einfach kann man das wohl nicht abwehren. Hier kann es sich nicht um eine Momentaufnahme handeln, denn wir sind uns sicher darüber einig, daß Ergebnisse von Grundlagenforschung und Beurteilungen dieser Ergebnisse nicht Gegenstand einer Momentaufnahme sein können; dies sind vielmehr langjährige Entwicklungen.

(Zustimmung bei der FDP)

So etwas können Sie nicht von heute auf morgen aus dem Boden zaubern.
Ich sehe eine weitere Schwierigkeit in der Diskussion, und zwar das Problem der Abgrenzung der Grundlagenforschung. Ich weiß nicht, wie man aus den Haushaltsansätzen des Einzelplans 30 — denn der ist wohl eigentlich angesprochen — glaubt ableiten zu können, daß in der Grundlagenforschung zuwenig getan worden wäre. Sie müssen davon ausgehen, daß auch in der Projektförderung und in der Behandlung von Projekten im Forschungsbereich ein nicht darstellbar hoher Anteil an Grundlagenforschung enthalten ist. Ich sehe ganz erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn Sie sagen: Für die Grundlagenforschung ist im Haushalt prozentual nur soundso viel ausgewiesen. Ich halte das nicht für machbar, denn genauso, wie in der Projektforschung ein großer Anteil von Grundlagenforschung enthalten sein muß, ist notwendigerweise auch in der Grundlagenforschung ein großer Anteil an angewandter Forschung enthalten. Das läßt sich sehr leicht feststellen.
Lassen Sie mich auch dies noch einmal betonen: Ich meine, daß die Grundlagenforschung eine sehr wichtige Voraussetzung für die Sicherung der Zukunft unseres Landes ist. Die Ergebnisse von Grundlagenforschung sind umsetzbar in angewandte Forschung, sind Grundlagen für Technik, Wirtschaftsstruktur, für Wirtschaftswachstum und bedeuten Sicherung der Lebensbedingungen in unserem Lande für die Zukunft. Das wollen wir deutlich feststellen.
Aber dies alles kann nur unter langfristigen Aspekten gesehen werden. Technische Entwicklungen, aber auch die kulturellen, die gesellschaftlichen und die sozialen Entwicklungen, ihre Umsetzungen in die Lebens- und Wirtschaftsabläufe basieren vielfach auf grundlegenden Erkenntnissen aus dem Bereich der Grundlagenforschung, die 50 Jahre, ja bis zu 100 und mehr Jahre zurückliegen. Von daher muß die Forschung im Grundlagenbereich sich frei entfalten können. Sie muß auch weitgehend von politischen Vorgaben und Restriktionen frei sein. Denn eine Bewertung der Erkenntnisse und Ergebnisse, Herr Kollege Hoff-



Dr.-Ing. Laermann
mann, muß oft kommenden Generationen vorbehalten werden. Ich würde es für eine Anmaßung halten, wenn wir aus dem Parlament heraus anträten, Ergebnisse der Grundlagenforschung schon heute auf ihre Bedeutung für die Gesellschaft und die Wirtschaft zu beurteilen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Aber dies setzt voraus, daß die Wissenschaftsorganisationen, die Wissenschaftler und Forscher sich ihrer Verantwortung gegenüber Staat und Gesellschaft stets bewußt sind und Mechanismen zur Selbstkontrolle entwickeln müssen, nicht in hierarchischen Strukturen verkrusten dürfen. Dahinein gehört zum Beispiel, Herr Riesenhuber, wovon Sie sprechen, daß die Max-Planck-Gesellschaft nicht in der Lage sei, neue Forschungsbereiche, neue Institute aufzubauen, wenn es sich von der thematischen Notwendigkeit her ergibt. Wenn Sie dies bedauern, muß man andererseits auch sagen: ist dann nicht konsequenterweise auch die Eigenverantwortung dieser Einrichtungen gegeben, zu untersuchen, ob nicht alte Bereiche inzwischen sozusagen ihre Daseinsberechtigung verloren haben?

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Geschieht doch! — Pfeifer [CDU/CSU] : Tun Sie doch!)

Auch hier muß man der Wissenschaft selber die notwendigen Umstrukturierungen überlassen.
Aber das bedeutet auch, daß die Wissenschaft dann nicht gleich nach dem Staate rufen kann, wenn sie irgendwo eine neue Idee hat. Auch so etwas muß sich entwickeln.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Aber Sie fordern ja auch nicht die Stagnation!)

Das gehört nun einmal dazu. Ich kann nicht auf der einen Seite die Freiheit von Forschung postulieren, wie sie im Grundgesetz garantiert ist, und auf der anderen Seite dann für alle Mißhelligkeiten gleich wieder nach dem Staate rufen.
Lassen Sie mich auf Ihren Zwischenruf, Herr Kollege Riesenhuber, folgendes sagen. Ich habe keinen Zweifel daran, daß die Wissenschaft diese Selbstverantwortung übernehmen kann, daß sie die Selbstkontrolle leisten kann und auch leisten wird. Der Staat hat sicherlich eine Verpflichtung gegenüber der Grundlagenforschung, nämlich die, die Bedingungen, unter denen Forschung sich frei entfalten kann, zu sichern und langfristig zu garantieren. Aber ich verkenne auch nicht, daß in Teilbereichen der Staat durchaus das Recht und die Pflicht hat, Zielvorgaben und Forschungsbereiche vorzugeben, wenn es ihm aus politischen Intentionen geboten erscheint. Wenn die Wissenschaft selber diese Bereiche nicht aus eigenem Antrieb aufgreift, kann es notwendig sein, aus politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Gründen solche Forschungen zu initiieren.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Wir sind ja auch gar nicht gegen Projektförderung, nur gegen das Überwuchern!)

