Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführten Beratungspunkte:
1. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Verbesserung der Lage im Libanon
— Drucksache 8/2321 —Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
2. Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1979
— Drucksache 8/2307 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Zusatzpunkt 1 soll am Donnerstag nach Punkt 3 der Tagesordnung, Zusatzpunkt 2 soll am Freitag als letzter Punkt der Tagesordnung aufgerufen werden.
Die Fraktion der CDU/CSU hat für den Abgeordneten Schmidhuber den Abgeordneten Dr. Wittmann als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? —Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Wittmann (München) als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gewählt.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. November 1978 beschlossen, dem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze zuzustimmen. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2316 verteilt.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 24. November 1978 die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 übersandt. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2317 verteilt.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 24. November 1978 die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung zum Finanzplan des Bundes 1978 bis 1982 übersandt. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2318 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 14. November 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt , Peters (Poppenbüll), Müller (Schweinfurt), Paintner und der Fraktionen der SPD und FDP betr. Tierversuche — Drucksache 8/2194 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2320 verteilt.
Die in Drucksache 8/2098 unter Nr. 76 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften sowie der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften und zur Errichtung eines Verwaltungsgerichts der Europäischen Gemeinschaften
wird als Drucksache 8/2309 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 20. November 1978 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Mertes und der Fraktion der CDU/CSU betr. Eingriff des Geheimdienstes der Volksrepublik Ungarn in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland (Fall Schellhorn) — Drucksache 8/2139 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2308 verteilt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 8/2315 —
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, um weitere Störungen des ökologischen Gleichgewichts zu verhindern, die schon heute durch das Aussterben ganzer Vogelarten infolge des Einsatzes von Pestiziden und von polychlorierten Biphenylen entstanden sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Ahrens, die Feststellung, ganze Vogelarten seien infolge der Anwendung von Pflanzenbehandlungsmitteln, auch Pestizide genannt, ausgestorben, entspricht nicht den Tatsachen. Auch liegen keine Beweise dafür vor, daß Vogelarten heute noch in ihrer Entwicklung durch Pflanzenbehandlungsmittel beeinträchtigt werden. Der Rückgang von Vogelpopulationen ist in erster Linie auf Biotopveränderungen durch menschliche Eingriffe in die Natur zurückzuführen, die für hochentwickelte Industriegesellschaften kennzeichnend sind.Den in früheren Jahren verschiedentlich eingetretenen Vogelverlusten infolge der Anwendung
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9240 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
Parl. Staatssekretär Galluspersistenter Chlorkohlenwasserstoffe wurde durch den Erlaß von Anwendungsverboten und -beschränkungen für diese Stoffe als Pflanzenschutzmittel begegnet. Ich verweise auf das DDT-Gesetz und die Verordnung über Anwendungsverbote und -beschränkungen für Pflanzenschutzmittel. Entsprechende EWG-Regelungen befinden sich kurz vor der Verabschiedung.Die laufenden Verbesserungen bei der Prüfung und Zulassung von Pflanzenbehandlungsmitteln durch stärkere Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte werden dazu beitragen, Gefahren für Vögel, soweit diese noch bestehen, zu beseitigen. Außerdem werden die von mir bereits erwähnten Vorschriften über Anwendungsverbote und -beschränkungen für Pflanzenschutzmittel ständig dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse und den praktischen Erfahrungen angepaßt. Darüber hinaus werden entsprechende Forschungsarbeiten nachhaltig gefördert.Was mögliche Störungen des ökologischen Gleichgewichts durch polychlorierte Biphenyle anbetrifft, so sind diese durch die außerordentlich hohe Persistenz dieser Verbindungen und deren Ablagerungen im körpereigenen Fett von Mensch und Tier bedingt. Durch die Umsetzung der EG-Richtlinie 76/790 für Beschränkungen des Inverkehrbringens und die Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen in deutsches Recht wird der weiteren Verbreitung der polychlorierten Biphenyle Einhalt geboten. Künftig wird das Inverkehrbringen von polychlorierten Biphenylen nur für die Verwendung in geschlossenen Systemen, in Kleinkondensatoren usw, erlaubt sein. Durch diese Maßnahme wird eine weitere Belastung der Umwelt durch polychlorierte Biphenyle vermieden.
Sicher hat das Haus alles verstanden.
Herr Kollege Ey, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die vom Aussterben bedrohten Vogelarten in erster Linie dadurch bedroht oder gefährdet sind, daß entsprechende Feuchtgebiete nicht mehr in bisherigem oder vormaligem Umfang vorhanden sind?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß wir einen Mangel an gewissen Biotopen haben. Hier wird aber die Bundesregierung unter fachlicher Beteiligung der Länder dadurch Abhilfe schaffen, daß jetzt im Bundeshaushalt 1979,, Einzelplan 10, 5 Millionen DM für die Förderung von solchen Biotopen vorgesehen sind.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsberich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Der Herr
Parlamentarische Staatssekretär Höhmann steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Engelsberger soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Böhm auf:
Was ist aus den übrigen 75 Punkten bei den Verhandlungen mit der DDR geworden, nachdem bei Beginn der letzten Verhandlungsrunde mit der DDR die Bundesregierung öffentlich erklärt hat, es stünden dabei über 80 Punkte zur Verhandlung an, und nunmehr nach Abschluß der Verhandlungsrunde nur fünf Punkte als Ergebnis vorliegen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Böhm, die Bundesregierung hat im Jahre 1977 eine umfassende Bestandsaufnahme ihrer Beziehungen zur DDR vorgenommen. Diese Bestandsaufaufnahme ist zwar in verschiedene Sachbereiche gegliedert, jedoch entspricht eine punktuelle Aufrechnung nicht der tatsächlichen "Verhandlungssituation, weil die Sachbereiche in der Regel komplexer Natur sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen noch bekannt, daß seinerzeit vor Beginn der Verhandlungen von der Bundesregierung öffentlich über diese 80 Punkte und sogar über mehr als 80 Punkte geredet worden ist, und welchen Sinn sollen dann damals diese Aussagen der Bundesregierung gehabt haben?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr' Abgeordneter, es ist nicht so, wie Sie in Ihrer Frage unterstellen, daß das jetzige Verhandlungspaket lediglich fünf Punkte von jenen 80 umfaßt hätte. Die Anzahl der jetzt gelösten Punkte ist sehr viel größer.
Bitte, Herr Kollege, eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann man davon ausgehen, daß mit der Abmachung mit der DDR, ihr für zehn Jahre erhöhte Jahresraten zu zahlen, von Ihnen gleich zehn Punkte abgehakt worden sind?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das dürfen Sie nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, enthalten die Sachpunkte, die behandelt worden sind, auch die Bereitschaft seitens der DDR, neue Grenzübergänge auszuweisen?
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978 9241
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich glaube, es steht mir nicht an, die Vorhaben der Bundesregierung, über die sie noch verhandeln will, jetzt schon in öffentlicher Sitzung bekanntzugeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, gehören die ab 15. Dezember vorgesehenen Verbindungen im Selbstwählferndienst in die Bereiche Cottbus, Dresden, Frankfurt/Oder, Halle und Potsdam zu solchen Abmachungen?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, sie gehören mit in den Gesamtkomplex der Verhandlungen. Ich kann hier aber nicht sagen, in wie viele Punkte dieses aufzugliedern sei, und ich will auch nicht sagen, was ansonsten auf diesem Gebiet noch zu verhandeln ist und verhandelt werden wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, gehörte zu den Verhandlungspunkten dieser Runde auch die Verhandlung über den erweiterten Austausch von Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und dergleichen, und wenn ja, warum ist in den Vereinbarungen, die uns bekanntgegeben worden sind, darüber nichts enthalten?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, hier kann ich nur die gleiche Antwort geben, die ich dem Herrn Kollegen Ey gegeben habe. Wir geben vorher nicht bekannt, über was wir verhandeln wollen und was unser Verhandlungsziel ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sperling steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Wuwer ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Henke auf:
Teilt die. Bundesregierung die Auffassung, daß der soziale Wohnungsbau in den letzten Jahren jede soziale Bedeutung verloren hat und daß eine Verringerung der öffentlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau ohne Folgen für die Wohnraumversorgung der Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr. Kollege Henke, der soziale Wohnungsbau hat in den letzten Jahren keineswegs die ihm beizumessende soziale Bedeutung verloren. Wie bereits in der Regierungserklärung vom Dezember 1976 zum Ausdruck gebracht, ist es in dem mit öffentlichen Mitteln geförderten sozialen Wohnungsbau des ersten Förderungsweges nach wie vor notwendig, vornehmlich den Personengruppen zu helfen, die bisher noch nicht ausreichend mit Wohnraum versorgt sind. Das sind folgende Personengruppen: kinderreiche Familien, alleinstehende Elternteile mit Kindern, Schwerbehinderte, ältere Menschen, Aussiedler, Vertriebene und Zuwanderer sowie Familien, die immer noch in Wohnungsnotständen leben.
Die Mittel des zweiten Förderungsweges — früher Regionalprogramm des Bundes genannt —, mit denen Personen gefördert werden können, deren Jahreseinkommen bis zu 40 % über der Einkommensgrenze des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus liegt, werden vorwiegend zur Förderung von Wohneigentum eingesetzt. Durch die Umzüge in neue Wohnungen werden Mietwohnungen frei, in die andere Wohnungssuchende nachrücken und sich dadurch sowohl in der Wohnungsgröße wie auch in der Wohnungsausstattung verbessern können. In jedem Förderungsfall der Eigentumserstellung werden im Durchschnitt zwei oder sogar drei Umzüge ausgelöst.
Nach der mittelfristigen Finanzplanung stellt der Bund den Ländern — vorbehaltlich der jährlichen Entscheidung über den Haushalt — zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus auch in den nächsten Jahren Finanzhilfen bereit.
Im ersten Förderungsweg sind für den Zielgruppenwohnungsbau wie bisher 510 Millionen DM jährlich vorgesehen und daneben für Aussiedler, Vertriebene und Zuwanderer bis einschließlich 1980 jährlich rund 176 Millionen DM Zuschüsse und 103 Millionen DM Darlehen, wobei die Höhe der Mittel im Zuwanderungsfall der Zahl tatsächlich aufgenommenen und zu berücksichtigenden Aussiedler, Vertriebenen und Zuwanderer auf der Grundlage von präzise 4 222 DM je Person angepaßt wird; also jeweils eine Neuanpassung des Haushalts. Ob ab 1981 auf Grund des Zustroms der Aussiedler und der Wohnungsmarktentwicklung eine Aufstockung der Mittel für den Zielgruppenwohnungsbau erfolgen kann, in den der Aussiedlerwohnungsbau einbezogen werden soll, muß den Haushaltsbeschlüssen künftiger Jahre vorbehalten bleiben.
Im zweiten Förderungsweg — für die Eigentumserstellung — ist bis einschließlich 1982 eine Finanzhilfe an die Länder in Höhe von jährlich 1 029 000 000 DM vorgesehen, die damit unverändert bleibt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Henke, bitte.
Herr Staatssekretär, wie Sie wissen, hat der von mir in der Frage angesprochene Professor Biedenkopf gestern in einer Studie zum Thema „Wendepunkt am Wohnungsmarkt" u. a. die Feststellung getroffen, daß die Wohnungsprobleme gerade der Ärmsten noch weitestgehend ungelöst sind.
