Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich das Vergnügen, einem Mitglied dieses Hauses, das von der ersten Stunde an dem Deutschen Bundestag angehört, zu seinem 65. Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen. Es ist der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt . Herzlichen Glückwunsch!
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß die heutige Sitzung um 19.30 Uhr beendet werden soll. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen — Stand: 11. Juni 1979 — vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Entschließung des Europäischen Parlaments über die Krebsentstehung durch Umwelteinflüsse
zuständig:Ausschuß für Jugend, Familie und GesundheitEntschließung des Europäischen Parlaments zu den zur Verbesserung der Lage auf dem Milchsektor zu treffenden Maßnahmen
zuständig:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenEntschließung des Europäischen Parlaments zur Einsetzung eines Ombudsmannes für die Europäische Gemeinschaft durch das Europäische Parlament
zuständig:Auswärtiger Ausschuß PetitionsausschußEntschließung des Europäischen Parlaments zur Verbesserung der Abwicklung und Überwachung des Flugverkehrs
zuständig:Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
VerteidigungsausschußEntschließung des Europäischen Parlaments zu den peripheren Küstenregionen der Europäischen Gemeinschaft
zuständig:Ausschuß für WirtschaftEntschließung des Europäischen Parlaments über die Schwierigkeiten beim grenzüberschreitenden Personen- und Güterkraftverkehr an den Binnengrenzen der Gemeinschaft
zuständig:Finanzausschuß
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und FernmeldewesenZusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im I. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1979
zuständig: HaushaltsausschußÜberplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 04 Tit. 671 02 — Erstattung von Kredit- und Verwaltungskosten und Ausfällen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Zusammenhang mit der Bildung eines Fonds für Direktinvestitionen und dem Erwerb von Auslandsforderungen aufgrund des deutschamerikanischen Devisenausgleichsabkommens vom 8./19. August 1969 —
zuständig: HaushaltsausschußErhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? — Ich höre keinen Wider' spruch. Es ist so beschlossen.Amtliche Mitteilungen ohne VerlesungDer Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 12. Juni 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lemmrich, Sick, Dreyer, Dr. Jobst, Dr. Schulte , Tillmann, Milz, Hanz, Dr. Waffenschmidt, Frau Hoffmann (Hoya), Dr. Schwörer, Feinendegen, Dr. Müller-Hermann, Dr. von Geldern, Pfeffermann, Röhner, Gerster (Mainz) und der Fraktion derCDU/CSU betr. Gutachten über den Werkverkehr im Auftrag des Bundesministers für Verkehr — Drucksache 8/2917 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2975 verteilt.Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 18. Juni 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Köhler , Pfeifer, Broll, de Terra, Dr. Sprung, Daweke, Gerstein, Kunz (Berlin), Rühe, Dr. Hubrig, Benz, Picard, Dr. Hornhues, Dr. Klein (Göttingen), Frau Dr. Riede (Oeffingen), Frau Benedix, Nordlohne, Dr. von Geldern, Pohlmann, Ey, Dr. Hennig, Prangenberg, Dr. Rose, Lagershausen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Auswirkungen des § 26 des Urheberrechtsgesetzes — Drucksache 8/2932 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/2981 verteilt.Die in Drucksache 8/2098 unter Nr. 10 aufgeführte EG-VorlageVorschlag einer Verordnung des Rates über die vorübergehende Verwendungwird als Drucksache 8/2923 verteilt.Die in Drucksache 8/2674 unter Nr. 6 aufgeführte EG-VorlageVorschlag einer Richtlinie des Rates zur Abänderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt wurdenwird als Drucksache 8/2967 verteilt.Die in Drucksache 8/2919 unter Nr. 5 aufgeführte EG-VorlageMitteilung der Kommission betreffend die sozialen Maßnahmen im Rahmen der Umstrukturierung der Eisen- und StahlindustrieEntwurf einer Entscheidung der Kommission betreffend die Schaffung einer vorübergehenden. Sonderbeihilfe zur Unterstützung der Arbeitnehmer der Stahlunternehmen im Rahmen des gemeinschaftlichen Umstrukturierungsprogrammswird als Drucksache 8/2979 verteilt.Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 13. Juni 1979 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 Postverwaltungsgesetz den Nachtrag zum Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1979 übersandt. Der Nachtrag liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
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12738 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Präsident StücklenIch rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:Fragestunde— Drucksache 8/2969 —Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Der Herr Abgeordnete Walther bittet, die von ihm eingebrachte Frage 3 schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Engholm zur Verfügung.Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Vogelsang auf :Sieht die Bundesregierung in der Festlegung der Regelstudienzeit ein Hindernis dafür, daß Studenten zeitweilig im Ausland studieren?Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Vogelsang, der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat sich gegenüber den Bundesländern mehrfach dafür eingesetzt, bei der Anpassung des Hochschulrechtes an das Hochschulrahmengesetz Regelungen zu treffen, nach denen ein Auslandsstudium nicht oder nur teilweise auf die Regelstudienzeit anzurechnen ist. Insgesamt acht Bundesländer haben entsprechende Regelungen getroffen. Zwei Bundesländer — Bayern und Schleswig-Holstein — behandeln diese Frage in den Landesgesetzen nicht. Baden-Württemberg sieht im Falle der Gleichwertigkeit und Förderlichkeit des Auslandsstudiums für den Studiengang eine obligatorische Anrechnung auf die Regelstudienzeit vor.
Neuere Untersuchungen zur Auslandsmotivation deutscher Studenten, die die neue Hochschulgesetzgebung einbeziehen, liegen noch nicht vor. Man ist hier auf vorläufige Einschätzungen angewiesen. Danach muß jedoch davon ausgegangen werden, daß die Gesetzeslage in Bayern und Schleswig-Holstein und die Regelung in Baden-Württemberg geeignet sind, die Motivation deutscher Studenten zu einem Auslandsstudium negativ zu beeinflussen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Frage beantworten, wie viele deutsche Studenten zur Zeit im Ausland studieren?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Nach den Schätzungen des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft studieren zur Zeit etwa 10 000 deutsche Studierende im Ausland. Von diesen 10 000 Studierenden werden etwa 2 800 noch BAföG, etwa 4 600 nach Stipendien des DAAD und noch einmal 1 000 durch die sonstigen Stipendienorganisationen gefördert. Wenn man nur die längerfristig im Ausland Studierenden zusammenzieht, kommt man auf eine Zahl von etwa 5 000. Man kann diese Zahl in Relation zu der Zahl der Auslandsstudierenden anderer EG-Länder setzen. Auch dort gibt es eine sehr starke Stagnation der Auslandsmotivation der Studenten. In der EG sind es im Regelfall unter 5% aller Studierenden, die Interesse daran haben, ins Ausland zu gehen und dort zu studieren.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, insbesondere bei den Bundesländern noch einmal vorstellig zu werden, die eine Anrechnung des Auslandsstudiums auf die Regelstudienzeit vorsehen, und darauf hinzuwirken, doch von dieser Regelung abzugehen?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich hoffe, daß Ihre Fragestellung und meine Antwort mit dem klaren Verweis auf die Regelungen in drei Bundesländern dazu beitragen, diese Länder zu veranlassen, ihre Regelungen noch einmal zu überdenken. Ich gehe dabei davon aus, daß die Fachleute in den Bundesländern auch die Protokolle über die Fragestunden des Deutschen Bundestages zur Kenntnis nehmen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Die Fragen 7 und 8, die Herr Abgeordneter Braun eingebracht hat, und die Frage 9, die Herr Abgeordneter Walther eingebracht hat, werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 5 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Hält die Bundesregierung an ihren Plänen fest, im Rahmen der Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für Großfeuerungsanlagen im Wege einer Verordnung für das anfallende Abgas eine vollständige Erfassung zur Endreinigung vorzuschreiben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich die beiden Fragen zusammen beantworten könnte.
Dann rufe ich auch die Frage 11 des Abgeordneten Dr. Spöri auf :Ist weiterhin beabsichtigt, diese Auflagen auch für bereits im Betrieb befindliche Wärmekraftwerke verbindlich zu machen?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Zu dem vom Bundesminister des Innern erarbeiteten Entwurf einer Verordnung über Großfeuerungsanlagen — sie ist übrigens nicht Bestandteil der Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes — liegt noch keine zwischen den Bundesressorts abgestimmte Mei-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12739
Part. Staatssekretär von Schoelernung vor. Ich bitte deshalb um Verständnis, wenn die Bundesregierung in diesem Beratungsstadium Ihre Fragen noch nicht beantworten kann. Nach den derzeitigen Planungen ist vorgesehen, den abgestimmten Verordnungsentwurf bis Ende dieses Jahres dem Bundeskabinett vorzulegen.Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß nach der gültigen Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft aus dem Jahre 1974 für die Entschwefelung der Abgase keine Beschränkung auf einen Teilgasstrom genannt und der erreichbare Wirkungsgrad der Entschwefelung mit über 80 °/o angegeben wird.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die in der Offentlichkeit zitierte Auflage einer hundertprozentigen Abgasreinigung im Zusammenhang mit dieser geplanten Verordnung großtechnisch gegenwärtig überhaupt noch nicht machbar ist und in der Bundesrepublik nicht praktiziert wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bezüglich des Inhalts des Entwurfs der Verordnung könnte ich diese Kritik, so sie öffentlich geäußert wird — und sie wird es; Sie haben es zitiert —, nicht teilen; denn wir orientieren uns bei den Auflagen, die wir aus Gründen des Immissionsschutzes machen, an dem Stand der Technik, und es wird nichts anderes vorgeschrieben werden, als Stand der Technik ist. Das muß aber dann auch eingehalten werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Selbst wenn nach dem Stand von Forschung und Entwicklung eine derartige hypothetische Auflage großtechnisch machbar wäre, ist dann nicht die Frage zu erheben, ob dies angesichts der Tatsache, daß Kohlekraftwerke damit Kohlestrom bis zu 2 Pf teurer produzieren würden als bisher, nicht ein großer Wettbewerbsnachteil von Kohlestrom gegenüber der sonstigen Stromproduktion wäre?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das wäre eine Abwägung, die ich so nicht vornehmen könnte. Sie müssen in Bezug setzen die Kostenfaktoren, die aus Auflagen für Rauchgasentschwefelung entstehen, auf der einen Seite und die Belastungen, die für die Umwelt mit dem Betrieb solcher Anlagen ohne solche Auflagen verbunden wären, auf der anderen Seite. Da muß ich in der Tat sagen, daß wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, die nach dem Stand der Technik möglich sind, um die Umweltbelastungen auf das äußerste Maß zu
reduzieren.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Spöri.
Herr Staatssekretär, können Sie, wenn Sie mir hinsichtlich der Abgasreinigung keine präzise Auskunft geben können, zumindest sagen, ob hinsichtlich der Abgasreinigung bei neuen Kohlekraftwerken und bei alten, in Betrieb befindlichen Kohlekraftwerken die gleichen Immissionsschutz-auflagen gemacht werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen schon präzise Angaben machen, nur nicht über etwas, was bisher noch nicht beantwortbar ist, weil der Meinungsbildungsprozeß innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen ist. Die Frage möglicher Differenzierungen zwischen alten und neuen Anlagen ist, wie Sie wissen, genau einer der Punkte, der in der Debatte über die Verordnung über Großfeuerungsanlagen im Gespräch ist und wo die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Vogelsang auf:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß im öffentlichen Dienst des Bundes bei Stellenausschreibungen ein zeitweiliges Studium im Ausland bzw. ein Auslandspraktikum als wünschenswerte Qualifikation aufgeführt wird, um damit einen zusätzlichen Anreiz zur Weiterbildung im Ausland zu schaffen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Stellenausschreibungen für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, Herr Kollege, richten sich nach den Anforderungen der jeweiligen Laufbahn, in die der Bewerber eingestellt werden soll. Von Fall zu Fall kann ein Auslandsstudium oder Auslandspraktikum der Erfüllung der künftigen Aufgaben durchaus förderlich sein. Es ist sinnvoll, hierauf in geeigneten Fällen bei der Ausschreibung hinzuweisen. Stellenausschreibungen und Einstellungen fallen in die Zuständigkeit und Verantwortung der einzelnen Ressorts für ihren Geschäftsbereich. Ich werde den Ressorts in diesem Sinne von Ihrer Anregung Kenntnis geben.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie meinen Standpunkt teilen, daß der Gesetzgeber ja durch die Neufassung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes hinsichtlich Auslandsstudium ein Signal gesetzt hat und daß in dieser Weise ein weiteres Signal gesetzt werden sollte, um die jungen Leute anzureizen, ein Auslandsstudium — jedenfalls für einige Semester — zu beginnen?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Vogelsang, ich teile Ihre Auffassung, daß wir Anstrengungen unternehmen müssen, um die Attraktivität des Auslandsstudiums für den Betroffenen sichtbar zu machen und dadurch einen Anreiz zu schaffen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. — Ich hoffe, daß ich damit nicht in den Geschäftsbereich des Kollegen vom Bildungsministerium eingegriffen habe.
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12740 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Keine weiteren Zusatzfragen.
Frage 13. — Die Frau Abgeordnete Simonis bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Topmann auf:
Genügt bei genehmigungspflichtigen Anlagen nach §§ 4 und 15 Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Mitteilung laut § 16 Bundes-Immissionsschutzgesetz, wenn lediglich ein Aggregat durch ein neues ersetzt wird, dessen Leistung, Produktion und Betriebszwecke sich nicht ändern, das jedoch geringere Emissionen verursacht und den Unfallschutz über die Bestimmungen der Bauordnung nicht berührt, und wenn nein, ist die Bundesregierung bereit, das Gesetz in diesem Sinne zu vereinfachen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn bei einer genehmigungsbedürftigen Anlage ein Aggregat ausgewechselt wird, bedeutet dies in der Regel eine wesentliche Änderung der Anlage. Hierfür ist eine Änderungsgenehmigung nach § 15 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erforderlich. Unabhängig davon besteht die periodische Mitteilungspflicht nach § 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Hiernach sind sämtliche Änderungen der Lage, der Beschaffenheit und des Betriebs der Anlage der Behörde zu melden, also auch solche Änderungen, die der Betreiber für unwesentlich hält. Die Behörde soll sich auf Grund der Mitteilungen ein Bild davon machen können, ob die Anlage noch den Genehmigungserfordernissen entspricht. Stellt die Behörde z. B. fest, daß wesentliche Änderungen vorgenommen worden sind, für die keine Genehmigung eingeholt wurde, so hat sie den Betreiber anzuhalten, das Genehmigungsverfahren nach § 15 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nachzuholen.
Die Bundesregierung plant nicht, das geltende Recht zu ändern. Gerade bei wesentlichen Änderungen muß dem Gesichtspunkt der Sanierung Rechnung getragen werden können. Zudem kann die Beurteilung der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens nicht dem Unternehmer überlassen bleiben, sondern muß der Behörde vorbehalten sein.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, weiß die Bundesregierung, daß bei einer solchen Auslegung der § 15 sehr immissionsschutzfeindlich sein könnte, weil Unternehmen, die immissionsschutzfreundliche Aggregate einbauen wollen, sich auf Grund des langen Genehmigungswegs davon abhalten lassen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe mir diese Frage ebenfalls gestellt, als ich mich mit Ihrer Frage auseinandergesetzt habe. Ich muß zunächst erwähnen, daß die Voraussetzungen, die Sie in Ihrer Frage erwähnen, unseren Fachleuten etwas hypothetisch erscheinen. Wenn ich aber jetzt einmal unterstelle, daß die Voraussetzungen zutreffen, wird zu berücksichtigen sein, daß der Betreiber eine Genehmigung in einem vereinfachten Verfahren bekommt. Auf der anderen Seite wird mit dieser Genehmigung und dem Genehmigungsverfahren der Behörde die Möglichkeit gegeben, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, ob
sich unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes eine Verbesserung ergeben hat, die bei der Planung von Luftreinhalteplänen usw. zu berücksichtigen ist.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei derartigen Fällen — das eben war ein praxisnaher Fall — die Investitionskosten niedriger liegen als gegebenenfalls die Kosten, die das Genehmigungsverfahren nach sich zieht?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Topmann, ich bezweifle gar nicht, daß das ein praxisnaher Fall war. Aber ich will noch mal sagen, daß das nicht der Regelfall ist. Ich bin aber gerne bereit, das Problem an Hand dieses konkreten Beispiels noch mal zu überprüfen. Wenn Sie mir die Unterlagen dazu einreichen, wäre ich Ihnen sehr dankbar und werde Ihnen dann das Ergebnis der Überprüfung mitteilen.
Herzlichen Dank.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung. Wo ist Dr. de With? — Er braucht nicht da zu sein, weil die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Dr. Geßner und die Frage 26 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz — dies sind alle in diesen Bereich fallende Fragen — schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Das scheint eine kurzgeschlossene Information gewesen zu sein.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser- zur Verfügung.
Ich rufe auf die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Bindig.
Ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welchem Ausmaß Gewinne aus deutschen Privatinvestitionen in Entwicklungsländern, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, zunächst in die Bundesrepublik transferiert werden, um dann unter der Begünstigung des Entwicklungsländersteuergesetzes wieder zur Investition im ursprünglichen Betrieb im Entwicklungsland eingesetzt zu werden, und wie beurteilt die Bundesregierung die dadurch gegebene Möglichkeit, sich nicht nur die ursprüngliche Investition, sondern auch alle Folgeinvestitionen in Entwicklungsländern in der Bundesrepublik Deutschland steuerbegünstigen zu lassen?
Herr Kollege Bindig, über den Transfer der Gewinne aus deutschen Privatinvestitionen in Entwicklungsländern sind keine statistischen Unterlagen vorhanden. Die Bundesregierung ist deshalb nicht in der Lage, Angaben über das Ausmaß solcher Gewinntransferierungen zu machen. Es ist hingegen bekannt, daß nach den Devisenbestimmungen zahlreicher Entwicklungsländer der Transfer von Gewinnen nur beschränkt möglich ist, so daß den Gewinntransferierungen aus
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Parl. Staatssekretär Haehserden Entwicklungsländern meist enge Grenzen gesetzt sind. Soweit Gewinne aus Privatinvestitionen deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern in die Bundesrepublik transferiert werden, gehen sie im Gewinn des deutschen Unternehmens auf und lassen sich daher nicht gesondert weiterverfolgen.Man kann daher in der Regel nicht von der Verwendung von Gewinnen aus Kapitalanlagen in Entwicklungsländern für neue Kapitalanlagen sprechen. Vielmehr ergibt sich die Fragestellung, ob in einem Wirtschaftsjahr, in dem ein deutsches Unternehmen Gewinne aus einer Kapitalanlage in einem Entwicklungsland ins Inland transferiert nach dem Entwicklungsländer-Steuergesetz begünstigte Kapitalanlagen vorgenommen werden können. Diese Frage ist zu bejahen, und zwar gleichgültig, ob die Kapitalanlage im Rahmen eines neuen Engagements oder im Rahmen eines schon bestehenden Engagements in Entwicklungsländern, das bereits Gewinne abwirft, erfolgt.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß dieses Ergebnis dem Sinn und Zweck des Entwicklungsländer-Steuergesetzes entspricht. Das gilt auch dann, wenn mit dem Entwicklungsland, aus dem die Gewinne stammen, ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Denn auch in diesem Falle haben die Gewinne im Entwicklungsland und gegebenenfalls auch in der Bundesrepublik einer, wenn auch möglicherweise ermäßigten Besteuerung unterlegen, und der Investor kann über diese Gewinne genauso uneingeschränkt verfügen wie über die im Inland erzielten Gewinne.Es kann daher nur begrüßt werden, wenn auch in Wirtschaftsjahren, in denen Gewinne aus Kapitalanlagen in Entwicklungsländern ins Inland transferiert werden, neue Kapitalanlagen in Entwicklungsländern von dem Steuerpflichtigen vorgenommen werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, eröffnet der von mir geschilderte Mechanismus nicht die Möglichkeit, daß man nicht nur bei Gewinnen, sondern auch bei normalen Ersatzinvestitionen, die vorgenommen werden, buchungstechnisch die Möglichkeit hat, diese mehrmals über die Bundesrepublik laufen zu lassen und damit Zuschußelemente zu erreichen, die mehr als 100 % ausmachen oder bis an 100 % der ursprünglichen Investition heranreichen können, und liegt eine so intensive Förderung der Investitionen im Interesse des Vorhabens einer partiellen Förderung, wie wir sie eigentlich betreiben?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, wenn ich Ihnen diese Frage bejahte, würde ich damit auch das Vorhandensein des Mechanismus bejahen, von dem Sie sprechen. Diesen sehe ich aber nicht, und zwar aus zwei Gründen. Beide Gründe habe ich in meiner Antwort genannt. Erster Grund: Dem Transfer von Gewinnen stehen, wie häufig überhaupt dem Geldtransfer, Bestimmungen in den Entwicklungsländern entgegen.
Zum Beispiel zumeist in den ärmsten Ländern gibt es solche Bestimmungen. Auch in den lateinamerikanischen Ländern gibt es solche Bestimmungen, wie in Argentinien und Brasilien. So haben wir es in Brasilien mit einer Geldtransfersteuer zu tun. Der zweite Grund dafür, daß ich diesen Mechanismus nicht als gegeben anerkenne, ist, daß das zur Zeit ja niemand überprüfen kann. Ich sagte, die Gewinne, die gegebenenfalls ins Inland transferiert werden, gehen in die hiesigen Gewinne der Unternehmen ein. Deswegen können Sie gar nicht überprüfen, ob es einen solchen Mechanismus gibt.
Die beiden Fragen waren nicht zusammengefaßt.
Nein, aber ich habe noch eine Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, wenn Sie diesen Mechanismus auch nicht bestätigen können, so haben Sie ihn in Ihrer Antwort aber auch nicht widerlegen können, zumindest für einige Länder, wo eine solche Transferierung möglich ist. Ist es von daher nicht zumindest für einige Länder, die keine Beschränkungen bei der Ausfuhr von Gewinnen kennen, möglich, solche Mehrfachförderung zu erreichen, wie ich sie geschildert habe, und eröffnet das nicht darüber hinaus sogar die Möglichkeit für multinationale Konzerne, die eine deutsche Tochter haben, alle Investitionen, die sie in Länder der Dritten Welt machen, über die Bundesrepublik Deutschland zu führen, um somit eine Förderung der Finanzierung durch den deutschen Steuerzahler zu erreichen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, die Bundesregierung wird den Elementen, die in Ihrer Frage stecken, nachgehen. Ich möchte aber deutlich machen, daß das Entwicklungsländer-Steuergesetz nicht der Häufung von Gewinnen, sondern den Entwicklungsländern dienen soll. Wenn das Zusammenführen von Gewinnen, die entstehen und in die Bundesrepublik Deutschland transferiert werden, dazu führt, daß die Firmen zu größeren Anstrengungen in den Entwicklungsländern ermutigt und in die Lage versetzt werden, dann wäre das auch ein Sinn des Entwicklungsländer-Steuergesetzes.
Ich habe Ihnen aber zugesagt, den Elementen, die in Ihrer Frage stecken, nachzugehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cronenberg.
Herr Staatssekretär, bejaht die Bundesregierung den Transfer von Gewinnen aus Entwicklungsländern, und hält sie es für förderlich für Investitionen, daß sie sich für den Transfer solcher Gewinne einsetzt, und bejaht die Bundesregierung auch die freie Verwendung von Gewinnen, die, wo auch immer sie erzielt werden, frei verwendbar sein sollen?Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Ja auf diese Frage ergibt sich aus meinen bisher gegebenen Antworten.
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12742 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Bindig auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob deutsche Privatinvestitionen, die in der Bundesrepublik Deutschland bereits durch das Entwicklungsländersteuergesetz gefördert werden, noch durch nationale Förderungsbestimmungen der Entwicklungsländer begünstigt werden, und kann die Bundesregierung Angaben machen, welche Zuschußwirkungen durch eine solche Addition von Förderungen aus „Geberland" und „Nehmerland" höchstens erreicht werden können?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, der Bundesregierung ist bekannt, daß zahlreiche Entwicklungsländer in gewissem Umfange Steuererleichterungen zur Anziehung von Auslandskapital gewähren, wobei dies ohne Rücksicht auf eine vorherige Begünstigung durch das Entwicklungsländer-Steuergesetz in der Bundesrepublik geschieht. Da die Förderungsmaßnahmen der Entwicklungsländer im Einzelfalle sehr unterschiedlich sind und darüber hinaus auch der Begünstigungseffekt des Entwicklungsländer-Steuergesetzes von Fall zu Fall variiert, läßt sich keine generelle Aussage über eine „Zuschußwirkung" dieser Maßnahmen machen.
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, in meiner Frage hatte ich gefragt, ob die Bundesregierung Angaben machen kann — zumindest für Einzelfälle —, welche Zuschußwirkungen durch eine solche Addition von Förderungen aus „Geberland" und „Nehmerland" höchstens erreicht werden können. Darf ich jetzt nachfragen, ob die Bundesregierung vielleicht einige Beispiele hat, welche Zuschußwerte damit erreicht werden können?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich hatte Ihre Frage natürlich gelesen. Insofern haben Sie mir mit der Wiederholung Ihrer Frage nichts Neues gesagt. Aber ich muß dabei bleiben, was ich Ihnen geantwortet habe: Förderungsmaßnahmen sind sehr unterschiedlich und variieren. Einmal werden sie zurückgezogen, einmal werden sie eingeschränkt, einmal werden sie verstärkt, so daß die Gesamtwirkung der Vergünstigungen, wie sie unser Steuergesetz gewährt, und der Vergünstigungen, wie sie variierend von den Entwicklungsländern gewährt werden, von uns nicht festgestellt werden kann, jedenfalls, Herr Kollege, nicht in der Zeit, die uns zwischen Einreichung und Beantwortung der Frage verbleibt.
Herr Abgeordneter Bindig, um vorzubeugen: Den zweiten Teil Ihrer Frage hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär auch gelesen. Ich darf Sie bitten.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort dann schließen, daß die Bundesregierung nur relativ wenig Kenntnisse konkreter Art über das Zusammenwirken von verschiedenen Förderungen hat? Und ist die Bundesregierung bereit, auf diesem Gebiet weitere Erkennntnisse zu sammein, um sie mir zu gegebener Zeit schriftlich mitzuteilen?
Haehser, Pari. Staatssekretär: Ich kann Ihnen beides bestätigen und also auch in Aussicht stellen, daß Ihnen hinzugewonnene Erkenntnisse gerne mitgeteilt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Hauser auf. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Gerster auf:
Wie hoch belaufen sich die unvorhergesehenen Steuermehreinnahmen, die als unmittelbare oder mittelbare Folge der 01- und Benzinpreissteigerungen in diesem Jahr bis jetzt errechnet bzw. geschätzt werden können?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gerster, wenn Sie mir eine Freude machen wollen, lassen Sie mich beide Fragen zusammen beantworten.
— So sind wir Landsleute untereinander.
Ich rufe dann die Frage 22 des Abgeordneten Gerster ebenfalls auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß diese Mehreinnahmen an die Verbraucher zurückfließen müssen, und auf welche Weise plant die Bundesregierung gegebenenfalls, dies sicherzustellen?
Haehser Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, von Ölpreissteigerungen wird das Mineralölsteueraufkommen nicht beeinflußt, da es sich bei der Mineralölsteuer um eine Mengensteuer handelt. Im Verhältnis zum Preis ist somit der Mineralölsteueranteil rückläufig.
Bei der Umsatzsteuer könnten rein rechnerisch Mehreinnahmen aus dem Umsatz von Mineralölprodukten entstehen. Bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtungsweise allerdings ergeben sich grundsätzlich keine zusätzlichen Umsatzsteuermehreinnahmen bei solchen Preiserhöhungen; denn bei gleichbleibendem verfügbarem Einkommen bewirken preisbedingte Mehrausgaben der Endverbraucher für Mineralölprodukte entweder Einsparungen im Mineralölverbrauch oder Minderausgaben bei anderen Verbrauchsgütern, so daß ein zusätzliches Umsatzsteueraufkommen insgesamt gesehen nicht entsteht.
Da mithin Mehreinnahmen nicht entstehen, stellt sich auch nicht die Frage nach einer Verbrauchsverbilligung oder ähnlichem.
— Ich hatte gesagt: Man muß das gesamtwirtschaftlich sehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Gerster.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12743
Herr Staatssekretär, da ich davon ausgehe, daß Sie auch meine Frage gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, daß ich nicht nach Mineralölsteuermehreinnahmen gefragt habe.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich habe auch nicht davon gesprochen.
Ich bin trotzdem dankbar für die Belehrungen im ersten Teil Ihrer Antwort.
Wollten Sie damit zum Ausdruck bringen, daß die Preissteigerungen, die seit Anfang dieses Jahres in diesem Bereich festzustellen sind, nicht zu Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer führen, auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Mehrwertsteuer in diesem Bereich in der Regel zweimal berechnet wird, ganz abgesehen von der Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen .Punkt ab 1. Juli?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das wollte ich keinesfalls zum Ausdruck bringen. Wenn man mir jetzt zuhört, wird man sich vielleicht noch einmal überlegen, ob die Heiterkeit gerechtfertigt war. Natürlich entsteht ein Mehraufkommen bei der Mehrwertsteuer durch höhere Preise bei den Mineralölprodukten. Ich hatte aber gebeten, das gesamtwirtschaftlich zu sehen; denn Einkommen steht nur einmal zur Verfügung und wird nur einmal zu Umsätzen verwendet, die zu Steuereinnahmen führen.
Der Effekt, von dem Sie ausgehen, Herr Kollege, könnte nur dann eintreten, wenn sich die Sparquote veränderte. Nach unseren Ermittlungen gibt es zur Zeit keinen Anlaß, das anzunehmen.
Insofern spreche ich die herzliche Einladung aus, es sich noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, ob ich nicht doch recht habe.
Eine weitere Zusatzf rage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, diesem Hohen Hause mitzuteilen, wie hoch die Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer auf Grund der Preiserhöhungen bei Heizöl und Mineralöl sind?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Das kann ich gelegentlich mitteilen, ja.
Weitere Zusatzfrage.
Kann ich also Ihrer letzten Antwort entnehmen, daß Ihr Haus bisher keinerlei Berechnungen angestellt hat, wie hoch die Steuermehreinnahmen seit 1. Januar in diesem Bereich sind?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Wir berechnen natürlich die Mehrwertsteuereinnahmen, aber nicht für einzelne Produkte. Das kann auch niemand von unserem Ministerium verlangen.
Allerdings muß ich auch darauf hinweisen dürfen, daß uns die Ölpreissteigerungen ja nicht kontinuierlich ab 1. Januar ins Haus gekommen sind, sondern in den letzten Wochen besonders kraß zutage traten. Gehen Sie bitte davon aus, Herr Kollege, daß wir die Entwicklung — auch den steuerlichen Teil der Entwicklung — sorgfältig beobachten.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich dann anregen, daß Sie Ihren Sachverstand in diesem Hohen Hause jetzt unter Beweis stellen, indem Sie persönlich schätzen, wie hoch diese Mehreinnahmen in diesem Jahr bis zum heutigen Tage sind.
— Sehr viel.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich könnte Ihnen natürlich irgendwelche Zahlen nennen, aber sie wären nicht fundiert. Deswegen lasse ich das.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, nach Ihrer „Steuerbilanz", die Sie eben vorgetragen haben, und auf Grund der Art und Weise, wie Sie es vorgetragen haben, müßte man eigentlich zu Tränen gerührt sein.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich lade Sie ein.
Ich möchte Sie dennoch fragen: Ist es nicht so, daß in den letzten Jahren die Steuereinnahmen insgesamt laufend gestiegen sind und auch in diesem Jahr zunehmen werden, daß auch die Mehrwertsteuer in diesem Jahr ansteigen wird und daß durch die Erhöhung der Benzinpreise ein Ansteigen beim Mehrwertsteueraufkommen eintreten wird?Sind Sie nicht der Meinung, daß der Bund insbesondere für die Bereiche, in denen die Bevölkerung von den höheren Benzinpreisen besonders hart betroffen ist, nämlich in den ländlichen Bereichen, einen Ausgleich schaffen sollte? Ich denke hier an die Anhebung der Kilometerpauschale.Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, mir fällt es nicht ganz leicht, den engen Zusammenhang zwischen der eingereichten Frage und der jetzt gestellten Frage zu sehen.Aber ich will Ihnen, Herr Kollege, natürlich bestätigen, daß bei gestiegenem Einkommen der Arbeitnehmer und der Rentner auch der Umsatz steigt. Und wenn der Umsatz steigt, steigen die Umsatzsteuer-, sprich: Mehrwertsteuerergebnisse. Sie sehen, auf wie vielen Gebieten ich Auskünfte geben muß, die man sich eigentlich selber geben könnte.
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12744 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß Ihre Theorie, nach der das für das Aufkommen an Umsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer keine Rolle spiele, nur gelten kann, wenn das gesamte Einkommen, das ich habe, auch mehrwertsteuerpflichtig ausgegeben wird? Bisher ist es doch so, daß wir einen Teil des Einkommens gespart haben. Diesen Teil müssen Sie also außer Betracht lassen. Und damit Sie in Ihrem Haus nicht so große Rechnungen anstellen müssen: Bei 31 Milliarden Liter Benzin, die wir im Jahr verbrauchen, macht 1 Pfennig Benzinpreiserhöhung 40 Millionen DM an zusätzlicher Mehrwertsteuer pro Jahr aus.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Sehen Sie, das brauchte ich nicht auszurechnen; diese Zahlen habe ich in meinen Unterlagen. Aber danach bin ich bisher nicht gefragt worden.
Ich habe ja ausdrücklich gesagt, Herr Kollege: Wenn ich die Sparquote als gleichbleibend unterstelle, ist meine Mitteilung richtig. Ich habe dem Hohen Hause auf Ihre Frage, Herr Kollege, hin auch gesagt, daß es zur Zeit keine Hinweise dafür gibt, daß sich die Sparquote ändert. Wenn sie sich ändert, ist natürlich eine andere Lage gegeben. Aber das ist zur Zeit nicht der Fall.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spöri.
Herr Staatssekretär, falls die Bedenken der Kollegen an den nationalökonomischen Modellprämissen gerechtfertigt sein sollten, gehen Sie dann mit mir in der Aussage konform, daß die absehbaren Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die Energiesicherung mittelfristig weit höher sein werden als absehbare Mehreinnahmen aus Ölpreissteigerungen im steuerlichen Bereich und daß insofern der in der Öffentlichkeit erhobene Vorwurf, durch die Ölpreiserhöhungen komme es zu einer staatlichen Bereicherung, völlig verfehlt ist?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe mit Ihrer Auffassung konform, und ich wundere mich, daß die Herren Kollegen, die Fragen der Art gestellt haben, wie sie gestellt worden sind, z. B. nicht die enormen Aufwendungen des Bundes für die Mineralölbevorratung zur Kenntnis genommen haben. Da das in der Vergangenheit offenbar unterblieben ist, kann ich nur die Einladung aussprechen, bei der Beratung des Haushaltsplans 1980 auf diese Ansätze etwas sorgfältiger zu achten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller
Herr Staatssekretär, darf ich Sie im Anschluß an die Frage meines Kollegen Kolb fragen: Gehen Sie bei der Beantwortung der Frage von Herrn Kollegen Gerster nicht
von der falschen Voraussetzung aus, daß die Ausgabenquote gleich bleibt? Natürlich wird nicht das gesamte Einkommen ausgegeben. Aber wird der Ausgabenanteil nicht auf Grund der Erhöhung wahrscheinlich zunehmen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nein.
Das scheint eine ganz lustige Fragestunde zu sein.
Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß die Zusatzfragen kurz sein sollen. Nur im Hinblick darauf, daß wir vermutlich genügend Zeit haben, alle eingebrachten Fragen zu beantworten, habe ich die etwas längeren Zusatzfragen zugelassen. Ich würde bitten, jetzt wieder zu der alten Übung, kurze Fragen zu stellen, zurückzukehren.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Kunz .
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung im Grunde über diese Preiserhöhungen froh ist, weil sie sich auf diese Weise, wie mir scheint, unzutreffenderweise eine Lösung der Verbrauchsproblematik im Sinne geringerer Verbrauchssteigerungen erhofft?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Wissen Sie, wenn die Erhöhung der Produktpreise nicht auch Leute träfe, die aus finanziellen Gründen schwer darunter litten, dann könnte man Ihrer Frage einiges an Sympathie abgewinnen. Da das jedoch so ist, bin ich nicht mit viel Sympathie ausgestattet.
Herr Abgeordneter Kunz, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Bitte schön!
Herr Staatssekretär, die in meiner Frage enthaltene Bewertung des Zusammenhangs ist nicht meine Bewertung, sondern ich muß auf Grund Ihrer Antworten die Bewertung bei Ihnen vermuten. Deshalb frage ich Sie, ob Sie sich, wenn Sie eine solche Bewertung teilen, nicht leichtfertig über die Gruppen, die sektoral und strukturell besonders belastet sind, einfach hinwegsetzen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nein, ich bin ganz sicher, daß Graf Lambsdorff bei den Mitteilungen, die er getroffen hat, auch die Interessen der Gruppen mitbedacht hat, über die wir reden. Deswegen brauche ich keine zusätzliche Antwort über die gegebene Antwort hinaus zu geben, nämlich daß, wenn es nicht Gruppen in unserem Volke gäbe, die es sich finanziell nicht leisten können, höhere oder überzogene Preise zu zahlen, das Mittel der Preise natürlich ein Mittel der Steuerung des Verbrauchs wäre.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12745
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 23 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Trifft es zu, daß das Finanzamt Bonn-Innenstadt der Afrika-Fördergesellschaft e. V. am 14. Dezember 1977 die Gemeinnützigkeit zuerkannt hat, obwohl dieser Verein erst am 12. Juli 1978 in das Vereinsregister in Bonn eingetragen worden ist und obwohl dieser Verein politische Zwecke verfolgt (Unterstützung der Regierungspolitik der Südafrikanischen Union, Unterstützung der Rassentrennung, Unterstützung der sogenannten Demokratischen Turnhallen-Allianz), und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diese Entscheidung?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, würden Sie so freundlich sein, mir zu gestatten, beide Fragen zusammen zu beantworten?
Dann rufe ich auch die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Trifft es zu, daß das Finanzamt Stuttgart Körperschaften der Vereinigung Internationaler Kulturaustausch e. V. die vom 19. März 1974 bis 30. September 1975 vorläufig gewährte Anerkennung als gemeinnützig und förderungswürdig inzwischen mit der Begründung aberkannt hat, der Verein verfolge politische Zwecke, er trete beispielsweise gegen Rassismus und Kulturchauvinismus und für die Menschenrechte ein, und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diese Entscheidung?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Danke schön! Nach dieser Freundlichkeit fällt es mir um so schwerer, Sie enttäuschen zu müssen. Trotz intensiver fernmündlicher Bemühungen ist es dem Bundesfinanzministerium in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht gelungen, die Einwilligung der beiden Vereinigungen in die Offenbarung ihrer steuerlichen Verhältnisse einzuholen. Infolgedessen ist die Bundesregierung durch das Steuergeheimnis gehindert, Ihre Fragen zu beantworten.
Ich darf aber daran erinnern, Herr Kollege Conradi, daß Sie hinsichtlich der Vereinigung Internationaler Kulturaustausch bereits eingehend schriftlich unterrichtet worden sind.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, die Abgabenordnung schreibt in § 52 vor, daß die Gemeinnützigkeit einer Vereinigung nur zuerkannt werden kann, wenn diese ausschließlich die Allgemeinheit materiell, geistig und sittlich fördert, nicht aber politisch. Können Sie mir darin zustimmen, daß eine Zeitschrift wie diese Afrika-Zeitschrift, in der die Bundesrepublik als „politischer Zwerg", in der die Außenminister der Westmächte als „Fünferbande" gekennzeichnet werden, in der die Entwicklungshilfe der Bundesregierung mit den Solidaritätsaktionen der Sowjetunion verglichen wird, d. h. eine Zeitschrift, die sich massiv politisch äußert, den Vorschriften des § 52 Abgabenordnung nicht entspricht und bei strenger Handhabung der Abgabenordnung nicht als gemeinnützig anerkannt werden dürfte?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur hoffen, Herr Kollege Conradi, daß die Mitteilungen, die Sie im Deutschen Bundestag machen, dem Finanzamt zugänglich werden, das über die Gemeinnützigkeit befindet. Sie dürfen auch aus meiner notwendigerweise zu erfolgenden Berufung auf das Steuergeheimnis nicht schließen, daß ich etwa der Meinung wäre, es steckte nicht eine gewisse Problematik in der Gemeinnützigkeit des einen oder anderen Vereins.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich Ihnen, Herr Staatssekretär, und der Bundesregierung die mir vorliegenden Quellen über den Vorgang zuschicken mit der Bitte, im Wege der Dienstaufsicht zu prüfen, ob das Finanzamt Bonn den § 52 der Abgabenordnung korrekt angewendet hat?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Unterlagen dürfen Sie mir selbstverständlich gern zuschicken oder auch gleich übergeben. Dafür wäre ich dankbar. Wir müßten allerdings bitten, die Dienstaufsicht durch das zuständige Ministerium des zuständigen Landes ausüben zu lassen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Auf die zweite meiner Fragen bezogen, Herr Staatssekretär: Verstehen Sie mein Befremden darüber, daß das Finanzamt Stuttgart in einem anstehenden Rechtsstreit der Klägerin vorhält, sie verfolge politische Zielsetzungen, weil sie sich als „stärker werdende Kraft gegen Rassismus und Kulturchauvinismus" begreife, und dies zum Anlaß nimmt, dieser Vereinigung die Gemeinnützigkeit abzusprechen? Dies befremdet mich mit Blick auf die andere Entscheidung des Bonner Finanzamtes, einer eindeutig politischen Zeitschrift die Gemeinnützigkeit zuzuerkennen.
