Protokoll:
8088

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 88

  • date_rangeDatum: 27. April 1978

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:23 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/88 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 88. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. von Hassel und Scheu 6895 A Eintritt des Abg. Merker in den Deutschen Bundestag 6895 B Benennung des Abg Dr. Schmitt-Vockenhausen als Mitglied im Wahlmännerausschuß 6895 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 6895 B Begrüßung einer Delegation des Nationalrates und des' Bundesrates der Republik Österreich 6895 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 6895 C Erweiterung der Tagesordnung . . . . 6978 C Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zum Terrorismus - Drucksache 8/1753 — Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Zehntes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 8/1735 — Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 6896 A Burger CDU/CSU 6900 B Sieler SPD 6904 D Eimer (Fürth) FDP . . . . . . . . 6906 D Windelen CDU/CSU . . . . . . 6907 D Beratung des Gutachtens des Sozialbeirats zu den Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in den Jahren 1979 bis 1981 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen von 1978 bis 1992 — Drucksache 8/1615 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1978) — Drucksache 8/1615 — Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 6909 A Franke CDU/CSU 6910 A Glombig SPD 6913 D Cronenberg FDP 6919 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Einund- II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 zwanzigsten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte (Einundzwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/1734 — 6922 D Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Barzel, Schmidhuber, Dr. Biedenkopf, Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Kittelmann, Pieroth, Dr. Unland, Dr. Köhler (Duisburg), Landré, Breidbach, Kiechle, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Kolb, Sick, Dr. von Bismarck und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Sektorale Strukturpolitik — Drucksachen 8/1397, 8/1607 —Dr. Barzel CDU/CSU 6923 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 6930 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 6954 A Roth SPD 6959 A Dr. Hausmann FDP 6964 B Schedl CDU/CSU 6966 D Reuschenbach SPD 6968 D Angermeyer FDP 6971 D Dr. Jens SPD 6973 B Schmidhuber CDU/CSU 6975 A Dr. Steger SPD 6976 B Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zum Terrorismus — Drucksache 8/1753 — 6978 C Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Krefeld), Dr. Zeitel, Schmidhuber, Lampersbach, Dr. Pinger, Ur. Eyrich, Stücklen, Dr. Bötsch, Erhard (Bad Schwalbach), Engelsberger, Schedl, Helmrich, Dreyer, Landré, Dr. Hammans, Dr. Stavenhagen, Sick, Biehle, Niegel und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb — Drucksache 8/1670 — Schmidhuber CDU/CSU 6978 D Dr. Weber (Köln) SPD 6981 C Dr. Pinger CDU/CSU . . . . . . . . 6983 B Kleinert FDP 6984 D Erste Beratung des von den Abgeordneten Vogel (Ennepetal), Dr. Langner, Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Eyrich, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Klein (Göttingen), Geisenhofer, Dr. Blüm, Dr. Möller, Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die außergerichtliche Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen — Drucksache 8/1713 — Dr. Langner CDU/CSU 6987 B Dr. Schöfberger SPD 6989 D Kleinert FDP 6992 B Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes - Drucksache 8/1716 — Dr. Stercken CDU/CSU . . . . . . . 6994 A Wittmann (Straubing) SPD 6995 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 6996 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15. März 1976 — 76/308/ EWG — Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 73/18 vom 19. März 1976 — (Beitreibungsrichtlinie) über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen (Beitreibungsgesetz-EG) - Drucksache 8/1715 — 6997 A Beratung der Sammelübersicht 23 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/1708 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/1723 — 6997 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 4/78 — Zollkontingente für Walzdraht und Elektrobleche — 1. Halbjahr 1978) — Drucksachen 8/1631, 8/1720 — . . . . 6997 C Fragestunde — Drucksache 8/1728 vom 21. 04. 1978 — Zahl der von Kuba und den WarschauerPakt-Staaten in den Nah-, Mittelost-Raum, Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 III nach Schwarzafrika und Indochina entsandten militärischen Berater und Ausbilder; Waffenlieferungen der Warschauer PaktStaaten an Entwicklungsländer MdlAnfr A55 21.04.78 Drs 08/1728 Höffkes CDU/CSU MdlAnfr A56 21.04.78 Drs 08/1728 Höffkes CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6935 C, D, 6936 A, B, C, D, 6937 A, B, C, D ZusFr Höffkes CDU/CSU . . 6935 D, 6936 D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 6936 A, 6937 B ZusFr Dr. Hüsch CDU/CSU 6936 B ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . 6936 B ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD . . . . 6937 A ZusFr Dr. Todenhöfer CDU/CSU . . . 6937 B ZusFr Frau Erler SPD 6937 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6937 D Entsendung militärischen Personals und Materials durch die Sowjetunion, Kuba und die DDR in Entwicklungsländer MdlAnfr A88 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hüsch CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6937 D, 6938 A, B, C, D, 6939 A, B ZusFr Dr. Hüsch CDU/CSU 6938 A ZusFr Petersen CDU/CSU 6938 B ZusFr Kiechle CDU/CSU 6938 C ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . 6938 D ZusFr Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . . 6938 D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6939 A ZusFr Gansel SPD . . . . . . . . 6939 B ZusFr Dr. Todenhöfer CDU/CSU . . . 6939 C Bereitschaft der argentinischen Behörden zur Kooperation mit der deutschen Botschaft bezüglich der inhaftierten und verschwundenen Deutschen; Sicherheit der zur Fußballweltmeisterschaft reisenden bundesdeutschen Schlachtenbummler in Argentinien MdlAnfr A90 21.04.78 Drs 08/1728 Thüsing SPD MdlAnfr A91 21.04.78 Drs 08/1728 Thüsing SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6939 C, D, 6940 A, B, C ZusFr Thüsing SPD . . . . . 6939 C, 6940 A ZusFr Heyenn SPD . . . . . . . . . 6940 A ZusFr Dr. Hüsch CDU/CSU 6940 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6940 B ZusFr Conradi SPD . . . . . . . . 6940 C Deutsche Staatsangehörige unter den Toten bei der angeblichen Gefangenenmeuterei im Gefängnis von „Villa Devoto" in Buenos Aires MdlAnfr A92 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Erler SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6940 D In Argentinien inhaftierte oder verschwundene Deutsche MdlAnfr A93 21.04.78 Drs 08/1728 Jungmann SPD MdlAnfr A94 21.04.78 Drs 08/1728 Jungmann SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6940 D, 6941 A, B, C, D, 6942 A, B, C ZusFr Jungmann SPD 6941 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6941 A ZusFr Thüsing SPD 6941 A, 6942 C ZusFr Kiechle CDU/CSU . . . . . . 6941 B ZusFr Gansel SPD 6941 C, 6942 C ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . 6941 D ZusFr Frau Simonis SPD . . . . . . 6941 D ZusFr Dr. Hoffacker CDU/CSU 6942 B Asylgewährung für politische Gefangene aus Argentinien; Unterstützung der von amnesty international im Rahmen einer Kampagne zur Fußballweltmeisterschaft erhobenen Forderungen MdlAnfr A95 21.04.78 Drs 08/1728 Heyenn SPD MdlAnfr A96 21.04.78 Drs 08/1728 Heyenn SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6942 D, 6943 A, B, C, D ZusFr Heyenn SPD . . 6942 D, 6943 A, C, D ZusFr Conradi SPD 6943 A In Argentinien inhaftierte und verschwundene Deutsche MdlAnfr A97 21.04.78 Drs 08/1728 Gansel SPD MdlAnfr A98 21.04.78 Drs 08/1728 Gansel SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6944 A, B, C, D, 6945 A ZusFr Gansel SPD 6944 A, B, C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 6944 D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Wiederauffindung in Argentinien verschollener deutscher Staatsangehöriger MdlAnfr A100 21.04.78 Drs 08/1728 Kuhlwein SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6945 B Ergebnis der Untersuchungen über die Ermordung der deutschen Staatsangehörigen Elisabeth Käsemann in Argentinien MdlAnfr A101 21.04.78 Drs 08/1728 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 6945 B, C, D, 6946 A, C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6945 B ZusFr Kuhlwein SPD 6945 C ZusFr Frau Simonis SPD 6945 D ZusFr Conradi SPD 6945 D ZusFr Gansel SPD 6946 A ZusFr Heyenn SPD 6946 B ZusFr Frau Erler SPD 6946'B Aushändigung von Formularen an ausreisewillige Deutsche in Rumänien zur Beantragung der Ausreise MdlAnfr A102 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6946 C, D, 6947 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6946 D ZusFr Sauer (Salzgitter) CDU/CSU . . 6947 A ZusFr Ey CDU/CSU 6947 B Einbeziehung des Generalkonsulats der UdSSR in Berlin-West in das Verzeichnis der konsularischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland; Rechtliche Wirkung des politischen Menschenrechtspakts der UNO in ganz Berlin MdlAnfr A103 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Czaja CDU/CSU MdlAnfr A104 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6947 C, D, 6948 A, B, C ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . 6947 C, D, 6948 A ZusFr Dr. Wittmann (München) CDU/CSU . 6948 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 6948 B Bildung einer gemeinsamen Grenzkommission mit der Tschechoslowakei MdlAnfr A105 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6948 C, D, 6949 A ZusFr Dr. Wittmann (München) CDU/CSU . 6948 D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . 6948 D, 6949 A Sowjetische Politik gegenüber der Dritten und Vierten Welt, insbesondere im südlichen Afrika und am Horn von Afrika MdlAnfr A109 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6949 A, B, C, D, 6950 A, B ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . 6949 B ZusFr Dr. Todenhöfer CDU/CSU . . . . 6949 C ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . . 6949 D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 6949 D ZusFr Berger (Lahnstein) CDU/CSU . . . 6950 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6950 B Sowjetische Politik und Zusammenarbeit mit Kuba in Afrika, insbesondere am Horn von Afrika MdlAnfr A112 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hoffacker CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6950 C, D, 6951 A, B ZusFr Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . . 6950 C, D ZusFr Dr. Hüsch CDU/CSU 6950 D ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . 6951 A ZusFr Berger (Lahnstein) CDU/CSU . . 6951 B Ablehnung des kommunistischen Interventionismus in der Dritten Welt MdlAnfr A113 21.04.78 Drs 08/1728 Petersen CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6951 B Gespräche mit der Sowjetunion über die Erleichterung von Reisen ins nördliche Ostpreußen MdlAnfr A114 21.0.4.78 Drs 08/1728 Dr. Hennig CDU/CSU MdlAnfr A115 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hennig CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6951 C, D, 6952 A, B, C, D ZusFr Dr. Hennig CDU/CSU . . 6951 D, 6952 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6952 B, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6952 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6952 C ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 6952 D Wettbewerbsverzerrungen auf dem süddeutschen Stahlmarkt MdlAnfr A30 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Jobst CDU/CSU Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 V Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 6953 A, C, D, 6954 A ZusFr Dr. Jobst CDU/CSU . . . . . . 6953 B, C ZusFr Wolfram (Recklinghausen) SPD . 6953 D ZusFr Kiechle CDU/CSU 6953 D ZusFr Roth SPD 6954 A Nächste Sitzung 6997 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6999* A Anlage 2 Negative Auswirkungen des neuen Mahnverfahrens für die betroffenen Schuldner MdlAnfr Al 21.04.78 Drs 08/1728 Menzel SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 6999* C Anlage 3 Grenzverletzungen im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Fischereizonen in der Ostsee MdlAnfr A3 21.04.78 Drs 08/1728 Eickmeyer SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML 7000* A Anlage 4 Erkenntnisse über die Neuorientierung in der Zeitschrift „schnittpunkt" der NFJD mit Beiträgen und Anzeigen DKP-beeinflußter Organisationen und Verlage MdlAnfr A18 21.04.78 Drs 08/1728 Glos CDU/CSU MdlAnfr A19 21.04.78 Drs 08/1728 Glos CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 7000* B Anlage 5 Einführung der in Schweden üblichen niedrigeren Besteuerung von einbehaltenen Gewinnen gegenüber ausgeschütteten Gewinnen und einer steuerfreien Investitionsrücklage in privaten Unternehmen MdlAnfr A22 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Jens SPD MdlAnfr A23 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Jens SPD SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 7000* C Anlage 6 Abweichungen in den Aussagen von Regierungsmitgliedern über den Umfang des Investitionsstaus MdlAnfr A31 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Waigel CDU/CSU MdlAnfr A32 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Waigel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7001* A Anlage 7 Kritik des Bundeswirtschaftsministers an dem Absicherungs- und Zukunftsdenken der Arbeitnehmer und an den Absicherungsregelungen der Tarifpartner MdlAnfr A33 21.04.78 Drs 08/1728 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7001* C Anlage 8 Einführung les- und prüfbarer Rechnungen über den Verbrauch von Wasser, Strom und Gas MdlAnfr A34 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Funcke FDP MdlAnfr A35 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Funcke FDP SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 7001* D Anlage 9 Anbindung des Pflegesatzes für zivile Schwerstbehinderte an entsprechende Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz MdlAnfr A61 21.04.78 Drs 08/1728 Horstmeier CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7002* A Anlage 10 Diskussion über die Psychiatrie-Enquete im Bundestag MdlAnfr A62 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Simonis SPD MdlAnfr A63 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Simonis SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 3002* B Anlage 11 Kosten für die Untersuchungen importierten Fleischs MdlAnfr A64 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hammans CDU/CSU MdlAnfr A65 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7002* D VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Anlage 12 Finanzierung von Diagnosezentren zur pränatalen Feststellung genetisch bedingter Defekte MdlAnfr A66 21.04.78 Drs 08/1728 Kuhlwein SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7003* B Anlage 13 Entwicklung stereotaktischer gehirnchirurgischer Eingriffe MdlAnfr A67 21.04.78 Drs 08/1728 Weißkirchen (Wiesloch) SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7003* C Anlage 14 Werbung in Medien für bestimmte Lebensmittel, vor allem für Fette MdlAnfr A68 21.04.78 Drs 08/1728 Kiechle CDU/CSU MdlAnfr A69 21.04.78 Drs 08/1728 Kiechle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 3003* D Anlage 15 Gültigkeit der Schülermonatskarten an Sonn- und Feiertagen MdlAnfr A70 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Rose CDU/CSU MdlAnfr A71 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Rose CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 7004* A Anlage 16 Verhinderung eines Abbaus von Radwegen MdlAnfr A72 21.04.78 Drs 08/1728 Conradi SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 7004* B Anlage 17 Abnutzung deutscher Autobahnen durch ausländische Lkw-Transporte sowie einseitige Ausnutzung deutscher Lkw-Transporte im Ausland MdlAnfr A73 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 7004* C Anlage 18 Ausbau der Autobahnabschnitte Kassel—Marburg und Olpe—Hattenbach MdlAnfr A74 21.04.78 Drs 08/1728 Böhm (Melsungen) CDU/CSU MdlAnfr A75 21.04.78 Drs 08/1728 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 3004* D Anlage 19 Wettbewerbssituation der Bundespost im Paketdienst MdlAnfr A76 21.04.78 Drs 08/1728 Klein (Dieburg) SPD MdlAnfr A77 21.04.78 Drs 08/1728 Klein (Dieburg) SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMP 7005* A Anlage 20 Berücksichtigung der Verbindung zu Verwaltungs- und Behördensitzen für Gemeinden an Kreisgrenzen bei Umstellung auf den Fernsprechnahverkehr MdlAnfr A78 21.04.78 Drs 08/1728 Jahn (Marburg) SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMP 7005* B Anlage 21 Gefangenenmißhandlung in der Strafvollzugsanstalt Cottbus in der DDR MdlAnfr A79 21.04.78 Drs 08/1728 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 7005* B Anlage 22 Ausdehnung des sogenannten kleinen Grenzverkehrs mit der DDR MdlAnfr A80 21.04.78 Drs 08/1728 Gobrecht SPD SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 7005* D Anlage 23 Treffen zwischen Bundeskanzler Schmidt und dem Staatsratsvorsitzenden Honecker sowie Behandlung der Zustände an der Zonengrenze in den Gesprächen MdlAnfr A81 21.04.78 Drs 08/1728 Graf Stauffenberg CDU/CSU MdlAnfr A82 21.04.78 Drs 08/1728 Graf Stauffenberg CDU/CSU SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 7005* D Anlage 24 Gespräche mit der DDR liber den Abbau der Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze MdlAnfr A83 21.04.78 Drs 08/1728 Jäger (Wangen) CDU/CSU MdlAnfr A84 21.04.78 Drs 08/1728 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 7006* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 VII Anlage 25 Gespräche mit der DDR über den Abbau der Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze MdlAnfr A85 21.04.78 Drs 08/1728 Straßmeir CDU/CSU MdlAnfr A86 21.04.78 Drs 08/1728 Straßmeir CDU/CSU SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 7006* C Anlage 26 Anhörung zur politischen Situation in Argentinien vor dem Europäischen Parlament MdlAnfr A99 21.04.78 Drs 08/1728 Hansen SPD SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7007* A Anlage 27 Unterstützung des in Polen inhaftierten Kapitäns der SK 58, Fritz Draasch MdlAnfr A108 21.04.78 Drs 08/1728 Eickmeyer SPD SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7007* B Anlage 28 Informationsstand des Ministerialdirektors a. D. Dr. Müller im Zeitpunkt der Veröffentlichung von Einzelheiten im Entführungsfall Schleyer durch die Illustrierte „stern" SchrAnfr B1 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU SchrAntw StSekr Bölling BPA 7007* B Anlage 29 Verbesserung des deutsch-tschechoslowakischen Zusammenlebens und Schaffung neuer Grenzübergänge gemäß der gemeinsamen deutsch-tschechoslowakischen Erklärung SchrAnfr B2 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Stercken CDU/CSU SchrAnfr B3 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Stercken CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 7007* C Anlage 30 Höhe der dem Namibia-Institut in Lusaka zur Verfügung gestellten Mittel sowie Beurteilung der Arbeit und der Zielsetzung des Instituts SchrAnfr B4 21.04.78 Drs 08/1728 Petersen CDU/CSU SchrAnfr B5 21.04.78 Drs 08/1728 Petersen CDU/CSU SchrAnfr B6 21.04.78 Drs 08/1728 Petersen CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 7008* A Anlage 31 Gewährung von Krediten anläßlich des Besuchs des tschechoslowakischen Staatspräsidenten Husak SchrAnfr B7 21.04.78 Drs 08/1728 Graf Huyn CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 7008* C Anlage 32 Unterstützung der Bemühungen von amnesty international anläßlich der FußballWeltmeisterschaft 1978 in Argentinien durch Hinweis auf die Verletzungen der Menschenrechte und Forderungen nach Freilassung politischer Gefangener in Argentinien SchrAnfr B8 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Müller-Emmert SPD SchrAnfr B9 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Müller-Emmert SPD SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brüchr AA 7008* D Anlage 33 Eignung Gorlebens für die geplante Entsorgungsanlage SchrAnfr B10 21.04.78 Drs 08/1728 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAnfr B11 21.04.78 Drs 08/1728 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 3009* B Anlage 34 Prozentsatz und Aktivitäten der in den Untergrund gehenden Mitglieder des KBW SchrAnfr B12 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Miltner CDU/CSU SchrAnfr B13 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Miltner CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7009* C Anlage 35 Kritik an Mängeln in amtlichen Übersichten und an langen Wartezeiten bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Erhebungen des Statistischen Bundesamtes; Nichtveröffentlichung persönlicher Daten in den Gemeindeblättern der Kirchen als Konsequenz aus dem Datenschutzgesetz SchrAnfr B14 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAnfr B15 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 3009* D VIII Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Anlage 36 Schutz der deutschen Bevölkerung für den Fall eines Atomangriffs sowie Prozentsatz der durch Luftschutzkeller gesicherten Bevölkerung SchrAnfr B16 21.0438 Drs 08/1728 Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU SchrAnfr B17 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7010* C Anlage 37 Einbringung eines Gesetzentwurfs für ein Umweltchemikaliengesetz SchrAnfr B18 21.04.78 Drs 08/1728 Schreiber SPD SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7011* B Anlage 38 Zulässigkeit von Erhebungen über Einkommensverhältnisse, Altersvorsorge, Krankenversicherungsschutz usw. nach dem Bundes-Datenschutzgesetz SchrAnfr B19 21.04.78 Drs 08/1728 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7011* C Anlage 39 Ausstattung des Technischen Hilfswerks (THW), Zuweisung von Aufgaben in spannungsfreien Zeiten, vermehrte Schutzübungen sowie Erfahrungen mit Wehrpflichtigen beim THW SchrAnfr B20 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAnfr B21 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAnfr B22 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAnfr B23 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7011* D Anlage 40 Zahl politischer Wohngemeinschaften militanter Linksextremisten und sogenannter Atomgegner im Umkreis von Gorleben SchrAnfr B24 21.04.78 Drs 08/1728 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7013* B Anlage 41 Zahl der in der Bundesverwaltung in den Jahren 1973 bis 1977 eingestellten Beamtenanwärter und Auszubildenden SchrAnfr B25 21.04.78 Drs 08/1728 Pfeifer CDU/CSU SchrAnfr B26 21.04.78 Drs 08/1728 Pfeifer CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7013* C Anlage 42 Dokumentation über die von Kommunisten und seitens der DDR gesteuerten rechtsextremistischen und neofaschistischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland SchrAnfr B27 21.04.78 Drs 08/1728 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 7014* A Anlage 43 Aufschrift „Vorsicht Erstickungsgefahr für Kinder" auf Plastiktüten SchrAnfr B28 21.04.78 Drs 08/1728 Amling SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7014* B Anlage 44 Änderungsvorschläge bezüglich des Entzugs der Fahrerlaubnis im Hinblick auf § 69 StGB SchrAnfr B29 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 7014* C Anlage 45 Verkauf der Arbeiter-Siedlung Mausegatt in Mülheim durch die VEBA SchrAnfr B30 21.04.78 Drs 08/1728 Müller (Mülheim) SPD SchrAnfr B31 21.04.78 Drs 08/1728 Müller (Mülheim) SPD SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 7015* A Anlage 46 Generelle Anwendung der Urteile des Bundesfinanzhofs durch die Finanzverwaltung seit 1976 sowie Durchführung des Vorwegabzugs von steuerfreien Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung als laufende Sonderausgaben bei getrennt Lebenden SchrAnfr B32 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Kreile CDU/CSU SchrAnfr B33 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Kreile CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 7015* C Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 IX Anlage 47 Anpassung der Durchschnittsbesteuerung des Weins an die übrigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse SchrAnfr B34 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Will-Feld CDU/CSU SchrAnfr B35 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Will-Feld CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 7016* C Anlage 48 Ausschluß der Grenzgänger mit erstem Wohnsitz in den Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland von der Möglichkeit des Prämiensparens SchrAnfr B36 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Stercken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 7017* A Anlage 49 Verlust der Steuervorteile für landwirtschaftliche Zugmaschinen bei ihrem aushilfsweisen Einsatz beim kommunalen Schneeräumdienst SchrAnfr B37 21.04.78 Drs 08/1728 Niegel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 7017* B Anlage 50 Antragsverfahren bei der Gasölverbilligung nach dem Gasöl-Verbilligungsgesetz-Landwirtschaft SchrAnfr B38 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 7017* D Anlage 51 Besuch des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Emminger, in Prag SchrAnfr B39 21.04.78 Drs 08/1728 Graf Huyn CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 7018* A Anlage 52 Zahl der abgeschlossenen und anhängigen Rechtsmittelverfahren zum Bardepotgesetz SchrAnfr B40 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Zeitel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 7018* B Anlage 53 Steuerrechtliche Behandlung der Kopfschlächter in privaten Schlachthäusern SchrAnfr B41 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 7018' D Anlage 54 Verkauf von Erdöl an die Mineralölgesellschaften in den letzten fünf Jahren; Lieferverträge und Planungen bis zum Jahr 1995 SchrAnfr B42 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU SchrAnfr B43 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Müller-Hermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7019* A Anlage 55 Ausbildungszeit für Auszubildende mit Handelsschulabschluß nach der Beruf sschulAnrechnungs-Verordnung SchrAnfr B44 21.04.78 Drs 08/1728 Hasinger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7019* D Anlage 56 Werbeaktion für die Margarinemarke Rama SchrAnfr B45 21.04.78 Drs 08/1728 Vogt (Düren) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7020* B Anlage 57 Wettbewerbsverzerrungen durch den Ausgleich von Verlusten staatlicher Betriebe der Mitgliedsländer der EG aus der Staatskasse SchrAnfr B46 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schwörer CDU/CSU SchrAnfr B47 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schwörer CDU/CSU SchrAnfr B48 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schwörer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7020* D Anlage 58 Werbeaktion der Margarinemarke Rama SchrAnfr B49 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Blüm CDU/CSU SchrAnfr B50 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Blüm CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7021* A Anlage 59 Folgerungen aus der Studie amerikanischer Experten auf dem Energiesektor für die deutsche Energiepolitik, insbesondere bezüglich der Möglichkeiten der Substitution des Erdöls SchrAnfr B51 21.04.78 Drs 08/1728 Gerstein CDU/CSU SchrAnfr B52 21.04.78 Drs 08/1728 Gerstein CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7021* B X Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Anlage 60 Entwurf einer Verordnung gemäß § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes SchrAnfr B53 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML 7021* D Anlage 61 Bundeszuschüsse für Naturparkvereine; Finanzierung der Naturparke SchrAnfr B54 21.04.78 Drs 08/1728 Höpfinger CDU/CSU SchrAnfr B55 21.04.78 Drs 08/1728 Höpfinger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 7022* A Anlage 62 Deckung des Arbeitskräftebedarfs des Beherbergungs- und Gaststättengewerbes auch in der Ferienzeit SchrAnfr B56 21.04.78 Drs 08/1728 Schedl CDU/CSU SchrAnfr B57 21.04.78 Drs 08/1728 Schedl CDU/CSU • SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7022* C Anlage 63 Besetzung von Arbeitsplätzen im Rahmen des ABM-Programms im Bereich der öffentlichen Hand SchrAnfr B58 21.04.78 Drs 08/1728 Schreiber SPD SchrAnfr B59 21.04.78 Drs 08/1728 Schreiber SPD SchrAnfr B60 21.04.78 Drs 08/1728 Schreiber SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7023* B Anlage 64 Anrechnung der durch Militärzeit und Kriegsgefangenschaft entstandenen Ersatzzeiten in der Rentenversicherung SchrAnfr B61 21.04.78 Drs 08/1728 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7023* D Anlage 65 Fortentwicklung einer umfassenden Konzeption der Ausländerpolitik; Reform des rechtlichen Status der ausländischen Arbeitnehmer SchrAnfr B62 21.04.78 Drs 08/1728 Weißkirchen (Wiesloch) SPD SchrAnfr B63 21.04.78 Drs 08/1728 Weißkirchen (Wiesloch) SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7024* A Anlage 66 Strahlenbelastung durch Computerbildschirmgeräte SchrAnfr B64 21.04.78 Drs 08/1728 Hauck SPD SchrAnfr B65 21.04.78 Drs 08/1728 Hauck SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7024* B Anlage 67 Kritik an den statistischen Methoden zur Ermittlung der Arbeitslosen sowie Einführung einer Fortschreibestatistik SchrAnfr B66 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. van Aerssen CDU/CSU SchrAnfr B67 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. van Aerssen CDU/CSU SchrAnfr B68 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. van Aerssen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7024* D Anlage 68 Liberalisierung des Ladenschlußgesetzes SchrAnfr B69 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Schleicher CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7025* B Anlage 69 Zulässigkeit der Aussperrung im Rahmen tarifpolitischer Auseinandersetzungen SchrAnfr B70 21.04.78 Drs 08/1728 Schedl CDU/CSU SchrAnfr B71 21.04.78 Drs 08/1728 Schedl CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7025* C Anlage 70 Sicherstellung der häuslichen Krankenpflege nach § 185 RVO SchrAnfr B72 21.04.78 Drs 08/1728 Kuhlwein SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7025* D Anlage 71 Wahl des NATO-Flugplatzes Upjever zum Standort der zweiten Ausbildungsstufe für das Tornadosystem nach Auflösung der Waffenschule 10 SchrAnfr B73 21.04.78 Drs 08/1728 Nordlohne CDU/CSU SchrAnfr B74 21.04.78 Drs 08/1728 Nordlohne CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 7026* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 XI Anlage 72 . Äußerungen des Justitiars des Bundesgesundheitsamts, Dr. Lewandowski, über die Exportzulassung von Arzneimitteln sowie über Untersuchungen von Professor Dr. Fincke zu strafrechtlichen Aspekten kontrollierter klinischer Versuche SchrAnfr B75 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAnfr B76 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7026* C Anlage 73 Erarbeitung einer Gesetzesvorlage zum Beruf des „nicht-ärztlichen Psychotherapeuten" SchrAnfr B77 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Simonis SPD SchrAnfr B78 21.04.78 Drs 08/1728 Frau Simonis SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7027* B Anlage 74 Sendung fachlich fundierter Fernsehspots zu Problemen des Kindes und der Kindererziehung SchrAnfr B79 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Holtz SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7027* D Anlage 75 Krebserzeugende Stoffe im Tabakrauch, Rauchen am Arbeitsplatz SchrAnfr B80 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7028* A Anlage 76 Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Nr. 5 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes durch Anzeigenwerbung der Margarine-industrie SchrAnfr B81 21.04.78 Drs 08/1728 Kiechle CDU/CSU SchrAnfr B82 21.04.78 Drs 08/1728 Kiechle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . . 7028* B Anlage 77 Höherstufung der B 271 zwischen Neustadt an der Weinstraße und Bad Dürkheim sowie Aufrechterhaltung der Bundesbahnstrecke zwischen beiden Orten SchrAnfr B83 21.04.78 Drs 08/1728 Gerster (Mainz) CDU/CSU SchrAnfr B84 21.04.78 Drs 08/1728 Gerster (Mainz) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 7028* C Anlage 78 Halt der Berlin- und Interzonenzüge in Hamburg-Bergedorf SchrAnfr B85 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Reimers CDU/CSU SchrAnfr B86 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Reimers CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 7028* D Anlage 79 Zeitlich zuverlässige Beförderung des aufgegebenen Reisegepäcks SchrAnfr B87 21.04.78 Drs 08/1728 Niegel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 7029* A Anlage 80 Verlegung der Westumfahrung von Singen (Hohentwiel) durch Bau der neuen B 333 SchrAnfr B88 21.04.78 Drs 08/1728 Biechele CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 7029* B Anlage 81 Erlaß der Grundgebühr eines Telefonanschlusses für 100 v. H. erwerbsunfähige Schwerbehinderte SchrAnfr B89 21.04.78 Drs 08/1728 Link CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMP . . . . . 7029* D Anlage 82 Behinderten- und kindergerechte Einrichtung der Telefonzellen SchrAnfr B90 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Holtz SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMP 7030* A Anlage 83 Einbeziehung der eingegliederten Gemeinden des Main-Taunus-Kreises in den Telefonnahbereich Wiesbaden SchrAnfr B91 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Jentsch (Wiesbaden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMP 7030* C Anlage 84 Einführung des Fernkopierens durch die Bundespost SchrAnfr B92 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMP 7030* D XII Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Anlage 85 Auswirkung des Dollarkurses auf die multilaterale Entwicklungshilfe im Haushalt 1978 und 1979; Auswirkung der neubewerteten EG-Rechnungseinheit auf die Entwicklungshilfe über die EG im Haushalt 1979 SchrAnfr B99 21.04.78 Drs 08/1728 Werner CDU/CSU SchrAnfr B100 21.04.78 Drs 08/1728 Werner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Brück BMZ 7031* A Anlage 86 Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) am Bruttosozialprodukt im Jahr 1977 SchrAnfr B101 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hoffacker CDU/CSU SchrAnfr B102 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hoffacker CDU/CSU SchrAntw PStSekr Brück BMZ . . . . . 7031 * C Anlage 87 Minderausgaben im Einzelplan 23 im Jahr 1977 sowie Auswirkung der Genfer Schuldenkonferenz auf das Zinsverrechnungskonto und den Bundeshaushalt SchrAnfr B103 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hüsch CDU/CSU SchrAnfr B104 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hüsch CDU/CSU SchrAnfr B105 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Hüsch CDU/CSU SchrAntw PStSekr Brück BMZ 7031* D Anlage 88 Heranziehung von Fachleuten ausländischer Privatfirmen zur Evaluierung des Entwicklungshilfeprojekts Fernmeldewesen Südkorea SchrAnfr B106 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU SchrAnfr B107 21.04.78 Drs 08/1728 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Brück BMZ 7033* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 6895 88. Sitzung Bonn, den 27. April 1978 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 87. Sitzung, Seite 6878 B, Zeile 6: Statt „Bedenken" ist „Tendenzen" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 27. 4. Dr. Ahrens ** 27. 4. Dr. Aigner * 27. 4. Alber ** 27. 4. Amrehn ** 27. 4. Dr. Bangemann * 27. 4. Dr. Bardens ** 27. 4. Dr. Bayerl * 27. 4. Blumenfeld * 27. 4. Böhm (Melsungen) ** 27. 4. Frau von Bothmer ** 27. 4. Brandt 27. 4. Breidbach 27. 4. Büchner (Speyer) ** 27. 4. Dr. Enders ** 27. 4. Dr. Evers ** 27. 4. Frau Fischer 27. 4. Flämig * 27. 4. Dr. Früh * 27. 4. Dr. Geßner ** 27. 4. Haase (Fürth) * 27. 4. Handlos ** 27. 4. von Hassel 27. 4. Höpfinger 27.4. Hoffmann (Saarbrücken) * 27. 4. Dr. Holtz ** 27. 4. Ibrügger * 27. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) * 27. 4. Dr. h. c. Kiesinger 27. 4. Dr. Klepsch * 27. 4. Klinker * 27. 4. Lagershausen ** 27. 4. Landré 27. 4. Lange * 27. 4. Lemmrich ** 27. 4. Lemp * 27. 4. Luster 27. 4. Marquardt ** 27. 4. Mattick ** 27. 4. Dr. Mende ** 27. 4. Milz ** 27. 4. Mischnick 27. 4. Dr. Müller ** 27. 4. Müller (Mülheim) * 27. 4. Müller (Wadern) * 27. 4. Pawelczyk * 27. 4. Dr. Pfennig ** 27. 4. Ravens 27. 4. Reddemann ** 27. 4. Dr. Schäuble ** 27. 4. Scheffler ** 27. 4. Schmidhuber ** 27. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Schmidt (München) * 27. 4. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 4. Schreiber * 27. 4. Schulte (Unna) ** 27. 4. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 27. 4. Dr. Schwörer * 27. 4. Seefeld * 27. 4. Sieglerschmidt * 27. 4. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 27. 4. Dr. Starke (Franken) * 27. 4. Dr Vohrer ** 27. 4. Frau Dr. Walz * 27. 4. Wawrzik * 27. 4. Dr. Wendig 27. 4. Dr. Wörner 27. 4. Baron von Wrangel 27. 4. Würtz * 27. 4. Zebisch ** 27. 4. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Menzel (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 1): Sind der Bundesregierung Pressemeldungen bekannt, wonach der Bundesverband der Rechtspfleger schwerwiegende negative Auswirkung des seit dem 1. Juli 1977 angewandten neuen Mahnverfahrens für die betroffenen Schuldner festgestellt hat, bzw. liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Auswirkungen des Verfahrens vor, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu tun, um Mängel des Verfahrens zu beheben? Eine ähnliche Frage hatte bereits der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann in der Fragestunde am 12. April 1978 gestellt. Wie ich in meiner Antwort auf jene Frage ausgeführt habe, kennt die Bundesregierung die Kritik des Bundes Deutscher Rechtspfleger, hält diese aber nicht für berechtigt. Auf den Bericht über die 82. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 12. April 1978 - S. 6494 A - darf ich verweisen. Im Kern richtet sich die Kritik des Bundes Deutscher Rechtspfleger dagegen, daß durch den angeblichen Wegfall der sogenannten Schlüssigkeitsprüfung im Mahnverfahren der Schutz des Antragsgegners geschmälert werde. Dazu bemerke ich: Schon nach altem Recht konnte im Mahnverfahren eine Schlüssigkeitsprüfung in der Art, wie sie etwa beim Erlaß eines Versäumnisurteils vorzunehmen ist, nicht stattfinden. Andererseits besagen die neuen Vorschriften nicht, daß im Mahnverfahren überhaupt keine Prüfung des Anspruchs mehr stattfinden dürfe. Auch nach dem neuen Recht sind z. B. widersprüchliche oder unzulängliche Angaben oder das Fehlen notwendiger Angaben in dem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids zu beanstanden. Unsinnige, unklag- 7000* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 bare oder erkennbar ungerechtfertigte Forderungen dürfen nicht zum Erlaß eines Mahnbescheids führen. Die neuen bundeseinheitlichen Vordrucke enthalten im übrigen zum Schutze des Antragsgegners Hinweise und Belehrungen, die sich in den früheren — oft einseitig an den Interessen der Gläubiger ausgerichteten — Formularen nicht fanden. Den Belangen des Antragsgegners wird auch durch das dem Mahnbescheid beigefügte Formular für einen etwaigen Widerspruch Rechnung getragen. Wie ich in der Fragestunde am 12. April 1978 hervorgehoben habe, wird das Bundesministerium der Justiz die weitere Handhabung der neuen Vorschriften über das Mahnverfahren sorgfältig beobachten und dem Deutschen Bundestag den anläßlich der Verabschiedung des neuen Rechts von diesem geforderten Erfahrungsbericht pünktlich vorlegen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Eickmeyer (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 3) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die Unsicherheit über Grenzverletzungen, die durch die Ausdehnung der Fischereizonen durch die Ostseeanrainer für die deutschen Fischer, die in der Ostsee arbeiten, entstanden ist, zukünftig vermieden werden kann? Die Bundesregierung hat dem Land Schleswig-Holstein und dem Deutschen Fischerei-Verband e. V. jeweils unverzüglich alle Angaben von Ostsee-Anrainern über die Grenzen der von ihnen in Anspruch genommenen Fischereizonen übermittelt. Trotz dieser Angaben bestehen Unklarheiten für die deutschen Fischer fort, weil bestimmte streitige Grenzen erst in Verhandlungen geklärt werden können. Selbst in unstreitigen Gebieten würden nicht immer die genauen Koordinaten der Fischereizone angegeben. Das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft erstellt z. Z. in Zusammenarbeit mit Vertretern des Landes Schleswig-Holstein und des Deutschen Fischerei-Verbandes e. V. und unter Mitwirkung des Deutschen Hydrographischen Instituts eine Karte mit Koordinaten über streitige und unstreitige Grenzen der Fischereizonen in der Ostsee, soweit dies nach dem derzeitigen Erkenntnisstand möglich ist. Die Arbeit wird in diesen Tagen abgeschlossen. Die Angaben sollen den deutschen Fischern umgehend zur Verfügung gestellt werden. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 18 und 19) : Welche Ansätze zu einer wirklichen Neuorientierung erkennt die Bundesregierung in der erstmals wieder erschienenen Zeitschrift „schnittpunkt" der NFJD, deren Vorgängerin im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um die weitere Förderungswürdigkeit der NFJD stand, angesichts der Tatsache, daß die Ausgabe 1/78 ein ausführliches Interview mit dem DKP-Sänger Hannes Wader, einen umfangreichen Beitrag des Vorsitzenden der DKP-beeinflußten DFG/VK, Klaus Mannhard, eine Anzeige der UZ-Zeitung der DKP, Werbebeilagen der kommunistisch beeinflußten „Deutschen Volkszeitung" und der DKP-zugehörigen Marxistischen Blätter", eine Unterstützungsaufforderung „Chile Solidarität" von Prof. E. Wulff aus dem Vorstand der unter maßgeblichen kommunistischen Einfluß gegründeten „ASK" und eine Identifikation mit dem orthodox-kommunistisch initiierten und gesteuerten „Weltjugendfestival" enthält? Ändert die Ankündigung in Nummer 2/78, die Anzeigepraxis zu überdenken, in der Sache etwas am Bild des neuen „sahnittpunkt" angesichts der Tatsache, daß diese Ausgabe zwar keine Anzeige der UZ enthält, statt dessen aber eine ganzseitige Anzeige der „Collectiv Buchhandlungen", eine Anzeige des Damnitz Verlags, München, sowie eine Anzeige des Monitor Verlaqs, Düsseldorf, d. h. also von Mitgliedern der auf Initiative der DKP gegründeten und von ihr unter Führung des Parteivorstandsmitglieds Erich Mayer gesteuerten „Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler"? Zu Frage A 18: Die Bundesregierung kann auf Grund der ersten Nummer der wiedererschienenen Zeitschrift „schnittpunkt" der Naturfreundejugend Deutschlands keine Ansätze für eine politische Neuorientierung der Zeitschrift erkennen. Zu Frage A 19: Nein. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen A 22 und 23): Wie beurteilt die Bundesregierung die in Schweden übliche niedrigere Besteuerung von einbehaltenen Gewinnen gegenüber ausgeschütteten Gewinnen zur Anregung der Investitionstätigkeit in privaten Unternehmen, und stellt sie Überlegungen an, eine ähnliche Unternehmensbesteuerung auch bei uns einzuführen? Wie beurteilt die Bundesregierung die in Schweden bestehende Möglichkeit, für private Unternehmen bis zu 40 v. H. des Jahresgewinns einer steuerfreien Investitionsrücklage in einem Investitionsfonds zuzuführen, und gedenkt sie, ähnliche Möglichkeiten zur Verminderung von Konjunkturschwankungen auch bei uns zu schaffen? Das schwedische Steuerrecht kennt bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer keine unterschiedliche Besteuerung von einbehaltenen und ausgeschütteten bzw. entnommenen Gewinnen. Eine Begünstigung der einbehaltenen Gewinne liegt demnach nur insofern vor, als die sogenannte wirtschaftliche Doppelbesteuerung entfällt, die dadurch zustande kommt, daß Gesellschaftsgewinne der Körperschaftsteuer mit einem Durchschnittsatz von rund 56 v. H. unterliegen und die Ausschüttungen bei den Anteilseignern zusätzlich einkommensteuerpflichtig sind. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Gewinnbesteuerung der Körperschaften mit Wirkung ab 1. Januar 1977 neu geregelt worden. Anders als in Schweden wurde dabei die Doppelbelastung der ausgeschütteten Gewinne beseitigt. Die schwedischen Investitionsrücklagen gelten für Aktiengesellschaften, Wirtschaftsgenossenschaften Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7001* und Sparkassen. Diese Unternehmensformen sind in Schweden vorherrschend. Da in Höhe von 46 v. H. der Rücklage Mittel auf ein unverzinsliches Konto bei der Notenbank einzuzahlen sind, besteht nur im Betrag der Differenz zwischen 46 v. H. und der gegenwärtigen Steuerbelastung von rund 56 v. H. ein Liquiditätsgewinn für das Unternehmen. Ein endgültiger Steuervorteil ergibt sich erst dann, wenn zur Besserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt Mittel der Fonds für Investitionen freigegeben werden und wenn der Betrag investiert wird. Wird der Betrag nicht investiert, muß er nachversteuert werden. Die Bundesregierung hat die Vor- und Nachteile einer Übernahme des schwedischen Systems der freiwilligen Investitionsfonds in das deutsche Steuerrecht geprüft. Die bisherige Prüfung ließ es zweifelhaft erscheinen, ob eine Übertragung des schwedischen Systems zweckmäßig sein könnte. Die Bundesregierung verfolgt jedoch sowohl die Erfahrungen mit dem schwedischen Modell wie auch andere ausländische Beispiele der Investitionsanregung aufmerksam weiter. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Waigel (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 31 und 32) : Welche der in der Presse angeführten verschiedenen Angaben von Regierungsmitgliedern über den Umfang des Investitionsstaus treffen zu, die des Bundeskanzlers, die des Bundeswirtschaftsministers oder die des Bundesinnenministers? Worin liegen gegebenenfalls die Gründe für die erheblichen Abweichungen in den Aussagen von Regierungsmitgliedern über den Investitionsstau? Die Bundesregierung hat den Umfang des Investitionsstaus in der Wirtschaft durch eine Interministerielle Arbeitsgruppe überprüfen lassen. Nach dem Bericht dieser Arbeitsgruppe vom 28. Februar 1978 sind Investitionsvorhaben mit einem Gesamtvolumen von mindestens 24 Mrd. DM als gestaut anzusehen. Viele Unternehmen dürften gezögert haben; ihre beabsichtigten Investitionen zentralen Stellen der Verbände konkret anzugeben. Auch sind gestaute Investitionen in Teilen der privaten Wirtschaft — wie etwa dem Handwerk — nicht erfaßt worden. Die Arbeitsgruppe hat auch keine Projektangaben von den Ländern und Gemeinden erhalten. Die Angaben der Regierungsmitglieder über den Investitionsstau beziehen sich auf die Feststellungen dieses Berichts der Interministeriellen Arbeitsgruppen. Vermeintliche Unterschiede ergeben sich lediglich durch Hinweise auf einzelne, aus dem Bericht herausgegriffene Teile. Der Gesamtbericht liegt den Mitgliedern des BT-Ausschusses für Wirtschaft vor. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage A 33) : Was hat den Bundeswirtschaftsminister anläßlich der Eröffnung der 32. Hannover-Messe zu der Äußerung veranlaßt, vor einem überzogenen Absicherungs- oder gar Zunftdenken der Arbeitnehmer zu warnen und in Anbetracht der gesamtwirtschaftlichen Probleme die auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen in der Lohn- und Gehaltsskala getroffenen Absicherungsregelungen der Tarifparteien mit dem Hinweis zu kritisieren, daß diese Vereinbarungen in der Tendenz die Flexibilität der Unternehmen einschränke, die Kosten langfristig erhöht würden und die Wettbewerbsposition einzelner Firmen oder ganzer Branchen erschweren könnten? Der Bundesminister für Wirtschaft hat in der zitierten Rede darauf hingewiesen, daß ihm, dem Wirtschaftsminister, die Aufgabe zufalle, Gefahren für das Funktionieren der Wirtschaft als ganzes aufzuzeigen und auf negative Entwicklungen und Folgen aufmerksam zu machen, die sich aus der Summierung von einzelwirtschaftlich vielleicht durchaus vernünftigen Entscheidungen für die Gesamtheit ergeben bzw. ergeben können. In diesem Kontext hat er auf die möglichen gesamtwirtschaftlichen Folgen von Absicherungsregelungen — insbesondere kollektiver Art — hingewiesen, die in der Frage unscharf, unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben sind. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksachen 8/1728 Fragen A 34 und 35) : Hält die Bundesregierung die vielerorts von kommunalen Betrieben herausgegebenen Jahresrechnungen über den Verbrauch von Wasser, Strom und Gas ohne Textangabe über die Art des Verbrauchs und über die Begründung für die Gebührenerhebung für zumutbar für den Verbraucher, und wenn nein, welche Folgerungen zieht sie daraus? Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, in welcher Weise sichergestellt werden kann, daß Kunden von öffentlichen Monopolbetrieben leicht les- und prüfbare Rechnungen erhalten? Zu Frage A 34: Im Interesse der Rationalisierung des Abrechnungswesens sind die Versorgungsunternehmen — wie andere Unternehmen auch — dazu übergegangen, ihr Rechnungswesen zu automatisieren. Dies hat nach Auffassung der Bundesregierung in der Tat vielfach zu Verständnisschwierigkeiten bei den Kunden geführt. Die Bundesregierung ist jedoch darüber informiert, daß die Versorgungsunternehmen Rechnungsvordrucke erarbeiten, die durch ausführlichere Angaben eine größere Verständlichkeit gewährleisten. Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, daß besser lesbare Rechnungen in der Versorgungswirtschaft Allgemeingut werden. Ich werde bei der Be- 7002* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 antwortung der folgenden Frage im einzelnen darauf zurückkommen. Zu Frage A 35: Die Bundesregierung wird bei der bevorstehenden Neuordnung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme vorschreiben, daß die maschinelle Ausfertigung von Rechnungen nicht zu einer Beeinträchtigung ihrer Verständlichkeit führen darf. Die Versorgungsunternehmen sollen auf diese Weise auch gesetzlich angehalten werden, die Systematik ihrer Rechnungen in angemessener Weise zu erläutern und insbesondere auf die Art des Verbrauchs und die zugrunde liegenden Berechnungsfaktoren hinzuweisen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Horstmeier (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage A 61) : Wann ist mit einer Weiterentwicklung des Bundessozialhilfegesetzes dahin gehend zu rechnen, daß das Pflegegeld für zivile Schwerstbehinderte eine Anbindung an entsprechende Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz wie heute schon bei der Blindenhilfe erfährt? Einer Änderung des Bundessozialhilfegesetzes in dem von Ihnen angesprochenen Sinne bedarf es nicht. Schwerstbehinderte erhalten in der Sozialhilfe bereits jetzt auf Grund des. § 69 Abs. 4 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes in der durch die 3. Novelle von 1974 eingeführten Fassung Pflegegeld in Höhe des Mindestbetrages der Pflegezulage für Blinde nach dem Bundesversorgungsgesetz; das sind z. Z. 658,— DM monatlich. Damit besteht zugleich Übereinstimmung mit der Höhe der Blindenhilfe. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Simonis (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen A 62 und 63) : Sind der Bundesregierung die für Ende Januar 1978 zugesagten letzten Stellungnahmen zur Psychiatrie-Enquete (Bayern, Niedersachsen, Saarland) zugegangen, und was steht einer Stellungnahme der Bundesregierung und einer Diskussion der Enquete im Bundestag — angesichts skandalöser Berichte in der Presse über mysteriöse Todesfälle in psychiatrischen Einrichtungen — noch im Wege? Wieviel Zeit wird der Bundesregierung für die Abstimmung der Bundesressorts mit Ländern, Trägern und Verbänden über die Planungsstudie zur Psychiatrie-Enquete voraussichtlich benötigen? Zu Frage A 62: Die Stellungnahmen der Länder zur PsychiatrieEnquete liegen seit kurzer Zeit vollständig vor. Sie werden ebenso wie die Beiträge von Verbänden und Trägern ausgewertet und sodann ihren Niederschlag in der Stellungnahme der Bundesregierung finden. Die Auswertung und Zusammenstellung bedarf noch eingehender Arbeiten. Der Entwurf wird den Bundesressorts und Ländern zur endgültigen Abstimmung etwa im August dieses Jahres zugehen können. Die Zuständigkeiten für die aus den Empfehlungen der Sachverständigenkommission zu ziehenden Konsequenzen und deren Umsetzung liegen in hohem Maße bei den Ländern. Die Stellungnahme der Bundesregierung trifft deshalb auf die besondere Schwierigkeit, einen in vielen Einzelfragen abgestimmten Kontext vorlegen zu müssen. Erst nach Vorliegen des staatsanwaltlichen Ermittlungsergebnisses kann gesagt werden, ob bei den angesprochenen bedauerlichen Todesfällen prinzipielle Mängel der psychiatrischen Versorgung, wie sie in der Enquete dargestellt werden, in welcher Weise auch immer einen kausalen Hintergrund bilden, oder ob allein örtliche und punktuelle Mängel den Ausschlag geben. Zu Frage A 63: Die Planungsstudie ist als Ergänzung, aber unabhängig von der Psychiatrie-Enquete, allerdings in Zusammenarbeit mit einigen Mitgliedern der ehemaligen Sachverständigenkommission erarbeitet worden. Durch die Ergebnisse werden Hilfen gegeben, um die Empfehlungen der Sachverständigenkommission u. a. auf Kosten und Zeitvorstellung en abschätzen zu können. Die Stellungnahmen von Ländern sowie die Beiträge von Verbänden und Trägern haben weitgehend die Ergebnisse der Planungsstudie in die Antworten zur Psychiatrie-Enquete mit einbezogen. Die Abstimmung mit den Bundesressorts und den Ländern wird nicht vor dem 4. Quartal 1978 abgeschlossen werden könen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hammans (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 64 und 65) : Was hat die Bundesregierung seit ihrer Antwort vom 10. März 1978 auf meine Frage, bezüglich der Erstattung der Kosten der Untersuchungen, die an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland bei Fleischimporten entstehen, unternommen? Ist der Bundesregierung bekannt, ob Bundesländer seither eine Lösung dieses Problems getroffen haben, und wie lange die betroffenen Kreisbehörden oder Importeure noch in Vorlage treten müssen? Wie aus anderem Anlaß dem Deutschen Bundestag bereits dargelegt, führen die Länder die Einfuhruntersuchungen nach Art. 83 und 84 des Grundgesetzes als eigene Angelegenheit aus. Die Bundesregie- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7003* rung hat, abgesehen von der Wahrnehmung der Bundesaufsicht nach Art. 84 Abs. 3 bis 5 Grundgesetz, keine rechtliche Handhabe, auf die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder Einfluß zu nehmen. Die obersten Veterinärbehörden der Länder sind nach den mir vorliegenden Informationen bereit, auch die notwendigen Schlußfolgerungen hinsichtlich der Kosten zu ziehen, die sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergeben, und die Kommunen zu entlasten. Wie weit die Länder diese Absicht im einzelnen bereits verwirklicht haben, ist mir nicht bekannt. Inzwischen hat die Bundesregierung die Anpassung der Einfuhruntersuchungsvorschriften soweit vorbereitet, daß die Änderungsverordnungen in Kürze dem Bundesrat zugeleitet werden. Eine abschließende Klärung der Rechtslage wird voraussichtlich durch zwei noch ausstehende Vorabentscheidungsurteile des Europäischen Gerichtshofes zu erwarten sein. Die erste mündliche Verhandlung hat am 18. April 1978 stattgefunden; die nächste ist für den 2. Mai 1978 anberaumt. Diese Terminierung läßt nach allgemeinen Erfahrungen erwarten, daß in der Zeit zwischen Mai und Juli 1978 mit den abschließenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes gerechnet werden darf. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kuhlwein (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 66) : Treffen Presseberichte zu, nach denen die Finanzierung von Diagnosezentren zur pränatalen Feststellung genetisch bedingter Defekte durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft Ende 1978 ausläuft und welche Schritte wird die Bundesregierung gegebenenfalls unternehmen, um eine Fortsetzung der Forschungs- und Betreuungsarbeit dieser Zentren sicherzustellen? Die Presseberichte treffen zu. Da für die Anschlußfinanzierung ausschließlich die Länder zuständig sind, hat sich der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit bereits im November 1976 an die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Länder gewandt und auf diese Situation aufmerksam gemacht. Nach eingehender Beratung des Problems hat dieses Gremium einen Entschließungsentwurf erarbeitet und diesen der Gesundheitsministerkonferenz zur Beschlußfassung zugeleitet. Auf der 40. Sitzung der Gesundheitsministerkonferenz am 9./10. November 1977 wurde der entsprechende Beschluß verabschiedet, in dem es heißt: „Die Gesundheitsministerkonferenz spricht sich dafür aus, daß die durch die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichteten Laboratorien zum geeigneten Zeitpunkt, spätestens im Januar 1979, entsprechend dem langfristigen Bedarf und der weiteren Notwendigkeit der Forschung in die Anschlußfinanzierung durch die Länder übernommen werden." Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Weißkirchen (Wiesloch) (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 67): Welche Ergebnisse hat die beim Bundesgesundheitsamt in Berlin am 4. März 1977 eingerichtete Kommission erarbeitet, die Empfehlungen zu stereotaktischen gehirnchirurgischen Eingriffen entwickeln soll, und ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, die Anwendung dieser Therapiemethode durch eine Kommission zu überwachen? Die Kommission beim Bundesgesundheitsamt „Stereotaktische Operationen bei abweichendem Sexualverhalten" hat sich am 4. März 1977 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes konstituiert. Ihr gehören Vertreter der für diese Problematik relevanten Fachrichtungen an sowie zwei Angehörige der beteiligten Bundesminister (Bundesminister der Justiz und Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit), die an den Sitzungen mit beratender Stimme teilnehmen. Nach der Geschäftsordnung ist die Arbeit der Kommission nicht öffentlich. Die Mitglieder der Kommission sind über den Ablauf der Arbeit und den Inhalt der Beratungen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Kommission erarbeitet einen Abschlußbericht, der noch im Laufe des Sommers vorgelegt werden soll. Es ist der Bundesregierung unter den dargelegten Umständen nicht möglich, Einzelheiten der Beratungsergebnisse mitzuteilen. Dementsprechend kann heute noch nicht gesagt werden, welche Schlußfolgerungen die Bundesregierung aus den Arbeitsergebnissen der Kommission ziehen wird. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 68 und 69) : Hält die Bundesregierung eine Werbung für bestimmte Lebensmittel in Zeitungen, Zeitschriften und anderen Medien für zulässig, die darauf abgestellt ist, dem Verbraucher zu suggerieren, sein Herz brauche, um gesund zu bleiben, bestimmte Arten von Fetten? Sind Formulierungen, wie „Für Herz und Kreislauf von höchstem Wert" oder „Ihrem Herzen zuliebe ..." oder „übernimmt es .. Ihr Herz zu entlasten" als allgemeine Werbeaussagen rechtlich zulässig und vom Inhalt ihrer Aussage her wissenschaftlich hinreichend gesichert? Der vielschichtige Fragenkomplex der Werbung mit gesundheits- bzw. krankheitsbezogenen Aussagen für bestimmte Lebensmittel ist z. Z. in ein besonders aktuelles Stadium getreten. Er ist u. a. Gegenstand eines Rechtsgutachtens. Die Problematik wird auch anläßlich des am 22./23. Mai 1978 im Bundesgesundheitsamt stattfindenden wissenschaftlichen Symposiums zu Fragen der krankheitsbezogenen Werbung bei diätetischen Lebensmitteln mitbehandelt werden müssen. Ohne der insoweit in 7004* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Fluß befindlichen umfassenden Beurteilung des Problems der gesundheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel vorgreifen zu wollen, ist die Bundesregierung jedoch der Auffassung, daß globale Werbeaussagen für bestimmte Lebensmittel, wie „schützt Ihr Herz" oder „... ist in der Lage, Herzerkrankungen entgegenzutreten ..." geeignet sein können, den Verbraucher zu täuschen. Diese Auffassung ist auch vom Bundesgesundheitsamt in einer Ende letzten Jahres abgegebenen gutachtlichen Stellungnahme vertreten worden, die den obersten Landesgesundheitsbehörden mitgeteilt worden ist. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Rose (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 70 und 71) : Ist der Bundesregierung die eklatante Benachteiligung von Schülern auf dem Land bekannt, die sich aus der Tatsache ergibt, daß zum Beispiel in der Millionenstadt München die MVVSchülermonatskarten audi an Sonn- und Feiertagen gelten, Fahrschüler außerhalb des Ballungsraums aber ihre Fahrten mit der Deutschen Bundesbahn zu Schulveranstaltungen an diesen Tagen extra zu bezahlen haben, und wird sie entsprechende Konsequenzen ziehen? Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Aufhebung der Gültigkeit der Schillermonatskarten an Sonn- und Feiertagen (am 1. Februar 1958 „aus finanziellen Gründen") revidiert werden kann? Die Bundesregierung sieht in dieser Angelegenheit keine Benachteiligung der Schüler des flachen Landes. Die mit besonders hohem Rabatt ausgestatteten Schülermonatskarten sind eine der Hauptursachen der Kostenunterdeckung des Schienenpersonennahverkehrs der Deutschen Bundesbahn. An Sonn- und Feiertagen werden nur selten Schulveranstaltungen durchgeführt. Bei einer Änderung der Gültigkeitsdauer würden also vor allem Fahrten zu privaten Zwecken begünstigt; angesichts der zitierten Kostenunterdeckung sieht die Bundesregierung hierzu keine Veranlassung. Im übrigen ist ein Vergleich des DB-Tarifs mit den Tarifen anderer Verkehrsbetriebe kaum möglich, da die Tarife in der Struktur, der Höhe usw. zu verschieden sind. Außerdem gelten bei den meisten Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs die Schülermonatskarten ebenfalls nicht an Sonn- und Feiertagen; zum Teil nur an Schultagen, also auch nicht in den Ferien. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 72) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angesichts der hohen Unfallzahlen im Zweiradverkehr einem Abbau von Radwegen entgegengewirkt werden muß, und wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß das Radwegenetz nicht durch Straßenverbreiterungen eingeschränkt wird? Die Bundesregierung sieht in der Trennung der Verkehrsarten durch den Bau von Radwegen einen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. Der Bundesminister für Verkehr unterstützt deshalb den vermehrten Bau von Radwegen. Er hat entsprechende Regelungen für die Bundesstraßen bereits vor Jahren getroffen. Es ist jedoch oft nicht vermeidbar, daß in Einzelfällen — besonders bei notwendigen Fahrbahnverbreiterungen — nicht mehr benötigte Radwege einbezogen werden. Die Streckenlänge der Radwege an Bundesstraßen aber nimmt trotzdem von Jahr zu Jahr deutlich zu. Sie hat sich in 6 Jahren (von 1971 bis 1977) um 42 °/o auf rund 8 800 km erhöht. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Frage A 73): Trifft es zu, daß in den zuständigen Bundesbehörden Überlegungen angestellt werden, wie die einseitige Ausnützung der deutschen Lkw-Transporte im Ausland und die kostenlose Abnützung deutscher Bundesautobahnen durch ausländische LkwTransporte eingeschränkt•bzw. verhindert werden kann? Nein. Denn es gibt weder eine einseitige Ausnutzung deutscher Lkw-Transporte im Ausland, noch eine kostenlose Abnutzung deutscher Autobahnen durch ausländische Lkw-Transporte. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 74 und 75) : Welche Stellung bezieht die Bundesregierung zu der vom hessischen Minister für Wirtschaft und Technik, Karry, vor Journalisten gegen Bundesverkehrsminister Gscheidle gerichtete „Kriegserklärung", weil dieser sich angeblich weigere, zusätzliche Mittel für den weiteren Ausbau der Bundesautobahn Kassel—Marburg zur Verfügung zu stellen, obwohl der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Ruhnau, ihm diese Mittel bereits früher mündlich zugesagt habe? Ist die Untersuchung darüber abgeschlossen, ob die als möglicher weiterer Bedarf" ausgewiesene Autobahnstrecke (A 4) von Olpe nach Hattenbach in eine höhere Dringlichkeitsstufe umgestuft werden soll, und ist damit zu rechnen, daß diese für die Erschließung des hessischen Zonenrandgebiets und zur Entlastung der bestehenden Bundesautobahnen im Rhein-Main-Gebiet außerordentlich wichtige Trasse nunmehr vorgezogen wird? Das in der Frage zitierte Gespräch zwischen dem hessischen Minister Karry und Staatssekretär Ruhnau bezog sich auf die im Bedarfsplan gesetzlich festgelegte Dringlichkeit der A 49 Kassel—Kirchhain—Lumda (Gießen) und nicht auf eine Bereitstellung zusätzlicher Mittel für eine Bundesautobahn Kassel—Marburg. Im übrigen ist diese „Kriegserklärung " beim Bundesverkehrsminister bisher nicht bekannt. Nein, die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Sie erfolgt im Rahmen der zeitlich vorgezogenen zweiten Überprüfung des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7005* Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Klein (Dieburg) (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen A 76 und 77): Wann ist die rechtliche Überprüfung abgeschlossen, die die Bundesregierung am 4. Juli 1977 zusicherte, um die derzeitige Wettbewerbssituation der Deutschen Bundespost im Paketdienst gegebenenfalls durch gesetzgeberische Maßnahmen zu verbessern? Sind vielleicht jetzt schon Erkenntnisse dieser Untersuchung sichtbar, auch wenn die rechtliche Prüfung noch nicht beendet ist, und welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung daraus zu ziehen? Die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von gesetzgeberischen Maßnahmen zum Schutz des Paketdienstes hat ergeben, daß von den denkbaren gesetzgeberischen Maßnahmen zum Schutz des Paketdienstes nur die Einführung eines beschränkten Beförderungsvorbehalts für Pakete bis 10 kg als wirksames Mittel in Betracht kommt. Eine solche Maßnahme wäre wegen der schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie nur dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn nachgewiesen werden kann, daß eine „Monopolisierung" geeignet ist, die Ertragslage im Paketdienst nachhaltig zu verbessern. Ob mit der Einführung eines beschränkten Beförderungsvorbehalts für Pakete bis 10 kg die Ertragslage im Paketdienst nachhaltig verbessert werden kann, wird zur Zeit von der Bundesregierung geprüft. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jahn (Marburg) (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 78) : Wie wird die Deutsche Bundespost bei der Umstellung des Fernmeldenetzes auf den Nandienst den besonderen Schwierigkeiten Rechnung tragen, die sich aus der Gebietsneugliederung in den Bundesländern für die Gemeinden ergeben, denen durch ihre Lage an den Kreisgrenzen die Verbindung zu den Verwaltungs- und Behördensitzen besonders erschwert wird? Mt der Entwicklung des neuen Tarifsystems im Fernsprechdienst, dem Nandienst mit Ortszeitzählung, will die Deutsche Bundespost den Gegebenheiten der kommunalen Neugliederung des Bundesgebietes Rechnung tragen. Jeder Bürger soll mit seiner Gemeindeverwaltung zur niedrigsten Gebühr sprechen können. Dieses Ziel wird nach Einführung des Nandienstes erreicht. Weitergehende Vorstellungen lassen sich nur langfristig durch eine Vergrößerung des Nahbereichsradius realisieren. Das ist jedoch z. Z. schon aus finanziellen Gründen nicht möglich. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage A 79) : Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu, daß es in der Strafvollzugsanstalt in der DDR in Cottbus Prügel bei jeder Gelegenheit gibt, wie ein Gefangener in der Ausgabe vom 14. April 1978 im Kölner Stadtanzeiger schildert, und welchen Einfluß haben diese geschilderten Vorgänge auf die innerdeutsche Politik der Bundesregierung? Nach hiesigen Erkenntnissen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die in der Strafvollzugsanstalt Cottbus einsitzenden Häftlinge wie im „Kölner Stadtanzeiger" vom 14. April 1978 geschildert — methodisch körperlich mißhandelt werden. Die Bedingungen des Strafvollzugs in den Strafvollzugsanstalten der DDR unterscheiden sich zwar in der Regel negativ von denen in der Bundesrepublik Deutschland, jedoch sind der Bundesregierung systematische Mißhandlungen der Inhaftierten auf Weisung oder mit Duldung der zuständigen Stellen bisher nicht bekannt geworden. Das schließt nicht aus, daß gelegentlich Übergriffe vorkommen, die nach vorliegenden Erkenntnissen disziplinarisch geahndet werden. Auf eine Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) — 70. BT-Protokoll vom 27. Januar 1978 Anlage 143 — habe ich bereits erwähnt, daß Mitarbeitern unserer Ständigen Vertretung bei über 2 000 Gesprächen mit Inhaftierten in sechs Fällen von Übergriffen des DDR-Vollzugspersonals gegenüber Häftlingen aus dem Bundesgebiet berichtet worden ist. Nach Überprüfung teilte die DDR mit, daß die beschuldigten Vollzugsbediensteten bei Bestätigung des Vorwurfs zur Verantwortung gezogen worden seien. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gobrecht (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 80) : Sind seitens der Bundesregierung Bemühungen im Gange, um auf dem Verhandlungsweg mit der DDR das Gebiet auf seiten der Bundesrepublik Deutschland, dessen Einwohner die Vergünstigungen des sogenannten kleinen Grenzverkehrs wahrnehmen können, soweit auszudehnen, daß beispielsweise auch die Bewohner der Freien und Hansestadt Hamburg diesen Grenzverkehr benutzen dürfen, und bejahendenfalls, welchen Stand haben die bisherigen Gespräche erreicht? Die Bundesregierung bemüht sich ständig, Verbesserungen und Erleichterungen für den Reiseverkehr in die DDR zu erreichen. Die Einbeziehung der Freien und Hansestadt Hamburg in den grenznahen Bereich, deren Bewohner zu Tagesaufenthalten in grenznahe Kreise der DDR einreisen können, würde nach Auffassung der Bundesregierung eine solche Verbesserung darstellen. Diese und andere Fragen einer Verbesserung des Reiseverkehrs werden an die DDR herangetragen, wenn dies erfolgversprechend erscheint. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Graf Stauffenberg (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 81 und 82) : 7006* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Kann die Bundesregierung bestätigen, daß es auf ihren Wunsch vertrauliche Gespräche zwischen dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Wehner, und dem Vertrauten Honeckers, Rechtsanwalt Dr. Vogel, gegeben hat, die ein Treffen zwischen Bundeskanzler Schmidt und Staatsratsvorsitzenden Honecker vorbereiten sollen? Welchen Zeitpunkt und welchen Ort sieht die Bundesregierung für ein solches Treffen als geeignet an, und werden die unmenschlichen Zustände an der Zonengrenze eine Rolle bei diesen Gesprächen spielen, wie es im Sinne des Urteilsspruchs von Karlsruhe zum Grundvertrag wäre? Ihre Frage A 81 beantworte ich mit nein. Wenn im übrigen (Frage A 82) ein solches Gespräch vereinbart werden sollte, werden Ort, Zeitpunkt und die zu besprechenden Themen nach der dann gegebenen Lage der Dinge festgelegt werden. Wie ich aber bereits gesagt habe, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Treffen zwischen dem Bundeskanzler und dem Staatsratsvorsitzenden der DDR nicht aktuell. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 83 und 84) : Bedeutet die Antwort der Bundesregierung vom 19. April 1978 auf meine schriftliche Anfrage betreffend Gespräche mit der DDR über den Abbau der Sperranlagen an der innerdeutschen Demarkationslinie, daß es bis zum heutigen Tag Gespräche der Bundesregierung mit der DDR-Regierung über konkrete Maßnahmen zum Abbau dieser unmenschlichen Sperranlagen nicht gegeben hat und daß die Bundesregierung auch nicht beabsichtigt, solche Gespräche in die Wege zu leiten? Wie ist die Haltung der Bundesregierung zur Frage der Sperranlagen an der innerdeutschen Demarkationslinie mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag in Einklang zu bringen, in dem es wörtlich heißt, „Schließlich muß klar sein, daß mit dem Vertrag schlechthin unvereinbar ist die gegenwärtige Praxis an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, also Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl. Insoweit gibt der Vertrag eine zusätzliche Rechtsgrundlage dafür ab, daß die Bundesregierung in Wahrnehmung ihrer grundgesetzlichen Pflicht alles ihr Mögliche tut, um die unmenschlichen Verhältnisse zu ändern und abzubauen.", und setzt sich die Bundesregierung nicht dem Verdacht aus, das Urteil des höchsten deutschen Gerichts zu mißachten, wenn sie bei ihrer derzeitigen Haltung beharrt? Zu Frage A 83: Die Sperrmaßnahmen der DDR an der Grenze und ihre Folgen sind nicht nur ein besonders schwerwiegendes, sondern auch für Verhandlungen und Gespräche ein besonders empfindliches Problem. Dies bedeutet, daß die Behandlung dieser Fragen von der Bundesregierung nicht zu einem öffentlichen Thema gemacht werden kann. Wie ich in meiner Antwort auf Ihre Frage am 19. April 1978 bereits ausgeführt habe, bemüht die Bundesregierung sich fortlaufend und beharrlich darum, in Gesprächen mit der DDR eine Verbesserung der Durchlässigkeit der innerdeutschen Grenze zu erreichen. Meine Antwort vom 19. April 1978 ist somit nicht in dem von Ihnen angesprochenen Sinne zu verstehen. Zu Frage A 84: Die von der Bundesregierung verfolgte Politik der Verhandlungen zur Erlangung von mehr Durchlässigkeit an der innerdeutschen Grenze steht im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag. Sie hat, wie Sie wissen, zu einer sprunghaften Zunahme des Reiseverkehrs mit der DDR und zu einer ganzen Reihe von Reiseerleichterungen geführt (wie Aufenthalt in der gesamten DDR, freie Wahl des Grenzübergangs, Besuch bei Bekannten und nicht nur Verwandten, mehrmalige Reisen im Jahr, Touristenreisen, Zulassung des Pkw-Verkehrs, Öffnung neuer Straßenübergänge, grenznaher Verkehr). Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß das bisher Erreichte bereits genügt. Maßstab für eine erfolgversprechende Politik der Bundesregierung im Interesse der betroffenen Menschen kann aber nur das jeweils Mögliche sein. Ich bin sicher, daß diese nüchterne Politik von der Öffentlichkeit verstanden wird. Anlagen 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Straßmeir (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen A 85 und 86): Was veranlaßt die Bundesregierung, in ihrer Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 106 des Abgeordneten Jäger (Wangen), die unmenschlichen Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze, die nach ihrem Zweck und ihrer gesamten Ausführung ausschließlich gegen das Innere der DDR und gegen Menschen gerichtet sind, die in Wahrnehmung eines Grundrechts von der DDR in die Bundesrepublik Deutschland gelangen wollen, als Reaktion der DDR und ihrer Verbündeten auf eine Bedrohung ihrer Sicherheit darzustellen? Wann wird die Bundesregierung in Wahrnehmung „in ihrer grundgesetzlichen Pflicht" Schritte zur Einleitung von Gesprächen mit der DDR-Regierung unternehmen, die konkret den Abbau der unmenschlichen Sperranlagen an der innerdeutschen Demarkationslinie zu dienen bestimmt sind? Zu Frage A 85: Es trifft nicht zu, daß ich die Sperrmaßnahmen an der Grenze zwischen beiden deutschen Staaten in meiner Antwort auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) vom 19. April 1978 als Reaktion der DDR und ihrer Verbündeten auf eine Bedrohung ihrer Sicherheit dargestellt habe. Vielmehr habe ich auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den kommunistisch regierten Staaten in Osteuropa und der DDR einerseits und den parlamentarisch-demokratisch verfaßten Staaten andererseits hingewiesen, die in der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten ihren Ausdruck finden. Daß diese Tatsache den Handlungsspielraum jeder Bundesregierung begrenzt, liegt auf der Hand. Zu Frage A 86: Die von der Bundesregierung verfolgte Politik der Verhandlungen zur Erlangung von mehr Durchlässigkeit an der innerdeutschen Grenze hat, wie Sie wissen, zu einer sprunghaften Zunahme des Reiseverkehrs mit der DDR und zu einer ganzen Reihe von Reiseerleichterungen geführt (wie Aufenthalt in der gesamten DDR, freie Wahl des Grenzübergangs, Besuch bei Bekannten und nicht nur Verwandten, mehrmalige Reisen im Jahr, Touristen- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7007* reisen, Zulassung des Pkw-Verkehrs, Öffnung neuer Straßenübergänge, grenznaher Verkehr). Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß das bisher Erreichte bereits genügt. Maßstab für eine erfolgversprechende Politik der Bundesregierung im Interesse der betroffenen Menschen kann aber nur das jeweils Mögliche sein. Ich bin sicher, daß diese nüchterne Politik von der Offentlichkeit verstanden wird. Anlage 26 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 99) : Gedenkt die Bundesregierung, die für den 25./26. Mai 1978 von, Europäischen Parlament geplante Anhörung zur politischen Situation in Argentinien, wobei Zeugen zu folgenden Themen eingeladen worden sind, Verletzung der Menschenrechte in Argentinien, Frage der 15 000 vermißten Argentinier, Lage der argentinischen Flüchtlinge, Tätigkeit der im Exil lebenden sozialistischen Persönlichkeiten Argentiniens, zu unterstützen, und wenn ja, in welcher Form? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat das Präsidium des Europäischen Parlaments noch nicht die erforderliche Zustimmung zu der Anhörung durch den politischen Ausschuß des Europäischen Parlaments gegeben; vielmehr hat das Präsidium die Angelegenheit an den politischen Ausschuß zurückverwiesen, da noch nicht alle Einzelheiten hinreichend geklärt seien. Der Ausschuß wird sich am 18. oder 19. Mai 1978 erneut hiermit befassen. Die Bundesregierung möchte das Ergebnis der Erörterungen im Europäischen Parlament abwarten. Anlage 27 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Mündliche Frage des Abgeordneten • Eickmeyer (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage A 108) : Hat die Bundesregierung zusätzlich zu ihrer Bereitschaft, den in Polen inhaftierten Kapitän der SK 58, Fritz Draasch, Kiel, durch Zahlung einer Kaution auf freien Fuß zu setzen, Schritte unternommen, ihn bei der anstehenden Verhandlung angemessen vertreten zu lassen und ihm sonstige Unterstützung zu gewähren? Ja, Herr Draasch wird von einem in fischereirechtlichen Fragen versierten polnischen Rechtsanwalt vertreten, mit dem auch unsere Botschaft in laufendem Kontakt steht. Anlage 28 Antwort des Staatssekretärs Bölling auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 1) : War Ministerialdirektor a. D. Dr. Werner Möller zoom Zeitpunkt, da die Illustrierte „stern" Einzelheiten im Entführungsfall Schleyer veröffentlichte, bereits Informationsempfänger in dieser Angelegenheit (siehe meine Schriftliche Anfrage vom 15. März 1978 und Antwort der Bundesregierung vorn 13. April 1978, Stenographischer Bericht fiber die 84. Sitzung am 14. April 1978, Seite 6649) ? Herr Ministerialdirektor a. D. Dr. Werner Müller wurde nach der Entführung über die Tätigkeit des „Krisenstabes" in dem für die spätere Information der Öffentlichkeit erforderlichen Umfang unterrichtet. Ab dem 30. September 1977' wurden Herrn Dr. Müller die für die Erstellung der amtlichen Dokumentation weiterhin notwendigen Unterlagen zugänglich gemacht. Anlage 29 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Stercken (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 2 und 3) : Auf welche Weise beabsichtigt die Bundesregierung, die in der gemeinsamen deutschtschechoslowakischen Erklärung vom 11. April 1978 bekundete Absicht zu verwirklichen, das nachbarliche Zusammenleben an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze zu verbessern? Bedeutet die in der deutschtschechoslowakischen Erklärung vom 11. April 1978 bekundete Bereitschaft, den Reiseverkehr zwischen Deutschland und der CSSR zu fördern, daß für den wachsenden Verkehr neue Grenzübergänge geschaffen werden sollen? Zu Frage B 2: Die Bundesregierung erwägt die Ernennung von Grenzbevollmächtigten, die in direktem Kontakt mit Grenzbevollmächtigten der CSSR Fragen aus den Beziehungen an der gemeinsamen Grenze abstimmen, behandeln und ggf. lösen sollen. Dazu sollen vor allem die Untersuchung und die Beilegung von Vorfällen und unbeabsichtigten Grenzübertritten an der gemeinsamen Grenze im Interesse und zum Schutz der jeweils Betroffenen gehören. Zu Frage B 3: Beim Besuch des tschechoslowakischen Präsidenten Husak wurde im Zusammenhang mit der Absicht einer Förderung des gegenseitigen Reiseverkehrs die Frage der Eröffnung neuer Grenzübergänge von uns angesprochen. Die tschechoslowakische Seite hielt die bestehenden Grenzübergänge für ausreichend und vertrat die Auffassung, daß der Ausbau der bestehenden Grenzübergänge eine reibungslose Abwicklung des Reiseverkehrs gewährleiste. Die Bundesregierung wird die Entwicklung des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs zwischen den beiden Ländern weiterhin im Auge behalten und sich erforderlichenfalls um die Errichtung neuer Grenzübergänge bemühen. 7008* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Anlage 30 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Petersen (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 4, 5 und 6): Wie hoch belaufen sich die Mittel, die die Bundesregierung direkt oder indirekt bisher dem Namibia-Institut in Lusaka zur Verfügung gestellt hat? Wie beurteilt die Bundesregierung die dort durchgeführte Arbeit? Gibt es Berichte von kompetenter Seite, die die Arbeit und Zielsetzung des Instituts in Frage stellen? Zu Frage B 4: Die Bundesregierung hat im Jahre 1976 dem Rat der Vereinten Nationen für Namibia aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit eine zweckgebundene Sonderleistung (Funds-in-Trust) in Höhe von 100 000,— US-Dollar für das Namibia-Institut in Lusaka zur Verfügung gestellt. Im Jahre 1978 wurden aus Haushaltsmitteln des Auswärtigen Amts 50 000,— US-Dollar als Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zum Nambia-Fonds der Vereinten Nationen zugunsten des Nambia-Instituts gezahlt. ZuFrageB5: Das Namibia-Institut gilt weithin als Symbol für die Bemühungen der Vereinten Nationen, die Interessen Namibias mit Blick auf seine Zukunft wahrzunehmen. In der Beurteilung durch unsere Botschaft in Lusaka und in den dem Auswärtigen Amt von verschiedenen Seiten vorgelegten Berichten wird übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß das Namibia-Institut seinem Auftrag, kompetente Verwaltungsfachleute für ein künftiges unabhängiges Namibia heranzubilden, in zufriedenstellendem Maße gerecht wird. Die Politik der Bundesregierung, wie sie insbesondere in unserer Teilnahme an der Initiative der fünf westlichen Sicherheitsratsmitglieder zum Ausdruck kommt, ist darauf gerichtet, einen friedlichen und möglichst reibungslosen Übergang in die Unabhängigkeit zu gewährleisten, bei dem auch die im Exil lebenden politischen Kräfte eine angemessene Chance der Beteiligung haben sollen. Maßnahmen, die dazu beitragen, diese Kräfte in die Lage zu versetzen, ihre mögliche Rolle in einem zukünftigen Namibia in kompetenter Weise auszufüllen, können die Glaubwürdigkeit dieser Politik in erheblichem Maße unterstützen. Wegen der besonderen Verantwortung für die Deutschen in Namibia bieten substantielle Beiträge zur Förderung des Namibia-Instituts, d. h. finanzielle Unterstützung der Ausbildung künftiger staatstragender Kräfte eines unabhängigen Namibia, eine gute Gelegenheit, unseren Willen unter Beweis zu stellen, die Lösung des Namibia-Problems konstruktiv zu fördern. Solche Beiträge sind darüber hinaus ein wichtiges Mittel zur notwendigen Aktivierung unserer Beziehungen zu den für Namibia im VN-Rahmen wirksamen Kräften. Sie dienen damit letztlich auch unseren Bemühungen, den Schutz der Deutschen ohne Unterbrechung sicherzustellen. Zu Frage B 6: Der Bundesregierung liegen keine Berichte von kompetenter Seite vor, in denen die Arbeit und Zielsetzung des Instituts in Frage gestellt wird. Anlage 31 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Graf Huyn (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 7) : Hat die Bundesregierung der Tschechoslowakei Kredite oder andere handelspolitische Entgegenkommen anläßlich des Besuchs des Staatspräsidenten Husak gewährt oder in Aussicht gestellt? Die Bundesregierung hat der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik weder Kredite noch andere handelspolitische Entgegenkommen anläßlich des Besuchs des Staatspräsidenten Husak gewährt oder in Aussicht gestellt. Fragen der Handelspolitik fallen im übrigen in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft. Anlage 32 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneter Dr. MüllerEmmert (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen B 8 und 9): Wird die Bundesregierung die Bemühungen von amnesty international unterstützen, im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien die Mitglieder des Weltmeisterschaftsaufgebots des Deutschen Fußballbundes (DFB) und die Offentlichkeit insgesamt zu ermuntern, durch entsprechende Initiativen und Erklärungen auch auf die politische Situation und die erheblichen Verletzungen der Menschenrechte in Argentinien aufmerksam zu machen? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Bemühungen zu unterstützen, um die Militärregierung in Argentinien zu bewegen, beispielsweise aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft politische Gefangene freizulassen, wie dies auch von Regierungen und Parteien z. B. in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und skandinavischen Ländern gefordert wurde? Zu Frage B 8: Unabhängig von der Fußballweltmeisterschaft setzt die Bundesregierung sich weltweit für den Schutz und die Achtung der Menschenrechte ein. Diese Haltung ist nicht an bestimmte Ereignisse oder Daten gebunden. Die Entscheidung über die Entlassung politischer Gefangener argentinischer Staatsangehörigkeit oder anderer — nicht deutscher — Nationalität ist eine innerargentinische Angelegenheit, auf die die Bundesregierung nicht Einfluß nehmen kann, da sie völkerrechtlich verpflichtet ist, die Souveränität und das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten des fremden Staates zu achten. Was Staatsangehörige der EG- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7009* Länder betrifft, verweise ich auf die jüngste gemeinsame Demarche, die die dänische Präsidentschaft im Auftrag der Neun der argentinischen Regierung gegenüber unternommen hat. Darüber hinausgehende Bemühungen der Regierungen Frankreichs, Belgiens, der Niederlande und Dänemarks oder eigene Maßnahmen bzw. Vorschläge der übrigen skandinavischen Regierungen, die argentinische Regierung zu bewegen, aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft politische Gefangene freizulassen, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Sie kann sie deshalb auch nicht unterstützen. Initiativen im Sinne der Frage von seiten einzelner Politiker, politischer Parteien oder privater Organisationen gibt es zweifellos. Hier ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, worin diese Bemühungen bestehen und welcher Mittel sie sich bedienen, bevor die Bundesregierung entscheiden kann, ob sie sich ihnen anzuschließen vermag. Zu Frage B 9: Wie der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Herr Neuberger, in der jüngsten Ausgabe eines Nachrichtenmagazins erklärt, steht es jedem Spieler frei, zu sagen und zu tun, was er für richtig hält. Die Bundesregierung beabsichtigt aber keineswegs, die Mitglieder unserer Elf oder die Schlachtenbummler in Argentinien zu Initiativen oder Erklärungen über die innerargentinische Situation zu ermuntern. Abgesehen davon, daß dies eine Einmischung in innerargentinische Angelegenheiten darstellen würde, wäre es auch unverantwortlich, da derartige Aktionen in einem fremden Land für denjenigen, der sie unternimmt, stets ein Risiko enthalten können. Das ist nicht nur in Argentinien so. Die Bundesregierung sieht deshalb keine Veranlassung, die diesbezüglichen Bemühungen von amnesty international zu unterstützen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 10 und 11): Teilt die Bundesregierung die Auffassung (Meldung der ElbeJeetzel-Zeitung vom 7. März 1978), daß Gorleben kein geeigneter Standort für die geplante Entsorgungsanlage sei, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Geht die Bundesregierung davon aus, daß die Anlage Gorleben auch dann gebaut werden würde, wenn die Probebohrungen zeigten, daß der Salzstock in Gorleben zur Aufnahme hochaktiver nuklearer Brennabfälle nicht geeignet sei? Die Bundesregierung teilt die in Frage 10 wiedergegebene Auffassung nicht. Wie ich Ihnen bereits in Beantwortung Ihrer Schriftlichen Frage B 118 für die Fragestunden im Deutschen Bundestag am 12./13. April 1978 mitgeteilt habe, sind die Reaktorsicherheitskommission und die Strahlenschutzkommission in ihren Empfehlungen zur grundsätzlichen sicherheitstechnischen Realisierbarkeit des Entsorgungszentrums zu dem Ergebnis gelangt, daß der Standort für die oberirdisch zu errichtenden Anlagen gegeignet ist und daß auf Grund der großen Ausdehnung des Salzstocks Gorleben die Lagerung von schwach-und mittelaktiven Abfällen dort möglich ist. Nach allen bisher vorliegenden Kenntnissen über den Salzstock Gorleben und über die Techniken der Endlagerung auch des hochràdioaktiven Abfalls kann damit gerechnet werden, daß der Salzstock Gorleben dafür gegeignet sein wird. Davon geht auch die Niedersächsische Landesregierung aus. Die abschließende Entscheidung über die Eignung des Standortes wird von den dafür nach dem Atomgesetz zuständigen Landesbehörden getroffen werden. Der Bundesregierung liegen keine neuen Erkenntnisse vor, die die bisherige positive Standortbeurteilung in Zweifel stellen könnten. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Miltner (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 12 und 13) : Treffen auf ein Pressegespräch des Präsidenten des Bundeskriminalamts, Dr. Herold, zurückgehende Meldungen zu, daß etwa 10 v. H. der Mitglieder des KBW in den Untergrund gehen? Welche Aktivitäten solcher Untergrundmitglieder des KBW kennt oder erwartet gegebenenfalls die Bundesregierung? Zu Frage B 12: Präsident Dr. Herold hat Äußerungen, daß 10 O/0 der KBW-Mitglieder in den Untergrund gehen, nicht getan. Zu Frage B 13: Die Sicherheitsbehörden beobachten die Entwicklung des KBW ebenso sorgsam wie die anderer militanter K-Gruppen. Konkrete Erkenntnisse darüber, daß KBW-Mitglieder in den terroristischen Untergrund gegangen sind, liegen nicht vor. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen B 14 und 15) : Hält die Bundesregierung die Kritik aus Kreisen der Wirtschaft über Mängel der amtlichen monatlichen Übersichten und über lange Wartezeiten auf die Ergebnisse der statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamts für berechtigt, und was gedenkt sie zu tun, um eventuelle Mängel abzustellen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß in Konsequenz aus dem Datenschutzgesetz die Kirchen in Zukunft in ihren Gemeindeblättern persönliche Daten ihrer Gemeindemitglieder, wie insbesondere Geburtstage, Trauungen und Taufen, nicht mehr bringen können, und hält sie eventuell Konsequenzen für erforderlich? 7010* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Zu Frage B 14: Der Bundesregierung ist bekannt, daß bei einigen amtlichen Monatsstatistiken Unsicherheiten und Terminverzögerungen aufgetreten sind. Bei anderen wichtigen Monatsstatistiken erscheinen dagegen die Ergebnisse termingemäß. Schwierigkeiten haben sich vor allem bei den Statistiken im Produzierenden Gewerbe ergeben. Infolge einer grundlegenden Umstellung des gesamten Berichtsystems (Gesetz über die Statistik im Produzierenden Gewerbe vom 6. November 1975 BGB1. I S. 2779), die mit dem Jahr 1977 begann und sich z. Z. in der Endphase befindet, treten in diesem Bereich derzeit bei den kurzfristigen Indikatoren (Monatsbericht, Auftragseingangsindizes, Produktionsindizes) noch Störungen im Vergleich mit den jeweiligen Vorjahresergebnissen auf. Außerdem ergeben sich teilweise merkliche Abweichungen zwischen vorläufigen und endgültigen Indexergebnissen. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, daß wegen verspäteter Meldungen z. T. umfangreiche Schätzungen bei den Statistischen Landesämtern vorgenommen werden müssen, die vor allem in Monaten mit Sonderbewegungen Schwierigkeiten bereiten. Die langen Wartezeiten beruhen überwiegend darauf, daß vor allem einige Länder, deren Statistische Landesämter über keine eigenen EDV-Anlagen verfügen, sondern auf Landes-Datenzentralen angewiesen sind, monatlich nicht rechtzeitig die Ergebnisse liefern. Dies ist auch der Grund für die Verzögerung bei der vierteljährlichen Produktionsstatistik. Das Statistische Bundesamt ist — gemeinsam mit den zuständigen Ministerien — durch laufenden Kontakt mit den Statistischen Landesämtern bemüht, sowohl die Unsicherheiten bei den Ergebnissen als auch die langen Wartezeiten so schnell wie möglich zu beheben. Zu Frage B 15: Das Bundesdatenschutzgesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften; deren Verarbeitung personenbezogener Daten unterliegt mithin keiner der im Bundesdatenschutzgesetz vorgesehenen Beschränkungen und Kontrollen. Von der Erstreckung des Geltungsbereiches des Bundesdatenschutzgesetzes auf die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften ist aus verfassungsrechtlichen Gründen Abstand genommen worden (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WeimRV). Um jedoch auch hier möglichen Beeinträchtigungen der Persönlichkeitssphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vorzubeugen, sieht § 10 Abs. 2 BDSG vor, daß aus dem öffentlichen Bereich Daten an öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften nur übermittelt werden dürfen, wenn durch diese ausreichende Datenschutzmaßnahmen getroffen wurden. Entsprechende Datenschutzvorschriften mit Rechtsnormcharakter sind von den öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften vorbereitet und teilweise (regional) schon in Kraft gesetzt worden. Danach finden im allgemeinen auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die wie die Geburtsdaten von staatlichen bzw. kommunalen Stellen stammen, durch öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes entsprechende Anwendung. Das bedeutet, daß Geburtstage, insbesondere Jubiläumsdaten an Verlage und Redaktionen von Gemeindeblättern und ähnliche Publikationsorgane zum Zwecke ihrer Veröffentlichung nur mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden dürfen. Daten über kirchliche Amtshandlungen wie Trauungen und Taufen stammen unmittelbar aus dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften. Ihre Übermittlung an Veröffentlichungsorgane bestimmt sich ausschließlich nach kirchlichen Regelungen. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Wisniewski (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 16 und 17) : Teilt die Bundesregierung den Eindruck, den Angehörige der Universität Heidelberg bei einem Kurs des Bundesverbands für den Selbstschutz gewannen, daß nämlich die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland keineswegs ausreichend für den Fall eines Atomangriffs geschützt ist, und wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie gegebenenfalls daraus? Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Schweiz 80 v. H. der Bevölkerung durch Luftschutzkeller gesichert sind, und wie hoch ist der entsprechende Prozentsatz in der Bundesrepublik Deutschland? Zu Frage B 16: Die Bundesregierung kennt das Problem der Gefährdung der Bevölkerung in Krisensituationen und der Fragen des Schutzraumbaues. Die Phase des Wiederaufbaues nach dem letzten Kriege ist nicht genutzt worden, um das Schutzraumproblem auf breitester Basis — etwa durch Anbindung an Neubauten — zu lösen. Zwar ist in das Schutzbaugesetz aus dem Jahre 1965 eine Schutzbaupflicht aufgenommen worden; sie ist jedoch infolge Suspendierung der entsprechenden Vorschriften nie in Kraft getreten. Die Bundesregierung hat am 21. Dezember 1977 auf Empfehlung eines eigens eingesetzten Staatssekretärsausschusses beschlossen, den Schutzraumbau verstärkt fortzusetzen und das Parlament um die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für 1979 (15 Millionen DM), 1980 (30 Millionen DM) und 1981 (35 Millionen DM) zu bitten. Unter Verzicht auf technische Perfektion und im Bestreben, eine möglichst große Zahl von Schutzräumen und -plätzen zu schaffen, ist im einzelnen vorgesehen: — Förderung des Baues von Hausschutzräumen in Wohngebäuden und Schulen durch Zuschüsse auf Grund bestehender Richtlinien und durch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten auf Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7011* Grund der Höchstbetragsverordnung (privater Schutzraumbau) ; — Förderung des Baues von Mehrzweckanlagen (Tiefgaragen, U-Bahnen), Instandsetzung von öffentlichen Schutzbauwerken nach vereinfachter technischer Konzeption und Maßnahmen zur Substanzerhaltung solcher Anlagen (öffentlicher Schutzraumbau). Zu Frage B 17: Der Bundesregierung ist bekannt, daß in der Schweiz für 80 % der Bevölkerung Schutzplätze zur Verfügung stehen. Die entsprechende Bedarfsdekkung beläuft sich in Schweden auf 65 %, in Norwegen auf 40 % und in Dänemark auf 25 %. Bei einer Bevölkerung von 61,6 Millionen Menschen und einer Zahl von 1,8 bis 1,9 Millionen Schutzplätzen stehen in der Bundesrepublik für 3 % der Bürger Schutzplätze zur Verfügung. Hinzuzurechnen sind zum einen die Schutzplätze, die ohne staatliche Hilfe geschaffen worden sind, und zum anderen Schutzmöglichkeiten in erheblicher Zahl auf Grund der vorhandenen Altbausubstanz. Insgesamt können somit erheblich mehr als 3 % der Bevölkerung Schutz finden, wobei allerdings insbesondere die zuletzt genannten Schutzmöglichkeiten nicht voll den Anforderungen des Grundschutzes im Sinne des Schutzbaugesetzes entsprechen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schreiber (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage B 18) : Wann wird die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf für ein Umweltchemikaliengesetz in den Bundestag einbringen, und wird sie sicherstellen, daß der Entwurf nicht dem Vorschlag des EG-Ministerrats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe entgegensteht? Der Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur sechsten Änderung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe wird seit Ende 1976 in den Ratsgruppen der EG beraten. Wenngleich die Beratungen der komplexen Materie im Augenblick noch im Gange sind, streben dennoch mehrere Mitgliedstaaten, so auch mit Nachdruck die Bundesrepublik Deutschland, eine Verabschiedung noch in diesem Jahre an. Daher wurden zwischen den hauptsächlich betroffenen Ressorts Verhandlungen über die Form der Umsetzung der zu erwartenden EG-Richtlinie in deutsches Recht begonnen. Ich darf Ihnen versichern, daß die Bundesregierung darauf achten wird, daß der zu erarbeitende Entwurf im Einklang mit der genannten EG-Regelung stehen wird. Allerdings bin ich noch nicht in der Lage, einen Zeitpunkt für die Einbringung des Entwurfs in den Bundestag anzugeben. Dies hängt insbesondere von dem Fortgang der Beratungen in Brüssel ab. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 19) : Ist es nach dem Bundesdatenschutzgesetz zulässig, daß im Mai in Nordrhein-Westfalen amtliche Statistiker 65 000 Haushalte aufsuchen und diese nach Einkommensverhältnissen, Altersvorsorge, Gesundheitszustand, Krankenversicherungsschutz usw. befragen, und wenn nein, welche Konsequenzen wird die Bundesregierung daraus ziehen? Die von Ihnen angesprochene Befragung von 65 000 Haushalten im Mai dieses Jahres in Nordrhein-Westfalen erfolgt auf Grund des Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens (Mikrozensus) vom 15. Juli 1975 (BGBl. I S. 1909). Nach § 6 Abs. 1 sind die Erhebungen durch persönliche oder schriftliche Befragungen im Interviewverfahren von den zuständigen Landesbehörden, d. h. in Nordrhein-Westfalen durch die vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik mit dieser Aufgabe betrauten Personen durchzuführen. Die zu stellenden Fragen über wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, Gesundheitszustand usw. sind in § 3 des Mikrozensus-Gesetzes festgelegt. Vorschriften des Gesetzes zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz) vom 27. Januar 1977 (BGBl. I S. 201) stehen der Durchführung des Mikrozensus nicht entgegen. Die Notwendigkeit und gleichzeitig die Zulässigkeit der gestellten Fragen folgt aus einer besonderen Rechtsvorschrift (Mikrozensus-Gesetz) und der in dieser Rechtsvorschrift einschließlich ihrer Begründung enthaltenen Festlegung des Verwendungszwecks der zu ermittelnden statistischen Ergebnisse (vgl. § 3 BDSG). Die bei der Durchführung des Mikrozensus anfallenden personenbezogenen Daten unterliegen gemäß § 45 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz den strengeren — und insofern dem Bundesdatenschutzgesetz vorgehenden — Geheimhaltungsvorschriften von § 12 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke; die Verletzung dieser Geheimhaltungsvorschrift ist nach § 203 StGB unter Strafe gestellt. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 20, 21, 22 und 23): Inwieweit entspricht die Ausstattung des Technischen Hilfswerks (THW) in technischer, finanzieller, organisatorischer, personeller und gebäudemäßiger Hinsicht — auch auf der Ebene der Ortsverbände — den Anforderungen, die im V-Fall auf das THW zukommen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Ortsverbänden des THW auch in spannungsfreien Zeiten befriedigende Aufgaben zuzuweisen? Inwieweit trägt das THW bundesweit der zunehmenden Gefahr von Katastrophenfällen durch vermehrte Schutzübungen Rechnung, und wird diese Übungstätigkeit sowohl auf örtlicher wie auf überörtlicher Ebene mit anderen Hilfsorganisationen abgestimmt? 7012* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Welche Erfahrungen wurden beim THW mit Wehrpflichtigen gemacht, die auf Grund längerfristiger Verpflichtung vom Grundwehrdienst freigestellt wurden? Zu Frage B 20: Die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk hat z. Z. eine Personalstärke von rund 51 000 aktiven Helfern, die sich, in Einheiten gegliedert, auf 617 Ortsverbände und 31 Stützpunkte verteilen. Davon wirken 40 000 Helfer im erweiterten Katastrophenschutz mit, während die restlichen, sogenannten organisationseigenen Helfer im wesentlichen als Personalreserve zur Verfügung stehen. Im Rahmen des erweiterten Katastrophenschutzes, der für die Abdeckung der besonderen Bedürfnisse des Verteidigungsfalles vorgehalten wird, sind die Fachdienste Bergung und Instandsetzung primär dem THW übertragen worden. Die Ausrüstung, Ausbildung, Unterbringung und laufende Unterhaltung trägt der Bund; hierzu im einzelnen folgendes: Ausrüstung: Die Ausrüstung für die im erweiterten Katastrophenschutz mitwirkenden THW-Einheiten ist im Bergungsdienst zu etwa 80 %, im Instandsetzungsdienst zu etwa 30 % vorhanden. Ein großer Teil des Geräts wurde nach Inkrafttreten des Katastrophenschutzgesetzes im Jahre 1968 von dem damals aufgelösten Luftschutzhilfsdienst (LSHD) übernommen; es ist zum Teil überaltert. Hierbei handelt es sich nicht um ein THW-spezifisches, sondern um ein Kernproblem des erweiterten Katastrophenschutzes schlechthin. Der Bundesminister des Innern erörtert daher eingehend mit Ländern, Hilfsorganisationen und kommunalen Spitzenverbänden Möglichkeiten zur Überwindung dieser Schwierigkeiten. Ausbildung: Z. Z. wird in einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministers des Innern ein Vorschlag zur Neuordnung des Ausbildungswesens in der zivilen Verteidigung ausgearbeitet. Diese Konzeption umfaßt neben einer Reform der Schul- und Unterrichtsorganisation in ihrem Kernstück die Aktualisierung der Ausbildungsbedürfnisse und ihre Einordnung in ein dem derzeitigen Wissensstand angepaßtes Lernzielsystem. In diesem Zusammenhang werden auch die Lernziele und Ausbildungsinhalte der vom THW getragenen Fachdienste grundlegend überarbeitet. Derzeit führt das THW jährlich 45 000 Ausbildungsveranstaltungen mit ca. 5 Millionen Ausbildungsstunden durch. Unterbringung: Die 617 Ortsverbände und 31 Stützpunkte sind mit ihren Einheiten sämtlich untergebracht, und zwar in bundeseigenen oder zu Lasten des Bundes angemieteten Gebäuden. Allerdings ist ein nicht unbeträchtlicher Teil der Unterkünfte in qualitativer Hinsicht noch nicht ausreichend. Um den dringenden Nachholbedarf zu befriedigen, ist vom Bundesamt für Zivilschutz ein Sofortprogramm zur Erstellung von 205 THW-Unterkünften mit einem Finanzvolumen von 142 Millionen DM erarbeitet worden. Davon sind bereits 49 gebaut (34,4 Millionen DM) und 49 sollen bis 1982 fertiggestellt sein (33,5 Millionen DM). Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und zur Beschleunigung der Bauausführung wurden standardisierte Bautypen entwickelt. Die Bereitstellung von Konjunkturförderungsmitteln des Bundes in Höhe von insgesamt 25,3 Millionen DM (seit 1973) trägt erheblich zur zeitlichen Verkürzung des Bauprogramms bei. Unterhaltung: Die Mittel für die Unterhaltung der Einheiten und Einrichtungen des THW werden den Ortsverbänden in pauschalierter Form als Jahresbeträge zur Selbstbewirtschaftung zugewiesen. Dadurch erhalten die Ortsverbände eine größere Dispositionsfreiheit in der Bewältigung ihrer Aufgaben vor Ort. Dieses System hat sich bewährt und soll weiter vereinfacht werden. Zu Frage B 21: Das THW ist, soweit seine Einheiten im erweiterten Katastrophenschutz, der von den Ländern und Kommunen in Bundesauftragsverwaltung durchgeführt wird, mitwirken, weitgehend in das Hilfeleistungssystem des friedenszeitlichen Katastrophenschutzes integriert worden. Das zeigen einerseits die umfangreiche Beteiligung des THW bei der Bekämpfung der Großkatastrophen in den vergangenen Jahren, aber auch die Heranziehung zur Bewältigung der tagtäglich auftretenden Notfallsituationen. So haben THW-Helfer im Jahre 1976 bei insgesamt etwa 4 100 Einsätzen und sonstigen Hilfeleistungen rund 670 000 Helferstunden geleistet. Zudem steht das THW der. Bundesregierung ebenfalls für Auslandseinsätze im Rahmen der humanitären Hilfe zur Verfügung. Die Frage einer noch stärkeren Heranziehung des THW im friedenszeitlichen Katastrophenschutz, der in die Länderkompetenz fällt, wird z. Z. mit den Ländern, Hilfsorganisationen und kommunalen Spitzenverbänden erörtert. Hierbei spielt vor allem die Abgrenzung zur Feuerwehr eine Rolle, die in erster Linie für technische Hilfeleistungen im Frieden zuständig ist. Zu Frage B 22: Das THW nimmt, da es — wie ausgeführt — mit Masse in den örtlichen Katastrophenschutz einbezogen ist, auch an gemeinsamen Übungen der Fachdienste teil. Die Bundesregierung mißt der Optimierung der Zusammenarbeit aller Komponenten des Katastrophenschutzes im Einsatzfall, vor allem der Verbesserung der Leitungs- und Führungsstruktur, entscheidende Bedeutung bei. Daher werden seitens des Bundes für diesen Zweck, insbesondere zur Durchführung auf überregionaler Ebene, erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt. Sie belaufen sich auf jährlich nahezu 200 000 DM. Im Jahre 1977 wurde darüber hinaus ein weiterer Betrag von 500 000 DM Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7013* bereitgestellt, um eine angemessene übungsmäßige Auswertung der Großkatastrophen des Jahres 1976 (Waldbrand Niedersachsen, Sturmflut Norddeutschland, Bruch Elbe-Seitenkanal, Dürreperiode) zu gewährleisten. An allen Übungen dieser Art war das THW beteiligt. Zu Frage B 23: Die Integration der für den Katastrophenschutz vom Wehrdienst freigestellten Helfer in die Einheiten und Einrichtungen des THW ist vor allem eine Frage der Motivation. Freigestellte, die anstelle des Wehrdienstes einen gemeinnützigen Beitrag in einer humanitären Organisation leisten wollen, lassen sich erfahrungsgemäß leicht in die aus freiwilligen Helfern bestehenden THW-Einheiten einordnen. Sie nehmen hier nicht selten auf Grund ihres Bildungsstandes Führungspositionen ein und bleiben dann oft auch nach ihrer Verpflichtungszeit im THW. Helfer, die eine solche Motivation nicht mitbringen, lassen sich dagegen nur schwer und erst nach längerer Zeit integrieren. Eine Freiwilligen-Organisation, wie das THW, kann dieses Problem dann bewältigen, wenn es quantitativ im Rahmen bleibt. Das heißt: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre kann davon ausgegangen werden, daß eine THW-Einheit, in der bis zu 30 °/o vom Wehrdienst freigestellte Helfer mitwirken, die dadurch bedingten Schwierigkeiten in aller Regel verkraftet. Probleme entstehen jedoch dann, wenn das Prinzip der Freiwilligkeit iin ursprünglichen Sinne im Einzelfall durch einen zu hohen Anteil von unmotivierten freigestellten Helfern belastet wird. In diesen Ausnahmefällen wird es darauf ankommen, derartige Auswirkungen durch eine straffe Handhabung des zur Verfügung stehenden Instrumentariums an Aufsichtsbefugnissen entgegenzutreten. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 24) : Wieviel Fälle der Gründung politischer Wohngemeinschaften militanter Linksextremisten und sogenannter Atomgegner sind der Bundesregierung im Umkreis des geplanten Deponiestandorts Gorleben bekannt, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um ein weiteres Eindringen derartiger Kreise in den Landkreis Lüchow-Dannenberg zu verhindern? Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse zu den in Ihrer Frage genannten Vorgängen. Auf Grund von Informationen der zuständigen Behörde in Niedersachsen ist ihr bekannt, daß in den letzten Monaten' nahezu 100 Wohngemeinschaften in unmittelbarer Nähe des geplanten nuklearen Entsorgungszentrums Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg entstanden sind. Für alle Entscheidungen hinsichtlich dieser Vorgänge sind die niedersächsischen Behörden zuständig, die dabei auch den Grundsatz der Freizügigkeit berücksichtigen werden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 25 und 26) : Wie viele Beamtenanwärter sind in den einzelnen Laufbahnen in den Jahren 1973 bis 1977 im Bund und in den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des Bundes jährlich eingestellt worden? Wie viele Auszubildende sind im gleichen Zeitraum in den gleichen Bereichen jährlich eingestellt worden? Zu Frage B 25: Die gesetzlichen Grundlagen für die statistischen Erhebungen sehen entweder keine besondere Aufschlüsselung nach Neueinstellungen des Personals in Ausbildung vor oder enthalten ohne Differenzierung nach den einzelnen Bereichen des öffentlichen Dienstes ein Gesamtergebnis für einen Teil der Ausbildungsverhältnisse. Die im Bundesbereich durchgeführten Sonderumfragen umfassen ausschließlich die Jahre 1977 und 1978. Nach dem vorläufigen Ergebnis einer im März/ April 1978 durchgeführten Umfrage bei den obersten Bundesbehörden betrug die Zahl der Neueinstellungen im Jahre 1977 — in die Laufbahnen des einfachen Dienstes 3 383 Beamte, mittleren Dienstes 4 370 Beamte, gehobenen Dienstes 1 887 Beamte und — in Ausbildungsverhältnissen nach dem Berufsbildungsgesetz 9 496 Auszubildende. Zu Frage B 26: Die Neueinstellungen in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahnen des höheren Dienstes wurden nicht erfaßt, da sich diese Umfrage nur auf Ausbildungsplätze bezog, die von den Schulabgängern unmittelbar besetzt werden können. Die gleiche Umfrage ergab für das Jahr 1978 folgende geplante Neueinstellungen — in die Laufbahnen des einfachen Dienstes 4 000 Beamte, mittleren Dienstes 5 842 Beamte, gehobenen Dienstes 2 362 Beamte und — in Ausbildungsverhältnissen nach dem Berufsbildungsgesetz 9 766 Auszubildende. Zahlen der Neueinstellungen von Beamten in den Vorbereitungsdienst und Auszubildenden in staat- 7014* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 lieh anerkannte Ausbildungsberufe nach dein Berufsbildungsgesetz im Bundesbereich für die Jahre 1973 bis einschließlich 1976 stehen wir weder auf Grund statistischer Erhebungen noch im Wege besonderer Umfragen zur Verfügung. Die Zahlen der Neueinstellungen für die genannten Jahre könnten nur auf Grund einer bei den obersten Bundesbehörden noch durchzuführenden Umfrage ermittelt werden. Eine solche Erhebung würde jedoch zu einem Zeit- und Verwaltungsaufwand führen, der zu den Ergebnissen dieser Umfrage für die zurückliegenden Jahre in einem unangemessenen Verhältnis stehen würde. Ich gehe von Ihrem Einverständnis aus, wenn diese Sonderumfrage nicht durchgeführt wird. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 27) : Ist die Bundesregierung bereit, eine offizielle Dokumentation darüber zu erstellen, in welchem Umfang rechtsextremistische und neofaschistische Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland auf Personen mit eindeutig kommunistischer Vergangenheit zurückgehen und in dieser Dokumentation darzulegen, in welchem Umfang solche Aktivitäten von Seiten der DDR mit dem Ziel ferngesteuert werden, die Bundesrepublik Deutschland vor der Weltöffentlichkeit als rechtsextremistisch und neofaschistisch zu denunzieren? Die Bundesregierung verfügt über Informationen darüber, daß einzelne rechtsextremistisch tätige Personen kommunistischen Organisationen angehört haben oder aus dem kommunistischen Machtbereich stammen. In keinem dieser Fälle liegen konkrete Hinweise vor, daß ihre rechtsextremistische Betätigung von kommunistischer Seite gesteuert wird. Für eine Dokumentation besteht daher kein Anlaß. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Amling (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage B 28) : Hält die Bundesregierung die Anregung für realisierbar, daß künftig alle Plastiktragetüten mit der Aufschrift „Vorsicht Erstickungsgefahr für Kinder" versehen werden, da die mehr als zehn Millionen täglich gebrauchten Plastiktüten immer häufiger zu Todesfallen für Kleinkinder werden, die sich oftmals herumliegende Tüten beim Spielen überstülpen und so ersticken, und wenn ja, wird sie eine entsprechende Initiative ergreifen? Auch der Bundesregierung sind Fälle bekannt, bei denen Plastiktragetaschen die Ursache für Kinderunfälle mit tödlichem Ausgang waren. Der Umfang dieses Problems ist allerdings nicht bekannt. Die Statistik nennt nur global die Zahl der Kinder, die pro Jahr einen Erstickungstod sterben. Die Frage nach der Realisierbarkeit einer gesetzlichen Regelung, die vorschreibt, daß alle Plastiktüten mit der Aufschrift „Vorsicht Erstickungsgefahr für Kinder" versehen werden — und damit auch die Frage, ob die Bundesregierung eine Initiative in dieser Richtung ergreifen wird — bedarf einer Reihe von Vorklärungen. Dabei sind rechtliche und praktische Probleme zu klären. Besondere Bedeutung mißt die Bundesregierung aber einer intensiven Aufklärung der Öffentlichkeit bei, über die Gefahren, die Plastiktragetüten für Kinder haben können. Sie wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten hierum bemühen, hofft aber, daß auch die Massenmedien sich dieses Themas annehmen, wozu Ihre Frage, Herr Abgeordneter, ja einen dankenswerten Anstoß gegeben hat. Unabhängig davon begrüßt die Bundesregierung jede Initiative, die geeignet ist, die Zahl der Kinderunfälle in der Bundesrepublik zu reduzieren. Mit diesem Thema befaßt sich auch eine Arbeitsgruppe der Nationalen Kommission zum Internationalen Jahr des Kindes; dabei spielt auch die Problematik der Plastiktragetüten eine Rolle. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. SchmittVockenhausen (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage B 29) : Wie beurteilt die Bundesregierung die im Hinblick auf § 69 des Strafgesetzbuchs in der Offentlichkeit diskutierten Änderungsvorschläge im Hinblick auf den Entzug der Fahrerlaubnis, und welche Änderungen wird sie gegebenenfalls vorschlagen? Die Entziehung der Fahrerlaubnis, die durch das 1. Straßenverkehrssicherungsgesetz 1952 als strafrechtliche Maßregel eingeführt, durch das 2. Straßenverkehrssicherungsgesetz 1964 weiter entwickelt und auch im Zuge der Strafrechtsreform erneut überprüft worden ist, hat sich in der Praxis bewährt. Dies hat erst im vergangenen Jahr auch der 15. Deutsche Verkehrsgerichtstag bestätigt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die gelegentlich in der Öffentlichkeit erhobene Forderung zurückgewiesen, den Vollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Bewährung auszusetzen. Dies wäre auch ein Widerspruch in sich, weil eine Entziehung nur in Betracht kommt, wenn der Betroffene ungeeignet (gefährlich) ist, und dann nicht gleichwohl „versuchsweise" zum Verkehr wieder zugelassen werden kann. Soweit gelegentlich angeregt worden ist, die Entziehung der Fahrerlaubnis in eine Strafe umzuwandeln, da diese Maßnahme von den Betroffenen entsprechend empfunden werde, würde dies zu einer Schwächung des bewährten Systems führen, die im Hinblick auf die weiterhin dringend nötige Verbesserung der Verkehrssicherheit auf unseren Straßen vermieden werden muß. Bei einer Ausgestaltung als Strafe würde sich die Dauer der Entziehung nicht mehr nach der Gefährlichkeit des betreffenden Täters für den Straßenverkehr, sondern nach dem jeweiligen Maß des Verschuldens richten. Schuldunfähigen könnte die Fahrerlaubnis überhaupt nicht mehr entzogen werden. Demnach wird die bisherige Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7015* Regelung jedenfalls im Grundsatz beizubehalten sein. Dagegen ist die Bundesregierung Verbesserungsvorschlägen auf diesem Gebiet, die zu einer weiteren Hebung der Verkehrssicherheit beitragen können, stets aufgeschlossen und sie wird sie — wie bisher — eingehend prüfen. So wird insbesondere die in letzter Zeit von verschiedenen Stellen ausgegangene Anregung, eine erfolgte Nachschulung bei der Entscheidung über eine etwaige Entziehung der Fahrerlaubnis im Rahmen der Regelentziehung nach § 69 Abs. 2 StGB und bei der Frage der vorzeitigen Aufhebung der Sperrfrist nach § 69 a Abs. 7 StGB stärker zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen, im allgemeinen positiv beurteilt. Ob dazu allerdings eine Gesetzesänderung nötig ist, bedarf noch der Prüfung; möglicherweise kann die gerichtliche Praxis auch schon auf Grund des geltenden Rechts entsprechend judizieren. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Müller (Mülheim) (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen B 30 und 31) : Ist die Bundesregierung über den Verkauf der Arbeitersiedlung Mausegatt in Mülheim durch die VEBA unterrichtet, und billigt sie die plötzliche Veräußerung, obschon den Bewohnern der Siedlung durch die Geschäftsführung des Konzerns der Fortgang der laufenden Verhandlungen zugesagt wurde? Wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit eine Überprüfung des Vorgangs bei dem Bundesunternehmen vornehmen und außerdem darlegen, welche Möglichkeiten sie sieht, daß die Siedlung unverändert als zeitgenössisches Baudenkmal erhalten bleibt und von den bisherigen Mietern bewohnt werden kann? Die Bundesregierung hat sich durch die VEBA umfassend über den Vorgang unterrichten lassen. Nach ihrer Darstellung hat die VEBA AG den Bewohnern wiederholt einen Einzelerwerb der Siedlungshäuser zu angemessenen Bedingungen nahegelegt; dies wurde jedoch nach Umfrage in der Siedlung abgelehnt. Auch der Erwerb durch die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Mülheim, mit der seit 1975 verhandelt worden war, scheiterte im Mai 1977 am Widerstand der Bewohner. Diese hatte die Absicht, die .Häuser zur Erhaltung des Siedlungscharakters nach einem einheitlichen Konzept zu modernisieren_ und den Bewohnern zum Kauf anzubieten. Nach Auskunft der VEBA war diese bereit, sodann anderweitige Verkaufsüberlegungen zunächst mit Rücksicht auf den Plan der Bürgerinitiative zurückzustellen, der den Erwerb der Siedlung durch eine von den Bewohnern zu gründende Genossenschaft vorsah. Die VEBA hat sich zum Verkauf an die Wohnungsbaugesellschaft erst entschlossen, als sich herausstellte, daß auch dieser Plan nicht zu realisieren war. Weitergehende Zusagen sind nach Auskunft der VEBA nicht gemacht worden. Was die Erhaltung der Siedlung als zeitgenössisches Baudenkmal angeht, kann die Bundesregierung mangels entsprechender Zuständigkeiten keinen Einfluß ausüben. Der Erwerber hat jedoch nach Auskunft der VEBA bestätigt, daß er keine Änderung der bestehenden Verhältnisse beabsichtigt. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Kreile (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 32 und 33) : Welche seit Juni 1976 ergangenen und im Bundessteuerblatt veröffentlichten Urteile des Bundesfinanzhofs werden von der Finanzverwaltung mit Zustimmung des Bundesfinanzministers über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet? Hält die Bundesregierung die Hohe des Vorwegabzugs bei den laufenden Sonderausgaben von 1 500 DM bzw. 3 000 DM jährlich im Hinblick auf die Höhe des steuerfreien Arbeitgeberbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung, zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung noch für verfassungsgemäß, wenn sie hierauf die Grund- Sätze des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1977 (1 BvR 265/75 — BStBl. 1977 II S. 526) zu den sogenannten Kinderadditiven bei getrennt Lebenden anwendet? Zu Frage B 32: Die folgenden seit Juni 1976 ergangenen und im Bundessteuerblatt veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs werden von der Finanzverwaltung mit Zustimmung des Bundesfinanzministers über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet: 1. BFH-Urteil vom 25. 6. 1976 — III R 167/73 (BStB1 II S. 728) Investitionszulage nach § 1 InvZulG für den Bauherrn von Ferienwohnungen (Nr. 3 des BMF-Schreibens vom 19.11.1976, BStBl I S. 645) 2. BFH-Urteil vom 28. 7. 1976 — I R 232/74 (BStBl 1977 II S. 144) Bewertungsfreiheit im Sinne von § 6 Abs. 2 EStG für Kanaldielen (BMF-Schreiben vom 11. 3. 1977, BStBl I S. 88) 3. BFH-Beschluß vom 16.9.1976 — V B 74/75 (BStB1 1977 II S. 188) Vorsteuerabzugsberechtigung in den Fällen der Gutschrifterstellung nach § 5 der 1. UStDV (BMF-Schreiben vom 4. 3. 1977, BStBl I S. 94) 4. BFH-Urteil vom 21. 10.1976 — IV R 210/72 (BStBl 1977 II S. 145) Veräußerung einer zum Privatvermögen eines Mitunternehmers gehörenden wesentlichen Beteiligung an die Personengesellschaft (BMF-Schreiben vom 7. 3. 1977, BStBl I S. 89) 5. BFH-Urteil vom 17.5.1977 — VI R 150/76 (BStBl II S. 735) Abfindungen wegen Auflösung des Dienstverhältnisses (BMF-Schreiben vom 3. 10. 1977, BStBl I S. 488) 6. BFH-Urteil vom 25. 2. 1977 - III R 90/76 (BStBl II S. 782) Investitionszulagen nach § 1 InvZulG 1969 für sich über mehrere Jahre erstreckende Investitionsvorhaben (BMF-Schreiben vom 4. 11. 1977, BStBl I S. 550) 7. BFH-Urteil vom 31. 3. 1977 - IV R 58/73 (BStBl II S. 823) Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Privatvermögen eines Gesellschafters (BMF-Schreiben vom 21. 11. 1933, BStBl I S. 618) 8. BFH-Urteil vom 2.9.1977 - VI R 114/76, BStBl 1978 II S. 26 9. BFH-Urteil vom 6.9.1977 -VI R 5/77, BStBl 1978 II S. 31 10. BFH-Urteil vom 6. 9. 1977 - VI R 165/77, BStBl 1978 II S. 32 Anerkennung von Mehraufwendungen aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung (BMF-Schreiben vom 10. 2. 1978, BStBl I S. 87) Bei fünf dieser Entscheidungen (Nrn. 3, 4, 8, 9 und 10) wirkt sich die Nichtanwendung zugunsten der Steuerpflichtigen aus. Seit Juni 1976 sind außerdem Anweisungen ergangen, die folgenden beiden - vor Juni 1976 ergangenen - BFH-Urteile nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden: - BFH-Urteil vom 23. 7. 1975 - I R 210/73 - BStBl 1976 II S. 180 Gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters einer Personengesellschaft (BMF-Schreiben vom 18. 10. 1976, BStBl I S. 632) - BFH-Urteil vom 12. 2. 1976 - IV R 188/74 - BStBl II S. 663 Entnahme eines privatgenutzten Grundstücksteils beim Übergang von der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich zur Überschußrechnung (BMF-Schreiben vom 3. 11. 1976, BStBl I S. 633, vom 25. 4. 1977, BStBl I S. 204). In beiden Fällen wirkt sich die Nichtanwendung zugunsten der Steuerpflichtigen aus. Zu Frage B 33: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geltende Regelung des Sonderausgabenabzugs für Selbständige können nach Auffassung der Bundesregierung nicht erhoben werden. Der von Ihnen zitierte Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1977 erklärt Vorschriften des Einkommensteuergesetzes insoweit für verfassungswidrig, als sie den geschiedenen, getrennt lebenden oder unverheirateten Elternteil, dem sein Kind nicht zugeordnet wird und der seiner Unterhaltszahlungspflicht nachkommt, von den kinderbedingten Vergünstigungen völlig ausschließen. Ein direkter Bezug dieser Entscheidung auf die von Ihnen angesprochene Frage ist nicht erkennbar. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), die das Bundesverfassungsgericht in der angeführten Entscheidung festgestellt hat, liegt hier nicht vor. Denn die steuerlich zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen von Arbeitnehmern und Selbständigen beruhen auf unterschiedlichen Vorsorgungssystemen. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Will-Feld (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 34 und 35) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß ein Weinbaubetrieb ein landwirtschaftlicher Betrieb und damit der Wein ein landwirtschaftliches Produkt ist, und wenn ja, warum wird der Wein umsatzsteuerlich bei der Durchschnittsbesteuerung des § 24 UStG nicht wie die übrigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse behandelt? Warum sieht der Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes 1979 keine Anpassung bei der Durchschnittsbesteuerung an die übrigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse vor? Zu Frage B 34: Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß ein Weinbaubetrieb ein landwirtschaftlicher Betrieb und daß Wein ein landwirtschaftliches Erzeugnis ist. Wein wird im Rahmen der Umsatzbesteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nach § 24 UStG nicht wie die übrigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse behandelt. Die Anwendung des für landwirtschaftliche Erzeugnisse geltenden Durchschnittssatzes (1978: 8 v. H.) auf die Umsätze von Wein würde zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen gegenüber gewerblichen Unternehmern führen. Weinbaubetriebe bewirken in nicht geringem Umfang Umsätze an Letztverbraucher. Die gleichen Umsätze unterliegen bei den gewerblichen Konkurrenten, insbesondere beim Einzelhandel, dem allgemeinen Steuersatz von 12 v. H. Um Wettbewerbsverzerrungen auszuschließen, hat der Gesetzgeber vornehmlich beim Absatz von Wein, aber auch bei anderen alkoholischen Getränken sowie Fruchtsäften vorgesehen, daß die .Lieferungen und der Eigenverbrauch dieser Getränke und alkoholischen Flüssigkeiten bei Anwendung des § 24 UStG dem Durchschnittssatz von 12 v. H. unterliegen. Zu Frage B 35: Da die genannten Wettbewerbsgesichtspunkte weiterbestehen, hat die Bundesregierung die Regelung des § 24 UStG unverändert in den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes 1979 übernommen. Diese Regelung steht auch im Einklang mit Artikel 25 der 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7017* Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Stercken (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 36) : Welche Gründe sind dafür maßgebend, daß ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland als Prämiensparer zugelassen, Grenzgänger mit erstem Wohnsitz in den Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland aber von dieser Möglichkeit ausgeschlossen sind? Nach den Vorschriften des Sparprämiengesetzes (§ 1 Abs. 1 SparPG) und des Wohnungsbauprämiengesetzes (§ 1 Nr. 1 WoPG) sind nur solche natürlichen Personen prämienberechtigt, die im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Das sind Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei mehrfachem Wohnsitz genügt ein Wohnsitz im Inland. Für die Prämienberechtigung ist die Staatsangehörigkeit des Sparers ohne Bedeutung. Es können deshalb ausländische Arbeitnehmer, wie z. B. Gastarbeiter, eine Prämie erhalten, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ausländische Arbeitnehmer, die wie sogenannte Grenzgänger im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründen, unterliegen im Inland nur mit ihren im Inland bezogenen Einkünften der Einkommensteuerpflicht (beschränkte Einkommensteuerpflicht). Das Besteuerungsrecht für ihr Gesamteinkommen steht grundsätzlich ihrem Heimatstaat zu. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es gerechtfertigt, die Grenzgänger nicht in die inländische Sparförderung einzubeziehen, sondern sie auf die Sparförderungsmaßnahmen ihres, Heimatstaates zu verweisen. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 37): Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß kommunale Kraftfahrzeuge, die beispielsweise zum Schneeräumen eingesetzt sind, von der Kfz-Steuer befreit sind, während landwirtschaftliche Zugmaschinen, die von Hause aus steuerbefreit sind, bei aushilfsweisem Einsatz beim kommunalen Schneeräumdienst der Steuerbegünstigung verlustig gehen? Nach § 2 Nr. 6 Buchstabe a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) ist das Halten von Zugmaschinen von der Steuer befreit, solange die Fahrzeuge ausschließlich in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden. Die Steuerbefreiung wird nicht gewährt, wenn ein Landwirt seine Zugmaschine im Auftrage einer Gemeinde vorübergehend zu anderen Zwecken, z. B. zur Schneeräumung, einsetzt. Eine hiervon abweichende Auslegung würde, da das Ausschließlichkeitsprinzip auch für die meisten anderen Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen gilt, zu unabweisbaren Berufungen führen und kann nicht befürwortet werden. Audi eine Billigkeitsregelung ist nach Auffassung der obersten Fi- nanzbehörden der Länder nicht vertretbar. Die Vorschrift des § 2 Nr. 6 KraftStG ist durch das Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteucrgeset- zes vom 17. März 1964 (BGBl. I S. 145) neu gefaßt worden. Bei den sehr eingehenden Beratungen ist der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages davon ausgegangen, daß die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck so weit wie nur möglich auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft beschränkt bleiben soll (Schriftlicher Bericht des Finanzaus- schusses; Drucksache IV/1960). Es kann deshalb nicht unterstellt werden, daß es den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft, wenn die Steuerbefreiung für eine landwirtschaftliche Zugmaschine infolge einer durch § 2 Nr. 6 KraftStG nicht gedeckten Verwendung verloren geht. Eine Billigkeitsregelung läßt sich auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, daß eine ausschließlich zur Straßenreinigung (Schneeräumung) verwendete Zugmaschine nach § 2 Nr. 3 a KraftStG steuerbefreit wäre, wenn sie von der Gemeinde selbst gehalten würde. Dem steht entgegen, daß die genannte Befreiungsvorschrift grundsätzlich auch für Fahrzeuge privater Halter gilt, bei diesen aber die Steuerbefreiung ausdrücklich auf Spezialfahrzeuge beschränkt. Diese eindeutige gesetzliche Regelung kann nicht durch eine Billigkeitsregelung für landwirtschaftliche Zugmaschinen umgangen werden. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß mit der Verwendung landwirtschaftlicher Zugmaschinen für gemeindliche Zwecke die Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 6 KraftStG nicht für immer verloren geht. Die Steuer ist vielmehr nur für die Dauer dieser Verwendung, allerdings jeweils für mindestens einen Monat zu entrichten. Da die anfallenden Steuerbeträge nach Auskunft der obersten Landesfinanzbehörden nur selten mehr als 50 DM für einen Monat betragen, wird von den Gemeinden erwartet werden können, daß sie den betroffenen Landwirten diese Beträge vergüten. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 38) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das Antragsverfahren zur Gasölverbilligung nach dem Gasöl-Verwendungsgesetz — Landwirtschaft wegen seiner komplizierten Regelung unnötige Härten für die Betroffenen zur Folge hat und einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordert, und — bejahendenfalls — wann beabsichtigt sie, einen Gesetzentwurf einzubringen, der das Antragsverfahren den Gegebenheiten und Bedürfnissen der landwirtschaftlichen Praxis entsprechend vereinfacht? Die Bundesregierung ist gegenwärtig mit der Frage befaßt, ob und in welchem Umfang das Gasölverwendungsgesetz — Landwirtschaft novelliert werden soll. Sie prüft in diesem Zasammenhang u. a., ob das derzeitige zweistufige Antragsverfah- 7018* Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 ren, das die Gewährung der Gasölverbilligung von der zuvor erfolgten Anerkennung der Verbilligungsberechtigung abhängig macht, und das Auszahlungsverfahren, das Abschlagszahlungen mit nachfolgender Verrechnung der Spitzenbeträge vorsieht, vereinfacht werden können. Eine Novellierung wird die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Praxis sowie der. Verwaltung in angemessener Weise berücksichtigen, um Härten für die betroffenen Landwirte und übermäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Ein Zeitpunkt für das Einbringen einer Gesetzesvorlage kann noch nicht genannt werden, da die Besprechungen zwischen den beteiligten Ministerien nicht beendet sind und Änderungsvorschläge auch mit den Bundesländern und den Verbänden abgestimmt werden müssen. Anlage 51 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Graf Huyn (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 39) : Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, welchen Zwecken der Besuch des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Emminger, in Prag diente? Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich der Präsident der Deutschen Bundesbank, Dr. Otmar Emminger, zu einem offiziellen Besuch der Notenbank der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik vom 16. bis zum 19. April 1978 in Prag aufgehalten hat. Bundesbankpräsident Dr. Emminger nahm eine seit längerer Zeit vorliegende Einladung des Präsidenten der Staatsbank der CSSR an. Derartige Besuche zwischen Präsidenten der Notenbanken sind international üblich. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Zeitel (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 40) : Ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch die Zahl der abgeschlossenen und anhängigen Rechtsmittelverfahren zum Bardepotgesetz ist und welche Sachverhalte den Hauptgegenstand der rechtlichen Auseinandersetzung bilden? Auf Ihre schriftliche Anfrage teile ich Ihnen mit, daß in Bardepotangelegenheiten 120 Gerichtsverfahren gegen die Deutsche Bundesbank angestrengt wurgen, die inzwischen abgeschlossen sind. Weitere 15 Verfahren sind noch anhängig, davon 4 beim Bundesverwaltungsgericht. Die abgeschlossenen Verfahren bezogen sich hauptsächlich auf die Abgrenzung der Altverbindlichkeiten (insbesondere bei roll-over-Krediten), auf die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung der Bardepotfreibeträge, auf die Begriffe der Kreditaufnahme im wirtschaftlichen Sinn und der mittelbaren Kreditaufnahme sowie auf die Bardepotpflicht bei vorzeitig eingezahlten Kapitalerhöhungsbeträgen. Die Bundesbank hat in mehr als 80 % aller Fälle obsiegt. Die verlorenen Prozesse betragen in der Hauptsache vorzeitige Einzahlungen auf das Gesellschaftskapital bei Gründung von Kapitalgesellschaften und Kapitalerhöhungen. In den schwebenden Verfahren geht es u. a. um die Rechtmäßigkeit der Bardepotnachhaltung (2 X), um mittelbare Kreditaufnahmen (4 X) und Zahlungsziele bzw. Importfinanzierungskredite (3 X). In 2 Verfahren werden Schadensersatzansprüche gegen die Deutsche Bundesbank wegen rechtswidriger Heranziehung zur Depothaltung geltend gemacht. Streitverfahren, die sich durch mehrere Instanzen hingezogen haben, wurden hierbei jeweils nur als ein Verfahren gezählt, ebenso mehrere Streitverfahren, die vom gleichen Kläger wegen des gleichen Sachverhalts nur deswegen angestrengt wurden, weil die Landeszentralbank für mehrere Monate getrennte Heranziehungsbescheide erlassen hatte. Verfahren über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO sind nur dann gesondert erfaßt worden, wenn nicht gleichzeitig oder später ein Hauptverfahren wegen desselben Sachverhalts angestrengt wurde. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 41): Sind die Kopfschlächter in privaten Schlachthäusern steuerrechtlich als Arbeitnehmer zu behandeln? Die Frage, ob Kopfschlächter in privaten Schlachthäusern als Arbeitnehmer zu behandeln sind, ist nach § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung zu entscheiden. Arbeitnehmer sind hiernach Personen, die aus einem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Das Dienstverhältnis wird dabei wie folgt beschrieben: Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung, ob ein Dienstverhältnis vorliegt, von dem Gesamtbild der tatsächlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten auszugehen. Mit der Frage einer zutreffenden steuerlichen Einordnung der Kopfschlächter hat sich bereits der Reichsfinanzhof und später der Bundesfinanzhof mehrfach auseinandergesetzt (RFH vom 12. Dezember 1924, . RStBl S. 1096; vom 30. September 1936, RStBl S. 1179; vom 19. März 1937, RStBl S. 623; BFH Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7019* vom 14. Januar 1965, BStBl III S. 185; vom 18. Mai 1961, HFR S. 283). Während in einigen Entscheidungen die Kopfschlächter als Arbeitnehmer der Schlachthof-Verwaltungen bezeichnet wurden, wurden in anderen Fällen die Schlächter als Mitunternehmer von Gesellschaften bürgerlichen Rechts angesehen. Dies zeigt, daß die Verhältnisse bei den Lohnschlächtern in den einzelnen Schlachthöfen sehr unterschiedlich liegen können. Sie können Unternehmer sein; sie können Angestellte des Metzgers sein, für den sie schlachten; sie können aber auch in den Betrieb des Schlachthofs derart eingegliedert sein, daß sie dessen Angestellte sind, auch wenn sie sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Eine für alle Lohnschlächter geltende Entscheidung über ihre Selbständigkeit oder Unselbständigkeit läßt sich deshalb nicht treffen. Die Frage muß vielmehr nach den vom Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhof herausgearbeiteten allgemeinen Merkmalen über die Selbständigkeit und Unselbständigkeit natürlicher Personen für jeden Einzelfall gesondert beantwortet werden. Die Verhältnisse des Ihrer Frage zugrundeliegenden Falles sind mir nicht bekannt. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 42 und 43) : Welche Erdgasmengen wurden nach dem Wissensstand der Bundesregierung von den international tätigen Mineralölgesellschaften in den letzten fünf Jahren in welche Verbraucherländer verkauft (Verkaufsmengen der einzelnen Mineralölgesellschaften in Milliarden Kubikmeter pro Jahr)? Kann die Bundesregierung mitteilen, wie sich die jährlichen Erdgaslieferungen der international tätigen Mineralölgesellschaften auf Grund abgeschlossener Lieferverträge und fester Planungen bis zum Jahr 1995 entwickeln werden und für welche Verbraucherländer diese Erdgaslieferungen vorgesehen sind, insbesondere, ob mit Lieferangeboten für die Bundesrepublik Deutschland von seiten dieser Gesellschaften gerechnet werden kann? Eine exakte quantitative Aufschlüsselung, welche Erdgasmengen von den international tätigen Mineralölgesellschaften weltweit in den letzten fünf Jahren bzw. in den nächsten 20 Jahren in welche Verbraucherländer verkauft werden, liegt der Bundesregierung nicht vor. In allen Ländern mit großen Erdgasreserven haben die Regierungen maßgeblichen Einfluß auf die Vermarktung des Erdgases durch Exporte. Das gilt nicht nur für Staatshandelsländer wie die UdSSR, sondern auch für den OPEC-Raum und westeuropäische Länder (insbesondere Niederlande und Norwegen). In aller Regel erfolgt die staatliche Einflußnahme auch durch konsortiale Beteiligungen von Unternehmen, die ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand sind. Eine Zurechnung der von solchen Konsortien verkauften Erdgasmengen auf einzelne internationale Mineralölgesellschaften ist daher kaum möglich. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kann nur etwa folgendes gesagt werden: 1. Die großen grenzüberschreitenden Pipelineprojekte in Westeuropa laufen ohne dominanten Einfluß internationaler Mineralölgesellschaften (Niederlande nach Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien; UdSSR bzw. Iran nach Osterreich, Deutschland, Frankreich). Im Nordseebereich ist ihr Einfluß allerdings größer. — An dem Verkaufskonsortium für Erdgas aus den norwegischen Ekofiskfeldern sind neben norwegischen Staatsgesellschaften vor allem die Phillips-Group (Phillips Petroleum, Petrofina, AGIP, ELF-Aquitaine, TOTAL, Eurofrep, Coparex und Cofranord) und für ein kleineres Feld (Albuskjell) daneben auch die Norske Shell beteiligt. Rund die Hälfte des im Ekofisk-Bereich geförderten Erdgases geht bis Ende der 90er Jahre in die Bundesrepublik, der Rest nach Frankreich, Belgien und in die Niederlande. — Das Erdgas aus dem Friggfeld im Grenzbereich zwischen britischem und norwegischem Schelf wird von einem Konsortium aus ELF-Aquitaine und Petronord nach Großbritannien geliefert. — Die Erschließung der Stratfjordfelder durch Norwegen und Großbritannien befindet sich erst in der Planungsphase. 2. Ein stärkerer Einfluß der internationalen Mineralölgesellschaften zeichnet sich auch beim Handel mit verflüssigtem Erdgas (LNG) ab. Die noch geringe Bedeutung dieses Teilmarktes wird in den Jahren, bis 2000 deutlich zunehmen, jedoch — im Gegensatz z. B. zu Japan — zumindest für Westeuropa den Umfang des Imports per Pipelines nicht erreichen. Auch hier wird aber der Einfluß international tätiger Mineralölgesellschaften hinter staatlichen Einflußnahmen auf Förderung und Vermarktung zurückstehen (z. B. Algerien, Nigeria, OPEC). Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hasinger (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 44) : Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß nach der Berufsfachschul-Anrechnungs-Verordnung vom 4. Juli 1972 Auszubildende, die die Handelsschule besucht haben (gleichwertig dem Realschulabschluß) lediglich einen Ausbildungszeitraum von zwei Jahren haben können, während Absolventen der zweijähri. gen Höheren Handelsschule nach der BerufsgrundbildungsjahrAnrechnungs-Verordnung vom 4. Juli 1972 drei Jahre ausgebildet werden können — soweit sie nicht vorher den Abschluß der zweijährigen Handelsschule haben —, und welche Maßnahmen ist die Bundesregierung bereit zu ergreifen, diese Ungereimtheit zu ändern? Nach § 2 der Berufsfachschul-Anrechnungs-Verordnung vom 4. Juli 1972 (BGBl I S. 1155) wird der erfolgreiche Besuch einer mindestens zweijährigen Berufsfachschule (z. B. Handelsschule) nur dann als erstes Jahr der Berufsausbildung auf die Ausbildungszeit angerechnet, wenn diese Schule zu einem dem Realschulabschluß gleichwertigen Abschluß führt. Die Absolventen einer zweijährigen Höheren Handelsschule besitzen aber bereits bei Eintritt in 7020* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 diese Schule die Fachoberschulreife und fallen deshalb nicht unter die vorgenannte Anrechnungs-Verordnung. Zwar wird von den Kammern als zuständige Stellen nach § 29 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes für diesen Personenkreis die Ausbildungszeit in der Regel um ein Jahr gekürzt, ein Rechtsanspruch — wie bei den Handelsschülern auf Grund der Anrechnungs-Verordnung — besteht aber nicht. Nach Erlaß der Berufsfachschul-Anrechnungs-Verordnung hat der Bund mit den Ländern Gespräche mit dem Ziele geführt, auch für Höhere Handelsschüler, Fachgymnasiasten und Fachoberschüler eine Anrechnungs-Verordnung zu erlassen. Wegen Vorbereitung der Neufassung der Berufsgrundbildungsjahr-Anrechnungs-Verordnung vom 4. Juli 1972 sind diese Bemühungen unterbrochen worden. Der Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft hat am 7. April 1978 im Koordinierungsausschuß Bund/ Länder für die Abstimmung von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen die Vertreter der Kultusministerien gebeten, die Bestrebungen zu unterstützen, eine Gleichbehandlung der Höheren Handelsschüler mit den Absolventen der zweijährigen Handelsschule sicherzustellen. Die Ländervertreter haben eine Prüfung und Stellungnahme zugesagt. Anrechnungs-Verordnungen und ihre Änderung bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Vogt (Düren) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 45): Teilt die Bundesregierung nach der Entscheidung des Berliner Kammergerichts in Sachen Werbeaktion für die Margarinemarke Rama die Auffassung, daß bestimmte Wettbewerbspraktiken eines marktbeherrschenden Unternehmens erst dann verboten werden können, wenn der Wettbewerb schwerwiegend beeinträchtigt ist, und welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entscheidung des Berliner Kammergerichts in Sachen Werbeaktion für die Margarinemarke Rama für eine Novellierung des Kartellgesetzes? Das Kammergericht hat mit seiner Entscheidung vom 14. April 1978 die einstweilige Anordnung des Bundeskartellamtes, mit der die Werbeaktion für die Marke Rama nach § 22 GWB untersagt worden war, wieder aufgehoben. Die schriftliche Begründung des Kammergerichts für seine Entscheidung liegt bisher noch nicht vor. Dem Bundeskartellamt hat das Gericht in einer fernmündlich übermittelten Kurzbegründung mitgeteilt, daß es zwar von einer marktbeherrschenden Stellung des betreffenden Margarineherstellers ausgegangen sei, einen Mißbrauch im Sinne von § 22 GWB jedoch nicht als erwiesen angesehen habe. Nach dieser Information läßt sich allerdings noch nicht beurteilen, welche Anforderungen das Gericht im einzelnen an die Voraussetzungen für eine kartellbehördliche Verbotsverfügung bei mißbräuchlichen Behinderungspraktiken gestellt hat. Die Bundesregierung hat ihre grundsätzliche Haltung zur Anwendung und Fortentwicklung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen in ihrer Stellungnahme vom 30. Juni 1977 zum ersten Hauptgutachten der Monopolkommission dargelegt (BT-Drucksache 8/702). Sie hat darin ihre mit der Monopolkommission übereinstimmende Auffassung bekräftigt, daß die Mißbrauchsaufsicht vorrangig gegen Behinderungsmißbrauch und Preisstrukturmißbrauch eingesetzt werden sollte, um in solchen Fällen machtbedingte Ungleichgewichte jedenfalls teilweise ausgleichen und damit die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb verbessern zu können. Die Bundesregierung ist sich der Problematik bewußt, die sich aus den bei der Mißbrauchsaufsicht notwendigen Beweisanforderungen einerseits und aus dem Erfordernis eines wirksamen Einschreitens gegen Verdrängungspraktiken andererseits ergeben kann. Wie in der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 angekündigt, schließt die beabsichtigte Novellierung des Kartellgesetzes auch eine Verbesserung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen ein. Ob sich hierbei aus der Rama-Entscheidung des Kammergerichts neue Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Neuregelung des Mißbrauchsbegriffs, insbesondere bei Behinderungspraktiken, ergeben, kann erst abschließend geprüft werden, wenn die schriftliche Begründung des Gerichts vorliegt. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schwörer (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 46, 47 und 48) : Wie beurteilt die Bundesregierung, daß in großen Mitgliedsländern in staatlichen oder staatlich gelenkten Betrieben Verluste, teilweise in Milliardenhöhe, aus der Staatskasse ausgeglichen werden, angesichts der Tatsache, daß nach den EG-Richtlinien nationale Subventionen untersagt sind? Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß darin schwerwiegende Wettbewerbsverzerrungen liegen? Was tut die Bundesregierung im Europäischen Ministerrat, um diese Verstöße gegen die EG-Regelungen abzustellen? Zu den Fragen B 46 und 47: Das Ausmaß der durch staatliche Beihilfen in einigen Sektoren verursachten Wettbewerbsverzerrungen gibt Anlaß zu ernster Sorge. Es besteht die Gefahr, daß in einigen Mitgliedsländern unrentable, überholte Produktionsstrukturen zu Lasten leistungs- und wettbewerbsfähiger Unternehmen in anderen EG-Ländern erhalten werden. In diesem Zusammenhang spielt die Subventionierung über staatliche Beteiligungen eine erhebliche Rolle. Zu Frage B 48: Die Bundesregierung hat sich stets entschieden gegen solche Subventionspraktiken ausgesprochen. Sie hat die EG-Kommission, die nach dem Vertrag darüber zu entscheiden hat, ob eine Beihilfe unter Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7021* das grundsätzliche Verbot des Art. 92 Abs. 1 EWGV fällt oder ob eine der in Art. 92 Abs. 2 und 3 vorgesehenen Ausnahmebestimmungen anwendbar ist, wiederholt aufgefordert, nachdrücklich gegen die Beihilfen vorzugehen. Die Kommission darf sich nicht darauf beschränken, die den Privatunternehmen gewährten Hilfen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Vertrag zu prüfen, sondern sie muß auch einschreiten, wenn der Wettbewerb — wie es in wichtigen Sektoren wie Stahl, Schiffbau, Chemiefasern usw. der Fall ist — dadurch verfälscht wird, daß der Staat die Verluste staatlicher oder halbstaatlicher Unternehmen übernimmt. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Blüm (CDU/CSU) : (Drucksache 8/1728 Fragen B 49 und 50) : Sieht die Bundesregierung in der „Rama"-Werbeaktion einen Verstoß gegen § 13 der Durchführungsverordnung zum Rabattgesetz? Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, von § 13 der Durchführungsverordnung zum Rabattgesetz Gebrauch zu machen und die „Rama"-Werbeaktion zu verbieten? Die Union Deutsche Lebensmittelwerke hat dem Bundesminister für Wirtschaft erklärt, daß sie die Werbeaktion kurzfristig auslaufen lassen werde. Die Werbeaktivitäten würden ab sofort drastisch reduziert werden, soweit dies technisch noch möglich ist. Vor allem die besonders werbewirksamen Hinweise auf diese Aktion im Rundfunk und Fernsehen würden ab sofort erheblich eingeschränkt werden. Die Auslieferung von Margarine an den Handel mit dem Hinweis auf die Treuvergütung werde ab 8. Mai 1978 eingestellt werden. Nach Erklärung des Unternehmens ist dieser Zeitraum notwendig, um Produktion und Vertrieb auf neutrale Packungen umzustellen und damit die kontinuierliche Versorgung mit 500-g-Rama-Bechern sicherzustellen. Der Einsendeschluß der Gutscheine für die Verbraucher bleibt unverändert. . Auf Grund dieser Maßnahmen der Union werden die befürchteten nachteiligen Folgen für die Wettbewerbsstruktur des Margarinemarktes wesentlich abgeschwächt und insgesamt die Aktion nach Art und Umfang eingeschränkt. Damit hat sich die Frage einer Verbotsverfügung des Bundesministers für Wirtschaft nach § 13 der 1. DVO zum Rabattgesetz erübrigt. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Gerstein (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 51 und 52) : Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, die in dem in der Frankfurter Neuen Presse vom 29. März 1978 veröffentlichten Ergebnis einer von der amerikanischen Rockefeller-Stiftung finanzierten Studie führender Experten aus fünf großen Verbraucherländern zum Ausdruck kommt, worin vor den katastrophalen Folgen einer Öl- und allgemeinen Rohstoffknappheit in den 80er Jahren gewarnt wird und sogar ein Krieg um die Rohstoffquellen nicht ausgeschlossen wird, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Studie für ihre eigene Energiepolitik, insbesondere bezüglich der Substitutionsmöglichkeiten des Erdöls? Die Bundesregierung weist bereits seit langem auf die Risiken hin, die angesichts der Begrenztheit der Reserven der fossilen Energieträger, vor allem des Mineralöls, und der weltweit weiter steigenden Energienachfrage auch für unsere Energieversorgung bestehen. Über diese langfristigen Tendenzen der Energiemarktentwicklung herrscht heute weitgehend Übereinstimmung. Die in der Frage angeführten Ergebnisse der von der Rockefeller-Stiftung finanzierten Studie decken sich insofern mit den bekannten und allgemein akzeptierten Prognosen. Die Energiepolitik der Bundesregierung trägt diesen langfristigen Tendenzen Rechnung. Schwerpunkt der im Dezember 1977 verabschiedeten 2. Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung ist es folgerichtig, den langfristigen Zuwachs der Energienachfrage zu verringern, den Anteil der besonders risikoreichen Energieträger, besonders des Mineralöls, zurückzudrängen und das Angebot zur Dekkung der Nachfrage zu verbreitern und zu sichern. Die konkreten Maßnahmen, mit denen diese Ziele auf nationaler und internationaler Ebene angestrebt werden, sind in der 2. Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung dargestellt. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage B 53): Wie lange haben inzwischen die Arbeiten an dem Entwurf einer Verordnung gemäß § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes gedauert, und wann ist mit ihrer Verkündung zu rechnen? Bei der von Ihnen angesprochenen Frage handelt es sich um die seit mehr als einem Jahr laufenden Arbeiten an der sog. Bundesartenschutzverordnung nach § 22 Abs. 4 BNatSchG. Diese Verordnung bildet eine wichtige Grundlage für die Import-Export-Verordnung nach § 23 BNatSchG, für die z. Z. Material gesammelt wird. Die Arbeit an der neuen, sehr umfassenden Artenschutzverordnung nach § 22 BNatSchG ist sehr mühsam und zeitraubend. Dies ist u. a. begründet in der hohen Zahl der einheimischen gefährdeten Pflanzen und Tierarten, den unterschiedlichen Gefährdungsgraden und -ursachen, den unterschiedlichen Interessen der Betroffenen und der Verwaltungen sowie in der Notwendigkeit, eine praktikable Lösung zu finden. Nach Vorlage mehrerer Entwürfe und ihrer Erörterung in zahlreichen Besprechungen konnte jedoch inzwischen eine weitgehende Übereinstim- 7022* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 mung mit den zuständigen Fachleuten der Länder erzielt werden. Es bestehen daher gute Aussichten für einen Erlaß der Verordnung noch in diesem Jahr. Zur Import-Export-Verordnung nach § 23 BNatSchG ist jedoch anzumerken, daß der international bedeutsame Handel mit gefährdeten Pflanzen und Tierarten sowie deren Teilen und hieraus gewonnenen Erzeugnissen bereits durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen mittels Handelsverboten und -kontrollen geregelt ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Übereinkommen als erster Mitgliedstaat der EG ratifiziert. Es ist seit dem 10. 6. 1976 in Kraft. Der nationalen ImportExport-Verordnung nach § 23 BNatSchG kommt daher nur eine ergänzende Funktion zu. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Höpfinger (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 54 und 55) : Bestehen die Gründe, die die Bundesregierung vor einigen Jahren veranlaßt haben, den Naturparkvereinen keine Zuschüsse mehr zu gewähren, fort? Beabsichtigt die Bundesregierung in den Fällen, in denen das Bundesland, in dem der Naturpark gelegen ist, 50prozentige Zuschüsse zu den Kosten des Einrichtungsplans für einen Naturpark gewährt, zur Restfinanzierung beizutragen oder Maßnahmen der Naturparkvereine aus dem Konjunkturförderungsprogramm zu bezuschussen? Zu Frage B 54: Ihre Frage geht von einer Voraussetzung aus, die nicht besteht. Der Verein Naturschutzpark e. V., Hamburg, erhält — wie in den Vorjahren — auch 1978 wieder einen projektbezogenen Zuschuß des Bundes in Höhe von 30 000 DM zur Pflege des internationalen Erfahrungsaustausches im Zusammenhang mit Fragen der Errichtung und Unterhaltung von Naturparken. Zu Frage B 55: Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit Haushaltsmittel für Naturparke ohne ausdrückliche fachgesetzliche Grundlage und zuletzt nur im Vorgriff auf die erwartete Finanzierungsregelung des Bundesnaturschutzgesetzes zur Verfügung gestellt. Der Bundesrat hat dann die vom Deutschen Bundestag in Übereinstimmung mit der Bundesregierung vorgesehene gesetzliche Finanzierungsvorschrift abgelehnt, wonach der Bund Mittel für die Förderung von Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege bereitstellt, sofern dies im gesamtstaatlichen Interesse liegt oder der Erfüllung internationaler Verpflichtungen dienlich ist. Angesichts dieser Lage hat die Bundesregierung seither davon abgesehen, Mittel für die Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege und damit auch von Naturparken bereitzustellen. Auch der Deutsche Bundestag hat sich bei der Beratung des Bundeshaushalts 1978 nicht entschließen können, einem Antrag aus seiner Mitte zu entsprechen, wonach für die Förderung von Naturparken zumindest zwei Millionen DM veranschlagt werden sollten. Da im übrigen auch die zur Zeit laufenden Konjunkturförderungsprogramme keine Mittel für derartige Zwecke vorsehen, kann sich die Bundesregierung derzeit nicht an der Finanzierung von Naturparken beteiligen. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 56 und 57): Was ist bisher geschehen, um den Arbeitskräftebedarf des Beherbergungs- und Gaststättengewerbes zu decken, und wie wird der Begriff der Zumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme in diesem Bereich für Arbeitsuchende interpretiert, die bisher nicht in diesem Bereich tätig waren? Was ist unternommen worden, um sicherzustellen, daß der Arbeitskräftebedarf des Beherbergungs- und Gaststättengewerbes auch in der Ferienzeit gedeckt ist, und was wird geschehen, wenn die Bundesanstalt für Arbeit diese Aufgabe trotz der bestehenden Millionenarbeitslosigkeit nicht bewältigen sollte? Zu Frage B 56: Ende März 1978 überstieg auch im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe die Zahl der Arbeitslosen die Zahl der offenen Stellen erheblich. Den Arbeitsämtern waren zu diesem Zeitpunkt nur 10 537 offene Stellen für Gästebetreuer, aber 17 968 Arbeitslose und weitere 2 913 Arbeitsuchende aus diesen Berufen gemeldet. Der von den Berufsverbänden des Hotel- und Gaststättengewerbes angegebene Kräftebedarf, der zu einem guten Teil nur auf Schätzungen beruht, liegt allerdings erheblich höher. Die Bundesanstalt für Arbeit und ihre Dienststellen können aber nur zur Besetzung derjenigen offenen Stellen tätig werden, die ihr von den Arbeitgebern gemeldet worden sind. Die Bundesanstalt für Arbeit hat daher Verbindung mit dem Deutschen Hotel-und Gaststättenverband e. V. — DEHOGA — aufgenommen, um eine möglichst lückenlose Meldung der offenen Stellen zu erreichen. Für die Vermittlung von Arbeitnehmern in das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe unterhält die Bundesanstalt für Arbeit die Zentrale und Internationale Fachvermittlungsstelle für Hotel- und Gaststättenpersonal in Frankfurt. Daneben bestehen regionale Fachvermittlungsstellen in Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Wiesbaden, Baden-Baden, Nürnberg und München. Die Bundesanstalt für Arbeit hat ihre nachgeordneten Dienststellen mehrmals angewiesen, alle Möglichkeiten zur Vermittlung von Arbeitsuchenden in das Hotel- und Gaststättengewerbe auszuschöpfen und verstärkt auch Studenten, Schülern und anderen Personen, die eine zeitlich befristete Beschäftigung suchen, Tätigkeiten in der Gastronomie anzubieten. Sie hat ferner darauf hingewiesen, daß für arbeitslose Leistungsempfänger grundsätzlich auch eine Beschäftigung in diesem Wirtschaftszweig zumutbar ist. Hierbei sind allerdings — wie stets bei Fragen der Zumutbarkeit — die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berück- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7023* sichtigen. Beispielsweise kann eine Beschäftigung im Hotel- und Gaststättengewerbe wegen der besonderen Lage der Arbeitszeit für den Arbeitnehmer unzumutbar sein, etwa wenn eine alleinstehende Arbeitslose aufsichtsbedürftige Kinder zu betreuen hat und während der in Betracht kommenden Arbeitszeit keine Betreuungsperson zur Verfügung steht oder wenn beide Ehegatten berufstätig sind und die Arbeitszeit jeweils in die Freizeit des anderen Ehegatten fällt, so daß ein Familienleben nicht mehr geführt werden kann. Die Bundesanstalt für Arbeit fördert auch die Teilnahme an Kursen zur Umschulung Arbeitsloser in Hotel- und Gaststättenberufe. Die Arbeitgeber des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie ihre Verbände haben die Möglichkeit, derartige Umschulungskurse einzurichten. Der überregionale Vermittlungsausgleich zur Besetzung offener Stellen, die in einem Arbeitsamtbezirk mit den vorhandenen Arbeitsuchenden nicht besetzt werden können, wurde kürzlich verbessert. Im Interesse einer wirksameren Vermittlung werden jetzt nicht mehr Arbeitsuchende für den überregionalen Ausgleich gemeldet, sondern offene Stellen im Rahmen des Ausgleichs anderen Arbeitsämtern bekanntgegeben. Damit ist sichergestellt, daß zahlreichen Arbeitsuchenden offene Stellen des Hotel-und Gaststättengewerbes bekannt werden. Zu Frage B 57: Auch dem erhöhten Arbeitskräftebedarf in der Ferienzeit wird mit den dargestellten Maßnahmen Rechnung getragen. Sollte der Arbeitskräftemangel in der Ferienzeit andauern, so werden die Betriebe des Hotel- und Gaststättengewerbes, die in der Ferienzeit saisonale Beschäftigungsspitzen aufweisen, nicht umhinkommen, die Gesamtkonditionen der Beschäftigung den Bedingungen in der übrigen Wirtschaft anzupassen, um die Ausübung einer Tätigkeit im Hotel-und Gaststättengewerbe attraktiver zu machen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schreiber (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen B 58, 59 und 60) : Wieviel Arbeitsplätze sind im Rahmen des ABM-Programms der Bundesregierung im Bereich der öffentlichen Hand bisher genehmigt, und wieviel genehmigte Arbeitsplätze sind tatsächlich besetzt worden? Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, wie viele bereits für eine ABM-Maßnahme vermittelte Personen schließlich nicht eingestellt wurden, und welches die hauptsächlichen Gründe hierfür waren? Kann die Bundesregierung bestätigen, daß viele im Rahmen des ABM-Programms geschaffene Arbeitsplätze im Bereich der öffentlichen Band auf Grund eines zu langwierigen und überbürokratisierten Einstellungsverfahrens nicht besetzt werden, und sieht sie gegebenenfalls Möglichkeiten, diesem Mißstand durch eine Verkürzung und Vereinfachung des Einstellungsverfahrens abzuhelfen? Als Allgemeine Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung (ABM) werden zusätzliche, im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten, nicht aber bestimmte Arbeitsplätze gefördert. Die Bundesanstalt für Arbeit erfaßt deshalb die Zahl der in ABM tatsächlich beschäftigten, zugewiesenen Arbeitnehmer und — seit Mai 1977 — die Zahl der Zuweisungen in ABM. 1977 waren durchschnittlich 37 754 zugewiesene Arbeitnehmer in ABM beschäftigt, 52 699 Arbeitnehmer wurden in der Zeit von Mai bis Dezember 1977 in ABM zugewiesen. Die öffentliche Hand ist erfahrungsgemäß beim weitaus größten Teil der ABM Träger der Maßnahme. Die Zahl der in ABM zugewiesenen Personen, die vom Träger oder Unternehmer nicht eingestellt werden, wird nicht statistisch erfaßt. Die Gründe, weshalb zugewiesene Arbeitnehmer nicht eingestellt werden, dürften weitgehend denen bei Vermittlungen außerhalb von ABM entsprechen. Der Bundesregierung ist nur von einem öffentlich-rechtlichen Träger außerhalb der Bundesverwaltung bekannt, daß bei ihm das Einstellungsverfahren längere Zeit in Anspruch nimmt. Sie könnte jedoch nur bei Bundesbehörden auf eine Beschleunigung des Einstellungsverfahrens hinwirken. Dafür bestand aber bislang keine Veranlassung. Schließlich liegt es im eigenen Interesse des Trägers oder Unternehmens, die Einstellung zügig durchzuführen, da für jede Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine Förderungsfrist festgelegt wird. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 61) : Wie erklärt die Bundesregierung die unterschiedlichen Aussagen zum Problem der Anrechnung von Ersatzzeiten, die durch Militärzeit und Kriegsgefangenschaften entstanden sind, nachdem vom Parlamentarischen Staatssekretär Buschfort auf Fragen des Abgeordneten Wüster (Drucksache 8/1612, Stenographischer Bericht vom 15. März 1978, Seite 6330/31) unter anderem erklärt wurde, daß grundsätzlich keine Nachteile in der Bemessung der Rentenhöhe für diesen Personenkreis entstehen, in dem Bericht der Bundesregierung (Drucksache 7/3054) aber gesagt wurde, daß außer den Nachteilen aus der Bewertung der Ersatzzeiten auch noch andere Nachteile für Heimkehrer aus dem Bestehen von Ersatzzeiten entstehen können, und welche Angaben lassen sich darüber im einzelnen machen? Zwischen meiner Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Wüster (Drucksache 8/1612, Stenographischer Bericht vom 15. März 1978 S. 6330/6331) und den Aussagen im Bericht der Bundesregierung über die Beseitigung etwaiger Nachteile in der Rentenversicherung bei Personen mit langen Zeiten des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft vom 2. Januar 1975 — Drucksache 7/3054 — gibt es keinen Widerspruch. Die Antwort an Herrn Kollegen Wüster muß im Zusammenhang mit seiner Frage gesehen werden, in dieser war ausschließlich die Bewertung anrechenbarer Ersatzzeiten angesprochen. Insoweit bestätige ich meine Aussage, daß die ehemaligen 7024* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Kriegsteilnehmer und Kriegsgefangenen durch die geltenden Vorschriften über die Bewertung der Ersatzzeiten grundsätzlich nicht benachteiligt werden. Es trifft zu, daß in dem von mir bereits zitierten Bericht der Bundesregierung auch andere Sachverhalte aufgezeigt sind, aus denen sich — jedenfalls aus der Sicht der Betroffenen — für die ehemaligen Kriegsteilnehmer und Kriegsgefangenen Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben können. Abgesehen davon, daß die Zahl der Personen, bei denen derartige Sachverhalte vorliegen, nicht groß ist — wie auch in dem Bericht dargelegt wird —, bedürfte die Charakterisierung dieser Sachverhalte als Nachteile noch in jedem Einzelfall der besonderen sozialpolitischen Würdigung. Im Vergleich zu der Frage der Bewertung der Ersatzzeiten haben diese Sachverhalte — auch im Bewußtsein der Betroffenen — nur eine geringere Bedeutung. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Weißkirchen (Wiesloch) (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen B 62 und 63) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Wunsch der Länderministerpräsidenten (laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom 23. März 1978), die Vorschläge der Bund-Länder-Kommission zur Fortentwicklung einer umfassenden Konzeption der Ausländerpolitik noch einmal mit dem Bundeskanzler zu erörtern, obwohl die Bund-Länder-Kommission das Gesamtkonzept bereits einstimmig beschlossen hatte? Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, auf eine schnelle Reform des rechtlichen Status der ausländischen Arbeitnehmer hinzuwirken, wie sie in den Vorschlägen der BundLänder-Kommission in der Frage der Integration der ausländischen Mitbürger enthalten sind? Die von der Bund-Länder-Kommission zur Fortentwicklung einer umfassenden Konzeption der Ausländerbeschäftigungspolitik am 28. Februar 1977 verabschiedeten Vorschläge sind auch von der Länder-Arbeitsministerkonferenz am 25. April 1977 und von der Länder-Innenministerkonferenz am 22./ 23. Juni 1977 gebilligt worden. Ein Wunsch der Ministerpräsidenten der Länder, mit dem Herrn Bundeskanzler die Konzeption der Bund-Länder-Kommission zu erörtern, ist nicht bekannt. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Hauck (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen B 64 und 65) : Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob Computerbildschirmgeräte, wie sie jetzt in vielen Firmen eingeführt werden, Röntgenstrahlung oder sonstige gefährliche Strahlung außerhalb des sichtbaren Wellenlängebereichs aussenden, und ist sie gegebenenfalls bereit, Untersuchungen darüber anzustellen, welche Strahlenbelastung und damit verbundene gesundheitliche Schäden bei Personen auftreten können, die in der Nähe eines solchen Geräts arbeiten? Fallen solche Bildschirme unter die Röntgenverordnung, und wenn nein, wird die Bundesregierung bei einem entsprechenden Ergebnis der Untersuchungen diese Bildschirme in die Röntgenverordnung aufnehmen? Zu Frage B 64: Fernsehgeräte und Computer-Bildschirmgeräte unterliegen den Vorschriften der Röntgenverordnung. In dieser Verordnung ist festgelegt, daß derartige Geräte keine Röntgenstrahlen in gesundheitsgefährdender Dosis ausstrahlen dürfen. Auf Grund der unterschiedlichen Höhe der Beschleunigungsspannung kann das Problem nur bei Farbfernsehgeräten auftreten. Seit Inkrafttreten der Röntgenverordnung im Jahre 1973 sind von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig, über 400 verschiedene Typen von Bildschirmgeräten überprüft worden. In keinem Fall wurde der nach der Röntgenverordnung zulässige Höchstwert an Röntgenstrahlung an der berührbaren Oberfläche des Gerätes erreicht. Zu Frage B 65: Neben der Typenprüfung durch die PhysikalischTechnische Bundesanstalt muß der Hersteller nach den Vorschriften der Röntgenverordnung die laufende Produktion auf Einhaltung der höchstzulässigen Strahlenwerte kontrollieren. Eine Gefährdung der Arbeitnehmer, die an Bildschirmgeräten arbeiten, durch Röntgenstrahlen ist wegen der vorgeschriebenen Maßnahmen nicht zu befürchten. Eine Schädigung der Gesundheit an Bildschirmarbeitsplätzen durch andere Strahlenarten ist nicht möglich. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. van Aerssen (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 66, 67 und 68) : Wie beurteilt die Bundesregierung die zunehmende Kritik an den gegenwärtig angewandten statistischen Methoden zur Ermittlung der Arbeitslosen, die vor allem auch von maßgebenden Leuten aus der Bundesanstalt für Arbeit geübt wird, und welche Folgerungen zieht sie daraus? Ist die Bundesregierung bereit, die gegenwärtige Arbeitslosenstatistik, die zwar im internationalen Vergleich hoch entwickelt ist, dahin gehend zu verändern, daß mehr Transparenz und mehr Information über das tatsächliche Arbeitslosenpotential erfolgt? Wie steht die Bundesregierung zur Einführung einer Fortschreibestatistik, die den Vorteil hätte, nicht nur über den Arbeitslosenbestand auszusagen, sondern auch über alle in einem Zeitraum von der Arbeitslosigkeit Betroffenen und die Dauer der Arbeitslosigkeit? Zu Frage B 66: Die Arbeitsmarktstatistik der Bundesanstalt für Arbeit liefert eine Fülle von aktuellen Bestands- und Bewegungsdaten zur Beurteilung der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung betrachtet Äußerungen über die Arbeitsmarktstatistik nicht als Kritik an den gegenwärtig angewandten statistischen Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 3025* Methoden, sondern vor allem als Beiträge zur Gewinnung zusätzlicher Informationen über den Arbeitsmarkt. Zu Frage B 67: Die Bundesanstalt für Arbeit hat nach Absprache mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bereits Ende 1976 eine weitergehende Aufgliederung der aktuellen monatlichen Bestandszahlen der Arbeitslosen vorgenommen. Dadurch wurde mehr Transparenz und ein differenzierteres Bild in der monatlichen Arbeitsmarktberichterstattung erreicht. Dem gleichen Zweck dienen auch die zahlreichen Untersuchungen über Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, deren Ergebnisse die Bundesanstalt für Arbeit in den „Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung" veröffentlicht. Zu Frage B 68: Die halbjährlichen Sonderuntersuchungen der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeitslosen geben bereits eine sehr tiefgegliederte Information u. a. auch über die Dauer und das Risiko der Arbeitslosigkeit. In Heft 1 aus 1978 (Seite 58 ff.) der Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit wird die Dauer der Arbeitslosigkeit getrennt für Männer, Frauen, Deutsche, Ausländer, Arbeiter, Angestellte, Schwerbehinderte, nach der Berufsausbildung, Berufen, Wirtschaftszweigen sowie für Altersgruppen der Arbeitslosen ausgewiesen. In den Sonderuntersuchungen wird auch festgestellt, wie oft ein Arbeitsloser in einem zurückliegenden Zeitraum arbeitslos gewesen ist. Das Risiko, arbeitslos zu werden und die Dauer der Arbeitslosigkeit werden demnach bereits mit dem derzeitigen statistischen Instrumentarium transparent. Noch ausführlichere Ergebnisse könnten mit einer vollständigen Übernahme der Arbeitslosendatei auf elektronisch lesbare Datenträger erreicht werden. Hierbei muß jedoch Aufwand und zusätzlicher Nutzen einer entsprechenden Umstellung der Arbeitsmarktstatistik sorgfältig abgewogen werden. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Schleicher (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 69) : Beabsichtigt die Bundesregierung, in absehbarer Zeit das Ladenschlußgesetz zu liberalisieren, und wenn ja, in welchem Umfang und wann ist mit einer entsprechenden Vorlage zu rechnen? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, eine Änderung der Ladenöffnungszeiten vorzuschlagen. Das geltende Ladenschlußgesetz ist ein Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Interessen des Einzelhandels, der dort beschäftigten Arbeitnehmer und der Verbraucher. Es stellt zwar für keine der drei Seiten eine optimale Lösung dar. Eine bessere Lösung, die alle Seiten befriedigen würde, ist aber bisher nicht gefunden worden. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 70 und 71): Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der Diskussion um die Zulässigkeit der Aussperrung auf die wirtschaftliche Entwicklung, und welche Folgerungen zieht sie daraus? Hat auch die Bundesregierung den Eindruck, daß durch die Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, wonach die Aussperrung nur „derzeit" eine zulässige Kampfmaßnahme im Rahmen tarifpolitischer Auseinandersetzungen sei, Verunsicherungen entstanden sind, und was unternimmt die Bundesregierung gegebenenfalls, um diesen Verunsicherungen entgegenzuwirken? Zu Frage B 70: Ich möchte darauf hinweisen, daß die Aussperrung in der Zeit seit 1945 insgesamt keine große Bedeutung im Arbeitsleben hatte. Es ist daher nur natürlich und legitim, daß die Aussperrungsmaßnahmen der jüngsten Zeit Erörterungen über dieses Arbeitskampfmittel in der Offentlichkeit, insbesondere in interessierten Arbeitnehmerkreisen, ausgelöst haben. Nach Auffassung der Bundesregierung haben diese Diskussionen keine Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Zu Frage B 71: Ich habe auf die von Ihnen genannten Fragen der Abgeordneten Kirschner (Bundestags-Drucksache 8/1689 Nr. A 58) und Engelsberger (Bundestags-Drucksache 8/1689 Nr. A 62) die geltende Rechtslage zur Aussperrung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erläutert. Dabei habe ich ausgeführt, daß das Bundesarbeitsgericht die Aussperrung für eine zulässige Arbeitskampfmaßnahme hält, während die weitergehende Frage, ob die Aussperrung auch verfassungsrechtlich gewährleistet ist — d. h., ob der Gesetzgeber die Aussperrung verbieten oder wesentlich beschränken darf —, vom Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1975 ausdrücklich offengelassen worden ist; in dieser Entscheidung geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß die Aussperrung nach geltendem Recht zulässig ist (vgl. Stenogr. Bericht über die 83. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. April 1978, S. 6606 und S. 6607). Es ist nicht ersichtlich, inwieweit aus einer zutreffenden Darstellung der geltenden Rechtslage Verunsicherungen entstehen könnten. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kuhlwein (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage B 72): 7026* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Sozialstationen und Wohlfahrtsverbände nicht über ausreichendes Personal verfügen, um nach den geltenden Anforderungen des § 185 RVO die häusliche Krankenpflege sicherzustellen, und ist die Bundesregierung bereit, eine Änderung des § 185 RVO in dem Sinne vorzulegen, daß die Leistungen der häuslichen Krankenpflege über den dort bezeichneten Personenkreis hinaus auch von Angehörigen anderer pflegerischer Berufe mit einer entsprechenden Ausbildung erbracht werden können? Die Bundesregierung hat die Probleme, die Sie in Ihrer Frage ansprechen, eingehend geprüft. Sie ist der Auffassung, daß der Kreis der Personen, die zur Erbringung häuslicher Krankenpflege herangezogen werden können, sachgerecht erweitert werden sollte. Sie hat deshalb in dem Referentenentwurf zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, der vor kurzem den beteiligten Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet worden ist, eine entsprechende Änderung des § 185 RVO vorgeschlagen. Damit soll auch einem Anliegen der Wohlfahrtsverbände weitgehend Rechnung getragen werden. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Nordlohne (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 73 und 74): Welches sind die neuesten Verhandlungsergebnisse seitens der Bundesregierung hinsichtlich der für 1979/1980 geplanten Auflösung der Waffenschule 10 auf dem NATO-Flugplatz Upjever? Besteht hinsichtlich der Erhaltung der zivilen Arbeitsplätze bei der Waffenschule 10 die Möglichkeit, daß Upjever Standort der zweiten Ausbildungsstufe für das Tornadosystem werden könnte? 1. Die F-104-Ausbildung in Upjever beginnt im Jahre 1979 auszulaufen. Als Folge ist die WaSLw 10 bis voraussichtlich 1980 aufzulösen. Der NATO-Flugplatz wird dann Drehscheibe für die fliegenden Kampfverbände F-4F/ RF-4E. In der Waffensystem-Werft F-4 wird die Instandsetzung der Luftfahrzeuge F-4F und RF-4E in den Materialerhaltungsstufen 1-4 durchgeführt. Durch die Drehscheibenfunktion für F/ RF-4 in Upjever wird es möglich, von den bei Auflösung der WaSLw 10 sonst verlorengehenden 357 zivilen Arbeitsplätzen 213 Dienstposten zu erhalten. 144 Dienstposten werden jedoch entfallen. Um Härten für das betroffene Zivilpersonal zu vermeiden, ist ein Bündel von Sozialmaßnahmen erarbeitet worden, die u. a. nach Ausschöpfen von Unterbringungsmöglichkeiten in Nachbarstandorten auch die Umwandlung von bisher Soldaten vorbehaltenen Dienstposten in zivile Stellen vorsehen. 2. Eine Nutzung von Upjever als Standort der zweiten Ausbildungsstufe für das Waffensystem Tornado kann nicht realisiert werden, da der für die gemeinsame Ausbildung mit den anderen Tornado-Partner-Ländern erforderliche Luftübungsraum und die notwendige Schießplatzkapazität in der Bundesrepublik nur unter Schwierigkeiten zur Verfügung gestellt werden können. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf das Problem der Lärmbelastung, das für die Offentlichkeit in Jever/Schortens stets von besonderer Bedeutung ist. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hammans (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 75 und 76): Wie steht die Bundesregierung zu den Äußerungen des Justitiars des Bundesgesundheitsamts, Dr. Lewandowski, am 17. Februar 1978 anläßlich eines Managementseminars, daß in Abweichung vom Arzneimittelgesetz beabsichtigt ist, Exportzulassungen ohne Inlandszulassungen, Teilzulassungen bzw. vorbehaltliche Zulassungen sowie ein 2-Phasen-Zulassungsverfahren einzuführen, wobei nach der ersten Mängelrüge bei weiteren Beanstandungen der Arzneimittelzulassungsantrag kostenpflichtig abgewiesen werden soll, obwohl dies alles im Arzneimittelgesetz nicht vorgesehen ist? Beabsichtigt die Bundesregierung, den Schutz des Patienten bei klinischer Prüfung abzubauen, da der Justitiar des Bundesgesundheitsamts am 17. Februar 1978 anläßlich eines Managementseminars die Untersuchungen des Strafrechtlers Prof. Dr. Fincke — unter welchen Voraussetzungen der kontrollierte klinische Versuch den Strafrechtstatbestand des vorsätzlichen Totschlags erfüllt — mit der Bezeichnung „juristische Eintagsfliege" abzuqualifizieren versucht haben soll, um die vielfach diskutierten, ethischen und strafrechtlichen Bedenken bei der Durchführung kontrollierter klinischer Versuche abzuschwächen? Zu Frage B 75: Die Zulassung, die das Bundesgesundheitsamt nach § 25 des Arzneimittelgesetzes erteilt, berechtigt zum Vertrieb des zugelassenen Arzneimittels im Geltungsbereich des Gesetzes. Eine Exportzulassung ist nicht vorgesehen, weil sich das Arzneimittelgesetz den allgemeinen Grundsätzen des deutschen öffentlichen Rechts entsprechend auf die Regelung des Inlandmarktes beschränkt. Ein pharmazeutischer Unternehmer, der Arzneimittel exportieren will, ohne sie auch im Geltungsbereich des Gesetzes in den Verkehr bringen zu wollen, ist jedoch nicht gehindert, die Zulassung zu beantragen. Es kann zweifelhaft sein, ob der Antragsteller einen Bearbeitungsanspruch hat. In der Praxis des Bundesgesundheitsamtes unter der Geltung des Arzneimittelgesetzes 1961 sind entsprechende Anträge beschieden worden. Einen gleichwertigen Prüfungs-, Qualitäts- und Sicherheitsstandard bei den für den Export wie bei den für den Inlandsvertrieb bestimmten Präparaten vorausgesetzt, dürften gegen eine Fortführung dieser Praxis auf Grund der berechtigten Exportinteressen der deutschen Industrie auch unter der Geltung des neuen Arzneimittelgesetzes keine Bedenken bestehen. Zulassungsanträgen kann auch teilweise oder unter Vorbehalten bzw. mit Auflagen entsprochen werden. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aus den Bestimmungen des § 25 Abs. 2 i. V. m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Liegen nämlich die Zulassungsvoraussetzungen nur zum Teil vor, würde die uneingeschränkte Versagung gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Die Zulassung unter Auflagen ist nach § 28 Abs. 1 Arzneimittelgesetz gerechtfertigt, Zulassungen unter Vorbehalt nach § 28 Abs. 3 i. V. m. § 30 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7027 Abs. 2 Nr. 2 Arzneimittelgesetz und § 49 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Das Zweiphasen-Zulassungsverfahren soll sicherstellen, daß die vom Gesetz vorgesehene Frist von 4 Monaten für die Durchführung des Zulassungsverfahrens eingehalten werden kann. Es liegt auf der Hand, daß die Arbeitskapazität des Bundesgesundheitsamtes durch mehrfache Nachbesserung des ursprünglichen Zulassungsantrages so sehr in Anspruch genommen werden kann, daß andere vorbereitete Zulassungsanträge erst verspätet bearbeitet werden können. Dem soll die von Ihnen kritisierte Handhabung vorbeugen. Eire entsprechende Regelung ist in dem Entwurf einer Verordnung über das Verfahren bei der Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz aufgenommen worden, der als Referentenentwurf den Bundesressorts, den obersten Landesgesundheits- und Landesveterinärbehörden und den beteiligten Kreisen zugeleitet worden ist. Die Vorschrift ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet, so daß für das Bundesgesundheitsamt ein Beurteilungsspielraum erhalten bleibt. Auch dieser Verfahrensgrundsatz ist dem Bundestags-Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit anläßlich seiner Sitzung am 28. September 1977 im Bundesgesundheitsamt vorgetragen worden und unwidersprochen geblieben. Zu Frage B 76: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, den Schutz des Patienten bei der klinischen Prüfung abzubauen. Die Diskussion einer These, die unterstellt, daß nicht zuletzt ethische Bedenken den Gesetzgeber veranlaßt hätten, auf den Wirksamkeitsnachweis zu verzichten, läßt nicht den Schluß auf mangelhaftes Engagement bei der Sicherung des sachgebotenen und gesetzlich vorgeschriebenen Patientenschutzes zu. Sowohl der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit als auch das Bundesgesundheitsamt und seine Mitarbeiter treten nachhaltig für einen optimalen Schutz des Patienten bei der klinischen Prüfung ein. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Simonis (SPD) (Drucksache 8/1728 Fragen B 77 und 78): Verfügt die Bundesregierung inzwischen über Informationen über den Fortgang der Arbeiten an der Planungsstudie, die am 12. November 1977 dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München, in Auftrag gegeben wurde, deren Ergebnisse Grundlage für die Erarbeitung einer Gesetzesvorlage zum Beruf des „nicht-ärztlichen Psychotherapeuten" sein werden, und bis zu welchem Zeitpunkt beabsichtigt die Bundesregierung, einen ersten Referentenentwurf — wie er seit langem angekündigt wird — vorzulegen? Inwieweit hat die Bundesregierung die Stellungnahmen der DGVT (Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie) und der DGSP (Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie) in ihren Vorarbeiten zum genannten Gesetzentwurf berücksichtigt, und verfügt die Bundesregierung über weitere — insbesondere juristische — Gutachten, um Alternativen zur „Kammerregelung" für „nicht-ärztliche Psychotherapeuten" zu prüfen? Zu Frage B 77: Als Auftraggeber ist das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit über den Stand und den Fortgang der Arbeiten an dem genannten Forschungsvorhaben ständig informiert. Die Arbeiten werden zügig durchgeführt. Es ist damit zu rechrien, daß der Endbericht fristgerecht bis Ende August 1978 vorgelegt werden kann. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit beabsichtigt einen ersten Entwurf für ein „Gesetz über den Beruf des Psychotherapeuten" Mitte dieses Jahres zur Diskussion zu stellen. Zu Frage B 78: Bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs werden alle vorliegenden Stellungnahmen und Vorschläge von Fachgesellschaften und Berufsverbänden ausgewertet. Die Bundesregierung verfügt auch über juristische Gutachten, die sich mit berufsrechtlichen Fragen der nichtärztlichen Psychotherapeuten befassen. Sie prüft allerdings nicht Alternativen für eine Kammerregelung für nicht-ärztliche Psychotherapeuten. Auf eine Regelung von Fragen der Berufsausübung, insbesondere eines Zusammenschlusses der Berufsangehörigen in einer Körperschaft, wird sich das Gesetz nicht erstrecken. Der Bund besitzt nur eine Regelungskompetenz für die Zulassung zu den Heilberufen. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Holtz (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage B 79): Denkt die Bundesregierung daran, durch ihre Verantwortlichen in den Fernsehgremien darauf hinzuwirken, daß ähnlich dem „7. Sinn" fachlich fundierte Fernsehspots gesendet werden, die sich den Problemen des Kindes und der Kindererziehung widmen? Die Bundesregierung arbeitet schon seit einigen Jahren verstärkt mit den Medien zusammen, um die vorhandenen Elternbildungsangebote freier und öffentlicher Träger zu unterstützen und zu ergänzen und dabei insbesondere auch solche Familien anzusprechen, die von den traditionellen Elternbildungsangeboten nicht erreicht werden. Ich erwähne die Aktion „Elternführerschein" oder die Serie „Erziehen ist nicht kinderleicht", die über das Fernsehen ausgestrahlt wurden und ein breites Echo fanden. Im kommenden Jahr wird die im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entwikkelte Serie „Kopfball" über die ARD in 13 Folgen à 30 Minuten ausgestrahlt werden, die in unterhaltender Form Erziehungsprobleme anspricht und sich mit ihnen auseinandersetzt. Zur differenzierten Darstellung von Erziehungsproblemen und Möglichkeiten, sie zu lösen, bedarf es in aller Regel einer längeren Sendezeit. Fernsehspots dagegen eignen sich durchaus zum schlag- 7028* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 lichtartigen Verdeutlichen der Probleme von Kindern mit dem Ziel, Interesse und Engagement einer breiten Öffentlichkeit zu wecken. Im Rahmen der Aktion „Familie — jeder für jeden" des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit sind u. a. auch solche Fernsehspots geplant, die im Internationalen Jahr des Kindes ausgestrahlt werden sollen. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 80) : Teilt die Bundesregierung die Meinung des Vorsitzenden des ärztlichen Arbeitskreises Rauchen und Gesundheit e. V., Prof. Dr. med. F. Schmidt, Mannheim, daß im Tabakrauch bisher mehr als 40 krebserzeugende Stoffe nachgewiesen wurden, die zum größten Teil mit dem Nebenstrom in die Umgebungsluft gehen, wo sie zwangsläufig auch von Nichtrauchern eingeatmet werden, und welche Schlußfolgerungen beabsichtigt sie bejahendenfalls hieraus sowie aus einer Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu ziehen, die auf Grund von Untersuchungen an 13 000 Arbeitnehmern zu dem Ergebnis kommt, daß für eine der wichtigsten Berufskrankheiten — chronische Bronchitis — das Rauchen noch wichtiger ist als besondere Staubbelastung am Arbeitsplatz? Der Bundesregierung ist bekannt, daß im Tabakauch das Vorhandensein potentiell krebserregender Stoffe nachgewiesen worden ist. Sie geht auch davon aus, daß solche über den Nebenstrom in die Umgebungsluft abgegebenen Stoffe von Passiv-Rauchern eingeatmet werden können. In welchen Konzentrationen derartige Stoffe auf den Passiv-Raucher einwirken und welche Folgen damit für ihn eintreten können, bedarf jedoch noch eingehender Untersuchungen, bevor an evtl. Schlußfolgerungen gedacht werden kann. Die Bundesregierung wird deshalb, wie das z. B. zur Zeit in der Frage der Nitrosamine beim Bundesgesundheitsamt und dem Deutschen Krebsforschungsinstitut geschieht, die anstehenden Fragen durch wissenschaftliche Institutionen überprüfen lassen. Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 81 und 82) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Anzeigen der Marga rineindustrie im „Spiegel" Nr. 15 und Nr. 16 und in der „Welt" vom 18. April 1978 unter dem Gesichtspunkt des § 17 Abs. 1 Nr. 5 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (Irreführung), unter dem Aspekt des Artikels 3 Abs. 2 des Vorschlags einer Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende und unlautere Werbung und unter dem Gesichtspunkt des deutschen Rechts über unlautere Werbung? Werden durch diese Art der Werbung andere Fette für die menschliche Ernährung, wie z. B. Butter, diskriminiert, und wird eine indirekte Art von vergleichender Werbung betrieben? Zu dem generellen Problem der gesundheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel habe ich mich auf Ihre beiden Fragen Nr. A 68 und A 69 der Frage- I stunde am 26./27. April 1978 (Drucksache Nr. 8/1728) geäußert. Hierzu gehört auch die spezielle Werbung für Margarine mit gesundheitlich ausgerichteten Aussagen. Mit dieser Frage sind neben den Bundesinstitutionen auch die obersten Landesgesundheitsbehörden befaßt, die für die Durchführung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) und damit auch für die Durchsetzung der Verbote in den §§ 17 und 18 LMBG zuständig sind. Dieser Komplex wird auch in den Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung der EG-Diät-Richtlinie in nationales Recht, die der Ausschuß für Jugend, Famile und Gesundheit des Deutschen Bundestages zum 31. Mai 1978 vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit erbeten hat, einbezogen werden. Ich bitte um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung der notwendigerweise breit angelegten Meinungsbildung nicht vorgreifen kann und daß sie zu den von Ihnen gestellten Einzelfragen zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellung nehmen kann. Anlage 77 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Gerster (Mainz) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 83 und 84) : Ist die Bundesregierung bereit, bei der Überprüfung des Bundesfernstraßenprogramms eine Höherstufung der B 271 zwischen Neustadt an der Weinstraße und Bad Dürkheim (von lb nach la) zu empfehlen? Wird die Bundesregierung dafür eintreten, daß die Bundesbahnstrecke Neustadt an der Weinstraße—Bad Dürkheim von einer Stillegung verschont bleibt? Zu Frage B 83: Die Bundesregierung wird entsprechend § 4 des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 den Bedarfsplan der Verkehrsentwicklung anpassen. Die Arbeiten dazu sind im Gange. Das Ergebnis soll 1979 vorliegen. Zur Zeit ist noch nicht erkennbar, daß die angesprochene Maßnahme auf der B 271 dringlicher eingestuft werden muß. Zu Frage B 84: Die Entscheidung ist abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Bewertung der Strecke und dem Ergebnis des Anhörungsverfahrens. Anlage 78 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Reimers (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 85 und 86) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7029 * Hat die Deutsche Bundesbahn für den Jahresfahrplan 1978/79 einen Halt der Berlin- und Interzonenzüge in Hamburg-Bergedorf eingeplant? Wenn nein, welche Gründe haben sie zu dieser Entscheidung bewogen? Die Deutsche Bundesbahn (DB) hat mit Bezug auf Ihre zur Fragestunde am 15./16. Juni 1977 eingereichte Frage geprüft, ob in Hamburg-Bergedorf ein Halt für die Fernzüge von und nach Berlin sowie der DDR eingerichtet werden kann. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung sind die Bahnsteige zur planmäßigen Aufnahme haltender Züge mit den für diese Verkehrsbeziehungen gegebenen Zuglängen nicht lang genug, so daß mit Rücksicht auf die Sicherheit der Reisenden auf das Halten dieser Züge in Hamburg-Bergedorf verzichtet werden muß. Darüber hinaus würde durch das Halten dieser Züge die für Paß- und Zollkontrollen in fahrenden Zügen benötigte Zeit von etwa 30 Minuten so gekürzt, daß als Folge Standkontrollen in Büchen mit entsprechenden Zuglaufverzögerungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Anlage 79 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 87): Kann ein Reisender der Deutschen Bundesbahn davon ausgehen, daß das von ihm aufgegebene Reisegepäck zeitlich zuverlässig am Bestimmungsbahnhof ankommt? Nach Repräsentativerhebungen der Deutschen Bundesbahn erreichen zur Zeit etwa 96 % der Reisegepäcksendungen den Zielbahnhof innerhalb von 24 Stunden. Da Reisegepäck nicht immer mit dem Zug befördert werden kann, mit dem die Reise durchgeführt wird, empfiehlt die Deutsche Bundesbahn, Reisegepäck 24 Stunden vor Reiseantritt aufzugeben. Dann kann der Reisende davon ausgehen, daß er das Reisegepäck bei Ankunft am Bestimmungsbahnhof vorfindet. Anlage 80 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 88) : Unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen wäre die Bundesregierung bereit, die Westumfahrung von Singen (Hohentwiel) als verlegte und damit neue B 33 zu bauen? Im Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen ist für den weiträumigen Verkehr eine große Westumfahrung von Singen im Zuge der Bundesautobahn A 81 vorgesehen, die die Verbindung vom Singener Kreuz zum schweizerischen Straßennetz beim Grenzübergang Bietingen in Richtung Thayngen-Schaffhausen herstellen wird. Die Realisierung dieser Maßnahme — in einer 1. Baustufe mit zunächst nur einer Fahrbahn — soll erfolgen, sobald die erforderlichen planerischen und rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Mit dem geplanten Bau der Autobahn A 81 hat die frühere Planung einer Westumfahrung von Singen im Zuge der Bundesstraße 33 ihre Dringlichkeit verloren. Sie ist deshalb im Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen nur noch als eine Maßnahme des „möglichen weiteren Bedarfs" aufgenommen worden. Eine solche Verlegung der Bundesstraße 33 kann bei dieser Sachlage in der Baulast des Bundes praktisch nicht mehr in Betracht kommen, da es einer wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln widersprechen würde, wenn für den weiträumigen Verkehr in Richtung Schweiz sowohl eine Westumfahrung von Singen im Zuge der Bundesautobahn A 81 als auch eine Westumfahrung von Singen im Zuge der B 33 gebaut werden sollte. Von dieser Beurteilung des Sachverhaltes aus der Sicht des Bundes bleiben die Überlegungen der Stadt Singen unberührt, eine städtische Entlastungs- bzw. Erschließungsstraße auf der Trasse der früher geplanten Bundesstraße 33 zu führen und dafür Zuschüsse nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zu beantragen. Die dazu erforderliche Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums ist der Stadt Singen schon früher in Aussicht gestellt worden. Anlage 81 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Link (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 89) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung der Schwerbehinderten, die Grundgebühr eines Telefonanschlusses für 100 v. H. erwerbsunfähige Schwerbehinderte, die nur per Telefon Kontakt mit der Außenwelt haben, ganz zu erlassen, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesem Anliegen Rechnung zu tragen? Die Bundesregierung betrachtet es als gesellschaftspolitische Aufgabe, allen Mitbürgern, also auch älteren, hilfsbedürftigen und 100 % erwerbsunfähigen, die Einrichtung und Unterhaltung eines Fernsprechhauptanschlusses zu ermöglichen. Die Deutsche Bundespost hat als öffentliches Dienstleistungsunternehmen, das auf Grund gesetzlichen Auftrags nach eigenwirtschaftlichen Grundsätzen unternehmerisch handeln muß, den Sozialanschluß mit ermäßigter Anschließungs-, Übernahme- und monatlicher Grundgebühr eingeführt. Für diese Anschlüsse, die heute von mehr als 550 000 Teilnehmern in Anspruch genommen werden, nimmt sie jährliche Gebührenausfälle von rd. 43 Millionen DM in Kauf. In der Verwaltungsratssitzung am 26. April 1976 schlägt der Bundespostminister dem Verwaltungsrat darüber hinaus vor, den allein lebenden und behinderten Mitbürgern, die auf das Telefon als Kommunikationsmittel besonders angewiesen 7030* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 sind, unter bestimmten Voraussetzungen eine Gebührenermäßigung von 30 freien Gebühreneinheiten pro Monat dort zu gewähren, wo der Nandienst eingeführt wird. So hat die Deutsche Bundespost schon immer im Zusammenhang mit ihren unternehmenspolitisch notwendigen Entscheidungen soziale Aspekte berücksichtigt. Sollten in Einzelfällen weitergehende Erleichterungen wie z. B. die vollständige Übernahme der Grundgebühr für Fernsprechhauptanschlüsse aus sozialen und fürsorgerischen Gründen notwendig sein, wären die notwendigen Maßnahmen von den zuständigen Sozialbehörden zu treffen. Anlage 82 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Holtz (SPD) (Drucksache 8/1728 Frage B 90) : Gedenkt die Bundesregierung in Zukunft die neu zu errichtenden Telefonzellen behindertengerecht und so einzurichten, daß auch für kleine Kinder der Apparat erreichbar ist? Im Rahmen des Aktionsprogramms der Bundesregierung zur Beseitigung baulicher und technischer Schwierigkeiten für Behinderte wird die Deutsche Bundespost die Möglichkeit zur Benutzung öffentlicher Fernsprecher für Behinderte schaffen. Eine Voraussetzung dazu war zunächst die Einführung des neuen Fernwahlmünzfernsprechers, dessen Bedienungselemente sowohl für Rollstuhlfahrer als auch für Kinder leichter erreichbar sind. Daneben wurden Fernsprechhauben entwickelt, die an Gebäudewänden befestigt oder auch freistehend aufgestellt werden können. Die Hauben sind an einer Seite offen und ermöglichen so ein dichtes Heranfahren des Rollstuhlfahrers an den Münzfernsprecher. Von diesen Hauben werden bis zum Ende dieses Jahres ca. 900 Stück eingerichtet sein. Die Aufstellungsorte werden grundsätzlich im Benehmen mit den örtlichen Vereinigungen der Behinderten ausgewählt. Der Fernwahlmünzfernsprecher und die Fernsprechhauben haben bei den Behinderten ein sehr positives Echo gefunden. Außerdem wird noch in diesem Jahr ein Wettbewerb für die Gestaltung von Fernsprechhäuschen stattfinden, die auch Behinderten im Rollstuhl zugänglich sind. Dabei sollen die einschlägigen DIN- Normen und die Gestaltungswünsche der Behindertenverbände ebenso berücksichtigt werden wie Erfahrungen, die mit ähnlichen Einrichtungen in Schalterhallen der Postämter der Deutschen Bundespost und bei ausländischen Fernmeldeverwaltungen gesammelt worden sind. Mit dem Erstellen und Erproben der Prototypen des Fernsprechhäuschens ist nach den derzeitigen Zeitplänen ab 1980 zu rechnen. Das rollstuhlgerechte Fernsprechhäuschen wird später an besonders geeigneten Schwerpunkten aufgestellt werden. Da bei allen öffentlichen Fernsprechstellen für Behinderte der Münzfernsprecher in einer geringeren Höhe angebracht wird, werden die Apparate auch für Kinder leichter erreichbar sein. Anlage 83 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jentsch (Wiesbaden) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 91) : Ist die Bundesregierung zwischenzeitlich in der Lage, darüber Auskunft zu geben, wann die am 1. Januar 1977 in die Landeshauptstadt Wiesbaden eingegliederten Gemeinden des MainTaunus-Kreises (Naurod, Auringen, Medenbach, Breckenheim, Nordenstadt und Delkenheim) in den Telefonnahbereich oder in das Ortsnetz Wiesbaden aufgenommen werden, oder welche Gründe stehen einer solchen Auskunft entgegen? Auf Grund der vielen positiven Reaktionen im Bundesgebiet ist die Deutsche Bundespost bemüht, das neue Tarifsystem im Fernsprechdienst möglichst rasch einzuführen. Der Rahmenplan für die bundesweite Einführung sieht vor, daß Anfang 1980 bereits der Hälfte der Fernsprechkunden die Vorteile des neuen Tarifsystems zugute kommen. Für die übrigen Teilnehmer soll der Nandienst mit Ortszeitzählung Zug um Zug bis Ende 1982 eingeführt werden. Bei der Einführungsreihenfolge werden neben den technisch-betrieblichen Möglichkeiten auch die Gemeindestrukturen berücksichtigt, d. h., Gebiete, in denen sich Gemeinden auf mehrere Fernsprechortsnetze aufteilen, werden bevorzugt umgestellt. Angaben für die Umstellungszeitpunkte bestimmter Gebiete können erst gegen Ende 1978 gemacht werden, wenn die notwendigen Daten für alle 3 800 Ortsnetze ausgewertet sind. Anlage 84 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Klein (Göttingen) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1728 Frage B 92) : Wird die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung über die Einführung des Fernkopierens als neuem Angebot der Deutschen Bundespost aus dem Bereich der neuen Kommunikationstechniken die mit der vor drei Jahren durchgesetzten Mischlösung bei der Einführung der Modems gemachten Erfahrungen berücksichtigen und dem freien Markt im Rahmen der von der Deutschen Bundespost festgesetzten Normen den Vorzug geben? Das Bundespostministerium bereitet z. Z. eine Verordnung für den sog. Telefaxdienst vor. Es ist beabsichtigt, die Vorschläge zu berücksichtigen, die von sachkundigen Vertretern verschiedener Hersteller- und Anwenderverbände erarbeitet worden sind. Für den Status der Fernkopierer ist eine Mischlösung beabsichtigt, d. h. sowohl posteigene als auch private Fernkopierer sollen für den Telefaxdienst zugelassen werden. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7031* Da die Teilnahme am Telefaxdienst die Verwendung gegenseitig verträglicher Fernkopiergeräte voraussetzt, haben die Deutsche Bundespost und Fachverbände gemeinsam für die Gerätezulassung Mindestanforderungen aufgestellt. Diesen Anforderungen liegen die internationalen Standards des CCITT (Comité Consultatif International des Télégraphique et Téléphonique) zugrunde. Für Fernkopierer, die noch nicht den neuen Normen entsprechen, wird — vergleichbar den privaten Modems im Direktrufnetz — eine ausgewogene Übergangslösung vorgesehen. Darüber hinaus sollen nicht normgerechte Fernkopierer für Spezialanwendungen als Zusatzeinrichtungen an Fernsprechanschlüssen weiterbetrieben werden können. Anlage 85 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Werner (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 99 und 100) : Wie wird sich der veränderte Dollarkurs bei der multilateralen Entwicklungshilfe im Haushalt 1978 und auf die Ansätze im Haushalt 1979 auswirken? Wie wird sich die Neubewertung der EG-Rechnungseinheit gegenüber der DM auf die entwicklungspolitischen Ansätze im EG-Bereich im Haushalt 1979 auswirken? Zu Frage B 99: Der veränderte Dollarkurs wirkt sich nur bei denjenigen Leistungen des multilateralen Bereichs aus, in denen die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland in US-Dollar beziffert ist. Da die Kursentwicklung bis zum Jahresende 1978 noch nicht vorausgesehen werden kann, sieht sich die Bundesregierung nicht in der Lage, definitive Angaben zu machen. Nach dem derzeitigen Stand der Kursentwicklung dürfte mit einer Minderausgabe zwischen 25 und 40 Millionen DM bis zum Jahresende 1978 zu rechnen sein. Bei den Vorarbeiten zum Haushaltsentwurf 1979 findet die Kursentwicklung des US-Dollars Berücksichtigung, soweit Zahlungen in US-Dollar zu leisten oder Verpflichtungen in US-Dollar einzugehen sind. Die Meinungsbildung der Bundesregierung darüber wird erst mit der Verabschiedung des Haushaltsentwurfs 1979 durch das Bundeskabinett abgeschlossen sein. Zu Frage B 100: Die Einführung der Europäischen Rechnungseinheit (ERE) anstelle der früher geltenden Rechnungseinheit (RE) findet bei der Gestaltung der Ansätze des Entwicklungshilfehaushalts 1979 (Einzelplan 23) für entwicklungspolitische Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft Berücksichtigung. Gegenwärtig werden keine besonders großen Veränderungen erwartet, da der 4. Europäische Entwicklungsfonds bereits in ERE vereinbart worden ist. Evtl. nötige Anpassungen wird die Bundesregierung mit dem Beschluß über den Haushaltsentwurf 1979 vornehmen. Anlage 86 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hoffacker (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 101 und 102) : Welchen Anteil am Bruttosozialprodukt hat die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1977 erreicht? In welchem Umfange bleibt der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) am Bruttosozialprodukt im Jahr 1977 hinter der am 7. September 1977 von der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage zur Entwicklungspolitik der CDU/CSU gegebenen Schätzung zurück, und wie begründet die Bundesregierung gegebenenfalls diese Abweichung? Zu Frage B 101: Das Netto-Volumen der öffentlichen Zusammenarbeit (ODA) der Bundesrepublik Deutschland betrug im Jahre 1977 0,27 % des Bruttosozialproduktes (3,2 Mrd. DM). Zu Frage B 102: Die Bundesregierung hat Anfang September 1977 das Volumen der öffentlichen Zusammenarbeit für das Jahr 1977 auf 0,30 % des Bruttosozialproduktes geschätzt. Mit solchen Schätzungen sind naturgemäß erhebliche Unsicherheitsfaktoren außerhalb des Einflußbereiches der Bundesregierung verbunden. Die Abweichung von der Schätzung um 0,03 % des Bruttosozialproduktes beruht zu einem wesentlichen Teil auf Verzögerungen des Mittelabrufes durch die Entwicklungsländer, hervorgerufen durch administrative, wirtschaftliche und politische Faktoren, insbesondere bei einigen Großprojekten der finanziellen Zusammenarbeit. Anlage 87 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hüsch (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 103, 104 und 105) : Wie hoch waren im Jahr 1977 die Minderausgaben im Einzelplan 23 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit? Bei welchen Titeln ist es in welchem Umfang und aus welchen Gründen zu Minderausgaben gekommen? Wie werden sich die Zusagen der Bundesregierung auf der Genfer Schuldenkonferenz vom März 1978 auf das Zinsverrechnungskonto, den gesamten Bundeshaushalt, den Einzelplan 23 — insbesondere auf den Umfang der finanziellen Zusammenarbeit — auswirken? Zu Frage B 103: Die Minderausgaben des Einzelplans 23 im Jahre 1977 betragen Brutto 176,2 Millionen DM. Dem stehen Mehrausgaben in Höhe von 18 Millionen DM gegenüber, so daß sich eine Netto-Minderausgabe von 158,2 Millionen DM ergibt. 3032* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 Zu Frage B 104: Titel Minderausgaben Begründung in Millionen DM 23 02/532 03 0,5 Relative späte Verkündung des Haushaltsgesetzes. Neue Werkverträge konnten erst ab August 1977 geschlossen werden. Planung und Forschung 23 02/666 01 Finanzhilfe Griechenland 0,5 Verzögerung bei Abrufen der EG und unterschiedliche Kursbewegung. 23 02/681 01 0,5 Keine nennenswerten Zahlungen angefallen. Krisenhilfe für deutsche Fachkräfte 23 02/685 09 Entwicklungshelfergesetz 1,0 Gesetzliche Leistungen in geringerem Maße in Anspruch genommen, als nach der Arbeitsmarktlage erwartet. 23 02/686 01 4,0 Nicht rechtzeitige Rückmeldung von zugewiesenen Mitteln zum Jahresende durch eine der projektabwickelnden Stellen. Technische Zusammenarbeit 23 02/686 03 Sozialstrukturhilfe 4,2 Träger konnten Maßnahmen nicht in vollem Umfang realisieren, wegen Verzögerung Projektablaufs Mittelabfluß erst 1978. 23 02/686 04 Gesellschaftspolitische Bildung 3,0 23 02/686 10 2,8 Engpaß bei der Anwerbung genügend qualifizierten Deutscher Entwicklungsdienst Personals. 23 02/686 26 Nahrungsmittelhilfe 13,6 Mengenverpflichtung erfüllt. Minderausgabe auf Grund niedriger Weltmarktpreise. 23 02/686 34 Einzelmaßnahmen UN 0,5 Verzögerung von Auszahlungen durch Abstimmungsschwierigkeiten mit UN-Zentrale und Regionalkommission sowie Schwierigkeiten bei Expertengewinnung in gegenwärtiger deutscher Arbeitsmarktsituation. 23 02/686 39 2,0 Vorgesehene Programme mußten reduziert werden. Ausbildung deutscher Fachkräfte 23 02/686 04 4,2 Änderung des US-Dollarkurses. Afrikanische Entwicklungsbank 23 02/636 05 1,2 Änderung des US-Dollarkurses. Interamerikanische Entwicklungsbank 23 02/636 07 Internationaler Agrarfonds 7,7 Änderung des US-Dollarkurses. 23 02/866 01 123,8 Verzögerung des Mittelabrufs aus Verpflichtungsermächtigungen (VE) früherer Jahre durch Empfängerländer. Im Vergleich zu jährlich bewilligtem VE- Volumen und den daraus bis zur Auszahlung kumulierten Alt-Verpflichtungen, stellt diese Minderausgabe eine geringe Schwankung dar. Finanzielle Zusammenarbeit Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1978 7033* Titel Minderausgaben in Millionen DM Begründung Titelgruppe 2 Wiedereingliederungshilfen 4,6 Angebotene Maßnahmen wurden bislang von der Türkei nicht in vorgesehenem Umfang in Anspruch genommen. Sonstige 0,6 (im einzelnen unter 0,5 Mio. DM) 23 02/896 02 EG-Entwicklungsfonds 1,5 Geringere Abrufe der EG. Zu Frage B 105: In quantitativer Hinsicht sind die Auswirkungen noch nicht abzuschätzen, da die Bundesregierung zunächst mit einzelnen Empfängerländern Verhandlungen führen muß. Anlage 88 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1728 Fragen B 106 und 107): Hält es die Bundesregierung für angebracht, daß zur Evaluierung des Entwicklungshilfeprojekts Fernmeldewesen Südkorea, bei dessen Durchführung die Deutsche Bundespost eine entscheidende Rolle spielte, u. a. auch Fachleute ausländischer Privatfirmen herangezogen wurden? Welche besonderen Gründe haben das Inspektionsreferat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit bewogen, dafür zwei Vertreter norwegischer Consulting-Firmen heranzuziehen? Zu Frage B 106: Die Bundesregierung ist bei den umfassenden systematischen Untersuchungen von Projekten der Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit, die unter allen in Betracht kommenden entwicklungspolitischen und fachlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden, darauf angewiesen, externen Sachverstand für Spezialfragen hinzuzuziehen. Um eine unabhängige Beurteilung zu erreichen, werden Fachgutachter in das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit geleitete Team berufen, die weder mit der Vorbereitung noch mit der Durchführung des zu untersuchenden Projekts in einem Zusammenhang standen oder in eine Geschäftsverbindung zu bringen sind. Soweit auf dem inländischen Markt derartige Spezialisten nicht gewonnen werden können, wird auf ausländische Institutionen zurückgegriffen. Hierzu gehören auch Consultings im Ausland, aus deren Mitarbeiterkreis Fachgutachter ausgesucht werden. Die ausländische Consulting wird nicht als Firma zu einer Studie beauftragt, sondern die Consulting erhält den Auftrag, den entsprechenden Mitarbeiter für die Inspektion zu den von der Bundesregierung festgelegten Terms zur Verfügung zu stellen. Für die ausländische Institution — Consulting — gelten dieselben strengen Voraussetzungen wie im Inland, d. h., die Objektivität des Gutachters muß gewährleistet sein. Zu Frage B 107: Das unter Leitung eines Mitarbeiters des Inspektionsreferates des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit stehende Untersuchungsteam setzte sich aus zwei deutschen und zwei norwegischen Gutachtern sowie einem Gutachter des OECD-Development Centre zusammen. Die norwegische Consulting NORCONSULT wurde für den Spezialbereich der Telefon- und Telex-Technik sowie der damit zusammenhängenden Organisations-, Planungs-, Ausbildungs- und Managementfragen gewonnen, weil dadurch garantiert war, daß ein von der bisherigen, Planung und Durchführung des Projektes sowie von in- und ausländischen Lieferinteressen unberührtes Urteil zu erzielen war. Zahlreiche Aufträge der Internationalen Fernmeldeunion — UIT — sowie nationaler und internationaler Stellen ergaben die Präferenz für diese von nationalen Telefon- und Telex-Organisationen unabhängig arbeitende, international renommierte norwegische Fachinstitution. Um die Besonderheiten einer gegebenenfalls auf deutscher Seite bevorzugten Technik gebührend zu berücksichtigen, gehörte dem Inspektionsteam außerdem ein von der deutschen Telepost Consulting — DETECON — gestellter Gutachter für den Bereich Telefon- und Telex-Technik ebenfalls an. Die Fachleute sind zu einer übereinstimmenden Beurteilung gelangt, deren Objektivität gerade in dem Erfahrungsaustausch zwischen der deutschen und norwegischen Consulting hervortritt.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808800000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe zunächst die Freude, dem früheren Präsidenten dieses Hauses, unserem Kollegen von Hassel, herzliche Glückwünsche auszusprechen, der am 21. April seinen 65. Geburtstag gefeiert hat.