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9242 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
HenkeSehen Sie einen Widerspruch zwischen dieser, wie ich meine, richtigen Feststellung in dieser Studie und der Feststellung in meiner ursprünglichen Frage — die aber auch in der Studie an anderer Stelle wieder auftaucht —, daß der öffentlich geförderte Wohnungsbau jede soziale Bedeutung verloren hat?Vizepräsident Frau"" Renger: Einen Moment, Herr Staatssekretär.Herr Abgeordneter, ich kann nur den letzten Teil Ihrer Frage zulassen, in dem Sie direkt gefragt haben, und nicht den Teil, der mit dem Abgeordneten Biedenkopf zusammenhängt. — Bitte, Herr Staatssekretär.Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Das Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, das gestern eine Studie veröffentlicht hat, hat nach Auffassung der Bundesregierung eine Reihe von Tatsachen nicht zur Kenntnis genommen, die sich in den vergangenen Jahren bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus ergeben haben, nämlich die Orientierung auf Zielgruppen und die Orientierung auf ein Eigentumsprogramm. Daher kommt dieses Institut nach den Pressemeldungen, die man darüber gelesen hat, wohl zu Auffassungen, die im Widerspruch zu den sonst hier im Hause geäußerten Meinungen über die Notwendigkeit des sozialen Wohnungsbaus stehen.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist eigentlich die Erkenntnis: „Wohungsbau am Wendepunkt" völlig neu, oder deutet sich nicht durch die Entwicklung der Baufertigstellungszahlen seit 1974 an, daß diese Wende schon weitestgehend eingetreten ist?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Henke, ich glaube, eine Wende hat sich schon vollzogen. Aber das, was jetzt zu erwarten ist, ist ein Bauvolumen von rund 400 000 Wohnungen jährlich. Damit dürfte' wohl kaum jener Wohnungsberg Mitte der 80er Jahre erwartet werden, den die Studie erwartet.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, teilen Sie also die Auffassung, daß die Wohnungspolitik von 1949 an den allgemeinen Wohnraumbedarf in qualitativer und in quantitativer Hinsicht weitgehend gedeckt hat und daß die künftige Wohnungsbaupolitik den jetzigen und den künftigen Bedürfnissen der Bürger mehr Rechnung zu tragen hat?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Möller, die frühere Förderung des sozialen Wohnungsbaus hat den Bedürfnissen Rechnung getragen. Nur sind auch die berechtigten Steigerungen der qualitativen Ansprüche zu beachten, und denen ist
in Zukunft Rechnung zu tragen. Ich hoffe, daß Sie das mit uns gemeinsam tun werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Jahn .
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß sich der soziale Wohnungsbau von dem Wort „sozial" immer weiter entfernt, weil gleiche Wohnungen ungleiche Preise haben und die Mieten im sozialen Wohnungsbau • oftmals höher liegen als die am Markt erzielbaren Mieten?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, dies gilt für einen Teil der neugebauten Wohnungen, keineswegs aber für den gesamten Bestand des sozialen Wohnungsbaus, der ja darum auch noch für bestimmte soziale Gruppen dringend gebraucht wird. Niemand ist in der Lage, zu sagen, ob die Neubauten des sozialen Wohnungsbaus in einigen Jahren nicht auch wieder günstigere Mieten haben werden, als sie am Markt erzielt werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung daraus, daß dieser Wendepunkt eingetreten ist, von dem wir vorhin gesprochen haben, Folgerungen gezogen und gegebenenfalls welche?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Landesregierungen haben daraus Folgerungen gezogen, indem diese nämlich den Zielgruppenwohnungsbau sehr entschieden mitbetrieben haben und ebenfalls darangegangen sind, im zweiten Förderungsweg Eigentumsmaßnahmen mit zu fördern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus auch unter Beachtung der Tatsache zu sehen sind, daß zunehmend billige Altbauwohnungen durch Privatisierung für die Wohnversorgung der sozial schlechter gestellten Bevölkerungsschichten verschwinden, und damit der soziale Wohnungsbau sehr wohl noch eine Aufgabe hat?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Das ist völlig richtig, Herr Kollege Conradi. Da eine Studie ein bißchen Verwirrung schafft, sollte. man vielleicht darauf hinweisen, daß im sozialen Wohnungsbau nichts zu privatisieren sein wird, weil er sich praktisch völlig in privaten Händen befindet; dies steht im Gegensatz zu manchen Äußerungen, die zur Zeit auf dem Markt sind, z. B. es gelte zu privatisieren. Aber gerade weil es in Altbaubeständen um die Umwandlung von Sozialwohnungen in Eigentums-
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Parl. Staatssekretär Dr. Sperling
wohnungen geht, dürfte der Bestand des sozialen Wohnungsbaus sorgfältig zu beachten sein, damit sozialen Zwecken gedient werden kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat sich im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung für eine Bestandsaufnahme im Wohnungsbau, insbesondere im sozialen Wohnungsbau, ausgesprochen. Meine Frage: Liegt diese Bestandsaufnahme inzwischen vor, oder wann wird damit zu rechnen sein, ,daß die Bundesregierung die Bestandsaufnahme als selbstgestecktes Ziel vorlegen kann?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Nordlohne, die Bestandsaufnahme liegt noch nicht vor. Wir werden gemeinsam mit den Ländern jeweils darüber abzustimmen haben, wohin die Entwicklung im sozialen Wohnungsbau gehen soll. Einstweilen sehen wir, daß das, was an Geld zur Verfügung gestellt werden soll, von den Ländern dringend verlangt wird. Wir beraten ja in den kommenden Monaten eine Reihe von Gesetzen, die Anlaß geben werden, auf Ihre Frage dann näher einzugehen.
Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Krockert auf:
Welche Schlüsse zieht der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau für die Einrichtung sogenannter verkehrsberuhigter Zonen für den verdichteten Bau von Einfamilienhäusern aus den Erfahrungen, die er bei seiner Studienreise in die Niederlande gewonnen hat?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Krockert, wir haben bei einer zweitägigen Studienreise in die Niederlande verkehrsberuhigte Straßen und Wege in Delft, Zoetermeer und Amsterdam besichtigt. In Zoetermeer und in Amsterdam handelt es sich um Neubaugebiete, deren Erschließungssystem von vornherein so entworfen wurde, daß die Belastungen durch den Anliegerverkehr gering gehalten und weite Bereiche des Wohnumfeldes dem Fußgänger vorbehalten werden. Ich füge hinzu: in Holland natürlich auch dem Radfahrer.
Entsprechende Planungsgrundsätze sind in der Bundesrepublik Deutschland weithin bekannt.
In Delft wurden — im Gegensatz zu Zoetermeer und Amsterdam — auch für ältere Stadtgebiete verkehrsberuhigende Maßnahmen mit offensichtlichem Erfolg getroffen. Die innerörtliche Bebauung in Delft weist allerdings nicht mehr als zweieinhalbbis dreigeschossige Häuser auf. Zum Teil sind die Straßen wegen der Grachten nur einseitig bebaut. Das Beispiel der Stadt Delft zeigt, daß es eine einfallsreiche städtische Verkehrsplanung fertigbringen kann, eine Beruhigung des Straßenverkehrs jedenfalls bei etwas geringeren Baudichten herbeizuführen. Allgemein beeindruckte uns der Einsatz, mit dem die Stadtverwaltungen um anwohnerfreundliche Lösungen der Verkehrsprobleme bemüht sind und dabei den Zusammenhang mit der Anlage oder der Sanierung von Wohngebieten beachten.
Aus den in Holland uns bekanntgewordenen Erfahrungen zieht das Bundesbauministerium zwei Konsequenzen.
Erstens. Die Möglichkeiten, den Straßenverkehr durch organisatorische Maßnahmen und kleine Umbauten anwohnerfreundlich zu führen, müssen weiter ausgeschöpft werden.
Zweitens. Die Anstrengungen in der Bundesrepublik, für innerstädtische Problemgebiete mit hoher Baudichte durch Problemstudien und durch praktische Versuche Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, müssen fortgesetzt werden, wobei unsere Probleme dichter bebaute Gebiete betreffen, als es etwa in Delft, der Beispielstadt, der Fall war.
Der gute Ruf des niederländischen Wohnungsbaues und die Tatsache, daß die Niederlande fast doppelt so dicht besiedelt sind wie die Bundesrepublik, versprach Anregungen für das Stadthauskonzept der Bundesregierung. Im niederländischen Wohnungsbau finden sich viele Ansätze, die hierfür gleichermaßen gelten: Sparsamkeit im Umgang mit Grund und Boden, geringer Erschließungsaufwand, der menschliche Maßstab der Gebäude, umgebungsfreundliche Gestaltung, insbesondere durch Bildung von wohnlichen Gassen, Höfen und Platzfolgen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krockert, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die in den Niederlanden zu beobachtenden Entwicklungen ins- besondere der Kinderfreundlichkeit der Städte entgegenkommen? Berücksichtigen Sie dies auch bei Ihren Folgerungen? Werden Sie in die Folgerungen, die daraus zu ziehen sind, auch andere Ressorts mit einbeziehen — nachdem bereits Gespräche mit dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit stattgefunden haben — zugunsten einer Kinderfreundlichkeit der Städtebaupolitik, werden Sie auch mit dem Bundesverkehrsminister entsprechende Gespräche führen?Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Krockert, die Anregungen, den nicht motorisierten Verkehr zu fördern, sind zugleich Hinweise auf die Kinderfreundlichkeit der Lebensbedingungen in solchen Straßen. Deswegen sind in dieser Hinsicht die niederländischen Konzepte und Entwicklungen überaus interessant, auch für das Wohnen und bessere Gestalten der Wohnumwelt für Kinder in unseren Städten.Daß dies bei uns in Zusammenarbeit verschiedener Ressorts gemacht werden muß, ist klar. Wir treffen auf eine freundliche Aufgeschlossenheit des Verkehrsministers, mit uns gemeinsam darüber nachzudenken, wie rechtliche Regelungen gehalten sein müssen, damit wir . in dieser Richtung vorankommen können.
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9244 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, zur Konkretisierung Ihrer letzten Antwort möchte ich Sie fragen, ob sich der Bundesbauminister beim Bundesverkehrsminister dafür einsetzt, daß Vorschriften über die Standards von Straßenausbauten geändert werden, wenn dies der Verkehrsberuhigung dient, d. h., daß solche Vorschriften dort, wo sie der Verkehrsberuhigung entgegenstehen, abgebaut oder reduziert werden?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, es gibt Gespräche unter den Fachleuten der beteiligten Ministerien genau darüber, um herauszubekommen, wie solche Standards verändert werden können, wenn es der besseren Wohnumwelt in unseren Städten dient.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben gerade das „Stadthausmodell" erwähnt. Können Sie mir den Unterschied zwischen einem Haus in der Stadt und dem Stadthaus näher erläutern?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Möller, das kann ich. Ein Haus in der Stadt kann auch ein 22stöckiges Hochhaus wie z. B. das Bonner Stadthaus sein. Das Stadthauskonzept, das die Bundesregierung ins Gespräch gebracht oder aus dem Gespräch entnommen und gefördert hat, ist eines, das auf ein einfamilienhausähnliches Wohnen in den innerstädtischen Bereichen abzielt und deswegen nicht mit dem Hochhaus, aber auch nicht mit dem Bungalow draußen vor der Stadt vergleichbar ist, dennoch aber in individueller Wohnumweltgestaltung und Wohnungsgestaltung einem ähnlichen Anspruch gerecht werden kann, wie es das einzeln stehende Haus draußen vor der Stadt tut.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.
Herr Staatssekretär, ist damit zu rechnen, daß nach Ihren positiven Erfahrungen in Holland das Bundesbauministerium ähnliche Modelle fördert, eventuell auch in kleineren Städten?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Frau Erler, wir sind gern bereit, solchen Förderungswünschen entgegenzukommen. Das setzt immer voraus, daß sich die Stadt oder Gemeinde, die diesen Wunsch hat, über ihre Landesregierung an Bonn wendet.
Zusatzfrage, Herr Kollege Ey.
Herr Staatssekretär, gibt es nicht auch im Raum Bonn, etwa auf dem Heiderhof, gute Beispiele für Neuanlagen menschlicheren Wohnens?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Ja, es gibt im
übrigen eine Stadt, von der ich sage: Sie ist ein gutes bundesrepublikanisches Beispiel für kluge Verkehrsführung in dem Sinne, wie wir es in Zoetermeer oder in Delft gesehen haben. Das ist die Stadt Wulfen in Nordrhein-Westfalen, die ein ausgezeichnetes radfahrer- und fußgängerfreundliches Verkehrssystem entwickelt hat. Man muß nicht immer unbedingt ins Ausland gehen, um auf positive Beispiele zu stoßen. Sie finden es auch in Porz, Sie finden es auch hier im Raum Bonn.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn .
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß das Stadthausmodell auch im ländlichen Raum verwirklicht werden kann?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, es gibt auch im ländlichen Raum dichte Siedlungen. Es wäre gar nichts dagegen einzuwenden, wenn man die im sprachlichen Gebrauch manchmal so sehr sinnfällige aber ansonsten keinesfalls immer so völlig richtige Trennung von Stadt und Land an diesem Modell hin und her zerren würde. Natürlich gibt es auch Städte im ländlichen Bereich, ja, sogar Dörfer, wo Stadthäuser gebaut werden könnten, auf kleinem Grundstück familienfreundliches Eigentümer-Wohnen, so wie es in den innerstädtischen Bereichen auch gewünscht wird.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann sowie die Fragen 10 und 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Handelt es sich bei den gesetzlichen Maßnahmen gegen Bodenpreissteigerungen, die der Bundesbauminister wünscht, aber derzeit politisch nicht für durchsetzbar hält , um die Regelungen über einen Planungswertausgleich, wie ihn der in der vergangenen Legislaturperiode von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesbaugesetzes enthielt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, die Bundesregierung bewundert Ihre Hartnäckigkeit im wiederholten Stellen immer derselben Frage. Zur Antwort verweise ich auf die Antworten in früheren Fragestunden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung mit den parlamen-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978 9245
Dr. Jahn
tarischen Gepflogenheiten für vereinbar, einer eindeutig gestellten Frage dreimal auszuweichen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Aber Herr Kollege Jahn, wir sind nicht ausgewichen, sondern wir haben Ihnen bereits am 5. Oktober, glaube ich, als Kernpunkt dessen, was Sie als Antwort wünschen, folgende Antwort gegeben. Ich zitiere jetzt aus der Fragestunde vom 5. Oktober:Der von der Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesbaugesetzes enthielt Regelungen über den Ausgleichsbetrag als Teil eines bodenrechtlichen Instrumentariums. Damit sollten Bodenspekulationen eingedämmt und leistungslose Bodenwertsteigerungen, die durch öffentliche Maßnahmen eintreten, wenigstens zum Teil wieder der Allgemeinheit zufließen. Diese Regelung hätte wegen des Zusammenhangs mit weiteren Vorschriften, insbesondere mit den vorgesehenen Regelungen über die Herabsetzung des Preises bei der Ausübung des Vorkaufsrechts und der Bemessung der Enteignungsentschädigung, zur Senkung der Baulandpreise und zur Eindämmung der Bodenspekulation beitragen können. Daß diese Regelungen insgesamt lediglich zu einer anderen Verteilung des durch den Markt bestimmten Kaufpreises geführt hätten, trifft nicht zu.
Herr Staatssekretär, da Sie nur die Antwort verlesen haben, wären Sie auch bereit, meine konkrete Fragestellung hier noch einmal vorzutragen?
Nein, Herr Kollege, dies geht nun wirklich zu weit. Ich sage hier ganz offen, daß es mir schon fraglich erscheint, daß Sie diese Frage auf diese Weise noch einmal, zum zweiten- und jetzt zum drittenmal hier stellen, ohne daß die Bundesregierung in der Lage ist, andere Antworten zu geben. Ich bitte doch, nicht noch einmal so zu verfahren und nun Ihre Fragen noch einmal zu wiederholen, die Sie bereits zweimal beantwortet bekommen haben, verehrter Herr Kollege. Ich glaube, das Haus findet auch keinen Gefallen daran, daß dies dauernd wiederholt wird.
Herr Staatssekretär, wollen Sie darauf noch antworten?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, Ihre Frage liegt ausgedruckt vor. Ich habe soeben eine Antwort darauf gegeben, die Sie früher schon bekommen haben. Auch wenn Sie sie noch einmal stellen, ich werde wieder auf frühere Antworten verweisen.
Ich rufe Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Wenn ja, auf welche Erfahrungen stützt der Bundesbauminister seine Erwartung, solche Regelungen könnten zur Senkung der Baulandpreise beitragen , liegen ihm insbesondere diesbezügliche Erfahrungen im Zusammenhang mit der Erhebung von Ausgleichsbeiträgen nach den Vorschriften des Städtebauförderungsgesetzes vor, und wenn nein, welche gesetzlichen Maßnahmen wünscht der Bundesminister, und auf welche Tatsachen gründet sich seine Überzeugung, diese seien derzeit politisch nicht durchsetzbar?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Diese Frage steht im Zusammenhang mit der vorher beantworteten Frage, Herr Kollege Jahn. Es betrifft dasselbe, was Sie vorher gefragt haben.
Bitte, Sie haben zwei Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, da unser Antrag, Bauland breiter zu streuen, im zuständigen Ausschuß abgelehnt worden ist, habe ich die Frage, welche Konzeption die Bundesregierung zur Senkung der Baulandpreise hat.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, zur Senkung der Baulandpreise kann die, Bundesregierung selber nichts beitragen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Hält die Bundesregierung an dem Modell des Planungswertausgleiches fest?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Jahn, derzeit nicht.
Danke schön, Herr
Staatssekretär. Damit sind die Fragen Ihres Geschäftsbereichs beendet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe nunmehr die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
In wieviel Fällen ist bisher das Recht auf Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten nach § 13 des Bundesdatenschutzgesetzes im Bereich der Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes in Anspruch genommen worden, wie oft bezog sich das Ersuchen auf die in § 12 BDSG geregelten Veröffentlichungen der Behörden und öffentlichen Stellen, und in wieviel Fällen mußte die Auskunftserteilung wegen besonderer in § 13 BDSG genannter Gründe unterbleiben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, das Recht auf Auskunft nach § 13 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes hat der Betroffene jeweils gegenüber der Behörde oder sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes geltend zu machen, die, wie Sie wissen, geschützte, personenbezogene Daten über ihn speichert. Eine zentrale Stelle, die diese Auskunftsbegehren für den gesamten Bundesbereich registriert,
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9246 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
Parl. Staatssekretär von Schoelerbesteht nicht. Eine Beantwortung der Frage ist deshalb erst möglich, wenn zuvor eine Umfrage unter allen Behörden und öffentlichen Stellen des Bundes durchgeführt worden ist. Auch die Feststellung, in wie vielen Fällen die Auskunftserteilung auf Grund von § 13 Abs. 2 und 3 des Bundesdatenschutzgesetzes unterbleiben mußte, bedarf einer vorherigen Umfrage. Das gleiche gilt auch für die Beantwortung des dritten Teils Ihrer Frage, nämlich wie oft sich Ersuchen auf die in § 12 des Bundesdatenschutzgesetzes geregelten Veröffentlichungen bezogen.Ich habe entsprechende Erhebungen über die Zahl .der im gesamten Geschäftsbereich meines Hauses eingegangenen Anfragen sowie eine Umfrage bei den obersten Bundesbehörden eingeleitet und werde ihnen nach Eingang der Antworten und ihrer Auswertung hiervon schriftlich Mitteilung machen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, Sie sind nicht in der Lage, im Augenblick eine Abschätzung der Größenordnung zu geben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Das kann ich im Augenblick nicht.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Ueberhorst auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Entsorgungsvorsorgenachweise künftig nicht mehr honorieren will, wenn diese auf Cogema-Verträge abgestellt sind und die den Entsorgungsnachweis legitimierenden Vertragsbestimmungen nich dem Parlament zugänglich gemacht werden können, und wenn ja, welche Gründe und Erwägungen liegen dafür vor?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Antwort lautet ja. Es trifft zu, daß der in dieser Sache für die Bundesregierung federführende Bundesminister des Innern im Rahmen der ihm obliegenden Aufgaben der Bundesaufsicht über die atomrechtlichen Genehmigungsverfahren deutlich gemacht hat, daß Entsorgungsvorsorgenachweise, die auf Verträge mit der Firma Cogema abstellen, künftig nicht mehr honoriert werden können, wenn die den Entsorgungsnachweis legitimierenden Vertragsbestimmungen nicht dem Parlament zugänglich gemacht werden können. Ich habe dies bereits im Gesamtzusammenhang in einer Antwort auf eine Frage des Herrn Kollegen Schäfer dargestellt, die in der Drucksache 8/2115 abgedruckt ist.
Die Bundesregierung sieht in der Zurverfügungstellung von Informationen, die der Deutsche Bundestag oder seine Organe zur Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Regierung benötigen, ein wichtiges Element einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie. Die Bundesregierung kann aber ihr Handeln nur dann rechtfertigen, wenn die Grundlagen dieses Handelns und deren Belastbarkeit jederzeit verdeutlicht werden können. Dies wäre jedoch in einer Situation, in der die CogemaVerträge und ihre Wertung im Rahmen der Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke einer parlamentarischen Nachprüfung entzogen sind, nicht mehr gewährleistet. Es ist daher die Absicht der Bundesregierung, zukünftig nur solche Regelungen der Entsorgungsvorsorge anzuerkennen, die den genannten Voraussetzungen genügen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ueberhorst.
Herr Staatssekretär, wären Sie so freundlich, dem Hause und auch der deutschen Öffentlichkeit mitzuteilen, welche Erwägungen die Bundesregierung veranlaßt haben, diesen Nachweis und die Möglichkeit der parlamentarischen Überprüfung erst jetzt, 1978, und nicht schon früher bei anderen vergleichbaren Verträgen zwischen DWKCogema zu fordern?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wie Sie wissen, hat die Bundesregierung, nachdem die entsprechende Diskussion im Innenausschuß des Deutschen Bundestages begonnen hatte, ihre Bemühungen, dem Wunsche des Parlaments Rechnung zu tragen und seine Erfüllung zu ermöglichen, unverzüglich aufgenommen. Von daher kann man wirklich sagen, daß die Bundesregierung, nachdem das Parlament den Wunsch geäußert hat, unverzüglich gehandelt hat.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ueberhorst.
Darf ich Ihre in der Sache für mich erfreuliche Antwort und die Bekräftigung der Position der Bundesregierung so verstehen, daß die Möglichkeit des Parlaments, die Verträge überprüfen zu können, für die Bundesregierung unabdingbar und auch nicht kompromißfähig ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wir haben unsere Position gegenüber der Öffentlichkeit und auch gegenüber dem Parlament mit allem Nachdruck dargestellt. An dieser Haltung wird sich nichts ändern.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis, bitte.
Herr Staatssekretär, gilt Ihre erste Antwort auf die Frage des Kollegen Ueberhorst auch für das Kernkraftwerk Krümmel, das, wie Sie sicher wissen, etwa 1981 in Betrieb genommen werden soll?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das bezieht sich auf den Entsorgungsvorsorgenachweis insgesamt, und damit kann es auf alle Genehmigungsverfahren, die auf den Bund in diesem Zusammenhang zukommen, Auswirkungen haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978 9247
Herr Staatssekretär, wäre es nicht sinnvoll und logisch, wenn die Bundesregierung die Betriebsgenehmigung für bereits in Betrieb befindliche Kernkraftwerke, bei denen der Entsorgungsvorsorgenachweis auf ähnlichen vertraglichen Bestimmungen wie bei DWK/Cogema beruht, ebenfalls überprüfen würde?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäfer, die Frage würde sich allenfalls erst dann stellen, wenn wir feststellen müßten, daß das Ziel des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung nicht zu verwirklichen wäre. Das ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der Fall.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Ueberhorst auf:
Wie ist der Stand der diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung, die Zustimmung der französischen Seite zur Vorlage der Verträge im Deutschen Bundestag zu erhalten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung bemüht sich um die Zustimmung der französischen Seite zur Vorlage des Vertraps, hat aber bisher keine definitive Antwort erhalten.
Zusatzfrage? — Bitte.
Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob diese diplomatischen Bemühungen die Bundesregierung in . die Lage versetzt haben, dem Deutschen Bundestag zu sagen, welche Gründe die Vertragspartner DWK und Cogema gehabt haben, einen Vertrag von dieser Bedeutung abzuschließen und explizit in diesem Vertrag zu regeln, daß der Vertragsinhalt dem Deutschen Bundestag nicht zugänglich gemacht werden könne?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann dazu über das hinaus, was wir bereits dem Innenausschuß und auch in der Fragestunde dem Parlament mitgeteilt haben, im Augenblick nichts sagen.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß durch den Ersatz von Phosphaten in Waschmitteln, z. B. durch Zeolith, das Eutrophierungsproblem weitgehend gelöst wird, oder werfen die bisher bekannten Ersatzstoffe ähnliche ökologische Fragen auf?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich wäre dankbar, Herr Kollege, wenn ich die beiden Fragen zusammen beantworten könnte.