Haehser, Parl. Staatssekretär: So, wie sich die Sätze anhören, die Sie hier sagen, verstehe ich Ihr Befremden. Ich will aber mein endgültiges Urteil erst dann fällen, wenn ich sie insgesamt gelesen habe.
Letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zu prüfen, ob angesichts so unterschiedlicher Entscheidungen der Finanzämter nicht Richtlinien erarbeitet werden müssen, in denen Kriterien dafür aufgestellt werden, ob eine Vereinigung als politisch tätig zu betrachten ist oder nicht, damit die Finanzämter in dieser Sache nicht nach dem Gusto des Finanzamtsvorstandes, sondern nach eindeutigen Richtlinien entscheiden?Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich denke, Herr Kollege, ich mache keinen Fehler, wenn ich Ihnen zusage, daß ich die Damen und Herren unseres Ministeriums darum bitte, dieser Anregung nachzugehen.
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12746 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Staatssekretär, hätten Sie es nicht für nötig gehalten, dem Herrn Fragesteller zu sagen, daß die Finanzamtsvorsteher, die ja in unserem Staat aus Beamten bestehen, nicht nach ihrem Gusto, sondern nach Richtlinien entscheiden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn alles ganz eindeutig wäre, hätte es hier noch nie Fragen zu dieser Problematik gegeben.
War das eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Das war eine Beschimpfung, Herr Präsident.
Bitte schön, eine zweite Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ich hätte mir nur gewünscht — und ich frage Sie, ob Sie nicht meine Meinung in diesem Fall teilen —, daß Sie als Vertreter unserer gemeinsamen Bundesregierung eine solche Unterstellung, die in der Bezeichnung des Herrn Conradi lag, wenn schon nicht gerügt, so doch zumindest in Frage gestellt hätten.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich habe diese Unterstellung nicht herausgehört. Aber ich will Ihnen — wenn Sie darauf hinaus wollen — und der interessierten Offentlichkeit gerne mitteilen, daß Finanzbeamte natürlich nicht aus eigener Machtvollkommenheit entscheiden, sondern nach Gepflogenheiten. Aber daß da noch einiges abzuklären ist, das werden die Finanzbeamten nicht bestreiten und Sie, wenn Sie sich näher mit der Materie beschäftigen, auch nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 29 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:
Wie und wann wird die Bundesregierung die Zusage einlösen, zur Förderung einer stärkeren Gewerbeansiedlung in Berlin vom Haushaltsjahr 1980 an Mittel bereitzustellen, um dem Land Berlin eine schrittweise Senkung der Gewerbesteuer zu ermöglichen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, über die Senkung der Gewerbesteuer in Berlin finden zur Zeit Gespräche zwischen dem Bundesminister der Finanzen und dem Senator für Finanzen in Berlin statt. Im Augenblick kann noch nicht gesagt werden, wann die Gespräche abgeschlossen sein werden. Es ist deshalb auch nicht möglich, jetzt
schon Angaben darüber zu machen, wie das Ergebnis sein wird. .
Ich kann allerdings auf Grund eines solchen Gesprächs, das ich gestern mit Herrn Senator Riebschläger in Berlin geführt habe, sagen, daß ich recht optimistisch bin über den Fortgang und die Beendigung der Gespräche.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der Bundesfinanzminister prinzipiell nicht bereit ist, die Zusage der Berlin-Kommission einzulösen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen das nicht bestätigen.
Zusatzfrage.
Können Sie bestätigen, Herr Staatssekretär, daß erhebliche Differenzen zwischen dem Senator für Finanzen in Berlin und Ihrem Haus in der Frage der Höhe, in der Frage des in Berlin neu zu regelnden Hebesatzes und in der Frage der Zuteilung der Mittel für ein betreffendes Haushaltsjahr bestehen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Auch das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich habe Ihnen gesagt: Die Gespräche sind aufgenommen worden, und das Ergebnis der Gespräche liegt noch nicht vor, wird aber — so wie ich es einschätze — zu Beginn der Haushaltsberatungen in der übernächsten Woche dem Bundeskabinett vorliegen, so daß über Differenzen oder über freundschaftliche Bekundungen jetzt nichts gesagt werden kann, sondern etwas über das Ergebnis erst dann, wenn die Gespräche abgeschlossen sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 30 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wonach diese Zusage völlig unabhängig von den jährlichen Verhandlungen über die Bundeshilfe gilt?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kunz, Mittel des Bundes zur Senkung der Gewerbesteuer in Berlin müßten in Form einer Erhöhung der Bundeshilfe bereitgestellt werden. Denn eine Senkung der Gewerbesteuer führt zu Einnahmeausfällen im Berliner Landeshaushalt und damit zu einer Vergrößerung des Fehlbetrages, zu dessen Abdeckung das Instrument der Bundeshilfe nach § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes vorgesehen ist. Insofern kann die Frage der Bereitstellung von Mitteln des Bundes zur Senkung der Gewerbesteuer nicht losgelöst von den jährlichen Bundeshilfeverhandlungen gesehen werden.
Zusatzfrage, bitte.
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Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12747
Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie meine Auffassung teilen, wonach die Zusage der vier Parteivorsitzenden, die in der Berlin-Kommission gegeben wurde, nicht dazu führen darf, daß an anderen Stellen die Bundeshilfe gekürzt wird, sondern daß die normale Bundeshilfe in Ansatz zu bringen ist, die sich auf Grund der Tatbestände ergibt, und die Mittel nach der Zusage der Parteivorsitzenden zusätzlich aufzustocken sind?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kunz, der Satz 1 meiner Antwort lautet:
Mittel des Bundes zur Senkung der Gewerbesteuer in Berlin müßten in Form einer Erhöhung der Bundeshilfe bereitgestellt werden.
Das ist die Antwort. Ich kann Ihnen sagen, daß ich mit Herrn Riebschläger gestern auch über die Bundeshilfe verhandelt habe. Sie wird nach den Vorstellungen der Bundesregierung auch im Jahr 1980 weit über den Steigerungsraten des übrigen Bundeshaushalts liegen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir wenigstens sagen, daß eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß die Zusage bereits 1980 eingelöst wird?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will den Verhandlungen nicht vorgreifen, weil das unüblich ist; denn ich bin nicht alleiniger Verhandlungspartner. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die vier Parteivorsitzenden gesagt hatten, es solle der schrittweise Abbau der Gewerbesteuer im Jahr 1980 unter den bereits bekannten Bedingungen ermöglicht werden. Da die Bundesregierung weiß und sich in Erinnerung ruft, daß hinter dem Votum der Parteivorsitzenden der Wille auch des Deutschen Bundestages steht, ergibt sich, daß die Chancen, daß das ab 1980 läuft, recht groß sind.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Hauser wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf
Trifft es zu, daß die Läger der Mineralölgesellschaften mit Heizöl und Treibstoffen voll sind, die Gesellschaften aber den Händlern und Tankstellen nur gewisse Verkaufsmengen zuteilen, und was gedenkt die Bundesregierung ggf. gegen diese Praktiken mit der Folge der enormen Preissteigerungen bei diesen Produkten zu unternehmen?
Herr Kollege, der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, die den Schluß zulassen, daß die Mineralölgesellschaften das Angebot von Heizöl und Treibstoffen künstlich knapphalten, indem sie bei vollen Tanks Händlern und Tankstellen nur gewisse Mengen zuteilen. Dagegen spricht auch die amtliche Statistik über die Entwicklung der Inlandsbestände, die bei Motoren-Benzin per 30. April einen geringeren Stand als zum entsprechenden Vorjahreszeitpunkt ausweist. Bei Heizöl ist der Bestand per 30. April 1979 zwar um ca. 1,5 Millionen Tonnen höher als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahrs. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die in diesen Zahlen enthaltenen Bestände für den Krisenfall durch die Neugestaltung der gesetzlichen Pflichtbevorratung im Jahre 1979 größer als im Vorjahr sind. Der Mineralölwirtschaftsverband hat auf Grund einer Erhebung bei seinen Mitgliedern über die frei verfügbaren Bestände per 30. April 1979 eine sowohl bei Motoren-Benzin als auch bei Mitteldestillaten um 0,2 Millionen Tonnen geringere Bestandshaltung als zum entsprechenden Vorjahreszeitpunkt festgestellt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß im zweiten Quartal dieses Jahres der Verbrauch in der Bundesrepublik an Mineralöl gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs zurückgegangen ist, die Importe aber in diesem Zeitraum über denen des Vorjahres liegen, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus und auch aus der Feststellung des Präsidenten des Bundeskartellamts, der jüngst erklärt hat, es sei noch nie so viel 01 über der Erde wie heute gewesen, und deshalb glaube er nicht an eine Mengenkrise?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Es trifft zu, daß im ersten Halbjahr 1979 die Einfuhrzuwachsraten und die insgesamt zum Verbrauch zur Verfügung stehenden Mengen höher als der Verbrauchszuwachs in der Bundesrepublik Deutschland waren. Ich betone, daß sich alle meine Aussagen auf die Bundesrepublik Deutschland beziehen; denn nur über, deren Versorgungssituation können wir eine Aussage machen. Die zitierte Äußerung des Präsidenten des Bundeskartellamts bezieht sich ersichtlich auf die ganze Welt und ist von mir nicht nachprüfbar.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist aus der Sicht der Bundesregierung — und auch auf Grund der Antwort, die Sie jetzt gegeben haben — bei der Mineralölversorgung in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie mit einem Mengenproblem oder mit einem Preisproblem zu rechnen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Wir haben immer wieder deutlich gemacht, daß wir bisher auf Grund der Versorgungssituation, die ich eben beschrieben habe, keinen Anlaß haben, von einem Mengenpro-
Parl. Staatssekretär Grüner
blem zu sprechen. Aber es ist klar, daß die Preisproblematik auf dem Rotterdamer Markt vor dem Hintergrund zu sehen ist, daß Ölförderländer einmal ihre Produktion zurückgenommen haben — Stichwort: Iran —, zum anderen darauf hinweisen, daß sie 01 als strategische Waffe einsetzen. Vor dem Hintergrund dieser Tatbestände besteht weltweit eine Besorgnis hinsichtlich der Menge, die entsprechende Auswirkungen auf die Preise hat. Es ist darüber hinaus auch nicht auszuschließen — und darauf hat der Bundeswirtschaftsminister immer wieder hingewiesen —, daß, wenn die Ölförderländer ihre Produktion tatsächlich verstärkt zurücknähmen, auch Mengenprobleme in der Zukunft auftreten könnten, die bisher bei uns nicht aufgetreten sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glos.
Herr Staatssekretär, gibt es regional begrenzte Energieversorgungsprobleme, und können Sie vor allen Dingen bestätigen, daß das Zonenrandgebiet weiterhin zu Preisen versorgt werden kann, die denen in anderen Gebieten der Bundesrepublik gleichwertig sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Versorgungslage der einzelnen Gesellschaften ist unterschiedlich. Das ist richtig. Dadurch sind auch im Einzelfall regionale und örtliche Probleme aufgetreten. Soweit bisher Probleme bei Verbrauchern aufgetreten sind, konnten sie jeweils in Zusammenarbeit mit dem Mineralölwirtschaftsverband kurzfristig und unbürokratisch gelöst werden, soweit es sich um Mengenprobleme gehandelt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jens.
Herr Staatssekretär, halten Sie angesichts der dargelegten Versorgungslage die Preissteigerungen für Heizöl nicht für überhöht, und gedenkt die Bundesregierung unter Umständen etwas gegen diese exorbitanten Preiserhöhungen bei Heizöl zu unternehmen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, angesichts der Tatsache, daß 40 % unseres Heizölbedarfs aus Importen abgedeckt werden, die bekanntlich zu hohen Preisen auf dem freien Markt gekauft werden müssen, ist die Mischkalkulation, die den Heizölpreis bei uns bestimmt hat, jedenfalls nicht a priori als überhöht anzusehen. Trotzdem bleiben Fragen offen, weil sich eine vergleichbare Preissteigerung bei Benzin bisher nicht ergeben hat. Das ist eine Frage, die wir in Zusamenarbeit mit den Mineralölkonzernen zu klären versuchen.
Wir müssen aber sehr deutlich sagen, daß unsere Eingriffsmöglichkeiten auf die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sind. Hier verfügen wir über Transparenz. Wir sind nach wie vor daran interessiert — von unserer Abhängigkeit vom Rotterdamer Markt her —, daß die nötigen zusätzlichen Importmengen hierherkommen. Das setzt voraus, daß die im Augenblick dort geforderten Preise von den einführenden Unternehmen auch gezahlt werden — und damit natürlich den Verbraucher belasten.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cronenberg.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung gewillt, diese Probleme mit marktwirtschaftlichen Methoden und einer Förderung des Mengenangebotes zu lösen, oder beabsichtigt die Bundesregierung dirigistische Eingriffe in den Markt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Wir beabsichtigen keine dirigistischen Eingriffe in den Markt. Ich weise allerdings darauf hin, daß wir von zahlreichen Ländern der westlichen Welt in der Internationalen Energieagentur oder bei anderen Gelegenheiten zu solchen Eingriffen gedrängt werden. Die Versorgungsstruktur dieser Länder sieht aber in der Regel anders aus als unsere, weil jene ihre Versorgung in erster Linie auf Rohöleinfuhren ausrichten konnten und nicht von Produkteneinfuhren in dem Maße abhängig sind wie die Bundesrepublik Deutschland.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spöri.
Herr Staatssekretär, die von Ihnen angesprochene Transparenz — auf Grund der Meldepflicht — besteht nur im Mengenbereich. Daran möchte ich die Frage anschließen, ob die Bundesregierung — wie es einzelne Minister getan haben — weiterhin darauf drängen wird, daß die Mineralölkonzerne in der Bundesrepublik auch ihre Preiskalkulation gegenüber der Öffentlichkeit offenlegen, damit die hier in den Fragen zugrunde gelegte Unterstellung, daß künstliche Preistreiberei begangen wird, öffentlich geklärt werden kann?Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Bundeswirtschaftsminister hat „gläserne Taschen" der Mineralölkonzerne in dieser Situation gefordert. Diese Haltung wird beibehalten. Wir sind durch die Verpflichtung der Mineralölkonzerne uns gegenüber, auch in der Preisfrage Rechenschaft abzulegen, durchaus in der Lage, Einblick in die Situation der einzelnen Konzerne zu nehmen. Wir sind aber nicht berechtigt, derartige Zahlen der Offentlichkeit bekanntzugeben, wenn sie von den Mineralölkonzernen nicht in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse veröffentlicht werden. Ich füge hinzu, daß diese Zahlen sich auf das Verhalten der Konzerne nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland beziehen, so daß wir keine Aussagen über etwaige Gewinne machen können, die außerhalb unserer Grenzen anfallen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12749
Tut mir leid, Herr Abgeordneter Jens.
Ich rufe die Frage 27 — Abgeordneter Menzel — auf :
Hat die Bundesregierung überprüft, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die vorhandene installierte Kraftwerkskapazität erhöht werden muß, um die Stromversorgung auch dann sicherzustellen, wenn Haushalte in großem Umfang durch nichtunterbrechbare Wärmepumpenheizungen versorgt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Pari. Staatssekretär: Die Bundesregierung sieht in der Wärmepumpentechnologie einen wichtigen Ansatz, um im Bereich der Gebäudeheizung Energie einzusparen und vor allem Ö1 zu verdrängen. Sie hat deshalb Vorschläge zur tariflichen Behandlung der Wärmepumpen vorgelegt, die die Einführung dieser Technologie — unabhängig von den möglichen Anwendungsvarianten — erleichtern sollen.
Der Betrieb von Wärmepumpen würde nur dann zusätzliche Kraftwerkskapazität erfordern, wenn in größerem Umfang neben der heute favorisierten bivalenten Wärmepumpe die zeitlich nicht unterbrechbare, d. h. ganzjährig laufende Wärmepumpe zum Einsatz käme. Diese Wärmepumpenbauart dürfte aber nur einen begrenzten Abnehmerkreis finden, da die technischen Randbedingungen, z. B. schlechte Ausbeute im Winterbetrieb mit der Wärmequelle Luft, die Wirtschaftlichkeit gegenüber anderen Anwendungsvarianten wesentlich verschlechtern.
Die Bundesregierung geht daher davon aus, daß durch den Einsatz von Wärmepumpen in den nächsten Jahren keine nennenswerte zusätzliche Kraftwerkskapazität erforderlich wird und damit auch die Sicherheit der Stromversorgung nicht in Frage gestellt ist.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die monovalente Wärmepumpe dann, wenn für sie nur der Leistungspreis gezahlt zu werden braucht, gegenüber der bivalenten Pumpe, die in der Anschaffung erheblich teurer ist, einen solchen wirtschaftlichen Vorteil bringt, daß ein Boom in diesem Bereich zu erwarten ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann zu dieser Frage im Augenblick keine Aussage machen, weil sie einen Blick in künftige Entwicklungen erfordert, der im Augenblick nicht möglich ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 28 — Herr Abgeordneter Menzel — auf:
Welche Auswirkungen hätte die Notwendigkeit, wegen des Einsatzes großer Mengen nichtunterbrechbarer Wärmepumpen in großem Umfang Kraftwerkskapazität vorzuhalten, um die Versorgung jederzeit sicherzustellen, auf den Strompreis?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung geht, wie gesagt, davon aus, daß die nichtunterbrechbare Wärmepumpe nur ein begrenztes Einsatzpotential hat und daß diese Technologie daher mittelfristig keine zusätzliche Kraftwerkskapazität erfordert. Es ist daher für die überschaubare Zukunft nicht damit zu rechnen, daß die nichtunterbrechbare Wärmepumpe Auswirkungen auf den Strompreis hat.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Jenninger wird auf Wunsch des Fragestellers zurückgezogen.
Die Frage 67 wird auf Wunsch des Fragestellers — des Abgeordneten Würtz — schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 51 und 52 auf. — Herr Abgeordneter Dr. Emmerlich ist nicht im Saal; die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Die Fragen 19 und 20 werden auf Wunsch der Fragestellerin — der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier — schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 32 und 33 auf. — Herr Abgeordneter Milz ist nicht im Saal. Auch diese Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 34 — des Herrn Abgeordneten Müller — auf.
Herr Präsident, darf ich die Fragen 34 und 35 wegen des Zusammenhangs gemeinsam beantworten?
Ich bin einverstanden. Da muß aber der Fragesteller sein Einverständnis erklären. — Er ist einverstanden.Dann rufe ich die Fragen 34 und 35 gemeinsam auf:Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Ausgaben der sozialen Krankenkassen je Mitglied gegenüber dem Jahr 1977, trotz Krankenversicherungskostendämpfungsgesetz, wieder — zum Teil sogar sprunghaft — ansteigen, und wenn ja, wie lauten die Vergleichszahlen?Auf welche Ursachen führt die Bundesregierung gegebenenfalls diese Kostensteigerungen nach ihren Erkenntnissen zurück?Bitte, Herr Staatssekretär.Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, die Meldungen über die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im Rechnungsjahr 1978 weisen aus, daß die Leistungsausgaben je Mitglied gegenüber dem Jahr 1977 um 5,7 v. H. gestiegen sind. Dies bedeutet, daß die Leistungsausgaben die Grundlöhne, die um rund 5 v. H. zugenommen haben, nur geringfügig überstiegen haben. Deutlich über dem durchschnittlichen Wert von 5,7 01e liegen insbesondere die Ausgaben für zahnärztliche Behandlung, für Arzneimittel sowie
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12750 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Parl. Staatssekretär Buschfortfür Heil- und Hilfsmittel. Außerdem ist festzustellen, daß die Ausgaben im zweiten Halbjahr 1978 stärker gestiegen sind als im ersten Halbjahr 1978.Für das erste Quartal 1979 liegen die vollständigen Ergebnisse der Schnellmeldungen der Krankenkassen noch nicht vor. Nach den bisher vorliegenden Zahlen liegt die Ausgabenentwicklung im ersten Quartal 1979 gegenüber dem ersten Quartal 1978 bei den Heil- und Hilfsmitteln mit plus 12 %, bei den Arzneimitteln mit plus 8 bis 9 % und beim Zahnersatz mit plus 10 bis 11 % deutlich über der Entwicklung der Grundlohnsumme. Die übrigen Ausgabenpositionen bewegen sich im Rahmen der Veränderung der Grundlohnsumme. Bei diesen Werten ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich um vorläufige Schätzwerte handelt. Sie dürften jedoch den Trend in etwa wiedergeben.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, kann man nicht aus der Tatsache, daß auch die privaten Krankenversicherungen im Berichtsjahr 1978 10 °/o mehr für ihre Leistungen aufbringen mußten und auch die Ausgaben — wie sie richtig hier zitiert haben — der Ortskrankenkassen im ersten Quartal 1979 mit 7,8 % um 2,3 % höher als der Beitragszuwachs lagen, schließen, daß eine neue Kostenwelle auf dem gesamten Gebiet der Krankenversicherung auf uns zukommt?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, zunächst einmal muß festgehalten werden, daß es im Jahre 1978 nicht zu einer Beitragssteigerung und damit auch nicht zu einer Kostenwelle für die Beitragszahler gekommen ist. Ich will nicht ausschließen — und sagte es ja bereits —, daß die vorläufigen Schätzungen uns Veranlassung geben, dafür zu sorgen, daß nun die Beteiligten, d. h. die Verbände und die Selbstverwaltungsorgane sich zusammensetzen, um zu überlegen, wie es im Jahre 1979 weitergehen soll. Ich bin jedenfalls der Auffassung, daß diesbezügliche Gespräche notwendig sind.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung des Sozialministers von Nordrhein-Westfalen, Professor Farthmann, wonach der Kostendämpfungseffekt jetzt verpufft sei, viele Ärzte zu schnell und teilweise sogar leichtfertig Arzneimittel verschreiben und die Ärzte, weil den Bürgern erhebliche Anhebungen der Krankenkassenbeiträge einfach nicht mehr zugemutet werden könnten, entsprechend dem Kostendämpfungsgesetz mit Einnahmeneinbußen rechnen müßten, wenn keine Änderungen eintreten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, ich will die aufgeworfene Frage nicht aus medizinischer Sicht beantworten; das müssen zunächst die Ärzte tun. Herr Minister Farthmann hat aber zweifellos das zum Ausdruck gebracht, worauf auch Ihre Frage abzielt, nämlich daß der Kostenanstieg zu Beginn des Jahres 1979 wieder sehr stark ist und daß die Beteiligten dafür sorgen müssen, daß hier Regulierungen vorgenommen werden. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß Beitragssteigerungen, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, zukünftig nicht mehr vertreten werden können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des Bonner Instituts Finanzen und Steuern, für ambulante Behandlung und Arzneimittel — gerade bei den letzteren sind ja erhebliche Kostensteigerungen zu verzeichnen — eine Kostenbeteiligung in Form einer kombinierten Prozentsatz- und Höchstbetragsregelung als Mittel der Beitragsstabilisierung einzuführen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, Sie kennen meinen. Standpunkt allzugut, aber Sie wollen meine Antwort sicherlich noch einmal schriftlich als Ergebnis dieser Fragestunde haben. Ich halte von dem Vorschlag überhaupt nichts, zumal alle Versicherten zur Zeit die notwendigen Aufwendungen im wesentlichen durch Beiträge bezahlen. Was soll es, wenn man zum einen die Beiträge zahlt und zum anderen darüber hinaus auch noch am Risiko beteiligt wird? Ich halte nichts davon.
Herr Horstmeier, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß durch eine prozentuale Kostenbeteiligung — anstatt der nach dem Kostendämpfungsgesetz zu entrichtenden 1 DM pro Medikament — das Kostenbewußtsein der Versicherten geweckt bzw. gefördert werden kann?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, ich glaube nicht daran; denn diese Mark wird nur fällig, wenn ein Arzt Medikamente verschrieben hat; es muß wohl im Ermessen des Arztes liegen, zu entscheiden, ob die Verschreibung notwendig ist oder nicht. Wir hatten früher eine andere Regelung. Wir haben jetzt die Regelung mit der einen D-Mark pro Medikament. Ich glaube nicht daran, daß eine andere Regelung — zum Beispiel die prozentuale Beteiligung — hier zu anderen Ergebnissen führen würde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker .
Herr Staatssekretär, können die wirklich erheblichen Steigerungen im ersten Quartal 1979 auch mit anderen Faktoren zusammenhängen, wie zum Beispiel einem niedrigen Ausgangslevel durch die Schockwirkung des Kostendämpfungsgesetzes im ersten Quartal 1978, oder dem wesentlich härteren Winter, der eine erhöhte Morbidität zur Folge gehabt haben kann?
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Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12751
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Becker, weil die Gesamtfaktoren nicht bekannt sind, habe ich vorhin auch gesagt: dies muß noch diskutiert werden, und es handelt sich noch um vorläufige Angaben. Ich bin sicher, daß mehrere Momente eine besondere Rolle gespielt haben; sicherlich der Winter, sicherlich die Vergleichswerte aus dem vorigen Jahr; aber möglicherweise auch ein Nachlassen der Anstrengungen aller Beteiligten, der Ärzte, der Versicherten selber, vielleicht auch der Selbstverwaltungsorgane. Hier müssen wir Wert darauf legen, daß wieder der Grundsatz eingehalten wird, daß eine Krankenkasse nicht mehr ausgeben darf und kann als sie einnimmt, wenn wir Beitragsstabilität durchhalten wollen.
Herr Müller, Sie bekommen die letzte Zusatzfrage. Ich gebe aber Herrn Becker noch die zweite Zusatzfrage. Bitte schön!
Herr Staatssekretär, zu den Steigerungen des Jahres 1978 gegenüber 1977, bei denen hauptsächlich Arzneimittel und der Zahnersatz in besonderem Maße herausgeraten sind: Liegen unter Umständen die Ursachen für gewisse Steigerungsraten bei den Herstellern von Zahnersatz oder bei den Herstellern von Arzneimitteln?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Becker, ich bin im Augenblick zuwenig fachkundig, um hier eine Antwort geben zu können. Ich werde dies überprüfen lassen und Ihnen dann eine schriftliche Antwort geben.
Herr Abgeordneter Müller , bitte!
Herr Staatssekretär, kann man also davon ausgehen, daß trotz der zu beobachtenden Kostensteigerungen auf einigen Gebieten auch 1980 keine generellen Beitragssteigerungen zu erwarten sind, zumal — das darf ich hier einmal erwähnen — auf Grund einer vorgesehenen Änderung des § 364 RVO die Krankenkasse nicht mehr ein Rücklagesoll von mindestens zwei Monatsausgaben nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre haben muß, sondern nach § 365 RVO vorgesehen ist, daß nur noch eine Rücklage für mindestens eine halbe und höchstens eine einfache Monatsausgabe gebildet werden soll und damit aus der Rücklage zunächst die Kostensteigerung abgedeckt wird?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, es wird mehrere Betrachtungsweisen geben müssen, die dazu beitragen, daß ein Beitragsanstieg nicht oder nicht so schnell vonstatten geht. Die guten Ergebnisse aus 1977/78 haben bei vielen Kassen zu Beitragssenkungen geführt. Andere Kassen haben Rücklagen gebildet und sind deshalb jetzt in der glücklichen Situation, Preissteigerungen länger verkraften zu können. Krankenkassen, die zu spät eine Beitragsregulierung vorgenommen haben, werden möglicherweise jetzt und auch zukünftig Veranlassung haben, Beitragserhöhungen durchzusetzen. Die Änderung der Rücklagenregelung wird dazu beitragen, daß die Kassen finanziell von der Liquidität her besser ausgestattet sind und daß insgesamt auch für 1979 davon auszugehen ist, daß eine Beitragsstabilität erreicht werden kann. Was im Jahre 1980 geschieht, kann ich Ihnen leider heute noch nicht sagen; denn Hellseher bin auch ich nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe auf die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Unland:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Verlagerung der Zuständigkeit für die Anerkennung als Schwerbehinderte von den Kommunalbehörden auf die Träger der Versorgungsverwaltung Bearbeitungszeiten von mindestens einem halben Jahr bis zu einem Jahr und mehr entstanden sind, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Unland, durch das 8. Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes sind mit Wirkung vom 20. Juni 1976 auch die Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes geändert worden, die die Feststellung und den Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft und sonstiger gesundheitlicher Merkmale betreffen.
Im Interesse der Schwerbehinderten und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist die Zuständigkeit für die Aufstellung und Verlängerung der Ausweise den Versorgungsämtern, also den Stellen übertragen worden, die auch die erforderlichen Feststellungen treffen.
Diese Zuständigkeitsregelung hat sich bewährt und ist nicht ursächlich für die längeren Bearbeitungszeiten für Anträge auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Wenn in einigen Bereichen bei den Versorgungsämtern noch immer unerfreulich lange Bearbeitungszeiten zu beobachten sind, so ist dies die Konsequenz einer höheren Arbeitsbelastung. Diese ergibt sich aus der Ausdehnung des geschützten Personenkreises auf alle Schwerbehinderten ohne Rücksicht auf Art und Ursache der Behinderung durch das Schwerbehindertengesetz.
Wären die örtlichen Fürsorgestellen für die Ausstellung und Verlängerung der Ausweise zuständig geblieben, so wären die Probleme, die jetzt von den Versorgungsämtern gelöst werden müssen, in gleicher Weise bei diesen Stellen aufgetreten.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für zumutbar, daß ein Berechtigter auf die Erfüllung seines Rechtsanspruchs heute mindestens ein halbes Jahr, in der Regel ein Jahr und in sehr vielen Fällen zwei Jahre warten muß?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Zahlen, die Sie anführen, stimmen nicht. Die durchschnittliche Wartezeit ist beachtlich kürzer.Es liegt in aller Regel nicht daran, daß die zuständigen Versorgungsämter nicht schnell genug arbei-
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12752 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Parl. Staatssekretär Buschfortten, sondern daß z. B. die medizinischen Dienste und die Gutachter, die mit beteiligt sind, ihre Gutachten manchmal recht zögerlich abgeben.Außerdem müssen wir bei dieser Frage unterstreichen, daß wir es jetzt mit einem ganz anderen Personenkreis zu tun haben.Ich habe auch immer wieder zum Ausdruck gebracht — und die Versorgungsämter sind stets darauf eingegangen —: Wenn es sich um dringende Fälle handelte, z. B. im Zusammenhang mit Kündigungsschutzprozessen oder im Zusammenhang mit Steuererklärungen, waren die Versorgungsämter immer bereit, um Schaden abzuwenden, solche Anliegen schneller und unbürokratisch zu regeln.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie nicht die Besorgnis von Behinderten, die in dieser langen Bearbeitungszeit im Grunde eine Rechtsverweigerung sehen, und glauben Sie nicht, wenn der Fehler bei den ärztlichen Diensten liegt, daß dann geeignete Schritte unternommen werden müssen, um diese ärztlich notwendigen Feststellungen zu beschleunigen, damit diese ganzen Anerkennungsverfahren jedenfalls in einem zumutbaren Zeitraum abgewickelt werden können, wie es ja offensichtlich früher möglich gewesen ist? Die Behinderten haben kein Verständnis dafür, daß durch eine bürokratische Veränderung der Zuständigkeitsregelung die Erfüllung ihrer materiellen Ansprüche unzumutbar verzögert wird.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Unland, ich darf noch einmal sagen, das Problem ist nicht die Veränderung der Zuständigkeitsregelung, sondern das Problem besteht darin, daß ein wesentlich größerer Personenkreis jetzt gesetzlich erfaßt wird.
Daß die Untersuchungen zum Teil sehr langwierig sind, wird auch nicht bestritten, und daß es Wartezeiten gibt, die unangenehm sind, das wird auch nicht bestritten.
Nun, ich muß hinzufügen, Herr Dr. Unland, hier gibt es kaum Unterschiede von Schleswig-Holstein bis Bayern. Zuständig für die Durchführung und auch für die verwaltungsmäßige Abwicklung im medizinischen Bereich ist ja nicht der Bund, sondern sind die Länder. Dann müßten diese Fragen an die jeweiligen Landesregierungen gestellt werden, damit diese die Versorgungsämter so ausstatten, daß eine schnellere Abwicklung möglich ist. Dies ist aber keine Frage an die Bundesregierung, sondern an die jeweiligen Landesregierungen, die dieses Gesetz abzuwickeln haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker .
Herr Staatssekretär, da abzusehen ist und war, daß durch die Zuständigkeitsveränderung sich hier ein Mehranfall an Arbeit ergeben wird: Wann rechnen Sie damit,
daß wieder annähernd normale Verhältnisse in diesem Bereich eintreten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Becker, ich weiß, daß die Versorgungsämter große Anstrengungen unternommen haben und daß die Bearbeitungszeiten erheblich zurückgegangen sind. Ich weiß auch, daß in beachtlichem Umfange personelle Veränderungen herbeigeführt worden sind, so daß heute schon eine reibungslosere Abwicklung stattfinden kann. Hinzu kommt, daß natürlich der große Stau, der durch die neue Gesetzgebung eingetreten ist, jetzt zügig abgebaut werden kann. Die letzten Zahlen lassen eigentlich schon jetzt den Schluß zu, daß die Bearbeitungszeiten noch in diesem Jahr zurückgehen werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe auf die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Horstmeier:
Gibt es bei der Erfassung der Ausbildungs- und Beschäftigungssituation von Jugendlichen erhebliche Dunkelziffern — wie die Presse meldete —, und wenn ja, wie groß sind schätzungsweise diese Zahlen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, auch bei Ihnen würde ich gern die beiden Fragen im Zusammenhang beantworten, wenn Sie einverstanden sind.
Dann rufe ich auch die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:Gibt es Tendenzen in ländlichen Räumen, daß fachlich qualifizierte Jugendliche in Ballungsräume abwandern müssen, um eine angemessene Beschäftigung zu finden, und wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls diese Tendenzen?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, im Rahmen der von der Bundesanstalt für Arbeit monatlich durchgeführten Statistik der Berufsberatung werden sowohl die zur Vermittlung gemeldeten Berufsausbildungsstellen als auch die Bewerber für Berufsausbildungsstellen gezählt. Da die Bewerbung um Ausbildungsstellen bei der Bundesanstalt freiwillig ist, kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine gewisse Zahl von Jugendlichen statistisch nicht erfaßt wird. Es handelt sich dabei z. B. um Jugendliche, die entweder nicht an der Vermittlung einer Ausbildungsstelle interessiert sind oder aber von vornherein auf eine Ausbildungsstelle auf Grund ihrer schulischen Vorbildung verzichten. Da die Jugendlichen durch die Berufsberatung der Arbeitsämter unter anderem auch über die Bedeutung einer Berufsausbildung für das spätere Berufsleben sowie über die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter eingehend informiert werden, kann nicht davon ausgegangen werden, daß es eine erhebliche Dunkelziffer bei den arbeitslosen Jugendlichen gibt.Der deutlichen Ausweitung des Bildungsangebots insbesondere auch im Bereich des dualen Systems ist es zu verdanken, daß die geburtenstarken Jahrgänge bisher insgesamt beruflich versorgt werden konnten. Die Betriebe der Wirtschaft haben dabei zum Teil über ihren eigenen Bedarf hinaus Aus-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12753
Parl. Staatssekretär Buschfortbildungskapazitäten zur Verfügung gestellt. Jugendliche mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung finden auch in ländlichen Räumen einen Arbeitsplatz, auch wenn der Ausbildungsbetrieb nicht in der Lage ist, ihnen einen ihrer Ausbildung angemessenen Arbeitsplatz anzubieten. Sie erhalten in der Regel sogar ohne Wohnortwechsel und gegebenenfalls nach einer gewissen Zeit der Sucharbeitslosigkeit einen Arbeitsplatz, auf dem sie die erworbene Qualifikation als Fachkraft verwerten können. Eine allgemeine Tendenz der Abwanderung von ausgebildeten Jugendlichen aus ländlichen Regionen in Ballungsgebiete ist bisher nicht festzustellen. Sie wird auch von der Bundesregierung auf dem Hintergrund einer deutlich verbesserten und alle Wirtschaftszweige erfassenden konjunkturellen Entwicklung, die durch einen steigenden Bedarf an Fachkräften gekennzeichnet ist, nicht erwartet.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es keine Umfragen oder Schätzungen, die aussagen, inwieweit junge Menschen auf eigene Faust versuchen, sich einen Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz zu besorgen, weil sie meinen, daß sie dadurch mehr Chancen haben, oder weil sie eine amtliche Erfassung scheuen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, es gibt eine große Zahl von Jugendlichen und von Eltern, die sich unabhängig vom Arbeitsamt bemühen, einen entsprechenden Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz zu finden. Ich habe mir einmal sagen lassen, daß durch die Arbeitsverwaltung 25 % und durch eigene Initiative 75 % derjenigen, die einen Arbeitsplatz suchen, vermittelt werden. Schon daran mag man erkennen, daß sich so insbesondere bei den Arbeitsuchenden ein erheblicher Anteil ergibt. Ob die von mir genannte Zahl vollinhaltlich für diejenigen zutrifft, die einen Ausbildungsplatz suchen, kann ich so genau nicht sagen. Aber die Zahl derjenigen, die sich durch Eigeninitiative helfen, ist groß.
Eine weitere Zusatzfrage.
Können Sie sagen, wie die Situation bei den Mädchen aussieht? Gibt es da nicht einen Teil, der sich in den elterlichen Haushalt zurückzieht, weil eben kein Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz vorhanden ist?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, wir wissen, daß die Palette des Angebots für Mädchen zu klein ist. Deshalb werden in vielen Bereichen zur Zeit von der Bundesregierung sogenannte Modellversuche gefördert. Wir hoffen, daß damit das Angebot für Mädchen größer wird, und es mehr Mädchen gelingt, einen angemessenen Ausbildungsplatz zu finden. Zweitens wissen wir, daß es auch solche Fälle gibt, daß das Mädchen zu Hause bleibt oder daß der Schulbesuch verlängert wird. Auch hier ist die entsprechende Zahl nicht genau bekannt. Sie dürfte jedoch beachtlich sein.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie die Arbeits- und Ausbildungsplatzsituation günstig dargestellt haben, frage ich: Glauben Sie, daß das bisherige Instrumentarium der Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik ausreicht, auch für die Jugendlichen in ländlichen Räumen höhere fachliche Qualifikationen zu ermöglichen und sie dann auch in diesen Räumen zu behalten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, ich sehe in Ihrer Frage zwei Bereiche.
Erster Bereich: Es stimmt, daß die derzeitige Prozentzahl der arbeitslosen Jugendlichen relativ günstig ist. Die Gesamtdurchschnittszahl für alle Arbeitslosen beträgt 3,4 %, die für Jugendliche unter 20 Jahren 2,6 %. Das heißt, daß wir bei den Jugendlichen von der Prozentzahl her nicht mehr so große Probleme haben.
Zweitens ist natürlich festzustellen, daß nicht in allen wünschenswerten Berufen in allen Regionen eine entsprechende Verwendung möglich ist.
Ich darf das an einem Beispiel deutlich machen: Ich lernte kürzlich einen arbeitslosen Atomphysiker kennen. Ich kann nicht mit der Begründung „Arbeitslosigkeit" ein Atomkraftwerk in jede Region verlegen. Ich will damit nur sagen, daß spezielle Berufsschwierigkeiten in einer Region anzutreffen sind, wenn eine Monostruktur vorhanden ist. Hier müssen die Instrumente der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dazu beitragen, einen Ausgleich herbeizuführen. Aber das wird nur schrittweise möglich sein.
