Protokoll:
8128

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 128

  • date_rangeDatum: 18. Januar 1979

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:15 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/128 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 128. Sitzung Bonn, Donnerstag, 18. Januar 1979 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Scheu 9947 A Eintritt des Abg. Walkhoff in den Deutschen Bundestag 9947 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Brandt und Schmidt . . . 9947 D, 9948 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9948 A Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche nach dem 21. Januar 1979 9948 B Wahl des Abg. Dr. Schachtschabel zum Mitglied des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank 9948 C Erweiterung der Tagesordnung . . . 9948 C Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Zukunftschancen der jungen Generation — Drucksache 8/2045 — Pfeifer CDU/CSU . . . . . . . . 9948 D Wüster SPD 9955 B Frau Schuchardt FDP 9959 A Dr. Schmude, Bundesminister BMBW . 9964 B Klein (München) CDU/CSU 9970 D Fiebig SPD 9973 A Eimer (Fürth) FDP 9976 A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 9978 A Wissmann CDU/CSU 9981 C Beratung des Vierten Jugendberichts der Bundesregierung — Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in der Bundesrepublik Deutschland — Konsequenzen für Jugendhilfe und Jugendpolitik — Drucksache 8/2110 — Zander, Parl. Staatssekretär BMJFG . . . 10002 C Kroll-Schlüter CDU/CSU . . . . . . 10005 D Marschall SPD 10009 B Spitzmüller FDP 10012 A Frau Karwatzki CDU/CSU 10014 A Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr — Drucksache 8/2453 — Buschfort, Parl. Staatssekretär BMA . . 10016 A Geisenhofer CDU/CSU 10018 A Glombig SPD 10020 A Hölscher FDP 10022 C Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller (Remscheid), Dr. Blüm, Zink, Dr. Becker (Frankfurt), Pohlmann, Frau Dr. Neumeister, Franke, Vogt (Düren), Burger, Stutzer, Hasinger, Kroll-Schlüter, Braun und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte — Drucksache 8/2387 — Müller (Remscheid) CDU/CSU . . . . . 10024 C Frau Steinhauer SPD . . . . . . . 10025 D Schmidt (Kempten) FDP 10027 B Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Narjes, Grunenberg, Angermeyer, Dr. Corterier, Ewen, Dr. von Geldern, Kittelmann, Rapp (Göppingen), Dr. Wittmann (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 8/2363 — . . . . . . . 10028 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Juli 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Argentinischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/2434 — . . . . . . . 10028 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Durchführung des Abkommens vom 7. Januar 1976 über Soziale Sicherheit — Drucksache 8/2435 — . . . . . . . 10028 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über den Luftverkehr — Drucksache 8/2436 — 10028 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 17. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Autobahnbrücke über den Rhein zwischen Steinenstadt und Ottmarsheim sowie über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Weil am Rhein und Hüningen — Drucksache 8/2437 — . . . . . . . 10028 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr — Drucksache 8/2366 — . . . . . . . 10028 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Übereinkommen Nr. 144 der Internationalen Arbeitsorganisation über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen Empfehlung 152 betreffend dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen und innerstaatlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Internationalen Arbeitsorganisation . — Drucksachen 8/1849, 8/2354 (neu) — . . 10028 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 10 02 Tit. 656 51 — Altershilfe für Landwirte — im Haushaltsjahr 1978 — Drucksachen 8/2189, 8/2431 — . . . . 10029 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Bundeseigene Liegenschaft in Karlsruhe, Erbprinzenstraße 17 / Blumenstraße 2 a hier: Veräußerung an das Land Baden-Württemberg — Drucksache 8/2443 — . . . . . . . 10029 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 8/2472 — 10029 C Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 III Fragestunde — Drucksache 8/2464 vom 12. 01. 1979 — Aktivitäten der südafrikanischen Foreign Affairs Association in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A107 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Corterier SPD MdlAnfr A108 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Corterier SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 9984 C, D ZusFr Dr. Corterier SPD 9984 D Weigerung der polnischen Regierung zur Entgegennahme von Interventionsnotizen für ausreisewillige Deutsche MdlAnfr A109 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 9985 A, B, C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 9985 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 9985 C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 9985 D Verhandlungen mit der rumänischen Regierung zur Reduzierung der Fristen bei der Gewährung einer Heiratserlaubnis MdlAnfr A110 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 9986 A, B, C, D, 9987 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 9986 B ZusFr Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . 9986 C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 9986 D ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 9987 A ZusFr Berger (Lahnstein) CDU/CSU . . 9987 B Unzulängliche Betreuung von der Schneekatastrophe in Dänemark betroffener deutscher Urlauber durch das deutsche Generalkonsulat, Gewährleistung der ständigen Besetzung der Konsulate und Botschaften MdlAnfr A111 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Simonis SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 9987 B, C ZusFr Frau Simonis SPD 9987 C Verzicht der Bundesregierung auf Vorwegnahme einer friedensvertraglichen Regelung für einen gesamtdeutschen Staat bei den Verhandlungen mit Polen MdlAnfr A116 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 9987 D, 9988 A, B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . 9987 D, 9988 B Maßnahmen der Bundesregierung zur Ermöglichung einer internationalen Hilfsaktion für die Flüchtlinge aus Vietnam MdlAnfr A113 12.01.79 Drs 08/2464 Gerster (Mainz) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 9988 C, D, 9989 A, B, C ZusFr Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . . 9988 D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . . . . 9989 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . . 9989 B ZusFr Gansel SPD . . . . . . . . . 9989 B Abschöpfung der sogenannten Windfall-profits aus den Preis- und Wettbewerbsvorteilen der Unternehmen mit inländischer Erdöl- und Erdgasförderung durch eine Verbrauchsteuer MdlAnfr A33 12.01.79 Drs 08/2464 Gobrecht SPD MdlAnfr A34 12.01.79 Drs 08/2464 Gobrecht SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 9989 C, D, 9990 A, B, C, D, 9991 A ZusFr Gobrecht SPD . . . 9989 D, 9990 A, D ZusFr Wolfram (Recklinghausen) SPD . 9990 A, D ZusFr Dr. Steger SPD . . . . 9990 B, 9991 A ERP-Mittel für die Kraftwerkunion als Zuschüsse für Exporte nach Brasilien MdlAnfr A35 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Simonis SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . 9991 B, C, D ZusFr Frau Simonis SPD 9991 C, D Lieferung von Handschellen und Schlagstöcken mit Elektroschockwirkung an den Iran MdlAnfr A36 12.01.79 Drs 08/2464 Gansel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . 9992 A, B, C, D, 9993 A, B ZusFr Gansel SPD . . . . . . . . 9992 B, C ZusFr Frau Simonis SPD 9992 D ZusFr Hansen SPD 9993 A ZusFr Jungmann SPD 9993 B Exporterlaubnis für die Lieferung von Schnellfeuergewehren an den Iran; Gewährung einer staatlichen Ausfallbürgschaft MdlAnfr A37 12.01.79 Drs 08/2464 Jungmann SPD IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 MdlAnfr A38 12.01.79 Drs 08/2464 Jungmann SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 9993 C, D, 9994 A, B, C ZusFr Gansel SPD . . . . . 9993 C, 9994 C ZusFr Hansen SPD . . . . . . . . . 9994 A ZusFr Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . 9994 B Beantwortung der Frage des BDI nach Einzelheiten der Berichterstattung über den EG-Verhaltenskodex für Südafrika durch die Bundesregierung MdlAnfr A115 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Erler SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . . 9994 D, 9995 A, B, C, D ZusFr Frau Erler SPD 9995 A, B ZusFr Dr. Corterier SPD 9995 C ZusFr Hansen SPD 9995 D Förderung des Anbaus von Weinreben in der EG MdlAnfr A41 12.01.79 Drs 08/2464 Schartz (Trier) CDU/CSU MdlAnfr A42 12.01.79 Drs 08/2464 Schartz (Trier) CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 9996 A, B, C, D, 9997 A, B, C ZusFr Schartz (Trier) CDU/CSU . . 9996 A, B, D, 9997 A ZusFr Broll CDU/CSU . . . . . . . . 9997 B ZusFr Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . 9997 C Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze für beschränkt Arbeitsfähige sowie Anerkennung des Fehlens dieser Arbeitsplätze als Grund für die vorgezogene Rente MdlAnfr A45 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Enders SPD MdlAnfr A46 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Enders SPD Antw PStSekr Buschfort BMA 9997 D, 9998 A, B ZusFr Dr. Enders SPD 9998 B Vorlage eines Arbeitsbeschaffungsprogramms zur sozialen Wiedereingliederung ehemaliger Drogenabhängiger MdlAnfr A49 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Laufs CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA 9998 C, 9999 A, B ZusFr Dr. Laufs CDU/CSU . . . . . . 9999 A ZusFr Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . 9999 B Minderung der militärischen Fluglärmprobleme in Südwestdeutschland MdlAnfr A55 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Friedmann CDU/CSU Antw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . . 9999 C, D, 10000 A ZusFr Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . 9999 D Vereinbarkeit der Warnung von NATO-Oberbefehlshaber General Haig vor den Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion mit der von der Bundesregierung erklärten Entspannungsbereitschaft der Sowjetunion MdlAnfr A57 12.01.79 Drs 08/2464 Engelsberger CDU/CSU Antw PStSekr Dr. von Bülow BMVg .10000 A, C, D, 10001 A ZusFr Engelsberger CDU/CSU . . . .10000 B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 10000 D Kosten für die Ausbildung in der Krankenpflege MdlAnfr A61 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Funcke FDP Antw PStSekr Zander BMJFG . . . .10001 A, B ZusFr Frau Funcke FDP 10001 B Rechtliche Vorschrift für die Verwendung kindersicherer Verschlüsse für Arzneimittel und sogenannte Haushaltsgifte MdlAnfr A63 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD MdlAnfr A64 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD Antw PStSekr Zander BMJFG . . . .10001 C, D, 10002 A, B, C ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . 10001 D, 10002 A, B Nächste Sitzung 10029 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 10031* A Anlage 2 Tarifliche und stellenplanmäßige Gleichbehandlung der Beamten des Bundesgrenzschutzes und der Bundeszollverwaltung MdlAnfr A5 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Matthäus-Maier FDP MdlAnfr A6 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Matthäus-Maier FDP SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 10031* C Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 V Anlage 3 Wirksamere Kontrolle der Lagerung und des Transports gefährlicher Güter MdlAnfr A9 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 10032* A Anlage 4 Einführung der Gefährdungshaftung bei Verkehrsunfällen mit Kindern bis zu zehn Jahren MdlAnfr A22 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 10032* C Anlage 5 Vorlage des Berichts über die mit dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz gemachten Erfahrungen MdlAnfr A23 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 10033* A Anlage 6 Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Entschädigung der während des NS-Regimes zwangssterilisierten Bürger MdlAnfr A27 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 10033* A Anlage 7 Reserveflächen an Natur in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A39 12.01.79 Drs 08/2464 Conradi SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML 10033* C Anlage 8 Aussagen des Bundeskanzlers über den Gemeinsamen EG-Agrarmarkt MdlAnfr A40 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML 10034* A Anlage 9 Sicherung des „Rechts auf Arbeit" gemäß den Vorstellungen des Hamburger Bürgermeisters Klose MdlAnfr A43 12.01.79 Drs 08/2464 Biehle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 10034* B Anlage 10 Vermeidung der Arbeitslosigkeit von Dienstverordnungsangestellten wegen Auflösung ihrer Krankenkasse MdlAnfr A44 12.01.79 Drs 08/2464 Bühling SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 10034* C Anlage 11 Höhe der Gesamtkosten und der Personalkosten im Bereich des Krankenhauses in den Jahren 1977/1978 sowie Erhöhung der Personalkosten bei Einführung der 35-Stunden-Woche in Krankenhäusern MdlAnfr A47 12.01.79 Drs 08/2464 Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU MdlAnfr A48 12.01.79 Drs 08/2464 Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 10035*A Anlage 12 Warnung vor der Veröffentlichung einer die überdurchschnittliche geistige Leistungsfähigkeit der aus Bayern stammenden Wehrpflichtigen feststellenden Untersuchung durch Bundesminister Dr. Apel MdlAnfr A50 12.01.79 Drs 08/2464 Biehle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 10035*C Anlage 13 Erhöhung des Triebwerkschubs zur Kampfwertsteigerung des „Alpha-Jets"; finanzielle Aufwendungen für die Beseitigung der Mängel bei der MRCA MdlAnfr A51 12.01.79 Drs 08/2464 Weiskirch (Olpe) CDU/CSU MdlAnfr A52 12.01.79 Drs 08/2464 Weiskirch (Olpe) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 10035* D Anlage 14 Konsequenzen aus den Verhaltensstörungen von Kindern bei häufiger Versetzung der Eltern für die Häufigkeit der Versetzung von Soldaten der Bundeswehr MdlAnfr A56 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Krone-Appuhn CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 10036* C Anlage 15 Produktion von Gaskampfstoffen und deren Erprobung durch die Armee der DDR MdlAnfr A 58 12.0139 Drs 08/2464 Böhm (Melsungen) CDU/CSU VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 MdlAnfr A59 12.01.79 Drs 08/2464 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 10036* C Anlage 16 Übergangsfrist für die Unterstellung von Arzneimitteln unter die Verschreibungspflicht MdlAnfr A60 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10036* D Anlage 17 Verbot der Vergabe von Arzneimittelmustern an Ärzte MdlAnfr A62 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Jens SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10037* A Anlage 18 Bestandsaufnahme in der Gesundheitserziehung MdlAnfr A65 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Geßner SPD . MdlAnfr A66 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Geßner SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10037* C Anlage 19 Schutz des Bocksbeutels gegenüber ähnlichen Flaschenformen aus Portugal bei dessen Anschluß an die EG MdlAnfr A67 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Bötsch CDU/CSU MdlAnfr A68 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Bötsch CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10037* D Anlage 20 Verbot clofibrathaltiger Arzneimittel durch das Bundesgesundheitsamt MdlAnfr A69 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU MdlAnfr A70 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10038* B Anlage 21 Standpunkt der Bundesregierung und des Bundesgesundheitsamtes in der Diskussion über die Gesundheitsgefährdung durch Biergenua MdlAnfr A71 12.01.79 Drs 08/2464 Glos CDU/CSU MdlAnfr A72 12.01.79 Drs 08/2464 Glos CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10038* D Anlage 22 Verunsicherung der Bevölkerung durch die Diskussion über die Gesundheitsgefährdung durch Biergenua MdlAnfr A73 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Riedl (München) CDU/CSU MdlAnfr A74 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Riedl (München) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10039* A Anlage 23 Nachweis der krebserregenden Substanz Nitrosamin im Bier durch Untersuchungen im Krebsforschungszentrum in Heidelberg MdlAnfr A75 12.01.79 Drs 08/2464 Kirschner SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 10039* B Anlage 24 Förderung und Koordinierung der deutschen Krebsforschung MdlAnfr A76 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Steger SPD MdlAnfr A77 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Steger SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 10039* D Anlage 25 5 Änderung der Beförderungsbedingungen der Lufthansa unter Berücksichtigung des AGB-Gesetzes MdlAnfr A78 12.01.79 Drs 08/2464 Heyenn SPD MdlAnfr A79 12.01.79 Drs 08/2464 Heyenn SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 10040* B Anlage 26 Einbau von Katalysatoren zur Reinigung von Autoabgasen MdlAnfr A80 12.01.79 Drs 08/2464 Wolfram (Recklinghausen) SPD MdlAnfr A81 12.01.79 Drs 08/2464 Wolfram (Recklinghausen) SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 10040* D Anlage 27 Vereinheitlichung der Verschlußsysteme von Autosicherheitsgurten MdlAnfr A82 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Ahrens SPD Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 VII MdlAnfr A83 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Ahrens SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 10041* A Anlage 28 Austausch der Boeing 737 gegen den Airbus durch die Deutsche Lufthansa MdlAnfr A84 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Dr. Hartenstein SPD MdlAnfr A85 12.01.79 Drs 08/2464 Frau Dr. Hartenstein SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 10041* B Anlage 29 Gefährdung der Kinder im Straßenverkehr MdlAnfr A86 12.01.79 Drs 08/2464 Menzel SPD MdlAnfr A87 12.01.79 Drs 08/2464 Menzel SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 10041* C Anlage 30 Umfang der Kiesentnahmen in der Rheinebene für die Rheinstaustufe Iffezheim; Verzicht auf den Bau einer Rheinstaustufe bei Au/Neuburgweier MdlAnfr A88 12.01.79 Drs 08/2646 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 10042* A Anlage 31 Gefährdung der Sicherheit des Luftverkehrs durch den Einsatz von fliegerisch und charakterlich ungeeigneten Flugzeugführern im Bedarfsluftverkehr MdlAnfr A89 12.01.79 Drs 08/2464 Hoffie FDP. MdlAnfr A90 12.01.79 Drs 08/2464 Hoffie FDP SchrAntw PStSekr Haar BMV 10042* B Anlage 32 Zulassung von Spikesreifen für Polizei-und Rettungswagen bei Glatteis MdlAnfr A91 12.01.79 Drs 08/2464 Pohlmann CDU/CSU MdlAnfr A92 12.01.79 Drs 08/2464 Pohlmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 10042* D Anlage 33 Aufrechterhaltung von Eisenbahnstrecken im Personenverkehr durch rationelleren Be- trieb; Ausbau des Eisenbahnverkehrs mit Nachbarländern angesichts der Einführung von Straßenverkehrsteuern MdlAnfr A93 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU MdlAnfr A94 12.01.79 Drs 08/2464 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 10042* D Anlage 34 Kostenlose Bereitstellung von Telefonanschlüssen für Notrufmelder durch die Bundespost MdlAnfr A97 12.01.79 Drs 08/2464 Kiechle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMP . . . . . 10043* B Anlage 35 Gewährung von Sonderurlaub zur Fortbildung von Jugendleitern durch die Oberpostdirektion Karlsruhe MdlAnfr A98 12.01.79 Drs 08/2464 Kroll-Schlüter CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMP . . . . .10043* C Anlage 36 Verzögerung der Sendebereitschaft des Mittelwellensenders Thurnau des Deutschlandfunks MdlAnfr A99 12.01.79 Drs 08/2464 Niegel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 10043* D Anlage 37 Bereitstellung finanzieller Mittel für Hilfen im Gesundheitswesen für die Dritte Welt durch die Bundesregierung sowie Gestaltung der Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation und mit nichtstaatlichen Institutionen MdlAnfr A100 12.01.79 Drs 08/2464 Spitzmüller FDP MdlAnfr A101 12.01.79 Drs 08/2464 Spitzmüller FDP SchrAntw PStSekr Brück BMZ 10044* A Anlage 38 Finanzielle Hilfe der Bundesregierung, ins- besondere aus Mitteln des BMZ, für die Flüchtlinge in Südostasien MdlAnfr A102 12.01.79 Drs 08/2464 Höffkes CDU/CSU MdlAnfr A103 12.01.79 Drs 08/2464 Höffkes CDU/CSU SchrAntw PStSekr Brück BMZ . . . . . 10045* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 9947 128. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 124. Sitzung, S. 9705 C: Im zweiten Absatz ist in der vierten Zeile nach dem Wort „hat" ein Komma zu setzen. Nach dem Zuruf des Abg. Helmrich ist statt „Verbesserung des Verbraucherschutzes" zu lesen: „ein wichtiges Stück Verbraucherschutz". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 19. 1. Dr. van Aerssen * 19. 1. Dr. Ahrens** 19. 1. Dr. Aigner * 19. 1. Alber * 19. 1. Dr. Arnold 19. 1. Dr. Bangemann * 19. 1. Dr. Bayerl * 19. 1. Blumenfeld * 19. 1. Frau von Bothmer *** 19. 1. Brandt 26. 1. Büchner (Speyer) ** 18. 1. Ertl 19. 1. Fellermaier * 19. 1. Flämig * 19. 1. Dr. Früh * 19. 1. Dr. Fuchs * 19. 1. Haase (Fürth) * 19. 1. Handlos 19. 1. von Hassel *'* 19. 1. von der Heydt Freiherr von Massenbach 19. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 19. 1. Ibrügger * 19. 1. Dr. Jaeger 18. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) * 19. 1. Jung * 19. 1. Dr. h. c. Kiesinger 19. 1. Kittelmann 18. 1. Dr. Klepsch * 19. 1. Klinker * 19. 1. Koblitz 19. 1. Lange * 19. 1. Dr. Langguth 19. 1. Lemp * 19. 1. Lenzer *** 19. 1. Lücker * 19. 1. Luster * 19. 1. Dr. Müller *5* 19. 1. Müller (Berlin) 26. 1. Müller (Mülheim) * 19. 1. Müller (Wadern) * 19. 1. Dr. Müller-Hermann * 19. 1. Petersen 19. 1. Schmidt (München) * 19. 1. Schmidt (Würgendorf) 19. 1. Dr. Schmitt-Vockenhausen 26. 1. Schreiber * 19. 1. Dr. Schröder (Düsseldorf) 26. 1. Schröder (Wilhelminenhof) 19. 1. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 19. 1. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme . an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Schwörer * 19. 1. Seefeld * 19. 1. Sieglerschmidt* 19. 1. Dr. Starke (Franken) * 19. 1. Ueberhorst *** 19. 1. Frau Dr. Walz * 19. 1. Wawrzik * 19. 1. Dr. von Weizsäcker 19. 1. Würtz * 19. 1. Ziegler 19. 1. Zywietz * 19. 1. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier (FDP) (Drucksache 8/2464 Fragen A 5 und 6) : Wie beurteilt die Bundesregierung die wiederholten Forderungen des Bundes der Deutschen Zollbeamten nach tariflicher und stellenplanmäßiger Gleichbehandlung von Beamten des Bundesgrenzschutzes und der Bundeszollverwaltung, die damit begründet werden, daß Beamte der Zollverwaltung neben ihren originären Aufgaben im Zollbereich in großem Umfang auch grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehmen? Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten, diesen Forderungen des Bundes der Deutschen Zollbeamten nachzukommen? Es ist zutreffend, daß die Zollverwaltung auf Grund des § 62 des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz durch die Verordnung über die Übertragung von Grenzschutzaufgaben auf die Zollverwaltung vom 25. März 1975 auch grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt. Festzuhalten bleibt indes, daß die Zollverwaltung die Steuer- und Außenwirtschaftsverwaltung des Bundes ist und daß sich ihre Aufgaben somit grundsätzlich von denen des Bundesgrenzschutzes unterscheiden. Soweit Beamte der Zollverwaltung Aufgaben des Bundesgrenzschutzes wahrnehmen,. üben sie diese Funktionen unter der Fachaufsicht des BGS aus Gründen der Wirtschaftlichkeit neben ihren Obliegenheiten nach dem Steuer- und Außenwirtschaftsrecht aus; ihre Tätigkeit ist deshalb nur teilweise identisch mit derjenigen der Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes. Zum Entwurf des Gesetzes über die Personalstruktur des Bundesgrenzschutzes, das die angesprochenen besoldungsmäßigen Verbesserungen für den Bundesgrenzschutz einführte, hat die Bundesregierung am 24. April 1974 festgestellt, daß es sich hierbei um polizeieigentümliche Regelungen handelt, die keine Wirkungen auf andere Bereiche haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Beamten des Grenzaufsichtsdienstes und des Grenzabfertigungsdienstes der Zollver- 10032* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 waltung seit dem 1. Januar 1974 in den Empfängerkreis der Polizeizulage einbezogen und damit insoweit den Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes gleichgestellt worden sind. Mit der Erweiterung des Empfängerkreises der Polizeizulage und insbesondere auch mit der Einbeziehung des Zollfahndungsdienstes in diese Zulagenregelung hat sich der Innenausschuß des Deutschen Bundestages bereits in seiner Sitzung am 10. Mai 1978 befaßt. Für eine abschließende Prüfung dieser Frage hat der Bundesminister des Innern am 30. Dezember 1978 dem BT-Innenausschuß einen Bericht erstattet und dabei den im Jahre 1976 erstatteten Bericht zur Polizeizulage fortgeschrieben. In diesem Ergänzungsbericht hat der Bundesminister des Innern den Vorschlag gemacht, den Empfängerkreis der Polizeizulage allenfalls um die Beamten und Soldaten zu erweitern, die überwiegend Funktionen wahrnehmen, die denen der Polizeivollzugsbeamten entsprechen. Hierzu gehören auch die Beamten des Zollfahndungsdienstes. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz (SPD) (Drucksache 8/2464 Frage A 9) : Was unternimmt die Bundesregierung oder was gedenkt sie zu unternehmen, um Umweltunfälle, insbesondere durch die gefährliche Lagerung von großen Mengen Ammoniumnitratdünger in brandgefährdeten Scheunen und durch die Transporte giftiger oder explosionsgefährdeter Güter auf unseren Straßen zu verhindern, und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Lagerung bzw. den Transport gefährlicher Güter wirksamer zu kontrollieren? Um Unfälle bei der Lagerung und beim Transport von gefährlichen Gütern zu verhindern, sind von der Bundesregierung eine Reihe von Rechtsvorschriften erlassen worden. So bestehen für die Lagerung von Ammoniumnitrat-Düngemitteln umfangreiche Vorschriften in der Verordnung über die gefährlichen Arbeitsstoffe vom 8. September 1975; ergänzt werden diese Vorschriften durch Technische Regeln, die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Bundesarbeitsblatt bekanntgemacht worden sind. Die Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe findet Anwendung, soweit bei der Lagerung von Ammoniumnitrat Arbeitnehmer beschäftigt werden. Hinsichtlich der Lagerung von explosionsgefährlichen Stoffen findet die Zweite Verordnung zum Sprengstoffgesetz vom 23. November 1977 Anwendung. Vorschriften über die Lagerung von giftigen Stoffen sind in der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe sowie in den Giftverordnungen der Länder enthalten. Für die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße hat der Bundesminister für Verkehr die Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße vom 10. Mai 1973 erlassen. Die Verordnung enthält keine Vorschriften hinsichtlich der Beförderung von ammoniumnitrathaltigen Düngemitteln, da eine Gefährdung während des Transports als gering anzusehen ist. Die Kontrolle über die Einhaltung der hier genannten Vorschriften liegt in der Zuständigkeit der Länder. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 22) : Wird die Bundesregierung den Vorschlag des 16. Deutschen Verkehrsgerichtstags aufgreifen, bei Verkehrsunfällen mit Kindern bis zu zehn Jahren, die reine Gefährdungshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit einzuführen mit der Maßgabe, daß die Haftungsausdehnung jedoch entfällt, sobald das verletzte Kind Leistungen von einem anderen Haftpflichtversicherer, einem Sozialversicherungsträger oder der öffentlichen Hand in Anspruch nehmen kann, und wenn nein, warum nicht? Der Schutz der Kinder gegen die Gefahren des Straßenverkehrs ist ein ständiges Anliegen der Bundesregierung. Sie begrüßt es daher nachdrücklich, daß der 16. Deutsche Verkehrsgerichtstag die Möglichkeiten untersucht hat, den Rechtsschutz von Kindern im Verkehr zu erhöhen. Die Empfehlung, bei Verkehrsunfällen mit Kindern bis zu zehn Jahren die reine Gefährdungshaftung • ohne Entlastungsmöglichkeit einzuführen, soweit das Kind nicht anderweitig Ersatz verlangen kann, wird zur Zeit noch geprüft. Schon das geltende Haftungsrecht deckt weitgehend die Schäden aus Kraftverkehrsunfällen mit Kindern ab. Die Rechtsprechung zu den einschlägigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Straßenverkehrsgesetzes stellt hohe Anforderungen an die gegenüber Kindern im Verkehr zu beachtende Sorgfalt. Die Bundesregierung hat die Versicherungswirtschaft um rechtstatsächliches Material zu der Frage gebeten, wie häufig die Fälle sind, in denen das geltende Haftungsrecht keine Entschädigung im Straßenverkehr verunglückter Kinder gewährleistet. Auch inhaltlich bedarf die vorgeschlagene Gesetzesänderung weiterer Überprüfung. Die empfohlene Subsidiarität der Haftung des Kraftfahrers könnte rechtssystematisch als unbefriedigend empfunden werden. Die schematische Festsetzung einer bestimmten Altersgrenze kann im Einzelfall zu Unbilligkeiten führen. Zu prüfen ist deshalb auch, ob die Entlastungsmöglichkeit nach dem Straßenverkehrsgesetz überhaupt gestrichen werden kann, der Kraftfahrer also auch im Falle eines unabwendbaren Ereignisses für die beim Betrieb seines Kraftfahrzeuges entstandenen Schäden durchgehend ohne Entlastungsmöglichkeit haften sollte. Diese Lösung würde im Grundsatz mit dem Europäischen Übereinkommen von 1973 über die zivilrechtliche Haftpflicht für die durch Kraftfahrzeuge verursachten Schäden in Einklang stehen, das von der Bundesregierung gezeichnet worden ist. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10033` Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Münster) (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 23) : Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung den seit langem erwarteten und am 1. Januar 1979 fälligen Bericht über die mit dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz gemachten Erfahrungen bisher noch nicht vorgelegt, und wann ist mit der Vorlage dieses Berichts zu rechnen? Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung bei der Verabschiedung des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes ersucht, nach Ablauf von vier Jahren seit dem Inkrafttreten des Gesetzes — also Anfang 1979 — über seine Auswirkungen zu berichten. Die Bundesregierung ist bestrebt, in dem Bericht so weit wie möglich noch die Entwicklung im vierten Jahr der Beobachtungsphase, dem Jahr 1978, zu berücksichtigen. Sie wird den Bericht fristgerecht vorlegen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 8/2464 Frage A 27) : Aus welchen rechtlichen oder sachlichen Erwägungen hat die Bundesregierung bisher darauf verzichtet, dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Entschädigung der durch Maßnahmen des NS-Regimes zwangssterilisierten Bürger vorzulegen, und ist in absehbarer Zeit mit der Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs zu rechnen? Nach geltendem Recht erhalten Personen, die auf Grund des Beschlusses eines sog. Erbgesundheitsgerichts sterilisiert worden sind, Schadensersatz für eingetretene Schäden, wenn eine Amtspflichtverletzung des Gerichts oder des Arztes vorliegt oder wenn die Sterilisation über die Unfruchtbarmachung hinaus zu Schäden geführt hat (Sonderopfer im Sinne des Aufopferungsrechts). Bei der Frage, ob Personen, die auf Grund des in der NS-Zeit geltenden Erbgesundheitsgesetzes sterilisiert worden sind, durch Gesetz über das geltende Recht hinaus neue Entschädigungsansprüche gewährt werden sollten, handelt es sich um ein vielschichtiges und schwieriges Problem. Die Sach- und Rechtslage ist in einem umfangreichen schriftlichen Bericht meines Hauses an den damaligen Wiedergutmachungsausschuß des Bundestages vom 1. Februar 1961 dargestellt, in mehreren eingehenden Beratungen dieses Ausschusses erörtert und in einem mündlichen Bericht eines Angehörigen meines Hauses im Januar 1965 in diesem Ausschuß dargestellt worden. Die Untersuchung der Gutachter hat ergeben, daß sich keine tragfähigen Grundlagen für eine Entschädigungsregelung finden lassen, bei der nur einem kleinen Kreis von sterilisierten Personen — etwa den Nicht-Geisteskranken — eine Entschädigung gewährt würde. Sie würde zwangsläufig zu einer Reihenuntersuchung aller Sterilisierten führen, einem Verfahren, von dem alle Sachverständige dringend abraten. Eine Entschädigung aller Sterilisierten als solcher ist so beurteilt worden, daß im Hinblick auf die Tatsache, daß auch schweres nationalsozialistisches Unrecht angesichts des ungeheuren Umfangs der NS-Schäden leider nicht immer entschädigt werden kann, nicht durchgeführt werden kann. Der gesamte Fragenkreis ist auch von den Gesundheitsministern (Senatoren) der Länder geprüft worden. Auch diese Prüfung hat zu dem Ergebnis geführt, daß die Länder aus den gleichen Gründen den zunächst erwogenen Gedanken einer neuen gesetzlichen Entschädigungsregelung aufgegeben haben. Aus diesen Gründen hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, durch den sterilisierten Personen neue Rechtsansprüche gewährt werden, dem Bundestag nicht vorgelegt. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 8/2464 Frage A 39) : Entspricht die in einer Anzeige der Bundesregierung verbreitete Aussage den Tatsachen, daß von den 248 000 qkm der Bundesrepublik Deutschland nur 10 v. H. bebaut und 90 v. H. Natur seien, oder gibt es vielmehr in Wirklichkeit — wie der Journalist Horst Stern in einer Kritik an der Anzeige der Bundesregierung meint (DFS 24. November 1978, Hier und Heute) — nur noch 5 v. H. nicht intensiv genutzter Fläche, also tatsächlicher Natur, und ist es demnach falsch, den Eindruck zu verbreiten, wir verfügten noch über riesige Reserveflächen an Natur? Es trifft zu, daß von der gesamten Fläche der Bundesrepublik Deutschland nur rund 10 % bebaut sind. In dieser Fläche sind neben den Grundstücksflächen für Wohn- und Wirtschaftsgebäude auch Verkehrsflächen enthalten. Die übrigen 90 % der Fläche gliedern sich nach der amtlichen Bodennutzungsstatistik wie folgt: Wald 29 % Landwirtschaftlich genutzte Fläche 53 % Moor, Ödland, Brachflächen 4 % Gewässer, Park und Grünanlagen 4 % Richtig ist somit, daß rund 4 % der gesamten Fläche Brachland, Ödland und Moor sind, d. h. nicht genutzt werden und damit im Sinne der Wissenschaft weitgehend natürlich sind. Darüber hinaus bilden aber auch der Wald und die landwirtschaftlich genutzte Fläche in ökologischer und ästhetischer Hinsicht einen scharfen Gegensatz zu den Siedlungsflächen. Diese 90 % der Gesamtfläche bil- 10034* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 den eine wichtige Grundlage für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere für die Ernährung; sie stellen zugleich den Raum dar, in dem unsere Bevölkerung Entspannung und Erholung findet. Gerade in der Erkenntnis der Gefahren unseres technischen Zeitalters um die Sicherung der ökologischen Leistungsfähigkeit sowie um die Bewahrung der Schönheit und Vielfalt der Landschaft hat dieses Hohe Haus, insbesondere in der Eingriffsregelung des § 8 Bundesnaturschutzgesetzes, ein Instrument geschaffen, um erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung von Natur und Landschaft zu verhindern, zu mindern oder auszugleichen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 40) : Hat der Bundeskanzler erklärt, der Gemeinsame EG-Agrarmarkt sei bereits degeneriert, und es gebe in Wirklichkeit schon lange keine gemeinsamen Agrarpreise mehr (DFS 22. Dezember 1978), und wenn ja, welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung daraus zu ziehen? Mir ist eine derartige Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht bekannt. Ihnen wird sicher nicht entgangen sein, daß die Probleme der gemeinsamen Agrarpolitik, insbesondere des eng mit der Agrarpreispolitik verbundenen Währungsausgleichs, in den letzten Tagen sehr intensiv innerhalb der Bundesregierung erörtert wurden. Innerhalb der Bundesregierung wurde dabei volle Übereinstimmung erzielt. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 43) : Beabsichtigt die Bundesregierung, die Vorstellungen des Hamburger Bürgermeisters Klose, das „Recht auf Arbeit" notfalls mit staatlichen Eingriffen zu sichern und „neue ökonomische Ansätze an den Bedürfnissen und Rechten der Menschen zu orientieren", aufzugreifen? Für die Bundesregierung ist die Wiedererlangung der Vollbeschäftigung vorrangige gesellschaftspolitische Aufgabe. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie seit Beginn der Rezession eine Reihe situationsgerechter wirtschafts-, finanz-, geld- und arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen getroffen, die — für sich selbst genommen oder in ihrer Kombination — durchaus neue Akzente gesetzt haben. Sie wird auch in Zukunft die Beschäftigungspolitik betreiben, die der jeweiligen arbeitsmarktpolitischen Situation angemessen ist und dem Ziel einer zügigen Wiedererreichung der Vollbeschäftigung gerecht wird. So verstehe ich auch die von Ihnen aus dem Zusammenhang herausgelöste Passage aus einem Diskussionsbeitrag von Bürgermeister Klose auf dem jüngsten SPD-Parteitag in Köln. Für die Bundesregierung ist ebenfalls selbstverständlich, daß sich — wie dies Bürgermeister Klose in seinem Debattenbeitrag formulierte — die Politik „an den Bedürfnissen und Rechten der Menschen" zu orientieren hat. Dies folgt zwingend aus dem Prinzip des sozialen Rechtsstaats. Der Bundespräsident hat diesen Sachverhalt in seiner Rede vor dem 11. Ordentlichen Bundeskongreß des DGB in sehr zutreffender Weise dargelegt, als er feststellte: „Ob es in der Verfassung steht oder nicht, es gibt ein Recht auf Arbeit. Und wenn Arbeitnehmer aus übergeordneten Gründen, aus übergeordneten Gesichtspunkten ihren Arbeitsplatz verlieren, so müssen Staat und Gesellschaft aus dem noch höheren Gesichtspunkt der Wahrung der Menschenwürde neue Arbeitsmöglichkeiten bieten." Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Bühling (SPD) (Drucksache 8/2464 Frage A 44) : Trifft es zu, daß Dienstordnungsangestellte arbeitslos werden können, wenn ihre Krankenkasse aufgelöst oder geschlossen wird, und beabsichtigt die Bundesregierung gegebenenfalls, diese Folgen aus der Auflösung einer Krankenkasse durch Änderung bzw. Klarstellung des § 290 RVO zu vermeiden? Die Reichsversicherungsordnung enthält Regelungen, die bei der Auflösung oder Schließung einer Krankenkasse den Besonderheiten des Rechtsverhältnisses der dienstordnungsmäßig Angestellten Rechnung tragen. Danach endet zwar das Rechtsverhältnis der dienstordnungsmäßig Angestellten zu ihrer Kasse drei Monate nach der Mitteilung über deren Schließung oder Auflösung. Die Angestellten haben dann jedoch gegen den Gemeindeverband (so bei Ortskrankenkassen) oder die Innung (so bei Innungskrankenkassen) grundsätzlich einen Anspruch auf eine ihren Fähigkeiten entsprechende anderweitige Verwendung. Solange diesem Verwendungsanspruch nicht entsprochen werden kann, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge. Außer den genannten Fällen gibt es auch dienstordnungsmäßig Angestellte bei den landwirtschaftlichen Krankenkassen und bei der Bundesknappschaft. Diese Versicherungsträger können nur durch Gesetz aufgelöst werden. Gegebenenfalls sind dann auch Bestimmungen über die Verwendung dieser dienstordnungsmäßig Angestellten zu treffen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10035* Bei den Betriebskrankenkassen stellt sich Ihre Frage nicht. Hier stellt der Arbeitgeber auf seine Kosten und Verantwortung das Kassenpersonal. Bei Schließung oder Auflösung einer Betriebskrankenkasse endet daher auch nicht automatisch das Beschäftigungsverhältnis zum Arbeitgeber. Die Bundesregierung sieht keinen aktuellen Anlaß, eine Änderung des § 290 der Reichsversicherungsordnung vorzuschlagen. Sie wird jedoch prüfen, ob die Vorschrift im Rahmen der Kodifizierung des Krankenversicherungsrechts im Sozialgesetzbuch weiter verbessert werden sollte. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 47 und 48) : Ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch sich die Ausgaben aller Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der übrigen Krankenversicherungen für die Krankenhausversorgung ihrer Versicherten in den Jahren 1977/78 beliefen und wie hoch jeweils der Personalkostenanteil einschließlich aller sogenannten Personalnebenkosten ist? Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse darüber, um wieviel sich der Personalkostenanteil an den Gesamtausgaben für den Bereich Krankenhaus erhöhen würde, wenn für alle im Kankenhaus Beschäftigten die 35-Stunden-Woche durch Tarifvertrag vereinbart würde? Zu Frage A 47: Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung haben für die Krankenhauspflege ihrer Versicherten im Jahre 1977 rd. 20,5 Mrd DM ausgegeben; Angaben für das Jahr 1978 werden frühestens im März 1979 vorliegen. Die Ausgaben der Unternehmen der privaten Krankenversicherung für Krankenhausleistungen betrugen im Jahre 1977 nach Angaben des Verbandes der privaten Krankenversicherung rd. 2,6 Mrd DM (einschließlich Honorare an Krankenhausärzte sowie Leistungen aus Krankenhaustagegeldversicherungen) ; die Werte für das Jahr 1978 liegen ebenfalls noch nicht vor. Der Anteil der Personalkosten an den gesamten laufenden Kosten (ohne Investitionskosten) liegt nach den vorliegenden Erkenntnissen in der Größenordnung von etwa 75 v. H. Zu Frage A 48: Die Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung im Krankenhaus auf den Personalkostenanteil würden vor allem von den Einzelheiten der tarifvertraglichen Regelungen abhängig sein, ferner von den Gegebenheiten in jedem einzelnen Krankenhaus: Etwa dem Ausmaß von Rationalisierungsmöglichkeiten und der Auslastung des vorhandenen Personals. Der Bundesregierung liegen verwertbare Erkenntnisse zu diesem Fragenkomplex nicht vor. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Biehle (CDU/ CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 50) : Kann die Bundesregierung bestätigen, daß im Auftrag von Bundesminister Dr. Apel vor der Veröffentlichung einer Untersuchung, aus der hervorgeht, daß die geistige Leistungsfähigkeit der aus Bayern stammenden Wehrpflichtigen fast immer über dem Durchschnitt lag und diese mittlerweile den Spitzenplatz eingenommen haben, gewarnt wurde, weil angeblich die Veröffentlichung gegen die Verschlußsachenvorschrift verstößt, oder welche Motive haben die Bundesregierung gegebenenfalls zu diesem Verhalten veranlaßt, falls die vermutete Begründung nicht zutrifft? Es trifft zu, daß der Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung auf Anfrage aus dem Bayerischen Landtag über Möglichkeiten der Veröffentlichung einer Untersuchung, abgedruckt in den „Wehrpsychologischen Mitteilungen" (Sonderheft April 1977), auf die Einstufung dieser Broschüre als Verschlußsache — Nur für den Dienstgebrauch — hingewiesen hat. Er hat in diesem Zusammenhang auf den gedruckten Hinweis in dieser Broschüre aufmerksam gemacht, daß es sich um einen geheim-haltungsbedürftigen Gegenstand im Sinne der §§ 353 b und 353 c StGB handelt und daß Mißbrauch strafbar ist. Eine Überprüfung hat ergeben, daß die VS-NfDEinstufung der „Wehrpsychologischen Mitteilungen" berechtigt ist; denn die darin enthaltenen Daten finden u. a. Eingang in die Beurteilung über den Zustand der Bundeswehr. Solche Daten unterliegen einer besonderen VS-Behandlung und können daher nicht veröffentlicht werden. Es ist nicht daran gedacht, diese Praxis zu ändern. Entgegen anderslautenden öffentlichen Darstellungen geben die in den „Wehrpsychologischen Mitteilungen" enthaltenen Angaben über die Eignungs- und Verwendungsprüfungen der Wehrpflichtigen keine Hinweise auf die regionale oder landsmannschaftliche Verteilung des Intellekts unter den Wehrpflichtigen der Bundesrepublik Deutschland. Die Mittelwerte der Intelligenznoten aller Wehrpflichtigen unterscheiden sich zwischen dem Wehrbereich VI (Bayern) und den anderen Wehrbereichen statistisch nicht signifikant voneinander. Sie sind auch keineswegs mit dem Intelligenzquotienten zu verwechseln, sondern beziehen sich auf bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die auftretenden Unterschiede sind deshalb zufälliger Art. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Weiskirch (Olpe) (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 51 und 52) : 10036* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 Trifft es zu, daß bei Überlegungen zur Kampfwertsteigerung des „Alpha-Jet" eine Erhöhung des Triebwerkschubs um mindestens 20 v. H. vom Bedarfsträger gefordert wird, damit die Luftnahunterstützungsversion mit normalem Gefechtsgewicht auch unter „Heißtag"-Bedingungen auf den normalen Luftwaffenflugplätzen starten kann? Trifft es zu, daß in der Erprobung des MRCA Mängel aufgetreten sind, deren Beseitigung finanzielle Aufwendungen für Nachentwicklungen in Höhe von voraussichtlich über eine halbe Milliarde DM erforderlich machen? Zu Frage A 51: Es trifft nicht zu, daß der Bedarfsträger eine Erhöhung des Triebwerkschubs um mindestens 20 % gefordert hat. Derzeit besteht lediglich die Forderung, die Triebwerke auf einen Entwicklungsstand zu bringen, der es erlaubt, operationelle Einsätze ohne Auflagen und Betriebseinschränkungen, wie sie derzeit noch gegeben sind, durchführen zu können. Die deswegen noch erforderlichen Verbesserungen beziehen sich ausschließlich auf das Triebwerk LARZAC 04. Wenn die Leistung der Treibwerke bei Auslieferung und Abnahme den Technischen Lieferbedingungen entspricht, ist auch der Start unter „Heißtag"-Bedingungen auf allen Flugplätzen der Luftwaffe gesichert. Überlegungen zur Kampfwertsteigerung des Waffensystems Alpha Jet für die 2. Hälfte der 80er Jahre werden zwar angestellt, enthalten jedoch nicht zwangsläufig eine Forderung nach Erhöhung der Triebwerk-Schubkraft. Zu Frage A 52: 1. Die Erprobung eines neuentwickelten Flugzeugs dient nicht nur der Verifizierung vorhergesagter Leistungen und Eigenschaften, sondern vor allem dem Zweck, etwaige Mängel aufzudekken, um sie möglichst noch vor Auslieferung des Waffensystems an die Truppe beheben zu können. Bei jeder Erprobung werden Mängel festgestellt, so auch bei der Tornado-Erprobung (z. B. Triebwerk, Fahrwerk, Flugregelanlage, Kanone). Hierfür sind bei der Erprobungsplanung bestimmte Flugstunden- und Arbeitsreserven eingeplant worden. Die bisher festgestellten Mängel haben sich bei Zelle, Ausrüstung, Avionik und Bewaffnung im vorhergesehenen Rahmen bewegt. Besondere Nachentwicklungen, die den Kostenrahmen der Entwicklung übersteigen, sind nicht erkennbar. 2. Die bedeutendsten bei der Erprobung festgestellten Mängel betreffen das Triebwerk. Hier ist eine Nachentwicklung erforderlich. Auch diese ist seit Beginn des Programms vorgesehen, sie überschreitet jedoch den 1972 geschätzten Kostenrahmen von insgesamt 250 Millionen DM. Hierfür sind heute, einschließlich der Eskalation von 6 Jahren und Ausdehnung der Triebwerksnachentwicklung um eine zusätzliches Jahr, trinational 750 Millionen DM vorgesehen, deutscher Anteil 325 Millionen DM, als Höchstbetrag für die Jahre 1979 bis 1981. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Krone-Appuhn (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 56) : Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Untersuchung von Frau Gerber, aus der hervorgeht, daß Kinder, deren Eltern häufig versetzt werden, schwere Verhaltensstörungen bekommen, bezüglich der Versetzungshäufigkeit der Soldaten der Bundeswehr? Mir ist die Untersuchung der Frau Gerber nicht bekannt. Ich habe jedoch veranlaßt, daß die Untersuchung beschafft und ausgewertet wird. Über das Ergebnis werde ich Sie unterrichten. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 58 und 59) : Treffen Pressemeldungen zu, daß in der DDR die Produktion von Gaskampfstoffen zur militärischen Verwendung erfolgt? Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, daß die Armee der DDR mit dem Einsatz giftiger Gaskampfstoffe vertraut gemacht wird? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden in der DDR keine Gaskampfstoffe für die militärische Verwendung produziert. Die Ausführungen, die die Bundesregierung am 15. Dezember 1978 zur An- frage des Kollegen Jäger (Wangen) über die Entwicklung und Herstellung chemischer Kampfstoffe in der DDR gemacht hat, gelten uneingeschränkt für Gaskampfstoffe. Gaskampfstoffe sind je nur ein Teilbereich der chemischen Kampfstoffe. Die Streitkräfte der DDR sind durch intensive ABC-Abwehrausbildung für den Einsatz unter Bedingungen der ABC-Kampfführung ausgebildet. Für den aktiven Einsatz chemischer Kampfstoffe einschließlich giftiger Gaskampfstoffe ist dagegen eine besondere Ausbildung nicht zwingend erforderlich. Es gilt jedoch als sicher, daß die Stabsoffiziere der Chemischen Truppen der NVA, die Lehrgänge in der UdSSR besuchen müssen, dort auch für den aktiven Einsatz von chemischen Kampfstoffen ausgebildet werden. Darüber hinaus wurde in Einzelfällen der simulierte Einsatz chemischer Kampfstoffe durch die NVA festgestellt. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hammans (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 60) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10037* Ist die .Bundesregierung bereit, entsprechend der Erklärung des Vertreters des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit anläßlich der Hauptversammlung des Bundesfachverbands der Heilmittelindustrie 1978 in Berlin, eine angemessene Übergangsfrist von mindestens zwölf Monaten für die Unterstellung von Arzneimitteln unter die Verschreibungspflicht vorzunehmen, um den Herstellern verlustsparende Dispositionsmöglichkeiten zu geben? Die Äußerung des Vertreters des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit auf der Hauptversammlung .des Bundesfachverbandes der Heilmittelindustrie muß mißverstanden worden sein. Die Voraussetzungen für die Unterstellung eines Arzneimittels unter die Verschreibungspflicht sind in § 48 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes niedergelegt. Wirtschaftliche Gesichtspunkte können daher nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie mit dem übergeordneten Interesse des Gesundheitsschutzes vereinbar sind. Langfristige Übergangsregelungen, wie von Ihnen angedeutet, können nicht eingeräumt werden. Die Maßnahme der Verschreibungspflicht trifft die betroffenen Wirtschaftskreise dennoch nicht unvorbereitet. In der Regel wird ein halbes Jahr vor Inkrafttreten einer entsprechenden Rechtsverordnung ein Sachverständigen-Ausschuß gehört, dem auch Vertreter der pharmazeutischen Industrie angehören. Danach wird der Verordnungsentwurf, der auch den vorgesehenen Inkraftsetzungstermin enthält, den betroffenen Wirtschaftsverbänden zur etwaigen Stellungnahme zugeleitet, wobei Gelegenheit besteht, die Notwendigkeit von Übergangsfristen für besondere Einzelfälle zu begründen. Ein genereller Aufschub des Wirksamwerdens der Verschreibungspflicht ist nicht vertretbar. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 8/2464 Frage A 62) : Wie beurteilt die Bundesregierung unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten und im Hinblick auf Arzneimittelsicherheit die unkontrollierbare Vergabe von Arzneimittelmustern an Ärzte, und ist sie gegebenenfalls bereit, die Vergabe durch die Arzneimittelindustrie zu verbieten? Die Bundesregierung hat weder im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit noch unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten Bedenken gegen die Abgabe von Arzneimittelmustern an Ärzte. Bei den Mustern handelt es sich um Arzneimittel, die sich allgemein erhältlich im Verkehr befinden und deren Anwendung und Überwachung in der Hand des Arztes liegt. Mengenmäßig ist die Musterabgabe durch ein vom Bundesminister für Wirtschaft im Jahr 1976 kartellrechtlich genehmigtes Selbstbeschränkungsabkommen der im Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie zusammengeschlossenen Hersteller begrenzt. Angesichts dieser Selbstbeschränkungsvereinbarung hat es der Deutsche Bundestag bei der Beratung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts als ausreichend angesehen, daß nach § 47 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes Arzneimittelmuster nur noch auf schriftliche Anforderung des Arztes abgegeben werden dürfen und über die Abgabe Nachweise zu führen sind. Die Bundesregierung ist aufgefordert, dem Bundestag innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Erfahrungen zu berichten. Danach wird zu prüfen sein, ob verschärfende Regelungen notwendig sind. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Geßner (SPD) (Drucksache 8/2464 Fragen A 65 und 66) : Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, daß eine wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme in der Gesundheitserziehung erstellt wird? Wenn ja, ist sie bereit, entsprechende Initiativen zu ergreifen? ZuFrageA65: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es eine ständige Aufgabe ist, eine auch nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten angelegte Bestandaufnahme von Maßnahmen der Gesundheitserziehung zu erarbeiten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verfolgt diese Aufgabe u. a. auch in Abstimmung mit der Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung sowie deren Mitgliedsorganisationen, den zuständigen Einrichtungen auf Landesebene und mit den Gesundheitserziehungsreferenten der Länder über ihren Ständigen Arbeitskreis. Mit der vorgesehenen Neuorientierung auf eine stärker verhaltensprägende Gesundheitserziehung werden diese Arbeiten akzentuiert und im möglichen Umfange auch intensiviert. Dabei wird es wesentlich darum gehen, die Gesundheitserziehung im Kontext der Gesamterziehung zu sehen und die pädagogischen Erkenntnisse für diese spezielle Teilaufgabe voll zu nutzen. Zu Frage A 66: Die Bundesregierung ist bereits im Sinne der Antwort zu der vorangegangenen Frage initiativ geworden. Sie hat Gelegenheit genommen, auf diese Aktivität unter anderem auch anläßlich der 2. Konferenz der Gesundheitsminister der EG-Länder hinzuweisen mit dem Ziel, eine internationale Zusammenarbeit einzuleiten. Die Bundesregierung wird diesen Weg weiterhin verfolgen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Bötsch (CDU/ CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 67 und 68) : 10038* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 Treffen Informationen zu, daß bei den Verhandlungen über den Anschluß Portugals an die Europäische Gemeinschaft der Schutz des fränkischen Bocksbeutels gegenüber ähnlichen Flaschenformen aus Portugal bisher nicht zur Sprache kam? Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, im Rahmen der Verhandlungen diese Frage nachträglich mit einzuführen, falls die einschlägigen, seit Jahren geführten bilateralen Gespräche scheitern? Zu Frage A 67: Da die eigentlichen Sachverhandlungen über den Beitritt Portugals zur EWG erst im Februar aufgenommen werden sollen, bestand noch keine Gelegenheit, das von Ihnen angesprochene Thema anzusprechen. Wann die Gespräche über den Agrarbereich beginnen werden, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Zu Frage A 68: Die Bundesregierung ist bemüht, zum Schutz des fränkischen Bocksbeutels mit Portugal bilateral ein Ergebnis zu erzielen. Sollte dies zu keinem Erfolg führen, wird die Bundesregierung eine unmittelbare Lösung dieser Frage innerhalb der EWG anstreben. Ob dies allerdings im Rahmen der ohnehin schwierigen Beitrittsverhandlungen sinnvoll ist; muß noch sorgfältig geprüft werden. Anlage 20 Antwort • des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Becker (Frankfurt) (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 69 und 70): Welche gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse haben das Bundesgesundheitsamt bewogen, die clofibrathaltigen Arzneimittel am 15. Januar 1979 aus dem Markt zu nehmen? Sind in diesen wissenschaftlichen Untersuchungen genügend umfangreiche Fallzahlen enthalten, um eindeutige Aussagen mit statistisch genügender Wahrscheinlichkeit zu machen, die ein Verbot der zum Abbau von Risikofaktoren vor Herzinfarkt geeigneten clofibrathaltigen Arzneimittel rechtfertigen? Zu Frage A 69: Der Widerruf clofibrathaltiger Arzneimittel zum 15. Januar 1979 gründet sich auf eine Studie der Weltgesundheitsorganisation, die in Edinburgh, Prag und Budapest durchgeführt worden ist und deren Ergebnis kürzlich veröffentlicht wurde. Danach besteht der begründete Verdacht, daß diese Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Die Studie hat ergeben, daß die mit dem Wirkstoff Clofibrat behandelte Patientengruppe eine höhere Sterblichkeit aufwies als die Kontrollgruppe, deren erhöhte Blutfettwerte nicht mit dem Wirkstoff behandelt wurden. Während der Infarkttod bei den behandelten Patienten genauso oft vorkam wie bei den unbehandelten, waren Todesfälle durch andere Krankheiten in der ersten Gruppe sogar häufiger. Betroffen waren vor allem Krankheiten der Leber, der Galle und des Verdauungstraktes. Zu Frage A 70: Zur Durchführung der Studie wurde aus ca. 30 000 freiwilligen männlichen Probanden ein Drittel mit hohem Cholesterinspiegel ausgewählt und in zwei Gruppen zu je 5 000 aufgeteilt. Aus weiteren 5 000 Probanden wurde eine dritte Gruppe gebildet, die niedrige Cholesterinspiegel aufwies. Unter Doppelblind-Bedingungen erhielt die erste Gruppe 1,6 g Clofibrat pro Tag, die zweite Gruppe ein entsprechendes Placebo und die dritte Gruppe keine Behandlung. Probanden mit manifesten Herzoder anderen schwereren Erkrankungen wurden nicht in die Studie aufgenommen. Insgesamt waren während der Untersuchung 15 745 Männer durchschnittlich 5,3 Jahre beteiligt, d. h., es ergaben sich akkumuliert 83 534 Versuchsjahre. Die Studie ist als sehr sorgfältig geplant und durchgeführt zu bewerten. Sie kommt zu dem Schluß, daß die höhere Sterblichkeit in der mit Clofibrat behandelten Gruppe mit 77 gegenüber 47 Todesfällen in der Kontrollgruppe mit hoher statistischer Wahrscheinlichkeit gesichert ist. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 71 und 72): Welchen Standpunkt nimmt die Bundesregierung in der öffentlichen Diskussion über die angebliche Gesundheitsgefährdung ein, die vom Genuß des Bieres ausgehen soll? Ist die Bundesregierung in der Lage, eine Bewertung der vorliegenden Untersuchungsergebnisse des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg über die angebliche Gesundheitsgefährdung durch Biergenua zu geben, und welche Auffassung hat dazu insbesondere das Bundesgesundheitsamt in Berlin? Zu Frage A 71: Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, daß jeder Hinweis auf einen krebserregenden Stoff ernst genommen werden muß. Die von ihm ausgehende Gesundheitsgefährdung ist unverzüglich zu beseitigen. Zu Frage A 72: Das Bundesgesundheitsamt hat am 10. Januar in einer mit dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit abgestimmten Presseveröffentlichung zu den Untersuchungen des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg mitgeteilt, daß es die Feststellungen ernst nimmt, da sich der Stoff in Langzeitversuchen an Tieren — allerdings bei wesentlich höherer Dosierung — als krebserregend erwiesen hat. Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesgesundheitsamtes. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10039* Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 73 und 74): Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse, die bestätigen, daß der maßvolle Biergenuß unschädlich ist? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der von der jüngsten Diskussion über die angebliche Gesundheitsgefährdung des Biers ausgehenden Verunsicherung von Millionen Mitbürgern Einhalt zu gebieten? Zu Frage A 73: Ich verstehe Ihre Frage dahin, ob der Bundesregierung Erkenntnisse vorliegen, wonach bei maßvollem Biergenuß eine Gesundheitsgefährdung durch sich im Bier befindliche Stoffe, die möglicherweise krebserregend sind, auszuschließen ist. Über derartige Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zur Zeit nicht. Nach Auffassung toxikologischer Sachverständiger kann im allgemeinen für einen kanzerogenen Stoff kein Grenzwert genannt werden, der beim Menschen in gesundheitlicher Hinsicht als völlig unbedenklich anzusehen ist. Dagegen hat das Krebsforschungszentrum in Heidelberg im Tierversuch festgestellt, daß bei der Verfütterung von 1 ppm Nitrosamin pro Tag und Kilo Tier eine Wirkung nicht eingetreten ist. Ob und in welcher Weise dieses Ergebnis auf den Menschen übertragen werden kann, soll ein für den 25. Januar beim Bundesgesundheitsamt angesetztes Fachgespräch ergeben. Zu Frage A 74: Nachdem die Bundesregierung von den Untersuchungen in Heidelberg Kenntnis erlangt hatte, hat sie unverzüglich veranlaßt, die Ursachen der Nitrosaminbildung zu ermitteln. Sie wird sich nun dafür einsetzen, daß das technische Verfahren für die Trocknung des Grünmalzes so gelenkt wird, daß sich Nitrosamin nicht mehr bildet. Welche technischen Umstellungen dazu erforderlich sind, wird das Fachgespräch beim Bundesgesundheitsamt ergeben müssen. Im Anschluß daran werden erforderliche Maßnahmen ergriffen werden, sofern die Wirtschaft nicht von sich aus solche durchführt. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 8/2464 Frage A 75) : War der Bundesregierung das Ergebnis der Untersuchungen des staatlichen Krebsforschungszentrums in Heidelberg bekannt, wonach zahlreiche Biersorten die krebserregende Substanz Nitrosamin enthalten, und was gedenkt sie dagegen zu unternehmen? Die Bundesregierung hatte von einer nicht veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeit des Krebsforschungszentrums in Heidelberg Kenntnis erlangt, nach der im Bier kanzerogenes Nitrosamin gefunden worden war. Sie hat sich daraufhin unverzüglich mit dem Krebsforschungszentrum in Verbindung gesetzt und veranlaßt, daß das Krebsforschungszentrum die Ursache der Nitrosaminbildung ermittelt und daß ihm die erforderlichen Biere und BierherstellungsChargen vom Deutschen Brauerbend zur Verfügung gestellt wurden. Die daraufhin begonnenen neuen Untersuchungen haben ergeben, daß die Nitrosamine bei der Trocknung von Malz durch den Kontakt mit den sich im Heizgas bildenden Stickoxiden entstehen. Dies wurde bei dem vom Bundesgesundheitsamt in Heidelberg durchgeführten ersten Fachgespräch, in dem Möglichkeiten für die Unterbindung dieser Stoffbildung gesucht wurden, bekanntgegeben. Nach den Ausführungen der Sachverständigen bieten sich dafür die Herabsetzung der Brennertemperatur und die Verwendung von schwefelhaltigen Brenngasen bei der Trocknung des Grünmalzes an. Ein weiteres Fachgespräch des Bundesgesundheitsamtes ist für den 25. Januar in Berlin vorgesehen, in dem erörtert werden soll, wie die Verunreinigung der einzelnen Biersorten gesundheitlich zu bewerten und welche technologischen Umstellungen über die ersten Maßnahmen hinaus erforderlich sind, um das bekanntgewordene vermeidbare Risiko zu beseitigen. Im Anschluß an das Gespräch werden erforderliche Maßnahmen getroffen werden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 8/2464 Fragen A 76 und 77): In welchem Umfange fördert die Bundesregierung die Deutsche Krebsforschung, und welche Stellung nimmt die Förderung im Rahmen des Gesamtprogramms „Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit" ein? Ist der Bundesregierung bekannt, wie die Deutsche Krebsforschung national und international koordiniert ist? Zu Frage A 76: Der Anteil des Bundes an der Förderung im Normalverfahren der Deutschen Forschungsgemeinschaft betrug im Jahr 1977 rd. 5 Millionen DM, an den Sonderforschungsbereichen und Sonderforschergruppen im Jahr 1978 ca. 4,8 Millionen DM. Der Förderbeitrag für das Deutsche Krebsforschungszentrum betrug in 1978 59 Millionen DM; für ressortzugehörige Forschung, darunter fallen beispielsweise Vorsorge und Früherkennung, 1978 ca. 17 Millionen DM. Allein dies ergibt einen Gesamtbetrag von 85,8 Millionen DM. Die 1978 bereitgestellten Mittel für die Senatskommission „Krebsforschung" bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 153 000,— DM sowie für die Internationale Zentralstelle für Krebsforschung (IARC) in Lyon von umgerechnet rd. 1 Mil- 10040* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 lion DM sowie die nicht getrennt auszuweisenden Kosten z. B. für Datensammlung und -bereitstellung durch das Deutsche Institut für medizinische Information und Dokumentation machen weitere erhebliche Beträge aus. Im Rahmen des Aktionsprogramms zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit bildet die Krebsforschung einen von vier Schwerpunkten. Sie ist in allen Bereichen von der Prävention bis zur organisatorischen Problemstellung ihrer großen Bedeutung nach angemessen berücksichtigt. Demzufolge ist die Detaillierung der im Aktionsprogramm vorgesehenen Maßnahmen bei der Krebsforschung bereits am weitesten fortgeschritten. Zu Frage A 77: Durch das Programm zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit, das von dem Bundesminister für Forschung und Technologie, dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung unter Hinzuziehung anderer tangierter Ressorts durchgeführt wird, ist ein wesentlicher Beitrag zur Koordinierung geleistet worden. Zudem hat insbesondere die Senatskommission „Krebsforschung" bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft u. a. die Aufgabe, auf nationaler Ebene koordinierend zu wirken und unnötige Doppelforschung vermeiden zu helfen. Auf internationalem Gebiet besteht eine Fülle von Beziehungen sowohl zu außerdeutschen Organisationen als auch bilaterale Beziehungen zu anderen Staaten. Die internationalen Kontakte, insbesondere über die enge Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation in Genf und der Internationalen Zentralstelle für Krebsforschung in Lyon, hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD/FDP „betr. Krebsforschung" — BT-Drucksache 7/4711 — dargelegt. Besonders ist zu erwähnen, daß das Regionalkomitee der Weltgesundheitsorganisation für Europa 1978 ein Europäisches Krebsforschungs- und -bekämpfungsprogramm beschlossen und somit eine mittelfristige Arbeitsperspektive entwickelt hat. Auch hierbei ist die Bundesrepublik Deutschland an der Projektkoordinierung insbesondere im Verhältnis zur Internationalen Zentralstelle für Krebsforschung beteiligt. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Heyenn (SPD) (Drucksache 8/2464 Fragen A 78 und 79) : Trifft es zu, daß die Beförderungsbedingungen der Deutschen Lufthansa AG, Köln, Regelungen enthalten, die gemäß dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) unzulässig sind, wie z. B. Haftungsbeschränkungen bei vorsätzlichen Uberbuchungen, Ausschluß der Haftung für Auskünfte der Bediensteten, Unverbindlichkeit von telefonischen Buchungen und auf dem Ticket angegebenen Verkehrszeiten, und wenn ja, welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, über das Bundesverkehrsministerium oder den Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa auf die Beförderungsbedingungen Einfluß zu nehmen, und wird sie eine Änderung der Beförderungsbedingungen unter Berücksichtigung des AGB-Gesetzes und des kürzlich ergangenen Urteils des Bundesgerichtshofs zur Schadensersatzpflicht bei Überbuchungen sicherstellen? Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) enthält vom Einzelfall unabhängige Klauselverbote für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die international vereinbarten Beförderungsbedingungen der Lufthansa enthalten Regelungen für luftfahrtspezifische Einzelfälle. Ob diese Regelungen mit dem AGB-Gesetz in Widerspruch stehen, kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall entschieden werden. Beispielsweise hat der Bundesgerichtshof in dem kürzlich erlassenen Urteil betreffend Schadensersatz wegen Überbuchungen einen solchen Widerspruch nicht erkennen können. Die Bundesregierung prüft jedoch im Zusammenwirken mit der Lufthansa, ob die Beförderungsbedingungen, die vom BMV genehmigt werden müssen, im Sinne der generellen Zielsetzung des AGB-Gesetzes zugunsten des Fluggastes verbessert werden können. Dabei ist auch das Ergebnis von Erörterungen innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der Europäischen Fluggesellschaften (AEA) zu berücksichtigen, die kurz vor dem Abschluß stehen. Besonders hinweisen möchte ich jedoch darauf, daß auch die Beförderungsbedingungen der Lufthansa in Zweifelsfällen den Vorrang des nationalen Rechts ausdrücklich vorsehen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen) (SPD) (Drucksache 8/2464 Fragen A 80 und 81) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Reinigung von Autoabgasen mit Katalysatoren und welche internationalen Erfahrungen sind ihr bekannt? Beabsichtigt die Bundesregierung, in absehbarer Zeit Vorschläge vorzulegen, gesetzliche Regelungen anzustreben oder zumindest den Einbau von Katalysatoren zur Autoabgasreinigung auf freiwilliger Basis zu fördern? Für die Verminderung der Schadstoffe im Abgas von Kraftfahrzeugmotoren ist die Verwendung von Katalysatoren nur eine der bekannten Möglichkeiten. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Vielfalt technisch möglicher Lösungen durch Vorschriften auf eine bestimmte Lösungsmöglichkeit einzuschränken. Hierzu besteht auch Übereinstimmung in den Europäischen Gemeinschaften und in den zuständigen Gremien der Wirtschaftskommission für Europa (ECE). Gemäß § 38 des Bundesimmissionsschutzgesetzes sind daher Grenzwerte für Schadstoffe im Abgas festgelegt worden; es bleibt den Herstellern überlassen, welche wirtschaftlichen Lösungen sie zur Einhaltung dieser Grenzwerte anwenden. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10041* Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des' Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache 8/2464 Fragen A 82 und 83) : Wird die Bundesregierung die Gefahren, die aus der Verwendung uneinheitlicher Verschlußsysteme von Autosicherheitsgurten entstehen, zum Anlaß nehmen, eine entsprechende Initiative zu ergreifen? Hält die Bundesregierung die in DIN 75 400 vorgesehene Beschränkung auf vier Drucktastenanordnungen bei Sicherheitsgurten für ausreichend? Zu Frage A 82: Eine solche Maßnahme ist zur Zeit nicht beabsichtigt, da zusätzlich zu den Empfehlungen der DIN 75 400 durch die EG-Richtlinie über „Sicherheitsgurte und Rückhaltesysteme" eine weitere Vereinheitlichung der Gurtverschlüsse geschaffen wurde. Hiernach sind nur noch Drucktastenschlösser zugelassen, die ganz bestimmte Merkmale aufweisen müssen. Zu Frage A 83: Im Hinblick auf die künftig zu erwartende Anbringung der Gurtschlösser an Sitzen wird die Beschränkung der DIN 75 400 auf Drucktastenschlösser zur Zeit für ausreichend gehalten. Im übrigen wäre ein Einheitsschloß auf internationaler Ebene, wenn überhaupt nur schwer durchsetzbar. Mit fortschreitender Entwicklung steht zu erwarten, daß sich in Zukunft nur die von vorne oder oben betätigten Drucktasten durchsetzen werden. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein (SPD) (Drucksache 8/2464 Fragen A 84 und 85) : Trifft es zu, daß die Deutsche Lufthansa ihre gesamte Boeing737-Flotte gegen 32 neue Maschinen desselben Typs in gestreckter Version austauschen will, und entsprechen diese Maschinen den seit 6. Oktober 1977 gültigen verschärften Lärmgrenzwerten des amendment 3 der ICAO-Richtlinien Annex 16? Welche Möglichkeiten hat der Bundesverkehrsminister, bei der Deutschen Lufthansa darauf einzuwirken, daß sie durch eine entsprechende Option die Entwicklung der kleineren .Version des Airbusses, das sog. J. E. T.-Projekt, unterstützt und damit die entsprechenden Arbeitsplätze in der Airbus-Industrie sichern hilft? Zu Frage A 84: Die Deutsche Lufthansa wird ihre B 737-Flotte nicht gegen 32 neue Maschinen desselben, sondern eines weiterentwickelten Typs mit der Bezeichnung „B 737-200 advanced" austauschen. Dieses Flugzeug verfügt über Geräuschdämpfungseinrichtungen an den Triebwerken und erfüllt in vollem Umfang die auf diesen Luftfahrzeugtyp anwendbaren Lärmgrenzwerte. Die von Ihnen zitierten Lärmgrenzwerte aus dem Jahre 1977 sind — da lediglich auf neue Flugzeugmuster bezogen — hier nicht anwendbar. Gleichwohl erfüllen die von der Lufthansa bestellten Flugzeuge in der lärmintensiven Startphase bereits diese Vorschriften. Zu Frage A 85: . Für den Ankauf von Flugzeugen im Bereich der DLH ist ausschließlich der Vorstand dieses Unternehmens zuständig. Eine direkte Eingriffsmöglichkeit seitens der Bundesregierung besteht nicht. Die Leitung der DLH hat durch ihre seinerzeitige Entscheidung für den Airbus aber gezeigt, daß sie europäischen Lösungen gegenüber aufgeschlossen ist. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Menzel (SPD) (Drucksache 8/2464 Fragen A 86 und 87): Trifft es zu, daß im bundesdeutschen Straßenverkehr Kinder mehr gefährdet sind als in anderen Ländern, wie aus Pressemeldungen zu entnehmen ist, und worin sieht die Bundesregierung gegebenenfalls die Ursachen? Welche Konsequenzen gedenkt sie daraus zu ziehen? Die Bundesrepublik Deutschland gehört im internationalen Vergleich zu den Staaten mit starker Verkehrsdichte, in denen Kinder im Straßenverkehr am stärksten gefährdet sind. Dieser Vergleich berücksichtigt jedoch nicht Art und Umfang des Straßenverkehrs. Andererseits ist die Anzahl der getöteten Kinder von 1972 bis 1977 um 36 % zurückgegangen. Die Sicherheit der Kinder im Straßenverkehr wird erhöht, wenn es gelingt, den Kindern verkehrsgerechte Verhaltensweisen zu vermitteln. Es ist ebenso entscheidend, daß die Erwachsenen die erheblich eingeschränkten Möglichkeiten der Kinder, sich verkehrsgerecht zu verhalten, kennen und ihr Verhalten hierauf einrichten: als Fußgänger beispielgebend und als Kraftfahrer äußerst sorgsam. Die Bundesregierung unterstützt z. B. das Bemühen der im Deutschen Verkehrssicherheitsrat zusammengeschlossenen Einrichtungen und Organisationen, die Erzieher unserer Kinder besser zu befähigen, den Kindern das für die ungefährdete Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche Verhalten zu vermitteln. Besonders bedeutsam ist hierbei der Schulweg, für dessen Sicherung der Bundesminister für Verkehr derzeit mit allen Bundesländern gemeinsam ein Programm durchführt. Die Bundesregierung bemüht sich auch weiterhin nachdrücklich, mit Hilfe von Sachinformationen aus dem Bereich der Unfallforschung die Mitwirkung von Presse, Rundfunk und Fernsehen zu gewinnen, um alle Verkehrsteilnehmer über die Schwierigkeiten der Kinder im Straßenverkehr zu unterrichten. 10042* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 88) : Welchen Umfang erreichen die Kiesentnahmen in der Rheinebene zur Bewerkstelligung der Geschiebebeigabe in Verbindung mit der Rheinstaustufe Iffezheim, und sieht die Bundesregierung Schwierigkeiten, die entsprechenden Kiesmengen auf unbeschränkte Dauer aufzubringen, sofern auf den Bau einer weiteren Rheinstaustufe bei Au/Neuburgweier verzichtet werden sollte? Die durchschnittliche jährliche Geschiebezugabemenge unterhalb der Staustufe Iffezheim beträgt etwa 170 000 m3; im Jahre 1978 wurden rund 160 000 m3 Geschiebe in der Erosionsstrecke eingebaut. Das Kiesmaterial für die Durchführung des Naturversuches mit einer Geschiebezugabe wird von den örtlichen Kieswerken auf deutschem Gebiet bezogen. Der durchschnittliche jährliche Kiesbedarf für eine Geschiebezugabe beträgt nur rd. 1,3 % der jährlichen gewerblichen Kiesgewinnung im Regierungsbezirk Karlsruhe. Die Geschiebezugabe wird bei Gewinnung des Materials im Rheinvorland in 100 Jahren 1,5 bis maximal 2 qkm Fläche beanspruchen. Für eine Staustufe werden vergleichsweise rd. 3 qkm in Anspruch genommen. Zu berücksichtigen ist auch der nicht unerhebliche Kiesbedarf für den Bau einer Staustufe einschließlich der Seitendämme. Im übrigen würde der Bau einer Staustufe bei Neuburgweier das Problem der Kiesgewinnung für eine Geschiebezugabe nicht gegenstandslos machen. Unterhalb dieser Staustufe käme erneut die Erosion zur Wirkung, so daß sich das gleiche Problem erneut stellen würde. Die Untersuchungen der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes über die Sicherstellung der benötigten Kiesmengen bei einer Durchführung der Geschiebezugabe als Dauerlösung sind noch im Gange. Eine abschließende Beurteilung ist zur Zeit noch nicht möglich. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlicher Fragen des Abgeordneten Hoffie (FDP) (Drucksache 8/2464 Fragen 89 und 90) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Fehlen eines Ordnungsprinzips für die Förderung des Cockpitpersonals bei Teilen des Bedarfsluftverkehrs direkt die Sicherheit des Luftverkehrs gefährden kann, weil sach- und fachgerechte Entscheidungen eines Flugkapitäns bei der Flugdurchführung, die oft mit erheblichen Mehrkosten verbunden sind, eine Gefahr für dessen Arbeitsplatz bedeuten können, und wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus? Ist der Bundesregierung darüber hinaus bekannt, daß eine Luftverkehrsgesellschaft des Bedarfsluftverkehrs nach eigenem Urteil einige ihrer Flugzeugführer als fliegerisch und charakterlich völlig ungeeignet beurteilt, sie aber gleichwohl weiterhin als Kommandanten einsetzt, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sicherzustellen, daß das Cockpitpersonal bei allen Luftverkehrsgesellschaften die Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes hinsichtlich der Verantwortung für die Sicherheit des Luftverkehrs uneingeschränkt einhalten kann? Zu Frage A 89: Die von den Luftaufsichtsbehörden verfügten Kontrollen und stichprobenartigen Überprüfungen durch das Luftfahrt-Bundesamt schließen eine Gefährdung der Sicherheit des Luftverkehrs wegen des „Fehlens eines Ordnungsprinzips für die Förderung des Cockpit-Personals" aus. Zu Frage A 90: Der Bundesregierung ist bekannt, daß ein Luftfahrtunternehmen bei zwei seiner Flugzeugführer Zweifel an deren fliegerischer Befähigung hat. Die fliegerische Überprüfung dieser Flugzeugführer durch Flugprüfer des Luftfahrt-Bundesamtes ist vorgesehen. Die Flugzeugführer werden — entgegen Ihrer Annahme — bis dahin nicht fliegerisch eingesetzt. Durch das vorgeschriebene Prüfungssystem ist eine unzureichende fliegerische Befähigung frühzeitig zu erkennen. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Pohlmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/.2464 Fragen A 91 und 92) : Welche rechtlichen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, damit auch bei plötzlich auftretendem Glatteis, wie z. B. bundesweit am 8. Dezember 1978, sichergestellt ist, daß Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr, DRK etc. Unfallstellen sicher und schnell erreichen und Verletzte bergen können? Ist u. a. in diesem Zusammenhang daran gedacht, durch eine Ausnahmeregelung zu gestatten, daß bei derartigen Wetterbedingungen Polizei- und Rettungsfahrzeuge Spikesreifen aufziehen dürfen? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, bundesweit rechtliche Maßnahmen zu ergreifen und etwa Ausnähmen vom Spikes-Reifen-Verbot zuzulassen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Kunz(Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 93 und 94) : Hat die Bundesregierung alle Möglichkeiten — und gegebenenfalls mit welchen Ergebnissen, insbesondere hinsichtlich der Kosten — geprüft, wie die im Personenverkehr angeblich 'mit zu hohen Kosten belasteten Eisenbahnstrecken rationeller betrieben werden könnten, notfalls auch unter eingeschränkten Leistungen, wie z. B. im Einmannbetrieb unter Inkaufnahme längerer Haltezeiten auf den Bahnhöfen und, dadurch bedingt, insgesamt längerer Fahrzeiten, anstatt auf diesen Strecken den Personenverkehr von der Schiene auf die Straße zu verlegen, was in der Regel erheblich längere Fahrzeiten zur Folge hat und in vielen Fällen zu völlig unbefriedigenden Transportverhältnissen führt? Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10043* Ist die Bundesregierung bereit, durch zusätzliche Investitionsmaßnahmen rasch die erforderlichen Infrastrukturen zu schaffen, wenn wesentliche Verkehrszuwächse infolge der Einführung von Straßenverkehrsteuern im Verkehr mit Nachbarländern zu verzeichnen oder mit großer Sicherheit zu erwarten sind? Zu Frage A 93: Im Rahmen des Leistungsauftrages wurde der Deutschen Bundesbahn aufgegeben, die Wirtschaftlichkeit des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn Untersuchungsgruppen eingesetzt, die Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit dieses Verkehrs erarbeiten und zur Durchführung bringen sollen. Die Untersuchungen beinhalten auch die von Ihnen angesprochenen Rationalisierungsmaßnahmen. Ihrer Aussage, daß die Verlagerung des Personenverkehrs auf die Straße in vielen Fällen zu völlig unbefriedigenden, Transportverhältnissen führt, kann ich grundsätzlich nicht beipflichten. Der Bus als Verkehrssystem hat gerade in der weniger dicht besiedelten Fläche Vorteile. Er ist in Fahrplangestaltung und Linienführung anpassungsfähiger und erlaubt durch Verästelung von Linien eine ortsnähere und bedarfsgerechtere Verkehrsbedienung als ein schienengebundenes Verkehrsmittel. Zu Frage A 94: Die Bundesregierung gibt gemeinsamen europäischen Lösungen zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur Vorrang vor nationalen Alleingängen wie z. B. der Einführung von zusätzlichen Straßenverkehrssteuern. Sollte es zu wesentlichen Verkehrszuwächsen kommen, wird die Bundesregierung notwendige Abhilfemaßnahmen sorgfältig prüfen und erforderlichenfalls auch Maßnahmen auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur ergreifen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 97): Ist die Bunderegierung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß die Deutsche Bundespost auf Grund ihrer Monopolstellung im Telefonverkehr und ihrer wesentlich gebesserten Ertragslage die erforderlichen Telefonanschlüsse für Notrufmelder bereitstellt, ohne dafür Einrichtungs- und Benutzungsgebühren zu erheben? Die Errichtung und Unterhaltung von Notrufanlagen ist eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Diese Aufgabe ist nach Artikel 30 des Grundgesetzes Sache der Bundesländer. Die Bundesländer müssen daher als die zuständigen Notdienstträger auch die Kosten für die Notrufanlagen übernehmen. Die Deutsche Bundespost hat sich jedoch bereit erklärt, den Aufbau der von den Bundesländern ge- wünschten Notrufsysteme, d. h. auch der Notrufmelder, vorzufinanzieren. Von diesem Angebot machen die Bundesländer regen Gebrauch. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kroll-Schlüter (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 98) : Gewährt die Oberpostdirektion Karlsruhe nur Sonderurlaub für Maßnahmen zur „Ausbildung von Jugendgruppenleitern" und nicht für Schulungsmaßnahmen zur „Fortbildung von Jugendleitern", und wenn ja, warum? Nach der Sonderurlaubsverordnung für Bundesbeamte, die auch auf Arbeitnehmer der Deutschen Bundespost Anwendung findet, kann Urlaub unter Fortzahlung der Dienstbezüge gewährt werden für die Teilnahme an Lehrgängen, die der Ausbildung zum Jugendgruppenleiter dienen und von Jugendwohlfahrtsbehörden oder amtlich anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Vorschrift gewährt die Oberpostdirektion Karlsruhe Sonderurlaub zur Ausbildung zum Jugendgruppenleiter. Für „Schulungsmaßnahmen zur Fortbildung von Jugendleitern" bewilligt die Oberpostdirektion dann Sonderurlaub, wenn diese Maßnahmen der Ausbildung zum Jugendgruppenleiter dienen. Dies ist im Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden. Wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann Urlaub unter Wegfall der Dienstbezüge gewährt werden. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage A 99) : Aus welchen Gründen wurde der zum Ausgleich für die neue Mittelwelleneinteilung nötige Mittelwellensender Thurnau des Deutschlandfunks nicht zu dem Zeitpunkt sendefertig gestellt, an dem der Genfer Lang- und Mittelwellenplan im letzten Jahr in Kraft getreten ist, und besteht nicht durch die Verzögerung die Gefahr, daß der Deutschlandfunk den gesetzlichen Auftrag, mit seinen Sendungen sowohl für Deutschland, insbesondere für Mittel- und Ostdeutschland, als auch für das europäische Ausland ein umfassendes Bild Deutschlands zu vermitteln, nicht mehr nachkommen kann? Zur besseren Versorgung Ostbayerns und der angrenzenden Gebiete konnte in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk auf der Genfer Konferenz im November 1975 eine Frequenzzuteilung für einen neuen Mittelwellensender im Raume Bayreuth erreicht werden. Da sich der Aufbau des neuen Senders verzögerte, aus Gründen die die Deutsche Bundespost nicht zu vertreten hat, wurde rechtzeitig der Einsatz eines provisorischen Senders geplant, der mit 20 Kilowatt (kW) Sendeleistung mit der Einführung des neuen Frequenzplanes am 23. November 1978 in Betrieb genommen werden konnte. Durch diesen Sender wird das Gebiet zwischen Nürnberg, Bamberg, Hof und Weiden mit dem Programm des Deutschlandfunks gut versorgt. 10044* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 Nach der Errichtung des endgültigen Sendemastes ist Mitte 1979 eine Erhöhung der Leistung des Senders auf 100 kW vorgesehen. Damit wird die Versorgung auch auf die angrenzenden Gebiete ausgedehnt. Der Deutschen Bundespost ist es gelungen, zusätzlich für diese Versorgung eine zweite Langwelle für den Deutschlandfunk zugeteilt zu bekommen. Auf dieser Frequenz 209 kHz wird seit Einführung des Genfer Planes das Programm des Deutschlandfunks mit geringer Leistung abgestrahlt. Die Leistung auf dieser Frequenz soll in den nächsten Monaten durch Inbetriebnahme eines Senders bei München beträchtlich, nämlich auf 500 kW, erhöht werden. Durch die Verwendung von mehreren Frequenzen für den Deutschlandfunk, so auch die nachts weit reichende Frequenz 1539 kHz vom Sender Mainflingen bei Hanau mit 700 kW, wird den verschiedenen Ausbreitungseigenschaften der Frequenzen Rechnung getragen und eine Tag und Nacht gute Versorgung erreicht. Die Gefahr, daß der Deutschlandfunk durch die Verzögerung in der Fertigstellung des Senders Bayreuth seinen gesetzlichen Auftrag nicht erfüllen kann, besteht daher nicht. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Spitzmüller (FDP) (Drucksache 8/2464 Fragen A 100 und 101) : Welche finanziellen Mittel stehen insgesamt für Hilfen im Gesundheitswesen für die Dritte Welt von seiten der Bundesregierung zur Verfügung, und welche Erfahrungen sind auf diesem Gebiet, insbesondere bezüglich der Akzeptanz und des Nutzens, gemacht worden? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit bei solchen Programmen mit der Weltgesundheitsorganisation und mit nichtstaatlichen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland? Zu Frage A 100: Für Projekte des Gesundheitswesens — einschließlich solcher der bevölkerungspolitisch motivierten Zusammenarbeit — wurden 1977 DM 90 042 700 und 1978 DM 52 499 907 neu bewilligt. Im Zeitraum 1956 bis 1978 beliefen sich die Gesamtbewilligungen auf DM 936 484 700, von denen DM 429 526 000 auf die Kirchenhilfe, DM 276 661 000 auf staatlich-bilaterale Technische Zusammenarbeit, DM 174 846 000 auf staatlich-bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit und DM 41 539 000 auf die Förderung von Treuhandprojekten des UN-Systems entfielen. Außerdem leistet die Bundesregierung freiwillige Beiträge an UNDP, UNFPA und UNICEF, die von diesen UN-Organisationen in unterschiedlichem Umfang für Kooperationen zur Stärkung des Gesundheitswesens in Entwicklungsländern verwendet werden. Genaue Aussagen über Akzeptanz und Nutzen können nur projektweise gemacht werden. Eine kürzliche Querschnittsevaluierung einiger von der Bundesregierung geförderter Gesundheitsprojekte bilateraler Technischer Zusammenarbeit, der Kirchen und des Deutschen Entwicklungsdienstes ergab, daß sie wesentliche Beiträge zur Verbesserung der vorbeugenden und kurativen Betreuung der Bevölkerung in drei afrikanischen Staaten geleistet haben. Zu Frage A 101: Es gibt unterschiedliche Formen der projekt- und programmbezogenen Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation. Bei einer Treuhandförderung aus Titel 686 32 werden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) projektbezogene Mittel zur Verfügung gestellt. Dieses Finanzierungsinstrument ist vor allem für die Förderung solcher Programme eingesetzt worden, die wegen ihres länderüberschreitenden Charakters, finanziellen Umfangs und ihrer Langfristigkeit vorzugsweise multilateral durchgeführt werden müssen; — wie das Programm zur Onchocercose-Bekämpfung in sieben westafrikanischen Staaten und das Spezialprogramm zur Forschungsförderung hinsichtlich sechs tropischer Krankheiten. Bei den von der Bundesregierung bilateral geförderten Projekten erstreckt sich die Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation von der Unterrichtung und Abstimmung mit den örtlichen UNDP-und WHO-Repräsentanten bis hin zur Einrichtung eines sachverständigen Arbeitskreises am Sitz der Weltgesundheitsorganisation in Genf zur wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Ergebnisse. Bei dem Besuch des Generalsekretärs der Weltgesundheitsorganisation in Bonn am 24. November 1978 ist abgesprochen worden, diese Zusammenarbeit zu intensivieren. Die aus Titel 896 04 mit Zuwendungen des Bundes geförderten Projekte werden von den Zentralstellen für Entwicklungshilfe der beiden großen christlichen Religionsgemeinschaften ausgewählt, von den beteiligten Ressorts geprüft und nach Bewilligung der Zuschüsse von den Projektträgern in den Entwicklungsländern durchgeführt. Die erfolgreiche Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Zentralstellen besteht seit über 16 Jahren. In diesem Zeitraum sind 36,6 °/o der bewilligten Zuwendungen für den Aufbau von Sozialdiensten und des Gesundheitswesens verwendet worden. Entsprechend werden auch gesundheitspolitische Kooperationen nichtkirchlicher Organisationen wie des Deutschen Roten Kreuzes und des Deutschen Aussätzigenwerkes mit Bundeszuschüssen gefördert. Von 1965 bis 1977 wurden 24,7 % der Bewilligungen für Vorhaben zur Stärkung von Sozialdiensten und des Gesundheitswesens verwendet. Schließlich nimmt die gesundheitspolitische Zusammenarbeit auch in der Arbeit der von der Bundesregierung geförderten Freiwilligendienste — wie Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGH), Deutscher Entwicklungsdienst (DED) und Dienste in Übersee (DÜ) — einen breiten Raum ein. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10045* Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Höffkes (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Fragen A 102 und 103) : Ist die Bundesregierung bereit, aus den freien oder nicht abgerufenen Finanzmitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit Projekte zur Linderung des Flüchtlingselends in Südostasien bereitzustellen, und wenn ja, in welchem Umfang und in welcher Form? Hat die Bundesregierung dem Hohen Kommissar für Flüchtlingsfragen bei den Vereinten Nationen Mittel zur Finanzierung von Vorhaben angeboten, die der Hilfe für die Flüchtlingsbewegungen im südostasiatischen Raum dienen, und ware die Bundesregierung im Falle der Verneinung dieser Frage dazu bereit? Zu Frage A 102: Die Bundesregierung ist bereit, Mittel aus dem Einzelplan 23 (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) entweder multilateral über den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) oder bilateral zur Verfügung zu stellen. Eine entsprechende Erklärung hat sie auf einem von UNHCR veranstalteten Konsultationstreffen am 11./12. Dezember 1978 in Genf abgegeben, an dem Vertreter der betroffenen südostasiatischen Länder und anderer interessierter Regierungen teilgenommen haben. Mit den Mitteln können Maßnahmen gefördert werden, die der Eingliederung der Flüchtlinge in den Aufnahmeländern dienen. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß die Regierungen der haupt- sächlich betroffenen südostasiatischen Länder bisher die Ansiedlung von Indochina-Flüchtlingen aus poli- tischen, ethnischen, wirtschaftlichen und Sicherheits- gründen abgelehnt haben. Sie befürchten zudem, daß die endgültige Aufnahme von Flüchtlingen eine verstärkte Fluchtwelle auslösen würde. Aus diesen Gründen sind sie bisher nicht mit Förderungsanträ- gen an die Bundesregierung herangetreten. Es läßt sich daher nicht absehen, ob und in welchem Umfang im laufenden Jahr Mittel des Einzelplans 23 zugun- sten von Indochina-Flüchtlingen eingesetzt werden können. Zu Frage A 103: Die Bundesregierung hat 1978 mit Mitteln der humanitären Hilfe in Höhe von 3 Millionen DM Sonderaktionen des UNHCR zugunsten von Indochina-Flüchtlingen unterstützt. Sie hat außerdem über den UNHCR auf Grund von Treuhandverträgen 0,25 Millionen US-$ Nahrungsmittelhilfe und 0,64 Millionen US-$ zur Förderung der allgemeinen und der beruflichen Schulausbildung von Indochina-Flüchtlingen in Thailand zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, auch im laufenden Haushaltsjahr Sonderaktionen des UNHCR zugunsten von Indochina-Flüchtlingen zu unterstützen.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812800000
Die Sitzung ist eröffnet. (Die Abgeordneten erheben sich)

Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen den Tod unseres Kollegen Adolf Scheu bekanntzugeben, der am 20. Dezember vergangenen Jahres an den Folgen eines zweiten Herzinfarkts in einem Wuppertaler Krankenhaus starb. Ich teile Ihnen dies in tiefer Trauer um einen vom ganzen Haus besonders hoch geschätzten Kollegen mit.
Adolf Scheu wurde am 26. April 1907 in dem württembergischen Städtchen Owen (Teck) geboren. Nach dem Schulbesuch absolvierte er eine kaufmännische Lehre. Daneben erwarb er im Selbststudium und als Gasthörer Kenntnisse in der Betriebs- und Volkswirtschaft. Von 1927 an war er als Industriekaufmann tätig, bald in leitender Funktion. Seine Tätigkeit wurde 1941 durch eine Gestapo-Haft unterbrochen. Nach dem Kriege machte er sich in Wuppertal selbständig.
Sein politischer Werdegang begann 1929 beim Christlich-Sozialen Volksdienst, der 1933 von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde. Am Anfang seines politischen Wirkens für die Bundesrepublik Deutschland stand 1953 die Gründung der Gesamtdeutschen Volkspartei, gemeinsam mit dem späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann, mit dem er zusammen 1957 der SPD beitrat. Von 1961 bis 1970 war er in Wuppertal Stadtverordneter, Vorsitzender des Schulausschusses und des Wirtschaftsförderungsausschusses und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Adolf Scheu seit 1969 an, und zwar mit einem Direktmandat des Wahlkreises Wuppertal-West. Er war Mitglied des Wirtschaftsausschusses und des Petitionsausschusses, außerdem gehörte er dem Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank an.
Sein Wirken auf wirtschaftlichem und auf politischem Gebiet war von christlichem Verantwortungsbewußtsein geleitet. Es kennzeichnet ihn, daß er die christlichen Morgenfeiern des Deutschen Bundestages über Jahre hinweg mitgestaltet hat. Im gemeinsamen Gebet fand er Kraft für seine parlamentarische Arbeit.
Seine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen
sind in verschiedene Gesetzesinitiativen eingegangen wie etwa auf dem Gebiete des Gewerberechts. Einen weiteren wichtigen Schwerpunkt bildete seine Mitarbeit im Petitionsausschuß, die ihm eine besondere Erfüllung bedeutete, weil er sich dabei der konkreten Notlage einzelner Menschen annehmen konnte. Mancher von Ihnen wird sich an seinen auch in der Öffentlichkeit beachteten Beitrag während der Haushaltsdebatte im März 1975 erinnern, in dem er vorschlug, für den parlamentarischen Umgang einen ethischen Kodex aus christlichem Geist zu entwikkeln. Diese Mahnung wird über den Tod unseres Kollegen Scheu hinaus für uns Gültigkeit haben.
Vielfältige Kontakte hatte er zu Politikern und in humanitärem Geist wirkenden Persönlichkeiten anderer Länder. Für seine Verdienste wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Adolf Scheu war ein Kollege und Freund von uns allen. Die Lauterkeit seiner Absichten lag immer offen zutage. Er kümmerte sich auch um die menschlichen Probleme in diesem Hause. Oft schlug er Brükken zwischen den Fraktionen. Jeder, den er ansprach, hörte ihm aufmerksam und achtungsvoll zu. Sein Verlust trifft uns alle menschlich tief.
Von den Reden, die er gehalten hat, steht vielen von uns die Rede zum Schwangerschaftsabbruch 1976 unvergeßlich vor Augen. Ich bin selten von einer Rede im Bundestag menschlich so tief berührt worden.
Adolf Scheu hinterläßt zwölf Kinder, davon einige noch in jungem Alter. Ich spreche Frau Scheu und allen Kindern sowie der Fraktion der SPD meine aufrichtige und herzliche Anteilnahme aus. Der Deutsche Bundestag wird Adolf Scheu ein dankbares und ehrendes Andenken bewahren.
Sie haben sich im Gedenken an unseren verstorbenen Kollegen erhoben. Ich danke Ihnen dafür.
Meine Damen und Herren, als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Scheu ist am 31. Dezember 1978 der Abgeordnete Walkhoff in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich wünsche dem Kollegen, der heute leider nicht da sein kann, eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit mit uns im Deutschen Bundestag.
Am 18. Dezember 1978 hat der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, unser Kollege Brandt, seinen 65. Geburtstag begangen. Ich



Präsident Carstens
I spreche ihm dazu noch nachträglich die herzlichen Glückwünsche des ganzen Hauses aus und wünsche ihm vor allem baldige völlige Wiederherstellung seiner Gesundheit.

(Beifall)

Am 23. Dezember 1978 hat der Herr Bundeskanzler, der Abgeordnete Schmidt, seinen 60. Geburtstag begangen. Ich spreche ihm dazu noch nachträglich die herzlichen Glückwünsche des Hauses aus.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, es liegen Ihnen zwei Listen von Vorlagen, Stand 12. Dezember 1978 und 9. Januar 1979, vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:

(Stand: 12. Dezember 1978)

Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union über die 65. Jahreskonferenz der IPU in Bonn vom 5. bis 13. September 1978 (Drucksache 8/2344)

zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend)

Verteidigungsausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Entscheidung zur Verabschiedung des Jahresberichts über die Wirtschaftslage der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der wirtschaftspolitischen Leitlinien für 1979 (Drucksache 8/2349)

zuständig: Ausschuß für Wirtschaft
Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Verordnung zur Schaffung eines europäischen Währungssystems (Drucksache 8/2355)

zuständig: Finanzausschuß (Stand: 9. Januar 1979)

Bericht der Bundesregierung über Anwendung und Auswirkungen des Gesetzes zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts, insbesonders unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes (Drucksache 8/2373)

zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen bei der Durchführung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Drucksache 8/2377)

zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Innenausschuß
Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der Mitwirkungsregelung des § 5 des Heimgesetzes (Drucksache 8/2429)

zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im III. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1978 (Drucksache 8/2430)

zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann stelle ich fest, daß das Haus einverstanden ist.
Im interfraktionellen Einvernehmen wird für die Woche vom 22. Januar folgende Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde empfohlen: In dieser Woche finden mit Rücksicht auf die Haushaltsberatungen keine Fragestunden statt. Jedes Mitglied des Hauses ist jedoch berechtigt, für diese Sitzungswoche bis zu vier Fragen an die Bundesregierung zu richten, die schriftlich beantwortet werden. Diese Abweichung von der Geschäftsordnung muß vom Bundestag nach § 127 der Geschäftsordnung mit zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Ich bitte diejenigen, die mit der Empfehlung einverstanden sind, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle fest, daß das Haus einstimmig so beschlossen und die Empfehlung angenommen hat.
Für den verstorbenen Abgeordneten Scheu hat die Fraktion der SPD den Abgeordneten Dr. Schachtschabel als Mitglied des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Schachtschabel gemäß § 7 Abs. 4 des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank als Mitglied des Verwaltungsrates dieser Bank gewählt.
Schließlich soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung erweitert werden um die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betreffend die Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, Drucksache 8/2472. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU Zukunftschancen der jungen Generation
— Drucksache 8/2045 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Forschung und Technologie
Im Ältestenrat ist eine Debatte von vier Stunden vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Zur Begründung und zur Aussprache, Herr Abgeordneter Pfeifer? — Dann eröffne ich sogleich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeifer.

Anton Pfeifer (CDU):
Rede ID: ID0812800100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag beginnt seine Plenarsitzungen im neuen Jahr mit einer Aussprache über den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation. Unser Wunsch ist es, daß damit ein Zeichen gesetzt wird, und zwar ein Zeichen dafür, daß die Sicherung der Berufs- und Lebenschancen unserer Jugend und das konstruktive Ringen um die richtigen Antworten auf die berechtigten Fragen und Sorgen unserer jungen Menschen in diesem Jahr und in der zweiten Hälfte dieser Legislaturperiode des Bundestages anders als in der Regierungspolitik der letzten Jahre wieder ein beson-



Pfeifer
derer Schwerpunkt unserer Politik werden müssen. Denn heute sind Unsicherheit, Sorge und teilweise auch Zukunftsangst in der jungen Generation weiter verbreitet als je in den zurückliegenden Jahren. Diese junge Generation wartet deshalb zu Recht darauf, daß ihre weit verbreiteten, das eigene, persönliche Leben konkret berührenden, tiefsitzenden, zentralen Sorgen und Probleme endlich wieder zentraler Schwerpunkt auch in der politischen Arbeit dieses Parlaments werden.
Um dies gleich vorweg zu sagen: dabei geht es um mehr als um den Streit über technokratische Organisations-, Schul- und Hochschulmodelle, um mehr als um den Streit über immer wieder neue Organisationsmodelle. Eltern, Lehrer und Schüler sind ohnehin durch die Hektik ständiger Neuerungen und durch die mancherorts übertriebene Verwissenschaftlichung des Unterrichts in den letzten Jahren zunehmend verunsichert worden, vor allem dort, wo die Eltern oft gar nicht mehr verstanden haben, was mit ihren Kindern in den Schulen eigentlich geschieht, weil sie z. B. in den Lehrplänen und Lehrbüchern häufig einer Sprache begegneten, die ihnen nicht mehr zugänglich war und die oft mehr verdeckt als offengelegt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und schon gar nicht kann es uns um die Fortsetzung des fruchtlosen Streites über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gehen, aus dem bisher überhaupt noch kein einziger wesentlicher konstruktiver Gedanke oder Vorschlag als Antwort auf die berechtigten Sorgen der jungen Menschen hervorgewachsen ist.
Im Kern geht es um etwas ganz anderes. In wenigen Jahren wird diese junge Generation aus den Schulen und Hochschulen in die Verantwortung für die Familie, für den Staat und für unsere Gesellschaft hineingewachsen sein. Dann wird es von dieser jungen Generation entscheidend mit abhängen, ob unserem Volk und unserem Staat weiterhin eine politische und gesellschaftliche Ordnung erhalten bleibt, die sich an den Grundwerten unseres Grundgesetzes und an den Grundwerten der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität orientiert.

(Zuruf von der SPD)

Im Kern geht es deswegen also darum, daß die Werte und Zielvorstellungen, die unserem Grundgesetz zugrunde liegen und auf denen unsere Generation die Gegenwart und Zukunft aufbaut, auch von der nachfolgenden Generation übernommen werden. Um es anders zu sagen: Ich finde, die vielbeschworene Solidarität der Generationen, um die es uns auch in diesem Antrag geht, kommt nicht in erster Linie darin zum Ausdruck, daß die Jugend eines Tages befähigt ist, unserer Generation, wie man so schön sagt, die Renten zu sichern, sondern diese Solidarität kommt in erster Linie darin zum Ausdruck, daß wir die junge Generation zu befähigen haben, z. B. sich und uns den inneren und äußeren Frieden zu sichern, die Freiheit zu bewahren und soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das aber wird uns nur gelingen, wenn wir die junge Generation sehr konkret davon überzeugen, daß unsere freiheitliche Ordnung fähig ist, ihr bei den Problemen, vor denen diese jungen Menschen stehen, zu helfen, und wenn diese junge Generation konkret spürt, daß von uns alles politisch Mögliche getan wird, um ihr bei der Bewältigung ihrer Sorgen, Nöte und Probleme Stück um Stück zu helfen. Und dies ist der Grund, warum das Thema dieser Aussprache wieder zu einem zentralen Thema unserer Politik werden muß.
Wenn heute eine nicht geringe Zahl von jungen Menschen unsicher geworden ist, dann deshalb, weil sie auf ihre Fragen unsichere Antworten erhält; und wenn viele mutlos geworden sind, dann deshalb, weil viele Tag für Tag entmutigende Erfahrungen machen. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen.
Da beherrscht an vielen Orten der Konkurrenzkampf unter Schülern um den besten Notendurchschnitt den Schulalltag viel stärker als beispielsweise die Freude am gemeinsamen Fortkommen in der Klassengemeinschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] und Katzer [CDU/ CSU] : Leider wahr!)

Ich finde es vor diesem Hintergrund nahezu unerträglich, daß die Kultusminister noch immer nicht — die Gründe hierfür sind ja bekannt — zu einer Neuregelung des Hochschulzugangs in den Fächern mit stringentem Numerus clausus gefunden haben, obwohl doch von allen Seiten immer wieder festgestellt worden ist, daß gerade der durch die jetzige Hochschulzulassungsregelung entfachte Kampf um die Zehntelnote im Abitur das pädagogische Klima in den Schulen mit am meisten vergiftet hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Ich nenne ein anderes Beispiel. Da erhält ein Abiturient nach vielen vergeblichen Versuchen erneut einen Ablehnungsbescheid für das von ihm gewünschte Studienfach. Aber nicht nur das ärgert ihn. Damit hat er vielleicht sogar gerechnet. Was ihn verbittert, ist die Ungewißheit darüber, wann er endlich mit der Zulassung rechnen kann und ob er überhaupt noch mit einer Zulassung rechnen darf.
Oder da findet die fertig ausgebildete Kindergärtnerin trotz zwanzigfacher Bewerbung keine Stelle, obwohl sie praktisch arbeiten will und obwohl sie einen pädagogischen Auftrag erfüllen will, für den sie in der Berufsausbildung ihre Kenntnisse erworben hat.
Oder da kann der junge Lehramtsbewerber, der soeben sein Studium abgeschlossen hat, keinen adäquaten Platz für sein Referendariat finden, und er weiß, daß es schwierig werden wird, nach Abschluß seiner zweiten Ausbildungsphase überhaupt eine Anstellung als Lehrer zu erhalten. Oder da erscheinen fast täglich neue Berichte, daß und warum in den nächsten Jahren die Ausbildungs- und Berufsaussichten für junge Menschen noch schlechter werden.



Pfeifer
Wen wundert es da noch, daß solche Erfahrungen die junge Generation nicht selten an der sozialen Gerechtigkeit zweifeln lassen und ihre Einschätzung unseres Staates und seine Ordnung möglicherweise auf die Dauer negativ beeinflussen? Denn die heutige junge Generation ist ja nicht minder leistungsbereit, nicht minder leistungsfähig, nicht minder engagiert als frühere Generationen junger Menschen. Gerade deshalb verlangte sie zu Recht auch ihre Chance. Sie hat ein Anrecht darauf, daß die politisch Verantwortlichen alle Anstrengungen unternehmen und alle Weichenstellungen vollziehen, um ihnen ihre Lebens- und Gestaltungschance zu geben.
Nun behaupte ich nicht, daß an allem, was die junge Generation heute belastet, allein die Bundesregierung schuld sei. Aber mindestens drei Fehlentwicklungen haben zu dieser Situation beigetragen.
Erstens handelt es sich um die Tatsache, daß der ursprünglich vorhanden gewesene Grundkonsens zwischen allen Parteien im Bildungswesen aufgegeben wurde und die beiden Koalitionsfraktionen versucht haben, Schulen und Hochschulen mehr oder weniger zur Durchsetzung von gesellschaftspolitischen Zielen zu mißbrauchen. Dieser Versuch ist zwar bundesweit am Widerstand der Betroffenen, insbesondere am Widerstand der Eltern und der Lehrer, auch der Hochschullehrer, zerbrochen. Aber niemand kann doch bestreiten, daß die junge Generation die Zeche dafür gezahlt hat, daß der Kampf um eine andere Gesellschaftsordnung über Jahre hinweg in einigen Bundesländern das zentrale Thema der Schulpolitik gewesen ist. Um so unverständlicher ist es, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien noch immer nicht bereit sind, den Elternwillen, wie er beispielsweise in Nordrhein-Westfalen zum Ausdruck gekommen ist, schlicht anzuerkennen und zu akzeptieren, sondern ganz im Gegenteil erneut versuchen, die integrierten Modelle als Regelmodelle bei der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans festzuschreiben. Das wird unserem entschiedenen Widerstand begegnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die zweite Fehlentwicklung sehe ich in der Verwissenschaftlichung und Vertheoretisierung aller Bildungsbereiche und in der gleichzeitigen Vernachlässigung des Bereichs der praktischen Erfahrung. Sie ist im Bildungsbericht 1970 angelegt gewesen, und sie hat vor allem denjenigen jungen Menschen Nachteile gebracht, die überwiegend praktische Fähigkeiten mit auf die Welt gebracht haben.
Drittens war für diese Fehlentwicklung ursächlich, daß die Bundesregierung seit dem Bildungsbericht 1970 über Jahre hinweg versucht hat, die Entwicklung im Bildungswesen von der Entwicklung im Beschäftigungswesen abzukoppeln und im übrigen auch die Forschungs- und Technologiepolitik von der Bildungs- und Wissenschaftspolitik immer weiter loszulösen.
Zu welchen Konsequenzen dies geführt hat, kommt derzeit am deutlichsten bei der Frage nach den Berufschancen der Hochschulabsolventen zum Ausdruck, bei der frage also, die im Augenblick eine
ganze studentische Generation in erheblichem Maße verunsichert.
In einem Interview mit der „Wirtschaftswoche" vom 16. Dezember 1977 stellt der Paralamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft lapidar fest — ich zitiere —, „daß die Zukunftsperspektiven für Akademiker zum gegenwärtigen Zeitpunkt insgesamt als nicht sehr günstig eingeschätzt werden müssen".

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Dieses Interview macht in erschreckendem Maße deutlich, wie hilflos die Bundesregierung dieser von ihr selbst herbeigeführten Lage gegenübersteht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn auch bezüglich der Frage, wie dann die Hochschulabsolventen beschäftigt werden sollten, für die nach gegenwärtigen Maßstäben keine Arbeitsplätze da sind, gibt Herr Engholm im Grunde drei Perspektiven.
Erste Perspektive: eine offensive Beschäftigungspolitik im öffentlichen Dienst, also mehr Personalstellen. Ein junger Mensch, der dies liest, fragt natürlich, was der oder die Finanzminister zu einer solchen Perspektive sagen. Was sagen sie dazu? Bis 1974 wurden ca. 65% der Hochschulabsolventen in den öffentlichen Dienst übernommen. Die Finanzminister haben uns schon vor zwei Jahren gesagt, es gebe, von wenigen Bereichen abgesehen, einen Expansionsbedarf im öffentlichen Dienst nicht mehr, übrig bleibe die Befriedigung des sogenannten Ersatzbedarfs, und deshalb werde der öffentliche Dienst in den 80er Jahren nicht mehr 65 %, sondern nur noch 15 % der Hochschulabsolventen übernehmen können. Meine Damen und Herren, dann ist es gegenüber der jungen Generation nicht redlich, wenn man sagt: wir werden die Chancen der Hochschulabsolventen durch eine offensive Beschäftigungspolitik im öffentlichen Dienst verbessern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schon an dieser Stelle zeigt sich mit einem Schlag die ganze Widersprüchlichkeit, in der sich die Politik der Bundesregierung, soweit sie die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation angeht, bewegt.
Als zweite Perspektive bezeichnet Herr Engholm die Möglichkeit, Akademiker auf Positionen zu beschäftigen, die bisher Nichtakademikern vorbehalten gewesen sind. In der Tat, dies ist eine Perspektive, aber was für eine! Es ist doch die Perspektive, daß ein Großteil unserer Hochschulabsolventen in Zukunft ihr Berufsleben mit einer Enttäuschung beginnen soll. Denn was bedeutet es denn anderes für einen jungen Menschen, wenn er nach Abitur und Studium und nach vielen Jahren des Lernens doch nicht erreichen kann, was er angestrebt hat? Außerdem: haben Sie sich überlegt, was der Haupt-und Realschüler, der nicht studiert hat, zu dieser Perspektive sagen wird?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Für mich ist diese Perspektive die Perspektive des
Verdrängungswettbewerbs, welche genau die Un-



Pfeifer
zufriedenheit, die Resignation und die Mutlosigkeit hervorrufen muß, die wir heute bei vielen jungen Menschen feststellen und die eines Tages durchaus auch zu sozialen Spannungen und zu Beeinträchtigungen des sozialen Friedens führen kann, von denen sich mancher heute überhaupt noch keine Vorstellungen macht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann möchte ich eine dritte Perspektive nennen. Hier zitiere ich wörtlich. Herr Engholm sagt:
Warum sollte künftig nicht von zehn beschäftigten Akademikern ein elfter miternährt werden können?

(Lachen bei der CDU/CSU)

Ja, meine Damen und Herren, dazu sage ich nur: Die Kollegen aus den SPD- und FDP-Fraktionen sollten sich einmal überlegen, wo sie mit ihrer Bildungspolitik gelandet sind, und die junge Generation sollte sich einmal ganz nüchtern fragen, was sie noch von einer Regierung zu erwarten hat, wenn nach zehn Jahren SPD/FDP-Koalition ein für diesen Bereich verantwortlicher Staatssekretär dieser Regierung nichts dabei findet, wenn jeder elfte Hochschulabsolvent arbeitslos wird.

(Thüsing [SPD] : Das ist doch gar nicht gemeint!)

Eines möchte ich in diesem Zitat allerdings richtigstellen: Dieser elfte arbeitslose Akademiker wird dann in erster Linie von Arbeitern und Angestellten bezahlt werden, und zwar größtenteils von solchen, die nicht studiert, aber mit ihren Steuern das Studium des arbeitslosen Akademikers mitfinanziert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Außerdem glaube ich: Eine solche Aussage und Perspektive übersieht vollkommen, daß Akademikerarbeitslosigkeit als Zukunftsaussicht für einen Teil der Studierenden schon einmal der Nährboden des politischen Radikalismus gewesen ist und auch heute genau denen entgegenkommt, die unsere freiheitliche Ordnung umstoßen wollen. Meine Damen und Herren, das ist die eine Seite des Problems.
Nun kommt die andere Seite: Gestern haben wir in der Zeitung gelesen, daß der Bundeskanzler in einem dringenden Appell davor gewarnt hat, daß uns eine Facharbeiterlücke — er bezeichnet das als „ein in fünf Jahren drohender Facharbeitermangel" — bevorstehen könnte.
Meine Damen und Herren, damit wird aber doch noch offensichtlicher, welche tiefgreifenden negativen Folgen der Versuch gehabt hat, die Entwicklung im Bildungswesen über Jahre hinweg losgelöst von der Entwicklung im Beschäftigungswesen gestalten zu wollen. Die von uns seit langem verlangte grundlegende Kurskorrektur in der Bildungspolitik muß jetzt endlich erfolgen und beispielsweise die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans bestimmen.
Dazu gehört vor allem zweierlei, nämlich erstens, daß die Bildungspolitik nicht länger losgelöst von den übrigen politischen Bereichen bleibt, daß unsere Finanzpolitiker, unsere Arbeitsmarktpolitiker, unsere Sozialpolitiker und unsere Wirtschaftspolitiker wieder stärker mitzudenken beginnen, auch in der Bildungspolitik, und die Bildungspolitik aus der Isolierung herauskommt, in der sie sich da und dort befindet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu gehört zweitens, daß wir insgesamt wieder ernsthafter die Frage nach den Berufschancen auch in unsere bildungspolitischen Überlegungen einbeziehen und erkennen, daß der junge Mensch mit der Ausbildung eine Berufschance anstrebt und nicht nur eine Bildungschance.
Deswegen lassen Sie mich zu diesem gesamten Komplex etwas ausführlicher folgendes sagen: Sicher wäre es am einfachsten, wenn wir heute verläßlich vorhersagen könnten, welche Berufe in der Zukunft chancenreich sein werden, welche weniger chancenreich sein werden. Ich bin nicht der Meinung, daß hier Aussagen generell unmöglich sind. Wir sollten uns mit allen uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden intensiv um solche Aussagen bemühen. Aber schwierig sind solche Prognosen immer. Sie sind vor allem deshalb schwierig, weil häufig gerade solche Prognosen in besonderer Weise menschliches Verhalten beeinflussen. So wissen wir, daß sich beispielsweise in dem Augenblick, in dem ein Beruf als besonders chancenreich bezeichnet wird, viele sich auf diesen Beruf stürzen und sich damit die Chance für den einzelnen Absolventen verringert. Wir wissen auch, daß in dem Augenblick, wo vor einem Beruf besonders gewarnt wird, ein Abschreckungseffekt entsteht und hinterher gerade in diesem Beruf für diejenigen, die ihn dennoch angestrebt haben, besondere Chancen bestehen.
Ich meine, daß deswegen alle solche Prognosen zwar notwendig sind, daß sie aber in der Anwendung mit Vorsicht zu genießen sind. Unter keinen Umständen wollen wir einen Versuch unternehmen, das Bildungswesen stringent an einem prognostizierten Bedarf in den einzelnen Berufen auszurichten und von dort zu lenken; denn dies würde mit Sicherheit zu einer staatlichen Bewirtschaftung von Berufs- und Lebenschancen führen, die wir in unserer freiheitlichen Ordnung auf keinen Fall haben wollen.
Eine andere Aussage in bezug auf Verbindung zwischen Bildungs- und Beschäftigungswesen ist aber möglich. Ich glaube, diese andere Aussage ist in der Allgemeinheit zunächst einmal gar nicht umstritten. Sie heißt: Je qualifizierter die Ausbildung ist, um so besser ist die Chance im Beruf.
Aber, meine Damen und Herren, der Streit beginnt, wenn ich es richtig sehe, bei der Frage: Was ist eigentlich qualifizierte Ausbildung? Hierzu will ich eines deutlich sagen: So sehr für einen Teil unserer Berufe die akademische Ausbildung unverzichtbar ist und bleiben wird, so falsch ist es, die akademische Ausbildung generell für die gesamte Berufswelt als die besser qualifizierende anzusehen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wer will denn das?)




Pfeifer
Dies ist in meinen Augen einer der Grundfehler, die der Bildungspolitik der Sozialdemokraten und auch eines Teiles der Freien Demokraten derzeit zugrunde liegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Qualifikation besteht nicht nur aus akademischen Fähigkeiten,

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

sondern auch in einem hohen Leistungsstand beispielsweise praktischer, technischer, kaufmännischer, administrativer, kultureller und sozialer Befähigungen. Für mich ist auch derjenige hochqualifiziert, der Hervorragendes in Facharbeit und Handwerk, Handel und Verwaltung, Technik und Sozialarbeit leistet. Tun wir doch nicht so, als ob nur die akademisch Gebildeten die wirklich Gebildeten wären!

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Viele unserer Hausfrauen beispielsweise, die die Kinder erziehen, haben nie ein akademisches Studium absolviert und sind dennoch in hohem Maße gebildet und werden einer Verantwortung gerecht, die man nicht hoch genug ansehen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, was ist in der Ausbildung heute überhaupt qualifizierend? Ich meine, dies ist eine zentrale Frage geworden, wenn wir sagen, daß eine bessere Zukunftschance von einer besseren Qualifikation abhängt. Sicher gehört die Entfaltung intellektueller Fähigkeiten zu den qualifizierenden Aufgaben unseres Bildungssystems. Sicher gehören das Erlernen und das Beherrschen von Wissen und Kenntnissen dazu. Aber der Erfolg im Beruf und das spätere Lebensglück sind häufig doch von ganz anderen Fähigkeiten abhängig, die sehr viel wichtiger, entscheidender und damit letztlich auch qualifizierender sind.
Ich möchte einmal einige dieser Eigenschaften nennen: die Fähigkeit, z. B. mit Veränderungen in der Berufswelt Schritt halten zu können, gelernt zu haben, im Beruf weiterzulernen und von einem Weiterbildungsangebot sinnvoll Gebrauch machen zu können, die Fähigkeit zur Beweglichkeit, Mobilität. Meine Damen und Herren, es ist doch bedrückend, wie wenige unserer jungen Menschen heute noch Interesse haben, z. B. einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland zu verbringen, und wie schwer dies ihnen heute in vielfacher Hinsicht gemacht wird. Es ist bedrückend, festzustellen, welches Maß an Verprovinzialisierung damit unseren Bildungsinstitutionen droht und welches Maß an Qualifizierung dabei den jungen Menschen unseres Landes verlorengeht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte ausdrücklich sagen: Das gilt nicht nur für die Studierenden, das gilt genauso für junge Arbeitnehmer. Es wäre völlig falsch, hier immer nur die Studierenden im Auge zu haben. Die Mobilität, die Beweglichkeit, ist in der Zukunft für die jungen Arbeitnehmer, für die Handwerker und Facharbeiter nicht minder wichtig als für die Studenten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will noch einen anderen Bereich qualifizierender Befähigung nennen: die Fähigkeit zur Leistung. Ich• meine dies nicht im Sinne eines Leistungsverständnisses, das vielfach nur das als Leistung anerkennt, was sich im raschen Einspeichern und Wiedergeben bestimmter Wissensinhalte zeigt oder was in Zeugnisnoten meßbar ist. Gewiß gehören auch das Lernen und das Sichaneignen von Wissen und Kenntnissen zur schulischen Leistung, aber die eigentliche Bildungsarbeit liegt doch viel eher beispielsweise im Wecken von Aufgeschlossenheit, Kameradschaft, Interesse, Frage-, Denk- und Urteilsfähigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das eigentliche Ziel ist es doch, daß sich der Schüler eine Anschauung von der Welt bildet, daß er sachlich richtig zu erkennen und sittlich verantwortlich zu handeln lernt, und vor allem auch, daß ihm die Realität unserer Gegenwart, der Reichtum unserer Vergangenheit und die Chancen künftiger Entwicklungen nicht verkürzt wiedergegeben werden. Denn wir, unser Volk, bleiben weder ein Volk noch eine Nation, wenn unsere jungen Menschen nicht aus der Zusammenschau von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lernen, sich mit den Generationen vor ihnen als eine verantwortliche Schicksalsgemeinschaft zu verstehen. Auch dies gehört zu den Leistungsinhalten in der Schule.
Wir sollten vor lauter Naturwissenschaft und Theorien um Naturwissenschaft unserer Jugend nicht die Natur selbst vorenthalten. Wir sollten vor lauter Musiktheorie nicht die Freude an der Musik vergällen,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

wir sollten vor lauter Sporttheorie nicht die Freude am Sport vermiesen, wir sollten vor lauter Begeisterung — das ist ein anderes Gebiet — für die Dritte Welt die Jugend nicht die eigene Heimat vergessen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

— Das alles sind Erscheinungen, die wir heute in den Schulen feststellen können.

(Roth [SPD] : Ich dachte, die sollten ins Ausland! Was ist nun? — Weitere Zurufe von der SPD)

— Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie unterschätzen das. Wenn die Schule Freude machen soll — die Schule soll auch Freude machen —, dann kann sie nicht nur aus Theorie, aus Kenntnis und aus Wissen bestehen, sondern dann muß sie auch die Entfaltung der anderen Fähigkeiten von jungen Menschen ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

— Ich kann Ihre Erregung verstehen; den ich habe vorhin gesagt, daß eine der größten Fehlentscheidungen Ihrer Bildungspolitik in der Theoretisierung der Ausbildung liegt, und das belastet die jungen Menschen heute.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Pfeifer
„Qualifizierend" ist für mich nicht ein Leistungsbegriff, der die Leistung allein auf den theoretischen Wissensbereich einschränkt, „qualifizierend" ist nur ein Leistungsbegriff, der die ganze Breite des Menschen umfaßt und der im Leistungsanspruch auch Einsatzbereitschaft für andere, Rücksicht und Achtung für den Mitmenschen anerkennt und verlangt. „Qualifizierend" ist schließlich auch die Fähigkeit, mit anderen Menschen auskommen zu können, mit ihnen im Team zusammenarbeiten zu können. „Qualifizierend" sind also Eigenschaften wie Verläßlichkeit, Stetigkeit und die Fähigkeit, nicht nur seinen Emotionen nachzugeben, sondern auch die Emotionen beherrschen zu lernen.

(Zurufe von der SPD)

Nun behaupte ich — das ist die Conclusio aus allen diesen Ausführungen —, daß sich die meisten dieser Fähigkeiten, die auch Voraussetzung für Erfolg in Beruf und Leben sind, für viele Berufe und für viele junge. Menschen mindestens ebensogut, wenn nicht besser, in einem Bildungsweg erwerben lassen, der nicht nur Schule ist, der nicht theoretisch oder akademisch orientiert ist, sondern der sich von einem bestimmten Lebensalter an neben der Schule unmittelbar in der Berufswelt vollzieht, der die Berufswelt als Ausbildungsort in die Ausbildung mit einbezieht, und genau das ist das duale Ausbildungssystem.
Wer es ernst meint mit der Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung, der kann deshalb nicht zugleich sagen, daß die akademische Ausbildung die generell höher qualifizierende und der Nichtakademiker generell weniger qualifiziert ausgebildet ist, der kann nicht bei der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans unter dem Schlagwort von der Verbesserung der Qualifikation, einer weiteren Verringerung des Anteils der Schüler, die über den dualen Ausbildungsweg in den Beruf gehen, das Wort reden. Wir wünschen bei der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans nicht eine Verringerung des Anteils der Schüler im dualen Ausbildungssystem, wir wünschen den Ausbau des dualen Ausbildungssystems. Wir wünschen nicht nur eine stärkere Praxisorientierung der in Schule und Hochschule geltenden Lehrpläne, wir wünschen, daß unsere jungen Menschen wieder unmittelbar mit der Praxis in Berührung kommen, in ihr Erfahrungen gewinnen, die Praxis des Berufs zu bewältigen lernen und nicht, wie es doch heute vielfach der Fall ist, aus Angst vor der Praxis möglichst lange in der Ausbildung bleiben wollen.
Daraus ergeben sich konkrete Folgerungen. Erstens. Unser zentrales Anliegen sind die Stärkung und der Ausbau des dualen Bildungssystems in den 80er Jahren. Vorstellungen, wonach knüftig nur noch höchstens 50 % der jungen Menschen im dualen Bildungssystem ausgebildet werden sollen, werden wir nicht unterstützen.
Zweitens. Ein zusätzliches Hauptschuljahr als 10. Pflichtschuljahr lehnen wir ebenso entschieden ab wie Überlegungen, nach einem 10. Pflichtschuljahr noch ein 11. Berufsgrundschuljahr anzufügen.
Drittens. Statt dessen befürworten wir eine leistungsfähige berufliche Erstausbildung, die sich in eine berufsbezogene Grundbildung und in eine darauf aufbauende berufsqualifizierende Fachbildung gliedert, wobei viertens das Berufsgrundbildungsjahr als 10. Bildungsjahr, wo immer möglich, in Schule und Betrieb, also in der kooperativen Form des dualen Ausbildungssystems absolviert werden sollte.
Fünftens. Eine Integration von allgemeiner und beruflicher Bildung können wir nicht unterstützen, weil sie die Qualität und die Eigenständigkeit beider Bildungsbereiche gefährden und die differenzierten Bildungsansprüche der jungen Generation mißachten würden.
Das alles heißt zugleich, daß wir einer weiteren Steigerung des Anteils der Hochschulabsolventen nicht das Wort reden werden. Ganz im Gegenteil. Natürlich sehe auch ich, daß der Anteil der Kinder, die nach der Grundschule auf das Gymnasium oder die Realschule wechseln — trotz aller von uns nachdrücklich befürworteten Maßnahmen zur Stärkung der Hauptschule —, eher noch im Steigen, nicht aber im Zurückgehen ist. Natürlich ist eine der Ursachen hierfür die, daß, genauso wie früher der Arzt, der Rechtsanwalt oder der Studienrat seine Kinder, wenn immer sie dafür begabt waren, auf eine weiterführende Schule geschickt hat, das heute selbstverständlich auch der Handwerksmeister, der Facharbeiter oder der Arbeitnehmer tut. Hier manifestiert sich ein Stück gewachsenes Bildungsbewußtsein in unserer Bevölkerung, das jetzt nicht wieder durch falsche Maßnahmen gefährdet werden darf.
Aber ebenso deutlich ist, daß immer mehr Abiturienten wegen der verminderten Berufschancen der Hochschulabsolventen nicht mehr von vornherein ein Studium anstreben, sondern aus Gründen, die mit der Berufschance zusammenhängen, eine Alternative zum Hochschulstudium suchen. Über 30 % der Abiturienten streben derzeit eine Alternative zum Hochschulstudium an. Hier stellt sich eben die Frage: Wollen wir diese Abiturienten letztlich wieder zum Studium motivieren oder wollen wir ihnen die Alternative zum Studium anbieten? Unser Ziel ist es, ihnen die Alternative zum Studium zu öffnen, und zwar Alternativen, die im dualen Ausbildungssystem verankert sind; denn genau hier liegt die Chance, ohne Zwang, ohne Numerus clausus, ohne zusätzlichen Lenkungsmechanismus und nur durch ein breites Angebot an attraktiven Alternativen zum Studium einer weiteren Steigerung der Quote der Hochschulabsolventen entgegenzuwirken und das duale Ausbildungssystem in einem neuen Bereich auszubauen.
Wenn man sich vor Augen hält, wie wenig die Bundesregierung gerade in diesem Bereich getan hat, bleibt natürlich die Frage, ob sie eine solche Alternative zum Hochschulstudium überhaupt will oder ob es nicht viel eher so ist, daß sie — ihrer alten Bildungskonzeption anhängend — diese Abiturienten letztlich wieder an die Hochschule bringen will. Wir fordern die Bundesregierung jedenfalls nochmals auf, die von ihr betriebene Öffnung der Hochschulen endlich durch eine Öffnung von



Pfeifer
Alternativen zum Hochschulstudium zu ergänzen. Das wäre ein ganz entscheidender Beitrag zu der von uns gewünschten Kurskorrektur in der Bildungspolitik.
Die Einwendungen, die bisher gegen eine solche Politik vorgetragen wurden, überzeugen mich nicht; denn der Einwand, daß auf diese Weise noch mehr Abiturienten auf die Ausbildungsplätze im dualen System drängen würden, die wir für Haupt- und Realschüler dringend brauchen, wird ja spätestens im übernächsten Jahr deshalb unrichtig, weil dann die Zahl der eine Lehrstelle suchenden Haupt- und Realschüler als Folge der Geburtenkurve wieder zurückgehen wird. Gleichzeitig wird aber die Zahl der Abiturienten immer noch steigen. Meine Damen und Herren, da liegt es doch nahe, die in den letzten Jahren und bis 1981 geschaffenen zusätzlichen Ausbildungsplätze im dualen System nicht wieder einfach abzubauen, sondern eben eine Strategie zu überlegen, wie wir diese Ausbildungsplätze im dualen Ausbildungssystem auch für Abiturienten attraktiv machen können.
Meine Damen und Herren, dies ist um so notwendiger aus einer anderen Überlegung, die ich einem weiteren Einwand entgegenhalten möchte. Dieser Einwand lautet: Wenn die CDU auch in den 80er Jahren den Ausbau des dualen Systems forciert, dann werden die Studentenzahlen nicht nur — wie derzeit — stagnieren, sondern wegen der veränderten Geburtenzahl zurückgehen. Lehrkapazitäten in den Hochschulen würden dann Leerstehen. Dazu möchte ich sagen: Wäre das wirklich ein Nachteil? Oder wäre es nicht viel eher eine Chance, neue Forschungskapazitäten in den Hochschulen aufzubauen und damit die Qualität unserer Forschung in den Hochschulen neu zu begründen?
Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik ist doch als ein exportintensives hochtechnisiertes und rohstoffarmes Land auf technologische Innovationen und auf Vorsprünge in der Forschung existenziell angewiesen. Aus diesem Grunde muß, wie das unser Antrag tut, der Forschungs- und Technologieförderung insgesamt, aber insbesondere auch der Forschung an den Hochschulen als einer Voraussetzung für die Sicherung der Bildungs-, Berufs- und Lebens. chance der jungen Menschen ein wesentlich höherer Stellenwert eingeräumt werden, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Mir ist heute noch nicht verständlich, warum im Wahlprogramm, das sich die SPD für diese Legislaturperiode gegeben hat, der Begriff „Forschung" im Zusammenhang mit der Hochschule überhaupt nicht mehr erscheint.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das ist ein Vorgang, der, wenn er beibehalten wird, zum Nachteil der Berufsaussichten der jungen Generation sich sehr viel gravierender auswirken kann als alles, was dadurch möglicherweise an Problemen entsteht, wenn einmal die eine oder andere Lehrkapazität nicht vorhanden ist.
Ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen. Ebenso wichtig wie Forschung und Technologie ist deren Umsetzung in den Produktionsprozeß, also
das technische Know-how im Produktionsverfahren, aus dem erst die Attraktivität unserer Exportwaren und unsere Stellung auf den Weltmärkten erwachsen. Hierfür brauchen wir eben wiederum nicht in erster Linie und nur den Akademiker, sondern vor allem hochqualifiziert ausgebildete Facharbeiter, Techniker, Handwerksmeister. Ohne sie und damit eben ohne die Verhinderung einer Facharbeiterlücke in den 80er Jahren wird es, wie wir in unserem Antrag im einzelnen dargestellt haben, keine wirtschaftliche Wachstumsstrategie geben können.
Ich meine, gerade diese Facharbeiterlücke zwingt doch zu der Einsicht, daß es in der Bundesrepublik in den 80er Jahren nicht dazu kommen darf, daß auf der einen Seite Akademiker, weil sie falsch qualifiziert sind, ohne Arbeitsstelle bleiben und gleich nach dem Studium wieder — dann aber im dualen Ausbildungssystem — umgeschult werden müssen, während es zur gleichen Zeit möglicherweise zuwenig Hochqualifizierte gibt, welche die Blaupausen aus Forschung und Technologie im Produktionsprozeß umsetzen und anwenden können.
Meine Damen und Herren, aus alledem ergibt sich, daß die Entwicklung im Bildungssystem und die Entwicklung im Beschäftigungssystem erst dann wieder miteinander in Einklang gebracht werden können -und nichts ist derzeit für die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation in Schule und Beruf wichtiger —, wenn endgültig Schluß gemacht wird mit der Überbewertung theoretischer und akademischer Ausbildungsgänge und statt dessen den Hauptschülern und Realschülern, aber ebenso den Abiturienten ein breites Angebot berufsorientierter und berufsqualifizierender Bildungsgänge als differenzierte Alternative zu den studienbezogenen Bildungsgängen zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein letztes Thema ansprechen. Eine solche breitere Differenzierung berufsorientierter und berufsqualifizierender Ausbildungsgänge ist auch im Interesse der leistungsschwächeren und behinderten Jugendlichen dringend notwendig. Dazu wird von uns in dieser Debatte später noch etwas ausführlicher gesprochen werden.
Ich möchte nur eines sagen: Mir gibt es sehr zu denken, wenn mir immer wieder berichtet wird, daß leistungsschwächere und behinderte Jugendliche in der Berufsausbildung zu praktischen Berufen während des praktischen Teils der Ausbildung den gestellten Anforderungen durchaus gerecht werden, dann aber mit ihrem Ziel, einen Berufsbildungsabschluß zu erreichen, an den theoretischen Anforderungen scheitern. Meine Damen und Herren, mir will nicht einleuchten, warum es nicht möglich sein soll, in solchen Berufsfeldern vermehrt Ausbildungswege und Berufsbilder zu konzipieren und anzubieten, die, ohne wieder zu einem Anlernberuf zu werden, mit geringeren Anforderungen im theoretischen Bereich diesen leistungsschwächeren und behinderten jungen Menschen zu einem vollen Berufsbildungsabschluß verhelfen, wie wir das beispielsweise in der Werkausbildung haben.
Zu Recht wird immer wieder gesagt, daß Jugendliche ohne Berufsbildungsabschluß in Krisenzeiten



Pfeifer
auf dem Arbeitsmarkt besonders gefährdet sind. Gerade deshalb möchte ich die Bundesregierung zu einem auffordern: Ihre Anstrengungen in den zurückliegenden Jahren haben vor allem dem Ziel gegolten, den Anteil der Hochschulabsolventen in Größenordnungen zu steigern, vor denen wir immer wieder gewarnt haben; auch diese Legislaturperiode begann ja wieder mit dem Schlagwort „Öffnet die Hochschulen!" Ich meine, es wäre ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, wenn jetzt einmal die gleichen Anstrengungen auf ein anderes Ziel konzentriert würden, nämlich auf das Ziel, den Anteil der Jugendlichen ohne Berufsbildungsabschluß zu senken und damit endlich auch die Zukunftschancen leistungsschwächerer und behinderter Jugendlicher zu einem zentralen Schwerpunkt in der Bildungspolitik zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn, meine Damen und Herren, übersehen wir nicht, welcher Leistungserfolg und welche Steigerung des Selbstwertgefühls gerade für einen leistungsschwächeren oder behinderten Jugendlichen damit verbunden ist, daß er nicht als. Abbrecher der Ausbildung in den Beruf geht, sondern zu einem Berufsausbildungsabschluß kommt, wenn es dann auch nicht unbedingt der Abschluß des Facharbeiters oder des Handwerksmeisters ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unser Ziel, das Ziel unseres heute vorliegenden Antrags, ist es, den jungen Menschen unseres Landes zunächst im Bildungswesen und danach an der Schwelle zum Berufsleben die bitteren Erfahrungen zu ersparen, die heute manche machen müssen, die Erfahrung nämlich, daß sie immer mehr an eine Gesellschaft der verschlossenen Türen und der vergebenen Plätze stoßen. Wir brauchen junge Menschen, die wieder mit Zuversicht und Selbstvertrauen ihre eigene Zukunft angehen. Wir brauchen junge Menschen, die wach, kritisch und solidarisch zu unserer Gemeinschaft stehen und die uns auch immer neuen und frischen Ansporn geben. Wir wollen keine resignierende junge Generation, wir wollen eine selbstbewußte junge Generation, eine Generation, die nicht in Angst, sondern in Hoffnung und Zuversicht ihre eigene Zukunft gestaltet. Deswegen haben wir diesen Antrag hier vorgelegt, und deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zur Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation hier im Parlament zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812800200
Meine Damen und Herren, ich habe mich dahin unterrichten lassen, daß in einem Teil der Leitungen des Hauses vorübergehend der Strom ausgefallen ist. Es ist dann sofort auf das Notstromaggregat umgeschaltet worden, und die Sprechanlage war in wenigen Sekunden wieder einsatzbereit. Ich bitte um Ihre Nachsicht dafür.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wüster.