(Beifall)

Sodann darf ich die herzlichen Glückwünsche des Hauses unserem Kollegen Scheu aussprechen, der gestern, am 26. April, seinen 71. Geburtstag gefeiert hat.

(Beifall)

Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Ollesch hat am 20. April 1978 der Abgeordnete Merker die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich und wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag.

(Beifall)

Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht rückt der Abgeordnete Dr. Schmitt-Vockenhausen für den Abgeordneten Dr. Schmude, der sein Mandat im Wahlmännerausschuß niedergelegt hat, aus der Reihe der nicht mehr Gewählten als Mitglied im Wahlmännerausschuß nach. Ich darf dies dem Hause bekanntgeben.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen — Stand: 18. April 1978 — vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen.
Erhebt, sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? — Das ist offenbar nicht der Fall. Ich stelle fest, daß so beschlossen ist.
Ich habe nun die besondere Freude, eine Delegation des Nationalrats und des Bundesrats der Republik Osterreich hier im Hause zu begrüßen, die sich seit einigen Tagen als unser Gast in der Bundesrepublik Deutschland aufhält.

(Beifall)

Die Delegation steht unter Leitung des Vizepräsidenten des Nationalrats, Herrn Otto Probst.
Ich möchte Ihnen sehr herzlich danken, daß Sie unserer Einladung gefolgt sind. Ich freue mich, daß Sie schon, wie ich weiß, einige für Sie angenehme und interessante Tage in unserem Lande haben erleben können.
Sie bringen damit die engen und freundschaftlichen Beziehungen zum Ausdruck, die zwischen unseren beiden Ländern und unseren Parlamenten bestehen. Es ist uns eine besondere Freude, Sie in Deutschland und im Deutschen Bundestag willkommen zu heißen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 26. April 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jentsch (Wiesbaden), Dr. Dregger, Dr. Eyrich, Spranger, Krey, Dr. Jobst, Schwarz, Dr. Miltner, Biechele, Regenspurger, Dr. Langguth, Berger (Herne), Gerster (Mainz), Erhard (Bad Schwalbach), Broll, Dr. Wittmann (München), Dr. Möller, Gerlach (Obernau), Dr. Laufs und der Fraktion der CDU/CSU betr. Bundesgrenzschutz — Drucksache 8/1623 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1748 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 26. April 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Eyrich, Spranger, Erhard (Bad Schwalbach), Schwarz, Broll, Berger (Herne), Dr. Müller, Dr. Langguth, Wohlrabe, Dr. Möller und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Russell-Tribunal über die Repressionen in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 8/1622 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1750 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 20. April 1978 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1978 übersandt. Der Voranschlag liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Betr.: Dritter Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Rückstellungsfonds, insbesondere über die Möglichkeiten einer Ermäßigung der laufenden Zuschüsse und der Ausgleichsabgabe (3. Altölbericht)

Bezug: § 2 Abs. 4 des Altölgesetzes vom 23. Dezember 1968 — Drucksache 8/1676 —
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Innenausschuß, Finanzausschuß, Haushaltsausschuß
Betr.: Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1976"
Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. März 1975
— Drucksache 8/1682 —
zuständig: Innenausschuß (federführend), Ausschuß für Forschung und Technologie
Betr.: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis 31. März 1978
Bezug: Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 22. Februar und 28. April 1967
— Drucksache 8/1688 — zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 25. April 1978 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:



Präsident Carstens
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Durchführung des Beschlusses Nr. .../77 des Gemischten Ausschusses EWG/... (1) zur Ergänzung und Änderung des Protokolls Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs .Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen und zur Aufhebung einiger Beschlüsse des Gemischten Ausschusses.

(1) Österreich, Finnland, Island, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz

— Drucksache 8/1477 Nr. 9 —
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Zehntes Anpassungsgesetz-KOV — 10. AnpG-KOV)

— Drucksache 8/1735 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0808800100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zehnten Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung vor. Die Regierungsvorlage enthält erstens die Anpassung der Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz für die Jahre 1979, 1980 und 1981 mit den Anpassungssätzen von 4,5 % zum 1. Januar 1979 und jeweils 4 % zum 1. Januar 1980 und 1981 — das sind für diesen Zeitraum insgesamt Verbesserungen von rund 13 % — und zweitens eine Reihe wichtiger struktureller Leistungsverbesserungen bei der Heilbehandlung, im Rentenrecht und in der Kriegsopferfürsorge.
DerGesetzentwurf sieht vor, daß die Kriegsopferrenten, wie die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung, in den nächsten drei Jahren steigen und daß sie sich ab 1982 wieder an der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter orientieren.

(Franke [CDU/CSU] : Was haben die denn mit der Rentenversicherung zu tun?)

Diese Anpassung der Kriegsopferrenten beruht auf § 56 des Bundesversorgungsgesetzes, wonach die laufenden Versorgungsleistungen durch Gesetz entsprechend dem Vomhundertsatz angepaßt werden, um den die Renten aus der Arbeiterrentenversicherung jeweils verändert werden. Dementsprechend ist im Gesetzentwurf eine Erhöhung der Versorgungsrenten für 1979 — wie im Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz — um 4,5 % vorgesehen.

(Franke [CDU/CSU] : Was haben die denn mit der Rentenversicherung zu tun!)

— Verehrter Herr Abgeordneter Franke, dieser Vorschlag entspricht genau der Rechtslage des Bundesversorgungsgesetzes. Das steht dort im Gesetz; das hat das damit zu tun. — Damit nehmen die Kriegsopferrenten im gleichen Umfang am Zuwachs der wirtschaftlichen Entwicklung teil, wie dies auch für
die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gilt.
Auch die Kriegsopferversorgung ist untrennbar mit der wirtschaftlichen Entwicklung verbunden. Die Leistungen müssen aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden. Langsameres Wirtschaftswachstum bedeutet geringeren Einnahmezuwachs und verlangt — ohne Überstrapazierung der Steuerzahler — entsprechende Anpassungen auf der Ausgabenseite.
Ein paar Größenordnungen mögen nochmals verdeutlichen, wie sehr die wirtschaftliche Entwicklung und das Leistungsvermögen der Rentenversicherungsträger und der Bundeskasse zusammenhängen: 1 °/o weniger Lohnzuwachs bedeutet rund 1 Milliarde DM weniger an Beitragseinnahmen. 200 000 Beschäftigte weniger bringen Einnahmeausfälle in der gleichen Größenordnung.
Bedingt durch die weltwirtschaftliche Rezession beschäftigt die deutsche Wirtschaft heute 1,2 Millionen Arbeitnehmer weniger als auf dem Höhepunkt der Konjunktur 1973. Dies bedeutet aber auch 1,2 Millionen weniger Beitragszahler und 1,2 Millionen weniger Steuerzahler. Gegenüber 1973 ist das rund ein Zwanzigstel, was hier an Leistungsaufbringern ausfällt. Wenn wir auch einen Teil dieser Ausfälle für die Rentenversicherung über die Verpflichtung der Bundesanstalt für Arbeit aufgefangen haben, für die Bundeskasse treten diese Ausfälle voll ein. Vor allem auch die rund 600 000, inzwischen ohne Rückfahrkarte abgewanderten ausländischen Arbeitnehmer, die im Vergleich zu 1973 weder als Steuerzahler noch als Beitragszahler vorhanden sind, fallen hier ins Gewicht.

(Franke [CDU/CSU] : Sie wissen, daß der DGB da zu anderen Zahlen kommt, Herr Minister Ehrenberg! Er spricht von 1,6 Millionen!)

— Es ist zwar nicht üblich, bei Einbringungsreden Zwischenfragen zu stellen, aber ich will trotzdem darauf eingehen, Herr Franke.

(Dr. Blüm [CDU/CSU] : Jawohl, Herr AStAVorsitzender! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich will sie Ihnen ja gern beantworten.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie wollen gar nichts gern beantworten!)

Nicht der DGB, sondern das WSI kommt zu anderen Zahlen, aber nicht bei den abhängig Beschäftigten, die hier als Beitragszahler in Frage kommen, sondern bei der Zahl der Erwerbstätigen, Herr Franke. Da sind die Veränderungen bei den mithelfenden Familienangehörigen und Selbständigen mitgerechnet. Nur können Sie die bei den Ausfällen nicht als Beitragszahler mitrechnen.

(Franke [CDU/CSU] : Das sind doch auch zum größten Teil Beitragszahler! — Hasinger [CDU/CSU] : Und Steuerzahler!)

— Eben nicht!

(Franke [CDU/CSU]: Natürlich!)




Bundesminister Dr. Ehrenberg
— Aber, verehrter Herr Kollege Franke, wenn das Beitragszahler wären, wären sie ja in der Statistik der abhängig Beschäftigten erfaßt.

(Franke [CDU/CSU]: Das sind zu 50 % freiwillig Versicherte!)

— So viele freiwillig Versicherte, wie da verschwunden sind, haben wir gar nicht. Aber ich möchte die Debatte über die Statistik mit Ihnen gern im Ausschuß weiterführen; sie führt uns hier mit Sicherheit nicht weiter, zumal Ihre Angaben nicht richtig sind.

(Franke [CDU/CSU]: Einverstanden! — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Die Statistik ist Ihr einziger Rückhalt! Die verändert sich doch Jahr für Jahr und wird manipuliert!)

— Verehrter Herr Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, Sie nehmen das als meinen Rückhalt, Herr Franke bezweifelt, daß die Zahlen richtig sind. Ich schlage vor, Sie einigen sich darüber, was wir denn nun mit der Statistik machen.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie sollten das Problem intellektuell bewältigen!)

- Über intellektuelle Problembewältigung brauche ich mit mir selber nicht zu diskutieren;

(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

ich überlasse es Ihnen gern, Ihre intellektuellen Probleme selbst zu bewältigen.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Den Wählern sollten Sie es überlassen!)

— Das können wir guten Gewissens, und das werden wir auch guten Gewissens tun.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Und dem AStA auch!)

— Dem auch! Das ist eine gewählte Versammlung, die sich so benimmt wie manche Verbände gelegentlich auch: laut und unsachlich.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, vielleicht sind Sie ja geneigt, diesem Beispiel zu folgen. Ich weiß es nicht. Vielleicht sind Sie auch geneigt — und das würde diesem Hause entsprechen —, das anzuhören, was zur Sache zu sagen ist.
Zur Sache ist zu sagen, daß ja wohl unbestreitbar ist, daß diese Veränderung der Zahlen die Einnahmen der öffentlichen Haushalte gravierend verlangsamt hat. Damit sind Anpassungen unausweichlich, damit ökonomisches Leistungsvermögen und Stabilität in der sozialen Sicherheit wie bei den öffentlichen Finanzen gewährleistet bleiben.
Aber trotz dieser Schwierigkeiten kann mit Genugtuung festgestellt werden, daß sich der. seit Einführung der Dynamisierung der Kriegsopferversorgung im Jahre 1970 bestehende Dynamisierungsverbund zwischen Rentenversicherung und Kriegsopferversorgung bewährt hat; er wird auch in Zukunft beibehalten werden. Was bei der Einführung der Dynamisierung galt — nach 20 Jahren der Unsicherheit wurde sie eingeführt —, das muß auch in Zukunft gelten. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus der Zeitschrift „Die Fackel", der Zeitschrift des VdK, vom 1. November 1972 zitieren:
Kriegsopferversorgung muß nach demselben Maßstab wie die gesetzliche Rentenversicherung angepaßt werden . . . Dazu zwingt die Verflechtung der Anpassungsregelung in der Kriegsopferversorgung mit derjenigen in der gesetzlichen Rentenversicherung, an deren Fortbestand festgehalten werden muß.
Was damals als richtig erkannt wurde, sollte heute nicht leichtfertig in Frage gestellt werden.

(Katzer [CDU/CSU] : „Leichtfertig" — das kann man wohl sagen!)

— Mit diesem Dynamisierungsverbund, Herr Kollege Katzer, haben die Kriegsopfer eine ganz entscheidende Verbesserung ihrer sozialen und materiellen Position erfahren. In den zwölf Jahren seit der Rentenreform und vor dem Dynamisierungsverbund, in den zwölf Jahren von 1957 bis 1969, sind die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer um 116 %, die Sozialversicherungsrenten um 111 %, die Leistungen für die Kriegsopfer um 103 % erhöht worden.

(Zuruf des Abg. Müller [Berlin] [CDU/CSU])

In den neun Jahren nach dem Dynamisierungsverbund, in der Zeit von 1969 bis 1978, sind die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer um 98 0/o, die Renten um 124 %, die Kriegsopferrenten um 139 °/o und die Witwenrenten um 158 % gestiegen. Das sind die Erfolge des Dynamisierungsverbundes für die Leistungen an die Kriegsopfer.
Und, meine Damen und Herren, auch eine in diesen Tagen veröffentlichte Untersuchung des Verbandes der Rentenversicherungsträger bestätigt, daß Rentner in den letzten Jahren einen wesentlich höheren Kaufkraftzuwachs als Arbeitnehmer erhalten haben. Allein im Jahre 1977 betrug die durchschnittliche reale Kaufkraftzunahme dieser Haushalte 6,8 %, während die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer real nur um 2 % gestiegen sind.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, daß die Leistungen für die Kriegsopferversorgung aus dem allgemeinen Steueraufkommen, also in erster Linie auch von den Arbeitnehmern, finanziert werden müssen, erscheint ein vorübergehend verlangsamter Zuwachs bei den Anpassungen analog zur Rentenversicherung nicht nur sozial ausgewogen, sondern auch sachlich geboten.

(Hasinger [CDU/CSU] : Wieso vorübergehend?)

— Weil es im Gesetz so steht, verehrter Herr Kollege, daß ab 1982 die Anpassung wieder nach der Bruttolohnentwicklung erfolgt, und selbstverständlich gilt auch dann der Dynamisierungsverbund.

(Hasinger [CDU/CSU] : Herr Farthmann sagt es anders!)




Bundesminister Dr. Ehrenberg
— Selbstverständlich gilt er auch dann, und Ihren Zwischenruf auf Herrn Farthmann sollten Sie in Düsseldorf bringen und nicht in Bonn!

(Katzer [CDU/CSU] : Warum denn nicht in Bonn? — Dr. Blüm [CDU/CSU] : Der gehört doch derselben Partei an!)

— Herr Blüm, Sie sollten sich doch nicht über gelegentlich unterschiedliche Meinungen in unserer Partei beklagen, die haben Sie doch selber so satt und genug, daß Sie uns da auch ruhig mal differenziert nachdenken lassen dürfen!

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Einigen Sie sich doch einmal über die Fragen einer Beitragserhöhung; dann können wir ja weiter miteinander diskutieren!

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Da kriegen Sie Beifall von der FDP; die hat die Probleme nicht!)

— Vielleicht! Ich halte es nicht für unangemessen, wenn die FDP dem Koalitionspartner Beifall spendet. So ist das nicht.

(Hasinger [CDU/CSU]: Aber selten!)

Aber, meine Damen und Herren, kommen wir doch von Herrn Farthmann wieder zur Kriegsopferversorgung zurück, denn alle vermeintlichen Alternativen, die auf sofortige Beitragssatzanhebung in der Rentenversicherung und auf höhere Bundeszuschüsse abzielen, können doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß dies in einer konjunkturell schwierigen Phase konkrete zusätzliche Belastungen für die arbeitende Generation sind, Belastungen, die die Solidarität zwischen Beitragsleistenden und Leistungsempfängern sehr strapazieren können. Aber eine Festigung und nicht eine Strapazierung dieser Solidargemeinschaft ist zur Zeit von größter Bedeutung gerade für die Leistungsempfänger.
Wer den Dynamisierungsverbund in Frage stellt, der stellt die bisher größten Erfolge für die Kriegsopferversorgung in Frage.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Sozialministerin des Landes Baden-Württemberg am letzten Freitag im Bundesrat gefordert hat, die Kriegsopferversorgung müsse wieder aus dem Schatten der Rentenversicherung herausgeführt werden, und wenn nahezu zeitgleich dazu, und bis heute undementiert geblieben, Äußerungen des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestages, des Abgeordneten Windelen, zur Kenntnis genommen werden müssen, wonach die Sozialausgaben abgebaut werden müssen — —

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist doch die reine Unwahrheit! — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das ist doch nicht wahr!)

— Verehrter Herr Fraktionsvorsitzender, das stand in allen Zeitungen.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie verbreiten doch die Unwahrheit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich habe es im Bundesrat genannt, und es ist bis
heute von Herrn Windelen nicht dementiert worden.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist Ihre Methode! Statt zu argumentieren, verbreiten Sie Unwahrheiten! In der Sache unfähig, nur fähig, Unwahrheiten zu verbreiten!)

— Ich warte dann auf das Dementi des Herrn Windelen, es ist bisher nicht erfolgt!

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Ist längst erfolgt, nur Sie lesen es nicht! — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Unwahrheit, dein Name ist Ehrenberg!)

Wenn es so erfolgt wäre, wie die Äußerungen selber publiziert worden sind, hätte ich es sicher erfahren!

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sie wollen es doch nicht hören! Das ist doch schon verteilt!)

Wenn Ihr Fraktionsvorsitzender das jetzt hier für Herrn Windelen dementiert, will ich das nicht wieder verwenden. Ich nehme dieses Dementi hier zur Kenntnis. Vorher gab es keins.

(Zuruf von der CDU/CSU: So was Dämliches!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808800200
Meine Herren, ich bitte Sie, Ihre Zwischenrufe zu zügeln und unparlamentarische Zwischenrufe zu unterlassen!

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0808800300
Aber auch ohne diese inzwischen hier in diesem Hause dementierten Äußerungen kann sich jeder sehr leicht ausrechnen, was es bedeuten würde, dem Aufruf der Sozialministerin von Baden-Württemberg zu folgen und die Renten aus dem vermeintlichen Schatten der Rentenversicherung herauszuführen. Das würde sehr schnell zu einer Wachstumsdürre für die Kriegsopferversorgung führen, wie es bis 1969 der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir schlagen Ihnen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zugleich eine lange Reihe struktureller Leistungsverbesserungen in der Heilbehandlung, beim Rentenrecht und in der Kriegsopferfürsorge mit einem Gesamtvolumen von jährlich 160 Millionen DM vor. Wir sind mit diesen Leistungsverbesserungen zusätzlich zur laufenden Anpassung der Versorgungsrenten bis an die Grenze dessen gegangen, was angesichts der derzeitigen weltwirtschaftsbedingten Beanspruchung des Bundeshaushalts finanziell verantwortbar ist.
Zur Verdeutlichung, wie sehr das Gewicht der finanziellen Leistungen für Kriegsopfer im Bundeshaushalt unter Berücksichtigung der rückläufigen Zahl der Leistungsempfänger seit 1969 im Vergleich zu früher zugenommen hat, wäre es gut, wenn Sie sich folgende Zahlenangaben aus den Bundeshaushalten anhörten. Während der Anteil des Kriegsopferhaushalts am Gesamthaushalt des Bundes zwischen 1957 und 1969 von 10,9 % auf 6,5 % abgesunken ist, ist er, obwohl die Zahl der Leistungsemp-



Bundesminister Dr. Ehrenberg
fänger in gleicher Weise weiter abnahm, seit 1969 so gut wie konstant geblieben. 1969 betrug die Zahl der Leistungsempfänger rund 2,6 Millionen; gegenwärtig sind es rund 2 Millionen. Im Jahre 1979 sind für die Kriegsopferleistungen im Bundeshaushalt 12,5 Milliarden DM veranschlagt worden. Im Jahre 1969 waren es rund 6,3 Milliarden DM. Das ist eine Verdoppelung der Leistungen bei gleichzeitig um ein Viertel geringer gewordener Zahl der Leistungsempfänger.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Daran wird deutlich, welche Bedeutung diese Bundesregierung den berechtigten Interessen der Kriegsopfer beimißt, mehr als alle Bundesregierungen vorher, wie diese Zahlen seit 1969 eindeutig beweisen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Auch die Sozialpolitik — das muß in diesem Hause angesichts der Zwischenrufe ja wohl besonders deutlich gesagt werden — muß ihr Leistungsvermögen in die Möglichkeiten der öffentlichen Finanzen einpassen. Hier helfen keine isolierten Rechnungen von Einzelleistungen gegenüber früheren Erwartungen. Wir müssen die Sozialpolitik und das soziale Leistungssystem als Gesamtheit sehen und deshalb in unsere Beurteilung die Tatsache miteinbeziehen, daß der Bund erhebliche Liquiditätshilfen an die Bundesanstalt für Arbeit zu leisten hat.
Es war deshalb notwendig, Prioritäten in den Leistungsbereichen zu setzen. Wir haben das getan, indem wir das Schwergewicht auf die strukturelle Weiterentwicklung des entschädigungsrechtlich bedeutsamen Rechts des Berufsschadensausgleichs und des Rechts der Kriegsopferfürsorge gelegt haben. Die vorgeschlagenen Verbesserungen werden vór allem den durch die Schädigung gesundheitlich, beruflich und wirtschaftlich besonders betroffenen Geschädigten und Hinterbliebenen zugute kommen.
Im einzelnen ist folgendes vorgesehen. In der Heilbehandlung erhalten Personen, die einen Schwerbeschädigten unentgeltlich pflegen, einen Anspruch auf Kuren, und zwar während der Pflegezeittätigkeit und bis zu fünf Jahren nach dem Tode des Pflegebedürftigen. In der Kriegsopferfürsorge werden künftig alle Eltern mit Rücksicht auf ihr hohes Durchschnittsalter in die Kriegsopferfürsorge einbezogen, wenn sie allein wegen der Höhe ihres Einkommens keine Elternrente beziehen. Voraussetzung für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge soll künftig allein der Nachweis eines schädigungsbedingten Hilfebedarfs sein. Damit soll auf den problematischen Nachweis, daß wegen der Schädigung keine angemessene Lebensstellung erreicht wurde, verzichtet werden.
Die Einkommensgrenzen für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge orientieren sich künftig sachgerecht an der allgemeinen Einkommensentwicklung. Die Vermögensschonbeträge für den Einsatz von Bar- und von Grundvermögen werden erhöht und wie die Einkommensgrenze entsprechend der allgemeinen Einkommensentwicklung dynamisiert.
Jugendliche Geschädigte, die noch nicht berufstätig waren, sollen während der Durchführung von
Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation der Kriegsopferfürsorge als neue Leistung eine Unterhaltsbeihilfe erhalten. Sie entspricht dem nach dem Arbeitseinkommen vor der Berufsförderung bemessenen Übergangsgeld der Kriegsopferfürsorge, ist jedoch auf die Sicherung des angemessenen Lebensunterhalts der Jugendlichen während der Berufsförderung beschränkt. Diese neue Leistung wird vor allem den impfgeschädigten Jugendlichen, aber auch jugendlichen Opfern von Gewalttaten zugute kommen.
Im Rentenrecht wird der entschädigungsrechtlich wichtige Berufsschadensausgleich für Geschädigte und der Schadensausgleich für Witwen verbessert. Vorgesehen ist die Ausdehnung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich für alle rentenberechtigten Beschädigten, deren Erwerbseinkommen durch ihre Schädigung gemindert ist, der Wegfall der starren Höchstgrenze für den Berufsschadens- und Schadensausgleich, um bei besonders hohem Einkommensverlust eine bessere Abgeltung zu erreichen, und eine verbesserte Schadensabgeltung bei Berufsschadens- und Schadensausgleich durch Berücksichtigung aktueller zeitnäherer und damit höherer Vergleichseinkommen.
Die Pflegezulage für besonders schwer betroffene Beschädigte wie Taubblinde und blinde Ohnhänder wird durch die Einführung einer neuen Pflegezulagestufe verbessert. Die Beihilfen für Hinterbliebene von erwerbsunfähigen Beschädigten werden von einer Zweidrittelversorgung auf eine Vollversorgung aufgestockt. Witwen und Waisen von erwerbsunfähigen Beschädigten erhalten damit künftig ohne Rücksicht auf die Todesursache des Beschädigten eine volle Hinterbliebenenversorgung.
Zum Recht der Kriegsopferfürsorge möchte ich betonen, daß wir auch eine rechtssystematische Überarbeitung mit dem Ziel vorgenommen haben, eine bessere Transparenz für den hilfesuchenden Bürger zu erreichen. Dabei ist besonders hervorzuheben, daß der Rechtsgedanke auch für diesen Leistungsanspruch im besonderen Opfer für die Allgemeinheit zu sehen ist.
Meine Damen und Herren, die mit dem Zehnten Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung vorgeschlagenen Maßnahmen und Regelungen, nämlich die Wahrung des Dynamisierungsverbundes und die gezielten strukturellen Leistungsverbesserungen, sind Bestandteil unserer auf finanzielle Sicherheit und Sicherung eines hohen Leistungsniveaus ausgerichteten Sozialpolitik. Wir sind aus unserer Verantwortung gegenüber den 2,1 Millionen Kriegsopfern, die von den Folgen zweier Kriege am härtesten betroffen wurden, sehr bewußt. Den Interessen der Kriegsopfer dient aber niemand, der nicht erfüllbare Forderungen stellt, und erst recht nicht, wer den Dynamisierungsverbund zwischen der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung in Frage stellt. Wer verantwortungsbewußt für die Interessen der Kriegsopfer eintritt und nicht nach kurzfristigem Tagesbeifall schielt, der muß für diesen Dynamisierungsverbund eintreten und der muß auch erkennen, welch große soziale Leistung es bedeutet, unter ökonomisch schwierigen Bedingungen



Bundesminister Dr. Ehrenberg
und den gegenwärtigen Arbeitsmarktnöten Jahr für Jahr reale Verbesserungen der Leistungen zu gewährleisten, in einer Zeit, in der anderswo die Inflationsraten die Leistungssteigerungen längst überrollt haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Hierauf können die steuerzahlenden Arbeitnehmer und die gewerbliche Wirtschaft stolz sein. Es stünde Verbandspräsidenten und Politikern gut an, ausdrücklich anzuerkennen, welche Leistung hier erbracht wird. Im Gefolge der tiefgreifenden Weltmarktverzerrungen sind seit 1973 die Beschäftigungsmöglichkeiten in der ganzen Welt geschrumpft; in der Bundesrepublik sind 1977 durch die Folgen der Weltrezession rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze weniger als 1973 besetzt gewesen, und das heißt auch, daß es 1,2 Millionen Steuerzahler und Beitragszahler weniger gegeben hat. Wer, meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund Steigerungsraten von netto 4,5 % und 160 Millionen DM zusätzlich für Strukturverbesserungen mit dem abqualifizierenden Wörtchen „nur" versieht oder „Trostpflästerchen" — wie hier gerade gesagt wurde
nennt, der diskreditiert die deutschen Arbeitnehmer, die bei einer um ein Zwanzigstel geschrumpften Zahl diese Leistungen mit ihren Steuern und Beiträgen möglich machen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Hasinger [CDU/CSU] : Nein, der vergleicht mit dem bisherigen System!)

Im wohlverstandenen Interesse der Empfänger dieser Leistungen kann ich nur hoffen, daß mehr Nachdenklichkeit und mehr Gemeinschaftssinn in diese so sehr auf kurzfristige Beifallseffekte abgestellten Verbands- und Oppositionsäußerungen einkehren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Die Bundesregierung jedenfalls wird sich von ihrem
gradlinigen Kurs einer langfristigen Stabilisierung

(Franke [CDU/CSU] : Ihr seid doch zickzack gefahren!)

bei gleichzeitig durchzuführenden strukturellen Verbesserungen nicht abbringen lassen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sackgasse!)

Im Interesse der Kriegsopfer, die, wie ich aus vielen persönlichen Gesprächen weiß, hierfür nicht nur Verständnis haben, sondern im Gegensatz zu ihrem Präsidenten auch ausdrücklich Zustimmung bekunden, wird die Bundesregierung dies so fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808800400
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808800500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Minister für Arbeit und Sozialordnung hat soeben erneut mit dem ihm eigenen brutalen Charme

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU) Er hat erneut Zensuren ausgeteilt.


(Hasinger [CDU/CSU]: So ist es! — Wehner [SPD] : Das hatten Sie schon vorher geschrieben, nicht? — Liedtke [SPD] : Was haben Sie denn gerade verteilt?)

Meine Damen und Herren, ich möchte diesen Schmetterball nicht zurückgeben, möchte aber dem Herrn Minister empfehlen, seine eigenen Reden, Behauptungen, Projektionen und Unterstellungen der letzten drei Jahre zum Thema „Renten" einmal nach diesen strengen Maßstäben sorgfältig zu überdenken.

(Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU] : Z. B. die vom 12. Mai 19771)

Es ist doch offensichtlich, daß die Kritiker und die CDU/CSU von Anfang an die richtige Position hatten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Ja, Sie standen immer auf dem Kopf!)

— Herr Wehner, die CDU/CSU und die Kritiker
aus dem Bereich der Verbände und der Gewerkschaften waren keine unchristlichen Schwarzmaler.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung dagegen war kein Meister der Projektion; jedenfalls kann die Treffsicherheit seiner Aussagen rückblickend nicht hoch eingeschätzt werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zurückhaltend gesagt!)

Die Folge ist, meine Damen und Herren: Keine soziale Einrichtung hat so sehr das öffentliche Vertrauen verloren wie die Rentenversicherung.
Was nun die Bemerkung von Frau Griesinger im Bundesrat anlangt, so war sie doch eindeutig dahin gehend zu verstehen, daß die Kriegsopferversorgung aus dem Schatten der Rentenpleite herausgenommen werden müßte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier geht es nicht um eine Abkopplung; hier geht es doch darum, daß Kriegsopfer und Rentner von Anfang an daran geglaubt und darauf gehofft haben, daß es bei der bruttolohnbezogenen Anpassung ihrer Renten bleibt.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Um gar nichts anderes geht es hier, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Zehnte Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung sieht eine Anhebung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes für die nächsten drei Jahre lediglich im gleichen Umfange vor, wie sie auch in den Rentengesetzen vorgenommen werden soll. Zugleich sind strukturelle Verbesserungen vorgesehen.




Burger
Die Krise der Rentenversicherung mit der Folge erheblich gekürzter Anpassungssätze der Bestandsrenten nach dem 21. Rentenanpassungsgesetz greift dadurch leider auch auf die Kriegsopferversorgung über.

(Glombig [SPD] : Das haben Sie gewollt!)

— Die CDU/CSU, Herr Kollege Glombig, lehnt die im Gesetzentwurf vorgesehene, vom bisherigen Anpassungsmaßstab und vom bisherigen Anpassungsverfahren abweichende Änderung ab. Sie fordert, daß die Leistungen der Kriegsopferversorgung für 1979 in der Höhe angepaßt werden, die sich aus der Entwicklung der Bruttolöhne in dem maßgebenden Zeitraum ergibt.

(Glombig [SPD] : Wo steht denn das?)

— Das entspricht dem Sinn unserer Anträge, die wir zur Rentenversicherung einbringen werden. Sie enthalten klipp und klar das, was die CDU/CSU mit ihrer Konzeption will.

(Glombig [SPD] : Wo sind denn die Anträge?)

— Die Anträge werden im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung vorgelegt werden.

(Glombig [SPD] : Aha! Die sollen also erst noch kommen!)

Wir werden auch zur Kriegsopferversorgung Anträge vorlegen.

(Glombig [SPD]: Aha! So ist das!)

Die CDU/CSU fordert, daß die Leistungen der Kriegsopferversorgung für 1979 in der Höhe angepaßt werden, wie sie sich aus der Entwicklung der Bruttolöhne in dem maßgebenden Zeitraum ergibt.
Schon durch das Neunte Anpassungsgesetz vom 27. Juni 1977 wurden die zukünftigen Rentenanpassungen um jeweils sechs Monate hinausgeschoben, und zwar aus Gründen, die außerhalb des sozialen Entschädigungsrechts oder des Bundeshaushalts lagen.
Kriegsopferrenten — und darum geht es doch — sind aber Leistungen aus einer anderen Begründung. Gesundheitsschäden und der Verlust des Ernährers

(Wehner [SPD] : Deswegen haben Sie sie früher dynamisiert!)

müssen mit Mitteln des Bundeshaushalts abgegolten werden, Herr Kollege Wehner.

(Wehner [SPD]: Ja, ja, hätten Sie das ...) Grundrenten haben keine Lohnersatzfunktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Grundrenten sind ein Ausgleich für Mehraufwendungen.

(Glombig [SPD] : Abkoppeln von der Anpassung!)

Die Erbitterung und Enttäuschung der betroffenen Kriegsopfer ist nur allzu verständlich, wenn sie fest- stellen müssen, daß durch die übernommenen Kürzungen des 20. und 21. Rentenanpassungsgesetzes bis 1981 im Kriegsopferetat Einsparungen von über 2 Milliarden DM entstehen werden.

(Hasinger [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Keine andere Gruppe — das ist doch richtig und wahr — muß so viele Opfer für die Stabilisierung der Bundesfinanzen erbringen.


(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Leider wahr!)

Es gab während der CDU-Zeit keine Kürzungen —

(Wehner [SPD] : Keine Dynamisierung!)

— Es gab während der CDU-Zeit keine Kürzungen von Rentenansprüchen

(Wehner [SPD]: Keine Dynamisierung!) im Kriegsopferrecht.


(Wehner [SPD] : Keine Dynamisierung!)

— Die Dynamisierung der Kriegsopferrenten wurde eingeleitet durch den § 56,

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

den die CDU/CSU-Regierung zwei Jahre vor Ihrem Regierungsantritt in das Bundesversorgungsgesetz hineingebracht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Sie tun mir leid! — Weitere Zurufe von der SPD)

Und die erste dynamische Anpassung, Herr Kollege Wehner, war im Jahr 1970 und nicht, wie Sie immer behaupten, erst 1971.

(Wehner [SPD]: Sie tun mir leid!)

Wir haben das mit dem § 56 eingeleitet. Nicht die Regierung, sondern das Parlament hat — ganz klipp und klar soll das gesagt werden — auf einen Vorschlag des Kollegen Schellenberg die Dynamisierung einstimmig eingeführt. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808800600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glombig?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808800700
Ja. — Bitte, Herr Kollege Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808800800
Herr Kollege Burger, weil Sie von dem § 56 reden, in dem ja die Dynamisierung der Kriegsopferrenten geregelt ist, frage ich Sie: Stimmt es, daß der Ausgestaltung dieses § 56 des Bundesversorgungsgesetzes während der Ausschußberatungen im Dezember 1969 von seiten der CDU/CSU massiver Widerstand entgegengesetzt und verlangt wurde, den Finanzminister nach Berlin herbeizuzitieren, um klarzumachen, daß eine Finanzierung der Renten der Kriegsopfer auf diesem Weg unmöglich sei?

(Beifall bei der SPD — Wehner [SPD] : Hört! Hört! — Weitere Zurufe von der SPD)


Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808800900
Herr Kollege Glombig, ich habe an jener Sitzung in Berlin teilgenommen. Ich habe nichts von einem massiven Widerstand meiner Fraktion festgestellt,

(Franke [CDU/CSU): Das erfindet der! —

Lachen bei der SPD — Zurufe von der SPD)



Burger
Herr Kollege Glombig, und das Parlament hat einstimmig zugestimmt. Der § 56, ich darf es noch einmal sagen, mit seiner Berichtspflicht war der erste Schritt zur Dynamisierung.
Im übrigen wollen wir doch einmal klipp und klar über die Dynamisierung reden. Kriegsopferrecht und Sozialversicherung sind natürlich sehr unterschiedliche Dinge. Es war so, daß viele Jahre zunächst einmal niemand an einer ähnlichen Dynamisierung der Kriegsopferrenten wie der Sozialversicherungsrenten ein Interesse hatte —

(Zurufe von der SPD)

viele Jahre, auch die Betroffenen nicht. Ich bin Kriegsbeschädigter, gehöre einem Verband an; ich kenne die Entwicklung sehr genau.

(Zuruf von der SPD) — Ich lasse mir hier nichts vormachen.


(Wehner [SPD] : Sie können uns nichts vormachen!)

— Herr Kollege Wehner, ich habe hier als Vertreter der CDU/CSU, als frei gewählter Abgeordneter das Recht, meine Meinung zu formulieren.

(Zurufe von der SPD)

— Herr Kollege Wehner, Herr Kollege Rappe, nur keine Aufregung! Die Wahrheit kann im Protokoll nachgelesen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808801000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Gansel?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808801100
Gern, Herr Kollege Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808801200
Herr Präsident, ich bin doch daran interessiert, daß Herr Burger jetzt fortfährt und erzählt, wie das mit der Dynamisierung war.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808801300
Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt eine Gelegenheit, Ihre Zwischenfrage zu stellen. Wenn Sie darauf verzichten, ist das Ihre Sache.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Er traut sich nicht mehr zu fragen!)


Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808801400
Herr Kollege Gansel, ich berichte aus meinen Erfahrungen. Ich berichte, daß man sich, wenn auch nur sehr zögerlich, dazu entschlossen hat, auf eine gleiche Dynamisierung einzugehen wie bei den Sozialversicherungsrenten, weil man gesehen hat, daß sich diese Regelung bewährt hat. Auch bei uns war man zunehmend der Auffassung, daß dieser Weg einer kontinuierlichen Anpassung richtig sei. Schwierig war die Frage: welches ist der richtige Weg? Und wir sehen ja heute bei diesen Problemen, daß auch dieser Weg der Anpassung an die Sozialversicherungsrenten seine Probleme hat.
Nun, Herr Kollege Gansel!

(Franke [CDU/CSU] : Er hat sich wieder erholt!)


Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808801500
Herr Kollege Burger, ist es denn durch diese zögerliche Haltung zu erklären, daß noch — wenn ich, Herr Präsident, zitieren darf — im Sozialpolitischen Schwerpunktprogramm der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 20. August. 1969 — also nur knapp ein Jahr, bevor dann die sozialliberale Koalition die Dynamisierung durchgesetzt hat —

(Zuruf von der CDU/CSU)

vorgeschlagen wurde, die Leistungen für die Kriegsopfer an die wirtschaftliche Entwicklung auf der Grundlage der im Abstand von zwei Jahren von der Bundesregierung vorzulegenden Berichte anzupassen? Also keine Dynamisierung, sondern nur eine Prüfung im Ermessen der Bundesregierung auf Grund von Berichten alle zwei Jahre.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808801600
Herr Kollege Gansel, jedem Parlamentarier, auch Ihnen, mußte doch klar sein, daß mit der Berichtspflicht — im Bericht sollte die ganze Entwicklung der zwei Jahre aufgezeigt werden — natürlich die Konsequenz der Anpassung im Rahmen dieser Daten kommen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808801700
Gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Gansel?

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808801800
Kann ich diese Antwort so verstehen, daß Sie sich noch dazu bekennen und meinen, daß nach den Vorstellungen der CDU/CSU von 1969 erst zwei Jahre später, also 1971, die Bundesregierung darüber befinden sollte, ob eine Dynamisierung vorzuschlagen sei, — wohingegen wir das schon 1970 getan haben?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808801900
Herr Kollege, man kann das so oder so sehen. Die CDU/CSU-Fraktion ist eindeutig der Auffassung, daß wir mit dem § 56 die Dynamisierung eingeleitet haben. Mit der Berichtspflicht war automatisch eine Anpassung verbunden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr wahr! — Zuruf von der SPD: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Ich komme wieder zum Thema. Zunehmende Kritik, zunehmende Ablehnung, ja Verbitterung müssen wir draußen in den Kundgebungen und Veranstaltungen, auch in den kleinen Veranstaltungen vor Ort, gegen diese Ihre Konzeption zur Rentensanierung feststellen. Wir sollten diese Kritik ernst nehmen. Wir sollten sie nicht verdrängen.
Herr Kollege Glombig, Sie haben vor einigen Tagen vor einer großen Rentnerkundgebung öffentlich erklärt: „Ja, was wollt Ihr denn, Ihr kriegt doch etwas mehr!" Diese Einstellung, diesen Zynismus kann ich nicht verstehen. Die Renten sind



Burger
doch kein Geschenk. Die Rentner haben doch ihre Beiträge geleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mir ist auch das Austeilen der harten Kritik des Bundesarbeitsministers auf jener Kundgebung unbegreiflich. Er ist im Austeilen ja nicht pingelig. Aber im Nehmen ist der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung anscheinend empfindlich wie eine Mimose.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808802000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glombig?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808802100
Gerne.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808802200
Herr Kollege Burger, Sie haben eben von meinem „Zynismus" anläßlich der VdK-
Kundgebung am letzten Montag gesprochen. Sind Sie tatsächlich der Meinung, daß es einem Zynismus und einem Leistungsabbau entspricht, wenn ich hier im Namen der SPD-Fraktion sage, daß von 1969 bei damals vier Millionen Kriegsopfern und einer Ausgabe für die Kriegsopfer in Höhe von 5 Milliarden DM die Ausgaben für die Kriegsopferversorgung auf über 12 Milliarden DM im Jahre 1978 bei 2 Millionen Kriegsopfern gestiegen sind?

(Beifall 'bei der SPD)


Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808802300
Herr Kollege Glombig, Gegenstand meiner Kritik waren Ihre Äußerungen. Und die waren insofern überzogen, als viele Leute den Eindruck hatten, als ob die Rentner beinahe Schuldgefühle haben müßten, weil sie soviel Rente bekommen. Dies ist eben falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808802400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller (Berlin)?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808802500
Ja.

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0808802600
Herr Kollege Burger, können Sie mir bestätigen, daß die Steuerzahler durch die Einführung der Kriegsopferrente im Jahre 1950 mit 2,5 °/o des Bruttosozialprodukts von 98 Milliarden DM belastet wurden, heute nur noch mit 1 %?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0808802700
Das ist richtig, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren, ich möchte weiterfahren. Ich jedenfalls bedauere die schmerzliche Kränkung durch den Bundesarbeitsminister, die dieser mit seiner Bemerkung in Bad Godesberg den Kriegsopfern gegenüber geäußert hat. Ich möchte die SPD einmal fragen, wo denn der Geist geblieben ist, den Sie mit der ersten Regierungserklärung von Willy Brandt hervorgezaubert haben, als Sie kritische Mitarbeit gefordert haben. Wo ist er denn geblieben?
Sie haben doch diese Kritik herausgefordert. Nun kommt sie. Nun sollten Sie sie auch annehmen. Sie sollten sie überdenken und auch berücksichtigen.
Der frühere Bundesarbeitsminister Walter Arendt — er ist heute unter uns — hatte einst vor einem großen Kriegsopferkongreß im Mai 1970 versprochen — ich war auch dabei und habe Ihre Rede gehört, Herr Minister Arendt —, daß mit der Übernahme der Rentenformel die Kriegsopferversorgung für immer auf eine solide Basis gestellt worden sei.

(Egert [SPD] : Das ist doch nach wie vor der Fall!)

Kriegsopfer, so wurde versprochen, bräuchten in der Zukunft nie mehr zu demonstrieren. Meine Damen und Herren, es ist anders gekommen. Innerhalb eines Jahres sind die Kriegsopfer dreimal in Bad Godesberg zu Demonstrationen angetreten. Die Sicherheit dauerte nur wenige Jahre. Mit einem Stufenplan durch das Haushaltsstrukturgesetz und mit dem Neunten Anpassungsgesetz gab es erhebliche Eingriffe in das Bundesversorgungsgesetz mit spürbaren finanziellen Auswirkungen. Das Zehnte Anpassungsgesetz erfordert weitere Opfer.
Als ganze und halbe Unwahrheiten müssen es die Kriegsopfer, insbesondere aber auch die Kriegerwitwen, empfinden, wenn Bundesregierung und Koalitionsparteien ständig wiederholen und dies mit irreführenden Prozentzahlen zu beweisen suchen, wie stark die Renten in den letzten Jahren angestiegen seien. Dabei wird bewußt überdeckt, daß zwischen Renten aus den Rentenversicherungen und der Kriegsopferversorgung Anrechnungsvorschriften bestehen, daß Erhöhungen der Versicherungsrenten an den Ausgleichsrenten der Kriegsopfer gekürzt werden, daß Erhöhungen der Grundrenten am Schadensausgleich gekürzt werden und daß der jeweilige Kriegsbeschädigte und die betroffene Kriegerwitwe durch diese Prozentzahlen völlig falsch bewertet werden.
Es gab 4,5 Millionen Kriegsopfer unmittelbar nach Ende des Krieges. 2,1 Millionen Kriegsopfer waren es 1977. Die Zahl der Versorgungsberechtigten nimmt jährlich um etwa 60 000 ab. Der Anteil der Gesamtaufwendungen in der Kriegsopferversorgung am Bundeshaushalt betrug 1950 2,1 Milliarden DM. Das waren 16 % des Gesamthaushaltes, der damals ganze 16 Milliarden DM betrug. Die große Not der Nachkriegszeit spiegelt sich in diesen Zahlen wider. Für die große Zahl der Versorgungsberechtigten waren natürlich diese 2,1 Milliarden nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Jahre 1977 — Herr Kollege Glombig, das soll gesagt werden — standen 11,2 Milliarden DM zur Verfügung. Das sind aber nur noch 6,6 % eines 171-Milliarden-DM-Haushaltes.
Das BVG ist durch drei Neuordnungsgesetze, zahlreiche Novellierungen und Anpassungsgesetze auf den heutigen Stand gebracht worden. Trotz noch bestehender Härten war die Entwicklung im Kriegsopferrecht im allgemeinen als relativ befriedigend zu beurteilen. Wenn nun aber einerseits die Versicherungsrenten und andererseits die Kriegsopferrenten durch die vorgesehenen Maßnahmen Einbußen erleiden müssen, würde für die betroffenen



Burger
Kriegsopfer eine mehrfache Benachteiligung entstehen. Das Rentenniveau in der Kriegsopferversorgung ist schwer vergleichbar, jedoch kann man beweisen, daß das Rentenniveau, verglichen mit dem Nettoeinkommen der Aktiven, zurückgeblieben ist. Wer die Rente eines hundertprozentig Kriegsbeschädigten mit dem Durchschnittseinkommen aller Erwerbstätigen in den letzten zwanzig Jahren vergleicht, muß feststellen, daß der Abstand zwischen der Vollrente eines Kriegsbeschädigten und dem Durchschnittseinkommen aller Erwerbstätigen immer größer geworden ist. Das Abweichen von der Bruttolohnformel würde diese Entwicklung — das ist eindeutig — noch zuungunsten der Kriegsopfer verschlechtern.
Es muß auch berücksichtigt werden, daß die Kriegerwitwen auch dadurch benachteiligt sind, daß ihre Witwenrente aus der Sozialversicherung auf den Vorkriegseinkommen ihrer Männer basiert. Niedrigere Löhne begründen aber auch niedrigere Renten. Ähnliches gilt auch für die Kriegsbeschädigten, die nach dem Zweiten Weltkrieg meist ohne berufliche Rehabilitation oft auf typischen Behindertenarbeitsplätzen eingesetzt worden sind. Auch das bedeutet Einkommensminderungen.