Herr Abgeordneter Dr. Unland zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, daß Sie keine allgemeinen Tendenzen sehen, daß qualifizierte Jugendliche aus ländlichen Räumen in Ballungsgebiete abwandern müssen, dann möchte ich Sie fragen, worauf Sie diese Meinung stützen. Haben Sie konkrete Daten, die Sie zum Beleg dieser Auffassung heranziehen können?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Unland, es gibt darüber, in welchem Umfang ausgebildete Personen im Anschluß an die Ausbildung in entsprechende Berufe vermittelt werden können, Daten. Diese Daten sprechen dafür, daß in aller Regel eine Unterbringung in der eigenen Region möglich ist.Zweites Indiz dafür ist, daß wir für die Förderung der Mobilität in der Vergangenheit nur geringe Aufwendungen zu tätigen hatten, so daß die Mobilitätsbeihilfe, die wir einmal gewährten, keine besondere Größe erreicht hat. Auch daraus läßt sich schließen, daß hier eine Vermittlung in der eigenen Region in aller Regel möglich ist. Das schließt aber nicht aus — das habe ich vorhin dem Herrn Kollegen Horstmeier gesagt —, daß spezielle Fachberufe, spezielle Stu-
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12754 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Parl. Staatssekretär Buschfortdiengänge in der monostrukturierten Region oft nicht vermittelbar sind. Dafür tritt dann die überregionale Vermittlung ein. Diese Arbeitnehmer mit besonderen Berufen müssen dann auch in anderen Bereichen ihren Arbeitsplatz suchen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da mir beispielsweise von einer anderen Stelle der Bundesregierung — vom Bundesministerium für Wirtschaft — erklärt wurde, hierüber gebe es keine konkreten Daten, frage ich: Könnten Sie mir die Ihnen vorliegenden Daten vielleicht zugänglich machen, und wären Sie eventuell bereit, im Zusammenhang mit anderen Stellen der Bundesregierung einmal eine empirische Untersuchung über diese Problematik der Bildungsinvestitionen mit ihren Auswirkungen auf die Regionalpolitik erstellen zu lassen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Unland, ich werde einmal das zusammenstellen lassen, was bereits vorliegt. Ich bin sicher, daß da schon Ergebnisse vorliegen. Darüber hinaus möchte ich hinzufügen, daß auch eine Kosten-Nutzen-Analyse z. B. über den Gesamtbereich der beruflichen Rehabilitation in Auftrag gegeben worden ist. Ich kann über den Sachstand dieses Forschungsvorhabens jetzt keine Aussage machen. Aber ich lasse einmal alles zusammenstellen und Ihnen das, was uns zur Verfügung steht, zustellen.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, wie ermittelt die Statistik die neu eingegangenen Ausbildungsverhältnisse, wenn, wie Sie richtig sagen, ein großer Teil von Ausbildungsplätzen nicht über die Arbeitsämter vermittelt wird, sondern durch Eigeninitiative? Ist also die Statistik nicht vollinhaltlich richtig?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesanstalt kann nur Personen erfassen, die sich beim Arbeitsamt melden, um entweder eine Ausbildungsstelle oder aber einen Arbeitsplatz zu bekommen. Die Bundesanstalt kann nur solche Stellen vermitteln, die vorab durch den Arbeitgeber als freie Stellen gemeldet worden sind. Beides ist, wie Sie wissen, freiwillig. Von daher ist es selbstverständlich, daß eine komplette statistische Erfassung nicht möglich ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lintner.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, Ihre Aussage dahin zu modifizieren, daß zumindest unter derjenigen Jugend, die höhere Schulen besucht oder eine akademische Ausbildung genießt, eine stark Abwanderungstendenz vorhanden ist?
Buschfort, Pari. Staatssekretär: Es kommt auf die Region an, Herr Kollege. Ich darf das Beispiel des Atomphysikers, das ich vorhin angeführt habe, noch einmal in Erinnerung rufen. Da wir in der Bundesrepublik die freie Berufswahl haben, besteht auch das Risiko, einen Arbeitsplatz auch über die eigene Stadtgrenze oder die eigene Region hinaus suchen zu müssen. Ich sagte vorhin bereits, daß bei besonderen Berufen — dazu gehören insbesondere die akademischen Bereiche — eine Arbeitsplatzaufnahme in anderen Regionen nicht selten ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie auch bestätigen, daß diese regionalen Ungleichgewichte und Folgerungen insbesondere im Zonengrenzland auftreten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Zonengrenzgebiet auch. Aber alle Grenzregionen und alle monostrukturierten Bereiche leiden darunter. Dazu gehören genauso gut die holländische Grenze, das Ruhrgebiet oder aber auch das Zonenrandgebiet.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht mehr vor.
Wir haben noch drei Minuten für die Fragestunde. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Glos auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach Margarine nicht vor dem Herztod schütze, sondern womöglich die Krebsentstehung fördere ?
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glos, der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, wonach Margarine die Krebsentstehung fördert. Bei der im Nachrichtenmagazin „Spiegel" erwähnten Untersuchung handelt es sich um eine Publikation des amerikanischen Forschers Dayton. Dieser Autor hat nach späterer genauerer statistischer Überprüfung seiner Untersuchung einen von ihm zunächst angenommenen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von hochungesättigter Fettsäure und der Krebsentstehung ausdrücklich widerrufen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß Margarine dem Herztod entgegenwirkt?
Zander, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung liegen auch derartige wissenschaftlich fundierte Untersuchungen nicht vor.
Weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12755
Herr Staatssekretär, warum widerspricht dann die Bundesregierung nicht der Meinung, wie sie in der Reklame zum Ausdruck kommt, Margarine wirke dem Herztod entgegen?
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glos, die Bundesregierung hat nicht die Absicht, sich in einer zur Zeit sehr umstrittenen wissenschaftlichen Fachfrage in eine Schiedsrichterrolle drängen zu lassen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fiebig.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Hohe Kommission in Brüssel auf eine Frage des Abgeordneten Jahn am 7. Dezember 1978 darauf hingewiesen hat, daß vielfältige Untersuchungen für den Bereich aller Öle und Fette durchgeführt werden und daß keine wissenschaftlichen Argumente bekannt sind, die ein Eingreifen erforderlich machen würden, und stimmt die Bundesregierung der darin enthaltenen Auffassung zu, daß die Bekömmlichkeit von Fetten von der individuellen Konstitution des Verbrauchers abhängig ist?
Zander, Parl. Staatssekretär: Soweit die von Ihnen angesprochenen Forschungsvorhaben eine Rolle spielen, so sind sie der Bundesregierung bekannt. Sie ist auch sehr daran interessiert, daß möglichst bald eine wissenschaftlich fundierte Klärung dieser Streitfrage erfolgt, ohne daß sie selbst bereit ist, sich dabei in irgendeiner Weise zur Partei zu machen.
Inwieweit das eine Frage der individuellen Konstitution ist, ist sicherlich selbst Gegenstand der entsprechenden Forschung, so daß ich dazu im Augenblick auch nichts Fundiertes sagen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Staatssekretär, da die Bundesregierung selbst, und zwar vertreten durch Ihr Haus, Anfang dieses Jahres in einem Schreiben geäußert hat, das Bundesgesundheitsamt vertrete die Auffassung, daß die globale Werbeaussage, ein gesenkter Cholesterinspiegel sei in der Lage, Herz-und Kreislauferkrankungen entgegenzuwirken, aus ernährungsmedizinischer Sicht nicht vertretbar sei, frage ich Sie, warum Sie hier so apodiktisch feststellen, Ihr Haus sei nicht daran interessiert, wissenschaftlich einwandfrei zu klären, ob solche Werbung zulässig ist.
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe erklärt, daß wir an einer wissenschaftlichen Klärung der Streitfrage interessiert sind, daß wir uns im Zusammenhang mit dieser Streitfrage aber nicht selbst zur Partei machen können. Im übrigen hatte die Ausgangsfrage den Zusammenhang zwischen Krebsentstehung und Margarineverzehr zum
Inhalt. Sie haben jetzt einen völlig anderen Sachzusammenhang erwähnt. Ich müßte erst die entsprechenden Schreiben heranziehen, um darauf fundiert antworten zu können.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker .
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Unsicherheit bei den Patienten und den Bürgern allgemein durch solche unqualifizierten Veröffentlichungen in solchen breiten Schichten zugänglichen Medien geradezu gefördert wird?
Zander, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Auffassung — ohne daß ich die Veröffentlichung im einzelnen bewerten will — in der Weise, daß es immer von Schaden ist, wenn die Bevölkerung durch nicht fundierte Angaben, die ihre Ernährungs- und Lebensgewohnheiten betreffen, verunsichert wird. Es hat in der Vergangenheit eine Reihe solcher Fälle gegeben, die allesamt zu verurteilen sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
— Die Fragestunde ist zu Ende.
— Ja.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Sicherung des inneren Friedens
— Drucksache 8/2855 —
Wünscht jemand zur Begründung das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dregger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grat, auf dem sich der Innenminister in einer demokratischen Gesellschaft zu bewegen hat, ist schmal. Er hat nicht nur Staat und Bürger gegen Verbrechen, Extremismus und Terrorismus zu schützen, er hat auch dafür Sorge zu tragen, daß die Freiheit nicht zu Tode geschützt wird. Wie ernst die Opposition — nicht nur, aber auch — die zweite Aufgabe immer genommen hat, ist an zahlreichen Beispielen zu belegen.Die 1976 verfolgte Absicht des Bundesinnenministeriums, ein bundesweites einheitliches Personenkennzeichen einzuführen, wurde nicht vom damaligen Staatssekretär Baum, sondern von der Union gestoppt. Wir waren der Ansicht, daß die damit verbundene grenzenlose Ausweitung staatlicher Kontrollmöglichkeiten gegenüber jedem Bürger unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit.
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12756 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Dr. DreggerFerner: Es war nicht Herr Baum, es war die Opposition, die vor der Computergläubigkeit des Präsidenten des BKA warnte,
der immer neue Daten sammeln wollte und von automatisierter Verdachtsgewinnung träumte, mit der er den Sieg über die Kriminalität gewinnen wollte.Wir standen mit der Ablehnung dieser Vorstellungen zunächst allein. Herr Baum stand auf der Gegenseite. Noch bei seinem Antrittsbesuch als Bundesinnenminister im BKA erklärte er, es gelte, die Möglichkeiten elektronischer Datensysteme möglichst weit nach vorn in den Bereich praktisch ermittelnder Polizei zu legen. Das neue Konzept zur Fortentwicklung des polizeilichen Informations- und Kommunikationssystems werde sicherstellen, daß von jedem Datenendgerät, soweit notwendig, alle Bestände des Systems erreicht werden könnten.Diese Datenleidenschaft des Herrn Baum lag ganz auf der Linie seiner Amtsvorgänger Maihofer und Genscher, die nicht müde wurden, sich und die Koalition zu rühmen, was sie aus dem BKA gemacht hätten.
Diese von viel Propagandaaufwand begleitete Bemühung hatte allerdings nicht nur einen propagandistischen, sondern auch einen opportunistischen Hintergrund. Die BKA-Aktivitäten der Regierung sollten von ihrer Untätigkeit auf anderen Gebieten, z. B. im Bereich der Terrorismusgesetzgebung und der Bekämpfung der geistigen Ursachen des Terrorismus, ablenken.
Großzügigkeit in der Datengewinnung und in der Datenverwendung erschien damals publizistisch und politisch als ungefährlich, da Datenschutz noch nicht zum Markenzeichen von Liberalität geworden war.Aus der gleichen opportunistischen Erwägung schlug die Koalition damals einen zweiten Irrweg ein, der in einer immer weiteren Zentralisierung des Fahndungssystems bestand. Auch das machte sich gut. Wer bei uns gegen Länderzuständigkeiten antritt, kann immer sicher sein, als modern und fortschrittlich zu gelten, und diese Geltung ist ja für viele das Wichtigste.Auf beiden Feldern, meine Damen und Herren, hat die Koalition inzwischen den Rückzug angetreten. Die Umkehr vom Irrweg der Zentralisierung wurde eingeleitet, nachdem das zentralistische Fahndungssystem im Entführungsfall Hanns Martin Schleyer mit schlimmen Folgen für das Opfer kläglich versagt hatte.Punkt 4 der heutigen Tagesordnung wird diesen Irrweg endgültig beenden. Das verdienstvolle Gutachten unseres früheren Kollegen Höcherl ist dafür das Vehikel. Höcherl übernahm die Grundsatzpositionen der Opposition, wobei er rücksichtsvoll genug war, auf diese Tatsache nicht besonders hinzuweisen. Das machte es der Regierung und der Koalition möglich, die Positionen der Opposition zu übernehmen, ohne das ausdrücklich zu sagen.Der Bundesinnenminister hat nun auch im Datenbereich damit begonnen, sich den Positionen der Opposition zu nähern. Das ist gewiß nicht zu kritisieren. Zu kritisieren ist aber, wie er seinen Stellungswechsel vornimmt.
Herr Baum vollzieht ihn auf dem Rücken seiner Beamten.
Er selbst tritt als Enthüller von Fehlentwicklungen in Erscheinung, für die allein er und seine Amtsvorgänger die Verantwortung zu tragen haben.
Nicht seine Beamten, sondern einige Journalisten machte Herr Baum dabei zu seinen engsten Mitarbeitern.Gunther Hoffmann offenbart in der „Zeit" vom 11. August 1978 die Motive des Herrn Baum. Er schreibt — ich zitiere —:Neu ist allein, daß Baum vom Wunsch der FDP nach mehr liberalem Profil beflügelt— ich füge hinzu: das ist eigentlich der Punkt, wo der Hase im Pfeffer liegt —die kritischen Fragen der Öffentlichkeit mitstellen will.Meine Damen und Herren, das rügen wir. Der Bundesinnenminister steht an der Spitze der Sicherheitsdienste. Sie, Herr Baum, tragen für deren Arbeit die politische Verantwortung. Sie können diesen Sicherheitsdiensten nicht als ein Dritter gegenübertreten. Ihre Aufgabe ist es, zusammen mit Ihren Beamten Fehler zu korrigieren und im übrigen das Ansehen der Ihnen unterstellten Dienste zu wahren.Um ein praktisches Beispiel zu nehmen: Empfinden Sie es nicht selbst als illoyal, Herr Kollege Baum, einem Ihrer Beamten gegenüber, wenn Sie dessen Vorlage zu Fragen der Amtshilfe neben anderen amtlichen Unterlagen an Journalisten aushändigen lassen, wie es um Ostern herum geschehen ist? Seien Sie sich klar darüber: Ihr Verhalten verletzt selbstverständliche Grundsätze der Menschenführung. In dieser Weise können Sie Ihre Beamten nicht motivieren und nicht führen.
Wie man es als Minister nicht machen soll, dafür gibt es ein weiteres eindrucksvolles Beispiel. Am 15. August 1978 wurde Herrn Baum in „Monitor" entgegengehalten, die Liberalität drohe flöten zu gehen, woran die Frage geknüpft wurde — ich zitiere —: „Meinen Sie nicht auch, daß die Praxis des Verfassungsschutzes dazu beiträgt?" Antwort Baum — ich zitiere —:Ja, das ist eine der Hauptsorgen, die mich bewegt.
Der Verfassungsschutz hat an den Schulen nichts zu suchen.Dabei wissen Sie doch, Herr Kollege Baum, daßSchulen vom Verfassungsschutz nicht überwachtwerden. Warum haben Sie das verschwiegen? Wie
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12757
Dr. Dreggermuß diese Antwort des Innenministers, also ihres obersten Dienstherrn, auf die Beamten und Verfassungsschützer gewirkt haben? Die Antwort kann doch nur lauten: demoralisierend und beleidigend.
Um die Enthüllungen nicht zu stören, die Teil seiner Politik sind, untersagt es der Minister sogar, die Preisgabe von Amtsgeheimnissen in seinem Geschäftsbereich zu untersuchen. So durfte die Grenzschutzdirektion nicht ermitteln, wie die inzwischen sogar im „Neuen Deutschland" der DDR nachgedruckte SOGK, die als Verschlußsache eingestuft ist, in die Offentlichkeit kam.Beim Grenzschutzführungsgespräch am 17. Mai erklärte der Bundesinnenminister — ich zitiere —:Es waren Beamte des Bundesgrenzschutzes, die sich über die Entwicklung im Rahmen der SOGK an die Öffentlichkeit gewandt hatten.Aus dieser Aussage wird klar, daß der Bundesinnenminister weiß, von welcher Seite diese Dinge pflichtwidrig an die Offentlichkeit gebracht wurden. Herr Kollege Baum, Sie haben weder eine Untersuchung eingeleitet, wozu Sie nach dem Disziplinarrecht verpflichtet waren, noch haben Sie darauf hingewiesen, was ein Beamter zu tun hat, wenn er Bedenken gegen irgendeine Anweisung hat. Daß der Schritt an die Öffentlichkeit das letzte Mittel sein muß, wenn innerdienstliche Remonstrationen und Hinweise an Abgeordnete keinen Erfolg hatten, hat das Bundesverfassungsgericht im Paetsch-Urteil festgestellt.Die Enthüllungsstrategie des Innenministers hat noch eine weitere Folge. In einem von ihm veröffentlichten Bericht teilt er mit, wieviel geheime Mitarbeiter das BKA beschäftigt, wie im einzelnen die Kartei des BKA über Landesverratsfälle aufgebaut ist und was man dort verzeichnet finden kann. Ganz abgesehen von den Rückschlüssen, die eine solche Mitteilung denen ermöglicht, die zu überwachen sind, ist doch zu fragen: Wie kann der Innenminister noch Respekt vor Dienstgeheimnissen erwarten, wenn er sie selbst in dieser Weise auf den Markt bringt?Meine Damen und Herren, Polizei und Verfassungsschutz können ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie klare Aufträge und eindeutige Weisungen erhalten und wenn sie wissen, daß sie pflichtgemäß handeln, wenn sie diese Aufträge weisungsgemäß erfüllen. Wer den Beamten diese unbedingte Gewißheit nimmt, beeinträchtigt ganz unmittelbar den Schutz von Freiheit und Sicherheit unserer Mitbürger. Der Beamte, der in öffentlichen Erklärungen seines obersten Dienstherrn die Rechtmäßigkeit seines weisungsgemäßen Tuns in Frage gestellt sieht, wie das in zahlreichen Interviews des Bundesinnenministers geschehen ist, kann kaum anders darauf reagieren, als vorsichtshalber nichts zu tun. Wenn Herr Baum öffentlich auf die Behauptung, der Bundesgrenzschutz sei zur Außenstelle von Nachrichtendiensten geworden, mit der Erklärung reagiert: Ich werde das stoppen, dann werden Bundesgrenzschutzbeamte vorsichtshalber Amtshilfe für den Verfassungsschutz oder den Bundesnachrichtendienst einstellen, auch wenn diese Amtshilfe zu ihren Pflichten gehört.Besonders irritierend wirkte die vor der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung des Innenministers, es gebe im BKA Karteien und Dateien, die ohne Wissen des Präsidenten eingerichtet seien. Der Präsident erfuhr davon erst aus der Presse und konnte sich nur mühsam Gelegenheit verschaffen, zu derartigen und vielen weiteren Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ein Vertreter vieler Beamten des BKA hat das öffentlich wie folgt kommentiert:Die politische Führung hat sich bisher darum bemüht, dem Bürger Vertrauen in die Polizei zu vermitteln. Es blieb einem Minister, einem Bundesminister, vorbehalten, diese mühselige Arbeit zu zerstören.Das mag hart klingen. Aber dieser Aufschrei macht die Situation deutlich, die Herr Baum in den Augen seiner Beamten heraufbeschworen hat — und nicht nur in den Augen seiner Beamten, sondern auch in den Augen seiner Innenministerkollegen.Der hessische Innenminister Gries erklärte im ZDF-Magazin vom 9. Mai 1979, er teile die Sorge — ich zitiere —, daß durch die Art der Diskussion und das In-Zweifel-Ziehen der Tätigkeit in der Breite und in der Offentlichkeit, wie das in den letzten Monaten geschehen ist, in der Tat eine Verunsicherung und Resignation bei unseren Sicherheitskräften eintreten kann.Ich hatte eingangs betont, der Innenminister bewege sich in einer demokratischen Gesellschaft auf einem schmalen Grat. Er habe die Bürger nicht nur gegen Extremismus, Terrorismus und Verbrechen zu schützen; er habe sie auch gegen unzulässige und unangemessene Eingriffe und Übergriffe der Behörden zu schützen; er habe zu verhindern, daß die Freiheit zu Tode geschützt werde. Ein Innenminister zumindest muß immer beide Aspekte im Auge haben. Er darf sich nicht denen anschließen, die es als Ausweis von Liberalität ansehen, nur an die zweite Aufgabe zu denken, aber die erste, die wichtigste, den Schutz der Bürger, darüber zu vergessen.Herr Baum ist dieser Versuchung erlegen. Wenn Herr Baum z. B. gegen das Kontaktsperregesetz mit der Begründung zu Felde zieht — ich zitiere —:Für mich als Liberalen ist das Gesetz aber vor allem deshalb bedenklich, weil ein Beschuldigter und möglicherweise Unschuldiger wochenlang keinen Kontakt zu seinem Anwalt haben kann,dann fehlt es in diesem Urteil einfach an der notwendigen Güterabwägung. So beachtenswert der Schutz eines Angeklagten, durch einen Anwalt seines Vertrauens vertreten zu sein, ist, um so beachtenswerter ist doch gewiß bei der Entführung von Geiseln das Lebensrecht dieser Geiseln.
In der Abwägung dieser beiden Rechtsgüter muß das Lebensrecht der Geiseln den Vorrang erhalten vor der zeitlichen Einschränkung des Rechts, durch einen Anwalt eigener Wahl vertreten zu sein.Herr Kollege Baum, Ihre Sicht von Liberalität ist zumindest verkürzt und daher falsch. Um so notwen-
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Dr. Dreggerdiger ist es, zu betonen: Der demokratische Staat ist nicht der Feind bürgerlicher Freiheiten. Der demokratische Rechtsstaat ist der unentbehrliche, durch nichts zu ersetzende Verteidiger dieser bürgerlichen Freiheiten.
Insofern ist es unzulässig, die Staatsgewalt des demokratischen Rechtsstaats auf eine Stufe mit der Macht von Verbänden oder der Macht von multinationalen Unternehmen zu stellen, wie Herr Baum es in seinem „stern"-Interview getan hat.Polizei und Verfassungsschutz, nach unseren strengen rechtsstaatlichen Regeln eingesetzt und geführt, bedrohen unsere Freiheit nicht. Sie schützen sie. Ihre Tätigkeit ist Freiheitsschutz. Die Beamten der Polizei und des Verfassungsschutzes müssen wissen, daß wir, die Politiker, ihre pflichtgemäße Arbeit so und nicht anders bewerten. Sie müssen das vor allem von ihrem Innenminister wissen, und zwar nicht nur dadurch, daß er dies einmal sagt, dann aber auch wieder anderes sagt, sondern sie müssen wissen, daß seine Position in dieser Frage eindeutig und unbezweifelbar ist.Zwischen der Einbringung unseres Mißbilligungsantrages und der heutigen Debatte sind Wochen vergangen. In dieser Zeit hat unser Antrag bereits seine erste Wirkung gezeigt. Herr Baum hat versucht, in einer Kampagne der Vertrauenswerbung die schlimmen Folgen seines fehlerhaften Verhaltens abzuschwächen. Zu diesem Zweck sprach er vor den versammelten Führungskräften des Grenzschutzeinzeldienstes. Er sprach zu den versammelten Abteilungsleitern im BKA. Er reiste zur Grenzkontrollstelle nach Aachen. Überall versuchte er, gut Wetter zu machen.Wir haben nichts dagegen einzuwenden. Aber wir fragen, wie glaubwürdig das ist nach allem, was vorausgegangen war.Herr Baum selbst kritisierte vor einiger Zeit die ungünstige Wirkung von Wechselbädern für Beamte: heute größtes Lob für einen Erfolg gegen die Terroristen, morgen härteste Kritik wegen eines Mißerfolgs. Diesen Einwand muß Herr Baum auch gegen sich selbst gelten lassen. Seine eilfertige Reaktion auf unseren Mißbilligungsantrag ist kaum geeignet, verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen.Bei den Beamten hat es gemischte Gefühle ausgelöst, bei den bisherigen publizistischen Partnern des Ministers eher Verachtung. Der „Spiegel" machte das deutlich unter der Überschrift: „Ein Mann auf dem Rückzug". Es heißt in diesem „Spiegel"-Bericht — ich zitiere —:Seither versäumt der einst so forsche Liberale kaum eine passende oder unpassende Gelegenheit, den Geheimbehörden sein Vertrauen auszusprechen.Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Innenminister hat durch sein Verhalten seine Beamten, seine Innenministerkollegen und unsere Sicherheitsdienste verunsichert. Der damit verbundene Vertrauensverlust für den Minister wird es diesem schwermachen, seinen Pflichten gerecht zu werden. Das einzig Sachgemäße wäre daher derRücktritt des Ministers. Da damit aber nach der bisherigen Praxis der Koalition nicht zu rechnen ist, fordern wir den Bundestag auf, dem Innenminister bestimmte Auflagen zu machen, um auf diese Weise den Schaden zu begrenzen, den er angerichtet hat.Auch den Bundeskanzler können wir von Kritik nicht freistellen. Seine Pflicht wäre es gewesen, seinen Innenminister zu korrigieren,
sei es im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz, sei es in anderer Weise. Aber auch beim Kanzler standen wohl Gesichtspunkte im Vordergrund, die nichts mit der Intaktheit der Sicherheitsdienste, aber wohl alles mit der Intaktheit der Koalition zu tun hatten.
Die Leidtragenden sind die Sicherheitsdienste und, da deren Arbeit für uns alle unverzichtbar ist, wir alle.Wir fordern den Bundestag auf, dem Kanzler aufzugeben, die Profilübungen seines Innenministers nicht mehr zu decken und dafür Sorge zu tragen, daß er sich in Zukunft ausschließlich an seinen Amtspflichten orientiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation unter Führung seiner Exzellenz des Sonderbeauftragten des Präsidenten der Republik Korea, Herrn Dr. Kim Jong Pil, Platz genommen. Ich darf diese Delegation recht herzlich begrüßen und ihr einen angenehmen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wünschen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Liedtke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Strickmuster Ihres Antrages entspricht einer altbewährten Vorlage, etwa nach dem Motto: Er sieht aus wie ein Dieb, er spricht wie ein Dieb, verhaftet den Dieb! Erst gibt man einem Mann eine bestimmte Farbe, dann wird diese Farbe mißbilligt, und dann fordert man Konsequenzen. Das erleben wir nun schon seit Jahr und Tag.Die Ernsthaftigkeit eines Antrages ist sowohl am Inhalt als auch an der Form meßbar. Ich nehme mal in verdichteter Form einige Ihrer Formulierungen aus dem. Antrag heraus. Ich zitiere: „bricht mit Bedacht die Solidarität". Hier muß ich die Opposition fragen: Wissen Sie überhaupt, was Solidarität ist?
Es geht weiter: „baut alle Sicherungen systematisch ab". Dann heißt es: „er zerstört die Grundlagen des inneren Friedens" — immer Originaltext aus Ihrem Antrag.
Dann: „schafft Verunsicherungen und baut Vertrauensverhältnisse ab".
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LiedtkeMeine Damen und Herren, wenn ich den Unions-Hickhack des letzten Jahres bei Ihnen betrachte, kommt mir folgender Verdacht auf: irgendwo gibt es bei Ihnen eine Sammelstelle, die all die Argumente und die Demontagemethoden sammelt, die Sie erfolgreich an Ihren eigenen Leuten ausprobieren.
Die finden sich in diesem Antrag wieder, sehr dicht, sehr konsequent und offensichtlich in den eigenen Reihen gründlich erprobt.Ich gebe Ihnen einen Rat, auch wenn er in den Wind gesprochen ist: Wenn dieser Antrag von uns abgelehnt ist, gehört er Ihnen ja wieder ganz alleine. Bewahren Sie ihn zu eigenem Nutz und Frommen! Analysieren Sie ihn noch einmal, und trachten Sie danach, all diese Elemente endlich aus den Reihen der Unionen herauszubringen.
Dann wird Ihnen viel wohler sein.
- Ich komme zur Sache, keine Angst!
Ich will Ihnen auch die Tempera, ich will Ihnen auch das mal vorführen, was mit diesem Antrag gemeint ist.
Dieses unredliche Machwerk, das sage ich Ihnen, wird draußen im Lande nicht mal von einem Hund abgenommen, der in einer leidlich politisch orientierten Familie großgezogen worden ist.Wenn ich Ihnen diesen Antrag nicht wieder zurückgäbe — ich behalte ja so etwas nicht —, dann käme er in meiner politischen Ablage in das Schubfach mit dem Etikett: Es gibt Sachen, die sind so falsch, daß selbst das Gegenteil nicht richtig ist.
Diese maßlosen — und damit schließe ich diesen Teil ab — —
- Diesen Teil! Sie bekommen noch einiges auf Ihr Kaffeebrot von mir gereicht. Keine Sorge!Diese maßlosen Unterstellungen und Beleidigungen entkleiden Ihren eigenen Antrag der Ernsthaftigkeit und machen ihn schlicht zu einer Unverschämtheit. Das ist meine abschließende Bewertung dazu.Der Innenminister kann der vollen Unterstützung und Solidarität der Sozialdemokraten sicher sein.
So war es immer, so wird es bleiben. Nicht in Ansätzen ändert sich durch dieses unredliche und unwahre Papier etwas.Ein letztes Wort zur Überschrift: „Sicherung des inneren Friedens". Hier billige ich Ihnen in gewisser Weise zu, daß Sie das ernst formuliert haben. Denndaraus klingt die Sehnsucht nach einem Zustand, den Sie selber seit langer Zeit verloren haben.
Ich greife jetzt einige Punkte aus den Ausführungen von Herrn Dregger auf. Ich billige Ihnen, Herr Dregger, zu, daß die ganze Arbeit des Bundesinnenministers sich auf einem schmalen Grat bewegt, in dem von Ihnen zitierten Spannungsfeld: Schutz der bürgerlichen Freiheiten, und Staatsgewalt, soweit wie nötig, zum Schutz dieser bürgerlichen Freiheiten. In diesem Feld, das niemand bestreitet, sind— wie in einer Ellipse — Opposition und Koalition entgegengesetzt angeordnet. Aus vielen Reden ist hier deutlich geworden, daß zumindest mein Vorredner und viele seiner Freunde den intakten Staat erst dann sicher sehen, wenn sich die kritische Bürgerschaft nur in möglichst geordneten Bahnen äußert. Das heißt, zu viel Kritik draußen in jeder Form
— ich komme gleich darauf —, beispielsweise das Demonstrationsrecht, gefährdet bei Ihnen schon den Staat, wenn bei uns — ich sage es einmal ganz deutlich — das Auge noch wohlgefällig auf einer gesunden Demokratie ruht.
Im Entscheidungsfall gilt für die Koalition mehr als für die Opposition Art. 1 des Grundgesetzes. Im Zweifelsfall steht der Anspruch des Bürgers auf seinen Freiheitsraum vor der Gewalt des Staates durch Gesetze.
— Ich werde Ihnen gleich an ein paar meßbaren Beispielen verdeutlichen, wo in diesem Bereich das nicht kongruente Verhalten von Regierung und Opposition angesiedelt ist.Lassen Sie mich noch eine zweite Feststellung machen. Wenn man über innere Sicherheit redet, muß man die jedem bekannte Wahrheit immer wieder mit formulieren, daß die Bundesrepublik als föderativer Staat auch in diesem Bereich durch Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern bestimmt ist. Alle Sicherheitsorgane des Bundes zusammen haben nicht einmal die Personalstärke der eines großen Flächenlandes in der Bundesrepublik. Das muß man einfach wissen und sich immer wieder ins Gedächtnis rufen. Das heißt, funktionierende innere Sicherheit steht unter dem Gebot der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, des Miteinander-Tuns, des Aufeinander-Zugehens. Das ist ein kompliziertes und schwieriges Geschäft. Wer in diesen empfindsamen Bereich hinein mutwillig parteipolitische Auseinandersetzungen ansiedelt, der schafft nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Unsicherheit. Wer das in
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Liedtkewiederholter Weise tut, muß sich die Frage gefallen lassen, ob er das gar will.Ich greife nun einmal die Ausführungen von Herrn Dregger und sein Zitat der Sprangerschen Erklärung vom Dezember 1977 auf. Es ist in der Tat richtig, daß Herr Spranger damals vom „Datenrausch" im BKA und vom „Unfug" der Datenverarbeitung sprach. Der gleiche Herr Spranger und auch der Kollege Schwarz haben vor einigen Wochen, als die Prüfberichte auf den Tisch kamen und deutlich wurde, daß Herr Baum diesen „Unfug" untersucht hat und dem Parlament zur Beratung vorlegt, eine ebensolche Breitseite wegen dieser Tätigkeit gegen den Bundesinnenminister geschossen, und zwar mit all den Substantiven, die in dem Antrag stehen und die Herr Dregger wieder aufgriff. So hieß es, er verunsichere, er zerstöre Vertrauen etc. Da muß man doch fragen: Was wollen Sie denn? Sie stellen nach Ihrer Meinung fest, daß etwas im Übermaß betrieben werde und aus Vernunft Unvernunft werde, der Innenminister prüft dies und schaltet das Parlament ein, und nun wird der Innenminister für Sie ein Unsicherheitsfaktor in diesem Lande. Was ist richtig, muß ich hier fragen.
Nun will ich Ihnen ein letztes Beispiel geben. Daraus ersehen Sie auch den Unterschied zwischen dem Verhalten der Opposition hier im Hause und dem verantwortungsvollen Verhalten der Länderminister, auch der aus Ihrer eigenen Partei. Am 5. August 1977 haben die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen, die Ursachen des Terrorismus und, daraus resultierend, die beste Art der Bevölkerungsaufklärung in einem Forschungsauftrag untersuchen zu lassen. Am 28. April 1978 wurde das erstellte Konzept einstimmig von allen Innenministern gebilligt. Am 19. Mai desselben Jahres stimmten sowohl Innenminister als auch Finanzminister den Kosten dafür zu; sprich: 10 Millionen, hälftig von Bund und Ländern zu tragen. Am 16. Mai 1979 hat der Haushaltsausschuß des Bundestages einstimmig — auch mit Ihren Stimmen — beschlossen: Der Bund trägt diese 10 Millionen allein, weil das Signal aus Bayern kam: „Wir beteiligen uns an dieser Untersuchung und folglich an diesen Kosten nicht." — Ich lasse das mit dieser Pause im Raume stehen. Das ist nicht zu kommentieren, weil das selbst von mir aus nicht mehr kommentierbar ist. Wo ist da eine Linie? Wo ist da ein Ansatz von Kontinuität? Hier drängt sich das Bild auf, daß von Paukenschlag zu Paukenschlag temporär in diesem schwierigen Bereich innerer Sicherheit Parteipolitik betrieben wird.Lassen Sie mich auch feststellen, meine Damen und Herren, mit ein paar sachlichen Bemerkungen, daß unsere Sicherheitsorgane zur Zeit „top" sind. Ich will Sie nicht mit Zahlen behelligen, weise aber darauf hin, daß die letzte Kriminalstatistik aufzeigt, daß im Vergleich — man vergleicht ja jetzt in einem Vierjahresturnus — von 1974 bis 1978 die Zahl der Mordfälle um gut 20 % zurückgegangen ist. Sie können in diesem Bericht nachlesen, daß der mißbräuchliche Gebrauch von Schußwaffen, nachdem wir 1973 das Waffenrecht verschärft haben, meßbar zurückgegangen ist. Sie können nachlesen, daß wir von Mai 1978 bis Juni 1979 in kontinuierlicher Folge 70 Terroristen inhaftiert haben. Ich will nichts verniedlichen. Bei uns ist immer noch höchste Wachsamkeit geboten. Aber es stünde dem Deutschen Bundestag schlecht zu Gesicht, wenn er diese erfreulichen Erfolge in diesem Hause nicht würdigte.
Herr Dregger, auch in Ihrer Rede klang immer wieder durch, daß die Bundesregierung und die sie tragende Koalition nicht bereit sind, das gesetzliche Fundament für die innere Sicherheit stabiler und umfangreicher auszugestalten; das klingt auch in Ihrem Antrag wieder durch. Deswegen einige Sätze zu diesem Vorwurf.Wir haben in der letzten Zeit neue Organisationsgesetze erlassen: für das Bundeskriminalamt, für das Bundesamt für Verfassungsschutz und für den Bundesgrenzschutz. Wir haben das schon zitierte Waffenrecht modernisiert. Wir haben das Versammlungsrecht, das Strafrecht, das Strafprozeßrecht novelliert und zum Teil auch verschärft. Hierzu gehört sowohl die bessere Bekämpfung der Luftpiraterie durch den neuen § 316 c im Strafgesetzbuch wie auch die Änderung des Straftatbestandes des erpresserischen Kindesraubes durch Ausweitung auf Erwachsene. Dazu gehört ein neuer Tatbestand der Geiselnahme, dazu gehört die verbesserte Möglichkeit der Durchsuchung von Wohnungen in bestimmten Situationen, die Einrichtung von Kontrollstellen, die Feststellung der Identität von Personen und einiges mehr. Wann immer Sie zurückschauen, es war immer Bewegung in diesem Bereich der inneren Sicherheit.Wir haben uns aber sehr viel schwerer getan. Wir sind sehr viel behutsamer vorgegangen. Wir haben uns immer wieder die Frage vorgelegt: Stehen wir auch noch streng unter dem selbst aufzuerlegenden Übermaßverbot bei allem Tun in diesem Bereich? Hier — wie ich vorhin sagte — unterscheiden wir uns, wenn es heißt: Freiheitsraum des Bürgers und mehr Gewalt für den Staat. So haben wir eine Reihe — insgesamt rund drei Dutzend — von CDU-Gesetzentwürfen oder -Gesetzesänderungen in diesem Hause abgelehnt. Das heißt, wir haben uns dem anderen Brennpunkt dieser Ellipse nicht genähert. Dazu gehören beispielsweise bei Ihnen so abenteuerliche Vorstellungen wie die, Bürger als Helfer der Polizei bei der akuten Verbrechensbekämpfung einzusetzen, das Demonstrationsrecht so weit zu verschärfen, daß in bestimmten Situationen auch friedliche Teilnehmer der Kriminalisierung unterliegen, dazu gehört die Einführung der Sicherungsverwahrung für Ersttäter auch am Rande dieser Szene im terroristischen Bereich. Damit werden die Bemühungen des Bundesinnenministers auf die Null-Linie zurückgeführt, Randtätern eine Chance zu geben, durch Selbstgestellung wieder in die geordnete Gesellschaft zurückzufinden. Dazu gehört die Ablehnung der Überwachung des mündlichen Verkehrs mit der Verteidigung ebenso wie die
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LiedtkeEinschränkung der Aussetzung des Strafrechts zur Bewährung und vieles andere mehr.Das sind, wie ich am Anfang vielleicht etwas theoretisch formulierte, einige praktische Beweise dafür, daß dieses Spannungsfeld — bürgerliche Freiheit: notwendige Ausstattung der Staatsgewalt — von Koalition und Opposition verschieden besetzt wird.Wir nehmen für uns in Anspruch: Wenn trotz gefährlicher terroristischer Anschläge und einer entsprechend sensibilisierten Öffentlichkeit die Bundesrepublik Deutschland auch nicht annähernd den Charakter eines Polizeistaates hat, wenn Terroristen in der Bevölkerung zunehmend weniger Rückhalt finden, dann ist dies ein Erfolg der sozialliberalen Sicherheitspolitik und der allgemeinen Politik in diesem Lande. Das lassen wir uns nicht nehmen.
Im Zentrum dieser Politik der inneren Sicherheit stand Herr Baum viele Jahre als Staatssekretär und nun seit einer etwas geringeren Zeit als Innenminister.
Wer mit einem Antrag sagen will, dieser immer noch sehr begrüßenswerte Zustand ist trotz Herrn Baum entstanden und nicht mit direkter Hilfe an bevorzugter Stelle durch Herrn Baum, der mag nach hier oben kommen und sehen, wie er das für einen Menschen draußen einleuchtend zu formulieren imstande ist.