Ich rufe daher auch die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Ist es nach dem Erkenntnisstand der Bundesregierung zutreffend, daß die derzeit zweckmäßigste und sicherste Lösung des Eutrophierungsproblems durch die Fällungsreinigung zu erreichen ist und daß die Ausrüstung aller Kläranlagen in eutrophiegefährdeten Gebieten für dieses Verfahren mit ca. 20 Millionen DM zu erreichen wäre?
von Schoeler, Parl Staatssekretär: Phosphate, die in Gewässern zur Eutrophierung beitragen, stammen aus mehreren Quellen, wie Sie wissen, z. B. aus der Landwirtschaft, aus menschlichen Ausscheidungen und zu ca. 40 % aus Wasch- und Reinigungsmitteln. Deshalb würde selbst ein vollständiger Ersatz der Waschmittelphosphate allein das Eutrophierungsproblem nicht lösen können. Er kann jedoch hierzu einen Beitrag leisten. Im Waschmittelgesetz sind daher Ermächtigungen zum Erlaß entsprechender Rechtsverordnungen vorgesehen.
Voraussetzung für eine zweckentsprechende Verwendung von Ersatzstoffen anstatt Phosphaten in Waschmitteln ist aber die Umweltunbedenklichkeit dieser Stoffe. Sie ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand nur bei Zeolith A gegeben, das immerhin einen Teilersatz der Phosphate ermöglicht.
Bei eutrophierungsgefährdeten Gewässern müssen daneben jedoch zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um eine Überversorgung dieser Gewässer mit Phosphorverbindungen zu verhindern. Hierzu wird vielfach die Fällungsreinigung als zweckmäßige Lösung gewählt. Diese Maßnahme wird von der Bundesregierung längerfristig gefördert. Bislang bestehen in der Bundesrepublik Deutschland allerdings erst etwa 90 Kläranlagen mit Fällungsreinigung, d. h. etwa ein Zehntel der Anlagen, die in eutrophierungsgefährdeten Gebieten benötigt werden.
Die von Ihnen erwähnten Kosten von 20 Millionen DM beziehen sich möglicherweise auf die Investitionen für das sogenannte Simultanverfahren. Weitaus wirksamer als die Simultanfällung ist jedoch die sogenannte .Nachfällung, die zu wesentlich geringerem Phosphatgehalt im gereinigten Abwasser führt und daher den Vorzug verdient. Sie erfordert allerdings gegenüber der Simultanfällung etwa den zehnfachen Investitionsaufwand. In beiden Verfahren sind zusätzlich zu den Investitionskosten noch erhebliche laufende Betriebskosten anzusetzen, die sicherlich mehr als 30 Millionen DM pro Jahr betragen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, sehen Sie Möglichkeiten, die Industrie anzuregen, sich verstärkt diesem Problem zu widmen, damit eher umweltfreundliche Waschmittel auf den Markt gelangen?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir betreiben das Ziel, den Phosphatgehalt unserer Gewässer zu verringern, mit allem Nachdruck, auch
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9248 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
Parl. Staatssekretär von Schoelerin den Gesprächen mit der betroffenen Industrie. Allen Stellen, mit denen wir reden, ist klar, für wie ernst wir dieses Problem ansehen und für wie wichtig wir seine Lösung halten.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, wann, glauben Sie, ist mit der Markteinführung solcher umweltfreundlicher Waschmittel in nennenswertem Umfang zu rechnen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das kann schon sehr bald passieren.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Langguth auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt des Verfassungsschutzes den Verlauf der am 28./29. Oktober 1978 in Köln durchgeführten Bundesdelegiertenversammlung des „Sozialistischen Hochschulbunds" , der wegen seiner engen Bündnispolitik mit dem kommunistischen Studentenverband „Marxistischer Studentenbund" (MSB) Spartakus im Verfassungsschutzbericht 1977 erneute Erwähnung fand und der in einem Beschluß zum Ausdruck brachte, daß der Einsatz für Menschenrechte in aller Welt ein heuchlerisches Manöver sei, „die reale Überlegenheit einer sozialistischen Gesellschaftsordnung zu vernebeln und konterrevolutionäre Kräfte in den existierenden sozialistischen Staaten zu züchten"?
Bitte sehr, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung beurteilt den SHB wie im Verfassungsschutzbericht 1977 dargelegt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langguth.
Kann die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Verlaufs der zurückliegenden Bundesdelegiertenversammlung des Sozialistischen Hochschulbundes zwei wichtige politische Positionen — oder wenigstens eine — nennen, in denen sich der SHB vom MSB Spartakus oder von der DKP politisch substantiell unterscheidet?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Positionen des SHB im Verfassungsschutzbericht 1977 im einzelnen dargestellt. Darüber hinaus hier eine Art Programmvergleich zu liefern, erscheint mir nicht erforderlich.
Bitte, Herr Kollege, die zweite Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie aber nicht mit mir der Auffassung — diese Frage würde ich gern noch einmal präzise stellen —, daß der SHB weitestgehend Ziele der Deutschen Kommunistischen Partei und des MSB Spartakus vertritt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, alles, was wir dazu zu sagen haben, ist in der wünschenswerten Klarheit und Deutlichkeit im Verfassungsschutzbericht 1977 dargestellt.
Ich rufe Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Miltner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, gegebenenfalls vertraulich in den zuständigen Ausschüssen darüber Auskunft zu geben, wann und mit welchem Ergebnis es seit Stellung des Auslieferungsantrags Kontakte zwischen dem Bundeskriminalamt oder anderen deutschen Behörden und entsprechenden jugoslawischen Behörden gegeben hat?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Herr Bundesminister Baum wird im Rahmen seines Berichts in der heutigen Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages auch auf die Kontakte eingehen, die zwischen Stellen seines Geschäftsbereichs und jugoslawischen Behörden in der von Ihnen angesprochenen Angelegenheit stattgefunden haben.
Herr Staatssekretär, können Sie wenigstens erklären, wann und durch wen es Kontakte gegeben hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Miltner, ich bin dazu gern bereit, bitte aber um Verständnis dafür, daß ich der heutigen Beratung des Innenausschusses nicht vorgreifen möchte.
Bitte, Herr Kollege, die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da es nach der Freilassung der Terroristen in Jugoslawien erforderlich erscheint, die Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus zu intensivieren, frage ich die Bundesregierung, bis zu welchem Zeitpunkt den Sicherheitsbehörden in ausreichender Zahl mobile Terminals zur Verfügung stehen werden.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich vermag den Sachzusammenhang mit der Ausgangsfrage nicht mehr zu erkennen, möchte Sie aber darauf hinweisen, daß sich, wie Sie wissen, der Haushaltsausschuß gerade mit den Problemen, die die Verwirklichung dieses Projektes betreffen, beschäftigt. Da ich Ihrer Frage eine Unterstützung der Position des Bundesinnenministers entnehmen zu können glaube, wäre ich dankbar, wenn Sie diese Überlegungen auch weitertragen würden.
Frage 23 des Herrn Abgeordneten Schwarz und Frage 24 des Herrn Abgeordneten Engelsberger werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978 9249
Vizepräsident Frau RengerIch rufe Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:Sind der Bundesregierung Mordtaten bzw. Attentate auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gegen Exilkroaten oder kroatische Gastarbeiter bekannt, als deren Auftraggeber jugoslawische Dienststellen genannt wurden?Bitte schön, Herr Staatssekretär.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in der vertraulichen Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 18. Oktober 1978 hat Bundesinnenminister Baum über die Tätigkeit der jugoslawischen Nachrichtendienste ,in der Bundesrepublik ausführlich berichtet. Die mit diesem Komplex zusammenhängenden Fragen sind ihrer Natur nach nicht für eine öffentliche Erörterung geeignet. Ich bitte Sie jedoch, davon auszugehen, daß die Bundesregierung Eingriffen von ausländischer Seite in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland angemessen begegnen würde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, warum die Bundesregierung im Plenum des Deutschen Bundestages in dieser Frage keine konkrete Auskunft geben will, nachdem doch bereits in der ganzen Presse darüber geschrieben wurde?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, aus den Gründen, die in der vertraulichen Sitzung des Rechtsausschusses im einzelnen dargestellt worden sind.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung nicht wenigstens bereit, zu solchen Fällen Stellung zu nehmen, in denen Agenten des jugoslawischen Staatssicherheitsdienstes wie etwa Herr Coreta hier in der Bundesrepublik gefaßt wurden und von sich aus angegeben haben, daß sie mit dem Auftrag, hier Mordtaten zu begehen, hierher kamen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich verstehe Ihre Frage deshalb nicht, weil Sie sicherlich bei der Behandlung anderer Themen aus der Arbeit der Sicherheitsbehörden Verständnis dafür aufbringen werden, daß sich Einzelheiten der Erkenntnislage der Sicherheitsbehörden nicht für eine öffentliche Darstellung eignen. Dann, wenn Sie dieses Verständnis auf anderen Gebieten aufbringen, muß das auch für diesen Bereich gelten; hier kann ich nicht mit zweierlei Maß messen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ey. Bitte.
Herr Staatssekretär, trifft die Meldung der FAZ vom 21. November dieses Jahres zu, wonach die zuständigen Stellen in der Bundesrepublik rund 37 Straftaten verzeichnet haben, die von
Mitarbeitern des jugoslawischen Geheimdienstes unternommen wurden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich verweise auch insoweit auf die vertrauliche Unterrichtung des Rechtsauschusses.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Windelen.
Herr Staatssekretär, können Sie wenigstens über das Ergebnis der Innenministerkonferenz berichten, die sich nach Pressemeldungen auch mit diesem Gegenstand beschäftigt hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist im Augenblick nicht bekannt, da ich selbst an der Sitzung nicht teilgenommen habe, daß über diesen Punkt mehr berichtet worden wäre, was Gegenstand einer öffentlichen Erörterung sein kann, als das, was ich hier gesagt habe.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Miltner.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, bis wann ,die Bundesregierung die Kleine Anfrage vom 3. Mai 1978 zum selben Thema, nämlich zu den politisch motivierten Gewalttaten jugoslawischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland, beantworten kann und will?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Der Zwischenruf war verfrüht, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß es eine Absprache zwischen der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion ,gab, diese Beantworlung zurückzustellen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer.
Herr Staatssekretär, können Sie denn eine Erläuterung dazu geben, warum der Vertreter der Deutschen Arbeiterwohlfahrt, Eberhard De Hahn, verhaftet worden ist und ob dies im Zusammenhang mit den Leuten geschehen ist, die von uns aus ausgeliefert werden sollten?
Herr Kollege Sauer, das steht nicht im Zusammenhang mit dieser hier gestellten Frage. Vielleicht paßt es woandershin. Ich bitte um Entschuldigung.
— In diesen Zusammenhang paßt es, bitte, nicht.
Bitte, Herr Broll, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
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9250 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, steht Ihre angesichts der öffentlichen Debatte dieses Themas erstaunliche Schweigsamkeit vielleicht im Zusammenhang • mit Ihrem Ziel, die sogenannten guten Beziehungen zu Jugoslawien durch eine Äußerung Ihrerseits nicht zu stören?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich weiß nicht, worauf sich die Aussage bezieht, daß es eine ungewöhnliche Schweigsamkeit sei. Ihre Frage unterstellt, daß ich ansonsten ein geschwätziger Mensch sei. — Ich möchte es bei dieser Antwort belassen:
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die nach § 6 des Europawahlgesetzes wahlberechtigten Deutschen im EG-Ausland durch den Erlaß und die Verkündung der Europawahlordnung bereits ausreichend über ihr Wahlrecht und die notwendigen Formalitäten unterrichtet sind, oder was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sicherzustellen, daß alle von dieser Regelung betroffenen Wahlberechtigten von ihren Wahlmöglichkeiten erfahren?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, unter welchen Voraussetzungen, wo, in welcher Form und in welcher Frist die in den europäischen Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften lebenden, nach § 6 Abs. 2 Europawahlgesetz wahlberechtigten Deutschen an der Wahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments teilnehmen können, ist nach § 19 Abs. 2 der .Europawahlordnung durch die Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in den EG-Staaten mittels deutschsprachiger Anzeigen öffentlich bekanntzumachen. Die Bekanntmachung ist mit dem in der Anlage 6 zur Europawahlordnung festgelegten Inhalt spätestens am 60. Tag vor der Wahl, d. h. am 11. April 1979 in überregionalen Tages- und Wochenzeitungen sowie regionalen Tageszeitungen vorzunehmen.