(Wehner [SPD] : Daran sind wir auch noch schuld!)

— Das ist eine Tatsache, für die ich niemandem eine Schuld gebe, Herr Kollege Wehner. Das geht aus meinen Erklärungen eindeutig hervor.

(Wehner [SPD] : Wie ich Sie kenne, muß ich das anders sehen!)

— Herr Kollege Wehner, Sie beurteilen mich völlig falsch. Ich habe hier ganz objektiv Tatsachen in den Raum gestellt.

(Wehner [SPD] : Sehr objektiv!)

In den Jahren bis 1969 war es in erster Linie der Leistungskraft der Sozialen Marktwirtschaft zu verdanken, daß die Aufwendungen für die Kriegsopfer und Sozialrentner von Jahr zu Jahr gesteigert werden konnten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies ist nicht das Verdienst der heute Regierenden, sondern derjenigen, die seinerzeit die Soziale Marktwirtschaft mit freiem Unternehmertum und freier Konsumwahl, oft gegen den harten Widerstand der SPD, durchgesetzt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die heutige Misere ist zu einem großen Teil auch auf die von der sozialliberalen Koalition zu verantwortende Wirtschaftspolitik zurückzuführen, die nur allzuoft von sozialistischer Ideologie. bestimmt ist.

(Wehner [SPD] : Das mußte ja an diesem Punkt sein! „Renten oder Sozialismus" — da haben Sie einen neuen Schlager!)

Auf die Zusammenhänge zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik haben wir wiederholt hingewiesen. Ich möchte noch einmal betonen, daß die Grundlage für die Dynamisierung der Kriegsopferrenten entgegen der Auffassung der Bundesregierung bereits mit dem 1. Januar 1967 von der CDU/
CSU im Rahmen des Dritten Neuordnungsgesetzes zum BVG über den hier neu geschaffenen § 56 gelegt worden ist. Auf dieser Basis wurde 1970 zum ersten Male angepaßt. Es ist also nicht zutreffend, wenn die Koalition den Beginn der Dynamisierung erst auf das Jahr 1971 legt.
Die strukturellen Verbesserungen des Zehnten Anpassungsgesetzes sind zu begrüßen. Es sind Verbesserungen im Bereich der Heilbehandlung, der Kriegsopferfürsorge, der Elternrenten, des Schadensausgleichs für Kriegsbeschädigte unter fünfzig Prozent und vor allem auch die Einführung einer weiteren Stufe der Pflegezulage für Schwerstkriegsbeschädigte. Die Mehrkosten werden mit jährlich ca. 150 Millionen DM beziffert. Dies kann nicht genügen, wenn man von Einsparungen in Höhe von 2 Milliarden DM im Bundeshaushalt ausgeht. Die CDU/ CSU wird deshalb im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung weitergehende Anträge einbringen. Sie betreffen als erstes den Berufsschadensausgleich für Beschädigte. Sinn und Zweck des Berufsschadensausgleichs ist es, die wirtschaftlichen Einbußen derjenigen Beschädigten auszugleichen, die wegen ihrer Schädigungsfolge nicht oder nicht in vollem Umfang in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden können.
Auch der Schadensausgleich für Witwen soll verbessert werden. Die Witwenrente kann ihre Unterhaltsersatzfunktion nur dann voll erfüllen, wenn ihre Höhe im Einzelfall geeignet ist, den nachgewiesenen wirtschaftlichen Schaden durch den Verlust des Ehemannes annähernd auszugleichen. Deshalb kommt dem Schadensausgleich eine vorrangige Bedeutung zu. Ein entsprechender Antrag wird von uns vorgelegt werden.
Auch im Bereich der Elternrenten halten wir gewisse Verbesserungen für erforderlich.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in den Zeiten ihrer Regierungsverantwortung mehrfach unter Beweis gestellt, daß auch ihre eigenen Abgeordneten in Auseinandersetzungen als Anwälte der Kriegsopfer gegenüber der von ihr gestellten Regierung für die Kriegsopfer Partei genommen haben. Wir erwarten die gleiche Haltung auch von den Abgeordneten der SPD und FDP; denn das ganze Parlament ist aufgerufen, als Anwalt der Kriegsopfermaßnahmen von größtmöglicher sozialer Ausgewogenheit zu beschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808802800
Das Wort hat der Abgeordnete Sieler.

Wolfgang Sieler (SPD):
Rede ID: ID0808802900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl unbestreitbares Verdienst der sozialliberalen Koalition und der von ihr getragenen Bundesregierung, daß wir uns heute hier zum zehntenmal mit einer Anhebung der Leistungen in der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge beschäftigen können. Es ist nicht unangebracht, bei allen begründet erscheinenden Vorstellungen und Wünschen der Kriegsopfer und ihrer Verbände, noch einmal darauf hinzuweisen, daß es meine po-



Sieler
litischen Freunde waren, die 1969 dafür gesorgt haben, daß die bis dahin veranstalteten jährlichen Protestmärsche der Kriegsbeschädigten, Kriegerwitwen und -waisen überflüssig geworden sind.

(Beifall bei der SPD — Dr. Jenninger [CDU/ CSU] : Warum kommen sie denn heute wieder?)

— Meine Damen und Herren, wenn heute die Kriegsopferverbände zu Protestkundgebungen nach Bonn einladen, dann geschieht das nicht deshalb, weil sie um eine Anpassung der Kriegsopferleistungen an die Einkommensentwicklung aller anderen Gruppen in unserer Gesellschaft streiten müssen, sondern weil ihnen diese Leistungsverbesserungen nicht weit genug gehen.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt den Entwurf eines Zehnten Anpassungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung, weil damit in konsequenter Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts ein beachtlicher Schritt nach vorn getan wird.
Gleichgültig, wie man heute über das 21. Rentenanpassungsgesetz denken mag: in der Kriegsopferversorgung haben wir seit Jahren eine alte Forderung der Kriegsopferverbände erfüllt. Im Rechtsgutachten des VdK zur Anpassung der Kriegsopferleistungen von 1973 heißt es — ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten —:
Die Lage der Sozialrentner und die Lage der Kriegsopfer sind im Hinblick auf die Gesichtspunkte, die eine Anpassung der Versorgungsleistungen verlangen, als wesentlich gleiche Tatbestände zu beurteilen.
Wenn diese Auffassung damals richtig war, meine Damen und Herren, ist sie dies doch auch heute. Die Notwendigkeit, die Kriegsopferrenten in demselben Umfange anzupassen wie die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung, wird daher auch von meiner Fraktion uneingeschränkt anerkannt.
Für das Zehnte Anpassungsgesetz gilt nach übereinstimmender Auffassung meiner Freunde das — und dies kommt im Entwurf zum Ausdruck —, was mein Kollege Glombig über den Verbund von Versorgungsleistungen für Kriegsopfer und Sozialrentner hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunktes auf der Veranstaltung des VdK am 24. April dieses Jahres ausgeführt hat — ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten —:
Die Kriegsopfer können keine höheren Steigerungen als Sozialrentner erwarten. Sie dürfen und sie werden aber auch keine geringeren Steigerungen ihrer Versorgungsleistungen erhalten; denn die Dynamisierung der Kriegsopferrenten kann nicht nur eine Schönwetterangelegenheit sein.

(Hasinger [CDU/CSU] : Haushaltsstrukturgesetz!)

Die Anpassung der Sozialrenten und die Anpassung der Versorgungsleistungen haben dieselbe Funktion. Diese Funktion wird auch in den kommenden drei Jahren erfüllt.
Wer ernsthaft diese systemgerechte Grundlage in Zweifel zieht und Abweichungen in der Anpassung der Kriegsopfer- und Sozialrenten will, müßte eigentlich — konsequenterweise — diese auch für die Knappschaftsrentner, für die Bezieher von Altersgeld aus der gesetzlichen Altershilfe für Landwirte und für die Bezieher entsprechender Leistungen aus dem Lastenausgleich verlangen. Wer aber immer solches fordert, muß sich vorhalten lassen, unser System aus dem Gleichgewicht zu bringen und gleichzeitig neue soziale Ungerechtigkeiten zu schaffen, vielleicht ungewollt.
Der Opposition dürfte es durchaus nicht schwerfallen, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben, zumal wir in diesem Gesetz die wertgleiche und zeitgleiche Anpassung erneut festgeschrieben haben. Dies entspricht ja auch Ihren Intentionen.
Für den Bereich der Kriegsopferfürsorge im Entwurf zum Zehnten Anpassungsgesetz — KOV — machen wir uns gern die positive Stellungnahme der Vertreterin von Baden-Württemberg, Frau Griesinger, in der Bundesratssitzung vom 21. April 1978 zu eigen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Ist das Thema Anpassung schon erledigt?)

— Einen kleinen Moment; ich komme gleich darauf. Sie sollten dieses einmal nachlesen. Das ist auch für Sie ganz interessant. — Danach konnte in diesem Punkt eine Anpassung an die Erfordernisse des sozialen Entschädigungsrechts weitgehend erreicht werden.
Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf des Zehnten Anpassungsgesetzes strukturelle Leistungsverbesserungen vorgeschlagen, und zwar solche, die wir in ihrer Bedeutung für die Fortentwicklung des Kriegsopferrechts keineswegs unterschätzen sollten. Mit Recht unterstreicht der Bund der Kriegsblinden diese Strukturverbesserungen mit den Worten — ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten —:
Bundesarbeitsminister Ehrenberg und Staatssekretärin Fuchs hielten Wort. Der BKD weiß dies richtig einzuschätzen in Anbetracht der Tatsache, daß Haushaltsmittel für die strukturellen Verbesserungen nur in beschränktem Umfange zur Verfügung stehen.

(Franke [CDU/CSU] : Aber im gleichen Augenblick beklagen Sie sich über die Abschaffung der dynamischen Rente!)

Gewiß, Herr Kollege, kompensiert die dafür notwendige Mehraufwendung nur teilweise die im Kriegsopferhaushalt durch die Rückverlegung des Anpassungstermins erzielten Minderausgaben. Gewiß hätte es uns auch gefreut, wenn die Situation unseres Gesamthaushalts eine noch größere Ausgestaltung der strukturellen Verbesserungen zugelassen hätte.

(Hasinger [CDU/CSU] : Jetzt sind Sie beim Thema!)

Sicher gibt es noch eine ganze Reihe von Wünschen und Forderungen.

(Franke [CDU/CSU] : Sie betreiben Haushaltssanierung auf Kosten der Kriegsbeschädigten!)




Sieler
Gleichwohl sollten wir uns einmal die Frage stellen, Herr Kollege Franke, ob es aus sozialpolitischer Sicht wirklich richtig ist, den Wert einer solchen Vorlage nur nach dem finanziellen Volumen dieser Verbesserungen zu beurteilen.

(Beifall bei der SPD)

Mir erscheint es, meine sehr verehrten Damen und Herren, jedenfalls sinnvoller — gerade auch im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse der Kriegsopfer —, sehr gezielte Leistungsverbesserungen vorzusehen, die sich vielleicht nicht immer in hohen Zahlen niederschlagen, für den einzelnen Versorgungsberechtigten jedoch von außerordentlicher Bedeutung sind.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat bereits die wichtigsten dieser strukturellen Leistungsverbesserungen aufgezählt. Wir meinen, daß Schwerpunkte und Prioritäten damit richtig gesetzt sind. Dies gilt im Blick auf den konsequenten Ausbau des Bundesversorgungsgesetzes als eines Leistungsmodells des sozialen Entschädigungsrechts zunächst für die Verbesserungen im entschädigungsrechtlich vorrangigen Bereich des Berufsschadensausgleichs und des Schadensausgleichs.
Die Öffnung des Berufsschadensausgleichs für alle rentenberechtigten Beschädigten ebenso wie der Wegfall der gegenwärtigen Höchstgrenzen sind ein entschädigungsrechtlich logischer Schritt in Richtung auf eine verbesserte individuelle Abgeltung der beruflichen und wirtschaftlichen Folgen für die Kriegsbeschädigten. Gleiches gilt für die im Regierungsentwurf vorgesehene Aktualisierung der Vergleichseinkommen bei Berufsschadensausgleich und Schadensausgleich, genauso für die Erweiterung der Witwen- und Waisenhilfen durch die vorgeschlagene generelle Einbeziehung der Hinterbliebenen von erwerbsunfähigen Kriegsbeschädigten und die Vollversorgung.
Alles in allem kann sich das Bündel gezielter Maßnahmen zur strukturellen Weiterentwicklung des Bundesversorgungsgesetzes sehr wohl sehen lassen. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei sieht in der Regierungsvorlage einen überzeugenden Beweis dafür, daß sich die Bundesregierung den Problemen der Kriegsopferversorgung. mit großem Ernst und Verantwortungsbewußtsein stellt.
Damit, meine Damen und Herren, ist für mich und meine Freunde die Entwicklung im weiteren Ausbau des Behindertenrechts keineswegs abgeschlossen.
Erstens. Noch in diesem Jahr wird die sozialliberale Koalition einen verbesserten Gesetzentwurf über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten und anderen Behinderten im Nahverkehr einbringen.

(Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ CSU] : Die die Länder bezahlen sollen!)

Nach unseren Vorstellungen sollen zukünftig alle Behinderten — ohne Rücksicht auf den Grund ihrer Behinderung — in die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr einbezogen werden. In der vergangenen Legislaturperiode haben die Länder dieses
gleiche Vorhaben auf Grund finanzieller Bedenken scheitern lassen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Gibt der Bund ihnen jetzt das Geld?)

Bei erneuter Vorlage eines Gesetzentwurfs, Herr Kollege, werden die Länder die Nagelprobe bestehen

(Frau Steinhauer [SPD]: Sehr richtig!)

und zeigen müssen, ob sie bereit sind, ihren finanziellen Anteil zur Verwirklichung dieses sozialpolitischen Anliegens zu leisten; der Bund wird es auf jeden Fall tun.

(Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ CSU]: 30 °/o der Bund, 70 °/o die Länder! — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Was sollen die Länder leisten, Herr Kollege?)

Wir werden zweitens, meine Damen und Herren, erneut die Frage der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte aufgreifen und prüfen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Aufgreifen? Wir haben hier einen Antrag liegen!)

Auf dem letzten Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Herbst vergangenen Jahres ist diese alte Forderung nach weiterer Herabsetzung der Altersgrenze für Schwerbehinderte erneut bestätigt und bekräftigt worden.

(Hasinger [CDU/CSU] : Beschließen Sie unseren Antrag, dann haben Sie es!)

— Einen kleinen Moment, Herr Kollege, ich komme noch darauf. — Wir Sozialdemokraten stehen zu dieser Forderung. Wer allerdings jetzt eine weitere Herabsetzung der Altersgrenze will und dafür eintritt, muß, um glaubwürdig zu bleiben, zugleich sagen, wie er dies finanzieren will.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Belastung der Rentenversicherung ist im Hinblick auf ihre gegenwärtige Finanzsituation nicht möglich. Zur Realisierung diese sozialpolitisch, aber auch arbeitsmarktpolitisch sinnvollen Zieles müssen andere Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden; nur darum geht es ja.
Mit dem Entwurf zum Zehnten Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung nehmen die Kriegsopfer auch weiterhin an der wirtschaftlichen Entwicklung teil. Außerdem, meine Damen und Herren, sieht dieser Gesetzentwurf vor, daß vor allem den Kriegsopfern geholfen wird, die ein besonders schweres Los zu tragen haben. Bei der Vertretung der berechtigten Interessen der Kriegsopfer lassen wir uns — damit möchte ich zum Schluß kommen — von niemandem übertreffen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Hasinger [CDU/CSU] : Kläglich war das!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808803000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eimer.

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0808803100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP hat seit dem Ende des Zweiten



Eimer
Weltkrieges immer wieder unter Beweis gestellt, welchen Stellenwert die Kriegsopferversorgung für uns hat — aus der besonderen Verantwortung heraus, die das deutsche Volk der Schicksalsgruppe der Kriegsopfer schuldet. Auf Forderung dieser Koalition wurde 1970 die Dynamisierung der Kriegsopferrenten — analog den gesetzlichen Renten — eingeführt, damit Kriegsopfer nicht jährlich als Bittsteller auftreten müssen.
Diese Verknüpfung zwischen Sozialrenten und Kriegsrenten haben auch die Kriegsopfer und deren Verbände gewollt. Nun haben wir diese Verknüpfung. Wenn wir mit dem 21. RAG von 1979 bis 1981 vorübergehend von der bisherigen Praxis abgehen — mein Kollege Cronenberg wird darauf noch eingehen —, dann kann das logischerweise nur bedeuten, daß wir beim Zehnten Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung parallel verfahren müssen. Wir wollen nicht, daß Kriegsrentner der allgemeinen Entwicklung der Renten nachhinken. Wir wollen nicht, daß Sozialrentner den Kriegsopfern nachhinken. Wir wollen, daß sich die Renten beider Personengruppen nicht schlechter, aber auch nicht besser entwickeln als das Einkommen derer, die durch ihre Arbeit die Renten finanzieren.
Der Zuwachs wird allerdings nicht mehr wie in früheren Jahren über dem Zuwachs der verfügbaren Arbeitnehmereinkommen liegen können. Unterschiedliche Behandlung hätte zwangsläufig eine Schädigung der Solidargemeinschaft der Rentner zur Folge. Egoismus beeinträchtigt den sozialen Frieden. Diese Solidarität muß auch zwischen Rentnern und Beitragszahlern bestehen.
In diesem Zusammenhang muß ich den Funktionären von Bad Godesberg sagen: Ich habe den Eindruck, daß sie und andere Funktionäre den Kontakt zur Basis verloren haben.

(Beifall bei der FDP)

Die Basis denkt anders als jene, die in Bad Godesberg waren. Ich halte es für unverantwortlich, wenn man versucht, seine Mitglieder wider besseres Wissen emotional aufzuheizen. Es sollten eigentlich sachliche Argumente ausgetauscht werden.
Das Folgende sage ich nicht für mich, weil ich davon nicht in dem Maße betroffen war: Wer austeilt, muß auch einstecken können. Wer als Präsidium eine Kundgebung zu leiten hat, der trägt besondere Verantwortung dafür, daß eingeladene Gäste reden können — auch wenn deren Meinung nicht genehm ist.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich auf den vorliegenden Gesetzentwurf zurückkommen, der insgesamt 21 Millionen Versorgungsberechtigte betrifft. Unter diesen 21 Millionen Betroffenen befinden sich — das ist in der Offentlichkeit nicht in dem Maße bekannt — auch Wehrdienstopfer, Opfer von Gewalttaten und Impfgeschädigte.
Neben der vorgesehenen Steigerung von insgesamt 13 O/o in den Jahren 1979 bis 1981 — es wird immer wieder verschwiegen, daß es ja nicht weniger, sondern mehr gibt; nur steigt dieses Mehr nicht mehr so schnell — erfüllen wir mit dem Zehnten
Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung aber eine Zusage an die Kriegsopfer, die wir im Vorjahr im Zusammenhang mit der Verschiebung des Anpassungstermins abgegeben haben.
Die frei werdenden Haushaltsmittel werden zum Ausgleich noch bestehender sozialer Härten in der Kriegsopferversorgung eingesetzt. Vorgesehen sind vor allem folgende Strukturverbesserungen: 1. Verbesserung des Berufsschadensausgleichs für Beschädigte und des Schadensausgleichs für Witwen, 2. die Einführung einer neuen Pflegezulage Stufe VI für Taubblinde und blinde Ohnhänder, 3. in der Heilbehandlung Leistungen von Kuren auch für Pflegepersonen, 4. Verbesserung der Leistungen der Kriegsopferfürsorge durch Einbeziehung aller Eltern in die Leistungen; weiter: Erleichterung der Kausalitätsvoraussetzungen, Neuregelung der Einkommensgrenzen und der Vermögensschonbeträge, für jugendliche Beschädigte Unterhaltsbeihilfen zur Sicherung des angemessenen Lebensunterhaltes während einer Berufsförderung.
Mit diesen gezielten Strukturmaßnahmen wollen wir den Interessen der Kriegsopfer noch besser als bisher gerecht werden. Nun wurde uns hier auch wieder vorgeworfen, wir würden die Rentner verunsichern. Herr Burger, ich möchte Sie fragen, ob das von Ihnen gebrauchte Wort von der Rentenpleite zur Befriedung auf dem Gebiet oder zur Verunsicherung beiträgt?

(Beifall bei der SPD)

Herr Müller, Sie behaupten, daß die Leistungen für Kriegsopfer prozentual zurückgegangen seien. Können Sie diese Behauptung auch noch aufrechterhalten, wenn Sie die Leistungen pro Kopf der Begünstigten umrechnen?
Ich möchte zum Abschluß noch einmal betonen: Die von uns eingeführte Dynamisierung der Kriegsopferrenten entsprechend den gesetzlichen Renten bleibt erhalten. Die Kriegsopfer nehmen auch weiterhin am allgemeinen Anstieg des Lebensstandards teil.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808803200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Windelen.

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0808803300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kollege Minister Ehrenberg hat in seiner Rede gesagt, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages habe erklärt, daß Sozialausgaben abgebaut werden müßten. Dieser Behauptung wurde durch meine politischen Freunde entschieden widersprochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)

Minister Ehrenberg hat dann gesagt, ich hätte Zeitungsmeldungen, in denen dies festgestellt worden sei, nicht dementiert, Minister Ehrenberg warte auf ein Dementi von mir, dies sei nicht erfolgt.
Ich stelle dazu folgendes fest: Ich habe am 14. April 1978 eine Presseerklärung abgegeben, in der ich mich auf den einstimmigen Beschluß dieses Hauses vom 13. April 1978 bezogen habe, der auf einen einstimmig gefaßten Beschluß im Haushalts-



Windelen
ausschuß zurückgeht. Dort heißt es, daß mit der Vorlage des Entwurfs des Haushaltsplans für das Jahr 1978 und der Fortschreibung der Finanzplanung bis zum Jahre 1982 darauf hinzuwirken sei, daß der Haushalt des Bundes unter Berücksichtigung des Art.115 des Grundgesetzes, der bindend vorschreibt, daß die Schuldaufnahme die Höhe der investiven Ausgaben nicht übersteigen darf, dauerhaft konsolidiert wird. Dazu müsse der Schuldenzuwachs mittelfristig abgebaut werden und die Neuverschuldung niedriger liegen als bisher. So hat der Bundestag einstimmig beschlossen.
Daraufhin haben Journalisten gefragt, wie man dies machen könne. In diesem Zusammenhang habe ich gesagt, daß sich die Ausgaben der gesamten staatlichen Haushalte wie folgt zusammensetzen: ca. 46 % Transferleistungen, 42 % Staatskonsum, 7 % Investitionen und 3,7 % Zinsendienst. Da im Bereich der Investitionen nicht nur keine Einsparungen möglich sind, sondern nach übereinstimmender Auffassung des ganzen Hauses mehr aufgewendet werden muß, bliebe nur noch der Bereich Transferleistungen und Staatskonsum. Transferleistungen werden heute selbst im mittleren Einkommensbereich bis zu etwa 45 % von den Begünstigten selbst finanziert.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : So weit haben Sie es gebracht)

Zwischenergebnisse bei der Untersuchung der Struktur der Transferausgaben haben ergeben, daß die Transferströme, d. h. die staatlichen Einkommensübertragungen, nicht mehr, wie wir es wünschen, durchgängig von den Leistungsfähigen zu den Leistungsschwachen fließen, sondern teilweise umgekehrt. Ich habe daraufhin gesagt, diese Dinge müssen wir überprüfen, d. h., wir müssen zu einer Neufestsetzung der Prioritäten im Transferbereich kommen, damit wir das sozial Gebotene auch in Zukunft noch leisten können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies, Herr Ehrenberg, war ein Angebot der Opposition, das Angebot, dabei verantwortlich mitzuwirken. Ihre Reaktion habe ich hier zur Kenntnis genommen. Ich habe zu meinem Bedauern jetzt nicht mehr die Möglichkeit, wozu wir bereit waren.

(Glombig [SPD] : Wenn Sie so viele Worte brauchen, um das zu erklären, was Sie draußen gesagt haben, — —! — Gegenrufe von der CDU/CSU)

Ich nehme auch das zur Kenntnis. Ein Vertreter der
Opposition erklärt hier, daß sich die Opposition bereit erklärt hat, Mitverantwortung zu übernehmen,

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

und das hat mir in meiner Fraktion, besonders .. bei den Kollegen, Herr Ehrenberg, die Sie besser kannten als ich, eine Reihe von kritischen Bemerkungen eingetragen. Es wurde mir angekündigt, daß dieses Angebot mißbraucht werden würde, um die Opposition zu diskriminieren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ehrenberg ist bekannt, das ist seine Struktur, er kann nicht anders!)

Ich stelle zu meinem Bedauern fest, daß die besorgten Kollegen, die Sie, Herr Ehrenberg, besser kannten als ich, leider recht behalten haben, daß hier ein wichtiger Ansatz zur gemeinsamen Lösung schwieriger Fragen für die Zukunft unseres ganzen Volkes unnütz vertan worden ist. Ich bedaure dies und weise Ihre Unterstellungen, Herr Ehrenberg, mit Empörung zurück.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das ist ein sozialistischer Staatsmann!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808803400
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 8/1735 an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — sowie zur Mitberatung und gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungpunkt 3 auf:
Beratung des Gutachtens des Sozialbeirats zu den Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in den Jahren 1979 bis 1981 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen von 1978 bis 1992
— Drucksache 8/1665 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß
Weiter rufe ich Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1978)

— Drucksache 8/1615 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß
Im Ältestenrat ist zu den beiden Tagesordnungspunkten eine verbundene Debatte vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich stelle fest, daß das Haus einverstanden ist; dann ist so beschlossen.
Wünscht ein Mitglied der Bundesregierung das Wort? — Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Der Staatspolitiker erscheint!)





Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0808803500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben dem gerade behandelten Entwurf des Zehnten Anpassungsgesetzes in der Kriegsopferversorgung liegen Ihnen der Rentenanpassungsbericht 1978 und das Gutachten des Sozialbeirats vor. Lassen Sie mich hier wenige einführende Bemerkungen zum Rentenanpassungsbericht und zum Gutachten des Sozialbeirats machen.
Der Rentenanpassungsbericht bietet auch in diesem Jahr eine Fülle von Zahleninformationen über die Rentenversicherung, die Versicherten, die Rentenbestände, die Rentenzu- und -abgänge und insbesondere über die Einnahmen, die Ausgaben und das Vermögen der Versicherungsträger.

(Hasinger [CDU/CSU] : Gute Beamte in Ihrem Haus!)

— Danke sehr, die sind tatsächlich vorhanden.

(Hasinger [CDU/CSU] : Seit langem, vor Ihrer Zeit!)

— Auch ein paar gute neue.
Am 31. Dezember 1977 betrug die Schwankungsreserve der Rentenversicherung, also der Arbeiter-
und der Angestelltenversicherung zusammen, 25,3 Milliarden DM bzw. 3,3 Monatsausgaben. Sie wird nach heutigen gesamtwirtschaftlichen Annahmen bis 1980 auf eine Monatsausgabe, die gesetzliche Mindestgröße, zurückgehen, um dann bis 1982 infolge der vorgesehenen Beitragserhöhung wieder auf 1,8 Monatsausgaben anzusteigen.
Auch in diesem Jahr wird im Rentenanpassungsbericht die Entwicklung der nächsten 15 Jahre, die niemand exakt voraussehen kann — weder heute noch zu früheren Zeiten, noch wird das künftig möglich sein —, an Hand von neun Modellrechnungen untersucht, die sich aus der Kombination von drei Alternativen über die Entwicklung der Versichertenentgelte und drei Alternativen über die Entwicklung der Beschäftigten ergeben.
In der Sitzung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung ist die damals aus dem Stegreif nicht zu beantwortende Frage gestellt worden, ob die in diesen Übersichten dargelegten Entwicklungen in sich plausibel sind, weil das auf den ersten Blick verblüffende Ergebnis herauskommt, daß die Einnahmezuwächse bei geringeren Entgeltannahmen größer sind als bei größeren Entgeltannahmen. Das erklärt sich aus der Tatsache, daß auch der Liquiditätsausgleich zwischen den Rentenversicherungsträgern in diese Berechnungen eingeht und in den Zahlenreihen mit geringeren Entgeltannahmen ein größerer Liquiditätsausgleich übertragen wird, also als zusätzliche Einnahme erscheint, in den anderen Jahren nicht. Ich habe dem Kollegen Becker, der diese Frage gestellt hat, einen ausführlichen Brief mit Detailangaben dazu geschrieben, die ich hier im Plenum nicht vortragen will. Ich wollte aber darauf hinweisen, daß sich hier auch nach nochmaliger Überprüfung eine in sich schlüssige, plausible Erklärung findet.
Meine Damen und Herren, diese Vorlage langfristiger Alternativrechnungen wird auch vom Sozialbeirat begrüßt. Auch der Sozialbeirat stellt fest, daß es vernünftig ist, die möglichen Tendenzen der finanziellen Entwicklung in Alternativrechnungen darzustellen, die ablesbar machen, wie die finanzielle Entwicklung bei unterschiedlichen Annahmen verläuft. Darüber hinaus stimmen Bundesregierung und Sozialbeirat in der Beurteilung der finanziellen Situation und über die erforderliche finanzielle Reichweite der Konsolidierung überein. Ich will das hier gerne ansprechen: Es hat sich dann im Sozialbeirat eine gleichgewichtige Verteilung der Meinungen ergeben. Die eine Hälfte des Sozialbeirats einschließlich des Vorsitzenden, Professor Meinholt, spricht sich zur Konsolidierung des übereinstimmend festgestellten Bedarfs von 32 Milliarden DM bis einschließlich 1982 für das Regierungsprogramm als die plausibelste, zuverlässigste Methode aus, die andere Hälfte bevorzugt ein anderes Modell — im Gutachten des Sozialbeirats als Variante 2 dargestellt —, wo statt dessen vorgeschlagen wird, einen Krankenversicherungsbeitrag im Abzugsverfahren in der Größenordnung 2 % 1979, 4 % 1980 und 5,5 % 1981 einzuführen und — da das aber für den Konsolidierungsbedarf nicht reicht — zum Ausgleich des verbleibenden Bedarfs die von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf und im Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen vorgesehene Beitragserhöhung von einem halben Prozent nicht erst am 1. Januar 198f, sondern bereits am 1. Januar 1979 vorzunehmen.
Dieser Vorschlag ist in sich schlüssig und tragfähig. Er bedingt eine unterschiedliche konjunkturelle Einschätzung der Rückwirkungen einer Beitragserhöhung. Ich glaube, wir haben guten Grund, nach den vorliegenden Gutachten der Konjunkturforschungsinstitute von unserer Einschätzung der Rückwirkungen einer schon jetzt vorzunehmenden Beitragserhöhung nicht abzugehen, sondern bei dem Regierungsvorschlag oder auch der Variante 1 des Sozialbeirats zu verbleiben.
Es sei aber nochmals gesagt, auch die Variante 2 des Sozialbeirats, die auch der DGB-Konzeption entspricht, ist in sich tragfähig und deckt den Konsolidierungsbedarf. Alle anderen Vorschläge, die auf eine Beitragserhöhung verzichten, entsprechen dagegen diesem unabdingbaren Erfordernis nicht. Und auf eine Beitragserhöhung verzichten können erst recht nicht die, die einen Krankenversicherungsbeitrag fordern und seine Größenordnung nicht beziffern.
Wir können für die Bundesregierung feststellen, daß in Übereinstimmung mit der einen Hälfte des Sozialbeirats das Programm, das die Bundesregierung vorgelegt hat, und das jetzt auch als Gesetzentwurf beraten wird, geeignet ist, das finanzielle Gleichgewicht in der Rentenversicherung in sozialer Ausgewogenheit herzustellen. Dieses Gleichgewicht ist nicht mit politischen Formeln und Entschließungen herbeizuführen, sondern nur mit einem klar durchgerechneten Konzept.
Ich bitte Sie, das Gutachten des Sozialbeirats und den Rentenanpassungsbericht als wichtige Informationsquellen für die einzelnen Größenordnungen in



Bundesminister Dr. Ehrenberg
der Rentenversicherung in diesem Sinne mit in die Beratungen einzubeziehen.

(Beifall bei der SPD und FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808803600
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Franke.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808803700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Ehrenberg, Ihre geschönte Interpretation — um es vorsichtig auszudrücken — dessen, was die Mitglieder des Sozialbeirates festgestellt haben, will ich, wenn der Herr Präsident das gestattet, einfach mit einem Zitat aus dem Bericht des Sozialbeirats widerlegen:
Will man nämlich die Anpassung zum 1. Januar 1979, die erst mit einem Abstand von eineinhalb Jahren der letzten Anpassung folgt, nicht niedriger ansetzen, als sie in Variante I bzw. Variante II vorgesehen ist, so sind im Hinblick auf die den Versicherungsträgern verbleibende Schwankungsreserve 1979 und 1980 die kritischen Jahre; bei etwas ungünstigerer Wirtschaftsentwicklung, als unterstellt, würde auch das Jahr 1981 noch in den kritischen Bereich gelangen. Um den insgesamt in den Vorausberechnungen noch enthaltenen Risiken Rechnung zu tragen und damit die Gefahr zu vermindern, daß weitere Konsolidierungsmaßnahmen notwendig werden, sind nach übereinstimmender Meinung des Sozialbeirats stärkere Maßnahmen zur finanziellen Verbesserung unerläßlich, als aus dem Endbetrag von 32 Mrd. DM hervorgeht, so wie es auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht.
Ich kann mich nur fragen, verehrter Herr Minister, woher Sie diese optimistische und geschönte Annahme nehmen, die Sie hier gerade dargestellt haben. Sie müssen das einfach überlesen haben, oder Ihre Mitarbeiter müssen es Ihnen nicht vorgelesen haben. Ich glaube, Sie erwecken hier einen ganz falschen Eindruck von dem, was der Sozialbeirat insgesamt an kritischen Feststellungen getroffen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das erinnert mich auch an die Art, wie Sie mit der längst dementierten Pressemeldung unseres Kollegen Windelen umgegangen sind. Ich habe die Befürchtung, Sie, Herr Ehrenberg, und ein Teil Ihrer Parteifreunde haben das Flugblatt mit dieser Falschmeldung längst gedruckt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

und Sie nehmen diese Erklärung hier überhaupt nicht zur Kenntnis;

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sehr richtig! Wie in der Vergangenheit auch!)

genauso, wie Sie alles verschönt darstellen und
sich nicht mit den Realitäten auseinandersetzen,
auf die die Sachverständigen immer eingehen und
die wir hier im Hause Ihnen und Ihrem Vorgänger immer dargestellt haben.
Lassen Sie mich dem, was der Sozialbeirat gesagt hat, noch einige Bemerkungen hinzufügen. Das „Handelsblatt" stellte vorgestern fest: Die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einem Zustand hoher Labilität. Das ist das, was wir auch den Sachverständigenanhörungen gestern vor 14 Tagen entnommen haben. Insbesondere die Vertreter der Bundesbank oder der Rentenversicherungsträger oder aber in einigen Punkten auch der Gewerkschaften und des Arbeitgeberverbandes sind mit Ihrer Darstellung, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickeln wird, überhaupt nicht einverstanden; ich verweise noch einmal auf mein Zitat aus dem Bericht des Sozialbeirats.
Wenn man annimmt, daß auch nur ein Teil der Befürchtungen stimmt oder eintrifft, die die fünf wirtschaftswissenschaftlichen Institute am Wochenanfang geäußert haben, dann stimmen die ganzen Annahmen nicht mehr, die die Bundesregierung im 21. Rentenanpassungsgesetz unterstellt; dann ist alles auf Sand gebaut.

(Hasinger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Es wird dort u. a. festgestellt — ich nenne nur die wichtigsten Daten —: Erstens. Das Bruttosozialprodukt steigt nicht, wie von der Bundesregierung noch am Jahresanfang unterstellt, um 3,5 %, sondern um 2,5 %. Ich verweise hier auf die Auseinandersetzung in der Offentlichkeit zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundeswirtschaftsminister, bis sie nach 14 Tagen in der Bewertung dieser 2,5 % eine einheitliche Sprachregelung gefunden haben. Sie glauben selber nicht, daß 3,5 % in diesem Jahr erreicht werden.
Zweitens. Trotz steigender Bundeszuschüsse wird sich das Defizit der Haushalte der Sozialversicherungsträger nur um rund 1 Milliarde DM auf 4 Milliarden DM verringern.
Drittens. Die Bedingungen für die Preisstabilität, so meinen die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, werden wahrscheinlich schlechter. Die Ausweitungen der Geldmengenpolitik und des Geldvolumens werden sich — so die Sachverständigen — mittelfristig immer noch preistreibend auswirken,

(Hasinger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

vielleicht noch nicht in diesem Jahr, aber schon mit Beginn des nächsten Jahres. Und das ist genau der Zeitpunkt, wo Sie den Rentnern, nachdem Sie ihnen die bruttolohnbezogene Rente weggenommen haben, vielleicht 4,5 % geben, während diese 4,5 % durch die preissteigernden Tendenzen auch der Auswirkung Ihrer Politik einen Renteneinkommenszuwachs von Null letztlich bewirken werden.

(Hasinger [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Die Erhöhungen der Einkommen aus unselbständiger Arbeit werden von den Sachverständigen auf 6 % geschätzt. Ich glaube nicht, daß das eintreffen wird. Die Einkommenssteigerungen werden eher bei 5 % in diesem Jahr und in den nächsten Jahren liegen. Das ist eine sehr wichtige Feststellung, die



Franke
die Sachverständigen in der vorletzten Woche getroffen haben, die aber letztlich auch im Bericht des Sozialbeirats zu lesen ist.
Die Konsequenz aus einer geringeren Steigerung der Entgelte in den nächsten Jahren ist, daß die Einnahmen der Rentenversicherungsträger geringer werden, als von der Regierung angenommen. Und die Konsequenz daraus ist, daß nicht die von Ihnen errechneten, bei Ihrer Wirtschaftspolitik entstehenden 33 Milliarden DM als Defizit in der Rentenversicherung auftreten, sondern daß das Defizit Summen in der Gegend von 45 bis 50 Milliarden DM ausmachen wird. Wenn allein 1 % pro Jahr geringere Einkommenssteigerungen auftreten wird, dann ist das nach Meinung der Sachverständigen und auch der Vertreter Ihres Hauses ein Einnahmeverlust von mehr als 15 Milliarden DM.
In dem Augenblick, wo wir miteinander reden und über das 21. Rentenanpassungsgesetz im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung beraten, ist diese Ihre Rechnung so falsch wie die Rechnung vom 12. Mai 1977, also von vor elf Monaten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist richtig: Die Hälfte der anwesenden Mitglieder des Sozialbeirats — — Man beachte: die Hälfte der anwesenden Mitglieder des Sozialbeirats! Es gibt da einige Spekulationen: Was wäre gewesen, wenn alle da gewesen wären?

(Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : 7 : 5!)

Wenn wir da richtig informiert sind, dann wäre die Mehrheit der Mitglieder des Sozialbeirats gegen Ihren unsozialen Vorschlag gewesen. Zu verzeichnen ist, daß besonders die Gewerkschaften den Vorschlag, den Sie hier auf den Tisch gelegt haben, nicht tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist richtig, daß — wie Sie gesagt haben — die andere Hälfte der Anwesenden - und zu dieser Hälfte gehören ein Teil der Vertreter der Wissenschaft und die Vertreter der Gewerkschaften — sich für den Erhalt der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente ausgesprochen hat.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr wahr)

Sie haben sich allerdings für einen gestaffelten Krankenversicherungsbeitrag mit einer ab 1981 enormen Höhe ausgesprochen und für eine, wie Sie mit Recht gesagt haben, Beitragserhöhung schon ab 1. Januar 1979.
Sie können sich an diesem Haken nicht festhalten. Der Sozialbeirat hatte nur festzustellen, welche Sanierungsmaßnahmen bei der vorhandenen wirtschaftlichen Situation zu treffen sind, um das Defizit zu beheben. Er hatte keine Vorschläge zu machen, wie wirtschaftliche Nachfrage, binnenwirtschaftliche Nachfrage erzeugt werden kann. Sondern er hatte sich nur damit zu beschäftigen, wie das Rentenloch, das Defizit bei der vorhandenen wirtschaftlichen Entwicklung, der Annahme der Arbeitslosenzahl und der Entgeltsteigerung zu beheben sei. Er hatte keine Vorschläge bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung zu machen. Das, meine Damen und Herren, kann für Sie kein Rettungsanker sein. Daran können Sie sich nicht emporranken. Sie werden hier im Parlament nicht aus der Verantwortung entlassen, dafür zu sorgen, daß die Ursachen der Schwierigkeiten beseitigt werden. Die Ursachen dér Schwierigkeiten sind eine Million Arbeitslose, sind 1,6 Millionen weniger Beitragszahler oder Arbeitsplätze seit 1973. Und das haben Sie zu verantworten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Einstimmig hat sich der Sozialbeirat für eine Konkretisierung der Bundesgarantie ausgesprochen. Darauf sind Sie nicht eingegangen, weil Sie das nicht gerne hier sagen. Sie haben irgendeinen Halbsatz aus dem Zusammenhang als positiv herausgerissen. Ich werfe Ihnen hier etwas vor. Ich muß vorsichtig sein, um mir nicht einen mit Recht dann vom Präsidenten ausgesprochenen Ordnungsruf einzuhandeln. Aber Sie wissen jetzt, wo ich es nicht ausspreche, was ich meine.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Einstimmig spricht sich der Sozialbeirat für eine Konkretisierung der Bundesgarantie aus. Der Sozialbeirat sagt, die Konkretisierung der Bundesgarantie sei unerläßlich. Sie reden davon mit keinem Wort, weil Ihnen das unangenehm ist, weil Sie nämlich die Verantwortung dafür tragen, die Konkretisierung der Bundesgarantie in Form eines Gesetzentwurfs hier vorzulegen. Das verschweigen Sie. Das, meine Damen und Herren, können wir hier ansprechen. Sie kommen mit diesem Verschweigen nicht durch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daß Sie das konkretisieren müssen, ist auch unsere Meinung. Der Sozialbeirat sagt, dies sei unerläßich.

(Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Einstimmig!)

— Einstimmig. Einstimmig spricht sich der Sozialbeirat, einstimmig sprechen sich die Sachverständigen — das war vor vierzehn Tagen, wenn ich das richtig im Gedächtnis habe — für die Konkretisierung der Bundesgarantie aus. Sie verschweigen das in Ihrer Darstellung hier und heute.
Im übrigen spricht der Sozialbeirat zum wiederholten Male seine Sorge aus, daß eine Mindestrücklage von einer Monatsausgabe zu Lasten der Rentenversicherungsträger nicht ausreichend sei.
Der Sozialbeirat beschäftigt sich in seinem Bericht auch mit der mittelfristigen finanziellen Entwicklung bis 1982. Hier trifft der Sozialbeirat eine Feststellung, die von der CDU/CSU wiederholt, auch an dieser Stelle, vorgetragen worden ist. Er sagt, daß die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen — nämlich die Verlangsamung der Rentenexpansion und die Beitragssteigerung um 0,5 % — nicht ausreichen, um gefährliche Engpässe in der Rentenfinanzierung zu vermeiden. Ich verweise auf das, was ich am Eingang hier zitiert habe: die kritischen Jahre seien, was die kurzfristigen Annahmen angeht, die Jahre 1979, 1980 und 1981.



Franke
Hier muß ich an die Forderung der Union erinnern, daß Rentensanierung ohne wirtschaftliche Belebung überhaupt nicht betrieben werden kann.

(Zuruf.von der CDU/CSU: So ist es!)

Das kann man nicht oft genug wiederholen. Wir haben bei der Sanierung nicht die Symptome zu kurieren, sondern wir als Parlament, Sie als Regierung haben die Ursache der Schwierigkeiten zu beseitigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei einer etwas ungünstigeren wirtschaftlichen Entwicklung als unterstellt wankt das ganze Gebäude, auf dem die Schätzungen der Bundesregierung aufgebaut sind. Sie schätzen genauso falsch wie 1977. Dieses Gebäude ist nach wie vor auf Sand gebaut.
Wir werden 1978 vielleicht die erwarteten Entgeltsteigerungen von 5,5 % erhalten. Ich sagte es eben schon, ich schätze sie eher bei 5 % als bei 5,5 %. In den folgenden Jahren von 1979 bis 1981 werden die erwarteten Entgeltsteigerungen und der Arbeitsmarkt erstmals, Herr Volkswirt Ehrenberg, durch außenwirtschaftliche Einflüsse massiver Art, tangiert. Sie dürfen die Exportleistungen und -überschüsse der vergangenen Jahre hier nicht einfach wegmanipulieren. Die deutsche Wirtschaft, die Tüchtigkeit unserer Arbeiter und Unternehmer, hat dafür gesorgt, daß wir, wenn auch mit Erlöseinbußen, so doch mit unserem Export einen riesengroßen Anteil am Welthandel erreicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt wird die wirtschaftliche Entwicklung, erstmals bedingt durch stärkere negative außenwirtschaftliche Einflüsse, etwas enger werden. Daraus folgt, daß der Sanierungsbedarf bei den Rentenfinanzen, wie ich eben schon sagte, wahrscheinlich, wenn Sie nicht zu einer binnenwirtschaftlichen Belebung schreiten, 45 bis 50 Milliarden DM statt der von Ihnen unterstellten etwa 33 Milliarden DM ausmachen wird.
Ich habe immer auf einen Zwischenruf von der linken Seite gewartet.

(Zurufe von der SPD)

Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein kurzes Zitat aus der Pressemitteilung der SPD von gestern bringen.

(Egert [SPD] : Schon wieder ein Zitat!)

— Sie wissen, daß ich die Zitate nicht brauche. Aber sie passen immer so schön in die Gesamtdarstellung.

(Zuruf des Abg. Biermann [SPD])

— Herr Kollege Biermann, zu Ihrem Zwischenruf, wenn ich ihn richtig verstanden habe: Wie kann der Bundeskanzler, der Mitglied Ihrer Partei ist, vor der Fraktion folgendes sagen — laut einer Pressemitteilung —:
Nach wie vor beengen bürokratische Verfahren,
rechtliche Erfordernisse und gerichtliche Auseinandersetzungen die Möglichkeiten zur Investition. Ich möchte die Abgeordneten bitten
— SPD-Schmidt —
und aufrufen, in ihrem Wahlkreis ganz konkret für die Überwindung von Investitionsbarrieren zu sorgen, notfalls auch im Einzelfall die Einschaltung der Bundesregierung auszulösen.
Meine Damen und Herren, wer hat denn die Gesetze gemacht, die die Beamten draußen zwingen, sie anzuwenden? Sie haben doch die Mehrheit hier im Deutschen Bundestag. Sie können doch darüber nicht klagen, daß administrative Barrieren da sind. Sie haben die Verantwortung für den Investitionsstau, und nicht irgendein anonymes Institut.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808803800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Cronenberg?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808803900
Immer gern.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0808804000
Herr Kollege Franke, ich wäre Ihnen sehr dankbar — es ist eine reine Informationsfrage —, wenn Sie einmal erläutern würden, woher die von Ihnen eben genannten 45 Milliarden DM eigentlich kommen. Sie haben es im Ausschuß schon einmal erwähnt. Uns ist überhaupt nicht klar — wir würden natürlich gerne dazu Stellung nehmen —, wie diese 45 Milliarden DM Defizit von Ihnen errechnet wurden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808804100
Verehrter Herr Kollege Cronenberg — ich meine es auch so, wie ich es eben gerade gesagt habe —, ich weiß, daß Sie an den Sitzungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung immer teilgenommen haben, und zwar sowohl bei der Sachverständigenanhörung wie aber auch bei den Beratungen gestern und in der letzten Woche. Es mag sein, daß Ihnen das entgangen ist. Sie waren da. Ich weiß das. Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Äußerungen des Vertreters der Regierung und auf das Protokoll der Sachverständigenanhörung lenken. Der Kollege Blüm gibt Ihnen mein Exemplar des Protokolls über die Sachverständigenanhörung. Wenn ich wieder da unten bin, gebe ich Ihnen gleich noch die Seite. Lesen Sie es bitte nach. Dort steht es drin. Das haben wir aufgegriffen. Nichts anderes haben wir getan. Wir rechnen bei den Sachverständigenangaben lediglich hoch. Ein Prozent geringeres Entgelt in den nächsten Jahren ergibt 15 bis 20 Milliarden DM pro Jahr. Darauf habe ich mich zu beziehen, auf nichts anderes.
Glauben Sie mir wirklich, Herr Kollege Cronenberg, ich habe etwas mehr Zutrauen zu meiner eigenen Rechenart. Ich habe nicht mit Mengenlehre angefangen, sondern ich habe noch richtig rechnen gelernt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Wie ich es in der Volksschule gelernt habe, habe
ich seit 1975 in diesem Hause mit zwei Mitarbeitern unserer Fraktion die Zahlen hochgerechnet.



Franke
Wir sind schon ab 1975 genau zu diesem Ergebnis gekommen, das wir heute auf dem Tisch liegen haben. Daher haben wir 1975 vorgeschlagen: Fangt jetzt mit der Frage an, nicht im letzten Augenblick und nicht, wie ich Ihnen immer vorgeworfen habe, nach der Wahl, weil es vorher „Problemchen" waren! Jetzt ist das Kind so tief in den Brunnen gefallen, daß kurzfristige Maßnahmen nicht reichen werden, sondern Sie werden permanent die Rentner und die Beitragszahler zur Ader lassen müssen, wenn Sie die wirtschaftliche Belebung nicht erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine stärkere Entlastung in dem erhofften Umfang findet in den nächsten Jahren durch die Beitragszahlung der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherungsträger nicht statt; denn bis zum 1. Juli 1978 machen 200 000 Arbeitslose 1 Milliarde DM weniger Einnahmen für die Rentenversicherungsträger aus. Künftig wird es so sein, daß 400 000 Arbeitslose 1 Milliarde DM weniger Beitragseinnahmen bedeuten. Verehrter Herr Minister — es geht jetzt um die 15 Milliarden DM; ich weiß es —, wir hatten hier bei einer Ihrer letzten Reden einen Disput. Ich stellte eine Frage, und Sie bezweifelten, daß diese Zahl — daß 400 000 Arbeitslose zu einem Einnahmeausfall in Höhe von 1 Milliarde DM führen — richtig sei. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten eine Äußerung der Rentenversicherungsträger vom 5. Januar 1978 zitieren:
Obwohl ab 1979 die Beiträge für die anspruchsberechtigten Arbeitslosen durch die Bundesanstalt entrichtet werden, bedeuten 100 000 Arbeitslose im Jahr Mindereinnahmen von rund 250 Millionen DM.
Das sind also bei 100 000 Arbeitslosen 250 Millionen DM. Wenn man das mal vier nimmt — das ist immer noch eine Grundrechenart —, dann entsprechen 400 000 Arbeitslose 1 Milliarde DM, Herr Ehrenberg.
Dies erklärt sich aus der Tatsache, daß nur ca. 72 Prozent der Arbeitslosen anspruchsberechtigt sind und darüber hinaus nur 75 Prozent des durchschnittlichen Versichertenentgeltes der Beitragsberechnung zugrunde liegt. Somit beträgt die Beitragsleistung der . Bundesanstalt nur etwa 50 Prozent derer eines Beschäftigten.
Ich stelle fest: Sie haben mit der Beitragszahlung der Bundesanstalt an die Rentenversicherungsträger die Finanzkalamität der Rentenversicherungsträger nicht gelöst, sondern das Problem ist nur etwas verzögert, hinausgeschoben worden.
Wenn Sie die binnenwirtschaftliche Nachfrage nicht induzieren, erzeugen, werden Sie weiterhin an den Symptomen herumschnippeln. Sie werden weiterhin die Beitragszahler und die Rentner unsozial und unberechtigt zur Ader lassen. Die bezahlen die Zeche Ihres Unvermögens in der Gestaltung wirtschaftspolitischer Maßnahmen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Jahr für Jahr!)

Ich darf für die Opposition hier feststellen: Erstens. Der Entwurf der Fraktionen der SPD und FDP und der Bundesregierung über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte wird von uns zurückgewiesen.
Zweitens. Die Anpassung der Bestandsrenten erfolgt nach dem bisherigen Rentenanpassungsverfahren, nach der Vorstellung der CDU/CSU, d. h., die Bestandsrenten werden aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage zum 1. Januar 1979 um 7,2 Prozent erhöht.
Drittens. Die Berechnung der Zugangsrenten im Jahre 1978 erfolgt nach dem bisherigen Verfahren, d. h., orientiert sich an der allgemeinen Bemessungsgrundlage des Jahres 1978.
Viertens. Das bisherige Anpassungsverfahren für die Geldleistungen und das Pflegegeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird beibehalten. Was die Unfallversicherung mit der Rentensanierung zu tun hat, müssen Sie uns hier noch einmal klarmachen, genauso, was die Kriegsopferversorgung mit der Rentensanierung zu tun hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Fünftens. Die Anpassung der Kriegsopferrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Altersgelder aus der Altershilfe für Landwirte erfolgt nach dem bisherigen Rentenanpassungsverfahren.
Sechstens. Die Risikoabsicherungsklausel, § 17 Ihres Entwurfes, entfällt.
Siebtens. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltene Neuregelung der Krankenversicherung der Rentner entfällt. Statt dessen wird ein die Leistungsfähigkeit des Rentners berücksichtigender Krankenversicherungsbeitrag der Rentner eingeführt.
Achtens. Lassen Sie mich hinzufügen, meine Damen und Herren: Die investitionshemmenden Maßnahmen müssen beseitigt werden. Wir müssen mehr Beitragszahler für die Rentenversicherung haben. Die Arbeitslosigkeit wollen wir nicht finanzieren, sondern wir wollen das Geld dafür verwenden, daß Arbeitslose wieder in Arbeit und Brot kommen. Dann sind die Probleme der Sanierung der Rentenversicherung auch mittelfristig erledigt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808804200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808804300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Franke hat in seiner unnachahmlichen Art, mit dem politischen Gegner umzugehen, heute, wie ich meine, wieder einen Höhepunkt erreicht.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Das ist die liebenswürdige Art von Glombig!)




Glombig
— Ich behaupte ja gar nicht, daß ich liebenswürdig bin.

(Heiterkeit)

Aber wenn Sie mich länger kennen, werden Sie mich auch in dieser unterkühlten liebenswürdigen Art schätzen lernen. Ich hoffe es jedenfalls.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Hamburger Charme!)

— Ja, das ist nun mal so. Ihrer ist auch nicht besonders gut entwickelt. Sie sind doch Westfale. Wir wollen uns darüber aber nicht streiten, das lohnt sich nicht.
Die Aussagen des Herrn Kollegen Franke im Zusammenhang mit dem, was sich um die Äußerung des Herrn Kollegen Windelen abgespielt hat, kann so nicht stehenbleiben, meine ich. Ich akzeptiere das, was Herr Kollege Windelen gesagt hat, wenngleich ich die Erklärung so, wie sie hier abgegeben worden ist, für sehr blumig halte und es immerhin genug Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Kern der Aussage des Herrn 'Arbeitsministers nach wie vor nicht widerlegt ist. Trotzdem akzeptiere ich das, was Herr Windelen gesagt hat.
Aber ich finde, es ist wirklich ein Ausdruck menschlicher Unanständigkeit — wenn ich das einmal so sagen darf; ich hoffe, daß das nicht unparlamentarisch ist —, wenn Herr Franke sagt — mit solchen Mittelchen arbeitet er, solange ich ihn kenne, vor allem in Plenarsitzungen; sonst ist er viel ordentlicher als in Plenarsitzungen, wie der Hamburger sagt —,

(Heiterkeit bei der SPD)

wir hätten das Flugblatt gegen den Kollegen Windelen bereits gedruckt.

(Franke [CDU/CSU] : Nein, das habe ich nicht behauptet!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808804400
Herr Abgeordneter, der Ausdruck „menschliche Unanständigkeit" bewegt sich an der Grenze des parlamentarisch Zulässigen.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)


Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808804500
An der Grenze, also es war noch genehmigt. Gut. Wir können also das Thema verlassen.
Wir sollten uns jetzt dem sachlichen Thema Rentenanpassungsbericht zuwenden. Da hat Herr Kollege Franke zu Eingang seiner Ausführungen gesagt, daß stärkere Maßnahmen als die, die wir mit einem Mitteleinsatz von über 32 Milliarden DM vorsehen, notwendig seien, um den Konsolidierungsbedarf in der gesetzlichen Rentenversicherung zu dekken. Da muß der Kollege Franke erst einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Konsolidierung — wenn Sie ihr so zustimmen, wie wir sie vorschlagen — auf Grund der Beitragssatzerhöhung, die Sie nicht mitmachen wollen, weit über 32 Milliarden DM hinausgehen wird. Wir werden dann mit einem Konsolidierungserfolg von etwa 40 Milliarden rechnen können.
Ich muß den Kollegen Franke fragen: Wo sind denn nun eigentlich die stärkeren Maßnahmen der CDU/CSU, die über die Vorschläge der Koalition hinausgehen? Ich habe bis heute davon nichts gehört; denn Sie haben sich auch heute wieder zur Beitragssatzerhöhung nicht geäußert.
Da gibt es so einen bescheidenen Versuch des Kollegen Hasinger. Ich bedaure ihn, weil er es wirklich gut mit uns meint. Er scheint aber in seiner Fraktion noch nicht durchgedrungen zu sein. Ich komme darauf noch zu sprechen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808804600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hasinger, Herr Abgeordneter?

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808804700
Bitte schön.

Albrecht Hasinger (CDU):
Rede ID: ID0808804800
Herr Kollege Glombig, wären Sie bereit, korrekt aus der „Frankfurter Rundschau" zu zitieren, wo ich davon gesprochen habe, daß wir etwa gut die Hälfte des von Ihnen verursachten Defizits von 32 Milliarden DM mit einem Krankenversicherungsbeitrag decken wollen und es im übrigen auf eine gezielte Konjunktur- und Vollbeschäftigungspolitik ankommt, während alles übrige Spekulationen der Zeitung sind?

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808804900
Ich möchte dem entgegenhalten, daß in der „Frankfurter Rundschau" vom 26. April 1978 unter der Überschrift „CDU freundet sich mit höheren Versicherungsbeiträgen an; wachsende Zahl von Abgeordneten schließt diesen Weg zur Verbesserung der Rentenfinanzen nicht mehr aus" auch steht, die Schließung des sogenannten Loches im Zusammenhang mit der Rentenfinanzierung könnte entweder durch eine Erhöhung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherung — das ist nämlich der einfachste Weg — oder durch eine Beitragsanhebung geschehen.

(Zuruf des Abg. Hasinger [CDU/CSU])

— Gut. Ich bin auf die „Frankfurter Rundschau" angewiesen, Herr Kollege Hasinger; Sie nicht, Sie wissen, wie es tatsächlich gewesen ist. Ich kann nur aus der „Frankfurter Rundschau" zitieren.
Nun zu dem, was Herr Kollege Franke über die Ursachen der wirtschaftlichen Entwicklung gesagt hat, die angeblich bei der Bundesregierung liegen. Wissen Sie, diese Aussagen, die ich immer wieder von Vertretern der „freien" Marktwirtschaft höre, erstaunen. mich sehr. Sie bedeuten, davon auszugehen und anzunehmen, daß wirtschaftliche Entwicklungen allein zu Lasten von Regierungen — in diesem Fall der Bundesregierung — gehen. Das von den Vertretern der „freien" Marktwirtschaft zu hören, die so stolz darauf sind, könnte mich fast dazu verleiten, anzunehmen, wir säßen hier — geographisch gesehen — ganz woanders als in der Bundesrepublik Deutschland, was die Verantwortlichkeit für die Wirtschaft und ihre Entwicklung angeht.



Glombig
Oder ist es wirklich so, daß die Wirtschaft für ihre Entwicklung selbst keine Verantwortung mehr trägt, sondern nur diese Bundesregierung?

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Er begreift es nicht!)

Man könnte es fast meinen. Bisher haben Sie auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft immer besonderen Wert gelegt, und Sie sind darauf auch besonders stolz gewesen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir sähen es sehr gern, wenn sich die Wirtschaft selbst mehr darauf besänne.

(V o r sitz: Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen)

Jedenfalls, Herr Kollege Franke, haben Sie die Auswirkungen dieser Selbstheilungskräfte der Wirtschaft als einen Deckungsvorschlag und damit einen utopischen Deckungsvorschlag bei der Konsolidierung der Rentenfinanzen eingesetzt. Mehr ist Ihnen dabei nicht eingefallen. Sie haben dabei die Rückwirkung der weltwirtschaftlichen Entwicklung auf unsere nationale Wirtschaft nicht berücksichtigt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808805000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Franke?

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808805100
Ja.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808805200
Herr Kollege Glombig, ist Ihnen entgangen, daß der Bundeskanzler, der der SPD-Fraktion angehört, diese Sorgen, wenn auch nur auf einem begrenzten Raum, teilt und bittet, dafür Sorge zu tragen, daß diese investitionshemmenden Maßnahmen abgebaut werden? Ergibt sich aus einem solchen Abbau nicht mehr Beschäftigung?

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808805300
Vorhin haben Sie bezweifelt, daß diese investitionshemmenden Umstände, die wir in den Ländern und bei der Bürokratie haben, bestehen. Wenn sie bestehen, dann ist das nach Ihrer Meinung nur auf einen bestimmten Teil des Parlaments als Gesetzgeber zurückzuführen.
Jetzt gehen Sie selbst davon aus, daß es solche Investitionshemmnisse gibt. Die gibt es allerdings nicht nur bei der Bürokratie, sondern auch bei der Wirtschaft selbst, die, so meine ich, nicht immer bereit ist, die Hilfen, die wir geben wollen, anzunehmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808805400
Herr Kollege, würden Sie eine weitere Zusatzfrage zulassen?

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0808805500
Ich glaube, das Kapitel können wir jetzt beenden.
Ich möchte nun noch ein Wort zur Kriegsopferversorgung sagen. Sie haben erklärt, daß Sie gar keinen Zusammenhang zwischen der Kriegsopferversorgung und der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sehen. Ich meine, es war bisher immer unbestritten, daß es sich hier um eine Wertgleichheit und Zeitgleichheit handelt. Jedenfalls haben Sie bisher dafür gestritten. Das heißt, wenn die Anpassungsformel in der Rentenversicherung geändert wird, muß zwangsläufig eine ebensolche Änderung in der Kriegsopferversorgung eintreten. Wir sind dafür angetreten, gleiches Recht für beide Gruppen in Anwendung zu bringen: für die Sozialrentner und für die Kriegsopfer. Daran hat sich nie etwas geändert. Das sind die notwendigen Konsequenzen; das ist doch wohl völlig klar. Es ist doch völlig undenkbar angesichts dieser politischen Entscheidung, die wir damals getroffen haben, daß die Kriegsopferrentner eine höhere Rentenanpassung bekommen als die Sozialrentner. Vielmehr wollten wir eine Rentenanpassung in gleicher Höhe. Das ist durch die gesetzlichen Entscheidungen herbeigeführt worden.
Meine Damen und Herren, der Rentenanpassungsbericht 1978 bietet wiederum eine Fülle von wichtigen quantitativen Informationen über Versicherte der Rentenversicherung, über Rentenbestände, über Rentenzugänge und -abgänge und insbesondere über Einnahmen, Ausgaben und Vermögen der Versicherungsträger.

