Gesamtes Protokol
Herr Staatsminister, wenn ich es richtig sehe, sind mit diesen Erläuterungen auch die Frage 2 des Abgeordneten Graf Stauffenberg
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Äußerungen, wie sie als Verlautbarung des Bundesaußenministers gemeldet wurden, dem auch von der UNO grundsätzlich anerkannten Prinzip der deutschen Politik gerecht werden, daß in einem Fall wie dem Südwestafrikas die betroffene Bevölkerung frei und unbeeinflußt darüber entscheiden soll, wann ihr Land unabhängig werden und welche politische Verfassung es haben soll, und was gedenkt sie sofort zu tun, daß bei der Abreise des Bundesaußenministers keine Zweifel an diesem Prinzip der deutschen Politik bei der betroffenen Bevölkerung zurückbleiben?
und die Frage 3 des Abgeordneten Klein beantwortet.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich würde das so betrachten, Herr Präsident.
Jetzt hat Abgeordneter Graf Stauffenberg das Wort zu einer Zusatzfrage zu Frage 1.
Herr Staatsminister, wie erklären Sie es sich dann, daß trotz dieses Dementis von seriösen Persönlichkeiten aus Windhuk die von der Presse zitierten Äußerungen dem Inhalt nach bestätigt worden sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das läßt sich wohl nur so erklären, Herr Abgeordneter, daß auch seriöse Leute irren können.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, trifft es zu, daß es in Windhuk Demonstrationen von Farbigen und Weißen gegeben hat, die sich offenbar mehr gegen den Bundesaußenminister als gegen seine westlichen Kollegen gerichtet haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich weiß nicht, ob man das so unmittelbar sagen kann. Aber es ist richtig, daß es in Windhuk Demonstrationen gegeben hat, an denen sich offenbar alle Hautfarben beteiligt haben. Ob sich die Demonstrationen in erster Linie gegen den Bundesaußenminister oder auch gegen seine Kollegen gerichtet haben, kann ich hier nicht beantworten.
Bevor Abgeordneter Graf Stauffenberg Zusatzfragen zu seiner Frage 2 stellt, frage ich Sie, Herr Staatsminister, noch einmal ausdrücklich, ob sich Ihre Antwort auch auf die Frage 2 bezog. Dann würde ich nämlich jetzt Herrn Abgeordneten Graf Stauffen-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8673
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenberg das Wort zu zwei weiteren Zusatzfragen geben.
— Entschuldigen Sie, aus der Beantwortung der Frage 1 ergibt sich konsequenterweise auch die Beantwortung der Frage 2.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, vielleicht darf ich mir von diesem Platz aus einen Eingriff erlauben. Ich könnte ja verlesen, was ich als Antwort auf die Frage 2 vorgesehen hatte.
Bitte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Als Antwort auf die Frage 2 war vorgesehen: Herr Abgeordneter, ich kann mich hier voll auf das beziehen, was ich auf Ihre Frage 1 geantwortet habe.
Meine Damen und Herren, das ergab sich aus dem Inhalt der Antwort zu Frage 1. Wollen Sie jetzt Ihre beiden weiteren Zusatzfragen stellen?
Herr Präsident, ich gehe davon aus, daß die beiden Fragen im Zusammenhang beantwortet worden sind und ich jetzt entsprechend weitere Zusatzfragen stellen kann.
Ich gebe Ihnen jetzt das Wort zu Ihrer nächsten Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sie für die Deutschen und Deutschstämmigen in Namibia in Südwestafrika eine besondere Sorge-und Fürsorgepflicht hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hat an dieser Verantwortung, soweit sie sie dort tragen kann, nie einen Zweifel gelassen.
Die nächste Frage.
Herr Staatsminister, können Sie uns sagen, seit wann die Bundesregierung mit der Interessengemeinschaft der Deutschen, die der demokratischen Turnhallenallianz nahesteht oder ihr angehört, unmittelbare Kontakte aufgenommen hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg, das kann ich hier nicht mit einem Datum belegen. Aber ich weiß, daß die Bundesregierung mit allen beteiligten Gruppen, auch mit den deutschen, Kontakte hat.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schäfer .
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die in der Tageszeitung „Die Welt" vom 13. Oktober 1978 abgedruckte Äußerung des Herrn Abgeordneten Strauß — ich zitiere —:
Wenn der deutsche Außenminister so weitermacht, dann genügt es, wenn er seine Stimme Herrn Vance oder Herrn Owen überträgt; dann braucht er erst gar nicht selber hinzufahren. Wenn sich die deutsche Außenpolitik darin erschöpft, der amerikanisch-britischen Afrikapolitik Unterstützung zu geben, dann ist das nicht die Außenpolitik einer souveränen Macht, deren führende Persönlichkeiten sich gern in der Öffentlichkeit als Vertreter einer Führungsmacht auf die Schulter klopfen.
Herr Kollege, ich kann die Frage — —
Ich darf die Frage zu Ende führen: — —
Nein, Herr Kollege, das können Sie leider nicht; Sie haben sie schon relativ weit ausgedehnt. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich die Frage nicht zulasse.
— Herr Kollege Marx, ich habe beim Kollegen Stauffenberg zwei Zusatzfragen zugelassen, die erheblich über den Sachzusammenhang mit den eingereichten Fragen hinausgegangen sind. Diese Zusatzfrage lasse ich nicht mehr zu.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Herr Abgeordnete Dr. Klein ; ich nehme an, er wird sich an den Rahmen der eingereichten Frage halten.
Herr Präsident, ich werde mir Mühe geben.Herr Staatsminister, wie erklären bzw. rechtfertigen Sie im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht— das ja, Herr Präsident, in der zweiten Frage des Kollegen Stauffenberg angesprochen ist — die Tatsache, daß der Herr Bundesminister des Auswärtigen im Zuge der Verhandlungen über Südwestafrika zwar seit langem unmittelbare Kontakte mit der SWAPO pflegt, aber erst jetzt gelegentlich seines Besuches in Südwestafrika Anlaß genommen hat, auch mit den anderen, demokratischen Gruppen in Südwestafrika Kontakt aufzunehmen, so daß— um noch die „Zeit" mit einem Halbsatz zu zitieren — „hier eine Gruppe landesfremder Diplomaten ein Lösungspaket ausgearbeitet hat, das lediglich mit dem extern operierenden militärischen Flügel der SWAPO und mit Südafrika ausgehandelt wurde" und das „in vieler Hinsicht über die Köpfe der Namibier" hinweggeht?
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8674 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
Herr Kollege, das war doch kein Halbsatz mehr! — Herr Staatsminister, ich bin der Meinung, daß es hier zweifelhaft ist, ob der unmittelbare Zusammenhang hergestellt ist. Ich überlasse es aber Ihnen, ob Sie die Frage beantworten.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Abgeordneter Klein, die Bundesregierung, insbesondere der Bundesaußenminister, hat auch früher schon Kontakte zu anderen Gruppen als der SWAPO gehabt. Er hat nur immer auf dem Standpunkt gestanden, daß die SWAPO eine wesentliche Kraft in Namibia ist, ohne die es keine friedliche Lösung für Namibia geben wird, und wir stehen weiterhin auf diesem Standpunkt.
Herr Abgeordneter Jäger, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, hat die von Ihnen jetzt dementierte Meldung in der „Welt" nicht deswegen in der deutschen Öffentlichkeit großen Glauben gefunden, weil die Bundesregierung die Interessengemeinschaft der Deutschen in Südwestafrika bisher so behandelt hat, wie es geschehen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, ich muß hier offenbar eine Unterstellung hinnehmen, die ich zunächst zurückweisen möchte. Ich bin nicht so sicher, wieviel Glauben diese Darstellung in der deutschen Öffentlichkeit gefunden hat,
denn nach meinem Eindruck ist es so, daß die deutsche Öffentlichkeit sieht, daß der Bundesaußenminister für die deutsche Seite mit erheblicher Initiative wichtige Beiträge zum Frieden in Afrika leistet.
Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher; danach kommt die nächste Frage.
Herr Staatsminister, darf ich Sie unter Bezugnahme auf Frage 2 fragen: Können wir davon ausgehen, daß die Bundesregierung bei ihrer Politik gegenüber Südafrika nicht nur, wie Sie eben sagten, die SWAPO berücksichtigt, sondern auch all jene Kräfte, die auf dem Boden der Grundrechte das demokratische Zusammenwirken aller politischen und ethnischen Gruppen dieses Landes herbeiführen, wobei ich vor allem an die Ideen denke, die von der Turnhallenkonferenz entwickelt wurden?
Herr Kollege Becher, diese Frage steht nicht in dem erforderlichen unmittelbaren Sachzusammenhang mit den beiden eingereichten Fragen.
Ich rufe daher die Dringliche Frage 3 des Herrn Abgeordneten Klein auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß Äußerungen des
Bundesaußenministers in Südwestafrika, die CSU habe .. in
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Wie ich in meiner Antwort auf die Frage 1 des Grafen Stauffenberg bereits gesagt habe, hat der Bundesminister des Auswärtigen die ihm in der Tageszeitung „Die Welt" zugeschriebene Äußerung nicht getan. Zum weiteren Inhalt Ihrer Frage beziehe ich mich daher auf die Ausführungen, die ich zu den Fragen des Grafen Stauffenberg bereits gemacht habe, bzw. auf die zusätzlichen Äußerungen, mit denen ich hier auf weitere Fragen geantwortet habe.
Die erste Zusatzfrage des Kollegen Klein, bitte.
Herr Staatsminister, sind Sie durch den Herrn Bundesaußenminister so weit informiert, daß Sie in der Lage sind, den Widerspruch aufzuklären, der zwischen den von Ihnen eben vorgetragenen Äußerungen und zwei telefonischen Einlassungen des stellvertretenden Vorsitzenden der deutschen Interessengemeinschaft in Windhuk, Herrn Konrad Lilienthal, besteht? Nach Lilienthals Aussage nämlich hat der Herr Bundesaußenminister vor sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes der Interessengemeinschaft erklärt, außer der CSU er hat sie nicht ausdrücklich erwähnt, sondern nur gesagt: außer einer Partei — seien alle Parteien in der Bundesrepublik Deutschland mit dem westlichen Vorschlag einverstanden, und der Interessengemeinschaft bleibe, wenn sie noch auf Unterstützung aus der Bundesrepublik hoffen wolle, überhaupt kein anderer Weg, als ebenfalls diesem Vorschlag zuzustimmen.
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Der Herr Bundesaußenminister hat ganz sicher bei seinen Gesprächen in Namibia und seinen Gesprächen in Südafrika darauf hingewiesen, daß es in unserem Land und unter den Parteien einen breiten Konsens über den westlichen Vorschlag gibt. Ich bin auch sicher, daß alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag zur Kenntnis genommen haben, daß die Beschlüsse, die der Sicherheitsrat hierzu gefaßt hat, zwar bei Stimmenthaltung der Sowjetunion und der CSSR, aber mit Zustimmung aller übrigen Mitglieder des Sicherheitsrats getroffen worden sind. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es eine Partei gibt, die nach längerem Nachdenken über diese Zusammenhänge diese Vorschläge nicht unterstützt.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8675
Herr Staatsminister, sehen Sie in dieser Äußerung nicht einen gewissen Widerspruch zu dem ursprünglichen Dementi der — möglicherweise vergröbert wiedergegebenen — Äußerungen des Herrn Bundesaußenministers, und sind Sie in der Lage, die Fortentwicklung des westlichen Vorschlags seit dem 25. April, wo er als endgültig verkündet wurde, zu beschreiben, nämlich in welchen Punkten sie den demokratischen Kräften und in welchen Punkten sie ausschließlich den Interessen der SWAPO entgegenkommt?