Ich möchte zumindest den Kolleginnen und Kollegen, die mit mir dem Sonderausschuß für die Schaffung eines Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angehörten, folgendes ins Gedächtnis zurückrufen: Drei Dinge waren wir damals nicht zu lösen in der Lage.Das war erstens eine Definition des Begriffs „nachrichtendienstliche Mittel". Das stand damals im Vordergrund, weil der Fall Traube vorausgegangen war. Das haben wir nicht geschafft in dem Gesetzestext, und wir haben gesagt: Darüber müssen wir noch nachdenken.Das zweite war, daß wir gesagt haben: Der Begriff der Amtshilfe ist ein Rechtsbegriff, der in der Verfassung fest verankert ist, der richtig ist, der aber nirgendwo praktisch gültig faßbar in seinen Grenzen beschrieben ist; das ist ungeheuer schwierig. Im Übermaß und ungehemmt angewandte Amtshilfe — wir haben niemandem unterstellt, daß er das tut, auch den Beschäftigten in den Diensten nicht — könnte sehr wohl dazu führen, daß der Wille des Gesetzgebers, sowohl die drei Dienste als auch die Polizei getrennt voneinander zu führen, über eine ausufernde Amtshilfebrücke umgangen würde. Der Auftrag an die Regierung lautet, sich hierüber Gedanken zu machen. Dieser Auftrag läuft, durch den Bundesinnenminister pflichtgemäß auf den Weg gebracht.Das dritte war, daß wir alle zusammen selbst nicht recht wußten, ob über Computer-Brücken nicht ebenfalls der Wille des Gesetzgebers in einem nicht mehr zu vertretenden Rahmen überspielt und umgangen würde.Da, wie jeder in diesem Hause weiß, gleiche Gedanken auch draußen in der Bürgerschaft vorhanden sind, insbesondere gegenüber den von den Bürgern ja nicht einsehbaren Computern im BKA oder im Bundesamt für Verfassungsschutz - selbst wenn sie davorstehen, sie können nicht hineinsehen —, müssen sich die Bürger darauf verlassen, daß das Parlament verantwortungsvoll die Kontrolle über diese Mechanismen und über die Menschen, die sie bedienen, wahrnimmt, wie das Gesetz es befiehlt. Aber dieses Unbehagen der Bürger redet man nicht weg, das handelt man nur weg durch Tun der Regierung und des Parlamentes.In dieser Phase befinden wir uns, und wir werden alle gut daran tun, daß wir schnell durch sind und sagen: Das ist notwendig, wir haben geprüft, das ist gesetzlich, das Parlament kontrolliert die Dienste wie den gesamten öffentlichen Dienst. Diese Dienste haben keinen Sonderstatus, weder drüber noch drunter. Das Ganze müssen Sie offen und öffentlich machen. Dabei werden keine Geheimnisse verraten, Herr Dregger. Das ist alles Kaffeesatztheorie. Auch in den Prüfberichten ist keinerlei Geheimnisvolles zu finden, es sei denn, man will es mit Gewalt dort hineinlesen. Das freilich bleibt jedem in seiner eigenen Phantasie unbenommen.Ich fasse zusammen und stelle fest: Die innere Sicherheit ist gewährleistet, darum bemühen sich viele in Bund und Ländern. Diese Feststellung ist nicht auf eine Partei oder eine Fraktion beziehbar. Die Struktur unseres Staates weist den Bereich der inneren Sicherheit durch die Dezentralisierung der Sicherheitskräfte der gemeinsamen Zusammenarbeit von Bund und Ländern zu. Niemand kann das nach unserer Gesetzeslage alleine. Deswegen ist dieser Bereich völlig ungeeignet für jede Art von parteipolitischer Auseinandersetzung. Wenn hier mit dem Holzhammer operiert wird, wie immer man das in der Technik betreibt, ob man es an einem Menschen Baum aufhängt, ob man es an einem Vorgang Traube oder an Listen an den Grenzen aufhängt, das Ergebnis ist immer das gleiche: empfindliche Störungen in dieser schwierigen Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den elf Ländern.Ich stelle weiter fest: Das Mißtrauen der Bevölkerung gegen einige Praktiken — ich betone: einige Praktiken — der Sicherheitsorgane ist vorhanden. Das ist gleichzeitig die Aufforderung an das Parlament, sich vor die Dienste zu stellen, indem es im Wege der parlamentarischen Kontrolle sagt: Das ist Rechtens.Ich will nur ein Beispiel geben. Ich höre in Versammlungen Worte wie etwa: Nach dem, was man so hört, kommt man schnell in diese Computer beim Verfassungsschutz usw. hinein, nach Jahren kommt man sogar mal wieder heraus, wenn man in den öffentlichen Dienst eintreten will; wie ist das
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Liedtkeeigentlich, wenn man hereinkommt, bleibt man bis zum Tode dort drin oder kommt man irgendwann als unverdächtig oder wie auch immer heraus? Da gibt es einen ganzen Katalog von Fragen, die das Unbehagen deutlich umreißen.Deswegen begrüßen wir es, daß wir konkret zur Sache kommen, daß wir als Parlament vorgelegt bekommen haben: Das gibt es an Datensammlungen, so werden sie verwendet, Parlament, kontrolliere, segne ab, schneide ab, wo es sein muß, dann aber stehe voll vor deinen Diensten, damit sie wieder in dem Bereich arbeiten können, wo sie nur wirkungsvoll tätig sein können, nämlich außerhalb des Scheinwerferlichtes der kritischen öffentlichen Begleitung, nicht der des Parlamentes.
Wir sind uns darüber klar, daß der Datenschutz und das Gesetz von uns durch bereichsspezifischen Datenschutz in diesem Bereich angereichert werden müssen.Meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß alles in allem — wenn auch nach einer Einstimmung durch diesen Antrag, der nach meiner festen Überzeugung weit neben der gebotenen Sachlichkeit angesiedelt ist — diese Diskussion für die Öffentlichkeit den positiven Zweck hat, daß wir bereit sind, auch das, was man unter dem Bereich des öffentlichen Dienstes — sprich: Dienste — versteht, offen und öffentlich zu kontrollieren, daß wir zu diesen Diensten stehen und ihnen ihre Arbeit erleichtern, indem das Parlament ohne Zaudern seinen Teil an Verantwortung übernimmt. Dazu waren wir wie in der Vergangenheit und sind wir auch in der Zukunft mit dem Bundesinnenminister Baum, der unser volles Vertrauen genießt, bereit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Zunächst ein Wort zu Herrn Kollegen Dregger. Ich stimme mit Ihnen voll in Ihrer Eingangsfeststellung überein, daß wir uns auf einem schmalen Grat bewegen, wenn wir uns zwischen innerer Sicherheit und bürgerlicher Freiheit entscheiden müssen. Ich glaube, gerade diese Tatsache sollte uns immer wieder dazu anhalten, mit einem Höchstmaß an Gemeinsamkeit die Markierungen zu suchen, die uns in den Stand setzen, dann auch gemeinsam diesen schmalen Grat sowohl im Interesse der inneren Sicherheit wie auch der Freiheit unserer Bürger zu gehen. Aber gerade über gewisse Grundmarkierungen besteht diese Übereinstimmung leider nicht.
Meine Damen und Herren, niemand nimmt im Ernst an, wir lebten in einer ungebrochen heilen Welt. Auch ist unsere Welt nicht überall friedlich. Dies zeigt ein Blick über die Grenzen, aber auch ein Blick nach innen auf die noch immer ungebro chene Gefahr des Terrorismus. Das wissen wir alle. Dennoch, meine Damen und Herren von der Opposition, hat sich mir beim Studium Ihres Antrags die Frage aufgedrängt, was um alles in der Welt Sie bewogen haben mag, Ihren Antrag unter die anspruchsvolle Überschrift „Sicherung des inneren Friedens" zu stellen und damit zugleich zu behaupten oder zu unterstellen, daß der Bundesminister des Innern diesen inneren Frieden gefährde. Bei der Lektüre soll sich dem Leser der Eindruck aufdrängen, Angst, Furcht und Unsicherheit hätten in unserem Land bei den Bürgern ebenso wie bei denen, die bei den Sicherheitsbehörden zum Schutz der inneren Sicherheit tätig sind, um sich gegriffen.
Die Beispiele, die der Kollege Liedtke eben gebracht hat, sind doch ganz überzeugend, was die Ausgestaltung Ihres Antrags angeht. Mit Ihren Beispielen und Ihren Formulierungen bringen Sie Ihren Antrag auch um den Hauch jeder Seriosität.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wir können uns sehr wohl über das Verhalten des Bundesministers des Innern in Fragen der inneren Sicherheit — das wir für richtig halten — sachlich auseinandersetzen. Wir scheuen eine Auseinandersetzung nicht, ja, wir wünschen sie sogar. Ich will mich auch sogleich damit auseinandersetzen. Aber haben nicht auch Sie bei einer selbstkritischen Betrachtung gelegentlich — so will ich einmal sagen — den Eindruck, daß Sie hier mit diesem Antrag, Wortlaut und Überschrift, das Plakat ein wenig zu hoch aufgehängt haben? Und man muß weiter fragen: Waren Sie sich der Tragweite dieses Antrags bewußt, als Sie meinten, Ihr Anliegen in die Form einer Mißbilligung zwängen zu müssen?'Man muß daran zweifeln. Denn wie sollte man sonst verstehen, daß z. B. der Kollege Zimmermann lauthals zu einem Zeitpunkt das Ende des inneren Friedens verkündete — ich gebe das mit meinen Worten wieder —, als außer einem gewissen Pressebericht noch nichts bekannt war, dem Parlament der Dateienbericht noch nicht vorlag und damit der Innenausschuß noch nicht einmal damit begonnen hatte, diesen sicherlich schwierigen Komplex zu beraten?Ich muß sagen: Es ist immer verdächtig, wenn jemand meint, alles schon von vornherein genau wissen zu können. Nur so ist zu erklären, wie ich meine, daß Ihr voreilig formulierter Antrag die hochtrabende Überschrift „Sicherung des inneren Friedens" erhielt, wobei Sie sozusagen in einem Aufwasch in diesen Antrag alles hineinpackten, von dem Sie sagen-, denken oder meinen, die ganze Richtung passe Ihnen nicht.Damit kommt aber zugleich auch zum Ausdruck, daß Sie politisch — ich sprach gerade von den Grenzen zwischen Freiheit und innerer Sicherheit — doch ein wenig in einem anderen Lager stehen, wenn es darum geht, Sicherheit des Bürgers und Freiheit des Bürgers in einem modernen Staat zu
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Dr. Wendigeiner höchstmöglichen Harmonie zu bringen. Ich werde nachher noch einiges darüber sagen.Zunächst aber muß doch wohl auch hier und vor der Öffentlichkeit einmal ganz deutlich klargelegt werden, was wirklich geschehen ist, wie die Ausgangslage war, die der Bundesinnenminister Baum bei seinem Amtsantritt vorfand und von der auch sein Vorgänger im Amt ausgehen mußte und ausgegangen ist. Da ist einmal die Frage der Amtshilfe oder, um es präziser zu sagen, die Frage, ob und in welchem Umfang das in der Verfassung und in Einzelgesetzen niedergelegte Institut der Amtshilfe bestimmte Maßnahmen im Bereich der Sicherheitsbehörden rechtlich voll abdeckt.Dies ist nicht nur ein polizeitaktisches, sondern auch ein verfassungsrechtliches und ein politisches Problem, weil es hierbei auch um die Frage geht, ob die gebotene Trennung zwischen Nachrichtendiensten und den polizeilichen Befugnissen etwa durch das Institut der Amtshilfe behoben werden kann oder darf. Ich erinnere daran, daß uns die Frage der Amtshilfe spätestens seit der Erörterung des Falles Traube in den politischen Debatten immer wieder beschäftigt hat. Es ist für den Innenminister, der nicht nur Polizei-, sondern auch Verfassungsminister ist, ein zwingendes Gebot, diese Frage auch im Interesse der Sicherheitsbehörden selbst eindeutig klarzustellen.Das zweite Problem ist im Grunde noch neueren Datums. Nach Inkrafttreten des Datenschutzgesetzes ist es der verfassungsmäßige Auftrag des Bundesinnenministers, sich darum zu kümmern, ob die Vorschriften des Gesetzes in den einzelnen Bereichen richtig angewandt werden. Dies gilt auch, vielleicht sogar vor allem, für den Bereich der inneren Sicherheit, den das Bundesdatenschutzgesetz von bestimmten für die übrige öffentliche Verwaltung geltenden Vorschriften freigestellt hat.Jeder, der das Datenschutzgesetz in den Jahren 1975 und 1976 im Innenausschuß mitberaten hat, weiß genau, wie schwer es für jeden von uns war, Regelungen zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der inneren Sicherheit als auch dem Interesse der einzelnen betroffenen Bürger Rechnung tragen.Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wissen es auch; denn sonst hätten Sie nicht unter Abschnitt I der Begründung Ihres Antrags u. a. ausgeführt — wenn ich Sie einmal zitieren darf —:Deshalb ist Datenschutz notwendig. Bundesregierung und ihr Datenschutzbeauftragter haben auf volle Anwendung und strikte Einhaltung des Datenschutzgesetzes zu achten. Das gilt auch für den Bereich der inneren Sicherheit.So sagen Sie selbst.Herr Kollege Dregger, nur eines. Wenn Sie meinen, wir oder der Bundesinnenminister Baum hätten den Datenschutz jetzt als liberale Erfindung auf den Markt gebracht, rate ich Ihnen, sich einmal die Debatten und Erörterungen zum Datenschutzgesetz im Innenausschuß in den Jahren 1975 und 1976 zwischen allen Kollegen in diesem Hause untersehr maßgeblichem Einfluß des damaligen Staatssekretär Baum anzusehen; denn dann würden Sie eine solche Bemerkung nicht aufstellen.Der Bundesinnenminister hat deshalb nicht mehr oder weniger als seine Amtspflicht erfüllt, als er sich vornahm, die Bereiche Amtshilfe und Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden rechtlich und tatsächlich eingehend zu überprüfen.Daß ein Zwischenergebnis dieser Prüfung mit einer, ich will es einmal so formulieren: nicht verbindlichen Fassung in die Presse geraten ist, ist nicht sein Verschulden; es ist ihm nicht zuzurechnen. Aber durch diese Veröffentlichung ergab sich eine besondere Lage. Nachdem dies so geschehen war, mußte sich der Bundesinnenminister entscheiden, wie er zu verfahren hatte. Da gab es verschiedene Möglichkeiten. Ein Schweigen hätte die Unsicherheit in der Bevölkerung über einen langen Zeitraum in einem unerträglichen Maße vergrößert, vielleicht sogar überhaupt erst begründet. Auch den Sicherheitsbehörden wäre mit einem solchen Verhalten im Ergebnis nicht gedient gewesen.Aus diesem Grunde war die Entscheidung des Bundesinnenministers in der gegebenen Situation richtig, den vorläufigen Dateienbericht in berichtigter Fassung im Rahmen des politisch Vertretbaren der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. Sicher wäre es für alle Beteiligten angenehmer gewesen, wenn die Information erst nach abschließender rechtlicher Überprüfung hätte stattfinden können, mit Weisungen an die zuständigen Behörden, was in Zukunft nun zu geschehen habe. In der damals gegebenen Situation war ein solches Verhalten, wie ich dargelegt habe, nicht möglich. Der Bundesminister des Innern hat sich nach Auffassung der Fraktion der Freien Demokraten aus der Verantwortung seines Amtes heraus richtig verhalten.Die Fraktion der FDP unterstützt ihn darüber hinaus uneingeschränkt in seinem Bemühen, Amtshilfe und Datenschutz im Interesse der Freiheit des Bürgers, aber auch im Interesse der Sicherheitsbehörden selbst auch in Zukunft mit den Erfordernissen eines freiheitlichen Rechtsstaates zur Deckung zu bringen.
Nun ein Wort zu den Sicherheitsbehörden. Die Sicherheitsbehörden trifft nach dem Dateienbericht des Bundesinnenministers kein Vorwurf. Auch die inzwischen stattgefundenen Beratungen im Innenausschuß haben deutlich gemacht: Die Beamten arbeiten nach Vorschriften, die ihnen der Gesetzgeber und die Exekutive gesetzt haben. Ich möchte das ganz ausdrücklich betonen. Nicht anders waren auch die Ausführungen des Bundesinnenministers zu diesem Thema zu verstehen. Im übrigen sage ich noch einmal: Es liegt auch im Interesse der Sicherheitsbehörden selbst, über klare und eindeutige Rechtsgrundlagen verfügen zu können.Es ist daher falsch, davon zu sprechen, der Bundesinnenminister habe das Vertrauensverhältnis zu den Beamten in den Sicherheitsbehörden belastet. Indem die Opposition indessen den Tatsachen zu-
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Dr. Wendigwider immer wieder eine solche Belastung des Vertrauensverhältnisses in der Öffentlichkeit behauptet, beschwört sie selbst einen Zustand herauf, den sie dem Bundesinnenminister zum Vorwurf macht. Im übrigen kann man der Opposition den Hinweis auf eine angebliche Belastung des Vertrauensverhältnisses am wenigsten abnehmen. Ich erinnere mich noch sehr genau sehr vieler Sitzungen des Innenausschusses, in denen Sie polizeitaktische Fragen, die praktisch nur von Fachkundigen beurteilt werden können, in der Art eines Oberkommissars beinahe inquisitorisch ausgebreitet haben. Wissen Sie das eigentlich nicht mehr?Aus alledem sind für uns Liberale zwei Folgerungen zu ziehen. Erstens. Die Untersuchungen des Bundesministers des Innern sind nicht nach rückwärts gerichtet, um irgendwelche möglicherweise schuldhafte Rechtsverstöße aufzudecken. Der Blick des Innenministers geht nach vorn, um für die Zukunft klare rechtliche und politisch vertretbare Grundlagen zu schaffen. Die erst in den letzten beiden Jahren in verschärftem Maße aufgetretenen Probleme der Amtshilfe und des Datenschutzes mindern deshalb auch nicht im geringsten die großen Verdienste derjenigen, die sich um den personellen und sächlichen Ausbau des Bundeskriminalamts zu einer hochqualifizierten und leistungsfähigen Behörde bemüht haben.
Herr Kollege Dregger, in diesem Punkt gibt es bei uns keinen Bruch, um es einmal deutlich zu sagen. Die Freien Demokraten stehen deshalb unverändert zu der großen Aufbauarbeit, die die damaligen Innenminister Genscher und Maihofer auf diesem Gebiet geleistet haben.Zweitens. Die Lösung der Probleme obliegt nicht den Beamten der Sicherheitsbehörden. Das ist eine politische Frage, die von den politisch Verantwortlichen in Legislative und Exekutive zu bewältigen ist. Hierbei kommt es nun allerdings auf den politischen Standort an, den ich beziehe, wenn ich an den Problemkreis Freiheit und innere Sicherheit herangehe. Mit allgemeinen Formeln, die wir alle sehr leicht und griffig formulieren können, ist man da sehr schnell bei der Hand.Sicher sind wir uns alle darin einig, daß Freiheit ohne innere Sicherheit, ebenso aber innere Sicherheit ohne Freiheit nicht bestehen kann. Wir wissen aber auch, daß beide Begriffe Elemente enthalten, die nicht immer glatt zur Deckung zu bringen sind. In aller Regel wird man nur von Bereich zu Bereich, oft von Fall zu Fall konkret abwägen und entscheiden können. Im Grunde müßte die Opposition zu dem gleichen Ergebnis kommen. Sie selbst haben unter Abschnitt I Ihrer Begründung beide Grundforderungen nebeneinander gestellt: Schutz des Bürgers vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen und Zurücktreten einzelner Bürgerrechte zugunsten des Schutzes der Allgemeinheit. Gerade die letzte Innenausschußsitzung, in der der Bericht des Datenschutzbeauftragten zu diesem Komplex debattiert wurde, hat deutlich gemacht, daß oft jeweils nur unter Berücksichtigung der Grundsätzeeinerseits des Übermaßverbots und andererseits des Gebots der Verhältnismäßigkeit festgestellt werden kann, was nun wirklich im konkreten Einzelfall Rechtens ist.Diesem hohen Anspruch, von dem Herr Dregger am Anfang sprach und den Sie mit Ihrem Antrag offenbar an sich selbst stellen zu müssen meinten, werden Sie in Ihrer weiteren Begründung allerdings in keiner Weise gerecht. Sie sehen dann doch immer wieder nur den Komplex der inneren Sicherheit und bringen über den Schutz der Freiheitsrechte Unbeteiligter außer verbalen Erklärungen nicht viel. Sie tragen trotz dieser Erklärungen nicht der Tatsache Rechnung, daß vor allem die besonderen technischen Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung für den Bürger neue Gefahrenquellen — oft ungeahnter Art und ungeahnten Umfangs — eröffnet haben.Der Bundesminister des Innern hat mit seinem Verhalten einen mutigen, zugleich aber auch einen richtigen Schritt getan.
Er deckt sich voll mit unserem liberalen Verständnis von Bürger und Staat. Dieser Schritt dient zugleich aber auch der inneren Sicherheit und dem inneren Frieden in einer doppelten Weise. Er wird am Ende der Überlegungen die Sicherheitsbehörden mit klaren und eindeutigen Weisungen versehen. Er wird aber auch das Vertrauen der Bürger stärken, auf das die Sicherheitsbehörden unseres Landes gleichermaßen angewiesen sind, um mit noch größerem Erfolg ihre schwere und gefahrvolle Arbeit leisten zu können.Meine Bitte an den Bundesinnenminister geht in diesem Zusammenhang nur dahin, die eingeleiteten Untersuchungen zum Thema Amtshilfe möglichst schnell zum Abschluß zu bringen, damit die notwendigen Entscheidungen sehr bald getroffen werden können.Im übrigen kann in diesem sehr sensiblen Bereich niemand eine allgemeine und zugleich für alle Einzelfälle gültige Patentlösung anbieten. Es ist dies ein ständiger Prozeß, dessen positiver Entwicklung sich alle politisch Verantwortlichen nach Möglichkeit gemeinsam widmen sollten. Und damit komme ich auf den Eingang von dem schmalen Grat zwischen innerer Sicherheit und bürgerlicher Freiheit zurück. Gemeinsamkeit setzt allerdings wenigstens Übereinstimmung in den Grundmarkierungen voraus. Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Opposition, und die heutige Debatte zeigen leider, daß diese Übereinstimmung nicht vorhanden ist. Die Opposition mag meinen, mit ihrem Antrag Stimmung bei den Bürgern machen zu können. Sie werden sich irren! Aber das ist Ihr Problem. Sie müssen nur wissen, daß Sie sich mit einer solchen Taktik, die nur auf eine äußere Wirkung bedacht ist, einer Aufgabe entziehen, der wir uns alle im Interesse des inneren Friedens mit Vorrang widmen sollten.Ich komme zum Schluß. Die Vorwürfe der Opposition sind nicht begründet. Sie gehen bewußt an einzelnen Tatsachen vorbei. Sie lassen abseits aller
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Dr. WendigTaktik eine politische Grundeinstellung erkennen, die weit von unserem Grundverständnis entfernt ist, mit dem wir inneren Frieden, daneben aber auch Sicherheit und Freiheit der Bürger gewinnen und erhalten wollen. Ihren Mißbilligungsantrag weisen wir daher entschieden zurück. Die Fraktion der Freien Demokraten steht auch in dieser Frage uneingeschränkt an der Seite des Bundesministers des Innern und der Bundesregierung.
Das Wort hat Herr Bundesminister Baum.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Gegenstand dieser Debatte. Deshalb werde ich mich mit einiger Zurückhaltung äußern. Ich halte es jedoch für wichtig, die Lage zu skizzieren, von der wir ausgehen müssen, die Motive darzulegen, die ich habe, und die Ziele, die mich leiten.Im Bereich der inneren Sicherheit ist die Situation durch eine anhaltende Bedrohungslage gekennzeichnet — darüber gibt es keinen Zweifel —, aber auch durch engagierten und erfolgreichen Einsatz der Angehörigen der Sicherheitsbehörden. Auf der anderen Seite gibt es die gesteigerte Sorge um die Bewahrung persönlicher Freiheit. Das ist das eigentliche Motiv für diese Debatte; meine beiden Vorredner haben das ja ausgeführt.Diese Sorge ist Bestandteil einer allgemeinen Bürokratisierungs- und Computerangst, die auch den Sicherheitsbereich erfaßt hat, und die uns, wenn wir nicht aufpassen, meine Damen und Herren, eines Tages hindern könnte, das zu tun, was wir wirklich tun müssen. Wir müssen also offensiv diskutieren.Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sehen die Freiheit der Bürger durch Hineinwuchern des Staaatsapparates in die verschiedenen Lebensbereiche gefährdet. In Ihrer Antragsbegründung, Herr Dregger, kommt das ja zum Ausdruck. Sie sprechen dort „von schleichenden staatlichen Eingriffen, vor denen der Bürger geschützt werden müsse".Die gesteigerte Sensibilität der Bürger beim Persönlichkeits- und Datenschutz, aber auch im Bereich der Grenzkontrollen — ein Schwerpunkt unserer Debatte bezieht sich ja auf die Grenze, auf die Grenzkontrollen — offenbart sich in der Diskussion über die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die wir jetzt führen. Diese Diskussion habe ich bei meinem Amtsantritt vorgefunden. Herr Liedtke hat darauf hingewiesen.Erinnern Sie sich: Die im Mai 1978 festgestellte Weitergabe interner Listen des Verfassungsschutzes an den Bundesgrenzschutz, die mein Amtsvorgänger zurückgezogen hat, hatte eine intensive publizistische, aber auch parlamentarische Kritik ausgelöst. Auch zur Terrorismusbekämpfung gab es dann kurz darauf Kritik, die sich schon damals vor allem gegen das polizeiliche Informationswesen gerichtet hat. Ich meine, wir müssen uns jetzt gemeinsam fragen, wie man auf eine solche Diskussion, meine Kolleginnen und Kollegen, reagiert. Ich kann der Opposition nicht folgen, wenn sie dies als Diffamierungskampagne abtut. Ich bin der Meinung: um die Sicherheitsorgane aus der Zone des Mißtrauens und der Spekulation herauszuführen, müssen wir in die Diskussion geratene Positionen überprüfen, präzisieren und, soweit notwendig, auch korrigieren. Nichts anderes tut jetzt dankenswerterweise der Deutsche Bundestag im Innenausschuß, nichts anderes ist jetzt notwendig.Eines muß auch klar sein: Die Sicherheitsbehörden arbeiten nach grundsätzlichen Vorschriften, die ihnen die Parlamente und die Innenminister gegeben haben und für die diese allein die Verantwortung tragen, das heißt — ich habe das auch wiederholt gesagt —, diejenigen, die die Sicherheitsbehörden kritisieren, müssen diese Kritik — wenn es Politiker sind — zunächst an ihre eigene Adresse richten, denn im wesentlichen arbeiten die Sicherheitsbehörden nach den Vorgaben, die wir ihnen geben. Alle diesbezüglichen Fragen richten sich deshalb an uns, die verantwortlichen Politiker in Bund und Ländern.Alle die von mir in Wahrnehmung dieser Verantwortung erteilten Prüfaufträge haben zum Ziel, die Arbeit der Sicherheitsbehörden effektiver zu machen, das, was zu verbessern ist, zu verbessern und deutlich zu machen, was notwendig ist, um die innere Sicherheit zu gewährleisten. Ich halte es für richtig, diese Politik in der Offentlichkeit offensiv zu vertreten.Das sicherheitspolitisch Notwendige muß geschehen, und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, es geschieht auch. Die Sicherheitsbehörden arbeiten heute wirksamer als je zuvor. Wir können uns über einige Leistungen doch freuen. In der Spionageabwehr gab es gerade in diesem Jahr erfreuliche Erfolge. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden mehr Agenten enttarnt als im ganzen Jahr 1978.Sicher, in der Terrorismusbekämpfung sind wir noch nicht am Ziel. Die Bedrohung hält an. Darüber darf man sich überhaupt keine Illusionen machen. Aber der Fahndungsdruck von Bund und Ländern konnte verstärkt werden. Die zuständigen Sicherheitskräfte konnten — vor allem in letzter Zeit — schwer belastete Terroristen aufspüren. Mit Rolf Heißler entdeckten Zielfahnder des BKA zusammen mit ihren hessischen Kollegen eine der führenden und gefährlichsten Figuren. Die Vorbereitung für weitere Verbrechen und ebenfalls die Logistik konnten gestört werden. Insgesamt bietet die Teroristenfahndung in Bund und Ländern ein Bild ergebnisbezogener Offensive und Initiative.Ich möchte hinzufügen: Die Strategien zur Überwindung des Terrorismus beschränken sich nicht auf polizeiliche Maßnahmen. Die Unterstützung der Terroristen durch das Ausland einzudämmen, war das Ziel einer Reihe von Auslandskontakten. Ich meine, wenn es um die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geht, dürfen wir keine Kontakte scheuen, die auch nur die geringste Chance bieten, der terroristischen Gefahr zu begegnen.
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Bundesminister BaumWir haben auch versucht, denen Signale zu geben, die im Terrorismus verstrickt waren, ohne zum harten Kern zu gehören. Daß ein Gesprächsversuch mit dem harten Kern sinnlos ist, wissen wir. Zwei mit Haftbefehl gesuchte Personen haben sich nach diesem Appeal gestellt. Gestern hat auch Astrid Proll mit der Rücknahme des Rechtsmittels gegen das Auslieferungsverfahren ihre Bereitschaft bekundet, sich dem Richter zu stellen. Darauf müssen wir Wert legen; daran kann niemand vorbei. Diese Selbstgestellungen vermindern nicht die Gefahren, die von den noch aktiven Terroristen ausgehen. Aber es geht uns darum, jungen Menschen, die am Rande terroristischer Verstrickung leben, den Rückweg zu erleichtern, und Personen, die möglicherweise auf dem Sprung in den Untergrund stehen, von diesem zurückzuhalten.In beispielhafter Zusammenarbeit der Innenminister von Bund und Ländern ist die Terrorismusbekämpfung durch Umsetzung des Höcherl-Berichts verbessert worden. Wir werden ja darauf noch eingehen. Die Arbeitsteilung zwischen Bundeskriminalamt und den Polizeien der Länder ist klarer und funktionsbezogener geworden. Dieses Konzept hat sich bisher durchaus bewährt, meine Damen und Herren.Natürlich, Herr Dregger, wir haben uns auch Ihren Vorstellungen genähert. Um so unverständlicher ist es, daß Sie beim nächsten Tagesordnungspunkt diesen Bericht, den wir gemeinsam im Innenausschuß gegeben haben, nicht akzeptieren. Das verstehe ich nicht.Eine der Forderungen des Höcherl-Berichts war es, den polizeilichen Bereich und den Bereich politischer Entscheidungen nicht zu verwischen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wollten im letzten Jahr polizeiliche Einzelentscheidungen im Innenausschuß erörtern; das ist auch geschehen.- Ich habe Ihnen schon damals erklärt, daß solche Erörterungen nicht zum Regelfall werden dürfen. Politiker sollten sich nicht in die Rolle von Polizeiexperten bringen.Ich habe damals festgestellt und wiederhole jetzt hier: „Die Beamten des Bundeskriminalamts haben seit Bestehen dieses Amtes Hervorragendes geleistet. Sie stehen seit einigen Jahren zusammen mit ihren Kollegen aus den Ländern einer terroristischen Herausforderung gegenüber, die es bisher in unserem Land nicht gab und die über unser Land hinausreicht. Daran hat sich nichts geändert. Sie verdienen auch nach diesem Fehlschlag unser aller Respekt und unseren Dank."Es darf nicht dahin kommen, daß Erfolge polizeilicher Arbeit als Selbstverständlichkeit zur Kenntnis genommen werden und Mißerfolgen mit Pedanterie in sogenannten Pannendiskussionen nachgegangen wird. Ich erwähne das nur, weil Sie von Verunsicherung der Sicherheitsbehörden sprechen und weil wir damals eine Pannendiskussion geführt haben, die ich als ungerecht empfunden habe. Die Polizei wird zu stark kritisiert. Sie steht im Brennpunkt der Offentlichkeit. Sie, Herr Dregger, haben sich damals leider zu stark an dieser Diskussion beteiligt. Ich möchte nicht, daß wir unsere politischen Auseinandersetzungen auf dem Rücken der Polizei oder gar einzelner Polizeibeamter austragen.
— Da sind wir einig; gut.In der geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem Terrorismus und der Ursachenforschung gab es allerdings einen Rückschlag. Herr Kollege Liedtke hat darauf hingewiesen. Vielleicht können Sie darauf eingehen, Herr Spranger. Ich bedauere sehr, daß das Land Bayern durch seine Weigerung, sich an dem gemeinsamen Bund-Länder-Programm zu beteiligen, dieses Konzept zu Fall gebracht hat. Der Bund wird die ihm verbleibende Aufgabe jetzt allein finanzieren und übernehmen.Im übrigen zeigt die Sicherheitsbilanz in Bund und Ländern einige positive Ergebnisse und Tendenzen. Die Kriminalstatistik 1978 läßt einen Rückgang der Steigerungsrate erkennen. Die Gewaltkriminalität, vor allem die Zahl der Straftaten gegen das Leben, ist sogar absolut zurückgegangen. An der Grenze konnte die Qualität der Aufgriffe weiter verbessert werden. Der Grenzschutzeinzeldienst leistet einen erheblichen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes. Nicht umsonst habe ich mich so intensiv um seine Aufgaben gekümmert. Der Grenzschutzeinzeldienst hat 1978 verstärkt Personen festnehmen können, die schwerer Straftaten verdächtig waren. Wegen Rauschgiftdelikten waren es 1978 rd. 8 700 Personen gegenüber rd. 5 900 im Jahr 1977.Ein Blick auf die Banküberfälle. Die mit dem Kreditgewerbe abgesprochenen Maßnahmen haben wesentliche präventive Wirkungen gezeigt. Die Zahl der Banküberfälle konnte zurückgedrängt werden. Der Rückgang betrug 1978 gegenüber 1977 12 %. Das ist im übrigen ein Beispiel dafür, wie auch ohne Gesetzgeber und ohne zusätzliche Gesetze Wirkung erzielt werden kann.Alles in allem ist die Bilanz polizeilicher Arbeit und Zusammenarbeit ermutigend. Die sollten wir auch hier im Parlament nicht zerreden, sondern anerkennen. Ich sage auch an dieser Stelle einen uneingeschränkten Dank an die Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes. Diesen Dank haben sie verdient.
Diese Zusammenarbeit — davon bin ich überzeugt, selbst wenn es Rückschläge geben sollte, was wir alle nicht ausschließen können — wird sich weiter bewähren.Ich komme jetzt zu den Instrumenten, die die Polizeibeamten für ihre Arbeit brauchen und die wir ihnen in die Hand geben müssen. Die technische Entwicklung im Bereich der Informationstechnologie muß in den Dienst der inneren Sicherheit gestellt werden. Daran gibt es keinen Zweifel. Ein Beispiel. Die Einführung des fälschungssicheren Ausweises und der Ausbau des polizeilichen Informationssystems sind sicherheitspolitisch unverzichtbar, Herr Dregger. Das INPOL-Konzept — daran hat sich nichts geändert — brauchen wir. Auf
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Bundesminister Baumdiese Instrumente können wir im Interesse der Sicherheit — das ist die Gratwanderung — nicht verzichten. Die Bürger haben Anspruch auf wirksamen Schutz gegenüber einer Kriminalität, die sich ebenfalls modernster Technik bedient.Wir müssen aber durch ein System wirksamer rechtsstaatlicher Eingrenzung dafür sorgen, daß trotz Effektivitätsverbesserung bei der Verbrechensbekämpfung die Balance von Freiheit und Sicherheit nicht zu Lasten des Bürgers verlorengeht. Um die Privatsphäre zu schützen und um den Rechtsstaat zu sichern, brauchen wir eine neue Interpretation der tragenden Prinzipien des Rechtsstaats im Lichte der Gefährdungen, die die technologische Entwicklung mit sich bringt.Die gesetzliche Regelung der Amtshilfe, ein Melderechtsrahmengesetz und bereichsspezifische Datenschutzregelungen im Sicherheitsbereich mit besonderen Löschungsrastern sollen die Grenzen bestimmen, innerhalb deren effektive Sicherheit gewährleistet wird.Wir werden auch dafür sorgen, Herr Dregger, daß der fälschungssichere Ausweis nicht durch die Hintertür das Personenkennzeichen einführt, für das ich vor drei oder vier Jahren noch eingetreten bin. Die Diskussion hat mir gezeigt, daß das weitere Eintreten nicht verantwortbar gewesen wäre. Die rasante Entwicklung der Datenverarbeitung und des Datenverbunds, die sich in den letzten Jahren gezeigt hat, hat mich veranlaßt, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen. In einem Melderechtsrahmengesetz wird kein Personenkennzeichen enthalten sein.Beim Datenschutz im Sicherheitsbereich wissen wir alle, daß das Recht hinter der tatsächlichen Entwicklung herhinkt. Wir wollen die konsequente und zügige rechtliche Weiterentwicklung des Datenschutzes nicht nur im Sicherheitsbereich, sondern auch in der Finanzverwaltung, in der Sozialverwaltung — wir diskutieren ja jetzt im Bundestag über § 35 des Sozialgesetzbuches —, im Gesundheitswesen, bei den Sicherheitsbehörden, im Meldewesen und auch in der Statistik.Zur Fortentwicklung des Datenschutzes im Sicherheitsbereich bedarf es noch umfassender und langwieriger Anstrengungen. Es gilt, die Informationsströme offenzulegen, die von den Interessen der Sicherheitsbehörden bestimmt sind, um sie in genügender Tiefe in Einklang mit den Forderungen des Datenschutzes zu bringen. Wir müssen auch die Kommunikation zwischen der Exekutive, zwischen den Sicherheitsbehörden, und den Vertretern der Datenschutzwissenschaft verbessern.Auch während dieser Phase — darüber darf man gar keinen Zweifel haben — darf das Funktionieren der Sicherheitsbehörden und der Systeme in keiner Weise in Frage gestellt werden.Im Computer-Zeitalter verbietet aber das Grundgesetz, den Bürger zum bloßen Informationsobjekt, zum ergiebigen und verwaltbaren Datenlieferanten zu machen. Bisher ist das noch nicht der Fall, meine Damen und Herren. Wir haben alle Anstrengungenzu unternehmen, gemeinsam, meine ich, um dies zu verhindern.Computer ermöglichen nicht nur rationelle Verwaltungsarbeit, sie schaffen auch eine neue Qualität staatlichen Handelns. Mit der Weiterentwicklung des Datenschutzes zeigen wir, wie ernst wir es mit dem Schutz des Individuums, mit dem Persönlichkeitsrecht und mit dem Schutz der Privatsphäre meinen. Wir müssen mit größter Sensibilität dem Unbehagen und der Furcht vieler Bürger Rechnung tragen, in einer Computer-Gesellschaft vereinnahmt zu werden, in der Behörden, Verbände und Wirtschaftsunternehmen zuviel, allzuviel über den einzelnen Bürger wissen.Ich sage: Eine rechtsstaatlich handelnde Verwaltung darf nicht bestrebt sein, ständig restlos informiert zu sein. Sie muß um des Bürgers willen die Unvollständigkeit ihrer Information in Kauf nehmen und ihren Aufgaben in Kenntnis ihrer Informationsgrenzen nachgehen.
Die Effektivität staatlichen Handelns ist sicher wichtig, meine Damen und Herren von der Opposition, aber Effektivität im Rechtsstaat mißt sich vor allem an der tatsächlichen Gewährleistung der Grundrechte des einzelnen.Es genügt nicht — wie Sie es tun —, die volle Anwendung und strikte Einhaltung des Datenschutzes im Sicherheitsbereich zu fordern; Sie müssen schon sagen, Herr Spranger, welchen Datenschutz Sie meinen, und ob Sie die Verstärkung des Datenschutzes im Sicherheitsbereich auch wirklich wollen. Auf diese Antwort sind wir gespannt.Wenn Sie ja sagen, meine Damen und Herren, dann müßten Sie doch eigentlich auch einer Bestandsaufnahme der Informationssammlung und Informationsströme, wie wir sie gemacht haben, zustimmen. Im Europaparlament — ich habe das als sehr erfreulich angesehen — haben die Christdemokraten das längst politisch getan. Sie haben dort im letzten Monat mit den Stimmen der anderen Fraktionen des EG-Parlaments die Offenlegung aller Dateien im Sicherheitsbereich gefordert. Nun, meine Damen und Herren, wir hier in der Bundesrepublik haben es weitgehend getan. Das Parlament kann jetzt in Kenntnis der Dateien des Bundeskriminalamtes und der Datenströme also auch über einen wirksamen Datenschutz diskutieren. Ist das denn kein Erfolg?