— Ich komme gleich noch einmal darauf zurück, Herr Kollege Riesenhuber.
Hauptsächliche Träger der Grundlagenforschung — dies wurde heute morgen schon betont — sind neben Hochschulen und Universitäten zweifellos die Deutsche Forschungsgemeinschaft, auch die Max-Planck-Gesellschaft. Aber ich möchte hier auch auf die in der AFG zusammengeschlossenen Großforschungseinrichtungen hinweisen und den erheblichen Anteil der Industrie an der Grundlagenforschung nicht vergessen. Ich möchte nur das Beispiel Chemie und chemische Industrie erwähnen.
Hier ist schon davon gesprochen worden: wer ist denn eigentlich für die Grundlagenforschung zuständig? Diese Frage müssen wir prüfen. Nach dem Grundgesetz liegt die Zuständigkeit zunächst einmal bei den Ländern. Es ist sehr schwierig — auch für das Forschungsministerium —, sich über diese aus dem Grundgesetz sich ergebenden Bedingungen hinwegzusetzen.
Deswegen, Herr Kollege Riesenhuber — Sie waren dann ja leider nicht mehr anwesend —, hat der Forschungsausschuß zum Haushalt beschlossen, daß die Bundesregierung aufzufordern sei, in Verhandlungen mit den Ländern einzutreten und darauf hinzuwirken, daß die Mittel für die Grundlagenforschung langfristig zu steigern sind, unter Berücksichtigung regionaler Gesichtspunkte.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Auch die Frage der regionalen Ausgeglichenheit, sagen wir, eines Nord-Süd-Gefälles, ist dabei zu berücksichtigen. Ich gebe allerdings zu, daß das nur dann möglich ist, wenn Ansätze und entsprechende Aktivitäten vorhanden sind, neue Institute zu errichten oder den Ausbau bestehender Instiute zu fördern.
Sicherlich ist es auch richtig, auf die personelle Entwicklung hinzuweisen. Zur Heranbildung des hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses, zur Verbesserung der Entwicklungschancen auch in den Großforschungseinrichtungen erscheint es mir notwendig, den Aufwuchs im Personalbereich nicht so zu behandeln, wie dies in den Behörden und Verwaltungen geschieht und dort möglicherweise auch vernünftig erscheint. Dies kann man nicht auf Forschungseinrichtungen übertragen.
Es sollte deshalb überlegt werden, ob diese Forschungseinrichtungen nicht aus den öffentlichen Haushalten herausgelöst werden und ihnen unter wirtschaftlicher Beteiligung des Bundes und der Länder Eigenzuständigkeiten gegeben werden können, was besonders in der mittelfristigen Finanzplanung geschehen sollte. Personalstruktur und Investitionen erfordern gerade in der Grundlagenforschung mittel- bis langfristige Disponibilität.
In dem Zusammenhang ließe sich meines Erachtens auch die Frage des wissenschaftlichen Nachwuchses befriedigender beantworten. Nicht das Berufsbild oder die Laufbahn von Forschern kann unser Ziel sein. Eine dem verständlichen Streben nach materieller Sicherung entsprechende Mobilität ist anzustreben. Ich stimme dem zu, was dazu schon gesagt worden ist. Dies bedeutet mehr Ko-
13762 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 17.3. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979
Dr.-Ing. Laermann
operation und Austausch zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen, der Industrie und der Verwaltung.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch zwei Bemerkungen machen. Erstens. Es ist zwar verständlich, daß die Schwerpunkte in der Forschungsförderung und auch in der Grundlagenforschung auf Naturwissenschaft und Technik gelegt werden; aber lassen Sie uns die Geisteswissenschaften in ihrer Bedeutung für die Entwicklung unserer Gesellschaft nicht unterschätzen und vernachlässigen, die gerade und auch in den Grundlagenbereichen angesiedelt sind. Noch vor wenigen Jahren konnte ein bekannter Naturwissenschaftler behaupten, Naturwissenschaft und Technik seien allein imstande, die Probleme der Menschheit zu lösen. Ich meine aber, die Geisteswissenschaften und die in ihnen gewonnenen Erkenntnisse gehören dazu.
Zweitens. Zweifellos sind in der Grundlagenforschung immer kostspieligere Einrichtungen und Apparate erforderlich. Gewaltige Investitionen sind erforderlich für Teilchenbeschleuniger, für die Bereiche der Festkörperphysik, der Hochenergiephysik oder der Astrophysik, um nur einige Beispiele zu nennen. Es hat sich eine enorme Expansion des Wissens vollzogen, was den einzelnen Forscher manchmal gewiß überfordert. So wird in Zukunft noch mehr als in der Gegenwart weniger der einzelne Forscher in den neuen Gebieten arbeiten, sondern mehr und mehr wird die Teamarbeit überwiegen. Ich möchte den Physiker Max Born zitieren, der gefragt hat: Ist unter diesen Umständen je wieder ein Einstein zu erwarten? Wenn wir nach der Überweisung an die Ausschüsse dort die Frage der Elite diskutieren, sollten wir uns auf diese Situation und diese Entwicklung einstellen. Ich glaube, wir müssen uns in mancher Hinsicht auch da von überkommenen Vorstellungen lösen.
Lassen Sie mich mit der Veränderung eines Wortes von Lessing schließen, der gesagt hat: Die Kunst darf nicht nach Brot gehen. Ich möchte es auf die Wissenschaft übertragen: Die Wissenschaft darf nicht nach Brot gehen. Forschung braucht Freiraum und Unabhängigkeit zur wirkungsvollen Entfaltung. Lassen Sie uns gemeinsam unser Bemühen fortsetzen, garantieren wir die Freiheit von Forschung, und sichern wir damit die Zukunft der Menschen!