Herr Kollege Klein, den zweiten Teil — Sie haben eine zweite Frage einfach an die erste angeschlossen — braucht der Herr Staatsminister im Hinblick auf die Geschäftsordnung nicht zu beantworten. Zum ersten Teil hat das Wort der Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Klein, es besteht überhaupt kein Zweifel, daß der Herr Bundesaußenminister wiedergegeben hat — und erneut jetzt hier durch mich wiedergeben läßt —, was er tatsächlich gesagt hat. Wenn Ihnen telefonische Kontakte andere Schattierungen des Gesprächs wiedergeben, dann müssen die Herren zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, was der Bundesaußenminister wirklich gesagt hat.
Eine Zusatzfrage des Grafen Stauffenberg.
Herr Staatsminister, was hat die Bundesregierung bzw. das Bundesaußenministerium getan, um dem Eindruck, der hier durch Presseveröffentlichungen entstanden ist, nicht nur durch ein Dementi hier im Land, sondern auch gegenüber den Gesprächspartnern und der Offentlichkeit in Südwestafrika, in Namibia, entgegenzutreten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Graf Stauffenberg, gegenüber Gesprächspartnern braucht man ja nicht zu dementieren, was man nicht gesagt hat.
Aber durch das, was der Pressesprecher des Auswärtigen Amts hier gesagt hat, ist es für die ganze Welt klar geworden.
Die nächste Zusatzfrage ist die der Frau Kollegin von Bothmer.
Herr Staatsminister, ist es nicht auch in den Augen der Bundesregierung etwas erstaunlich, daß die Interessengemeinschaft der Deutschen in Namibia, die bisher ständig die Bundesregierung aufs äußerste nicht nur bekämpft, sondern auch schlechtgemacht hat, auf einmal so sehr darum bittet, unterstützt und als Gesprächspartner anerkannt zu werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich halte das, Frau Kollegin, für eine natürliche Entwicklung. Die Gruppen dort begreifen, daß die Bundesregierung ihre Interessen wahrnimmt, nämlich die Interessen eines friedlichen Übergangs in Namibia. Die Gruppen dort werden auch begreifen, daß andere, die sich gegen einen friedlichen Übergang noch stemmen, am Ende den Interessen der Deutschen dort zuwiderarbeiten. Und daraus wird sich wohl ein solches Auf-uns-Zugehen ergeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Glos.
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung die demokratische Zuverlässigkeit der von Ihnen zitierten wichtigen politischen Kraft SWAPO?
Herr Abgeordneter, ich bitte um Verständnis: Das geht über die eingereichte Frage soweit hinaus, daß ich das hier im Rahmen der Fragestunde nicht zulassen kann.
Ich gebe jetzt dem Kollegen Schlaga die Möglichkeit zu einer Zusatzfrage, dann dem Kollegen Böhm und dem Kollegen Blumenfeld. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich anschließend an das Mikrophon begeben würden.
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Presse in Südwestafrika wie in der Republik Südafrika und auch offensichtlich manche Korrespondenten deutscher Zeitungen in diesem Gebiet seit geraumer Zeit Falschmeldungen verbreiten oder zumindest falsche Informationen erhalten und diese dann hier als wahr verkaufen wollen, beispielsweise daß der Generaladministrator und entsprechend die Presse vor geraumer Zeit einer Delegation des Deutschen Bundestags wie auch der Presse mitgeteilt haben, daß die Ruacana Power Station an der Grenze nach Angola durch Artilleriebeschuß vernichtet oder schwer beschädigt worden ist, während sich bei näherem Hinsehen herausgestellt hat, daß nicht ein einziger Schuß hineingegangen ist?
Herr Kollege, ich bitte um Entschuldigung, Sie haben nur eine Zusatzfrage. Die Zusatzfrage geht leider weit über den Rahmen der eingereichten Frage hinaus.
Ich gebe dem Herrn Kollegen Böhm die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatsminister, da Sie vorhin bei der Beantwortung einer Frage gesagt haben, Sie hielten es für möglich, daß sich auch seriöse Gesprächspartner über den Inhalt eines Gespräches irren können, frage ich Sie, ob Sie auch einräumen, daß sich der Herr Bundesaußenminister bei der Wiedergabe des Gespräches geirrt haben kann, nachdem hier vom Kollegen Klein eindeutig eine andere Darstellung des Gesprächs wiedergegeben worden ist.
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8676 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich weiß nicht, ob die Opposition wirklich glaubt, daß ein mehr oder weniger mittelbarer und indirekter Kontakt und eine indirekte Information über ein solches Gespräch in diesem Hause mehr Glauben verdienen als die ausdrückliche Aussage des Bundesaußenministers.
Herr Kollege Corterier, wollen Sie noch eine Zusatzfrage stellen? — Nein!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Blumenfeld.
Herr Staatsminister, meinen Sie nicht, daß es angesichts der Verwirrung, die durch die Äußerungen — die angeblichen oder die nicht gemachten — des Bundesaußenministers entstanden ist, nützlich wäre, wenn wir in Süd-West noch ein Konsulat haben würden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Blumenfeld, Sie wissen, daß die Bundesregierung diese Entscheidung, auf die Sie hier Bezug nehmen, im Interesse der deutschen Bewohner in Namibia getroffen hat. Diese Entscheidung würde auch heute unter den gleichen Bedingungen erneut so getroffen. werden müssen. Insofern ist die Antwort auf Ihre Frage: nein!
Meine Damen und Herren, ich lasse noch eine letzte Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rose zu.
Die Fragestunde kann mit ihren Möglichkeiten eine Debatte — z. B. in einer Aktuellen Stunde — über ein Thema nicht ersetzen. Ich will damit natürlich keine unmittelbare Anregung geben.
Herr Abgeordneter Rose, Sie haben noch die letzte Möglichkeit zu einer Zusatzfrage.
Herr . Staatsminister, sind Ihre Antworten an Frau von Bothmer so zu verstehen, daß die Bundesregierung die Interessengemeinschaft der Deutschen als einen Verband ansieht oder angesehen hat, der die Bundesrepublik scharf bekämpft?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe auf diesen Teil der Frage von Frau Bothmer nicht ausdrücklich Bezug genommen. Ich glaube, Frau Bothmer hat sich dabei auf bestimmte öffentliche Äußerungen aus diesen Gruppen bezogen, die in der Tat nicht immer freundlich gegenüber der Bundesregierung waren. Wir kennen auch sonst unfreundliche Meinungen gegenüber der Bundesregierung, und wir werden uns in unserer sachlichen Politik von Unfreundlichkeit — von wem immer sie kommen mag — nicht bestimmen lassen.
Ich rufe die Frage 1 aus der Drucksache 8/2193 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Was wird die Bundesregierung, insbesondere in Gesprächen mit der syrischen Regierung, veranlassen, um diese zu bewegen, die militärischen Aktionen der als „Friedenstruppe" im Libanon stationierten syrischen Streitkräfte gegen die Wohngebiete der Christen im Libanon, insbesondere in Beirut, denen täglich unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fallen, sofort zu beenden?
Frage 2 des Herrn Abgeordneten Jäger behandelt den gleichen Komplex. Ich weiß nicht, Herr Staatsminister, ob Sie beide Fragen eventuell im Zusammenhang beantworten können.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich habe zwei Antworten vorgesehen.
, Bitte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung begrüßt, wie sicherlich auch Sie, Herr Abgeordneter, daß am 7. Oktober 1978 endlich ein Waffenstillstand in Beirut erreicht werden konnte, nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Abend des 6. Oktober 1978 einstimmig in der Libanon-Resolution 434 an alle Beteiligten appelliert hat, Feindseligkeiten und Gewaltakte sofort einzustellen.
Die Bundesregierung hofft, daß dieser Waffenstillstand, der auf diese und weitere internationale Bemühungen zurückzuführen ist, Bestand haben wird. Die Bundesregierung hat alles in ihrer Kraft Stehende getan und wird auch in Zukunft alles unternehmen, um eine friedliche Lösung des tragischen Konflikts im Libanon zu erleichtern und den hart geprüften Menschen zu helfen.
Mit Beginn der schweren Kämpfe in Beirut Ende September haben unser Botschafter in Damaskus, unser Botschafter in Tel Aviv und' der Botschafter in Beirut bei den Gastregierungen nachdrücklich auf Mäßigung gedrängt. Bundesminister Genscher hat sich am 6. Oktober 1978 in dringenden Botschaften an seine Kollegen in Damaskus, Tel Aviv und Beirut sowie an den Generalsekretär der Arabischen Liga in Kairo gewandt und sie gebeten, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ein weiteres Blutvergießen zu verhindern.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, nachdem der Waffenstillstand im Libanon auch von seiten der dort stationierten syrischen Truppen immer wieder verletzt wurde, frage ich: Wird die Bundesregierung ihre Bemühungen verstärken und wird insbesondere notfalls auch der Bundesaußenminister Genscher in den Nahen Osten reisen, um die dort aufflammenden Gefahren für unbeteiligte Zivilisten eindämmen zu helfen?Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, wir haben engen Kontakt mit den jeweils betroffenen Regierungen. Reisepläne stehen gegenwärtig nicht zur Diskussion; aber die Bundesregierung wird weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun, um zur Beilegung des Konflikts beizutragen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8677
Eine
zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch ihre Stellung als Mitglied im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu benutzen, um weitere Verletzungen des Waffenstillstands, die unbeteiligten Menschen das Leben kosten, dort zur Sprache zu bringen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir im Zusammenhang mit Beratungen über das Libanon-Problem selbstverständlich auch im Sicherheitsrat auf eine friedliche Lösung des Konflikts drängen werden.
Herr Ab-
geordneter Corterier, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie die Erklärung, die der französische Außenminister Guiringaud vor zwei Tagen zum Libanon-Konflikt abgegeben hat? Er hat in dieser Erklärung u. a. ausgeführt, der christliche Milizführer Chamoun trage die Hauptverantwortung für die tragischen Ereignisse im Libanon, und er hat u. a. den Milizen um Chamoun vorgeworfen, daß sie die jüngste Runde der Kämpfe in Beirut angefangen hätten.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Abgeordneter Corterier, erlauben Sie mir, auf die Frage, die einen Kollegen in einem anderen Staat betrifft, so zu antworten: Die Bundesregierung hat ihre Appelle immer an alle gerichtet und hat sie auch für alle gemeint.
Herr Abgeordneter Marx, eine Zusatzfrage.
Herr Kollege von Dohnanyi, wie erklären Sie den von mir so empfundenen Widerspruch zwischen den Versicherungen unserer Gäste aus Syrien vor wenigen Wochen hier in der Bundesrepublik Deutschland mit den danach eingetretenen schweren bürgerkriegsähnlichen Verwicklungen im Libanon?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Marx, die Situation im Nahen Osten und insbesondere natürlich im Libanon ist vielschichtig. Kollege Corterier hat gerade auf eine mögliche Interpretation hingewiesen. Ich glaube, man kann in diesem Zusammenhang nicht eine einzelne Ursache isolieren. Unsere Gespräche haben auch dazu gedient, den Konflikt beizulegen.