(Hasinger [CDU/CSU] : Und über die Höhe der Renten! Das ist noch wichtiger!)

— Was die Höhe der Renten angeht, so ist daraus u. a. zu ersehen, Herr Kollege Hasinger, daß eine Rente, die im Jahre 1957 festgesetzt wurde, nach den inzwischen vorgenommenen 20 Rentenanpassungen — eine fehlt, nämlich im Jahre 1958; vielleicht können Sie sich daran erinnern — heute das 4,7fache der Rente von 1957 beträgt. Dies nur, weil Sie nach der Rentenhöhe gefragt haben. Ich finde, das ist eine stolze Bilanz. In der gleichen Zeit hat sich der Index für die Lebenshaltungskosten der Rentenempfänger etwa verdoppelt.

(Hasinger [CDU/CSU] : Aus dem Rentenanpassungsbericht ist auch zu ersehen, daß die Witwenrente in der Arbeiterrentenversicherung im Durchschnitt immer noch 500 DM beträgt!)

— Da können Sie einmal sehen, wie niedrig sie damals war und wie hoch wir sie, verglichen mit dem Ausgangspunkt, inzwischen gebracht haben. Ich gebe zu: noch nicht hoch genug. Deswegen wollen wir hier ja auch — ich hoffe, mit Ihrer Hilfe — eine Reform durchführen. — Aber wegen des Umstandes, den ich soeben genannt habe, konnte sich der Lebensstandard der Rentner in diesem Zeitraum mehr als verdoppeln.
Dieser Rentenanpassungsbericht der Bundesregierung untersucht und erläutert die finanzielle Lage der Rentenversicherung in der Gegenwart und in der Zukunft. Die Schwankungsreserve in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten betrug am 31. Dezember 1977 zusammen 25,3 Milliarden DM bzw. 3,3 Monatsausgaben. In dem Zeitraum, für den auch der Entwurf zum 21. Rentenan-



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passungsgesetz Regelungen vorsieht, wie wir sie bereits in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs besprochen haben, nämlich für den Zeitraum 1979 bis 1982, werden die Finanzen der Rentenversicherung nach heutigen gesamtwirtschaftlichen Annahmen die gesetzlich vorgeschriebene Höhe der Schwankungsreserve von mindestens einer Monatsausgabe in jedem Jahr erreichen bzw. nicht unerheblich überschreiten.

(Hasinger [CDU/CSU] : Nur stimmen die Annahmen schon heute nicht!)

— Ich sage: nach heutigen gesamtwirtschaftlichen Annahmen, über die ich gleich noch etwas sagen werde.

(Zuruf des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU])

— Das ist doch nachzurechnen und nachzusehen.
— Im Jahre 1980 wird die Schwankungsreserve nach diesen Vorschätzungen der Bundesregierung genau eine Monatsausgabe erreichen. Die Schwankungsreserve wird — in Monatsausgaben ausgedrückt — 1981 und 1982 entsprechend denselben Annahmen kontinuierlich bis auf 1,8 Monatsausgaben steigen.
Diese Entwicklung ist allerdings, Herr Kollege Hasinger, in erheblichem Maße auf die vorgesehene Beitragssatzerhöhung in der Rentenversicherung um 0,5 % auf 18,5 % zurückzuführen, die Sie — ich sage es noch einmal — gar nicht vorsehen. Ich möchte einmal sehen, wie bei Ihrem Konsolidierungskonzept die Schwankungsreserve letztendlich aussehen müßte.

(Hasinger [CDU/CSU] : Diese Entwicklung ist vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig!)

— Das haben Sie nun schon ein paarmal gesagt. Ich habe Ihnen dann darauf geantwortet: Die wirtschaftliche Entwicklung kann nicht befohlen werden. Vielmehr ist sie in einem System der Marktwirtschaft auch Sache der Wirtschaft selbst. Selbst dort, wo sie befohlen wird, ist es ja wohl nicht entscheidend anders als bei uns, vielleicht sogar eher schlechter.

(Hasinger [CDU/CSU] : Sie kann zwar nicht befohlen, aber sie kann verhindert werden!)

— Sie haben uns noch nicht klarmachen können, in welcher Weise das geschehen könnte. Aber vielleicht hören wir das noch von Ihnen.

(Zuruf des Abg. Franke [CDU/CSU])

Die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung in den nächsten 15 Jahren wird, Herr Kollege Franke, an Hand von neun Modellrechnungen untersucht, die sich aus der Kombination von drei Alternativen über die Entwicklung der Versicherungsentgelte und von drei Alternativen über die Entwicklung der Beschäftigten ergeben. Daran wird deutlich, wie sehr die Entwicklung der Rentenversicherung von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängt. Dies wird von uns auch nicht bestritten, im Gegenteil.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Sie nehmen es nur nicht zur Kenntnis!)

Jede Veränderung gesamtwirtschaftlicher Daten schlägt unmittelbar auf die Vorausberechnungen der Rentenfinanzen durch. Wir wissen sehr wohl, daß das zum Beispiel auch mit der 15-Jahre-Rechnung, mit dem System der Vorausberechnung, das hier zugrunde liegt, zu tun hat. Ich meine, man sollte nicht nur dauernd miteinander über Konsolidierungsvorschläge reden, sondern man muß auch überlegen, ob diese Konsolidierungsnotwendigkeiten allein aus der wirtschaftlichen Entwicklung kommen oder ob sie nicht auch mit dem System 15jähriger Vorausberechnung zu tun haben, das hier zugrunde liegt. Darüber sollten wir uns gemeinsam Gedanken machen.
Durch den Rentenanpassungsbericht wird jedem, meine Damen und Herren, der diesen Bericht liest — es lohnt sich, ihn zu lesen; er ist sehr interessant —, deutlich vor Augen geführt, daß die gesamtwirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre — nicht nur in unserem Lande, sondern in der ganzen Welt — unweigerlich einen Konsolidierungsbedarf in der Rentenversicherung nach sich zogen, nicht nur wegen der wirtschaftlichen Entwicklung bei uns und in der Welt, sondern das wäre auch eine Notwendigkeit für jede andere Regierung, auch für eine CDU/CSU-Regierung — Sie bestreiten das, aber das sind die Fakten —, gewesen. Von diesen objektiven Fakten konnte die Rentenversicherung nicht unberührt bleiben. Die einzigen, die von dieser Entwicklung ungerührt geblieben sind, scheinen die Politiker der CDU und CSU zu sein.
Ich meine, eine Verinnerlichung dieser Zusammenhänge stünde auch der Opposition gut zu Gesicht. Alle diese Maßnahmen für die künftige Entwicklung der Rentenfinanzen basieren auf diesen Annahmen, die Bundesregierung, Bundesländer und alle übrigen Gebietskörperschaften ihren Finanzplanungen für die kommenden Jahre zugrunde legen. Andere als diese Annahmen sind bisher in die politische Diskussion nicht eingebracht worden — auch nicht von der Opposition.
Nun können aber für die Rentenversicherung keine davon abweichenden Annahmen zur Grundlage ihrer Vorausberechnungen gemacht werden. Alle Annahmen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Finanzen der Rentenversicherung sind wichtige Orientierungswerte, aber sie sind keine Glaubenssätze. Das wissen wir seit langem. Übrigens sind sie nie Glaubenssätze gewesen. Diese Dinge, die heute in der Rentenversicherung eine Rolle spielen, haben im Grunde genommen immer, zu jeder Zeit, eine Rolle gespielt. Der Herr Kollege Katzer sitzt hier; ich rufe ihn als Zeugen auf. Ich selbst bin seit dem Ende des letzten Krieges mit diesen Dingen beschäftigt, und ich muß sagen, daß wir zu jeder Zeit solche und ähnliche Probleme gehabt haben. Wir



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haben sie gelöst. Nur: Diese Probleme sind zu fast keiner Zeit in der Weise, wie das heute geschieht, politisiert worden — mitunter künstlich. Man mag das auf der einen Seite begrüßen, auf der anderen Seite bedauern. Wir sind jedenfalls immer und zu jeder Zeit mit diesen Schwierigkeiten fertig geworden.

(Katzer [CDU/CSU] : Das ist nicht vergleichbar! Wir haben eine neue Qualität der Krise!)

— Das ist durchaus vergleichbar.
Herr Kollege Katzer, was ich eben gesagt habe, gilt im übrigen auch für die Frühjahrsgutachten der fünf wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, die Herr Kollege Franke hier angesprochen hat. Unfehlbare Prognosefähigkeit kann nach den Erfahrungen der letzten Jahre niemand für sich beanspruchen, Herr Katzer nicht für sich, jeder andere nicht für sich,

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Arendt nicht!)

— der auch nicht —, niemand, der sich in kompetenter Weise zur künftigen Wirtschaftsentwicklung und damit auch zu den Daten für die Entwicklung der Rentenfinanzen äußert.
Zu denjenigen allerdings, die sich in kompetenter Weise zur künftigen Wirtschaftsentwicklung geäußert haben — in kompetenter Weise! —, gehören keinesfalls die Vertreter der CDU/CSU und heute auch nicht Herr Franke. Die CDU/CSU hat keine brauchbaren Prognosen abgegeben, die solche Prognosen hätten ersetzen können, die von gesetzlich dazu verpflichteten oder anderen kompetenten Stellen vorgelegt wurden. Sie hat die vorgelegten Zahlen stets unter dem Gesichtspunkt parteipolitischer Opportunität — vor allem auch in den letzten Tagen; auch heute wieder — ausgeschlachtet.

(Franke [CDU/CSU] : Das müssen Sie gerade sagen!)

Das gilt insbesondere auch für die Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute. Ich glaube, daß das wohl erwiesen ist.
Trotzdem sind rechnerische Annahmen dieser Art keineswegs überflüssig. Jedoch scheint zweifelhaft, ob ein fünfzehnjähriger Vorausberechnungszeitraum auf die Dauer auch unter sachlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)

— Ich glaube, daß das nicht sinnvoll ist,

(Hasinger [CDU/CSU] : Immer kurzfristiger hüpfen!)

weil ich davon überzeugt bin, daß ein 15-JahreZeitraum uns zwingt, papierene Defizite auch papieren auszugleichen, und zwar mit Gesetzesmaßnahmen, die im Augenblick, jedenfalls im Hinblick auf das Ende eines solchen 15-Jahre-Zeitraums, nicht in jedem Falle notwendig sind.

(Hasinger [CDU/CSU] : Das sind keine papierenen Defizite, sondern Geburtendefizite!)

Wer die mit dem Rentenanpassungsbericht 1978 vorgelegten und die dem Entwurf eines 21. Rentenanpassungsgesetzes zugrunde liegenden Annahmen für unrichtig hält, meine Damen und Herren, der muß andere Zahlen vorlegen. Das heißt, die Opposition steht auch in diesem Punkte in der politischen Verantwortung. Wenn sie diese Zahlen kritisiert und anzweifelt, muß sie eine rechnerische Alternative vorlegen. Lediglich Befürchtungen oder Hoffnungen oder sogar wirtschaftspolitische Visionen, wie wir sie immer wieder hören — von Herrn Kollegen Franke heute wieder —,

(Franke [CDU/CSU] : Wir übernehmen doch nicht eure Pleitezahlen!)

den Berechnungen zugrunde zu legen, ist eine ganz und gar unsolide Art der Politik, Herr Franke. Dieser Zwischenruf hat mir bewiesen, wie unsolide das ist, was Sie hier machen!

(Franke [CDU/CSU]: Sie schreiben eine Million Arbeitslose für fünf Jahre fest!)

Die Sozialpolitik, insbesondere die Rentenversicherung, braucht zumindest in einem überschaubaren Zeitraum Orientierungsdaten, auch wenn wir alle um die Problematik der wirtschaftlichen Annahmen wissen.
Vom Konsolidierungsbedarf von 32 Milliarden DM gehen alle aus, die ernstgemeinte Konsolidierungsvorschläge unterbreitet haben — zu denen, wie gesagt, die CDU/CSU nicht gehört —, nämlich die Koalition und die Bundesregierung, der DGB, die DAG und der Sozialbeirat. Übrigens gehen auch die Sachverständigen, Herr Kollege Franke, von diesen Annahmen aus, wie ,die Anhörung im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung gezeigt hat. Allein die CDU/CSU weigert sich, anzugeben, welche Annahmen sie den Vorausberechnungen zugrunde legen will. Sie weigert sich auch, anzugeben, wie hoch sie das Finanzvolumen schätzt, das in den nächsten Jahren konsolidiert werden muß.

(Franke [CDU/CSU] : Bei eurer Politik mehr als jetzt!)

— Damit können wir nicht viel anfangen, wenn Sie nicht — —(Wehner [SPD] : Stehen Sie mit dem auf 'du?) — Na ja, aber ich will es mir noch mal überlegen!

(Wehner [SPD] : Deswegen kann er so unanständig sein! — Franke ' [CDU/CSU]: Ich entschuldige mich, ich sage: bei I h r e r Politik!)

— Man muß das ja nicht so übertreiben, wie er es in der Beziehung hier macht. Ich fühle mich da schon fast verfolgt!

(Franke [CDU/CSU] : Der Witz ist alt!)

Ich sagte, daß Sie sich, meine Damen und Herren von der Opposition, weigern, anzugeben, wie hoch Sie das Finanzvolumen schätzen, das in den nächsten Jahren konsolidiert werden muß. Zu dieser Schlußfolgerung müssen wir deshalb kommen, weil Sie bei Ihren Konsolidierungsvorschlägen auf hal-



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bem Wege stehenbleiben. Sie scheuen sich nicht, als einzigen Vorschlag den finanziell nicht ausreichenden Konsolidierungsabschlag von den Renten zu fordern. Ihnen fehlt deshalb jede Berechtigung, an den Grundannahmen, die unserem Entwurf zum 21. Rentenanpassungsgesetz zugrunde gelegt worden sind, herumzukritteln, wie Sie es ständig tun. Die CDU/CSU drückt sich, meine ich, um die sozialpolitische Verantwortung; denn sie geht von überhaupt keinen Annahmen bei dieser Diskussion und bei den Berechnungen aus.
Daß die Opposition damit politisch weder bei den Gewerkschaften und den Verbänden noch bei den Rentnern einen Blumentopf gewinnen kann, — —(Franke [CDU/CSU] : Siehe letzten Montag!)

— Ja, wissen Sie, das war aber doch nicht der Ausdruck dessen, daß man mit Ihnen in einem Boot sitzt, sondern das war doch ebenso die Kritik an Ihren Konsolidierungsvorschlägen. Haben Sie die überhört? Vielleicht war die Gewichtung etwas unterschiedlich, weil wir die Regierungsverantwortung tragen

(Zuruf von der .CDU/CSU)

— natürlich —, aber klargemacht worden ist ganz eindeutig, daß Sie nicht den Mut gehabt haben, eine Beitragssatzerhöhung zu fordern, und deswegen Ihr ganzer Konsolidierungsplan, wenn es einer ist, überhaupt nicht zum Tragen kommen kann, weil die Hälfte oder ein Großteil des Konsolidierungsbedarfs überhaupt nicht gedeckt wird.

(Hasinger [CDU/CSU] : Das hindert Sie aber nicht, uns wahrheitswidrig einen Krankenversicherungsbeitrag von 8 % zu unterstellen!)

— Natürlich muß der so entstehen. Wenn Sie keine Beitragssatzanhebung fordern, Herr Kollege Hasinger, dann wird der Krankenversicherungsbeitrag um so höher sein müssen, weil Sie sonst einen Ausgleich nicht herbeiführen. Das ist doch völlig klar! Darum sagen wir ja immer, daß Ihr Konsolidierungsplan ein einseitiger ist, der nur zu Lasten der Rentner geht.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Hasinger [CDU/CSU] : Keineswegs, nur bei Ihrer Mißwirtschaft! — Zuruf von der SPD)

— Das wird dann der höchste Stand dieser Entwicklung sein. Es wird unsere Aufgabe sein, das den Rentnern klarzumachen. Hoffentlich sagen auch Sie es den Rentnern, auch die Verbände, die glauben, in einer solchen Situation gegen die Bundesregierung und die Regierungskoalition protestieren zu müssen. Es wird unsere Aufgabe sein, nun endlich einmal die Unzulänglichkeit Ihres Planes klar- und offenzulegen.

(Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ CSU]: Ja, so ziehen Sie über die Lande und sprechen Sie über die CDU/CSU!)

— Ja, sicher, weil das ein Faktum ist. Sie können es doch nicht widerlegen. Ich habe doch heute von Herrn Kollegen Franke dazu nichts gehört. Sie haben am letzten Dienstag zur Vorbereitung dieser
Plenarsitzung den Versuch gemacht, aus dieser schrecklichen Ecke, in der Sie sich befinden, herauszukommen. Das ist Ihnen doch nicht gelungen, weil Sie dazu zu schwach sind, weil der Wirtschaftsflügel Ihrer Fraktion es nicht zulassen wird, daß Sie eine solche Entscheidung treffen. Dann wollen wir uns zu gegebener Zeit noch einmal darüber unterhalten, was hier Glaubwürdigkeit ist, von der Sie im Zusammenhang mit unseren Vorstellungen zur Rentenkonsolidierung immer sprechen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Setzen Sie sich doch einmal in Ihrer eigenen Fraktion durch!)

Ich habe gesagt, Herr Hasinger, daß Sie eine der ersten Stimmen aus den Reihen der CDU/CSU zur Beitragssatzerhöhung sind. Sie haben das jetzt bestritten. Ich nehme das dankbar zur Kenntnis. Also Sie sind auch nicht für eine Beitragssatzerhöhung, wenn ich Ihre Erklärung hier richtig gedeutet habe. Dann bin ich früher von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Trotzdem sind wir, Herr Kollege Hasinger, auf Ihr Eingeständnis gespannt — wenn es kommen sollte —, daß alles das, was Sie bis heute vertreten haben, finanziell unzureichend und sozial unausgewogen ist; das wäre nämlich das Eingeständnis einer solchen Konzession zur Beitragserhöhung. Sollte die Opposition sich zu einer Beitragssatzerhöhung durchringen können, dann wird in der Offentlichkeit deutlich werden: sie ist dazu durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen zum 21. Rentenanpassungsgesetz gezwungen worden, natürlich auch durch die eindeutige Haltung der Gewerkschaften und der Verbände.

(Zuruf des Abg. Hasinger [CDU/CSU] — Abg. Hasinger [CDU/CSU] begibt sich zum Stenographenplatz)

— Ihr Zwischenruf war wieder nicht gut, was? Ich finde auch, den sollte man streichen.
Aber aùch der Sozialbeirat stimmt mit den Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung überein, daß die Renten in den kommenden drei Jahren nur in einem verminderten Umfang steigen können. Auch die CDU/CSU will eine Verminderung der Rentenzuwächse. Sie wollen es doch auch? Na ja, Sie möchten das ein bißchen verschleiern. Aber ich will Ihnen einmal ganz deutlich sagen, was Sie wollen. Sie sagen im Gegensatz zum Sozialbeirat und 'den Gewerkschaften allerdings nicht, wie hoch nach Ihren Vorstellungen der sogenannte Krankenversicherungsbeitrag sein soll. Ich habe es vorhin bereits einmal erwähnt. Deswegen müssen wir den Rentnern sagen, wie hoch der Krankenversicherungsbeitrag für sie werden würde, wenn Ihre Vorstellungen zum Zuge kämen. Das ist beträchtlich mehr als das, was wir den Rentnern auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung zumuten zu müssen glauben.

(Franke [CDU/CSU] : Bei uns macht die Belastung höchstens zwei Drittel aus!)

— Herr Franke, Sie lassen die Offentlichkeit und
vor allem die Rentner deshalb darüber im unklaren,



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weil Sie bisher eine Beitragssatzerhöhung als Maßnahme auf der Einnahmenseite der Rentenversicherung abgelehnt haben.

(Franke [CDU/CSU] : Wir wollen mehr Beitragszahler durch mehr Arbeit!)

— Aber Sie haben es doch versäumt, hier Pläne auf den Tisch zu legen, wie man das Ziel anders als mit den Mitteln erreichen kann, die die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen bis heute vorgeschlagen haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie auf diesem Gebiet so tüchtig sind, dann müßte man von Ihnen einmal etwas Konkreteres gehört haben, als nur einen Fetisch anzubieten.

(Franke [CDU/CSU] : Sie haben es sicher nicht gelesen! — Wehner [SPD]: Haben Sie aber Illusionen! Das ist doch nicht der Zweck von deren Attacken! Der Zweck ist Verunsicherung der Menschen! — Franke [CDU/CSU] : Ich werde es Ihnen schicken, Sie haben es nicht gelesen, zum Beispiel 16. Januar 1976!)

— Das war eine bedeutende Sache, die inzwischen in Vergessenheit geraten ist. Ich werde das beim nächsten Mal mitbringen.

(Franke [CDU/CSU] : Sie sagen, wir hätten nichts vorgelegt; Sie haben es vergessen! — Gegenruf von der SPD: Sie, haben sich nicht einigen können, Herr Kollege!)

— Die Opposition ist nicht in der Lage, die Probleme, mit denen wir es hier zu tun haben, zu lösen.
Ich sage noch einmal: Sie lassen die Offentlichkeit und die Rentner im unklaren. Die Opposition will die Konsolidierungslast allein auf die Schultern der Rentner abladen. Sie hat am 14. März ausdrücklich erklärt:
Eine Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrages als Sanierungsmaßnahme scheidet für die derzeitigen Finanzprobleme der Rentenversicherung aus.

(Franke [CDU/CSU] : Wir wollen mehr Beitragszahler!)

— Dann müssen wir die holen; Sie werden uns dieses Geheimnis noch verraten.
Die realen Zuwächse der verfügbaren Renteneinkommen müßten nach diesen Vorschlägen der CDU/CSU geringer ausfallen als nach den Vorschlägen im Entwurf eines 21. Rentenanpassungsgesetzes.

(Franke [CDU/CSU]: Das ist falsch! — Zuruf von der SPD: Das hört er nicht gerne, deswegen ist es falsch!)

— Ich kann es nur immer wiederholen.
In unserem Gesetzentwurf hingegen sind für die Renten feste Zuwachsraten vorgesehen. Diese Zuwachsraten von 4,5 °/o im Jahre 1979 und jeweils 4 °/o in den Jahren 1980 und 1981 bieten den Rentnern Sicherheit und Klarheit über ihre künftigen Rentensteigerungen. Die festen Zuwachsraten für die Renten in den nächsten drei Jahren sind der
Höhe nach in etwa vergleichbar mit dem Anstieg der Nettoarbeitseinkommen der aktiven Arbeitnehmer, wie er sich nach den gegenwärtig geltenden Annahmen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung voraussehen läßt. Diese enge Lohnbezogenheit wird durch die sogenannte Risikoabsicherungsklausel lediglich zusätzlich unterstrichen. Diese Klausel würde also überhaupt nur dann greifen können, wenn die Steigerung der Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer in zwei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils um mehr als ein Viertel von den Annahmen der Bundesregierung im Jahresbericht 1978 abweicht. Im übrigen können wir davon ausgehen, daß der Bund der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung gegenüber zuallererst in der Pflicht steht, bevor sonstige Maßnahmen erwogen werden, und zwar auch ohne Konkretisierung der Bundesgarantie.
Meine Damen und Herren, Koalitionsfraktionen und Bundesregierung sind ihrer Verantwortung gerecht geworden und haben im Entwurf zum 21. Rentenanpassungsgesetz für die Jahre 1979 bis 1981 feste Rentensteigerungen von insgesamt 13 °/o vorgeschlagen. Der Opposition fehlt für eine solche klare Aussage der Mut. Sie ist ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden, obwohl sie immer wieder vorgibt, die Regierungsverantwortung in diesem Lande übernehmen zu können. Ich bin der Meinung, auch dieses Beispiel zeigt, daß sie dafür noch nicht reif ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808805600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0808805700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich kurz auf jenen Teil der Ausführungen des Kollegen Franke eingehen, der sich mehr mit dem Bereich des 21. Rentenanpassungsgesetzes beschäftigte, und erst später auf .das eigentliche Thema von heute, nämlich die beiden vorliegenden Berichte.
Ein wenig enttäuscht war ich über diese Debattenbeiträge, weil ich von der wohl naiven Auffassung ausgegangen bin, daß wir uns heute bei diesem wichtigen Thema nicht einen verdünnten Aufguß der Debatte vom 16. März leisten.

(Franke [CDU/CSU] : Da können Sie aber nur die Rede von Herrn Ehrenberg gemeint haben!)

Mit einigem Erstaunen habe ich aber einige neue Feststellungen von dem Kollegen Franke hören dürfen und möchte auf diese vorab kurz eingehen.
Sie, Herr Kollege Franke, haben mir — natürlich mit Hilfe der Mengenlehre; wie konnte es anders sein — Nachhilfestunden in der Frage zu geben versucht, wie diese 45 Milliarden zustande gekommen sind, um deren Aufklärung ich in meiner Zwischenfrage gebeten hatte. Ich halte mich in solchen Dingen an den alten Spruch meines Mathematikprofessors, der immer gesagt hat: Junge, bevor du dich ans Rechnen begibst, mußt du wissen, was



Cronenberg
dabei rauskommt. — Wenn sie sich an diese selbstverständliche Weisheit gehalten hätten, wären Sie mit Ihrer Äußerung etwas vorsichtiger gewesen.
Ich habe versucht, das Protokoll zu bekommen. Ihr Ratschlag, es bei dem Kollegen Blüm zu holen, war ein vergeblicher — ob bewußt oder unbewußt —; er hat mir prompt den falschen Teil des Protokolls in die Hand gedrückt. Aber immmerhin, gewissenhaft wie ich bin, habe ich mich dann um das richtige Protokoll bemüht und werde, damit auch die übrigen Kollegen nicht aus dem falschen Teil des Protokolls ihre Informationen beziehen,

(Franke [CDU/CSU] : Aber Sie dürfen nicht aus dem Protokoll der Fraktionssitzung der FDP zitieren!)

mit der freundlichen Genehmigung des Präsidenten aus dem richtigen Teil des Protokolls zitieren. Daselbst heißt es in bezug auf das von Ihnen angesprochene Problem, daß der Beitragseingang für die ersten drei Monate des Jahres 1978 um 6,7 v. H. höher liege als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum; selbst wenn man davon ausgehe, daß die ersten drei Monate nicht repräsentativ seien, würden die Anzeichen doch auf eine Bestätigung der Voraussetzungen hindeuten; eine Verringerung des Lohnzuwachses würde eine Verminderung der Beitragseinnahmen von jährlich 1 Milliarde DM ausmachen; bis 1982 würden sich demnach rund 5 Milliarden Mindereinnahmen ergeben, und dazu käme dann noch ein gewisser Betrag für die Zinshochrechnungen.
Wenn ich also dies alles zugrunde lege, würde sich möglicherweise das Defizit um diese Beträge èrhöhen. Nur, Herr Kollege Franke, ich bitte, auch zur Kenntnis zu nehmen, daß den Konsolidierungsvorschlägen der Bundesregierung eben nicht die Höhe des Defizits von 32 Milliarden DM, das wir vorausberechnet haben, zugrunde gelegt worden ist, sondern daß wir eine echte Reserve — etwa in der Größenordnung von 38 oder 39 Milliarden DM — zugrunde gelegt und somit einige Sicherheitsfaktoren in diese — zugegebenermaßen mit einigen Risiken belastete — Rechnung eingebaut haben. — Ich werde auf diesen Punkt gleich noch näher eingehen, was mich nicht daran hindert, Ihnen eine Zwischenfrage zu gestatten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808805800
Bitte, Herr Kollege.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808805900
Herr Kollege Cronenberg, sind Sie in der Lage, mit den sachverständigen Beamten im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu errechnen, daß dann, wenn in den nächsten Jahren 1 % Entgeltsteigerung pro Jahr eintritt, dies eine Summe in der Größenordnung von 15 bis 20 Milliarden DM ausmacht, und glauben Sie, daß die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren Tarifabschlüsse von über 6 °/o ermöglicht?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0808806000
Zunächst einmal werden Sie mir ja nicht verübeln, daß ich ein uneingeschränktes Vertrauen in die mögliche Wirtschaftspolitik eines liberalen Wirtschaftsministers wie des Grafen Lambsdorff habe und davon ausgehe, daß die Zahlen, die wir in den Berichten zugrunde gelegt haben, mindestens möglicherweise eintreffen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Ein Zufallstreffer! — Franke [CDU/CSU]: Rechnen Sie also mit höheren Tarifsteigerungen?)

Und — darauf werde ich gleich noch eingehen — für den Fall, daß sich die Dinge, bedingt durch außenwirtschaftliche Umstände, wirklich verschlechtern, haben wir sinnvoller- und richtigerweise entsprechende Risikoabsicherungen eingebaut.
Lassen Sie mich nun, bevor ich auf die übrigen Themen eingehe, noch ein Wort zu dem Streit Ehrenberg/ Windelen/ Franke sagen. Die Erklärungen des Kollegen Windelen zur Selbstbescheidung im Bereich der Ausgabenpolitik haben selbstverständlich unsere uneingeschränkte Zustimmung gefunden, und das hier formulierte Angebot hat selbstverständlich unsere Zustimmung gefunden. Nachdem der Minister — wie ich meine, eindeutig — seine mißverständliche Interpretation hier zurückgenommen hat, wäre die Angelegenheit an sich erledigt gewesen.

(Katzer [CDU/CSU] : Wo hat er sie denn zurückgenommen?)

— Mit großem Bedauern hier an diesem Platz! Er hat gesagt: ich werde das nicht wiederholen, wenn ich mich geirrt haben sollte. Das ist im Protokoll festgehalten worden und steht eindeutig fest.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Warten Sie einmal ab!)

Ihre Erklärung, verehrter Herr Kollege Franke, zu der Erklärung von Herrn Ehrenberg war dann ein echter Rückzieher und ein Dementi, und hiermit wird, glaube ich, Herr Kollege Windelen sehr viel mehr Sorge haben als mit den Erklärungen, die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung abgegeben worden sind.
Nun möchte ich auf den Debattenbeitrag des Kollegen Franke zu den übrigen Bereichen eingehen. Auch mir ist das Sprichwort „Die Wiederholung ist die Mutter der Weisheit" durchaus bekannt. Aber die Wiederholungen, die hier vorgetragen worden sind, sind keine Weisheiten,. sondern Nicht-Weisheiten gewesen und führen meines Erachtens nicht zu der Weisheit, die wir in diesem Bereich benötigen.
Bitte, verehrte Kollegen, verübeln Sie es mir nicht, wenn ich mich zunächst an den Tagesordnungspunkt halte, der mit den beiden Berichten zusammenhängt. Denn der Rentenanpassungsbericht dient, wie es dieses Parlament beschlossen hat, der finanziellen Begründung der 21. Rentenanpassung und der Darlegung der längerfristigen finanziellen Perspektiven bis 1992.
Die Interpretationen dieser Perspektiven sind es offensichtlich, die eine Ursache für unsere unterschiedliche Betrachtung und unseren gelegentlich harten Streit liefern. Offen gestanden: Ihr Verhal-



Cronenberg
ten in dieser Angelegenheit ist seit 1975/76 konsequent inkonsequent.
1975/76 bezweifelten Sie die Richtigkeit der Grundannahmen. Ich hoffe sehr, daß Sie dies nicht nur deswegen vorgetragen haben, um die Regierung in Verlegenheit zu bringen, sondern auch, um die nach Ihrer Auffassung richtigen Daten zur Grundlage der Entscheidungen zu machen — der notwendigen Entscheidungen, wohlgemerkt.
Natürlich weiß ich nicht, woher Sie Ihre Weisheiten gewonnen haben.

(Franke [CDU/CSU]: Wir haben einfach die vier Grundrechenarten angewendet!)

Unterstellen wir mal, Herr Kollege Franke, es habe sich um eine kurzfristige Erleuchtung durch den Heiligen Geist gehandelt. Was aber war das Ergebnis dieser Erleuchtung? Etwa die Forderung nach einer Beschränkung der Ausgaben oder einer Erhöhung der Einnahmen? Nichts von alledem. Die einzige erkennbare, lauthals vorgetragene Antwort des CDU-Rentenkonzepts war nichts anderes als bruttolohnbezogener Erhöhungsfetischismus, garniert mit einem kleinen Krankenversicherungsbeitrag, und zwar nicht mit einem systematisch richtigen Krankenversicherungsbeitrag, wie wir ihn vorschlagen, sondern mit einem einfachen Rentenabschlag.
Das Ganze lief unter dem Motto: Laßt uns mal machen. Denn wir machen natürlich die bessere Politik. Wir wissen zwar genau, daß die Einnahmen sinken. Aber ausgeben werden wir genauso viel wie die Koalition, oder noch mehr.
Dies hat Ihr heutiger Debattenbeitrag, Herr Kollege Franke, bestätigt. Sie haben sich ja auf jene Bemerkungen in der Anhörung berufen, die von den Vertretern, die Sie genannt haben — Bundesbank, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften —, hier gemacht worden sind.
Aber, Herr Kollege Franke, erinnern Sie sich freundlicherweise auch daran, daß unsere klare und eindeutige Frage „Ist denn das von der Opposition vorgelegte Konzept eher in der Lage, dieses Defizit abzudecken, das möglicherweise etwas höher wird?" ebenso klar, ebenso eindeutig und ebenso unmißverständlich mit einem klaren Nein beantwortet worden ist und dieselben von Ihnen zitierten Sachverständigen in eindeutiger Weise dieser Bundesregierung bestätigt haben, daß sie unter den gegebenen außenwirtschaftlichen Umständen nicht eine bessere oder andere Wirtschaftspolitik machen könnte.
Bei diesem Sachverhalt Ihnen Gutgläubigkeit zu unterstellen, fällt selbst mir schwer, der ich, wie Sie wissen, immer bereit bin, der Opposition ehrenwerte Motive, gute Absichten und ehrliches Bemühen zu unterstellen.

(Franke [CDU/CSU]: Na, na! — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Das klang wenig überzeugend!)

In konsequenter Verfolgung dieser Ihrer 1975/76 vertretenen Position verhalten Sie sich heute genauso. Sie halten die Finanzierungslücke für größer als die Koalition. Sie lassen sich, wie Sie hier soeben nochmals gesagt haben, in der Anhörung bestätigen, daß — —

(Franke [CDU/CSU] : Bei Ihrer Wirtschaftspolitik!)

- Entschuldigung! Zu den Fragen der Wirtschaftspolitik und ihrer Möglichkeiten habe ich mich eben eindeutig geäußert. Ich bin nicht bereit, das zu wiederholen.

(Franke [CDU/CSU] : Das war eine Floskel! Das war eines stellvertretenden Landesvorsitzenden nicht würdig!)

Dann kommen Sie, Herr Kollege Franke, mit einem Lösungsvorschlag, der noch nicht einmal die Hälfte des von uns vermuteten Defizits abdeckt, geschweige denn des von Ihnen vermuteten höheren Defizits. Eine solche Verhaltensweise kann man zurückhaltend nur als widersprüchlich bezeichnen.
Bitte, vergegenwärtigen wir uns — noch einmal —, daß es sich bei den längerfristigen Perspektiven des Rentenanpassungsberichts um reine Modellrechnungen handelt. Der akute Konsolidierungsbedarf von zirka 32 Milliarden ist dagegen auf Grund der derzeitigen wirtschaftlichen Annahmen der Bundesregierung errechnet worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808806100
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? — Bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808806200
Herr Kollege Cronenberg, glauben Sie, wenn sich die Bundesregierung, insbesondere der Bundesarbeitsminister, innerhalb von zwölf Monaten um 30 bis 40 Milliarden DM verschätzt, daß dieses bei den zugrunde gelegten Zahlen für die nächste Zukunft nicht auch eintreten kann?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0808806300
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß sich weitere Korrekturen durch sich verändernde Vorgaben möglicherweise ergeben. Wie angedeutet, Herr Kollege Franke, haben wir deswegen, wenn Sie so wollen, eine gewisse Überkonsolidierung vorgenommen. Genau auf diesen Punkt möchte ich einmal zu sprechen kommen.
Wir begrüßen es, daß in diesem Zusammenhang diesmal wie auch im vergangenen Jahr kein Widerspruch zwischen den Rentenversicherungsträgern, dem Bundesarbeitsminister, dem Bundesfinanzminister und dem Wirtschaftsminister besteht, was die Daten anlangt.

(Franke [CDU/CSU] : Aber über die Höhe des Defizits!)

Die Daten wurden auf Grund der Sachverständigenerkenntnisse gewissenhaft erarbeitet. Dabei kann és sich aber nur um Prognosen handeln, die natürlich laufend den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepaßt werden müssen. Wer will und kann denn schon die Lohnerhöhungen und die Beschäftigtenzahlen und damit das Beitragsaufkommen für 1982 genau hochrechnen und festschreiben?



Cronenberg
Eine redliche Würdigung der Jahreswirtschaftsberichte muß meines Erachtens zu der Feststellung kommen, daß es sich um sinnvolle Hilfsmittel handelt, die zugegebenermaßen mit vielen Risiken behaftet sind. Konsequenterweise können aus solchen Prognosen keine klagbaren Ansprüche auf Rentenleistungen nach Heller und Pfennig abgeleitet werden. Dies muß deutlich gemacht werden, damit das törichte Gerede vom sogenannten Rentnerbetrug einmal aufhört.
Damit ich nicht mißverstanden werde, Herr Kollege Franke: ich bin wohl der Meinung, daß Vorausberechnungen notwendig sind, sie sind ein sinnvolles Hilfsmittel. Verschlechtern sich aber die wirtschaftlichen Grundlagen, dann ist dies kein Betrug oder kein Betrugsversuch, sondern ein Alarmsignal für die Verantwortlichen, richtig und sozial ausgeglichen zu reagieren und zu handeln. Deswegen haben wir jeweils bei einer solchen Veränderung unmittelbar gehandelt. Das kann ich Ihnen versichern — egal, ob Ihnen das paßt oder nicht —: wir werden in Zukunft genauso verfahren. Dies ist die einzig mögliche und richtige Antwort auf unvermeidliche Risiken.
Als Antwort auf diese Risiken gibt es für die Liberalen allerdings keine Patentrezepte. Deswegen lehnen wir Beitragserhöhungsautomatik ebenso wie Bruttoerhöhungsautomatik ab.

(Franke [CDU/CSU] : Herr Kollege, wir sind die Liberalen!)

— Das wäre schön, ist aber leider nicht zutreffend, Herr Kollege Franke. Ihre Liberalität wird zwar gelegentlich verkündet, aber selten praktiziert.

(Franke [CDU/CSU] : Wir sind die echten Liberalen!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808806400

Eine weitere Verbesserung der Rentenleistungen
— ich zitiere, Herr Präsident —
ist in Zukunft nur dann gesichert, wenn die angestrebten gesamtwirtschaftlichen Ziele erreicht werden. Das Risiko wirtschaftlichen Vorausdenkens ist bei der überaus komplizierten Materie außerordentlich stark. Unsere Vorschläge im Bereich der Rentenversicherung sind wegen der Ungewißheit über die Entwicklung noch mit zusätzlichen Risiken behaftet.
Ich nehme an, daß die Opposition diesen Ausführungen beipflichten wird, denn sie stammten aus der Haushaltsdebatte 1968 vom Kollegen Franz Josef Strauß.

(Franke [CDU/CSU] : Ein guter Hausvater!)

Wir sollten daher den Rentenanpassungsbericht als das betrachten, was er ist, nämlich ein sinnvolles, mit vorgegebenen Risiken behaftetes Hilfsmittel. Denaturieren wir uns doch nicht selbst zu Prognosefetischisten. So gesehen sind die Befürchtungen, die im Frühjahrsgutachten geäußert worden sind, für den Rentenanpassungsbericht sogar ein Stück Normalität. Mit vorsorglich vorgesehenen Beitragserhöhungen für 1981 und mit der Risikoabsicherungsklausel als Warngerät wollen wir diesen Unsicherheiten noch wirksamer begegnen, als es bisher möglich war. Ehrliche Darstellung der Risiken, realistische und sozial ausgewogene Lösungen zur Sicherung des Generationenvertrags sind Motiv und Grundlage dessen, was wir Ihnen vorgeschlagen haben. Sie werden Beitragszahlern und Rentnern in weitaus höherem Umfange gerecht, als einige Oppositionspolitiker und einige Verbandspolitiker der Offentlichkeit klarmachen wollen. Für die Koalition kann ich daher zum Schluß erfreulicherweise folgendes feststellen. Die Durchsetzung unseres Konzepts wird nicht durch eine praktikable Oppositionsalternative gestört, denn es ermangelt der• selben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808806500
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, das Gutachten des Sozialbeirats auf der Drucksache 8/1665 dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und dem Ausschuß für Wirtschaft und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. Ich schlage ferner vor, den Rentenanpassungsbericht 1978 auf Drucksache 8/1615 dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, dem Ausschuß für Wirtschaft und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Einundzwanzigsten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte (Einundzwanzigstes Rentenanpassungsgesetz — 21. RAG)

— Drucksache 8/1734 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort zur Begründung und zur Aussprache wird nicht begehrt, so daß ich Ihnen vorschlage, die Vorlage an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, dem Ausschuß für Wirtschaft, dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Haushaltsausschuß — mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Barzel,
Schmidhuber, Dr. Biedenkopf, Dr. Dollinger,



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Dr. Narjes, Kittelmann, Pieroth, Dr. Unland, Dr. Köhler (Duisburg), Landré, Breidbach, Kiechle, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Kolb, Sick, Dr. von Bismarck und Genossen der Fraktion der CDU/CSU
Sektorale Strukturpolitik
— Drucksachen 8/1397, 8/1607 —
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0808806600
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir stehen vor dem 1. Mai.

(Wehner [SPD] : Das ist wahr!)

Die Gewerkschaften haben mit Recht zu Kundgebungen und Demonstrationen aufgerufen. — Herr Kollege Wehner, wir sind sicher beide der Hoffnung, daß es da etwas voller sein wird als hier. Dabei steht das Recht auf Arbeit als Forderung Nummer eins. Manch einer, sicher auch mancher Arbeitslose und mancher Rentner, wird sich erinnern, daß hierzulande 20 Jahre lang Vollbeschäftigung selbstverständlich war, daß man über Recht auf Arbeit nicht demonstrierte und zu Kundgebungen aufrief, daß niemand vom Recht auf Arbeit sprach, weil alle Arbeit hatten. Herr Kollege Wehner, dies hat eben alles mit Wirtschaftspolitik zu tun. Von der ist hier heute zu reden. Nach Ludwig Erhard kann man die Güte einer Wirtschaftspolitik besser an ihren Früchten als an ihren Sprüchen erkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Ergebnisse der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sind unzureichend, wie z. B. die andauernde Arbeitslosigkeit, die fortbestehende Sorge um die Renten, die doch eben deutlich geworden ist, und die ungenügenden Chancen junger Menschen beweisen. Keines dieser Probleme wird gelöst sein, selbst wenn, was kaum noch jemand erwartet, die Bundesregierung ihre subjektiv ehrgeizigen, aber objektiv ungenügenden Wachstumsziele für 1978 noch erreichen sollte.
Trotzdem behauptet die Bundesregierung immer wieder, sie habe alles für .die Wirtschaftspolitik Erforderliche getan. Wir bestreiten dies und werden es heute dartun, indem wir sagen: Die Möglichkeiten der deutschen Wirtschaftspolitik für 1978/79 sind nicht voll ausgeschöpft.
Vorausschauende, sektorale Strukturpolitik, das Thema, das den Einstieg in diese wirtschaftspolitische Debatte bietet, droht zu einem Modewort mit nebelhaftem, verharmlosendem Gehalt zu werden. Bald meinen einige damit lediglich die Wachstumsbedingungen, wie man das bisher etwas bescheidener genannt hat; bald verbirgt sich dahinter die Absicht, der Marktwirtschaft zugunsten einer neuen Planwirtschaft den Garaus zu machen; und bald wird dieses Modewort zum modernistischen Schutzvorhang, der schlechte Ergebnisse der Wissenschafts-, Wirtschafts- und Konjunkturpolitik verstecken soll.
Wer sich um ursachengerechte, zielentsprechende und rationale Wirtschaftspolitik bemüht, der kann dieses Nebelfeld des Irrationalen nicht dulden. Auch deshalb stellen wir unsere Anfrage.
Die Bundesregierung bezeichnet in der Drucksache 8/1471 diese „strukturellen Anpassungen" als Ursachen für das, was sie „sektorale Strukturpolitik" nennt: Wechselkurse, Rohstoffpreise, Energiekosten, Lohnkosten, Lohnkostenniveau, Produktion aus Entwicklungsländern, Technologischer Fortschritt, veränderte Nachfragestruktur. Reicht das für solche Überschriften aus? Hatten wir das nicht mehr oder weniger immer? Begleitet das eine dynamische Wirtschaft nicht eigentlich ständig, und hat nicht der Sachverständigenrat recht, wenn er sagt
— ich zitiere —: Unsere Volkswirtschaft mußte „in den ersten beiden Jahrzehnten der Nachkriegszeit mit größeren strukturellen Problemen fertigwerden" als in jüngster Zeit. Hat er nicht auch recht, wenn er hinzufügt, das Tempo des Strukturwandels habe keineswegs zugenommen, und wenn er dann sagt — ich zitiere ihn nun wieder wörtlich —: Manche mit „Strukturen" begründete Sorgen schienen mehr „einem allgemeinen Unbehagen, einer allgemeinen Unsicherheit, möglicherweise auch dem Gefühl zu entspringen, unbekannten Aufgaben der Zukunft, wie sie der ganz normale Strukturwandel der Wirtschaft ständig mit sich bringt, weniger als früher gewachsen zu sein, als einem realen Problembefund" .
So müssen wir aufpassen: Mit dem Wort „Strukturkrise" wird bei denjenigen draußen, die da nicht durchgucken, natürlich Angst erzeugt. Nachdem die „Weltwirtschaftskrise" als Ursache für alle Übel abgegriffen ist — die Weltwirtschaftskrise ist nach Meinung der Bundesregierung eigentlich an allem schuld: von den Renten über die Arbeitslosigkeit bis zu den geringen Chancen der jungen Generation, bis zur Reformunfähigkeit des Staates —, kommt nun die „Sektorale Strukturpolitik" als Nebelwand für neue Verschleierung der Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Manch faule Ausrede verbirgt sich hinter diesem gebildet erscheinenden Wort.

(Zuruf des Abg. Dr. Jens [FDP])

— Herr Jens, ich ahne fast, was Sie zurufen wollen.
— Natürlich gibt es weltwirtschaftliche Einflüsse. Natürlich gibt es strukturelle Probleme. Wer will dies leugnen? Wir nicht. Natürlich gibt es da auch ein paar Probleme, die den sozialen und wirtschaftlichen Erfolg auch hierzulande beeinflussen; aber sie sind doch nicht an allem schuld, und vor allem entschuldigen sie nicht die wesentlichen binnenwirtschaftlichen und innenpolitischen Ursachen unserer Malaise, insbesondere die ordnungspolitischen Ursachen — und von denen wird hier heute zu reden sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn dies ist eine Malaise, und ich verstehe die Regierung nicht, die im Anblick von 1 Million Arbeitslosen im dritten Jahr, bei 2 Prozent Wachstum, bei ungesicherten Renten und nicht genügenden



Dr. Barzel
Chancen der jungen Generation behauptet, sie habe alles ihr Mögliche getan.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Das ihr Mögliche schon!)

Damit dies vollkommen klar ist und wir wirklich wissen, über was wir nachher streiten werden oder jetzt streiten, sage ich: Wir haben nichts gegen mehr Transparenz wirtschaftlicher Abläufe, nichts gegen die Transparenz von Umverteilung. Dazu hat mein Kollege Biedenkopf hier einmal eine bedeutende Rede gehalten.

(Wehner [SDP] : Sagten Sie „wird halten", oder hat er sie schon gehalten?)

— Er h a t sie gehalten, Herr Kollege Wehner. Möglicherweise ist dies an Ihnen vorbeigegangen. Das kann selbst bei größter Aufmerksamkeit passieren.

(Wehner [SPD] : Das tut mir sehr leid!)

— Er wird nachher Gelegenheit haben, das wieder aufzufrischen. Da bin ich ganz sicher.
Wir haben nichts gegen mehr Transparenz und mehr Information. Wir haben — dies sage ich ausdrücklich an die Adresse der Bundesregierung — nichts gegen Ex-post-Analyse, auch nichts gegen Ex-post-Analysen zu strukturellen Problemen, welche wissenschaftliche Institute im Wettbewerb zueinander aufstellen. Wir haben aber — dies muß hier gesagt werden — alles gegen amtliche Prognosen, die Dirigismus erzwingen. Niemand nämlich, verehrte Damen und Herren — dies ist unsere Erfahrung und unsere Überzeugung —, hat seine Augen und Ohren besser im künftigen Markt als das Unternehmen, das sich auf morgen in diesem Markt mit dem Produkt seiner Mitarbeiter erfolgreich behaupten will. Die genialste Behörde und der begabteste Politiker können nicht schneller und besser sein als der, der nicht nur alle Verästelungen des Marktes kennt und selber Neuerungen entwickelt, sondern auch zugleich das Risiko für sein Wagnis trägt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Große Anfrage soll einmal die Bundesregierung veranlassen, hier ihre Vorhaben zur sektoralen Strukturpolitik öffentlich und verbindlich zu erklären. Sie hat zum anderen im Sinn, durch eine parlamentarische Debatte mehr Klarheit in ordnungs- und wirtschaftspolitischen Grundfragen zu gewinnen und schließlich von daher auch aktuelle wirtschaftspolitische Antworten zu geben.
Ich verschweige überhaupt nicht, daß wir diese Große Anfrage — als ein Instrument der parlamentarischen Kontrolle — unmittelbar im Anschluß an die letzten Parteitage der beiden Koalitionsparteien beschlossen haben; denn wir meinten, daß vor allem hier im Deutschen Bundestag selbst solche Grundfragen erörtert werden sollten, und zwar mit festlegenden Aussagen, zumal wir uns der Einsicht nicht verschließen konnten — und es immer weniger können —, daß hier verschiedene Wahrheiten — je nach Zuhörern und Zweck — zur freien Verfügung ausgegeben werden. Wir haben leider feststellen müssen, daß Soziale Marktwirtschaft, die wir im Vollsinne unserer Definition gar nicht mehr haben, von einigen zunehmend als Mitursache für die unzureichenden wirtschaftlichen Ergebnisse dargestellt, ja sogar hier und da als Prügelknabe dafür mißbraucht wird.
Wir hoffen, daß nicht nur die Bundesregierung die Erklärungen gibt, auf die wir warten, sondern wir sagen mit großem Freimut, daß uns vor allem die Erklärungen der beiden Koalitionsfraktionen, besonders die der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, sehr interessieren.
Ich will gleich den Kollegen Wolfgang Roth direkt ansprechen. Ihm gebührt das Verdienst, ehrlich mitgeteilt zu haben, was mit Strukturpolitik, wie Sozialisten sie verstehen, wirklich gemeint ist. Ich zitiere Sie, Herr Kollege Roth, aus Ihrer Arbeit „Strukturpolitik und überbetriebliche Mitbestimmung" in dem Sammelwerk „Mitte links", 1977, Seite 77 ff.: Der Kollege Roth verwirft die Soziale Marktwirtschaft. Er fordert eine „staatliche Planung, die nicht nur als datensetzende Rahmenplanung zu verstehen ist". Das ist etwas Neues.
Die „vorausschauende Strukturpolitik" — so sagt er — müsse die „Globalpolitik" ergänzen und diene weitgehend der „Beeinflussung der Investitionsabsichten und -maßnahmen". Die hierfür erforderlichen und vorgesehenen paritätisch mitbestimmten Gremien sollten „über einen eigenen Apparat verfügen können".
So wie früher — vielen von uns unliebsam in Erinnerung — Herr Steffen auf dem steuerlichen Gebiet dafür plädiert hat, die „Belastbarkeit der deutschen Wirtschaft" zu erproben, so empfiehlt nun der Kollege Roth auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik und der Investitionspolitik ebenfalls eine Roßkur: Zur Investitionslenkung — so sagt er — müsse durch „politische Praxis als Lernprozeß" geprüft werden, „inwieweit die bestehenden Steuerungsinstrumente des Marktes und der staatlichen Intervention den anstehenden komplexen Problemen jeweils gerecht werden können". „Intervention" heißt das Wort. Das heißt: die Wirtschaft, die ohnehin über zuviel Steuern und Paragraphen und Genehmigungsvoraussetzungen klagt, soll nun noch einen Schlag auf den Kopf bekommen. Ich fürchte, Herr Kollege Roth: Sie walzen da etwas nieder, wo Sie morgen Blumen, Früchte und Ernte erwarten.
Sie müssen mir dann schon erlauben, zu zitieren, was uns Karl Schiller am 17. Februar dieses Jahres hierzu mit dem Blick auf diese Debatte in Ihrer Partei, in der Offentlichkeit und im Blick auf die bevorstehende Debatte im Plenum zugerufen hat. Er rief uns zu — und wir machen uns dies zu eigen —: „Wehret den Anfängen!"
Ob nun
— so argumentierte er —
sehr barsch von Investitionskontrolle gesprochen wird oder ob, milder ausgedrückt, von vorausschauender Strukturpolitik geredet wird, ... Es geht um die gleiche Chose: Für bestimmte neue Investitionen, für bestimmte neue Strukturen, für neue Produkte sollen die be-



Dr. Barzel
währten Signale des Marktes abgeschaltet werden oder überhaupt abgeschafft werden.

(Zuruf des Abg. Glombig [SPD)

— Gewiß, Herr Kollege — auf Ihren Zuruf hin —, es gibt jetzt auch als Ausnahme hie und da — das leugnet doch keiner — eine regionale Strukturpolitik. Es gibt für einzelne Sektoren eine Herausnahme aus der Sozialen Marktwirtschaft, z. B. von Anfang an für den landwirtschaftlichen Bereich. Aber es ist doch ein Unterschied. Ob ich das, was als Ausnahme hier und da für eine Zeit notwendig war, nun zur Regel mache und ob ich private Entscheidungen durch öffentliche Auflagen manipuliere. Das ist doch die Frage, vor der wir hier stehen. Und wir warten auf die Antwort, die hier gegeben werden soll.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieser öffentliche Eingriff, die Intervention, wie der Kollege Roth das ehrlich nennt, gefährdet doch die freie Gestaltung. Die Folge ist natürlich: noch mehr staatliche Genehmigungen, noch mehr Ämter, noch mehr Paragraphen, noch mehr Verzögerungen, noch mehr Investitionshemmnisse; auf der anderen Seite: weniger Kreativität, weniger Spontaneität, weniger Flexibilität und als Folge davon: weniger Arbeitsplätze, mehr Arbeitslose, weniger soziale Sicherheit, weniger Reformfähigkeit und weniger Chancen für junge Menschen. Das hängt doch alles miteinander zusammen.
Es hängt alles ab von der Wirtschaftskraft. Das ist doch die Quelle, aus der die Steuern sprudeln wie die Vollbeschäftigung wie die Chancen der jungen Generation. Statt die Quelle freizulegen, kommen Sie her und wollen mit neuen Paragraphen diese Quelle weiter einengen. Sie wundern sich, daß auf diese Weise die Quelle versiegt. Wenn sie denn nicht genug Wasser gibt, klagen Sie noch die Quelle an, statt sich anzuklagen, daß Sie Dreck und Steine in die Quelle geworfen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich zunächst wieder der Regierung zuwenden. Der Herr Bundeskanzler hat selbst unsere Neugier auf diesem Gebiet erweckt, als er am 16. Dezember 1976 in seiner Regierungserklärung die bekannte Passage — ich brauche sie hier nicht vorzulesen — zur Strukturberichterstattung und über Branchenanalysen aufstellte. Das war — gelinde gesagt — apokryph formuliert, es war offenbar eine Koalitionsformel. Hinter ihr konnte sich dieses wie jenes verbergen. Wir wurden ganz hellwach, als an dieser Stelle, was auch das Protokoll verzeichnet, nur die sozialdemokratische Fraktion, nicht aber auch die Fraktion der Freien Demokraten dem Kanzler Beifall zollte.
Wir haben natürlich darauf geachtet, was auf diesem Gebiet weiter kam. Es kam der in dieser Frage dürftige Jahreswirtschaftsbericht 1977. So fingen wir — zuerst im Ausschuß — zu fragen an, was dieses ganze neue Instrument soll. Die Antwort — man darf das heute zitieren, weil das inzwischen alles öffentlich gesagt wurde — war, nicht die Bundesregierung, sondern wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute würden diese Arbeit im Wettbewerb zueinander übernehmen. Es handele sich um Ex-post-Analysen, nicht um amtliche Strukturprognosen. Man sei sich darüber klar, „daß die Strukturberichterstattung dann ein problematisches Instrument würde, wenn amtliche Strukturprognosen beabsichtigt werden".
Soweit die Bundesregierung. Diese Antwort hat uns kurzfristig etwas beruhigt. Sie warf aber zugleich mittel- und langfristig neue Fragen auf. Der Parteitag der SPD legte dann natürlich diesen Koalitionsriß und diese fundamentale Frage für uns alle — und diese Frage ist entscheidend — auf den Tisch.
Wir haben damals die Regierung angeregt, sie möchte doch ihre Vorhaben auch der Öffentlichkeit und dem Hause mitteilen. Das geschah dann im Jahreswirtschaftsbericht 1978. Wir erkennen dies an. Dieser lag uns freilich erst vor, nachdem wir unsere Große Anfrage eingebracht hatten.
Nun haben wir diese beiden Papiere da. Wir müssen leider sagen: Dieses Ganze ist ausweichend, dieses Ganze ist nichtssagend. Es bestätigt deshalb in seinem Wortreichtum nur die Dringlichkeit unserer Initiative.
Karl Schiller, um das noch einmal zu sagen, hat das alles, als er noch auf diesem Platz dort saß, präziser und verläßlicher formuliert. Er erklärte im Jahre 1968 zu einer damaligen Anfrage — Bundestagsdrucksache V/2469 — :
In der marktwirtschaftlichen Ordnung hat der Unternehmer seine Entscheidungen selbstverantwortlich zu treffen: Seine Aufgabe ist es daher, Strukturveränderungen rechtzeitig zu erkennen und sich auf sie einzustellen ... Von der staatlichen Politik muß erwartet werden, daß sie den Strukturwandel erleichtert und fördert.
Wir haben — der Kontinuität wegen — die Bundesregierung in unserer Anfrage als erstes gefragt, wie sie dazu stehe. Die Bundesregierung hat dazu ja gesagt. Bei der Beantwortung dieser Frage müssen die sozialdemokratischen Minister entweder körperlich oder geistig abwesend gewesen sein. Denn Sie als Partei haben auf dem Parteitag doch einen ganz anderen Beschluß gefaßt.
Aber auch sonst kann die Bundesregierung insgesamt das nicht so ganz gemeint haben. Denn wie sonst könnte sie sich ganz konkret und prinzipiell auch sehr wohlwollend z. B. zu einer Brüsseler Initiative hinsichtlich Totaldirigismus im Schiffsbau positiv äußern, zu einer Initiative, die, wie alle, die das kennen, wissen, von amtlichen Auflagen alles und von privater Entscheidung nichts hält!
Auch an anderer Stelle erweisen sich die Antworten der Bundesregierung mehr als ein Versuch, eine verschönte Fassade vorzuführen. So fragen wir z. B. in der Ziffer 4 nach Gefahren, welche die marktwirtschaftliche Ordnung sprengen. Die Bundesregierung sieht in ihrer Antwort keine — trotz der SPD-Beschlüsse, trotz anderer Erklärungen, z. B. im Ausschuß, über gefährliche Instrumente in diesem Zusammenhang.



Dr. Barzel
Wir fragen dann unter der Ziffer 8 nach der Grenze zwischen Investitionslenkung und subsidiärer Strukturberichterstattung. Die Antwort ist ein reiner Verbalismus, eine Nicht-Antwort, ein Ausweichen, eine „Null-Ware", wie man in der DDR dazu sagen würde.
Nur ein einziges Mal — bei Ziffer 17, Herr Bundeswirtschaftsminister — läßt die 'Bundesregierung erkennen, daß sie nicht alles von dieser Diskussion vollkommen übergangen oder verschlafen hat, daß hier der Marktwirtschaftler herausgefordert wird. Sie rafft sich zu der Kühnheit auf zu sagen — ich zitiere —:
Sektorale Strukturprognosen sind daher im allgemeinen mit größeren Risiken verbunden als gesamtwirtschaftliche Prognosen.
Das ist wenigstens ein zaghaft erhobener Zeigefinger. Aber für den Ordnungspolitiker, Graf Lambsdorff, ist das zu wenig! Warum eigentlich hat Ihr Vorgänger immer säuberlich zwischen Projektion und Prognose unterschieden? Er wollte nicht einmal die Prognose. Hier ist eine Veränderung auch bei Ihnen passiert, die wir festhalten.
Die Antwort der Bundesregierung zeichnet sich durch Ausweichen, durch Verweise auf den Jahreswirtschaftsbericht, durch Nichtssagen, durch hinfällige Dürftigkeit aus. Hier hat sich, wenn ich das so sagen darf, Herr Bundeswirtschaftsminister, der Marktwirtschaftler in Ihnen wohl hinter dem Koalitionspolitiker versteckt, hier hat sich wohl, wenn ich das in Ihrem Wochenenddeutsch sagen darf, der „Schriftgelehrte" hinter dem „Pharisäer" zu verbergen versucht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Parteitag der Sozialdemokraten, von dem hier die Rede war — wir hoffen, daß wir hier heute ein bißchen Klarheit diesbezüglich haben werden —, beschloß am 18. November 1977 nicht das, was zu diesen Fragen die hier erklärte Politik der Koalition und der Bundesregierung ist, sondern das, was man uns — durch dieselbe Bundesregierung — als ein „problematisches Instrument" bezeichnet und deshalb abgelehnt hatte, also: statt einer Ex-postAnalyse eine Prognose.
Gegen diesen Beschluß wehrten sich nicht etwa die anwesenden Mitglieder der Bundesregierung. Im Gegenteil, sie führten diesen Beschluß selbst herbei. Denn er beruht, wie man in dem Parteitagsprotokoll unschwer nachlesen kann, auf einem Antrag des Parteivorstandes der SPD. Ich möchte gern diesen Beschluß im Zusammenhang und an Hand der verbindlichen Unterlagen in diese Debatte einfügen. Denn ich glaube, es hat nur Zweck, sich über verbindliche Aussagen zu unterhalten und nicht irgendwelche Popanze hier aufzubauen, damit wir dann auch wirklich wissen, wovon hier die . Rede ist.
In dem Beschluß wird — warum, das kann ich hier im einzelnen nicht ausführen; das wird ja nachher noch kommen — eine „vorausschauende Strukturpolitik" gefordert. Es heißt dann: Globalsteuerung allein reiche nicht aus, es sei eine vorausschauende Strukturpolitik nötig. Diese könne nur betrieben werden, wenn die Quantität, Qualität und Zeitabfolge geplanter Investitionen durchsichtig seien.
Um die Erfassung der Investitionen zu sichern, wird dann verschiedenes vorgeschlagen, u. a.: Meldepflicht für Investitionsplanungen, Meldepflicht für Personalplanungen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Die Bundesregierung sei zu einer regelmäßigen — also amtlichen — Strukturberichterstattung zu verpflichten.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Strukturräte!)