Über diese amtliche Information hinaus bleibt es den politischen Parteien und sonstigen an der Wahl teilnehmenden politischen Vereinigungen sowie anderen Institutionen unbenommen, ihrerseits die in den europäischen Gebieten der Mitgliedstaaten der Gemeinschaften lebenden Wahlbürger in geeigneter Form über ihr Wahlrecht und das Verfahren der Ausübung zu unterrichten.
Die deutschen diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sind inzwischen über das Verfahren im einzelnen unterrichtet und stehen ebenso wie der Bundeswahlleiter den Wahlberechtigten zu Auskünften zur Verfügung. Die vom Bundeswahlleiter beschafften Antragsformulare nebst Merkblättern für die Antragstellung liegen den Auslandsvertretungen sowie den sonstigen zuständigen Stellen bereits vor, so daß die Anträge auf Eintragung in das Wählerverzeichnis schon jetzt bei den Gemeindebehörden im Bundesgebiet gestellt werden können.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klepsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie es nicht für sinnvoll halten, wenn vor dem 11. April, also jetzt, da die entsprechenden Formulare, wie Sie uns eben mitgeteilt haben, schon vorliegen und da wir alle davon ausgehen müssen, daß 60 Tage für das etwas komplizierte Verfahren, das Sie nicht ändern können, ein sehr begrenzter Zeitraum sind, entsprechende Informationen der in Betracht kommenden Personenkreise durch die deutschen Auslandsvertretungen erfolgen?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist deshalb sehr schwierig, weil der Wohnsitz der betreffenden Personen den deutschen Behörden nicht immer bekannt ist. Es gäbe überhaupt nur einen möglichen Ansatzpunkt, und zwar am letzten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Wohnsitz dieses Personenkreises über die Meldebehörden den neuen Wohnsitz feststellen zu lassen. Diese Informationen wären dann teilweise sieben oder zehn Jahre alt. Die Anschriften, die auf diese Weise gewonnen werden könnten, entsprächen wahrscheinlich nicht dem aktuellen Stand. Deswegen können wir leider für die im Ausland lebenden Deutschen nicht dasselbe machen wie für diejenigen in der Bundesrepublik Deutschland, nämlich eine Wahlbenachrichtigung zusenden. Ich teile aber Ihre Auffassung, daß durch geeignete Aktivitäten der Auslandsvertretungen, der Öffentlichkeit, aber auch der Parteien, der Versuch gemacht werden sollte, den Personenkreis des § 6 Abs. 2 Europawahlgesetz von der Möglichkeit der Eintragung in das Wählerverzeichnis und damit von der Wahlmöglichkeit in Kenntnis zu setzen.
Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Klepsch.
Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär, möchte Sie aber fragen, ob Sie in den Kreis der Möglichkeiten nicht das einbeziehen können, was nach der Verordnung am 11. April erfolgen müßte, nämlich eine öffentliche Bekanntmachung in der gleichen Form wie die formelle Bekanntmachung 60 Tage vor der Wahl vorzunehmen?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das müßte ich prüfen. Das ist im Zweifelsfalle auch eine Kostenfrage. Ich werde der Frage gerne einmal nachgehen und Ihnen das Ergebnis mitteilen.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe Frage 27 des Herrn Abgeordneten Luster auf:Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß die wahlberechtigten Deutschen, die ihren Wohnsitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in den europäischen Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften haben, und sich teilweise in erheblicher räumlicher Distanz zu den Wahlbezirken aufhalten, in denen ihre Stimmabgabe erfolgt, frühzeitig und ausreichend über die zu wählenden Personen und Parteien informiert werden?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978 9251
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, über die Zulassung der Wahlvorschläge für die Wahl zum Europäischen Parlament entscheiden die Wahlausschüsse nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Europawahlgesetz am 37. Tage vor der Wahl. Das ist der 4. Mai 1979. Die zugelassenen Wahlvorschläge mit den einzelnen Bewerbern sind vom Bundeswahlleiter nach Abs. 5 dieser Vorschrift in Verbindung mit § 37 und § 79 Europawahlordnung spätestens am 27. Tag vor der Wahl — das ist der 14. Mai 1979 — im Bundesanzeiger bekanntzumachen.Über diese öffentliche Bekanntmachung hinaus ist eine spezielle amtliche Bekanntmachung der zugelassenen Bundes- und Landeslisten für die in den EG-Mitgliedstaaten lebenden Wahlberechtigten nicht vorgesehen und auch nicht veranlaßt. Wie bei nationalen Wahlen zu parlamentarischen Vertretungskörperschaften ist es auch bei der Europawahl primär Sache der politischen Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen, die an der Wahl teilnehmen, den Wahlbürger über die Kandidaten zu informieren bzw. bleibt es dem einzelnen Wahlberechtigten überlassen, sich etwa durch Einsichtnahme in die amtliche Veröffentlichung oder durch Anfrage bei den Wahlvorschlagsträgern oder den Wahlleitern über die Wahllisten näher zu informieren.Die Bundesregierung wird über die genannte gesetzliche Regelung hinaus sicherstellen, daß die für die Wahl zugelassenen Wahlvorschläge bei den diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen in den EG-Staaten eingesehen bzw. auf Anforderung hin zur Verfügung gestellt werden können.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Luster. ,
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht ein anderes Politikum darin sehen, daß die Bundesregierung möglicherweise ein höheres Interesse an einer hohen Wahlbeteiligung an der Europawahl als an Bundestagswahlen selbstverständlich auch aus nationalen Interessen und aus dem Grunde hat, weil es sich hier um die erste Wahl dieser Art handelt, und sollte die Bundesregierung deshalb nicht alles Erdenkliche tun, um den Wahlberechtigten nicht nur formell die Wahl zu ermöglichen und Kenntnis von den Wahlmöglichkeiten zu geben, sondern sie auch zur Wahl zu ermuntern?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist völlig richtig, daß die Bundesregierung und alle Parteien in der Bundesrepublik Deutschland ein großes Interesse daran haben, daß es zu einer hohen Wahlbeteiligung bei den ersten europäischen Direktwahlen kommt. Die Bundesregierung wird auch alles in ihrer Macht Stehende tun, um dieses Ziel zu erreichen. Deswegen habe ich gesagt, daß wir über das hinaus, wozu wir gesetzlich verpflichtet sind, in den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in den EG-Staaten eine Einsichtnahme in die Wahlvorschlagslisten ermöglichen wollen. Allerdings müßten Sie mir darin zustimmen, daß es problematisch wäre, wenn die Bundesregierung darüber hinausgehend noch über den Inhalt von Wahlvorschlägen informieren würde, weil hier ein Aufgabengebiet berührt ist, das primär den politischen Parteien zusteht. Es könnten sich sehr schwierige Fragen der Objektivität der Information ergeben. Darum ist es angemessen, hier so zu verfahren, wie wir es auch im Inland tun: die über die formelle Einsichtsmöglichkeit hinausgehende Informationen für die Wahlberechtigten sollen den Parteien überlassen bleiben. Ich glaube, dieses Prinzip sollten wir hier nicht durchbrechen.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? — Bitte sehr, Herr Kollege Luster.
Herr Staatssekretär, wie gedenkt die Bundesregierung anderen wahlberechtigten Deutschen, nämlich den Bürgern der DDR, die seit mindestens drei Monaten in den europäischen Gebieten der Mitgliedstaaten der EG wohnen, die Wahrnehmung ihres auf Grund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 6 des Europawahlgesetzes gegebenen Wahlrechts zu ermöglichen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dieser Personenkreis, den Sie erwähnen, kann an der Wahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments in der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen, wie Sie wissen, wenn die Betreffenden einen schriftlichen Antrag auf Aufnahme in ein Wählerverzeichnis stellen. Zuständig für die Eintragung in das Wählerverzeichnis ist nach der Europawahlordnung die Gemeinde im Wahlgebiet, in . welcher der Wahlberechtigte nach seiner Erklärung vor seinem Wegzug aus dem Bundesgebiet zuletzt gemeldet war. Sofern die letzte Wohnung im Lande Berlin lag oder der Wahlberechtigte noch nie für eine Wohnung im Bundesgebiet gemeldet war, ist der Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis bei der Gemeindebehörde zu stellen. . Das gilt für den Teil der Bürger der DDR, die sich in westeuropäischen Staaten aufhalten. Bei den anderen Personen gilt, daß sie einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben müssen und sich mindestens drei Monate hier aufhalten werden.
Sie werden aus diesen Voraussetzungen erkennen, daß es sich wahrscheinlich um kein praktisches Problem handelt.
Herr Abgeordneter Jäger , noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht einen praktikablen Weg darin sehen, daß eine Abrede mit den anderen Regierungen der EG-Staaten dahin gehend getroffen wird, daß jede dieser Regierungen durch entsprechende Verlautbarungen in den jeweils eigenen Tageszeitungen und anderen Publikationsmitteln für die in dem jeweiligen Staat wohnhaften ausländischen Bürger auch gleich mit auf die Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Voraussetzungen der Beteiligung an dieser Wahl hinweisen wird?
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9252 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich könnte mir vorstellen, daß ein solcher Weg erhebliche praktische Probleme aufwirft. Wenn man sich beispielsweise vorstellt, in welcher Vielfalt von Sprachen wir in der Bundesrepublik Deutschland dann versuchen müßten, die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit und Bedeutung dieses Termins zu lenken, und daß das entsprechend auch bei den anderen Ländern gehen sollte, dann wird man wahrscheinlich feststellen, daß das ein schwer gangbarer Weg wäre. Es ist doch wohl eine Aufgabe des jeweiligen Staates, für seine Staatsangehörigen dafür zu sorgen, daß sie ihr Wahlrecht auch ausüben können.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Aigner auf. — Herr Kollege Dr. Aigner ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 29 des Herrn Abgeordneten Alber auf:
Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, daß möglichst viele gem. § 6 des Europawahlgesetzes Wahlberechtigte im Wahlverzeichnis erfaßt werden, zumal anders als bei Bundes-, Landes- und Kommunalwahlen keine detaillierten Wählerverzeichnisse bei den Wahlämtern vorliegen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in den europäischen Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften lebende Wahlberechtigte im Sinne des § 6 Abs. 2 des Europawahlgesetzes müssen, um an der Wahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments teilnehmen zu können, nach § 15 der Europawahlordnung einen Antrag auf Aufnahme in ein Wählerverzeichnis im Bundesgebiet stellen. Über das Antragsverfahren enthalten die §§ 16 Abs. 2 sowie 17 Abs. 1 und 6 der Europawahlordnung detailliertere Vorschriften.
Unter welchen Voraussetzungen, wo, in welcher Form und 'in welcher Frist für den genannten Personenkreis die Möglichkeit der Wahlteilnahme besteht, haben die Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften nach § 19 der Europawahlordnung in überregionalen Tages- und Wochenzeitungen sowie in regionalen Tageszeitungen öffentlich bekanntzumachen.
Im übrigen verweise ich auf das, was ich schon auf die Frage des Herrn Kollegen Klepsch gesagt habe.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Alber.
Gibt es bereits Planungen über die Zahl und auch über den Wortlaut dieser Annoncen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß Ihnen gestehen, daß ich nicht weiß, ob es solche Planungen detaillierter Art gibt. Ich bin gern bereit, Ihnen das mitzuteilen.