Herr Kollege Jaeger, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, empfinden Sie es nicht als sehr unbefriedigend, daß der Schutz der Christen im Libanon de facto allein den Israelis überlassen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Abgeordneter Jaeger, die Lage im Libanon kann für alle betroffenen Gruppen nur dann zu einer befriedigenden Situation geführt werden, wenn in diesem Land Frieden herrscht. Wenn dort ein Konflikt entsteht, von wem auch immer er ausgelöst wurde, werden selbstverständlich alle Gruppen, auch die Christen, zu leiden haben.
Herr Abgeordneter Hüsch, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, zieht die Bundesregierung zur Herbeiführung des von Ihnen soeben zitierten Friedens auch in Erwägung, die dem Lande Syrien kürzlich gemachten Zusicherungen von Leistungen jedenfalls so lange auszusetzen, wie nicht auch Sicherheit für die Respektierung des Friedens gegeben ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hält in Übereinstimmung mit ihren westlichen Verbündeten an ihrer Politik gegenüber Syrien fest. Es liegt in unserem und im Interesse des Friedens dort, die Beziehungen zu Syrien auf möglichst breiter Grundlage zu führen, um unsere Möglichkeit zu erhalten, auch bei Präsident Assad weiterhin auf eine Bereitschaft zu Verhandlungen im Nahostkonflikt einwirken zu können. Infolgedessen zieht die Bundesregierung einseitige Maßnahmen nicht in Erwägung.
Meine
Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei den Zusatzfragen dem amtierenden Präsidenten die Arbeit dadurch erleichterten, daß Sie den Zusammenhang mit der eingereichten Frage herstellten. Frau Kollegin Bothmer, Sie haben die nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie es als nützlich erachten, wenn die Bundesregierung zur besseren Aufklärung der Öffentlichkeit eventuell noch deutlicher machen könnte — neben den diplomatischen Bemühungen, die unser Außenminister in Zusammenhang mit dem anderen EG-Außenminister verfolgt —, daß nicht die Syrer arme Christen angreifen, wie es hier so gern dargestellt wird, sondern daß die Angreifer, wenn man so sagen will, oder die Kriegführenden eigentlich auf beiden Seiten sind und daß es nicht d i e Christen im Libanon sind, sondern eine kleine Gruppe militanter Christen, die mit den anderen Christen eigentlich gar nichts zu tun haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, die Frage, die Sie hier eben gestellt haben, nimmt Bezug auf die Zusatzfrage des Kollegen Corterier und damit auch auf das, was der französische Außenminister in Paris vor einigen Tagen in einem Pressegespräch gesagt hat. Ich wiederhole hier für die Bundesregierung, daß wir unsere Appelle an alle gerichtet haben und daß alle gemeint sind.
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8678 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
Herr Ab-
geordneter Hoffacker zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung den Forderungen des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, dem maßgebliche Mitglieder dieses Hauses angehören, entsprechen, nämlich die zugesagte Entwicklungshilfe von der sofortigen Einstellung der Kämpfe im. Libanon abhängig zu machen und sich für die Entsendung einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen einzusetzen?
Herr Kollege, trotz dieser sehr liebenswürdigen Einführung muß ich leider sagen, daß hier der unmittelbare Sachzusammenhang nicht gewahrt ist.
— Nein, er ist nicht gewahrt.
Aber ich will dem Herrn Staatsminister die Möglichkeit geben zu antworten.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich glaube, wir kommen immer wieder auf denselben Punkt zurück. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, durch Sanktionen etwa im Bereich der Entwicklungshilfe einzuwirken. Sie will durch Gespräche mit allen Beteiligten, da ja auch alle Beteiligten Ursachen für die Konflikte im Libanon setzen, einwirken. Wenn die Möglichkeit besteht, die Friedenskräfte im Libanon mit Aussicht auf Erfolg zu stärken, wird die Bundesregierung dies selbstverständlich unterstützen. Das entspricht auch der Politik der Bundesregierung, die ja die Friedensmacht der Vereinten Nationen durch Initiativen stärken will.
Frau Kollegin Erler, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, treffen meine Informationen zu, daß der Waffenstillstand im Moment lediglich von Heckenschützen gebrochen wird, und zwar von Heckenschützen der maronitischen Seite, so daß weder Pressionen noch Gespräche mit den Syrern im Augenblick sehr viel helfen würden, sondern im Gegenteil Gespräche mit den maronitischen Führer geführt werden müßten?
Auch die Anknüpfung an die Gespräche reicht nicht ganz aus. Aber bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Gespräche mit allen Beteiligten sind sicherlich sinnvoll. Im Augenblick — das ist richtig, und wir begrüßen das — haben die Kämpfe faktisch aufgehört. Es gibt allerdings leider immer noch gelegentliche Feuerzwischenfälle. Es ist von hier aus schwer festzustellen, von wem sie jeweils ausgelöst werden. Aber unser
Appell, den Waffenstillstand einzuhalten, richtet sich an alle Beteiligten, und alle sind gemeint.
Meine Damen und Herren, ich werde jetzt sämtliche Zusatzfragen, die noch gestellt werden, bei dieser Frage abwickeln. Ich gehe davon aus, daß sich ein Teil der Zusatzfragen bereits auf die zweite Frage bezogen hat. Dies war eben deutlich. Daher können wir die zweite Frage im Hinblick auf die weiteren eingereichten Fragen kurz behandeln.
Herr Kollege Czaja.
Unter Bezugnahme auf die in der Ausgangsfrage angesprochenen Opfer an Zivilisten möchte ich die Zusatzfrage stellen, was die Bundesregierung in Erfüllung der Pflichten zur Wahrung und Durchsetzung des humanitären Völkerrechts bisher getan hat, um den Zugang für Medikamente, Ärzte und Hilfsmittel von West- nach OstBeirut zu ermöglichen, bzw. noch tun wird.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hat, wie Sie wissen, erste aktuelle Maßnahmen der humanitären Hilfe insbesondere zugunsten der von den jüngsten Ereignissen in Beirut betroffenen christlichen Zivilbevölkerung im Libanon eingeleitet. Das Auswärtige Amt hat 200 000 DM für eine bereits am 8. Oktober abgegangene für Caritas Libanon bestimmte Schiffsladung mit Hilfsgütern des Deutschen Caritasverbandes im Gesamtwert von annähernd einer Million D-Mark zur Verfügung gestellt. Weiterhin hat es am 9. Oktober 1978 500 000 DM bereitgestellt, die für zwei Gemeinschaftsaktionen der Bundesregierung und jeweils einer privaten deutschen Hilfsorganisation eingesetzt wurden. Einmal brachte am 15. Oktober 1978 ein vom Deutschen Roten Kreuz organisierter Hilfszug ca. 32 t Wolldecken, hochwertige Kindernahrung und Spezialmedikamente in den Libanon. Empfänger ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.
Zweitens transportierte am 16. Oktober 1978 ein vom Deutschen Caritasverband durchgeführter Hilfszug Medikamente und Kindernahrung in den Libanon. Empfänger ist wiederum Caritas Libanon.
Zum präzisen Teil Ihrer Frage, der sich auf die Zugänge zwischen Ost und West in Beirut bezieht, kann ich Ihnen hier im Augenblick keine Antwort geben. Aber ich bin Ihnen dankbar für die Frage, weil sie mir Gelegenheit gegeben hat, in diesem Zusammenhang die humanitären Leistungen der Bundesregierung darzustellen.
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Blumenfeld. Das ist die letzte Zusatzfrage zur Frage 1. Dann gehe ich zur Frage 2 über, damit wir auch Fragestellern aus anderen Bereichen die Möglichkeit geben, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. — Bitte!
Herr Staatsminister, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung die Aktionen
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8679
Blumenfeldder syrischen Friedenstruppe als ein besonderes Charakteristikum für eine Friedenstruppe ansieht oder ob sie andere Vorschläge zu machen hat.Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Blumenfeld, die Lage im Libanon ist, ich sagte das, vielschichtig. Die Ursachen für den immer wieder ausbrechenden Feuerwechsel sind unterschiedlich. Wenn bestimmte Grundvoraussetzungen eingehalten werden, ist es durchaus denkbar, daß die syrischen Truppen einen wesentlichen Beitrag zur Friedenserhaltung im Libanon leisten können.
Herr
Kollege Jäger, ich rufe jetzt ihre zweite Frage auf:
Welche Anstrengungen wird die Bundesregierung unternehmen, um die Regierungen verbündeter und befreundeter Staaten zu einer gemeinschaftlichen politischen Aktion bei der syrischen Regierung zu veranlassen mit dem Ziel, die Feuerüberfälle syrischer Truppen auf die christlichen Wohngebiete im Libanon, vor allem in Beirut, sofort zu beenden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung steht seit Beginn der Krise im Libanon in ständigem Kontakt mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft, tun sich über gemeinsame Schritte abzustimmen. Die acht Regierungen haben am 6. Oktober 1978 die Bundesregierung als derzeitige Inhaberin der Präsidentschaft unter Bezugnahme auf die bereits von mir genannten Botschaften Bundesminister Genscher beauftragt, auch im Namen der Neun in Damaskus, Tel Aviv und Beirut sowie am Sitz der Arabischen Liga vorstellig zu werden und auf ein sofortiges Ende der Feindseligkeiten zu drängen. Diese Demarchen haben unsere Botschafter unverzüglich durchgeführt.
Die Bundesregierung begrüßt es, daß nach dem Ende des Blutvergießens am 7. Oktober jetzt auf dem arabischen Außenministertreffen in der Nähe von Beirut der Versuch unternommen wurde, die Konfrontation zwischen den Führern der christlichen Milizen und den syrischen Einheiten der arabischen Abschreckungsstreitmacht abzubauen. Gelingt dies, so wäre der Weg für den Beginn des Dialogs unter den libanesischen Gruppierungen — so hoffen wir — geebnet.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist bei den Gesprächen zwischen den Neun, auf die Sie Bezug genommen haben, auch die Notwendigkeit erkannt, bejaht und eventuell in praktische Taten umgesetzt worden ohne Rücksicht darauf, wie nun die Auseinandersetzungen bis hin zu Schießereien zwischen den beteiligten Parteien ablaufen, vor allem einmal die unbeteiligte Zivilbevölkerung vor den Schäden zu schützen, die durch die Feuerüberfälle hervorgerufen werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Selbstverständlich ist das ein vorrangiges Ziel, Herr Kollege Jäger, aber es ist ein Ziel, das wir nur erreichen können, wenn nicht geschossen wird. Die Bundesregierung oder die anderen Acht sind ja nicht imstande, ihrerseits eine Zivilbevölkerung vor den Schäden eines Konfliktes zu schützen, wenn dieser einmal aufgebrochen ist. Unsere Aufgabe besteht darin, Konflikte nicht aufbrechen zu lassen oder aufgebrochene Konflikte zu befrieden. Wir leisten diesen Beitrag über die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, insbesondere auf diplomatischen Wegen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, sind die Regierungen der Neun — und darüber hinaus andere verbündete westliche Regierungen — der Auffassung, daß die Angelegenheit mit Rücksicht auf die Zivilbevölkerung allergrößte Beschleunigung verdient und auch den politischen Nachdruck verdient, den die westlichen Staaten z. B. derzeit den afrikanischen Problemen zuwenden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, Sie wissen so gut wie jeder andere hier im Haus, daß der Libanonkonflikt sicherlich nicht aus dem Konflikt im Nahen Osten zu lösen ist. Man kann doch nicht übersehen, daß die westliche Seite in den letzten Monaten erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um den Nahostkonflikt schrittweise einer Lösung zuzuführen. Man sollte in diesem Hause nicht die westlichen Bemühungen zur Befriedung im Nahen Osten und auch zur Befriedung im Libanon verkleinern.