An anderen Stellen wird gefordert, sie solle Strukturprognosen abgeben. Dazu sei ein entsprechender Ausbau der Prognosekapazität erforderlich. Die Diskussion um die Investitionslenkung werde im Orientierungsrahmen 85 nicht abgeschlossen, sondern ihre Konkretisierung werde ausdrücklich gefordert. Hierzu gehöre eine Überprüfung der Steuerungsmöglichkeiten zur Orientierung und Bindung öffentlicher und privater Investitionsentscheidungen an gesamtwirtschaftliche und sozialpolitische Ziele.
Man schlägt dann als eines der Mittel dazu — wir diskutieren hier ja fair, so denke ich — Verknüpfung von Subventionsvergabe mit Auflagen beschäftigungspolitischer Art vor; offene Subventionen statt Steuervergünstigungen; Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes durch Einführung des Strukturrats der öffentlichen Hand, einen Strukturrat der öffentlichen Gruppen. Dazu heißt es:
Bessere Abstimmung zwischen staatlicher Wirtschaftspolitik und privaten Unternehmensplanungen. Für branchenspezifische Probleme können Ausschüsse gebildet werden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden durch Gewerkschaften und Verbände paritätisch vertreten.
Verehrte Damen und Herren, wenn das deutsche Wirtschaftspolitik würde, was hier in diesem verbindlichen Antrag, der nicht auf Grund eines Zufalls zustande gekommen ist, sondern der von der sozialdemokratischen Führung — nach jahrelanger gedanklicher Vorbereitung auch durch Wolfgang Roth — herbeigeführt worden ist, müßten Sie sich darauf einrichten, an den Tagen des 1. Mai von nun an immer über mangelnde Vollbeschäftigung und über Recht auf Arbeit zu debattieren, denn dieses würde in die „andere Republik" führen; weg von der Sozialen Marktwirtschaft hin zu einem geplanten und gegängelten öffentlich bestimmten Ablauf unserer Wirtschaft. Dieses, verehrte Damen und Herren, hätte die Folgen, von denen ich sprach.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Woher — so frage ich Sie — nehmen Sie den traurigen Mut — das müßte die Debatte eigentlich doch ergeben —,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man wohl sagen!)




Dr. Barzel
in dieser Zeit, in der fast alle Unternehmen über zu viele fremdbestimmte Daten klagen, über Daten, die die Entscheidungsfreiheit unserer Unternehmen zu ersticken drohen; in der fast alle die Schwächung des Wettbewerbs durch die Vernichtung der Zahl der Wettbewerber beklagen; in der fast alle — nun auch der Kanzler — über politische Hemmnisse gegen Aufschwung und Vollbeschäftigung sowie über ein Zuviel an Ungewißheit bei Zukunftsplänen klagen; in der bei sehr vielen die Erkenntnis wächst, nicht mehr Staat, sondern mehr Markt, nicht mehr Behörden, sondern mehr Freiheit, nicht mehr Paragraphen, sondern mehr Wagnis, mehr Vertrauen, mehr Leistung seien geboten, — woher nehmen Sie in dieser Zeit den traurigen Mut, das Gegenteil des Notwendigen zu tun und die Übel, die wir schon haben, noch zu potenzieren und zu vermehren, indem Sie hier solche Anträge stellen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Arznei, die Sie hier verordnen, verschlimmert doch alles. Jemandem, der schon eine Kreislaufschwäche hat, soll vielleicht noch eine Lungenentzündung beigebracht werden. Sie wollen das nicht, aber Sie werden das durch diesen realitätsfernen Antrag, sollte er je die Zustimmung der Wähler erhalten, erreichen.
Es hat doch nicht die marktwirtschaftliche Ordnung versagt, vielmehr hat man diese zunächst überfordert, dann behindert und scheibchenweise abgebaut. Wir haben das hier in Debatten dargetan — ich will das nicht wiederholen —, der Sachverständigenrat hat das bestätigt. Ich denke, jeder praktische Blick quer durch die Industrienationen genügt doch, um zu belegen: je mehr Eingriffe, je mehr Gängelei, je mehr Dirigismus, desto geringer der wirtschaftliche und soziale Ertrag.
„Bremsklötze weg", wäre — wie wir meinen — die richtige Politik. Statt dessen vergrößern Sie und zementieren Sie diese Eingriffe. Neue Ämter sollen noch mächtiger werden, neue Formulare und Genehmigungen werden Initiativen erdrosseln. Wachsen werden die Behörden, wachsen wird nicht die Wirtschaftskraft. Dabei ist doch — wenigstens nach meiner Meinung — die Grenze des Wachstums an Eingriffen, von Vorschriften erreicht, wenn die Quantität der Normen und Ämter und Auflagen nicht in die Qualität des Erstickens der wirtschaftlichen und sozialen Freiheit umschlagen soll.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich finde Ihren Mut, gegen diese Erkenntnis, gegen den Rat der Erfahrung zu handeln, eigentlich fatal. Ihr Konzept ist — so auch die „Süddeutsche Zeitung" — „gefährlich und fortschrittsfeindlich". Dieses ist eine Politik des Mißtrauens gegen freie Entscheidungen, denn das ist doch der anthropologische Bezug, der Ihnen überhaupt erst den Zugang zu dieser Politik verschafft,

(Beifall bei der CDU/CSU)

weil Sie empirisch doch nicht dartun können, daß irgendwo dort, wo man noch mehr plant, noch mehr gängelt, noch mehr privates Recht durch öffentliches Recht zurückdrängt, bessere Erfolge hat. Das kommt
doch aus der anderen Kiste. Wenn Sie diese Politik des Mißtrauens gegen die freie Entscheidung betreiben — ich bin einmal gespannt, was der Bundeswirtschaftsminister dazu sagt, falls er überhaupt etwas dazu sagt —, dann behindert und verhindert das natürlich Investitionen. Das hemmt Beweglichkeit, Modernität und Anpassung. Das vermehrt die Kosten und vergrößert mit der Arbeitslosigkeit die soziale Unsicherheit. Auf diese Weise werden Sie Fortschritt und Wandel aufhalten. Auf diese Weise werden Sie Kräfte, Arbeitskräfte und Geld, da binden, wo es für morgen keinen Ertrag bringt, Sie werden es an gestern binden.
Der Sachverständigenrat — auch hierzu ist er zu zitieren — sagt doch mit Recht — ich zitiere ihn —:
Strukturpolitik läuft Gefahr, zu einem Instrument der Strukturerhaltung zu werden. . . Die sektorale Strukturpolitik, die in der Bundesrepublik Deutschland bisher betrieben wurde, trägt überwiegend dirigistische und konservierende Zuge. . . Die Mehrheit der Maßnahmen verfolgt das Ziel, die Einkommensniveaus und die Beschäftigung in Bereichen zu verteidigen, die durch die Marktkräfte gefährdet sind. . . Den Kosten, die den Steuerzahlern und Verbrauchern daraus erwachsen, stehen längerfristig keine volkswirtschaftlichen Gewinne gegenüber, eher Nachteile für Effizienz und Wachstum.
Wenn wir nun über Abbau von sozialer Marktwirtschaft diskutieren, dann haben wir hierfür einen hervorragenden Zeugen, und er wird wissen, daß ich ihn darauf anspreche, nämlich den Bundeswirtschaftsminister selbst, der ja an dieser Stelle am 20. Januar 1977, noch nicht im jetzigen Amt, aber ich nehme an, es ist seine Meinung geblieben, denn er hat ja selbst auf die Kontinuität der Amtsführung und der Aussagen hingewiesen, gesagt hat — ich zitiere ihn —:
In den letzten 10 bis 12 Jahren haben wir zuviel an marktwirtschaftlichen Einrichtungen, an marktwirtschaftlichen Funktionsabläufen demontiert, sie manipuliert, in sie eingegriffen.

(Hört! Hört! von der CDU/CSU)

Hören Sie noch einen anderen Herrn, der sicherlich auch den Freien Demokraten nicht ganz unbekannt ist, nämlich Herrn Professor Stützel, dazu. Ich zitiere ihn auch mit zwei Sätzen:
Die Auffassung, wir hätten besonders große Strukturprobleme, beruht auf einer optischen Täuschung: Nicht die Anpassungsaufgaben sind im Übermaß vergrößert, die Mechanismen zur Lösung dieser Aufgaben, das freie Spiel von Preisen und Löhnen, ist an allzu vielen Stellen verklemmt worden.
Soweit Herr Stützel.
Wir fragen den Bundeswirtschaftsminister, wir fragen den Kollegen Graf Lambsdorff: was hat er eigentlich getan aus dieser Einsicht, was konkret, was schlägt er vor, um diesen Abbau marktwirtschaftlicher Mechanismen, von dem er selber spricht, diese Manipulation, diese Dirigierung wieder zu beenden?
Ich räume Ihnen ein, daß Sie es da schwierig haben, denn der Bundeskanzler hat doch gleich drei-



Dr. Barzel
mal, nämlich am 6. Oktober, von dieser Stelle hier die „Soziale Marktwirtschaft" für ein Schlagwort erklärt — im Vorgelände zu Ihrem Parteitag. Herr Eppler — wir haben das hier früher erörtert — will doch, daß der Staat bestimmt, welche Wirtschaft wo und wann und wie wachsen soll und welcher Energiebedarf dem dann angemessen ist. Das haben wir in einer früheren Debatte erörtert. Der Parteivorstand der SPD glaubt, „das Steuerungsinstrument Markt" — so wörtlich — „reicht ohne Planung und Lenkung nicht aus. Deshalb kann die Entwicklung zukunftsträchtiger Branchen oder die Schrumpfung bestimmter Produktionen nicht allein den Marktkräften überlassen bleiben." Stellen Sie sich vor, wir hätten mit dieser Politik nach dem Kriege angefangen, dann wäre z. B. unsere Computerindustrie jetzt nicht imstande, sich im Weltmarkt gut zu behaupten, sondern sie wäre wahrscheinlich in den Zahlen, über die Herr Grüner uns hinsichtlich der Luftfahrtindustrie hier ebenso kostspielige wie schmerzliche Auskünfte geben könnte.

(Zuruf von der SPD: Wie ist das mit der Agrarwirtschaft?)

Nun frage ich Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, sehr direkt und konkret, anspielend auch auf den Satz Ihres Bundeskanzlers, der gesagt hat: „Unsicherheit ist Gift", ich frage den verantwortlichen Bundeswirtschaftsminister, ob er diese ganzen Pläne, die nun landauf, landab erörtert werden, diese neuen Instrumente, dieses Abgehen von Sozialer Marktwirtschaft, ob er dies als eine Förderung oder als eine Hemmung von Investitionen und in deren Folge als eine Förderung etwa des Abbaus von Arbeitslosigkeit betrachtet. Verehrte Damen und Herren, auf diese Antwort warten wir.
Wir wissen, und ich sage dies noch einmal: Soziale Marktwirtschaft, solange es sie gab, war sicherlich das beste und erfolgreichste System, was man sich vorstellen kann. Ich möchte in diese Debatte, in dem Versuch, daß doch in dieser Debatte vielleicht der eine oder andere nachdenklich wird, ein Zitat von Herrn Hajek einführen, das auch keiner wird bestreiten können. Er definiert das marktwirtschaftliche System in seinem Vorteil gerade damit — ich zitiere ihn wörtlich —, daß dieses System erlaube, „Millionen einzelner Fakten und Wünsche zu herücksichtigen, weil es mit Tausenden von feinen Fuhlern jeden Winkel und jede Ritze der Wirtschaftswelt auslotet" und „die ständig auf den neuesten Stand gebrachten Informationen über die sich ständig ändernden relativen Knappheiten" erbringt. Das ist doch einfach wahr.
Keine Behörde, Herr Kollege Roth, verehrte Damen und Herren, kann das doch ersetzen. Jede Behörde mit den begabtesten Beamten muß sich im Rechtsstaat nach Vorschriften richten, Vorschriften, die die Summe der Erfahrung von gestern sind. Unternehmerische Entscheidung ist Wagnis in die Zukunft, die man noch nicht mit der Erfahrung belegen kann. Dies sind zwei verschiedene Schuhe. Beides braucht der Rechtsstaat. Aber wenn Sie beides so miteinander verknüpfen, wenn sie das eine unter die Käseglocke des anderen packen, kann dabei nichts Vernünftiges herauskommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb gehört das eben auch in die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte, die zu führen wir ja auch nach dem Frühjahrsgutachten wohl allen Anlaß haben. Sie werden ja sicher, Herr Bundeswirtschaftsminister, dazu etwas sagen. Ich glaube — ich sage dies mit großem Nachdruck und hoffe, daß man das in künftigen Debatten nicht immer wieder wird wiederholen müssen —, das erste was zu tun ist, ist: Soziale Marktwirtschaft wiederherzustellen, ihre Dynamik ins Spiel zu bringen. Diese Voraussetzung ist unerläßlich. Denn natürlich ist es so, daß ein ganzer Teil Ihrer Programme mit vielen Milliarden, auch ein Stück von Steuersenkungen, nicht so gegriffen hat, wie Sie sich das vorgestellt haben, weil sie eben in einer Luft von Mißtrauen und von Ungewißheit stattgefunden haben, weil sie Hand in Hand mit Schritten gegangen sind, die, wie der Bundeswirtschaftsminister sagt, hier Soziale Marktwirtschaft abbauen.
Deshalb sagen wir noch einmal, alle unsere Vorschläge, auch die, die wir etwa zur Steuerpolitik machen, haben natürlich einen Sinn im Rahmen einer Gesamtpolitik, die wieder Vertrauen und Verläßlichkeit gibt und zur Sozialen Marktwirtschaft zurückkehrt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In dieser Situation, verehrte Damen und Herren, wo Sie doch auf diesem Gebiet Vertrauen verloren haben, können Sie doch, wenn ich ein Bild gebrauchen darf, Herr Kollege Wehner, beinahe in einer offenen Kutsche durchs Land fahren und Goldstücke unter die Leute werfen. Ich glaube, die Leute würden sich nicht bücken, weil sie dies für Blech halten würden.

(Wehner [SPD] : So was liegt Ihnen mehr als mir, mit der offenen Kutsche zu fahren und etwas zu verstreuen!)

Diese Politik — ich sage das auch an die Adresse des Bundeswirtschaftsministers mit dem Blick auf das, was uns in Bonn im Sommer bevorsteht — ist ein ganzes Stück unerträglich: Wenn die Amerikaner uns sagen: Tut etwas für Wachstum! und wir sagen: Können wir nicht! und wenn Sie dann den Amerikanern sagen: Tut etwas für den Dollar! und sie zunächst auch sagen: Können wir nicht: Jetzt fängt das ein bißchen besser an.
Sollte man nicht darüber nachdenken, daß man — auch um dieser Diskussion willen, aber auch wegen der Renten und der Arbeitslosen — den Mut haben sollte, das zu tun, was in der Bundesrepublik Deutschland ursachengerecht wäre? Wir haben doch hier nicht ein quantitatives Problem der Ökonomie, wir haben doch nicht zuwenig Verschuldung des Staates, nicht zuwenig Staatsaufgaben. Das haben wir doch alles eher übertrieben. Das, was hier vorliegt, ist vielmehr ein qualitatives Problem. Sie würden es vielleicht Verbesserung der Rahmenbedingungen nennen. Lassen wir uns nicht über das Wort streiten. Das Problem ist doch nicht, daß wir



Dr. Barzel
hier noch mehr Wasser durch den Gartenschlauch an die Blätter des Baumes bringen, sondern wir brauchen Dünger an die Wurzeln. Wir haben Substanzprobleme. Die Volkswirtschaft muß von innen gestärkt werden.

(Zuruf von der SPD: Steuersenkung?)

— Nun rufen Sie mit Recht: Steuersenkung. Jawohl, Herr Kollege, Sie haben vollkommen recht, dauerhafte Senkung der Steuern, um hier wieder etwas zu erreichen. Ich lade Sie ein — das ist nicht mein erster Punkt, aber ich nehme es jetzt vorweg —, Herr Kollege Roth, an dieser Stelle nicht statisch, sondern dynamisch zu denken. Das, was Sie heute an Wirtschaftskraft nicht fördern, fehlt Ihnen doch morgen wieder in der Steuerkasse. Hier muß doch endlich einmal der Anfang für etwas Vernünftiges und Dynamisches gemacht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich hätte aber gern als ersten Punkt — dies war mein zweiter Punkt — Ihnen gern den Abbau politisch bedingter Hemmnisse genannt, die gegen Investition und Wachstum wirken. Dazu hat in der anderen Debatte mein Kollege Franke ja einiges gesagt. Die Bundesregierung kann doch hier nicht herumlaufen und sagen: 25 Milliarden, andere sagen, 40 Milliarden im Jahr sind wegen solcher Hemmnisse nicht investiert worden. Die Hemmnisse haben sich doch nicht selbst ernannt, die Beamten doch auch nicht. Die sind doch Folgen von Politik. Wenn ich sehe, was diese Bundesregierung bisher an Papieren dazu produziert, dann ist das doch dürftig. Dann ist doch Fehlanzeige, weil es an den Ursachen liegt — da nehme ich gar keinen aus —, nämlich zu viele Gesetze, Verdreifachung des Umfangs des Bundesgesetzblatts seit 1969. Das kann den' Bürgern nicht bekommen. 130 unentgeltliche Dienstleistungen macht ein Handwerksbetrieb im Jahr für den Staat. Auch das kann nicht bekommen. Weg mit politisch bedingten Hemmnissen! Ich glaube, das ist dann eine Entscheidung in Ludwig Erhardscher Dimension. Etwas anderes wird hier gar nicht möglich sein.
Es ist notwendig, die Anreize zu verstärken, sich selbständig zu machen. Da wird der Bundeswirtschaftsminister kommen und sagen: „Das machen wir doch schon." Wir werden darüber zu debattieren haben, wenn wir das Mittelstandsförderungsgesetz konkret beraten.

(Reuschenbach [SPD] : Also ein neues Gesetz!)

— Das eine Fülle von anderen Vorschriften entbehrlich machen wird, Herr Kollege Reuschenbach,

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

wenn wir miteinander ein vernünftiges Gesetz machen. Ich denke, wir sind auf dem Wege dazu. Ich will das hier jetzt nicht etwa verbauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das vierte ist die Hilfe für Forschung und Innovation. Ich kann das nicht im einzelnen ausführen, sondern will nur noch einmal sagen: Z. B. in diesen vier Punkten wird deutlich, daß die Möglichkeiten der deutschen Wirtschaftspolitik für 1978 und 1979 nicht voll ausgeschöpft sind, weshalb sich die Folgerungen im sozialen Bereich ergeben, wie ich das betonte.
Verehrte Damen und Herren, vielleicht — und ich räume dies ein — sind die Möglichkeiten der Koalition erschöpft. Wir sehen immer mehr, daß kleine Gruppen ideologische Indoktrination betreiben und die Skala des Handelns, die der Kanzler hat, einengen. Ich will ihn deshalb nicht in Schutz nehmen, er muß sich eben durchsetzen gegen diese Gruppen, — ob sie nun beim Terrorismus oder bei der Steuerpolitik oder in anderen Fragen Tabuerklärer sind. Mit den objektiven Möglichkeiten stimmen aber die Möglichkeiten der Koalition nicht überein. Ich habe vier Punkte genannt, die auf diesem Gebiet zu den objektiven Möglichkeiten gehören.
Indem Sie, verehrte Damen und Herren auf dieser Seite, diese Übel vermehren, statt sie zu mindern, tragen Sie zu den Ergebnissen bei, die Sie nicht wollen. Ich sage ja nicht, daß Sie Arbeitslosigkeit wollen, daß Sie dies alles wollen, aber Sie führen sie herbei, indem Sie unsere Wirtschaftspolitik Schritt für Schritt auf den Kopf stellen. Das muß man Ihnen hier sagen. Sie bewirken, was Sie beklagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Koalition wird an dieser Stelle noch tünchen können, wird flicken können, sie wird es nicht in Ordnung bringen können, weil das ein ordnungspolitischer Konflikt ist, über den andere Redner von uns weiter sprechen werden.
Ich glaube, an dieser Stelle, mindestens an dieser Stelle, ist klar: Die Opposition hat eine Alternative
— es mag nicht die Ihre sein —, aber wir sagen ausweislich von Erfahrung und Geschichte: Es ist die bessere Politik, und wir werden dafür antreten.
Ich sprach zu Beginn vom 1. Mai. Zum Schluß möchte ich einen anderen Hinweis geben: Wir werden bald, am 20. Juni, erleben, daß es Worte zum dreißigsten Jahrestag der D-Mark, der Währungsreform regnet. Das könnte einen Sinn haben, wenn dann über gesellschafts- und wirtschaftspolitische Grundfragen und Voraussetzungen nachgedacht würde, wenn z. B. klar würde, daß vor die Vollbeschäftigung, vor die soziale Sicherheit, vor die Reform, vor den Fortschritt unerläßlich die richtige Wirtschaftspolitik als die Voraussetzung des sozialen Ertrages zu setzen ist. Ich denke, es wird erlaubt sein, hierzu am Schluß aus dem berühmten Streitgespräch zu zitieren, das Nölting — er war der Einladende — damals mit Erhard hatte. Das scheint mir nachdenkenswert zu diesem 1. Mai wie zum kommenden 20. Juni.

(Zuruf des Abg. Cronenberg [FDP])

— Den kann man zitieren, das tun Sie auch ganz gerne, und Sie wären froh, Sie könnten ihn so unbeschwert zitieren wie dieser Teil.

(Wehner [SPD] : Er würde sich, Herr Barzel, wundern, wie Sie ihn heute huldigen nach dem, was Sie ihm angetan haben!)




Dr. Barzel
— Herr Kollege Wehner, Sie verbreiten hier Märchen, von denen Sie wissen, — —

(Wehner [SPD] : Das haben Sie angefangen, die Sache mit der Kutsche!)

— Ich freue mich ja, — —

(Wehner [SPD] : Ich bin doch nicht so dumm, wie Sie mich einschätzen!)

— Für dumm habe ich Sie nie gehalten. Eigentlich, Herr Kollege Wehner, nachdem Sie mit dieser Methode der Lautstärke in Ihrer eigenen Fraktion keinen Erfolg mehr haben, verstehe ich, daß Sie es hier versuchen. Doch: Hier haben Sie, bei mir, auch keinen Erfolg damit, Herr Kollege Wehner.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Schönen Dank, Herr von Barzel!)

— Nun bin ich da wenigstens doch noch eins raufgekommen.
Ich war dabei, und das störte den Kollegen Wehner, und deshalb sage ich es noch einmal mit aller Ruhe, den Kollegen Erhard aus dem Streitgespräch mit Nölting zu zitieren. Er hat recht geraten: es ist erneut an der Zeit, diese grundsätzliche Debatte zu führen, und deshalb dieses Zitat:
Je stärker der staatliche Eingriff in die Wirtschaft ist, je mehr der Staat durch die Mittel der Planung und Lenkung glaubt, die Dinge zum Besseren wenden zu können, desto ungünstiger werden sie tatsächlich für das Arbeitseinkommen.
Das war sein Maßstab! Und er sagt weiter, der Staat müsse „die Wirtschaft dorthin führen, wohin er sie bringen muß", nicht „am Gängelband", sondern „durch Eröffnung von Chancen", auch durch „Setzen von Barrieren", aber „immer in freier Entscheidung" ; nur das sei die Ordnung, die zu freien Menschen und zu freien Persönlichkeiten passe und führe.
Ich glaube, das sollte eigentlich nicht nur in Sonntagsreden von allen beschworen werden, sondern in Werktagsarbeit umgesetzt werden, damit wir — spätestens am 1. Mai des nächsten Jahres - zu besseren sozialen Ergebnissen kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808806700
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0808806800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Darf ich, Herr Präsident, mit einem Zitat beginnen:
Man dürstet nach Gehalt, man sehnt sich nach Inhalt, nach Begründung. Man hat Hunger nach Vertrauen. Man will es ja so gerne schenken, aber wem und wozu?
„Auf dem Drahtseil", Seite 19, Verfasser: Rainer Barzel.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD — Dr. Barzel [CDU/CSU] : Vielen Dank!)

Verehrter Herr Kollege, nach dieser. Rede kann ich die Frage jedenfalls nicht damit beantworten, daß man Ihnen dieses Vertrauen schenken sollte oder schenken müßte.

(Zuruf von der FDP: Noch ein Zitat!)

— Es kommen noch ein paar Zitate, keine Sorge. Das ist eine unerschöpfliche Fundgrube.
Meine Damen und Herren, der Kollege Barzel hat es für richtig befunden, der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Opposition hinfällige Dürftigkeit zu bescheinigen;

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

sie sei ausweichend, nichtssagend und durch Wortreichtum gekennzeichnet.

(Hasinger [CDU/CSU] : Das war noch milde ausgedrückt!)

Dies, Herr Kollege Barzel, ist ein ungerechtes und sachlich unzutreffendes Urteil. Ich gebe zu, daß wir uns darum bemüht haben, eine so knappe, so kurze und wenig wortreiche Darstellung wie nur irgend möglich zu liefern. Meine Bedenken richteten sich in der Tat darauf, daß die Kritik käme, dies sei zu kurz, zu apodiktisch und nicht ausführlich genug

(Hasinger [CDU/CSU] : Sonst gäbe es zu viele Konfliktpunkte mit der SPD!)

Zum zweiten behaupten Sie, Herr Kollege Barzel
— ich will das nicht persönlich nehmen —, der Marktwirtschaftler Lambsdorff verstecke sich hinter dem Koalitionspartner. Ich nehme das deswegen nicht persönlich, weil Sie im gleichen Atemzuge vortrugen, die SPD-Kollegen im Kabinett müßten wohl sämtlich abwesend gewesen sein, als diese im wesentlichen marktwirtschaftliche Antwort verabschiedet worden sei. — Das paßt nicht ganz zusammen, und ich glaube, Sie wissen von mir, daß ich nicht die Absicht habe, mich hinter irgend jemandem oder hinter irgendwas zu verstecken.
Im übrigen, meine Damen und Herren, finde ich es fehl am Platze, daß wir hier eine Diskussion führen, die wir wohl besser auf Podiumsveranstaltungen und Foren der drei Parteien miteinander zu führen hätten,

(Hasinger [CDU/CSU] : Was? Wieso denn?)

mit anderen Wortei, daß wir hier im Bundestag eine Diskussion über Parteiprogramme veranstalten, statt eine Diskussion über das zu führen, was Ihnen auf Ihre Große Anfrage von der Bundesregierung als Antwort gegeben worden ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das gehört doch zusammen!)

Aber ich muß gestehen, es wäre für mich schwierig, in der Programmdiskussion bei Ihnen anzusetzen. Ich könnte Ihnen von Herrn Stützel und seiner Einflußnahme auf die Kieler Thesen und von was weiß ich sonst noch berichten; das alles wissen Sie sehr gut. Nur finde ich bei Ihnen nichts Rechtes, Herr Barzel. Da gibt es immer noch das vorläufige Ergebnis des Grundsatzforums Berlin. Und wie ernst Sie diese Fragen nehmen, wie ernst der Bundesvorstand und das Präsidium der CDU diese Fragen



Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
nehmen, hat ja der gestrige Bericht über die Klausurtagung in der „Welt" deutlich gemacht: 8 von 32 sind noch dagewesen, darunter 2 Präsidiumsmitglieder; die übrigen hatten das Weite gesucht. Tun Sie doch nicht so, als würden Sie diese Fragen so vital interessieren, wenn Sie in Ihrer eigenen Partei nicht einmal in den Führungsgremien die Kraft finden, darüber zu diskutieren oder wenigstens dazubleiben!

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Hier geht es nicht um einen Wettstreit über Parteitagsreden und Programmreden, sondern hier geht es um die tatsächliche Politik der Bundesregierung. Und diese Politik ist und bleibt unverändert marktwirtschaftlich. Sie wird es auch in dieser Koalition bleiben.
Wenn schon gestritten werden muß — und dazu bin ich jederzeit bereit —, dann sollten wir lieber über konkrete politische Entscheidungen streiten, aber nicht über bloße Worte und Formulierungen, noch dazu über solche, zu denen Sie sich in Ihrer eigenen Partei bisher nicht bekennen und durchringen konnten.

(Kittelmann [CDU/CSU] : Fangen Sie doch mal mit der Sache an!)

In den Antworten zur Großen Anfrage und im Jahreswirtschaftsbericht 1978 hat die Bundesregierung ihre Strukturpolitik noch einmal skizziert: Die Steuerung der Wirtschaftsstruktur erfolgt grundsätzlich über die Marktkräfte und die staatlichen Rahmenbedingungen. Diese Grundkonzeption ist auch Bestandteil der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976, die Sie zitiert haben, Herr Kollege Barzel. Sie gilt unverändert. Daß diese Politik zukunftsorientiert sein muß und zukunftsorientiert ist, darüber werden wir in diesem Hause sicher nicht zu streiten haben.
Ich gestehe ganz offen, daß ich selber mich mit dem Gebiet der Strukturpolitik in den früheren Jahren nicht so recht befreunden konnte. Aber es geht nicht, daß wir uns, wie die kleinen Kinder es tun, die Hände vor die Augen halten und dann annehmen, es gebe gewisse Tatsachen nicht. Es gibt das Problem der Strukturpolitik — auch dann, wenn Marktwirtschaftler es zunächst mit Zögern angehen. Einen Verzicht auf Strukturpolitik können wir uns nicht leisten. Daß sie notwendig geworden ist, ist wegen der weltwirtschaftlichen und der binnenwirtschaftlichen Bedingungen deutlicher geworden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Strukturpolitik ist ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Wirtschaftspolitik. Aber es bleibt dabei, daß sie primär die Förderung des Strukturwandels zum Ziel hat. Die Umstrukturierung unserer Wirtschaft, die Anpassung an neue Gegebenheiten der Nachfrage, des Wettbewerbs, der Außenbeziehungen ist und bleibt die Aufgabe derjenigen, die am Wirtschaftsprozeß unmittelbar beteiligt sind. Der Staat kann nach Auffassung der Bundesregierung den Strukturwandel lediglich generell erleichtern und ihn in bestimmten Fällen unterstützen. Ziel der Strukturpolitik ist es deshalb auch,
Interventionen, etwa zur Streckung struktureller Anpassung, sachlich und zeitlich zu begrenzen. Dies halte ich für einen der Kernpunkte, der bei der Strukturpolitik und ihrer Anwendung und ihrem Instrumentarium nicht vergessen werden darf.
Aber, Herr Kollege Barzel, bei dem Bemühen, Interventionen einzudämmen, hat uns ja auch die Opposition nicht selten im Stich gelassen. Die Politik Ihrer Branchenexperten — Sie kennen sie alle — steht häufig in auffälligem Widerspruch zu marktwirtschaftlichen Bekenntnissen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich könnte eine Reihe von Beispielen nennen. Ich will nicht Beispiele nennen, die ich nur in meinem Amtszimmer erfahre. Das ist eine Erfahrung, die ich erst seit sieben Monaten mache. Wie viele streiten draußen für Marktwirtschaft und fordern dann in den vier geschlossenen Wänden Eingriffe!

(Beifall bei der FDP und der SPD — Roth [SPD] : Herbert Köhler!)

Die Marktwirtschaft zeigt sich nicht in Sonntagsreden, auch nicht, Herr Kollege Barzel, in noch so häufigem Zitieren des — wie Sie genau wissen — von mir ebenso wie von Ihnen verehrten Ludwig Erhard. Sondern sie zeigt sich bei der Lösung der Probleme des Alltags, d. h. an den konkreten Vorschlägen, die von den politisch Verantwortlichen gemacht werden.
Wir orientieren uns an den Grundsätzen der sektoralen Strukturpolitik, die von einer Koalition zwischen CDU/CSU und SPD 1968 nach jahrelangen Vorarbeiten im Wirtschaftsministerium verabschiedet worden sind.
Ich kann es nicht billigen, Herr Barzel, daß Sie es übelnehmen, daß hier über sektorale Strukturpolitik überhaupt gesprochen wird, daß das nur erwähnt wird, obwohl Sie eine Anfrage zu dem gleichen Thema stellen und wir Ihnen pflichtgemäß die Antwort geben. Wozu ist diese Anfrage eigentlich beantwortet worden? Doch nicht nur, um der Geschäftsordnung zu genügen, sondern um eine Diskussion über das herbeizuführen, was Inhalt und Thema dieser Antwort und dieser Politik und nicht der Parteitagsbeschlüsse dieses oder jenes Partners ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich würde mir herzlich wünschen, Herr Kollege Barzel, daß sich die Opposition auch in schwierigen Situationen bei eigenen Vorschlägen an den von Ihnen vertretenen Grundsätzen ausrichten würde.
Ich darf noch einmal zitieren. Ich bin ja zum Zitieren aufgefordert worden.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Eine flache Rede!)

— Sie müssen sie mal bis zum Ende hören und erst dann werten, ob sie flach oder weniger flach ist, Herr Kollege. Nun das Zitat: „Prinzipien sind kein Käse mit Löchern." — Rainer Barzel, „Auf dem Drahtseil", Seite 184.
Wenn ich mir dann ansehe, was der Kollege Müller-Hermann mit ausdrücklicher Unterstützung Ih-



Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
res Fraktionsvorsitzenden bei der Diskussion um die Weiterführung des Projekts VFW 614 von der Bundesregierung verlangt hat, dann allerdings kann ich vor lauter Loch den Käse nicht mehr sehen, der hier Strukturwandel und Strukturpolitik sein soll, Herr Barzel.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Einsetzung eines Sonderbeauftragten im Zuge einer umfassenden und regional ausgewogenen Strukturbereinigung der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie ...
Und dann:
die Voraussetzungen seien dafür zu schaffen, daß das Projekt VFW 614 auf einer erneuerten soliden Grundlage fortgesetzt wird.
Das sind die Dinge, Herr Barzel, die Sie sich vor Augen führen müssen und bei denen wir zusammenwirken können, wenn es darum geht, solche Initiativen — ich unterstreiche: mit ausdrücklicher Unterstützung Ihres Fraktionsvorsitzenden — zu ergreifen. Hören wir doch auf, uns gegenseitig die Sündenfälle vorzuwerfen! Dieses, glaube ich, führt uns nicht weiter.
Gegenwärtig wird über den Strukturwandel viel diskutiert. Es wird darüber, diskutiert, ob er sich beschleunigt oder nicht. Ich will in diese akademischen Erörterungen nicht eingreifen, weil das meßbare Tempo des Strukturwandels ganz wesentlich von den Indikatoren abhängt, die man für diese Messung verwendet. Aber so viel läßt sich mit Gewißheit sagen — das wissen wir alle —, daß die strukturellen Veränderungen heute Unternehmer und Arbeitnehmer stärker berühren als in früheren Jahren, daß dafür insbesondere das schwächere Wirtschaftswachstum entscheidend ist und daß es dafür eine Reihe von Gründen gibt, die ich hier nur beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit wenigstens in die Diskussion einführen will: die Schwankungen im Wechselkursgefüge, der Aufbau von Kapazitäten in Entwicklungsländern, sprunghafte Verteuerung von Rohstoffen, Kostenentwicklung und Veränderungen in der Binnennachfrage. Alle diese Umschichtungen haben einen erheblichen Bedarf an Strukturwandel in unserer Wirtschaft entstehen lassen.
Die Bundesregierung unterstützt diesen Umstrukturierungsprozeß mit ganz erheblichen Mitteln. Ich erinnere an die Programme zur Wachstumsförderung und Nachfragebelebung, an das Programm zur Förderung von Zukunftsinvestitionen, an die steuerliche Entlastung der Einkommen, an die verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung, an die Verbesserung der degressiven Abschreibung und die Erleichterung der Existenzgründung, aber auch an spezielle Unterstützungshilfen wie für Stahl und Schiffbau. Nur, Herr Kollege Barzel, gerade bei den beiden letzten Bereichen sollten wir einmal versuchen, eine vorurteilsfreie Diskussion strukturpolitisch sauber über diese beiden Bereiche in diesem Hause quer über die Fraktionen hinweg zu führen. Dann würden wir viele Sünder auf allen Bänken finden, die gerade in den Bereichen Stahl und Schiffbau nun wirklich nicht das Banner unbefleckter Empfängnis der Sozialen Marktwirtschaft vor sich hertragen können.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Bundesregierung lehnt Strukturdirigismus und -protektionismus nach wie vor ab. In diesem Zusammenhang will ich meine Besorgnis über die Forderung einiger Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die ihren Niederschlag dann in Vorschlägen der Kommission findet, hier überhaupt nicht unterdrücken. Aber, Herr Barzel, daß Sie uns hier vorhalten, auf die Totaldirektive Schiffbau in Brüssel hätten wir positiv geantwortet, kann ich wohl nur mit mangelndem Kenntnisstand entschuldigen.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Nein!)

Wir sind die einzigen, die sich im Konzert in Brüssel 8 : 1 gegen die quantitative Festsetzung und die Vorschläge der Kommission zur Wehr gesetzt haben. Wir sind leider nahezu total isoliert in diesem Punkt. Es wäre besser, Herr Kollege Barzel, Sie würden uns in dieser Haltung unterstützen, statt uns vorzuwerfen, daß wir auf diesem Gebiet das mitspielen würden und wollten, was uns die Kornmission vorschlägt. Wenn Sie es bis heute nicht gewußt haben, so teile ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung mit: dem ist nicht so.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Dann lassen Sie sich mal vortragen, was vorige Woche im Ausschuß war!)

— Herr Kollege Barzel, ich sage Ihnen hier noch einmal: so ist die Situation. Wir werden vielleicht, wahrscheinlich auch hier, einen Kompromiß eingehen müssen — aus europapolitischen Überlegungen —, aber einen Kompromiß, den wir — das weiß ich schon heute — miteinander, wie ich hoffe, nicht besonders erfreulich finden werde. Es ist nun einmal so, daß wir in einem Konzert der Neun, in dem Einstimmigkeit gefordert ist, zu Kompromissen bereit sein müssen. Aber: diese Kompromißmöglichkeit auch in Europa hat dort ihre Grenzen, wo durch gemeinschaftlichen Dirigismus und Protektionismus die Anpassungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft behindert und die Weltoffenheit dés Gemeinsamen Marktes in Frage gestellt wird. Ziel unserer Politik muß es sein, höhere Beschäftigung und mehr Wachstum zu ermöglichen. Was wir brauchen, ist eine Förderung der Dynamik der Wirtschaft, und nicht mehr Statik und nicht mehr vorgegebene quantifizierende Richtlinien und Grenzen.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr gut!)

— „Sehr gut", sagen Sie, Herr Kollege Barzel. Ich bedanke mich für diesen Zwischenruf. Aber es ist Ihr Fraktionsmitglied, der CSU-Abgeordnete Dr. Starke, der auf der Tagung von Gesamttextil im Januar 1978 in Bonn erklärte, das Welttextilfaserabkommen könne ein Modell für ähnliche Regelungen sein. Dieses Multifaserabkommen sei im ganzen großartig, für Europa und auch für die Textilindustrie bei uns in Deutschland gut. Ist das die Politik, die wir mit Ihrer Unterstützung betreiben sollen? Meine ist es nicht. Wir haben diesem Welttextilabkommen mühsam, ungern, aus Kompromißgründen



Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
zugestimmt. Wir halten nichts davon, daß hier scheinheilig argumentiert wird, als lägen die Fehler ausschließlich bei uns, und der Balken im eigenen Auge wird schlichtweg übersehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Für die Strukturpolitik -- darin sind wir mit Herrn Barzel offensichtlich einig — ist Transparenz unentbehrlich. Deswegen hat die Bundesregierung den Aufbau einer Strukturberichterstattung durch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in die Wege geleitet. Deswegen haben wir in der Konzertierten Aktion einen Gesprächskreis eingerichtet, der den Aufbau dieser Strukturberichterstattung begleiten soll. In der Konzertierten Aktion selbst wollten wir den strukturpolitischen Themen ein besonderes Gewicht beimessen, was nun leider im Augenblick, weil, wie Sie wissen, die Konzertierte Aktion nicht funktionsfähig ist, nicht möglich ist. Aber gerade auch aus diesem Grunde wäre es gut, wenn die Konzertierte Aktion wieder zusammenkommen könnte, um sich mit diesem Themenkreis, der ja wichtig ist, zu beschäftigen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Was die Strukturberichterstattung angeht, so werden Staat und Wirtschaft gleichermaßen Nutznießer dieser Ex-post-Analysen sein. — Ex-post, und dabei bleibt es. Zu meinem Erstaunen, meine Damen und Herren, spricht die Opposition auch bei diesem Vorhaben nicht immer mit einer Zunge. Einerseits ordnungspolitische Bedenken — ich halte sie für unbegründet —, andererseits wird sogar eine frühzeitige Regionalisierung der Berichterstattung gefordert. Meine Damen und Herren, wir müssen uns hier darauf einigen, daß es schwierig und mühsam genug ist, zu diesen Prinzipien zu stehen, und daß es notwendig ist, daß diejenigen, die diese Prinzipien für richtig halten, sich nicht gegenseitig das Leben unnütz schwermachen, sondern sich darum bemühen, miteinander auf den Wegen zu gehen, die sie für richtig halten.
Lassen Sie mich hier ganz deutlich sagen: Die Strukturberichterstattung, wie sie von der Bundesregierung konzipiert wurde, ist in unseren Augen ein Beitrag zur Förderung des notwendigen Strukturwandels und zur Verbesserung der Transparenz der staatlichen Strukturpolitik. Diese Berichterstattung liegt deswegen auch im Sinne der Absicherung unserer marktwirtschaftlichen Ordnung.
Ordnungspolitische Probleme würden sich dann ergeben, wenn die Strukturberichterstattung durch amtliche Strukturprognosen oder gar -projektionen ergänzt würde. Die Bundesregierung lehnt derartige Vorhaben insbesondere wegen der hohen Unsicherheiten, die ihnen anhaften, und wegen der gesamtwirtschaftlich nachteiligen Wirkungen von unvermeidlichen Fehleinschätzungen unverändert ab. Wenn 'sich unternehmerische Dispositionen in einer Branche an amtlichen Prognosen oder staatlichen bzw. kollektiven Investitionsempfehlungen orientieren, so verlieren unternehmerische Fehlentscheidungen die Qualität einer nur einzelwirtschaftlichen Entscheidung. Dies ist ein wesentliches Merkmal einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Wenn die zugrunde liegenden Prognosen nämlich falsch sind, dann potenzieren sich die Fehlentscheidungen bei kollektiver Orientierung der Unternehmen einer ganzen Branche oder bei Orientierung der staatlichen Strukturpolitik an solchen Prognosen.
Meine Damen und Herren, wenn man die Frage stellt, wie hoch denn wohl die Treffsicherheit von längerfristigen Branchenprognosen sei, dann kann man doch nur antworten, jedenfalls als einer, der schon bei den gesamtwirtschaftlichen Prognosen leidgeprüfte Erfahrungen gemacht hat: Einen Glauben an eine solche Treffsicherheit kann es nicht geben; der wäre naiv.

(Zuruf von der CDU/CSU: Vollkommen richtig!)

Dies gilt, meine Damen und Herren, zu meiner Überraschung auch für diejenigen, die sich in Grundsatzerklärungen gerne gegen Prognosen aussprechen, die sie kritisieren, die immer wieder beklagen, wie fehlerhaft sie sind, die aber im Einzelfall dann offenbar doch keine Bedenken haben, dieses Prognoseinstrument in einem solchen Sinne einzusetzen. In meinen Augen sind Branchenprognosen vor allem deswegen so fragwürdig, weil eine Vorausschätzung der in- und ausländischen Nachfragestruktur vorangestellt werden muß und weil hierbei Zeitpunkt und Stärke von Trendeinbrüchen einfach nicht oder nur ganz selten vorhersehbar sind.
Es kommt hinzu, daß Änderungen der internationalen Wettbewerbsverhältnisse sich wegen der en- ger werdenden weltwirtschaftlichen Verflechtung mit zunehmend kürzeren Zeitverzögerungen von Land zu Land übertragen. Diese zunehmende Schnelligkeit des Strukturwandels, die uns auch vor erhebliche ausbildungs- und bildungspolitische Probleme stellt, die erheblich mehr Reaktionsvermögen und Reaktionsfähigkeit der Unternehmen verlangt, halte ich für eine der am schwersten zu bewältigenden Aufgaben derer, die in der Wirtschaft tätig sind. Ich meine nicht, daß der Staat sie übernehmen sollte, sondern er sollte durch Information, die er zur Verfügung stellen kann, helfend zur Hand gehen. Aber bei nationaler Fehlorientierung gingen ganze Marktanteile an ausländische Konkurrenten verloren und Arbeitnehmer würden beschäftigungslos. Dies sichert nicht Beschäftigung, dies gefährdet Beschäftigung.
Selbst wenn die Branchenprognosen richtig sein sollten, was natürlich möglich sein kann, so bleibt immer noch die Frage, welche Schlüsse aus solchen Prognosen zu ziehen sind. Die Prognosen einer entstehenden Überkapazität bedeutet im Einzelfall eines Unternehmens noch keineswegs, daß neue Investitionen nicht mehr notwendig sind. Sie können genauso notwendig werden, um die Modernisierung zu erreichen, um die Arbeitsplätze, die vorhanden sind, zu sichern. Aber dies ist eine einzelwirtschaftliche Entscheidung. Wer soll diese, etwa von Staats wegen, treffen? Das ist ausschließlich Sache des Risikoträgers. Andernfalls würde der Staat nämlich zunehmend gezwungen, die Risiken abzunehmen und Verluste zu sozialisieren. Aber ich füge hinzu — Herr Kollege Barzel, ich hoffe, wir sind auch hier-



Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
in einig —: Dieses Risiko, das wir wie die Chance bei denjenigen lassen, die die einzelwirtschaftlichen Entscheidungen treffen, muß auch bei ihnen verbleiben. Das übernehmen wir nicht. Wir weden. uns hart und hartnäckig wehren, wenn es darum geht, daß uns, der Gemeinschaft, dem Steuerzahler, dem Staat die Risiken für Fehlentscheidungen der Unternehmensseite aufgebürdet werden sollen.. Das kann nicht in Frage kommen. Man kann den Kuchen nicht gleichzeitig aufessen und ihn behalten wollen.
Hüten wir uns deswegen hier wie in Brüssel davor, bei aller Notwendigkeit von mehr Transparenz
— einverstanden — und mehr Voraussicht — notwendig — einen solchen Irrgarten zu betreten!
Herr Kollege Barzel, Ihre Partei und auch Sie hier heute noch einmal, haben sich in der vergangenen Woche mit der Bürokratisierung in unserem Land befaßt. Ich halte dies in der Tat für eine sehr ernste Sache. Ich glaube, wir sind auch in der Breite des Hauses darüber einig. Wenn ich mich recht entsinne, war Herr Kollege Wehner einer der ersten, der dieses Thema angesprochen hat. Die Diskussion ist keineswegs neu.

(Hasinger [CDU/CSU] : Es wäre gut, wenn jemand von Ihnen gekommen wäre!)

-- Ich will darüber gerade ein paar Worte sagen, Herr Kollege. Schon in der Regierungserklärung vom 16. Dezember heißt es deswegen — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten: „Verteidigung der privaten Sphäre, der eigenen Sphäre der Person bedeutet auch, daß die Person nicht abhängig gemacht wird von einer für sie völlig undurchsichtigen, anonymen Bürokratie und Großorganisation, ob nun im staatlichen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich oder im privaten."
Diese zunehmende Bürokratisierung, die einen Liberalen ganz besonders stört, ist nicht nur das Ergebnis der letzten Jahre. - Das Anwachsen von Gesetzen, Verordnungen und. Erlassen läßt sich schon über eine lange Periode beobachten, und diese Entwicklung hat objektive Ursachen, wie z. B. die komplexer werdenden Lebensbedingungen. Das ist nicht alles nur gesetzgeberische, verordnungsgeberische Willkür. Zweifellos hat auch das Streben nach mehr Gerechtigkeit zu differenzierteren, leider damit fast immer komplizierteren Regelungen geführt. Auch dies ist gewollt gewesen.
Wir Politiker haben, wie ich meine, alle nicht in jedem Fall die Probleme so scharf gesehen wie heute. Es geht uns in diesem Bereich wie in anderen so, daß viele im einzelnen sinnvolle, nützliche, brauchbare, erstrebenswerte Regelungen in der Addition vieler Regelungen sich zu einem Netz entwickelt haben, das lähmt, das erstickt, das Bewegungsfreiheit nimmt. Da liegt das Problem. Wir haben nicht immer berücksichtigt, daß eben solche Entwicklungen, die manchmal auch auf Initiative unserer Bürger erfolgt sind, insgesamt gesehen,. das Gemeinwohl behindern können und müssen. I i Ich bitte Sie aber auch, nicht zu übersehen — und, Herr Barzel, wir sollten uns am Ende einer Legislaturperiode einmal ansehen, wie viele von den immer dicker werdenden Gesetz- und Verordnungsblättern darauf zurückzuführen sein werden —, daß eine starke Bürokratisierungswelle von der Europäischen Gemeinschaft auf uns zukommt. Jeder von Ihnen in jedem Ausschuß weiß das. Man muß kein schlechter Europäer sein, so glaube ich, um diese Entwicklung mit großer Skepsis zu beobachten.

(Katzer [CDU/CSU]: Das ist leider wahr!)

Ein Europa der Vorschriften würde langsam die Freiheit seiner Bürger ersticken. Es gilt, alles zu versuchen, um dem entgegenzuwirken.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, es ist leicht, von der Entrümpelung des Paragraphenwaldes zu sprechen, sie zu fordern, dafür Beifall zu bekommen - auf jedem Kongreß draußen. Das Bewußtsein für diese Frage ist geschärft. Aber es ist elend schwierig, das zu verwirklichen.

(Wehner [SPD]: Sehr wahr!)

Vor allem, meine Damen und Herren, ist dies wirklich nur zu schaffen — und ich bitte, das nicht als eine Binsenweisheit zu betrachten —, wenn dabei alle politischen Kräfte zusammenarbeiten. Dann allerdings würden wir ein Stück zur Verbesserung der Rahmenbedingungen leisten, das ich persönlich für wichtiger halte als die — wie Sie wissen — von mir für wünschenswert gehaltene Senkung der ertragsunabhängigen Steuern. Wenn wir das zuwege bringen könnten — alle, wie wir hier miteinander sind —, wäre das tatsächlich ein entscheidender Punkt.
Aber wir werden nur dann Erfolg haben, wenn es uns gelingt, in unseren eigenen Reihen, hier im Deutschen Bundestag, auch in der Regierung, in der Ressortzuständigkeit, Partikularinteressen zurückzudrängen und das Gemeinschaftsinteresse in den Vordergrund zu stellen. Anders ist das nicht zu erreichen. Wir sind alle gefordert. Ich meine, auch die Opposition ist gefordert.
Herr Kollege Barzel, Sie hatten erwähnt, ich würde ein paar Worte zu dem Gemeinschaftsgutachten sagen. Ich war etwas verwundert, weil Sie doch gemeinhin eine struktürpolitische mit einer konjunkturpolitischen Debatte nicht verwechseln. Das unterstelle ich Ihnen nicht.

(Hasinger [CDU/CSU] : Nur aus Gründen der Aktualität!)

— Aus Gründen der Aktualität will ich die Anregung aufgreifen und wenige Sätze dazu sagen. Sie wissen, daß ich immer ein Anhänger der Gepflogenheit gewesen bin, daß sich die fünf Forschungsinstitute

(Zuruf von der CDU/CSU)

— die Interpretation wird Herr Barzel sicher gern hinnehmen, Herr Kollege —, die im Wettbewerb miteinander stehen — und es ist gut, daß sie im Wettbewerb miteinander stehen —, zweimal im Jahr zusammensetzen und ihre Meinung zu Papier bringen. Das hat zur Diskussion beigetragen. Das hat geholfen, die Diskussion zu versachlichen. Das ist eine gute Sache.




Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
Ich muß allerdings sagen, daß ich diesmal mit dem Gemeinschaftsgutachten für die praktische Politik — Diskussionsanregungen bleiben unbestritten — herzlich wenig anfangen kann; denn mit einer Analyse, die im Ansatz mindestens drei Gedankengänge erkennen läßt, die einander ausschließen, und mit mehreren Rezepten, die einander ebenfalls ausschließen, ist — das ist nicht Schelte der Wissenschaftler; ich bin davon weit entfernt; aber das ist ein Teil Sachkritik, ein Teil Enttäuschung desjenigen, der gerne etwas an die Hand bekommen möchte, mit dem er arbeiten kann — nicht viel anzufangen.
Was nun die 3,5 %, die 2,5 %, die 3 % anbelangt: Herr Kollege Barzel, diese Diskussion wird die Bundesregierung erst führen, wenn gesicherte Erkenntnisse über die Entwicklung des ersten Quartals 1978 vorliegen. Ich möchte nur daran erinnern, daß auch die Ausgangsposition des Herbstgutachtens der Wirtschaftsforschungsinstitute 3 % lautete, nicht 3,5 %, wie die Bundesregierung das im Jahreswirtschaftsbericht niedergelegt hat. Die Kürzung um einen halben Punkt muß auch in dieser Relation gesehen werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen, daß ich über die Art und Weise, Herr Kollege Barzel, wie dieser Debattenbeitrag von Ihnen angelegt worden ist, nicht sehr begeistert war.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Das war auch nicht meine Absicht, Graf Lambsdorff!)

— Ich verstehe ihn deswegen, weil Sie diese Auseinandersetzung suchen. Aber Sie suchen diese Auseinandersetzung auf einem Felde, das jedenfalls nicht mit einer von der Bundesregierung beantworteten Großen Anfrage in unmittelbarem Zusammenhang steht.

(Hasinger [CDU/CSU] : Auf einem prinzipiellen Felde!)

Ich glaube, meine Damen und Herren, Sie sollten diese Politik und diese Diskussion auf den Punkt und mit denjenigen führen, die dafür Ihre eigentlichen Gesprächspartner sind. Dies, so scheint mir, wäre richtig. Wenn Sie dann dazu noch konstruktive Vorstellungen brächten, könnte das ein fruchtbarer Dialog werden.
Nur: Heute, Herr Kollege Barzel, muß ich zu dem Ergebnis kommen — ich schließe mit einem Zitat
Nur wer zur Opposition taugt, wird morgen regieren.
Quelle: Rainer Barzel, Seite 190 des Buches „Auf dem Schlappseil" — Entschuldigung, „Auf dem Drahtseil".

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Eine schlappe Rede!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808806900
Meine
Damen und Herren, wir unterbrechen die Aussprache über die Große Anfrage „Sektorale Strukturpolitik. Wir treten in die Mittagspause ein. Wir fahren um 14 Uhr mit der Fragestunde fort

(Unterbrechung von 13.01 bis 14.00 Uhr)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808807000
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache 8/1728 —
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Höffkes auf:
Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung zur Zeit die Zahl militärischer Berater, Ausbilder und Experten, die von Kuba, von der Sowjetunion, von der DDR bzw. von allen Warschauer-Pakt-Staaten insgesamt nach Äthiopien, Angola, Mozambique, Sambia, Tansania, Schwarzafrika insgesamt, den NahMittelost-Raum bzw. Indochina entsandt wurden?

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0808807100
Exakte Zahlen über militärische Berater, Ausbilder und Experten, die die Sowjetunion und andere Staaten des Warschauer Pakts, insbesondere in jüngster Zeit aber Kuba in die verschiedensten Staaten der Dritten Welt entsandt haben, liegen nicht vor. Der britische Außenminister Owen hat allerdings kürzlich in einer Rede vor dem Unterhaus festgestellt, daß sich derzeit etwa 16 000 kubanische und etwa 1 000 sowjetische Militärberater in Äthiopien und etwa 20 000 kubanische Soldaten in Angola aufhalten. Aber auch in anderen afrikanischen Staaten hat die Zahl solcher militärischen Berater. oder Soldaten in jüngster Zeit zugenommen. Die Bundesregierung wird allerdings ihrerseits die Praxis fortsetzen, Detailangaben nur in dem zuständigen Ausschuß des Bundestages zu machen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808807200
Eine Zusatzfrage.

Peter Wilhelm Höffkes (CSU):
Rede ID: ID0808807300
Herr Staatsminister, da hier nur wenig Zahlenmaterial bekanntgegeben worden ist, darf ich mir doch die Frage erlauben, ob die Bundesregierung den hier vorgetragenen und ihr sonst bekannten Sachverhalt für friedensfördernd hält.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es zweckmäßig ist, daß die Probleme in den afrikanischen Staaten, die sich dort zwischen den Staaten ergeben, von diesen selbst bewältigt werden. Insofern halten wir Interventionen von außen niemals für friedensfördernd.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808807400
Eine weitere Zusatzfrage.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808807500
Herr Staatsminister, sieht sich die Bundesregierung auf der Grundlage der



Höffkes
vorgetragenen Erkenntnisse zu irgendwelchen politischen Konsequenzen veranlaßt, falls ja, zu welchen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat von hier aus, aber auch im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit wiederholt darauf hingewiesen, daß sie für die Selbständigkeit der Entwicklung in Afrika eintritt. Mit diesen Schritten, mit diesen Entscheidungen und Erklärungen unterstützt sie die Entwicklung der Selbständigkeit der afrikanischen Staaten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808807600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808807700
Herr Staatsminister, stimmt mit den Zahlen und Größenordnungen, über die die Bundesregierung verfügt, das überein, was man in der Presse lesen kann, daß nämlich allein die Zahl der Militärberater und Militärpersonen, die Kuba in die genannten afrikanischen Länder entsandt hat, im Verhältnis zur Gesamtstärke des kubanischen Militärs von einer Größenordnung sein soll, wie sie bisher noch nirgendwo beobachtet worden ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, es ist sicherlich richtig, daß die Zahl der nach Afrika entsandten Kubaner im Verhältnis zur Größe des Landes Kuba oder im Verhältnis zu seiner militärischen Stärke einen relativ hohen Anteil ausmacht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808807800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0808807900
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung bei dem nächsten sich bietenden Anlaß, nämlich dem Besuch des Herrn Breschnew, Gelegenheit nehmen, entsprechend der von Ihnen soeben dargestellten Auffassung darzutun, daß Interventionen nicht als friedensfördernd angesehen werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat auch schon in der Vergangenheit bei allen politischen Gesprächen, die sie auch mit wichtigen Personen aus dem Warschauer Pakt geführt hat, auf diese Position der Bundesregierung hingewiesen. Ich bin sicher, daß diese Fragen auch im Zusammenhang mit dem Besuch von Herrn Breschnew angeschnitten werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808808000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0808808100
Herr Staatsminister, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die fachlichen Schwerpunkte der Beratergremien vor?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es gibt dort für einige Fälle und für einige Zeitabschnitte wohl
detailliertere Übersichten. Ich kann sie hier nicht wiedergeben; ich könnte insbesondere nicht feststellen, ob das, was zu einem bestimmten Zeitpunkt gegolten hat, auch heute noch gilt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808808200
Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Höffkes auf:
In welcher Höhe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 1977 und in den vergangenen fünf Jahren von den Warschauer-Pakt-Staaten Waffen in Entwicklungsländer geliefert bzw. Abkommen über Waffenlieferungen an Entwicklungsländer abgeschlossen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich möchte hier in erster Linie auf die Veröffentlichungen des Londoner Internationalen Instituts für Strategische Studien hinweisen und dort auf die Veröffentlichung „The military balance 1977/78". Nach Auffassung des Instituts lieferten die Sowjetunion und die anderen Warschauer-Pakt-Staaten in den letzten fünf Jahren Waffen und militärische Ausrüstung an Länder der Dritten Welt im Wert von jährlich bis zu 3 Milliarden Dollar. Es handelt sich dabei um eine Schätzung. Als Berechnungsbasis wurden Preise vergleichbarer westlicher Waffensysteme zugrunde gelegt. Die Sowjetunion und andere kommunistische Staaten Osteuropas haben seit 1975 Abkommen über Waffenexporte mit ca. 29 Ländern der Dritten Welt in einer Gesamthöhe von ca. 11,7 Milliarden US-Dollar geschlossen, wobei der größte Teil dieser Abkommen bisher wohl nur teilweise abgewickelt worden ist. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang — auch für weitere Zahlen — ganz ausdrücklich auf die Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU vom 4. Mai 1977, Drucksache 8/345, beziehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808808300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höffkes.

Peter Wilhelm Höffkes (CSU):
Rede ID: ID0808808400
Herr Staatsminister, sind in den eben von Ihnen vorgetragenen Zahlenmaterialien und den Hinweisen auf verschiedene Veröffentlichungen auch Leistungen und Lieferungen an sogenannte Befreiungsbewegungen — wenn ja, an welche — enthalten? Können Sie dazu detaillierte Angaben machen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann das an dieser Stelle nicht tun. Ich kann auch die Zusammensetzung der statistischen Zahlen des Londoner Instituts nicht im einzelnen wiedergeben. Aber es ist ja bekannt, daß Waffen, die geliefert werden, auch in die verschiedensten Hände kommen können. Insofern läßt sich hier über die Endbestimmung niemals eine verbindliche und in jedem Falle verifizierbare Auskunft geben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808808500
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höffkes!

Peter Wilhelm Höffkes (CSU):
Rede ID: ID0808808600
Herr Staatsminister, besteht seitens der Bundesregierung die Bereitschaft, das hier öffentlich nicht vorgelegte Zahlenmaterial dem zuständigen Ausschuß vorzulegen?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich habe das vorhin bereits unterstrichen: Wir sind jederzeit gern bereit, das zu tun. Aber ich verweise noch einmal darauf, daß die Quelle für derartige Informationen in erster Linie in den Studien des Londoner Instituts zu suchen ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808808700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voigt!

Karsten D. Voigt (SPD):
Rede ID: ID0808808800
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, sich aktiv an der Vorbereitung internationaler Abkommen zur Beschränkung des Waffenhandels bzw. des Waffenexports in bezug auf die Dritte Welt zu beteiligen, und trifft es zu, daß zwischen den USA und der Sowjetunion bereits Gespräche auch über diesen Tatbestand geführt werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, was die Bundesregierung angeht, so besteht überhaupt kein Zweifel daran, daß wir die von Ihnen skizzierte Politik unterstützen. Es ist auch richtig, daß über diese Frage im internationalen Rahmen und auf den verschiedenen Ebenen bereits Gespräche geführt werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808808900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Todenhöfer.

Dr. Jürgen Todenhöfer (CDU):
Rede ID: ID0808809000
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, zuzugestehen, daß die kriegerische Politik der Sowjetunion in Afrika einerseits und die angebliche Entspannungspolitik der Sowjetunion im Ost-West-Verhältnis andererseits in sich bereits einen logischen Widerspruch darstellen und damit die angebliche Entspannungspolitik der Sowjetunion unglaubwürdig machen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung — das sagte ich vorhin —, daß es darauf ankommt, in Afrika den selbständig gewordenen afrikanischen Staaten eine Chance für Ihre Entwicklung in Selbständigkeit und zur Lösung ihrer Probleme miteinander in Selbständigkeit zu geben. Wir sind der Auffassung, daß jeder Versuch von außen, hier zu intervenieren, nicht der Entspannung in der Welt dienen kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808809100
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808809200
Herr Staatsminister, ist die von Ihnen skizzierte Größenordnung der Waffenlieferungen der Sowjetunion in Höhe von, wie Sie angeben, jährlich rund 3 Milliarden DM für die Bundesregierung nicht ein Anlaß, darüber nachzudenken, in welchem Verhältnis dieser gewaltige Aufwand mit den von der Sowjetunion gegenüber westlichen Industrienationen, also auch der Bundesrepublik Deutschland, geäußerten Kreditwünschen zu sehen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, für uns kommt es doch darauf an, unsere Interessen zu wahren. Unsere Interessen liegen in der Entspannung, und wir verweisen deswegen bei Fragen des Waffenhandels allgemein, nicht nur hinsichtlich der Sowjetunion, auf eine Entwicklung, die der Sicherheit in dieser Welt und der Entspannung, die wir anstreben, nicht förderlich ist. Insofern muß man wohl die Vergleiche auf einem anderen Hintergrund sehen, als Sie sie hier eben gezogen haben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808809300
Eine Zusatzfrage Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0808809400
Herr Staatsminister, können Sie uns mitteilen, in welchem Verhältnis die Größenordnung der Waffenlieferungen aus der Sowjetunion an die afrikanischen Länder zu der Größenordnung der Waffenlieferungen aus der westlichen Welt stehen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, ich könnte das tun, aber ich würde bitten, daß ich das entweder schriftlich tun kann oder es in den zuständigen Ausschüssen geschieht, weil ich die Zahlen, die ja eine sehr differenzierte Interpretation notwendig machen, hier so differenziert nicht vortragen kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808809500
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808809600
Herr Staatsminister, können Sie uns auf Grund der Ihnen vorliegenden Unterlagen Auskunft darüber erteilen, in welche Entwicklungsländer der größte Anteil der Waffenexporte läuft?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, ich vermute, daß Sie mit Ihrer Frage den Waffenexport der Sowjetunion meinen.