Keine Zusatzfragen dazu? — Dann rufe ich Frage 30 des Herrn Abgeordneten Alber auf:
Welchen Zeitraum hält die Bundesregierung in diesem Zusammenhang bis zur Europawahl im Juni 1979 noch für ausreichend, um durch geeignete Informationen über das Verfahren zur Eintragung in das Wählerverzeichnis dem betreffenden Personenkreis die Teilnahme an der Europawahl zu ermöglichen, zumal der Antrag auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis spätestens bis zum 21. Tage vor der Wahl bei der zuständigen Gemeindebehörde eingegangen sein muß?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die in meiner Antwort auf Ihre erste Frage angesprochene öffentliche Bekanntmachung seitens der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften hat nach § 19 der Europawahlordnung spätestens am 60. Tage vor der Wahl — das ist der 11. April 1979 — zu erfolgen. Über diese amtliche Information hinaus bleibt es den politischen Parteien und sonstigen an der Wahl teilnehmenden politischen Vereinigungen sowie anderen Institutionen natürlich unbenommen, ihrerseits die in den EG-Staaten lebenden deutschen Wahlbürger in geeigneter Form über ihr Wahlrecht und das Verfahren der Ausübung dieses Rechts zu unterrichten. In zeitlicher Hinsicht muß sich diese Aufklärung letztlich an dem Stichtag nach § 17 der Europawahlordnung für die Antragstellung auf Eintragung in das Wählerverzeichnis im Bundesgebiet, dem 21. Tag vor der Wahl — das ist der 20. Mai 1979 —, orientieren.
Keine Zusatzfragen? — Bitte.
Die Frage lautete, welchen Zeitraum die Bundesregierung für angemessen hält, da es ja mit der bloßen Einhaltung der Frist nicht getan ist.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Von den von mir dargestellten Stichtagsfristen her wäre es sicherlich zweckmäßig, mit entsprechenden Aktivitäten Anfang 1979 zu beginnen.
Keine Zusatzfrage.Die Fragen 31 und 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß jüdischen Aussiedlern und Flüchtlingen aus osteuropäischen Staaten verschiedentlich Vertriebenenausweise wie auch Einbürgerung mit der Begründung verweigert wurden, sie hätten nicht zu den „Volksdeutschen" gehört, die auf Grund des Führererlasses über die Gliederung und Verwaltung der Ostgebiete vom Oktober 1939 registriert wurden oder hätten keinem der antisemitischen Volkstumsvereine angehört, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen?Bitte, Herr Staatssekretär.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978 9253
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich teile Ihre Auffassung, daß Begründungen für die Ablehnung eines Antrags auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises, wie Sie sie in Ihrer Frage zitieren, nicht mit dem Wortlaut und dem Sinn des Bundesvertriebenengesetzes in Einklang zu bringen wären. Mir sind solche Fälle nicht bekanntgeworden. Wie Sie wissen, führen die Länder das Bundesvertriebenengesetz als eigene Angelegenheit durch. Sollten Ihnen Entscheidungen der von Ihnen zitierten Art bekannt sein, wäre ich für eine Mitteilung dankbar, damit gegebenenfalls die zuständigen obersten Landesbehörden diesen Fällen nachgehen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, halten Sie es mit mir für einen unbefriedigenden Zustand, wenn der Sohn eines rassisch verfolgten Deutschen sechs Jahre um seine Einbürgerung kämpfen muß?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben offensichtlich einen konkreten Fall im Auge. Ich bin gern bereit, diesem konkreten Fall nachzugehen und auch, soweit mir das möglich ist, auf die Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken. Ich bitte nur um Verständnis dafür, daß ich zu einem konkreten Fall, dessen Einzelheiten mir nicht bekannt sind, nicht Stellung nehmen kann.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, wie Ihre Antwort bereits vermuten läßt, bestimmte Unterlagen von mir entgegenzunehmen, die konkrete Fälle ansprechen, und unter Umständen mit einem Rechtsanwalt, der sich in Berlin seit Jahren um die Einbürgerung in den angesprochenen Fällen bemüht hat, zu sprechen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gern bereit, zusammen mit Ihnen die Unterlagen durchzugehen, die Sie haben. Wir werden darüber sprechen, und wenn ich zu der Überzeugung gekommen bin, daß wir etwas veranlassen müssen, werde ich alles versuchen, um diesen Bedenken Rechnung zu tragen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, wären Sie gewillt, auch zu prüfen, wenn ich Ihnen entsprechende Zeitungsberichte vorlege, ob die darin enthaltenen Behauptungen, daß Vertriebenenausweise teilweise wieder zurückgefordert würden, und zwar auf Grund der Tatsache, die Herr Thüsing genannt hat, zutreffen, und gegebenenfalls etwas dagegen zu unternehmen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es ist richtig, daß Vertriebenenausweise zurückgefordert worden sind. Dagegen ist aber zunächst einmal deshalb nichts zu sagen, weil dies im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen erfolgt ist, die ergeben haben, daß Personen auf Grund falscher Angaben als Aussiedler anerkannt wurden. Insofern ist allein auf Grund der Tatsache, daß Vertriebenenausweise zurückgefordert wurden, nicht etwa ein Verstoß gegen das Bundesvertriebenengesetz zu vermuten. Somit reduziert sich Ihre Frage auch wieder auf die Prüfung konkreter Einzelfälle, zu der ich gern bereit bin.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesinnenminister bereit, bei der Konferenz der Innenminister der Länder klarzustellen, daß sich die Feststellung, wer Deutscher ist, nicht nach ehemaligen Führererlassen oder nach NS-Volkszählungen, sondern allein nach dem Bundesvertriebenengesetz richtet, das sagt: Deutscher ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale, wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur, bestätigt wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann zu der Frage, ob eine solche Aktion notwendig ist, erst Stellung nehmen, wenn ich wirklich weiß, ob es wegen Einzelfällen Anlaß zu einer solchen Maßnahme gibt. Das soll aber gerade das Ergebnis der Überprüfungen der mir vom Herrn Kollegen Thüsing zuzuleitenden Unterlagen sein. Insofern kann ich dazu jetzt nichts sagen.
Sie haben keine Zusatzfrage mehr.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich bin gern bereit, Ihnen noch etwas zu dem Zwischenruf zu sagen, weil ich den Eindruck habe, daß Sie mich mißverstanden haben. Daß das, was Sie in Ihrer Frage gesagt haben, hundertprozentig zutrifft, brauche ich nicht extra zu betonen. Ob es einen Anlaß gibt, darauf gegenüber den Ländern hinzuweisen, kann sich erst später als Ergebnis der Prüfung herausstellen. Das wollte ich noch einmal klarstellen.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:Trifft es zu, daß — wie in der Stuttgarter Zeitung vom 21. November 1978 gemeldet — das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Mannheimer Buchhändler als V-Mann anzuwerben versucht und ihm dafür Hilfe bei einem Ermittlungsverfahren wegen Werbung für eine terroristische Vereinigung zugesagt hat?Bitte, Herr Staatssekretär.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der von Ihnen zitierte Zeitungsartikel hat mich ver-
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9254 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978
Parl. Staatssekretär von Schoeleranlaßt, der Angelegenheit mit dem Ziel einer sorgfältigen Klärung nachzugehen. Die Bundesregierung ist gern bereit, falls dies gewünscht wird, den der Veröffentlichung in der „Stuttgarter Zeitung" zugrunde liegenden Sachverhalt in einer die notwendige Vertraulichkeit wahrenden Form näher darzulegen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich Fragen zur Tätigkeit des Verfassungsschutzes in einem der Geheimhaltung unterliegenden Bereich hier nicht beantworten kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, darf eine Bundesbehörde in einem Bundesland geheime Ermittlungen anstellen und V-Männer anwerben, ohne daß die zuständige Behörde dieses Bundeslandes davon unterrichtet ist?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Es entspricht der Praxis, daß es eine Abstimmung zwischen den Behörden gibt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß — wenn der Bericht der „Stuttgarter Zeitung" zutrifft — die Zusicherung des Verfassungsschutzes, in einem Ermittlungsverfahren Hilfe zu gewähren, die strengen Grenzen staatlicher Gewaltenteilung verletzen würde und insoweit als Anzeichen mangelnden Gehorsams gegenüber der Verfassung gewertet werden könnte?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, daß ich eine sorgfältige Prüfung des Sachverhalts veranlaßt habe. Da jede Antwort auf die von Ihnen soeben gestellte Frage als eine Stellungnahme zu diesem Fall verstanden werden müßte, möchte ich auf Ihre Frage im Augenblick nicht antworten. Ich betone noch einmal, daß die Bundesregierung gerne bereit ist, in einem Gremium, das die notwendige Vertraulichkeit sicherstellt, das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Herr Staatssekretär, würden Sie in einem der hier angegebenen möglichen Fälle — Anwerbung als V-Mann und Zusicherung von Hilfe in einem Ermittlungsverfahren ganz abstrakt gefragt, ein politisch, rechtlich oder moralisch verwerfliches Verhalten sehen können?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Damit stehe ich, Herr Kollege, vor der gleichen Schwierigkeit wie bei der Frage des Kollegen Conradi. Meine Antwort, die Sie allerdings bitte nicht als Stellungnahme zu dem konkreten Fall mißverstehen mögen, lautet, daß aus der Anwerbung eines V-Mannes selbstverständlich kein Vorwurf gegen einen Verfassungsschutz herzuleiten ist.
Die Frage 35 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Voss eingebracht worden. Die Fragen 36 und 37 hat der Herr Abgeordnete Hansen eingebracht. Diese Fragen sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Wimmer auf:
Wie kommt es, daß die Vorbereitungsarbeiten an den noch festzusetzenden Lärmschutzbereichen hinsichtlich der militärischen Flugplätze Brüggen und Wildenrath im Oktober 1978 nöch nicht abgeschlossen waren und zu diesem Zeitpunkt die „Berechnung" erst eingeleitet und die „Kartographie" ausweislich des Fluglärmberichts der Bundesregierung noch nicht einmal begonnen war, obwohl nach Auskunft des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Bülow (Stenographischer Bericht der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom. 27. Januar 1978, Seite 5599) der Bundesverteidigungsminister dem Bundesinnenminister bereits am 24. Januar 1978 die maßgeblichen Daten für die Berechnung der Lärmschutzbereiche für die beiden genannten Flugplätze zugeleitet hat?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Durchführung des Fluglärmgesetzes hat in meinem Hause hohe Priorität; dies gilt auch für die Festsetzung der Lärmschutzbereiche für die militärischen Flugplätze Wildenrath und Brüggen. Die Datenerfassungssysteme wurden von mir unverzüglich nach Zuleitung durch den Bundesminister der Verteidigung im Januar 1978 mit den beteiligten Stellen beraten. Bei der weiteren Behandlung der Datensätze durch die beauftragten Sachverständigen ergaben sich unvorhergesehene Schwierigkeiten, die eine erneute Beratung aller beteiligten Stellen erforderlich machten; diese Beratung fand Ende Juli 1978 statt. Danach ist mit der endgültigen Berechnung unverzüglich begonnen worden.
Wenn Sie gestatten, beantworte ich Ihre zweite Frage gleich mit.
Dann rufe ich jetzt noch die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Wimmer auf:
Wann ist damit zu rechnen, daß die für die festzusetzenden Lärmschutzbereiche notwendige Berechnung, die Kartographie und die Abstimmung zwischen Bund und Land erfolgen werden?
von Scheeler, Parl. Staatssekretär: Die Sachverständigen haben die Berechnung der Lärmschutzbereiche Brüggen und Wildenrath Anfang November 1978 — also nach dem Redaktionsschluß für den Fluglärmbericht — abgeschlossen. Der Auftrag für die Kartographierung ist inzwischen erteilt. Ich gehe davon aus, daß ich dem zuständigen Landesminister Übersichtskarten mit den eingetragenen Lärmschutzbereichen Brüggen und Wildenrath im Februar 1979 zur Abstimmung zuleiten kann.
Eine Zuatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie angeben, um welche Schwierigkeiten es sich gehandelt hat, die zur Verzögerung des ganzen Verfahrens geführt haben?