Herr Abgeordneter Kunz!
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung auch die Möglichkeiten der europäischen politischen Zusammenarbeit nutzen und ausschöpfen, um zu einer gemeinsamen Aktion mit dem Ziel der raschen Beendigung der Beschießung ziviler Wohngebiete im Libanon durch die syrischen Streitkräfte zu kommen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung wird dies nicht nur tun, sie hat getan, was im Rahmen unserer Möglichkeiten gemeinsam mit den anderen Acht im Augenblick getan werden kann.
Graf
Stauffenberg.
Herr Staatsminister, denkt die Bundesregierung etwa an gemeinsame Initiativen oder an eine eigene Initiative im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen?Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Graf Stauffenberg, ich glaube nicht, daß man von dieser Stelle einzelne zukünftige Initiativen oder Einwirkungen beschreiben sollte. Ich kann Sie versichern, die Bundesregierung nimmt die Entwick-
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8680 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
Staatsminister Dr. von Dohnanyilung im Libanon sehr ernst. Sie hat in der Vergangenheit das ihr Mögliche getan, um einzuwirken, und sie wird das auch in Zukunft so tun.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hüsch.
Herr Staatsminister, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß der erhoffte Erfolg der verbündeten und befreundeten Nationen durch Maßnahmen oder Absichten von solchen Ländern in Frage gestellt werden könnte, mit denen sich die Bundesrepublik nicht als befreundet bezeichnen könnte?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, in der Politik, in der Außenpolitik gibt es immer Interessenüberschneidungen. Wir wissen, daß es jeweils andere Interessen in jedem Feld der Außenpolitik gibt, denen wir wiederum entgegenzuwirken haben. Unser Ziel in diesem Fall ist die Befriedung des Nahen Ostens. Der Westen leistet auf verschiedenen Wegen hierzu seinen Beitrag. Ich unterstreiche noch einmal: Die Bundesregierung leistet ihren Beitrag. Sie leistet ihn auch dadurch, daß sie mit allen betroffenen Parteien intensive Kontakte und Beziehungen unterhält. Sie ist nicht bereit, diese Kontakte und Beziehungen abzubrechen. Dehn sie meint, daß ein solcher Abbruch dem Frieden im Nahen Osten und der Befriedung des Libanon nicht dienlich wäre.
Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Die Frage 90 ist von dem Herrn Abgeordneten Ueberhorst eingereicht:
Hat sich nach Ansicht der Bundesregierung durch die internationale Sicherheitsforschung zu Schnellbrutreaktoren der Kenntnisstand über gravierende Rekritikalitätsunfälle dieses Reaktortyps verbessert, oder ist mit der Fachkonferenz im Argonne National Laboratory nach wie vor davon auszugehen, daß „nicht zur Zufriedenheit eines ausreichend großen Anteils der entsprechenden Fachwelt demonstriert werden könne", daß ein für die Bevölkerung gravierendes Rekritikalitätsereignis in einem Schnellen Brüter unmöglich ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Ueberhorst, Ihre Frage beantworte ich wie folgt.
Nach hier vorliegenden Unterlagen ist das wesentliche Ergebnis der Konferenz im Argonne National Laboratory die Tatsache, daß nahezu alle führenden amerikanischen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Schnellbrüter-Sicherheit eine energetische Rekritikalität für extrem unwahrscheinlich halten.
In der Bundesrepublik Deutschland wird im Genehmigungsverfahren das Prinzip des Auslegungsstörfalles verwendet, probabilistische Methoden werden nur bei vergleichenden Untersuchungen bzw. Verfügbarkeitsuntersuchungen von Sicherheitssystemen angewandt. Dies gilt für alle Kernkraftwerkstypen, also auch für den SNR 300.
Beim Genehmigungsverfahren für den SNR 300 wird der in anderen Ländern als hypothetischer Störfall betrachtete Fall eines Kernschmelzens mit anschließender Rekritikalität de facto als Auslegungsstörfall zugrunde gelegt. Die Genehmigungsbehörden fordern eine konsistente, in sich geschlossene Behandlung und Beherrschung dieses Unfalls. Dies schließt auch die Untersuchung und Behandlung von Rekritikalitäten ein. Insgesamt wird bei der Auslegung der Anlage von einem Unfallverlauf ausgegangen, der schwerwiegender ist, als die Sicherheitsexperten ihn zur Zeit für möglich halten. Die Anlage ist so ausgelegt, daß selbst im Falle dieses konservativ definierten hypothetischen Unfalls die Konsequenzen für die Offentlichkeit gleich Null sind. Die Unfallfolgen werden innerhalb der Anlage vollständig beherrscht; die zusätzliche Strahlendosis liegt unter den gesetzlich zugelassenen Werten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Ereignisses ist so klein, daß es nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann.
Zusatzfrage, Herr Kollege? — Bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich angesichts dieser Antwort fragen, ob die Bundesregierung also der Meinung ist, daß weder wissenschaftlich — im Sinne des Beweises der Nichtmöglichkeit — noch technisch — im Sinne der endgültigen Unmöglichmachung eines solchen Unfalles — der Beweis erbracht werden kann, daß politisch nicht ein Restrisiko bleibt, das akzeptiert werden muß.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ueberhorst, auf dieser Konferenz konnte keine einstimmige Meinung im mathematischen Sinne formuliert werden, da die Behandlung dieser Probleme vorwiegend Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen unterliegt. Ich nehme an, daß Ihnen dieses bekannt ist.
Herr Staatssekretär, vielleicht haben Sie die Zusatzfrage akustisch nicht ganz verstanden. Herr Kollege, würden Sie die Zusatzfrage wiederholen.
Ich darf also meine Zusatzfrage noch einmal stellen. Die erste Zusatzfrage lautete, Herr Staatssekretär: Geht die Bundesregierung jetzt davon aus, daß wir bei solchen Unfällen politisch letztendlich doch ein Restrisiko akzeptieren müssen? Das ist die komprimierte Fassung meiner ersten Zusatzfrage.
Bitte.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8681
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ueberhorst, es ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung im Bereich der Reaktorsicherheit Forschungsaktivitäten aufgelegt hat, die etwa einen Jahresetat von 100 Millionen DM beanspruchen. Wir gehen seit langem darauf aus, daß auch hier — begleitend zu rein wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnissen — Experimente durchgeführt werden, um hier, was das Restrisiko betrifft, auch Gewißheit zu erhalten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich fragen, ob die Bundesregierung neben der Kenntnis amerikanischer Konferenzen auch über Beratungen eigener Beratungsinstitutionen wie beispielsweise der Reaktorsicherheitskommission zu diesem Thema verfügt und ob sie das Ergebnis solcher Beratungen in Form der Protokolle der RSK dem Parlament zuleiten könnte?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ueberhorst, hier möchte ich auf die Kompetenz des Innenministers für diesen Bereich verweisen. Ich darf Ihnen aber versichern, daß die Bundesregierung natürlich auch Aussagen ausländischer Wissenschaftler, die der Kernenergie kritisch gegenüberstehen, prüft und in die Gesamtbetrachtung der Politik, der Energiepolitik mit einbezieht. Darüber hinaus ist die Bundesregierung gerne bereit, dem Parlament, soweit möglich, Informationen aus gewünschten Bereichen zur Verfügung zu stellen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schäfer.
Herr Staatssekretär, stellt sich das Problem der Rekritikalität des Explosionspotentials beim Schnellen Brutreaktor auch bei dem vom Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen ins Gespräch gebrachten Konzept eines Brüters?
— Beides.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäfer, die Bundesregierung prüft — —
Einen Augenblick, Herr Staatssekretär! Ich muß dem Herrn Staatssekretär loyalerweise zubilligen, daß diese Frage in bezug auf die eingereichte Frage eine Grenzfrage ist.
Herr Präsident, ich bin gegebenenfalls auch mit einer schriftlichen Beantwortung meiner Zusatzfrage zufrieden.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäfer, auch das, was Sie soeben angesprochen haben, wird in die Prüfung der Bundesregierung einbezogen.
Ich rufe nunmehr die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Schäfer auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß in den Verträgen zwischen der französischen Wiederaufarbeitungsfirma Cogema in La Hague und den einzelnen Kernkraftwerksbetreibern in Schweden, Japan und der Bundesrepublik Deutschland gleich hohe Wiederaufarbeitungskosten entsprechend einer Meistbegünsti gungsklausel festgelegt sind?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäfer, nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen enthalten die Verträge zwischen der COGEMA und den Grundlastkunden — das sind diejenigen Kunden, mit deren Verträgen die Anlage gebaut wird und für die die veranschlagte kommerzielle Nutzungskapazität vorrangig zur Verfügung steht — eine Meistbegünstigungsklausel, wonach diese Kunden gleich hohe Wiederaufarbeitungskosten zu zahlen haben.
Eine Zusatzfrage.
Treffen demnach Informationen von seiten der Wirtschaft nicht zu, wonach die Geheimhaltung zwischen der COGEMA und deutschen Betreibern deswegen vertraglich festgelegt worden ist— sie verhindert ja bekanntlich bis zur Stunde die Einsichtnahme des Parlaments in diese Entsorgungsvorsorgeverträge —, weil dadurch eine wirtschaftliche Begünstigung der deutschen Seite erreicht werden konnte?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäfer, Ihre Zusatzfrage berührt eigentlich zwei Probleme. Zu dem letzteren Problem, das Sie mit der Meistbegünstigungsklausel angesprochen haben, habe ich ja schon Ausführungen gemacht. Das zweite Problem ist dagegen in einer schriftlichen Antwort auf eine Frage von Ihnen von Herrn Staatssekretär Schoeler — der Brief trägt das Datum vom 27. September 1978 — sehr eingehend erörtert worden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ich darf noch einmal, um sicherzugehen, nachfragen, ob Informationen von seiten der Wirtschaft, nach denen die Geheimhaltungsklauseln aus ökonomischen Vorteilsüberlegungen im Vertrag festgelegt worden seien, nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zutreffend sind.Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäfer, die Frage, die Sie an mich gerichtet haben, müßten Sie eigentlich dem Bundesinnenminister stellen. Aber Ihnen ist bekannt, daß die Bundesregierung beabsichtigt, dem Beschluß des Innenausschusses vom 19. April 1978 bezüglich der Einsichtnahme in die Verträge Rechnung zu tragen. Wir sind noch im Gespräch, und es bedarf diplomatischer Gespräche, um das zu ermöglichen.
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8682 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie beantwortet. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Antworten.