Kurt Wüster (SPD):
Rede ID: ID0812800300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen,
keine 45 Minuten zu brauchen. Ich bin Praktiker und versuche, es in der Hälfte zu schaffen.
Der Kollege Pfeifer sagte mit markigen Worten: Qualifikation bestehe nicht nur in akademischer Bildung und Theorie. Lieber Herr Pfeifer, was soll denn so etwas? Mein alter Lehrmeister im Betrieb hat immer gesagt: „Sag, lieber Freund, was ist denn Theorie? — Wenn's stimmen soll und stimmt doch nie. Und was ist Praxis?, frage drum. — Wenn's stimmt, und keiner weiß, warum."

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bin der lebendige Beweis dafür, daß praktische Erfahrung abstraktes und kontemplatives Wissen ersetzen kann.

(Franke [CDU/CSU] : Was ist das denn schon wieder?)

Als Maschinenschlosser bin ich dankbar für alle Bildungschancen, die mir diese Gesellschaft und meine sozialdemokratische Sicht der Bildungsgänge und -möglichkeiten immer geboten hat.

(Franke [CDU/CSU] : Wer hat Ihnen das alles aufgeschrieben?)

— Ja, Sie werden staunen. Trotz achtjähriger Volks-
schule mache ich meine Reden immer selber, Herr
Franke. Bei Ihnen scheint das nicht der Fall zu sein.

(Wehner [SPD]: Man soll sich von einem Gauch nicht provozieren lassen!)

— Das ist richtig, Herr Kollege Wehner.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema „Zukunftschancen der jungen Generation" scheint nun wirklich zum Dauerbrenner der Union geworden zu sein. Das ist zweifellos eines der zweifelhaften Verdienste Ihrer Bildungspolitiker, meine Damen und Herren von der Opposition. Seit dem Jahre 1976, kurz vor der Bundestagswahl, haben wir in diesem Hohen Hause mehrmals Debatten zu diesem Thema geführt. Der Deutsche Bundestag hat in zwei Beschlüssen — ich nenne Ihnen die Drucksachen: 8/439 und 8/1758 —, zuletzt am 21. Juni des vergangenen Jahres, also nur vor sechs Monaten, klar und eindeutig zu dieser wichtigen Frage unseres Landes detailliert Stellung genommen. Er hat die Bundesregierung in ihrem Bemühen, mehr Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen bereitzustellen, eindeutig bestärkt „Bildungs- und sozialpolitische Maßnahmen können die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nicht aus ihrer Verantwortung für die Beschäftigungsmöglichkeiten entlassen." Herr Pfeifer, Sie werden staunen, das steht in dieser Beschlußempfehlung.
Mit Ihrem erneuten Antrag zu den Zukunftschancen der jungen Generation setzen Sie von der Opposition lediglich Ihre Propagandakampagne, die im Jahre 1976 begonnen wurde, fort und malen wieder wie immer in tiefschwarzer Farbe ein Zukunftsbild unserer Jugend, dem nach meiner Auffassung jeglicher Realitätsbezug fehlt.

(Beifall bei der SPD)




Wüster
Sie sind eben gebildete Expressionisten. Mein Kompliment, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU)

Ich habe mich gefragt, was Sie eigentlich damit erreichen wollen, und fand nur die Antwort: Die Jugend soll und muß verunsichert werden. Die Zukunft wird natürlich als verworren und unkalkulierbar dargestellt, was sie, Gott sei es gedankt, in gewisser Weise immer gewesen ist. Aber Sie bringen nun endlich Licht in die Sache und prophezeien: Wer Abitur hat — Herr Pfeifer hat es gesagt —, wird später keinen Studienplatz finden oder ein arbeitsloser Akademiker sein. Wer den Hauptschulabschluß geschafft hat, dem wird suggeriert: Einen Ausbildungsplatz wirst du schwerlich finden; du wirst von Abiturienten ohne Studienplatz mit Sicherheit verdrängt. Wir haben es gehört. Nach dem christlichen Prinzip Hoffnung erklären Sie den jungen Menschen: Dein Leben wird wahrscheinlich von stetiger Arbeitslosigkeit als lebensbegleitender Erfahrung geprägt sein. Zwei Millionen Arbeitslose in den 80er Jahren sind eine realistische Perspektive.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat das gesagt?)

— Das steht in Ihrem Programm. Das müssen Sie einmal nachlesen. Anscheinend kennen Sie es noch nicht einmal.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

Den Generationenvertrag beschwören Sie und stellen einem 15jährigen seine 50 Jahre später zu erwartende Altersversorgung heute schon als völlig ungesichert dar. Damit hat die weiß-blaue Schwester die CDU endlich auf Sonthofener Konfrontationskurs gebracht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Womit wir beim Thema wären! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Das paßt Ihnen natürlich nicht, und als gute Demokraten müssen Sie mich ständig unterbrechen. Aber hören Sie sich einmal auch das an, was wir Ihnen sagen! Wir haben Ihrem Sprecher ja auch sehr geduldig zugehört.

(Franke [CDU/CSU] : Der nimmt sich aber wichtig, was!)

Sie sprechen schon jahrelang von Krisen, Bedrohungen und Hoffnungslosigkeit. Wie gut, daß es da eine Planung gibt!
Mit dem Segen des Bundesausschusses der CDU haben Sie am 12. Juni 1978 den „Weg in eine gesicherte Zukunft" beschlossen. Die Verunsicherung gipfelt in dem stolzen Satz — hören Sie einmal gut zu, Herr Daweke —:
Diese ungelösten Probleme wecken Zweifel, ob in Zukunft noch Freiheit und Sicherheit aller Bürger garantiert werden kann. Damit droht auf die Dauer eine Gefährdung der politischen Stabilität unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, von welchem Land sprechen Sie eigentlich?
Wie gut, daß die meisten Bürger in unserem Lande mit der Gelassenheit eines Bert Brecht reagieren, der schon seinerzeit in einem Lied der „Dreigroschenoper" von der Unzulänglichkeit des menschlichen Lebens und Strebens gesprochen hat. Er sagte — ich darf das in einer leichten Abwandlung zitieren —:
Ja, mach nur ein Programm, Sei nur ein großes Licht.
Und mach noch ein Programm —Geh'n tun sie beide nicht!
Zum Glück lassen sich die jungen Bürger in ihrer ganz großen Mehrheit nicht „verkohlen". Sie setzen Vertrauen in ihre eigenen Zukunftschancen, sie setzen Vertrauen in unsere Gesellschaft. Sie setzen Vertrauen in diese Regierung und den von aller Welt geachteten Bundeskanzler. Und diese Jugend besitzt Reife und Verstand, Ihren düsteren Prognosen und falschen Ratschlägen nicht auf den Leim zu gehen.

(Burger [CDU/CSU] : Realistisch ist doch nicht düster!)

Lassen Sie mich einmal hypothetisch betrachten, welche Krise tatsächlich entstanden wäre, wenn alle Abiturienten kein Studium aufgenommen hätten, wenn die Schüler der gymnasialen Oberstufe in großer Mehrheit keinen Studienplatz erhalten hätten und wenn die von Ihnen beschworene spätere Akademikerarbeitslosigkeit alle plötzlich in das duale System gedrängt hätte, um noch rasch einen Ausbildungsplatz in der Wirtschaft zu finden! Und was wäre passiert, wenn Haupt- und Realschüler in Resignation den düsteren Unionsprognosen gefolgt wären und sich nicht um Ausbildungsplätze bemüht oder schulische Angebote wahrgenommen hätten? Wo stünden wir denn heute, wenn die Jugend die von Ihnen dargestellte Aporie auf sich bezogen und ihre Alternative in Arbeitslosigkeit und Jobben gesehen hätte? Die Bürger in unserem Lande — Unternehmer, Gewerkschafter, Eltern und Lehrer — haben aber Hoffnungslosigkeit als Zukunftsperspektive nicht zu ihrer Grundhaltung gemacht, sondern die Bewältigung der Probleme als ihre ureigenste Aufgabe angesehen. Nur so ist es gelungen, mehr als 150 000 Ausbildungsverträge pro Jahr zusätzlich abzuschließen. Das Angebot in Berufsfachschulen ist gesteigert worden, den Numerus clausus haben wir zurückgedrängt, und die Hochschulen sind geöffnet worden. Und schließlich ist die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zur übrigen Arbeitslosigkeit und im Vergleich zum übrigen Europa auf ein sehr niedriges Niveau zurückgedrückt worden.

(Beifall bei der SPD)

Hier und da auftretende Schwierigkeiten und auch Friktionen werden von uns nicht geleugnet. Sie sind in einem Land mit freier Bildungs- und Berufswahl auch gar nicht zu beseitigen, es sei denn, eine doch wirklich nicht gewollte Planungsbürokratie würde mit Akribie auch noch den letzten Schüler „vermarkten". Aber wer will das denn?
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lage der Jugend ist keineswegs hoffnungslos. Die Zukunft der Jugend ist wie jede Zukunft eine Zukunft, die nicht wie im Schlaraffenland den Wohl-



Wüster
stand selbst vermehrt. Jede Zukunft muß in Verantwortung selbst erarbeitet werden. Und ich sage Ihnen, die Zukunftschancen dieser Jugend sind gut. Noch nie hat in Deutschland eine Jugend in ihrer Gesamtheit in den Schulen und Universitäten eine so gute Vorbereitung gefunden. Zu keiner Zeit haben so viele Jugendliche einen Ausbildungsvertrag in einem anerkannten Ausbildungsberuf abschließen können. Das Angebot an Ausbildungsplätzen hat einen Höchststand erreicht, der, wenn auch angesichts der geburtenstarken Jahrgänge immer noch nicht ausreichend, in der heutigen Weltwirtschaftskrise trotzdem mit den Zeiten der Hochkonjunktur in den 60er Jahren vergleichbar ist. Zu keiner Zeit war die Quote der ungelernten Jugendlichen so niedrig wie heute. Noch nie haben so viele Jugendliche und junge Menschen in ihrem Altersjahrgang einen Schulabschluß erreicht, so viele einen mittleren Abschluß oder die Hochschulreife erlangt.
Ein Vergleich des Jahres 1965 mit dem Jahre 1975 soll das bestätigen: 350 000 Schüler waren im neu eingeführten Hauptschuljahr, 1,5 Millionen Schüler mehr auf dem Wege zum mittleren Abschluß, 300 000 Schüler mehr in der Oberstufe des Gymnasiums, 270 000 Schüler mehr in beruflichen Vollzeitschulen. Fachoberschulen wurden gegründet, Fachschulen ausgebaut und die Zahl der Studienplätze verdoppelt.
Sehr verehrte Damen und Herren von der Union, haben Sie denn nicht die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD und FDP zur Bildungspolitik gelesen? Diese Daten, Fakten und Zahlen bestätigen eine gute Ausgangslage für unsere Jugend. Für unsere Jugend wurde vorgesorgt, weit vor der Zeit, bevor die Opposition das Thema Zukunftschancen überhaupt aufgegriffen hatte. Diese Behauptung will ich gerne beweisen.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie 1965 in den Landtagen über die Einführung von Gemeinschaftsschulen gegen Ihren Widerstand gerungen wurde, wie in manchen Bundesländern die Landschulreform nur schleppend voranging und sich vollzog. Unter den Bürgern wuchs damals die Unruhe über die Ungerechtigkeiten in der Verteilung von Bildungschancen. Überall fehlten Realschulen, Gymnasien und berufliche Vollzeitschulen. Das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land wurde immer krasser und die unzureichende Bildungsbeteiligung von Arbeiterkindern, die erheblichen Abweichungen der Bildungswege von Jungen und Mädchen waren große Probleme, die doch uns allen auf den Nägeln brannten. Die Zukunftschancen der Jugend von heute wurden also damals bestimmt.
Mit dem Tage der Einschulung stellten wir uns der Verantwortung für die geburtenstarken Jahrgänge. Wir Sozialdemokraten haben 1959 im Godesberger Programm und 1964 auf dem Nürnberger Parteitag deutlich gemacht, wie wichtig wachsende Bildungsbeteiligung auf allen Ebenen für die Zukunftschancen der Jugend ist. Wie stünde es aber heute um die Zukunftschancen der jungen Generation, wenn wir nicht rechtzeitig die Weichen in Richtung Zukunft der jungen Bürger gestellt hätten? Es ist meine feste Überzeugung, daß heute Resignation, Hoffnungslosigkeit und Arbeitslosigkeit in weitaus höherem Maße politische Realität wären, mit der sich
dieses Parlament in nicht gekanntem Ausmaße ständig auseinanderzusetzen hätte. Rein rechnerisch hätten wir bei konstanter Bildungsbeteiligung wie 1965 1,5 Millionen Jugendliche mehr, die heute einen Arbeitsplatz suchten. Die Gefahr von Arbeitslosigkeit wäre unzweifelhaft wegen des niedrigen Qualifikationsniveaus um ein Vielfaches höher. Die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft wäre wegen mangelnder Investitionen in die Ausbildung der künftigen Erwerbstätigen, international gesehen, 'ernsthaft gefährdet. Die gesellschaftlichen Folgekosten mangelhafter schulischer Ausbildung, Fortbildung und Umschulungen wären auf ein nie gekanntes Niveau geklettert.
Wir lassen es deshalb nicht zu, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, daß Sie der Jugend und dem deutschen Volke einreden wollen, die Zukunftschancen der Jugend lägen uns nicht am Herzen. Für uns Sozialdemokraten ist es ein Gebot der Solidarität der Generationen, den geburtenstarken Jahrgängen vor allem im Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft ausreichende und qualifizierende Bildungs- und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Damit soll die nachwachsende Generation zugleich befähigt werden, mit politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen, die sich heute schon abzeichnen, auf eine verantwortungsbewußte und demokratische Weise fertig zu werden. Wir lassen uns durch Angst und Panikmache nicht irremachen, sondern werden durch stetige, selbstkritische Korrektur unseren Kurs bestimmen und beibehalten. Das Bildungswesen steht heute allen offen; mithin sind auch die Chancen aller Jugendlichen besser geworden. Wer aber dieser Jugend nicht konkret hilft, sondern verzögert oder mauert, der wird auch nicht „sicher, sozial und frei" den Weg in die Zukunft finden," der zerstört den notwendigen Konsens und schafft statt Kooperation nur Konfrontation.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Zunächst hatte ich bei der Durchsicht Ihres Antrages 8/2045, wenn ich von obligatorischen Ausrutschern absehe, durchaus geglaubt, die Zeit einer beispielslosen Verunsicherung der Jugend in der Bundesrepublik Deutschland sei vorbei, und ich freute mich auf eine konstruktive Phase in der Politik. Dann aber standen da- die Unterschriften der Fraktionsvorsitzenden Kohl und Zimmermann wie ein Symbol für die folgende Begründung des Antrags. Es folgten die Wiederkehr und Aneinanderreihung Ihrer bekannten Sprüche, die wir mit wachsender sprachlicher Exzentrik von Ihnen immer zu hören und zu lesen bekommen. Ich weiß nicht, warum und ob nicht einem von den Feinfühligeren unter Ihnen eingefallen ist, einmal darüber nachzudenken, was Sie dieser Jugend rein sprachlich alles zumuten. Da ist die Jugend „resigniert" und „orientierungslos" ; Neid, Ellbogenmentalität und Konkurrenzkampf gehen unter ihr um. Abitur und Studium werden überbewertet. Von den Regierenden und deren politischer Auffassung wird ein Bild gezeichnet, das von Mißachtung, Diffamierung, Vernachlässigung, Reglementierung, Dirigismus und



Wüster
Indoktrination nur so trieft. So bekommt der Bürger, meine sehr verehrten Herren von der Opposition, eine Lektion guter christpolitischer Auseinandersetzung und fällt doch das Urteil: ein garstig Lied, pfui, ein politisch Lied.
Die Sozialdemokraten werden Ihnen auf diesem Wege der sprachlichen „Heißmacher" nicht folgen. Sie können uns wirklich nicht weismachen, wir hätten nicht alles in unserer Kraft Stehende getan, um die Zukunftschancen unserer Jugend zu sichern. Trotzdem sage ich Ihnen ganz freimütig, daß wir über vieles in Ihrem Antrag später im Ausschuß sprechen können; aber die Begründung Ihres Antrags, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, kann so nicht im Raume stehenbleiben. Das können wir weder der Jugend noch uns noch den Wählern dieser Regierungskoalition zumuten. Über die Veränderung im Umgangston in unserem Parlament sollten Sie in aller Ruhe noch einmal nachdenken, um uns im Ausschuß zu sagen, ob das etwa der Sache dienlich ist und wie damit die Zukunftschancen der Jugend gesichert werden können.
Erlauben Sie mir bitte, daß ich mir noch einige Schwerpunkte Ihres Antrags näher ansehe. In der 99. Sitzung dieses Hohen Hauses haben wir auf Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft und mit Ihren Stimmen nach langen Ausschußberatungen eine Empfehlung über die Zukunftschancen der jungen Generation beschlossen, die sehr viele Aufforderungen an die Bundesregierung zur Ergreifung von Maßnahmen enthielt. Zugleich wurde Ihre Drucksache 8/439 für erledigt erklärt, wie es im Protokoll heißt. Können Sie mir etwa das Geheimnis verraten, warum der heute diskutierte Antrag in weiten Teilen als ein Neuaufguß des für erledigt erklärten Antrages wieder erscheint, ein Antrag, in dem fast alles wieder steht, was wir schon vor zwei Monaten beschlossen haben? Das ist fürwahr kein Meisterstück, wenn man einmal davon absieht, daß Ihnen durchgängig immer wieder eingefallen ist, zu jedem und allem einen Bericht der Bundesregierung zu verlangen. Ich nehme an, es ist geschehen, um den angeblichen „Bürokratismus" der Sozis zu bekämpfen. Alle zwei Jahre soll ein Bericht über die Bedarfsprognoseforschung gegeben werden. Über die Forschungsförderung kann nicht geredet werden, ohne daß gleich zwei weitere Berichte vorgelegt werden sollen. Weiterhin soll ein Bericht zur Verbesserung der Berufsqualifikation der benachteiligten Jugendlichen vorgelegt werden. Und so weiter, und so fort. Natürlich alles neben dem jährlich überhaupt schon zu erstattenden Berufsbildungsbericht, in dem das meiste von dem, was Sie alles erfahren wollen, sowieso schon enthalten ist.

(Roth [SPD] : Alles mithin Bürokratisierung!)

— So ist es.
Zu den Bedarfsprognosen hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft bereits eine Veröffentlichung herausgegeben, die jedermann zugänglich ist. Herr Schmude wird sie Ihnen sehr wahrscheinlich gern zur Verfügung stellen. Wenn ich den Informationen durch das Ministerium im Ausschuß
richtig gefolgt bin, werden wir noch in diesem Frühjahr einen umfangreichen Forschungsbericht erhalten.
Was wollen Sie, meine Damen und Herren, denn mit einer solchen Berichtsflut erreichen? Mit Sicherheit bringt sie keinen zusätzlichen Ausbildungsplatz. Dafür wird aber die Übereinstimmung in vielen inhaltlichen Fragen und Forderungen mit den vom Deutschen Bundestag am 21. Juni 1978 beschlossenen Empfehlungen im Einzelvergleich besonders sichtbar. Es beginnt schon mit dem ersten Satz. Ich bitte Sie, sich das mal anzuhören. Wir haben gesagt:
Angesichts der geburtenstarken Jahrgänge ist die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation in Ausbildung und Beruf eine der zentralen Fragen der kommenden Jahre.
Und jetzt hören Sie sich mal Ihre Formulierung an. Sie sagen heute:
Der Deutsche Bundestag sieht die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation in Ausbildung und Beruf als eine der vordringlichen politischen Aufgaben an.
Tun Sie mir doch bitte mal den Gefallen und erklären Sie mir den tieferen Unterschied. Ich sehe ihn nicht.

(Zuruf von der SPD: In der Länge! — Zuruf des Abg. Klein [München] [CDU/CSU])

— In der Länge? Vielen Dank!
Sie fordern bessere Bildungs- und Berufsberatung. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die haben Sie freundlicherweise mit uns schon beschlossen. Sie beantragen mehr Ausbildungsordnungen in zukunftsorientierten Berufen und bessere Ausbildungsangebote für Mädchen und Frauen. Leistungsschwache, noch nicht Berufsreife und Behinderte wollen Sie besonders fördern. Das ist alles mit Ihrer freundlichen Unterstützung bereits beschlossen.

(Zuruf des Abg. Pfeifer [CDU/CSU])

Da fordern Sie die Bundesregierung wieder auf, sich in der Frage des zehnten Schuljahrs zur Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 zu bekennen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, das hat die Bundesregierung nachweislich des Bundestagsprotokolls hier mehrmals getan.
Weitere Übereinstimmungen zwischen dem Beschluß vom 21. 6. 1978 und Ihren Beschlußempfehlungen will ich Ihnen ersparen, da sie Sie vermutlich langweilen werden. Aber im Ausschuß werden Sie das Geheimnis lüften müssen, was an Maßnahmen aus Ihrem Vorschlagskatalog denn nun wirklich neu ist.
Mit Wiederholungen und polemischen Erklärungen werden wir unserer gemeinsamen Verantwortung für die junge Generation wirklich nicht gerecht. Ich bin auch ganz sicher, daß Sie sowohl die Jugend als auch den Wähler unterschätzen, falls Sie glauben, das Wechselspiel der Vorwürfe und einander widersprechender Positionen werde draußen nicht durchschaut. Auch heute gilt die Feststellung unseres Beschlusses vom 21. Juni 1978, dem — ich wieder-



Wüster
hole es — alle Fraktionen dieses Hauses zugestimmt haben:
Die Bundesregierung hat bereits ein Bündel abgestimmter Maßnahmen darauf ausgerichtet, die Chancen der geburtenstarken Jahrgänge zu sichern und zu verbessern.
Die Sozialdemokraten brauchen sich nicht zu wiederholen. Sie stehen zu ihren Beschlüssen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812800400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0812800500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Pfeifer hat wie bei der letzten Beratung anläßlich der Großen Anfrage wieder einmal ins Zentrum seine Überlegung gestellt, daß man allein die akademische Qualifikation hoch bewerte und so wenig für die Bewertung der anderen Qualifikationen tue. Herr Wüster hat sehr eindrucksvoll deutlich gemacht, daß er sich von Herrn Pfeifer insofern unterscheidet, als er für sich zunächst eine andere Qualifikation in Anspruch genommen und damit bewiesen hat, wo er die Werte in der Qualifikation sieht. Wenn allerdings ein promovierter Akademiker hier vorne steht, um die Werte — —

(Daweke [CDU/CSU] : Wer?)

— Herr Dr. Pfeifer!

(Daweke [CDU/CSU] : Der ist doch gar nicht Doktor!)

— Ach, ist er nicht? Das tut mir aber leid, Herr Pfeifer; das tut mir außerordentlich leid. Aber er ist jedenfalls ein Akademiker und Volljurist, wie ich soeben dem Handbuch entnehmen konnte. Er hat also für sich eine vollakademische Ausbildung in Anspruch genommen, um nun der erstaunten Öffentlichkeit mitzuteilen, daß doch die eigentlichen Werte bei den anderen zu suchen seien.

(Zuruf des Abg. Pfeifer [CDU/CSU])

— Schauen Sie, Herr Dr. Pfeifer, Herr Pfeifer — jetzt muß ich wieder umdenken —,

(Heiterkeit und Zurufe)

genauso ist es. Im übrigen steht im Augenblick hier am Rednerpult auch jemand, der nicht ein vollakademisches Studium absolviert hat. Ich kann mit dem Ing.-Grad gut leben, und ich brauche nicht unbedingt den „Dipl." zu meinem Selbstbewußtsein.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Insofern kommt es darauf an, hier nicht Polemik zu üben, sondern an Fakten zu beweisen, wer es eigentlich in diesem Raume ist, der welche Qualifikationen wie einstuft.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sprechen von Verwissenschaftlichung und Vertheoretisierung. Wer stellt denn eigentlich die Mehrheit der Kultusminister? Sie reden ununterbrochen davon, daß wir den Kulturföderalismus hintergingen, und verstehen es in phantastischer Weise, der Öffentlichkeit klarzumachen, daß bei allen — nach
Ihrer Meinung — negativen Erfolgen im Bildungsbereich offenbar der Bund verantwortlich ist. Wenn Sie gegen Verwissenschaftlichung und gegen Vertheoretisierung eintreten, müßte dies ja in den von Ihnen regierten Ländern alles ganz anders aussehen, als es in den von den Sozialdemokraten und den Sozialliberalen regierten Ländern aussieht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn man dieses Problem sachlich klären will, dann, bitte schön, nicht auf diese Weise.
Im Mittelpunkt Ihrer Rede stand, daß es mit den Berufschancen der Akademiker ganz schlimm aussehe. Zum Schluß haben Sie doch darauf hingewiesen, daß es allerdings bei denjenigen ganz schlimm aussehe, die überhaupt keine Ausbildung haben. Das Hauptproblem liegt heute nicht in der Überqualifikation, sondern in der Unterqualifikation. Ich muß ehrlich sagen: mein Mitleid mit einem arbeitslosen Akademiker hält sich deshalb in Grenzen, weil ich von ihm erwarte, daß er auch Tätigkeiten aufzunehmen bereit ist, die möglicherweise ein akademisches Studium nicht voraussetzen. Das kann ich von ihm erwarten. Von jedem kann ich erwarten, daß er, wenn er Bildungschancen für sich in Anspruch genommen hat, anschließend auch bereit ist, eine Tätigkeit aufzunehmen, die möglicherweise etwas unterhalb seiner Qualifikation liegt.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD)

Die Ursache der Arbeitslosigkeit ist im Augenblick mehr darin zu sehen, daß wir zuviel Arbeitsplätze anbieten können, die hohe Qualifikationen erfordern, und leider zu viele Nachfrager am Arbeitsmarkt haben, die eben keine Ausbildung haben.
Der Elternwille wurde wieder angesprochen, und zwar in dem Zusammenhang, daß diese Koalition die integrierten Modelle weiterhin gegen den Willen der Eltern favorisiere. Ich kann nur das Beispiel Hamburg erwähnen und bitte, ein solches Schulgesetz auch in anderen Ländern einzuführen. Sie werden feststellen, daß dann, wenn die Eltern frei wählen dürfen, ob sie ihre Kinder in ein integriertes Modell oder in ein dreigliedriges Schulsystem schikken wollen,

(Beifall bei der SPD)

die Kapazität an Gesamtschulen überhaupt nicht ausreicht. Das ist „Elternwille"
Was Sie hingegen in Ihrer Politik tun, ist: Sie geben den Eltern gar nicht die Möglichkeit, sich für ein integriertes Modell oder für ein dreigliedriges Schulsystem zu entscheiden. Wenn man schon den Elternwillen so in den Mittelpunkt stellt, sollte man dies auch ehrlich tun.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Eindeutig falsch!)

— Das ist voll richtig. Sie können ja mal nach Hamburg kommen. Ich lade Sie gerne mal ein. Dann werde ich Ihnen diese Erfahrungen dort zeigen.
Herr Pfeifer hat uns zum Schluß gebeten, dem Antrag zuzustimmen. Ich bin sicher, daß eine Reihe von Kollegen aus der Union diesen Antrag nicht gelesen haben. Er ist nämlich keineswegs auf Zustimmung angelegt. Vielmehr ist darin von sinnloser



Frau Schuchardt
Konfrontationspolitik der Bundesregierung die Rede, von bildungspolitischer Ideologisierung, Kompromißlosigkeit von SPD und FDP, von politischer Indoktrination und Klassenkampf.

(Zuruf von der CDU/CSU: Völlig aus der Luft gegriffen!)

Meine Damen und Herren, Sie können doch wohl nicht im Ernst meinen, daß wir uns auf einen im Parlament eingebrachten Antrag einigen können, wenn er gespickt mit Diffamierungen des anderen Teils des Hauses ist. Dieser Antrag ist nicht — auch wenn er den schönen Titel „Zukunftschancen der jungen Generation" trägt — ein Beitrag, eben diese Chancen zu verbessern, sondern allein zur Polemik gedacht. Ich bezeichne die Einbringung dieses Antrags als eine Verwahrlosung der parlamentarischen Sitten.

(Lachen bei der CDU/CSU)

— Alle diejenigen, die lachen, bitte ich wirklich, die Zeit zu nutzen, den Antrag einmal durchzulesen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Bringen Sie ein Beispiel dafür!)

— Lesen Sie sich die Begründung durch, Herr Kroll-Schlüter. Ich habe hier eben einige Beispiele genannt. Jetzt möchte ich noch auf einige andere Gedanken eingehen.

(Wissmann [CDU/CSU] : Lesen Sie mal die Maßnahmen!)

— Auf die Maßnahmen, die außerordentlich beeindruckend sind, Herr Wissmann, komme ich noch.
Meine Damen und Herren, nicht jeder wird den Antrag gelesen haben. Um die Qualität dieses Antrags zu beschreiben, möchte ich Ihnen einige Kostproben geben. Da tauchen lauter alte Bekannte wieder auf: Das Vertrauen bei den Unternehmern, bei den Arbeitnehmern und den Verbrauchern sei zerstört. Da spricht man von der „lang andauernden Wirtschaftskrise". Nun frage ich mich, ob Siè alle die Ausführungen des Herrn Biedenkopf in der „Welt" gelesen haben. Der ist da nämlich ganz anderer Auffassung. Dann steht da, wir nähmen eine „Verakademisierung" vor. Da kann ich nur Herrn Rühe daran erinnern, daß wir einmal gemeinsam von 1970 bis 1972 in der Hamburger Bürgerschaft waren und er während dieser Bürgerschaftsdebatten keine Gelegenheit ausgelassen hat, dem Hamburger Senat vorzuwerfen, daß er der Hochschule leider viel zuwenig Priorität einräume.

(Zuruf des Abg. Rühe [CDU/CSU])

— Jawohl, Herr Rühe, Sie haben ein außerordentlich kurzes Gedächtnis. Das bedaure ich sehr. Ich habe dafür ein besseres. Ich werde jede Gelegenheit nutzten, Sie darauf wieder hinzuweisen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn man vernünftige Politik betreiben will und wenn man zumindest den Eindruck erwecken will, daß man in der Lage sei, Probleme zu lösen, dann müßte man auch in der Lage sein, möglicherweise Fehlentwicklungen, die man selber mitverschuldet hat, einzusehen und zu korrigieren. Wenn man
dazu nicht bereit ist, ist man auch nicht in der Lage, Probleme von morgen zu lösen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sind Sie denn so einsichtig?)

Da sind dann wieder die „sozialistischen Rahmenrichtlinien" erwähnt. Da ist natürlich wieder die Rede von „Reglementierungen und Dirigismus als bürokratische Mittel, um die Eigeninitiativen . . . zu ersticken". Sind das hervorragende sachliche Argumente? Nein, hier geht es nun wirklich nicht um die Sache, hier geht es letztlich auch darum — und diese Passage bitte ich besonders zu beachten —, daß man Regierung und Koalition im Grunde genommen sogar noch für die geburtenstarken Jahrgänge verantwortlich macht, was natürlich ein besonderes Meisterwerk ist.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Nun sollte man in der Tat meinen, daß sich unter einem solchen anspruchsvollen Titel möglicherweise doch der eine oder andere Lösungsansatz findet. Leider bleibt der Antrag in Unverbindlichkeiten stecken. Da heißt es z. B.:
Bildungsanspruch und Arbeitsmarkt sollen zu einem sinnvollen Ausgleich gebracht werden.
Man denkt nun, daß man beim Weiterlesen erfahren werde, wie das geschehen solle.

(Pfeifer [CDU/CSU] : Dazu habe ich gesprochen!)

— Sie haben dazu gesprochen. Aber das ist genauso „allgemeinplätzlich" gewesen wie der Antrag selber.
Da steht z. B. auch:
Die Forschungs- und Technologiepolitik ist so zu gestalten, daß sie einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation leistet.

(Pfeifer [CDU/CSU] : Lesen Sie mal weiter!)

Wie das geschehen soll, dazu bleibt man jede Antwort schuldig.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich kann den ganzen Antrag vorlesen, damit Sie endlich einmal kennenlernen, was Sie hier eingebracht haben:
Die Angebote für Mädchen und Frauen in der beruflichen Erstausbildung und in der weiterführenden Bildung müssen verbessert und spezifiziert werden. Ungelernten und angelernten Frauen müssen vielfältigere Möglichkeiten eingeräumt werden, berufliche Qualifikation zu erwerben.

(Burger [CDU/CSU]: Das ist goldrichtig!)

Darauf können wir uns ganz schnell einigen. Aber wie? Das ist hier die Frage. In diesem Zusammenhang fordern Sie die Bundesregierung auf, sich dazu etwas einfallen zu lassen. Ich vertraue in diesem Falle auch mehr auf die Bundesregierung als auf die Opposition. Insofern stimme ich dieser Auf-



Frau Schuchardt
forderung zu. Zumindest ist das aber kein Beitrag Ihrerseits zur Lösung der Probleme.

(Pfeifer [CDU/CSU]: Sie müssen richtig zitieren!)

Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist an „Konkretheit" überhaupt nicht mehr zu überbieten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wenn dieser Antrag angenommen würde, dann hätten wir — und darauf mache ich Sie aufmerksam, meine Damen und Herren — mit weiteren Papierbergen zu rechnen. Es werden nämlich allein vier weitere Berichte angefordert. Es geht um Berichte zur Entwicklung der Prognoseforschung und der Bedarfsprognosen sowie zur steuerlichen Forschungsförderung. Es wird ein Bericht über den Zusammenhang von Forschungsförderung und Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze angefordert. Schließlich wird ein Bericht über die Untersuchung und die ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsqualifikation benachteiligter Jugendlicher angefordert. Wir hätten also genug zu lesen, wenn dieser Antrag angenommen würde.
Im übrigen macht die Anforderung dieser Berichte deutlich, daß wir offenbar schon viel zuviel Berichte bekommen und gar nicht mehr wissen, was alles bereits berichtet wird. Das meiste davon ist nämlich in vorgesehenen Berichten bereits der erstaunten Öffentlichkeit mitgeteilt worden. Allerdings hat dies auf Grund der Informationsfülle völlig unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden. Dies weiter fortzusetzen, ist offenbar die Politik der Union. Aber mit Berichten lösen Sie nicht die Probleme der jungen Generation, sondern nur mit Taten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Nun zu einigen Einzelgesichtspunkten. Da ist z. B. die Rede von der wertorientierten Familienpolitik.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Werteorientiert!)

Es bleibt zwar offen, was Sie als Werte einbringen, aber immerhin ist das so betont worden. Ich stimme Ihnen zu.

(Wissmann [CDU/CSU] : Jetzt hätten wir gern einmal gehört, was Sie wollen!)

Nur, meine Damen und Herren, ist seit Bestehen der Bundesrepublik die junge Generation — daran sind wir wahrscheinlich alle schuld, Sie sicherlich nicht am wenigsten — allein unter dem Gesichtspunkt herangewachsen, daß die Werte in den materiellen Anreizen zu suchen sind.
In Ihrem Antrag sprechen Sie auch wieder von neuen Wachstumsstrategien. Sie sagen, allein in den Wachstumsstrategien — nicht in den Werten — liege die Zukunft. Wenn Sie es einmal genau durchlesen, werden Sie das finden.

(Rühe [CDU/CSU] : Das stimmt doch nicht! Wo steht das im Programm? — Pfeifer [CDU/CSU] : Steht da nur was von Wachstumsstrategien?)

— Ich kann es Ihnen gleich sagen. Herr Rühe, ich will hier gern die Antworten geben. Es heißt:
Realitätsorientierte Bildungspolitik steht in einem engen Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Wachstumsstrategie. Sie wiederum ist die unabdingbare Voraussetzung für den qualitativen Fortschritt in einer Bildungs- und Sozialpolitik.

(Rühe [CDU/CSU] : Das ist doch ganz etwas anderes!)

— Nein, meine Damen und Herren, hier sprechen Sie unmittelbar vom materiellen Wachstum, nicht etwa vom Wachstum von Werten.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Na und? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Das bedeutet, daß wir alle Grund haben, darüber nachzudenken, auch Sie, selbst wenn Sie sich wehren. Schlagworte kann man natürlich einbringen; aber fragen Sie sich wirklich einmal, worauf es zurückzuführen ist, daß viele Jugendliche heute die ältere Generation fragen, wo denn eigentlich die Werte sind. Diese sind nämlich von vielen in der älteren Generation verschüttet worden.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD)

Die Jugend erwartet dieses heute sehr viel stärker, als es von Ihnen überhaupt gefordert werden kann. Ich sage Ihnen, daß diese Koalition und diese Bundesregierung diesbezüglich sicherlich glaubwürdiger dastehen können als Sie.
Es ist z. B. auch von den bewährten Tugenden die Rede, die vermittelt werden müßten: Zivilcourage, Mut zur Kritik, Offenheit und Widerspruch.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Sehr gut!)

— Ganz phantastisch, Herr Probst! Aber wie häufig haben Sie und Redner von Ihnen denn hier vorn gestanden und diejenigen, die Konflikte innerhalb unserer Gesellschaft angesprochen und aufgedeckt haben, verteufelt; es wurde gesagt, daß sie im Grunde genommen an nichts anderem interessiert seien als an Kritik! Wie haben Sie denn hier vorn z. B. Einzeläußerungen von Jungdemokraten und Jungsozialisten aufgenommen, um gleichzeitig sagen zu können, sie seien mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gar nicht mehr vereinbar! Damit wird Verunsicherung gebracht, und damit schaffen Sie eine Jugend, die, weil sie an ihre berufliche Zukunft denkt, nicht .in der Lage ist, Zivilcourage aufzubringen und Mut zur Kritik und zur Offenheit zu haben. Ich meine, hier darf man etwas • nicht so beklagen; wenn man es jedoch beklagt, muß man auch sagen, daß man ganz entscheidend zu einer Entwicklung beigetragen hat, die eben genau diese Werte in den Jugendlichen nicht geweckt hat.
Meine Damen und Herren, es ist weiterhin von der Berufs- und Laufbahnstruktur die Rede. Natürlich ist davon immer die Rede, wenn es um ein solches Thema geht. Aber dann werden natürlich nur populäre Dinge angesprochen. Zum Beispiel ist die Rede davon, daß man die Berufs- und Laufbahnstrukturen durchlässiger machen müsse. Donner-



Frau Schuchardt
wetter! Das ist hier vorn schon häufig gesagt worden. Das ist kein neuer Gedanke. Es wird gesagt, die Berufspraxis sei prinzipiell gegenüber Hochschulabsolventen nicht zu benachteiligen. Aber was heißt das denn in unserem Besoldungssystem auf deutsch? Herr Roth, Herr Wissmann und ich haben gemeinsam beim Institut der deutschen Wirtschaft an einer Podiumsdiskussion teilgenommen. Dort habe ich mir zu sagen erlaubt: Alle reden darüber, aber wenn man es umsetzt, muß man möglicherweise einer ganzen Reihe von Beamten empfindlich auf die Hühneraugen treten,

(Rühe [CDU/CSU] : Sie stellen doch den Innenminister! Machen Sie es einmal!)

indem man ihnen sagt, daß es unserer Auffassung nach in der Besoldung nicht mehr nur nach oben gehen kann, sondern daß man, wenn man die Berufspraxis mehr honorieren will, mit Sicherheit einiges hinsichtlich der Struktur verändern muß.

(Daweke [CDU/CSU] : Hat Herr Baum das Papier fertig?)

Der Wissenschaftsrat schlägt vor, daß man möglicherweise etwas bei der Anfangsbesoldung der Akademiker tun könnte, und zwar nicht nach oben, sondern nach unten. Das wird hier natürlich nicht aufbereitet, denn das wäre unpopulär. Und wer hat es in der Opposition schon nötig, unpopuläre Maßnahmen zu fordern? Man braucht das, was man sagt, ja nicht zu verwirklichen.

(Wissmann [CDU/CSU]: Dann ergreifen Sie die Initiative!)

— Ich würde sie sehr gerne ergreifen, Herr Wissmann. Aber wir beide wissen ganz genau, daß wir leider in folgender Situation sind: Wenn wir das machten, würden Sie mit Sicherheit an der Spitze derer stehen, die sagten: Diesen Antrag müssen wir selbstverständlich ablehnen. — Dabei schielen Sie dann auf die Beamten, die Ihr Wählerpotential sicherlich mit beeinflussen werden. Ich bin ganz sicher, daß Sie nicht den Mut haben, einmal aus Ihrer Fraktion auszuscheren, um das zu unterstützen, was Sie für vernünftig halten. Ich warte noch darauf, daß das auch einmal bei Ihnen passiert. Sie sollten nicht immer nur reden, sondern auch einmal etwas tun!

(Zustimmung bei der FDP und der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Wir haben keine Minister!)

Es ist davon die Rede, die Kapazitäten in den Hochschulen in vollem Umfang auszunutzen. Ich stimme Ihnen darin voll zu, nur ist auch dieser Punkt ein alter Bekannter. Minister Schmude hat bereits von seinem Vorgänger einen Beschluß der Regierungschefs vom 4. November übernehmen können, der die Öffnung der Hochschulen zum Gegenstand hat und nach dem für die starken Jahrgänge eine bestimmte Überlastquote vorgesehen ist, die auch ausgefüllt sein sollte. Dies hat dazu geführt, daß es jetzt nur noch wenige Fächer gibt, in denen der harte Numerus clausus gilt, in denen es also sein kann, daß ein Studienbewerber keinen Studienplatz findet. Dies ist ein Erfolg der gemeinsamen Anstrengungen von Bundeskanzler und Ministerpräsidenten. Wie sieht es aber mit der Umsetzung in den einzelnen Ländern aus? Ich kann mich daran erinnern, daß es gerade der Süden Deutschlands ist, der bei der Uberlastquote nicht besonders aktiv gewesen ist. Hier sollten Sie Ihre Anträge in die richtige Richtung stellen. Herr Pfeifer, da Sie aus Baden-Württemberg kommen, könnten Sie dort vielleicht einmal aktiv werdèn.
Es wird dann wieder von der Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung geredet. Gleichzeitig wird das zehnte allgemeinbildende Schuljahr strikt abgelehnt. Wer es beklagt, daß die Hauptschule eine Restschule geworden ist, darf das zehnte Schuljahr nicht strikt ablehnen; denn sonst bliebe sie mit Sicherheit eine Restschule. Wenn Sie aber bereit sind, auch denjenigen, die in die Hauptschule gegangen sind, ein zehntes Pflichtschuljahr zu ermöglichen, ist dies unmittelbar mit der Aufwertung der Qualität der Hauptschule insgesamt verbunden. Wenn Sie die Gleichwertigkeit von praktischer und allgemeiner Bildung wollen, woher nehmen Sie dann das Recht, denjenigen, die sich für eine praktische Berufsausbildung entscheiden wollen, ein Jahr weiterer Allgemeinbildung vorzuenthalten?

(Hasinger [CDU/CSU] : Sie reden gegen die Wünsche der Jugendlichen! — Burger [CDU/CSU] : Sie wollen doch gar nicht, sie gammeln doch!)

Wenn Sie Ihren Antrag einmal durchschauen, so finden Sie im Hinblick auf die Studenten den Hinweis, daß man die breite Grundausbildung erhöhen sollte. Das heißt, bei denen, von denen her Sie selber kommen, Herr Pfeifer, muß die Grundausbildung verbreitert werden; Sie sind aber nicht daran interessiert, die Grundausbildung und die allgemeine Bildung bei denjenigen zu verbreitern, die in der Hauptschule sind. So schafft man überhaupt keine Gleichwertigkeit. Man kann darüber reden; hier handelt es sich aber nur um den berühmten Sandstreuer.

(Hasinger [CDU/CSU]: Dogmatikerin!)

Die CDU/CSU fordert: die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation und verlangt eine offene und selbstkritische bildungspolitische Bestandsaufnahme. Das stimmt, und deswegen haben wir eine solche auch schon vorgenommen. Wir haben darüber im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen vor einem halben Jahr sehr umfänglich diskutiert; sie stand am 9. Juni 1978 hier zur Debatte. Es handelte sich um eine sachliche Auflistung von Daten, die zeigte, daß die vergangenen zehn Jahre für die junge Generation so erfolglos eigentlich nicht waren.

(Hasinger [CDU/CSU] : Daten, nicht Taten!)

— Daten können Taten untermauern. Sie können beweisen, wo die Erfolge liegen. Daß Ihnen das nicht paßt, wundert mich nicht; denn die Antwort auf die Große Anfrage hat in ziemlich eindrucksvoller Weise deutlich gemacht, daß wir es mit einem sehr starken Fortschritt zu tun haben.



Frau Schuchardt
Ich möchte nur noch einmal an einige Punkte dieser Antwort erinnern. Herr Wüster hat das auch schon getan; da ist es in Ihren Reihen auch merkwürdig still geworden. Bei den meisten Jugendlichen ist ein ganz enormer Qualifikationssprung erreicht, weiterführende Bildungseinrichtungen sind in sehr viel stärkerem Maße als noch vor zehn Jahren in Anspruch genommen worden. Der Anteil derer, die überhaupt keine Ausbildung absolvieren, ist sehr stark gesunken. Diejenigen, die uns heute auf dem Arbeitsmarkt Sorgen bereiten, sind zu einer Zeit, als sie in vielen Ländern und im Bund im wesentlichen die Verantwortung zu tragen hatten, nicht ausgebildet worden, d. h., ein ganz großer Teil derer, die heute arbeitslos sind, sind zu einer Zeit im Bildungssystem gewesen, als Sie nicht nur in vielen Ländern, sondern auch im Bund stärker darauf hätten Einfluß nehmen sollen, daß eine Ausbildung erfolgt. Das ist nicht getan worden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Darauf, meine ich, muß man immer wieder hinweisen.

(Burger [CDU/CSU]: Na, na!)

Ein wesentlicher Fortschritt — wenn auch lange nicht genug — ist erzielt worden in bezug auf die Kinder aus Arbeiterfamilien bzw. aus Familien, die lange Zeit gemeint haben, daß sie ihre Kinder nicht in weiterführende Bildungseinrichtungen schicken sollten. Das gleiche gilt für den Anteil von Frauen in den weiterführenden Bildungseinrichtungen. Das sind zwar noch keine endgültigen Ergebnisse, aber Fortschritte. Wir müssen hier weiterarbeiten; das ist ein Weg, auf dem es sich weiterzugehen lohnt.
Schließlich haben wir durch die Bildungsexpansion, die in den letzten zehn bis 15 Jahren erfolgt ist, erreicht, daß dem Arbeitsmarkt durch die längeren Ausbildungszeiten, denen sich die meisten freiwillig ausgesetzt haben, ungefähr 1,5 Millionen Arbeitskräfte entzogen wurden. Ich meine, Bildungszeit ist ein vernünftiger Ersatz für Arbeitszeit. Das heißt also: Hätte die Union die Politik tatsächlich derart weitergeführt, daß sie keine Bildungsexpansion betrieben hätte, so wäre die Jugendarbeitslosigkeit heute um ein Vielfaches höher, und wir hätten nicht die positiven Erfolge hinsichtlich des Qualifikationsfortschritts jedes einzelnen gehabt.
Das Ausbildungsplatzangebot ist ein besonderes Problem. Herr Wüster hat darauf hingewiesen; ich finde, es darf ruhig noch einmal erwähnt werden. Zu keiner Zeit sind so viele Ausbildungsverträge im dualen System abgeschlossen worden wie jetzt. Über 600 000 abgeschlossene Ausbildungsverträge — leider nicht genug, weil noch mehr Jugendliche den Wunsch haben, eine Ausbildung zu absolvieren. Aber ist es nicht bereits ein Fortschritt, daß Jugendliche den Wunsch haben, eine Ausbildung zu absolvieren? Zu einer Zeit, als Sie das Sagen hatten, gab es doch das Dilemma, daß mehr als 200 000 Jugendliche eines Jahrgangs gar nicht den Wunsch hatten, eine Ausbildung zu absolvieren. Angesichts der Tatsache, daß es gelungen ist, Bildungswerbung zu betreiben, den Jugendlichen und seine Eltern darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, eine Ausbildung zu absolvieren, bin ich ein ganz engagierter Anhänger der Entwicklung von Bildungsbewußtsein, befürworte ich die Reklametrommel für die Absolvierung einer Ausbildung.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Hasinger [CDU/CSU] : Sind Sie auch eine Anhängerin des dualen Systems?)

Wenn Sie sagen, die sozialliberale Koalition habe etwas gegen das duale System, so ist demgegenüber auf die gestiegene Zahl der abgeschlossenen. Verträge im dualen System zu verweisen. Die Steigerung der Zahl dieser Verträge ist ein eindeutiger Beweis dafür, daß dieser Vorwurf Ihrerseits mit nichts anderem zu vergleichen ist als mit den polemischen Argumenten, die vorher genannt worden sind. Die Einstellung einem dualen System gegenüber kann man auch daraus entnehmen, ob man die Anzahl erhöht hat oder nicht; dies haben wir getan. Dies ist ein eindeutiges Ja für diesen Bildungszweig.
Meine Damen und Herren, wir wollen aber nicht verschweigen, daß wir auch im nächsten Jahr noch einen Zuwachs an Schulabgängern haben werden. Er erfordert erneut große Anstrengungen im Bereich der öffentlichen Hände und im Bereich der Wirtschaft. Der jeweilige Zuwachs der Zahl von Ausbildungsplätzen hat nicht ausgereicht, das Ziel eines Überhangs von Ausbildungsplätzen zu erreichen, um damit den Jugendlichen auch die Chance der freien Berufswahl einzuräumen. Dies ist für uns eine bedrückende Situation. Wir werden in einigen Wochen darüber zu diskutieren haben, wie man hier vielleicht besser verfahren kann.
Auf der anderen Seite stagniert die Zahl der Studienanfänger seit fünf Jahren. Meine Damen und Herren von der Opposition, es war zumindest der FDP klar, daß, wenn man jedem die Chance gibt, so lange wie möglich im Ausbildungssystem zu verweilen, sich in dem Moment, in dem man feststellt, daß es möglicherweise gar nicht mehr so mit materiellen Anreizen zusammenhängt, wenn man eine höher qualifizierte Ausbildung hat, möglicherweise auch die Anzahl der Studienbewerber anpassen würde. Das heißt aber, daß es sich um eine freiwillige Anpassung derer handelt, die betroffen sind, nicht aber um eine vorgegebene Zahl, d. h. eine Planzahl, auf Grund deren ich nur soundso vielen erlaube, von den Bildungseinrichtungen Gebrauch zu machen.
Insofern ist die Zukunft außerordentlich positiv zu betrachten. Wegen der geburtenstarken Jahrgänge mußten wir einen erheblichen Ausbau an Bildungskapazitäten vornehmen. Diese können dann, wenn die geburtenschwachen Jahrgänge unser Bildungssystem durchlaufen, zu Qualitätsverbesserungen genutzt werden. Herr Pfeifer, ich stimme Ihnen insofern voll zu. Auch wir empfinden es als eine positive Entwicklung, wenn die Kapazitäten, die an den Hochschulen in der Lehre frei werden, dann gezielt für die Forschung eingesetzt werden.
Wenn Sie hier aber z. B. der SPD vorgeworfen haben, daß sie in ihrem Regierungsprogramm hier



Frau Schuchardt
im Bundestag nicht genügend auf die Forschung im Hochschulbereich eingegangen wäre,

(Pfeifer [CDU/CSU]: Überhaupt nicht!)

so gibt es darauf natürlich eine ganz einfache Antwort. Der Bundestag ist für die Hochschulen überhaupt nicht zuständig. Wenn er sich über Forschungskapazitäten unterhält, kann beim Bund allein das Ministerium für Forschung und Technologie angesprochen sein. Daß dort eine eindeutige Priorität ausgesprochen worden ist, haben Sie ja wohl den Haushaltsplänen entnehmen können.

(Pfeifer [CDU/CSU] : Die Hochschulforschung wird über die Deutsche Forschungsgemeinschaft mitfinanziert! Dafür ist doch das Ministerium zuständig!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812800600
Frau Abgeordnete, die von Ihrer Fraktion angemeldete Redezeit ist abgelaufen.

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0812800700
Ich werde mich jetzt ganz kurz fassen. Ich bitte noch um eine Minute Redezeit.
Meine Damen und Herren, wenn man auf Zuständigkeiten und deren Einhaltung pocht, darf man es auf der anderen Seite dem anderen nicht vorwerfen, wenn er sich daran hält. So dürfen wir nicht miteinander verfahren. Ich finde, dieses Thema hat eine faire Auseinandersetzung verdient.
Abschließend ein letzter Gedanke. Unsere Wirtschaft wird einem immer schnellerem Strukturwandel ausgesetzt sein. Welcher Arbeitnehmer ist am besten dagegen gerüstet? Doch nur der, der nicht nur im Hinblick auf die derzeitigen Anforderungen eines Arbeitsplatzes ausgebildet ist, sondern im Hinblick auf die flexible Anpassung an die Anforderungen, die die Arbeitsplätze in der Zukunft stellen. Diese werden in zehn Jahren ganz anders aussehen als heute. Wir müssen den Mut aufbringen, jeden einzelnen besser auszubilden, als es sein Arbeitsplatz im Augenblick erfordert. In diese Richtung ist diese Koalition gegangen; in diese Richtung gehen wir auch weiter und lassen uns durch solche Anträge überhaupt nicht irritieren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812800800
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0812800900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zukunftschancen der jungen Generation zu sichern, ist eine selbstverständliche und wesentliche Aufgabe jeder Politik und vor allem jedes Bildungspolitikers, und ich freue mich, nach dem bisherigen Verlauf der heutigen Debatte feststellen zu können, daß wir alle uns in diesem Grundsatz einig sind.
Es geht darum, junge Menschen nach ihren Neigungen und Fähigkeiten bestmöglich zu bilden und auszubilden und sie dabei nicht nur auf einen speziellen Beruf, sondern auch auf sehr unterschiedliche und wechselnde Anforderungen eines durchschnittlich 40 Jahre langen Berufslebens vorzubereiten. Zugleich ist es unerläßlich, junge Menschen so in unsere Gesellschaft einzuführen, daß sie nicht nur im Berufsleben, sondern ebenso in der Familie und als Staatsbürger bestehen können. Dazu müssen sie in die Lage versetzt werden, ihr Schicksal und das Schicksal der Gruppen, in die sie eingebunden sind — von der Familie über den Verein und die Gemeinde bis hin zur Nation —, eigenverantwortlich, kritisch und selbstbewußt mitzubestim- men und mitzugestalten. Mit Recht messen junge Menschen ihre Zukunftschancen schließlich an der Möglichkeit, ihre Befähigung und Schaffenskraft in nützlicher und befriedigénder Arbeit einzusetzen und damit ihre materielle Existenz eigenverantwortlich zu sichern.
Die auf diese Weise beschriebenen Aufgaben erfordern große Anstrengungen der Politik in nahezu allen Bereichen, Anstrengungen auch der Wirtschaft. Diese Anforderungen werden gegenwärtig noch durch die Notwendigkeit gesteigert, eine Reihe besonders starker Jahrgänge mit Bildungs- und Beschäftigungschancen zu versorgen. Ihre Zukunftschancen dürfen unter der starken Zahl der Bewerber nicht leiden. Die Jahrgangsstärken bedeuten gleichermaßen Herausforderung und Chance für die Gesellschaft, die Chance nämlich, durch möglichst qualifizierte Ausbildung für die notwendigen Fachkräfte in einer gar nicht so fernen Zukunft zu sorgen.
Meine Damen und Herren, ich halte es für legitim und für notwendig, daß der Bundeskanzler in diesen Tagen auf diese gar nicht so ferne Zukunft hingewiesen und an die Verantwortlichen appelliert hat, jetzt schon für die Fachkräfte zu sorgen, die sie dann brauchen. Das dürfte kein Grund zur Kritik in diesem Hause sein.
Die sozialliberale Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben dieses bildungspolitische Schlüsselproblem schon vor Jahren erkannt und öffentlich bewußtgemacht. Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Dezember 1976 ist von dieser Aufgabe geprägt, und mein Amtsvorgänger Helmut Rohde hat unermüdlich und leidenschaftlich auf die zentrale Herausforderung der Bildungs- und der Beschäftigungspolitik, vor die uns diese jungen Bürger stellen, hingewiesen.
Seit Jahren ist jedem Verantwortlichen klar, daß wir es nicht dazu kommen lassen dürfen, Hunderttausende junger Menschen ohne Ausbildung zu lassen und ihnen so die Zukunft zu erschweren. Die sozialliberale Koalition hat sich der berechtigten Interessen dieser jungen Generation angenommen. Sie sind die bestimmende Leitlinie für unser praktisches Handeln. Es ist uns gelungen, auch andere in diesem Lande von der Bedeutung und der Dringlichkeit der Aufgabe zu überzeugen. So wurde der Gefahr begegnet, daß im Gefolge der weltweiten Rezession ab 1974 der Ausbau der Bildungs- und Ausbildungskapazitäten gestoppt wurde.
Zahlreiche wichtige Vorhaben für die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation



Bundesminister Dr. Schmude
haben wir in den letzten Jahren verwirklicht oder in Angriff genommen. Wir haben erstens die Verbesserung und den Ausbau der beruflichen Bildung zum Schwerpunkt unserer Bildungspolitik gemacht, und mit diesem Punkt beginne ich bewußt.
Wir haben dabei zweitens die Ausstattung und die Qualität der beruflichen Bildung verbessert.
Wir haben drittens mit dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz dafür gesorgt, daß jedes Jahr in einem Berufsbildungsbericht öffentlich Rechenschaft darüber abgelegt werden muß, ob ausreichend viele Ausbildungsplätze angeboten worden sind, um die Nachfrage der Schulabgänger zu befriedigen. Damit wurde die Verpflichtung der Gesellschaft zum Gesetz, daß alle Jugendlichen, die es wünschen — auch wenn es überdurchschnittlich viele sind —, einen Ausbildungsplatz erhalten müssen.
Heute wissen wir: Die Wirtschaft hat ihr Angebot seit 1975 erheblich ausgeweitet. Im vergangenen Jahr wurden 140 000 neue Ausbildungsverträge mehr abgeschlossen als 1975, dem Jahr vor der Verabschiedung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes.

(Beifall bei der SPD — Pfeifer [CDU/ CSU]: Trotz dieser Bundesregierung!)

Das spricht sich zwar leicht aus, aber zur Bewertung dieser Entwicklung gehört der Blick auf den Hintergrund. In einer wirtschaftlich schwierigen Zeit — mit hoher Arbeitslosigkeit — haben wir mehr besetzte Ausbildungsplätze als zu Zeiten der Hochkonjunktur bekommen. Zugleich haben wir mehr Oberschüler und mehr Studenten als jemals zuvor.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Dank der geburtenstarken Jahrgänge ist das so!)

Daran zeigt sich übrigens, was es bedeuten würde, in dieser Situation junge Menschen mit dem Schlagwort „Akademikerarbeitslosigkeit" oder „Überqualifikation" vom Studium abzuschrecken und noch zusätzlich in die Berufsbildung in Schule und Betrieb zu drängen; darauf komme ich noch zurück. •
Wir haben viertens mit einem Bundesprogramm zur Förderung überbetrieblicher Ausbildungsstätten die Ausbildungskraft der Wirtschaft ergänzt und gestärkt. Bis 1982 werden insgesamt 1,2 Milliarden DM aufgewendet. Dann stehen 77 000 hervorragend ausgestattete überbetriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung, die von einer um ein Vielfaches höheren Anzahl junger Menschen genutzt werden. Gerade in Problemregionen tragen diese Einrichtungen zur Sicherung einer modernen, wertvollen Ausbildung bei.
Wir haben fünftens mit mehreren Finanzierungsprogrammen den Bau beruflicher Schulen gefördert. Mit 650 Millionen DM leistet der Bund einen erheb- lichen Beitrag in diesem Bereich. Damit und mit den erforderlichen Zusatzleistungen der Länder können wesentliche Maßnahmen aus dem zwischen dem Bund und den Ländern vereinbarten „Programm zur Minderung der Beschäftigungsrisiken
Jugendlicher" und aus dem „Stufenplan für die berufliche Bildung" durchgeführt werden. Die BundLänder-Planungen bis 1982 sehen darüber hinaus den Einsatz von 17 000 zusätzlichen Lehrern an beruflichen Schulen und 3 000 Bildungsberatern vor.
Wir haben sechstens die Förderung der beruflichen Bildung zuletzt auch dadurch abgesichert, daß wir rund 70 000 Jugendliche in der Klasse 10 der Berufsfachschulen und im schulischen Berufsgrundbildungsjahr in die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz einbezogen haben.
Wir haben siebtens den Hochschulbau — gemeinsam mit den Ländern — so. weit vorangetrieben, daß auch für die den Hochschulen erst noch bevorstehenden geburtenstarken Jahrgänge ausreichend Studienplätze und damit Studienchancen vorhanden sein werden. Hier, Herr Kollege Pfeifer, muß ich doch einmal fragen, gegen wen Sie sich mit der Behauptung gewandt haben, man dürfe nicht nur die akademische Ausbildung als Bildung hochstilisieren. Dies ist nicht unsere Politik. Ich meine, es reicht auch nicht aus, das nur zu sagen. Mit Worten allein werden Sie den Bildungsbedarf der jungen Generation nicht steuern.
In Ihrem Antrag ist — erfreulicherweise — das Bekenntnis zur Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung enthalten. In der Ziffer 20 Ihres Antrags aber wenden Sie sich dann zum Schluß mit Verve gegen die Integration.

(Pfeifer [CDU/CSU]: Ja, sicher!)

Die Integration, die bisher nur in einigen Modellversuchen durchgeführt wird, ist nicht eine Frage, die zur Zeit bundesweit beantwortet werden muß. Dazu haben wir bei weitem zu wenig Erfahrung. Sich dagegen so zu sperren, wie Sie es tun, heißt aber, die Augen vor weiteren Möglichkeiten zu verschließen.

(V o r s i t z : Vizepräsident Stücklen)

Ich appelliere an Sie: Wirken Sie auf Ihre Länder ein, damit wir in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung mit unserem Vorhaben weiterkommen, ein übergreifendes System der Abschlüsse der Sekundarstufe II zu entwickeln! Das klingt zwar etwas fachtheoretisch, aber es bedeutet, daß wir die Möglichkeit schaffen wollen, Ausbildungsteile der schulischen Ausbildung einerseits und der beruflichen Ausbildung andererseits aufeinander anzurechnen, wenn jemand von dem einen Ausbildungsweg in den anderen überwechseln will. Nur wenn eine konkrete Anrechnung erfolgt, hat das ganze Gerede von der Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung auch einen soliden Hintergrund, werden uns solche Aussagen abgenommen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Solange es bei Forderungen bleibt, werden die Jugendlichen mit Recht auf Taten sehen und deren Ausbleiben entsprechend berücksichtigen.
Sie haben sich hier gegen Herrn Engholm gewandt, der Vorschläge gemacht hat, wie man im



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Bereich der Akademikerbeschäftigung weiterkommen könnte. Ich meine, wir sollten uns alle gemeinsam bemühen, denjenigen, die die Chance einer akademischen Ausbildung haben und wahrnehmen, klarzumachen, daß dies keine gesicherte Anwartschaft, erst recht keinen Anspruch auf eine besser bezahlte Stellung herkömmlicher Art bedeutet, sondern daß sie da in einem Risiko, in einem Wettbewerb stehen, der es erforderlich machen kann, auch auf einem niedrigen Niveau einzusteigen. Während wir darüber reden, geschieht es in der Praxis tagtäglich und ohne die von Ihnen befürchtete oder an die Wand gemalte Enttäuschung, weil sich junge Menschen auf diese Situation einrichten.
Von daher also lassen Sie uns nicht Schablonen, lassen Sie uns nicht herkömmliche Denkweisen befestigen und so tun, als müßten junge Menschen, die studiert haben, enttäuscht sein, wenn sie nicht mit A 13 im öffentlichen Dienst oder einer entsprechenden Bezahlung in der privaten Wirtschaft anfangen, sondern lassen Sie uns ihnen ein realistisches Bild gemeinsam vermitteln! Dann wird sich die Enttäuschung erst gar nicht einstellen. Frau Schuchardt hat das im einzelnen noch unterstrichen.
Herr Engholm hat sich auch Gedanken darüber gemacht, wie man im öffentlichen Dienst etwas finanzieren könnte, und zwar nicht durch Beschäftigung überflüssiger Kräfte, sondern solcher Beamter und Angestellter, die gebraucht werden, weil es viele Bereiche im öffentlichen Dienst gibt — jeder könnte eine Reihe davon nennen —, in denen heute Kräfte zusätzlich gebraucht werden, von der Justiz bis zu den Sozialbereichen. Ich meine, man sollte diesen Ansatz der Überlegung, ob nicht durch eine Solidaritätsabgabe, ob nicht durch einen gewissen Verzicht derer, die drin sind, neue Arbeitsplätze mitfinanziert werden können, als einen Denkanstoß begrüßen, statt darüber mit Gelächter herzuziehen, wie es Ihre Fraktion bei der Erwähnung dieses Punktes getan hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sie fordern, man solle Abiturienten nicht zum Studium motivieren. Ich frage Sie: Wer tut das? Was wir getan haben, ist, ein Bildungsangebot zu unterbreiten, ein Angebot, das von den Eltern und von den jungen Menschen angenommen worden ist. Hier findet doch keine Manipulation und keine Lenkung der Ströme statt, hier finden Tausende von Einzelentscheidungen junger Menschen statt.
Sie sagen, man müsse eine Alternative im dualen System der beruflichen Bildung anbieten. Diese ist längst da. Die zurückgegangene Quote der Studienanfänger zeigt, daß viele junge Menschen diese Alternative erkannt und für sich akzeptiert haben.

(Daweke [CDU/CSU] : Sagen Sie mal was zum Verdrängungswettbewerb!)