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817305400
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Hauff.

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0817305500
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den vorliegenden Antrag studiere, komme ich zu der Auffassung, daß es eine grundsätzliche Übereinstimmung über die Bedeutung der Grundlagenforschung, der erkenntnisfreien Forschung gibt. Daran haben wir uns auch in den vergangenen Jahren orientiert.
Die Forschungspolitik der Bundesregierung hat in den letzten zehn Jahren der Erweiterung und Vertiefung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, einem herrschaftsfreien Raum, stets einen besonders hohen Stellenwert eingeräumt. Die wissenschaftliche Forschung ist unverzichtbare Grundlage für unsere technischen Kenntnisse ebenso wie für — ich stelle dies gleichbedeutend daneben — das Verständnis sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und politischer Vorgänge für das Bild des Menschen von sich selbst und der Welt, in der er lebt. Wissenschaftliches Erkenntnisstreben muß sich, wenn die Themen definiert sind, in der Tat frei entfalten können — frei heißt: nur nach wissenschaftsimmanenten Maßstäben —, wenn Forschung diese Bedeutung haben und zugleich für neue wissenschaftliche Anwendungen bedeutsam bleiben soll. Diese Gedanken aus dem Bundesforschungsbericht VI, den ich fast wörtlich zitiert habe und den die Bundesregierung kürzlich dem Parlament vorgelegt hat, treffen den Kern der Politik der Bundesregierung im Bereich der Grundlagenforschung. Insoweit stelle ich auch Übereinstimmung mit der Auffassung des vorliegenden Antrags fest.
Nur, ich finde, Herr Riesenhuber, Sie haben hier ein bißchen Schattenboxen veranstaltet und zum Teil etwas unaufrichtig — möglicherweise, ohne es selbst genau zu wissen — zitiert. Das Zitat des Bundeskanzlers, das Sie angeführt haben, bezieht sich — wenn ich mich richtig erinnere — auf die Begründung für eine Bringschuld der Wissenschaftler, in verständlicher Form darzulegen, daß es • wichtige und vernünftige Themen sind, an denen sie arbeiten. Wer wollte dieses Prinzip eigentlich leugnen —

(Beifall bei der SPD und der FDP)

bei den knappen Haushaltsmitteln und bei den Rieseninvestitionen, die von der Wissenschaft gefordert werden?
Wenn Sie — ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Sie ganz richtig verstanden habe — generell sagen, im Bereich der Grundlagenforschung dürfe der Staat keinerlei Einfluß auf die Themenstellung nehmen und da dürfe das Thema der Politikrelevanz oder der Gesellschaftsrelevanz überhaupt keine Bedeutung haben, so muß ich fragen: Wie eigentlich, verehrter Herr Kollege, rechtfertigt sich das und wie ist es mit Ihrem eigenen Antrag in Übereinstimmung zu bringen — mein Kollege Schmude hat mich darauf hingewiesen —, wenn die Orientforschung, die ja zu einem großen Teil ebenfalls Grundlagenforschung ist, wesentlich intensiviert wird, obwohl die Begründung dafür ausschließlich politisch ist, nämlich die große politische Bedeutung dieser Region? Also ich meine, wir sollten hier kein Schattenboxen machen. Ich stelle sehr viel mehr weitgehende Übereinstimmung fest.
Unrichtig ist allerdings, daß die Bundesregierung die Grundlagenforschung in den letzten zehn Jahren vernachlässigt habe. Dies ergibt sich schon aus dem internationalen Vergleich, z. B. mit den Staaten der Europäischen Gemeinschaft. Nach einer Statistik der Gemeinschaft für das Jahr 1976 — das ist die letzte, die vorliegt — weist die Bundesrepublik Deutschland für den Bereich der Grundlagenforschung mehr als 2000 Millionen Rechnungsein-



Bundesminister Dr. Hauff
heiten auf, vor Frankreich mit 740 Millionen — also nur rund ein Drittel dessen, was wir ausgeben — und Großbritannien mit rund 540 Millionen. Damit steht die Bundesrepublik, was die allgemeine Forschungsförderung angeht, innerhalb der Gemeinschaft an der Spitze. Aus der amerikanischen Diskussion, auf die der Herr Kollege Laermann hingewiesen hat, lassen Sie mich nur ein Zitat in die Debatte einbringen: dort wird gesagt, daß es den Deutschen gelungen ist, auf Grund einer kontinuierlichen Forschungsförderungspolitik mit zur Zeit fast 2,2 % Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttosozialprodukt in die vorderste Linie der Wissenschaftsnationen zurückzukehren. Nehmen Sie doch bitte auch solche Aussagen zur Kenntnis, die zeigen, daß die Schwarzmalerei, die Sie hier betreiben, alles andere als am Platz ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817305600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Riesenhuber?'
Dr. Hauff, Bundesminister: Bitte.