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1978 9255
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es handelte sich dabei um Schwierigkeiten in den Berechnungen, die auf Grund der vorliegenden Daten vorzunehmen waren. Ich bin gerne bereit, Ihnen die Einzelheiten mitzuteilen; ich sage Ihnen aber gleich, daß es dann sehr technisch wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich sind damit beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Hölscher wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 47 ist vom Fragesteller, dem Herrn Abgeordneten Hölscher, zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Welche Kompetenzen räumt die Bundesregierung dem Bundesausschuß Ärzte/Krankenkassen ein im Hinblick auf die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Therapiefreiheit der Ärzte und der Tatsache, daß für die Beurteilung der Wirksamkeit von Arzneimitteln noch keine unstreitigen methodisch und ethisch einwandfreien Verfahren zur Verfügung stehen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Hammans, der Aufgabenbereich des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen richtet sich nach den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung. Danach hat er die zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung zu beschließen. Hierzu gehört unter anderem auch die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung. Maßgebliche. gesetzliche Leitlinie für die Gestaltung der Richtlinien, also auch der Arzneimittelrichtlinien, ist das Wirtschaftlichkeitsgebot der Reichsversicherungsordnung. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen geht davon aus, daß auf Grund des Wirtschaftlichkeitsgebotes für die Verordnung von Arzneimitteln im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung nur wirksame Arzneimittel in Betracht kommen. Es ist Aufgabe der für die Gewährleistung der wirtschaftlichen Verordnungsweise verantwortlichen Kassenärztlichen Vereinigungen, entsprechende sachverständige Stellungnahmen zur Frage der Beurteilung der Wirksamkeit einzuholen. Deren Ergebnisse sind unter Berücksichtigung der allgemeinen arzneimittelrechtlichen Bestimmungen zu bewerten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär Buschfort, wie kann ein Arzt die Erstattung der Kosten für Arzneimittel erzwingen, wenn ihm einerseits die Erstattung wegen nicht nachgewiesener Wirksamkeit verweigert wurde, andererseits aber der Wirksamkeitsnachweis mit Hilfe eines klinischen Versuchs nach Finke, wie Ihnen sicher bekannt ist, strafbar ist?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Bundesausschuß legt nur allgemeine Grundsätze in den Richtlinien fest. Die Details werden durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen geregelt. Ich denke, es Wird Aufgabe ides Betroffenen sein, sich dann an die Kassenärztliche Vereinigung zu wenden.
Zweite Zusatzfrage.
Liegt der Bundesregierung inzwischen der Entwurf einer Richtlinie des Bundesausschusses Ärzte/Krankenkassen vor, durch die gewährleistet ist, daß nur solche Ärzte die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln begutachten, die die Qualifikation nach § 25 des Arzneimittelgesetzes besitzen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß natürlich nur befähigte Ärzte zur Begutachtung herangezogen werden. Ich kann über die entsprechende Ausgestaltung der Richtlinie jetzt im Detail nichts sagen. Aber ich werde Ihre Frage gern einmal überprüfen und Ihnen auch noch eine Antwort darauf zukommen lassen.
Ich rufe die Frage 49 der Frau Abgeordneten Hürland auf:Gibt es im Verantwortungsbereich der Bundesregierung Erkenntnisse über den Zusammenhang der zunehmenden Zahl von psychisch Kranken und Rationalisierung sowie Automatisierung in Betrieben?Bitte, Herr Staatssekretär.Buschfort, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Hürland, der Bundesregierung liegen keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse vor, aus denen zu entnehmen ist, daß die Zunahme der Zahl der psychisch Kranken mit Rationalisierung und Automatisierung in den Betrieben zusammenhängt. Die Forschungen der letzten Jahre lassen wohl erkennen, daß automatisierte Tätigkeiten für viele Arbeitnehmer eine psychovegetative Belastung darstellen. Bewegungsmangel, Monotonie, menschliche Isolierung, mentale Über- oder Unterforderung, Lärm oder absolute Stille sind derartige Belastungsfaktoren. Das Eingespanntsein in eine Arbeitsorganisation, die auf hohe Ausnutzung der betrieblichen Kapazitäten ausgerichtet ist, kann Ursache von psychischvegetativen Störungen sein. Im Rahmen des Aktionsprogramms „Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens" wird auf die psychische Beanspruchung bei der Bedienung und Überwachung hochmechanisierter und automatisierter Produktionsan-
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Parl. Staatssekretär Buschfortlagen ein besonderes Augenmerk gerichtet. Es bedarf noch einer Reihe von Forschungen, um stichhaltige Aussagen zu Art und Größe psychischer Belastungen, zur Dauer der Belastbarkeit, zur Lage und Dauer erforderlicher Erholungszeiten und zur menschengerechten Organisation des Arbeitsablaufs zu erhalten.Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, daß es nach dem Arbeitssicherheitsgesetz zu den Aufgaben des Betriebsarztes gehört, arbeitsbedingte Erkrankungen zu erfassen und auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zu deren Verhütung vorzuschlagen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr' Staatssekretär, können Sie Aussagen darüber machen, in welcher Form die von Ihnen angesprochenen Betriebsärzte in ihrer Ausbildung — sofern man zur Zeit überhaupt von einer arbeitsmedizinischen Ausbildung der Betriebsärzte sprechen kann — über die möglichen Zusammenhänge zwischen Automation einerseits und psychischer und organischer Erkrankung andererseits unterrichtet werden?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Hürland, ich räume ein, daß es zu Beginn der Gesetzgebung in diesem Bereich Schwierigkeiten gab. Inzwischen haben wir arbeitsmedizinische Lehrstühle an den meisten Universitäten, so daß der Nachwuchs entsprechend ausgebildet werden kann. Darüber hinaus bemühen sich z. B. die Berufsgenossenschaften ganz beachtlich, durch Sonderlehrgänge auf die besonderen arbeitsmedizinischen Notwendigkeiten hinzuweisen. Ich gehe davon aus, daß die Ergebnisse sich später weiter verbessern und die Erkenntnisse der Arbeitsmediziner umfassender sein werden.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Ist bekannt, Herr Staatssekretär, in wie vielen Fällen psychischer Erkrankungen Anträge auf Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt wurden und in wie vielen Fällen diese positiv beschieden werden mußten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich glaube nicht, daß es darüber Erkenntnisse gibt. Aber ich werde dieser Frage einmal nachgehen. Mir ist jedoch nicht bekannt, daß die Rentenversicherungsträger besondere Erhebungen nach der Art der Erkrankung anstellen. Häufig ist es doch so, daß sich ein Rentenantragsteller nicht nur auf eine Erkrankung stützt, sondern daß mehrere Ursachen zusammenspielen, mit denen der Rentenantrag begründet wird. Aber, wie gesagt, ich will dieser Frage gern einmal nachgehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, wann werden Sie die Erkenntnisse, von denen Sie eben gesprochen haben, voraussichtlich exakt mitteilen können?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, ich glaube, hier wird es kaum eine exakte abschließende Beurteilung geben können. Aber ich kann Ihnen sagen, daß in einem beachtlichen Umfang Forschungsaufträge vergeben worden sind. Ich bin gern bereit, Ihnen eine Aufstellung darüber zukommen zu lassen, in welchem Umfang derzeit Forschungsvorhaben laufen, die sich insbesondere mit diesen Fragen beschäftigen. Ich werde diese Information natürlich auch gern der Fragestellerin Frau Kollegin Hürland zuleiten.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Stockleben auf:
In welcher Weise kann die Bundesregierung sicherstellen, daß im Rahmen der betriebsärztlichen Betreuung eine besondere medizinische Betreuung von Schichtarbeitern durchgeführt wird, wie z. B. verschärfte medizinische Anstellungsuntersuchungen, regelmäßige begleitende Untersuchungen, Anwesenheit von medizinisch vorgebildetem Personal in allen Schichten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Wenn es gestattet ist, würde ich die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Stockleben gern im Zusammenhang beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 53 des Abgeordneten Stockleben auf:Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, eine Berichtspflicht der Betriebsärzte über den Gesundheitszustand von Schichtarbeitern einzuführen?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nach dem Arbeitssicherheitsgesetz hat der Betriebsarzt Arbeitnehmer vorsorglich zu untersuchen, wenn die Arbeitsbedingungen dies erfordern. Die Bundesregierung geht nach den heutigen Erkenntnissen davon aus, daß Schichtarbeiter besonderen Beanspruchungen ausgesetzt sein können. Diese machen eine besondere betriebsärztliche Betreuung mit Untersuchung und Beratung der Arbeitnehmer erforderlich.Das Arbeitssicherheitsgesetz und seine Ausführungsbestimmungen enthalten keine Vorschriften über die im Betrieb erforderliche Verteilung der einzelnen betriebsärztlichen Aufgaben. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsmediziner so aufzuteilen, daß alle Arbeitnehmer ausreichend arbeitsmedizinisch betreut werden können. Einzelheiten dazu können in Betriebsvereinbarungen festgelegt werden.Im übrigen ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörde — hier Gewerbeaufsicht, Gewerbearzt oder Berufsgenossenschaft —, arbeitsschutzrechtliche Anordnungen zu erlassen, wenn die ärztliche Betreuung der Schichtarbeiter mangelhaft organisiert ist.Jeder Betriebsarzt — damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage — ist verpflichtet, jeden begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit dem zuständigen staatlichen Gewerbearzt und dem Unfallver-
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Parl. Staatssekretär Buschfortsicherungsträger unverzüglich anzuzeigen. Nach dem Arbeitssicherheitsgesetz hat der Betriebsarzt ferner Ursachen arbeitsbedingter Erkrankungen zu erfassen und auszuwerten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse stellen eine Grundlage für das betriebsärztliche Tätigwerden und für Maßnahmen des Arbeitgebers zur Abwendung festgestellter Belastungsfaktoren dar. Die Ergebnisse derartiger Auswertungen stehen auch dem Gewerbearzt, der Gewerbeaufsicht und den Berufsgenossenschaften zur Verfügung. Eine besondere Berichtspflicht ist darüber hinaus nicht vorgesehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Stockleben.
Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung in Zukunft unternehmen, um die Schichtarbeiter über die Gefahren und Risiken der Schichtarbeit aufzuklären?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe gerade in Beantwortung der Frage von Frau Kollegin Hürland darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesregierung, um besondere Erkenntnisse zu erlangen, eine Vielzahl von Forschungsaufträgen vergeben hat. Die Forschungsergebnisse werden wir sorgfältig prüfen und veröffentlichen und den interessierten Stellen, d. h. Arbeitgebern und Gewerkschaften, zur Verfügung stellen.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gibt die Bundesregierung den Sozialversicherungsträgern Empfehlungen, regelmäßig Kuren durchzuführen, die besonders auf die gesundheitliche Situation der Schichtarbeiter abgestellt sind und die insoweit vorbeugend und gesundheitserhaltend wirken?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung gibt sicherlich keine Empfehlungen, in einem größeren Umfang Kuren durchzuführen. Aber es gehört selbstverständlich zur ärztlichen Pflicht, bei besonderen Belastungen und erkennbaren Gefährdungen auf solche Notwendigkeiten hinzuweisen. Hier gehe ich davon aus, daß der Hausarzt, aber auch der Betriebsarzt sowie die Krankenversicherungs- und die Rentenversicherungsträger ihren Informationspflichten nachkommen.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, bisher gibt es ja keine regional gegliederte Meldepflicht der Arbeitgeber für den Bereich „Schichtarbeiter". Kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung versuchen wird, möglichst rasch eine regional und branchenmäßig gegliederte Meldepflicht einzuführen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, ich sehe bisher keinen Sinn darin,
Schichtarbeit zu melden. Denn Schichtarbeit im Wechsel zwischen Früh- und Spätschicht und Schichtarbeit im Drei-Schichten-Betrieb ist meines Erachtens doch etwas völlig Unterschiedliches. Hinzu kommt, daß gerade in diesem Bereich der Betriebsrat, der Personalrat eine besondere Funktion hat, nämlich Beginn und Ende der Arbeitszeit festzulegen und auch darauf zu achten, daß damit keine gesundheitlichen Gefahren verbunden sind. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Betriebsarztes, eine gewisse Überwachung vorzunehmen und eine entsprechende Aufmerksamkeit an den Tag zu legen, damit Gefahren abgewendet werden können.
Ich wüßte auch nicht, wo dieses gemeldet werden sollte. Wenn es die Gewerbeaufsicht sein sollte, sage ich, daß sie schon jetzt nicht in der Lage ist, all das in dem wünschenswerten Umfang zu prüfen, was sie eigentlich prüfen müßte. Deshalb sehe ich in einer Meldepflicht für Schichtarbeit keinen rechten Sinn.