Von daher bedarf es Ihres Anstoßes nicht. Das ist alles bereits im Gange, und junge Menschen machen davon Gebrauch.
Ich meine, wir sollten uns überlegen, ob wir mit solcher Kritik etwa einer Reglementierung des Hochschulzugangs erneut das Wort reden wollen, nachdem es uns glücklicherweise gelungen ist, den Numerus clausus in fast allen Fächern abzubauen und die mit ihm verbundenen schädlichen Folgen bis weit in den Schulbereich hinein zu beseitigen. Ich halte überhaupt nichts von dem Versuch, den Zugang zur Hochschule zu reglementieren und zu beschränken. Erinnern wir uns: In der Zeit des schärfsten Numerus clausus war auch der Andrang junger Menschen zur Hochschule besonders stark. Sie hatten das Gefühl, daß dort Chancen geboten werden, um die sie sich besonders nachdrücklich bemühen müssen. Jetzt, nachdem der Numerus clausus in fast allen Fächern abgebaut worden ist, verzeichnen wir nicht nur eine Stagnation der Quote der Studienanfänger von dem jeweiligen Jahrgang mit Hochschulreife, sondern sogar einen leichten Rückgang der Zahl. Das heißt, dies ist der richtige Weg, daß junge Menschen selbst entscheiden können, daß man sie informiert und berät und daß sie dann entscheiden, wie weitergegangen wird, nicht aber, daß der Staat ihnen Schranken aufbaut, sie hin- und herlenkt und reglementiert.
Ich meine zusammenfassend: Die bisherige Politik und ihre mit den Beiträgen vieler Beteiligter erzielten Ergebnisse können sich sehen lassen. Noch sind durchaus nicht alle Probleme bewältigt, aber noch nie hat ein so großer Teil der Jugendlichen nach neun Jahren — früher waren es acht — Schulpflicht weiterführende Bildungs- und Ausbildungsgänge an Gymnasien, Fachoberschulen, beruflicher Bildung und Hochschulen genutzt wie heute. Noch nie haben so viele junge Menschen einen mittleren Schulabschluß und eine anerkannte berufliche Ausbildung erlangt wie heute. Damit werden diese Jugendlichen — das zeigen alle Untersuchungen zur Struktur der Arbeitslosigkeit — mit sehr viel besseren Aussichten in das Berufsleben eintreten, als wenn ihnen eine Ausbildung versagt geblieben wäre oder sie zugunsten kurzfristiger Verdienstmöglichkeiten auf Ausbildung verzichtet hätten. Nach wie vor gilt der Grundsatz: Je besser die Ausbildung des einzelnen, um so niedriger ist sein Beschäftigungsrisiko. Alle Arbeitsmarktanalysen belegen, welchen wichtigen Beitrag die Bildungspolitik zur Lösung der Beschäftigungsprobleme insgesamt geleistet hat und noch leistet. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Verwertbarkeit der im Bildungssystem vermittelten Befähigungen. Es gilt aber auch in folgendem Sinne: Jedes Mädchen und jeder Junge, die nicht auf eine weiterführende Schule gehen oder eine berufliche Ausbildung erhalten, brauchen Arbeitsplätze. Bessere und zeitlich ausgedehnte Bildung trägt also auch über den Entzugseffekt zur Begrenzung der Jugendarbeitslosigkeit bei. Ich halte es für legitim, auf diese Begleiterscheinung hinzuweisen, wie es auch der Kollege Wüster hier getan hat.

(Daweke [CDU/CSU] : Also schützt lebenslanges Lernen vor Arbeitslosigkeit?!)

— Sie wissen, daß Übertreibungen aller Art schädlich sind. Das gilt auch hier.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik ist im internationalen Vergleich relativ niedrig. Das



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Problem belastet uns weiterhin. Wir können aber feststellen, daß die Arbeitslosenquote der Jugendlichen unter 20 Jahren Ende 1978 im Vergleich zum Vorjahr um 14 % zurückgegangen ist. Darin liegt ein deutlicher Erfolg nicht nur wirtschafts-, sondern auch bildungspolitischer Anstrengungen. Ich betone, daß das nicht das Verdienst allein der Bundesregierung ist. Es ist vielmehr eine gemeinsame Leistung aller Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden und in der Wirtschaft. Es ist auch eine Leistung der Lehrer, Ausbilder und Hochschullehrer, die an dieser Ausbildungsanstrengung mitwirken.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es ist auch eine Leistung der Eltern und Jugendlichen selbst, die immer deutlicher den Wert einer guten Schulbildung und qualifizierenden Berufsausbildung erkennen und Bildungsanstrengungen nicht scheuen.
Die ersten geburtenstarken Jahrgänge haben die Oberstufe der allgemeinbildenden Schulen längst erreicht oder sind in die Berufsausbildung eingetreten. Wir stehen mitten in der Durchführungsphase der Ausbauplanungen und der Sonderprogramme für die starken Jahrgänge. Zu diesem Zeitpunkt legt uns nun die CDU/CSU-Fraktion einen Antrag vor, der sich so liest, als stünden wir noch am Punkte Null. Der Antrag erweckt den Eindruck, als hätten Sie, meine Damen und Herren, als eine aufmerksame Opposition gerade als erste die Bedeutung der Aufgabe erkannt und als hätten die Verantwortlichen diese Aufgabe weder gesehen noch in Angriff genommen. Wer politisch ernst genommen werden will, kann doch nicht so einfach an der öffentlichen Diskussion der vergangenen fünf Jahre vorbeigehen, der kann doch nicht so tun, als gäbe es die von mir dargestellten Maßnahmen und Entwicklungen nicht. Wenn es in diesem Antrag dann auch noch ohne Rücksicht auf die allgemein bekannten greifbaren Tatsachen heißt, eine verfehlte Bildungspolitik habe zur Vernichtung vieler Zukunftschancen der jungen Generation statt zu besseren Ausbildungs-und Berufschancen geführt, so bleibt unerfindlich, wovon eigentlich die Rede ist.
Soll damit angesichts der Aufgabenverteilung in der Bildungspolitik und in der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund und Ländern, soll damit auch den von Ihren Parteien, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, gestellten Landesregierungen ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt werden? Wenn ich hier Herrn Pfeifer darüber reden höre, daß die Musiktheorie die Freude an der Musik verderbe, und wenn dies mit dem Appell verbunden wird, wir sollten das den Schülern nicht vergällen, dann habe ich fast den Eindruck, als ob die Zuständigkeitsverteilung im Bildungsbereich, auf die Sie sonst so sehr pochen und wegen derer Sie der Bundesregierung sogar das Recht bestreiten, über Probleme dieser Art zu reden, heute einmal für Sie ausgeschaltet ist und als ob wir hier für die Schulpolitik durchaus mit zuständig sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Pfeifer [CDU/CSU] : Ich habe die gemeint, die auch Sie meinen!)

-Wir sollten nicht vergällen, Herr Pfeifer, haben Sie zu uns gesagt. Dann vergällen Sie nicht, versuchen Sie es mal.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Pfeifer [CDU/CSU]: Ich habe nur die gemeint, die auch Sie meinen!)

Neue Lösungsansätze für die vor uns liegenden Probleme sucht man im Antrag vergeblich. Statt dessen finden sich darin — vor allem in der Begründung, und ich bin dankbar, daß Frau Schuchardt und Herr Wüster darauf hingewiesen haben — Polemik und Schwarzmalerei, die Eltern und Jugendliche verunsichern und ihren Sorgen keine Erleichterung bringen. Wo man eindeutige Vorschläge sucht, bietet der Antrag zumeist nur Unverbindlichkeiten, hehre Grundsätze, denen man in dieser Allgemeinheit zum Teil zwar zustimmen kann, die aber nicht zu sachdienlichen, mutigen Schlußfolgerungen für das erforderliche Handeln weitergeführt werden.
Stil und Argumentation dieses Antrages schließlich sind einer sachgemäßen, ernsthaften und folgenreichen Auseinandersetzung nicht gerade dienlich. Aber genau diese Sachbehandlung — ernsthaft und sachgemäß — sind wir den jungen Menschen ebenso wie ihren Eltern schuldig, die sich um die Zukunft ihrer Kinder Sorgen machen. Deshalb bin ich auch, ungeachtet aller Mängel des Antrages, bereit, seine Beiträge vorurteilsfrei zu prüfen, soweit das freilich nicht ohnehin längst auf der Basis des Bundestagsbeschlusses vom 21. Juni 1978 geschieht, den Herr Wüster hier erwähnt hat.
Die Bildungspolitik kann — auch mit allen ihren Vorzügen und Leistungen — nur Beschäftigungschancen verbessern, nicht aber Arbeitsplätze verfügbar machen. Was wir brauchen, ist vor allem eine weitere Verbesserung der Beschäftigungssituation. Nur so können den ,vielen Jugendlichen, die nach ihrer Ausbildung einen Beruf ausüben wollen, bessere Möglichkeiten dazu gegeben werden. Die Bundesregierung wird ihre Politik weiterhin darauf richten, die Vollbeschäftigung wiederzuerlangen und damit auch die noch bestehende Jugendarbeitslosigkeit zu beseitigen. Sie sieht sich in diesem Bemühen durch die inzwischen deutlich positive Entwicklung ermutigt. Der Tiefpunkt am Arbeitsmarkt ist offensichtlich überwunden. Die Zahl der in Arbeit stehenden Erwerbstätigen hat gegenüber 1976 wieder um mehr als 300 000 zugenommen. Alle wirtschaftlichen Indikatoren deuten nach oben. Wir brauchen nicht die von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, angebotene neue Wirtschaftspolitik, von der wir im Antrag nicht viel Konkretes erfahren, sondern nur hören, daß sie' wieder Vertrauen schaffen würde. Es ist wohl auch die Ungunst der Stunde, die über diesem Antrag steht; denn das darin geforderte Vertrauen ist längst vorhanden; es gilt der Bundesregierung und ihrer Politik und nimmt stetig zu. Die Opposition, die seit Jahren neues Vertrauen proklamiert, ist zur Zeit weiter davon entfernt denn je, es für ihre Politik beim Bürger zu finden. Berichte aus der Feder eines Ihrer prominenten Kollegen legen davon beredtes Zeugnis ab.

(Beifall bei der SPD und der FDP)




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Richtig ist, die Wirtschaftspolitik muß bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch eine Forschungspolitik unterstützt werden, die zukunftssichere Strukturen fördert. Genau darauf zielt die Forschungs- und Technologiepolitik der Bundesregierung. Hier gibt es also keine Uneinigkeit über das Ziel, sondern allenfalls Uneinigkeit über den geeigneten Weg dorthin. Darüber erneut zu diskutieren, wird z. B. der VI. Forschungsbericht der Bundesregierung Gelegenheit geben.
Für die künftige Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bereite ich zur Zeit ein neues Konzept vor. Wir brauchen auch in der Hochschulforschung einen Erneuerungsschub für die 80er Jahre. Steigende Zahlen gut ausgebildeter Hochschulabgänger bieten hierzu eine große Chance. Begabten jungen Forschern und Wissenschaftlern Arbeitsmöglichkeiten zu geben und die Grundlagenforschung zu stärken, sind die zwei Seiten derselben Medaille. Der Bund , leistet hierzu im Rahmen seiner begrenzten Zuständigkeiten Beiträge in der Mitfinanzierung des Ausbaus und der Modernisierung der Hochschulen, mit Stipendienprogrammen für junge Wissenschaftler und der Förderung der Hochschulforschung über die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Auch der öffentliche Dienst, der Arbeitgeber Staat, muß seinen Beitrag dazu leisten, die Berufschancen der jungen Generation zu sichern. Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben mit ihrem Beschluß vom 4. November 1977 den Anstoß dazu gegeben, daß Bund und Länder gemeinsam Maßnahmen erarbeiten, die die Aufnahmefähigkeit des öffentlichen Dienstes erweitern sollen. Und ich muß sagen: Nach diesem Beschluß kann man feststellen, daß sich Herr Engholm mit seinem Anstoß in sehr guter Gesellschaft befindet. Diese Beratungen, die bald zu einem Abschluß gebracht werden sollen, geben auch der Opposition und ihren Freunden Gelegenheit, über die Länder konstruktive Beiträge einzubringen.
Unser Ziel bleibt eine Ausbildung für alle Jugendlichen. Wenn wir das erreichen wollen, müssen alle vorhandenen Kapazitäten genutzt werden. Die jungen Menschen brauchen ein breit gefächertes Angebot von der beruflichen Ausbildung in Schulen und Betrieben über die Ausbildung in Realschulen und Gymnasien hin zum Hochschulstudium.
Der Streit mit Schlagworten, ob z. B. weniger oder mehr Ausbildung an Schulen oder im dualen System für die Jugendlichen zuträglicher wäre, ist müßig. Er muß diesen Jugendlichen unverständlich bleiben in einer Lage, in der es doch darauf ankommt, alle Kapazitäten zu nutzen, Engpässe abzubauen und jedem die Chance zu geben, einen Beruf zu erlernen. Dabei müssen den jungen Menschen Wahlmöglichkeiten für ihren Beruf und für ihren Bildungsgang offenstehen.
Der Ausbau des 10. Bildungsjahres ist nicht nur bildungspolitisch erwünscht. Rasch verwirklicht, würde er auch eine Entlastung für das berufliche Ausbildungssystem und den Arbeitsmarkt nach sich ziehen. Für die Bundesregierung hat dabei die berufliche Grundbildung unverändert Vorrang. Sie hat
dies im Einklang mit allen Fraktionen durch die Erweiterung der Ausbildungsförderung auf das 10. Jahr im Berufsgrundbildungsjahr und an Berufsfachschulen nachdrücklich unterstrichen. Ein 10. Bildungsjahr in der Hauptschule, das über Beruf und Arbeit aufklärt und darauf vorbereitet und zugleich mehr Schüler zu einem erfolgreichen Abschluß führt, kann gleichfalls für viele junge Menschen von hohem Nutzen sein. Die Bundesregierung tritt deshalb dafür ein, daß in den nächsten Jahren alle Kapazitäten für das 10. Bildungsjahr genutzt werden und den Jugendlichen die Wahl zwischen den verschiedenen Formen des 10. Bildungsjahres angeboten wird. Nur so kann auch das von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung verfolgte Ziel erreicht werden, bis 1985 ein 10. Bildungsjahr für 95 °/o aller 15- bis 16jährigen bereitzustellen.
Der Ausbau der beruflichen Vollzeitschulen muß von den Ländern mit Nachdruck vorangetrieben werden. Es geht nicht an, daß für viele Ausbildungen an Berufsfachschulen— weithin unbeachtet von der Öffentlichkeit übrigens — ein Numerus clausus hingenommen wird, der schärfer als der in den Hochschulen ist und vielen Jugendlichen ihren gewünschten Ausbildungsweg versperrt.
Nicht für alle Jugendlichen, die eine duale Ausbildung durchlaufen wollen, konnten 1978 Ausbildungsplätze bereitgestellt werden, obwohl die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge wiederum beträchtlich gestiegen ist. Die jetzt vorliegenden Zahlen machen deutlich, daß die Erwartungen nicht voll erfüllt worden sind, mit denen wir Anfang des vergangenen Jahres dem Ausbildungsplatzangebot 1978 entgegengesehen haben.
Für die Beurteilung der Ausbildungssituation ist nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz nicht nur die Bilanz des vergangenen Jahres, sondern auch die Erwartung für dieses Jahr von Bedeutung. Der Gesetzgeber hat der Bundesregierung für die kommenden Wochen aufgetragen, an Hand dieser beiden Kriterien — Bilanz und Erwartung — die Ausbildungssituation und -entwicklung sorgfältig zu prüfen und danach zu entscheiden.
Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz sieht vor, daß zunächst der Hauptausschuß des Bundesinstituts für Berufsbildung berät und seine Empfehlung abgibt. Über die Entscheidung zur Ausbildungsabgabe gibt es auch in diesem Jahr und in diesen Tagen wieder öffentliche Vermutungen und Spekulationen. Das verleitet mich hier nicht zu dem Versuch, diesem eben dargestelten Entscheidungsverfahren vorzugreifen. Ich liefe sonst Gefahr, eine weitere Spekulation hinzuzufügen.
Wenn es uns gelingt, das Ausbildungsplatzproblem in Schule und Betrieb global in den Griff zu bekommen, können und müssen wir uns verstärkt denjenigen jungen Menschen zuwenden, die immer noch unzureichend an den Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten teilhaben. Ein Beispiel: Zwar hat sich die Beteiligung der Mädchen und jungen Frauen am Besuch von Real-, Ober- und Hochschulen erheblich verbessert. Aber sie haben es immer noch viel schwerer als Jungen, Ausbildungsplätze



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zu finden. Das hängt auch damit zusammen, daß neun von zehn Mädchen einen Beruf im Dienstleistungsbereich anstreben und daß sie zum gewerblich-technischen Bereich bisher weder ausreichend Neigung noch Zugang haben. Die Bundesregierung hat diesen Tatbestand nicht nur öffentlicht bewußtgemacht. Sie hat außerdem — nach ihren Möglichkeiten — gehandelt und ein Modellversuchsprogramm zur Erschließung gewerblich-technischer Ausbildungsberufe für Mädchen gestartet. Das Programm kann nicht mehr als einen Anstoß geben. Es hat einen starken positiven Widerhall bei Betrieben, Kammern und Wirtschaftsverbänden, aber auch bei den unmittelbar angesprochenen Mädchen gefunden.
Nachdem dies offenbar geworden ist, zeigt sich einmal mehr, daß die Einbringung Ihres Antrages, meine Damen und Herren, schon eine Weile zurückliegt. Denn das, was Sie darin fordern, hat die Bundesregierung inzwischen geleistet. Sie sollten das auch anerkennen.

(Beifall bei der SPD und der FDP) Ihres Anstoßes bedurfte es dazu gar nicht.

Ein weiteres Beispiel für unzureichende Beteiligung an Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten finden wir bei den Ausländerkindern in allen Bildungsgängen. Es wird die Verantwortlichen und die gesamte Gesellschaft weit über den durch die geburtenstarken Jahrgänge geprägten mittelfristigen Zeitraum hinaus beschäftigen. Wir wissen, daß die Teilhabe an Bildung und Ausbildung Voraussetzung für eine erfolgreiche soziale Eingliederung der Ausländerkinder in die Bundesrepublik ist. Die Schwierigkeit der Aufgabe liegt vor allem darin, die Ausländerkinder nicht von ihrer eigenen Kultur und der ihrer Eltern und von ihrem Heimatland zu entfremden und sie doch zugleich in das Bildungswesen der Bundesrepublik zu integrieren, um einen gefährlichen Absonderungsprozeß zu verhindern. Das ist nicht nur für die Bildungspolitiker schwierig zu planen. Es ist vor allem für die Kinder, ihre Eltern und die Lehrer eine unerhörte Doppelbelastung. Die Bundesregierung bietet hier im Rahmen ihrer Kompetenz vielfältige planerische und finanzielle Hilfen an, z. B. Maßnahmen zur Vermittlung der deutschen Sprache, zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung und zur Hausaufgabenhilfe außerhalb der Schule. Auf Anregung der Bundesregierung hat die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung eigens eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich damit befaßt, die Eingliederung der Ausländerkinder in das deutsche Bildungs- und Ausbildungssystem. zu erleichtern. Gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen für Ausländerkinder müssen nach Auffassung der Bundesregierung ein Schwerpunkt bei der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans sein. Auch hier gibt es ein hohes Maß an Gemeinsamkeit.
Bildungs- und Beschäftigungssystem dürfen nicht beziehungslos nebeneinanderstehen. Das ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Andererseits lehnen wir planwirtschaftliche Maßnahmen der Bedarfslenkung im Bildungssystem ab. Noch weniger als
eine zentrale Planung der Güterproduktion wäre eine Planwirtschaft mit Menschen vertretbar.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Solange wir heute nicht wissen, welche Berufe das Beschäftigungssystem morgen braucht, Bolte auch niemand so tun, als könne man überhaupt planen.
Und schließlich: Die Freiheit der Ausbildung und Berufswahl gilt sogar dort noch — lassen Sie mich das in aller Klarheit um der Grundsätze willen sagen —, wo wir uns bei den Kenntnissen über den Fachrichtungs- und Qualifikationsbedarf der Zukunft auf weniger unsicherem Boden bewegen.
Andererseits sind Bildungs- und Beschäftigungssystem nicht voneinander unabhängige Bereiche. Deswegen müssen wir durch eine bessere Ausrichtung auf die. Praxis den Übergang aus der Berufsausbildung in das Beschäftigungssystem, also in den Beruf, erleichtern helfen. Dies ist eine Aufgabe, die sich dem gesamten Bildungssystem stellt, den höheren Klassen der Realschulen und Gymnasien genauso wie den Hochschulen.
Für die Ausbildung insgesamt und die berufliche Grundbildung im besonderen gilt, daß sie zunehmend Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten vermitteln müssen, die möglichst breit verwertbar sind und die später Weiterbildung und Umlernen erleichtern. Die künftig unseren Arbeitskräften abverlangten Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich aus neuen technischen Entwicklungen, aus neuen Organisationsformen, neuen Arbeits- und Produktionsmethoden und neuen gesellschaftlichen Aufgaben ergeben, lassen sich bisher nur mit großer Unsicherheit vorhersagen. Das einzige, was wir wissen, ist: Die Veränderungen greifen tiefer, sie verlaufen schneller als je zuvor. Deshalb fördert das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft jetzt gezielt Untersuchungen zu langfristig und vielseitig verwertbaren Ausbildungsinhalten. Aber auch von der Wirtschaft erwarten wir Auskunft darüber, welche Kenntnisse sie bei ihren Angestellten und Arbeitern in der Zukunft für besonders wichtig hält.
Die Bundesregierung wird an ihrer Politik festhalten, die Bildungs- und Ausbildungschancen für die junge Generation weiter zu verbessern und die jetzt vorrangigen Anstrengungen für die geburtenstarken Jahrgänge bis in die 80er Jahre hinein fortzuführen. Wir sind in der Bewältigung dieser Aufgabe ein gutes Stück vorangekommen, wir sind aber noch lange nicht am Ende des Weges angelangt. Politik und Wirtschaft können die Aufgabe erfüllen, wenn wir alle zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit sind und jeder an seinem Platz das Notwendige tut.
Für eine konstruktive Mitarbeit von CDU und CSU bietet gegenwärtig vor allem die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans Gelegenheit. Die Beratungen hierüber treten jetzt in ein entscheidendes Stadium. Von Anfang an hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, daß die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern sich gerade der Fragen annimmt, die auch heute und hier zur Debatte stehen: die Versorgung der geburtenstarken Jahrgänge, die verstärkte Förderung der berufli-



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chen Bildung, der Ausbau des zehnten Bildungsjahres und der Bildungsberatung sowie gezielte Maßnahmen für Mädchen, für Ausländerkinder, auch für -lernbehinderte Jugendliche. Hier müssen wir unsere Fähigkeit unter Beweis stellen, uns einigen und zu Entscheidungen kommen zu können. Hier müssen wir die Zukunftschancen der jungen Generation sichern.
Angesichts dieser Herausforderung sollten sich die von CDU und CSU regierten Länder noch einmal fragen, ob sie wirklich die Beratungen über den Bildungsgesamtplan dadurch aufhalten wollen, daß sie der Entwicklung der Gesamtschule in einigen Ländern ihre Anerkennung versagen, obwohl diese Schule dort von den Bürgern und ihren gewählten Repräsentanten und Regierungen getragen wird. Da reicht es nicht, sich pauschal auf den Elternwillen zu beziehen, wenn aus Hamburg und auch anderen Bereichen — Frau Kollegin Schuchardt hat, darauf hingewiesen — genau das Gegenteil bewiesen wird, nämlich daß sich Eltern in erheblichem Maße für diese Schulform entscheiden, daß sie aber ihre Kinder — in anderen Bundesländern ist es so — gar nicht alle dort unterbringen können, weil der Andrang zu stark ist.
Lassen Sie doch dieser Schule ihre Chance! Im Wettbewerb der verschiedenen Wege wird sich zeigen, was das Richtige ist, was sich bewährt und was Eltern und Kinder letztlich akzeptieren.

(Wissmann [CDU/CSU] : Warum fordert denn das SPD-Programm die Gesamtschule als Regelschule?)

— Weil es eine normale, gleichberechtigte Schule sein muß und weil diese Schule nach unserer Überzeugung und nach den bisherigen Erfahrungen aus dem vorläufigen Zustand des Versuchsstadiums, in dem auch die Anerkennung der Abschlüsse fraglich ist, herauskommen muß. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD Pfeifer [CDU/ CSU] : Das ist genau unsere Ansicht nicht!)

CDU und CSU werden doch sonst nicht müde, den fruchtbaren Wettbewerb in unserem Bundesstaat zu beschwören. Aber dann sollte diese Haltung auch gegenüber Entwicklungen gelten, die ihnen nicht in das eigene politische Konzept passen.
Äußerungen, wie sie hier vor kurzem Herr Staatsminister Maier in der Debatte zum Strukturbericht getan hat, lassen aber leider wenig Einsicht und Toleranz erkennen. Er hat eine Bildungspolitik als „Billigpreispolitik" abqualifiziert, die am Grundsatz der Chancengleichheit und daran festhält, jeden einzelnen Jugendlichen nach seinen Fähigkeiten und Neigungen zu fördern,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

anstatt Kinder zu früh und zu scharf auszulesen und auf Hauptschule, Realschule und Gymnasium zu verteilen. Meine Damen und Herren, es bleibt dabei, daß wir diese Auslese ablehnen und der Förderung den Vorzug geben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Besonders wichtig ist mir am Schluß die Feststellung: Es ist an den Jugendlichen und ihren Eltern, die gegebenen Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten voll zu nutzen. Jede junge Generation hat es mit einer neuen Gegenwart, d. h. auch mit neuen Herausforderungen zu tun. Keine der vorhergehenden Generationen konnte problem- und sorgenfrei aufwachsen. Auch die heute heranwachsenden jungen Menschen müssen sich bemühen, mit Schwierigkeiten fertig zu werden, die in manchem leichter sind, als es in voraufgehenden Generationen der Fall war. Dazu bedarf es eigener Initiative, einer gründlichen Aufklärung über alle bestehenden Bildungsmöglichkeiten und Zähigkeit in dem Bemühen, auch nach ersten Enttäuschungen noch einen Ausbildungsplatz zu suchen und zu finden. Wir helfen den jungen Menschen nicht, ihren Platz in der Gesellschaft, im Beruf und in der eigenen Familie zu finden, wenn wir ihre Zukunft unnötig schwarzmalen.
Die meisten gehen, wenn auch nach Überwindung mancher Schwierigkeiten, selbstbewußt ihren Weg. Denen, die es besonders schwer haben, müssen wir noth verstärkt helfen. Dazu sind wir bereit. Der hohe Ausbildungsstand im gesamten Bildungsbereich gibt uns die Möglichkeit dazu. Die beste Sicherung der Zukunftschanchen — nicht nur für diese junge Generation, sondern für uns alle, für unsere Gesellschaft — ist die Sicherung einer möglichst guten Ausbildung für alle, ist die konsequente Fortsetzung der von uns verfolgten Qualifikationspolitik.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812801000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Klein (München).

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID0812801100
Herr Präsident Meine Damen und Herren! Wenn ich alles, was ich hier heute morgen von den Koalitionssprechern und dem Herrn Bundesminister Schmude gehört habe, auch glauben könnte, wenn ich von der Wirklichkeit keine Ahnung hätte, dann stünde ich jetzt unter dem Eindruck, alles stehe zum besten, die Bundesregierung mache seit eh und je die richtigen Bildungsangebote und Begriffe wie KoopSchule, Indoktrination, Rahmenrichtlinien oder Klassenkampf seien von den Unionsparteien zum Zwecke der Beschimpfung von SPD und FDP erfundene Vokabeln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jede Politik ist Jugendpolitik. Verantwortungsbewußte Politik nützt der heranwachsenden Generation, verantwortungslose Politik schadet ihr.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Dies sind leider nur scheinbar Binsenwahrheiten.
Im bisherigen Verlauf dieser Debatte über die Zukunftschancen der jungen Generation hatte ich gelegentlich den Eindruck, daß hier über den jungen Menschen, das unbekannte Wesen, diskutiert wird. Aber wir sprechen über unsere Kinder, über



Klein (München)

die Freunde unserer Kinder, über junge Menschen, die wir lieben, denen wir gutes wollen, die wir verstehen möchten und denen wir helfen wollen, uns zu verstehen. Um ihre Zukunft und nicht um die Zukunft irgendwelcher statistischer, womöglich schon politisch kategorisierter, soziologisch definierter oder, Herr Kollege Wüster, in Bundestagsdrucksachen numerierter Größen geht es.

(Zuruf von der SPD: Von Ihnen stammt das!)

Solange es uns nicht gelingt, politische Maßnahmen und Zielsetzungen mit Problemen, Bedürfnissen, Wünschen, Hoffnungen der jungen Generation in Einklang zu bringen, reden wir hier vergeblich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch vor wenigen Jahrzehnten galt ein 18jähriger als zwar noch junger, aber immerhin als Erwachsener. Volljährig wurde er freilich erst mit 21 Jahren. Heute ist die Volljährigkeit auf 18 Jahre herabgesetzt, die labile, unsichere Phase der Jugendlichkeit ist dagegen für viele weit über das 21. Lebensjahr hinaus ausgedehnt.

(Zurufe von der SPD)

Es gibt also, wenn man den Begriff der Jugend zwischen „nicht mehr Kind" und „noch nicht Erwachsener" ansiedelt, heute auf Grund der längeren Ausbildungsgänge proportional mehr Jugendliche als früher.
In das Jugendalter fällt aber die Wahrnehmung der Unterschiede zwischen familiärem und öffentlichem Bereich, das Erlebnis erster gescheiterter Hoffnungen, die Konfrontation von Wunsch und Wirklichkeit. Da aber jeder Mensch wichtige Beurteilungsmaßstäbe aus frühen Erlebnissen bezieht, heißt Jugendpolitik zunächst Familienpolitik, Bildungspolitik, Medienpolitik. Wer jedoch die Familie als eine quasi staatliche Agentur mit jederzeit widerrufbarem Erziehungsauftrag zu degradieren versucht, wie das die Bundesregierung in einschlägigen Papieren und Gesetzentwürfen tut,

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Das ist ja unglaublich, diese Art! Aber sachlich hat das keinerlei Begründung! Das ist genauso wie mit dem Kalten Krieg! — Weite Zurufe von der SPD)

versündigt sich an der Zukunft der Heranwachsenden, bevor sie begonnen hat.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

Wer Bildung mit bloßer Wissensvermittlung verwechselt, im Klassenzimmer Klassenkampf predigt und Wohlstand ohne Leistung verspricht — —

(Wehner [SPD] : Das ist unerhört! Lassen Sie den Quatsch sein! Wir sind hier nicht im Karneval in München! Das können Sie bei Herrn Ziesel loswerden, aber nicht im Bundestag! — Zuruf von der SPD: Scharfmacher! — Weitere Zurufe von der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

— Herr Kollege Wehner, in München heißt der Karneval „Fasching",

(Wehner [SPD]: Das überlasse ich Ihnen! Dann gehen Sie zum Fasching! Sie sehen auch so aus, als wenn Sie vom Fasching kämen! — Weitere Zurufe von der SPD — Gegenrufe von der CDU/CSU)

und dort hätten Sie wenig Chance aufzutreten. Wer im Klassenzimmer Klassenkampf predigt

(Wehner [SPD] : Sie sollen damit aufhören!)

und Wohlstand ohne Leistung verspricht, wie in ungezählten marxistischen Schulexperimenten geschehen, drängt die junge Generation auf den Weg vom sozialen Rechtsstaat zum sozialistischen Fürsorgestaat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer es zuläßt, daß Konflikttheorien und Aggressionspropaganda — da müssen wir uns alle fragen, wieweit wir davon betroffen sind — per Fernsehen Tag für Tag frei Haus geliefert werden — nach Untersuchungen des audiovisuellen Zentrums Hildesheim erlebt das Durchschnittskind zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr allein rund 12 500 Morde, Totschläge und Vergewaltigungen auf .dem Bildschirm —, macht sich mitverantwortlich dafür

(Zuruf von der FDP: Ist daran auch die Bundesregierung schuld?)

— das habe ich nicht unterstellt, Herr Kollege; hören Sie doch zu —,

(Zuruf von der FDP: Aber Sie tun doch so!)

daß unsere historischen Erfahrungen mit eskalierter menschenverächterischer Gewalt für die heranwachsende Generation nicht mehr nachvollziehbar sind.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU — Thüsing [SPD]: Wollen Sie das uns etwa unterstellen? — Roth [SPD] : Good night, Jonny!)

Zu allen Zeiten haben sich junge Menschen auch eine eigene, von den Erwachsenen abgesetzte Erlebniswelt geschaffen. Zu allen Zeiten bestimmten die Phantasiebegabung des einzelnen, die Anregungen Gleichaltriger, aber auch die von Erwachsenen geschaffenen Idole diese Erlebniswelt. Früher kannten Eltern, Lehrer oder Ausbilder diesen jugendlichen Vorstellungsbereich zumindest in einer allgemeinen Weise. Gilt das auch für uns? Wissen wir, was etwa in den rund 150 Millionen Comic-Heftchen steht, die alljährlich in der Bundesrepublik Deutschland produziert werden und von denen auf Grund des regen Tauschhandels jedes bis zu zehn Leser hat?
Während in zahlreichen Lesebüchern die deutschen Klassiker längst durch marxistische Autoren vom Schlage eines Günter Wallraff ersetzt wurden, feiert beispielsweise Friedrich Schiller in den Co-



Klein (München)

mies fröhliche Urständ. Beim Dichter der „Kraniche des Ibikus" heißt es:
Von euch, ihr Kraniche, dort oben, Wenn keine andre Stimme spricht, Sei meines Mordes Klag' erhoben, Er ruft es und sein Auge bricht.
In der modernen Sprechblasenversion dagegen:
Hallo Kraniche, bitte melden.
Ihr seid die einzigen Augenzeugen.
Versprecht mir, bei der nächsten Polizeidienststelle ... röchel, röchel ... Ende.

(Heiterkeit)

Für all das, was Millionen junger Menschen verschlingen, emotional erleben, haben wir keine Zeit, geschweige denn Verständnis. Da gibt es viel Schund im Schulranzen. Nähmen wir aber öfter Anteil an der jugendlichen Lust am Quatsch, könnten wir mitreden über John Travolta oder Boney M, das neue italo-amerikanische Filmidol oder die gerade besonders populäre Popgruppe; hätten wir einen leichteren Gesprächseinstieg auch für ernsthafte Themen wie z. B. die gemeinsame Bemühung um die Zukunft der jungen Generation.
Ich bin mir bewußt, daß ich mich mit diesen Ausführungen des Abweichlertums vom parlamentarischen Redenschema schuldig mache. Aber es ist doch einfach nicht wahr, daß die jungen Menschen uns nur als Partner „pampig geführter Politdiskussionen" oder als „abbruchreifes Establishment" sehen. Begegnen wir ihren Interessen allerdings mit abfälliger Arroganz, messen wir ihr Verhalten an idealtypischen Mustern, die weder der Wirklichkeit entsprechen noch uns selbst zum Vorbild dienen, dann freilich reißen wir eine schwer überbrückbare Kluft zwischen Jugendlichenwelt und Erwachsenenwelt auf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Kluft ist nicht zu überbrücken, wenn wir den jungen Leuten nach dem Munde reden, ihnen wider besseres Wissen recht geben, sie falsche Wege gehen lassen, im Gegenteil. Verweigern wir der Jugend nicht den erwarteten Widerspruch. Für die heranwachsende Generation unseres hochindustrialisierten Sozialstaates gilt selbstverständlich auch, was Arnold G. Toynbee für die gesamte Menschheitsentwicklung konstatiert hat, nämlich daß jede Leistung die Antwort auf eine Herausforderung ist.

(Wehner [SPD] : Das hat der alles aufgeschrieben!)

Ganz im Gegensatz zu dem Herrn Minister, der von Ihrer Partei gestellt wird, Herr Kollege Wehner.

(Wehner [SPD] : Lassen Sie sich durch mich nicht stören, verehrter Herr Leser!)

— Danke sehr.
Die überdehnte Jugendphase mit der weit hinausgeschobenen Berufsentscheidung und der Oktroyierung sozialen Anspruchsdenkens auf der einen sowie der durch den Numerus clausus oder Lehrstellenmangel hervorgerufenen Zukunftsangst auf der
anderen Seite muß keineswegs in Apathie, Resignation oder Rebellion münden. Helfen wir den jungen neu in unsere Gesellschaft eintretenden Mitgliedern, produktiv und kreativ auf die Herausforderungen der modernen Industriewelt zu reagieren. Machen wir ihnen klar, daß sie Lebensstandard, Ausbildungsniveau und Freiheitsraum einer Ordnung verdanken, die nicht kollektive Anpassung erheischt, sondern persönliche Identifikation.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bewahren wir sie vor ideologischen Rattenfängern, die sie in den Kampf gegen den Kapitalismus hetzen wollen, den es bei uns nicht gibt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Sagen wir ihnen, daß die Soziale Marktwirtschaft der erfolgreiche humane Mittelweg zwischen dem Monopolismus des Kapitals und dem Monopolismus des Staates ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Warum sind wir so reich, wenn es keinen Kapitalismus gibt? — Mir kommen die Tränen!)

Fordern wir sie zum objektiven Vergleich unseres Staates mit dem sogenannten sozialistischen Lager auf.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Erklären wir ihnen, daß es im Interesse ihrer Zukunft liegt, Bewährtes zu bewahren, um Neues darauf zu bauen. Zeigen wir aber der jungen Generation vor allem, daß wir, die Älteren, selbst zu den Werten stehen, auf denen unsere christlich-europäische Kultur gründet.
Und, meine Damen und Herren, vermitteln wir den jungen Menschen ein wahrhaftiges Bild unserer geistigen und politischen Geschichte. Darin müssen Börne und Fichte, Hegel und Nietzsche, Jünger und Toller, Bismarck und Lasalle, Ebert und Hindenburg, Adenauer und Schumacher ihren angemessenen Platz finden.
Verschweigen wir den Deutschen von morgen nicht die Verbrechen, die gestern von Deutschen, aber auch an Deutschen begangen wurden. Bringen wir Einsicht und Kraft zu alledem auf, dann ist es mir nicht bange

(Wehner [SPD]: So sehen Sie aus!)

um die Zukunftschancen der jungen Generation.
Um der Redlichkeit willen ihr gegenüber werden auch Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, umkehren auf dem jetzt eingeschlagenen Weg der — verzeihen Sie, aber ich kann es nicht anders ausdrücken — Ausbeutung der kommenden Generation durch die gegenwärtige Generation. Die jetzige Höhe der Bundesverschuldung erzwingt, daß wir in drei Jahren dafür bereits mehr Zinsen zahlen werden, als wir heuer für Entwicklungshilfe, Städtebau, Landwirtschaft und Bildung zusammen ausgeben.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Wenn diese Debatte mehr als deklamatorischen
Wert haben soll, möge die Bundesregierung diesem



Klein (München)

Hohen Hause und damit der deutschen Öffentlichkeit so bald wie möglich darlegen, welche finanziellen Belastungen nach heutiger Gesetzeslage auf die Menschen in 5, 10 und 20 Jahren zukommen werden, mit welcher Bevölkerungsentwicklung, welchem Rentenanteil, wieviel Investitions- und Innovationskraft sie in diesen Zeiträumen rechnet. Das sind Daten, auf deren Kenntnis die junge Generationen einen Anspruch hat und an denen auch wir uns bei der künftigen Gesetzgebungsarbeit insbesondere in der Haushaltspolitik zu orientieren vermöchten. Denn jede Politik ist Jugendpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812801200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fiebig.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0812801300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beitrag, den wir eben gehört haben, ist die denkbar schlechteste Einleitung in diesem Hohen Haus zu Beginn des Jahres des Kindes, das die UNO propagiert hat.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir hätten uns wahrhaftig einen besseren Einstieg wünschen können, der auch der sogenannten Würde dieses Hauses angemessen gewesen wäre.

(Sehr gut! bei der SPD)

Ob denn der Herr Vorredner wohl in Vorbereitung dieser Debatte überhaupt je einmal mit jungen Menschen darüber gesprochen hat, was die jungen Menschen in diesem Lande wohl eigentlich bewegt, wenn sie vom Internationalen Jahr des Kindes hören, ob nicht die jungen Menschen in unserem Lande ganz konkrete Forderungen an uns Politiker haben, wenn sie dieses Thema „Zukunftschancen der jungen Generation" hören? Ich meine, das fängt ganz primitiv beim Bauspielplatz an und endet bei einer guten Wohnumgebung, in der Kinder aufwachsen können. Um diese Dinge geht es doch in der Jugendpolitik, nicht um solche hochtrabenden Formulierungen, wie wir sie soeben gehört haben.

(Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der SPD: Röchel, röchel! — Zuruf von der CDU/ CSU: Haben Sie schon mal was von Pädagogik gehört?)

Die ganze heutige Diskussion ist von einem CDU-Antrag unter der bemerkenswerten Überschrift „Zukunftschancen der jungen Generation" ausgelöst worden. Dieser Antrag geht auf einen CDU-Kongreß im Herbst 1977 zurück. Knapp 300 Teilnehmern standen 70 Redner und Teilnehmer an Podiumsgesprächen gegenüber, und als dann dieser Kongreß nicht funktionierte, reisten viele Teilnehmer auch noch ab.

(Pfeifer [CDU/CSU] : Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Die SPD-Beobachter sind sicher abgereist!)

Ein Berg kreißte, eine Maus wurde geboren, und heute wird mit großem Aufwand diese kleine Maus in das Hohe Haus gebracht.
Dieser Antrag ist als Grundlage, um über Jugendpolitik und Zukunftschancen für junge Menschen in unserem Lande zu reden, denkbar ungeeignet.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Weil er. von der CDU kommt?)

Es geht um die Interessen der Kinder, der jungen Menschen, der Familien in unserem Lande und nicht um einen ideologischen Kreuzzug gegen die sozialliberale Koalition. 1976 hieß es „Freiheit oder Sozialismus" ;

(Zuruf von der CDU/CSU: Heute immer noch!)

bis 1980 wird es heißen, die SPD wolle die Familie vergesellschaften, ja sogar zerstören —

(Zuruf von der CDU/CSU: Das weiß man doch!)

oder wie Ihre infamen Behauptungen lauten. Rahmenrichtlinien, Zerstörung eines gegliederten Schulsystems und Propagierung der Emanzipation junger Menschen sind dann die Meilensteine auf diesem „gefährlichen Weg".

(Klein [München] [CDU/CSU] : Emanzipation von wem? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Die Probleme junger Menschen geraten dabei völlig aus dem Blickfeld, z. B. das Jugendhilferecht. Aus Bayern ist ja nun der Opposition die Devise vorgegeben worden: keine Kompromisse, totale Ablehnung des Rechts der elterlichen Sorge und des Jugendhilferechts.

(Klein [München] [CDU/CSU] : Fragen Sie mal den Herrn Bundeskanzler, was er darüber denkt!)

Dann, wenn es um die Zukunftschancen der jungen Generation geht, ist die Jugendpolitik gefordert,

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Aber nicht diese!)

und wir wollen auf Grund der Notwendigkeiten in unserem Lande eine Antwort geben.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Ja, die Eltern als Fremde bezeichnen! Fremdbestimmung der Eltern! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt's!)

Statt den Familien in unserem Lande Hilfen anzubieten, wenn ihnen ihre Kinder aus vielfältigen Gründen entgleiten, wird einer Obstruktionspolitik alles geopfert. Das Kind gehört in die Familie. Dies etwa ist der kleinste gemeinsame Nenner in der Familienpolitik der großen Union.
Aus Art. 14 des Grundgesetzes und seinem Eigentumsbegriff werden eine unumschränkte Verfügungsgewalt der Eltern gegenüber den Kindern abgeleitet und sie zum persönlichen Eigentum erklärt, das man zu beherrschen habe.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sind Sie so dumm oder tun Sie nur so? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




Fiebig
Wir Sozialdemokraten halten es in dieser Frage mit Art. 6 des Grundgesetzes und sehen neben dem Recht der Eltern auf Erziehung an erster Stelle ihre Pflicht zur Erziehung.

(Beifall bei der SPD)

Wo aber die Familie nicht mehr helfen kann, wo Eltern mit der Erziehungsaufgabe nicht mehr fertig werden, da setzt die Reform der elterlichen Sorge und des Jugendhilferechtes an.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Weil man die Eltern fertig gemacht hat, deshalb!)

Eben nicht der Eingriff in die Familie, sondern Hilfe in schwieriger Situation für die Familie — hier liegen die wahren Zukunftschancen der jungen Generation.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812801400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hasinger?

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0812801500
Bitte schön.

Albrecht Hasinger (CDU):
Rede ID: ID0812801600
Herr Kollege Fiebig, würden Sie mir zustimmen, daß diese Darstellung des Entwurfs des elterlichen Sorgerechts Ihrer Koalition eine falsche ist, weil es zu einem großen Teil eben nicht nur Problemfamilien, sondern auch sogenannte intakte Familien betrifft?

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Alle Familien!)


Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0812801700
Herr Hasinger, ich meine, daß ich zutreffend geschildert habe: Erstens geht es um Familien, die bei der schwierigen Erziehungsaufgabe in unserer Zeit Hilfe brauchen. Zweitens geht es aber doch wohl auch darum, daß Kinder auch Träger von Grundrechten sind, daß sie selber zu ihrer Entwicklung beitragen müssen und daß man Kinder auch fragen muß, wie sie sich denn selber ihre persönliche Lebensentwicklung vorstellen. Diesen Fragen der jungen Generation muß doch wohl auch in diesem Rechtsbereich Geltung verschafft werden. Um diese beiden Komponenten geht es.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Sie sollen von der Fremdbestimmung der Eltern befreit werden! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Widerspruch zu dem, was Sie gesagt haben!)

In dem vorliegenden Antrag der CDU/CSU ist von einer wertorientierten Familienpolitik die Rede. Sie wollen uns wohl einreden, wir hätten keine wertorientierte Familienpolitik. Für uns ist der Grundwert in der Familienpolitik die Solidarität mit den Familien, die Solidarität der Familien untereinander und die Solidarität der Gesellschaft mit den Familien. Daraus leiten wir unsere Politik ab. Den guten — ich betone: den guten — Miterzieher braucht jede Familie, um mit der schwierigen Erziehungssituation fertig zu werden. Keine Mutter
und kein Vater kann behaupten, sie oder er könne alle Probleme der Erziehung meistern.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Der Staat kann das!)

Alle Eltern sind darauf angewiesen, daß verständnisvolle Lehrer, Erzieher, Kindergärtnerinnen, Jugend- und Sportwarte in den Vereinen, Jugendheimen und kirchlichen Einrichtungen uns helfen. Daß Kinder und junge Menschen hineinwachsen in soziales Verhalten, in die Einübung demokratischen Verhaltens, in Toleranz und Achtung Andersdenkender, ist ein so schwieriger Prozeß in unserer Gesellschaft, der dadurch nicht leichter wird, daß Technik und Berufe immer höhere Anforderungen an junge Menschen stellen.
Am 24. Mai 1974 hat der Bundespräsident Gustav Heinemann von dieser Stelle aus gesagt:
Die Menschen erleben sich in der Massengesellschaft als ohnmächtig, als ausgeliefert an undurchschaubare Zwänge und immer eingeschränkter in ihrer Selbstbestimmung. Wo sie sich nur als Objekt behandelt fühlen, suchen sie nach Auswegen.
Daß junge Menschen nicht mehr Objekte eines ihnen unverständlichen Handelns sind, ihnen unverständlichen und aufgezwungenen Erziehungsmethoden nicht mehr ausgeliefert und unterworfen sind, darum geht es im Recht der elterlichen Sorge. Auch junge Menschen sind Träger von Grundrechten.
Alkohol und Drogenkonsum, die geheimen Miterzieher in den Massenmedien, die eine Scheinwelt suggerieren oder Gewalt verherrlichen, die Anziehungskraft scheinreligiöser Sekten, Herrschafts-
und Machtstrukturen, die jungen Menschen völlig undurchsichtig erscheinen und sie zum Protest und Ausbrechen bewegen, Überforderungen in einer leistungsbetonten Arbeitswelt mit undurchschaubaren Arbeitsvorgängen, die junge Menschen zum Verweigern bewegen — diese Probleme zu bewältigen übersteigt oft, ja, fast immer die Fähigkeit der einzelnen Familie. Es handelt sich um Probleme, die jeden betreffen, vielfach gesellschaftlich bedingt. Die Gesellschaft. jedoch kann die Familie, darf die jungen Menschen nicht ohne Hilfe lassen.
Dabei handelt es sich nicht etwa in erster Linie um Familien, die einen harten Existenzkampf um den Lebensunterhalt führen müssen, sondern genauso um junge Menschen aus sogenannten gutbürgerlichen Familien, die miteinander nicht auskommen können. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Die sozialliberale Koalition kommt dieser Aufgabe mit der Vorlage des Jugendhilferechts nach.
In ihrem „Orientierungrahmen '85" hat die SPD mit Recht unter der Überschrift „Jugendpolitik" festgestellt:
In Kindheit und Jugend fallen bereits wesentliche Grundentscheidungen über die sozialen Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten in späteren Lebensphasen.
Hier liegen die Zukunftschancen der jungen Gene-
ration, daß sich Sozialdemokraten nach Kräften be-



Fiebig
mühen, die Gesellschaft familienfreundlicher zu gestalten, wie es der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion formuliert hat.
In diesen zwei ersten Monaten des Jahres erleben die Familien mit drei und mehr Kindern spürbar, daß das Kindergeld noch einmal angehoben worden ist. Dies ist eine Leistung, die nicht nur den Anlaß, sondern auch ihren Zweck beschreibt: für kinderbezogene Aufwendungen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Und am 1. Juli erleben sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer!)

Ab Juli 1979 wird es eine Erweiterung des Mutterschaftsurlaubs geben. Frauen können sich nach der Geburt eines Kindes insgesamt sechs Monate ihrem Kleinkind widmen. Diese Maßnahme ist in erster Linie kindbezogen. Sie gibt die Gelegenheit, das Kleinkind in der ersten, prägenden Lebensphase intensiv zu betreuen, und läßt der Frau die Chance, in ihren Beruf zurückzukehren. Diese Regelung ist ein erster Schritt. Über weitere nachzudenken ist niemandem verwehrt. Vorschläge würden die Diskussion beleben und vorantreiben, wenn Sie auch ihre finanziellen Auswirkungen berücksichtigen.
Neben dem Mutterschaftsurlaub gibt es weitere kindbezogene Leistungen. Dazu gehört insbesondere die Möglichkeit, bei vollem Lohnausgleich durch die Krankenkasse bis zu fünf Tage im Jahr zur Pflege eines unter acht Jahre alten kranken Kindes von der Arbeit befreit zu sein und zu Hause zu bleiben, eine Haushaltshilfe auf Kosten der Krankenversicherung zu erhalten, wenn der Haushalt während eines Krankenhaus- oder Kuraufenthalts der Mutter oder auch des Vaters nicht weitergeführt werden kann und mindestens ein Kind unter acht Jahren oder ein behindertes Kind zur Familie gehört, sowie künftig die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, wenn die Ausgaben belegt werden. Dies alles sind Leistungen, mit denen es der Familie erleichtert wird, ihre kindbezogenen Aufgaben zu erfüllen. Das sind alles kleine, aber ungeheuer wesentliche Schritte, keine großen Worte.

(Beifall bei der SPD)

Diese kleinen Schritte schaffen bessere Lebensbedingungen in unserem Lande, nicht aber das unendliche Gerede, wie wir es in dem heutigen CDU-Antrag haben.

(Erneuter Beifall bei der SPD)

In dem CDU-Antrag gibt es dann auch noch ein Kapitel „Benachteiligte Jugendliche". Kein Wort davon, was in diesem Landes alles für benachteiligte Gruppen geschehen ist!

(Zuruf von der CDU/CSU: Halten Sie das für ausreichend?)

Weiß die Opposition eigentlich, was alles zur Eingliederung sozialer Randgruppen geschieht, zur Bekämpfung des Alkohol- und Drogenmißbrauchs, zur Förderung der Jugendarbeit durch den Bundesjugendplan, zur Verbesserung der Spielmöglichkeiten von Kindern,

(Zurufe von der CDU/CSU: Reicht das?)

zur Förderung von Kinderspielplätzen, der Familienerholung, der Eingliederung junger Spätaussiedler und junger ausländischer Arbeitnehmer, zur beruflichen Förderung behinderter junger Menschen in Behindertenwerkstätten? Die gesamten Lebensumstände in einem Lande entscheiden über die Zukunftschanchen. Ich glaube, die Lebensumstände in unserem Lande sind gut. Sicherlich müssen wir noch mehr tun, um sie noch weiter zu verbessern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Noch mehr Konflikte?)

Wenn Sie da einen langgefächerten Tugendkatalog aufgeblättert haben, welche Tugenden alle in unserem Lande erforderlich sind, dann sagen Sie das doch bitte nicht im Hinblick auf die jungen Menschen in unserem Lande, sondern dann sagen Sie das bitte im Hinblick auf die Erwachsenen. Die brauchen erst einmal solch einen Tugendkatalog.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ich sage: Jede Elterngeneration bekommt die Kindergeneration, die sie verdient hat. Mein eigenes Verhalten ist entscheidend

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

für das, was in unserem Lande 'geschieht. Und da ist die Union mit ihren innerparteilichen Zwistigkeiten wahrhaftig kein Vorbild für menschlichen Umgang in unserem Lande.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Natürlich ist diese Welt des 20. Jahrhunderts nicht so wie sie sein müßte. Wir Sozialdemokraten haben sie wahrhaftig nicht gemacht. Nichts zeigt anschaulicher, wie diese moderne Welt ist, als die Notwendigkeit eines Modellprojekts „Hilfe für mißhandelte Frauen", die nicht von irgend jemand mißhandelt werden, sondern die von ihren Ehemännern mißhandelt worden sind. Welch eines Kampfes hat es bedurft, bis dieses Parlament endlich in der 5. Wahlperiode die rechtliche Gleichstellung von nichtehelichen Kindern durchgesetzt hat! Maßgeblichen Anteil an dieser gesellschaftlichen Veränderung hatte der verstorbene Bundespräsident Gustav Heinemann.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sprechen in Ihrem Antrag so viel von Wertorientierung, Autorität, Ordnung und Bildung als bewährten Tugenden. Vielleicht halten Sie es in der Zukunft mit uns so, wie Gustav Heinemann in seiner Antrittsrede als Bundespräsident gesagt hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Noch einmal Heinemann!)

— Das scheint Ihnen sehr unangenehm zu sein.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

Zitat:
Das Geheimnis auch der großen und umwälzenden Aktionen besteht darin, den kleinen Schritt herauszufinden, der zugleich ein strategischer Schritt ist, indem er weitere Schritte in Richtung einer besseren Wirklichkeit nach sich zieht. Darum hilft es nicht, das Unvollkommene



Fiebig
heutiger Wirklichkeit zu höhnen oder das Absolute als Tagesprogramm zu predigen. Laßt uns statt dessen durch Kritik und Mitarbeit die Verhältnisse Schritt für Schritt ändern.
Finden Sie mit uns den nächsten kleinen Schritt heraus, etwa beim Jugendhilferecht, dann haben Sie mit uns gemeinsam etwas für die Zukunftschanchen der jungen Generation getan.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812801800
Das Wort hat der Abgeordnete Eimer.

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0812801900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Franz Josef Strauß

(Dr. Probst [CDU/CSU]: Sehr richtig! Bravo!)

hat in der 468. Sitzung des Bundesrates am 21. Dezember neben vielen falschen auch einige bemerkenswerte Sätze gesprochen,

(Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!)

die ich mit Genehmigung des Präsidenten zitieren möchte:

(Zurufe von der CDU/CSU)

Es hat allmählich der Unfug Platz gegriffen, daß Verwaltungsrichtlinien und Ausführungsbestimmungen den Charakter von Kommentaren annehmen. Daß aber auch noch der Kommentarcharakter im Text der Gesetzgebung zutage tritt, ist eine bedenkliche Erscheinung, ist ein Zeugnis für den Verfall der Gesetzgebungskunst in der Vorbereitungsphase.
So weit der Text von Franz Josef Strauß.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Schwach vorgetragen!)

— Ja, er macht es etwas temperamentvoller.

(Zurufe von der CDU/CSU: Lesen Sie es noch einmal, dann kann man es besser verstehen! — Viel zu langsam! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben es hier nicht mit einem Gesetzentwurf zu tun, sondern mit einem Antrag. Ich meine aber, sinngemäß sollte das, was Strauß zu den Gesetzen gesagt hat, auch für Anträge gelten. Antrag kommt meiner Meinung nach von beantragen. Es sollte wohl eine Aufforderung zu ganz bestimmtem Handeln sein. Dieser Antrag hier enthält aber im Verhältnis zum Umfang nur wenige und kaum konkrete Vorschläge, die als Aufforderung zu bestimmtem Handeln, also als Antrag, zu betrachten sind. Diejenigen Punkte, in denen man konkret wird, sind oft unstrittig. Dort, wo tatsächlich Fehler auftreten, hat der Bundestag keine Kompetenz, und in vielen Bereichen sieht es weit weniger schwarz aus, als uns einige Schwarzmaler weismachen wollen.

(Daweke [CDU/CSU] : Ein sogenanntes Wortspiel! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Der Beitrag meines Kollegen Klein war vielleicht ganz pfiffig, nämlich in dem Comics-Stil, den er gerade selbst glossiert hat; aber er tut so, als ob Fernsehprogramme und Comics-Hefte von der Bundesregierung produziert würden.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Wenn Sie nicht zuhören können, dann lesen Sie wenigstens nachher das Protokoll!)

Machen wir uns nichts vor! Wenn uns hier ein Jugendlicher, der einigermaßen kritisch ist, zuhört und sieht, wie wir miteinander umgehen, dann kann er nur abgeschreckt werden.
„Zukunftschanchen der jungen Generation" ist die Überschrift des vor uns liegenden Antrages. Die Zukunftschancen der jungen Generation ergeben sich aus zweierlei, einmal aus den Möglichkeiten, die den jungen Menschen beim Start in das Berufsleben gegeben werden, und zweitens aus dem, was sie selbst aus sich machen; denn jeder Jugendliche wird einmal seine Zukunft selbst gestalten. Aber für die Möglichkeiten — und das muß ich betonen —, die die junge Generation beim Start in das Berufsleben hat, sind eindeutig wir allein verantwortlich. Mit „wir" meine ich unsere Generation, nicht nur das Parlament, nicht nur die Bundesregierung, sondern auch Länderregierungen, Schulen, gesellschaftliche Gruppen, Eltern, Unternehmer, Gewerkschaften.
Wenn wir die 32 Punkte des vorliegenden CDU/ CSU-Antrages daraufhin abklopfen, wer für welche Chancen verantwortlich ist, werden wir feststellen müssen, daß dieses Parlament und diese Bundesregierung bei den aufgeführten Fehlentwicklungen eine Kompetenz nicht haben und daß ihnen diese Kompetenz von den Ländern auch nicht zugebilligt wird. Was aber in die Kompetenz der gesellschaftlichen Gruppen unseres Landes fällt, so meine ich dazu: so schlecht haben z. B. Eltern, Unternehmer und Gewerkschaften nicht gearbeitet, daß das Bild der Zukunft für die junge Generation derart schwarz gemalt werden kann. So hat z. B. die Bundesregierung in mehreren Förderungsprogrammen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einmal 430 Millionen DM, dann 300 Millionen DM und zweimal 100 Millionen DM ausgegeben, die zum großen Teil auch den Jugendlichen und behinderten Arbeitslosen zugute kamen.
Aber auch Industrie, Handel und vor allem Handwerk sind in diesem Zusammenhang sehr lobend zu erwähnen, und zwar wegen der Schaffung zusätzlicher Lehrstellen. In drei Jahren sind so 140 000 Plätze geschaffen worden.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Trotz eurer Politik!)

Dies hat dazu beigetragen, daß die Chancen für die junge Generation weiterhin gesichert sind. Obwohl in kleinen und mittleren Betrieben nur ein Drittel der Arbeitnehmer beschäftigt ist, bilden diese Betriebe dennoch zwei Drittel der Lehrlinge aus; sie tragen die Last der Ausbildung. Das Handwerk ist, was die Ausbildung betrifft, die goldene Gans für diejenigen Betriebe, die nicht ausbilden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und dafür werden sie mit „gelben Punkten" belohnt!)




Eimer (Fürth)

Deshalb haben wir nach dem Vorbild der Bauwirtschaft mit einer Berufsbildungsabgabe gerade diejenigen unterstützen wollen, die die Last der Ausbildung tragen. Aber diejenigen, die etwas bekommen sollen, nämlich vor allem die Handwerker, die die Jugendlichen ausbilden, vertreten unverständlicherweise gerade die Interessen derer, von denen das Geld kommen soll, nämlich die Interessen der Großindustrie.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Warum soll das, was in der Bauwirtschaft gilt, nicht auch im Handwerk gut funktionieren? Ich habe den Verdacht, daß die Kammern ihre Mitglieder hier nicht richtig informiert haben, daß sie hier der Ideologie der Opposition aufgesessen sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812802000
Herr Abgeordneter gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Daweke?

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID0812802100
Herr Abgeordneter, darf ich Sie fragen: Wenn Sie bestreiten, daß die Betroffenen, also die Handwerker, wissen, was für sie gut ist, woher wissen dann Sie, was für die Handwerker gut ist?

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0812802200
Ich kann es daraus schließen, daß die Kammern ihre Mitglieder nicht richtig über das Gesetz informiert haben, sie infolgedessen über das Gesetz offensichtlich nicht genau Bescheid wissen. Ich kann es außerdem daraus schließen, daß dieses Gesetz ja gerade ein gutes Vorbild hat, nämlich die freiwilligen Vereinbarungen in der Bauwirtschaft. Ich glaube, das zeigt sehr deutlich: wenn es dort funktioniert, sollte es auch in den anderen Bereichen funktionieren.

(Frau Benedix [CDU/CSU] : Aber Sie haben doch alle Möglichkeiten der Information!)

Die Opposition kann dazu beitragen, daß mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden, nämlich wenn sie damit aufhört, die Wirtschaft gerade in diesem Punkt zu verunsichern. Aber auch die Bundesregierung, vor allem der Arbeitsminister, kann dazu beitragen, daß die Ausbildung erleichtert wird. Ich denke dabei an die Arbeitszeitregelung für Auszubildende. Wenn z. B. ein Fleischerlehrling erst um 7 Uhr anfangen darf, dann ist eben die Wurst schon fertig, wenn er in den Betrieb kommt.

(Hasinger [CDU/CSU] : Wer regiert denn eigentlich?)

— Sie haben richtig gehört. Ich darf in einem einzelnen Punkt wohl auch mal die Regierung kritisieren.

(Hasinger [CDU/CSU] : Tun Sie das öfter!)

— Ich glaube, ich habe in meinen Beiträgen gezeigt, daß ich beide Seiten sehr kritisch beurteile. Ich empfinde mich immer mehr als ein Mitglied des Parlaments und nicht als einen Helfershelfer der Regierung.

(Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU] : Das würde ich Ihnen gern bestätigen! — Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU] — Wissmann [CDU/CSU]: Solange keine Abstimmungen kommen!)

Eine einfache Lockerung einer Verordnung könnte ein bißchen dazu beitragen, daß — neben einer Erleichterung der Ausbildung — die eine oder andere Lehrstelle mehr angeboten wird.
Bei dem Thema der beruflichen Bildung fehlen im vorliegenden Antrag der Union konkrete und ausführliche Aussagen über die Benachteiligung junger Frauen. Das wurde zum Teil schon von meiner Kollegin Frau Schuchardt angesprochen. Die Öffnung von zur Zeit typischen Männerberufen für Mädchen sollte stärker gefördert werden.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Jawohl, das ist das Problem!)

— Diese Probleme spreche ich auch an. - Auf den Bundestag werden neue Aufgaben zukommen, wenn die Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" ihre Vorschläge bringt, wie die Situation von Frauen und Mädchen im Beruf verbessert werden kann.
Lassen Sie mich ein paar Worte über benachteiligte Jugendliche sagen. Auch hier gibt es ermutigende Ansätze und Modellversuche, vor allem bei Handwerkskammern. So werden lernbehinderte und lernschwache Schüler im überbetrieblichen Ausbildungszentrum der Handwerkskammer Mittelfranken in Nürnberg in Kursen zusammengefaßt und so weit gefördert, daß sie eine Berufsausbildung abschließen können. Die Erfolge dieser Ausbildung waren nur möglich, weil sich engagierte Handwerker der Not dieser Jugendlichen annahmen, weil engagierte Ausbilder neue Konzepte erdachten und gegen alle Schwierigkeiten durchführten und weil die Bundesregierung, soweit sie dazu Kompetenz hatte, diese Programme finanziell förderte.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Kompetent ist sie selten!)

Wir werden im Ausschuß überlegen müssen, wie wir diese positiven Ansätze allen Lernbehinderten öffnen können und was wir tun müssen, damit die Kammern die Voraussetzungen erhalten, derartige Bildungsgänge anbieten zu können. Dazu wird allerdings auch die Mitarbeit der Länder notwendig sein. Ich möchte an dieser Stelle den Handwerkskammern ausdrücklich für diese Arbeit danken.
Zu den Zukunftschancen der jungen Generation gehört aber auch — das wurde von der Opposition vergessen — der Bereich Familie und Erziehung und nicht nur der Bereich Berufsbildung.

(Wissmann [CDU/CSU]: Steht im Antrag!)

Denn welche Chancen ein Kind später haben wird, hängt auch davon ab, welche Entwicklung es in frühester Jugend genommen hat.

(Zuruf des Abg. Hasinger [CDU/CSU])

Zwei Gesetzentwürfe, die uns vorliegen, könnten hier helfen: der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge und der Entwurf des Jugendhilfegesetzes. Aber gerade in



Eimer (Fürth)

diesem konkreten Punkt sagt die Opposition nein. Strauß hat ja das Nein im Bundesrat bereits angekündigt. Ich habe den Verdacht — und die ersten in der Presse wiedergegebenen Äußerungen von Franz Josef Strauß zeigten es mir —, daß Strauß diese Gesetze nicht sehr genau gelesen hat oder falschen Einflüsterungen unkompetenter Berater erlegen ist

(Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU] )

und die zwei Gesetze miteinander verwechselt hat. Die Aussage von Herrn Strauß, daß für die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge 140 000 neue Stellen notwendig sind, belegt das sehr deutlich. Ich kann Sie nur bitten, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihr Nein zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge aufzugeben. Auch das ist ein Beitrag, die Zukunftschancen der jungen Generation zu verbessern.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU CSU: War das alles? — Ach so, das war der Schluß!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812802300
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0812802400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag „Zukunftschancen der jungen Generation" geht die CDU/CSU weit über bildungspolitische Anliegen hinaus. „Zukunftschancen der jungen Generation" ist ein sehr umfassender Anspruch.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

— Ein sehr umfassender Anspruch! .— Vor diesem so umfassenden Anspruch ist das von Ihnen vorgelegte Papier ein sehr bemerkenswertes Dokument; bemerkenswert nicht hinsichtlich dessen, was dort zu den Zukunftschancen der jungen Generation gesagt wird, aber bemerkenswert wegen seiner Realitätsferne: als ob es sich um ein ganz anderes Land als die Bundesrepublik Deutschland handelte.

(Zustimmung bei der SPD)

Mit diesem Antrag bestätigen Sie jene Aussage Ihres ehemaligen Generalsekretärs, der vor wenigen Tagen geschrieben hat, daß die CDU — ich darf zitieren — „auf die notwendige Klärung der eigenen Antworten innerhalb der Partei weitgehend verzichtet" hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zitieren Sie auch mal, was er über die SPD geschrieben hat!)

Ich empfehle Ihnen sehr sich diese genaue Analyse, die sich stückweise an diesem Dokument belegen läßt, sehr genau anzusehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Stimmen Sie auch seiner Analyse der SPD zu?)

— In vielen Punkten ja. Er hat gesagt, daß die SPD den besten Kanzler stellt, den es zur Zeit gibt. Da stimme ich voll zu.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Das ist richtig, einen besseren Kanzler haben wir zur Zeit nicht, leider!)

— Auch keinen Kanzlerkandidaten, wenn Sie sich auf Herrn Biedenkopf beziehen.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Im ersten Absatz dieses Entschließungsantrages können wir lesen — ich darf zitieren —:
Die Zahl der jungen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, die einen Ausbildungsplatz benötigen, nimmt in der nächsten Zeit für eine Übergangsphase sprunghaft zu.
Sind Sie hier nicht ein bißchen hinter der Entwicklung zurückgeblieben? Sollte es Ihnen nicht bekannt sein, daß das Maximum der Zahl der Hauptschulabsolventen 1979 erreicht ist und daß es dann schrittweise heruntergeht bis zu dem Tiefpunkt 1985? Sie haben zwar den Antrag am 16. August gestellt, Sie scheinen aber Statistiken benutzt zu haben, die mehrere Jahre alt sind und keinesfalls den neuesten Aspekt wiedergeben.
Vor allen Dingen ignorieren Sie völlig jene große Leistung, die von Politik und Wirtschaft gemeinsam erbracht wurde, nämlich von 1974 bis 1978 die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge von 450 000 auf 600 000 Verträge zu steigern. Das findet bei Ihnen nicht statt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Ich finde es sehr wenig wirtschaftsfreundlich, wenn Sie diese große Anstrengung von Handwerk, Handel und Industrie völlig ignorieren.

(Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wir haben gemeinsam mit der gewerblichen Wirtschaft und mit den Gewerkschaften Jahr für Jahr
dafür gesorgt, daß diese bemerkenswerte Steigerung

(Zuruf von der CDU/CSU: Diese Verunsicherung!)

dazu geführt hat, daß jährlich trotz dieser großen Zahl Schulabgänger die Ausbildungsnachfrager und die Ausbildungsanbieter zahlenmäßig in etwa im Gleichgewicht geblieben sind. — Verehrter Herr Kollege Zwischenrufer, wenn Verunsicherung die Steigerung der Zahl der Plätze um 150 000 in vier Jahren hervorgebracht hat, muß das eine merkwürdige Art der Verunsicherung sein, die Sie hier an die Wand malen.
Nochmals empfehle ich Ihnen, Ihren ehemaligen Generalsekretär nachzulesen, der in seinem bemerkenswerten Memorandum schreibt — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:
Die Arbeitslosigkeit hat ihre singuläre Bedeutung als Bedrohung verloren. Jugendliche finden weitgehend Ausbildungsplätze.
Herr Biedenkopf sieht das völlig richtig. In Ihrem Antrag steht unter Ziffer 5 die Forderung — ich darf nochmals zitieren —:
Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik
sind darauf auszurichten, daß den jungen Menschen die erforderlichen Ausbildungsplätze sowie die benötigten Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden können.



Bundesminister Dr. Ehrenberg
Meine Damen und Herren von der Opposition, das tun wir seit Jahren, und das tun wir mit nachprüfbarem Erfolg.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Daweke [CDU/CSU] : Weiß das die ganze Bundesregierung?)

— Das weiß die Bundesregierung, und das weiß das deutsche Volk, und das wissen vor allem die jungen Menschen, die es angeht; die wissen das am besten.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Wie wirkt sich das auf die Renten aus?)

Die wissen auch, daß in der Bundesrepublik auch in den Jahren der Nachwehen der Weltrezession die Arbeitslosenquote der Jugendlichen unter der durchschnittlichen Arbeitslosenquote liegt, was anderswo in der Welt nicht der Fall ist. Beispielsweise ist in Frankreich der Anteil der jugendlichen Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen um zwei Drittel, in Großbritannien um drei Viertel, in Italien um das Zweieinhalbfache, in Schweden um die Hälfte und in den USA um drei Viertel höher als in der Bundesrepublik Deutschland, ein Erfolg, der ja wohl mit für unsere Politik und für das vernünftige, bewährte Ausbildungssystem in der Bundesrepublik spricht.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Warum wollen Sie es dann kaputtmachen? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das sagen Sie mal Ihren Jusos!)

— Das will doch kein vernünftiger Mensch kaputtmachen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Distanzieren Sie sich doch von diesen merkwürdigen Formulierungen!

(Rawe [CDU/CSU] : Dann bringen Sie das doch mal Ihren Jusos bei!)

Wenn Sie so einen Antrag stellen, dann sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen: das Sonderprogramm der Bundesregierung von 1976, die Sonderprogramme der Länder, womit rund 100 000 zusätzliche Bildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt wurden — leider weniger in CDU-regierten Ländern —, ferner die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vom August 1978, durch die rund 18 000 jüngere Arbeitnehmer beschäftigt wurden, und, ganz entscheidend für die Verbesserung der beruflichen Qualifikation, die das Hauptproblem im Zusammenhang mit der Jugendarbeitslosigkeit ist, die Einführung eines zehnten berufsorientierenden Pflichtbildungsjahres in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland und Berlin.

(Frau Benedix [CDU/CSU] : Und Niedersachsen!)

— Richten Sie Ihre Aktivitäten darauf, in anderen, CDU-regierten Ländern das nachzuholen! Niedersachsen hat die Absicht, es ist noch nicht eingeführt, verehrte Kollegin.

(Hasinger [CDU/CSU]: Wie steht es mit dem Abbau des Arbeitsförderungsgesetzes durch das Haushaltsstrukturgesetz?)

— Verehrter Herr Kollege, der Entwurf eines fünften Änderungsgesetzes zum Arbeitsförderungsgesetz wird den Zugang zu Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung entscheidend verbessern, wird neue massive Mittel zur Verbesserung der Qualifikation bereitstellen. Sie sind herzlich eingeladen — im Februar noch wird dieser Antrag hier überwiesen werden —, daran konstruktiv mitzuarbeiten, das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium gezielt auf Jugendliche zu verbessern.

(Hört! Hört! bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Bringen Sie das mal Ihrer eigenen Fraktion bei!)

Ich bin sehr daran interessiert, wo Ihre konstruktiven Beiträge dann liegen werden. Ich warte mit Vergnügen darauf.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind zu Vergnügen gar nicht fähig!)

Meine Damen und Herren, das alles liegt vor. Wenn Sie schon einen Antrag zu den Zukunftschancen der jungen Generation stellen, dann hätten Sie zumindest davon Kenntnis nehmen müssen.
Ich finde, es ist geradezu ein bißchen rührend, wenn hier im Januar 1978 über einen Antrag verhandelt wird, in dem unter 6. die Aufforderung an die Regierung steht — ich darf nochmals zitieren; dieser Antrag ist so schön, den muß man öfter zitieren —

(Daweke [CDU/CSU] : Jetzt sind Sie auch nicht up to date! Wir haben 1979!)

— im Januar 1979; danke sehr für die Korrektur —,

(Daweke [CDU/CSU] : Nur, weil Sie wieder ein Jahr hinterherhinken!)

mit den Mitteln unserer Sozialen Marktwirtschaft einen neuen Konjunkturaufschwung ein- (zu) leiten und damit die lang andauernde Wirtschaftskrise (zu) beenden.
Ich hoffe, Sie haben die Jahresabschlußstatistik gelesen, in der steht, daß wir 1978 ein reales Wachstum des Bruttosozialprodukts von 3,4 % erreicht haben. Alle Institute und die Bundesbank sind sich einig, daß wir 1979 um die 4 % reales Wachstum erreichen werden.
Nun kann man sich höhere Wachstumsraten vorstellen, auch ich. Aber Wachstumsraten des realen Sozialprodukts zwischen 3,5 und 4 0/o als langandauernde Wirtschaftskrise zu bezeichnen ist der Opposition vorbehalten geblieben. Ich bitte Sie: Nutzen Sie die zahlreichen Fortbildungsmöglichkeiten, die wir bieten, um Ihre Kenntnisse in der Nationalökonomie ein wenig aufzufrischen!

(Beifall bei der SPD — Franke [CDU/CSU] : Sie haben das nötig, Sie Fehleinschätzer!)

Aber noch bemerkenswerter wird es, Herr Franke, wenn Sie in Ziffer 8 die Bundesregierung auffordern
— ich darf nochmals zitieren —, mittelfristig orientierungsfähige Bedarfsprognosen sowie Angaben über die zu erwartenden Berufschancen für Fach-



Bundesminister Dr. Ehrenberg
arbeiter, Techniker, soziale und kaufmännische Berufe, Graduierte und Hochschulabsolventen zu erstellen. Das ist ein sehr richtiger Antrag. Nur habe ich leider noch in Erinnerung, mit welcher Perfidie
— geradezu — die Diskussion hier nach der Aufstellung von Branchenprognosen, wie sie im Orientierungsrahmen '85 meiner Partei diskutiert worden sind, von Ihnen bedacht worden ist.
Jetzt fordern Sie gezielte Bedarfsprognosen für Berufschancen. Kann mir einer von Ihnen sagen, wie man gezielte Bedarfsprognosen für Berufschancen erarbeiten will, wenn man vorher nicht in sehr sorgfältiger Arbeit die künftige Angebots- und Nachfragestruktur und die Produktivitätsentwicklung der einzelnen Branchen abschätzen will? Das aber lehnen Sie als Sünde wider den heiligen Geist der Marktwirtschaft ab. Nur: Das eine zu fordern, aber die dazu methodisch und empirisch notwendige Vorstufe abzulehnen ist genau die Realitätsferne, die Ihren ganzen Antrag durchzieht.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Außerdem haben Sie, glaube ich, völlig übersehen, daß das Institut in Nürnberg und das Berufsbildungsinstitut in Berlin auf diesem Sektor schon längst produktiv und mit Erfolg tätig sind. Sowohl die Arbeitsmarkt- und Berufsforscher in Nürnberg als auch die Berliner erarbeiten seit längerer Zeit Prognosen dieser Art. Aber jeder Kundige, der damit zu tun hat und nicht nur Anträge stellt, weiß, wie schwierig es ist, zuverlässige Bedarfsprognosen zu erarbeiten. Das ist noch schwieriger, wenn die Grundlage, nämlich die Branchenprognosen der wirtschaftlichen Entwicklung, die vorausgehen müssen, nicht vorhanden ist.
Die Antwort auf eine Frage bleiben Sie natürlich völlig schuldig. Nämlich: Was wollen Sie tun, wenn Prognosen dieser Art vorhanden sind? Wollen Sie entsprechend diesen Prognosen den jungen Menschen die Berufschancen zuteilen, oder wie ist Ihre Vorstellung dazu? Das sollten Sie sagen. Wir sind bestrebt, in unserem freiheitlichen System den jungen Menschen gleichzeitig zu sagen — und das ist notwendig —, daß Freiheit der Berufwahl ohne ein gewisses Risiko nicht möglich ist.

(Pfeifer [CDU/CSU] : Was ist denn das für ein Stil, hierher zu kommen und nicht zu hören, was gesagt wird! Heute morgen ist das doch ausdrücklich gesagt worden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Verehrter Herr Zwischenrufer, ich habe mich an den Text Ihres Antrags gehalten. Ich bitte, das nachzulesen.

(Rawe [CDU/CSU] : Das haben Sie nicht getan! Sie müssen richtig lesen! — Pfeifer [CDU/CSU] : So sollte die Regierung mit dem Parlament nicht umgehen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrem Bestreben, es allen recht zu machen,
verwickeln Sie sich auch in eine Vielfalt sonstiger Widersprüche.

(Pfeifer [CDU/CSU]: Wären Sie heute hier gewesen, dann wäre es anders! Das ist eine Gespensterdebatte, die Sie hier führen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Lesen Sie das in Ihrem Antrag nach.

(Rawe [CDU/CSU] : Lesen Sie es doch vor! Es ist billig, hier so herumzupolemisieren! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Es hat von Ihnen noch jemand Gelegenheit, darauf zu antworten. Die Zeit dafür ist noch gegeben.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Wir diskutieren ja noch, verehrter Herr.

(Pfeifer [CDU/CSU]: Dazu haben wir heute morgen hier diskutiert! Was ist das für ein Diskussionsstil? — Fortgesetzte weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812802500
Ich bitte darum, daß wir die Sitzung einigermaßen beruhigt fortsetzen können.

(Rawe [CDU/CSU] : Der Minister soll bei der Wahrheit bleiben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0812802600
Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie hier hinterher sagten, wie Sie sich die Umsetzung dieser Bedarfsprognosen in die tägliche Praxis der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung vorstellen.

(Zuruf von der SPD: Das können die gar nicht!)

Ich werde Ihnen mit großem Interesse zuhören, wenn Sie mir das verkünden.

(Hasinger [CDU/CSU] : Von Orientierung halten Sie wohl überhaupt nichts? — Daweke [CDU/CSU] : Hat der DiplomVolkswirt schon einmal etwas von Markttransparenz gehört? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zu den von Ihnen angeführten Ausbildungshemmnissen anfügen. Es ist kein Zweifel — auch der Kollege Eimer hat darauf hingewiesen —, daß es hierzu eine Reihe von Vorstellungen verschiedener Verbände, verschiedener Berufszweige gibt, die Änderungen erwarten. Alle diese Anträge werden bei uns sehr sorgfältig geprüft.

(Klein [München] [CDU/CSU] : Aufgehoben!)

Es werden allerdings nicht nur die Argumente der Antragsteller, sondern auch die Argumente der Gewerbeaufsichtsämter, der Arbeitsverwaltung und der in diesem Bereich zuständigen Gewerkschaften geprüft. Sie sind wohl alle in gleicher Weise beteiligt und in gleicher Weise anzuhören.

(Hasinger [CDU/CSU] : Wie lange prüfen Sie noch?)




Bundesminister Dr. Ehrenberg
Was sich dann als notwendig herausstellen wird, wird geschehen.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Im Jahre 2010?!)

Allen, die hierüber reden, möchte ich folgendes zu bedenken geben. Erstens. Es verträgt sich wohl nicht, in einem Zeitpunkt soviel Gewicht auf Ausbildungshemmnisse zu legen, wo seit vier Jahren die Zahl der Ausbildungsplätze um' 150 000 gewachsen ist. Es sind wohl keine Hemmnisse gewesen, die dazu geführt haben, daß dieser Anstieg so groß geworden ist.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Das ist blanker Zynismus!)

— Ich werde Ihnen gleich ein Beispiel für blanken Zynismus in Ihrem Antrag geben.
Zweitens. Wer immer über die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung spricht und dies nicht nur verbal tut, der muß sich auch darum bemühen, daran zu denken, daß es notwendig ist, daß begabte, motivierte junge Menschen unmittelbar den Weg in die berufliche Ausbildung finden. Der muß darum auch daran denken, diesen jungen Menschen wenigstens im Ansatz vergleichbare Lebensbedingungen zu bieten, wie sie seine Alterskollegen haben, die weiterführende Schulen besuchen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn jemand Forderungen stellt, den Arbeitsbeginn für junge Menschen vorzuziehen — eine Branche fordert, 4 Uhr früh als Arbeitsbeginn zuzulassen —, muß er auch bedenken, was sich der 16jährige überlegt, wenn sein Alterskollege als Gymnasiast gelegentlich noch um 8 Uhr im Bett liegt und um 13 Uhr zurückkommt, während er an seiner Arbeits- oder Ausbildungsstelle um 4 Uhr anfangen soll. Ich bitte Sie, auch diese Gleichheit der Lebensbedingungen zu beachten, wenn Sie hier so pauschal von Ausbildungshemmnissen reden.

(Beifall bei der SPD)

Das verdient sehr viel sorgfältigere und sehr viel detailliertere Überprüfung.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Unrealistisch!)

Wer von Gleichwertigkeit der verschiedenen Wege im Berufsleben spricht, der muß diesen Punkt genauso sorgfältig wie die anderen mit berücksichtigen.

(Frau Dr. Wilms [CDU/CSU] : Das soll sich die SPD einmal merken!)

— Nicht die SPD hat sich das zu merken, sondern die Antragsteller dieses Antrages haben sich das zu merken, der nichts Neues bringt und Fakten ignoriert. Ich bitte Sie um Vergebung, daß ich nochmals das Memorandum Ihres ehemaligen Generalsekretärs hier abschließend zitieren muß:

(Wissmann [CDU/CSU]: Sonst fällt Ihnen nichts ein? — Daweke [CDU/CSU] : Können Sie einmal ein paar eigene Sätze einfließen lassen?)

Herr Biedenkopf hat geschrieben — ich darf zitieren —:
Bei den Jungwählern hat die CDU Zustimmung verloren ... Im günstigsten Falle entscheiden sich drei von acht Jungwählern für die Union. Fünf entscheiden sich für die Koalition.

(Dr. Probst [CDU/CSU] : Aber nicht mehr lange!)

Wer diesen Antrag liest, muß feststellen: Die jungen Menschen wissen auch, warum. Ich bin sicher: Wenn viele junge Menschen diesen Antrag lesen, werden es beim, nächsten Mal nicht 5 : 3, sondern 7 : 1 für die Koalition sein.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Rawe [CDU/CSU] : Wenn Sie noch länger reden, werden wir einen um so größeren Zuwachs haben!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812802700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wissmann.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID0812802800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte an sich die Absicht, zu dem Antrag in einer sehr polemikfreien Weise zu reden.

(Zuruf von der SPD: Tun Sie es doch!)

Aber Ihr Minister, der nur Polemik und wenig Perspektive geboten hat,

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Na, na!)

gibt mir doch Anlaß, deutlich zu sagen: Herr Minister, ich halte es für keinen guten Stil, wenn Sie heute morgen abwesend waren und die Rede des Kollegen Pfeifer nicht zur Kenntnis genommen haben — mit einer klaren Absage an Bedarfslenkung und Investitionslenkung, mit einer klaren Vorstellung, die sagt, wir wollen eine verbesserte Grundlage für Information und Berufsberatung, nie aber Bedarfslenkung — und jetzt Pappkameraden aufbauen, die im Grunde genommen nicht der Wirklichkeit entsprechen. Das ist kein guter Stil, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Er kann das nicht anders! — Hasinger [CDU/CSU]: Ehrenbergstil!)

Ich möchte ein Zweites hinzufügen. Niemand wird Ihnen widersprechen jedenfalls niemand aus der CDU/CSU —, wenn Sie die großartigen Leistungen insbesondere der kleinen und mittleren Betriebe würdigen, zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Wenn wir hören, daß allein im Handwerk in den Jahren von 1971 bis 1977 die Zahl der Auszubildenden, die sich in den drei Ausbildungsjahren befinden, von 406 000 auf 556 000 gestiegen ist, dann ist das eine bemerkenswerte Leistung. Nur, Herr Minister, wenn diese Leistung so bemerkenswert ist, wenn wir so große Fortschritte erzielt haben, frage ich mich, warum Sie nach wie vor Unsicherheit schüren, indem Sie das



Wissmann
Damoklesschwert der Ausbildungsplatzabgabe weiterhin im politischen Raum lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Drittes, Herr Minister. Sie haben meiner Ansicht nach mit Recht darauf hingewiesen — auch da wird Ihnen niemand widersprechen —, daß wir in der Ausbildungspolitik eine bessere Grundlage als in anderen Ländern haben. Ich begrüße, daß Sie so deutlich unterstrichen haben, daß das duale System bei all seinen Fehlern im einzelnen eine vernünftige Grundlage schafft. Nur frage ich mich, Herr Minister: Ist Ihr Konzept, das Sie mit Nachdruck vorgetragen haben, denn wirklich durchgedrungen? Ich spreche nicht von den Jusos; denn das einzige, was die Jusos heutzutage noch bewegen, sind Kugelschreiber zur Entwicklung weltfremder Konzepte.

(Wüster [SPD] : Ähnlich wie die Junge Union!)

Ich spreche von den Sozialdemokraten. Wenn ich bedenke, daß im SPD-Jugendprogramm aus dem letzten Sommer — Kollege Roth hat es vorgelegt — zu diesem gesamten Themenbereich, zum dualen System nicht ein einziges eindeutig positives Wort enthalten ist,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

dann, glaube ich, müssen Sie jene Fortbildungsarbeit, die Sie hinsichtlich der Nationalökonomie vorhin für die Union vorgeschlagen haben, endlich in bezug auf das duale System in den SPD-Reihen durchführen, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812802900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roth?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID0812803000
Bitte schön.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID0812803100
Herr Kollege Wissmann, behaupten Sie tatsächlich und würden Sie das wiederholen —, daß in diesem Programm, das in vielen Einzelpunkten Vorschläge zur Verbesserung des dualen Systems enthält, kein Wort zu eben diesem System steht? Haben Sie das tatsächlich gesagt?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID0812803200
Ich habe mir das sehr genau angeschaut. In dem Programm ist kein klares Bekenntnis zum dualen System enthalten, sondern, wie so oft, eine indifferente Aussage zu den Grundlagen unserer Ausbildung. Vor allem sollen fast alle Maßnahmen, die Sie vorschlagen, mehr Einwirkungsmöglichkeiten des Staates schaffen. Das erlaubt Zweifel an Ihrer Grundhaltung zum dualen System.

(Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD] : Vielen Dank! Sie haben sich korrigiert!)

Ich möchte ein Zweites hinzufügen. Wir haben — Herr Minister Schmude ist ja auf diese Frage wenigstens kurz eingegangen — über die Frage zusätzlicher Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und im Ausbildungsbereich gesprochen. Herr Minister, Sie sprachen von dem vagen Charakter unserer Ausführungen. Wir haben hier klar gesagt, was wir wollen; Kollege Pfeifer hat es präzisiert. Sie als Minister müssen dazu beitragen — dort liegt Ihre Verantwortung —, daß Perspektiven für die junge Generation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt auch an die jungen Leute herangetragen werden. Es sollte beispielsweise einmal deutlich gemacht werden — das läßt sich ja an Hand von Zahlen belegen —, daß, wie uns alle Experten sagen, allein die Sanierung der Altbauwohnungen in der Bundesrepublik etwa doppelt soviel Investitionsmittel erfordert, wie nach Kriegsende insgesamt für den Wohnungsbau aufgewendet wurde und daß deswegen das Ausbauhandwerk — um nur einen Bereich zu nennen — einer der förderungswürdigsten Bereiche für zukunftsbezogene Politik ist, förderungswürdig bei der Gründung selbständiger Existenzen, förderungswürdig in Berufsberatung und Information und förderungswürdig, wenn es darum geht, daß wir mehr als bisher, und zwar indirekt, auch steuerlich, jenen helfen, die bereit sind, in solche Bereiche hineinzugehen. Aber zum Erschließen neuer Märkte gehört Mut.
Wir als politisch Mitverantwortliche — ich schließe da überhaupt niemanden aus, weder SPD noch CDU/CSU noch FDP — sollten zumindest den Mut haben, Fehler zu korrigieren. Herr Minister Schmude, Sie sagen — Frau Schuchardt hat ja heute in ähnlichem Sinne gesprochen —, die Union klage nur Sie an. Das stimmt nicht. Wir haben immer ganz offen gesagt — ich glaube, das ist das Entscheidende in der Glaubwürdigkeit vor der jungen Generation —, daß selbstverständlich auch wir, die Union, Fehler in der Bildungspolitik der letzten Jahre gemacht haben. Nur, die Glaubwürdigkeit einer Politik bemißt sich daran, wie man bereit ist, aus Fehlern zu lernen und Kurskorrekturen vorzunehmen, statt bei den alten Positionen zu bleiben, wie Sie dies heute zum Ausdruck gebracht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich möchte ein weiteres Element in der Diskussion hinzufügen. Wir haben heute viele rosige Zahlen gehört. Ich habe vorhin an Hand des Beispiels des Handwerks zum Ausdruck gebracht, daß wir als Union kein schwarz gemaltes Bild vorstellen wollen, sondern daß wir durchaus meinen, daß die Entwicklung der Ausbildungsplatzverhältnisse Anlaß zu einem vorsichtigen Optimismus gibt. Aber wir sollten bei allen Statistiken nicht vergessen, daß hinter den Zahlen nach wie vor eine Fülle von Problemtatbeständen vorhanden sind.
Ich will nur einen Bereich nennen, und zwar den Bereich der Mädchen und jungen Frauen. Wir wissen nach wie vor, daß insbesondere Mädchen in nicht wenigen Fällen eine Ausbildung aufgenommen haben, von der wir nicht sicher sagen können, daß sie zukunftsträchtig ist, wenn wir uns allein einmal die Zahl der Mädchen anschauen, die gegenwärtig eine Ausbildung im Friseurhandwerk erfahren. Wir müssen dazu beitragen — und alles,



Wissmann
was Sie auf diesem Wege an vernünftigen Maßnahmen vorschlagen, wird unsere Unterstützung erfahren —, daß die Berufswahlpalette für Mädchen und junge Frauen erweitert wird, daß Rollenklischees aufgebrochen werden, um auch manchen traditionellen Männerberuf für Mädchen zu öffnen. Wir müssen dafür sorgen, daß jene Modellmaßnahmen, die die Regierung zusammen mit den Ländern praktiziert, nicht nur im technisch-gewerblichen Bereich, sondern stärker als bisher gerade auch im Dienstleistungsbereich Wirkung erzielen. Denn ich meine, die entscheidende Aufgabe besteht darin, Mädchen und jungen Frauen dieselbe Chance zu geben wie jungen Männern. Das ist einer der Problemtatbestände, bei denen nicht Reden nützen, sondern Taten, zu denen Sie unsere Unterstützung finden, wenn Sie in diesem Sinne vorgehen.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Antrag neben den Problemen des Ausbildungsplatzes und der Arbeitsmarktpolitik aber auch ganz gezielt den Bereich der Forschungs- und Technologiepolitik angesprochen, denn wir wissen, daß Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsplatzmangel langfristig nicht isoliert betrachtet werden können. Gerade in einem Land wie dem unseren mit hohen Produktionskosten — wir liegen, was unsere Produktionskosten anlangt, im Weltmaßstab je nach Berechnungsgrundlage an erster oder an dritter Stelle — müssen technische Entwicklung, Innovation und Forschung einen Schwerpunktcharakter bekommen, wenn auch auf lange Sicht die Zukunftschancen für die Jugendlichen gesichert werden sollen.

(Wüster [SPD] : Davon reden wir schon den ganzen Morgen!)

— Herr Kollege Wüster, ich bestreite Ihnen nicht den guten Willen, davon zu reden und vielleicht auch dasselbe zu wollen. Die Frage ist nur, ob eine Forschungs- und Technologiepolitik diesem Anspruch gerecht wird, deren Anteil an der Gesamtfinanzierung der Forschung, soweit es den Bund betrifft, in den letzten Jahren gegenüber dem Länderanteil nicht gestiegen, sondern gesunken ist.

(Wüster [SPD] : Das stimmt nicht!)

— Bitte lesen Sie die Daten des Forschungsministeriums nach; dann werden Sie beispielsweise auch feststellen, daß inzwischen in immer stärkerem Maße kleine und mittlere Betriebe bei der Forschungsförderung kaum eine Chance haben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wie wollen Sie aber Zukunft sichern, wie wollen Sie dazu beitragen, daß wir eine marktwirtschaftliche Ordnung behalten, wenn Sie den größten Teil der Forschungsmittel auf die Großindustrie konzentrieren?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812803300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogelsang?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID0812803400
Gerne. Bitte schön!

Kurt Vogelsang (SPD):
Rede ID: ID0812803500
Darf ich Ihre Forderung nach mehr Forschungsmitteln so verstehen, daß Sie im Gegensatz zu Herrn Klein mehr staatliche Ausgaben fordern?

(Zurufe von der CDU/CSU)


Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID0812803600
Herr Kollege, wir haben in diesem Antrag ganz bewußt gesagt: Unser Schwerpunkt ist nicht die direkte Forschungsförderung, sondern die indirekte Forschungsförderung. Sorgen wir doch beispielsweise außerdem einmal dafür, daß der kleine oder mittlere Betrieb, der im Gegensatz zum großen Betrieb keine eigene Forschungsabteilung hat, durch einen Zuschuß in seiner technischen Entwicklung, in seiner Forschungsarbeit gefördert wird!

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Wüster [SPD] : Die Möglichkeit hat er!)

Dann haben wir jenen Einfluß, der keinen Staatscharakter hat.
Und sorgen wir dafür — auch das möchte ich kritisch betonen —, daß wir auch im Forschungsbereich nicht das Konsumtive statt des Investiven betonen. Dann wenn seriöse Berechnungen sagen, daß sich der Personalkostenaufwand für die Vergabe von Forschungsmitteln so entwickelt hat, daß sich das Personal für die Vergabe der Forschungsmittel in den Jahren seit 1969 um mehr als 200 % erhöht hat, ohne daß es ein entsprechendes Wachstum der Aufwendungen aus dem Bundeshaushalt gegeben hätte, frage ich mich auch, ob wir denn wirklich die Voraussetzungen für Zukunftssicherung durch immer neue Innovation und technische Entwicklung schaffen.
Ich will in diesem Zusammenhang noch eines betonen, und ich glaube, da sollten wir alle uns in die Pflicht nehmen. Wir haben gegenwärtig in vielen Diskussionen die Tendenz zu einer immer fortschrittsfeindlicheren, manchmal an die Maschinenstürmerei erinnernden Entwicklung zu spüren. Wir müssen draußen gerade auch im Gespräch mit jungen Leuten deutlich machen, daß wir unsere Spitzenstellung im internationalen Wettbewerb überhaupt nur dann behaupten können, daß wir Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze überhaupt nur dann sichern können, wenn wir wieder einen neuen Schub in die Innovation, in die technische Entwicklung und in die Forschung hinein geben. Sagen wir doch beispielsweise, daß inzwischen jeder Experte in der Druckindustrie weiß, daß ohne die technologische Entwicklung, ohne die rasante Entwicklung in diesem Bereich heute in weiten Teilen Arbeitsplätze verloren wären.

(Roth [SPD] : Schöne neue Welt!)

— Herr Kollege Roth, wir hätten sonst in dem Land, aus dem wir beide kommen, in Baden-Württemberg, nie die Situation, daß dort inzwischen in der Druckindustrie eine Arbeitslosenquote von nur noch 1,5 % vorhanden ist. Das ist eine Folge der Fähigkeit zu technischer und technologischer Anpassung und Entwicklung. Sagen wir das auch draußen in der Diskussion, statt uns klamm-



Wissmann
heimlich oder offen an der Tendenz zur Maschinenstürmerei zu beteiligen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, zum Schluß möchte ich deutlich machen, daß das Thema „Zukunftschancen der jungen Generation" natürlich nicht nur einen materiellen Aspekt hat, sondern daß wir — alles, was auf diesem Gebiet getan wird, tut der Sache der jungen Generation gut — stärker darauf hinweisen müssen, daß die Zukunftssicherung der jungen Generation' entscheidend davon abhängt, daß wir unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht nur mit materiellen Erfolgszahlen begründen, sondern in der Diskussion sichtbar machen, daß die Wertgrundlage unserer Ordnung — Freiheit und Gerechtigkeit — und ihre offensive Vertretung die Voraussetzung dafür sind, daß es auch im Jahre 2000 freiheitlich gestaltete Zukunftschancen der jungen Generation gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812803700
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/2045 an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend — sowie an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Forschung und Technologie — mitberatend — zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird unterbrochen und um 14 Uhr fortgesetzt.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.57 Uhr. bis 14.00 Uhr)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812803800
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir fahren in der Behandlung des Punktes 1 der Tagesordnung fort:
Fragestunde
— Drucksache 8/2464 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher zur Verfügung. Die Fragen 95, 96, 112, 113 und 114 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Fragen 105 und 106 werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Corterier auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Aktivitäten die südafrikanische Foreign Affairs Association in der Bundesrepublik Deutschland unternommen hat und derzeitig noch unternimmt?
Bitte schön.

Dr. Hildegard Hamm-Brücher (FDP):
Rede ID: ID0812803900
Herr Kollege, die Foreign Affairs Association ist zum Jahresende 1978 aufgelöst worden. Die Bundesregierung geht daher davon aus, daß die Foreign Affairs Association heute in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr tätig ist. Während ihres Bestehens hat sie auch in der Bundesrepublik Deutschland Informationstagungen sowie Informationsreisen für Politiker und Personen des öffentlichen Lebens aus Deutschland nach Südafrika und umgekehrt organisiert.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812804000
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Dr. Corterier auf:
Wie stellt sich die Bundesregierung im Hinblick auf unsere Beziehungen zur Republik Südafrika zu der Tatsache, daß die Foreign Affairs Association sich unter dem Vorwand, sie sei eine unabhängige private Organisation, an Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland gewandt hat, zum Teil mit Einladungen in die Republik Südafrika, während es sich jetzt herausgestellt hat, daß es sich um eine von der südafrikanischen Regierung finanzierte und gesteuerte Organisation handelt, die derartige Kontakte im Sinne der südafrikanischen Regierung genutzt hat, auch wenn dies den Absichten derjenigen Persönlichkeiten widersprochen hat, mit denen sie in Kontakt getreten ist?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, selbstverständlich würde auch die Bundesregierung es begrüßen, wenn bei politisch motivierten Einladungen im internationalen Bereich der wirklich Einladende offen erkennbar in Erscheinung träte. Nachdem in Südafrika bekanntgeworden war, daß die Foreign Affairs Association nicht, wie stets behauptet, eine politisch unabhängige private Organisation war, sondern zum großen Teil südafrikanische Berichte sprechen von 75 % der laufenden Kosten — durch die südafrikanische Regierung finanziert wurde, hat die südafrikanische Regierung diese Organisation aufgelöst. Angesichts dieses Umstandes hält es die Bundesregierung nicht mehr für angebracht, sich eingehender mit der Praxis der Foreign Affairs Association zu befassen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812804100
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0812804200
Frau Staatsminister, hat denn die Bundesregierung gegenüber der südafrikanischen Regierung wenigstens ihr Befremden darüber zum Ausdruck gebracht, daß die südafrikanische Regierung nicht nur einen ungeheuren Propagandaaufwand in der Bundesrepublik betreibt, sondern sich darüber hinaus, mindestens bisher, auch Tarnorganisationen wie der Foreign Affairs Association bedient und damit die deutsche Öffentlichkeit irregeführt hat?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wie ich schon sagte, hat die Bundesregierung, nachdem diese Dinge bekanntgeworden waren und diese Organisation aufgelöst worden ist, keine Veranlassung gesehen, nachträglich hierauf noch einmal zurückzukommen.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812804300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Trifft es zu, daß die polnische Regierung sich weigert, Interventionsnotizen für ausreisewillige Deutsche entgegenzunehmen, wenn ein Familienmitglied als Besucher in der Bundesrepublik Deutschland geblieben ist, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls unter Berufung auf die KSZE-Schlußakte und den internationalen Menschenrechtspakt zu tun?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das Ausreiseprotokoll vom 9. Oktober 1975 hat die Ausreise von solchen Ausreisewilligen aus Polen ermöglicht, deren Angehörige als Besucher in der Bundesrepublik Deutschland geblieben und nicht mehr nach Polen zurückgekehrt sind, soweit die Familientrennung bereits bei Abschluß des Protokolls eingetreten war. Der Verzicht auf die im Ausreiseprotokoll geschaffene legale Ausreisemöglichkeit schließt nach polnischer Auffassung den Nachzug von Familienangehörigen im Rahmen der Familienzusammenführung aus. In den Fällen, in denen nach Abschluß des Ausreiseprotokolls ein Familienmitglied als Besucher in der Bundesrepublik Deutschland geblieben ist, hat die polnische Regierung daher Interventionsnotizen unserer Botschaft nicht entgegengenommen. Unsere Botschaft kann darum zunächst von diesen besonderen neuen Fällen nur Kenntnis nehmen und die Ausreisewilligen nur immer wieder ermutigen, die eigenen Bemühungen beharrlich fortzusetzen und auch nach Ablehnung immer wieder neue Ausreiseanträge zu stellen. Wie Sie wissen, hat das ja auch in etwa 10% dieser Fälle zum Erfolg geführt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812804400
Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0812804500
Frau Staatsminister, wie beurteilen Sie das Verhalten der polnischen Regierung, die bekanntlich bei den deutsch-polnischen Vereinbarungen die Besucher einbezogen hat, die bis zum 9. Oktober 1975 hiergeblieben sind und nun ihre Angehörigen nachkommen lassen können, sich aber nunmehr anders verhält und eine Intervention nicht mehr zuläßt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat bei allen deutsch-polnischen Konsultationen und Gesprächen immer wieder diese Problematik erörtert, zuletzt Bundesaußenminister Genscher 1978 bei seinem Besuch in Polen. Wir werden das auch in Zukunft so halten und uns nachträglich für eine Lösung dieser besonderen humanitären Fälle einsetzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812804600
Weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0812804700
Frau Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß die Zahl der Betroffenen sehr hoch ist, wenn allein im vorigen Jahr nahezu 20 °/o der in Friedland Registrierten aus den ostdeutschen Gebieten als Besucher hiergeblieben sind?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Dr. Hupka, es waren 16,4 % der insgesamt aus Polen eingereisten Aussiedler, die eben auf diese Weise in die Bundesrepublik eingereist sind. Wir sind uns darüber klar, daß es sich hier um eine steigende Zahl handelt. Wie ich Ihnen vorher schon gesagt habe, bemüht sich die Bundesregierung bei jeder Gelegenheit darum, auch in diesen Fällen eine Familienzusammenführung zu erreichen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812804800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0812804900
Frau Staatsminister, beabsichtigt die Bundesregierung nicht, irgendwelche im internationalen Deliktsrecht zulässigen gewaltlosen Schritte, z. B. angesichts der hohen Kredit- und Wirtschaftsforderungen, der ständigen Forderungen der Volksrepublik Polen, angesichts der schweren Verletzung des politischen Menschenrechtspakts und der „Information" von 1970, auf der das Ausreiseprotokoll gründet, zu unternehmen, nachdem rund 6 000 Familien allein im Jahre 1978 — also fast jeder sechste Aussiedler, wie Sie eben ausführten — mit 25 000 Menschen davon betroffen sind, die fünf Jahre lang ihre Familienangehörigen nicht nachziehen können?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, zunächst geht es um eine ordnungsgemäße Abwicklung der Vereinbarungen nach dem Ausreiseprotokoll. Sie wissen ja, daß hier die Zahlenentwicklung. günstig ist. Die Bundesregierung bemüht sich auch in den anders gelagerten Fällen um eine Familienzusammenführung. Sie nimmt selbstverständlich auch alle Möglichkeiten wahr, auf Vereinbarungen hinzuweisen. Wir sehen aber keine Möglichkeit, die polnische Regierung zu zwingen, hier anders zu verfahren, als in den Vereinbarungen eindeutig festgelegt worden ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812805000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0812805100
Frau Staatsminister, wird die Bundesregierung, nachdem die polnische Praxis, die der Gegenstand Ihrer Erläuterungen war, im Widerspruch zu den Verpflichtungen steht, die alle Teilnehmerstaaten in der Schlußakte von Helsinki unter I b im dritten Korb eingegangen sind, diese Fälle in der Vorbereitung der Folgekonferenz von Madrid zur Sprache bringen und darauf drängen, daß man sich an die Bestimmungen hält?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, selbstverständlich wird die Bundesregierung bei der Vorbereitung der zweiten Nachfolgekonferenz zu Helsinki alle Entwicklungen prüfen und alle Fälle in diesem Zeitraum, seien sie positiver oder auch nicht positiver Art, entsprechend sammeln, sichten und zu geeigneter Zeit auch in die Verhandlungen einbringen.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812805200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
In welcher Weise können die von der rumänischen Regierung eingehaltenen langen Fristen von vielen Jahren bei der Gewährung einer Heiratserlaubnis durch Verhandlungen mit dem Hinweis auf die menschenrechtlichen Verpflichtungen, die auch die rumänische Regierung übernommen hat, auf ein für die Betroffenen erträgliches Maß reduziert werden?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die rumänische Regierung macht die Eheschließung eines rumänischen Staatsangehörigen mit einem Ausländer von einer vorherigen staatlichen Genehmigung abhängig. Eine geplante Ausreise ist in der Regel wenige Monate nach der Trauung möglich.
Die Entscheidung über die Genehmigung zur Eheschließung mit einem Ausländer ist eine innerstaatliche Angelegenheit Rumäniens.
Soweit die Interessen deutscher Verlobter betroffen sind, setzt sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten gleichwohl nachdrücklich dafür ein, die Erteilung von Heiratsgenehmigungen durch die rumänischen Behörden zu beschleunigen. Rumänien hat in der Gemeinsamen Erklärung vom 7. Januar 1978 zum Abschluß des offiziellen Besuchs des Bundenskanzlers in Rumänien zugestimmt, humanitäre Fragen im Bereich der Eheschließung zwischen Bürgern beider Staaten auf der Grundlage der in bilateralen und internationalen Dokumenten bekräftigten Absichten weiterhin wohlwollend zu behandeln.
Die Bemühungen der Bundesregierung haben dazu geführt, daß Rumänien, wenn auch leider zum Teil mit recht langen Wartezeiten, regelmäßig Heiratsgenehmigungen erteilt. Die Bundesregierung wird weiterhin darauf hinwirken, daß die Wartefristen für die Verlobten verkürzt werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812805300
Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0812805400
Frau Staatsminister, halten Sie es für eine Erfüllung dieser Zusage in dem Protokoll, daß die menschenrechtlichen Fragen „weiterhin wohlwollend" behandelt werden, wenn die Verlobten weiterhin drei und mehr Jahre warten müssen, bis sie die Erlaubnis zur Heirat erhalten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Wie ich vorhin sagte, Herr Kollege, ist die Erlaubnis zur Heirat eine rein innerstaatliche Angelegenheit, auf die wir, wie Sie wissen, keinen Einfluß haben. Wir bemühen uns in all diesen Fällen, immer wieder zu intervenieren. Eine große Zahl von Dankesschreiben, die ich immer wieder erhalte, weist ja auch darauf hin, daß in der Regel am Ende doch ein günstiges Ergebnis erzielt werden konnte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812805500
Weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0812805600
Frau Staatsminister, kann die Bundesregierung die rumänische Regierung nicht
an ihre Unterschrift unter die KSZE-Schlußakte mit besonderem Hinweis auf Korb III erinnern sowie an die rumänische Unterschrift unter den internationalen Menschenrechtspakt für bürgerliche und politische Rechte, damit hier endlich eine Beschleunigung eintritt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, sie tut das natürlich auch. Im übrigen haben wir schon oft darüber gesprochen, daß man eben immer von Fall zu Fall die Maßnahme ergreifen und die Reaktion zeigen sollte, die im Interesse der Betroffenen die erfolgversprechendste zu sein scheint.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812805700
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Gerster.

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0812805800
Frau Staatsminister, wären Sie so freundlich, noch einmal zu erklären, wieso die Heirat eines deutschen Staatsbürgers mit einem rumänischen Staatsbürger eine rein inner-rumänische Angelegenheit ist, dies vor allen Dingen vor dem Hintergrund, daß in derartigen Fällen die Heirat gerade die Voraussetzung für eine mögliche Ausreise ist?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das ist ganz einfach. Weil für eine Heirat eines rumänischen Staatsangehörigen mit einem Ausländer die Genehmigung des rumänischen Staatsrates erforderlich ist, ist das eine innerstaatliche Angelegenheit. Das ist allgemein Rechtens.

(Zuruf des Abg. Dr. Hupka [CDU/CSU])


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812805900
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0812806000
Frau Staatsminister, ich frage in Anknüpfung an die Frage des Kollegen Gerster: Ist der Bundesregierung nicht bekannt, daß der Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dem, soweit ich weiß, auch Rumänien beigetreten ist, das Menschenrecht auf Eheschließung und Gründung einer Familie konstituiert, so daß die Bundesregierung nach diesem Vertrag völkerrechtlich das Recht hat, von der rumänischen Regierung zu verlangen, dieses Menschenrecht den ihrer Gewalt unterworfenen Bürgern auch tatsächlich zu gewähren?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, ich habe jetzt wiederholt gesagt, daß dies auch geschieht, daß die Hinweise erfolgen und daß die Bundesregierung über die immer wiederholten Interventionen hinaus — auch unter Hinweis auf die bestehenden Pakte — keine andere Möglichkeit sieht. Ich möchte noch einmal unterstreichen, daß in sehr vielen Fällen am Ende auch die Heiratserlaubnis erteilt und damit die Ausreise genehmigt worden ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812806100
Weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Czaja.




Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0812806200
Frau Staatsminister, würden Sie bei diesen weiteren Bemühungen auch von Ihrem Amt prüfen lassen, ob es sich nicht nur um eine innerstaatliche Frage handelt, sondern auf Grund von Art. 23 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte um eine Rechtsverpflichtung der Volksrepublik Rumänien, die auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland besteht und die, wie Sie selbst bestätigt haben, auf Grund des internationalen Vertragsrechts von der Bundesrepublik Deutschland eingefordert werden kann, nachdem Rumänien die Verpflichtung übernahm, daß Recht von Mann und Frau im heiratsfähigen Alter, eine Ehe einzugehen, anzuerkennen, wobei die Ehegatten, auch wenn ein Ehegatte die deutsche Staatsangehörigkeit hat, gleiche Rechte und Pflichten bezüglich der Eheschließung sowie Anspruch auf den besonderen Schutz der Gesellschaft besitzen? Würden Sie das nicht auch auf Grund des politischen Menschenrechtspakts und des Völkervertragsrechts von der rumänischen Regierung einfordern lassen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, Sie fragten mich, ob die Bundesregierung bereit ist, zu prüfen, ob es nicht eine innerstaatliche Angelegenheit ist. Ich kann Ihnen versichern, daß die Bundesregierung dies sehr gründlich und immer von neuem prüfen wird.

(Dr. Czaja [CDU/CSU]: Danke schön!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812806300
Eine weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Berger (Lahnstein).

Markus Berger (CDU):
Rede ID: ID0812806400
Frau Staatsminister, können Sie Angaben darüber machen, wie lange es dauert, bis die rumänischen Behörden eine solche Heiratserlaubnis erteilen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das ist sehr, sehr unterschiedlich. Es gibt Fälle, die kürzere Zeit beanspruchen. Es gibt aber auch Fälle, die längere Zeit beanspruchen. Wir haben in extremen Fällen von drei bis vier Jahren Wartezeit schon immer wieder interveniert.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812806500
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 111 der Frau Abgeordneten Simonis auf:
Trifft es zu, daß sich Angehörige des deutschen Generalkonsulats erst nach teilweise fünf Tagen um die durch das Schneechaos steckengebliebenen deutschen Urlauber gekümmert haben, die in einer dänischen Schule vom dänischen Roten Kreuz versorgt wurden (Berichte des NDR vom 3. Januar 1979 bzw. Berichte dänischer Zeitungen), und wie kann die Bundesregierung bejahendenfalls sicherstellen, daß in ähnlichen Fällen Konsulate und Botschaften auch an Feiertagen als Anlaufstelle zur Verfügung stehen?

( am 2. Januar, 8 Uhr. Daraufhin ergriff das Konsulat unverzüglich die zùr Betreuung der Urlauber erforderlichen Maßnahmen Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Erreichbarkeit der Auslandsvertretungen ist auch an dienstfreien Tagen sichergestellt. Beim Konsulat Apenrade besteht am Wochenende und an Feiertagen Rufbereitschaft. Über einen Anrufbeantworter können Nummern des Bereitschaftsdienstes abgerufen werden. Den dänischen Stellen waren darüber hinaus auch die privaten Nummern von Angehörigen des Konsulats Apenrade bekannt. Zusatzfrage. Frau Staatsminister, ist sichergestellt, daß die dänische Regierung davon unterrichtet wird, daß es am dänischen Roten Kreuz gelegen hat? Denn die Berichterstattung im Zusammenhang mit dieser Schneekatastrophe war ja wohl nicht gerade besonders erfreulich und auch nicht besonders freundlich. Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Kollegin, ich stimme hinsichtlich der Berichterstattung mit Ihnen völlig überein. Ich versichere Ihnen gern, daß wir über unsere Botschaft entsprechende Klarstellungen vornehmen werden, wo hier das Zeitversäumnis eingetreten ist. Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 116 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf: Kann die Bundesregierung gegenüber der „Geisterseherthese vom ,gesamtdeutschen Staat' die von den Verbalnoten der Bundesregierung durch die Hintertür einer Banalität ins Spiel gebracht werden sollte" Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege! Ich beantworte Ihre Frage mit Ja. Zusatzfrage. Bitte schön. Ich kann also davon ausgehen, daß die Bundesregierung der Volksrepublik Polen während der Verhandlungen Umfang, Inhalt und Schranken ihres eindeutigen Vertragswillens anhand von Sinn und Wortlaut des Vertragswerks, des Grundgesetzes und bestehender völkerrechtlicher Verpflichtungen eindeutig sichtbar gemacht hat, der dahin ging, daß die Bundesrepublik Deutschland über Teile Deutschlands nicht verfügen wollte, durfte und konnte und ein Friedensvertrag aussteht? Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wie Sie natürlich genauestens aus vielen Fragestunden und Diskussionen wissen, hat die Bundesregierung in den Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen vom 6. Dezember 1970 erläutert, daß sie nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland handeln kann, daß ein Friedensvertrag durch diesen Vertrag weder vorweggenommen noch ersetzt wird und daß ein wiedervereinigtes Deutschland durch den Vertrag nicht gebunden werden kann. Dieser Sachlage wird durch Artikel IV des Vertrages und dem von Ihnen angesprochenen Notenwechsel Rechnung getragen. Art. IV des Warschauer Vertrages verweist auf die Fortgeltung früher geschlossener Verträge und damit auf den Friedensvertragsvorbehalt der Art. 2 und 7 des Deutschland-Vertrages vom 26. Mai 1952. Der Notenwechsel der Bundesregierung mit den drei Westmächten vom 19. November 1970 wurde dem polnischen Außenministerium am 20. November 1970 notifiziert. Form und Inhalt der Noten an die Drei Mächte waren in den Vertragsverhandlungen mit der polnischen Seite erörtert worden. Die polnische Regierung hat den Vertrag in Kenntnis der rechtlichen Vorbehalte geschlossen, die die deutsche Seite in den Vertragsverhandlungen im Hinblick auf die Grenzfrage aufrechterhalten hatte. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch Art. I des Warschauer Vertrages in der Grenzfrage unbefristet durch die Feststellung gebunden, daß die OderNeiße-Grenze die westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen bildet. Zusatzfrage. Ich darf also aus Ihren Ausführungen die Bestätigung entnehmen, daß der Wille, keine Gebietsverfügungen zu Lasten Deutschlands zu treffen, auch völkerrechtlich in Art. IV des Warschauer Vertrages mit polnischer Zustimmung seinen Niederschlag gefunden hat wonach der Deutschlandvertrag mit seinem Verbot von Grenzverfügungen vor einem Friedensvertrag unberührt bleibt —, sowie durch den Notenwechsel mit den Siegermächten über den Rechtsvorbehalt für ganz Deutschland, über den Polen rechtzeitig vor der Ratifikation unterrichtet worden ist? Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe vorhin die Rechtslage dargestellt. Ich habe dieser Darstellung nun wirklich nichts mehr hinzuzufügen. (Zustimmung bei der SPD Dr. Czaja [CDU/CSU] : Ich danke Ihnen für die Bestätigung!)

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812806600
Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0812806700

(Frau Simonis [SPD]: Danke!)

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812806800
Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812806900
Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0812807000




(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812807100
Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0812807200

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812807300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 117 — Abgeordneter Gerster (Mainz) — auf:
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um eine wirksame und dauerhafte internationale Hilfsaktion für die Flüchtlinge aus Vietnam zustande zu bringen?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Die Frage der Indochina-Flüchtlinge wurde sowohl während der Besuche der Außenminister der ASEAN-Staaten im November 1978 in Bonn als auch während des Brüsseler EG-ASEAN-Ministertreffens am 20. und 21. November erörtert. Die Bundesregierung war darüber hinaus bei den Konsultationen vertreten, die auf Einladung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und unter Beteiligung der wichtigsten westlichen Staaten und der Staaten der südostasiatischen Region einschließlich Vietnam am 11. und 12. Dezember 1978 in Genf über dieses Problem stattgefunden haben.
Bei dieser Gelegenheit hat die Bundesregierung ihre Absicht bekräftigt, die Sonderprogramme des Hohen Flüchtlingskommissars — UNHCR — für Indochina-Flüchtlinge 1979 finanziell verstärkt zu unterstützen. Gleichzeitig hat sie ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, konkrete Projekte zur langfristigen Lösung des Problems, die vom Hohen Flüchtlingskommissar gemeinsam mit Ländern der Dritten Welt ausgearbeitet würden, nach Kräften auch mit Mitteln der Entwicklungshilfe zu fördern.
Bisher ist eine Bereitschaft zur Aufnahme einer größeren Zahl von Indochina-Flüchtlingen in Ländern der Dritten Welt leider noch nicht erkennbar. Die ASEAN-Staaten selbst sind zur endgültigen Aufnahme der Flüchtlinge nicht bereit. Die Bundesregierung wird den Hohen Flüchtlingskommissar im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten auch weiterhin bei der Suche nach einer Lösung für das Problem der Indochina-Flüchtlinge unterstützen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812807400
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0812807500
Frau Staatsminister, kann ich Ihrem Hinweis auf Initiativen im November 1978 und Anfang Dezember 1978 entnehmen, daß die Verschärfung der Situation der Flüchtlinge aus Indochina ab der zweiten Hälfte des Dezember nicht dazu geführt hat, in anderer Weise nun zu einem Sofortprogramm zu kommen und neue Initiativen auf Grund dieser Nachrichten einzuleiten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe den Sachverhalt dargestellt. Wir sind sozusagen jederzeit bereit, neue Initiativen zu unterstützen und mit aufzugreifen. Sie wissen, daß unsere Bundesländer zur Lösung dieses schweren Problems sehr opferbereit sind und daß in allen Bundesländern Vietnam-Flüchtlinge aufgenommen werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812807600
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0812807700
Wäre die Bundesregierung vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte — als in einer sehr schwierigen Situation



Gerster (Mainz)

anderen westlichen Ländern besonders geholfen wurde — nicht bereit, hier eine Vorreiterrolle zu spielen und etwa zu einem internationalen Hilfsfonds dadurch aufzurufen, daß sie zunächst einmal Vorleistungen erbringt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ob sie bereit ist, aufzurufen, kann ich Ihnen im Augenblick nicht verbindlich sagen. Aber daß sie einem solchen Aufruf Folge leisten würde, das hat sie wiederholt bestätigt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812807800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0812807900
Frau Staatsminister, geht aus Ihren Unterlagen hervor, wie viele Flüchtlinge aus Vietnam und den Indochina-Staaten sich jetzt in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wie viele sich im Augenblick in der Bundesrepublik aufhalten, kann ich Ihnen nicht sägen. Zu den schon früher zur Verfügung gestellten rund 1 600 Plätzen wurden weitere rund 2 700 Plätze zur Verfügung gestellt. Diese Zurverfügungsstellung durch die Bundesländer ist im Hinblick auf die Bootsflüchtlinge und ihr Elend sozusagen spontan erfolgt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812808000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0812808100
Frau Staatsminister, wie erklären Sie, daß nach den gestrigen Auskünften des Bundesinnenministeriums von den Plätzen, die Sie genannt haben, nicht ganz 3 000 durch Eingereiste wirklich in Anspruch genommen werden konnten? Woran liegt das? Haben Sie das einmal überprüfen lassen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, ich bin fast der Meinung, daß diese Frage sehr weit von der ursprünglichen Frage, die sich auf den internationalen Teil unserer Initiativen bezog, abweicht. Aber es ist doch wohl klar, daß die Auswahl, die Beförderung, die Vorbereitung der Einreisen dieser Flüchtlinge oft längere Zeit in Anspruch nehmen, als man sich das ursprünglich vorgestellt hat. Aber ich bin ganz sicher, daß die von den Ländern zur Verfügung gestellten Plätze auch in Anspruch genommen werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812808200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0812808300
Frau Staatsminister, da gestern in der Fragestunde vom Vertreter des Innenministeriums gesagt worden war, daß in diesen Fällen und in Zukunft auch in anderen Fällen, in denen es um das Leben von Flüchtlingen geht, die Einreise möglichst rasch und unbürokratisch gestaltet werden soll, möchte ich Sie, nachdem Sie diese einleitenden Bemerkungen gemacht haben, doch bitten, der vom
Kollegen Czaja aufgeworfenen Frage einmal nachzugehen und uns gegebenenfalls schriftlich zu informieren. Das ist eine sehr wichtige Frage; denn es geht doch um eine beträchtliche Größenordnung.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich bin dazu sehr gerne bereit, Herr Kollege. Ich glaube aber, daß in diesen Fällen die bürokratischen Verzögerungen eher bei dem Land liegen, von dem aus die Flüchtlinge in die Bundesrepublik einfliegen können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812808400
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Gobrecht auf:
Welchen Stand haben die mehrfach in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Planungen der Bundesregierung, die auf Grund der Preisexplosion bei Erdöl und Erdgas nach der Erdölkrise angefallenen hohen Zusatzgewinne — der sogenannten Windfall-profits — aus inländischer Erdöl- und Erdgasförderung durch die Einführung einer Verbrauchsteuer teilweise abzuschöpfen?
Bitte schön.

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0812808500
Herr Kollege, die Bundesregierung hat im Deutschen Bundestag zuletzt am 6. Dezember 1978 über den aktuellen Stand des Themas Windfall-profits unterrichtet. Ich darf insoweit auf das Protokoll der Sitzung des Bundestages vom 6. Dezember 1978 verweisen.
Dort wurde für die Bundesregierung ausgeführt, daß es nahe liege, eine stärkere Belastung der Inlandsförderung über eine weitere Anhebung des Förderzins durch Verhandlungen zwischen Förderländern und Produzenten anzustreben. Neue Entwicklungstendenzen haben sich seither nicht ergeben.
Das von den Ländern und der Förderindustrie in Auftrag gegebene Gutachten über einen internationalen Belastungsvergleich der Förderung durch fiskalische Abgaben liegt vor. Seine Auswertung ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung erwartet, daß Niedersachsen nach Auswertung des Gutachtens die Verhandlungen mit den Unternehmen fortsetzt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812808600
Zusatzfrage, bitte schön.

Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0812808700
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung die begonnene Planung einer Besteuerung der Windfall-profits, und zwar neben den Förderzinsen, nicht zügig weiterverfolgt, obwohl dies doch zuletzt vom damaligen Finanzminister Apel vor einem Jahr öffentlich bekanntgegeben worden ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Unsere Überlegungen haben nach Gesprächen mit den Ländern zu dem Ergebnis geführt, daß wir auf dem Wege über unmittelbare Verhandlungen zwischen den Förder-



Parl. Staatssekretär Grüner
ländern und den Unternehmen das wirtschaftliche Ergebnis, das wir nach wie vor anstreben, leichter erreichen — und das ohne rechtliche Konflikte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812808800
Weitere Zusatzfrage.

Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0812808900
Herr Staatssekretär, wann kann das erwähnte Gutachten — es handelt sich da wohl um ein Gutachten über einen internationalen Vergleich der Belastung der Rohölförderung durch fiskalische Abgaben — den interessierten Mitgliedern des Hauses zugänglich gemacht werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann dazu leider keine verbindliche Aussage machen, weil die Auftraggeber über den Inhalt des Gutachtens zu verfügen haben und die Bundesregierung nicht zu den Auftraggebern gehört. Aber ich nehme an, daß eine entsprechende Bitte von Abgeordneten des Deutschen Bundestages an die Auftraggeber dazu führen wird, daß diese Unterlagen zur Verfügung stehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812809000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.

Erich Wolfram (SPD):
Rede ID: ID0812809100
Herr Staatssekretär, ist zu erwarten, daß durch die Berufung des Herrn Wellbergen zum wirtschafts- und energiepolitischen Berater der niedersächsischen Landesregierung das ungelöste Problem der Windfall-profits vielleicht bald einer positiven Lösung zugeführt wird?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich bin sicher, daß dieser Sachverstand zur Lösung der Probleme beitragen wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812809200
Bitte schön, Herr Abgeordneter Steger.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0812809300
Herr Staatssekretär, wenn Sie noch einmal den Sachstand bestätigen, den Sie schon im Protokoll der Bundestagssitzung vom 6. Dezember bestätigt haben, wie vereinbart es sich dann, daß das Bundesministerium für Wirtschaft erneut Darlehen und Zuschüsse für die Sicherung und Verbesserung der inländischen Erdölversorgung der Bundesrepublik Deutschland gewährt? Können Sie Auskunft darüber geben, wie hoch diese sind und inwieweit davon Unternehmen betroffen sind, die auch Windfall-profits einstreichen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen diese Zahlen über unsere Förderzuschüsse, die auch im Haushaltsausschuß zur Diskussion stehen, jetzt nicht aus dem Kopf nennen. Ich leite sie Ihnen gern zu. Sie stehen aber nicht im Zusammenhang mit der hier diskutierten Frage der Windfall-profits. Bei den Förderzuschüssen geht es ja um die Erschließung neuer Energievorkommen, an denen wir interessiert sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812809400
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Gobrecht auf:
Wie hoch beziffert die Bundesregierung die jährlichen Wettbewerbsvorteile im Zusammenhang mit den Windfall-profits der Unternehmen mit inländischer Erdöl- und Erdgasförderung gegenüber den inländischen Unternehmen, denen keine inländischen Quellen zur Verfügung stehen, und welche Folgerungen beabsichtigt die Bundesregierung aus diesen Wettbewerbsvorteilen zu ziehen, wenn sie keine Verbrauchsbesteuerung der Windfall-profits vornehmen will?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Jeder Versuch, verläßliche Aussagen über die Höhe der finanziellen Vorteile aus der inländischen 01- und Gasförderung zu machen, ist angesichts der für eine solche Schätzung zu treffenden Prämissen außerordentlich problematisch. Eine im Bundesministerium für Wirtschaft 1977 erstellte Modellrechnung ergab, daß die Vorteile in den Jahren 1977 bis 1980 nach Abzug des Förderzinses bei jährlich 1,3 Milliarden DM vor Steuern liegen könnten, sofern man eine jährliche OPEC-Rohölpreissteigerung von 5 % unterstellt. Wir halten auch aus gegenwärtiger Sicht diese Größenordnung für realistisch. Zwar sind die Erlöse aus der inländischen Ölförderung wegen des eingetretenen Dollarkursverfalls zurückgegangen, dieser Effekt wird jedoch auf Grund höherer Produktion und hierdurch gestiegener Sondererträge bei Gas kompensiert.
Die Bundesregierung beabsichtigt, den Ausgang der Förderzinsverhandlungen in Niedersachsen ab- zuwarten. Sie erwägt gegenwärtig keine weitergehenden eigenen Vorschläge für eine höhere Belastung der Inlandsförderung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812809500
Eine Zusatzfrage, bitte.

Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0812809600
Herr Staatssekretär, können Sie im Anschluß an das, was Sie eben gesagt haben, Zahlenangaben darüber machen, wie hoch der Betrag ist, der jährlich dem Staat und damit den Bürgern als Einnahme dadurch entgeht, daß es keine Besteuerung der Windfall-profits gibt und die Förderzinsen seit längerem nicht erhöht worden sind?.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dazu kann ich keine Angaben machen. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Windfall-profits nicht unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung erfaßt werden sollen, um dem Staat etwa zusätzliche Einnahmen zu verschaffen, sondern vorrangig mit der Absicht, etwaige Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812809700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.

Erich Wolfram (SPD):
Rede ID: ID0812809800
Herr Staatssekretär, teilen Sie im Prinzip meine Auffassung, daß die Differentialgewinne aus inländischer 01- und Erdgasförderung abgeschöpft und für andere energiepolitische Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden sollten? Wie ist die derzeitige Haltung der niedersächsischen Landesregierung hierzu?



Grüner, Parl. Staatssekretär: In dieser grundsätzlichen Frage gibt es keine Meinungsverschiedenheiten mit der niedersächsischen Landesregierung. Wir halten an unserem Standpunkt fest, daß das geschehen sollte. Ich habe allerdings darauf hingewiesen, daß das nach unserer Meinung auch aus rechtlichen Gründen zweckmäßigerweise in Verhandlungen zwischen den sogenannten Förderländern und den dort ansässigen Unternehmen geschieht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812809900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Steger.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0812810000
Herr Staatssekretär, woran liegt es denn, daß noch nicht immer eindeutige Zahlen iiber die tatsächliche Höhe der Windfall-profits vorliegen, insbesondere in dem von Ihnen zitierten Gutachten? Könnte einer der Gründe dafür sein, daß das Gutachten von einer Firma erstellt worden ist, die ansonsten auch als Wirtschaftsberatungsfirma für ein Unternehmen tätig ist, das von den Windfall-profits positiv betroffen ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das kann ich mir nicht vorstellen, weil, wie Sie wissen, die niedersächsische Landesregierung ein sehr nachdrückliches Interesse an der Erfasssung des Windfall-profits geäußert und sehr tatkräftige Bemühungen in dieser Richtung unternommen hat. Ich bin der Meinung, daß dieses Gutachten zusätzliche Aufschlüsse geben wird. Es sind in diesem Gutachten unterschiedliche Prämissen zugrunde gelegt worden, und vermutlich werden die Beteiligten, nämlich die Länder auf der einen Seite und die fördernden Unternehmen auf der anderen Seite, aus diesem Gutachten unterschiedliche Schlüsse für ihre Positionen ziehen. Mit Sicherheit wird das Gutachten aber dazu beitragen, die Verhandlungen zu fördern und erneut in Gang zu bringen. Ohne eine einigermaßen objektive Unterlage darüber, was an Windfall-profits tatsächlich anfällt, und ohne Einbeziehung des Tatbestandes, daß sich diese Windfall-profits in ihrer Höhe ständig ändern können — darauf habe ich hingewiesen , läßt sich ein vernünftiges Verhandlungsergebnis wohl kaum erwarten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812810100
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 35 der Abgeordneten Frau Simonis auf:
Trifft es zu, daß die Kraftwerkunion über Hermes-Bürgschaften hinaus aus ERP-Mitteln 1,8 Milliarden DM als Zuschüsse für Exporte nach Brasilien erhalten hat, und welche Auflagen zur Einhaltung von Non-Proliferationsgarantien wurden bejahendenfalls an diese Kredite gestellt bzw. welche sonstigen Zuschüsse und Hilfen wurden der Kraftwerkunion darüber hinaus gewährt?
Grüner, Pari. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Firma KWU hat für Exporte von Kernkraftwerken nach Brasilien weder Zuschüsse noch sonstige Mittel aus dem ERP-Sondervermögen erhalten. Zur Teilfinanzierung eines Hermes-gedeckten Ausfuhrgeschäfts über zwei Kernkraftwerke ist allerdings dem ausländischen Besteller ein Kredit von insgesamt
1,85 Milliarden DM zugesagt worden, der sich wie folgt zusammensetzt. Erstens. 650 Millionen DM kommen aus dem ERP/Kreditanstalt für Wiederaufbau-Exportfonds; davon — das bezieht sich auf den Kern Ihrer Frage — sind 217 Millionen DM ERP-Mittel und 433 Millionen DM Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Zweitens kommen 1,2 Milliarden DM Marktmittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau dazu. Diesen Bestellern steht somit aus ERP-Mitteln ein Kredit in Höhe von insgesamt 217 Millionen DM zur Verfügung. Auflagen wegen Non-Profilerationsgarantien enthalten die Darlehensverträge nicht. Es ist nicht üblich, in den Verträgen Auflagen zu machen, die über solche der Hermes-Deckungsurkunde hinausgehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812810200
Eine Zusatzfrage.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0812810300
Herr Staatssekretär, halten Sie die Summen, die Sie soeben genannt haben, noch für vereinbar mit dem im ERP-Programm genannten Ziel, der Mittelstandsförderung zu dienen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, diese ERP-Mittel sind unter Würdigung der außerordentlichen wirtschaftlichen Bedeutung dieses Geschäfts unter Beachtung der damals geltenden Regeln für das ERP-Vermögen vergeben worden. Ich habe darauf hingewiesen, daß ich den ERP-Anteil am gesamten Kreditvolumen — dabei beziehe ich das über die Dresdner Bank finanzierte Kreditvolumen von weiteren 1,8 Milliarden DM mit ein — von 217 Millionen DM für gerechtfertigt halte, und zwar selbstverständlich vor dem Hintergrund der außerordentlichen wirtschaftlichen Bedeutung, die die Bundesregierung diesem Geschäft beigemessen hat und nach wie vor beimißt.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0812810400
Herr Staatssekretär, darf ich--

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812810500
Einen Moment, Frau Kollegin Simonis. Ich bitte, mir nur ein Zeichen zu geben; dann werden Sie sofort mit einer Zusatzfrage bedacht. Bitte schön!