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID0817305700
Herr Bundesminister, um die rosige Malerei, die Sie betreiben,

(Bundesminister Dr. Hauff: Warten Sie ab!)

etwas in den Zusammenhang zu stellen: Was halten Sie von der Aussage von Professor Reimar Lüst vor drei Jahren in dem zitierten Jahresbericht 1976, daß ernsthafte Schäden entstehen könnten, wenn die Grundlagenforschung weiterhin stagniert und zurückgeht. Er hat in diesem Zusammenhang auf das amerikanische Beispiel hingewiesen, wo die Zuwendungen an die National Science Foundation schon für 1977 um 16 % gestiegen sind und für die kommenden Jahre weitere wesentliche Steigerungsraten aufweisen sollen, die sie inzwischen tatsächlich aufgewiesen haben.
Dr. Hauff, Bundesminister: Ich stimme dem ersten Teil der Aussage voll zu. Die National Science Foundation finanziert auch im Bereich der Grundlagenforschung fast ausschließlich projektorientiert; daraus, daß Sie das Zitat gebracht haben, entnehme ich, daß Sie vorschlagen, dies auch für die Bundesrepublik einzuführen. Ich halte das nicht für ein gutes Beispiel — um das sehr deutlich zu sagen.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Das ist eine klassische Überinterpretation!)

Aber ich stimme Ihnen zu, was die Stagnation angeht. Dies ist eine reale Gefahr. Ich komme auf die Finanzierung und die Finanzierungszuständigkeiten noch im einzelnen zu sprechen.
Die Bundesregierung hat auch in Situationen angespannter Finanzlage erhebliche Leistungen für die Grundlagenforschung aufgewendet, Ich will es im einzelnen nicht darlegen, sondern nur sagen: Der verzerrte Blick auf einen einzelnen Haushalt und möglicherweise eine oder zwei Forschungsförderungsorganisationen ist zu eng, Herr Riesenhuber. Zu nennen sind: Die Großforschungseinrichtungen; die Fachprogramme des BMFT, die zu einem großen Teil Grundlagenforschung zum Inhalt haben; die Tätigkeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft; die Max-Planck-Gesellschaft; die Sonderfinanzierungen, die wir in den vergangenen Jahren für MPG und DFG verwirklicht haben; der Schlüssel für die Sonderforschungsbereiche der DFG, den wir verändert haben, um Mehrleistungen des Bundes zu ermöglichen, weil die Länder sich nicht in der Lage sahen, die entsprechenden Komplementärmittel aufzubringen; die Arbeit, die in einzelnen Instituten geleistet wird, die wir als Bund in den letzten Jahren übernommen haben, weil wir der Meinung waren, dort wird wichtige Arbeit der Grundlagenforschung geleistet; und nicht zuletzt das, was mein Kollege Jürgen Schmude im Bereich von Bildung und Wissenschaft leistet: sowohl der allgemeine Hochschulbau als auch — was für die Grundlagenforschung etwas ganz, ganz Wichtiges ist — die Gerätefinanzierung nach dem Hochschulbauförderungsgesetz. Gerade solche wichtigen Großgeräte sind Anziehungspunkte für zahlreiche Forschungsgruppen nicht nur von deutschen Hochschulen, sondern auch aus dem Ausland. So arbeiten, um ein Beispiel aus den außeruniversitären Großforschungseinrichtungen zu nennen, am derzeit größten Positron-Elektron-Beschleunigerring der Welt, an PETRA in Hamburg, Forschergruppen aus England, Frankreich, den USA, Japan und aus der Volksrepublik China. Diese hohe Beteiligung ausländischer Wissenschaftler an deutschen Forschungseinrichtungen und -geräten spricht, wie ich finde, auch für die Qualität der Wissenschaft auf diesem Gebiet.
Am Schwerionenbeschleuniger in Darmstadt haben in den vergangenen zwei Jahren mehr als 500 Wissenschaftler ihre physikalischen, chemischen und biologischen Experimente durchgeführt. Neben Wissenschaftlern aus den USA und aus dem westeuropäischen Ausland arbeiten dort auch solche aus Israel, aus Japan und aus der Volksrepublik China. Am Hahn-Meitner-Institut in Berlin wurde kürzlich ein neuer Beschleuniger in Betrieb genommen. Mit diesem Beschleuniger wurde eine sinnvolle Ergänzung für die Schwerionenforschung geschaffen.
Ein weiteres typisches Gebiet der Grundlagengroßforschung ist die extraterrestrische Forschung. Die vom BMFT finanzierten beiden erfolgreichen Missionen Helios A und B haben uns weltweit ungeheures wissenschaftliches Ansehen eingebracht. Wer wollte das leugnen. Das waren vorzügliche Leistungen, und zwar nicht ausgesuchter Einzelforscher. Im Bereich der extraterrestrischen Forschung brauchen wir sehr gut funktionierende Teams, die wirklich zusammenarbeiten. Projekte wie Helios und die Arbeiten zur Erforschung von Venus und Jupiter können mit gutem Recht auf der Habenseite unserer Erfolgsbilanz verbucht werden, ebenso wie die Beteiligung an wichtigen internationalen Forschungseinrichtungen. Ich nenne nur CERN und den Höchstflußreaktor in Grenoble.