Ihre letzte Zusatzfrage.
Begrüßt es die Bundesregierung, wenn bei Überlegungen zur Arbeitszeitverkürzung insbesondere dem Problem der Schichtarbeit eine besondere Bedeutung beigemessen wird?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Stockleben, das will ich voll unterstreichen. Sie wissen, daß auch wir hier im Bundestag in den Ausschüssen, als es um die Frage der weiteren Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze ging, sehr wohl darüber diskutiert haben, ob wir nun den richtigen Weg beschritten haben oder ob es vielleicht richtiger gewesen wäre, die Regelung auch auf Schichtarbeiter abzustellen. Daß die Schichtarbeiter eine besonders benachteiligte, eine besonders betroffene Arbeitnehmergruppe bilden, darüber gibt es keinen Zweifel. Wenn man über Erweiterungen im Bereich der Arbeitszeitverkürzung nachdenkt, muß man sicherlich zunächst auch an die Schichtarbeiter denken.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen, daß hier die Versicherungsträger angesprochen sind, daß insbesondere der Rentenversicherungsträger verpflichtet ist, von sich aus Rehabilitationsmaßnahmen durchzuführèn — das gilt dann auch für die Schichtarbeiter -, zwar nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente" ?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, ich glaube, das war nicht die Frage des Herrn Kollegen Stockleben. Natürlich geht Rehabilitation vor Rente, und natürlich wird der Rentenversicherungsträger eine notwendige Kur bewilligen. Aber die Frage war doch, ob wir seitens der Bundesregierung die Rentenversicherungsträger darauf auf-
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Parl. Staatssekretär Buschfortmerksam machen, daß insbesondere die Schichtarbeiter auf die Kurnotwendigkeit hingewiesen werden sollen. Da. ist mein Eindruck, daß das bisher nicht geschieht.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 54 und 55 — der Frau Abgeordneten Steinhauer — werden auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 56 — des Herrn Abgeordneten Hasinger — auf:
Wie groß ist die Zahl der erstmalig erteilten Arbeitserlaubnisse auf Grund der Verschiebung des Stichtags für die Kinder ausländischer Arbeitnehmer vom 30. November 1974 auf den 31. Dezember 1976, und mit welcher Zahl wäre bei einer Aufhebung des Stichtags zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin, wenn es gestattet ist, würde ich auch hier gern beide Fragen — 56 und 57 — im Zusammenhang beantworten.
Herr Kollege, einverstanden? — Dann rufe ich auch Frage 57 auf:
Rechnet die Bundesregierung bei einer Aufhebung des Stichtags für die Erteilung der Arbeitserlaubnis an Kinder ausländischer Arbeitnehmer mit zusätzlichen Familienzusammenführungen, und wenn ja, in welchem Umfang — auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kinder ausländischer Arbeitnehmer nach 5jährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bereits .heute einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Arbeitserlaubnis besitzen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hasinger, über die Zahl der Arbeitserlaubnisse, die an Kinder ausländischer Arbeitnehmer auf Grund der Verschiebung des Stichtages erteilt worden sind, liegen Erhebungen nur für die Zeit vom Inkrafttreten der Neuregelung im Juni 1977 bis zum 30. Juni 1978 vor. Danach sind während dieses Zeitraums von den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit insgesamt 5 126 Arbeitserlaubnisse für in der Zeit vom 1. Dezember 1974 bis zum 31. Dezember 1976 nachgereiste Kinder ausländischer Arbeitnehmer erteilt worden.
Wieviel Arbeitserlaubnisse bei einer Aufhebung des Stichtages zusätzlich erteilt würden, läßt sich nicht abschätzen, da das Arbeitsamt in jedem Einzelfall zu prüfen hat, ob der Arbeitsplatz nicht aus dem Kreis der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer besetzt werden kann.
,Zu Ihrer zweiten Frage bemerke ich folgendes. Bei einer Aufhebung des Stichtages muß mit einem verstärkten Familiennachzug gerechnet weiden. Der Umfang dieses zusätzlichen Nachzugs läßt sich jedoch nicht genauer abschätzen, da viele Eltern ihre Kinder aus anderen Gründen nachholen. So sind z. B. 1975 und 1976 trotz bestehender Stichtagsregelung jeweils fast 100 000 ausländische Jugendliche unter 18 Jahren aus den Anwerbestaaten in das Bundesgebiet eingereist. Längst nicht alle dieser Jugendlichen kommen bei Eintritt in das erwerbsfähige
Alter in den Genuß der Regelung, nach der Kinder ausländischer Arbeitnehmer nach fünfjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet einen Rechtsanspruch auf eine besondere Arbeitserlaubnis besitzen, wenn ihre Eltern oder zumindest ein Elternteil schon fünf Jahre im Bundesgebiet beschäftigt sind. Kinder, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und denen infolge der Stichtagsregelung gegenwärtig auch keine allgemeine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, würden im Falle der Aufhebung des Stichtages die Möglichkeit erhalten, in der Bundesrepublik Deutschland eine Beschäftigung auszuüben, wenn Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes dies gestatten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hasinger.
Herr Staatssekretär, läßt sich aus der Zahl von etwa 5 000 erstmalig erteilten Arbeitserlaubnissen auf Grund der Verschiebung des Stichtages nicht auch die Schlußfolgerung ableiten, daß eine erneute Verschiebung des Stichtages oder gar dessen Aufhebung eine zusätzliche Zahl von Arbeitserlaubnissen in etwa ähnlicher, jedenfalls doch überschaubarer Größenordnung zur Folge haben würde?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, eine genaue Festlegung möchte ich hier nicht treffen. Aber im großen und ganzen würde ich das, was Sie sagten, bestätigen. Weil das so ist und weil es ja auch noch eine ganz andere Seite der Medaille bei dieser Frage gibt, treten wir zur Zeit in Gespräche mit den Ländern ein, um erneut über diese Probleme zu sprechen.
Zweite Zusatzfrage.
Zu der Frage des Familiennachzugs: Wenn, wie Sie sagen, in den Jahren 1975 und 1976 jeweils etwa 100 000 Kinder und Jugendliche nachgezogen sind, ist dann meine Vermutung richtig, daß bei dieser ohnehin sehr hohen Zahl nun die Aufhebung des Stichtags für die Arbeitserlaubnis, die mit der aufenthaltsrechtlichen Frage des Familiennachzugs nicht unbedingt zusammenhängt, keine besondere zusätzliche Wirkung haben würde?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hasinger, das kann nur eine Vermutung sein. Wir wissen das nicht, denn diese Stichtagsregelung hat sicherlich manche Familie davon abgehalten, den Nachzug zu vollziehen. Ob das genauso sein wird, wenn der Stichtag völlig fällt, vermag ich nicht zu sagen. Nur: Sie müssen bei alldem bedenken, daß wir selber hier im Land eine angespannte Arbeitsmarktsituation haben, und ich möchte nicht, daß unsere Arbeitsmarktpolitik wegen einer allzu offenen Flanke unterlaufen würde. Von daher verstehen Sie bitte, daß wir diese Fragen mit Rücksicht auf den Arbeitsmarkt und mit Rücksicht auf die Probleme, die z. B. auch in den Kommunen entstehen, vorsichtig mit den Ländern noch einmal besprechen müssen.
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Dritte Zusatzfrage, bitte.
Zu einer solchen vorsichtigen Behandlung der Sachfrage gehört ja sicher auch die Erforschung der Zahl von Kindern und Jugendlichen, die überhaupt in den sogenannten Anwerbeländern — nebenbei gesagt: ein unschöner Ausdruck — leben. Ich denke jetzt insbesondere an die Türkei. Wie hoch ist diese Zahl?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Zahl ist uns genau bekannt, nämlich an Hand der Kindergeldzahlungen. Ich werde sie Ihnen nachliefern. Ich kann sie jetzt nicht genau beziffern. Aber ich weiß, daß es in mancher Hinsicht schlimm wäre, wenn all diese Kinder nachreisen würden:
Noch eine Zusatzfrage, die letzte. .
Diese Ausführungen — das habe ich doch richtig verstanden — beziehen sich jetzt auf Kinder von ausländischen Arbeitnehmern. Gibt es auch Erkenntnisse der Bundesregierung im Hinblick auf die Ehefrauen von ausländischen Arbeitnehmern? Wie groß würde da der zahlenmäßige Umfang sein, wenn man etwa den Stichtag verschieben oder aufheben würde?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hasinger, bei den Ehefrauen ist die Problematik noch größer. Wir wissen, daß sich zur Zeit noch ein beachtlicher Teil der Ehefrauen in den Heimatländern -befindet. Wenn die Rechtsvorschriften in diesem Bereich nun verändert würden, dann würden sicher nicht nur die Ehefrauen nachziehen, sondern dann würde die ganze Familie, möglicherweise die Großfamilie mit nachziehen. Von daher verstehen Sie bitte, daß wir hinsichtlich der Arbeitserlaubnis bei Veränderung der Stichtagsregelung hier bisher immer eine unterschiedliche Handhabe praktiziert haben. Aber ich will auch hier gern hinzufügen, daß wir natürlich auch wissen, daß diese Praxis nicht ganz unproblematisch ist. Wir werden auch die Problematik im Hinblick auf die Ehefrauen mit in die Gespräche einbeziehen müssen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, wenn ich davon ausgehe, daß Sie gesagt haben, es wäre schlimm, wenn diese Kinder nachreisten? Wenn ja, könnten Sie mir erläutern, für wen und warum das schlimm wäre?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das nachfragen. Ich habe das natürlich nicht mit Blick auf die Familie gesagt. Mit Blickrichtung auf die Familie kann man ein solches Urteil nicht abgeben. Nein, wegen der Zahl und der sich daraus ergebenden Problematik hier im Land wäre es schlimm.
Ich gehe einmal davon aus, daß schätzungsweise 500 000 oder 600 000 Kinder nachreisen müßten, damit in jedem Einzelfall eine komplette Familie hier wäre. Arbeitsmarktpolitisch wäre das nicht zu bewältigen. Ich glaube, auch wohnungspolitisch wäre das in den Kommunen so schnell nicht zu verkraften. Darüber hinaus wäre es finanziell eine außergewöhnliche Belastung.
Aber, ich möchte noch hinzufügen: Ihre erste Auslegung meiner Antwort betraf nicht den von mir hervorgehobenen Ansatzpunkt. Vielmehr ging es hier um die Regelung des Stichtages für die Erteilung der Arbeitserlaubnis an Kinder ausländischer Arbeitnehmer und um die damit verbundenen arbeitsmarktpolitischen Begleiterscheinungen. Das sollte ,die Antwort beinhalten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre dieses Problem, was eine ausreichende Zahl von Pädagogen und den Wohnungsbau im kommunalen Bereich angeht, zu lösen, und wieweit würde der Haushalt — wenn Sie mir die Zahlen jetzt nicht nennen können, bitte ich Sie, mir diese schriftlich nachzureichen — durch das Kindergeld belastet? Denn wir haben ja unterschiedliche Kindergeldzahlungen.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Der Bundeshaushalt würde allein schon wegen der Unterschiedlichkeit der Kindergeldsätze erheblich stärker belastet werden. Auch die Kommunen müßten zweifellos große Opfer bringen. Ich denke nur einmal an die Schwierigkeiten, die wir derzeit schon in bestimmten Städten, u. a. in Berlin, haben. Der Bau der Wohnungen, die zur Bewältigung dieses Problems notwendig sind, könnte sicher nicht so schnell realisiert werden.
Aber das sind ja nicht die einzigen Probleme. Es kommen schulische Probleme, Probleme der medizinischen Versorgung und der Verkehrsbedingungen hinzu. Leider läßt sich dieses Problem ja nicht so lösen, daß die Belastungen sich auf alle Regionen der Bundesrepublik gleichmäßig verteilen. Vielmehr haben wir es hier mit Schwerpunkten, mit Konzentrationsvorgängen zu tun, und das macht diese Frage kommunalpolitisch eben so besonders problematisch.
Ich danke Ihnen ebenfalls, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 58 und 59 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri und die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Niegel werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 30. November 1978, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.