Die Fragen 92 und 93 des Abgeordneten Immer aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Hartmann auf:
Sieht die Bundesregierung in der zwischenzeitlich vom Bremer Bürgermeister Koschnick bekräftigten Äußerung des Hamburger Bürgermeisters Klose, der sogenannte Radikalenerlaß sei fortan für ihn nicht mehr existent, und wer als DKP-Funktionär in den letzten Jahren in Hamburg nicht Lehrer werden durfte, der könne sich jetzt mit Aussicht auf Erfolg erneut bewerben, einen Anlaß, in Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Pflicht aus Artikel 84 Abs. 3 und 4 des Grundgesetzes tätig zu werden, und wenn nein, warum nicht?
Herr Staatssekretär, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Antwort lautet nein. Die Absicht, bei der Einstellung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst nicht nach dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder aus dem Jahre 1972 zu verfahren, stellt nach Auffassung der Bundesregierung in keiner Weise einen Rechtsverstoß dar. Auch im Bundesbereich wird dieser Erlaß nicht mehr praktiziert. Er ist von den am 19. Mai 1976 vom Bundeskabinett zustimmend zur Kenntnis genommenen Grundsätzen für die Prüfung der Verfassungstreue abgelöst worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung denn eine Regelung, die nur auf konkrete Handlungen, Unterlassungen oder Äußerungen eines Bewerbers oder eines bereits im Amt befindlichen Beamten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung abstellt, nicht für unvereinbar mit dem Wortlaut des Beamtenrechtsrahmengesetzes, wo es in § 4 ausdrücklich heißt, daß in das Beamtenverhältnis nur berufen werden darf, wer — neben anderen Voraussetzungen — „die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt", und wo in § 35 die Pflicht eines jeden Beamten festgelegt ist, daß er „sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten", also einen aktiven Beitrag erbringen muß?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat mehrfach erklärt, daß sie sich von der Entschließung des Deutschen Bundestages, den von ihr zustimmend zur Kenntnis genommenen Grundsätzen für die Prüfung der Verfassungstreue und dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1975 leiten läßt. Wir gehen von dieser Auffassung nicht ab. Insofern ist Ihre Frage auch durch mehrfache Antworten im Plenum sowie durch die grundsätzlichen Aussagen der Bundesregierung bereits beantwortet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung in dieser Haltung nicht einen Beitrag zur Erzeugung von Rechtsunsicherheit und auch eines Rechtsunfriedens innerhalb der Bevölkerung, insbesondere innerhalb der jungen Generation, nämlich dadurch, daß dann in verschiedenen Bundesländern eine verschiedene Rechtspraxis herrscht, daß es dann Bundesländer gibt, die sich an die Vereinbarungen von 1972 halten, und Bundesländer, wie Hamburg und Bremen, die sich mit Billigung der Bundesregierung, die sich in ihrem Bereich in gleicher Weise verhält, davon abkehren?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung würde selbstverständlich eine einheitliche Praxis in Bund und Ländern begrüßen. Sie legt für ihren Geschäftsbereich Wert darauf, daß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1975 und den vom Deutschen Bundestag beschlossenen Grundsätzen, die das Bundeskabinett zustimmend zur Kenntnis genommen hat, Rechnung getragen wird. Die Bundesregierung verfährt nicht nach dem Beschluß der Ministerpräsidenten und der Regierungschefs aus dem Jahre 1972, wie der Herr Bundeskanzler bereits deutlich gemacht hat und wie der Bundesminister des Innern ebenfalls mehrfach erklärt hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Spranger.
Herr Staatssekretär, können Sie einen Widerspruch des Beschlusses der Ministerpräsidenten und des. damaligen Bundeskanzlers Brandt zu den Beamtengesetzen, zur Verfassung und zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts nennen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe im Augenblick gar keine Veranlassung, auf diese Frage weiter einzugehen. Die Handlungsgrundlagen der Bundesregierung für ein rechtsstaatliches Verfahren in diesem Bereich sind durch die jetzt bereits mehrfach erwähnten Grundsätze geschaffen worden. Wir sind der Meinung, daß durch eine Praxis, die an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und diesen Grundsätzen orientiert ist, die Gefahren einer Ausuferung in diesem Bereich vermieden werden können. Wir werden von dieser Linie, solche Gefahren zu vermeiden, nicht abgehen.
Ich lasse noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Althammer zu.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8683
Herr Staatssekretär, seit wann verfährt die Bundesregierung nicht mehr nach den gemeinsamen Grundsätzen des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten aller Länder aus dem Jahre 1972?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, seit der entsprechenden Entscheidung des Deutschen Bundestages und der entsprechenden Beschlußfassung im Bundeskabinett über die Grundsätze. Das Datum habe ich Ihnen vorhin genannt. Ich kann Ihnen das gerne noch einmal nennen: Am 19. Mai 1976 hat das Bundeskabinett diese Grundsätze gebilligt.
Ich rufe
die Frage 11 des Abgeordneten Hartmann auf:
Gedenkt der Bundeskanzler, im Bereich des Bundes denselben oder sinngemäß ähnlichen Grundsätzen Geltung zu verschaffen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung am 16. Dezember 1976 ausgeführt, daß die Bundesregierung bei der Aufnahme von Bewerbern in den öffentlichen Dienst nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen und nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verfährt. Er hat in diesem Zusammenhang ferner erklärt, daß die Bundesregierung alles tun werde, um die Entstehung eines allgemeinen Mißtrauens zu verhindern, welches die persönliche Ausübung von Grundrechten mit Gefahren für die persönliche berufliche Zukunft belasten könnte. Dies führe zu Leisetreterei und Furcht. Gewollt sei aber nicht Furcht, sondern die persönliche Bereitschaft, die verfassungsmäßige Ordnung lebendig zu halten.
Die vom Bundeskabinett am 19. Mai 1976 zustimmend zur Kenntnis genommenen Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue schreiben ausdrücklich ,insbesondere die Beachtung der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975 und der Entschließung des Hohen Hauses vom 24. Oktober 1975 vor.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung dargelegt, daß die Zugehörigkeit zu einer Partei oder Vereinigung mit verfassungsfeindlichen Zielen nur „ein Stück des Verhaltens" sein kann, das für die geforderte Beurteilung der Persönlichkeit eines Bewerbers erheblich ist. Diese Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wird von der Bundesregierung, wie wiederholt zum Ausdruck gebracht, voll geteilt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, daß die Äußerungen des Hamburger Bürgermeisters, Herrn Klose, auf denen meine Fragen beruhen, von dieser soeben von Ihnen dargestellten Auslegung umschlossen werden, oder besteht eine Divergenz zwischen der von Ihnen soeben gegebenen Auskunft und der Meinung des Herrn Klose, wie er sie im „Spiegel" geäußert hat, wo es hieß, daß der Radikalenerlaß für ihn fortan nicht mehr existent sei und daß sich derjenige, der als DKP-Funktionär in den letzten Jahren in Hamburg nicht Lehrer werden durfte, jetzt mit Aussicht auf Erfolg erneut bewerben könne?
Umfangreiche Zitate in Zusatzfragen wollen wir nicht einführen, denn die Zusatzfrage muß kurz sein.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe nicht den Eindruck, daß der Bürgermeister von Hamburg den Grundsatz der Einzelfallprüfung in Zweifel ziehen wollte. Eine solche Erklärung ist mir nicht bekannt.
Eine
zweite Zusatzfrage.
Ich muß Sie noch einmal fragen: Ist die Bundesregierung der gleichen Auffassung, wie Herr Klose sie im „Spiegel"-Interview geäußert hat, oder unterscheiden sich beide Auffassungen — und wenn ja, in welchen Punkten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie werden verstehen, daß ich schon eine präzise Frage brauche, um Ihnen eine präzise Antwort zu geben. Ich kann Ihnen sagen, wie die Haltung der Bundesregierung ist. Das habe ich hier — nicht nur in dieser Fragestunde, sondern auch in anderen Fragestunden — bereits mehrfach getan. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich keine Äußerung des Bürgermeisters von Hamburg kenne, die den Grundsatz der Einzelfallprüfung, wie er vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom Mai 1975 aufgestellt worden ist, in Frage stellen würde.
Eine
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Wird also, um bei dem letzten Punkt anzuknüpfen, im Bereich der Bundesregierung im Sinne des von Ihnen teilweise zitierten Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 22. Mai 1975 gegebenenfalls auch gefordert, daß sich der Beamte — so sagt das Bundesverfassungsgericht wörtlich — von verfassungswidrigen Organisationen distanziert?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir könnten jetzt in eine ausführliche Zitierung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts eintreten. Ich glaube nicht, daß dies die Diskussion weiterbrächte. Tatsache ist, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß den Grundsatz der Einzelfallprüfung postuliert hat, indem es gesagt hat, daß die Mitgliedschaft in einer Partei mit verfassungsfeindlichen Zielen nur ein Stück des Verhaltens ist, das bei einer Entscheidung über die Einstellung von Bedeutung sein kann. Daran ist nicht zu deuteln. Ich meine, wir sollten uns auch davor8684-Metadaten/Kopzeile:
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Parl. Staatssekretär von Schoelerhüten, hier Forderungen aufzustellen, die mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang zu bringen wären.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Spranger. Ich wäre allerdings dankbar, wenn sich die Fragesteller jederzeit die Ursprungsfrage vor Augen hielten.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung von Herrn Klose, derzufolge auch DKP-Funktionäre Lehrer und gleichzeitig Beamte im Staatsdienst sein können?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, auch diese Frage muß ich mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Einzelfallprüfung beantworten, bei der jeweils in jedem konkreten Fall alle Elemente, die das Bundesverfassungsgericht im einzelnen genannt hat, in die Beurteilung bei der Entscheidung über eine Einstellung einfließen müssen. Es wäre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zulässig — die Bundesregierung teilt diese Auffassung; dies hat sie auch mehrfach erklärt —, nur auf ein Stück des Verhaltens des Bewerbers — ein solches kann die Mitgliedschaft in einer Partei sein — abzustellen und einen Automatismus der Art einzuführen, daß nach Feststellung der Mitgliedschaft eine Ablehnung erfolgen müsse. Dieser Standpunkt wird von der Bundesregierung nicht geteilt, und zwar in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Ich gebe
nun noch dem Kollegen Hölscher und dem Kollegen Schäfer zu Zusatzfragen das Wort. Dann gehen wir zur nächsten Frage über.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es bei uns — im Gegensatz zu totalitären Staaten — darauf ankommt, auch in diesem Zusammenhang nicht Gesinnung zu überprüfen, sondern Verhalten zu werten?
Herr Kollege, ich bitte Sie um Verständnis. Diese Frage steht nicht mehr in dem notwendigen Zusammenhang mit der Ursprungsfrage. Bei den anderen Zusatzfragen war der Zusammenhang gerade noch zu erkennen, hier nicht mehr.
Bitte, Herr Kollege Schäfer.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung eines ehemaligen Spitzenkandidaten der Union, wonach eher ein Polizeibeamter Kommunist sein könne denn ein Lehrer?
Herr
Kollege Schäfer, so interessant der politische Beitrag auch sein mag, diese Frage steht jedenfalls nicht in dem notwendigen Zusammenhang mit der eingereichten Frage.