Datenschutz kann nicht am Bürger vorbei verwirklicht werden. Die Offenlegung der Datenverarbeitung ist deshalb erste Voraussetzung für einen bürgernahen Datenschutz. Der Bürger muß wissen, welche Daten erhoben werden, wohin sie fließen und wie sie verwendet werden.Ich meine, für den inneren Frieden, meine Damen und Herren, brauchen wir mehr Toleranz und mehr Gelassenheit. Wir brauchen die offene politische Diskussion, die nicht in einem Grabensystem parteipolitischer Polarisierung erstarrt, sondern die wirklichen Probleme der Bürger in dieser Republik aufspürt.
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Bundesminister BaumTheo Sommer hat in einem bemerkenswerten Artikel zum 30jährigen Bestehen der Bundesrepublik die Versuchungen gekennzeichnet, die diese Demokratie wirklich gefährden, wie er sagt, „in ihrer Stabilität und ihrem Selbstverständnis als einer Gemeinschaft der Freien". Folgende Versuchungen hat er genannt — eine haben auch Sie heute genannt, Herr Dregger —: Erstens die Versuchung, die Freiheit zu Tode zu schützen — sagt Sommer —, „verrät die Ängstlichkeit subalterner Seelen, nicht souveräne, bürgerliche Gelassenheit". Zweitens die Versuchung, „den Begriff des Politischen auf ein rüdes Freund-Feind-Verhältnis zu reduzieren". Das ist eine weitere Gefahr für die Republik und ihre Entwicklung. Drittens — das trifft unser Thema genauso wie die beiden anderen Punkte — die Versuchung, „die technische Zukunft einfach geschehen zu lassen, ohne ihre Gestaltung in das politische Verfahren einzubauen".Wir werden dieses Thema noch an verschiedenen Stellen zu behandeln haben, etwa wenn wir über die neuen Kommunikationstechnologien diskutieren. Aber hier, wo es um die Computer geht, um die Datenverarbeitung in der Verwaltung, ist es genauso aktuell wie auf den anderen Gebieten. Ohne eine offene Diskussion, die auch diese Punkte einbezieht, wird es keinen dauerhaften Konsens der Bürger über die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden geben, keinen inneren Frieden, von dem Sie ja sprechen, meine Damen und Herren von der Opposition.Transparenz und Offenheit machen das staatliche Handeln für den Bürger verstehbar und vorhersehbar. Transparenz und Offenheit sind daher wesentliche Elemente des Rechtsstaates. Dies gilt auch für den Sicherheitsbereich. Wenn Eingriffe heimlich geschehen müssen — und sie müssen im Sicherheitsbereich vielfach auch heimlich geschehen, wie beispielsweise bei der Telefonüberwachung —, ist der einzelne — das hat uns unser Bundesverfassungsgericht aufgegeben, und wir haben ein entsprechendes Gesetz verabschiedet — grundsätzlich nachträglich auch zu informieren.Natürlich gibt es die Ausnahme vom offenen Visier. Der Verfassungsschutz darf und muß auch im Geheimen arbeiten. Aber insoweit kann der Bürger sich darauf verlassen, daß die gesammelten Dateien prinzipiell innerhalb der Sphäre der Diskretion verbleiben. Es wäre ja geradezu abenteuerlich, wenn wir etwas anderes anstrebten.
Eine Weitergabe der mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnenen Erkenntnisse an anderer Behörden darf nie selbstverständlich werden. Sie darf nur unter klar und eng umschriebenen Voraussetzungen erfolgen, die die rechtliche Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht aufheben. Herr Liedtke hat mit Recht darauf hingewiesen. Die Amtshilfe kann, wenn sie extensiv betrieben wird, alle Datenschutzregelungen und die gebotene Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei überspielen. Da die Amtshilfepflicht selbst im Grundgesetz verankert ist, können ihre Grenzen nur durch intensive Rechtsprüfung bestimmt werden. Das Verwaltungsverfahrensgesetz war nur der ersteSchritt in das rechtlich kaum entschlossene Gebiet der Amtshilfe. Die Unsicherheit, die in diesem Bereich besteht, ist eine Unsicherheit nicht der zuständigen Behörden, sondern eine Unsicherheit über das Recht. Wir haben aber bereits jetzt größere Klarheit geschaffen, indem wir die „Sonderanweisung Grenzkontrolle" vorläufig überarbeitet und einige generelle Amtshilfeersuchen gestrichen haben. Dies hat zu keinem Verlust an öffentlicher Sicherheit geführt, wohl aber zu rechtlicher Klarheit und zum Abwerfen von Ballast.Eines steht fest, und ich wiederhole es auch hier. Die Amtshilfe, wie sie der Bundesgrenzschutz jetzt leistet, geschieht unter meiner Verantwortung, wie immer die von mir gebetenen Gutachter entscheiden werden. Dies habe ich wiederholt unmißverständlich klargestellt. Die eingeleitete Rechtsprüfung ist deshalb kein Abschieben von Verantwortung auf unabhängige Gutachter. Nach dem Abschluß dieser Prülung werde ich dem Deutschen Bundestag Vorschläge zur gesetzlichen Präzisierung der Amtshilfe vorlegen. Das geschieht im Interesse der Bürger, aber auch im Interesse der Sicherheitsbehörden, die von uns genau wissen müssen, auf welcher rechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundlage sie arbeiten.
Die Beamten der Sicherheitsbehörden haben Anspruch auf das Vertrauen der informierten Bürger. Sie brauchen die offene Diskussion nicht zu scheuen, die im Ergebnis dieses Vertrauen stärken wird. Davon bin ich fest überzeugt.Allerdings muß diese Diskussion auch durchgestanden werden. Die Beamten der Sicherheitsorgane sind Bürger dieses Staates. Sie können und brauchen nicht von öffentlicher Kontrolle und Kritik ausgenommen zu werden. Sie dürfen nicht diffamiert werden. Dies habe ich wiederholt, auch an die Adresse einiger Presseorgane, festgestellt. Sie brauchen aber auch nicht eine Fürsorge, die so gestaltet ist, daß sie eine Verunsicherung geradezu herbeiredet. Diese Republik ist frei durch die Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse, deren Vielfalt allein die für die Demokratie unverzichtbare Kritik und Kontrolle gewährleistet. Ich meine, gegenüber dieser Kritik müssen auch die Beamten im Sicherheitsbereich Selbstbewußtsein zeigen. Sie haben — davon habe ich mich überzeugt — mehr von diesem Selbstbewußtsein, meine Damen und Herren von der Opposition, als Sie annehmen. Überzeichnete Kritik einzelner Presseorgane darf in ihrem Stellenwert nicht aufgebauscht werden.Dies gilt auch für Berichte über Meinungsverschiedenheiten zwischen mir und dem Präsidenten des Bundeskriminalamts. Es gab in der Tat Meinungsverschiedenheiten, und dies ist nichts Besonderes. Wir alle müssen akzeptieren, daß es zwischen dem politisch verantwortlichen Minister und führenden Sicherheitsbeamten Meinungsverschiedenheiten geben kann, wenn politisch verantwortliche Führung nicht ihren Sinn verlieren soll. Bei der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit können der leitende Polizeiexperte und der verantwortliche Minister nicht stets von gleichen Gewichtungen ausgehen. Ich möchte aber betonen, daß das Bundeskriminalamt
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Bundesminister Baumimmer bemüht war, die übergreifenden Auswirkungen eines verstärkten technologischen Einsatzes in der Verbrechensbekämpfung auf Freiheit und Privatsphäre der Bürger einzugrenzen und schon auf der Ebene der Fachentscheidungen zu einem vernünftigen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit zu kommen.Das Bundeskriminalamt hat aus der Bestandsaufnahme der Informationssammlung erste Konsequenzen zur Weiterentwicklung des Datenschutzes gezogen. Das Bundeskriminalamt hat dies selber getan, und es hat dies sogar vor dem Inkrafttreten des Bundesdatenschutzgesetzes eingeleitet. Von dem Bundeskriminalamt gingen auch wesentliche Initiativen zu den Ende März von der Innenministerkonferenz verabschiedeten Richtlinien für die kriminalpolizeilichen Personenakten aus. Diese Richtlinien legen einheitlich für die gesamte Polizei fest, welche Vorgänge aufbewahrt und gespeichert werden dürfen, wann und wie lange Vorgänge zu speichern sind und wem welche Auskünfte erteilt werden dürfen. Das ist eine ganz wichtige Entscheidung von Bund und Ländern. Bund und Länder haben diese Entscheidung gemeinsam getroffen. Sie wird zur Folge haben, daß allein im Bundeskriminalamt mehrere hunderttausend Akten vernichtet werden können, die eher Ballast sind als Informationen bringen.Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein Wort zu den Gesetzen sagen. Auch die Diskussion über die Terrorismusgesetze schwächt, meine ich, nicht den Staat, sondern stärkt das Vertrauen in ihn. Der Erlaß neuer Gesetze ist in der modernen Demokratie ständige Praxis. Zugleich aber gehört heute noch zur Idee des Gesetzes die Regelung auf Dauer. Ich glaube, wir sollten uns von der Vorstellung lösen, daß die Gesetze von vornherein auf eine unbestimmte Dauer angelegt sind und dann nicht mehr kontrolliert werden. Die Korrektur oder gar die Streichung eines erlassenen Gesetzes scheint mit dieser Idee des Auf-Dauer-angelegt-Seins nur schwer vereinbar. Wer zur Korrektur, wer zur Streichung auffordert, erscheint als Kritiker und Angreifer des Konsenses, der zu diesem Gesetz geführt hat.Ich meine aber, die alte klassische Funktion des Gesetzes als einer prinzipiell zeitlosen Regel hat im Rechtsstaat die Verfassung übernommen. Sie legt mit ihren Wertentscheidungen den eigentlichen SollZustand fest, der bei sich ändernder Wirklichkeit den Maßstab bildet. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat uns in dem bemerkenswerten Mitbestimmungsurteil auf die Pflicht hingewiesen, ein Gesetz zu korrigieren, wenn Fehlentwicklungen auftreten, die bei der Prognose nicht beachtet worden sind oder nicht beachtet werden konnten, weil die Lebensumstände sich geändert haben. Deshalb haben wir ganz allgemein — nicht nur hier — die Pflicht, Gesetze ständig auf ihre Auswirkungen hin zu beobachten und zu prüfen, ob sie auch die Wirkung haben, die wir mit ihnen anstreben, aber auch zu prüfen, ob sie nicht möglicherweise Auswirkungen haben, die keiner von uns gewollt hat.Eine solche Diskussion hat über das Gesetz über den Personalausweis-Sperrvermerk stattgefunden, das als Beitrag zur Terrorismusbekämpfung beschlossen worden war. Es besteht jetzt in Bund und Ländern ein weitgehender Konsen, auf diesen Vermerk zu verzichten. Die Innenminister aller Länder haben sich für diesen Verzicht ausgesprochen. Der neue fälschungssichere Ausweis würde die diskriminierende Wirkung des Vermerks noch erhöhen. Die Bundesregierung hat deshalb zugleich mit dem Gesetzentwurf über die Einführung des fälschungssicheren Ausweises die endgültige Streichung des Vermerks vorgeschlagen, der rechtsstaatlich unzumutbare Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsschutzes mit sich gebracht hat.Meine Damen und Herren, wir fragen Sie also: Was wollen Sie wirklich? Sicherheit, die als Staatsgeheimnis praktiziert wird, produziert nur Unsicherheit und Mißtrauen. Ich nehme deshalb Ihre Angriffe von 1977, Herr Spranger, ernster als das, was Sie jetzt in Diskussionen manchmal sagen. Damals haben Sie eine zu restriktive Informationspolitik der Bundesregierung beklagt und ausgeführt:Diese Geheimhaltungspraxis ist ein Hohn gegenüber dem mündigen Staatsbürger und auf die Brandtsche Regierungserklärung von 1969 mit der Ankündigung: Wir wollen mehr Demokratie wagen.Was wollen Sie also wirklich, Herr Spranger?Sie haben die Datensammlungen des Bundeskriminalamtes in der Vergangenheit ziemlich undifferenziert kritisiert. Ich erspare mir hier jetzt entsprechende Zitate. Bitte legen Sie Ihre. Position, die Sie jetzt haben, fest.Meine Damen und Herren von der Opposition, nur durch sachliche, offene Diskussion können wir das notwendige Vertrauen zwischen Bürgern und Beamten der Sicherheitsorgane auf Dauer erreichen und erhalten. Ich danke dem Innenausschuß, daß er sich mit diesen wichtigen Themen so intensiv befaßt hat und, Herr Kollege Wernitz, auch weiter befassen wird. Ich danke den Koalitionsfraktionen für die Unterstützung, die sie mir bei diesem Vorhaben geben.Ich fühle mich verantwortlich dafür, meine Kollegen, daß das Gebäude der inneren Sicherheit tragfähig ist — ja, dafür fühle ich mich verantwortlich! —, aber auch dafür, daß dieses Gebäude den aufrechten Gang der Bürger weiterhin zuläßt. Ich bin für den starken Staat, aber stark durch das Vertrauen seiner Bürger, die nicht vor ihm in die Knie gehen, sondern aufrecht für ihn eintreten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spranger.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir kurz einige Vorbemerkungen. Herr Kollege Wendig und Herr Kollege Liedtke haben heute von dieser Stelle aus die Solidarität mit dem Bundesinnenminister bestätigt und seiner Arbeit Anerkennung gezollt. Ich möchte den beiden Kollegen doch empfehlen, die Protokolle der vergangenen Sitzungen des In-
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Sprangernenausschusses nachzulesen oder sich die Äußerungen der Innenminister Gries und Fröhlich — nicht Mitglieder der CDU/CSU — vor Augen zu führen, die in massiver Form Kritik am Innenminister geübt haben. Ich kann mich nicht erinnern, daß es in diesen vier oder fünf Sitzungen im Innenausschuß nahezu einen Aufstand zur Verteidigung des Herrn Baum gegeben hat. Er stand — angesichts der massiven Kritik der Fachleute — vielmehr ziemlich allein gelassen im Regen.
Ich meine, Ihre Haltung heute war weniger von der Sache als vielmehr, wie schon gesagt wurde, von Koalitionsinteressen bestimmt. Wenn Herr Baum nun versucht, seine Handlungsweise, insbesondere seine Öffentlichkeitsarbeit, heute zu verteidigen, dann muß man, da er einen ganz anderen Kurs als seine Vorgänger steuert, auch die Frage stellen, ob denn seine Vorgänger Genscher und Maihofer jahrelang eine falsche Sicherheitspolitik betrieben haben. Wir müssen auch die Frage stellen, warum Herr Baum, von 1972 bis 1978 Staatssekretär im Bundesinnenministerium, in dieser Zeit an eben diesem dann anderen Kurs nichts geändert hat.Sie haben, was den Datenschutz angeht, gefragt: Wie hält es die Opposition mit dem Datenschutz? Was den Datenschutz im Sicherheitsbereich angeht, so gibt es hier seitens der CDU/CSU ein ganz klares Ja. Nur, wir brauchen das wegen unserer Haltung zum Datenschutz in der Vergangenheit nicht des näheren zu begründen. Wir waren es doch, die hier gegen die Computereuphorie des Herrn Herold zu Felde gezogen sind, wir, denen in den Sitzungen des Innenausschusses immer wieder gesagt wurde, daß dies unbedingt erforderlich sei. Ich kann mich noch an Sitzungen des Innenausschusses erinnern, in denen Herr Maihofer als damaliger Ressortchef den Vorstellungen von Herrn Herold mit größter Begeisterung zugehört hat, der diesen Datenbereich in immer stärkerem Maße ausbauen wollte.Was schließlich die Öffentlichkeitsarbeit angeht: Wir sind sehr wohl für Öffentlichkeitsarbeit, aber, Herr Innenminister Baum, nicht auf Kosten der Effizienz der Arbeit der Sicherheitsbehörden.In den vergangenen Monaten hat der Bundesinnenminister der harten und vielfältigen Kritik gegenüber seiner Politik immer mit dem Hinweis auf seine angebliche Liberalität zu begegnen versucht. Er hat zwar stets offengelassen, was er darunter versteht, hat aber eingeräumt, daß sich an den politischen Tagesentscheidungen diese Liberalität zu bewähren habe.Ich finde, es ist eine sonderbare Art von Liberalität, die den Bundesinnenminister immer wieder in Konflikte gerade mit jenen Behörden zwingt, deren Aufgabe es ja eigentlich ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Freiheitsrechte und Freiheitsräume der Bürger gegen rechtswidrige Übergriffe zu schützen.Herr Wendig hat die Rechtmäßigkeit des Verhaltens und der Tätigkeit dieser Sicherheitsbehörden heute auf Grund der Ergebnisse der bisherigen Beratungen im Innenausschuß bestätigt. Auch unserer Forderung auf Schutz vor Übergriffen dieser Behörden wurde — so kann man nach Abschluß dieser Beratungen in etwa feststellen — entsprochen. Die Masse der Bevölkerung weiß, daß die Funktionsfähigkeit dieser Behörden Voraussetzung für die Wahrung des inneren Friedens und der Freiheitsräume unserer Bürger ist.Meine Damen und Herren, bei aller Fehlbarkeit auch dieser Behörden muß man doch feststellen, daß die wirklichen Gefahren und Bedrohungen für unsere Freiheit nicht von den Sicherheitsbehörden ausgehen.
Sie haben heute hier den Sicherheitsbehörden das Vertrauen ausgesprochen. In einer Reihe von Interviews — und das ist das, was wir beanstanden — aber haben Sie eben diese Gefahr seitens der Sicherheitsbehörden immer wieder beschworen, z. B. wenn Sie sagen — so im „stern" vom 12. 10. 1978 —: der sogenannte Extremistenbeschluß habe mehr Schaden als Nutzen angerichtet, habe viele junge Menschen in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt, sie in ein Klima der Gesinnungsschnüffelei und der Verdächtigungen versetzt.Es geht weiter in einem Interview im „stern" vom 26.4. 1979, wo in einer ganz komprimierten Weise von Ihnen unter der vom „stern" angebotenen Losung „Ein Mann räumt auf" erklärt wird, daß Sie in bezug auf die Sicherheitsbehörden „Gestrüpp durchforsten", „rechtlich Anstößiges" und „Kartei- und Dateisammlungen beim BKA beseitigen", das Kontaktsperregesetz, den § 88 a StGB, das Personalausweisgesetz — das hier von allen Parteien einstimmig beschlossen wurde — revidieren wollen. Sie wollen abbauen, was beim Bundesgrenzschutz rechtsstaatlich bedenklich ist; Sie wollen „stoppen", daß der Bundesgrenzschutz eine Außenstelle der Geheimdienste bleibt. Die Wurzeln des Terrorismus schließlich sehen Sie in der „scheinbar autoritären Reaktion des Staates darauf", und die Italiener halten Sie in ihrer Einstellung zu Kommunisten für „gelassenere Demokraten" als die Deutschen.Ich muß fragen: Was sind das eigentlich für Zerrbilder der Wirklichkeit, die der Bundesinnenminister hier direkt oder indirekt zu Lasten unseres Staates und seiner Organe verbreitet? Ich meine, es wäre Ihre Aufgabe, Herr Bundesinnenminister, durch eine vertrauenswürdige Politik für das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber diesem Staat und seinen Organen zu werben. Es kann aber doch nicht Ihre Aufgabe sein, mit solchen Behauptungen und Unterstellungen das Mißtrauen jener Gruppen zu schüren und zu verbreiten, die unseren Staat und seine Organe aus den verschiedensten Gründen ablehnen.Solche Sätze erscheinen auch als Ausdruck eines bedenkenlosen Opportunismus gegenüber jenen Linksaußenflügeln, die zwar innerhalb der SPD und Ihrer eigenen Partei in der Vergangenheit immer stärker geworden sind, die aber mit Sicherheit nicht repräsentativ für die breite Mehrheit unserer Bevölkerung sind. Diesen Flügeln geht es doch nicht um die Stärkung der Freiheit, sondern um die
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SprangerSchwächung der freiheitssichernden Organe unseres Staates.Die breite Mehrheit unseres Volkes will sicherlich auch nicht, daß der Innenminister ihre Sorgen über Gewaltkriminalität, Terrorismus, politischen Extremismus in der Form abtut, wie Sie es in diesen und in anderen Interviews leider getan haben. Sie sollen Ihre Pflicht erfüllen, die wirklichen Gefährdungen einzudämmen, die die Bürger in ihren Rechten beeinträchtigen.Ich muß fragen: Wenn schon der Innenminister in solchen Interviews und in seinen Aussagen überall „Mißtrauen, Verunsicherung, Angst, Duckmäuserei, Schnüffelpraxis" aufzuspüren vorgibt, wie soll dann eigentlich der Normalbürger Vertrauen in den Staat, in seine Institutionen erhalten? Ein Innenminister, der sich als Ombudsmann der Kritiker unseres Staates und seiner freiheitlichen demokratischen Ordnung empfindet, verletzt seine Pflichten als Repräsentant unseres Staates und stellt sich in seiner Amtsfunktion in Frage. Es stimmt einfach nicht, daß, wie immer wieder behauptet wurde, der sogenannte Radikalenerlaß in unserem Lande die Meinungsfreiheit eingeschränkt und ein Klima der Gesinnungsschnüffelei und der Verdächtigung geschaffen hat.Der Bundesinnenminister weiß genau, daß die linksextremistischen Kreise so etwas nicht ohne Erfolg herbeizureden versuchten, um endlich eine Argumentationsbasis dafür zu haben, doch noch Kommunisten den Einzug in den öffentlichen Dienst zu ermöglichen. Von dort sind doch diese psychologischen Giftworte „Berufsverbot", „Duckmäusertum", „überwachungs- und Schnüffelstaat" ausgegangen, mit denen man schließlich auch die Abschaffung der Regelanfrage erzwang. Auch hier wird der Opportunismus gegenüber den linksextremistischen Flügeln unseres politischen Spektrums deutlich. Diesen Leuten geht es um Grundsätzliches. Sie wollen nicht, daß ihre ideologischen Vettern aus DKP, SDJ und MSB-Spartakus vor der Tür bleiben müssen, weil sie fürchten, daß damit ihr eigener Marxismus als demokratisch fragwürdig offenbar wird.Daß aber Marxismus mit freiheitlicher Demokratie unvereinbar ist, hat z. B. Bundespräsident Scheel bei der Eröffnung des 16. Weltkongresses für Philosophie in Düsseldorf am 27. 8. 1978 wie folgt begründet:Was den Demokraten am Marxismus stört, was ihn zum Gegner des Marxismus macht, ist, daß dieser, sich im Besitz der Wahrheit wähnend, keine andere Wahrheit neben sich gelten läßt und gelten lassen kann. Der Staat oder eine Partei als Verwalterin der Wahrheit, genau das ist der für einen Demokraten unerträgliche Gedanke.Und auch das ist kennzeichnend für die sogenannte Liberalität des Bundesinnenministers. Er spricht sich für die Abschaffung des Extremistenerlasses aus, verschafft damit den zutiefst illiberalen Kommunisten den Zugang in den öffentlichen Dienst, während Bundespräsident Scheel bei Beseitigung von eventuellen Fehlern bei der Anwendung des Extremistenbeschlusses für die Beibehaltung dieses Beschlusses eintritt. Er ergänzt den Abbau von Sperren durch jahrelange Untätigkeit bei der überfälligen Präzisierung der Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung, die sich ja, angesichts der Spionagefälle nachgewiesen, längst als unzureichend erwiesen haben. Ihre Handlungsweise führt dazu, daß beispielsweise der Innensenator Staak in Hamburg sich gezwungen sah, für den personellen Geheimschutz für Lebens- und verteidigungswichtige Betriebe eigene Richtlinien zu schaffen, um die, wie er selber sagt, entstandene Rechtsunsicherheit zu beseitigen.Sie haben auch heute wieder davon gesprochen, daß man dem Mißtrauen gegenüber unserem Staat und der Sorge vor der Einschränkung der Meinungsfreiheit, vor einem Polizei- und Schnüffelstaat Rechnung tragen müsse. Ich weiß nicht, ob Sie nicht verstehen, daß Sie allein durch eine solche Terminologie die Verunsicherung gerade von jungen Leuten fördern, die ja weithin den wahren Sachverhalt nicht kennen und auch nicht kennen können. Warum sagen Sie nicht, daß bisher nur die Gegner unserer Freiheitsordnung Veranlassung zur Verunsicherung hatten? Und warum sagen Sie nicht, daß eine solche Verunsicherung angesichts der Gefährlichkeit dieser Extremisten, angesichts der Gefährlichkeit der Gegner unserer freiheitlichen Grundordnung gerechtfertigt ist? Wer den Extremisten den Zugang in den öffentlichen Dienst praktisch ermöglicht, handelt nicht im Dienste der Freiheit, sondern zugunsten der Gegner der Freiheit.Die Freiheit unserer Bürger nimmt dann Schaden, wenn der Bedrohung unserer Freiheit durch Lähmung der Sicherheitsbehörden nicht mehr angemessen begegnet werden kann. Denn wer wie der Bundesinnenminister die rechtsstaatlich einwandfreien Handlungsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden beeinträchtigt, leistet den freiheitsbedrohenden Kräften Vorschub und handelt nicht im Interesse einer richtig verstandenen Liberalität, die die Freiheit des Individuums gerade in einem funktionstüchtigen Rechtsstaat gesichert sieht. Der Staat als Hüter des Rechtes, dieser frühere Grundsatz des Liberalismus, scheint bei dem heutigen Bundesinnenminister nicht mehr zu gelten. Wenn unser demokratischer Staat und die Gemeinschaft bestehen bleiben sollen, dann ist es eben erforderlich, das richtige Verhältnis von Unabhängigkeit und Bindung, von Recht und Pflicht, von Individuum und Gemeinschaft zu finden. Absolute Freiheit führt in absolutes Chaos. An dieser Erkenntnis sollte der Bundesinnenminister seine Politik ausrichten.Nun zum Thema Öffentlichkeitsarbeit. Hier leistete der Innenminister einen besonderen Beitrag. Nicht genug, daß er in Prüfberichten in bisher einmaliger Art und Weise interne Details über die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden auf den öffentlichen Markt bringt; durch ihre mißverständliche Darstellung erwecken diese Darlegungen auch noch falsche und negative Eindrücke. Aber das
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12772 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
SprangerÜbelste daran ist, daß diese Enthüllungspolitik im Zusammenspiel mit bestimmten Presseorganen durchgeführt wird, so daß einer der höchsten Sicherheitsbeamten — Mitglied der SPD — in einem Interview im „Bild" am 30. April dieses Jahres wörtlich erklärte: „Das Ministerbüro des Herrn Baum ist zur Hektographieranstalt für interessierte Medien degradiert."
Tatsächlich wird immer nach demselben Schema verfahren. Den einzelnen Presseorganen wird unter Ausschaltung des Parlaments gezielt geheimbedürftiges Material aus der Arbeit der Sicherheitsbehörden zugespielt. Die anschließende Veröffentlichung erweckt dann den Eindruck unerträglicher Überwachungsschnüffelei. Gleichzeitig präsentiert sich der Innenminister in öffentlichen Stellungnahmen als Schutzpatron der Privatsphäre, zeigt sich bedrückt bis bestürzt und erklärt, diese angeblichen „Praktiken" abstellen zu wollen. Es fällt kein Wort davon, daß diese Grundlagen des Handelns der Sicherheitsbehörden, die er jetzt ändern oder abschaffen will, mit von seinen Parteifreunden Maihofer und Genscher zu verantworten waren. Ich frage mich oft, ob es diesen Herren nicht sehr peinlich ist, wenn sie den Eifer des jetzigen Bundesinnenministers zu diesem Thema erleben. Alles mündet dann schließlich in eine umfassende, mehrwöchige Auseinandersetzung, in der Emotion, Unkenntnis und bewußte Diffamierung eine rationale Diskussion überhaupt nicht mehr zulassen. Ich brauche im einzelnen nicht mehr auf die Kampagnen, die uns allen noch bekannt sind, einzugehen.Sie haben vorhin gefragt, warum Bayern dieses Bund-Länder-Programm nicht mehr mitfinanzieren wollte. Es ist ja leider so, daß diese Art von Enthüllungspolitik die jahrelang gute und von uns anerkannte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt hat. Den Willen zur gemeinsamen Arbeit, zur Solidarität und zur Verantwortung beim Aufbau dieser polizeilichen Daten- und Informationssysteme haben Sie durch bewußte öffentliche Infragestellung wichtigster Bereiche dieser Art gelohnt.Herr Bundesinnenminister, wenn Ihnen jetzt plötzlich Bedenken zu der Aufbewahrung bestimmter Dateien gekommen sind, die Ihnen offensichtlich als Staatssekretär im Innenministerium bis 1978 noch nicht gekommen waren, dann wäre es doch richtig gewesen, wenn diese Bedenken in der Innenministerkonferenz vorgetragen worden wären und Sie eine Verständigung mit den Ländern angestrebt hätten. Sich hier auf Kosten dieser Zusammenarbeit ein publizistisches Privileg unter Berufung auf Scheinliberalität und angeblich rechtsstaatliche Sensibilität zu verschaffen, hat der Sache sicherlich geschadet.Ich erinnere noch einmal daran: die Bewertung hinsichtlich des Schadens an der Zusammenarbeit mit den Ländern und der Tatsache, daß Sie es in wenigen Monaten Ihrer Amtszeit erreicht haben, die Sicherheitskonzeption von Bund und Ländern völlig durcheinanderzubringen, wird nicht nur von der CDU/CSU geteilt. Erinnern Sie sich auch an die Interviews des ZDF-Magazins mit den Innenministern Gries und Fröhlich. Ich meine, hier hat das vorgebliche Ziel, in dem angeblichen Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit der Freiheit den Vorrang zu geben, die letzte Glaubwürdigkeit verloren. Wenn es wirklich um die Freiheit ginge, könnte man in den zuständigen Gremien für Abhilfe der beanstandeten Mängel sorgen. Dann könnte man jene Richtlinien und Weisungen ändern, nach denen die Behörden bisher tätig sind.Sie können sich auch nicht vor der Verantwortung drücken, die der Staatssekretär Baum für jene Politik hatte, die heute von ihm als Bundesinnenminister als freiheitsgefährdend und rechtsstaatlich bedenklich hingestellt wird.Sie haben heute den Sicherheitsbehörden und den Beamten das Vertrauen ausgesprochen. Wir haben das auch in nichtöffentlichen Sitzungen des Innenausschusses gehört. Aber ich glaube, es ist nicht gut, wenn Sie im Gegensatz dazu im „stern" oder im „Spiegel" und in anderen öffentlichen Interviews die Beamten rechtsstaatswidriger Methoden bezichtigen.Die Beamten müssen sich darüber hinaus auch nachgerade verhöhnt vorkommen, wenn Sie im „stern" erklären: „Letztlich geht es mir darum, das Vertrauen der Bürger in die Sicherheitsorgane wiederherzustellen." Sie spielen sich hier zum Retter der Sicherheitsdienste auf, obwohl Sie einen Hauptteil der Schuld am Vertrauensverlust gegenüber den Sicherheitsbehörden tragen.Wir möchten Sie, Herr Bundesminister, zum Schluß auch bitten, zukünftig nicht mehr so zu tun, als habe erst mit Ihrer Ara eine Politik der Freiheit für den Bürger begonnen. .Das wäre nicht nur ungerecht gegenüber Ihren Vorgängern. Schon der Parlamentarische Rat hat sich im Grundgesetz eine Verfassung gegeben, die gerade beim Schutz der Menschen- und Individualrechte zu den freiheitlichsten der Welt zählt. Gesetzgebung und Rechtsprechung haben diese Freiheitsrechte fortdauernd erweitert.Konrad Adenauer hat mit der Integration der Bundesrepublik Deutschland in das freiheitliche westliche Staatenbündnis die Grundlage für die dauerhafte Erhaltung dieses Freiheitsraums geschaffen. Ludwig Erhard hat — damals mit der FDP und gegen die SPD — die Verwirklichung der liberalen Grundsätze in der Sozialen Marktwirtschaft durchgesetzt.Diesen erreichten hohen Stand der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gilt es zu erhalten und fortzuentwickeln und nicht aus Opportunismus, Profilierungssucht oder Utopie zu gefährden.Wir fordern deshalb den Bundeskanzler auf, die bisherige Politik des Bundesinnenministers nicht weiter zu unterstützen, sondern unverzüglich für die von der Verfassung geforderten und politisch notwendigen Schritte zur Gewährleistung des Schutzes des inneren Friedens Sorge zu tragen, damit durch innere Sicherheit die Freiheit unserer
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12773
SprangerBürger und unsere freiheitliche demokratische Grundordnung erhalten bleiben.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wernitz.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition ist wieder einmal der Versuchung erlegen, das Thema der inneren Sicherheit zwecks Erzielung parteipolitischen Kapitals auf die Tagesordnung des Bundestags zu bringen, wobei eine ohne Zweifel negative Steigerung in den Formulierungen von Herrn Dregger bis zu Herrn Spranger festzustellen ist.Nur so, meine Damen und Herren von der Opposition, können die Formulierungen Ihres Mißbilligungsantrags gegen Innenminister Baum unter dem Motto „Sicherung des inneren Friedens" gewertet werden. Aber Ihr Schielen von der Opposition nach parteitaktischem Kleingeld ist nicht das, worauf es hier ankommt und um was es jetzt geht. Dabei hätten die ersten Absätze der Antragsbegründung bei Ihnen durchaus Ansätze zu einer sachlich differenzierten Diskussion der echten Fragen und Probleme im Spannungsverhältnis von effektiver Sicherheit und wirksamem Datenschutz geboten.Aber davon abgesehen finden sich im übrigen Text und in den Antragsforderungen nur sattsam bekannte Polemiken, pauschale und einseitige Vorwürfe gegen die Bundesregierung und die sozialliberale Koalition sowie durchsichtig verletzende Attacken auf Bundesinnenminister Baum, die wir entschieden und nachdrücklich zurückweisen.Die Prüfberichte des Bundesinnenministeriums über Dateien und Karteien im Bereich des Bundeskriminalamts sowie über Fragen der Zusammenarbeit des Grenzschutzeinzeldienstes mit anderen Sicherheitsbehörden und Datenschutzangelegenheiten im Grenzschutzeinzeldienst haben das Thema „effektive Arbeit der Sicherheitsbehörden und wirksamer Datenschutz" zu einem aktuellen Schwerpunkt der Diskussion werden lassen.Dabei sollte nicht übersehen werden, daß es sich hier um Arbeitsergebnisse von Prüfaufträgen handelt, die Bundesinnenminister Baum in den ersten Monaten seiner Amtszeit erteilt hat. Sie laufen auf eine umfassende Überprüfung der Zusammenarbeit zwischen BGS und Nachrichtendiensten, eine rechtliche und politische Bewertung aller Dateien im Sicherheitsbereich und auf eine Rechtsüberprüfung der Möglichkeiten und Grenzen der Amtshilfe hinaus.Ohne Zweifel war die unglückliche Art und Weise, wie bzw. in welcher Fassung und zu welchem Zeitpunkt diese Berichte an die Offentlichkeit gelangt sind, zunächst einmal eine erhebliche Belastung und Erschwernis für die unbestreitbar notwendige Sachdebatte. Es liegt auf der Hand, daß Bundesinnenminister Baum an dieser Art und Weise der Publizierung kein Interesse haben konnte. Einerseits ist damit in der Öffentlichkeit wieder einmal der falsche pauschale Eindruck entstanden bzw. verstärkt worden, als ob der Staat insbesondere mit Hilfe der modernen Informationstechnologie die gesamte Bevölkerung zum beliebig verwendbaren Informationsobjekt degradiert. Derartige Bürgerängste kumulieren in der so oft beschworenen Orwellschen Schreckvision „1984".Andererseits haben wir feststellen müssen, daß die Vorabpublikation zumindest bei einem Teil der Beteiligten in Exekutive und auch in Legislative die politische Atmosphäre unnötig belastet und zugleich das Risiko prestigegeprägter, emotionaler, aber auch vordergründiger parteitaktischer Auseinandersetzungen — hier bietet Ihr Antrag leider ein negatives Beispiel — vergrößert hat. Niemand sollte deshalb leichtfertig unterstellen, daß Bundesinnenminister Baum diese Veröffentlichungen betrieben oder geduldet hat.Der Vorwurf, er betreibe eine Enthüllungspolitik, ist töricht und infam zugleich. Die Opposition sollte Politik nicht durch böse Spekulationen ersetzen,
wenn es ihr wirklich um die Gewährleistung des Schutzes des inneren Friedens geht.
Ich muß Ihnen sagen: Wenn auch heute wieder so getan wird, als ob es ständig um Enthüllungen gehe, wenn dies dramatisiert und dämonisiert wird, hat man manchmal den Eindruck, daß man nicht im Plenum des Bundestages, sondern auf einem bunten Abend der CDU ist, wie er in Kiel stattgefunden hat.
Das einzige, was jetzt wirklich weiterhelfen würde, wäre die allseitige Bereitschaft zu nüchterner, fairer sowie disziplinierter umfassender Bestandsaufnahme und Aufarbeitung der hier anstehenden Aufgaben. Dabei sollte es allen klar sein, daß es nicht um die Alternative innere Sicherheit oder Datenschutz geht, sondern um das notwendige sorgfältige Abwägen der Erfordernisse des Datenschutzes und der inneren Sicherheit. Genau dieses Ziel verfolgt der Bundesinnenminister mit seinen Prüfarbeiten. Er nimmt damit seine Verantwortung für die Wahrung der Verfassung und der inneren Sicherheit konkret wahr. Hierbei können er und die Bundesregierung auf unsere konstruktive Mitarbeit rechnen.