Bundesminister Dr. Hauff
I Auch die Entwicklung der Meeresforschung in
der Bundesrepublik Deutschland ist eines von vielen Beispielen für die systematische Förderung und Würdigung der Grundlagenforschung durch die Bundesregierung im Rahmen ihrer Fachprogramme. Die wissenschaftlichen Leistungen der deutschen Meeresforschungseinrichtungen sind im In- und Ausland anerkannt. Sie bilden die Grundlage für eine Beteiligung deutscher Wissenschaftler und Forschergruppen an internationalen Großprojekten. Diese Kooperationen sichern einen weiteren Informationsaustausch.
Wir haben gerade im Bereich unserer grundlagenorientierten Meeresforschung sehr frühzeitig etwas gemacht, was, wie ich glaube, international beispiellos ist; wir haben nicht nur Technikentwicklung betrieben, sondern zugleich gefragt: Wie sieht dies eigentlich im Hinblick auf die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts in den Meeren aus? Das ist eine ganz wichtige Diskussion, die uns noch bevorsteht, wenn das zutreffend ist, was Herr Hubrig heute behauptet hat und dem ich vom Ansatz her zustimme, nämlich daß die Meeresforschung außerordentlich wichtig ist. Wir müssen die Grundlagenforschung über die Ökosysteme des Meeres verstärken. Hier wissen wir noch sehr wenig, obwohl wir international z. B. auf Grund der Forschungsleistungen, wie sie auch auf Helgoland in der Bundesforschungsanstalt erbracht werden, eine führende Position haben.
Ich will die Bilanz der Bundesregierung auf dem Gebiet der Grundlagenforschung nicht rosig darstellen, aber sie kann sich durchaus sehen lassen, Herr Riesenhuber. Sicher, man könnte sich noch eine Verstärkung der Förderung z. B. der Max- Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gut vorstellen. Ich persönlich könnte mir das sehr gut vorstellen. Wir haben in den vergangenen Jahren im Rahmen der Möglichkeiten auch versucht, diese Verstärkung zu erreichen. Dabei stoßen wir aber auf Grenzen, die das Grundgesetz vorgibt, und die sollten wir auch benennen. Nach dem Grundgesetz liegt die Verantwortung für die Förderung der Grundlagenforschung in erster Linie bei den Bundesländern. Damit will ich nicht die forschungspolitische Mitverantwortung des Bundes für die Lage der Grundlagenforschung schmälern. Grundlagenforschung vollzieht sich aber zu einem ganz erheblichen Teil — darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen — in unseren Hochschulen. Für die Finanzierung der Hochschulen sind aber, abgesehen von der Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen", zunächst einmal die Länder zuständig.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817305800
Einen Moment, Herr Bundesminister. Wir haben hier eine Geschäftsordnung, wonach in der ersten Lesung nur Grundsätze besprochen werden sollen. Ich wäre sehr dankbar, Herr Bundesminister, wenn Sie sich möglichst an diese Geschäftsordnung des Hauses halten würden. Ich bitte auch die Kollegen herzlich, jetzt möglichst wenig Zwischenfragen zu stellen, damit wir
einigermaßen pünktlich zum Schluß kommen können. Vielen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0817305900
Ich möchte gern zu den Grundsätzen sagen, daß nach Art. 91 b des Grundgesetzes — die Rahmenbedingungen für die Forschungsförderung sind in unserer Verfassung festgeschrieben — Bund und Länder bei der Finanzierung von Vorhaben und Einrichtungen der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken und eine gemeinsame Finanzierung vereinbaren können. Für ein solches Zusammenwirken haben Bund und Länder durch den Abschluß der Rahmenvereinbarung zur Forschungsförderung die Basis geschaffen. An vorderer Stelle ist hier die gemeinsame Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ihrer Sonderforschungsbereiche zusammen mit der gemeinsam — d. h. je zur Hälfte — von Bund und Ländern getragenen Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft zu nennen. Dazu kommen dann die Förderung der Forschungs- und Service-Einrichtungen der sogenannten blauen Liste, die ergänzend hinzutreten. Nur wenn in den zuständigen Gremien, die von Bund und Ländern beschickt werden, Einvernehmen zwischen den beteiligten Finanzierungsträgern erzielt werden kann, ist eine Erhöhung der Zuschüsse für diese Einrichtungen erreichbar.
Der Appell zur Verstärkung der Förderung der Grundlagenforschung ist daher in allererster Linie an die Länder zu richten. Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit kooperationsbereit gezeigt. Sie wird dies auch in Zukunft im Interesse einer auch längerfristig kontinuierlichen Verstärkung der Förderung tun.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch dringend davor warnen, eine irgendwie geartete Automatik für die Förderung der Grundlagenforschung — etwa gemessen an Prozentsätzen eines bestimmten Einzeletats — festzuschreiben. Viel wichtiger ist gerade für die Grundlagenforschung, daß hier mit der notwendigen Kontinuität garbeitet wird und daß wir uns auch im Bereich derjenigen Großinvestitionen, die für die Grundlagenforschung von Bedeutung sind, an einem möglichst engen kooperativen Willensbildungsprozeß orientieren, der zusammen mit der Wissenschaft durchgeführt werden muß. Wir haben das 1977 getan. Damals sind uns im wesentlichen vier Großinvestitionen für den Bereich der Grundlagenforschung empfohlen worden, Herr Kollege Riesenhuber. Alle vier Vorhaben befinden sich mittlerweile entweder bereits in Betrieb oder im Stadium der Realisierung.
Ich meine, daß wir hier in der Bundesrepublik ein sehr vernünftiges System der Wissenschaftsförderung haben, das sehr pluralistisch orientiert ist. Dies ist auch ein Teil der Freiheitlichkeit und der Liberalität der Wissenschaftsentwicklung in unserem Lande. In wohl keinem anderen Land gibt es eine so weithin vom Staat finanzierte, aber in den wissenschaftlichen Entscheidungen praktisch kaum beeinflußte Selbstverwaltung der Wissenschaft. Für die



Bundesminister Dr. Hauff
Deutsche Forschungsgemeinschaft und die MaxPlanck-Gesellschaft, verehrte Kollegen von der Opposition, gibt es in den vergleichbaren Ländern des Westens keine entsprechenden unabhängigen Einrichtungen, die gerade auch der freien Entfaltung großer Forscherpersönlichkeiten gerecht werden. Niemand von uns will dies ändern.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Außer dem Sprecher der SPD-Fraktion!)