Werden die Beamten, die nach dem Wegfall des Widerspruchs im Asylverfahren durch das Gesetz vom 25. Juli 1978 von ihrer bisherigen Aufgabe freigestellt worden sind, nunmehr zur beschleunigten Erledigung der Asylanträge in der verbliebenen einzigen Verwaltungsinstanz eingesetzt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden von Ihnen eingereichten Fragen zusammen beantworten könnte.
Der HerrKollege Bühling ist einverstanden. Dann rufe ichnoch die Frage 13 des Herrn Kollegen Bühling auf:Wenn das nicht der Fall ist, wann ist mit der entsprechenden Umsetzung dieser Beamten zu rechnen?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung des Asylverfahrens vom 25. Juli 1978 alle erforderlichen Maßnahmen für einen wirksamen Gesetzesvollzug in die Wege geleitet. Ich möchte Ihnen diese Maßnahmen gern im Zusammenhang darstellen, weil sich aus diesem Zusammenhang auch die Beantwortung Ihrer Fragen ergibt.1. Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 18. August 1978 an die Innenminister der Länder die Bitte herangetragen, die Kontakte zwischen dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und den Ausländerbehörden dadurch zu intensivieren, daß im Bundesamt in Zirndorf in einem bestimmten Turnus Informationstagungen für Angehörige der Ausländerbehörden der Länder veranstaltet werden.2. Darüber hinaus ist beabsichtigt, beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auch Informationsbesuche für Verwaltungsrichter durchzuführen.3. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß für Verwaltungsrichter im Rahmen der Deutschen Richterakademie länderübergreifende Fortbildungsveranstaltungen über asylrechtliche Fragen stattfinden.4. Was die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen in den Ländern für eine gemäßigte Dezentralisierung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Asylsachen ab 1. Januar 1980 angeht, für die das zweite Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 25. Juli 1978 die Voraussetzungen geschaffen hat, so ist bereits zwischen den für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständigen obersten Landesbehörden ein Meinungsaustausch aufgenommen worden.5. Zur weiteren Beschleunigung der Vorprüfung im Rahmen des Asylverfahrens erfolgt seit einigen Monaten eine Vorprüfung auch in zentralen Anlaufstellen für Asylsuchende der Länder.
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Parl. Staatssekretär von Schoeler6. Zu Ihrer speziellen Frage nach dem Widerspruchsverfahren ist folgendes zu bemerken. Am 30. September 1978 waren noch 3 238 unerledigte Widerspruchsverfahren zu bearbeiten, auf die die gesetzliche Neuregelung nicht angewandt werden kann. Die zur Zeit vorhandenen fünf Widerspruchsausschüsse müssen daher vorerst noch weiterhin bestehen. Da die Widerspruchsausschüsse in diesem Jahr monatlich über rund 500 Widersprüche entschieden haben, ist damit zu rechnen, daß die noch nicht erledigten Widerspruchsverfahren im Frühjahr 1979 abgeschlossen sein werden. Danach werden die in den Widerspruchsausschüssen tätigen 15 Beamten anderen Organisationseinheiten des Bundesamts, vorwiegend den Anerkennungsausschüssen, zur beschleunigten Erledigung der Asylanträge zugewiesen. Nach Bewilligung der im Entwurf des Haushalts für das Jahr 1979 vorgesehenen 30 neuen Stellen für das Bundesamt wird von uns als Ziel angestrebt, die Zahl von derzeit 6 Anerkennungsausschüssen mehr als zu verdoppeln. Damit soll das Bundesamt personell und organisatorisch in die Lage versetzt werden, die Dauer des Anerkennungsverfahrens für Asylbewerber wesentlich zu verkürzen, wie es ja auch dem Grundgedanken des Gesetzgebers bei der Verabschiedung des Gesetzes, bei dem Sie Berichterstatter waren, Herr Kollege, entspricht.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
Kann ich also davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung mit der gleichen Dringlichkeit, die Sie in verschiedenen Punkten geschildert haben, auch in der weiteren Zukunft auf die allseitige Beschleunigung dieses Verfahrens hinwirken wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist der Grund, weshalb ich Ihre Frage sehr umfangreich beantwortet habe. Uns geht es darum, daß nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Beschleunigung der Asylverfahren auf der Verwaltungsseite alle Maßnahmen ergriffen werden, die möglich sind, um den gesetzgeberischen Willen möglichst schnell auch tatsächlich zu realisieren.
Herr Staatssekretär, wollen Sie' auch die nächsten beiden Fragen gemeinsam beantworten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ja.
Dann rufe ich jetzt die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Horstmeier auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch eine Bestimmung des Haushaltsstrukturgesetzes, nach der Ehefrauen von noch als Beamte tätigen Schwerkriegsbeschädigten von der Beihilfe des Bundes 'im Krankheitsfall ausgeschlossen wurden und dem Bundesversorgungsgesetz zugewiesen sind, diese Ehefrauen erhebliche Nachteile in Kauf nehmen müssen, und wie begründet sie dies?
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, diese Bestimmung
des Haushaltsstrukturgesetzes wieder rückgängig zu machen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die von Ihnen angesprochene Regelung war als flankierende Maßnahme zum Haushaltsstrukturgesetz Bestandteil der Sparbeschlüsse der Bundesregierung und stellte ebenso wie andere Änderungen des Beihilferechts das Prinzip der ergänzenden Fürsorge des Dienstherrn mehr in den Vordergrund. Nur dort besteht eine Verpflichtung des Dienstherrn zur Hilfe, wo nicht bereits auf andere Weise eine ausreichende Krankenversorgung sichergestellt ist.
Im Hinblick auf dieses Subsidiaritätsprinzip wurde es bei der Verabschiedung der Sparbeschlüsse für vertretbar gehalten, Beihilfeberechtigte, soweit ihre Krankenversorgung anderweitig gesetzlich sichergestellt ist, auf die Wahrnehmung der zustehenden Ansprüche zu verweisen. Von dieser Regelung wurden u. a. Familienangehörige von Schwerbeschädigten erfaßt. Diese ab 1. April 1976 geltende Regelung stellte den Rechtszustand wieder her, der bis zum Jahre 1965 galt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit dieser Vorschrift wiederholt bestätigt.
Die Regelung, die nur aus der besonderen Situation der vielen den öffentlichen Dienst betreffenden Sparbeschlüsse Ende 1975 zu erklären ist, halte ich für änderungsbedürftig. Sie ist vor allem bei der notwendigen Anpassung des Versicherungsschutzes auf Grund der geänderten Rechtslage zum Teil auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen. Die Bundesregierung beabsichtigt deshalb, den bis zum 31. März 1976 geltenden Rechtszustand wiederherzustellen. Ein entsprechender Entwurf von Änderungsvorschriften befindet sich in der Abstimmung mit den Bundesressorts, wobei Finanzierungsfragen noch offen sind. Das Verfahren nach der gemeinsamen Erklärung der Regierungen des Bundes und der Länder vom 1. Juli 1977, wonach die Bundesregierung und die Regierungen der Länder auf eine gemeinsame, stabilitätskonforme Steuerung der Personalkosten im öffentlichen Dienst hinwirken wollen, ist im Interesse einer Beschleunigung bereits im September 1978 eingeleitet worden. Die Erklärungsfrist der Länder beträgt drei Monate.
Bitte, eine Zusatzfrage.
Wann ist damit zu rechnen, daß die neue Regelung in Kraft tritt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nach Ablauf der Erklärungsfrist, die, wie ich erwähnt habe, den Ländern eingeräumt worden ist, wird bei uns unverzüglich eine Entscheidung möglich sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob das Alimentationsrecht der Beamten nicht Vorrang gegenüber allen Ansprüchen aus anderen sozialen Einrichtungen hat?
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8686 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie damit ausdrücken wollen, daß die jetzige Regelung änderungsbedürftig ist, stimme ich dem zu.
Eine
letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Herr Staatssekretär, ist, wenn Sie davon ausgehen, daß der Zustand von Anfang 1976 wieder hergestellt werden soll, damit gesagt, daß auch rückwirkend ein Anspruch auf diese Leistungen besteht?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann das im Augenblick nicht beantworten, bin aber gern bereit, Ihnen dazu schriftlich noch etwas mitzuteilen.
Ich rufe
Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die bei nächstmöglicher Gelegenheit herbeizuführende Ergänzung der Vorschriften über die Weitergabe personenbezogener Daten aus dem Sozialversicherungsbereich durch eine Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes anzustreben, und, falls ja, wird sie eine besondere Regelung für bestimmte, besonders empfindliche personenbezogene Daten vorschlagen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, was die von Ihnen angesprochene Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes betrifft, so darf ich zunächst auf meine Antwort in der Fragestunde am 27. September 1978 auf die Frage des Herrn Kollegen Gerster Bezug nehmen. Danach muß das Bundesdatenschutzgesetz als Einstieg in die komplizierte Materie des Datenschutzes gewertet und die Diskussion über einen wirksamen Datenschutz sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch im Hinblick auf ein einheitliches Datenschutzrecht innerhalb der Europäischen Gemeinschaften fortgesetzt werden.
Eine andere Frage ist der von der Bundesregierung als besonders wichtig erachtete Ausbau der fach- und bereichsspezifischen Datenschutzgesetzgebung. Hierher gehört die von Ihnen angesprochene Verstärkung des Datenschutzes in der Sozialversicherung, insbesondere in bezug auf die Datenübermittlung in diesem Bereich. Dazu hat der Herr Kollege Buschfort in der Fragestunde am 5. Oktober auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Becker mitgeteilt, daß eine Ergänzung der entsprechenden Sozialversicherungsgesetze bei der nächstmöglichen Gelegenheit herbeigeführt werden könne.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung meine Beurteilung teilen, daß durch diese bereichsspezifische, inhaltlich konkrete Ausgestaltung des Datenschutzrechts das Bundesdatenschutzgesetz selbst überlagert und an Bedeutung verlieren wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, diese Auffassung kann ich deshalb nicht teilen, weil das Bundesdatenschutzgesetz bewußt so konzipiert worden ist, daß es hinter fach- und bereichsspezifischen Regelungen zurücktritt und nur dort seine Auffangfunktion entfaltet, wo es an speziellen Regelungen fehlt. Insofern kann man in dem Erlaß bereichsspezifischer Datenschutzregelungen nur eine Verstärkung, eine Verbesserung des Datenschutzes insgesamt sehen, keineswegs aber eine Aushöhlung des Bundesdatenschutzgesetzes.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmt die Bundesregierung dann mit meiner Auffassung überein, daß ein Ziel des Bundesdatenschutzgesetzes, nämlich den Datenschutz umfassend und für den Bürger überschaubar zu regeln, auf dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Weg nicht zu erreichen ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann diese Auffassung nicht teilen. Das Bundesdatenschutzgesetz umfaßt die Regelung sehr unterschiedlicher Bereiche in der öffentlichen Verwaltung und in der privaten Wirtschaft und dort jeweils die sehr unterschiedlich gelagerten Bereiche, in denen sich auch sehr unterschiedliche Abwägungsfragen stellen. Wenn man an eine Fortentwicklung des Datenschutzrechts denkt, wird man sich darüber im klaren sein müssen, daß gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz weitergehende Regelungen insbesondere dann eingeführt werden können, wenn sie auf einen speziellen Fachbereich beschränkt sind, weil man die dort vorzunehmenden Abwägungen dann sehr viel detaillierter, sehr viel konkreter, unter sehr viel mehr Verzicht auf generalklauselartige Formulierungen vornehmen kann, als es naturgemäß in einem vom Regelungsbereich her sehr umfassenden Gesetz wie dem Bundesdatenschutzgesetz der Fall sein kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hölscher.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Absicht der Koalition, im Rahmen der Kodifizierung des Sozialgesetzbuchs bei der Vereinheitlichung der Verwaltungsverfahren spezifisch für diesen Bereich den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann diese Frage für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern nur dahin beantworten, daß wir jede Fortentwicklung des Datenschutzrechts, die dem Schutzbedürfnis des einzelnen Bürgers Rechnung trägt, außerordentlich begrüßen. Für den speziellen Bereich der Sozialgesetzgebung und die Ausgestaltung im einzelnen, wie dieses Ziel eines verbesserten Datenschutzes im Interesse des ein-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8687
Parl. Staatssekretär von Schoelerzelnen Bürgers dort erreicht werden kann, ist der Arbeitsminister zuständig.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr.. Becker.