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0812810600
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer letzten Antwort schließen, daß Sie nicht grundsätzlich der Meinung sind, daß solche Kredite gerechtfertigt sind, sondern daß das nur in diesem speziellen Fall Brasilien so ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein. Diese Mittel werden nur unter besonderen Voraussetzungen gegeben. Voraussetzung für die Vergabe dieser Exportförderungsmittel des ERP-Vermögens ist der Tatbestand, daß das Land, das sie in Anspruch nimmt, ein Entwicklungsland ist. Selbstverständlich sind bei der Vergabe solcher Exportförderungskredite aus dem ERP-Vermögen auch andere wirtschaftliche Überlegungen des Geberlandes mit zu berücksichtigen. Ohne die hohe Förderungswürdigkeit dieses Projektes wären die ERP-Mittel in die-



Parl. Staatssekretär Grüner
sem Fall sicherlich nicht gegeben worden, auch wenn es sich um einen relativ geringen Betrag handelt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812810700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Trifft es zu, daß — laut Bericht der „Frankfurter Rundschau" vom 21. Dezember 1978 — die Fritz-Werner-IndustrieausrüstungsGmbH in Geisenheim, eine 100prozentige Tochter der bundeseigenen DIAG (Deutsche Industrieanlagen AG), am 21. November 15 216 Handschellen und 300 Schlagstöcke mit Elektroschockwirkung an den Iran geliefert hat, und wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls dieses Handelsgeschäft angesichts der derzeitigen innenpolitischen Situation im Iran?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Richtigkeit der Meldung der „Frankfurter Rundschau" vom 21. Dezember 1978 über die Lieferung von 15 216 Handschellen und 300 Schlagstöcken durch die Firma Fritz-Werner-IndustrieausrüstungsGmbH in den Iran ist dem Wirtschaftsministerium auf telefonische Rückfrage vom 15. Januar 1979 hin von der Geschäftsleitung des Unternehmens bestätigt worden. Es handelt sich hierbei um ein privates, durch die Vorschriften über das Geschäftsgeheimnis geschütztes Handelsgeschäft, das nach dem deutschen Außenwirtschaftsrecht keiner Ausfuhrgenehmigung bedarf und der Bundesregierung erst durch die Meldung der „Frankfurter Rundschau" bekanntgeworden ist.
Trotz des für die Politik der Bundesregierung verbindlichen Grundsatzes der Freiheit des Außenhandels hätte die Bundesregierung im Hinblick auf die derzeitige innenpolitische Situation im Iran Zurückhaltung bei derartigen Ausfuhren begrüßt. Nach dem deutschen Außenwirtschaftsrecht verfügt die Bundesregierung jedoch über keine rechtliche Möglichkeit, um derartige, grundsätzlich freie Ausfuhren im Einzelfall aus außenpolitischen Gründen zu verhindern.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812810800
Eine Zusatzfrage, bitte.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0812810900
Herr Staatssekretär, wie erklärt die Bundesregierung, daß das Unternehmen, das diese Handschellenlieferung nach Persien im November 1978 vorgenommen hat, ausweislich des Handbuches des Bundesfinanzministeriums „Beteiligungen des Bundes" als Gegenstand des Unternehmens die Herstellung von Sondermaschinen und Druckmaschinen, Errichtung von Industrieanlagen angibt, und wie verträgt sich das mit dem Vertrieb oder gar der Produktion von Tausenden von Handschellen und von Schlagstöcken?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen keine Auskunft darüber geben, inwieweit diese Produktion mit Industrieanlagen in Verbindung zu bringen ist. Aber es ist ja allgemein bekannt, daß die DIAG ein ganz maßgebliches Unternehmen im Bereich des Anlagenbaus für Rüstungsfabriken ist. In diesem Zusammenhang ist diese
Produktion wohl zu sehen. Ich habe keine Veranlassung, an der Art, wie hier handelsregisterliche Eintragungen gewählt worden sind, Kritik zu üben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812811000
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0812811100
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die Rechte, die sie nach §§ 53 und 54 des Haushaltsgrundsätzegesetzes zur Kontrolle der ordnungsgemäßen kaufmännischen Führung des Unternehmens hat, dazu benutzen, um sich zu informieren, ob mit der Industrieanlageneinrichtung ein solches Geschäft mit Polizeiwaffen und mit Handschellen vereinbar ist, und sind Sie bereit, mich darüber schriftlich zu unterrichten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Gerne, Herr Kollege. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen — ich habe das auch in meiner Antwort ausgeführt —, daß für dieses Geschäft keinerlei rechtliche Einschränkungen gegeben sind. Ich darf darauf hinweisen, daß Handschellen und Schlagstöcke auch in anderen Ländern der Welt einschließlich — bedauerlicherweise — der Bundesrepublik Deutschland Verwendung finden und leider auch Verwendung finden müssen. Das sollte vielleicht doch hinzugefügt werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812811200
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0812811300
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund dessen, was wir letztes Jahr im Haushaltsausschuß gerade über die DIAG gesprochen haben, frage ich Sie: Wäre es trotz Ihrer Einschätzung der rechtlichen Situation nicht vielleicht doch angebracht gewesen, wenn die Geschäftsleitung die Bundesregierung von einem Geschäft mit solcher Brisanz unterrichtet hätte?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich teile diese Auffassung nicht, Frau Kollegin, weil es nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, in einzelne Geschäftsvorhaben eines aktienrechtlich geführten Unternehmens einzugreifen. Allerdings meine ich, daß es aus der Sicht der Bundesregierung richtig gewesen wäre — ohne die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Handlungsweise für das Unternehmen jetzt beurteilen zu können —, in der konkreten Situation des Iran Zurückhaltung zu üben. Das ist aber nicht mit einer rechtlichen Möglichkeit der Bundesregierung verbunden, derartige Geschäfte zu unterbinden.
Weil Sie die Situation des Unternehmens ansprechen, Frau Kollegin: Ohne die Tätigkeit dieses Unternehmens im Rüstungsbereich wäre seine geschäftliche Situation sehr viel ungünstiger, als wir das in unserer Haushaltsgruppe besprochen haben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812811400
Eine Zusatzfrage, Herr Hansen.




Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0812811500
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß die DIAG ihren Sitz in Berlin hat und somit wahrscheinlich auch Empfänger von Berlinförderungsmitteln ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht nur das!)

Halten Sie es für gerechtfertigt, daß aus Mitteln dieses Förderungsfonds vor dem Hintergrund der jetzigen Situation ein Handschellenexport in den Iran — wenn nicht juristisch, so doch mindestens politisch-moralisch — sehr fragwürdig ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann hier keinerlei Zusammenhang zwischen der vom ganzen Deutschen Bundestag immer wieder bestätigten und beschlossenen Förderung dieses Unternehmens, seiner Übernahme in das ERP-Vermögen und seinen Geschäften sehen, die sich ja in ihrem gewichtigen Bereich mit dem Anlagenexport für Waffenproduktion beschäftigen, so daß der Handschellenexport sich gemessen daran harmlos ausnimmt.
Ich sehe also keinen Zusammenhang, der eine Kritik rechtfertigen würde. Ich unterstreiche noch einmal, daß es vor dem Hintergrund der konkreten Situation aus der Sicht der Bundesregierung aus außenpolitischen Gründen, aber auch aus innenpolischen Gründen wünschenswert gewesen wäre, wenn die Geschäftsleitung hier Zurückhaltung gezeigt hätte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812811600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID0812811700
Herr Staatssekretär, Sie haben bei der Beantwortung der letzten Frage auch wieder auf die Bedeutung der DIAG beim Rüstungsexport hingewiesen. Bei der Beantwortung der zweiten Zusatzfrage des Kollegen Gansel haben Sie darauf hingewiesen, daß dieses Geschäft im Zusammenhang mit dem Rüstungsexport getätigt worden ist. Sind Sie mit mir der Auffassung, daß dieses Geschäft unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt und daß die Bundesregierung hätte unterrichtet werden müssen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, dieses Geschäft fällt nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz, auch nicht unter das Außenwirtschaftsgesetz. Sonst hätten wir von diesem Geschäft selbstverständlich erfahren, hätten es genehmigen müssen. Hier handelt es sich aber nicht um Rüstungsgüter, sondern um andere Güter, die keinerlei Beschränkungen unterliegen. Ich muß das nachdrücklich betonen. Diese Güter werden im übrigen in allen Ländern der Welt, auch in den demokratischsten und liberalsten Ländern der Welt, verwendet, gekauft und leider auch eingesetzt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812811800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Plant die Bundesregierung, entgegen den vom Bundeskabinett verabschiedeten Grundsätzen, wonach keine Waffen in Spannungsgebiete exportiert werden dürfen, einer bundesrepublikanischen Firma, die eine größere Zahl von Schnellfeuergewehren an den Iran liefern will, die Exporterlaubnis zu erteilen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ein Antrag einer deutschen Firma auf Genehmigung der Ausfuhr von Schnellfeuergewehren in den Iran liegt der Bundesregierung nicht vor.

(Zuruf von der CDU/CSU: Na also!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812811900
Bitte, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0812812000
Herr Staatssekretär, da wir es jetzt des öfteren erlebt haben, daß sich Abgeordnete auf Grund von Presseinformationen nach der Genehmigung von Rüstungsexportgeschäften erkundigt haben und sie damit beschieden worden sind, ein solcher Antrag liege nicht vor, wir aber andererseits oft kurze Zeit danach aus der Presse haben erfahren müssen, daß ein Antrag inzwischen positiv beschieden worden sei, es also offenbar in der Regel so ist — Herr Präsident, ich stelle eine Zwischenfrage in der Länge, wie sie Kollege Czaja stellt —, daß die Anträge so gestellt werden, daß sie erst eingehen, wenn im Bundestag Anfragen gestellt worden sind, aber schon genehmigt worden sind, bevor die zweite Anfrage im Bundestag gestellt werden konnte, möchte ich Sie bitten, den Kollegen Jungmann, der die Frage heute gestellt hat, schriftlich zu informieren, sobald von diesem Unternehmen ein Antrag auf Export von Schnellfeuergewehren in _den Iran gestellt wird. Ende der Frage.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich möchte zunächst klarstellen, daß wir alle Fragen, die hier gestellt werden, korrekt beantworten.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Ich möchte zweitens sagen, daß wir als Regierung kein Interesse daran haben, die Verhandlungen, die Überlegungen der Firmen hier ohne Not auszubreiten. Wir wollen hier auch nicht über die Anträge reden, die nicht genehmigt werden. Aber ich bin ohne weiteres bereit, dem Herrn Kollegen Jungmann Formulierungshilfe zu geben, wie er seine Anfrage stellen soll, damit alles, was ihn möglicherweise interessiert, in dieser Anfrage erfaßt wird. Wir werden jedenfalls über den Text der Anfrage von uns aus in der Beantwortung nicht hinausgehen.
Ich habe durchaus Verständnis für diese Zusatzfrage, weil die Situation sich ja laufend ändert; aber ich bitte um Verständnis dafür, daß wir hier nicht eine Informationspflicht dem einzelnen Abgeordneten gegenüber übernehmen können, die uns rechtlich nicht erlaubt ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)





Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812812100
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, der Service-Dienst der Bundesregierung geht in diesem Punkte entschieden zu weit!
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 38 des Abgeordneten Jungmann auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, der Firma, die die Schnellfeuergewehre an den Iran exportieren will, angesichts der dortigen angespannten innenpolitischen Situation eine staatliche Ausfallbürgschaft zu gewähren?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre Frage hat sich dadurch erledigt, daß ein solcher Antrag nicht gestellt ist. Die Frage nach einer etwaigen Ausfallbürgschaft hat deshalb natürlich auch keine Grundlage.

(Jungmann [SPD] : Danke schön!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812812200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0812812300
Herr Präsident, ich sehe jedenfalls einen Zusammenhang meiner jetzt zu stellenden Frage mit der Frage, die der Kollege Jungmann gestellt hat, wenn ich Sie, Herr Staatssekretär, frage, auf welche Höhe sich denn die Ausfallbürgschaften der Bundesregierung für Iran-Geschäfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt insgesamt belaufen und ob wir damit rechnen müssen, daß sie alle — wenn ich den Exodus der deutschen Firmen aus dem Iran betrachte — demnächst fällig werden.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen dazu hier keine Auskunft geben, weil mir die Unterlagen fehlen, aber ich bin gern bereit, Ihnen eine schriftliche Nachricht darüber zukommen zu lassen.

(Hansen [SPD] : Danke schön! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sehr nett!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812812400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0812812500
Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß die Firma, von der hier die Rede ist, auch Schnellfeuerwaffen und Handschellen an andere Länder als den Iran — auch an solche mit linker Regierung — geliefert hat und daß dabei keine Anfragen entsprechender Art von diesen Kollegen wie jetzt eben kamen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist das Wesen von Waffenfirmen, daß sie — wie übrigens jeder andere Hersteller von Produkten auch — jede Exportchance und jede Verkaufschance wahrnehmen.

(Abg. Gansel [SPD] meldet sich zu einer Zusatzfrage)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812812600
Herr Gansel, Ihr Kontingent an Zusatzfragen ist bereits erschöpft. Nur Herr Jungmann hätte noch eine Zusatzfrage. Ich will ihn aber nicht ermuntern. — Sie wollen Ihr Fragerecht
abtreten? Dieses Kompensationsgeschäft ist nach der Geschäftsordnung nicht vorgesehen.

(Hansen [SPD] : Zur weiteren Frage von Herrn Jungmann hat er noch keine Zusatzfrage gestellt!)

— Zur zweiten Frage? Die erste Frage, Frage 37, war sowieso schon erledigt. Zu Frage 38 haben Sie eine Zusatzfrage gestellt, Herr Gansel. Sie wissen, ich bin hilfsbereit, aber — —

(Gansel [SPD] : Herr Präsident, nur deshalb, weil meine Frage so lang war, können Sie sie doch nicht als zwei Fragen anrechnen!)

— Nein, diese Absicht bestand meinerseits auch gar nicht. Also noch eine kurze Frage, bitte.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0812812700
Herr Staatssekretär, darf ich Sie — auf die Zusatzfrage des Kollegen von der CDU/CSU Bezug nehmend — fragen, ob Sie sich vorstellen können, daß auch die Abgeordneten der Regierungskoalition Fragen nach solchen Waffengeschäften gestellt hätten, wenn sie durch einen regelmäßigen Bericht der Bundesregierung über Rüstungsexporte überhaupt die Ausgangsinformationen, um solche Fragen stellen zu können, besessen hätten?

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein!)

Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe überhaupt keine Schwierigkeit, jede Art der Information in jedem Kreis des Parlaments darzulegen, und zwar in jeder uns möglichen umfassenden Form, weit über das hinaus, was in Beantwortung einer solchen Spezialfrage im Bundestag dargestellt werden kann. Ich würde es eigentlich sehr begrüßen, wenn das geschähe, weil dann wirklich mehr gesagt werden könntet als in der Fragestunde möglich ist. Ich bin davon überzeugt, daß alle Kollegen des Hauses an einer solchen Unterhaltung Interesse hätten.

(Gansel [SPD] : Gut, danke sehr!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812812800
Keine weiteren Zusatzfragen.
I Ich rufe Frage 115 der Abgeordneten Frau Erler auf:
Wieviel Zeit verging nach Eingang der Frage des BDI nach Einzelheiten der Berichterstattung über den EG-Verhaltenskodex für Südafrika bis zur Beantwortung durch die Bundesregierung, und welchen Inhalt hatte die Antwort?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Unter Hinweis auf Ziffer 7 des Verhaltenskodex für Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen in Südafrika hat die Bundesregierung die Spitzenverbände, der Wirtschaft am 4. Juli 1978 gebeten, Berichte über die Durchführung des Kodex vorzulegen.
Die Verbände haben am 12. Juli 1978 Gegenvorstellungen zur Art der Berichterstattung unterbreitet. Diese waren in den folgenden Monaten mehrfach Gegenstand von Erörterungen zwischen Bundesregierung und Verbänden sowie innerhalb der Ressorts und in der Arbeitsgruppe Afrika der EPZ. Das



Parl. Staatssekretär Grüner
Ergebnis dieser Erörterungen wurde den Verbänden mit Schreiben vom 21. Dezember 1978 übermittelt.
Mit diesem Schreiben vom 21. Dezember 1978 wurde den Verbänden mitgeteilt, daß die Bundesregierung beabsichtigt, auf Grund der Berichte der deutschen Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen in Südafrika, um deren Zusendung erneut gebeten wurde, einen Gesamtbericht über die Anwendung des Kodex zu fertigen und diesen Bericht zusammen mit einer Liste der Firmen, auf deren Einzelberichten er beruht, zu veröffentlichen. Die Bundesregierung brachte dabei ihren dringenden Wunsch zum Ausdruck, daß möglichst alle Firmen entsprechend dem Kodex Bericht erstatten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812812900
Eine Zusatzfrage, bitte.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0812813000
Herr Staatssekretär, da die Firmen nach dem Beschluß der EG an sich die Pflicht gehabt hätten, schon im September einen Bericht abzuliefern, möchte ich Sie fragen: Haben Sie Verständnis dafür, daß ich das Verhalten des Bundesministeriums für Wirtschaft, eine solche Anfrage, ob ein Gesamtbericht oder ob Einzelberichte vorgelegt werden sollen, erst Ende Dezember zu beantworten, als Verzögerungstaktik des Bundesministeriums für Wirtschaft interpretiere?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dafür habe ich kein Verständnis, Frau Kollegin, weil ich Ihnen soeben dargelegt habe, welche Stellen an der Erörterung der Einwände der Verbände beteiligt waren. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß dieser Kodex eine Empfehlung an die Firmen enthält. Wir haben zwar den dringenden Wunsch, daß sie diese Empfehlung einhalten, aber wir können das nicht erzwingen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812813100
Keine weitere Zusatzfrage?

(Frau Erler [SPD] : Doch!)

— Frau Kollegin, ich darf bitten — das gilt für alle —, mir doch ein Zeichen zu geben. Sie bekommen das Wort zu einer Zusatzfrage dann sofort erteilt. Eine Zusatzfrage, bitte.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0812813200
Herr Staatssekretär, welche Gründe haben den Bundeswirtschaftsminister dazu veranlaßt, den Firmen zu sagen, daß sie einen Gesamtbericht erstellen sollen, obwohl Erkundungen, die verschiedene Abgeordnete dieses Hauses in Südafrika durchgeführt haben, ergeben haben, daß das Verhalten der einzelnen Firmen sehr unterschiedlich ist — einige sind überhaupt nicht bereit, dem EG-Verhaltenskodex zu folgen, einige wenige hingegen befolgen diesen Kodex weitgehend —, so daß ein Gesamtbericht überhaupt keine Ergebnisse für uns bringen würde?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich bin anderer Meinung, Frau Kollegin. Es war von Anfang an beabsichtigt, einen derartigen Gesamtbericht zu erstellen. Das heißt aber nicht — darauf habe ich hingewiesen —, daß wir die Firmen nicht dringend darum bit-
ten, den vorgesehenen Einzelbericht ebenfalls zu veröffentlichen. Wir sind der Meinung, daß die Gesamtanstrengungen, die auf Grund dieser Einzelberichte dargelegt werden können — übrigens auch gegenüber dem Parlament —, in einen Gesamtbericht der Bundesregierung eingehen sollten, um überhaupt eine Würdigung dieser Anstrengungen insgesamt zu ermöglichen. Das soll aber nicht bedeuten, daß wir nicht weiterhin den Wunsch haben, daß die Firmen Einzelberichte erstellen und veröffentlichen. Wir wollen dann einen Gesamtbericht vorlegen, der auf diesen Einzelberichten fußt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812813300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Corterier.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0812813400
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause mittteilen, wann mit der Vorlage Ihres Gesamtberichts gerechnet werden kann?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich rechne damit, daß das im Laufe des Jahres 1979 geschehen wird, wenngleich die Verhandlungen mit den Verbänden noch nicht abgeschlossen sind. Übrigens sind auch in anderen Ländern bisher keine Berichte veröffentlicht worden, mit Ausnahme von Großbritannien, das 1974 einen solchen. Kodex eingeführt hat, der allerdings nur einen Teil der in Südafrika tätigen Firma erfaßt. Ich rechne, wie gesagt, damit, daß wir im Jahre 1979 einen solchen Bericht veröffentlichen können. Sehen Sie mir nach, daß ich jetzt keine konkrete Aussage machen kann, wann im Jahre 1979 das zu erwarten ist. Ich werde das aber gerne nachtragen, wenn ich entsprechende Informationen im Hause eingeholt habe.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812813500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0812813600
Herr Staatssekretär, halten Sie mit der Zielsetzung derartiger EG-Beschlüsse, die hier betroffen sind, für vereinbar, wenn erst nach zwei Jahren mit einem Bericht der Bundesregierung zu rechnen ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich halte das zwar für eine sehr lange Zeit, aber ich bin der festen Überzeugung, daß die Aufforderung der EG zu diesem Bericht, soweit das noch notwendig gewesen sein sollte, entsprechende Maßnahmen bei den Firmen ausgelöst hat. Ich glaube deshalb, daß diese Aufforderung der Europäischen Gemeinschaft durchaus eine Wirkung entfaltet hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812813700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Conradi auf. — Herr Conradi ist nicht im Saal. Die



Vizepräsident Stücklen
Frage wird also schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 40 wird auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig, schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Schartz (Trier) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Höhe je ha in der Europäischen Gemeinschaft der Anbau von Weinreben sowohl bei Tafelwein wie auch bei Qualitätswein gefordert wird, und hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie sich diese Förderungsmittel aus nationalen und europäischen Finanzmitteln zusammensetzen?

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID0812813800
Herr Kollege Schartz, Zahlen und Daten für den Bereich der Gemeinschaft sind der Bundesregierung nicht bekannt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812813900
Zusatzfrage, bitte.

Günther Schartz (CDU):
Rede ID: ID0812814000
Herr Staatssekretär, hält es denn die Bundesregierung nicht für dringend geboten, sich über die Förderungspraxis, die ja auch eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb des europäischen Weinbaus bedeuten kann, Kenntnisse zu verschaffen, vor allem deswegen, weil — diese Behauptung stelle ich auf — auch der Anbau von Weinreben in anderen Ländern der EG mit Mitteln der EG, an denen ja auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, bezuschußt wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bisher war der Wein, der in den übrigen EG-Ländern angebaut wird, keine Konkurrenz für den deutschen Qualitätsweinanbau, nachdem wir nur 50 % des Bedarfs selbst produzieren. Aber ich gebe Ihnen recht: Je mehr in anderen Ländern dazu übergegangen wird, Qualitätswein zu produzieren, ist das, was Sie fordern, eine dringende Notwendigkeit. Ich werde mich darum bemühen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812814100
Zusatzfrage, bitte..

Günther Schartz (CDU):
Rede ID: ID0812814200
Herr Staatssekretär, für meine Begriffe — wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf — haben Sie den Sinn meiner Frage nicht richtig beantwortet. Es geht mir darum, zu wissen, ob und in welcher Höhe in anderen Ländern der EG der Anbau von Weinreben gefördert wird und wie sich diese Förderungsmittel aus nationalen Mitteln wie auch aus Mitteln der EG zusammensetzen. Ich darf mir erlauben, Ihnen zu sagen, daß die Antwort, die Sie mir jetzt gegeben haben, damit in keinerlei Zusammenhang steht.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube doch, daß die Förderung mit der Frage in Zusammenhang steht, inwieweit in der Zukunft in den übrigen Ländern Qualitätswein produziert wird. Aber es wird sehr schwierig sein, von den einzelnen Ländern im Detail zu erfahren, wie die Förderung dort gehandhabt wird. Unter der Voraussetzung, daß die Länder in bezug auf ihre Regionen selber wissen, wie das im einzelnen geschieht, wollen wir diesen Versuch wagen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812814300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Schartz (Trier) auf:
Trifft es zu, daß durch kürzlich erfolgte Beschlüsse der EG in der Bundesrepublik Deutschland keine Neuanpflanzungen von Weinreben mit Ausnahme von Neuanpflanzungen im Rahmen von Zusammenlegungsverfahren mehr erfolgen dürfen, daß aber andererseits in anderen Mitgliedstaaten der EG die Anpflanzung von Weinreben zum Zweck der Qualitätsweinerzeugung weiter erlaubt ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die von deutscher Seite angeregte Verordnung Nr. 1162/76 der EG über den Anbaustopp sah in der bis zum 30. November 1978 geltenden Fassung u. a. folgende Ausnahmen vom Verbot der Neuanpflanzungen vor:
1. zur Erzeugung von Qualitätswein besonderer Anbaugebiete bestimmte Neuanpflanzungen in den Mitgliedstaaten, in denen die Erzeugung von Qualitätswein besonderer Anbaugebiete in den Wirtschaftsjahren 1972/73 bis 1974/75 weniger als die Hälfte der gesamten Weinerzeugung betragen hat: zulässig sind also alle dem vorgenannten Zweck dienenden Neuanpflanzungen in Frankreich und Italien, nicht dagegen in der Bundesrepublik Deutschland.
2. Neuanpflanzungen, die im Anschluß an Flurbereinigungsmaßnahmen angelegt werden,
3. Neuanpflanzungen, die gemäß den Betriebsentwicklungsplänen nach der EG-Richtlinie über die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe angelegt werden.
Durch eine am 1. Dezember 1978 in Kraft getretene Änderung wurde, wiederum auf deutsche Anregung, die Ausnahme für die gemäß den Betriebsentwicklungsplänen angelegten Neuanpflanzungen eingeschränkt und gilt seitdem nicht mehr für die Bundesrepublik Deutschland. Die Ausnahme für im Anschluß an Flurbereinigungsmaßnahmen angelegte Neuanpflanzungen gilt dagegen auch in der Bundesrepublik Deutschland unverändert weiter.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812814400
Zusatzfrage, bitte.

Günther Schartz (CDU):
Rede ID: ID0812814500
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort entnehme ich, daß der Anbau von Weinreben zum Zwecke der Qualitätsweinerzeugung in Frankreich und Italien erlaubt ist und in Deutschland nicht. Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, einer solchen doch bedeutsamen Schlechterstellung der deutschen Winzer zu' zustimmen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen, daß einerseits sämtliche Gebiete, in denen in Deutschland Wein angebaut wird, Qualitätsweinanbaugebiete sind und daß wir andererseits erhebliche Probleme mit den Überschüssen an Tafelwein •in Frankreich und Italien haben. Aus diesem Grunde hat es auch die Bundesregierung für opportun ge-



Parl. Staatssekretär Gallus
halten, daß eine Umstellung der Rebflächen in diesen Ländern bezuschußt und ermöglicht wird, soweit diese unter dem angegebenen Prozentsatz — 50% Qualitätsweinanbaufläche — liegen. Das ist, wie Sie wissen, in diesen beiden Ländern der Fall.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812814600
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Günther Schartz (CDU):
Rede ID: ID0812814700
Herr Staatssekretär, Sie haben — sicher richtig — die Gefahr der Überproduktion von Tafelwein angeführt. Aber sieht die Bundesregierung nicht die Gefahr, daß durch die nach wie vor bestehende Freigabe der Anpflanzung von Qualitätswein in den übrigen Ländern der EG eine Überproduktion von Qualitätswein in der EG entstehen kann, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, daß gerade in den von Ihnen angeführten Wirtschaftsjahren in Frankreich auf mehr als 10 000 ha Qualitätsweine angepflanzt worden sind, ebenso in Italien? Das entspricht insgesamt mehr als 20 % der gesamten deutschen Rebanbaufläche. Sieht die Bundesregierung nicht die Gefahr, daß man hier die Probleme des Tafelweinmarktes lediglich auf den Qualitätsweinmarkt verlagert? Ist es nicht notwendig, daß auch in den übrigen Ländern der EG ein Anbaustopp für Qualitätsweine erfolgt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin nicht der Auffassung, daß wir die Gesamtsituation in der EG allein aus dem Blickwinkel der deutschen Weinproduktion sehen können, zumal der Anteil an der Gesamtproduktion der Bundesrepublik in der EG nur 5% beträgt. Wenn Sie die Anbauflächen, die in den übrigen Ländern auf Qualitätswein umgestellt worden sind, an der Gesamtweinanbaufläche Europas messen, die über 2 Millionen ha beträgt, dann sieht die Situation völlig anders aus. Ich glaube, von einer Gefahr in dieser Hinsicht kann man beileibe nicht sprechen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812814800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.

Werner Broll (CDU):
Rede ID: ID0812814900
Herr Staatssekretär, halten Sie es für denkbar und möglich, daß die EG, wenn erst einmal auch in anderen Ländern Qualitätswein im Übermaß produziert wird, zu Subventionen schreiten wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Situation ist ganz einfach davon gekennzeichnet, daß wir schon in erheblichem Ausmaße subventionieren, und zwar dadurch, daß die Überschüsse an Tafelwein destilliert werden müssen. Sie wissen, bis zu 10 % der Tafelweinernte in Frankreich und Italien werden regelmäßig destilliert. Wenn nun der Versuch unternommen wird, diese Ausgaben über die Qualitätsweinerzeugung zu vermindern, weil wir in Europa einen Bedarf an Qualitätswein haben, dann sehe ich darin absolut keine Gefahr für den deutschen Weinbau — ich muß es noch einmal sagen —, zumal 50 % des Weins auf dem deutschen Markt importiert werden und andererseits der Qualitätsstandard des deutschen Weins so stark ist, daß er meines Erachtens dieser Konkurrenz nach wie vor gewachsen sein wird. Die deutschen Winzer müssen allerdings weiterhin ihr Augenmerk auf die Qualität richten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812815000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0812815100
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß in Deutschland nicht eine Situation wie z. B. in Frankreich entsteht, daß Wein zu Schnaps destilliert werden muß und dadurch neue Subventionen notwendig werden - dies vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Breisack?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, daß das, was Sie jetzt wissen wollen, nicht direkt mit der Frage im Zusammenhang steht. Ich bin aber gerne bereit, dazu etwas zu sagen. Ich kann für die Zukunft nicht ausschließen, daß unter Umständen auch in Deutschland einmal Wein anfällt, der destilliert werden muß. In Breisach ging es aber nicht darum, daß Wein destilliert werden sollte, sondern der Trester aus der Weinherstellung. Ich bin der Auffassung, daß dieser Abfall anderweitigen Verwertungen zugeführt werden sollte, damit die Menge des Agraralkohols in Europa, mit der wir ohnehin kaum fertig werden, nicht noch vergrößert wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812815200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Die Frage 9 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz, die Frage 43 des Abgeordneten Biehle sowie die Fragen 47 und 48 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 44 des Abgeordneten Bühling auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob für gesundheitsgeschädigte Arbeitnehmer genügend Arbeitsplätze für leichte Arbeiten, vorwiegend im Sitzen, ohne Unfallgefährdung, in geschlossenen, normaltemperierten, staubarmen Räumen zur Verfügung stehen, an denen sie nach Anweisung der Rententräger ohne Zeitdruck vollschichtig arbeiten können?

Hermann Buschfort (SPD):
Rede ID: ID0812815300
Herr Kollege Dr. Enders, eine Statistik über Art und Ausgestaltung von Arbeitsplätzen ist nicht vorhanden. Zwar werden sich aus der Art der ausgeübten Tätigkeiten und aus den einzelnen Berufen Schlüsse auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen ziehen lassen, so z. B. typi-



Parl. Staatssekretär Buschfort
scherweise bei den Büro- und Verwaltungsberufen. Ob für die jeweils betroffenen Arbeitnehmer, die auf einen derartigen Arbeitsplatz angewiesen sind, genügend Plätze zur Verfügung stehen, wird sich jedoch nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilen lassen.
Wenn Sie es gestatten, würde ich gleich die zweite Frage in die Beantwortung mit einbeziehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812815400
Ich rufe auch die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, falls nicht genügend Arbeitsplätze mit den genannten Kriterien zur Verfügung stehen, diesen Passus zur Ablehnung der Rentenanträge gesundheitsgeschädigter Arbeitnehmer als unreal zu verhindern, damit allein auf Grund des gesundheitlichen Gutachtens der Arbeitsbehörde die Rente bewilligt werden kann?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Es läßt sich deshalb keine allgemeine Feststellung treffen, daß es für Personen, deren Leistungsfähigkeit zwar beeinträchtigt ist, die aber unter bestimmten Voraussetzungen noch vollschichtig tätig sein können, einen funktionierenden Arbeitsmarkt nicht gibt. Wenn in einem Einzelfall gleichwohl ein Arbeitsplatz nicht vermittelt werden kann, hat die Bundesanstalt für Arbeit die für diesen Fall vorgesehenen Leistungen, d. h. normalerweise Arbeitslosengeld, zu gewähren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812815500
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0812815600
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß für gesundheitsgeschädigte Arbeitnehmer kaum Arbeitsplätze nach den von den Rententrägern verlangten Kriterien zur Verfügung stehen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Enders, ich will gern bestätigen, daß es diesbezüglich große Schwierigkeiten gibt. Weil wir das sehen, bemühen wir uns derzeit, die Nahtlosigkeit zwischen den beiden Sozialleistungsbereichen zu verwirklichen. Hierzu sind aber noch weitere Gespräche mit den Rentenversicherungsträgern und der Bundesanstalt für Arbeit notwendig. Die Bundesregierung ist jedenfalls der Auffassung, daß sichergestellt werden muß, daß ein solcher Arbeitnehmer entweder Rente oder aber eine andere Leistung erhält und nicht auf Grund von unterschiedlichen Auffassungen zum Sozialhilfeempfänger wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812815700
Weitere Zusatzfrage.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0812815800
Ist die Bundesregierung bereit, Herr Staatssekretär, angesichts dieser Schwierigkeiten, die die gesundheitsgeschädigten Arbeitnehmer belasten, strikte Maßnahmen zu ergreifen, eventuell den Passus streichen zu lassen, damit geholfen werden kann?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Enders, wir bemühen uns gerade um eine solche Regelung. Sinn und Zweck ist, unnötige Doppeluntersuchungen und unterschiedliche medizinische Beurteilungen zu vermeiden, damit der Arbeitnehmer unverzüglich die vorgesehene Leistung erhält.
Ich darf noch einmal auf Ihre erste Frage zurückkommen: Wenn es einen konkreten Einzelanlaß gibt, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir dazu nähere Einzelheiten mitteilen würden.

(Dr. Enders [SPD] : Ja, mit großer Freude, Herr Staatssekretär!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812815900
Keine weiteren Zusatzfragen?
Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, zur sozialen Wiedereingliederung ehemaliger Drogenabhängiger ein Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm des Bundes und der Länder mit dem Ziel aufzulegen, den für Rehabilitationszwecke Arbeitsplätze zur Verfügung stellenden Firmen einen Teil des damit verbundenen finanziellen Risikos abzunehmen, und kann die Bundesregierung angeben, welche Mittel erforderlich wären, wenn für jeden Rehabilitanten ein Jahr lang die Lohnkosten zur Hälfte von der öffentlichen Hand getragen würden?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Laufs, bei Drogenabhängigen steht wie bei allen Abhängigkeitskranken die medizinische Behandlung im Vordergrund. Sie ist die Basis aller weiteren Rehabilitationsmaßnahmen. Ein dauerhafter Erfolg einer Entzugsbehandlung kann jedoch nur eintreten, wenn neben der Stabilisierung durch die medizinische Behandlung auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abhängigkeitskranken und seiner Familie durch eine berufliche Wiedereingliederung sichergestellt werden. Dafür stehen folgende Hilfen zur Verfügung:
1. Soweit ehemalige Drogenabhängige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in das Beurfsleben haben, kann ein Arbeitgeber, der einen schwervermittelbaren ehemaligen Drogenabhängigen einstellt, nach § 54 des Arbeitsförderungsgesetzes Eingliederungsbeihilfe erhalten. Sie wird in Höhe von bis zu 60 % — in Sonderfällen bis zu 80 % — der Lohnkosten für die Dauer eines Jahres in Sonderfällen
bis zu zwei Jahren — gewährt.
2. Hat die Abhängigkeitskrankheit im Einzelfall zu Folgeschäden geführt, die durch berufsfördernde Maßnahmen beseitigt oder gebessert werden können, so wird neben den genannten Eingliederungsbeihilfen dem Behinderten selbst der gesamte berufsfördernde Leistungsrahmen geboten.
3. Ehemalige Drogenabhängige können unter bestimmten Voraussetzungen den Schwerbehinderten gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne diese Hilfe einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht erhalten können. Dann genießt dieser Personenkreis während dieser Zeit den besonderen Schutz des Schwerbehindertengesetzes mit Ausnahme der Regelung über den Sonderurlaub für Schwerbehinderte. Er zählt außerdem zu dem Personenkreis, der aus dem von der Bundesregierung und den Ländern aufgelegten und bis zum 31. März 1979 verlängerten zweiten Sonderprogramm zur verstärkten Bereitstellung von Arbeits-und Ausbildungsplätzen für Schwerbehinderte gefördert werden kann. Aus diesem Programm kann einem Arbeitgeber ein Zuschuß für die Einstellung



Parl. Staatssekretär Buschfort
solcher ehemaliger Drogenabhängiger von 6 000 bis zu 18 000 DM gewährt werden.
Nach Auffassung der Bundesregierung sind die vorhandenen Hilfsmöglichkeiten für die berufliche Wiedereingliederung ehemaliger Drogenabhängiger ausreichend. Ein besonderes Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm des Bundes und der Länder für diesen Personenkreis ist nicht notwendig.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812816000
Zusatzfrage, bitte.

Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID0812816100
Kann ich, Herr Staatssekretär, Ihrer Antwort entnehmen, daß Meldungen aus der Praxis nicht zutreffen, wonach die Arbeitsplatzbeschaffung für ehemalige Suchtmittelabhängige gegenwärtig sehr schwierig ist und die angebotenen Hilfen offensichtlich nicht ausreichen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Laufs, es liegt, glaube ich, nicht daran, daß nicht genügend Mittel oder Eingliederungshilfen zur Verfügung stehen, sondern sehr häufig daran, daß Arbeitsplätze überhaupt — nicht nur für Behinderte — knapp sind. Weil es so ist, haben wir gerade für die Behinderten Sonderprogramme aufgelegt. Ich bestätige gern, daß natürlich die Berufsberatung und auch die Vermittlungsstellen mit einem drogenabhängigkeitskranken Menschen größere Anstrengungen zu unternehmen haben, um ihn wieder in die Gesellschaft und die Arbeit einzugliedern.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812816200
Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Karl Becker (CDU):
Rede ID: ID0812816300
Herr Staatssekretär, wie hoch war die Inanspruchnahme dieser Förderungsprogramme in den letzten Jahren?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Becker, ich kann diese Frage jetzt nicht umfassend beantworten. Ich kann Ihnen aber zum letzten Teil sagen: Die Eingliederung von Schwerbehinderten über das Sonderprogramm hat bewirkt, daß im Jahr 1978 rd. 9 600 und im Jahr 1977 rd. 8 000 Schwerbehinderte in Arbeit und Beruf eingegliedert werden konnten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812816400
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Bülow zur Verfügung.
Die Fragen 50, 56, 58 und 59 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Weiskirch (Olpe) auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 52 desselben Abgeordneten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Minderung der militärischen Fluglärmprobleme in Südwestdeutschland, über die auf einer im April stattfindenden Konferenz, welche von Bundesverteidigungsminister Dr. Apel in der Presse vom 3. und 4. Januar anläßlich eines Besuchs auf den kanadischen NATO-Flugplätzen Lahr und Söllingen angekündigt wurde, gesprochen werden soll, und welche Schwierigkeiten standen entsprechenden Lösungen bisher entgegen?
Bitte schön.

Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0812816500
Herr Kollege, der militärische Flugbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland setzt sich zusammen aus dem der alliierten Streitkräfte und der Bundeswehr. Ebenso wie der Flugbetrieb der Bundeswehr wird auch der unserer Alliierten auf der Basis der gesetzlichen Regelungen nach den Vorschriften des Bundesverteidigungsministeriums durchgeführt. Der Umfang des militärischen Flugbetriebes ist auftragsbedingt und kann zur Zeit ohne Minderung der Einsatzbereitschaft weder quantitativ noch qualitativ reduziert werden.
Die Senkung der mit dem militärischen Flugbetrieb verbundenen Lärmbelastung der Bevölkerung ist ein ernstes Anliegen der Bundesregierung. Zur Zeit werden Möglichkeiten zur weiteren Verlagerung des Flugbetriebs ins Ausland und zur gleichmäßigeren Verteilung der Flüge über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland untersucht.
Eine Lösung des Zielkonfliktes zwischen der Entlastung des Bürgers vom Fluglärm und der Wahrung der äußeren Sicherheit durch hohe Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ist nicht möglich. Es ist die Absicht des Bundesministers der Verteidigung, durch regionale Tagungen den Bürgern den Auftrag an die Streitkräfte zu erläutern und die Notwendigkeit unserer Verteidigungsanstrengungen zu begründen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812816600
Zusatzfrage, bitte.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0812816700
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, am Beispiel des NATO-Flugplatzes Söllingen, den Bundesverteidigungsminister Apel ja besucht hat und der der Ausgangspunkt seiner Pressemitteilungen war, wenigstens prüfen zu lassen, ob die Bodeneinrichtungen verbessert werden können, um den Bodenlärm etwas zu dämpfen?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Ich bin sicher, daß die Vorbereitungen der Besuche des Ministers so gestaltet werden können, daß diese Frage einbezogen werden kann.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU] : Danke schön!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812816800
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0812816900
Herr Staatssekretär, sind Sie auch bereit, darauf hinzuwirken, daß den Fluglärmgeschädigten, denen im engen Rahmen des Fluglärmgesetzes finanziell nicht geholfen werden kann, wenigstens eine steuerliche Entlastung zuteil wird?



• Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Das ist nicht in der Macht des Bundesverteidigungsministers, sondern das wäre etwas, was der Bundesfinanzminister zubilligen könnte.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU] : Das wollten Sie schon lang anregen!)

— Dies mag auch schon geschehen sein.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU] : Gut!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812817000
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Engelsberger auf:
Trifft es zu, daß — wie die Presse gemeldet hat — NATO-Oberbefehlshaber General Haig vor den „hemmungslosen Rüstungsanstrengungen" der Sowjetunion gewarnt und unter anderem festgestellt hat, daß die sowjetischen Einheiten 5 200 neue Schützenpanzer erhalten haben und 75 v. H. der sowjetischen Luftstreitkräfte im vorderen Raum sich aus Offensivmaschinen der „3 Generation" zusammensetzen, und wie ist bejahendenfalls diese Aussage von General Haig mit der wiederholt auch von der Bundesregierung erklärten Entspannungsbereitschaft der Sowjetunion vereinbar?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung teilt die durch den NATO-Oberbefehlshaber in der Pressekonferenz am 3. Januar 1979 vorgetragenen Sorgen über die Rüstungsanstrengungen des Warschauer Paktes.
Im einzelnen ist festzustellen: Der Warschauer Pakt hat 1971 mit der Einführung von Schützenpanzern in die Landstreitkräfte begonnen. Der Bestand an modernen Schützenpanzern des Typs BMP bei den Warschauer-Pakt-Landstreitkräften in Mitteleuropa wird in einer Größenordnung von ca. 4 000 gesehen.
Bei den Luftstreitkräften des Warschauer Paktes für einen Einsatz in Mitteleuropa ist derzeit von einem Anteil von ca. 50 % von Kampfflugzeugen der dritten Generation auszugehen. Diese Umrüstung wird weiter fortgesetzt werden, so daß sich der Anteil von Kampfflugzeugen der dritten Generation weiter erhöhen wird.
,Insgesamt hat der Warschauer Pakt seine konventionellen Kräfte bis zur Mitte der 70er Jahre vermehrt. Nun werden sie in ihrem ganzen Spektrum qualitativ ausgebaut.
Die NATO hat über lange Jahre in der technologischen Überlegenheit und in der höheren Qualität ihrer Ausrüstung eine Möglichkeit zum Ausgleich der quantitativen Überlegenheit des Warschauer Paktes gesehen, der nun jedoch immer schneller die technische Entwicklung des Westens nachvollzieht. Die NATO muß deshalb einerseits ihre entsprechende Verteidigungskraft stärken, andererseits mit Nachdruck alle Rüstungskontrollbemühungen fördern.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812817100
Zusatzfrage.

Matthias Engelsberger (CSU):
Rede ID: ID0812817200
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung angesichts der massierten sowjetischen Bedrohung nicht für notwendig, die Bevölkerung der Bundesrepublik über die Ge-
fahren aufzuklären, und warum wird mit einer falsch verstandenen erfolgreichen. Entspannungspolitik den Bundesbürgern etwas anderes vorgegaukelt, als in Wirklichkeit der Fall ist?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Erstens wird es die Debatte über die Großen Anfragen der CDU/ CSU-Fraktion und der Koalitionsfraktionen im nächsten Monat geben, wenn ich richtig informiert bin; da wird Gelegenheit sein, die Bevölkerung aufzuklären. Ferner ist beabsichtigt, in absehbarer Zeit ein neues „Weißbuch" herauszugeben. Auch da wird darauf hingewiesen werden.
Wir werden aber wohl sicher nicht in unseren Anstrengungen nachlassen können, im verteidigungspolitischen Bereich gewappnet zu sein und
auf der anderen Seite die Entspannungsbemühungen und die Rüstungskontrollbemühungen voranzutreiben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812817300
Noch eine Zusatzfrage.

Matthias Engelsberger (CSU):
Rede ID: ID0812817400
Herr Staatssekretär, stehen Ihre Ausführungen hinsichtlich der sowjetischen Bewaffnung nicht in diametralem Gegensatz zu den Entspannungsbemühungen der Bundesregierung, und ist im Hinblick auf diese Entspannungsbemühungen und ihre Ausschlachtung in der Presse in der deutschen Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstanden, als ob wir, wie es der frühere Bundeskanzler Brandt ausgedrückt hat, für die nächste Generation hinsichtlich eines Konflikts abgesichert seien?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Sie werden, wenn Sie sich die entsprechenden Dokumente vor Augen führen, sehen, daß die Bundesregierung die Bundeswehr mit einer neuen Waffengeneration ausstattet — mit Billigung dieses Hauses —, daß sie also keineswegs bereit ist, in den Anstrengungen im Verteidigungssektor nachzulassen, während sie gleichwohl der Meinung ist, daß, wenn beide Seiten im bisherigen Tempo weiter unvermindert rüsten, dies zur Überforderung der Volkswirtschaften auf allen Seiten führen wird und deshalb alles darangesetzt werden muß, daß die Entspannungsbemühungen auch auf dem militärischen Sektor zum Erfolg gebracht werden können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812817500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0812817600
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch der zusätzlichen Bedrohung bewußt, die nach wie vor von den 1968 zusätzlich in der Tschechoslowakei stationierten Warschauer-Pakt-Streitkräften ausgeht, und hat sie irgendwelche Anstrengungen unternommen, um die Sowjetunion zu veranlassen, diese zusätzlichen, für die damalige Invasion benötigten Streitkräfte aus der Tschechoslowakei wieder abzuziehen?



Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß diese Streitkräfte mit dem Ziel einer Bedrohung der Bundesrepublik Deutschland stationiert worden sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812817700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Die Fragen 60 — Dr. Hammans —, 62 — Dr. Jens —, 65 und 66 — Dr. Geßner — werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 61 — Frau Abgeordnete Funcke — auf :
Wie hoch stellen sich nach den diesbezüglichen Ermittlungen der Bundesregierung die jährlichen Kosten für die Ausbildung in der Krankenpflege pro Person an Personalkosten, Sachkosten bzw. Ausbildungsvergütung?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0812817800
Frau Kollegin Funcke, das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat im Rahmen der Vorbereitung des Entwurfs eines Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege und den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers die jährlichen Kosten für die Ausbildung in der Krankenpflege festgestellt. Auf der Grundlage der von den Ländern übermittelten Angaben betrugen die durchschnittlichen jährlichen Kosten für diese Ausbildung pro Person insgesamt 15 100 DM. Dabei entfallen auf Personalkosten für Unterricht und praktische Ausbildung 2 650 DM, auf Sachkosten 650 DM, auf anteilige Investitionskosten 400 DM und auf die Ausbildungsvergütung 11 400 DM.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812817900
Zusatzfrage.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0812818000
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, ob dort, wo Krankenhäuser gemeinsam unter sich die Kosten aufteilen, die Berechnungen zum Ausgleich der Kosten in etwa auf dieser Grundlage erfolgen?
Zander, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen nicht beantworten, wie unter den teilweise auch verschiedenen Trägern zuzurechnenden Krankenhäusern die Abrechnung im einzelnen erfolgt. Ich bin gern bereit, das feststellen zu lassen und es Ihnen mitzuteilen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812818100
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 63 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die Verwendung kindersicherer Verschlüsse bzw. Verpackungsformen für Arzneimittel und als Bedarfsmittel im Sinne des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes anzusehende, sogenannte Haushaltsgifte, z. B. Putz- und Reinigungschemikalien, rechtlich bindend vorzusehen?
Zander, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, um die Gefahr des Mißbrauchs durch Kinder zu verhüten, hat das Bundesgesundheitsamt in § 28 Abs. 2 Nr. 5 des neuen Arzneimittelgesetzes die Befugnis erhalten, im Rahmen des Zulassungsverfahrens die Auflage zu erteilen, daß Arzneimittel nur mit einem bestimmten Verschluß oder einer sonstigen Sicherheitsvorkehrung in den Verkehr gebracht werden dürfen. Diese Auflage kann auch noch nachträglich erteilt werden.
Das Bundesgesundheitsamt beabsichtigt, für bestimmte Arzneimittel kindergesicherte Verschlüsse bzw. Verpackungen im Wege der Auflage durchzusetzen und künftige Zulassungen nur noch mit einer entsprechenden Auflage zu erteilen. Gegenwärtig werden im Bundesgesundheitsamt in Zusammenarbeit mit externen Wissenschaftlern und Institutionen entsprechende Vorbereitungen getroffen.
Anders ist die Rechtslage bei Bedarfsgegenständen. Hier bereitet die Bundesregierung zur Zeit eine Gesamtkonzeption für künftige Rechtsvorschriften vor. Die bisherigen Arbeiten haben zu einem umfangreichen Grundsatzpapier geführt, in welchem u. a. auch vorgesehen ist, daß bei bestimmten Reinigungs-, Pflege- und Imprägniermitteln für den häuslichen Bedarf kindergesicherte Verschlüsse angebracht werden müssen. Das Bundesgesundheitsamt erstellt zur Zeit dazu einen mit den Informations- und Behandlungszentren für Vergiftungen und mit der Kommission „Erkennung und Behandlung von Vergiftungen" abgestimmten Katalog der betroffenen Erzeugnisse und Inhaltsstoffe.
Mit den Anforderungen an kindergesicherte Verschlüsse und Verpackungen und ihre Prüfungen hat sich auf meine Anregung hin bereits das Deutsche Institut für Normung e. V. eingehend befaßt und eine Vornorm erstellt, nach der schon versuchsweise gearbeitet werden kann. Die Bundesregierung hat bereits die notwendigen Maßnahmen getroffen, damit die DIN-Norm in Kürze endgültig verabschiedet werden kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812818200
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0812818300
Herr Staatssekretär, meine erste Zusatzfrage bezieht sich auf die Anzahl der Arzneimittel, für die die Auflageregelung nach § 28 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes in Kraft treten soll: Können die Bundesregierung und das Bundesgesundheitsamt sicherstellen, daß alle Arzneimittel, die nach Auskunft der 16 Vergiftungszentralen zu den rund 30 000 Vergiftungsfällen mit Kindern pro Jahr führen, bald in die Auflageregelung einbezogen werden?
Zander, Parl. Staatssekretär: Ja, wir bemühen uns mit den am häufigsten vorkommenden Arzneimitteln der genannten Gruppe zu beginnen. Wir stellen also gemeinsam mit den Giftzentren fest, welche Arzneimittel zu diesen vielen Vergiftungsfällen geführt haben. Diese werden wir nach und nach, vor allen Dingen nach der Häufigkeit, mit der durch sie Vergiftungsfälle aufgetreten sind, in diese Auflagenregelung aufnehmen.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812818400
Weitere Zusatzfrage.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0812818500
Meine zweite Zusatzfrage bezieht sich ebenfalls auf diesen Umfang. Wir müssen davon ausgehen, daß diese 30 000 Vergiftungsfälle, die pro Jahr bei den Vergiftungszentralen gemeldet werden, nur die Spitze des Eisberges darstellen und daß bei den Kinderkliniken der verschiedenen Träger noch weitere vielfältige Vergiftungsfälle aufgetreten sind. Hat die Bundesregierung für diesen Bereich ebenso wie für den Bereich der durch ambulante Behandlung erledigten — Sie gestatten mir das Wort — Fälle vorgesorgt, so daß dann auch Arzneimittel, durch die diese Fälle verursacht wurden, mit Auflagen belegt werden können?
Zander, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen geschildert, wie wir vorgehen wollen. Wir werden feststellen, bei welchen Arzneimitteln am häufigsten Vergiftungsfälle vorgekommen sind. Diese wollen wir nach und nach einbeziehen. Die Anwendung eines solchen Verfahrens bedeutet, daß man im Laufe des Prozesses dazulernt, so daß dann auch weitere Mittel mit dieser Auflage belegt werden können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812818600
Ich rufe die Frage 64 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf:
Wann werden diese Bemühungen voraussichtlich mit Erfolg abgeschlossen sein?
Ich mache darauf aufmerksam, daß für die Erledigung dieser Frage nur noch eine Minute zur Verfügung steht.
Zander, Parl. Staatssekretär: Für bestimmte Arzneimittel wird das Bundesgesundheitsamt, wie ich Ihnen eben mitteilte, nach Abschluß der erforderlichen Vorbereitungen die Auflagen zur Verwendung kindergesicherter Verschlüsse und Verpackungen erteilen.
Für das große Gebiet der Bedarfsgegenstände ist vom Normenausschuß im Deutschen Institut für Normung e. V. eine Vornorm über kindergesicherte Verschlüsse und Packungen erstellt worden. Sollte es sich erweisen, daß auch nach Bekanntgabe der Deutschen Industrienorm auf der Basis der augenblicklichen Vornorm die in den Verkehr gebrachten Haushaltsmittel künftig nicht in ausreichendem Maße kindergesichert werden, wird die Bundesregierung unverzüglich entsprechende Maßnahmen zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz einleiten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812818700
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0812818800
Könnten Sie den Zeitpunkt präzisieren, wann wir damit rechnen können, daß die Vorarbeiten im Bundesgesundheitsamt, beim Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und auch die Erprobungsphase der Vornorm beendet sein werden?
Zander, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen keinen präzisen Zeitplan mit einem gewissen Enddatum nennen. Aber Sie erkennen aus der Antwort, daß wir die Dinge beschleunigt vorantreiben wollen. Ich nenne einmal einen Zeitrahmen: bis Mitte des laufenden, soeben begonnenen Jahres.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812818900
Wir sind am Ende der Fragestunde. Die übrigen nicht aufgerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Beratung des Vierten Jugendberichts — Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in Bundesrepublik Deutschland — Konsequenzen für Jugendhilfe und Jugendpolitik
— Drucksache 8/2110 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander.

Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0812819000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratung über den Vierten Jugendbericht zeichnet sich durch einige bemerkenswerte Besonderheiten aus. Zum erstenmal diskutiert der Deutsche Bundestag über einen Jugendbericht, der dadurch natürlich gegenüber seinen drei Vorgängern ausgezeichnet wird. Eine Besonderheit ist auch, daß die Bundesregierung diesen Bericht dem Deutschen Bundestag — man darf schon sagen — mit erheblicher Verspätung zuleitet. Bemerkenswert ist schließlich auch die Tatsache, daß die ausgedruckte Tagesordnung dieser Sitzungswoche unter Punkt 3 die „Beratung des Vierten Jugendberichts der Bundesregierung" ausweist. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit keineswegs um einen Bericht, den die Bundesregierung erstellt hat. Ihre Verpflichtung geht lediglich dahin, dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat einen entsprechenden Bericht zuzuleiten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812819100
Entschuldigen Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Sie haben sicherlich bemerkt, daß ich beim Aufruf dieses Tagesordnungspunktes die ursprüngliche Formulierung „Jugendberichts der Bundesregierung" korrigiert habe.

Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0812819200
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident. Ich hatte das deshalb nicht bemerkt, weil ich noch mit der Abwicklung der Fragestunde beschäftigt war. Aber ich bedanke mich sehr für die Korrektur.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat zur Erarbeitung dieses Berichts, wie es auch in der Vergangenheit bereits geschehen war, eine un-



Parl. Staatssekretär Zander
abhängige Sachverständigenkommission berufen und ihr den Berichtsauftrag erteilt. Die Bundesregierung tat dies nicht aus eigenem Ermessen, sondern weil sie nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz dazu verpflichtet ist. Ich darf die entsprechende Passage mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, zitieren:
Die Bundesregierung beauftragt mit der Ausarbeitung der Berichte jeweils eine Kommission, der bis zu sieben fachkundige Persönlichkeiten angehören, und fügt eine Stellungnahme mit den von ihr für notwendig gehaltenen Folgerungen bei.
Das etwas lang geratene Thema des Berichts umschreibt eine äußerst wichtige Fragestellung, deren Aufhellung für die sozialstaatliche Ausgestaltung unserer Gesellschaft nach meiner Überzeugung von ganz zentraler Bedeutung ist. Es geht um die Antwort auf die Frage, was wir tun und künftig vielleicht noch besser tun können, um der arbeitenden Jugend, der großen Mehrheit der Jugend in diesem Land, überhaupt bessere und gerechtere Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Meine Damen und Herren, daß ich diese Frage für wichtig halte, ist sicher auch der Tatsache zuzuschreiben, daß ich selber als Handwerkslehrling und Betriebsjugendvertreter meine Erfahrungen mit den Entwicklungsbedingungen junger Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland machen konnte.
Die Diskussion, die wir heute vormittag geführt haben, hat gezeigt, welche zentrale Bedeutung Ausbildung und Beruf für die Situation jedes einzelnen Jugendlichen haben. Bei dieser Beratung heute vormittag ist auch deutlich geworden, daß schichtenspezifische Barrieren und Privilegien für akademische Berufe trotz vielfältiger Anstrengungen eben noch nicht völlig überwunden sind.
Ich habe gesagt, daß der Bericht verspätet vorgelegt wird. Dafür bin ich dem Deutschen Bundestag eine Erklärung schuldig. Die Bundesregierung erteilte im Jahre 1972 einer siebenköpfigen unabhängigen Sachverständigenkommission den Auftrag, eine Analyse der Situation von Jugendlichen, die bereits im Berufsleben stehen, durchzuführen. Diese Analyse sollte auch aufzeigen, wie die Heranführung dieser Jugendlichen an den Beruf, wie ihre Ausbildungs- und Berufssituation verbessert werden können. Das Schwergewicht des Berichts „Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in der Bundesrepublik Deutschland — Konsequenzen für Jugendhilfe und Jugendpolitik" sollte dabei insbesondere bei den Jugendlichen liegen, die sich nicht in weiterführenden Ausbildungen, z. B. durch ein Studium, qualifizieren, also bei der großen Mehrheit der Jugendlichen, die nach Abschluß ihrer Schulausbildung unmittelbar in das Berufsleben eintreten.
Die Kommission hatte ihre Arbeiten im Mai 1972 aufgenommen. Nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz wäre der Bericht im Juli 1975 vorzulegen gewesen. Dementsprechend wurde als Abgabetermin für die Kommission die Jahreswende 1974/75 festgelegt. Die Kommission hat diesen Termin nicht eingehalten.
Sie war nach Überprüfung der Daten und der Materiallage zu dem Ergebnis gekommen, daß die Behandlung des Themas nur an Hand eigener umfangreicher Untersuchungen zu bewältigen sei. Der Abschluß dieser empirisch angelegten Untersuchungen beanspruchte erheblich mehr Zeit, als das ursprünglich geplant war, so daß die Kommission die erste Fassung ihres Berichtes erst im November 1976 vorlegte.
Diese Fassung war auf Grund der sehr detaillierten Darstellung der Untersuchungsergebnisse 1 500 Seiten stark und konnte in dieser Form nicht vorgelegt werden. Der Bericht gab außerdem nur die Auffassung der Hälfte der Kommissionsmitglieder wieder; die andere Hälfte der Mitglieder der Kommission distanzierte sich von ihm.
Mit anderen Worten: Die Kommission war an der Schwierigkeit der Aufgabenstellung quasi gescheitert. Das lag ganz sicher nicht an den Personen, es lag vielmehr am Thema, das seit 1972 durch die konjunkturelle und strukturelle Entwicklung der letzten Jahre zusätzlich an Brisanz gewonnen hatte. Aber unumstrittene Themen lohnen wohl auch kaum den Aufwand einer solchen Sachverständigenkommission. Andererseits sind Berichte zu solch kontroversen Themen voller Risiken, und es ist immer schwierig, eine repräsentative Aussage zu solchen Themen zu erhalten.
Das umfangreiche und nur von einem Teil der Kommissionsmitglieder getragene Werk wurde deshalb an die Kommission mit der Bitte zurückgegeben, eine erheblich gekürzte Fassung vorzulegen, die die Auffassung aller Kommissionsmitglieder enthält. Diese Fassung lag Ende September 1977 vor.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß uns der ursprüngliche Umfang des Berichts für alle seine Adressaten nicht zumutbar erschien. Auch künftige Berichte, die in die Zuständigkeit des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit fallen, werden aus diesem Grunde grundsätzlich in einem Umfang vorgelegt werden, der eine Auseinandersetzung mit seinem Inhalt überhaupt erst möglich macht. Sonst haben Berichte wirklich keinen Sinn.
Die Tatsache, daß es der Kommission nicht gelungen ist, einen von allen ihren Mitgliedern gemeinsam getragenen Bericht vorzulegen, bedauere ich. Es gehört mit zur Unabhängigkeit einer Kommission, daß sie dort unterschiedliche Meinungen vertritt, wo keine Einigung erzielt werden kann. Wie die Bundesregierung dies beurteilt, ist in ihrer Stellungnahme zu dem Bericht deutlich gemacht worden.
Davon bleibt jedoch die Tatsache unberührt — dies möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen —, daß die in dem Bericht dargelegten Auffassungen ausschließlich Meinungen der unabhängigen Sachverständigen darstellen, die auch bei der Behandlung des Berichts von den Auffassungen der Bundesregierung zu trennen sind, die sie in ihrer Stellungnahme dargelegt hat. Mir liegt insbesondere deshalb daran, dies zu sagen, weil immer wieder oft wider besseres Wissen der Versuch gemacht wird, die Bundesregierung mit den Aussagen
10004 Deutscher Bundestag-8. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979
Parl, Staatssekretär Zander
I von Berichten unabhängiger Sachverständigengremien zu identifizieren.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sehr richtig!)

Wir haben das auch heute Vormittag wieder erlebt. Abgesehen von dem vielleicht begreiflichen Bestreben, möglichst viel ideologische Munition gegen die Bundesregierung zu sammeln, zeigen solche Versuche natürlich auch wenig Respekt vor unabhängigen Wissenschaftlern,

(Beifall bei der SPD)

die auf Grund eines Gesetzes, wie bei den Jugendberichten, oder eines Beschlusses des Parlaments, wie bei den Familienberichten, ihre Ansichten darlegen. Mit diesen Ansichten sollte man sich auseinandersetzen. Nur dann können sie für die politische Praxis — auch im Widerspruch — nutzbar gemacht werden.
Ich möchte nun gerne einige allgemeine Bemerkungen zum Inhalt des Berichtes machen. Das Leitbild des mündigen Bürgers, von dem der Bericht ausgeht, entspricht den Vorstellungen der Bundesregierung. Auch die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es bei der beruflichen, berufsorientierten und politischen Bildung des jungen Bürgers einerseits um eine breite berufliche Grundqualifikation geht, aber ebenso um eine eigenständige Urteilsbildung, um die Kenntnis und Wahrnehmung der eigenen Rechte und Interessen, der Pflichten und Verantwortlichkeiten, um die Förderung sozialen Engagements und um das Verständnis von naturwissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Funktionszusammenhängen und deren gesellschaftlicher Bedeutung.
Die Bundesregierung folgt dem Sondervotum darin, daß ebenso auch die Pflichten und Verantwortlichkeiten des jungen Bürgers gesehen werden müssen, daß zum kritisch-reflektierenden Bewußtsein auch die Konsensbereitschaft und die Kompromißfähigkeit gehören und daß die soziale Teilhabe die Kooperation, die Zusammenarbeit einschließt.
Die Kommission sieht die junge Generation der Arbeitenden vor dem Hintergrund einer sozio-ökonomischen Struktur heranwachsen, die die sozialliberale Bundesregierung zum Teil anders beurteilt als die Kommission. Der Bericht charakterisiert die Organisation der Arbeit in der Bundesrepublik mit dem Ziel der Gewinnerzielung und Kostenminimierung durch die Arbeitgeber im strukturellen Gegensatz zur Abhängigkeit der Arbeitnehmer. Dieser Ansatz ist zu verkürzt. Er trägt der vorhandenen Vielfalt gesellschaftlicher Bezüge und den bestehenden gegenseitigen Abhängigkeiten und Kräfteverhältnissen nicht ausreichend Rechnung.
Die Bedeutung des vorberuflichen Lebensweges sieht die Bundesregierung ähnlich wie die Kommission. Der Entwicklung der Jugendlichen gehen Einwirkungen im Kindesalter voraus; sie werden von diesen Einflüssen vor allem in Familie, Kindergarten und Schule weitgehend geprägt. Förderungsmaßnahmen, die die Bedingungen in diesen Bereichen verbessern, die die Zusammenarbeit zwischen diesen Bereichen verstärken, verbessern zugleich
die Startchancen junger Menschen. Hierbei hätte genauer untersucht werden sollen — darauf hätte man auch in der Analyse eingehen sollen —, woran es liegt, daß etwa Mädchen und Frauen gegenüber der männlichen Jugend immer noch eindeutig schlechtere Ausgangspositionen haben.
Wie groß die Benachteiligung hier ist, ist durch die beiden letzten Berufsbildungsberichte besonders deutlich geworden. Zwei Drittel der Mädchen verteilen sich auf nur zehn Ausbildungsberufe, zwei Drittel der Jungen immerhin auf 25. Rund die Hälfte der Ausbildungsstellen für Mädchen konzentriert sich auf die vier Berufe Verkäuferin, Sprechstundenhelferin, Bürogehilfin, Bürokaufmann und Friseuse — sogenannte typische Frauenberufe mit geringer Bezahlung und geringen Aufstiegsmöglichkeiten.
Die Bundesregierung sieht hier vor allem zwei Ansatzpunkte: Erstens. Über Aufklärung im Elternhaus, in Schule, Betrieb, Berufsschule und bei den Mädchen selbst muß das Bewußtsein für die Notwendigkeit einer qualifizierten Berufsausbildung für Mädchen gestärkt werden. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit fördert den Abbau überkommener Rollenvorstellungen. Zweitens. Für Mädchen müssen vor allem im gewerblich-technischen Bereich neue zukunftsträchtige Berufswege erschlossen werden. Dort sind 54 % aller Ausbildungsplätze angesiedelt, die zu 91 % mit Jungen besetzt sind. Diesem Ziel dienen von der Bundesregierung geförderte Modellversuche mit dem Ziel der Motivierung der Mädchen und des Abbaus von Vorurteilen im Elternhaus und im Betrieb.
Die lange Vorlaufzeit dieses Berichtes, die ich Ihnen soeben dargestellt habe — immerhin ist er seit 1972 in Arbeit —, führte auch dazu, daß manches Defizit beschrieben und dargestellt wird, das inzwischen durch die politische Arbeit der Bundesregierung in den letzten Jahren schon beseitigt werden konnte oder wo doch jedenfalls Besserung erreicht werden konnte. Ich nenne als ein Beispiel dafür; daß die Bundesregierung von sich aus bereits viel von dem, was im Empfehlungsteil des Berichtes enthalten ist, in ihre Arbeit aufgenommen hat, die zähen Bemühungen um die Herstellung der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung. Der Bildungsminister hat heute vormittag dazu eindrucksvolle Ausführungen gemacht. Ich kann darauf verweisen, wie ich überhaupt auf manches hinweisen kann, was von den Sprechern der Koalitionsfraktionen heute in der Vormittagssitzung zu dem ganzen Komplex „Bildung, Ausbildung und Beruf" gesagt wurde.
Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um über alle Bildungsgänge gleiche Berufs- und Lebensschancen zu eröffnen. Sie hat zusammen mit den Bundesländern den Beschluß gefaßt, den Ausbau beruflicher Schulen in den Schwerpunkten Berufsgrundbildungsjahr, Berufsfachschulen voranzubringen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch erwähnen, daß selbstverständlich die Bundesländer auf dem Gebiet Bildung und Ausbildung auf Grund der Kompetenzverteilung unseres Grundgesetzes maß-



Parl. Staatssekretär Zander
geblich mitverantwortlich sind für die Bedingungen, welche die arbeitende Jugend in unserem Lande vorfindet.
Als die Sachverständigen 1972 ihre Arbeit aufnahmen, sah allerdings die soziale Wirklichkeit für junge Arbeitnehmer noch ganz anders aus als heute. Das neue Jugendarbeitsschutzgesetz vom April 1976 hat den Schutz der arbeitenden Jugend vor Mißbrauch wesentlich verbessert. Die Mitwirkungsmöglichkeit der Betriebsjugendvertretungen und der Schutz ihrer Mitglieder konnten in diesem Jahr durch das neue Betriebsverfassungsgesetz erweitert und ausgebaut werden.
Die Ausbildungsförderung wurde in den letzten Jahren stark verbessert. Die Chancen junger Menschen mit Hauptschulabschluß und Berufsausbildung, auch in den Genuß staatlicher Ausbildungsförderung zu kommen, haben sich in dieser Zeit verbessert. Bis zur Verabschiedung des Ausbildungsförderungsgesetzes 1971 war staatliche Bildungsförderung nur für Studenten üblich. Erst seitdem gibt es auch Zuschüsse für Gymnasiasten, Berufsfachschulen und mittlerweile auch für das Berufsgrundbildungsjahr im zehnten Schuljahr.
In den 70er Jahren wurde auf tarifvertraglichem Gebiet durch erhebliche Anhebung der Ausbildungsvergütungen auch die materielle Situation junger Menschen in der Berufsausbildung durch die Tarifvertragsparteien verbessert. Schließlich wurde seitdem insbesondere im Handwerk der Weg von einer Erziehungsbeihilfe, die noch Ende der 60er Jahre zwischen 25 DM und 40 DM im Monat ausmachte, zu einer tarifvertraglich gesicherten Ausbildungsvergütung in wesentlich anderer Höhe beschritten. Dieser Weg hat es ebenfalls vielen arbeitenden Jugendlichen überhaupt ermöglicht, eine Berufsausbildung zu machen, statt sofort Geld zu verdienen.