Abschließend möchte ich noch zu einigen Forderungen Ihres Antrages Stellung nehmen. Die Anregung beispielsweise, daß DFG und MPG mehrjährige Finanzplanungen aufstellen sollten, ist mit der jährlich fortgeschriebenen Fünf-Jahres-Planung der MPG und mit der alle drei Jahre erscheinenden mehrjährigen Finanzplanung der DFG bereits erfüllt.
Nicht zustimmen kann ich der Feststellung, daß die Personalentwicklung in der Grundlagenforschung gegenüber der Gesamtentwicklung der Forschung geringer war. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Ich verweise in dem Zusammenhang auf die Haushaltspläne der letzten Jahre. Es wäre schön, wenn man da über Zahlen reden könnte.
Was die Nachwuchsförderung angeht, begrüße ich, daß die Opposition dieses Thema mittlerweile aufgegriffen hat. Ich finde es dagegen bedauerlich, daß der Antrag der CDU/CSU keine eigenen Vorschläge zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses enthält. Das ist ein weißes Blatt Papier.

(Pfeifer [CDU/CSU]: Da gibt es einen Antrag! — Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Wir können nicht alles in einen Antrag schreiben!)

Mehr Substanz und konkrete Vorschläge zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses hätten dem Antrag der CDU/CSU und der politischen Diskussion gut getan. Ich darf deshalb in diesem Zusammenhang auf die Vorschläge meines Kollegen Schmude verweisen und darum bitten, daß sie im weiteren parlamentarischen Verfahren mitberücksichtigt werden.
Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen. Erstens. In der Bewertung der Bedeutung der Grundlagenforschung sehe ich wesentliche grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Regierung, Regierungsfraktion und Opposition.
Zweitens. Der Bundesregierung sind durch das Grundgesetz Grenzen bei der Förderung der Grundlagenforschung gesetzt. Sie ist aber bemüht, gemeinsam mit den Ländern den vorgegebenen Gesetzesrahmen auszufüllen.
Drittens. Die Bundesregierung steht zu dem Prinzip der Freiheit des Erkenntnisstrebens. Hierzu gehört im Bereich der Grundlagenforschung eine weitgehende Selbstbestimmung der Forschungsgegenstände durch die Wissenschaft selbst und insbesondere — was nicht viel wichtiger ist — die Freiheit in der Wahl der Methode.
Viertens. Die Grundlagenforschung in der Bundesrepublik Deutschland hat dank der intensiven
Förderung durch Bund und Länder einen international anerkannten Stand erreicht. Auf Teilgebieten hat sie wirklich Weltspitzenleistungen erbracht. Diesen Stand gilt es zu erhalten und auszubauen. Die dafür notwendigen Zuwachsraten sind für die kommenden Jahre in den Haushalten der einzelnen Ressorts der Bundesregierung eingeplant.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Nominal!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817306000
Danke, Herr Bundesminister, daß Sie unserer Bitte nachgekommen sind. Die letzte Wortmeldung kommt von dem Herrn Abgeordneten Lenzer.

(Dr. Steger [SPD] : Jetzt kommt nicht die Elite der Nation, sondern der Schulmeister der Nation!)


Christian Lenzer (CDU):
Rede ID: ID0817306100
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte an sich, weil dies von der Vorbereitung der Debatte her nicht vorgesehen war, nicht die Absicht, noch einmal in die Debatte einzugreifen. Ich sehe mich dazu aber durch die Äußerungen des Bundesministers Dr. Hauff doch veranlaßt.
Es gibt bestimmt eine ganze Menge von Fragen im Bereich der Grundlagenforschung, bei denen wir uns miteinander arrangieren können. Herr Minister, Sie haben betont, daß eine gewisse Übereinstimmung herrsche. Wir begrüßen das. Sie waren in Ihrer Einschätzung ebenfalls so realistisch zu sagen, die Lage der Grundlagenforschung — so haben Sie wörtlich gesagt — sei nicht rosig. Das haben Sie zu Beginn Ihrer Rede hier gesagt. Wir können das gern im Protokoll nachkontrollieren. Sie haben angefügt, sie könne sich aber sehen lassen. Bei aller Bescheidenheit: Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. So haben Sie hier gesprochen.
Sie haben auch immer wieder auf das Bund-Länder-Verhältnis verwiesen. Lassen Sie mich am Anfang meiner Erwiderung feststellen: Wir wollen hier einzig und allein unseren Kompetenzbereich betrachten. Wir wollen betrachten, was im Rahmen der Kompetenz des Bundesministers für Forschung und Technologie — damit ist, wenn vom Haushalt die Rede ist, der Einzelplan 30 angesprochen — im Bereich der Grundlagenforschung getan werden kann, was getan worden ist bzw. was nicht geschehen ist.
Sie haben so getan, als ob es keine Relation zwischen dem Mittelaufwand einerseits und dem zu erwartenden wissenschaftlichen Ergebnis andererseits gebe. Es gibt sicherlich keine zwingende Relation. Die Ergebnisse hängen gewiß nicht allein davon ab, wieviel Mittel aufgewandt werden. Ich glaube, man kann doch aber nicht negieren, daß bei besserer Mittelausstattung und bei einer Ausweitung der Grundlagenforschung die Trefferquote größer ist.
Sie haben auf andere Länder verwiesen und daraus hergeleitet, daß wir eine besonders gute Stellung hätten, zumal Mittel für die Grundlagenforschung auch in der Projektförderung versteckt sei-