Herr Staatssekretär, da Sie in Ihrer Antwort auf die Antwort von Herrn Staatssekretär Buschfort eingegangen sind, frage ich Sie, ob Sie den zweiten Teil meiner damaligen Frage, der den Innenbereich betraf und sich auf die Kritik des Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Bull, bezog, dahin beantworten können, daß in diesem Bereich ebenfalls rechtliche Änderungen und Ergänzungen geplant sind.
Herr Kollege Becker, das betrifft genau den Punkt unserer Richtlinien für die Fragestunde, wonach eine Bezugnahme auf eine Antwort für eine Zusatzfrage nicht möglich ist. Die Zusatzfrage muß sich ausdrücklich auf den Kern der eingereichten Frage beziehen. In dieser Situation ist der Herr Staatssekretär. Wenn er den Sachverhalt unmittelbar vor Augen hat, kann er natürlich antworten. Sonst gehen wir weiter.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wir haben uns, glaube ich, schon durch Blicke verständigt, das bilateral zu erledigen, Herr Präsident.
Bitte.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Ueberhorst auf:
Welche Kriterien hält die Bundesregierung für erforderlich, um das Rekritikalitätsproblem beim Schnellen Brüter als beherrschbar oder akzeptabel anzunehmen, und inwieweit wird der geplante Schnelle Brüter in Kalkar diesen Kriterien gerecht?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zunächst muß festgestellt werden, daß die hier genannte Rekritikalität kein unmittelbares Sicherheitsproblem beim Betrieb des Schnellen Brüters darstellt, sondern erst bei Betrachtung hypothetischer, also extrem unwahrscheinlicher, Störfallabläufe Bedeutung gewinnt.
Vorausgesetzt wird hierbei z. B., daß alle Abschaltsysteme gleichzeitig vollständig versagen. Dies würde zu einer überschnellen Leistungssteigerung führen, die den Reaktorkern zerstört und zum Schmelzen bringt. Die Kettenreaktion der Kernspaltung erlischt dabei zunächst selbsttätig. Theoretisch nicht auszuschließen sind jedoch Mechanismen für den Schadensablauf, die zu einer erneuten Konzentration von Spaltstoff und erneuter kurzzeitiger Kettenreaktion, d. h. Rekritikalität mit stoßartiger Energiefreisetzung, führen.
Im Genehmigungsverfahren für den SNR-300 wird, besonders im Hinblick auf den Prototypcharakter der Anlage, gefordert, daß der den Reaktorkern umschließende Behälter auch den mit diesen Störfällen verbundenen mechanischen Belastungen standhält.
Darüber hinaus wurde im Genehmigungsverfahren für den SNR-300 durch technische Auflagen Vorsorge getroffen, daß auch im Fall eines Austretens von geschmolzenem Brennstoff aus dem Reaktortank dieser sicher eingeschlossen und ausreichend gekühlt wird. Durch eine geeignete bauliche Ausgestaltung wird darüber hinaus die Möglichkeit einer erneuten Kettenreaktion auch der aufgefangenen Reaktorschmelze verhindert.
Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik kann daher davon ausgegangen werden, daß der SNR-300 alle zur Beherrschung dieser weitgehend hypothetischen Störfälle notwendigen Anforderungen erfüllt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung die unterschiedlichen Explosionspotentiale, die von Experten für solche Rekritikalitätsunfälle berechnet werden, so bewerten, daß für die Offentlichkeit und den Bürger eine Berechnung glaubhaft wird? Ich frage deshalb, weil die berechneten Explosionspotentiale sich um den Faktor 100 und mehr unterscheiden.
Herr Kollege, für den Außenstehenden wird der hier angesprochene Fragenkomplex dadurch noch nicht deutlicher. Aber der Herr Staatssekretär wird das aufklären.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn ich Ihre Frage nicht mit Ja beantworten könnte, hätte ich die Antwort nicht so erteilt.
Wie bitte? Das habe ich wegen Ihrer Bemerkung, Herr Präsident, akustisch nicht verstanden.
von Schoeler, Parl. Staatsekretär: Wenn ich Ihre Frage nicht mit Ja beantworten könnte, hätte ich die Antwort auf Ihre Ausgangsfrage nicht so gegeben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich wie vorhin Herrn Staatssekretär Stahl auch Sie fragen, ob die Bundesregierung die Reaktorsicherheitskommission mit diesem Berechnungsproblem befaßt hat und dem Deutschen Bundestag gegebenenfalls die Protokolle dieser Erörterungen der RSK übergeben kann?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gern bereit, Ihnen mitzuteilen, ob sich die RSK mit diesem Thema beschäftigt hat.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:.
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8688 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenWie beurteilt die Bundesregierung die im Juni aufgedeckten sicherheitsgefährdenden Praktiken im Kernkraftwerk Brunsbüttel und die Möglichkeit ähnlicher Vorkommnisse in anderen Kernkraftwerken?Von ihm wurden zwei Fragen eingereicht, die in einem gewissen Zusammenhang stehen. Herr Staatssekretär, haben Sie eine gemeinsame Beantwortung vorgesehen?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ja. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Der Fragesteller ist damit einverstanden. Ich rufe daher auch die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:Welche Konsequenzen sind aus dem Fehlverhalten nahezu aller Beteiligten im KKW Brunsbüttel gezogen worden, und auf welche Weise können ähnliche Sicherheitsgefährdungen in Zukunft verhindert werden?Bitte.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nach Auffassung der Bundesregierung beruht, Herr Kollege, die besondere Bedeutung des Störfalls im Kernkraftwerk Brunsbüttel auf menschlichem Fehlverhalten, das erkennbar wurde in Fehlbeurteilungen, unsachgemäßem Handeln und Nichtbeachtung verbindlicher Vorschriften durch das Betriebspersonal.Die Diskussion darüber, wie durch verbesserte technische und administrative Maßnahmen solche Verstöße wirksamer als bisher verhindert werden können, ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Technischen Maßnahmen zur Erschwerung von Manipulationen am Reaktorschutzsystem sind vor allem dadurch Grenzen gesetzt, daß die Teile des Schutzsystems im Hinblick auf ihre Sicherheitsfunktion leicht prüfbar sein sollten. Deshalb liegt der Schwerpunkt möglicher Maßnahmen letztlich eindeutig im administrativ-organisatorischen Bereich. Der Zuverlässigkeit des Betriebspersonals kommt hier entscheidende Bedeutung zu.Einen ausführlichen schriftlichen Zwischenbescheid über die laufenden Überlegungen hat der Bundesminister des Innern heute an den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe „Reaktorsicherheit und Strahlenschutz" des Innenausschusses des Deutschen Bundestages übersandt. Ich werde Ihnen diesen Bericht gerne zuleiten.Die Meinungsbildung über Art und Umfang der erforderlichen organisatorischen und sonstigen Maßnahmen sowohl für das Kernkraftwerk Brunsbüttel als auch generell für alle Kernkraftwerke ist weder bei den zuständigen Landesbehörden noch beim Bundesminister des Innern völlig abgeschlossen, insbesondere haben die Reaktorsicherheitskommission und die Strahlenschutzkommission ihre Beratung hierzu noch nicht zu Ende geführt.Der Betreiber hat im Vorgriff auf diesbezügliche Anordnungen der Aufsichtsbehörde hinsichtlich Zuverlässigkeit und Fachkunde bereits zwei der für den Störfallablauf verantwortlichen Mitarbeiter von ihren Aufgaben entbunden und angekündigt, daß zwei weitere leitende Mitarbeiter aus dem Werk ausscheiden werden.Außerdem ist geplant, durch Umstrukturierung in der Hauptverwaltung der Hamburger Elektrizitätswerke, die weiterhin Genehmigungsinhaber bleibt, die Führung im Kernkraftwerk zu verbessern. Ferner soll in Zukunft die Position des Schichtleiters mit einem Ingenieur besetzt werden, dem ein ständiger Vertreter beigegeben wird, der ebenfalls die Schichtleiterprüfung abgelegt haben muß.Die Bundesregierung hält es für erforderlich und wird dies im Rahmen der Bundesaufsicht sicherstellen, daß vor einer Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerkes Brunsbüttel alle anläßlich des letzten Störfalles zutage getretenen technischen Mängel sowie personellen und organisatorischen Unzulänglichkeiten behoben sind. Hierzu gehört u. a. die Einleitung rascher Maßnahmen, auf Grund der sowohl die betriebseigene Messung als auch die betreiberunabhängige Überwachung der radioaktiven Emissionen intensiviert werden sollen. Einzelheiten hierzu werden derzeit mit den den Bundesminister des Innern beratenden Sachverständigen sowie mit den zuständigen Landesbehörden abgeklärt.Unabhängig von nach Abschluß der Untersuchungen zu ziehenden weiteren Schlußfolgerungen hat die Bundesregierung das Vorkommnis im Kernkraftwerk Brunsbüttel vorab zum Anlaß genommen, die Aufsichtsbehörden der Länder zu bitten, dem Problem unzulässiger Manipulationen an Reaktorschutzsystemen von Kraftwerken besondere Aufmerksamkeit zu widmen und in geeigneter Weise gezielte Kontrollen durchzuführen.Des weiteren haben entsprechende Überlegungen im Bundesministerium des Innern dazu geführt, die in der Fachkunderichtlinie für Kernkraftwerkspersonal noch zulässige Ausnahmeregelung, auch Kraftwerksmeister zu Schichtleitern zu stellen, wegfallen zu lassen, so daß in Zukunft die Anerkennung als Schichtleiter die Ingenieurqualifikation voraussetzt.Die Bundesregierung ist darüber hinaus der Meinung, daß generell die staatliche Aufsicht über den Betrieb von Kernkraftwerken weiter intensiviert werden sollte, um so Unzulänglichkeiten in Organisation und Betriebsführung sowie auch Schadensfällen früher erkennen und bewerten zu können.Ich bitte um Verständnis für die lange Antwort, aber mir schien die Frage so wichtig zu sein, daß sie eine umfassende Beantwortung erforderte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marschall.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, den genannten Zwischenbescheid bzw. die Ergebnisse und Schlußfolgerungen der endgültigen Untersuchung zu veröffentlichen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gern bereit, Sie über die weiteren Schritte in diesem Verfahren zu unterrichten.