Die Beratungen der letzten vier Sitzungen des Innenausschusses zu diesem Themenkreis belegen das unmißverständlich. Die Darlegungen des Kollegen Spranger, die er eben gemacht hat, treffen in der Sache so nicht zu.Wirksamer Datenschutz — Herr Bundesinnenminister Baum hat das vorhin schon deutlich gemacht — ist unverzichtbar. Es darf nicht dazu kommen, daß alle über den einzelnen Bürger irgendwo gespeicherten Daten zu einem umfassenden Persön-
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12774 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Dr. Wernitzlichkeitsbild zusammengeschaltet werden können und so gleichsam der gläserne Mensch produziert wird. Wir müssen nicht zuletzt auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre dem Unbehagen und der Furcht vieler Bürger, in einer Computer-Landschaft zu landen, die den Bürger zum beliebig verwendbaren Informationsobjekt degradiert, mit großer Sensibilität Rechnung tragen. Es geht also auch darum, jetzt und künftig begründeten Ängsten gegenüber der Datenverarbeitung durch Beseitigung der Ursachen entgegenzutreten und unbegründete Ängste soweit wie möglich durch Aufklärung über die wirklichen Verhältnisse abzubauen.Ängste bestehen erfahrungsgemäß auch gegenüber den Sicherheitsbehörden, weil hier ja besonders empfindliche und weit in die Privatsphäre hineinreichende Daten, und dies im wesentlichen ohne Kontrollmöglichkeiten der Betroffenen, verarbeitet werden. Bei den Sicherheitsbehörden sind absolut zwar personenbezogene Daten in erheblichem Umfang gespeichert, allerdings auf eine Größenordnung von unter 5 % der Gesamtbevölkerung begrenzt. In Relation dazu muß man sehen, daß sich jährlich in der Bundesrepublik rund 3,5 Millionen Straftaten ereignen bei jährlich 1,5 Millionen Straftätern ohne Berücksichtigung der Verkehrsdelikte.Es ist und bleibt notwendig, daß sich die zuständigen Sicherheitsbehörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben moderner technischer Hilfsmittel und damit auch der EDV bedienen. Soweit es sich um die elektronischen Dateien und Karteien handelt, gehen sie auf 361 Grundsatzbeschlüsse der Innenministerkonferenz, des Arbeitskreises 2 und der AG Kripo zurück. 352 dieser Beschlüsse wurden einstimmig gefaßt.Der bereichsspezifische Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden muß jetzt unter entschlossener, ehrlicher und rationaler Kooperation aller Verantwortlichen weiterentwickelt werden. Dabei geht es um Fragen der Datensicherung, des Rechts auf Auskunft an Betroffene, Fragen der Aufbewahrung und Probleme einer regelmäßigen und besonderen Aussonderung und Löschung. Dieser bereichsspezifische Datenschutz ist deshalb vordringlich, weil die Behörden nach dem Bundesdatenschutzgesetz grundsätzlich nicht zur Auskunft über die gespeicherten Daten verpflichtet sind. Das Fehlen dieser Kontrollmöglichkeit des Bürgers erfordert aber soweit wie möglich die Transparenz der Art und Weise des Verfahrens bei den Sicherheitsbehörden.Die Verwirklichung dieses bereichsspezifischen Datenschutzes im Sicherheitsbereich wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Sie ist jedoch unverzichtbar, sowohl aus der Sicht der Exekutive als auch der Legislative. Der Bürger muß mehr als bisher die Gewißheit haben, daß sich die Datenverarbeitung im Sicherheitsbereich unter Konditionen vollzieht, die er rational nachvollziehen und grundsätzlich auch überprüfen kann. Nur so wird es gelingen, unbegründete Ängste und Emotionen der Bürger gegenüber der Datenverarbeitung im Bereich der Sicherheitsbehörden abzubauen. Nur so wird in der öffentlichen Diskussion gegenüberskandalorientierten Diffamierungstaktiken gegen die Sicherheitsbehörden eine überzeugende, offensive, rationale Strategie des Vertrauens zu schaffen sein.Es liegt auf der Hand, daß damit zugleich der unbestreitbar vorhandenen Verunsicherung der Beamten im Bereich der Sicherheitsbehörden mit entgegengewirkt wird. Ich unterstreiche mit großem Nachdruck das, was Herr Baum vorhin zum Thema „offenes Visier des Staates gegenüber dem Bürger" im Grundsatz gesagt hat, aber auch das, was er ergänzend dazu für bestimmte Bereiche, wo dies nicht geht, ausgeführt hat.Die Belange der Sicherheitsbehörden und die Forderungen des Datenschutzes müssen bei den Sicherheitsbehörden jeweils spezifisch aufeinander abgestimmt werden. Dies haben in eindringlicher Weise die Erörterungen zu den bisher vorliegenden Prüfberichten aus dem Bundesinnenministerium im Innenausschuß gezeigt. Hierzu bedarf es auch eines fortgesetzten intensiven sowie konstruktiven und freimütigen, aber auch einmal eines vertraulichen Dialogs zwischen Vertretern der Sicherheitsbehörden und der Datenschutzexperten, so z. B. zwischen dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Eine so verstandene und geführte Kommunikation kann das objektiv gegebene Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Sicherheit für die Optimierung der Bürgerrechte im demokratischen Rechtsstaat außerordentlich fruchtbar machen.Bei der aktuellen Diskussion zu den Prüfberichten des Innenministeriums stellt sich einmal die Frage, wie es um den bereichsspezifischen Datenschutz innerhalb der Exekutive bestellt ist bzw. welche weiteren Verbesserungen hier möglich und notwendig sind. Bezüglich der Dateien und Karteien beim BKA kommt der Prüfbericht zu dem Ergebnis, daß die Mehrzahl der Dateien und Karteien voll den Anforderungen des heutigen Datenschutzrechtes entspricht, obwohl sie zum Teil lange vor dem Bundesdatenschutzgesetz eingerichtet worden sind.Im übrigen beruhen die Dateien und Karteien, wie bereits angedeutet, auf Gesetzen, anderen Rechtsvorschriften sowie Beschlüssen und Anweisungen der Innenministerkonferenz, die Bund und Länder entsprechend umgesetzt haben. Zum Teil werden jedoch — dies muß ebenso offen angesprochen werden — einzelne Korrekturen und Präzisierungen für notwendig gehalten.Festzuhalten ist, daß der durch verschiedene Vorberichte in der Presse zum Teil entstandene Eindruck, als ob die Arbeit des BKA in einigen Teilbereichen ungesetzlich sei, weder durch den im Innenausschuß vorgelegten Prüfbericht noch durch die zusätzlichen Informationen und Beiträge bestätigt wurde. Die durch Presseberichte verständlicherweise zunächst verärgerten und verunsicherten Beamten des BKA können versichert sein, daß dieser mißverständliche Eindruck inzwischen korrigiert ist. Auf diese Klarstellung haben die Beamten der Sicherheitsbehörden auch einen Anspruch.
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Dr. WernitzDer Bundesinnenminister hat im übrigen wiederholt und mit Nachdruck betont, daß die Prüfberichte keine Vorwürfe gegen Beamte der Sicherheitsbehörden erheben. Er hat sich in durchaus überzeugender Weise vor seine Beamten gestellt und sich im Rahmen der gegebenen politischen Verantwortung auch zu dieser stets bekannt. Das Gegenteil dessen, was die Opposition in ihrem Antrag behauptet und was hier vorgetragen wurde, trifft also zu.Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Bull, kommt trotz aufrechterhaltener Bedenken zu einzelnen Punkten des Dateienberichtes letztendlich zu folgender Schlußbemerkung — ich zitiere —:Die gegenwärtige Gestalt des polizeilichen Informationswesens ist auf eine Vielzahl von Entscheidungen verschiedenster Gremien und auf die Praxis von Bund wie Ländern zurückzuführen, und es wäre ungerecht, einer Stelle oder den Beamten eines Teiles der Verwaltung dafür die Verantwortung zuzuschieben.Meine Damen und Herren, dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Dr. Herold, und seinen Mitarbeitern kommen nicht nur große Verdienste beim Ausbau eines rechtsstaatlich insgesamt abgesicherten effektiven polizeilichen Informationssystems zu, ohne das innere Sicherheit für den Bürger auf so hohem Niveau heute nicht zu leisten wäre.
Es hat sich insbesondere in den Sitzungen des Innenausschusses gezeigt, daß der Datenschutz im BKA in der zurückliegenden Zeit durchaus kein Fremdwort war.Als ein weiterer wichtiger Schritt zu mehr bereichsspezifischem Datenschutz können die von BKA-Präsident Herold mitinitiierten, Ende März dieses Jahres von der Innenministerkonferenz verabschiedeten Richtlinien für die Führung kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen gewertet werden.Meine Damen und Herren, generell ist festzuhalten, daß der bereichsspezifische Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden letztlich nur dann befriedigend geregelt werden kann, wenn die schwierigen Fragen nach Möglichkeiten und Grenzen der Amtshilfe geklärt sind. Dies ist im Kern das Thema des Prüfberichts des BMI zur Amtshilfe zwischen Bundesgrenzschutz bzw. Grenzschutzeinzeldienst und Nachrichtendiensten, der ebenfalls dem Innenausschuß vorliegt, jedoch noch eingehender Erörterungen bedarf.Entscheidende Bedeutung für den Datenschutz kommt der Eingrenzung der Amtshilfe zu. Im Zeitalter der EDV ist Amtshilfe insbesondere Weitergabe von Informationen von einer Behörde, die sie hat, aber nicht braucht, an eine andere Behörde, die sie braucht, aber nicht besitzt. Durch eine extensive Amtshilfe können elementare Datenschutzregelungen und damit Freiheitsrechte des Bürgers überspielt werden, bis hin zum früher bereits erwähnten möglichen Zusammenschalten aller über den Bürger zumindest im öffentlichen Bereich gespeicherten Daten. zu einem umfassenden Persönlichkeitsbild.Hier stellt sich in einer sehr grundsätzlichen Weise die Frage nach der Gültigkeit des Grundsatzes .von der Einheit der Staatsverwaltung. Jedenfalls ist eine Auffassung, die die totale Zusammenführung des bei den verschiedensten Behörden vorhandenen Wissens vertritt, abzulehnen. Man kann sich z. B. nicht rühmen, daß man das Personenkennzeichen verhindert hat, verehrter Herr Kollege Erhard, auf der anderen Seite aber dieser totalen Zusammenschaltung dann das Placet geben. Darüber muß man, glaube ich, noch einmal sehr gründlich und umfassend debattieren.Kein Beamter des BGS hat es zu verantworten — so stellte Innenminister Baum zu Recht fest —, daß präzise rechtliche Grenzen der Amtshilfe zwischen Grenzschutz und Nachrichtendiensten fehlen. Das Grundgesetz verpflichtet zur Amtshilfe. Andere rechtliche Vorschriften postulieren die Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten. In jedem Fall ist unstrittig, daß das Institut der Amtshilfe nicht zur Brücke werden darf, mittels derer Polizei und Nachrichtendienste faktisch zu einem Gebilde zusammengeschweißt werden.Der Bundesminister des Innern hat im übrigen unbeschadet einer endgültigen Beurteilung durch externe Gutachter deutlich gemacht, daß er die Amtshilfe des BGS für den BND — das Fotografieren von Reisedokumenten in Einzelfällen — nicht als rechtswidrig ansieht. Der Bundesinnenminister hat damit nicht nur keine Vorwürfe gegen BGS-Beamte erhoben, sondern sich hier wie nachweislich auch bei zahlreichen anderen Anlässen vor seine Beamten gestellt. Die diesbezüglichen Vorwürfe des Antrags der CDU/CSU sind deshalb nachweislich ebenfalls unbegründet.Alle diese Untersuchungen, bei denen zügig, aber sorgfältig gearbeitet werden muß, haben das Ziel, die Arbeit der Sicherheitsbehörden, soweit die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist, effektiver zu machen. Die Prüfberichte des BMI, die Stellungnahmen der Sicherheitsfachleute der Behörden des Bundes und gegebenenfalls auch der Länder sowie die Darlegungen seitens der Datenschutzexperten vor dem Innenausschuß werden ihren Niederschlag in einem abschließenden und zusammenfassenden Bericht des Innenministeriums nach der Sommerpause finden. Erst dann sind abschließende Beurteilungen zu einzelnen Punkten möglich.Alle diese Stellungnahmen und Materialien sind zugleich wichtige Grundlagen für eine eventuelle zukünftige Ausfüllung bzw. Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, wobei auch die entsprechenden Entwicklungen in den Bundesländern einbezogen werden müssen. Hier ist auch der erste Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu nennen, ebenso der vom Bundesinnenminister bereits erwähnte Entschließungsantrag und Beschluß des Europäischen Parlaments. Die Opposition hätte gut daran getan, diesen Beschluß des Europäischen Parlaments zu studieren, bevor sie ihren Mißbilligungsantrag formulierte.
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Dr. WernitzDie derzeitige Debatte hier und in der Öffentlichkeit sollte dazu genutzt werden, um von der falschen und gefährlichen Konfrontation zwischen innerer Sicherheit und Datenschutz wegzukommen. Es geht hier im Grund um Bürgerrechte, die nicht gegeneinander aufgerechnet werden dürfen, sondern miteinander verbunden sein müssen. Es geht um eine überzeugende Antwort auf den Auftrag des Grundgesetzes, effektive Sicherheit in klaren rechtlichen Grenzen einschließlich des Datenschutzes zu gewährleisten.Der beginnende Dialog zwischen Vertretern der Sicherheitsbehörden und des Datenschutzes bedarf einer parlamentarischen Begleitung. Der Bundestag muß dabei behilflich sein, daß das objektiv gegebene Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Sicherheit zu keinen nachteiligen Entwicklungen führt, sondern letztlich in eine Kombination von qualitativ wachsender innerer Sicherheit und Optimierung der Freiheitsrechte des Bürgers im demokratischen Rechtsstaat einmündet.Ich komme zum Schluß. Auf diesem Weg wissen wir den Bundesinnenminister als zuverlässigen Partner. Er hat dabei unsere volle Unterstützung. Wir lehnen deshalb den Antrag der Opposition ab. Er ist weder ein Beitrag zur Gewährleistung noch gar ein Beitrag zur Verbesserung des inneren Friedens. Ich beantrage hiermit namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Genausowenig, wie Sie von der Opposition mit Ihrem formalen Mißtrauensantrag 1972 Erfolg gehabt haben, werden Sie mit diesem formlosen, aber sehr bombastisch angekündigten Mißbilligungsantrag Erfolg haben.
Sie werden schon deswegen keinen Erfolg haben können, weil Sie auch diesen Antrag nicht seriös vorbereitet haben. Sie haben noch nicht einmal den Schluß der Diskussion im Innenausschuß abgewartet, bevor Sie sich Ihr Urteil gebildet haben, sondern Sie hatten schon bei Beginn der Diskussion Ihr Urteil abschließend formuliert. Ich meine, daß das für die Qualität dieses Antrags spricht und daß es bezeichnend ist für die Art, wie Sie mit der Frage der inneren Sicherheit umgehen.Sie sprechen vom Abbau der inneren Sicherheit. Genau das Gegenteil ist mit den Handlungen des Bundesinnenministers verbunden:
eine Stärkung des Vertrauens der Bürger in diesen Staat und damit eine Motivierung der Bürger für diesen Staat und damit eine bessere innere Situation in diesem Staat.Der Erfolg zeigt sich auch in der Kriminalstatistik. Wir haben einen deutlichen Rückgang der Steigerungsrate der Gewaltkriminalität. Es gibt daneben Erfolge in der Rauschgiftbekämpfung, übrigens, meine ich, ein sehr wichtiger Punkt, denn wir alle wissen, wie stark uns die Rauschgiftszene in der letzten Zeit bedrängt hat. Ich meine, daß wir hier Grund haben, in besonderer Weise dem BKA dankbar zu sein.Zu nennen sind auch die tatsächlich im Zusammenhang mit der Terroristenbekämpfung stehenden Erfolge. Der Bundesinnenminister hat Ihnen die Daten der Festnahmen, die Ermittlungen der konspirativen Wohnungen geschildert. Schließlich haben sich — und das halte ich für besonders wichtig; denn das ist bereits ein erstes Ergebnis seiner Politik — zwei mit Haftbefehl gesuchte Terroristen freiwillig gestellt.Die gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung kann der Inhalt Ihres Mißbilligungsantrages nicht hinfällig machen. Sicher hat dabei auch der Bericht des früheren Innenministers Höcherl, den wir nachher diskutieren werden, einen positiven Anteil. Er hat verdienstvolle Anmerkungen und Hinweise gegeben, wie die Erfolgsbilanz der Polizei, des BKA durch eine entsprechende Trennung der polizeilichen und politischen Bereiche noch verbessert werden kann.Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, der Polizei der Länder, dem Bundeskriminalamt, dem BND, dem Verfassungsschutz, dem Bundesgrenzschutz und vor allem dem Innenminister für diese Erfolgsbilanz zu danken und sie zu animieren, auf diesem Wege fortzufahren.
Meine Damen und Herren, besonders wichtig ist, daß neben den tatsächlichen Erfolgen auch das Vertrauen der Bürger und besonders der jüngeren Bürger in die Sicherheitshandlungen des Staates gestärkt und zum Teil auch wiederhergestellt wird. Überreaktionen des Staates zum Schutz der Freiheit, wie sie sich in der bisher praktizierten Regelanfrage ausdrücken und auch manchmal in hektischen Reaktionen des Gesetzgebers auf terroristische Anschläge — z. B. das Gesetz über den Personalausweissperrvermerk —, sind schon genannt worden. Ich will gerne zugeben — auch für meine Fraktion —, daß wir hier über das Ziel dessen hinausgeschossen sind, was wir an Bekämpfung der Terroristen leisten wollten. Ich begrüße, daß das Personenkennzeichen keinen Eingang in einen fälschungssicheren Personalausweis finden wird, den wir alle wollen.
Das Vertrauen, wenn auch nur einer Minderheit von Bürgern zurückzugewinnen bzw. wiederherzustellen, ist eine Grundvoraussetzung unserer liberalen Politik.Bei den Minderheiten, die ich angesprochen habe, herrscht der Eindruck, daß in den letzten Jahren als Konsequenz der Bedrohung der inneren Sicherheit durch den Terrorismus eine Fülle von gesetzgeberi-
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schen Maßnahmen getroffen worden ist, die die Eingriffsbefugnisse der staatlichen Organe zu Lasten der Freiheitssphäre verdächtiger, aber auch unbeteiligter Bürger zum Teil erheblich erweiterten. Damit hat, begünstigt durch den Terrorismus, im Bereich der Strafverfolgung zunehmend eine Güterabwägung zugunsten der Effektivität staatlichen Handelns stattgefunden.Die Ergebnisse des Bundesjugendkuratoriums sind sicher kritisch zu werten und zu betrachten, aber sie machen uns deutlich, daß das Kernproblem in der bisher nicht ausreichend geführten geistigen Auseinandersetzung mit den Problemen des Terrorismus und Extremismus liegt. Die Antwort der Öffentlichkeit — und ich meine, wir Politiker müssen uns da wohl einschließen — auf die immer wieder artikulierten Jugendproteste war aber — und nicht nur im Fall des Terrorismus —, auf die Abwehr und Verurteilung von Regelverletzungen beschränkt, kaum ernsthaft eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Konfliktursachen und Forderungen.Ich bedaure sehr, daß Bayern das gemeinsame Konzept des Bund-Länder-Programms zur Ursachenforschung des Terrorismus nicht mitgetragen hat. Sie hätten sich da Verdienste erwerben können, Herr Spranger, statt vordergründig den Abbau der Sicherheit an die Wand zu malen und damit Furcht und Angst und Unsicherheit bei den Bürgern und bei den Sicherheitsorganen zu verbreiten. Denn Sie wissen genau, warum das Land Bayern hier nicht mitgezogen hat. Es hat schließlich Zweifel an der Effizienz des Programms gehabt, nachdem das ganze Programm mit Hilfe des Landes Bayern zusammen vorbereitet worden ist. Das hat überhaupt nichts mit den von Ihnen apostrophierten und beschriebenen Enthüllungspraktiken zu tun.Ich bedaure dies um so mehr, als die Opposition in einem Symposium am 29. und 30. November eine Auseinandersetzung mit den geistigen und gesellschaftlichen Ursachen des Terrorismus und seiner Folgen versucht hat. Ihr Generalsekretär Geißler hat damals ausgeführt:Die terroristischen Aktionen sind darauf angelegt, durch einen Einbruch in die Psyche der Bevölkerung diese zu einem Verhalten zu veranlassen, das ihren eigenen Idealen zuwiderläuft. Das darf nicht geschehen. Zu der äußeren muß die innere Abwehr hinzutreten. Die Deformation des öffentlichen Lebens und des politischen Denkens dürfen und werden wir nicht zulassen. Wir dürfen das politische Denken nicht durch die Angst besetzen lassen. Denn auch wenn wir eines Tages diese Prüfung bestanden haben werden, bleibt die Aufgabe bestehen, Staat und Gesellschaft sicher und freiheitlich, aber auch offen und reformfähig zu halten und den Nachweis zu erbringen, daß es nicht der Gewalt bedarf, um etwas zu bewegen und zu verändern.Gehandelt haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, leider nicht danach. Denn dann hätten Sie diesen Antrag weder heute noch später stellen können. Sie haben versucht, diesen Ursachen mitimmer neuen und weitergehenden Einschränkungen der Rechte und der Freiheiten des Bürgers zu begegnen. Wir Liberalen empfinden große Genugtuung darüber, daß Ihre Forderungen nicht Wirklichkeit wurden, Forderungen wie Überwachung der Verteidigergespräche, Einführung des Kronzeugen, Einschränkung des Demonstrationsrecht.In dem Zusammenhang kann ich auch einmal auf eine sehr typische Position bei Ihnen hinweisen, die sich in der Bereitstellung von Zellen bei den Demonstrationen in Gorleben eskaliert hat. Es war eine vorweggenommene Maßnahme, bei der man von vornherein angenommen hat, die Demonstranten würden ihr Demonstrationsrecht mißbrauchen.
Herr Kollege Kohl, der Justizminister Schwind von Niedersachsen ist ja wohl ein CDU-Minister, und er hat diese Zellen vorher bereitstellen lassen, 80 an der Zahl.
— Ich habe noch nie von einem liberalen Innenmininister so etwas gehört. Sie sollten auf Ihren Kollegen Albrecht einwirken, damit sich so etwas nicht wiederholt.Ich habe übrigens noch ihr Wort im Ohr, Herr Kollege Kohl, das Sie in der Debatte am 20. April 1977 gesagt haben, als es um die Frage der Verteidigerüberwachung ging: Es gelte, in diesen Dingen ohne Wenn und Aber schnell zur Tat zu schreiten. Genau das ist es, was Ihre Haltung prägt und was draußen und im Ausland auch von Ihren politischen Freunden nicht verstanden wird. Wir tragen das nicht mit. Denn es sät Mißtrauen. Ich meine, Sie haben bei dieser Identitätskrise einer Minderheit in diesem Staat Schuld auf sich geladen.
— Sie haben aber diesen Ausspruch getan. Genau diese Position, rasch und ohne Verzug zu handeln, ohne Überlegung, das ist die Position, die Sie in besonderer Weise kennzeichnet:
Eben diese Minderheiten auszuschließen, die an sich bereit sind, sich für diesen Staat einzusetzen, die aber nicht bereit sind, blindlings Einschränkungen der Freiheit hinzunehmen,
nur weil Sie gerade aus dem Augenblick den Beifall derjenigen bekommen möchten, die so gern von der starken Hand regiert werden möchten.
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Wir führen hier keinen Krieg gegen die Terroristen, Herr Kollege Erhard, sondern wir versuchen, diesen Staat unter Einsatz und Gewährleistung seiner Freiheitsrechte für die Bürger vor ihnen zu schützen, und dies, wie Sie sehen, mit Erfolg. Deswegen brauchen wir auch nicht den Einsatz der Bundeswehr, den Ihr Generalsekretär ja als eine mögliche Maßnahme vorgeschlagen hat.Wir werden auch die bereits erlassenen, die beschlossenen Gesetze laufend auf ihre Eignung und Effektivität überprüfen. Ich denke hier unter anderem an § 88 a und § 130 a StGB und an das Kontaktsperregesetz.
Wir werden uns immer wieder fragen, ob das, was wir beschlossen haben, auf Dauer nötig ist oder ob wir es nicht überprüfen und zeitlich befristet sehen müssen.Nun noch ein Wort zum Radikalenerlaß und zur Regelanfrage. Herr Spranger, Sie haben diese Themen in die Debatte eingeführt.
Die Abschaffung durch die Bundesregierung ist im Ausland einhellig begrüßt worden.
Wenn Sie einen Blick in die konservativen Zeitungen, die Ihnen nahestehen, werfen, werden Sie auch heute noch, ein paar Monate später, den Beifall über die Abschaffung der Regelanfrage durch die Bundesregierung sehr deutlich dem Text entnehmen können.Ich möchte in diesem Zusammenhang aus der Studie der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie über die psychischen Auswirkungen der Praxis des Extremistenbeschlusses zitieren. Es heißt dort:Die völlig unterschiedliche Handhabung des Radikalenerlasses behindert nicht nur die berufliche und private Existenz, sondern sie erzeugt auch ein Klima des Mißtrauens und der Unsicherheit unter den nicht Betroffenen.Herr Kollege Dregger, Sie haben die Position „Verfassungsschutz an den Schulen" angesprochen. Wenn ich recht informiert bin, hat seinerzeit der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Herr Lang, die Forderung, die Verfassungsschutzermittlungen auf die Schulen auszudehnen, erhoben. Wir Liberalen haben diese Forderung entschieden zurückgewiesen.Hat die Regelanfrage diesem Staat denn nun genützt? Ich meine, wir alle wissen: Nein, sie hat das Vertrauen zu diesem Staat zerstört und mehr Demokratiesubstanz gekostet als erhalten. Ich fordere von hier aus nochmals alle Länder auf, sich der Regelung der Bundesregierung anzuschließen.
Die freiheitssichernden Funktionen des freiheitlichen Rechtsstaats kann dieser gegenüber seinen Bürgern und mit seinen Bürgern aber nur erfüllen, wenn er glaubwürdig bleibt.Bundesinnenminister Baum hat zu Beginn seiner Amtszeit eine Politik der Offenheit versprochen. Er will die offene und die öffentliche Diskussion, und wir unterstützen ihn darin. Wir unterstützen ihn darin, daß im Blick auf Dateien und Computerpositionen, die den Bürger verunsichern, und im Blick auf Amtshilfe, die im Grundgesetz zwar verankert ist, bei der die Zuständigkeiten zwischen Polizei und Nachrichtendiensten aber nicht deutlich abgegrenzt sind, Transparenz und Klarheit geschaffen wird. Es müssen klare Vorschriften für das Sammeln, Verarbeiten, Weitergeben, Aufbewahren und Löschen von personenbezogenen Daten erarbeitet werden. Wir begrüßen die Bemühungen des Bundesinnenministers, daß er eine unabhängige Kommission eingesetzt hat, die in einem Gutachten eine Abgrenzung der Amtshilfe vornehmen soll. Nach Vorlage des Gutachtens soll in dieser Frage dann eine Entscheidung getroffen werden.Übrigens hat das EG-Parlament, Herr Spranger, ja mit den Stimmen der christlich-demokratischen Fraktion, also auch mit Ihrer Stimme, entschieden, daß eine Anmeldung und die Offenlegung aller Dateien im Sicherheitsbericht zu fordern ist. Wir begrüßen es ausdrücklich, daß der Bundesinnenminister hier eine Bestandsaufnahme vornimmt, um am Ende klare Kriterien in bezug auf Inhalt der Daten und Bedingungen ihrer Erhebung vorlegen zu können.
Orwells Vision vom großen Bruder, der alles weiß und alles steuert, wird nicht Wirklichkeit werden. Die durch die Verfassung verbürgten Rechte des einzelnen setzen der Macht des Staates unüberwindbare Schranken. Auch in sogenannten Grenzfällen darf sich der Staat nicht heimlich oder offen über die Rechte des Bürgers hinwegsetzen. Der Rechtsstaat bestätigt sich nach unserer Auffassung darin, daß die vermeintliche oder echte Staatsräson stets und ausschließlich an die Rechtsordnung gebunden ist. Nur unter strikter Beachtung dieser Grundsätze darf der Verfassungsschutz seine Aufgabe, nämlich das Sammeln von Information, gegenüber den Feinden unserer demokratischen Grundordnung erfüllen. Er ist aber nicht der Hüter der Verfassung. Mit gutem Grund hat der Verfassungsschutz auch keine polizeilich-exekutive Funktion erhalten. Er ist eingebunden in und angebunden an die Gesetze. Unter diesen Prämissen bejahen wir die Arbeit des Verfassungsschutzes voll.Die Liberalen unterstreichen das, was die Deutsche Bischofskonferenz am 10. April 1978 über die Ursachen des Terrorismus und die Voraussetzungen seiner Überwindung gesagt hat. Sie hat gesagt:Wir dürfen nicht nur von einem neuen Lebensstil sprechen, wir müssen ihn auch praktizieren. Zu diesem Lebensstil gehören ebenso Entschiedenheit, Klarheit, Mut wie Offenheit, Toleranz und Bereitschaft zur Verständigung und Vergebung.
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Wenn Sie diesen Weg gehen wollen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, müssen Sie noch ein wenig umdenken. Die letzten drei Positionen jedenfalls sind in Ihrem Antrag nicht zu erkennen.Der Mißbilligungsantrag der Opposition geht ins Leere. Es gibt keine inhaltliche Begründung für ihn, weder von der formalen noch von der tatsächlichen Seite her.Wir Liberalen fordern die Opposition auf, ihren Beitrag endlich zu leisten: durch Abbau der Überreaktionen des Staates, durch Offenlegung seiner Schutzmaßnahmen, durch die Bereitschaft, das Vertrauen derjenigen zurückzugewinnen, die sich dem Staat entfremdet haben. All dies tut der Bundesinnenminister in unserem Auftrag; er hat unser volles Vertrauen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU hat mich aufgefordert, der Arbeit des Bundesministers des Innern in Sachen innerer Sicherheit meine Unterstützung zu entziehen. Ich will Ihnen hierzu antworten und die Antwort so dann auch kurz begründen.Der Bundesminister des Innern hat mein Vertrauen.
Er verdient — wie auch alle anderen, die auf dem schwierigen Feld der inneren Sicherheit Verantwortung tragen — unser Vertrauen. Es ist nötig, daß dies durch uns alle und vor aller Öffentlichkeit deutlich gemacht wird und auch deutlich bleibt.Die Sicherheitsbehörden und die in ihnen tätigen Menschen können ihre wichtige und für sie selbst vielfach gefährliche, risikobeladene Arbeit nur dann erfolgreich leisten, wenn sie sich vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger unseres Staates und vom Vertrauen der politisch Verantwortlichen getragen wissen. Es kann Engagement im Dienste der Sicherheit unserer Bürger
in einer Atmosphäre des von der Opposition geschürten Mißtrauens nicht gedeihen.
Ich sage dies auch im Hinblick darauf, daß wir vor terroristischen Angriffen auch weiterhin nicht gefeit sind. Dafür, daß wir seit dem Herbst 1977 von terroristischen Gewalttaten in diesem Staat weitgehend verschont geblieben sind, schulden wir vor allem den Menschen in unseren Sicherheitsbehörden Dank
So wie es andere Abgeordnete der beiden Koalitionsfraktionen ausgeführt haben, wollen wir — wir müssen es ja auch — die auf dem Felde derinneren Sicherheit zu leistende Arbeit von Zeit zu Zeit gewiß einer kritischen Prüfung unterziehen, um sie an veränderte Herausforderungen, um sie den in der Zwischenzeit gemachten Erfahrungen anzupassen, um sie schlechthin zu verbessern. Aber dazu braucht man nicht aufgeregte oder auf die Erzielung von Aufregung gerichtete, bloß fälschlich so genannte Kritik, ob von rechts oder von links, ob innerhalb des Parlaments oder außerhalb. Natürlich müssen wir unsachlich überspitzte Kritik — auch öffentliche, auch parlamentarische Kritik, die unsachlich überspitzt ist — ertragen; das können wir auch.Was aber zur kritischen Betrachtung wirklich notwendig ist, das sind die Fähigkeit und der Wille zu nüchterner Abwägung von Argumenten und Erfahrungen. Dies gilt übrigens nicht nur für Politiker, nicht nur für die Verfasser des uns vorliegenden Mißbilligungsantrages und für den Herrn Abgeordneten Dregger, sondern auch für die Medien und diejenigen, die in ihnen schreiben oder sprechen,
und — ich sage noch einmal —: ob rechts oder links.Die deutschen Sicherheitsbehörden leisten erfolgreiche Arbeit. Sie haben gerade in den letzten Tagen sowohl bei der Bekämpfung des Terrorismus als auch bei der Abwehr von Spionage erneut eindrucksvolle Erfolge erzielt.Übrigens wird die erfolgreiche Arbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern insbesondere auch deutlich an einigen Details der kürzlich vorgelegten Kriminalstatistik für das letzte Jahr. Die Gewaltkriminalität hat nicht mehr zugenommen; sie hat, was Mord angeht, sogar erkennbar abgenommen. Insgesamt macht die Kriminalstatistik deutlich, daß gegenwärtig bei der Abwehr von Gefahren für die innere Sicherheit kein Anlaß zu übertreibender Beunruhigung besteht.Ich möchte an dieser Stelle ausführen, daß ich es für eine der größten Leistungen halte, die unser Volk in den letzten Jahren vollbracht hat, daß wir im Angesicht empörender, tief beunruhigender terroristischer Gewaltverbrechen einer Reihe von Versuchungen widerstanden haben.
Wir haben insbesondere der deutlich gespürten Versuchung zu Überreaktionen von staatlicher Seite widerstanden, sei es durch die Bundesregierung, sei es durch die Polizeien, sei es durch die Verwaltungen, sei es durch den Gesetzgeber. Wir haben dieser Versuchung zur Überreaktion widerstanden.
— Ja, sicherlich! Deswegen haben wir gleichwohl nicht überreagiert, Herr Kollege Spranger, was ganz gewiß der Fall gewesen wäre, wenn wir Ihr en Ratschlägen gefolgt wären.
Ich will noch mit einem anderen Wort deutlich machen, was ich meine. Die — bei gleichzeitiger äußerster Energie- und Nervenanstrengung, bei äußerster Anstrengung unserer Vernunft — Bewah-
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Bundeskanzler Schmidtrung von Augenmaß und Gelassenheit halte ich für ein wichtiges Reifezeugnis.Wir haben zweitens ebenso der Versuchung zum Aktionismus widerstanden, das heißt, der Versuchung, vielerlei Dinge zu tun, nur damit irgend etwas geschieht, damit der Anschein erweckt würde — der Anschein! —, nicht aber eine realistische Aussicht auf späteren Erfolg eröffnet würde.Schließlich hat unser Volk auch der Versuchung widerstanden, sich von aufgeregten Geistern — und auch von der Opposition — in eine Haltung der permanenten Beunruhigung und Nervosität hineintreiben zu lassen.Sie, Herr Abgeordneter Dregger, haben persönlich mehrfach und nachhaltig solche Beunruhigung zu verbreiten oder zu schüren versucht. Ich kann Ihre Motive verstehen, aber ich kann sie nicht billigen.
Ob Opposition oder Koalition, ob Regierung oder Parlament — wir alle haben in diesen Dingen einen Zwiespalt auszuhalten und auszutragen, der sich ergibt oder ergeben kann auf der einen Seite aus der Sorge um die Sicherheit unseres Staates und seiner Bürger insgesamt und auf der anderen Seite aus dem Willen, die Freiheitsrechte der einzelnen Person ungeschmälert zu wahren. Es kann nicht der absolute Vorrang immer einem der beiden Ziele von vornherein eingeräumt werden.Um es mit anderen Worten zu wiederholen: Schutz, Sicherheit um jeden Preis, um jeden Preis des Verlustes an Liberalität wäre ebensowenig vernünftig wie Liberalität um jeden Preis, um jeden Preis, der zu Lasten der Sicherheit zu zahlen wäre. Die Lösung dieses prinzipiellen Ziel- oder Wertekonflikts kann vielmehr immer nur in jedem konkreten Einzelfall nach Prüfung der Argumente, Tatsachen und Erfahrungen geschehen. Solche konkrete Prüfung ist in jedem Rechtsstaat der Welt eine immer wiederkehrende Aufgabe, eine sich immer neu, aber immer anders stellende Aufgabe, die nicht von vornherein, Herr Abgeordneter Dregger, nur zugunsten der Sicherheit beantwortet werden kann, genausowenig wie sie von vornherein ausschließlich zugunsten der Liberalität beantwortet werden könnte. Dieser sich immer neu stellenden Aufgabe unterzieht sich die Bundesregierung insgesamt
in ihrer täglichen und allwöchentlichen Arbeit, dieser Aufgabe unterzieht sich insbesondere der Bundesminister des Innern, Herr Kollege Baum.Und weil das so ist, deswegen bittet die Bundesregierung den Bundestag, den vorliegenden Antrag abzulehnen.
Ich glaube auch nicht, daß uns dergleichen parlamentstaktische, auf Öffentlichkeitswirkung abzielende Anträge in unserer Aufgabe wirklich helfen.
Ich glaube auch nicht, daß es irgend jemandem inDeutschland nützt, wenn die Opposition in ihremschriftlich vorliegenden Antrag die Behauptung aufstellt, die Einrichtungen unseres Staates zur Selbstverteidigung seien geschwächt worden. In Wirklichkeit ist das Gegenteil wahr.
Das Gegenteil ist wahr: Diese Einrichtungen sind gestärkt worden. Sie werden weiterhin ausgebaut werden. Was man dazu braucht, sind Vernunft und Augenmaß, übrigens auch Stetigkeit und Vertrauen in die Menschen, denen man diesen Auftrag gegeben hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jentsch.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Minister des Innern, Herr Bundeskanzler, sollte nicht nur Ihr Vertrauen, sondern in seiner Eigenschaft als Chef der Sicherheitsorgane des Bundes, so meine ich, das Vertrauen der gesamten Bevölkerung genießen.
Auch wenn Sie heute noch so nachdrücklich Minister Baum das Vertrauen aussprechen, können Sie nicht wegdiskutieren, daß am Ende des ersten Amtsjahres dieses Ministers eine schwere Vertrauenskrise der Sicherheitsorgane und in die Sicherheitsorgane unseres Staates steht.
Und ich möchte Sie, Herr Bundeskanzler bitten, wie es andere Abgeordnete dieses Hauses getan haben, den Weg zum Bundesgrenzschutz, den Weg zum Bundeskriminalamt zu nehmen, um dort zu erfahren, wie groß das Ausmaß an Verunsicherung ist. Es kann doch nicht hinwegdiskutiert werden, daß der Personalrat des Bundeskriminalamtes in einem Schreiben vom 7. Mai an Minister Baum erklärte, die Berichterstattung über das Bundeskriminalamt, die durch gezielte Indiskretionen ausgelöst worden sei, habe bei den dort Beschäftigten zu erheblicher Verunsicherung geführt.
Es kann doch nicht wegdiskutiert werden, daß wenige Tage vorher der Präsident des Bundeskriminalamts um seine Ablösung nachgesucht hatte. Es kann doch auch nicht wegdiskutiert werden, daß ähnliche Anzeichen der Resignation vom Bundesgrenzschutz bekannt sind.Ich meine, das kann niemanden verwundern, der die Vorwürfe und Verleumdungen mitgehört und mitgelesen hat, denen Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz seit Wochen ausgesetzt sind. Dabei haben wir sicher noch alle in Erinnerung, wie die Grenzschützer als Helden von Mogadischu gefeiert wurden und Sie, Herr Bundeskanzler und Herr Innenminister, sich im Ruhme dieser mutigen Männer gesonnt haben.
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Dr. Jentsch
Auch jetzt rühmen Sie — Herr Innenminister, Sie haben das hier zitiert — im Vorwort zum Tätigkeitsbericht 1978 des Bundesgrenzschutzes, daß durch die Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs verstärkt Personen aufgegriffen wurden, die schwerer Straftaten verdächtigt waren.In diesem Bericht selbst heißt es, daß etwa 60 % der Fahndungsaufgriffe im Bundesgebiet an der Grenze erfolgen. Dies — so der Bericht — zeige die Bedeutung des Grenzschutzeinzeldienstes, und Sie haben das heute unterstrichen. Plötzlich ist aber dieser Bundesgrenzschutz — und das ist es doch, was irritiert — eine Außenstelle der Geheimdienste, und Sie, Herr Innenminister, weisen diesen Vorwurf nicht zurück, sondern erklären, Sie würden das stoppen.
Plötzlich sind für Sie, Herr Minister Baum, jahrzehntelang Praktiken entwickelt worden, die jetzt ein Ausmaß erreicht hätten, das dringend überprüft werden müsse. Und dies alles verlautbaren und verkünden Sie gegenüber einer Presse, die den Bundesgrenzschutz als „Sonderpolizei", als „Bürgerkriegsarmee" und als „Polizei zum Fürchten" diffamiert.Nicht anders ist die Situation beim Bundeskriminalamt. Herr Kollege Dregger hat darauf hingewiesen: Zwei Wochen nach Ihrer Ernennung haben Sie das Bundeskriminalamt besucht, darauf hingewiesen und sich begeistert gezeigt, wie hoch die technischen Möglichkeiten für die Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung sind. Heute wird das Bundeskriminalamt in der Öffentlichkeit als eine Einrichtung diffamiert, die Millionen harmloser Bürger für nahezu unbegrenzte Zeit mit ihren persönlichsten Daten speichere und die unzulässigerweise eine Million Akten unterhalte, die vernichtet werden müßten.
Und einen hohen Ministerialbeamten — so kann man lesen — erinnert die Arbeitsweise des Bundeskriminalamts — und jetzt das Zitat — gar an „Hitlers Gestapo".
Meine Damen und Herren, der Schaden, der durch diese Kampagne gegen das Bundeskriminalamt und den Bundesgrenzschutz angerichtet wurde — hierum geht es heute ganz wesentlich —, ist unermeßlich.
Das Vertrauen in unsere Sicherheitsorgane ist durch diese Kampagne in weiten Kreisen der Bevölkerung untergraben. Die Angehörigen des Bundeskriminalamtes und des Bundesgrenzschutzes sind demoralisiert.
Die von allen Seiten für so notwendig angeseheneKonsolidierungsphase des BKA ist abrupt unterbrochen. — Herr Kollege Schäfer, das ist kein Unsinn.
Ich glaube, ich war von uns beiden der letzte, der beim Bundeskriminalamt und beim Bundesgrenzschutz war. Deshalb kann ich das vielleicht besser als Sie beurteilen.
Meine Damen und Herren, ich möchte unterstellen, daß auch Minister Baum
heute — vielleicht akzeptieren Sie dieses Unterstellen — irritiert vor dem Scherbenhaufen steht, der angerichtet worden ist.