Lenzer
en. In anderen Ländern mag das anders sein; dort ist die Forschung auch etwas anders organisiert. Dort wird weniger durch direkte projektbezogene Förderung Einfluß genommen als bei uns. Dort wird — das ist etwas, was bei uns über lange Zeit gefehlt hat — auch durch massive Stimulierung der Nachfrage über den Markt Einfluß genommen. Denken Sie an die Weltraumprogramme, denken Sie an die Datenverarbeitung in den Vereinigten Staaten. Das können Sie selbst sicherlich besonders gut beurteilen. Auf diese Weise wird die Grundlagenforschung nicht nur in den großen Instituten, nicht nur an den Hochschulen, sondern direkt in der forschenden Wirtschaft stimuliert.
Im übrigen haben Sie eben behauptet — das muß ich mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen —, wir hätten keine Überlegungen bezüglich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses angestellt. Ich darf Sie an den Kollegen Pfeifer und an ihre eigenen Kollegen im Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft verweisen. Es gibt nämlich ein Programm der CDU/CSU-Fraktion zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ihr Kollege Dr. Schmude, der zuständige Ressortminister, wird Ihnen das sicher bestätigen. Vielleicht kann er Sie darüber aufklären, was in dieser Beziehung gelaufen ist.
Es ist von Ihnen, Herr Minister, gesagt worden, für Sie bedeute wissenschaftliche Freiheit die Orientierung an wissenschaftsimmanenten Kriterien. Auch dies ist ein wörtliches Zitat. Dem stimmen wir zu. Aber was Sie dann gesagt haben, stimmt nicht mit dem überein, was der Sprecher der SPD-Fraktion hier von sich gegeben hat. Es stimmt erst recht nicht mit dem überein, was hier nicht nur an deutlichen, sondern, wie ich sagen muß, entlarvenden Zwischenrufen von Ihrer Seite, Herr Kollege Steger, kam; Ihre Zwischenfrage schließe ich dabei ein.

(Beifall bei der CDU/CSU) Dazu werde ich ebenfalls noch etwas sagen.

Zu Ihrer Aussage, unsere Situation sei zwar nicht rosig, aber sie könne sich sehen lassen, möchte ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin ein Zitat von der diesjährigen Tagung der Nobelpreisträger in Lindau bringen. Dieses Zitat stammt von keinem Geringeren als dem Physik-Nobelpreisträger Professor Mößbauer. Ich zitiere:
Viele Professoren haben schon resigniert, weil wir zunehmend unser ursprüngliches System der Arbeitsorganisation aufgeben und erstarrte Zustände erreichen, wie sie etwa an vielen Hochschulen und Instituten in der Sowjetunion und in Frankreich herrschen. Wir können fast nicht mehr arbeiten.
Meine Damen und Herren, selbst wenn ich jetzt einmal unterstelle, daß es sich hier nur um eine Einzelmeinung handelt, selbst wenn ich unterstelle, daß es sich um eine Meinung handelt, der möglicherweise sogar in eigenen Fachkreisen energisch widersprochen wird, so bleibt doch festzuhalten: Auch dies gehört zu einem Gesamtbild hinzu, auch dies gehört zu einer Gesamtbetrachtung; es darf
nicht außer acht gelassen werden. Es war schließlich nicht irgend jemand, der dies gesagt hat.
Ich komme nun nochmals auf den Einzelplan 30, auf Ihren Kompetenzbereich, zurück und stelle nochmals fest — und daran führt auch kein Weg vorbei; das kann man doch nachrechnen —: Der Anteil der Ausgaben für Grundlagenforschung am Haushalt ist von 30,5 % im Jahre 1975 auf 26,7 % im Jahre 1979 gefallen. Wir können im Forschungsausschuß darüber diskutieren, welche Bemessungsgrundlage Sie bei Ihren Berechnungen zugrunde legen, wenn Sie zu anderen Ergebnissen kommen sollten. Wir gehen dann bestimmt nicht von der gleichen Bemessungsgrundlage aus. Die Fortschreibung weist — ich wiederhole es — bis zum Jahre 1982 sogar ein Absinken dieses Anteils auf 24,4 °/o aus.
Ich komme nun noch einmal ganz kurz auf unseren Antrag zurück und auf das, was hier aus der Begründung herausgegriffen wurde. Wenn es dort heißt, daß sich das Konzept der Bundesregierung, Forschungspolitik als dienenden Teil der aktuellen Gesellschaftspolitik einzusetzen, als schädlich erwiesen habe, und daß das Diktat der gesellschaftlichen Relevanz schädlich gewesen sei, dann meinen wir damit: Der Staat muß sich darauf beschränken — und dies gilt insbesondere in der Grundlagenforschung —, eine komplementäre Aufgabe wahrzunehmen; er sollte nicht dem einzelnen Forscher ins Handwerk pfuschen, so als ob die Bürokratie oder die Verwaltung alles besser beurteilen könnten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Oder das Parlament!)