(Franke [CDU/CSU]: Tarifvertraglich!)

— Selbstverständlich. Natürlich brauchen wir hier nicht nur die Arbeit der Bundesregierung, sondern auch die der Länder, vieler gesellschaftlicher Kräfte, Kollege Franke. Das ist ja der Grund, warum wir immer wieder sagen, daß Sie hier manche Forderung an die falsche Adresse richten, wenn Sie im Deutschen Bundestag etwa über Rahmenlehrpläne diskutieren oder über andere Dinge, die heute vormittag eine Rolle spielten.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Nur die guten Ergebnisse sind Ihr Verdienst!)

Die Arbeit der Kommission hat neben den Bereichen „Betrieb und Berufsschule" dankenswerterweise auch die Rolle der Jugendbildungsarbeit untersucht. Der Bericht konzentriert sich auf jenen Teil. der durch Seminare und offene Einrichtungen der Jugendhilfe vermittelt wird. Andere Aufgaben der Jugendhilfe, so die Unterbringung in Jugendwohnheimen, die Betreuung während des vorberuflichen Lebensweges, sozialpädagogische Eingliederungs-
und Motivationshilfen für benachteiligte junge Menschen, die Schulsozialarbeit und vieles andere auf diesem Gebiet werden nur in Einzelbezügen angesprochen. Gerade eine solche Jugendarbeit muß sich
aber schwerpunktmäßig an den Gegebenheiten und Problemen der Berufs- und Arbeitswelt orientieren, freilich ohne dabei den Zusammenhang mit den übrigen Lernfeldern außerschulischer Jugendarbeit aus dem Auge zu verlieren.
Dem jungen Berufstätigen sollte dieser Teil der Jugendarbeit helfen, die Zusammenhänge der industriellen Arbeitswelt zu erschließen und die vielfältigen Bemühungen um eine Humanisierung der Arbeitswelt zu unterstützen. Es sollte ihm deutlich gemacht werden, daß technischer Fortschritt nicht nur darauf gerichtet sein darf, wirtschaftliches Wachstum hervorzubringen, sondern auch darauf, das Dasein der Menschen zu erleichtern, ihren Freiheitsrahmen zu erweitern und ihre geistige Entfaltung zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird ihre Bemühungen verstärkt fortsetzen, den jungen Menschen beim Übergang in das Berufsleben auch durch die Angebote der Jugendhilfe beizustehen. Sie erwartet von den Ländern und den Gemeinden und nicht zuletzt von den Betrieben, den Gewerkschaften und den Jugendverbänden, daß sie sich dieser Arbeit ebenfalls verstärkt widmen. Besonders für die freien Träger dieser Arbeit hat der Bericht eine Fülle von Anregungen gegeben, die auch in den kommenden Jahren noch Beachtung finden sollten.
Es ist das unbestreitbare Verdienst dieses Berichts, auf eine Reihe von Fragen hingewiesen und aufmerksam gemacht zu haben, die auch für die Diskussionen in der Öffentlichkeit wichtig sind. Auch wenn diese Feststellungen und Forderungen der Kommission teilweise den Vorstellungen der Bundesregierung nicht entsprechen, bleibt doch die umfangreiche und vielfältige Arbeit hervorzuheben, die sich die Kommission gemacht hat.
Ich danke an dieser Stelle allen Mitgliedern der Kommission und den Mitarbeitern des Deutschen Jugendinstituts. Der Vierte Jugendbericht ist ein wichtiger Diskussionsbeitrag. Er hat unsere Aufmerksamkeit und die vieler anderer politischer Instanzen und gesellschaftlicher Kräfte verdient. So sollten wir ihn sehen, und so sollten wir ihn auch für unsere Arbeit nutzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812819300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0812819400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vierte Jugendbericht liegt nun endlich vor — mit erheblicher Verspätung. Woran das liegt, ist zum Teil gesagt worden. Insgesamt aber wird deutlich: Die Bundesregierung hat nicht sehr viel Glück mit ihren Berichten und Vorlagen zur Verbesserung der Chancen junger Menschen.

(Zuruf von der SPD: Sie mit Ihren Reden dazu auch nicht!)

10006 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979
Kroll-Schlüter
Wenn es um die Familie geht, bestimmt Ideologie und nicht der Eigenwert und der hohe Rang der Familie das politische Handeln.
Heute morgen hat der Kollege Fiebig darauf hingewiesen, was alles mit dem Entwurf zum Jugendhilferecht hätte erreicht werden sollen. Er hat die Mehrheit im Bundesrat gescholten, an ihr sei es gescheitert, Herr Präsident, es sei mir in diesem Zusammenhang gestattet, hier mit nur wenigen Sätzen eine Verbindung herzustellen, weil es ja auch dabei um die Zukunftschancen junger Menschen geht. Herr Koschnick hat im Bundesrat gesagt: kaum finanzierbar, viel zu perfektionistisch, viel zu umfangreich. Sie lassen Ihre Ministerin quasi in die Falle tappen, indem sie dauernd neue Entwürfe konzipieren muß und Sie ihr das Gefühl geben, jawohl, dieser Entwurf hat eine Chance, Sie sich dann aber im Bundesrat hinter der dort gegebenen Mehrheit verstecken und den Entwurf der Ministerin halbherzig vertreten oder ihn geradezu mit denselben Worten wie die CDU-Ministerpräsidenten kritisieren. Auf diese Art und Weise werden Sie — weil das so halbherzig ist, weil das so ideologisch bestimmt ist — in der Jugend- und Familienpolitik kein Glück haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Minister Huber, die aus gesundheitlichen Gründen heute nachmittag nicht hier sein kann, spricht vom Wert, vom Eigenwert der Familie. Dann aber, wenn wir in die Tiefe schauen, z. B. in das Ministerium, und hören, was diejenigen sagen, die dort konzipieren, entwerfen und vorlegen, klingt es ganz anders. Es ist geradezu erschreckend, was dort über die Familie gesagt wird. Der Herr Kollege Fiebig ist gerade nicht hier, aber er kann es noch einmal nachlesen. Ich will einmal zitieren, welche Auffassung von der Familie der zuständige Leiter der Abteilung 1 in diesem Bundesministerium für Jugend und Familie hat:
Auf dem Weg einer rationalen Familienpolitik sind wir vorangekommen — aber bisher wohl nur ein kleines Stück. Heute darf man darauf hinweisen, daß Kindesmißhandlungen bis hin zu Kindestötungen in Familien geschehen. Die Fälle von Mißhandlung oder gar Tod in öffentlicher Erziehung sind dagegen äußert selten. Heute darf man darauf hinweisen, daß Brutalität in der Ehe ein Phänomen eben dieser Institution ist.
Das heißt doch: Familie auflösen, weil sie brutal ist,

(Zuruf von der SPD: Nein! — Roth [SPD] : Auf diese Weise Beamte anzugreifen, ist unverschämt!)

alles hinein in die öffentlichen Erziehungseinrichtungen, weil all das, was hier kritisiert wird, dort seltener geschieht.

(Roth [SPD] : Greifen Sie die Politiker an, statt Beamtenschelte zu treiben! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Ich kann es Ihnen ja noch einmal vorlesen! Das
steht wortwörtlich in einer Zeitschrift. Es ist er-
schreckend, welche Grundlagen hier die Familienpolitik hat.
Die jetzt vorliegende Fassung des Vierten Jugendberichts wird nur von vier Kommissionsmitgliedern — teilweise nur von dreien — gestützt. Drei Kommissionsmitglieder tragen in einem Sondervotum bedeutende Einwände gegen das BerichtsManuskript vor.
Bevor ich auf die Einzelkritik eingehe, möchte ich noch ein Beispiel für die „sprachliche Klarheit" dieses Berichts anführen, die uns von Frau Minister Huber zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen wurde. Sie war nach den traurigen Erfahrungen mit dem Zweiten Familienbericht gewillt, zukünftige Berichte der Bundesregierung zu kürzen und verständlicher
1 zu machen, also Berichte in klarer Sprache vorzulegen. Nun haben wir aber wieder einen Bericht in einem soziologischen Jargon vorliegen, für den ich Ihnen ein Beispiel nicht vorenthalten möchte — ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten —:
Eine in dieser Art kritisch reflektierte Vorstellung von der Gesellschaft muß weiterhin die Einsicht umfassen, daß die eigene berufliche Lage mit der ideologischen Vorstellung einer umstandslosen Entsprechung von individueller Leistung und Aufstieg oder von Begabung und beruflichem Fortkommen nicht angemessen zu erklären ist, zu beruflichem Aufstieg die Strukturen gesellschaftlich erzeugter und legitimierter Unklarheit sich auswirken.
Da es um die arbeitende Jugend geht, wäre es schön, wenn auch sie dies verstehen könnte. Aber dies alles ist zu kompliziert, in soziologischem Jargon gehalten und daher unverständlich und nur wenigen zugänglich. Im übrigen. bedeutet dieses Zitat einen Tritt gegen alle fleißigen jungen Menschen, denen hier dargelegt wird, daß wir eine von Ungleichheit verzerrte Gesellschaft haben.
Im einzelnen wird kritisiert, daß die wissenschaftliche Untersuchung nicht repräsentativ ist. Ein solches Verfahren ist grundsätzlich möglich, aber es fehlt eben die repräsentative Umfrage. Die Antworten der Befragten wurden nur oder überwiegend in Form einfacher Rohauszählung ausgewertet. Von den darin beschriebenen Zusammenhängen verschiedenster Art werden nur einige angedeutet. Die üblichen Verfahren statistischer Analysen unterbleiben, obwohl sie bei einer Stichprobe von 336 Befragten durchaus durchführbar gewesen wären.
Besonders hervorzuheben ist der kritische Einwand des Sondervotums, daß die Befragungsinstrumente, z. B. Fragebogen, aus der Darstellung nicht ersichtlich sind. An keiner Stelle — auch nicht in den umfangreichen Untersuchungen zum Vierten Jugendbericht — wird das Forschungsinstrument der Öffentlichkeit zur Kritik vorgelegt. Es wäre sicherlich nötig und auch nicht zuviel verlangt gewesen, wenn den 1 500 Seiten, die zur Interpretation aufgewandt werden, die wenigen Seiten hinzugefügt worden wären, anhand deren man das Forschungsinstrument hätte überprüfen können. Wir müssen fragen: Mit welchen Fragen hat man die Jugendlichen überhaupt befaßt. Wir wissen es nicht.



Kroll-Schlüter
Es gibt weitere Einwände, z. B. gegen die sogenannten Sozialisationsziele. Im einzelnen vermißt das Sondervotum eine Berücksichtigung der Hauptschule. Es wird nicht von Pflichten gesprochen, die die Gesellschaft von jungen Menschen berechtigterweise verlangen kann. Vermißt wird auch eine Würdigung der Vorzüge unseres Landes, das seit Jahrzehnten — so auch das Sondervotum — einen relativ großen Spielraum für Arbeitnehmer und Jugendliche in Schulbildung, Freizeit, Berufswahl, Weiterbildung, Meinungsbildung und Interessenvertretung ermöglicht.

(Kuhlwein [SPD] : Er lobt die Bundesregierung!)

Statt dessen wird von einem — Sie werden es kaum bestreiten, Herr Kuhlwein — einseitig klassenkämpferischen Modell ausgegangen. Die jungen Menschen erscheinen allein in der Rolle des bloßen Empfängers von schlechteren oder besseren Sozialisationsangeboten. Wichtige Erziehungsziele werden nicht genannt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0812819500
Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jaunisch?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0812819600
Bitte schön.

Horst Jaunich (SPD):
Rede ID: ID0812819700
Herr Kollege Kroll-Schlüter, darf ich Sie fragen, wen Sie im Moment kritisieren: Kritisieren Sie die Bundesregierung in ihrer Vorbemerkung zu diesem Bericht, oder kritisieren Sie die Wissenschaftler, die unabhängigen Wissenschaftler, und wenn ja, könnten Sie verdeutlichen, wen Sie speziell meinen?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0812819800
Ich kritisiere — vor allem mit den Worten des Sondervotums — den Vierten Jugendbericht in seinem Hauptteil, d. h. in seinem Mehrheitsvotum.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich werde noch einige Aussagen dazu machen müssen, inwieweit bei aller — auch verständlichen — Distanz die Bundesregierung dennoch für solche Berichte verantwortlich ist.

(V o r s i t z: Präsident Carstens)

Auch die Bundesregierung kritisiert diesen Jugendbericht, und zwar auch mit Bezug — hier sind wir uns zum Teil einig — auf das Sondervotum. Sie bedauert die Einseitigkeit, spricht davon, daß ein unzutreffendes Bild der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wirklichkeit gezeichnet wird. Sie kritisiert, wie gesagt, die ideologische Bestimmung. Sie stimmt mit dem Sondervotum in vielen Punkten überein. Damit wird aber auch gesagt, daß die Bundesregierung ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden ist. Sie ist nämlich verantwortlich für die Berufung der Kommission.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Selbstverständlich kann man Wissenschaftler nicht dazu veranlassen, einem gemeinsamen Bericht in allen Detailfragen zuzustimmen. Wer wollte das! Unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen sind notwendig, konstruktiv. Es gibt ja auch die Möglichkeit, zu Teilaspekten Minderheitenvoten vorzutragen. Selbstverständlich! Die Bundesregierung tut sicher gut daran, in solche Kommissionen Wissenschaftler und Experten mit unterschiedlichen Ausgangspunkten und Zielen zu berufen. Bedenklich ist es nur, wenn eine geringe Mehrheit in der Kommission so vernagelt ist, daß sie Einwände der Minderheit nicht mehr produktiv integrieren und zuordnen kann. Das war hier der Fall. Deswegen hat es so lange gedauert, deswegen die Aufspaltung in Mehrheits- und Minderheitenvotum. Im vorliegenden Jugendbericht handelt es sich um ein typisches Beispiel linker Rechthaberei und Engstirnigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Kuhlwein [SPD])

— Sie sollten das akzeptieren und unterstützen, Herr Kuhlwein.
In solchen Kommissionen haben selbst seit Jahren der SPD angehörende Jugendforscher überhaupt keine Chance mehr. In diesen Positionen ist für sozialdemokratische Auffassungen überhaupt kein Platz mehr.

(Dr. Ritz [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Das ist kein Zufall, sondern in unserer jugendpolitischen Landschaft ein weiteres Signal dafür, daß das Spektrum der linken Sprachspiele eine sozialdemokratische Position nicht mehr enthalten kann. — Von FDP, Herr Spitzmüller, ist da überhaupt nicht mehr die Rede — da gibt es nur noch Linke und Gegner —, es sei denn, Sie gruppieren sich unter die Linken ein, was sicherlich nicht ganz falsch wäre.
Es müßte auch einmal die Rolle geklärt werden, Herr Zander, die das Deutsche Jugendinstitut hier spielt.
Das Berichtsmanuskript insgesamt ist schwer analysierbar und kritisierbar. Wir wissen nicht, was man in den Interviews mit den jungen Menschen angestellt hat. Was hat man gefragt? Wie war die Interview-Situation? Haben die Interviewer ihre Erwartung bereits mitgeteilt? Für eine einzige Berufsgruppe hat man 22 — für diese Berufsgruppe nicht einmal typische — junge Menschen befragt und daraus Schlußfolgerungen gezogen.
Sie haben schlechte Erfahrungen mit dem Zweiten Familienbericht. Da wurde mehr vorgelegt, dann wurde er zerrissen. Jetzt haben Sie das notwendige Material leider nicht mehr mit vorgelegt.
Wir müssen bei der Vorlage eines solchen Berichts doch einige — unvermeidlich korrigierende — Forderungen erheben:
Erstens. Die Bundesregierung sollte bei der Berufung von Kommissionen große Sorgfalt walten lassen und von ihrer Praxis abgehen, ständig linke Mehrheiten vorzuprogrammieren, die sich selbst und die anderen Kollegen der Kommission in Schwierigkeiten bringen.



Kroll-Schlüter
Zweitens. Die Bundesregierung sollte in Zukunft bei der Formulierung des Auftrags an die Kommission auch die Erwartung an den die Politik beratenden Teil präzis formulieren und die Fragestellung eingrenzen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812819900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lutz?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0812820000
Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung: nein. Ich komme sonst mit der Zeit nicht aus.
Das bedeutet, daß den Wissenschaftlern auch nur Fragen gestellt werden, die sie auf Grund ihrer wissenschaftlichen Kompetenz redlich beantworten können. Ein zielloses Suchen im großen Feld gesellschaftlicher Phänomene ist nicht Aufgabe von Berichten der Bundesregierung.
Drittens. Es besteht in unserer wissenschaftlichen Öffentlichkeit kein Mangel an marxistischen Interpretationen und Theoriebildungen. Klassenkämpferisch argumentierende Berichte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, brauchen wir von der Bundesregierung wirklich nicht vorgelegt zu bekommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die gibt es reichlich genug!)

Sicherlich gehört zum Pluralismus wissenschaftlicher Methoden auch eine marxistische Analyse und Kritik, nur kann man nicht sagen, daß diese Form der Kritik bei uns unterrepräsentiert oder vernachlässigt wäre.
Viertens. Die Befragung von Jugendlichen ist eine mögliche Methode, über ihre Erwartungen, Haltungen und Zukunftshoffnungen etwas zu erfahren. Wir sollten daran interessiert sein, mehr darüber zu erfahren. Es gehört aber nicht nur zur Aufgabe der Politik, vorhandene Einstellungen und Orientierungen zu fördern. Das jugendpolitische Handeln ist nicht wertneutral, vielmehr muß die Jugend für die Grundwerte unseres zukünftigen Zusammenlebens gewonnen werden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Hier sollte auch darauf hingewiesen werden, daß es nicht richtig ist, wenn immer so getan wird, als gäbe es nur zerrüttete Familien, kaputte Familien, als gäbe es nur benachteiligte Jugend, der ihre Lebenschancen klassenkämpferisch gegeben werden müßte oder die sie sich klassenkämpferisch erkämpfen müßte. Es wird den jungen Menschen ein Spiegel vorgehalten, und, mein Gott, so ist auch dieser Vierte Jugendbericht bis auf das Sondervotum. Daran ist sieben Jahre gearbeitet worden. Ist es nicht ein Skandal? 1975 sollte die Bundesregierung einen Bericht über die Situation der arbeitenden Jugend vorlegen. Schon 1975 gab es Jugendarbeitslosigkeit. Damals im Januar bestritt das die Bundesregierung: „Es gibt keine Jugendarbeitslosigkeit" . Da war auch dieser Vierte Jugendbericht fällig. Es kam nichts. Was dokumentiert deutlicher das Versagen dieser Bundesregierung vor der jungen Generation, wenn ein solcher Auftrag in der gesetzten Zeit zu einem
wichtigen, die Jugend bedrängenden Thema nicht erfüllt wird?
Und dann dieser klassenkämpferische Ansatz, dann diese Ideologie und dann dieses ständige Bemühen im Familienbericht, teilweise im Jugendhilfegesetz, beim elterlichen Sorgerecht, als gebe es nur gestreßte Jugend, vor dem Radikalenerlaß zitternde Jugend, als lausche überall der Verfassungsschutz, als wechselten sich Berufsverbote und Arbeitslosigkeit ab, als sei sie kriminell und betrunken, süchtig und religiös fanatisch und deswegen therapiebedürftig. So ist auch das JHG angelegt. Ich bestreite ja nicht, daß es solche Entwicklungen im Bereich der Jugendsekten gibt — wir haben darüber sachlich gesprochen —, daß es zunehmenden Jugendalkoholismus gibt, zunehmende Jugendkriminalität. Aber das Leitbild der jungen Generation, das Leitbild des jungen Menschen darf nicht ausschließlich von diesem Negativbild gekennzeichnet sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es darf keine Jugendpolitik geben, die sich ausschließlich von diesen negativen Ansätzen her bewegt, krank macht, was noch gesund ist, und dann 14 000 neue Beamte und Angestellte einstellen will, um den ganzen Bereich mehr oder weniger therapeutisch abzudecken. Sie sind da nicht auf dem richtigen Weg. Wenn Sie es uns nicht glauben, dann glauben Sie es Ihren Ministerpräsidenten im Bundesrat. Fragen Sie die Ministerpräsidenten, was im Gespräch mit dem Bundeskanzler dieser über das Jugendhilferecht gesagt hat!

(Franke [CDU/CSU] : Wo ist er denn?)

— Über die Präsenz auf der Regierungsbank möchte ich nicht sprechen. Da sprechen wir den ganzen Tag über Jugendpolitik, über wichtige Anliegen junger Menschen — —

(Hasinger [CDU/CSU] : Zwei Staatssekretäre sind da!)

— Ich muß Ihnen sagen, mein Blick nach vorn läßt mich etwas zurückhaltend sein in der Kritik mit Blick auf die Regierungsbank.

(Wehner [SPD] : Das war nicht schlecht gesagt! Das stimmt sogar! Da hat er recht! — Zurufe von der CDU/CSU und von der SPD — Wehner [SPD] : Wir können doch einmal übereinstimmen!)

— Ich glaube, wir können uns darauf verständigen.

(Weitere Zurufe von der SPD und CDU/ CSU — Wehner [SPD] : Das ist keine Art!)

— Ich habe das gesagt, was ich glaubte, in diesem Moment auf den Zwischenruf sagen zu sollen.
Es gibt auch noch gesunde junge Menschen, es gibt auch noch fröhliche, engagierte, leistungsbereite junge Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Ja! — Hauck [SPD] : Auch musische, singende!)

Wir sollten ihnen Mut machen, sie ermutigen und nicht mit einem JHG und mit solchen und anderen



Kroll-Schlüter
Jugendberichten vorgeben, die halbe junge Republik sei krank.

(Hauck [SPD] : Das sagt ihr doch immer!) — Das ist eben nicht wahr.


(Zuruf des Abg. Hauck [SPD])

— Nein, das ist nicht wahr. Wenn Sie diesen Eindruck hatten, Herr Hauck, soll das damit korrigiert sein. Einverstanden? Sie können sich dann anschließen.

(Hauck [SPD] : Der Eindruck war aber berechtigt!)

Wir müssen zu einer Jugendpolitik mehr unter der Devise finden: Förderung durch Forderung. Die Anbiederei sind die längst leid; darauf hören sie auch nicht mehr; sie wollen herausgefordert werden. Wir schlagen vor, daß die Bundesregierung zukünftig eine sehr gründliche Analyse, eine gründliche Befragung vornehmen läßt. Übrigens, der nächste Jugendbericht ist am 1. Juli 1979 fällig. Herr Zander, es wird Zeit. Wenn er aber um so gründlicher wird, geben wir Ihnen ein paar Monate Zeit, damit wir wirklich etwas Gründliches, Solides, Zukunftsweisendes als Grundlage zu diskutieren haben, eine gründliche Befragung, die ein realistisches Bild zeichnet und daraus Schlußfolgerungen zieht, die für die jungen Menschen tatsächlich eine neue Hoffnung bedeuten können; das wäre eine neue Bestimmung einer Jugendpolitik, von der sich die CDU/CSU-Fraktion auch in der Analyse, Bewertung und Schlußfolgerung des Vierten Jugendberichts hat leiten lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812820100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Marschall.

Manfred Marschall (SPD):
Rede ID: ID0812820200
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Ausführungen meines Vorredners eine kurze Bemerkung, soweit die Familienpolitik angesprochen war. Ich finde es erschreckend, wie hier ein Vertreter der Christlich-Demokratischen Union mit der Sprache umgeht. Wir Sozialdemokraten wollen das Urteil in dieser Frage den Bürgern überlassen. Die Burger können nämlich an den Leistungen ablesen, für wen hier etwas getan wird. Um beim Thema des Jugendberichts zu bleiben: wir setzen auch in der Familienpolitik auf den mündigen Bürger.
Nach § 25 des Jugendwohlfahrtsgesetzes hat die Bundesregierung in jeder Legislaturperiode dem Parlament einen Jugendbericht vorzulegen. Die Geschichte der Behandlung dieses Berichts im Bundestag ist im Bild auf die drei vorangegangenen Berichte keinesfalls ruhmreich. Der erste wurde von der Tagesordnung abgesetzt, der zweite ohne Aussprache überwiesen, der dritte mußte zweimal eingebracht werden, beide Male ohne Diskussion, in den beiden ersten Fällen, Herr Kollege Kroll-Schlüter, unter der Verantwortung eines Kanzlers Ihrer Partei.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Staatssekretär Fred Zander hat den leidvollen Weg der Erstellung dieses Vierten Jugendberichtes bereits geschildert. Ein Fortschritt ist es jedoch, daß sich das Plenum des Bundestages erstmals die Zeit nimmt, einen Jugendbericht zu diskutieren. Der unabhängigen Kommission war das Thema „Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in der Bundesrepublik Deutschland — Konsequenzen für Jugendhilfe und Jugendpolitik" gestellt. Mögen auch die Nachteile überwiegen, wenn es der Sachverständigenkommission nicht gelungen ist, eine einheitliche Stellungnahme zu erarbeiten und sozusagen im Namen der Wissenschaft Analyse und konkrete Vorschläge für die Verantwortlichen in den Fachbereichen, in der Wirtschaft, in der Politik, auf den Tisch zu legen, ich glaube, daß der Vorwurf einer linksseitigen, einseitigen politischen Ausrichtung absurd ist. Sind das denn linke Klassenkämpfer? Herr Kollege Kroll-Schlüter, ich will die Namen der Sachverständigen dieser Kommission nicht mit Ihrem Vorwurf in Verbindung bringen, aber doch immerhin die Titel dieser Mitglieder der Kommission hier an- führen: ein Professor der Soziologie an der Universität Regensburg,

(Hört! Hört! bei der SPD)

ein Professor der Pädagogik an der Universität Regensburg,

(Hört! Hört! bei der SPD — Zuruf von der SPD: „Rote Kaderschmiede" !)

ein Professor der Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Hannover, ein Geschäftsführer der Evangelischen Jugendsozialarbeit in Bayern,

(Hört! Hört! bei der SPD)

eine Direktorin für soziale Betriebsgestaltung in einem Großbetrieb in Hannover,

(Hört! Hört! bei der SPD) ein Gewerkschaftssekretär


(Aha! bei der SPD)

und ein Regierungsdirektor aus dem Kultusministerium von Nordrhein-Westfalen. Die linke oder rote Kaderschmiede? Ich weiß nicht recht, ob wir dies in diesen Zusammenhang hier bringen sollten.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Das wissen Sie doch, Herr Marschall! Sonst hätten sie sich nicht geeinigt!)

Jedenfalls ist mir ein Bericht in zweifacher Ausführung in klarer Sprache, sozusagen mit offenem Visier, Herr Kollege Kroll-Schlüter, lieber als etwas Verklebtes und kaum Erkennbares.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das ist richtig! Dann muß man sich aber auch kritisieren lassen!)

Der Leser — und das gilt eigentlich auch für die Angehörigen der CDU/CSU-Fraktion — sieht sich, ob er will oder nicht, einer jeder Anspruchsgloriole entkleideten Wissenschaft gegenüber und ist somit offenkundig ganz und gar auf seine eigene Abwägung, auf sein Urteil angewiesen. Sie, Herr Kollege Kroll-Schlüter, haben aber selbst zugestanden, daß Sie mit den Worten des Sondervotums das Mehr-



Marschall
heitsvotum kritisiert haben. Von einer inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der CDU haben wir bisher erst wenig vernommen. Ich hoffe aber auf weitere Beiträge.

(Zuruf des Abg. Hasinger [CDU/CSU])

Mehrheitsbericht und Minderheitsbericht zeigen deutliche Schwächen. Auch die Aktualität ist in mehreren Punkten nicht gegeben. So ist eine Reihe von Vorschlägen durch die Entwicklung der letzten Jahre überholt. Vieles ist durch die Politik in Bund und Ländern bereits aufgegriffen worden. Ich möchte hier nur die Erweiterung der Jugendvertretungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz, das Jugendarbeitsschutzgesetz von 1976 und die Einbeziehung des Berufsgrundschuljahrs im 10. Schuljahr in die Ausbildungsförderung erwähnen. Das sind deutliche Beispiele dafür.
Dennoch erfordert es die wirtschaftliche Situation in den Industrieländern, also auch bei uns, auf die Probleme der jungen Generation im Arbeitsleben bei jeder sich bietenden Gelegenheit einzugehen — nicht nur, weil 4 von 5 Angehörigen dieser Generation betroffen sind und bei der beruflichen Bildung immer noch ein Nachholbedarf aus den 50er und 60er Jahren zu decken ist. Angesichts konjunktureller Schwierigkeiten und struktureller Probleme unseres Ausbildungs- und Beschäftigungssystems und starker Geburtenjahrgänge gilt es, jede Anregung zu prüfen und jede Chance zur Verbesserung der Lage vor allem der arbeitslosen Jugendlichen zu nutzen.
Der vorliegende Bericht über die Probleme beim Hineinwachsen der arbeitenden Jugend in die Gesellschaft setzt an einem entscheidenden Punkt an: dem Leitbild des mündigen Bürgers. Den mündigen Bürger im Sinn unserer Grundrechte darf es nicht nur an den Wahltagen im Stimmlokal oder bei Sonntagsreden geben. Auch im Arbeitsleben ist er gefordert. Die Forderung nach Mitbestimmung darf nicht sozusagen an der Amtstür oder am Werkstor abgegeben werden.

(Zustimmung des Abg. Kuhlwein [SPD])

Eine Gesellschaft, die dem einzelnen Bürger an seinem Arbeitsplatz, an dem er unter Umständen vier Jahrzehnte seines Lebens verbringen soll, keine wirksame Gestaltungsmöglichkeit bietet und keine Entfaltung ermöglicht, wird kaum auf den mündigen Bürger rechnen können. Die Ergebnisse der vorgelegten Untersuchungen in Betrieb, Berufsschule und arbeitsweltbezogener Jugendbildungsarbeit zeigen in diesem Bereich deutliche Defizite, die eine eingehende Beratung notwendig erscheinen lassen.
Die Bedeutung der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung kann nur unterstrichen werden. Dazu hat ja die Bundesregierung in den letzten Jahren eine Anzahl von Maßnahmen eingeleitet. Als Stichworte seien hierbei nur genannt: der zusammen mit den Ländern gefaßte Beschluß, den Ausbau des beruflichen Schulwesens voranzutreiben, dabei insbesondere die Förderung des Berufsgrundbildungsjahrs und der Berufsfachschulen, die Bereitstellung erheblicher finanzieller Mittel des
Bundes zum Ausbau überbetrieblicher Ausbildungsstätten und beruflicher Schulen, die Verbesserung der Ausbildungsqualität, die Entwicklung neuer Ausbildungswege und nicht zuletzt der Ausbau der Möglichkeiten zur Förderung beruflicher Bildung nach dem AFG.

(Hasinger [CDU/CSU] : Ausbau? Den Abbau nach dem Haushaltsstrukturgesetz meinen Sie!)

— Das können Sie selber erkunden, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Berufsgrundbildungsjahr nach den neuen Förderungsmöglichkeiten fragen. Die Betroffenen wissen sehr wohl eine klare Antwort darauf zu geben.
Die bereits erzielten Erfolge etwa der wachsenden Bildungsbeteiligung sind heute vormittag belegt worden. Was die Bundesregierung will, kann man an dem Leistungskatalog ablesen.
Angesichts des weiterhin festzustellenden Mangels an Ausbildungsplätzen und Arbeitsplätzen kann verantwortliche Politik nicht auf vorausschauende Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktes verzichten. Einschneidende Entwicklungen werden in den nächsten Jahren das Berufsbildungssystem, den Arbeitsmarkt, die Möglichkeiten der Jugendhilfe auf härteste Proben stellen — die Bundesrepublik voraussichtlich wohl deutlich weniger als viele unserer europäischen Nachbarn.
Die Chance, im Arbeitsleben einen den Neigungen und Fähigkeiten in etwa entsprechenden Platz zu finden, ist aber keine Frage der Statistik, eines mehr oder weniger hohen Prozentsatzes. Jeder unserer jungen Leute braucht diese Chance. Deshalb haben die Sozialdemokraten die Maßnahmen der Bundesregierung zur Sicherung eines ausreichenden Angebots an Ausbildungsplätzen mit Nachdruck unterstützt. Dazu wurde neben dem Ausbau der berufsschulischen Einrichtungen und der Ausbildungsplatzangebote des öffentlichen Dienstes das Ausbildungsplatzförderungsgesetz geschaffen. Damit wird eine bessere Erfassung des Ausbildungsplatzangebots, eine überbetriebliche Verteilung der Ausbildungskosten und mehr Mitwirkung und Mitbestimmung der an der beruflichen Bildung Beteiligten durchsetzbar.
Die im Bericht enthaltene Empfehlung an die Betriebe, Überlastquoten im Lehrstellenangebot vorzusehen, um aus einzelbetrieblichem Interesse einer Facharbeiterlücke in den 80er Jahren vorzubeugen, weist den Verantwortlichen in der Wirtschaft einen weiteren Weg.
Wer auf die alleingültige reine Lehre der Marktwirtschaft oder allein auf die wunderwirkende Kraft von Angebot und Nachfrage bauen will, mag dies bei Industrieprodukten oder den Erzeugnissen des Handwerks vertreten. Wer aber mit dieser Begründung die Sicherung eines ausreichenden und qualifizierten Angebots an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für die junge Generation verhindert oder bremst, muß wissen, daß er das Leben junger Menschen ruiniert, daß er für die absehbare Zukunft einen harten Konflikt der Generationen programmiert. Einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der



Marschall
Ausbildungssituation kann auch die Opposition durch zügige Durchführung der Rahmenvereinbarung 1978 über das Berufsgrundbildungsjahr leisten. Wir Sozialdemokraten unterstützen die Bemühungen, das Berufsgrundbildungsjahr als anrechnungsfähigen Teil der Berufsausbildung einzurichten. Mit den ländereinheitlichen Rahmenlehrplänen, der Anrechnungsverordnung und der neuen Zuordnung der Ausbildungsberufe zu • den Berufsfeldern ist eine Grundlage gegeben, auf der der dringend erforderliche zügige Ausbau des Berufsgrundbildungsjahres vorangetrieben werden kann.
Nach den Worten der CDU von heute vormittag liegen wir mit dieser Forderung nicht so weit auseinander. Doch möchte ich Sie bitten, dafür zu sorgen, daß, sich in der Praxis kein Abgrund zu den Worten des guten Vorsatzes auftut. Helfen Sie mit, etwa den früheren Kollegen Strauß aus dem Abseits zurückzuholen, wenn er Äußerungen von sich gab, die als eine erste öffentliche Kampfansage gegen das Berufsgrundbildungsjahr in Bayern verstanden wurden.

(Zuruf von dei SPD: Er kämpft jetzt gegen alles!)

Die Empfehlungen der Kommission zur Berufsberatung werden der weiteren Diskussion dieses Themas im Bundestag wertvolle Anregungen geben. Auch in diesem Bereich gilt, daß in der Zwischenzeit wichtige und erfolgreiche Weichenstellungen bei der Berufsberatung erfolgten.
Die Probleme der Jugendarbeitslosigkeit haben in den Diskussionen, Entscheidungen und Maßnahmen der letzten Jahre eine vorrangige Bedeutung erhalten. Lassen Sie mich dabei nur auf das Programm zur Minderung der Beschäftigungsrisiken von Jugendlichen hinweisen. Besonders wichtig erscheint es in diesem Zusammenhang, die berufliche Förderung von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß sowie von geistig und körperlich Behinderten zu verstärken. Auch hier gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die bereits eingeleitet wurden, um diesen benachteiligten jungen Leuten durch besondere Hilfen möglichst gleiche Chancen,für ihr Berufsleben zu geben.
Die große Zahl der Fördermaßnahmen der letzten Jahre hat inzwischen in vielen Einzelfällen den Weg zur regulären Berufsausbildung ermöglicht. Es kommt uns Sozialdemokraten darauf an, daß der einzelne seine gerechte Chance erhält. Deshalb bewerten wir es auch •nicht gering, wenn es gelungen ist, vielen einzelnen' zum nachgeholten Hauptschulabschluß zu verhelfen oder auf andere Weise den Weg ins Berufsleben zu ebnen.
Offensichtlich zu kurz gekommen beim vorliegenden Jugendbericht sind die Möglichkeiten der Jugendhilfe. Zur Tätigkeit von Seminaren werden aufschlußreiche Untersuchungen vorgelegt, die einer eingehenden Diskussion bedürfen. Kaum erwähnt sind aber die Möglichkeiten der arbeitsbezogenen Jugendarbeit, die gerade in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt werden konnten. Dies gilt für die vorberufliche Betreuung, die Schulsozialarbeit, sozialpädagogische Hilfen, die Wohnheimarbeit. Diese Möglichkeiten müssen noch ausgebaut werden, nicht zuletzt auch neue Formen der Jugend-
arbeit, etwa bei den Eingliederungshilfen für junge Zuwanderer aus der DDR und junge Bürger, die aus osteuropäischen Ländern zu uns kommen.
Die Bundesregierung wird die Aufgabe haben, darauf hinzuwirken, daß die arbeitsbezogenen Angebote der Jugendarbeit intensiv fortgeführt und ausgeweitet werden können. Den bisher erbrachten Leistungen, z. B. der Jugendsozialarbeit, der politischen Bildung, der Gewerkschaften und der Kirchen, auf diesem Felde folgend, sollten zunehmend auch andere Verbände der Jugendarbeit den Problemen der Arbeitswelt verstärkt ihre Aufmerksamkeit zuwenden.
Der Abbau der Benachteiligungen von Frauen 'und Ausländern bedarf in besonderer Dringlichkeit der politischen Aufmerksamkeit. Dieses Feld greift über den Themenbereich dieses Jugendberichts hinaus.

(Hasinger [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Wieweit dies alles in praktische Arbeit umgesetzt werden kann, hängt nicht zuletzt auch von einer baldigen Reform des Jugendhilferechts ab.

(Beifall bei der SPD)

Mit dieser Reform kommt eine gewaltige Verantwortung auf die Vertreter der Unionsparteien im Bundestag und in den Ländern zu. Die Opposition sollte hierbei alle Anstrengungen aufbringen, um aus den gefährlichen Spuren einer Obstruktionspolitik herauszukommen. Leidtragende wären nämlich gerade die Jugendlichen in unzählbaren Einzelschicksalen,
Die Diskussion im Bundesrat hat gezeigt, wie problematisch die Begründung der Angriffe ist, die gegen das Jugendhilferecht lanciert werden. Ich denke da an die Verlautbarungen von Franz Josef Strauß.

(Hasinger [CDU/CSU] : Die haben vor allem gezeigt, daß der Entwurf sehr schlecht ist!)

— Dies gerade nicht, sonst hätte er nicht seine Begründungen wechseln müssen.
Auf die Taten des Gesetzgebers kommt es im Jahre 1979 genauso an wie auf den persönlichen Einsatz der Verantwortlichen in allen Entscheidungsbereichen unserer Gesellschaft. Die Schlagworte, die heute vormittag gefallen sind, tragen jedenfalls nicht zur Lösung der Schwierigkeiten bei.
Der Kommission und ihren Mitarbeitern sei jedenfalls Dank für die geleistete schwierige Arbeit gesagt, einer Arbeit auf einem bisher kaum gepflügten Feld — und das in einer Zeit, in der die Probleme des Arbeitsmarktes zur Tür hereindrängten.
Lassen Sie mich zum Schluß die Hoffnung aussprechen, daß der nächste Jugendbericht zum einen aktueller und in der Form geeigneter die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen in Fachkreisen, Wirt. Schaft und Politik auf die Schwierigkeiten der Jugend lenken kann und zum anderen aus der erstmaligen Diskussion des Jugendberichts eine Tradition des öffentlich gezeigten und ernstgenommenen Interesses des Parlaments an den Lebenschancen der Jugend wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP)





Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812820300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0812820400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nachdem heute schon mehrfach der Zweite Familienbericht, den die Bundesregierung im April 1975 vorgelegt hatte, angesprochen wurde, lassen Sie mich mit einem Rückblick auf diesen Bericht beginnen, dessen Behandlung durch die Opposition von damals bis heute einiges für die Kritik auch an diesem Bericht, mit dem wir uns heute beschäftigen müssen, erwarten ließ. Ich spreche also ganz bewußt den Zweiten Familienbericht, den die Bundesregierung im April 1975 vorgelegt hat, an.
Seit bald vier Jahren dient jener Bericht einigen Verbänden und Teilen der CDU/CSU als familienpolitisches Schreck- und Zerrbild, das der Koalition und der Öffentlichkeit mit anklagend erhobenem Zeigefinger immer wieder vorgezeigt wird. Das Prinzip ist ganz einfach — Herr Kroll-Schlüter, Sie ha- ben es heute auch wieder ein bißchen, nicht ganz so schlimm wie damals, praktiziert —: Man nimmt die damalige Drucksache mit 188 Seiten, schlägt die Seite 120 auf und zieht zwei Sätze heraus, die der Kommission zweifellos total verunglückt sind. Da heißt es: die Erziehung der Kinder sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von der Gesellschaft Familien und außerfamiliären Einrichtungen übertragen sei.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Herr Spitzmüller, es gibt eine ganze Schubkarre voll solcher Formulierungen! Lastwagen voll!)

— Herr Kollege Kroll-Schlüter, Sie haben dies in diesem Bundestag und draußen so oft vorgetragen, daß man dem gar nicht oft genug entgegentreten kann, um deutlich zu machen, was im Familienbericht wie im Jugendbericht Bericht der Kommission ist und was Stellungnahme der Bundesregierung ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Selbstverständlich — meine Damen und Herren von der CDU, das muß hier für die Koalition wiederholt werden — sind nach Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern, also eine Aufgabe, die die Eltern als eine ursprüngliche, nicht etwa als eine von der Gesellschaft abgeleitete zu erfüllen haben. Das möchte ich hier noch einmal deutlich herausstellen. Die Bundesregierung hat damals auf Seite VI ausdrücklich bemerkt, daß sie von dieser Verfassungsbestimmung ausgeht und in ihr eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts ansieht

(Hasinger [CDU/CSU] : Daraus sollte sie Konsequenzen im Folgerecht ziehen!)

Diese Stelle, meine Damen und Herren, wird aber vielfach von Verbänden und Teilen der CDU/CSU-Fraktion dann nicht mit zitiert.
Das Beispiel des Zweiten Familienberichts habe ich deshalb herangezogen, weil das Zustandekommen und der Aufbau des hier nun debattierten Vierten Jugendberichts mit jenem Bericht genau zu vergleichen ist. Der Hauptteil des Gesamtberichts wird jeweils von einem umfangreichen Bericht einer unabhängigen Sachverständigenkommission eingenommen. Diese von der Bundesregierung berufene Kommission erarbeitet, wie Sie auch wissen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ohne einem Weisungsrecht von seiten der Regierung zu unterliegen, diesen Bericht, den Sie dann der Bundesregierung vorlegt. Diese gibt wiederum ihre Stellungnahme zu dem Kommissionsbericht ab und legt dann den Kommissionsbericht und die eigene Stellungnahme als den eigentlichen Bericht dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat vor. Dieses Verfahren für die Jugendberichte ergibt sich eben aus § 25 des Jugendwohlfahrtsgesetzes.
Die beiden eingangs zitierten anfechtbaren Sätze aus dem Familienbericht stehen in dem von der Kommission zu verantwortenden Text, das Bekenntnis zum natürlichen Elternrecht in der Stellungnahme der Bundesregierung. Dieser Umstand zeigte damals wie heute deutlich, was man von den polemischen Angriffen auf die Bundesregierung wegen ihres Familienberichts und auch heute von den Angriffen wegen des Jugendberichts zu erwarten hat: nichts Gutes auf jeden Fall, Herr Kollege Kroll-Schlüter. Ehrlich war das Verfahren damals nicht, und ehrlich war es auch heute nicht; denn alles, was
Sie an Angriffen auf die Regierung angerührt haben -

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Das ist eine bösartige Unterstellung! Wahrscheinlich haben Sie den Bericht gar nicht gelesen!)

- Ich habe ihn gut gelesen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Dann könnten Sie so nicht sprechen!)

Alles, was Sie, Herr Kollege Kroll-Schlüter, bei Ihren Angriffen auf die Bundesregierung angeführt haben, steht im Kommissionsbericht. Was Sie als negativ aufgeführt haben, ist dem Kommissionsbericht entnommen.

(Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

Herr Kollege Marschall hat schon die Namen und die Wohnorte der Kommissionsmitglieder aufgeführt. Es ist ganz erstaunlich, daß die vier Kommissionsmitglieder, die zur Mehrheit zählten, südlich des Mains ihren Wohnsitz haben, und die drei, die zur Minderheit zählten — dem Minderheitenvotum haben Sie ausdrücklich Beifall gezollt —, nördlich des Mains wohnen. Also „Nordlichter" können es mit Sicherheit nicht gewesen sein, die als Mehrheit den Kommissionsbericht hier vorgelegt haben.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

Das nur als kleines Aperçu dabei.
Meine Damen und Herren von der CDU, ich gebe durchaus zu, daß man über die besonderen Strukturverhältnisse dieses Vierten Jugendberichts noch einige Ausführungen machen kann; denn dieser Bericht hat nicht zwei Teile, wie man es erwartete,



Spitzmüller
sondern eben drei Teile: den Bericht der Mehrheit von vier Sachverständigen in der Kommission, das Sondervotum der Minderheit von drei Sachverständigen und die Stellungnahme der Bundesregierung. In ihrer Stellungnahme spricht die Bundesregierung richtiger von einem Mehrheitsbericht und von einem Minderheitenbericht. .
Meine Damen und Herren von der Opposition, Herr Kroll-Schlüter, wenn Sie meinen, in einem solchen Ausschuß wäre für FDP-Leute kein Platz, dann täuschen Sie sich. Ich glaube, daß die FDP und ich ganz persönlich erheblichen Anteil daran haben, daß die Minderheit durchgehalten hat und daß es eben nicht nur zu einem Kommissionsbericht, sondern auch zu einem Sondervotum kommen konnte.

(Beifall bei der FDP)

Hier, meine Damen und Herren, haben wir nämlich mit großem Unbehagen verfolgt, was sich in dieser Kommission abgespielt hat, da ein Kommissionsmitglied mir seit vielen Jahren persönlich bekannt und freundschaftlich und politisch verbunden ist.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Der kam aus dem Süden!)

— Nein, der kam nicht aus dem Süden; nördlich des Mains mußte er ja sein, wenn er bei der Minderheit blieb, Herr Kollege Kroll-Schlüter. Aber Herr Kollege Marschall hat schon darauf hingewiesen: Die Titel, mit denen sich die Kommissionsmitglieder zu Recht schmücken können, lassen nicht erwarten, daß ein solcher Kommissionsbericht vorgelegt werden muß.
Hier möchte ich nun ganz klar für die FDP herausstellen: Wir wollen keinen Zweifel daran lassen, daß wir uns mit dem einseitigen, von marxistischen Grundsätzen mitgeprägten ideologischen Ansatz des Mehrheitsberichts keineswegs identifizieren können und keineswegs damit einiggehen können.

(Beifall des Abg. Kroll-Schlüter [CDU/CSU])

Und auch die Bundesregierung tut dies nicht, wenn Sie Ihre Stellungnahme genau lesen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Frau Minister Huber hat dankenswerterweise dafür gesorgt, daß der seinerzeitige Kommissionsbericht mit einem Umfang von 1 500 Seiten stark gekürzt wurde. Sie hat damit dem Rechnung getragen, was sie am Beginn ihrer Laufbahn als Ministerin versprochen hat, nämlich zu lesbareren Fassungen zu kommen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, wenn man keine Weisung hat, dann ist die Möglichkeit der Eingriffnahme eben relativ begrenzt. Was jetzt vorliegt, ist eine lesbare Kurzfassung. Auch wenn dadurch manche Kraßheiten des ursprünglichen Berichts verkürzt und gemildert wurden, so ist doch die Grundtendenz dieses einseitigen Ansatzes auch in dem Mehrheitsbericht noch klar zu erkennen.
Dabei wurde das bei dem Auftrag des Ministeriums zugrunde gelegte Leitbild des mündigen Bürgers erschreckend einseitig zu einer regelrechten
Konfliktstrategie für den jungen Arbeitnehmer und Auszubildenden gegenüber Betrieb und Arbeitgeber zugespitzt. Es wird ein durchgängiger, durch das private konkurrenzwirtschaftliche Prinzip unserer Gesellschaft bedingter struktureller Gegensatz zwischen den Interessen der Arbeitgeber und Betriebe einerseits sowie den Interessen der Arbeitnehmer und Auszubildenden andererseits gesehen. Daraus folge eine im Prinzip nicht aufzuhebende Benachteiligung der Auszubildenden im Betrieb. Je nachdem, inwieweit es nun den Auszubildenden gelinge, diese Benachteiligung durch Konfliktbereitschaft anzugehen und abzubauen, werden von den Verfassern des Mehrheitsberichts den verschiedenen Gruppen von Jugendlichen und Auszubildenden, etwa Friseuren oder Schlossern, ideologische Noten verteilt.
Wir Freien Demokraten sind befriedigt darüber, daß sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme von dieser Einseitigkeit des angeblich strukturbedingten Grundwiderspruchs zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausdrücklich distanziert. Wir bejahen zwar mit der Regierung das Prinzip des mündigen Bürgers, nicht zuletzt das des kritischen jungen Bürgers, sind aber nicht damit einverstanden, daß ein Teil der Kommission hier der Öffentlichkeit die gesellschaftliche Situation der jungen arbeitenden Generation in derart verzerrter Schwarzweißmanier schildert. Wir Parlamentarier haben viel mehr die Möglichkeit, diesen Teil des Berichts kritisch anzusprechen, als die Bundesregierung als Auftraggeber, der nicht eingreifen soll, dies nun einmal nicht tun konnte.
Wir stimmen ebenfalls mit der Bundesregierung darin überein, daß der Minderheitsbericht zu Recht von einem pluralistischen Ansatz ausgeht, der trotz aller im Arbeitsleben ohne Zweifel wirksamen Interessengegensätze die vielfältigen verbindenden Kräfte sieht und anerkennt. Ich kann nur hoffen, daß bei der Auswertung dieses Vierten Jugendberichts nicht etwa die letzten besonders lesenswerten Seiten mit dem Sondervotum des Minderheitsberichts vergessen werden. Für uns Freie Demokraten sind diese letzten Seiten das Wesentliche dieses Berichts, da auf dieses Minderheitenvotum auch der alte Spruch angewendet werden kann: In der Beschränkung zeigt sich der Meister.
Ich kann nur unterstreichen, was Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander hier ausgeführt hat. Wir freuen uns, daß durch Initiativen der Bundesregierung gemeinsam mit den Landesregierungen und durch Initiativen der Landesregierungen viele der Anmerkungen und geschilderten Defizite gemildert oder teilweise behoben sind. Wir sind überzeugt, daß in einem solchen Geiste des Miteinanderarbeitens, wie es Bundesregierung und Landesregierungen auf vielfältigen Gebieten der Jugendpolitik bewiesen haben, mehr erreicht wird als mit einem so superkritischen Kommissionsbericht, wie ihn die Mehrheit vorgelegt hat.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812820500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Karwatzki.




Irmgard Karwatzki (CDU):
Rede ID: ID0812820600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in meinen Ausführungen mehr auf wissenschaftstheoretische und methodische Fragen eingehen, als eine allgemeinpolitische Wertung abzugeben, wenngleich sich beides, so meine ich, nicht ausschließt, sondern einander bedingt. Dabei geht es nicht darum, den Autoren des Mehrheitsberichts ihre wissenschaftliche Qualifikation abzusprechen — wenngleich die Mängel erheblich sind —, sondern darum, Stellenwert und Reichweite oder, besser gesagt, die Grenzen der Untersuchung aufzuzeigen.
Die in der Empirie übliche Hypothesenbildung fehlt oder ist sehr undeutlich. Statt dessen wurde nach eigenen Angaben des Kommissionsvorsitzenden der Untersuchung eine Gesellschaftstheorie zugrunde gelegt, die bereits in der Kommission umstritten war und auch nach Meinung der Bundesregierung einseitig und für die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland unzutreffend ist. Gleichzeitig aber wird dieses Raster auch noch als Interpretationsmuster verwendet. Daß das zu keinem Erkenntnisfortschritt führen kann, ist einleuchtend. Stellenwert und Reichweite der Untersuchung werden dadurch erheblich eingeschränkt.
Daß die gewählten Stichproben zu klein und nicht repräsentativ sind, ist offensichtlich und ein weiterer schwerwiegender Mangel dieser Untersuchung.

(Beifall bei der FDP)

In Einzelfällen ist auch Zweifel an den angewandten Methoden zu üben. Von den Autoren selbst wird ja schon kritisch angemerkt, daß es sich nicht um eine Längsschnittanalyse handelt und selbst die vorgenommene Querschnittanalyse weite Bereiche vernachlässigen mußte. Daß eine Kontrollstichprobe —dazu mit fadenscheinigen Begründungen — nicht erfolgt ist, ist wissenschaftlich unüblich und ebenfalls nicht ohne Einfluß auf den Stellenwert und auf die Reichweite dieser Untersuchung.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Nach Meinung des Minderheitenvotums können aus einer derartigen Studie weder allgemeingültige Diagnosen, geschweige denn Prognosen und Empfehlungen abgeleitet werden.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Dieser Meinung möchte ich mich mit Nachdruck anschließen.
Weit bedenklicher allerdings ist die Tatsache, daß der Untersuchungsgegenstand geändert worden ist. Das Thema lautete: Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in der Bundesrepublik Deutschland. Vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit wurde, wogegen auch nichts einzuwenden ist, das Kriterium des mündigen Bürgers vorgegeben. Doch schon im zweiten Absatz der Einleitung heißt der Untersuchungsgegenstand dann „arbeitende Jugendliche". Daß damit eine wesentliche inhaltliche Festlegung bezüglich der Fragestellung gegeben ist, wird selbst von der Kommission schon zugegeben. Folgerichtig und konsequent wird dann nicht mehr differenziert, sondern einmal von
„Sozialisationsproblemen arbeitender Jugendlicher", dann von „den arbeitenden Jugendlichen" oder aber von „arbeitenden Jugendlichen" gesprochen. Den Autoren scheint nicht aufzugehen, daß sich diese Formen quantitativ voneinander abheben. Das ist aber nicht nur ein formaler Mangel, sondern auch eine wissenschaftlich nicht zulässige Veränderung, zumal die willkürliche Ausdehnung des Gegenstandes der Untersuchung auch die willkürliche Verwendung des Umfangs des Untersuchungsgegenstandes nicht ausschließt. Selbst wenn man eine Manipulation des Untersuchungsgegenstandes ausschließt, beeinträchtigt dieser Tatbestand wiederum Stellenwert und Reichweite der Untersuchung in gravierender Weise.
Angesichts des willkürlichen Gebrauchs des Untersuchungsgegenstandes ist es fast nicht mehr verwunderlich, daß Untersuchungsansatz und Untersuchungsziel ständig verwechselt werden, wie überhaupt ein unreflektierter und unkritischer Gebrauch von Worten und Begriffen feststellbar ist. Dies trifft auf die Begriffe „Sozialisation", „Sozialisationsdefizite", „soziokulturell" und „soziostrukturell" zu.
Gravierender allerdings, meine Damen und Herren, fällt ins Gewicht, daß der sozialisationstheoretische Ansatz viel zu eng ist und die vier genannten Sozialisationsziele unzureichend und unzutreffend sind, wie übereinstimmend das Minderheitenvotum und die Bundesregierung bemängeln.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen Klammersatz. Daß hier soviel Fremdwörter gebraucht werden, liegt nicht an mir, sondern liegt an diesem unmöglichen Papier, das uns vorgelegt worden ist und auf das ich immer wieder zurückgreifen muß.

(Beifall bei der CDU/CSU — Kuhlwein [SPD] : Ein Teil davon ist auch auf Ihrem Mist gewachsen! — Kroll-Schlüter [CDU/ CSU]: Nicht sehr charmant, Herr Kuhlwein!)

So fehlt z. B. der Bereich der Personalisation völlig. Dies ist um so erstaunlicher, als einerseits vom Leitbild des mündigen Bürgers ausgegangen wird, andererseits angesichts der vorgegebenen Gesellschaftstheorie nicht verwunderlich ist, daß es dann so ist. Es muß deutlich gesagt werden, daß man durch Untersuchungen dieser Art vielleicht — vielleicht! — Einstellungen, aber nicht Verhalten messen kann.
Die Untersuchung ist nicht nur aus den vorgenannten Gründen problematisch, sondern auch im Bereich der Empfehlungen unbefriedigend.

(Hasinger [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Folgende Tatbestände lassen mich zu dieser Beurteilung kommen:
1. Es besteht ein nicht zu verkennender Bruch zwischen dem Analyseteil und den Empfehlungen, der vielleicht daher rührt, daß es sich meist um bildungs- und arbeitsmarktpolitische Empfehlungen handelt, Gebiete also, auf denen die Sachkompetenz vielleicht in dem Maße nicht gegeben war.
2. Festzustellen bleibt auch, daß die Empfehlungen teilweise in sich widersprüchlich oder zumindest



Frau Karwatzki
nicht eindeutig sind, z. B. in der Frage der Beibehaltung des dualen Systems und bei den Ursachen und Folgen von Jugendarbeitslosigkeit oder weil der Umfang der Bundeskompetenz in der Jugendarbeit überschätzt wird.
3. Umstritten sind teilweise auch Prognosen — etwa der Trend zur Rationalisierung und seine Folgen —, die den Empfehlungen zugrunde gelegt sind und deshalb zu falschen Schlüssen führen.
4. Überrascht, ja fast verwirrt hat mich die eindeutig ökonomische Begründung der Berufsausbildung von Mädchen bzw. der Berufstätigkeit der Frau. Daß es unterlassen wird, den Frauen einen originären Anspruch auf Berufstätigkeit einzuräumen, hätte ich von einer solchen Untersuchung nicht erwartet.
5. Die Empfehlungen sind insgesamt nicht weltbewegend, sondern recht mager, weil in der Tat schon vieles diskutiert bzw. aufgegriffen worden ist, und zwar nicht nur von der Bundesregierung — wie sie sich rühmt , sondern zumindest auch von der CDU/CSU-Fraktion. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Antrag unserer Fraktion zum Thema „Zukunftschancen der jungen Generation", der heute morgen hier diskutiert worden ist.
6. Es war vielleicht naheliegend, bei dem hier anstehenden Thema bildungs- und arbeitsmarktpolitische Empfehlungen auszusprechen. Aber der Auftrag lautete, „Konsequenzen für Jugendhilfe und Jugendpolitik" zu ziehen. Diese sind nicht bzw. nur bedingt, wie auch die Bundesregierung andeutungsweise zugibt, gezogen worden.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Sehr allgemein!)

Auch dadurch büßt die Untersuchung an Stellenwert ein.
Lassen Sie mich nun noch zusammenhängend etwas zur Haltung der Bundesregierung sagen. Bezeichnenderweise ist die Stellungnahme der Bundesregierung — quantitativ wie qualitativ — sehr zurückhaltend und doch deutlich.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Bescheiden, dürftig ist das!)

Ihr Unbehagen ist auch daran meßbar, daß sie über ein Jahr für ihre recht knappe Stellungnahme brauchte, ja vorhatte, die Untersuchung überhaupt nicht zu veröffentlichen.
Positiv ist jedoch zu vermerken, daß die Bundesregierung einige schwerwiegende Bedenken des Minderheitenvotums, die auch die CDU/CSU-Fraktion teilt, übernommen hat, nämlich: Die Bundesregierung kann keinen strukturbedingten Grundwiderspruch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern konstatieren, eine Aussage, die sicherlich bei weiten Teilen innerhalb der Basis der SPD und bei den Jusos auf Widerstand stoßen wird.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß der Mehrheitsbericht ein unzutreffendes Bild der gesellschaftlichen und der wirtschaftlichen Wirklichkeit enthält. Auch dem stimmen wir zu. Einig sind sich Bundesregierung und die Fraktion der CDU/CSU auch darin, daß ein stabilisierender Konsens über
Normen, Zielsetzungen sowie Rechte und Pflichten der Bürger für eine demokratische Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind. Es wäre zu hoffen und zu wünschen, daß diese Einstellung der Bundesregierung ehrlich gemeint ist und auch auf andere Gebiete übergreift.
Festzuhalten bleibt, daß die verspätete Fertigstellung des Berichts, der methodisch-theoretische Ansatz und die Durchführung der Untersuchung, die Änderung und Nichteinhaltung des Themas durch die Kommission, die einjährige Überprüfung des Berichts durch die Bundesregierung und der unzureichende Charakter der Stellungnahme der Bundesregierung — selbst unter Würdigung zu begrüßender Einstellungen der Bundesregierung — zu kritisieren sind. Die Bundesregierung als Auftraggeber hat versäumt, auf den Zeitplan Einfluß zu nehmen. Sie sollte für die Zukunft überlegen, ob es nicht notwendig ist, angesichts solch umfassender Untersuchungen das personelle Konzept zu ändern und Hauptamtliche mit der Erstellung solcher Untersuchungen zu beauftragen, weil die Arbeit anscheinend nebenamtlich zeitlich — zumal in Kommissionen, die so pluralistisch zusammengesetzt sind —

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Pluralistisch?) nicht zu bewältigen ist.

Zu überlegen wäre auch, ob die Hilfestellung des Deutschen Jugendinstituts hier mehr eingefordert werden müßte. Gerade der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit hat ja bei den letzten Haushaltsberatungen einer erheblichen Ausweitung der Bundesmittel hierfür zugestimmt, und man muß eigentlich überprüfen, wie diese Bundesmittel dann auch für solche Untersuchungen eingefordert werden können, die ja dazu beitragen sollen, ein realistisches Bild der Jugend in der Bundesrepublik Deutschland zu zeichnen.
Zu denken sollte der Bundesregierung allerdings geben, daß vier Monate nach Veröffentlichung des Berichts eine Reaktion etwa der Jugendverbände ausgeblieben ist.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — KrollSchlüter [CDU/CSU] : Wer liest denn so etwas?)

Prüfen sollte die Bundesregierung insbesondere, ob das am Ergebnis der Untersuchung oder aber am politischen Stellenwert des Berichts liegt.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Am klaren Deutsch!)

Auch wenn Dauer und Ergebnis der Untersuchung unbefriedigend sind, meine Damen und Herren, bleibt den Beteiligten für ihre Arbeit zu danken. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812820700
Meine Damen und Herren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe daher die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlage auf Drucksache 8/2110 an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — sowie an den Aus-



Präsident Carstens
schuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend — vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr
— Drucksache 8/2453 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das Wort zur Einbringung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Hermann Buschfort (SPD):
Rede ID: ID0812820800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr liegt Ihnen heute in erster Lesung zur Beratung vor. Mit diesem Entwurf folgt die Bundesregierung dem erklärten Willen von Bundestag und Bundesrat, im Schwerbehindertengesetz die Vergünstigungen für Behinderte unabhängig von der Ursache der Behinderung zu gestalten.
Die derzeitige Regelung für Behinderte ist sehr unbefriedigend. Sie kommt vorwiegend nur Behinderten zugute, deren Behinderung auf einer be- stimmten Ursache beruht. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen, unter denen die Freifahrtvergünstigung gewährt wird, auch insofern unterschiedlich, als bestimmte Gruppen von Behinderten bestimmte Einkommensvoraussetzungen erfüllen müssen; die hierfür maßgebenden Einkommensgrenzen richten sich nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die gesetzliche Regelung der Freifahrtberechtigung ist schließlich auch deshalb unbefriedigend, weil der Nahverkehrsbegriff nicht mehr den heutigen Verkehrsgegebenheiten entspricht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat schon 1974 einen ersten Anlauf zu einer Neuregelung gemacht. Dieser Versuch ist damals an den Einwendungen des Bundesrates gescheitert.

(Hasinger [CDU/CSU] : Weil der Bund kein Geld zur Verfügung gestellt hat!)

Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich schon im Jahre 1975 mit dem Recht der Freifahrt für Schwerbehinderte auseinandergesetzt. Es hat die geltenden Regelungen damals zwar noch für verfassungskonform angesehen, jedoch hat es zu erkennen gegeben, daß es vom Gesetzgeber eine Neubestimmung des berechtigten Personenkreises erwartet, damit verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Ungleichbehandlung der Behinderten für die Zukunft ausgeschlossen werden.
Dem folgt der nunmehr von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf. Darin wird der begünstigte Personenkreis gegenüber der bisherigen Regelung erweitert und ohne Berücksichtigung der Ursache der Behinderung abgegrenzt. Im Nahverkehr sollen alle Schwerbehinderten freifahrtberechtigt sein, sofern sie in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. Desgleichen soll auch ihre Begleitperson in den Genuß der Freifahrtvergünstigung kommen, sofern eine ständige" Begleitung des Schwerbehinderten notwendig ist.
Unter der gleichen Voraussetzung soll die Begleitperson Schwerbehinderten auch im Fernverkehr freifahrtberechtigt sein. Der Begriff „Nahverkehr" wird so erweitert, daß er praktisch alle Omnibuslinien und den Eisenbahnverkehr, soweit er in einen Verkehrsverbund einbezogen ist, umfaßt. Besonders hervorheben möchte ich, daß auch diejenigen Schwerbehinderten künftig freifahrtberechtigt sein sollen, die durch innere Leiden oder durch die Beeinträchtigung ihrer Orientierungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich bewegungsbehindert sind. Die Erweiterung des Nahverkehrsbegriffs wird insbesondere Schwerbehinderten in ländlichen Gebieten die kostenlose Benutzung der dort eingesetzten Verkehrsmittel eröffnen.
Insgesamt gesehen soll die Neuregelung dazu beitragen, den schwerbehinderten Mitbürgern die Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft weiter zu erleichtern. Die Freifahrtvergünstigung soll helfen, Schwerbehinderte aus der Isolation ihrer Wohnungen und Häuser zu befreien und ihnen die Teilnahme am Leben ihrer Umwelt zu erleichtern.
Die politische Bedeutung und Dringlichkeit dieses Gesetzentwurfs stehen für die Bundesregierung außer Zweifel. Zahlreiche Anfragen aus diesem Ho- hen Hause, vielfältige Eingaben von Behindertenorganisationen und eine Fülle von Petitionen unserer behinderten Mitbürger machen dies überdeutlich.
Der Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist Teil unserer Sozialpolitik für Behinderte, die die Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zum Ziele hat. Dazu gehört der Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile durch Rehabilitationsleistungen und Vergünstigungen. Auf diesem Gebiet ist seit Anfang 1970 Wesentliches geleistet worden. Als im Jahre 1970 unter Walter Arendt das „Aktionsprogramm Rehabilitation" als erstes umfassendes Konzept zur Eingliederung der Behinderten entwickelt wurde, war das damals zweifellos ein großer Wurf. Dieses Konzept blieb nicht nur auf dem Papier stehen, sondern ist Schritt für Schritt und Jahr für Jahr verwirklicht worden. Ich will hierfür nur zwei Schwerpunkte nennen: die Verbesserung des Rechts der Behinderten durch das Schwerbehindertengesetz und das Rehabilitationsangleichungsgesetz, die zu einem ganzen Bündel von Gesetzen im Interesse der Behinderten gehören, und den Aufbau eines bundesweiten Netzes leistungsfähiger Rehabilitationseinrichtungen, Berufsförderungswerke, Berufsbildungswerke und Werkstätten für Behinderte.