Nur so sind seine schon fast hektischen Versuche verständlich, mit einer Art Krisenmanagement das Allerschlimmste abzuwenden. Herr Kollege Dregger und Herr Kollege Spranger haben auf die Krisensitzungen mit den Dienstleitern hingewiesen.Alle diese Rettungsversuche und Anzeichen später Reue vermögen aber nicht darüber hinwegzutäuschen, daß Sie, Herr Minister Baum, es zu verantworten haben, daß heute Tausende von Polizeibeamten im Bundeskriminalamt und im Bundesgrenzschutz als Spitzel, als Schnüffler und als Rechtsbrecher diffamiert werden. So ist es auch in einer bestimmten Presse zu lesen. Dies widerfährt Beamten, obwohl sie nur das tun und gesagt haben, was der Minister und seine Vorgänger angeordnet und in jeder Einzelheit gekannt haben.Weder Minister Baum noch seine Mitarbeiter konnten dem Innenausschuß — Herr Kollege Wernitz hat das, glaube ich, wenn ich ihn recht verstanden habe, bestätigt — auch nur eine einzige Datei oder Kartei im BKA benennen, von deren Einrichtung, Ausgestaltung und Handhabung das Innenministerium nicht informiert gewesen wäre. So steht auch fest, daß die heute so in Zweifel gezogene Amtshilfepraxis des Bundesgrenzschutzes — viele Redner der Koalition haben heute darauf wieder hingewiesen — fast genau auf den Tag vor einem Jahr von Minister Maihofer als Rechtens bezeichnet worden ist. Ich zitiere aus der Sitzung:Das in der Sonderanweisung geregelte Amtsilfeverfahren — das ist unser juristisches Votum — zwischen BGS einerseits und BfV und BND andererseits entspricht damit der vorstehend dargestellten Rechtslage.
So Minister Maihofer vor gerade einem Jahr.Meine Damen und Herren, wie konnte es geschehen, daß das Ergebnis von einem Jahr Amtstätigkeit dieses Ministers eine so schwere Vertrauenskrise der Sicherheitsorgane unseres Staates ist? Minister Baum hat vom ersten Tag seiner Amtszeit an das Schicksal seines Vorgängers vor Augen gehabt. Minister Maihofer mußte gehen, weil ihm seine politischen Freunde vorwarfen, die Interessen der Sicherheitsbehörden über diejenigen der Bürger gestellt zu haben. Herr Baum wollte von der ersten Stunde seiner Amtszeit an ängstlich nachweisen, daß ihm die Freiheit des einzelnen über alles gehe. Die-
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Dr. Jentsch
sen Nachweis glaubte er über das große Aufräumen bei den Sicherheitsbehörden erbringen zu können.Dies war der politische Preis für seine Unterstützung bei seiner Klientel in FDP und SPD.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, vielleicht sind Sie bereit, auf diesen Unterschied, auf diese Nuancierung zu achten: So war es Herrn Minister Baum nicht etwa wichtig, daß etwas geschah; entscheidend für den Minister war, lauthals von Anbeginn zu verkünden, daß etwas geschehen werde, wovon er sich Sympathie bei seinen Freunden verspricht. Also wurde nicht sorgfältig das Amtshilfeverfahren des Bundesgrenzschutzes überprüft und gegebenenfalls verändert — darüber kann man -ja reden, darüber kann man ja diskutieren, ob hier einiges geändert und verbessert werden kann —; nein, erst wurde durch Erklärung des Ministers der Boden geschaffen, auf dem die öffentliche Diffamierung des bisherigen Amtshilfeverfahrens als „Schnüffelverfahren" möglich wurde.
Denn allein die Ankündigung von Änderungen indiesem Bereich verschaffte dem Minister Sympathieund Anerkennung bei den Kreisen, auf die es ihm ankommt. „Der Mann, der aufräumt", wie es der „stern" geschrieben hat.Dabei ist es völlig unbedeutend für Minister Baum, daß eine entscheidende Neuregelung des Amtshilfeverfahrens bis zur Stunde noch aussteht, weil sie noch ausgebrütet werden muß. Aber die Diffamierung des bisherigen Amtshilfeverfahrens, angeordnet von dieser Regierung und dem Vorgänger, von Minister Maihofer, ist vorhanden. Dafür ist der Boden bereitet worden. Dafür konnte Minister Baum bei bestimmten Kreisen seine Sympathielorbeeren ernten; darum ging es ihm.Ich darf zum Bundeskriminalamt kommen. Zu demselben Zweck wurde ein erster Prüfbericht über die Dateien und Karteien des Bundeskriminalamts zuerst einmal der Presse zugespielt. Dieser Prüfbericht wurde der Sache zwar nicht gerecht, denn er war von Nichtfachleuten im Hause des Ministers Baum erstellt worden;
er reichte aber aus und war geradezu geeignet, dasBundeskriminalamt als Einrichtung zu diffamieren,die die Daten Millionen harmloser Bürger speichert.Die Ankündigung, hier „aufzuräumen", brachte dem Minister nicht nur im „stern", sondern bei seiner ganzen Klientel Pluspunkte ein. Eben darauf kam es ihm an und nicht auf die Änderung in der Sache. Da war es völlig unbedeutend, daß dieser Prüfbericht anschließend an wichtigen Stellen geändert werden mußte, nachdem ihn endlich der Präsident des Bundeskriminalamtes hatte lesen dürfen und dabei Unrichtigkeiten und mißverständliche Formulierungen festgestellt hatte. Da war es auch völlig überflüssig, dem der Presse zugespielten Bericht Erläuterungen über die Notwendigkeiten polizeilicher Informationsverarbeitung beizugeben. Dashätte ja — wie der Präsident des Bundeskriminalamtes zutreffend bemerkte — abträgliche Fehldeutungen vermeiden können.Da war es auch nicht wichtig, dem Datenschutzbeauftragten zunächst einmal Gelegenheit zu geben — Sie haben den Datenschutz ja angesprochen —, sich mit dem Bundeskriminalamt auseinanderzusetzen. Nein, das schnelle, voreilige, ohne Rücksichten auf die Notwendigkeiten polizeilicher Arbeit veröffentlichte Urteil des Datenschutzbeauftragten war für den Minister erforderlich, um die gewünschte öffentliche Meinungsbildung zu erzielen, die ihn auch heute wieder als einen Mann hinstellt, der aufräumt, der dem Datenschutz den Durchbruch verschafft; während es jetzt natürlich niemanden interessiert, daß der Datenschutzbeauftragte sein Urteil in der letzten Sitzung des Innenausschusses wesentlich revidieren mußte.
Dieser Minister sucht seinen politischen Erfolg darin, daß er vortäuscht, entschieden für die Sicherung der Freiheitssphäre des Bürgers zu arbeiten. In der Wirklichkeit seiner Amtsführung bewirkt er aber genau das Gegenteil. Es kann auch gar nicht anders sein, weil er einmal unter einem politischen Profilierungszwang steht, dem er die Sache unterordnet, und weil er weiterhin einer völlig falschen — darüber ist heute mehrfach diskutiert worden — Verfassungsinterpretation anhängt.
— Frau Präsidentin, ich hatte 20 Minuten Redezeit beantragt.
Ihre Fraktion hatte keine Verlängerung der Redezeit beantragt. Aber wenn Ihre Fraktion eine solche beantragt, wird sie selbstverständlich gewährt. — Sie mögen fortfahren. Die anderen Kollegen bitte ich, sich zu setzen und eventuell erforderliche Gespräche außerhalb des Saales zu führen.
Ich bedanke mich, Frau Präsidentin.Ich hatte gesagt, daß das kein Wunder sei; denn Minister Baum hänge hier einer falschen Verfassungsinterpretation an. Ich möchte sein Verfassungsverständnis, da es auf den schmalen Grat, den Herr Kollege Dr. Dregger skizziert hatte, ja ankommt, in Anlehnung an Professor Buchheim als partiell-antiinstitutionell bezeichnen. Dieser Minister redet der Stärkung des Staates dort das Wort, wo mündige Bürger ihr Leben ohne staatliche Bevormundung und Einmischung besser selbst gestalten könnten. Unter dieser Regierung, unter diesem Innenminister gibt es so viel Bürokratie wie noch nie in unserem Lande.
Die Wohlfahrtsstaatstendenzen und die sich immer stärker ausbreitenden Maßnahmen staatlicher Daseinsvorsorge in der Politik nicht nur der Sozialdemokraten, sondern gerade des Flügels der FDP,
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Dr. Jentsch
den Minister Baum repräsentiert, offenbaren diese Einstellung. Dort mehr Staat, dort starker Staat, wo er nicht notwendig ist. Aber damit korrespondiert eine Beschneidung der Staatsgewalt dort, wo diese die Freiheit der Bürger sichert und garantiert. Herr Dregger zeichnete das Bild von der Gratwanderung zwischen Freiheit und innerer Sicherheit. Sie, Herr Minister, pflegen und vertiefen künstlich den Gegensatz zwischen Freiheit und Sicherheit, wo es doch nicht das eine oder das andere geben kann.Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat mit Recht festgestellt: Nur ein starker Staat kann ein liberaler Staat sein. Und Karl Popper warnt davor, auch alle die, die intolerant sind, zu tolerieren; denn sonst vernichtet man nicht nur sich selbst, sondern auch die Toleranz.
Deshalb gilt: Die Freiheit, die Toleranz bedarf des Schutzes. Zwar kann der Staat, kann die Staatsgewalt die Bereitschaft der Bürger zur Freiheit, zur Toleranz nicht ersetzen — niemals! —, er hat sie aber zu sichern und zu ermöglichen. Diese gemeinsamen Vorkehrungen zum Schutze der Freiheit sind keine Begrenzungen der Freiheit. Nein, sie sind ein notwendiges konstitutives Element dieser Freiheit. Dabei ist die perfekte innere Sicherheit eine Wahnidee. Darin gebe ich Hans Magnus Enzensberger recht. Genauso falsch ist aber auch die Wahnidee von der uneingeschränkten Freiheit, von der uneingeschränkten Entfaltung der Person.Herr Minister Baum, Sie sprechen häufig von Verhältnismäßigkeit. Wenn es so wäre, daß dies alles nur ein Problem der angemessenen Anwendung der Möglichkeiten des Staates ist, dann brauchten wir hier gar nicht lange zu streiten. Dann wäre wahrscheinlich auch ein erheblich breiteres Maß an Zusammenarbeitsmöglichkeiten zwischen Regierung und Opposition gegeben. Ein Politiker wird aber nicht nach seiner womöglich guten Absicht gewogen, sondern nach der Wirkung seiner Worte und Taten.Die Offentlichkeit, die Angehörigen der Sicherheitsorgane haben Sie so verstanden — weil Sie es so sagten —, daß unter Ihrer Regierung, unter Ihrer Ministerschaft nun das große Aufräumen, der Abbau von Sicherheit beginnt. Deshalb haben Sie der Freiheit unserer Bürger schweren Schaden zugefügt,
indem Sie die Sicherheitsorgane in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt haben. Ein Politiker aber, der — ob gewollt oder nicht gewollt, jedenfalls im Ergebnis seines Tuns — gegen die Freiheit handelt, kann nicht länger Innenminister dieses Landes sein.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/2855, Sicherung des inneren Friedens. Es ist namentliche Abstimmung beantragt; der Antrag ist hinreichend unterstützt.Ich bitte mit der namentlichen Abstimmung zu beginnen. —Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, daß nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung über das Beitreibungsgesetz-EG abgestimmt wird. Dieses bedarf der Zustimmung von mindestens 249 Abgeordneten. Wir können eine Auszählung vermeiden, wenn so viele Kollegen im Saale sind, daß die beiden Schriftführer erkennen können, ob die erforderliche Zahl von zustimmenden Abgeordneten vorhanden ist. Anderenfalls müßten wir auszählen. Ich bitte daher, in der Nähe zu bleiben.Sind noch Abgeordnete im Saal, die ihre Stimme nicht abgegeben haben, sie aber abgeben möchten? — Ich schließe die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.Bevor ich das Ergebnis der Abstimmung bekanntgebe, möchte ich das Haus davon informieren, daß 49 Abgeordnete entschuldigt sind und deshalb an der Abstimmung nicht haben teilnehmen können. Wegen europäischer Verpflichtungen sind 37 Abgeordnete entschuldigt. Davon haben 28 Kollegen Pairing vereinbart. Wegen Krankheit oder sonstiger Verpflichtungen fehlen 12 Abgeordnete.Abgegebene Stimmen: 443. Ungültig: keine. Mit Ja haben 213 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 229 Abgeordnete. Es gab eine Enthaltung.ErgebnisAbgegebene Stimmen 424 und 19 Berliner Abgeordnete; davonja: 204 und 9 Berliner Abgeordnete,nein: 219 und 10 Berliner Abgeordnete, enthalten: 1JaCDU/CSUDr. AbeleinDr. AignerDr. Althammer Dr. ArnoldBayhaDr. Becher
Dr. Becker BenzBerger Berger (Lahnstein) BiecheleDr. Biedenkopf BiehleDr. BlümDr. BötschBraunBreidbachBrollBühler BurgerCarstens Conrad (Riegelsberg) DammDawekeDr. Dollinger Dr. DreggerDreyerEngelsbergerErhard ErnestiEyEymer
FeinendegenFrau FischerFrancke
FrankeDr. FriedmannDr. Früh Dr. Fuchs GeisenhoferDr. von GeldernDr. George Gerlach
Gerstein Gerster
Gierenstein GlosHaase
HaberlDr. Häfele Dr. HammansHanz
Hauser
Helmrich Dr. Hennigvon der Heydt Freiherrvon MassenbachHöffkesDr. HoffackerFrau Hoffmann
Dr. HornhuesHorstmeier
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12784 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Vizepräsident Frau FunckeDr. HubrigFrau HürlandDr. HüschDr. HupkaGraf HuynDr. JaegerJäger
Dr. Jahn Dr. Jahn (Münster)Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJostenFrau KarwatzkiKatzer Kiechle Dr. Klein
Klein
KlinkerDr. Köhler KösterDr. KohlKolbKrampe Dr. KraskeKrausDr. KreileKreyKroll-SchlüterFrau Krone-AppuhnDr. Kunz LagershausenLampersbachLandréDr. LangguthDr. LangnerDr. LaufsDr. Lenz
LinkLintner Löher Dr. LudaDr. MarxDr. Mertes MetzDr. Meyer zu BentrupDr. MikatDr. MiltnerMilzDr. MöllerDr. NarjesNeuhausFrau Dr. NeumeisterNiegel NordlohneFrau PackPetersenPfeifer Picard Pieroth Dr. PingerPohlmannPrangenbergDr. ProbstRainer RaweRegenspurgerDr. ReimersDr. Riedl
Dr. RiesenhuberDr. Ritz Röhner Dr. Rose RüheSauer
Sauter
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-HohensteinDr. SchäubleSchartz
Schedl SchetterFrau SchleicherSchmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderDr. Schröder Schröder (Luneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Dr. Schulte
Schwarz
Dr. SchwörerSeitersSickSpranger Dr. SprungStahlbergDr. Stark
Graf StauffenbergDr. StavenhagenDr. SterckenStommel Stücklen StutzerSussetde Terra Tillmann Dr. TodenhöferFrau TüblerDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Voigt
Volmer Dr. Voss Dr. WaffenschmidtDr. WaigelDr. von Wartenberg WawrzikWeber Weiskirch (Olpe)Dr. von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWimmer
Windelen
Wissebach WissmannDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. Wulff Dr. Zeitel ZieglerDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Dr. GradlKittelmann Kunz Müller (Berlin)Frau Pieser Straßmeir WohlrabeNeinSPDAhlersAmlingDr. Apel AugsteinBaack BahrDr. BardensBatzBecker BiermannBindig BrandtBrandt BrückBuchstallerBüchler
Dr. von BülowBuschfortDr. BußmannCollet ConradiCoppikDr. CorterierCurdtFrau Dr. CzempielFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. Ehrenberg EickmeyerFrau Eilers Dr. EmmerlichEngholmEsters Ewen Fiebig Dr. FischerFlämigFrau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl
GertzenGlombigGobrechtGrobeckerGrunenbergGscheidleDr. HaackHaarHaase
HaehserHansenFrail Dr. Hartenstein HauckDr. HauffHenke Heyenn Hofmann
Dr. HoltzHornFrau HuberHuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. JensJunghansJungmannJunker Kaffka KirschnerKlein
Konrad Kratz KretkowskiDr. Kreutzmann KrockertKühbacherKuhlweinLambinusLattmannDr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtke Dr. Linde LutzMahne MarquardtMarschallMatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzel MöhringMüller Müller (Nordenham) Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Neumann (Stelle)Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaterna PawelczykPeiterDr. PennerPensky PeterPolkehn Porzner Rapp
Rappe
Frau Renger ReuschenbachRohdeRosenthal RothSander SaxowskiDr. Schachtschabel Schäfer
Dr. Schäfer SchirmerSchlaga SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. SperlingDr. SpöriStahl
Dr. StegerFrau Steinhauer StocklebenStöcklSybertz Thüsing Frau Dr. TimmTönjesTopmann Frau TraupeUeberhorstUrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt Walkhoff WaltematheWaltherDr. Weber WehnerWeisskirchen
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12785
Vizepräsident Frau Funcke WendtDr. WernitzWestphalWiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer Zander ZeitlerBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich
Dr. DübberEgertLöfflerManning MattickSchulze SieglerschmidtFDPAngermeyer BaumCronenberg Eimer EngelhardFrau FunckeGärtnerGallusGattermann GenscherFrau Dr. Hamm-Brücher HölscherHoffieJungKleinertDr.-Ing. Laermann LudewigDr. Dr. h. c. Maihofer Frau Matthäus-Maier MerkerMischnick Möllemann PaintnerSchäfer Schmidt (Kempten).von Schoeler Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. Wendig Wolfgramm WurbsDr. Zumpfort ZywietzBerliner Abgeordnete HoppeEnthaltenfraktionslos Dr. GruhlDamit ist der Antrag abgelehnt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15. März 1976 — 76/308/EWG — Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 73/18 vom 19. März 1976 — über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems der Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen (Beitreibungsgesetz-EG — BeitrGEG)— Drucksache 8/1715 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 8/2866Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird nicht begehrt.Wir kommen damit zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Lesung. Wer den §§ 1 bis 10, Einleitung und Überschrift die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Wir treten in diedritte Beratungein. Das Wort wird nicht gewünscht.Nach Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes ist für die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs die Zustimmung von 249 Abgeordneten dieses Hauses erforderlich. Werden bei der derzeitigen Besetzung dieses Hauses Bedenken dagegen geltend gemacht, es bei einer Abstimmung ohne Auszählung bewenden zu lassen? — Das ist nicht der Fall.Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, das Präsidium ist der Meinung, daß die Anwesenheit sicherstellt, daß für diesen Gesetzentwurf mindestens 249 Stimmen abgegeben sind. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der von der Bundesregierung übersandten Untersuchung von Bundesminister a. D. Rechtsanwalt Hermann Höcherlin Verbindung mit derStellungnahme der Bundesregierung zu den Vorschlägen in Teil II des von Bundesminister a. D. Hermann Höcherl erstatteten Berichts— Drucksachen 8/1881, 8/1923, 8/2889 — Berichterstatter:Abgeordnete Spranger, PenskyWird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.In der Aussprache hat der Abgeordnete Spranger das Wort.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Bundesministers a. D. Hermann Höcherl vom 7. Juni 1978 besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil befaßt sich Herr Höcherl ausführlich mit der Analyse und der Darstellung der Fehler und Versäumnisse der vor und während der Fahndung nach den Entführern und Mördern von Hanns Martin Schleyer und dessen Sicherheitsbeamten dafür politisch und fachlich Verantwortlichen. Im zweiten Teil unterbreitet Herr Höcherl dann eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeit der Sicherheitsorgane, vor allen Dingen im Bereich des Bundesministers des Innern.Die Bundesregierung hat zwar in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 23. März 1979 eine Reihe dieser Verbesserungsvorschläge übernommen. Wir 'begrüßen es, daß der Höcherl-Bericht inso-
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12786 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Sprangerfern die Einsicht in die Notwendigkeit der Verbesserung der Arbeit der Sicherheitsbehörden hat wachsen und zum Teil auch in die Tat hat umsetzen lassen. Dies ist gleichzeitig auch die beste Anerkennung für die Arbeit, die Herr Höcherl hier geleistet hat und die zu Recht in allen Fraktionen wiederholt Anerkennung gefunden hat.Wir müssen es jedoch bedauern, daß für die Bundesregierung der Teil I des Höcherl-Berichtes offensichtlich nicht zu existieren scheint. Wir meinen, es hätte der Bundesregierung gut angestanden, wenn sie sich in ihrer Stellungnahme auch dazu geäußert hätte, statt durch Schweigen so zu tun, als sei dieser Teil I gar nicht vorhanden. Sogar die Koalitionsparteien haben ja in ihrer Beschlußempfehlung vom 21. Mai nicht nur eine große Zahl von Anregungen und Vorschlägen für eine Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit und Arbeit ausdrücklich begrüßt. Sie haben im Gegensatz zu früheren Einlassungen in ihrer Beschlußempfehlung auch auf die Mängel und Schwachstellen bei den Organen der Sicherheitsbehörden hingewiesen. Wir bedauern, daß die Bundesregierung sich nicht mit einem Satz dazu geäußert hat.Aber auch die Beschlußempfehlung der Koalitionsmehrheit im Innenausschuß wird den Analysen und der klaren Bewertung von Teil I des HöcherlBerichts nicht gerecht. Es wird von verborgenen Mängeln und Schwachstellen gesprochen, die dieser Bericht aufzeige. Damit werden pauschal den Organen der inneren Sicherheit solche Mängel und Schwachstellen bestätigt. Das ist eine Bewertung, die mit Sicherheit nicht die Wirklichkeit trifft. Für die schwerwiegenden Versäumnisse und Mängel, die Hermann Höcherl aufgezeigt hat und auf die auch die CDU/CSU immer hingewiesen hat, waren eben vor allem die nordrhein-westfälische Landesregierung und die Bundesregierung verantwortlich.Es waren auch keine verborgenen Mängel. Nicht nur deshalb, weil die CDU/CSU schon frühzeitig auf diese Mängel aufmerksam gemacht hat und sie deswegen erkennbar waren; sie waren deshalb nicht verborgen, weil unmittelbar nach der Entführung von Hanns Martin Schleyer eine neue Organisation aus dem Boden gestampft wurde. Damit ist deutlich gemacht, daß es lediglich an der rechtzeitigen Bereitschaft, sich auf die terroristischen Bedrohungen einzustellen, gefehlt hat, einfach deswegen, weil man dies aus politischen Gründen nicht wollte.Es ist ein umfassender Katalog mit insgesamt 25 Punkten, in den Hermann Höcherl seine Kritik kleidet, angefangen von der fehlerhaften Kompetenzverteilung zwischen zentraler Einsatzleitung und der SoKo 77 Köln, die neuartig und nicht klar durchschaubar war, über die Kritik an den politischen Beratungs- und Entscheidungsgremien, die in die fachlichen Gremien mit hineinwirkten und auf fachliche Einzelentscheidungen einwirkten. Ferner gibt es zusätzliche Kritik an der nicht hinreichenden Information über die Aufgaben und Zuständigkeitsabgrenzungen in diesen einzelnen Gremien, Uninformiertheit bei der Polizei und der Basis. Schließlich erwähnt er unter anderem auch die Tatsache, daß die SoKo 77 in Köln zu spät einsatzfähig war. Es zeigte sich eben, daß unsere Kritik damals mit der Darlegung, daß hier grundsätzliche Führungsfehler in der Spitze, eine unzureichende Vorbereitung der Sicherheitsorgane, keine Vorplanung, keine durchschaubaren Melde- und Führungsstrukturen für die Polizei und fehlende oder unzureichende und unklare Informationsstränge zu beklagen seien, durch den Höcherl-Bericht mit bestätigt wurde. Wir meinen, daß viele bittere Erfahrungen hätten vermieden werden können, wenn die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien damals rechtzeitig unserer Kritik entsprochen und unsere Forderungen und Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit der Sicherheitsbehörden aufgegriffen hätten. Es ist zu bedauern, daß die Bundesregierung ihrerseits bis zum Höcherl-Bericht offenkundig nicht in der Lage war, ein funktionierendes sicherheitspolitisches und sicherheitsorganisatorisches Konzept vorzulegen und in die Tat umzusetzen.Die CDU/CSU hat hingegen schon im November 1977 die Verbesserung der Führungsstruktur im Bereich des Bundes gefordert. In unserem Antrag vom 2, Juni 1978, der heute ebenfalls hier beraten wird, wiesen wir auf das Fehlen dieser funktionierenden Führungsorganisation der Sicherheitsorgane des Bundes hin. Im Rahmen des Entfühlungsfalles Schleyer hat sich ja gezeigt, daß diese Führungsorganisation nicht vorhanden war und daß man in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine zentrale Einsatzleitung schaffen mußte, deren Zuständigkeit, Funktion, Arbeitsweise, Gliederung und Leistungsfähigkeit völlig unklar war. Dieser Fremdkörper innerhalb der polizeilichen Führungshierarchie konnte, wie sich leider erwiesen hat, nicht funktionieren.Der Höcherl-Bericht hat überhaupt eine breite Bestätigung der Sicherheitspolitik der CDU/CSU in den vergangenen Jahren gebracht. Wir haben uns z. B. immer wieder mit Entschiedenheit gegen Bestrebungen gewehrt, die Ermittlungenszuständigkeiten beim Bundeskriminalamt zu Lasten der Länder auszudehnen, sozusagen ein Bundes-FBI zu schaffen. Vor der Veröffentlichung des Höcherl-Berichts hat man uns immer vorgeworfen, unser Bemühen um Erhaltung der effizienten, dezentralisierten und föderalistischen Polizeistruktur sei sicherheitspolitische Engstirnigkeit. Man hat uns heftig deswegen kritisiert. Der Höcherl-Bericht hat die Haltung eindeutig bestätigt, daß die gegenwärtigen Ermittlungszuständigkeiten beim Bundeskriminalamt ausreichend seien. Der Höcherl-Bericht teilt auch unsere Forderung, daß die Auswertungstätigkeit beim BKA wesentlich verbessert werden muß, damit das BKA mit den riesigen Informationsmassen fertig wird und nicht daran erstickt. Ebenso wird darin unsere Kritik geteilt, daß Meldungen aus den Ländern beim BKA liegenbleiben.Diese Forderungen sind alle in unserem Antrag zur Verbesserung der Arbeit der Sicherheitsbehörden des Bundes enthalten. Dieser Antrag ist noch keineswegs durch Erfüllung erledigt. Die Ablehnung unseres Antrags wäre deshalb nicht gerechtfertigt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979 12787
SprangerEs sind aber auch einige kritische Anmerkungen zu den Vorschlägen notwendig, die im. Höcherl-Bericht in Teil II behandelt werden und zu denen die Bundesregierung Stellung genommen hat. In dieser Stellungnahme fordert die Bundesregierung u. a. die vertrauensvolle Zusammenarbeit auch über Ländergrenzen hinweg. Wir haben diese Forderung in der Vergangenheit nicht nur erhoben, sondern haben uns auch bemüht, sie optimal zu realisieren. Diese Forderung wäre aber heute, so meinen wir, besser an den jetzigen Bundesinnenminister zu richten. Durch seine Politik hat er die sicherheitspolitische Konzeption und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in den vergangenen Monaten seit seinem Amtsantritt außerordentlich gestört und durcheinandergebracht. Er ist deswegen heute auch dafür verantwortlich, wenn deshalb die Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses der Bundesregierung zur guten Zusammenarbeit mit den Ländern in Zweifel gezogen werden muß.Die Bundesregierung begrüßt in ihrer Stellungnahme auch die Forderung des Höcherl-Berichtes nach laufender aktueller Information der Basisdienststellen und deren motivationsmäßiger Einbindung. Hier wäre anzumerken, daß dies alles ohne elektronische Datenverarbeitung nicht möglich ist. Es schließt sich die Frage an, inwieweit durch die Baumsche Enthüllungspolitik und die jüngsten Berichte und Stellungnahmen des Bundesdatenschutzbeauftragten, Professor Bull, Nachteile für den Einsatz dieser Datenverarbeitung im Sicherheitsbereich eingetreten sind. Dadurch, daß die Politik des jetzigen Bundesinnenministers zur Demotivierung und Verunsicherung der Polizeibeamten in erheblichem Umfang beiträgt — das ist heute in der vorangegangenen Debatte ja bestätigt und begründet worden — und die bessere Information der Polizeibasis nach wie vor unterbleibt, ist die motivationsmäßige Einbindung der Basis mit Sicherheit nicht gefördert, sondern behindert worden.Problematisch bleibt auch die Einschaltung des Bundeskriminalamtes durch den Generalbundesanwalt. Dessen Beziehungen zum Bundesminister der Justiz und zum Bundesminister des Innern scheinen offensichtlich nicht so reibungslos zu funktionieren, wie es erforderlich wäre. Das hat sich bei den Ermittlungen gegen die Revolutionären Zellen erwiesen. Die Zuständigkeiten des Generalbundesanwalts können nicht durch Absprachen zwischen den Ländern und dem Bund, sondern höchstens durch klare gesetzliche Regelungen beschränkt werden. Im Gegensatz zum Höcherl-Bericht und zu unserer Auffassung läßt die Bundesregierung eine Ausdehnung der originären Zuständigkeiten des Bundeskriminalamtes nach wie vor offen. Die ständige Drohung mit Kompetenzänderungen ist nach unserer Überzeugung wenig hilfreich und sollte endlich aufhören.In ihrer Stellungnahme sieht die Bundesregierung zwar den Einsatz eines Führungsleitrechners vor, der einsatz- und führungsmäßig relevante Daten, Alarmierungslisten, Objektdateien, Maßnahmenkataloge usw. sofort liefern soll. Es bleibt allerdings offen, ob es diesen Führungsleitrechner überhaupt gibt und ob er, wenn ja, auch Objektdateien enthält, die doch auf Anordnung des Bundesinnenministers vernichtet worden sein sollen. Hier wäre ohnehin zu empfehlen, daß sich der Bundesinnenminister — zusammen mit den für die Sicherheitspolitik seines Hauses Verantwortlichen — einmal mit dem Herrn Bundesdatenschutzbeauftragten zusammensetzt, um die Bedürfnisse der inneren Sicherheit gegenüber den Bedürfnissen des individuellen Datenschutzes abzugrenzen und um den Datenschutzbeauftragten davon zu überzeugen, daß nicht alle Dateien des BKA sozusagen Teufelswerk darstellen. Es war ja geradezu peinlich, zu sehen, wie sich im Ausschuß die Sicherheitsbeamten konträr gegenüber dem Datenschutzbeauftragten äußerten, zu sehen, wie gewaltige Meinungsunterschiede zwischen diesen beiden Seiten erkennbar wurden. Das läßt darauf schließen, daß dem Bundesinnenminister eine Konzeption fehlt, wie beide Bereiche in einen sinnvollen Einklang zu bringen sind.Wir müssen schließlich auch fragen, was bisher aus den Fernmelde- und Stabsübungen geworden ist, die der Höcherl-Bericht empfiehlt, die auch nach unserer Auffassung sein müßten und die auch die Bundesregierung akzeptiert hat. Ob und wie die eventuell neu geschaffene Führung zukünftig funktioniert, ist heute noch ungewiß; wir haben bisher keinerlei Informationen erhalten. Es ist unklar, ob beim Bund jetzt ein Führungsinstrument vorhanden ist, das mit Großlagen tatsächlich fertig werden könnte.Meine sehr verehrten Damen und Herren, so haben wir nach wie vor erhebliche Zweifel, ob die Erfahrungen aus dem Höcherl-Bericht die Erfahrungen aus den Fehlern und Versäumnissen vor und während der Fahndung nach den Entführern und Mördern von Hanns Martin Schleyer und seiner Sicherheitsbeamten tatsächlich sachgerecht ausgewertet und umgesetzt und ob die richtigen Konsequenzen gezogen worden sind.Der Beschlußempfehlung der Koalitionsparteien haben wir — ich habe das auch im Ausschuß vorgetragen — auch deswegen nicht zustimmen können, weil wir nicht den Eindruck erwecken wollen, mit der freiheitsgefährdenden Sicherheitspolitik des derzeitigen Bundesinnenministers übereinzustimmen. Bundesinnenminister Baum - das möchte ich als Fazit der Debatte von vorhin sagen — hat durch die zahlreichen von ihm entweder veranlaßten oder zu verantwortenden Enthüllungen über die Arbeit der Sicherheitsbehörden und durch seine grundsätzliche und im Detail bewiesene negative Einstellung zu der Arbeit der Sicherheitsbehörden der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland in erheblichem Maße Schaden zugefügt. Die Debatte über unseren Mißbilligungsantrag hat das bestätigt. Er hat die in diesem Bereich tätigen Beamten des Bundes und der Länder nachhaltig verunsichert und die Zusammenarbeit mit den Ländern in starkem Maße beeinträchtigt.Die CDU/CSU hat keinen Anlaß, unter diesen Umständen eine Gemeinsamkeit mit dem Bundesinnenminister vorzutäuschen, die dieser längst aufgekündigt hat. Herr Kollege Wendig hat vorhin in der anderen Debatte um diese Gemeinsamkeit er-
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Sprangersucht. Er hat aber auch deutlich gemacht, daß diese Gemeinsamkeit in weiten Bereichen leider nicht mehr besteht. Wir fühlen uns nicht verantwortlich, diese Gemeinsamkeit verlassen zu haben.Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, den Bundesinnenminister zu einer Politik zu veranlassen, die den Erkenntnissen und Forderungen des Höcherl-Berichts entspricht und sie in die Tat umsetzt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Pensky.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit anderen Fragen zur inneren Sicherheit debattieren wir hier heute zum zweiten Male den sogenannten Höcherl-Bericht. Die erste Debatte hat damals schon unter Einbeziehung der von der Bundesregierung vorgelegten vorläufigen Stellungnahme zum Teil II des Berichts auf Drucksache 8/1923 am 15. Juni 1978, also ziemlich genau vor einem Jahr, stattgefunden. Die vorerst endgültigen Ergebnisse der Überlegungen, die auf Grund des von Bundesminister a. D. Höcherl erstatteten Berichtes angestellt wurden, finden Sie, meine Damen und Herren, als Anlage auf Drucksache 8/2889, und ich glaube, es war richtig, daß wir der Meinung waren, daß wir dies dem Deutschen Bundestag und damit auch der deutschen Öffentlichkeit vor Augen bringen sollten.Ich meine, auch Sie, Herr Kollege Spranger, sollten diese Arbeiten nicht ignorieren, wie Sie es tun; denn wie könnten Sie sonst zu der einseitigen Aufforderung an den Bundesminister des Innern bzw. die Bundesregierung gelangen, die Erkenntnisse aus dem Höcherl-Bericht in die Tat umzusetzen?Wer sich dieses umfassende Arbeitsergebnis ansieht, der wird feststellen, daß alle getroffenen Maßnahmen und Absprachen auf übereinstimmende Beschlüsse der Konferenz der Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern hin erfolgt sind.Diese Feststellung, meine Damen und Herren, ist deshalb besonders wichtig, weil damit zum Ausdruck gebracht wird, was Herr Höcherl in seinem Bericht entsprechend der Verfassungslage noch einmal ausdrücklich unterstrichen hat: daß die Bekämpfung des Terrorismus wie die Verbrechensbekämpfung überhaupt eine gemeinsame Aufgabe aller Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern ist.Danach haben die Innenminister und -sentoren aus Bund und Ländern bei der Erarbeitung dieser Vorlage konsequent gehandelt, und das ist gut so. Weil eben die Verfassungslage so ist und weil an dieser gemeinsamen Aufgabe und Verantwortung, wie ich es sehe, in diesem Hause auch niemand etwas ändern will, sollten wir, meine Damen und Herren von der Opposition, uns doch ein für allemal abgewöhnen, zu versuchen, hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Schwarzen Peter ständig hin-und herzuspielen.Wir Sozialdemokraten sind auf jeden Fall dem Bundesminister des Innern wie auch den Innenministern und -senatoren der Länder sehr dankbar, daß sie nach vielen gemeinsamen Beratungen übereinstimmende Regelungen gefunden haben, die durchaus geeignet erscheinen, die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder reibungsloser zu gestalten und dadurch auch effektiver zu machen.Dennoch möchte ich warnend unterstreichen, was auch Herr Höcherl in seinem Bericht wie folgt umschrieben hat — ich zitiere ihn hier —:Gegen die Perfektionisten aller Spielarten gehe ich von dem Erfahrungssatz aus, daß Fehler durch menschliche Unzulänglichkeit nie voll auszuschalten sind. Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe können und müssen aber so angelegt werden, daß die Wahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens auf ein Mindestmaß reduziert wird.Soweit Herr Höcherl. Unter diesem Vorbehalt— dies sage ich nach zahlreichen Gesprächen mit Polizeipraktikern — spreche ich die Erwartung aus, daß sich die getroffenen Neuregelungen als wirksames Instrumentarium erweisen werden.Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den wesentlichen Komplexen machen, die einer Neuregelung unterzogen worden sind, zunächst zum Bereich der Kommunikation. Das Informations- und Auskunftssystem der Polizei ist in den letzten Jahren sowohl im Bund wie auch in den Ländern rasant ausgebaut worden. Es war sicherlich zwingend notwendig, daß sich auch die Polizei des modernen Instrumentariums der elektronischen Datenverarbeitung bediente, weil nämlich der schnelle Informationsaustausch von ganz entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Polizeiarbeit ist. Bei allem begrüßenswerten Eifer, den Bund und Länder hierbei entwickelt haben, hat sich jedoch die mangelnde Abstimmung zu einem notwendigen einheitlichen Informationssystem als äußerst nachteilig herausgestellt. Das hat Herr Höcherl in seinem Bericht wohl völlig zu Recht beklagt. Wir alle wissen — daran darf ich erinnern —, daß wir diese Entwicklung seit vielen Jahren beobachtet und dabei erkannt haben, daß sich insoweit Schwachstellen entwickelten, die der Zusammenarbeit der Polizei in Bund und Ländern nur abträglich sein konnten. Ich muß weiter erwähnen, daß es in der Vergangenheit nicht an Mahnungen gefehlt hat, dieser Auseinanderentwicklung Einhalt zu gebieten. Vielleicht hat es auf diesem Gebiet zu lange Zeit einen zu ausgeprägten Länderegoismus gegeben, der diese Entwicklung begünstigt hat. Nur, meine ich, bringen uns gegenseitige Aufrechnungen nicht weiter. Viele haben Grund, sich selbst an die Brust zu klopfen. Deshalb ist es außerordentlich zu begrüßen, daß die Innenministerkonferenz am 28. September 1978 einen richtungweisenden Beschluß zur Fortentwicklung des Inpol-Systems gefaßt hat, der alle erkannten Schwächen auf diesem Gebiete ein für allemal beseitigen soll. Wir sind der Bundesregierung jedenfalls dankbar, daß sie die notwendigen zusätzlichen Mittel für die Verwirklichung dieser neuen Konzeption von immerhin 55,3 Millionen DM in den Jahren 1979 bis 1982 bereitgestellt hat. Es bleibt zu hoffen,
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Penskydaß das neue Kommunikationssystem nunmehr in vertrauensvoller Kooperation zwischen Bund und Ländern zügig weiterentwickelt wird.Zu einem weiteren Bereich, nämlich zum Bereich der Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts, einige Bemerkungen. Die von der Innenministerkonferenz getroffene Regelung der Zusammenarbeit des BKA und der Länderpolizeien in Fällen terroristischer Gewaltkriminalität von bundesweiter Bedeutung entspricht weitgehend den Anregungen des Höcherl-Berichts. Die in diesem Rahmen vorgenommene Aufgabenverteilung zwischen dem BKA und den Länderpolizeien schafft klare Unterstellungs- und Verantwortungsverhältnisse entsprechend den besonderen Qualifikationen der einzelnen Dienststellen. Dabei erscheint es sinnvoll, das BKA im Bereich der Information, der Technik und der länderübergreifenden Steuerung zu stärken und im Bereich der polizeilichen Ermittlungsarbeit die Schwerpunktverlegung auf die Länderpolizei vorzusehen. In dieses Konzept der Zusammenarbeit, Herr Kollege Spranger, hat sich ungeachtet seiner ihm gesetzlich zustehenden Befugnisse begrüßenswerterweise auch der Generalbundesanwalt — mit Zustimmung des Bundesministers der Justiz — eingegliedert, der künftig bei beabsichtigter Auftragserteilung an das BKA auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung nur im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern handeln wird. Gleiches gilt auch für den Fall einer Auftragserteilung an die Polizeibehörde eines Landes. Auch hierdurch gelegentlich früher aufgetauchte Mißverständnisse sind beseitigt. Diese Absprache, nach der seit geraumer Zeit verfahren wird, hat sich bereits bewährt. Das jedenfalls läßt sich auch jetzt schon erkennen.Im übrigen sind wir mit den Innenministern und -senatoren des Bundes und der Länder einer Meinung, daß auf Grund der getroffenen Absprachen eine Änderung des BKA-Gesetzes zur Zeit nicht erforderlich ist. Das bezieht sich sowohl auf die originären Zuständigkeiten des BKA wie auch auf die zwischen Bund und Ländern vorgenommene Aufgabenverteilung auf dem Gebiet des Personenschutzes.Herr Kollege Spranger, ich habe ja gar keinenZweifel, daß wir auch in dieser Frage einer Meinung sein könnten. Wir sollten dem anderen nicht immer unterstellen, er wollte eine Aufgabenausweitung oder eine Entwicklung hin zu einem deutschen FBI. Lassen wir das also!