sondern sich darauf beschränken, die Rahmenbedingungen zu setzen. Das ist, Herr Kollege Hoffmann, für uns nicht nur eine organisatorische Frage, wie es bei Ihnen zum Ausdruck kam. Für uns ist Grundlagenforschung, Herr Steger, eben nicht nur „big science", sondern auch persönliche Entscheidungskompetenz des Forschers, persönliche Verantwortung. Das hat mit dem „stillen Kämmerlein", mit jenem Reizvokabular, das dann immer gebraucht wird, mit dem Zeichnen eines Horrorszenarios, als ob dort irgend jemand unkontrolliert forscht und sich daraus dann letztlich Katastrophen für die Menschen entwickeln können, doch überhaupt nichts zu tun! Ich bin übrigens froh darüber., Herr Kollege Dr. Laermann, daß Sie weitgehend diese Einschätzung hinsichtlich der freien Betätigung der Grundlagenforscher und auch der individuellen Leistung des Forschenden teilen.
Das Wort „gesellschaftliche Relevanz" — ich er: innere mich sehr gut —ist in die Debatte durch den Forschungsbericht eingeführt worden, den einer Ihrer Vorgänger, Herr Professor Ehmke, herausgegeben hat. Schon damals haben wir Ihnen die Frage gestellt: Wer bestimmt, was in der Forschung gesellschaftlich relevant ist? Wollen wir als Parlament oder will die Bundesregierung allen Ernstes — selbst angesichts ihrer enormen Beratungskapazität, ihres zweifellos in erheblichem Maß vorhandenen Sachverstandes — für uns in Anspruch nehmen, beurteilen zu können, was gesellschaftlich re-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 173: Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. September 1979 13767
Lenzer
levant, was gesellschaftlich wünschenswert ist, wo geforscht werden soll, um hier gesellschaftlich wünschenswerte Ergebnisse zu erzielen — und das in einem Bereich der Grundlagenforschung? Soeben wurde hier auch das Wort „Nostalgiewelle" in die Debatte geworfen. Ich muß sagen: Auch, dies gehört zu einer Art Reizvokabular, das aus der Ideologiekiste entnommen worden ist. Auch das führt doch in der Praxis wirklich nicht weiter.

(Dr. Steger [SPD]: Aber die ist wertfrei!)

Sie sollten wirklich nicht unseren Wissenschaftsbegriff kritisieren. Ich sehe in Ihrem Wissenschaftsbegriff — Herr Kollege Hoffmann, das kam für mich deutlich zum Ausdruck — wirklich in erster Linie ein grenzenloses Mißtrauen gegenüber der individuellen Leistung des einzelnen Wissenschaftlers, weil Sie immer wieder zum Ausdruck bringen, daß dem Ganzen die große Glocke der gesellschaftlichen Relevanz übergestülpt werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sie glauben wirklich, Forschungs- und Technologiepolitik — und Sie dehnen das selbst auf die Grundlagenforschung aus — sei eine organisatorische Angelegenheit. Sie vergleichen das mit einer Supermaschinerie: Es muß nur jemand mit der Ölkanne immer entsprechend bereitstehen und richtig schmieren und ölen, dann funktioniert das alles von selbst. — Ich glaube, damit überheben Sie sich etwas.
Lassen Sie mich zum Schluß eines auch noch einmal sagen: Unterlassen Sie doch bitte dieses Scharmützel um direkte Förderung und indirekte Förderung. Unterstellen Sie uns doch bitte nicht, wir wären pauschal gegen direkte Förderung. Wir sind vielmehr gegen die stetige Ausweitung der direkten Förderung, die doch auch im Haushaltsansatz für 1980 wieder mit über 50 0/o ganz klar zum Ausdruck kommt. Wir meinen nicht etwa, daß viele Dinge, die getan werden, überflüssig wären. Ganz im Gegenteil! Hier wurde z. B. von der Energieforschung gesprochen. Ich bezweifle im übrigen, daß der Markt mit entsprechenden Suchprozessen nicht zu brauchbaren Ergebnissen kommen würde. Aber wir haben auf diesem Gebiet eben keine Zeit. Deswegen soll das alles schnell gehen.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Das sehen wir ein. Wir wollen Sie dabei auch unterstützen. Aber hier geht es um etwas ganz anderes. Wir sind gegen die schrankenlose Ausweitung der direkten projektgebundenen Förderung, weil sie gleichzeitig mehr Forschungsbürokratie und ein komplizierteres Antragsverfahren bedeutet. Sie wissen das alles aus den Diskussionen im Forschungsausschuß doch selber.
Abschließend stelle ich folgendes fest. Hören wir auf damit, die Elite als einen überholten Begriff zu bezeichnen. Hören Sie bitte damit auf, die Elite dauernd als etwas — —

(Zuruf von der SPD)

— Lassen Sie Ihre Soziologie in der Kiste! Lassen Sie uns darüber vernünftig diskutieren. Ich weiß, daß Sie kein Soziologe sind, aber Sie benutzen gern das Vokabular der Soziologie.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist noch schlimmer!)

— Ja, das mag noch schlimmer sein. Begreifen wir einmal, daß ohne die überragende individuelle Leistung des wissenschaftlich Tätigen nicht die Ergebnisse erzielt werden können, die wir für die Zukunftssicherung unseres Volkes brauchen. Das wollte ich Ihnen zum Abschluß in aller Deutlichkeit noch einmal ins Stammbuch geschrieben haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0817306200
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Forschung und Technologie — federführend — sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und an den Haushaltsausschuß — an diesen auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung — vor. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 26. September 1979, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.