Parl. Staatssekretär Buschfort
In der Zeit von 1962 bis 1969 hat der Bund zur Förderung der beruflichen Rehabilitation knapp 30 Millionen DM ausgegeben, in der Zeit von 1970 bis 1978 rund das Vierzehnfache dieses Betrages, nämlich 427 Millionen DM.

(Hasinger [CDU/CSU] : Aber für dieses Gesetz geben Sie fast nichts aus!)

— Für dieses Gesetz, Herr Kollege Hasinger — darauf komme ich gleich noch zurück —, geben wir das aus, was uns nach der Verfassung zusteht, und nicht das, was die Länder zu tragen haben. Aber dazu gleich noch einen Satz mehr.
Es erfüllt die Bundesregierung mit Genugtuung, feststellen zu können, daß in den letzten Jahren viel für die Problemgruppe der Behinderten erreicht worden ist. Dabei ist sie besonders dankbar für die Unterstützung, die sie in diesem Hause immer wieder für die Anliegen der Behinderten gefunden hat. Für die Bundesregierung ist das aber kein Schlußpunkt bei ihrem Bemühen, die Situation der Behinderten zu verbessern.

(Hasinger [CDU/CSU] : Wäre auch noch schöner!)

Sie geht davon aus, daß Verbesserungen künftig noch in einer Reihe von Punkten notwendig sind. Auch unter schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen darf die Weiterentwicklung des Schwerbehindertenrechts keinen Stillstand erfahren. Die soziale Stellung unserer am schwersten betroffenen Mitbürger muß weiter verbessert werden. Dringend notwendige sozialrechtliche Reformen dürfen nicht dem Rotstift zum Opfer fallen, insbesondere dann nicht, wenn der Gesetzgeber — wie hier im Schwerbehindertengesetz — die Reformbedürftigkeit bereits anerkannt und seinen Willen zur Reform klar zum Ausdruck gebracht hat.
Gewiß, das Gesetz bringt Mehraufwendungen mit sich. Aber das darf nicht zu einem weiteren Aufschub führen. Das vorliegende Gesetz, so meine ich, ist längst überfällig.
Auch die Länder haben den Entwurf beim ersten Durchgang im Bundesrat begrüßt. In der Stellungnahme des Bundesrates vom 10. November 1978 kommen aber erhebliche Vorbehalte zum Ausdruck. Die Kosten des Gesetzes soll nach den Vorstellungen der Länder überwiegend der Bund tragen. Der Bund soll nicht nur die Gesamtkosten der Beförderung aller in Betracht kommenden Gruppen im Fernverkehr und die Gesamtkosten der unentgeltlichen Beförderung weiterer Gruppen von Behinderten, der Kriegsopfer und der NS-Verfolgten im Nahverkehr sowie die Kosten übernehmen, die Bundesunternehmen durch die Beförderung Schwerbehinderter im Nahverkehr entstehen, sondern darüber hinaus auch die Aufwendungen in Höhe von 40 % der Kosten aller übrigen Schwerbehinderten im öffentlichen Nahverkehr.
Daß die Bundesregierung dem nicht entsprechen kann, liegt auf der Hand. Der Vorschlag des Bundesrates würde im Ergebnis dazu führen, daß der Aufwand der Länder trotz Erweiterung des begünstigten Personenkreises und trotz Ausdehnung des Begiffs des Nahverkehrs geringer wäre als nach
geltendem Recht. Die weitere Entwicklung des Rechts soll nach dem Willen der Länder zum Anlaß genommen werden, einen Teil ihrer bisherigen Aufwendungen auf den Bund zu überwälzen. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht erkennbar, ganz zu schweigen davon, daß hier verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Vorschlag zur Güte: Treffen wir uns in der Mitte!)

— Das werden die Verhandlungen im Ausschuß und die Verhandlungen mit dem Bundesrat ergeben müssen.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern, daß die Bundesregierung die Frage der Kostenverteilung sehr sorgfältig geprüft hat, nachdem der Bundesrat im Jahre 1974 einen entsprechenden Gesetzentwurf an finanziellen Bedenken hat scheitern lassen. Die Bundesregierung mußte sich jedoch an das halten, was das Grundgesetz zur Aufgaben- und Kostenverteilung vorsieht.
Wenn dieser Gesetzentwurf eine stärkere Belastung der Länderhaushalte ergibt, so muß darauf hingewiesen werden, daß dieser Gesetzentwurf nur einen Teil des Gesamtkonzepts der Behindertenpolitik darstellt und daß der Bund bis in die jüngste Zeit zu großen finanziellen Anstrengungen .bereit war, um dieses Gesamtkonzept zur Verbesserung der Situation der Behinderten in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Ich habe bereits daran erinnert, daß der Bund von 1970 bis 1978 allein für Baumaßnahmen der beruflichen Rehabilitation rund 427 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat. Auch die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte, die das Hohe Haus Ende vergangenen Jahres verabschiedet hat, konnte nur durch erheblichen finanziellen Einsatz des Bundes verwirklicht werden. Darüber hinaus hat sich der Bund, wie Sie wissen, auch in anderen Bereichen der sozialen Sicherung Behinderter außerordentlich stark engagiert. Ich möchte hier nur erwähnen, daß allein die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte, das Kindergeld und die Verbesserung des Mutterschutzes Mehraufwendungen für den Bund von rund 3,7 Milliarden DM im Jahre 1980 bedeuten.
Angesichts dieses hohen finanziellen Einsatzes des Bundes kann die finanzielle Belastung der Länder, die sich aus dem vorliegenden Gesetzentwurf ergibt, nicht als untragbar angesehen werden. Die bislang gute Zusammenarbeit zwischen den Landern und dem Bund gerade auf dem Gebiet der Rehabilitation und der Behindertenpolitik ganz allgemein läßt mich hoffen, daß die Länder zu dem finanziellen Opfer, das ihnen das vorliegende Gesetz abverlangt, bereit sind und dem Gesetzentwurf letztlich ihre Zustimmung nicht versagen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß Sie über die Fraktionsgrenzen hinweg die Einschätzung der Bundesregierung über die Bedeutung und Dringlichkeit des Vorhabens teilen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Ja, bis auf die Finanzen!)




Parl. Staatssekretär Buschfort
— Herr Kollege Hasinger, meistens ist es so, daß beim Geld der Streit anfängt, aber sicher werden wir auch das überstehen.
Ich bin deshalb davon überzeugt, daß der vorliegende Entwurf Ihre einhellige Zustimmung finden wird. Die Behinderten müssen schon allzulange auf dieses Gesetz warten. Wir alle sind es ihnen schuldig, daß dieser Gesetzentwurf so rasch wie möglich Gesetz wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812820900
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geisenhofer.

Franz Xaver Geisenhofer (CSU):
Rede ID: ID0812821000
Herr ' Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zwei oder drei Sätze zu den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Buschfort sagen. Herr Staatssekretär Buschfort, Sie haben gesagt, in der Zeit von 1962 bis 1969 habe der Bund 30 Millionen DM für die Behinderten ausgegeben, dagegen in der Zeit von 1970 bis 1978 das Vierzehnfache oder 427 Millionen DM. Ich bestreite das nicht, aber es gilt doch zu bedenken, daß wir trotz dieser Maßnahmen heute mehr arbeitslose Schwerbehinderte haben als damals, nämlich 50 000.

(Hasinger [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Das beweist, daß Gesetze und Ausgaben allein nicht unbedingt mehr Wohlstand und soziale Sicherheit für die Behinderten schaffen. Voraussetzung ist eine gute Wirtschaftspolitik, die es ermöglicht, die Eingliederung der Behinderten in Beruf und Gesellschaft vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr sieht die Neuregelung der Freifahrtvergünstigung für Schwerbehinderte und ihre notwendige Begleitperson vor. Er knüpft an die bereits seit 1965 bestehende gesetzliche Regelung über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs-und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Personennahverkehr an und erweitert diese Regelungen. Das neue Gesetz soll dazu beitragen, allen Schwerbehinderten die Eingliederung in Beruf und Gesellschaft zu erleichtern und zu ermöglichen. Das geltende Recht stellt aber noch weitestgehend auf die Ursache der Behinderung ab. So wird den Kriegsbeschädigten und Verfolgten die Begünstigung ohne Berücksichtigung ihres Einkommens gewährt, bei Blinden und Körperbehinderten dagegen spielt das Einkommen noch eine Rolle. Es wird eine Einkommensgrenze nach dem Bundessozialhilfegesetz gezogen. Die unterschiedliche Behandlung der Kriegsbeschädigten und Verfolgten einerseits und der Zivilbehinderten andererseits entspricht nicht mehr dem bereits 1974 von allen Parteien im Bundestag einstimmig angenommenen Schwerbehindertengesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit dem neuen Gesetzentwurf sollen die Vergünstigungen für Behinderte nach Art und Schwere ausgestaltet werden. Sie dürfen nicht von der Ursache der Behinderung abhängig gemacht werden. Der im Schwerbehindertengesetz des Jahres 1974 vollzogene Übergang vom kausalen Prinzip zum finalen Prinzip findet in diesem Gesetzentwurf seinen Niederschlag. Der heute zu beratende Gesetzentwurf entspricht in seinen Grundzügen dem bereits im Jahre 1974 von der Bundesregierung eingereichten und vom Bundesrat am 19. Dezember 1974 behandelten Gesetzentwurf, der aber leider nicht vom Glück begleitet war. Der Finanzausschuß des Bundesrates hat den Gesetzentwurf damals mit Stimmenmehrheit abgelehnt; der Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates hat dem Gesetzentwurf mit Mehrheit zugestimmt. Aus dem Sitzungsprotokoll der 415. Sitzung des Bundesrates geht hervor, daß der Bundesrat die Gesetzesvorlage mit Stimmenmehrheit abgelehnt hat, und zwar nicht aus sozialpolitischen, sondern aus finanziellen Gründen. An der Ablehnung haben sich auch sozialdemokratisch regierte Länder beteiligt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Es ist erstaunlich und wird von der Bundesregierung natürlich nicht erwähnt, daß sie diesen Gesetzentwurf dann nicht mehr an den Bundestag weitergeleitet hat. Sie hat ihn vielmehr einschlafen lassen. Ich sage: sie ist daher mitschuldig daran geworden, daß die Bearbeitung des Gesetzentwurfs um vier Jahre verzögert wurde.

(Beifall ber der CDU/CSU)

Durch die starre Haltung der Bundesrgierung gegenüber den Ländern wurde damals eine große Chance verpaßt, zu einer annehmbaren Kompromißlösung zugunsten der betroffenen Schwerbehinderten zu kommen. Die Bundesregierung hat sich nunmehr durch die neue Vorlage selbst in Zugzwang gebracht. Wesentliche Mängel des alten Gesetzentwurfs haften auch dem jetzt neu vorgelegten an, nämlich die allzu starke finanzielle Belastung der Länder. Schon damals wurde der Bundesregierung vom Bundesrat der Vorwurf gemacht, daß sie die finanzielle Hauptlast des für die Behinderten so dringend notwendigen Gesetzes auf die Länder abschiebe. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß die betroffenen Schwerbehinderten überhaupt kein Verständnis dafür haben, daß ein von allen Parteien des Deutschen Bundestages als notwendig erachtetes Gesetz deswegen scheitert, weil sich der Bund und die Länder in der Kostenaufteilung nicht einig werden.
Die Taktik der Bundesregierung, solche Gesetze zu beschließen, die dann wegen Finanzierungsschwierigkeiten von den Ländern im Bundesrat abgelehnt werden müssen, mag der Bundesregierung zunächst Beifall einbringen, auf die Dauer aber schadet diese Taktik allen. Wer mit einer solchen Taktik den Ländern den Schwarzen Peter zuspielen will und den Zorn der Betroffenen auf die Länder lenkt, liefert keinen Beitrag zum sozialen Frieden in unserem Land.
Die vorgesehenen Verbesserungen, insbesondere die Vorschriften über den begünstigten Personen-



Geisenhofer
kreis, sind von der CDU/CSU schon bisher bejaht worden, werden jetzt bejaht und werden auch in Zukunft bejaht. Ebenso wie wir dem Übergang vom kausalen zum finalen Prinzip zugestimmt haben, bejahen wir auch, daß nach diesem neuen Gesetz u. a. auch der Behinderte kostenfrei fahren darf, der in seiner Orientierungsfähigkeit gestört ist oder an Anfällen leidet, also geistig Behinderte, Herzkranke, Asthmakranke usw.
Den Wegfall der Einkommensbindung bei den Zivilbehinderten halten wir aus Gründen der Gleichbehandlung aller Schwerbehinderten für notwendig. Er ist aber auch deshalb richtig, weil der mit der Einkommensprüfung verbundene Verwaltungsaufwand die Einsparung weitestgehend wieder aufzehren würde.
Die Ausdehnung der kostenlosen Fahrt auf fast alle Omnibuslinien wird den zahlreichen und verständlichen Klagen von Schwerbehinderten gerecht, die gerade im ländlichen Raum wohnen. Neben den S-Bahnen, Straßenbahnen sowie Eisenbahnen in Verkehrsverbünden sollen Schwerbehinderte — selbstverständlich auch deren Begleitpersonen — praktisch alle Omnibuslinien bei der' Freifahrtvergünstigung im Nahverkehr benützen können.
Meine Damen und Herren, das alles kostet Geld. Die Bundesregierung schätzt die Mehraufwendungen der Länder im Jahre 1979 auf 18,3 Millionen DM, die des Bundes auf zirka 2 Millionen DM. Die Länder, und zwar auch solche mit SPD/FDP-Regierungen, erklären, daß die im Entwurf der Bundesregierung enthaltenen Kostenschätzungen über den Mehraufwand viel zu niedrig sind.

(Hasinger [CDU/CSU] : Das macht sie doch immer!)

In den Ausschüssen des Bundestages und des Bundesrates wird daher eingehend zu prüfen sein, ob die genannten Zahlen richtig sind. Es spricht sehr viel dafür, daß der Bund eine höhere Beteiligung an den Gesamtkosten des Gesetzes zu übernehmen hat. Die Frage der Kostenverteilung ist so ernst, daß man darüber nicht, wie es die Bundesregierung in ihrer ablehnenden Stellungnahme zum Bundesratsvorschlag gemacht hat, einfach zur Tagesordnung übergeht. Hier müssen vielmehr alle Seiten sorgfältig nach einer Lösung suchen, die den Ländern nicht eine untragbare finanzielle Belastung aufbürdet, an denen auch dieser Gesetzentwurf scheitern könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage das mit ganz großem Ernst und mit ganz großer Sorge. Wir müssen hier einen vernünftigen Kompromiß finden.
Nach dem Vorschlag des Bundesrats zu § 63 der Vorlage, der in den Bundestagsausschüssen ernsthaft zu prüfen ist, soll der Bund folgende Kosten tragen: erstens die Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr, soweit die Beförderung von Unternehmen durchgeführt wird, die sich überwiegend in der Hand des Bundes oder eines mehrheitlich dem Bund gehörenden Unternehmens befinden; zweitens die Aufwendungen für die Zivilbehinderten zu 40 % — die Länder 60 % —.
Erstattungen der Länder sollten gegenüber allen Unternehmen ausscheiden müssen, in denen der Bund wirtschaftlich das Sagen hat.
Hier ist auch daran zu erinnern, daß bei der Behandlung der ersten Gesetzesvorlage im Bundesrat im Dezember 1974 ein Vorschlag des sozialpolitischen Ausschusses, hilfsweise auch des Finanzausschusses, zur Diskussion stand, nach dem der Bund 75 % und die Länder nur 25 % der Kosten für die Zivilbehinderten tragen sollten. Die jetzt vom Bundesrat vorgeschlagene Aufteilung stellt demgegenüber eine für den Bund wesentlich günstigere Regelurig dar. Nachdem die Länder den Schwerbehinderten durch diesen Vorschlag entgegengekommen sind, kann man mit Fug und Recht erwarten, daß auch der Bund den Schwerbehinderten in der Kostenfrage entgegenkommt.
. (Beifall bei der CDU/CSU)

Bei Verwirklichung der Regelung des Regierungsentwurfs würde sich das Verhältnis der Belastung zwischen Bund und Ländern ständig zu Lasten der Länder auseinanderentwickeln, weil der Personenkreis, für den der Entwurf bisher den Bund zur Erstattung verpflichtet, nämlich die Kriegsbeschädigten, laufend abnimmt, während die Zahl der Zivilbehinderten ständig wächst, und weil der Wegfall der Einkommensgrenze allein die Zivilbehinderten betrifft -- für die Kriegsbeschädigten gibt es keine Einkommensgrenze — und somit die Lasten der Länder nochmals erhöht.
Ich kann wegen der Knappheit der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht auf weitere Einzelheiten des Gesetzesvorhabens und auch nicht auf die weiteren Änderungsvorschläge des Bundesrats eingehen. Das ist auch nicht der Sinn der ersten Lesung.
Zu unseren Anliegen gehören aber noch beispielsweise die Einbeziehung der Privateisenbahnen in den Nahverkehrsbereich und die Vereinfachung bei der Feststellung der persönlichen Voraussetzungen. Das bedeutet: Es sollte bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80% die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorweg ohne Prüfung angenommen werden.
Bezüglich des Inkrafttretens des Gesetzes bin ich der Meinung, daß der vom Bundesrat vorgeschlagene Drei-Monats-Zeitraum zu lang ist. Obwohl ich die verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten durchaus sehe, bin ich der Auffassung, daß der Zeitraum für die nötige Umstellung wesentlich verkürzt werden kann, wenn Bund und Länder zusammenwirken.
Die CDU/CSU-Fraktion wird beim Gesetzgebungsverfahren vor allem in den Ausschüssen positiv mitarbeiten und da und dort Verbesserungsanträge einbringen.
Wenn es uns gelingt — ich möchte sagen: gemeinsam gelingt —, zu einer zwischen Bund und Ländern ausgewogenen Kostenregelung zu kommen, können alle vorgesehenen Neuerungen des Gesetzes, die unabdingbaren wie die wünschenswerten, verwirklicht werden. Darum sollten wir zu-



Geisenhofer
sammenarbeiten und uns alle zum Wohl unserer Schwerbehinderten in dieser Richtung bemühen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812821100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0812821200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Geht er doch auf eine alte Forderung der Sozialdemokratischen Partei und der sozialdemokratischen Fraktion zurück.
Die Schwerbehinderten haben große Erwartungen in dieses Vorhaben gesetzt. Ob diese Erwartungen erfüllt werden können und erfüllt werden, hängt natürlich nicht zuletzt von der Haltung der Opposition ab, die im Grunde genommen die Verwirklichung dieses Gesetzentwurfes davon abhängig macht, ob entgegen der Verfassung hier eine Finanzregelung stattfindet, die bei einer so geplanten Beteiligung den Bund verpflichten soll, Kosten für einen Personenkreis zu übernehmen, für den er nach dem Grundgesetz überhaupt gar nicht zuständig wäre. Aber dazu hat die Opposition nicht ein Wort gesagt. Sie ist wohl gegen Mischfinanzierung, aber nur dann, wenn andere Überlegungen dabei im Vordergrund stehen. In diesem Falle ist es sehr leicht, in die Taschen anderer Leute zu greifen und zu sagen: Das machen wir alles mit, aber Ihr müßt das bezahlen. Deshalb müssen wir hier ernsthaft darüber reden — und wir werden es, hoffe ich, auch tun —, wo die Zuständigkeiten derjenigen liegen, die nach der Verfassung die Aufgabe haben, die Personenkreise zu betreuen. Das ist ja keine neue Erfindung der Sozialdemokraten, sondern das liegt verfassungsrechtlich fest.
Die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten im Personenverkehr hat ja eine Vorgeschichte. Das Gesetz aus dem Jahr 1965 ist hier bereits genannt worden. Herr Kollege Geisenhofer, ich habe beim Zustandekommen dieses Gesetzes mitgewirkt. Wir haben damals bereits die Einbeziehung der Zivilbeschädigten ohne Beachtung einer Einkommensgrenze gefordert. Diese Forderung ist damals von der SPD-Bundestagsfraktion gestellt worden, von der damaligen Mehrheit, der CDU/ CSU-Fraktion in diesem Hause,, abgelehnt worden. Auch das gehört zu der Geschichte dieses Gesetzentwurfs. Auch das muß man wissen.
Die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr wird auf alle Zivilbehinderten ohne Beachtung von Einkommensgrenzen ausgedehnt. Damit kommen alle Schwerbehinderten im Sinne des Schwerbehindertengesetzes, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im öffentlichen Personenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, in den Genuß der Freifahrtvergünstigung. Die alte Regelung, wonach es vor allem auf die Ursachen der Behinderung für die Freifahrtvergünstigung ankam, wird unter Beachtung des Grundsatzes der Finalität, den wir seit 1969 innerhalb der sozialliberalen Koalition herausgebildet haben, in der Sozialpolitik für
Behinderte fortentwickelt. Das Prinzip der Finalität auch bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter durchzusetzen, entspricht, wie gesagt, einer alten Zusage der sozialliberalen Koalition. Wir freuen uns, daß wir jetzt so weit sind.
Begünstigt davon werden insbesondere auch die geistig Behinderten — ich möchte das besonders betonen , die wegen Störung ihrer Orientierungsfähigkeit nur mit erheblichen Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere ihre Wegstrecken im Ortsverkehr zurücklegen können, die üblicherweise noch zu Fuß gegangen werden. Auch damit werden wir einer Forderung gerecht, die vor allem immer wieder von den Verbänden der geistig Behinderten gestellt worden ist.
Mit der Ausdehnung der unentgeltlichen Beförderung auf alle Schwerbehinderten, die in ihrer Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, wird weiterer sozialer Fortschritt für Behinderte verwirklicht. Nach der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte seit dem 1. Januar 1979 auf 61 Jahre und ab 1. Januar 1980 auf 60 Jahre stellt die sozialliberale Koalition damit unter Beweis, daß es in der Sozialpolitik für Behinderte keinen Stillstand gibt.
Darüber hinaus ist der Entwurf zur unentgeltlichen Beförderung ein wichtiger Schritt in Richtung auf ein einheitliches Behindertenrecht. Die Eingliederung der Regelungen zur unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter in das Schwerbehindertengesetz wird von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ausdrücklich begrüßt.
Bedeutsam für die von den- Regelungen zur unentgeltlichen Beförderung begünstigten Schwerbehinderten ist außerdem, daß mit diesem Gesetz ein Nahverkehrsbegriff definiert wird, der den neuen Entwicklungen im Stadt-Umland-Verhältnis und dem Zusammenrücken von Gemeinden im Zuge der Kommunalreform Rechnung trägt. Die Freifahrtvergünstigung soll künftig auch für Überlandlinien und für Linien, die im Verkehrsverbund betrieben werden, gelten, soweit auf den Linien die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 km nicht übersteigt. Damit wird den freifahrtbegünstigten Schwerbehinderten, insbesondere im ländlichen Raum, ein größerer Radius der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr erschlossen.
Meine Damen und Herren, so widerspenstig sich der Bundesrat in der gegenwärtigen Phase der Beratung im Zusammenhang mit der Frage der Kostenverteilung erneut gezeigt hat — wie ich hoffe, aber bei den kommenden Beratungen nicht weiterhin zeigen wird —, seine sachbezogenen Anregungen sind interessant, ja konstruktiv. Ich hoffe, daß er diese Anregungen nicht in der Erwartung gegeben hat, daß andere das bezahlen; denn wenn man solche Forderungen stellt, muß man wissen, daß man auch selbst zur Kasse gebeten wird.
Die Ausschußberatungen werden sich sehr sorgfältig damit beschäftigen müssen, ob eine Kennzeichnung der öffentlichen Nahverkehrsmittel sinnvoll und zumutbar ist, die künftig Schwerbehinderte auf Grund dieses Gesetzes unentgeltlich befördern müs-



Glombig
sen. Ohne eine Kennzeichnung sind die Verkehrsmittel für den Schwerbehinderten nicht ohne weiteres erkennbar. Die Verkehrsmittel müssen entsprechend gekennzeichnet sein, sonst könnte es passieren, daß der Schwerbehinderte in ein falsches Verkehrsmittel einsteigt.
Ferner wird zu klären sein, ob es notwendig und sinnvoll ist, daß die Voraussetzungen für die neue Freifahrtvergünstigung nur auf Antrag festgestellt werden. Für schwerbehinderte Deutsche, die ihren Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, insbesondere in der DDR, haben, sollte die Möglichkeit geschaffen werden, daß sie, wenn sie die übrigen persönlichen Voraussetzungen dafür erfüllen, bei besuchsweisen Aufenthalten in der Bundesrepublik ebenfalls freifahrtbegünstigt sind. Hier muß ein vereinfachtes Verfahren gesucht werden.
Darüber hinaus sollte erwogen werden — und da stimme ich mit dem Kollegen Geisenhofer überein —, für Schwerbehinderte, deren Erwerbsfähigkeit mehr als 80 % gemindert ist, eine Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, nach der sie grundsätzlich als im Sinne dieses Gesetzes in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt gelten. Dies brächte für den betroffenen Personenkreis, aber auch für die Verwaltung eine wünschenswerte Erleichterung. Hier verweise ich auf die Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, die uns als Vorbild für diese Regelung dienen könnte.
Prüfenswert, aber sicherlich auch problematisch, meine Damen und Herren, ist die Forderung nach Einbeziehung des Eisenbahnverkehrs — wenngleich ich hier sage: ich stimme im Grundsatz mit dem Kollegen Geisenhofer in diesem Zusammenhang überein —, soweit dieser Eisenbahnverkehr nicht in einen Verkehrsverbund einbezogen ist. Wenn der Eisenbahnverkehr in einen Verkehrsverbund einbezogen ist, wird die Vergünstigung ohnehin gewährt. Bezüglich des Eisenbahnverkehrs muß also überlegt werden, ob er nicht unter den Begriff „Nahverkehr" fallen und damit in die Freifahrtregelung einbezogen werden kann.
Die Forderung des Bundesrates, das Gesetz erst drei Monate nach Verkündung in Kraft treten zu lassen, darf nicht dazu führen, den Beginn der unentgeltlichen Beförderung für Schwerbehinderte weiter hinauszuzögern. Sinnvoller dürfte eine Übergangsregelung sein, nach der alte Ausweise befristet weiter gelten und zur Freifahrt nach diesem neuen Gesetz berechtigen.
Außerdem ist vorgesehen, daß der Schwerbehinderte im Fernverkehr zwar selbst für seine Beförderung zahlen muß, eine Begleitperson aber dann unentgeltlich befördert wird, wenn eine ständige Begleitung notwendig und dies im Ausweis des Schwerbehinderten eingetragen ist.
Noch ein kurzes Wort zu der geschichtlichen Betrachtung, die der Kollege Geisenhofer angestellt hat. Die ist so nicht vollständig und auch nicht in Ordnung. Deswegen muß sie klargestellt werden, Herr Kollege Geisenhofer.

(Geisenhofer [CDU/CSU] Wieso ist die nicht in Ordnung? — Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Blüm [CDU/CSU])

— Nein, ich rege mich gar nicht auf. Ich bin ganz ruhig. Es lohnt sich auch nicht, sich deswegen aufzuregen. Ich sage das nur für das Protokoll, aber auch für Sie, Herr Kollege Blüm, damit Sie, wenn Sie draußen darüber reden, auch wissen, worüber Sie reden.

(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Über Sie!)

— Ja, über mich reden Sie natürlich gerne. Das sei Ihnen auch unbenommen.
Vor bald fünf Jahren, nämlich 1974, hat die Bundesregierung, wie gesagt, schon einmal einen Gesetzentwurf zur unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Verkehr vorgelegt. Damals ist dieser Gesetzentwurf bereits im ersten Durchgang im Bundesrat gescheitert, und zwar — das muß hier hinzugesetzt werden — auf Grund einer Initiative des Landes Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein hatte einen entsprechenden Antrag im ersten Durchgang im Bundesrat eingebracht.

(Hasinger [CDU/CSU] : Das ging quer durch die Länder!)

— Da es sich um einen Antrag Schleswig-Holsteins handelte, ist das nicht quer durch die Länder gegangen. Die Initiative kam von Schleswig-Holstein.

(Hasinger [CDU/CSU] : Aber die Zustimmung dazu kam von allen Ländern! Sie bauen einen Türken auf!)

— Ich gebe zu, daß die Zustimmung zu diesem An- trag dann von allen kam.

(Hasinger [CDU/CSU]: Eben! Das müssen Sie hinzufügen!)

— Das bestreite ich überhaupt nicht.
Die Initiative dafür geht von Schleswig-Holstein aus. Lassen Sie mich das einmal festhalten. Das ist doch auch für Sie interessant. Das ist diesmal aber nicht geschehen; in Schleswig-Holstein haben wir demnächst Wahlen.
Der Bundesrat hat sich ausführlich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt und seine Änderungsvorschläge dazu gemacht. Soweit diese Vorschläge die sachlichen Regelungen betreffen, werden wir sie im weiteren Gang der parlamentarischen Beratungen berücksichtigen. Heute wie 1974 allerdings wird die Frage der Verteilung der finanziellen Aufwendungen durch die einschneidenden Forderungen des Bundesrats erneut in den Vordergrund gerückt. Ich hoffe nicht, meine Damen und Herren, daß damit so hohe Hürden aufgerichtet werden sollten, daß es eines solchen Initiativantrags Schleswig-Holsteins der Form nach nicht mehr bedarf, damit der Gesetzentwurf diesmal auf elegantere Weise als 1974
— kurz vor den Wahlen in Schleswig-Holstein — wieder scheitern müßte.
Zuständig im Bereich der öffentlichen Beförderung ziviler Schwerbehinderter — ich betone es noch einmal — sind nach der Verfassung in allererster Linie die Länder, abgesehen von den Personenkreisen, die den Kriegsopfern gleichgestellt sind. Wenn dieser Gesetzentwurf erneut am Votum des Bundesrats scheitern sollte — davon gehe ich nicht aus; hier ist von seiten des Kollegen Geisenhofer



Glombig
ein bißchen vorgebaut worden —, so trügen dafür allein die Länder die Verantwortung.
Der Bundesrat fordert, daß der Bund nicht nur die Kosten für die unentgeltliche Beförderung von Kriegsopfern und die Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Fernverkehr übernimmt - das ist ja unbestritten —, sondern darüber hinaus alle Kosten trägt, die für die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter durch Unternehmen anfallen, die sich überwiegend in der Hand des Bundes oder eines mehrheitlich dem Bund gehörenden Unternehmens befinden. Das hat nichts zu tun mit der Forderung, die sonst immer erhoben wird, daß diese Bundesunternehmen wirtschaftlich geführt werden. Damit wird eine neue Art der Abgrenzung für die Aufteilung der Kosten gefordert. Das ist ein völlig neuer Akt. Hier soll nicht mehr wie bisher nach der Abgrenzung des Personenkreises, sondern nach der Art der befördernden Unternehmen unterschieden werden. So etwas haben wir im Gesetz bisher nicht gekannt. Das ist ein ganz neuer Weg.
Aber damit nicht genug! Die Länder wollen noch eins draufsatteln. Der Bund soll sich — über den Vorschlag der Bundesregierung hinausgehend — zu 40 % an den Kosten beteiligen. Der Kollege Geisenhofer sagt, das sei ein großes Entgegenkommen der Länder; denn jetzt gibt es die Aufteilung: 20 % trägt der Bund und 80 % tragen die Länder. Aber die Länder wollten ursprünglich bei den Beratungen eine Aufteilung, bei der die Länder 25% und der Bund 75 % tragen. Dann wollten die Länder dem Bund „nur" 60 °/o anlasten und selber 40 % übernehmen. Das soll als ein besonderes Entgegenkommen erscheinen. Damit stellen Sie die Dinge natürlich völlig auf den Kopf.
Meine Damen und Herren, saldiert man das, was hier dem Bund hinsichtlich der Finanzierung aufgeladen werden soll, dann würden die Länder weniger zahlen müssen, als sie nach dem gegenwärtig geltenden Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie anderen Behinderten im Nahverkehr zu tragen haben. Das ist alles berechnet worden, und das können Sie auch nachlesen. Ich weiß nicht: Halten Sie das für so vernünftig? Diese Maximalposition scheint mir — das sage ich bereits jetzt — nicht kompromißfähig zu sein.
Die weiteren parlamentarischen Beratungen werden zeigen, ob der Streit um die Kostenverteilung den Ländern mehr gilt als die berechtigten Interessen der Schwerbehinderten.
Im übrigen ist interessant, daß mit dem Vorschlag des Bundesrats eine Mischfinanzierung — auch das will ich noch einmal sagen — zwischen Bund und Ländern gefordert wird, die bisher besonders von den CDU- und CSU-geführten Ländern bei anderen Gelegenheiten strikt abgelehnt worden ist. Ob und welche verfassungsrechtlichen Probleme sich hierbei im Hinblick auf Art. 104 a des Grundgesetzes ergeben, wird sorgfältig zu prüfen sein.
Ich komme zum Schluß.

(Hasinger [CDU/CSU]: Legen Sie noch möglichst viele Steine in den Weg!)

— Die legen Sie in den Weg, nicht wir. Diese Regelung ist klar und eindeutig und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird ihrerseits alles dazu tun, damit dieser Gesetzentwurf sehr sorgfältig und zügig beraten wird, damit die Schwerbehinderten, die die persönlichen Voraussetzungen erfüllen, so bald wie möglich von dem Recht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr Gebrauch machen können. Wenn alle Beteiligten daran mitwirken, wird dieser Gesetzentwurf — anders als jener aus dem Jahre 1974
— zu einem weiteren Erfolg in der Sozialpolitik für Behinderte führen. Ich möchte Sie dazu auffordern, dies gemeinsam mit uns zu tun.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812821300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hölscher.

Friedrich Hölscher (FDP):
Rede ID: ID0812821400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tatsächlich machen wir mit diesem Gesetzentwurf den zweiten Anlauf, die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten unabhängig von der Ursache ihrer Behinderung neu zu regeln. Es ist gut vier Jahre her, seit der Bundesrat am 7. November 1974 den ersten Entwurf ablehnte, den wir mit dem gleichen Ziel eingebracht hatten. Der Entwurf, den wir heute einbringen, unterscheidet sich im Kern nicht von dem, was im Jahre 1974 bezweckt war. Aber auch ich muß noch einen Rückgriff auf die Geschichte tun; denn die Ehre des Initiativrechts für die damalige Ablehnung liegt zweifellos beim Land Schleswig-Holstein, und eine solche Ehre, ein solches Erstgeburtsrecht sollte nicht in Vergessenheit geraten.

(Hasinger [CDU/CSU] : Sie machen die Sache auch nicht richtig!)

Der Bundesrat hat damals gesagt, man müsse neue ausgabewirksame Vorhaben auf wenige und wirklich unvermeidbare Ausnahmefälle beschränken. Weil der Bundesrat die Mehrausgaben für die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten über den Kreis der bisher begünstigten Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten und anderer kleinerer Gruppen hinaus offensichtlich für vermeidbar hielt, haben — das muß man noch einmal anmerken — Abertausende von Behinderten noch einmal vier Jahre warten müssen. Ich hoffe nicht, daß sie noch länger warten müssen. Es war der Bundesrat, der
— genauso wie der Bundestag — bei der Verabschiedung des Schwerbehindertenrechts, aber auch des Rehabilitationsangleichungsgesetzes festgestellt hat, daß sich Vergünstigungen für Behinderte als Hilfen zur Eingliederung Behinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft nicht nach der Ursache, sondern ausschließlich nach der Schwere der Behinderung richten.
Zwar hat die Mehrheit des Bundesrates beim zweiten Anlauf den Gesetzentwurf, der heute zur Beratung vorliegt, bisher nicht wie 1974 in Bausch und Bogen abgelehnt — damals wurden gar keine Kompromißvorschläge gemacht, sondern man hat ihn im ersten Durchgang generell abgelehnt —,
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode— 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1979 10023
Hölscher
aber auch heute stimmt der Bundesrat in einem entscheidenden Punkt, dem vom Kollegen Glombig eben schon erwähnten Punkt der Kostenregelung nicht zu, obwohl eigentlich von der Verfassung klar vorgegeben ist, wie dies zu regeln ist und dies meines Erachtens gar nicht diskutabel sein kann. Ich hoffe nicht, daß die Mehrheit des Bundesrates das Gesetz dadurch wieder einmal scheitern lassen will, wenn auch diesmal vielleicht auf etwas vornehmere Art, sondern ich hoffe, daß sich die Länderkammer in ihrer Gesamtheit der Verantwortung bewußt ist, die sie mit der Verabschiedung des Schwerbehindertenrechtes seinerzeit eingegangen ist.
Die FDP sieht in diesem Gesetzentwurf über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr das im Augenblick letzte Bundesgesetz, in dem im Rahmen des Aktionsprogramms der Rehabilitation von 1970 im Behindertenrecht generell vom Kausalitäts- auf das Finalprinzip übergegangen wird. Danach wird Schwerbehinderten, die infolge ihrer Behinderung in ihrer freien Bewegung im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, unabhängig von der Ursache ihrer Behinderung und auch unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen die unentgeltliche Beförderung im Personennahverkehr und die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson im Fernverkehr ermöglicht.
Ich will an dieser Stelle nicht aller Breite auf den Inhalt des Gesetzentwurfes eingehen — er dürfte allgemein bekannt sein —, sondern ich möchte mich in der ersten Lesung auf wenige, aber mir wichtig erscheinende Anmerkungen beschränken. Nach § 58, der die persönlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vergünstigungen regelt, gilt das Gesetz nicht nur für denjenigen Schwerbehinderten, dessen Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, sondern u. a. auch für denjenigen, der, wie es in § 58 Abs. 1 des Gesetzestextes heißt, „infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrekken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag". In der Begründung zu § 58 heißt es dann deutlicher, daß hierunter auch geistig Behinderte fallen, die zwar öffentliche Verkehrsmittel auf ihnen bekannten Strecken benutzen können, sich jedoch nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten zu orientieren vermögen. Damit erfüllen wir ein sehr berechtigtes Anliegen, das immer wieder, u. a. auch von der Deutschen Lebenshilfe, vorgebracht wurde. Dennoch sollten wir uns bei den Ausschußberatungen gemeinsam überlegen, ob es nicht für die praktische Anwendung des Gesetzes besser ist, wenn die Einbeziehung der geistig Behinderten auch ausdrücklich im Gesetz selbst — also in § 58 — angesprochen wird und nicht nur in der Begründung, damit es nicht möglicherweise hinterher bei der Anwendung Interpretationsschwierigkeiten gibt.
Meine Damen und Herren, in § 59 wird u. a. gesagt, was unter Fernverkehr zu verstehen ist. Aufgeführt sind Kraftfahrzeuge im Linienverkehr, Eisenbahnen und Wasserfahrzeuge im Fähr- und Übersetzverkehr, wie es dort heißt. Ich frage mich, warum eigentlich der Linienluftverkehr ausgenommen wurde. Auch dies sollte man in den Ausschußberatungen noch einmal prüfen. Auch hier ist in bestimmten Fällen eine Begleitperson erforderlich, wobei auf der anderen Seite zu unterstreichen ist, daß gerade die Deutsche Lufthansa einen vorbildlichen Begleitdienst durch ihre Stewardessen auch für Behinderte zur Verfügung stellt. Aber ich könnte mir vorstellen, daß bei der Luftreise eines geistig Behinderten eine besondere Begleitperson benötigt wird. Was die Kostenseite angeht, so ist ja, wenn ich an die Wochenendtarife der Lufthansa denke, die Luftreise nicht mehr wesentlich teurer als die Fahrt mit dem D-Zug, abgesehen von den zeitlichen Einsparungen. Da eben auch das Flugzeug ja wohl zu einem öffentlichen Verkehrsmittel geworden ist, das nicht nur von Großverdienern benutzt wird, spricht im Prinzip meines Erachtens nichts dagegen, den Linienluftverkehr im Rahmen dieses Gesetzes auszunehmen.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, den wir in den Ausschußberatungen noch einmal überprüfen sollten. Erst vom vierten Lebensjahr an ist eine Anwendung des Gesetzes vorgesehen, so daß jüngere Kinder auch mit Begleitpersonen keine freie Fahrt haben. Hier sollte noch einmal geprüft werden, ob der Wegfall der Altersgrenze nicht finanziell vertretbar ist. Sozialpolitisch, so meine ich, ist er es auf jeden Fall. Eine Mutter, die ein behindertes Kleinkind hat, muß mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zu Untersuchungen fahren können. Soweit hier die Krankenkasse nicht selbst die Kosten trägt, sollte man überlegen, ob die Einbeziehung der noch nicht vierjährigen Behinderten in dieses Gesetz möglich ist.
Meine Damen und Herren, in § 45 des Schwerbehindertengesetzes haben sich Bundestag und Bundesrat zur Vereinheitlichung des Begünstigungswesens für Behinderte im Sinne des Finalprinzips bekannt. Das Gesetz als Bundesgesetz macht für den Bund natürlich den Weg zur Vereinheitlichung frei. Aber es gibt auf kommunaler und auf Länderebene heute dennoch sieben verschiedene Schwerbeschädigtenausweise. Ich möchte schon jetzt an Länder und Kommunen appellieren, baldmöglichst für eine Vereinheitlichung im Ausweiswesen mit seinen zum Teil noch kausalen Vergünstigungen zu sorgen.
Im übrigen aber begrüßen wir die Einbeziehung des Gesetzes in das Schwerbehindertenrecht. Das ergibt letzten Endes eine größere Übersichtlichkeit über die gesetzlichen Rechte der Behinderten. Das alte Schwerbehindertengesetz war ja schon seit der Aufnahme des Abschnitts über Werkstätten kein bloßes Gesetz über Schwerbehinderte im Betrieb mehr.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch etwas zu der zentralen Frage sagen, wer denn nun die Kosten für das Gesetz zu übernehmen habe und wie die Kostenregelung erfolgen solle. Es ist leider so, daß sich der Bundesrat gerade in diesem Punkt querlegt. Entgegen seinem sonstigen Selbstverständnis als Länderkammer und entgegen seiner sonst geübten Sorgfalt, wenn es um die klare Abgrenzung zwischen Bundes- und



Hölscher
Länderkompetenzen geht, gibt er in diesem Fall, weil es ums Zahlen geht, plötzlich, so meine ich, bisher vertretene heilige Prinzipien auf. So fordert er, der Bund solle die Kosten für die unentgeltliche Beförderung übernehmen, wenn es sich bei dem Verkehrsunternehmen direkt oder indirekt um ein Bundesunternehmen handelt. Außerdem schlägt er eine Kostenteilung zwischen Bund und Ländern im Verhältnis von 40 : 60 auch für die Ausgaben vor, die sich ganz klar aus der Wahrnehmung der Aufgaben der Länderergeben.
Ich denke, die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates eindeutig festgestellt, daß diese Vorschläge verfassungsrechtlichen Grundsätzen widersprechen. Ich möchte dem eigentlich nichts hinzufügen, sondern nur anmerken, daß es eigentlich auch nicht im Interesse der Länder liegen kann, hier Kompetenzen dadurch aufzugeben, indem der Bund Aufwendungen übernimmt, die nach geltendem Recht von den Ländern zu tragen sind. Im übrigen — und dies halte • ich auch politisch nicht für richtig — würde die vom Bundesrat vorgeschlagene Kostenverteilung auch dazu führen, daß die Länder weniger als bisher zu zahlen hätten, obwohl der Kreis der begünstigten Schwerbehinderten durch die Einführung des neuen Schwerbehindertenrechts und das Reha-Angleichungsgesetz wesentlich erweitert wurde.
Ich bitte die Kollegen von der Opposition und auch die Kollegen von den Koalitionsfraktionen dringend, gemeinsam auf unsere Freunde im Bundesrat dahin gehend einzuwirken, daß der Gesetzentwurf diesmal nicht im Bundesrat scheitert. Abgesehen von der sozialpolitischen Blamage, die eine Ablehnung für den Bundesrat darstellen würde, würden zweifellos sofort verfassungsrechtliche Probleme auftreten. Dies darf auch nicht vergessen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat sich ja bereits am 11. März 1975 mit dieser Frage befaßt. Es hat zwar das alte Gesetz noch als verfassungskonform bezeichnet, aber es hat dem Gesetzgeber dennoch auferlegt, in angemessener Zeit die Begünstigungen nach dem Schwerbehindertenrecht für alle Schwerbehinderten unabhängig von der Ursache ihrer Behinderung einzuführen.
Ich bin sicher — die entsprechenden Ankündigungen von Sozialgerichten, u. a. aus Stuttgart, liegen vor —, daß bei einem nochmaligen Scheitern des Entwurfs mit einer Anfechtung in Karlsruhe zu rechnen ist. Ich denke, wir sollten uns alle bemühen, daß es nicht so weit kommt und daß dieses Gesetz sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zügig verabschiedet wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812821500
Meine Damen und Herren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe daher die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs auf der Drucksache 8/2453 an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — mitberatend — sowie
gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist es so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller (Remscheid), Dr. Blüm, Zink, Dr. Becker (Frankfurt), Pohlmann, Frau Dr. Neumeister, Franke, Vogt (Düren), Burger, Stutzer, Hasinger, Kroll-Schlüter, Braun und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte
— Drucksache 8/2387
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Müller (Remscheid).

Adolf Müller (CDU):
Rede ID: ID0812821600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Vorblatt des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs haben wir das Problem und unsere Lösungsvorschläge dargestellt. Darüber hinaus will ich bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs noch einige kurze Ausführungen machen.
Die CDU/CSU-Fraktion will mit dem Gesetzentwurf über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte eine Gesetzeslücke schließen. Auslösendes Moment unserer Gesetzesinitiative waren zu einem Teil Berichte in der Öffentlichkeit über vereinzelte Todesfälle und erhebliche Gesundheitsschädigungen, verursacht durch medizinisch-technische Geräte, zum anderen Prüfungsberichte der staatlichen Zentralstelle für Sicherheitstechnik in Düsseldorf.
Diese Zentralstelle hat bei einer Aktion 282 Geräte überprüft; 193 Geräte wiesen insgesamt 918 Mängel auf. Ich möchte hier hervorheben, daß gerade auch der Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren Untersuchungsergebnisse der Zentralstelle für Sicherheitstechnik der Öffentlichkeit bekanntgemacht hat.
Am 8. Januar 1978, also vor einem Jahr, habe ich die Bundesregierung öffentlich aufgefordert, umgehend gesetzliche Maßnahmen zur Einführung einer Prüfungspflicht für medizinische Geräte einzuleiten. Leider wurde aber in den darauffolgenden Monaten von der Bundesregierung kein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt, obwohl wir uns im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung bei der Beratung eines Gesetzentwurfes zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel darüber unterhalten haben.
In der Ausgabe Nr. 6 des Reports der nordrhein-westfälischen Landesregierung „Unser Land" vom November 1978 ist zu lesen, daß der nordrhein-westfälische Sozialminister den untragbaren Zustand bei den elektromedizinischen Geräten beenden will. Wir finden dort auch den Satz:

Müller (Remscheid)

Auf Bundesebene setzt er sich dafür ein, eine Bauartprüfpflicht für elektromedizinische Geräte der sogenannten lebenserhaltenden Kategorie einzuführen.
Ich habe deswegen aus dem Report der Landesregierung Nordrhein-Westfalens zitiert, weil ich annehme, daß unser Anliegen dann sicher auch im Bundesrat von Nordrhein-Westfalen unterstützt werden wird. Grundübel ist in der gegenwärtigen Situation das Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung, nach der ein neues Gerätemodell nicht ohne Bauartprüfung auf den Markt darf. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion schreibt vor, daß bei Geräten und Anlagen der lebenserhaltenden Kategorie deutsche Hersteller und Importeure ausländischer Apparaturen die Geräte von neutralen Stellen überprüfen lassen müssen.
Heute machen uns gerade die ausländischen Geräte große Sorgen. Bei der Sonderaktion der Zentralstelle für Sicherheitstechnik schnitten nämlich ausländische Geräte besonders schlecht ab. Von 134 überprüften ausländischen Fabrikaten — darunter Infusionspumpen, Herz-Lungen-Maschinen, Narkosegeräte und künstliche Nieren — arbeiteten nur 10 fehlerfrei. An den übrigen 124 Geräten konnten die Techniker insgesamt 713 Mängel finden; das waren dreimal so viele wie bei den untersuchten deutschen Maschinen und Aggregaten. Angesichts fernöstlicher Medizintechnik dürfen die Haare von Fachleuten meines Erachtens dann nicht mehr zu Berge stehen. Ein Innenleben wie das eines Reizstromgerätes mit lockeren Platinen und losen Lötstellen muß der Vergangenheit angehören.
Aber wir wollen nicht nur Hersteller und Einführer in die Pflicht nehmen, sondern auch die Betreiber, die Kliniken und die Arztpraxen. Sie müssen in die Prüfung mit einbezogen werden. Ich meine, das, was für Autos gilt, muß für technisch so komplizierte Medizingeräte erst recht gelten, denn auch Medizingeräte unterliegen einem Verschleiß. Mit der Zeit treten Schäden und Ausfälle auf. Über eine laufende Kontrolle der gefährlichen medizinischen Geräte und Anlagen soll ihre Sicherheit gewährleistet werden, und sachgemäße Wartung ist zwingende Voraussetzung für die Sicherheit.
Unser Gesetzentwurf hat ebenfalls zum Inhalt, daß Betriebsanleitungen in deutscher Sprache abzufassen sind, was heute leider nicht immer der Fall ist. Auch muß das bedienende Personal von Fachleuten in die Handhabung von gefährlichen medizinisch-technischen Geräten und Anlagen eingewiesen werden. Die Behörden müssen rechtlich in die Lage versetzt werden, unsichere Geräte aus dem Verkehr zu ziehen bzw. zu untersagen.
Auf dem Markt der Bundesrepublik Deutschland gibt es rund 6 000 Arten medizinisch-technischer Geräte. Die sicherheitstechnischen Vorschriften des Gesetzes über technische Arbeitsmittel, denen auch die medizinisch-technischen Geräte bisher unterliegen, haben sich hierfür als unzureichend erwiesen. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit der medizinisch-technischen Geräte und Anlagen erhöhen. Wir wollen mit
unserem Spezialgesetz den bestmöglichen Schutz für die Patienten, für die Ärzte und auch für das bedienende Personal. Wir überprüfen in Deutschland fast alles, vom Auto bis zum Lift und ich meine, dies geschieht zu Recht. Das ist auch ein Grund dafür, warum unsere Erzeugnisse in der Welt einen guten Ruf genießen. Nur medizinisch-technische Geräte werden unzureichend geprüft; das wollen wir ändern. Ich möchte allerdings nicht unerwähnt lassen, daß verschiedene deutsche Hersteller von MedizinGeräten ihre Geräte in zunehmendem Maße freiwillig überprüfen lassen. Doch halten wir es im Sinne einer allgemeinen Erhöhung der Sicherheit dieser Geräte — unter besonderer Berücksichtigung der ausländischen Fabrikate — für erforderlich, gerade bei medizinisch-technischen Geräten, welche die Gesundheit des Menschen unmittelbar beeinflussen, eine Prüfung gesetzlich vorzuschreiben.
Bei Diagnose und Therapie werden Ärzte heute von modernster Technik unterstützt. Die Entwicklung neuer Möglichkeiten in der medizinischen Versorgung von Patienten und die Anwendung neuer Techniken vollziehen sich sehr rasch. Von der zuverlässigen Funktion technischer Geräte und Apparaturen — vom Herzschrittmacher über Dialyse-Geräte und Infusionspumpen bis zur Herz-LungenMaschine — hängt das Leben von Menschen ab. Voraussetzung für eine richtige medizinische Diagnose und Therapie sind sichere Funktion sowie Anzeige- und Meßgenauigkeit von medizinisch-technischen Geräten und Anlagen. Dieses Ziel kann letztendlich nur erreicht werden, wenn neutrale Stellen die Medizin-Geräte auf Sicherheit und Funktionsfähigkeit überprüfen. Wir hoffen, daß durch eine zügige Beratung des schon bei der Ankündigung von der Öffentlichkeit überaus positiv aufgenommenen Gesetzentwurfs dieses Problem gelöst wird. Wir bitten daher, das auch baldmöglichst zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0812821700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID0812821800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion möchte ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der CDU/CSU über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte folgendes ausführen. Der Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der CDU/CSU macht einige einleitende allgemeine Bemerkungen notwendig, weil zunächst das Umfeld zu beschreiben ist, bevor inhaltliche Punkte des Entwurfs selbst bewertet werden können.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel liegt dem Deutschen Bundestag seit Ende August 1977 vor. Es ist bekannt, daß unzulänglich gesicherte technische Geräte erhebliche Unfallrisiken produzieren. Diesen Gefahren, die von der Technik ausgehen, ausreichend vorzubeugen, ist das Ziel des gesamten technischen Sicherheitsrechts. Ohne Zweifel ist eines der bedeutendsten Gesetze aus diesem Bereich das Gesetz über technische Arbeits-



Frau Steinhauer
mittel, auch Maschinenschutzgesetz genannt. Dieses Gesetz ist seit mehr als zehn Jahren in Kraft. Damit sollen gleichzeitig der betriebliche Unfallschutz, der Arbeitsschutz also, und der technische Verbraucherschutz gewährleistet werden.
Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß die Inpflichtnahme der Hersteller und Importeure nicht ausreicht, um einen lückenlosen Gefahrenschutz zu schaffen. Der Bundesrat hat deshalb vorgeschlagen, den Handel einzubeziehen. Die Bundesregierung hat darauf verweisen können, daß in Unfallverhütungsberichten bereits seit einigen Jahren auf dieses Problem hingewiesen wird.
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf .des Bundesrates im September 1977 an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — überwiesen. Die notwendige Diskussion im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung wurde inzwischen weitergeführt. Ich darf daran erinnern, daß vor genau einem Jahr eine Sachverständigenanhörung stattgefunden hat. Diese Sachverständigenanhörung ist Voraussetzung dafür, daß die Beteiligten in die Lage versetzt werden, sich ein ausgewogenes, abschließendes Urteil zu bilden. Ich gehe davon aus, daß die Beratungen alsbald abgeschlossen werden können.
Es ist daran zu erinnern, daß der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel vom Land Bayern initiiert wurde und daß diese Initiative von allen Gewerkschaften nachhaltig begrüßt wurde. Das ist — zugegeben — keine so häufig anzutreffende Situation. Da stellt sich die Frage von selbst, ob die Unionsfraktion gerade dadurch auf die Idde verfallen ist, einen eigenständigen anderen Ansatz zu suchen. Anders heißt aber nicht besser.
Zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte behauptet die Union, Alternativvorschläge lägen nicht vor. Ich meine — und das ist übrigens auch das Urteil der Fachleute —, der Fraktionsentwurf der Union ist keine Alternative zum Bundesratsentwurf. Die Reklameabsicht scheint mir hier vorrangig . zu sein; dafür muß man in Anbetracht der aktuellen Situation bei der CDU etwas Verständnis haben.
Mit dem Gesetzentwurf der CDU/CSU wird ein Problem aufgegriffen, das dringend der Lösung bedarf. Die inhaltliche Bewertung des Entwurfs eines Gesetzes über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte kann aber nicht positiv sein.
In der Öffentlichkeit haben insbesondere Untersuchungen des Landes Nordrhein-Westfalen und Berichte der Technischen Überwachungsvereine die Diskussison über die Sicherheit medizinisch-technischer Geräte in Gang gebracht. Herr Kollege Müller hat aus dem Pressebericht des Landes Nordrhein-Westfalen einige Zahlen zitiert.
Darüber, daß die bereits bestehenden Vorschriften zu verbessern sind, besteht kein Zweifel. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Todesfälle auf Grund mangelnder Sicherheitsprüfungen bei medizinisch-technischen Geräten sind für uns Auf-
trag und Veranlassung, alsbald gesetzliche Regelungen zu treffen. In der jetzigen Auseinandersetzung geht es lediglich darum, welcher Ansatz zu wählen ist.
Medizinisch-technische Geräte müssen nach unserer Auffassung dem Gesetz über technische Arbeitsmittel, dem sogenannten Maschinenschutzgesetz, unterliegen. Die Einführung von Prüfungspflichten muß durch die Verbesserung dieses Maschinenschutzgesetzes erreicht werden. Das ist bereits mit und nach der Sachverständigenanhörung von 18. Januar 1978 deutlich geworden. Es kann nur davor gewarnt werden, das bewährte und vor allem eingeübte System des Arbeitsschutzes zu verlassen und eine Aufsplitterung vorzusehen.
Ein Spezialgesetz, wie es die Union vorschlägt, bringt eine Reihe von Nachteilen, die keineswegs gering zu achten sind: Nahezu alle einschlägigen bereits bestehenden Vorschriften des Maschinenschutzgesetzes und der Gewerbeordnung müßten inhaltlich wiederholt werden. Die Konsequenz wäre eine Aufblähung des Rechts- und Verwaltungsaufwands. Sonst behauptet die Union ja immer wieder, gegen den Bürokratismus zu Feld zu ziehen; hier aber versucht sie, das krasse Gegenteil zu produzieren.
Die Fachleute weisen auch auf die Gefahr hin, daß durch spezielle Regelungen des Patientenschutzes die Durchführung des Arbeitsschutzes vernachlässigt würde. Wollte man dieser Gefahr vorbeugen, ergäben sich notwendigerweise Überschneidungen hinsichtlich des Patientenschutzes und des Arbeitsschutzes. Für Bauteile, die nicht primär medizinisch-technische Geräte sind, aber in medizinisch-technische Anlagen eingebaut werden, ergäben sich zwangsläufig Doppelregelungen mit all den bekannten Nachteilen, z. B. zusätzlichen Kosten, Gerangel um Zuständigkeiten, Abgrenzungsproblemen hinsichtlich der Sachverständigen. Krankenhäuser, Ärzte, medizinisch-technisches Personal würden, folgte man dem Vorschlag der CDU/CSU, nicht in dem Maße entlastet, wie es bei der von uns unterstützten Einbeziehung in das Maschinenschutzgesetz und die Gewerbeordnung der Fall sein wird.
Einige technische Anmerkungen können leider nicht unterbleiben. Im Entwurf der CDU/CSU fehlen Ermächtigungen für die Einführung von Stück- und Abnahmeprüfungen der Geräte beim Hersteller, Abnahmeprüfung nach Errichtung am Aufstellungsort, Verpflichtung der Hersteller, dem Betreiber — Krankenhäusern und Ärzten — die Unterweisung des Bedienungspersonals oder den Abschluß von Wartungsverträgen anzubieten, Verpflichtung des Herstellers, nach Bauartprüfung ein Sicherheitszeichen anzubringen, und jegliche Ermächtigung zur Festlegung von Sicherheitsanforderungen an medizinisch-technische Anlagen. Gerade der letzte Punkt scheint mir besonders wichtig.
Die Kontrolle technischer Arbeitsmittel ist ein allgemeines Problem, das wirksamer gelöst werden muß. Der von den Gewerkschaften unterstützte Bayern-Antrag, der dem Bundesratsvorschlag vorausging, ist für unsere Fraktion nach wie vor exi-



Frau Steinhauer
stent, obwohl die Union offiziell von ihm abgerückt ist.
Bei unseren bisherigen Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sind neben den medizinisch-technischen Geräten auch noch andere wichtige Probleme angesprochen worden, die unbedingt regelungsbedürftig sind. Unsere vorbereitenden Arbeiten — ich sagte das schon hoffen wir in Kürze abschließen zu können. Wir sind entschlossen, die Sicherung bei medizinisch-technischen Geräten für Patienten und Benutzer durch das Einfügen der notwendigen Ermächtigungen in das Maschinenschutzgesetz und in die Gewerbeordnung möglichst auf einfache Weise zu regeln. Gleichzeitig geht es aber auch darum, andere wichtige Punkte aufzugreifen, die im Zusammenhang mit dem sogenannten Maschinenschutzgesetz stehen, z. B. Mißbrauchsabsicherungen des neuen Sicherheitszeichens „Geprüfte Sicherheit" : GS Weiter ist z. B. noch die notwendige Gleichstellung der Händler auf Messen mit den ausstellenden Herstellern und Importeuren zu regeln.
Insgesamt und zusammenfassend muß festgestellt werden: Der Gesetzentwurf der Union ist inhaltlich in vielen Punkten problematisch und nicht umfassend genug. Er kann daher keine ausreichende sachgerechte Ausgangsbasis für die notwendigen weiteren Gesetzesberatungen darstellen. Die SPD-Bundestagsfraktion betrachtet als Grundlage für die weiteren Beratungen das Maschinenschutzgesetz, in das u. a. die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte umfassend einbezogen werden muß.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0812821900
Das Wort hat der Her Abgeordnete Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0812822000
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich als erfreulich feststellen, daß wir hier in erster Lesung eine Gesetzesvorlage beraten, die zwar im Ausschuß noch weiter zu beraten ist, die wir aber alle sobald als möglich verabschieden möchten. Für uns Freie Demokraten lassen es jedenfalls die Berichte vom Herbst vorigen Jahres, auf die der Kollege Müller schon hingewiesen hat, und auch die Berichte aus anderen Bundesländern zu Überprüfungen von medizinischen Geräten angezeigt erscheinen, hier sobald wie möglich Regelungen zu finden, um den Patienten, die mit diesen Maschinen geheilt werden sollen, denen mit diesen medizinischen Geräten geholfen werden soll, den Schutz zu geben, der zur Zeit nicht gewährleistet zu sein scheint.
Meine Damen und Herren, ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich den Gesetzentwurf begrüße. Ich freue mich, von dieser Stelle aus der CDU/CSU ein Lob erteilen zu können, was sonst selten der Fall war, und ihr bescheinigen zu können, daß sie aus der Debatte im Ausschuß über das Maschinenschutzgesetz, das Frau Kollegin Steinhauer hier angesprochen hat, eine Idee, die damals kam, aufgegriffen hat. Es ist ja keine Schande, zu sagen, die Opposition habe hier etwas, was wir im Ausschuß
diskutiert haben, herausgeholt und sofort in einen Gesetzesantrag gefaßt.
Ich muß allerdings etwas widersprechen, Herr Kollege Müller, wenn Sie vorhin sagten, die Bundesregierung habe hier nichts getan. Dazu muß ich korrigierend sagen: Der Ausschuß hatte der Bundesregierung den Auftrag gegeben, diese Dinge zu prüfen und etwas vorzulegen. Ob und inwieweit Sie schneller waren oder bei der Prüfung etwas abgukken konnten, will ich jetzt gar nicht weiter erörtern. Ich begrüße es jedenfalls, daß der Gesetzentwurf vorgelegt worden ist und daß er sobald als möglich beraten werden kann. Ich glaube, das gilt für das ganze Haus.
Zum zweiten möchte ich sagen, daß wir von dem Bayern-Antrag den Eindruck haben, daß sich die Urheber langsam aber sicher absetzen. Ich kenne keinen bayerischen Kollegen in diesem Hause bzw. im Ausschuß, der noch für diesen Antrag ist, den das Land Bayern im Bundesrat eingebracht hat.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Ich begrüße es, daß eine Lücke im Bereich des Maschinenschutzgesetzes, die dringend der Schließung bedarf, durch ein besonderes Gesetz geschlossen werden soll. Wir halten den Bereich der medizinisch-technischen Geräte für so speziell, daß es besser erscheint, hierfür eigene Regelungen zu treffen, anstatt ihn irgendwie anderswo einzubinden.
Für die weitere Beratung des Maschinenschutzgesetzes erhebt sich für uns die Frage, die von uns auch im Ausschuß schon angesprochen wurde, ob die bayerische Vorlage, zumal da sie von den Urhebern gar nicht mehr getragen wird, für die weiteren Beratungen noch eine Rolle spielen soll, nachdem die Lücke durch einen Gesetzentwurf gefüllt wird, den wir jetzt haben und den wir weiter beraten werden, und nachdem es gelungen ist, die Probleme zwischen Herstellern und Händlern durch eine freiwillige Vereinbarung, die im vorigen Jahr getroffen wurde, auszuräumen. Wir würden es dagegen begrüßen — und da bin ich dafür dankbar, daß das auch meine beiden Vorredner gesagt haben —, wenn wir im Ausschuß die Zeit für die Beratung dieses Gesetzes von dort her nehmen könnten, wo wir sie bekommen, wenn wir das andere Gesetz nicht mehr zu beraten brauchen. Dann können wir nämlich diesen Gesetzentwurf zum Schutze unserer kranken Menschen bei medizinisch-technischen Geräten sehr schnell und in sauberer Form beraten, wobei es — da gebe ich der Kollegin Steinhauer völlig recht — über die Details noch manches zu sagen geben wird.
Ich bin auch der Meinung, daß die zu erlassende Rechtsverordnung ebenfalls im Ausschuß mit angesprochen werden sollte, weil Auflagen und alle diese Dinge dort mit hineingehören. Ferner bin ich der Ansicht, daß man sorgfältig darauf bedacht sein sollte, daß es für diese Dinge nicht plötzlich so etwas Unbewegliches gibt, wie es heute leider schon der TÜV ist. Wir sollten es besser machen und die Kontrolle einer Organisation übertragen, die sie auch wirklich durchführen kann. Ob das über Wartungsverträge oder in anderer Form geschieht, ist

Schmidt (Kempten)

eine Frage für sich. Die Rechtsverordnung sollte dies aber ermöglichen; denn es geht hier um den Schutz der Menschen in Krankenhäusern, bei den Ärzten usw.
Wir begrüßen insofern den Gesetzentwurf und wünschen eine baldige Beratung und Verabschiedung.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und vereinzelt bei der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0812822100
Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 6 bis 11 auf:
6. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Narjes, Grunenberg, Angermeyer, Dr. Corterier, Ewen, Dr. von Geldern, Kittelmann, Rapp (Göppingen), Dr. Wittmann (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus
— Drucksache 8/2363
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
7. Erste Beratung -des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Juli 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Argentinischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 8/2434 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Durchführung des Abkommens vom 7. Januar 1976 über Soziale Sicherheit
— Drucksache 8/2435 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
9. Erste Beratung des von- der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über den Luftverkehr
— Drucksache 8/2436 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 17. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Autobahnbrücke über den Rhein zwischen Steinenstadt und Ottmarsheim sowie über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Weil am Rhein und Hüningen
— Drucksache 8/2437
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr
— Drucksache 8/2366 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Es handelt sich hier um die erste Lesung von Entwürfen, die aus der Mitte des Hauses oder von der Bundesregierung eingebracht sind. Wünscht jemand zur Begründung das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Das ist ebenfalls nicht der Fall.
Sie ersehen aus der Tagesordnung die Vorschläge des Ältestenrates zur Überweisung an die Ausschüsse. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerpruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Übereinkommen Nr. 144 der Internationalen Arbeitsorganisation über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen
Empfehlung 152 betreffend dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen und innerstaatlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der internationlen Arbeitsorganisation
— Drucksachen 8/1849, 8/2354 (neu) — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. George
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer der Beschlußfassung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig nach der Beschlußempfehlung beschlossen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 13:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu der Unter-



Vizepräsident Frau Funcke
richtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 10 02 Tit. 656 51
— Altershilfe für Landwirte — im Haushaltsjahr 1978
— Drucksache 8/2189, 8/2431 — Berichterstatter:
Abgeordneter Schmitz (Baesweiler)

Wird vom Herrn Berichterstatter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Es wird nicht gewünscht.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung, die Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen zur Kenntnis zu nehmen. Gibt es Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist es so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
Bundeseigene Liegenschaft in Karlsruhe, Erbprinzenstraße 17 / Blumenstraße 2 a
hier: Veräußerung an das Land Baden-Württemberg
— Drucksache 8/2443 —
Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Haushaltsausschuß. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe als letzten Punkt der heutigen Beratungen noch den Zusatzpunkt auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)

Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
— Drucksache 8/2472 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Schmidt (Wuppertal)

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. — Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Wer der Beschlußempfehlung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe das Haus auf morgen, Freitag, den 19. Januar, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.