Wir werden jedenfalls die Praktikabilität der hier von der Innenministerkonferenz gefaßten Beschlüsse eingehend beobachten und, wenn nötig, auf eine Beseitigung möglicher Mißverständnisse hinwirken. Das gilt insbesondere auch für den Beschluß der IMK, der auf die Milderung von Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 des BKA-Gesetzes abzielt, der nämlich von seiten des BKA nicht unkritisch aufgenommen worden ist.Zu einem weiteren Komplex einige Bemerkungen, nämlich zu den Maßnahmen zur Verbesserung der Führungsorganisation. Als Folgerungen aus dem Bericht des Herrn Höcherl hat die Innenministerkonferenz Grundsätze für Polizeiführungsstäbe mit der Maßgabe entwickelt, daß bei den Innenministerien von Bund und Ländern Führungszentralen in übereinstimmender Gliederung zu errichten sind. Für den Bereich des Bundes ist dies inzwischen geschehen. Hier konnte man ja schon auf Vorhandenem, nämlich auf dem damals schon bestehenden Lagezentrum, aufbauen. Dort ist jetzt eine Führungs-und Lagezentrale eingerichtet. Herr Kollege Spranger, ich empfehle Ihnen, einmal mit mir gemeinsam dorthin zu gehen. Dort können wir uns überzeugen, daß sie mit qualifizierten Beamten aller Dienstzweige besetzt und seit geraumer Zeit voll funktionsfähig ist.
Gleichwohl besteht hier die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus, die auch vom Innenminister eingestanden worden ist. Die verbesserte Einrichtung kann sowohl bei der Bekämpfung schwerer Gewaltkriminalität oder Terrors wie auch bei Katastrophen und Unfällen großen Ausmaßes oder auch im Notstands- bzw. Spannungsfall wirksam polizeiliche Führungsaufgaben leisten.Durch diese organisatorischen Maßnahmen wie auch durch eine klare Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Polizeien des Bundes und der Länder sind damit jetzt auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß gemeinsame Übungsveranstaltungen durchgeführt werden können, die sicherlich ein reibungsloseres Zusammenwirken der Polizeien sicherstellen können. Wir sind jedenfalls zuversichtlich, daß durch dieses Bündel von Maßnahmen noch wirksamere Mittel gefunden worden sind, um die Anstrengungen der Polizei in Bund und Ländern bei der Verbrechensbekämpfung zu verbessern.Das erzielte hohe Maß an Übereinstimmung war nur möglich, weil sich alle Innenminister in Bund und Ländern, gleich welcher Couleur, ihrer gemeinsamen Verantwortung bewußt gewesen sind. Ich meine, dies ist ein gutes Beispiel konstruktiven Zusammenwirkens.Völlig anders ist es aber in der Regel insoweit mit dem Verhalten der Opposition hier in diesem Haus. Auch jetzt wieder war das aus dem Munde des Kollegen Spranger zu hören. Die Opposition des Deutschen Bundestages glaubt nämlich, der von der Mehrheit des Hauses vorgelegten Entschließung nicht zustimmen zu können, die nichts anderes als die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu der von allen Innenministern des Bundes und der Länder erarbeiteten Konzeption enthält. Dagegen hält die Opposition ihren Antrag auf Drucksache 8/1852 aufrecht, der in wesentlichen Teilen der IMK-Auffassung, mit der wir übereinstimmen, zuwiderläuft.Ich meine, diese verbissene Kontrahaltung der Opposition um jeden Preis ist der inneren Sicherheit
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12790 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Penskynur abträglich. Was soll die Kritik der Opposition, die Bundesregierung habe nur zum Teil II und nicht zum Teil I des Höcherl-Berichts Stellung genommen? Teil I enthält nichts anderes als die Rekonstruktion des tatsächlichen Ablaufs der damaligen Maßnahmen.
Auf diesem Gebiet haben doch sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen dadurch ein Höchstmaß an Objektivität angestrebt, daß sie in der Person des Bundesministers a. D. Hermann Höcherl eine unabhängige Persönlichkeit mit Fachkenntnis und politischer Erfahrung damit beauftragten; mögliche Fehler und Organisationsmängel bei der Suche nach dem entführten und später schließlich ermordeten Arbeitgeberpräsidenten aufzudecken. Es darf wohl festgestellt werden, daß die Bundesregierung wie die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gut beraten waren, diesen Weg zu beschreiten.Die ausführliche Tatsachenermittlung von Herrn Höcherl ist von keiner Seite kritisiert worden, auch nicht von der Bundesregierung. Herr Höcherl hat seinen Auftrag richtig verstanden, den er u. a. wie folgt umschrieb:Als ein wesentliches Ziel meines Auftrags sehe ich es an, unsachlicher und unberechtigter Kritik an den Sicherheitsorganen entgegenzuwirken, das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Polizeibehörden des Bundes und der Länder zu stärken und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit dieser Behörden untereinander zu fördern.Ich meine, das war schon die richtige Position, ausder heraus Herr Höcherl seine Aufgabe angefaßt hat.Bei dieser Untersuchung sind — das war eben das Ziel — Fehler und Schwachstellen offengelegt worden. Die bestreitet ja niemand. Für diese Fehler, an denen es nichts zu beschönigen gibt, hat der damalige Bundesinnenminister die politische Verantwortung auf sich genommen; er hat sein Amt zur Verfügung gestellt. Deshalb konnte es hiernach nur noch darauf ankommen, aus diesen Fehlern die notwendigen Lehren und Konsequenzen zu ziehen. Dies ist geschehen. Deshalb erübrigt es sich auch, über den Teil I noch weiter zu diskutieren; das hieße nur, leeres Stroh zu dreschen.Unsere Polizei, meine Damen und Herren, ist aufgeschlossen wie nie zuvor. Sie ist auch durchaus bereit, anzuerkennen, daß sie sich nicht in einem kritikfreien Raum bewegt. Nur: Bei allem, was im Einzelfall kritisch zu betrachten ist, darf dies nicht dazu führen, die Polizei durch ständige unangebrachte und überzogene Kritik zu demotivieren. Weil dieses Demotivieren heute schon eine Rolle gespielt hat, sage ich allen, die es wissen müssen — das sage ich aber insbesondere der Opposition, die gerade während der schwierigsten Zeiten von Terroristenfahndungsaktionen der Polizei immer wieder Versagen und Erfolglosigkeit nachsagte und ununterbrochen von Fahndungspannen sprach —: Das war ebenso demotivierend wie die von der Opposition immer wieder geforderten pausenlosen Verhöre von leitenden Polizeibeamten, insbesondere des Präsidendenten des Bundeskriminalamts, im Innenausschuß über polizeitaktische Entscheidungen, über die dann nachher natürlich viel klüger zu reden war als zu dem Zeitpunkt, als diese Entscheidungen zu treffen waren. Ich sage: Es kann nicht Aufgabe des Parlaments sein, sich gegenüber der Polizei als Obergendarm aufzuspielen.Im übrigen ist unsere Polizei nicht so erfolglos, wie Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, es gelegentlich darstellen zu müssen glauben. Dafür spricht allein die Tatsache, daß seit Beginn der Fahndungsaktion im September 1977 insgesamt 100 Festnahmen von Terrorismusverdächtigen erfolgt sind. Darunter befand sich immerhin eine Reihe schwerster und gefährlichster Kaliber, zuletzt Elisabeth van Dyck und Rolf Heissler. Dazu gehörte Mut und zähe Kleinarbeit. Wir haben allen Grund, dafür unserer Polizei in Bund und Ländern unsere Achtung und unseren Dank zu zollen.Es ist auch unsere Pflicht und Schuldigkeit, den Polizeibeamten saubere und unmißverständliche Rechtsgrundlagen an die Hand zu geben, die keinen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit lassen. Ich meine, mit den Ergebnissen, die die Innenminister von Bund und Ländern in Auswertung des Höcherl-Berichts erarbeitet haben, sind wir auf diesem Wege ein gutes Stück weitergekommen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wendig.
Das verspreche ich Ihnen.Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Haltung der Opposition in bestimmten Kernfragen unserer inneren Sicherheit ist immer wieder widersprüchlich und zwiespältig. Nur ist die Union in dem heutigen Fall besonders offen, wenn sie bei der Beratung des Entschließungsantrags des Innenausschusses zum Höcherl-Bericht erklärt — das haben Sie vorhin auch getan, Herr Spranger —, sie sei zur Zustimmung deshalb nicht in der Lage, weil sie den Eindruck vermeiden wolle, sie trage die Politik des Bundesministers des Innern mit. So gesagt. Deutlicher geht es eigentlich nicht.Nach den sehr eingehenden Beratungen im Innenausschuß sprach im Grunde nichts dafür, daß Sie dem Entschließungsantrag der Koalition in der Sache nicht hätten zustimmen können. Immerhin aber sollte man Ihnen für die Aufhellung dankbar sein, daß Sie offenbar auch hier Person und Sache nicht zu trennen vermögen. Mich verwundert das ganz besonders dann, wenn Sie zugeben, daß hiermit ein großer Teil früherer Vorstellungen der Opposition verwirklicht worden ist.Der Bundesminister des Innern und die Innenminister der Länder haben sich auf der Grundlage konkreter Überlegungen und Vorschläge des Höcherl-Berichts sehr zügig auf ein Konzept der Zu-
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Dr. Wendigsammenarbeit geeinigt, das unter Beachtung der föderativen Struktur unserer Bundesrepublik, von der wir ja immer ausgehen müssen, ein stärkeres Maß an Wirksamkeit bei der Verteidigung unserer inneren Sicherheit verspricht. Daß Bundesinnenminister Baum diese Absprachen selbst sehr nachhaltig beeinflußt, ja mitbestimmt hat, sollte eigentlich für alle außer Zweifel stehen. Sie hätten sich, meine Damen und Herren von der Union, daher, wie ich meine, wirklich nichts vergeben, hätten Sie im Innenausschuß durch eine Zustimmung zu dem Entschließungsantrag zu erkennen gegeben, daß Sie an der Verwirklichung dieses Konzepts positiv mitwirken möchten.Ich sage das zum Eingang meiner Ausführungen — die im übrigen sehr kurz sein werden —, weil ich manchmal befürchte, daß eine solche Strategie Methode hat, die auch durch keine sachlich begründete Überlegung beiseite gelassen werden kann.Zu der Stellungnahme der Bundesregierung zum Höcherl-Bericht sowie zum Antrag der Union zum Thema Verbesserung der Arbeit der Sicherheitsbehörden will ich mich in der Tat, Herr Kollege Kunz, verhältnismäßig kurz fassen. Es ist fast genau ein Jahr her, daß wir uns an dieser Stelle erstmalig mit dem Höcherl-Bericht befaßt haben. Ein ganz wesentlicher Teil der Vorschläge, die in dem Bericht gemacht wurden, ist heute durch die Bund-Länder-Absprachen verwirklicht; ich will das nicht alles wiederholen.Das Kernstück der Vereinbarungen erblicke ich in folgenden drei Punkten: erstens in der Auf gabenverteilung zwischen Bundeskriminalamt und den Länderpolizeien, eine Aufgabenverteilung, die jeder Seite diejenigen Funktionen zuweist, für die sie nach den faktischen, organisatorischen und technischen Gegebenheiten am besten qualifiziert ist. So ist das BKA zuständig im Bereich der Informationen und der länderübergreifenden Steuerung, und das Schwergewicht der Länder liegt bei der polizeilichen Ermittlung vor Ort. Die Unterstellungs- und Weisungsverhältnisse sind dort klargestellt, wo es bisher keine Klarheit gab. Die Innenminister der Länder haben dem Bundeskriminalamt für den Bedarfsfall präventivpolizeiliche Befugnisse eingeräumt.Zweitens. Beim Bundesminister des Innern und bei den Innenministern der Länder sind Führungszentralen mit weitgehend übereinstimmender Gliederung eingeführt.Drittens. Die Funktion des Bundeskriminalamts als der zentralen Nachrichtenstelle für die deutsche Polizei ist auf der Grundlage des vom Bundesinnenminister vorgelegten Konzepts beträchtlich ausgebaut worden.Auf weitere Details will ich in diesem Zusammenhang verzichten. Angefügt sei nur der Hinweis, daß die Strategie zur Bewältigung des Terrorismus gemeinsam fortentwickelt wird. Daß die geschlossenen Vereinbarungen in der polizeilichen Praxis bereits bedeutende Erfolge zu verzeichnen haben, kann ernstlich. niemand bestreiten. Ich möchte der Kürze wegen nur auf die Zahlen hinweisen, die Herr Kollege Pensky soeben vorgetragen hat.Nun meint aber die Union auch, die Stellungnahme der Bundesregierung hätte sich auch mit der Rekonstruktion der Vorgänge bei der Schleyer-Fahndung befassen müssen, also den Teil I des Berichts. Sie meint weiter, daß die Bundesrepublik Deutschland zur Zeit der Ereignisse im Jahre 1977 ungenügend vorbereitet gewesen sei.Ich habe bereits im vergangenen Jahr an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß dem Bundesminister des Innern von der Opposition, aber auch von Teilen der Öffentlichkeit ein höheres Maß an Verantwortung zugeschrieben worden ist, als ihm nach der Verfassungslage, auch auf der Grundlage der damals geltenden gesetzlichen Ermächtigungen, und den damals bestehenden Bund-Länder-Vereinbarungen wirklich zustand. Das war und das ist im Grunde, wie ich meine, der Kernpunkt des ganzen Problems.Wenn die Innenminister von Bund und Ländern heute übereinstimmend auf der Grundlage ihrer Vereinbarungen eine Änderung des BKA-Gesetzes nicht für erforderlich erachten, so stimmen wir ihnen sicher für den gegenwärtigen Zeitpunkt zu. Ich bin deshalb auch bereit, die von mir und meiner Fraktion noch im vergangenen Jahr erhobene Forderung nach einer Erweiterung der originären Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts im Bereich der Terrorismusbekämpfung im BKA-Gesetz zurückzustellen. Nur, Herr Kollege Spranger, eine FBI deutschen Musters haben auch wir damals nicht gefordert.
— Das ist keine Kehrtwendung. Wenn Sie das nun gleich wieder als Kehrtwendung bezeichnen, muß ich wirklich mehr dazu sagen, Herr Kollege Miltner. Ich habe gesagt, ich sähe auf der Grundlage der gegenwärtigen Vereinbarungen keinen Anlaß, an meiner damaligen Forderung festzuhalten. Nehmen Sie das doch bitte einmal so an und sagen Sie nicht gleich „Kehrtwendung"! Ich sage: auf der Grundlage der heutigen Vereinbarungen, die damals nicht gegeben waren. Ich habe weiter gesagt, daß ein FBI in unsere damaligen Vorstellungen nicht eingeschlossen war. Nur haben uns — das sage ich noch einmal — zur Zeit der Schleyer-Fahndung Vereinbarungen, die uns nun eine solche Feststellung gestatten, nicht zur Verfügung gestanden. Auch war die Kompatibilität des Computersystems zwischen BKA und den Ländern weder vorhanden — das ist sie zum Teil auch heute noch nicht — noch konnte sie vom Bundesminister des Innern erzwungen werden.Das gleiche gilt für die Forderung nach einer einheitlichen Führungsstruktur in Bund und Ländern. Ein durchgehend besetzter Leitungsstab war beim Bund auch im Jahre 1977 vorhanden. Schon bei der Debatte am 16. März habe ich allerdings zugleich darauf hinweisen müssen — ich zitiere mich selbst —:Der Kernbestand eines einheitlichen Organisationssystems zwischen Bund und Ländern muß zunächst einmal kraft einer Bund-Länder-Vereinbarung vorhanden und eingeübt sein.
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12792 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Dr. WendigDamals gab es das nicht. Heute ist ein solches System auf der Grundlage der Vereinbarungen des Bundesministers des Innern mit den Länderinnenministern geschaffen worden und damit auch die Grundlage von all dem, was Sie, Herr Kollege Spranger, noch als für die Zukunft notwendig angemahnt haben: Durchführung von Übungen und anderen Dingen mehr.Wenn man nun fragt, warum diese Vereinbarung damals nicht vorhanden war, dann kann ich sagen, daß auf allen Seiten — Bund wie Ländern — der Höcherl-Bericht in der Tat motivierend gewirkt hat, um solche Vereinbarungen zustande zu bringen, wie sie damals nicht möglich waren. Das kann und muß man auch an die Adresse der Länder richten, gleichgültig, welcher politischen Struktur sie waren.Meine Damen und Herren, hier soll nichts verschwiegen werden. Aber es bringt weder etwas für diese Debatte noch für die innere Sicherheit des Landes, wenn ich, wie Sie, immer wieder Situationen und Gegebenheiten miteinander vergleiche, die nicht miteinander zu vergleichen sind. Mit einer solchen Strategie kommen Sie deshalb auch nicht aus der Sackgasse heraus, in die Sie sich selbst durch ihre Verweigerung gebracht haben.Niemand kann heute sagen, daß mit den BundLänder-Vereinbarungen alle Probleme, die sich bei der Fahndung im Jahre 1977 ergeben haben, nun wirklich für alle Zukunft erledigt sind. Ebenso sicher wissen wir: Die Gefahr des Terrorismus ist in unserem Lande noch nicht gebannt. Anerkennen sollten wir aber, und zwar möglichst gemeinsam, daß in Ausführung des Höcherl-Berichts vom Bundesminister des Innern und den Innenministern der Länder wesentliche Voraussetzungen geschaffen worden sind, von denen wir annehmen dürfen, daß sie die Lage der inneren Sicherheit bedeutend verbessert haben und in Zukunft noch bedeutend verbessern werden. Ich sage dies mit aller gebotenen Zurückhaltung, weil ich weiß, welcher Anstrengungen es bedarf, um der terroristischen Gefahr mit polizeilichen Maßnahmen auf die Dauer Herr zu werden. Wir werden deshalb auch in Zukunft die Entwicklung auf diesem Gebiet sehr genau zu beobachten haben. Ungeachtet dessen gebührt der Dank der FDP-Fraktion unserem ehemaligen Kollegen Höcherl, dem Bundesinnenminister und den Länderinnenministern, daß sie die organisatorischen Grundlagen für die künftige Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Terrorismusbekämpfung so zügig verbessert haben.
Wir sollten endlich damit aufhören, nur von Vergangenem zu sprechen. Wir sollten vielmehr mehr daran denken, was an Arbeit in diesem Bereich noch vor uns liegt.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Baum.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich auch, daß die Opposition hier kein klaresWort, jedenfalls kein positives, Herr Spranger, dazu sagt, ob sie die Beschlüsse mittragen will, die die Innenminister von Bund und Ländern gemeinsam gefaßt haben. Sie sollten doch jetzt Ihren eigenen Forderungen treu bleiben und auch den Sicherheitsbehörden klar sagen, was Sie wollen.
Sie können das doch nicht von einem gestörten Verhältnis zu mir abhängig machen. Das interessiert die Sicherheitsbehörden nicht. Diese wollen wissen, wo die Opposition in den schwierigen Fragen der Kompetenzverteilung und der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern steht.
Das ist eine der schwierigsten Zonen der Zusammenarbeit polizeilicher und staatlicher Behörden, die wir überhaupt in unserem Land haben. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Also bekennen Sie bitte Farbe. Die Sicherheitsbehörden erwarten das sicherlich auch von Ihnen, denn das ist eine der wesentlichsten Grundlagen für die Terrorismusbekämpfung in der nächsten Zeit und für die Bekämpfung der Gewaltkriminalität überhaupt.Den Innenministern von Bund und Ländern kam es darauf an, auf der Grundlage der Vorschläge von Herrn Höcherl zügig Maßnahmen für eine weitere Verbesserung der polizeilichen Verbrechensbekämpfung in Kraft zu setzen. Meinen Amtskollegen in den Ländern und mir ging es dabei darum, für die Zukunft Sorge zu tragen, daß die Polizei noch effektiver arbeiten kann. Diese Arbeitsergebnisse sind nach Auffassung der Bundesregierung ein gutes Beispiel für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Innenministerkonferenz.Wir hatten das Bestreben, schnell — jedoch nicht übereilt — zu handeln. Dies konnte geschehen, weil die erforderlichen Regelungen auf der Basis des geltenden Rechts gefunden wurden. Wir haben uns also bemüht, eine Regelung herbeizuführen, die auch schnell umgesetzt werden konnte, denn das sind wir der Bedrohungslage schuldig.Ich will nicht im einzelnen auf die Beschlüsse eingehen. Meine Vorredner, Herr Pensky und Herr Wendig, haben das dankenswerterweise getan. Sie haben damit auch die Auffassung der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht. Sie deckt sich mit dieser Festlegung und Meinungsäußerung der Fraktionen.Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die von großer Sachkenntnis und außerordentlichem Engagement bestimmten Vorschläge von Herrn Höcherl positiv von der Innenministerkonferenz aufgegriffen worden sind.Erstens. Die Opposition fordert, an den gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten des BKA festzuhalten. Nach sehr ausführlicher Prüfung bin ich mit meinen Kollegen in den Ländern einer Meinung, daß eine Notwendigkeit zur Änderung des BKA-Gesetzes zur Zeit nicht besteht. Dies gilt auch hinsichtlich der gesetzlichen Zuständigkeit des Amtes, so
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Bundesminister Baumdaß es bei der geltenden Regelung verbleibt. Wir haben jedoch Absprachen über Abgrenzungsschwierigkeiten getroffen.Zweitens. Die Opposition fordert in Ihrem Antrag, daß das BKA Personalverstärkungen schwerpunktmäßig in der Auswertung einsetzt. Meine Damen und Herren von der Opposition, die Auswertung ist bereits heute Schwerpunkt der Tätigkeit des BKA.Drittens. Die Opposition fordert in ihrem Antrag, daß der Bundesgrenzschutz den Objektschutz auch bei besonders gefährdeten Botschaften und bei weiteren zentralen Einrichtungen des Bundes übernehmen soll. Hierzu ist zu sagen, daß eine Erweiterung der Objektschutzaufgaben des BGS durch die Übernahme von polizeilichen Aufgaben der Länder nicht beabsichtigt ist. Der Bundesgrenzschutz — das ist ja auch die Meinung von Herrn Jentsch — muß weiterhin eine polizeiliche Eingreifreserve bleiben. Seiner Beauftragung mit weiteren Objektschutzaufgaben sind schon angesichts der Personalkapazität Grenzen gesetzt.Viertens und letztens. Der Oppositionsantrag fordert schließlich, daß für die Führung aller Sicherheitsorgane des Bundesinnenministers ein eingeübtes, rund um die Uhr verfügbares Instrument vorhanden ist. Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß dies geschaffen worden ist. Sie können es gern — ich lade Sie dazu ein — in Augenschein nehmen.Ich stelle zusammenfassend fest: Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Innenminister der Länder und des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, daß die in der Innenministerkonferenz getroffenen Absprachen eine überzeugende Lösung sind. Ihre Auswirkungen auf die praktische Arbeit der Polizei sind gleichwohl ständig zu beobachten und zu analysieren. Die bisherigen Erfahrungen sind positiv. Wir freuen uns, daß der Innenausschuß die Beschlüsse positiv bewertet.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlungen des Innenausschusses auf der Drucksache 8/2889.
Der Ausschuß empfiehlt dein Bundestag als Punkt 1, den Bericht des Bundesministers a. D. Hermann Höcherl zustimmend zur Kenntnis zu nehmen und Herrn Bundesminister a. D. Höcherl für seinen Bericht zu danken. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. —
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt auf der gleichen Drucksache als Punkt 2 die Annahme einer Entschließung. Wer dieser Entschließung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. —
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit beschlossen.
Als Punkt 3 empfiehlt der Ausschuß, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion — Drucksache 8/1852 — für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Mit Mehrheit so beschlossen.
Als Punkt 4 empfiehlt der Ausschuß, die zu den Vorlagen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuchs
— Drucksache 8/2677 -
Überweisungsvorschlag des .Ältestenrates:
Innenausschuß Rechtsausschuß
Die Begründung soll wohl mit der Aussprache verbunden werden. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miltner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute eingebrachte Gesetzentwurf der CDU/CSU will durch die Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuchs sicherstellen, daß das im Grundgesetz verankerte Versammlungsrecht nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen mißbraucht wird.Wenn das Versammlungsrecht bei der Bevölkerung nicht diskreditiert werden soll, muß es so ausgestaltet sein, daß gegen jene, die den Rechtsfrieden bei Demonstrationen stören, wirksam vorgegangen werden kann. Das Strafrecht ist unter anderem für die Friedfertigen da. Sie sollen die Gewißheit haben, daß es sich noch lohnt, gesetzestreu zu bleiben.
Darüber hinaus hieße es, die Polizei bei ihrer Aufgabe im Stich zu lassen, wenn der Gesetzgeber nicht seine Verantwortung auf diesem Gebiet wahrnähme.Wie Sie wissen, hat meine Fraktion bereits früher Vorschläge eingebracht. Sie sind jedoch abgelehnt worden. Der Gesetzentwurf ist daher ein Ceterum censeo. Wir wiederholen damit unsere eigenen Vorschläge, weil wir von der Notwendigkeit überzeugt sind.
Wir wollen verhindern, daß sich gewalttätige Demonstranten mit solchen Gegenständen versehen, die sie vor der Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei schützen sollen. Wir wollen auch verhindern, daß solche Gegenstände bereits auf dem Weg zu Demonstrationen mitgeführt werden. Wer sich bei Demonstrationen hinter Tüchern und Masken versteckt, offenbart damit nach allzuhäufiger Erfahrung seine Absicht, unerkannt und unerkennbar Gewalt zu üben. Jeder hier im Haus kennt die Bilder12794 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch. den 20. Juni 1979Dr. Miltnergewaltsamer Demonstrationen, die z. B. in Grohnde, Brokdorf oder Frankfurt stattgefunden haben. — Dort sind gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei von vornherein eingeplant und teilweise sogar strategisch vorbereitet worden. Dem müssen wir durch Vorschriften besser als bisher vorbeugen.Durch die vorgesehenen Regelungen soll für die Versammlungsteilnehmer wie auch für die Polizei besser als bisher unzweideutig festgelegt werden, daß das Grundrecht der Versammlungsfreiheit durch ein Verhalten wie bei den genannten Demonstrationen verletzt und mißbraucht wird. Das Grundrecht gilt ausdrücklich nur für die friedliche Versammlung. Es handelt sich bei unserem Vorschlag also um keine Einschränkung dieses Grundrechts, sondern lediglich um eine wichtige Klarstellung dessen, was zur rechtmäßigen Ausübung des Versammlungsrechts gehört und was nicht dazu gehört.
Der Mißbrauch des Versammlungsrechts soll nach unserem Vorschlag auch strafrechtlich geahndet werden. Es soll unter anderem die Bestimmung des Landfriedensbruchs dahin gehend ergänzt werden, daß sich auch derjenige strafbar macht, der sich einer Menschenmenge anschließt oder sich nicht aus ihr entfernt, obwohl aus dieser Menschenmenge heraus erkennbar Gewaltakte verübt werden.Unsere Vorschläge in diesem Gesetzentwurf stützen sich auf die Erfahrungen der Polizei bei den bisherigen gewaltsamen Demonstrationen. Diese Erfahrungen sind nach unserer Auffassung von der Koalition bisher weitgehend in den Wind geschlagen worden. Wir hoffen jedoch, daß mit der Beratung dieses Entwurfs die Einsicht bei der Koalition wächst.Die Polizeipräsidenten im Bundesgebiet haben schon vor neun Jahren davor gewarnt, das Demonstrationsrecht so, wie geschehen, zu liberalisieren. Die Koalition hat darauf nicht hören wollen, weil sie sich die Gelegenheit zu sogenannter liberaler Profilierung nicht entgehen lassen mochte, ohne Rücksicht darauf, daß sie in Wahrheit nur die Verantwortung abschob; denn selbstverständlich wird von der Polizei erwartet, daß sie gewalttätige Demonstrationen verhindert. Nur die Mittel dazu werden eingeschränkt. Diese Erkenntnis der Polizei gilt auch heute noch, eben ergänzt durch eine Reihe von Erfahrungen.Die Taktik der aktiven Gewalttäter bei Demonstrationen ist uns allen bekannt: Die Menge aus Sympathisanten oder Neugierigen wird als Deckung und Abschirmung für ihre Gewaltaktionen mißbraucht. Erst wenn sich diese Bürger wohlwissend, also vorsätzlich, als Schutzwall für die Schläger vor die Polizei stellen, um Gewalttäter vor dem Zugriff der Polizei zu schützen und ihnen die Gewaltaktionen zu ermöglichen, ist dieses Verhalten nicht weniger schädlich und strafwürdig als das Verhalten der Gewalttäter selbst. Wer bei einem Einbruch Schmiere steht, wird als Einbruchstäter behandelt. Eine Verharmlosung dieses Unrechtsgehalts hat uns nie überzeugen können. Als ob wir etwa den Bürger bestrafen wollten, der an einer Demonstration teilnimmt, aus der heraus später Gewaltakte begangen werden! Wir wollen erst dann die strafrechtliche Ahndung, wenn strafbare Handlungen durch das abschirmende Verhalten ermöglicht werden, der Zugriff der Polizei verhindert wird und das auch dem Täter bewußt ist. Insoweit müssen wir natürlich die unsinnige Behauptung von der Kriminalisierung des friedlichen Bürgers zurückweisen.Ein solches Verhalten als Landfriedensbruch zu ahnden entspricht — wie im übrigen Strafrecht — dem Grundsatz, daß der Mittäter die gleiche Strafe verdient. Wir sind der Auffassung, daß es mit einer Ahndung dieses Verhaltens als Ordnungswidrigkeit nicht abgetan ist.Für die Polizei ist dies ein unerträglicher Zustand. Bei gewaltsamen Demonstrationen steht die Polizei vor einem nahezu undurchdringbaren Kordon von Helfershelfern, die die Rädelsführer und Schläger abschirmen. Gegen diejenigen, die die Gewaltaktionen ermöglichen und den Zugriff der Polizei verhindern wollen, soll nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz, also nach dem Opportunitätsprinzip, vorgegangen werden. Wir verlangen mit der bisherigen Regelung praktisch, daß sich die Polizei zu den Gewalttätern durchprügelt. Sie muß ja gegen die Strafyyyyyytäter vorgehen, und zwar in erster Linie. Bei derartigen Situationen läßt es der Gesetzgeber also zu, daß die Polizei ihrem Auftrag nicht oder kaum mehr nachkommen kann.Die große Demonstration im November vergangenen Jahres in Frankfurt hat uns wieder gezeigt, welcher persönlich bedrohlichen Lage der einzelne Polizist bei Straßenschlachten ausgesetzt ist. Die „Frankfurter Rundschau" zum Beispiel brachte damals als Überschrift über ihren Bericht die Aussage der Polizei — ich zitiere —: „Wir hatten Todesangst". Am vergangenen Wochenende konnte in Frankfurt gerade noch eine große Demonstration, die mit Sicherheit zu gewaltsamen Ausschreitungen geführt hätte, verboten und in der beabsichtigten, auf Konfrontation angelegten Form verhindert werden. Wir müssen auch weiterhin damit rechnen, daß unsere Polizei in eine äußerst schwierige Lage gebracht werden kann und daß das Demonstrationsrecht gerade bei dieser Rechtslage allzu gern für gewaltsame Ausschreitungen mißbraucht wird.Wir als Gesetzgeber sollten diese Situation erfassen und die auf dem Spiele stehenden Grundrechte gegeneinander abwägen. Wer durch gewaltsame Aktionen das Versammlungsrecht mißbraucht, kann sich nicht mehr darauf berufen, daß ihm ein Grundrecht vorenthalten wird, zumal er selber das Grundrecht eines anderen in erheblichem Maße verletzt. Wenn der Gesetzgeber hier versagt, dann zeigt er allenfalls ein nur scheinbares liberales Verhalten, und das auch noch auf Kosten des Lebens und der Gesundheit unserer Polizeibeamten. Unsere Polizeibeamten, die sich für die Durchführung und Inanspruchnahme des Versammlungsrechts einsetzen, haben Anspruch darauf, daß ihr Berufsrisiko nicht ohne Not vergrößert wird. Im Interesse des Grundrechtes der freien Meinungsäußerung und des Demonstrationsrechtes sind wir von der CDU/CSU der Auffassung, daß die gesetzlichen Regelungen, die wir vor-
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Dr. Miltnergeschlagen haben, durch den Bundestag beschlossen werden sollten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pensky.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches auf Drucksache 8/2677 macht die Opposition in dieser Legislaturperiode zum dritten Male einen Anlauf, um mit einem etwa wortgleichen Vorschlag Gesetzesänderungen zu erreichen, für die es bisher nach eingehenden Erörterungen zu Recht keine Mehrheit im Deutschen Bundestag gegeben hat. Zuletzt wurde über den Gesetzeskomplex an dieser Stelle vor zwölf Monaten im Zusammenhang mit dem sogenannten Zweiten Antiterrorgesetz ausgiebig diskutiert.
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU erweckt den Eindruck — der Kollege Miltner hat es eben hier noch einmal unterstrichen —, mit ihm solle die sogenannte passive Bewaffnung verboten werden. Herr Kollege Miltner, haben Sie denn nicht mitgekriegt, daß der Eindruck, den Sie vermitteln, sachlich völlig falsch ist? Denn bereits durch die Änderung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge vom 25. September 1978 ist die sogenannte passive Bewaffnung verboten worden. Wahrscheinlich finden Sie sich in Ihrem ganzen Papierkram, den Sie produzieren, nicht mehr zurecht. Denn in § 2. Abs. 3 des Versammlungsgesetzes heißt es — ich zitiere —:
Niemand darf bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, mit sich führen, ohne dazu behördlich ermächtigt zu sein.
Herr Kollege, gestatten. Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Miltner?
Des Herrn Kollegen Miltner immer.
Zur Aufklärung eines Mißverständnisses, Herr Kollege: darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß ich von Gegenständen gesprochen habe, die vor der Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Polizei schützen sollen, und sonst nichts?
Das ist alles darin enthalten, Herr Kollege Miltner. Die in diesem Text enthaltene Formulierung „Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind" umgreift den Tatbestand der sogenannten passiven Bewaffnung.Was die Frage der Maskierung oder Unkenntlichmachung von Veranstaltungsteilnehmern angeht, soist in den Beratungen im Innenausschuß damals herausgearbeitet worden, daß für den Tatbestand der Maskierung oder Unkenntlichmachung klare Abgrenzungskriterien und Definitionen nicht gefunden werden konnten. Es war nicht möglich, klar zu definieren, ob z. B. ein Bauarbeiterhelm, ein Motorradhelm oder eine Arbeitskleidung im weitesten Sinne nicht den Tatbestand der Maskierung oder Unkenntlichmachung erfüllen könnten. Dieser Tatsache hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes eine neue Fassung gegeben, die wie folgt lautet — ich möchte sie Ihnen hier noch einmal zu Ohren bringen —:Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.Auf Grund dieser Formulierung kann die Behörde anordnen, daß bei einer bestimmten Versammlung bestimmte Verkleidungen, Maskierungen oder ähnliches zu unterlassen sind. Wird dagegen verstoßen, so kann in einem solchen Falle die Versammlung oder der Aufzug verboten werden.Bevor überhaupt an eine Novellierung gedacht werden kann, muß zunächst einmal abgewartet werden, ob die in dieser Form gefundene Regelung in der Praxis ausreicht. Das Gesetz ist ja erst seit dem 1. Oktober 1978 in Kraft. Wir haben bis jetzt keinen Zweifel, daß das Ergebnis positiv ist.Die im Gesetzentwurf der CDU/CSU vorgeschlagene Einfügung eines § 23 in das Versammlungsgesetz ist bereits im Innenausschuß vor zwölf Monaten nach Sachverständigenanhörungen abgelehnt worden, weil diese Regelung polizeilich nicht durchsetzbar ist. Darüber hinaus ist festzustellen, daß es der Einfügung eines § 23 (neu) in das Versammlungsgesetz, der die öffentliche Aufforderung, sich an einer verbotenen Versammlung zu beteiligen, unter Strafe stellt, nicht bedarf. Seit der Reform des Demonstrationsstrafrechtes im Jahre 1970, auf das Sie soeben angespielt haben, ist die Zahl der unfriedlichen Demonstrationen drastisch zurückgegangen. Es ist nicht jenes Horrorbild entstanden, wie Sie es damals prophezeit haben. Waren noch 1970 von 2 253 Demonstrationen 813 unfriedlich, so waren es im Jahre 1977 von 2 877 — also mehr Demonstrationen insgesamt — nur noch 250, die unfriedlich verlaufen sind. In den Jahren dazwischen lag die Zahl der unfriedlichen Demonstrationen meistens unter 200 im Jahr.
— Diese Statistik spricht aber deutlich dafür, daß die Konzeption, für die wir uns damals entschieden haben, gewirkt hat: Wir haben die Schwelle, die zur Eskalation geführt hat, zurückgenommen, ohne aber eine weiche Welle einzuführen.Die Einführung verschärfter Strafbestimmungen und die Wiederbelebung des Straftatbestandes des Landfriedensbruches sind vor einem Jahr gleichfalls
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12796 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1979
Penskyausgiebig erörtert worden. In der Zwischenzeit liegen keine neuen Erkenntnisse über den gesamten Sachbereich vor. Es ist vielmehr so, daß man den Eindruck haben kann, als ob die CDU/CSU in Sachen Versammlungsrecht immer dann tätig wird, wenn in irgendeinem Teil unseres Landes Demonstranten unter Mißachtung des geltenden Rechts das Demonstrationsrecht ausüben und Gewalt anwenden. Zu den dann stereotyp erhobenen Forderungen der Union gehört, jedermann zu verpflichten, eine gewaltsam werdende Demonstration sofort zu verlassen, weil er sich sonst des Landfriedensbruches schuldig mache. Die Folge einer solchen — im wahrsten Sinne des Wortes — Verschärfung des Rechts wäre, daß man sich, wenn man diejenigen, die das Friedensgebot bei Demonstrationen mißachten, nicht festnehmen kann, an denen schadlos hält, die ihr Demonstrationsrecht friedlich wahrnehmen wollen.Nun, Anträge der vorliegenden Art, meine Damen und Herren, zeigen, daß sich die CDU/CSU bei einer möglichen Entscheidung zwischen der Freiheit des Bürgers und der Macht des Staates im Zweifelsfall für die Macht des Staates und gegen die Freiheit des Bürgers festlegt. Das wollen wir nicht!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Verehrte Kollegen von der Opposition, ich glaube, Ihr Entwurf braucht nicht zu befürchten, daß er dem Andrang der Gedankenfülle nicht standhalten könnte. Denn wir haben gerade von dem Kollegen Pensky sehr kompetent gehört, wie oft und wie intensiv wir diese Problematik — innerhalb des Ausschusses, innerhalb des Plenums und auch, und zwar mit eingehenden Erörterungen, innerhalb des Bundesrates — diskutiert haben. Ich meine also, daß die Position des Ceterum censeo hier vielleicht doch nicht die
richtige ist. Sie hat sich ja beim alten Cato auf Karthago bezogen.
— So ist es. — Dort sollte etwas zerstört werden, während Sie hier etwas bewahren wollen. Insoweit ist der Bezug vielleicht etwas problematisch.
Ich sehe also nicht so ganz, warum Sie hier vielleicht nicht doch Alternativen übernehmen könnten. In Ihrem Entwurf steht: Alternativen — keine. Ich meine: Alternativen — doch, nämlich es so zu belassen, wie es jetzt ist. Denn wir haben in unserem Versammlungsrecht die Möglichkeit, den Besonderheiten einer Demonstration mit Auflagen in flexibler Weise Rechnung zu tragen. Das wollen wir Liberalen in dieser Form auch beibehalten.
Wir werden uns der Überweisung nicht entgegenstellen, aber wir sollten doch alle einen Beitrag dazu leisten, daß die Gesetzesflut, die von uns allen — auch von Ihnen — beklagt wird, Ausschüsse und Plenum nicht noch zusätzlich und unnötig beschäftigt. Insofern appelliere ich an Sie, solche Gesetzentwürfe in Zukunft mit etwas mehr neuem Inhalt anzureichern.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung der Vorlage an den Innenausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß — mitberatend —. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Wir sind damit am Ende unserer heutigen Beratungen.
Ich berufe das Haus auf morgen, Donnerstag, den 21. Juni, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.