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8689
Hat die Bundesregierung, insbesondere nach den Vorgängen in Brunsbüttel, geprüft, ob die bisher vorgelegten Risikoanalysen fragwürdig oder nur sehr bedingt aussagefähig sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat keinen Anlaß gesehen, nach dem Ereignis im Kernkraftwerk Brunsbüttel eine solche Feststellung zu treffen, wie Sie sie eben formuliert haben.
Eine dritte Frage. Sieht sich die Bundesregierung in der Lage bzw. ist sie bereit, angesichts der grob fahrlässigen Informationspraxis der Kraftwerksbetreiber gegenüber den Behörden eine schnelle und umfassende Information der Behörden zu erzwingen?
Herr Kollege, die Bewertung lasse ich nicht zu, aber die Frage können Sie stellen.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen, daß die Bundesregierung in diesem konkreten Fall von allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch gemacht hat, um sich möglichst schnell ein umfassendes Bild über den Ablauf des Störfalles zu verschaffen. Alle anderen Maßnahmen liegen, wie Sie wissen, im Bereich der zuständigen Landesbehörde.
Eine letzte Zusatzfrage.
Hält die Bundesregierung eine Konkretisierung bzw. Verbesserung der Ausbildungsbedingungen für die Leitstandsfahrer für notwendig, bzw. hält sie es für zweckmäßig, die Ausbildung am Simulator obligatorisch zu gestalten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen die Maßnahmen, die die Bundesregierung für notwendig hält, in meiner Frage dargestellt. Ich kann und ich will dem im Augenblick nichts hinzufügen.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Frau Abgeordnete Hürland hat gebeten, daß die von ihr eingereichte Frage 20 schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Spranger auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach noch 1978 mit der Auslieferung der Spionin Christel Guillaume an ihre Auftraggeber zu rechnen ist?
Nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.
Herr Staatssekretär, bei der Kürze Ihrer Antwort würde es mich interessieren, ob dies für das Jahr 1978, für die nachfolgenden Jahre oder für einen sonstwie bestimmten Zeitraum gilt.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Eine Absicht besteht nicht.
Eine letzte Zusatzfrage.
Wenn keine Absicht besteht, frage ich: Besteht immerhin die Möglichkeit, daß noch eine Absicht gefaßt wird, um das zu tun, was Sie zur Zeit noch abstreiten?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich denke, meine Antwort war unzweideutig.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, auf die ausstehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, auf die Festlegung der Grenzen seiner Kompetenz und auf die verbindliche Auslegung des Grundgesetzes sowie der ihm zugrundeliegenden objektiven Wertordnung durch dieses oberste Verfassungsorgan Einfluß zu nehmen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung nimmt zu anstehenden Entscheidungen im Rahmen ihrer Rechte und Pflichten und in der ihr jeweils nach den Umständen geboten erscheinenden Weise Stellung. Einflußnahme im anderen Sinne übt sie nicht.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich also unterstellen oder annehmen, daß Sie angesichts des Wortlauts der Frage feststellen wollen, daß die Bundesregierung die Festlegung der Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts im Sinne von Art. 93 des Grundgesetzes und § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes als eigene selbständige Aufgabe des Gerichts nicht bestreitet, oder übt sie in ihrer Amtsverantwortung am Bundesverfassungsgericht Kritik?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Czaja, ich dachte, daß meine Antwort klar und eindeutig war. Sie nimmt, wenn erforderlich, Stellung, aber Einfluß übt sie nicht aus. Im übrigen ist sie darauf bedacht, die Stellung der Bundesorgane zueinander zu pflegen.
Herr Kollege, auch durch das Wörtchen „oder" wird aus zwei
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8690 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenFragen nicht eine. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt eine Zusatzfrage stellten.
Hat die Bundesregierung bisher in ihrer Amtsverantwortung der Auslegung des Grundgesetzes und der ihm zugrundeliegenden und in ihm verankerten objektiven Wertordnung durch das Bundesverfassungsgericht als oberstes Verfassungsorgan Rechnung getragen, und wird sie das auch in Zukunft. tun?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Czaja, um Ihre sehr umfängliche Frage zu beantworten, darf ich mir erlauben, auf einen Aufsatz des Bundesministers der Justiz in „Die öffentliche Verwaltung" zu verweisen. Ich bin gern bereit, Ihnen diesen Artikel zuzusenden.
Da der
Herr Abgeordnete Schmidt nicht im Saal ist, wird seine Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haehser zur Verfügung.
Da der Herr Abgeordnete Conradi nicht im Saal ist, werden seine Fragen 24 und 25 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Eickmeyer hat gebeten, seine Fragen 26 und 27 schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ebenso werden die Fragen 28 und 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble auf:
Welche Steuermindereinnahmen im Vergleich zur zur Zeit geltenden Rechtslage wären bei Einführung des sogenannten Familiensplittings bei Anwendung des Faktors 1 und bei Anwendung des Faktors 1/2 je Kind zu erwarten, und welche steuervereinfachenden Wirkungen wären von der Einführung des Familiensplittings zu erwarten?
Vom Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble sind zwei Fragen gestellt worden. Herr Staatssekretär, hatten Sie an eine gemeinsame Beantwortung gedacht?
Ich wollte sie einzeln beantworten.
Bitte; die erste Frage ist aufgerufen.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Eine genauere Berechnung der Steuermindereinnahmen bei Einführung eines Familiensplittings wäre mit einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand verbunden, Herr Kollege, und läßt sich in der Kürze der Zeit auch nicht durchführen. Man wird aber davon ausgehen können, daß sich die finanziellen Auswirkungen des Vorschlags in einer ähnlichen Größenordnung bewegen dürften wie die Steuerausfälle infolge des Ehegattensplittings nach geltendem Recht, die im Sozialbericht der Bundesregierung für 1978 mit 25,5 Milliarden DM ausgewiesen sind. Bei Ansatz eines Faktors von nur 1/2 je Kind würden sich die Steuerausfälle zwar vermindern, würden aber wegen des Progressionseffekts immer noch mehr als die Hälfte der genannten Größenordnung betragen.
Mit der Einführung des Familiensplittings wären keinerlei Verwaltungsvereinfachungen verbunden. Schon die Steuerreformkommission hat 1971 nach gründlicher Prüfung die Einführung eines Familiensplittings u. a. auch wegen der praktischen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, abgelehnt. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, daß mit der Einführung eines Familiensplittings das Kindergeld wegfallen könnte, weil sonst Bezieher niedrigerer Einkommen schlechtergestellt würden.
Für die Bundesregierung kommt im übrigen die Einführung eines Familiensplittings vor allem wegen der unsozialen Entlastungswirkungen nicht in Betracht. Während Spitzenverdiener bei vollem Kinderfaktor je Kind über 12 000 DM pro Jahr sparen würden, würden Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen in der Proportionalzone davon keinen Vorteil haben. Das gleiche gilt für solche, die gar keine Steuern zahlen.
Herr Kollege Schäuble, erste Zusatzfrage.
Ich will Sie nur darauf aufmerksam machen, daß für die Fragestunde noch knapp drei Minuten zur Verfügung stehen. Ich würde aber gern Ihre zweite Frage noch aufrufen. — Bitte.
Herr Staatssekretär, da Sie sich wegen der Kürze der Zeit nicht in der Lage gesehen haben, meine Frage nach dem finanziellen Volumen sachgerecht zu beantworten, frage ich: Sehen Sie einen Weg, mir diese Antwort in einem anderen Verfahren zukommen zu lassen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Diesen Weg sehe ich nicht und kann ihn Ihnen auch nicht anbieten. Ich habe Ihnen ja eine Zahl genannt, nämlich die von 25,5 Milliarden DM. Ich weiß nicht, ob der Verwaltungsaufwand und der Zeitaufwand gerechtfertigt wären für eine Berechnung, die letztlich wohl zu einer ähnlichen Zahl führen würde.
Eine weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1978 8691
Herr Staatssekretär, nachdem Sie auch 'die Frage nach der steuervereinfachenden Wirkung in einer, wie ich glaube, nicht zureichenden Weise beantwortet haben — die Zahl der Steuerpflichtigen beispielsweise würde sich vermindern - -
Herr Kollege, bitte keine Wertungen der Antwort!
— — möchte ich Sie fragen, ob Sie einen Weg sehen, diesen Teil der Frage noch einmal überprüfen zu lassen und mir eine korrekte Antwort zugehen zu lassen.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß Sie bitten, davon auszugehen, daß meine Antwort korrekt gewesen ist. Ich habe mich auf die Steuerreformkommission im Jahre 1971 bezogen. Sie hat gerade die behaupteten Vereinfachungen überprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen: Es gibt solche Vereinfachungen nicht. Ich habe hinzugefügt, daß es sogar Erschwernisse gäbe. Ich muß bei dieser meiner Antwort bleiben.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Schäuble auf:
Trifft es zu, daß nach geltendem Recht Steuerpflichtige, die andere Einkünfte als aus nichtselbständiger Tätigkeit haben, in der Lage sind, steuerpflichtige Einkünfte auf Kinder zu verlagern, und in wieviel Fällen geschieht dies?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäuble, mit Ihrer Frage sprechen Sie offenbar die Erörterungen über die Verlagerung von Einkünften durch Bestellung eines Nießbrauchs an. Diese Diskussion wurde bekanntlich durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Dezember 1976 ausgelöst. Dort hat der Bundesfinanzhof entschieden, daß ein unentgeltlicher Nießbrauch an Wertpapieren die Zurechnung der Wertpapiererträge als Einkünfte des Wertpapierinhabers aus Kapitalvermögen nicht ändert, sondern daß die Einnahmen mit ihrem Zufluß beim Nießbraucher von dem Wertpapierinhaber bezogen sind. Damit ist der Bundesfinanzhof von seiner bisherigen Rechtsprechung und
von der bisher herrschenden Meinung abgerückt, wonach der Nießbraucher auf Grund des Nießbrauches eigene Einkünfte bezieht.
Das . BFH-Urteil nötigt dazu, ganz allgemein zu prüfen, welche einkommensteuerrechtlichen Schlüsse aus der Bestellung eines Nießbrauches für die Zurechnung der Einkünfte zu ziehen sind. Sie wissen als Fachmann, daß hier noch viel untersucht werden muß.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, in wie vielen Fällen Steuerpflichtige versuchen, Einkünfte auf ihre Kinder zu verlagern. Zu dieser Frage werden von den Bundesländern — die zuständig sind — keine statistischen Erhebungen durchgeführt.
Eine kurze Zusatzfrage, denn die Fragestunde läuft gleich ab.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, meine Frage auch unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, daß eine Verlagerung von Einkünften auch ohne die Bestellung eines Nießbrauchs einfach durch eine Schenkung vollzogen werden kann?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäuble, wir sind schon deshalb bereit, diese Ihre Frage zu prüfen, weil wir die Folgerungen, die sich aus dem Urteil ergeben, ganz allgemein überprüfen müssen, so daß Sie also in absehbarer Zeit Zwischenergebnisse und eines Tages auch das Schlußergebnis erfahren werden.
Der Herr Abgeordnete Dr. Kunz hat die von ihm eingereichten Fragen 33 und 34 zurückgezogen.
Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der heutigen Fragestunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 19. Oktober 1978, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.