(Dr. Hupka [CDU/CSU] : Genau!)

Ich könnte Ihnen das auflisten und sagen, aber ich bitte noch einmal darum, daß dies entweder in den Ausschüssen geschehen kann oder in Form eines Briefes. Das würde hier einer differenzierten Aufgliederung bedürfen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808809700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe auf die Frage 88 des Abgeordneten Dr. Hüsch:
Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß die Sowjetunion, Kuba oder die DDR in weitere Entwicklungsländer militärisches Personal und Material zu entsenden beabsichtigen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Der Bundesregierung liegen in der Tat Meldungen vor, wonach die Sowjetunion und Kuba ihr militärisches Engagement in Äthiopien weiter verstärken. Auch Kuba soll sein Engagement im Mozambique verstärkt haben. Der Bundesregierung liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß auch die DDR ihr Engagement in diesem Raum verstärkt hat.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808809800
Eine Zusatzfrage bitte.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0808809900
In welcher Weise bewertet die Bundesregierung Nachrichten, daß Führer der Swapo für den Fall, daß sie nicht in der Lage seien, die Macht in Namibia zu übernehmen, die Hilfe der Sowjetunion, Kubas oder anderer Ostblockländer in Anspruch zu nehmen beabsichtigen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die friedliche Lösung in Namibia nur unter Einbeziehung aller politischen Kräfte möglich ist. Sie wissen, wir haben uns um eine Einbeziehung friedlicher Kräfte der Swapo bemüht. Ich will deswegen von dieser Stelle unterstreichen, daß wir von der Swapo erwarten, daß sie sich mit friedlichen Mitteln und im friedlichen Wettbewerb um die Zustimmung der Bevölkerung an einer friedlichen Lösung für Namibia beteiligt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808810000
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0808810100
Hat die Bundesregierung diesbezüglich eine Zusicherung der Swapo erhalten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, nach dem jetzigen Stand gehen wir davon aus, daß alle beteiligten Kräfte eine friedliche Lösung in Namibia anstreben. Die Auffassung darüber, wie die Ziele im einzelnen gesetzt werden sollen, ist noch nicht einheitlich, aber Sie wissen, gewisse Fortschritte in der Abstimmung sind gemacht worden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808810200
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Petersen.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0808810300
Herr Staatsminister, halten Sie die Einschätzung und die Hoffnung, die Sie eben zum Ausdruck gebracht haben, daß die Swapo zu einer friedlichen Kooperation bereit sei, für besonders realistisch angesichts der letzten Aussagen des Führers der Swapo, Nujoma, wonach er Macht und nicht Mehrheit will?

(Zuruf von der SPD: Wir sind doch in der Fragestunde, wir haben hier doch keine Namibia-Debatte!)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich will noch einmal unterstreichen: In einer Situation, in der es um die Befreiung eines Landes geht — und das ist die Lage Namibias —, gibt es natürlich Kräfte, die sich mit unterschiedlichen Mitteln an dieser Befreiung beteiligen. Wir gehen aber davon aus, daß, wenn diese Befreiung jetzt durch die Einschaltung der Vereinten Nationen an ganz entscheidenden Punkten möglich gemacht wird, dann alle Kräfte bereit sein werden, sich mit friedlichen Mitteln im Wettbewerb um die Zustimmung der Bevölkerung an einer friedlichen Lösung für Namibia zu beteiligen. Das gilt nach unserer Überzeugung auch für die Swapo.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808810400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0808810500
Herr Staatsminister, da Sie davon ausgehen, daß sich alle Beteiligten mit friedlichen Mitteln dem friedlichen Ziel, das hier gesetzt wird, zuwenden wollen, nehmen Sie auch an, daß unter dem Wort „friedlich" alle dasselbe verstehen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie werden von mir jetzt doch nicht noch erwarten, daß ich eine Exegese über den Wortschatz aller Beteiligten in der Namibia-Frage vornehme. Wir haben uns ohnehin, Herr Präsident, so scheint mir, ein wenig von dem unmittelbaren Thema entfernt;

(Beifall bei der SPD)

aber ich bin ja, wie die Kollegen wissen, mit Zustimmung des Präsidenten immer bereit, alle Auskünfte zu geben, die mir zur Verfügung stehen; aber ich kann hier wohl kaum interpretieren, welche Begriffe von welchen Kräften in dieser Frage wie verwendet werden. Ich bitte Sie, mir hier eine Antwort auf diese Frage zu ersparen.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0808810600
Sind wir uns einig, daß — —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808810700
Herr Abgeordneter Kiechle, es gibt in der Fragestunde keine Diskussion vom Mikrophon aus zur Regierungsbank.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, ich muß dennoch an dieser Stelle, weil hier gefragt worden ist: „Sind wir uns einig, daß — —", feststellen, daß ich auf jeden Fall mit dem nicht einig bin, was Sie gesagt haben; sonst wäre das Protokoll am Ende mißverständlich.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808810800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0808810900
Herr Staatsminister, hat die Intensität der Lieferung von militärischem Material und Personal in der jüngsten Zeit zugenommen, ist sie gleichgeblieben oder aber ist sie von abnehmender Tendenz?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808811000
Herr Abgeordneter, ich muß jetzt hier etwas strenger vorgehen; das ist im allgemeinen gar nicht meine Absicht. Es handelt sich um die Frage, ob beabsichtigt ist, weiteres militärischel Material und Personal zu entsenden. Ich bitte, dies bei Zusatzfragen zu berücksichtigen.
Die nächste Zusatzfrage hat Abgeordneter Hoffacker.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0808811100
Herr Staatsminister, liegt der Bundesregierung eine Mitteilung darüber vor, daß auch die Transkei Waffenlieferungen aus der Sowjetunion erbeten hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Entwicklung in der Transkei ist, wie Sie wissen,



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
gegenwärtig unübersichtlich. Ich kann die Frage von dieser Stelle aus jetzt nicht beantworten, bin aber auch hier gerne bereit, in den zuständigen Ausschüssen oder auf schriftlichem Wege Auskunft zu geben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808811200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

(Zuruf)

— Wenn sich jemand ans Mikrophon stellt und sich zu einer Zusatzfrage meldet, dann aber darauf verzichten will, bitte ich, dies dem Präsidium kenntlich zu machen. Normalerweise wären Sie dran, Frau Kollegin Erler. Wollen Sie noch eine Zusatzfrage stellen? — Nein, danke schön.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808811300
Herr Staatsminister, nachdem Sie die Absicht der DDR aus der Kenntnis der Bundesregierung bestätigt haben, ihr Engagement zu Waffenlieferungen zu verstärken, frage ich Sie, wie die Bundesregierung eine solche Absicht angesichts der deutschen Vergangenheit bewertet, daß nunmehr ein neuer Staat, der sich deutsch nennt, die Welt mit Waffen unsicher zu machen beginnt.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, es tut mir ja leid, wenn ich gelegentlich Ihr Weltbild stören muß; aber das ist ja zum Teil auch meine Aufgabe. Nur hatte ich genau das Gegenteil von dem gesagt, was Sie gerne verstanden hätten. Ich hatte gesagt: Der Bundesregierung liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß auch die DDR ihr Engagement in diesen Staaten verstärkt hat.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Dann habe ich Sie akustisch mißverstanden!)

— Herr Abgeordneter Jäger — —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808811400
Auch für die Mitglieder der Bundesregierung gilt die Ordnung der Fragestunde, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, ich nehme das zur Kenntnis.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808811500
Es gibt auch keine Diskussion mit mir.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808811600
Herr Staatsminister, müßte der Zusammenhang zwischen der deutschen Geschichte und neuerlichen deutschen Waffenexporten nicht nur für die DDR, sondern auch für die Bundesrepublik gelten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Gansel, die Bundesrepublik verfolgt, wie Sie wissen, eine äußerst restriktive Politik des Waffenexportes. Sie läßt sich von diesem Kurs auch nicht abbringen. Insofern darf ich Ihre Frage so verstehen, daß Sie diese restriktive Politik der Bundesregierung bestätigen wollen.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808811700
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Todenhöfer.

Dr. Jürgen Todenhöfer (CDU):
Rede ID: ID0808811800
Herr Staatsminister, können Sie uns vielleicht klarmachen, welchen Hintergrund die Frage des Abgeordneten Gansel hat?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808811900
Herr Abgeordneter Todenhöfer, diese Dreiecksfragen werden nicht mehr zugelassen.
Ich rufe Frage 90 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Besteht die von der Bundesregierung in der Fragestunde vom 17. Juni 1977 angedeutete mangelnde Kooperationsbereitschaft der argentinischen Behörden mit der deutschen Botschaft in Buenos Aires bezüglich der inhaftierten und verschwundenen Deutschen weiterhin, und wenn ja, was hat die Bundesregierung unternommen, um die argentinischen Behörden von der Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit zu überzeugen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Wenn die Botschaft in der Mehrzahl der Haftfälle ohne Gerichtsverfahren eine Freilassung erreichen konnte, so ist dies nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Botschaft in ständigen und engen Kontakten mit argentinischen Behörden steht. Insofern besteht auch eine Kooperation.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808812000
Eine Zusatzfrage, bitte!

Klaus Thüsing (SPD):
Rede ID: ID0808812100
Besteht nach wie vor die Beurteilung, die auf eine Frage des Abgeordneten Voigt in einer Fragestunde vor einigen Wochen wie folgt getroffen wurde:
Die Bundesregierung ist beunruhigt über den Mangel an Kooperation, den die argentinischen Behörden bei der Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft in Buenos Aires bei der Aufklärung dieser Fälle gezeigt haben.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte den allerletzten Teil Ihres Zitats aufgreifen. Da heißt es: . . bei der Aufklärung dieser Fälle gezeigt haben". Wir haben uns — ich möchte das unterstreichen — in der Zwischenzeit in einer Reihe von Fällen imstande gesehen, durch Gespräche mit den Behörden auch gewisse Fortschritte zu machen. Insofern verweise ich auf das, was ich zuvor sagte: Es gibt hier eine Kooperation.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808812200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich Frage 91 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des deutschen Botschafters in Argentinien, Jaenicke, daß die 5 000 bundesdeutschen Schlachtenbummler, die zu der Fußballweltmeisterschaft erwartet werden, ohne Sorgen kommen können, obwohl — nach Angaben von amnesty international — noch in den Monaten Oktober 1977 und Januar und Februar 1978 wieder drei Deutsche in Argentinien verschwunden sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Zur Beurteilung der Lage durch Botschafter Jaenicke in seinem Interview im • Deutschlandfunk ist anzumerken, daß es sich bei den bisher in Argentinien verschwundenen Deutschen nicht um Touristen, sondern stets um



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
dort länger ansässige Personen handelt, die meist auch Doppelstaatler sind.
Die Bundesregierung hat im übrigen der argentinischen Regierung ihre besondere Sorge um deutsche Staatsangehörige auch im Hinblick auf deutsche Touristen bei der Weltmeisterschaft mitgeteilt. Wir gehen davon aus, daß die argentinische Regierung dem Rechnung tragen wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808812300
Zusatzfrage, bitte!

Klaus Thüsing (SPD):
Rede ID: ID0808812400
Wie beurteilt die Bundesregierung im Zusammenhang mit dieser Frage die Auskunft des Botschafters Jaenicke im gleichen Interview, daß für die innere Situation in Argentinien der internationale Terrorismus, die internationale Terrorsituation verantwortlich sei?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich würde dem aus meiner Sicht der Lage so nicht zustimmen können. Ich habe von Herrn Jaenicke keine Begründung für diese Feststellung erhalten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808812500
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Heyenn.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0808812600
Herr Staatsminister, was plant die Bundesregierung, um die erwarteten mehr als 5 000 deutschen Schlachtenbummler auf die besondere Gefahrensituation in Argentinien vorzubereiten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte aus diesem Grunde noch einmal auf die Auskunft von Frau Hamm-Brücher vom 20. Oktober 1977 verweisen, auf die der Herr Kollege Thüsing hier soeben auch schon Bezug genommen hat, in der darauf hingewiesen wird, daß wir uns um die Sicherheit der Touristen — natürlich durch Informationen — bemühen und dies auch, je näher die Daten heranrücken, weiter tun werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808812700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0808812800
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung irgendeinen Anlaß, einem Fußballfreund von der Reise nach Argentinien aus Anlaß der Weltmeisterschaft abzuraten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung geht davon aus, daß ein jeder nach seinem Urteil und nach seinem Gewissen und nach seinen Interessen aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen kann. Insofern werden wir in dieser Beziehung natürlich keine Ratschläge erteilen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808812900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808813000
Herr Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß unsere Botschaft in Buenos Aires bisher alles getan hat, für die Deutschen, die inhaftiert worden sind, tätig zu werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe das an verschiedener Stelle bestätigt und auch hier soeben noch einmal auf die Kooperation hingewiesen. Es ist richtig, daß sich die Botschaft bemüht, den Inhaftierten zu helfen, und für die Menschenrechte eintritt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808813100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID0808813200
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung den argentinischen Behörden deutlich gemacht, daß wir nicht nur erwarten, daß unsere Touristen dort als Gäste liebenswürdig und gastfreundlich aufgenommen werden, sondern daß die Bundesregierung auch erwartet, daß die argentinischen Behörden alles unternehmen, damit diese deutschen Touristen ungeschoren wieder nach Deutschland zurückkommen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Abgeordneter Conradi, das ist selbstverständlich. Wir haben — ich beziehe mich noch einmal auf die Auskunft auch von Frau Hamm-Brücher — gegenüber den argentinischen Behörden und auch gegenüber den Veranstaltern von Reisen dorthin alles Notwendige getan, um für die Sicherheit der Touristen zu sorgen, und zur Sicherheit gehören ja nicht nur Hinfahrt und Aufenthalt, sondern auch Rückkehr.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808813300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 92 der Abgeordneten Frau Erler auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob sich unter den Toten bei der angeblichen Gefangenenmeuterei im Gefängnis von „Villa Devoto" in Buenos Aires im vergangenen März auch deutsche Staatsangehörige befanden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Unter den Toten und Verletzten bei Vorfällen in der Abteilung für nichtpolitische Häftlinge des Gefängnisses Villa Devoto befanden sich nach Kenntnis der Botschaft in Buenos Aires keine deutschen Staatsangehörigen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808813400
Danke. Keine Zusatzfragen. — Ich rufe Frage 93 des Abgeordneten Jungmann auf:
Welche Namen von Deutschen sind der Bundesregierung bekannt, die in Argentinien verschwunden oder inhaftiert sind, und wie viele von ihnen sind in einem Gerichtsverfahren verurteilt worden, und welche Strafen wurden verhängt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Der Bundesregierung sind die Namen von 13 verschwundenen und 8 inhaftierten Deutschen bekannt. Vermißt werden zur Zeit 9 Deutsch-Argentinier, 2 Deutsch-Paraguayer und 2 deutsche Staatsangehörige. 6 Inhaftierte haben schwebende Verfahren, 5 davon in der Berufungsinstanz. 2 Deutsch-Argentinier befinden sich seit über einem Jahr in Untersuchungshaft. In der ersten Instanz wurden 3 Deutsche wegen illegaler Waffenherstellung zu 6 bis 8 Jahren Haft, 2 Deutsch-Argentinier zu 31/2 Jahren Haft verurteilt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808813500
Eine Zusatzfrage? — Bitte.




Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID0808813600
Herr Staatsminister, sind Sie in der Lage, hier mitzuteilen, vor welchen Gerichten diese Verfahren abgelaufen sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das kann ich Ihnen, da es sich, wie Sie aus meiner Antwort ersehen haben, um eine Vielzahl unterschiedlicher Fälle handelt, nur auf schriftlichem Wege mitteilen.

(Jungmann [SPD] : Danke schön!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808813700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808813800
Herr Staatsminister, Sie haben mehrmals von „Deutsch-Agentiniern" gesprochen. Sind das Argentinier mit doppelter Staatsangehörigkeit, mit der argentinischen und der deutschen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, wenn jemand doppelte Staatsangehörigkeit hat, ist er Argentinier und Deutscher, und deswegen habe ich hier von Deutsch-Argentiniern gesprochen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808813900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.

Klaus Thüsing (SPD):
Rede ID: ID0808814000
Herr Staatsminister, Ihre Antwort unterscheidet sich in einem Punkt von einer Mitteilung von amnesty international vom 13. April 1978, in der in einer Auflistung der bekannten Namen von 26 verschwundenen Deutschen nicht 2, sondern 5 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit aufgeführt sind, nämlich Peter Falk, Rudolf Stalzer, Ernst Eugen Müller, Hans Emil Scherzer und Johann Wolfgang Lichtenegger. Wie erklären Sie sich den Unterschied?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe ja auf verschiedene Gruppierungen hingewiesen. Ich müßte jetzt feststellen können, inwieweit sich hier Überschneidungen zwischen denen mit doppelter Staatsangehörigkeit und anderen Personen niederschlagen. Ich kann Ihnen die Frage von. dieser Stelle aus so nicht beantworten, aber ich vermute, daß sich die Diskrepanz durch die Frage „Staatsangehörigkeit und Doppelstaatsangehörigkeit" erklären läßt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808814100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0808814200
Herr Staatsminister, sind die von Ihnen als „Deutsch-Argentinier" bezeichneten Personen nun Argentinier mit deutscher Abstammung, oder sind es Deutsche, die sich in Argentinien befanden, oder sind es solche, die beide Staatsangehörigkeiten haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich hatte gesagt, der Bundesregierung sind die Namen von 13 verschwundenen und 8 inhaftierten Deutschen bekannt, und dann hatte ich aufgezählt, daß sich darunter 9 Deutsch-Argentinier, 2 Deutsch-Paraguayer und 2 deutsche Staatsangehörige befinden.
Ich muß sagen, daß mich Ihre Nachfrage im Augenblick selber unsicher macht, ob es sich in der Tat in all diesen Fällen um Doppelstaatler handelt oder nicht. Aber ich muß nach meiner Unterlage eigentlich davon ausgehen, daß es so ist. Ich werde das klären.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808814300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808814400
Herr Staatsminister, was bedeutet eigentlich der Ausdruck „verschwundene Deutsche"? Bedeutet das, daß die argentinischen Behörden auf Drängen der deutschen Behörden und deutscher Familienangehörigen intensiv nach diesen Personen suchen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das bedeutet natürlich in erster Linie, Herr Kollege Gansel, daß die deutsche Botschaft und andere Institutionen, die sich um diese Personen bemühen, versucht haben, Aufenthalt und Verbleib dieser Menschen in Erfahrung zu bringen. Wir gehen dabei davon aus, daß sich in diesen Fällen auch die argentinische Regierung auf Grund unserer Intervention darum bemüht, die Fälle aufzuklären. Aber ich kann natürlich nicht in jedem einzelnen Fall eine sichere Aussage darüber machen, wie intensiv diese Bemühungen der anderen Seite sind. Ist das eine Antwort auf Ihre Frage?

(Gansel [SPD] : Der Versuch einer Antwort!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808814500
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0808814600
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob einige der Verfahren vor Militärgerichten stattgefunden haben, und ob noch Verfahren vor Militärgerichten in Aussicht stehen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es hat Verfahren wohl auch vor Militärgerichten gegeben. Aber ich kann es Ihnen im Augenblick nicht für den Einzelfall erklären. Hier ist eine Gruppe von Fällen herausgesucht worden, für die nach dem Verbleib der einzelnen gefragt wurde. Darauf habe ich zu antworten versucht. Ich kann natürlich nicht für jeden einzelnen Fall sagen, auf welche Weise das Verfahren stattgefunden hat oder stattfinden wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808814700
Die letzte Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0808814800
Herr Staatsminister, da ich die Bemühungen der deutschen Botschaft in Argentinien nicht in Abrede stellen will und da ich weiter davon ausgehe, daß es sich bei Argentinien um



Frau Simonis
ein halbwegs zivilisiertes Land handelt, frage ich: Darf ich aus Ihrer Antwort an Herrn Gansel schließen, daß sich die argentinische Seite nicht recht bemüht, verschwundene Personen zu finden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, so ohne weiteres kann man das, glaube ich, deswegen nicht beantworten, weil es unzweifelhaft in Argentinien auch ein Verschwinden gibt, das nicht von staatlichen Stellen verursacht worden ist. Dort findet ja, wie Sie wissen, eine Auseinandersetzung auch zwischen Gruppen und nicht nur zwischen bestimmten Gruppen und dem Staat statt. Deswegen ist es nicht in jedem Fall sicher, daß eine verschwundene Person — wie Sie das unterstellen — notwendigerweise auf einem Weg verschwunden ist, den der Staat aufklären kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808814900
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Was hat die Bundesregierung in den vergangenen sechs Monaten unternommen, um die Freilassung dieser Deutschen zu erreichen oder das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, deren Zahl sich nach Angaben von amnesty international mittlerweile auf 15 erhöht hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das Auswärtige Amt und die Botschaft in Buenos Aires haben auch in den letzten sechs Monaten versucht, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären. Wir sind jedem Hinweis nachgegangen. Im Rahmen unserer Möglichkeiten tun wir das Mögliche, um den Inhaftierten und deren Angehörigen zu helfen.
Im übrigen verweise ich an die jüngste gemeinsame Demarche, die die Dänische Präsidentschaft im Auftrag der neun EG-Mitgliedstaaten gegenüber der argentinischen Regierung unternommen hat und in der sie ihre größte Besorgnis über das Schicksal von EG-Staatsangehörigen erklärt hat, die in Argentinien verschwunden sind oder ohne Anklageerhebung inhaftiert bleiben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808815000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hoffacker.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0808815100
Herr Staatsminister, für wie zuverlässig halten Sie die Angaben von amnesty international, und sind diese schon nachgeprüft worden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir gehen auf Grund unserer Erfahrung davon aus, daß amnesty international sich in der Tat bemüht, nicht gewalttätigen politisch Verfolgten in der ganzen Welt zu helfen. Natürlich kann auch amnesty international in dem einen oder dem anderen Fall ein Irrtum unterlaufen. Aber im großen und ganzen müssen wir jedem Hinweis, den amnesty international gibt, nachgehen, weil diese Hinweise nicht nur ernst gemeint, sondern auch ernsthaft begründet sind.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808815200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808815300
Herr Minister, kann ich Ihren Hinweis darauf, daß ein Verschwinden in Argentinien aus verschiedenen Gründen möglich ist, so verstehen, daß Sie nicht die Auffassung des deutschen Beobachters in Argentinien teilen, daß es für die Sicherheit deutscher Touristen ausreichend ist, sich wie ein Gast zu benehmen und ständig den Reisepaß bei sich zu tragen?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808815400
Herr Abgeordneter Gansel, ich muß auch Sie darauf aufmerksam machen, daß diese Frage schon in einer vorherigen Frage enthalten ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.

Klaus Thüsing (SPD):
Rede ID: ID0808815500
Herr Staatsminister, im Zusammenhang mit dieser Frage bitte ich um Auskunft: Ist es der Bundesregierung inzwischen, wie am 23. März angekündigt, gelungen, die näheren Umstände des Todes von Elisabeth Käsemann aufzuklären?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, diese Frage ist noch zu beantworten, ich glaube, unter der Nummer 101. Ich würde vorschlagen, Herr Präsident, daß ich im Zusammenhang mit der Frage 101 auf die Zusatzfrage des Kollegen Thüsing antworte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808815600
Ich rufe die Frage 95 — des Abgeordneten Heyenn — auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung von amnesty international, 500 politischen Gefangenen aus Argentinien Asyl in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit bewiesen, daß sie in der Gewährung politischen Asyls eine humanitäre und politische Verpflichtung sieht. Die Bundesregierung prüft daher den Vorschlag von amnesty international. Entscheidend wird dann allerdings auch die Bereitschaft der Bundesländer und ihre Aufnahmekapazität sein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808815700
Eine Zusatzfrage, bitte.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0808815800
Herr Staatsminister, was plant die Bundesregierung in Anbetracht der Tatsache, daß internationale Proteste auch vereinzelt zur Freilassung von in Argentinien Inhaftierten geführt haben, so z. B. zur Freilassung des Ex-Sozialministers Obeioas auf Regierungsebene in Argentinien zur Unterstützung dieser Forderung von amnesty international zu tun?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben uns ja, ich sagte das eben, z. B. durch die dänische Präsidentschaft der neun EG-Mitgliedstaaten in dieser Weise an die argentinische Regierung gewandt. Die argentinische Regierung weiß, daß



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
die Bundesrepublik Deutschland die Menschenrechte in allen Staaten der Welt zu schützen versucht, und dies gilt selbstverständlich auch für Argentinien.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808815900
Eine Zusatzfrage.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0808816000
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit zu sagen, wie viele in Argentinien lebende Menschen sich um Hilfe an die deutsche Botschaft gewendet haben und wie viele in Argentinien lebende Menschen in der deutschen Botschaft Zuflucht gesucht haben? Und was hat sie zugunsten dieser Menschen getan?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, hierüber Auskunft zu geben. Ich kann die Zahl der Hilfesuchenden hier natürlich nicht nennen. Aber, Herr Präsident, es bleibt mir nichts anderes übrig, als in diesem Zusammenhang immer wieder auf meine Bereitschaft hinzuweisen, dies an anderer Stelle oder auf schriftlichem Wege zu erklären.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808816100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID0808816200
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung der argentinischen Regierung durch ihren Botschafter die Bereitschaft mitteilen lassen, in Argentinien Inhaftierte auf dem Weg des Asyls nach Deutschland zu holen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben dies ja — ich habe das eben erklärt — durch unsere Antwort gegenüber dem Antrag von amnesty international hier deutlich gemacht. Wir betrachten das politische Asyl als eine humanitäre und politische Verpflichtung. Wir sind dabei, den Vorschlag zu prüfen. Es wird darauf ankommen, in welchem Umfang die Aufnahmekapazität der Bundesländer besteht.
Herr Kollege Conradi, Sie wissen, daß wir dies ja nachweislich in vielen Fällen in anderen lateinamerikanischen Staaten und in anderen Staaten der Welt getan haben, und wir werden es selbstverständlich auch hier tun.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808816300
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 96 des Abgeordneten Heyenn auf.
Ist die Bundesregierung bereit, und wenn ja, in welcher Form, die weiteren Forderungen von amnesty international, die im Rahmen einer Kampagne zur Fußballweltmeisterschaft in Argentinien erhoben werden, zu unterstützen, wonach die argentinischen Behörden eine vollständige Liste aller politischen Gefangenen, einschließlich der verschwundenen, veröffentlichen sollen und wonach eine unabhängige internationale Untersuchung aller argentinischen Gefängnisse und-Konzentrationslager stattfinden soll?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hat sich ebenso wie ihre europäischen Partner seit Jahren darum bemüht, daß die Menschenrechte auch in Argentinien respektiert werden. In einer gemeinsamen Demarche haben die
Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft jüngst der argentinischen Regierung ihre größte Besorgnis über das Schicksal von Staatsangehörigen der EG-Mitgliedsländer erklärt, die in Argentinien verschwunden oder ohne Anklageerhebung inhaftiert sind.
Die Bundesregierung wird weiterhin bemüht sein, unter Ausschöpfung der ihr völkerrechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf ein Verhalten anderer Regierungen — und das gilt nicht nur für Argentinien — hinzuwirken, das den international anerkannten Menschenrechten entspricht. Die Bundesregierung würdigt das Engagement und die humanitäre Tätigkeit von amnesty international zugunsten politischer Gefangener in aller Welt. Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, genannten beiden Forderungen haben ohne Zweifel ihr Gewicht. Im Rahmen ihrer offiziellen Politik wird die Bundesregierung sich an den völkerrechtlichen Möglichkeiten und dem erfolgversprechendsten praktischen Vorgehen — wie auch in allen anderen Fällen bisher orientieren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808816400
Zusatzfrage? — Bitte.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0808816500
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung auch auf der Ebene der Vereinten Nationen in dem Sinne tätig werden, wie Sie es eben angesprochen haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich wiederhole, wir müssen versuchen, in jedem einzelnen Fall und bezogen auf jedes einzelne Land den erfolgversprechendsten Weg zu wählen. Ich kann hier im Augenblick keine Zusage machen, welchen Weg wir im einzelnen wählen werden. Aber — wie in der Vergangenheit — werden wir den Weg suchen, der nach unserer Auffassung dafür spricht, daß wir den betroffenen Menschen am ehesten helfen können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808816600
Eine weitere Zusatzfrage.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0808816700
Herr Staatsminister, in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen besteht ja auf Initiative der Bundesrepublik eine Unterrichtungspflicht für alle dort einlaufenden Beschwerden an alle Mitglieder. Hat sich diese Pflicht zur Unterrichtung über alle auflaufenden Fälle auch zugunsten von in Argentinien inhaftierten politischen Gefangenen ausgewirkt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich bedauere, Herr Kollege, ich kann Ihnen das im Augenblick nicht sagen. Ich werde das feststellen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808816800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die' Frage 97 des Herrn Abgeordneten Gansel auf.
Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse darüber, ob die Liste von 7 500 Namen politischer Gefangener, mit der Us-Außenminister Vance im vergangenen November nach Argentinien reiste und über deren Schicksal er Aufklärung forderte, auch die Namen von in Argentinien inhaftierten und verschwundenen Deutschen enthielt?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Gansel, die Antwort lautet: Ja.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808816900
Eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808817000
Herr Staatsminister, welcher Art sind Ihre Erkenntnis?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Gansel, ich weiß jetzt nicht, ob Sie durch eine ebenso kurze Frage meine etwas kurze Antwort beantworten wollen. Ich unterstreiche noch einmal, daß mein Ja bedeutet, daß die Liste von 7 500 Namen, die Sie in Ihrer Frage zitiert haben, auch die Liste von in Argentinien inhaftierten und verschwundenen Deutschen enthielt.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808817100
Wie viele Namen von „Verschwundenen" enthielt diese Liste?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808817200
Einen Augenblick, Herr Staatsminister. — Herr Abgeordneter Gansel, Ihre Frage ist geradezu klassisch und vollinhaltlich beantwortet worden. Darf ich daher bitten, zu Ihrer Frage Ihre Kollegen, die hinter Ihnen stehen, zum Zuge kommen zu lassen?

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808817300
Herr Präsident, sind es klassische Antworten, wenn ja, ja oder nein, nein — außer im biblischen Sinne — geantwortet wird?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808817400
Herr Abgeordneter Gansel, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Wenn also eine Ergänzung überhaupt noch möglich ist, bitte.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808817500
Danke sehr. Herr Staatsminister, wie viele Namen „verschwundener" deutscher Staatsangehöriger standen auf der Liste, die der amerikanische Außenminister in Argentinien überreicht hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Liste umfaßte die uns bekannten Namen verschwundener Deutscher. Eine Ermittlung eventueller weiterer deutscher Staatsangehöriger, insbesondere Doppelstaatler, war nach der reinen Namensliste bisher nicht möglich, weil deutsche Namen auch bei Argentiniern nicht unüblich sind, da es, wie Sie wissen, dort ja eine ganz erhebliche deutsche Einwanderung gegeben hat. Wir waren also bisher nicht in der Lage, aus dieser Liste von 7 500 bzw. 7 300 Namen das, was Sie hier erfragen, voll herauszulesen. Sicher ist, daß die auch von uns gesuchten Namen in dieser Liste enthalten waren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808817600
Keine weiteren Zusatzfragen. — Dann rufe ich die Frage 98 des Herrn Abgeordneten Gansel auf.
Hat sich die Bundesregierung vor dem Besuch des US-Außenminister um dessen Hilfe bei der Freilassung inhaftierter deutscher Staatsbürger und bei der Auffindung der verschwundenen Deutschen in Argentinien bemüht?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung steht mit der amerikanischen Regierung auch in diesen Fragen in einem Informationsaustausch. Die amerikanische Regierung hat die Bundesregierung vor dem Argentinien-Besuch von Außenminister Vance allerdings nicht unterrichtet gehabt, daß eine solche Liste übergeben werden würde. Eine ausdrückliche Bitte an die amerikanische Regierung, sich konkret für Deutsche einzusetzen, wurde deswegen von der Bundesregierung nicht ausgesprochen, zumal auch zahlreiche Staatsangehörige anderer befreundeter Länder in Argentinien inhaftiert oder verschollen sind. Unsere Botschaft in Buenos Aires ist laufend um die betroffenen deutschen Staatsangehörigen bemüht. Wir setzen auch andere Möglichkeiten der Einflußnahme ein, wenn sie sich eröffnen. Wie gesagt, wir versuchen so zu handeln, daß wir im Einzelfall helfen können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808817700
Zusatzfrage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808817800
Hat sich die Bundesregierung beim amerikanischen Außenminister für seinen Einsatz für deutsche Staatsbürger bei den besonderen amerikanisch-argentinischen Beziehungen bedankt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das ist doch selbstverständlich, Herr Kollege.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808817900
Noch eine Zusatzfrage, bitte.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808818000
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung in der Lage sein, in Kürze, möglicherweise schriftlich, darüber Auskunft zu geben, welche Erfolge die Bemühungen des amerikanischen Außenministers über die Bemühungen der Bundesregierung hinaus, das Schicksal verschwundener Deutscher in Argentinien aufzuklären, gehabt haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir werden das versuchen; aber - ich möchte hier feststellen, daß es natürlich niemals leicht ist, am Ende zu beurteilen, welche Intervention, welchen Einsatz ein bestimmtes Ergebnis herbeigeführt hat. Die Bundesregierung hat sich durch die Botschaft hier eingesetzt. Wir sind dankbar, daß sich der amerikanische Außenminister hier noch einmal eingesetzt hat. Wir berichten natürlich immer wieder über die Ergebnisse unserer Bemühungen, die verschwundenen Deutschen aufzufinden und die Freiheit für die inhaftierten wiederzuerlangen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808818100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808818200
Herr Staatsminister, sind die Bemühungen der Bundesregierung beim amerikanischen Außenminister, über die Sie soeben berichteten, für die Bundesregierung ein Vorgang, der Sie veranlassen wird, die Reisen des amerikanischen Außenministers auch in anderen Ländern, wo



Jäger (Wangen)

Deutsche in schwierigen Situationen, verfolgt oder inhaftiert sind, um ähnliche Hilfestellungen zu bemühen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, um es noch einmal präzise zu sagen: Ich hatte zunächst berichtet, daß dies eine amerikanische Initiative war, die vorher nicht mit uns abgesprochen war. Unser Dank gilt dem amerikanischen Außenminister deswegen natürlich in besonderem Maße. Im übrigen unterstützen wir immer diejenigen, die von uns aus in Länder reisen und den Versuch machen, einzelnen Personen oder verfolgten Gruppen zu helfen. Dies ist bekannt, und selbstverständlich werden wir, wenn demnächst eine Reise ansteht, Konsultationen führen und, wenn ein besonderer Fall dazu geeignet erscheint, mit Hilfe des amerikanischen Außenministers gelöst zu werden, auch an diesen herantreten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808818300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 99 des Herrn Abgeordneten Hansen wird schriftlich beantwortet, da er nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den letzten Tagen in Argentinien von ca. 15 000 Verschwundenen 232 von den Polizeibehörden wiederaufgefunden wurden, und hat die Bundesregierung Informationen, ob sich auf der soeben bekanntgegebenen Liste auch deutsche Staatsbürger befinden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Nach Ermittlung unserer Botschaft in Buenos Aires befinden sich auf der am 13. April 1978 publizierten Liste keine deutschen Staatsangehörigen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808818400
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 101 des Herrn Abgeordneten Weisskirchen (Wiesloch) auf:
Ist es der Bundesregierung gelungen, alle Unklarheiten über die Ermordung der deutschen Staatsbürgerin Elisabeth Käsemann am 8. März 1977 in Argentinien auszuräumen, und ist die Bundesregierung bereit, das endgültige Ergebnis ihrer Untersuchungen zu veröffentlichen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es ist der Bundesregierung nicht gelungen, alle Unklarheiten über den Tod von Frau Elisabeth Käsemann am 24. Mai 1977 auszuräumen. Das Auswärtige Amt hat bisher die ihm zugegangenen Informationen an alle, die sich mit der Bundesregierung um Aufklärung des Schicksals von Frau Käsemann bemüht haben, weitergegeben. Es wird dies auch in Zukunft tun. Die Frage einer Veröffentlichung müßte unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob sie der Aufklärung dienlich ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808818500
Eine Zusatzfrage, bitte.

Karsten D. Voigt (SPD):
Rede ID: ID0808818600
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung auf Grund der bisherigen unbefriedigenden Untersuchungsergebnisse in diesem Fall Anlaß, bei der argentinischen Regierung vorstellig zu werden und sich über eine unbefriedigende Erledigung der Auskünfte und des Sachverhalts zu beklagen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat das getan. Es gibt — auch das kann ich hier nicht im einzelnen auflisten — eine Vielzahl von Interventionen durch die Regierung und durch die Botschaft, die zunächst der Rettung von Frau Käsemann und dann der Aufklärung ihres Todes dienen sollten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808818700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0808818800
Herr Staatsminister, gilt Ihre eingangs in einem anderen Zusammenhang gemachte Feststellung, daß die Kooperation mit den argentinischen Behörden besser geworden sei, auch noch angesichts der Tatsache, daß es bei der Aufklärung des Todes von Frau Käsemann immer noch erhebliche Schwierigkeiten gibt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich hatte am Anfang davon gesprochen, daß es in bestimmten Fällen Kooperationen gibt. Aber ich habe nicht bestritten und will nicht bestreiten, daß die Bundesregierung bemüht ist, in allen Einzelfällen, die entweder noch offenstehen oder die, wie hier der Fall von Frau Käsemann, der Aufklärung bedürfen, eine noch bessere Kooperation von Seiten der argentinischen Regierung zu bewirken.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808818900
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0808819000
Herr Staatsminister, ist Ihre zurückhaltende Antwort auf die Frage einer Veröffentlichung darauf zurückzuführen, daß die Kooperation der argentinischen Behörden in dem hier vorliegenden Fall alles andere als gut zu bezeichnen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, wir versuchen, uns in jedem Einzelfall am Ergebnis zu orientieren. Die Bundesregierung hat dies bei humanitären Fragen und bei Fragen der Menschenrechte immer wieder unterstrichen. Dies ist auch der Grund dafür, warum wir nicht pauschal sagen können, ob wir veröffentlichen oder nicht veröffentlichen. Wir müssen vielmehr prüfen, ob wir in einem konkreten Einzelfall durch eine bestimmte Maßnahme eher helfen oder eher schaden würden. Ich glaube, die Bundesregierung muß sich an diesem Prinzip orientieren. Dies gilt nicht nur für Argentinien.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808819100
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID0808819200
Herr Staatsminister, in welcher Form hat die Bundesregierung ihren Protest gegen die mangelnde Kooperationsbereitschaft der argentinischen Behörden bei der Aufklärung des Todes



Conradi
von Frau Käsemann vorgebracht, hat die Bundesregierung beispielsweise erwogen, den Botschafter für längere Zeit zum Bericht zurückzubeordern?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Conradi, der Botschafter hat uns damals in einer Vielzahl von Berichten zur Aufklärung des Falles zur Verfügung gestanden. Der Botschafter hat seinerseits in einer Vielzahl von Vorsprachen bei der argentinischen Regierung versucht, Aufklärung zu erlangen.
Wir haben also auf verschiedenen Ebenen mit der argentinischen Regierung gesprochen und auch deutlich gemacht, welche Erwartungen die Bundesregierung an die argentinische Regierung hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808819300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0808819400
Herr Staatsminister, ist das argentinische Militärregime nicht vorbehaltlos bereit, das Schicksal „verschwundener" deutscher Staatsangehöriger aufzuklären und die Sicherheit deutscher Besucher zu garantieren, obwohl es für Waffenlieferungen Hermes-Bürgschaften der Bundesregierung erhalten hat?

(Hört! Hört! bei der SPD)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß die Bemühungen der Bundesregierung um die Aufklärung der Einzelfälle von der argentinischen Regierung verstanden werden. Ich gehe auch davon aus, daß von seiten einiger Kräfte in der argentinischen Regierung im Einzelfall möglicherweise nicht alles das aufgeklärt wird, was wir gern aufgeklärt hätten. Deswegen gibt es dort Meinungsverschiedenheiten, die wir auch vorgetragen haben. Ich glaube aber, wir sollten darüber hinaus an dieser Stelle keine Zusammenhänge herstellen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808819500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heyenn.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0808819600
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung die Behauptung eines Vorstandsmitgliedes der Organisation amnesty international, daß das Bonner Auswärtige Amt eher in freundschaftlicher Gutgläubigkeit auf die Worte von Militärdiktaturen vertraue, als daß es Verfolgten schnell helfe?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808819700
Die Zusatzfrage steht nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der gestellten Frage.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0808819800
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung jemals erwogen, die Waffenlieferungen von der Aufklärung des Schicksals der verschwundenen Deutschen abhängig zu machen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, jetzt wird hier von Waffenlieferungen gesprochen. Vorher war von Hermes-Krediten die Rede. Ich lege Wert darauf, noch einmal festzustellen, daß die Bundesregierung jeden Weg sucht, der es uns möglich macht, Unrecht und die Verletzung von Menschenrechten zu bekämpfen. Wir versuchen das auf den Wegen zu tun — ich habe das im Zusammenhang der Beantwortung einer dieser Fragen auch gesagt —, die uns zur Verfügung stehen. Wir sollten — das haben wir wiederholt in die verschiedenen Richtungen dieses Hauses gesagt — unsere Möglichkeiten hier nicht überschätzen. Für die Regierung kommt es immer wieder darauf an, daß im Einzelfall das jeweils bestmögliche Ergebnis erzielt wird.
Ich meine, es sollte ein Interesse daran bestehen, daß die Bundesregierung diese Politik im humanitären Bereich aufrechterhält.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808819900
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 102 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Was gedenkt die Bundesregierung unter Berufung auf die gemeinsame deutsch-rumänische Erklärung vom 7. Januar 1978, „daß humanitäre Fragen im Bereich der Familienzusammenführung weiterhin wohlwollend behandelt werden", dafür zu tun, daß den ausreisewilligen Deutschen wenigstens die Formulare zum Stellen eines Antrags auf Ausreise ausgehändigt werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung geht davon aus, daß die wohlwollende Behandlung von Ausreiseanliegen im Bereich der Familienzusammenführung selbstverständlich auch die Möglichkeit zur Antragstellung einschließt. Die Bundesregierung ist bereit, sich auch im Einzelfall für die Überwindung aufgetretener Schwierigkeiten einzusetzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808820000
Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808820100
Herr Staatsminister, wäre es nicht auf Grund der Fülle von Einzelfällen geboten, daß hier eine generelle Klärung, und zwar durch ein Spitzengespräch der Unterzeichner der Bukarester Erklärung vom 7. Januar 1978, herbeigeführt wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir gehen davon aus, daß sich die rumänische Seite voll an die von Ihnen zitierte Erklärung hält. Selbstverständlich -- ich unterstreiche das noch einmal von dieser Stelle aus — gehört zur Durchführung dieser Absichtserklärung auch die Möglichkeit der Antragstellung. Wo immer wir erfahren, daß es darin Schwierigkeiten gibt, wird sich die Bundesregierung bemühen, die Antragstellung zu ermöglichen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808820200
Noch eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808820300
Herr Staatsminister, wenn Sie davon ausgehen, daß die rumänische Seite die gemeinsame Erklärung vom 7. Januar erfüllt: Wie erklären Sie es sich, daß neuerdings sogar eine neue Prozedur, die die Ausreise erschwert, einge-



Dr. Hupka
führt worden ist, indem zuerst Anträge gestellt werden müssen, um überhaupt ein Formular für einen Ausreiseantrag zu erhalten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Hupka, ich gehe davon aus, daß die rumänische Seite für sich entscheiden muß, welche administrativen Verfahren sie wählt, um die Ausreise zu ermöglichen. Aber ich unterstreiche noch einmal: Wir möchten, daß dabei ein möglichst einfaches und überschaubares Verfahren für die Ausreisewilligen besteht. Selbstverständlich können nicht dadurch Schwierigkeiten gemacht werden, daß man keine Antragsformulare erhält. Wie man aber an die Antragsformulare herankommt, müssen wir der rumänischen Regierung überlassen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808820400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer.

Helmut Sauer (CDU):
Rede ID: ID0808820500
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich die Lage der ausreisewilligen Deutschen in Rumänien nach der gemeinsamen Erklärung vom 7. Januar 1978 verbessert hat, oder ist sie der Meinung — ich verweise insbesondere auf die Rede des Staats- und Parteichefs Ceaucescu vor dem Rat der Werktätigen der deutschen und ungarischen Nationalität im März dieses Jahres —, daß sich ihre Lage verschlechtert hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es ist wahrscheinlich zu früh, dies wirklich zu beurteilen. Wenn ich eine erste Zahl nennen soll, so kann ich sagen, daß die Zahl der Ausreisen im März deutlich über den Zahlen von Januar und Februar lag. Aber dies ist als solches keine schlüssige Auskunft über die Entwicklung.
Lassen Sie uns also zu einem späteren Zeitpunkt beurteilen, welche Wirkung diese gemeinsame Erklärung gehabt hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808820600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0808820700
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung nicht mit mir der Meinung, daß es ratsam ist, sofort zu Beginn der Wirksamkeit der deutsch-rumänischen Erklärung — in dieser Zeit sind wir ja — beginnenden Mißverständnissen vorzubeugen und insofern dem Vorschlag des Kollegen Hupka zu folgen, diese Mißverständnisse von vornherein auszuräumen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, sicherlich. Wenn sich in einem Einzelfall ein Problem ergibt, helfen wir. Wenn sich die Einzelfälle häufen und sich ein bestimmtes Verfahren als erschwerend erweist, werden wir auf diese Fälle insgesamt hinweisen.
Die Bundesregierung ist daran interessiert — dessen können Sie doch versichert sein —, die Durchführung der Absichten der gemeinsamen Erklärung zu ermöglichen und zu erleichtern. Wir werden alles tun, um das zu bewirken.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808820800
Ich rufe die Frage 103 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesregierung die Note der UdSSR an das Auswärtige Amt betr. Einbeziehung des Generalkonsulats der UdSSR in Berlin-West in das Verzeichnis der konsularischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland vom 21. März 1975 beantwortet und gegebenenfalls wie?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Verbalnote der Botschaft der UdSSR vom 21. März 1975 betreffend die Aufnahme des Generalkonsulats der UdSSR in das Verzeichnis der konsularischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) wurde nicht beantwortet.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808820900
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0808821000
Herr Staatsminister, kann man aber dann angesichts der Note des Auswärtigen Amts vom 16. Januar 1975 und der darin festgestellten und von den Alliierten gebilligten Mitarbeit der Bundesrepublik Deutschland bei der Akkreditierung des sowjetischen Generalkonsuls in Berlin (West) davon ausgehen, daß die Aufnahme des Generalkonsuls in das amtliche Verzeichnis der konsularischen Vertretungen im vollen Einklang mit den Bestimmungen des Viermächteabkommens über die Bindungen des Landes Berlin an die Bundesrepublik Deutschland erfolgte?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, davon gehe ich aus.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808821100
Noch eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0808821200
Bedeutet das auch, daß in neuen amtlichen Verzeichnissen konsularischer Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) bezüglich des sowjetischen Generalkonsulats ebenso verfahren wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich hatte soeben gesagt, daß ich von einer bestimmten Rechtslage ausgehe, nämlich von der, wie wir sie verstehen. Ich gehe weiter davon aus, daß man in der Zukunft so verfährt, wie man in der Vergangenheit verfahren ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808821300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 104 des Herrn Abgeordneten Czaja auf:
Hat der politische Menschenrechtsakt der Vereinten Nationen (Weltpakt für bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966) in ganz Berlin volle rechtliche Wirkung?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die DDR hat bei Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunde am 8. November 1973 eine entsprechende Erklärung für Berlin (Ost) nicht abgegeben. Die DDR sieht allerdings alle von ihr geschlossenen Verträge auch als für Berlin (Ost) gültig und rechtsverbindlich an.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808821400
Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0808821500
Ist die Ratifikationsurkunde, die die Bundesrepublik Deutschland mit Bezug auf das Land Berlin bei den Vereinten Nationen hinterlegt hat, in vollem Wortlaut rechtswirksam, und haben einseitige Verwahrungen der UdSSR und der DDR, wonach der Menschenrechtspakt in Berlin (West) rechtswidrig und unzulässig sei, keinen Einfluß auf die Verbindlichkeit des politischen Menschenrechtspaktes in ganz Berlin?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde für die Bundesrepublik Deutschland am 17. Dezember 1973 erklärt, daß der Pakt von dem Tage an, an dem er für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft treten wird, auch für Berlin (West) gilt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808821600
Zusatzfrage.
Dr. Czaja CDU/CSU) :: Herr Staatsminister, es ist also der politische Menschenrechtspakt auf dem Gebiete des Landes Berlin in allen seinen Bestimmungn rechtswirksam, z. B. auch bezüglich gesetzlicher, eindeutig festgelegter überprüfbarer Einschränkungen von Freiheitsregeln aus Gründen der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, wir haben über die mittelbare Rechtswirkung des hier zur Diskussion stehenden Paktes in diesem Hause schon mehrfach gesprochen. Ich habe auch schon mehrfach auf die Grenzen hingewiesen, die hier gezogen sind.
Im übrigen wiederhole ich meine Antwort, daß die Erklärung der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde deutlich gemacht hat, daß der Pakt, soweit er für die Bundesrepublik Deutschland gilt, auch für Berlin (West) gilt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808821700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0808821800
Herr Staatsminister, hat dieser Weltpakt für Menschenrechte im Land Berlin die gleiche Geltungskraft wie die 1950 unterzeichnete Europäische Menschenrechtskonvention?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, soweit sich ratifizierte Verträge auf Berlin (West) erstrecken, haben sie dort die — entsprechend dem Status von Berlin — ihnen zustehende Rechtswirksamkeit.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808821900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808822000
Herr Staatsminister, hat eine der vier für Berlin zuständigen Mächte bei
Inkrafttreten oder vor dem Inkrafttreten dieses Paktes, was Berlin oder eines seiner beiden Teile betrifft, einen Vorbehalt angemeldet?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte am liebsten wiederholen, was ich gesagt habe, nämlich unterstreichen, daß die Bundesregierung bei Hinterlegung erklärt hat, daß der Pakt, wenn er für die Bundesrepublik Deutschland gelten wird, auch für Berlin (West) gelten wird. Dies scheint mir der entscheidende Tatbestand zu sein.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Das ist keine Antwort auf meine Frage!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808822100
Ich rufe die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann (München) auf:
Wurde und gegebenenfalls wann mit der Tschechoslowakei eine gemeinsame Grenzkommission gebildet, und welche Aufgaben hat diese?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Mit der Tschechoslowakei wurde keine gemeinsame Grenzkommission gebildet. Es haben Gespräche mit der Regierung der CSSR stattgefunden, die nach Auffassung der Bundesregierung zur Ernennung von Grenzbevollmächtigten führen sollen. Deren Aufgaben würden sich aus dem ihnen jeweils erteilten Mandat ergeben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808822200
Zusatzfrage.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0808822300
Herr Staatsminister, ist nicht geplant, so etwas ähnliches wie eine Grenzkommission aus diesen Bevollmächtigten und den zugehörigen Beamten zu bilden? Warum wird diese gebildet, und wer hat die Initiative dazu ergriffen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es ist das beabsichtigt, was ich dargestellt habe, nämlich die Ernennung von Grenzbevollmächtigten; diese hätten dann die Aufgaben, die Sie offenbar einer Kommission zuschreiben möchten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808822400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808822500
Herr Staatsminister, Sie haben eben von möglichen Mandaten für derartige Grenzbevollmächtigte gesprochen. Können Sie dem Hohen Hause sagen, welche Vorstellungen die Bundesrepublik Deutschland oder die Tschechoslowakei von Mandaten für derartige Grenzbevollmächtigte hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das kann ich erst dann tun, wenn die nächste Phase erreicht sein wird, wenn wir nämlich imstande sein werden, festzustellen, inwieweit das von uns eingeschlagene und von mir hier beschriebene Verfahren erfolgreich sein wird.

(Dr. Hupka [CDU/CSU] : Ein Arbeitsloser mehr!)





Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808822600
Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0808822700
Herr Staatsminister, hat die Tschechoslowakei hinsichtlich der Kompetenz dieser Bevollmächtigten konkrete Wünsche geäußert?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Aber selbst wenn das der Fall wäre, möchte ich hier unterstreichen, daß wir zunächst warten wollen, bis diese Phase, dieser Abschnitt abgeschlossen ist. Dann werden wir im einzelnen über die Aufgaben und das Mandat zu reden haben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808822800
Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Eickmeyer auf. Die Frage wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die sowjetische Politik gegenüber der Dritten und Vierten Welt insbesondere im südlichen Afrika und am Horn von Afrika Krisen verschärft und den internationalen Frieden gefährdet, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung verfolgt die Politik der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in Afrika mit Besorgnis. Sie gibt der Hoffnung Ausdruck, daß die Staaten des Warschauer Paktes die Bemühungen um friedliche Konfliktlösung auch in Afrika unterstützen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808822900
Zusatzfrage, Herr Dr. Kunz.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0808823000
Herr Staatsminister, welche afrikanischen Staaten und Organisationen erhalten gleichzeitig sowjetische Militärhilfe und von der Bundesrepublik finanzielle oder wirtschaftliche Hilfe?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihnen auf diese Frage im Augenblick keine abschließende Antwort geben.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Dann können Sie sie ja schriftlich geben!)

Aber im Prinzip ist sicherlich festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland Wert darauf legen muß, Beziehungen zu afrikanischen Staaten nicht dadurch unterbrechen zu lassen, daß diese auch zu anderen Staaten in der Welt, die nicht zum Bereich des sogenannten Westens gehören, Beziehungen aufnehmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808823100
Noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Kunz.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0808823200
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, mir eine komplette schriftliche Aufstellung der von meiner Frage angesprochenen Länder und Organisationen zu geben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ja, Herr Kollege, das bin ich sicherlich. Ich möchte nur noch einmal das unterstreichen, was ich zum Hintergrund Ihrer Frage gesagt habe und möchte das eigentlich für den wesentlichen Teil der Antwort erklären.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808823300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Todenhöfer.

Dr. Jürgen Todenhöfer (CDU):
Rede ID: ID0808823400
Herr Staatsminister, Sie sprachen von Ihrer Besorgnis über die Politik der Sowjetunion in der Dritten Welt. Ich möchte nachfragen: Mit welchen Mitteln will die Bundesregierung der sowjetischen Expansionspolitik in Afrika konkret entgegentreten, und- wird Bundeskanzler Schmidt dieses Herrn Breschnew bei seinem Deutschlandbesuch mit aller Deutlichkeit sagen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Todenhöfer, das wichtigste Mittel, das die Bundesrepublik hier in der Hand hat, ist die Stärkung der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten und auch die Stärkung derjenigen in Afrika, die noch um ihre Unabhängigkeit ringen. Aber für uns muß es darauf ankommen, niemandem einen Anlaß zu geben, sich in Dinge einzumischen, die zwischen Afrikanern auf friedliche Weise gelöst werden könnten. Die Bundesregierung wird auf diese ihre Politik, die Unabhängigkeit in Afrika zu stärken, allen Gesprächspartnern gegenüber immer wieder hinweisen; selbstverständlich so auch in den Gesprächen, die mit Generalsekretär Breschnew in Bonn geführt werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808823500
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0808823600
Herr Staatsminister, beurteilt die Bundesregierung die sowjetische Intervention in Afrika in genau der gleichen Weise wie die französischen Interventionen etwa in der Westsahara oder im Tschad?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin Erler, wir sind der Auffassung, daß es darauf ankommt, die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten zu stärken und, wie ich dem Kollegen Todenhöfer eben gesagt habe, nicht Anlässe zu geben für eine Intervention dritter Staaten, also nichtafrikanischer Staaten, z. B. indem man die Entwicklung zur Selbständigkeit nicht ausreichend fördert.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808823700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808823800
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage, die Sie eben über die Besorgnis der Bundesregierung gemacht haben, angesichts der Tatsache, daß der sowjetische Partei- und Staatschef Breschnew vorgestern vor dem Komsomol erklärt hat, alles, was über die Afrikapolitik der Sowjetunion im Westen gesagt werde, seien üble Verleumdungen?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie oder Ihre Kollegen haben darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit eines Gespräches über die hier offenbar unterschiedlichen Auffassungen in den allernächsten Tagen gegeben sein wird. Es ist ganz sicher, daß der Bundeskanzler und die Vertreter der Bundesregierung, die diese Gespräche führen werden, diese unsere Besorgnis erläutern werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808823900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger (Lahnstein).

Markus Berger (CDU):
Rede ID: ID0808824000
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Aktivitäten der Sowjetunion bzw. ihrer Steilvertreter in der Dritten und Vierten Welt, insbesondere am Horn von Afrika, auch die Sicherheit Europas und damit die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betreffen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: In einer so verflochtenen Welt, wie wir sie heute haben, ist die Sicherheit jedes Landes immer dann gefährdet, wenn es in Teilen dieser Welt Unsicherheiten gibt. Deswegen ist natürlich auch die Entwicklung am Horn von Afrika für Europa von erheblicher sicherheitspolitischer Bedeutung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808824100
Für eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808824200
Herr Staatsminister, Sie haben vorhin gesagt, man sollte keine Anlässe bieten, daß die Selbständigkeit der afrikanischen Staaten gefährdet wird. Welchen Anlaß hat Äthiopien dafür gegeben, daß Kuba und die Sowjetunion interveniert haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, wenn ich das richtig verstanden habe, hat unter anderem Präsident Carter im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen Somalia und Äthiopien darauf hingewiesen, daß die ersten Schritte der kriegerischen Auseinandersetzung nicht von Äthiopien gemacht worden sind. Selbstverständlich kommt es darauf an, daß man in einer solchen Auseinandersetzung dafür Sorge trägt, soweit man Einfluß hierauf nehmen kann, daß die Sicherheit der Grenzen in Afrika, die ja dort auf Grund ihres künstlichen Ursprungs eine besondere Rolle spielen, nicht in Frage gestellt wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808824300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 110 und 111 sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe auf die Frage 112 des Abgeordneten Dr. Hoffacker:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Politik der Sowjetunion im Hinblick auf deren Maßnahmen am Horn von Afrika und im Hinblick auf ihre Zusammenarbeit mit Kuba in Afrika nach Art und Umfang geeignet ist, konstruktive Beiträge zur Entwicklung dieser Länder in Afrika zu erbringen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Probleme Afrikas durch die afrikanischen Staaten gelöst werden müssen. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Intervention der Sowjetunion durch Waffenlieferungen und andere militärische Unterstützung am Horn von Afrika eine solche Entwicklung erschwert. Nur eine Rücknahme dieser Unterstützungen kann zu einer friedlichen Lösung der regionalen Probleme durch die betroffenen Staaten selbst führen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808824400
Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0808824500
Herr Staatsminister, was wird die Bundesregierung tun, um die guten Beziehungen zu Somalia weiter zu fördern — Mogadischu ist ja nicht vergessen —, und was wird die Bundesregierung tun, um Somalia vor einem Zugriff durch die Sowjetunion zu schützen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, was die Bundesregierung hier tun kann, ist in erster Linie der politische Hinweis darauf, daß es in Afrika um die Respektierung bestehender Grenzen geht, und zwar jeweils auf beiden Seiten. Die Bundesregierung hat das im Rahmen der europäischen politischen Zusammenarbeit getan. Sie hat gemeinsam mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft auf beide Parteien am Horn von Afrika Einfluß zu nehmen versucht, und sie tut dies durch vielerlei Aktivitäten. Uns ist, selbstverständlich nicht nur wegen der Ereignisse in Mogadischu, an der Integrität, an der Unverletztheit Somalias gelegen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808824600
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0808824700
Herr Staatsminister, sieht die Bundesregierung in den Bemühungen der Sowjetunion um eine Föderation von Somalia und Äthiopien nicht den ersten Schritt für einen solchen Zugriff durch die Sowjetunion?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich könnte mir vorstellen, daß Sie hier gewisse Nachrichten mißverstanden haben. Es gibt am Horn von Afrika eine Überschneidung von Stämmen, der Bevölkerung auf der einen Seite und bestehenden Grenzen auf der anderen Seite. Dies ist in den verschiedenen umstrittenen Regionen des Horns von Afrika von besonderer Bedeutung und war und ist auch der Anlaß für die Auseinandersetzung. Es wird darauf ankommen, Wege zu finden, bei Aufrechterhaltung bestehender Grenzen den jeweils in den anderen Staaten lebenden Angehörigen anderer Sprachkreise, also dem, was man Minderheiten nennt, zu einer Sicherheit und Eigenständigkeit im Rahmen der bestehenden Staatsordnung zu verhelfen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808824800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0808824900
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung die Auffassung, die auch vom



Dr. Hüsch
früheren amerikanischen Außenminister Kissinger zum Ausdruck gebracht worden war, daß das Horn von Afrika genau der Platz ist, an dem man die Sowjetunion zur eindeutigen Wahl zwischen Entspannung und Frieden auf der einen Seite und Expansion auf der anderen Seite veranlassen sollte?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich glaube, Herr Kollege, man kann sich nicht in dieser Weise auf ein bestimmtes Zitat reduzieren lassen. Wir würden ja dann fast eine Einladung aussprechen, als ob an anderer Stelle dies weniger bedeutsam sei. Für die Bundesrepublik Deutschland kommt es darauf an, Entspannung in allen Teilen der Welt voranzutreiben, in Europa, in Afrika, und dies durch Selbstbestimmung und durch die Stärkung der Selbstbestimmung zu ermöglichen. Ich möchte mich hier nicht auf ein bestimmtes Zitat eingrenzen und reduzieren lassen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808825000
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0808825100
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß, solange sich die Bundesrepublik nicht selber als imperialistischen Staat versteht, es nicht ihre Aufgabe ist, für irgendeinen anderen souveränen Staat Schutzmacht zu spielen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, das ist sicherlich richtig. Auf der anderen Seite sind wir natürlich daran interessiert, daß keine kriegerischen Auseinandersetzungen in anderen Teilen der Welt stattfinden. Soweit wir darauf Einfluß nehmen können, werden wir versuchen, dies auf friedlichem Wege und im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu tun.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808825200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger (Lahnstein).

Markus Berger (CDU):
Rede ID: ID0808825300
Herr Staatsminister, würde die Bundesregierung die Stärkung der Selbständigkeit der afrikanischen Staaten am Horn von Afrika als imperialistisch bezeichnen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Aber selbstverständlich nicht, und ich bin sicher, auch die Kollegin Erler nicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808825400
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 113 des Abgeordneten Petersen auf:
Welche politischen Interventionen in internationalen Institutionen — z. B. in der UNO — beabsichtigt die Bundesregierung, um eine nachhaltige Ablehnung des kommunistischen Interventionismus in der Dritten Welt herbeizuführen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung wird weiterhin in allen internationalen Institutionen eine Politik verfolgen, die einmal durch demokratische Selbstbestimmung der Länder der Dritten Welt die Voraussetzungen für Interventionen dritter Mächte beseitigt und die zum anderen durch politische und wirtschaftliche Unterstützung der Länder der Dritten Welt dafür Sorge trägt, daß diese Selbständigkeit dann auch bewahrt werden kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808825500
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 114 des Abgeordneten Dr. Hennig auf:
In welchem Verhältnis steht nach Ansicht der Bundesregierung die Tatsache, daß es zur Zeit wesentlich leichter ist, nach Peking, Kapstadt oder Santiago de Chile zu reisen als nach Königsberg oder anderen Orten im nördlichen Ostpreußen, zu den eindeutigen Absichtserklärungen der KSZE-Schlußakte von Helsinki?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, mir würde daran liegen, die Fragen 114 und 115 zusammen zu beantworten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808825600
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 115 des Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit über die Erleichterung von Reisemöglichkeiten ins nördliche Ostpreußen zu sprechen und nachdrücklich zu fragen, warum hier die Sowjetunion so eklatant hinter dem zurückbleibt, was die polnische Regierung für das südliche Ostpreußen schon lange zugesteht, und auf diese Weise zumindest touristische Besuche im ganzen Ostpreußen zu ermöglichen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung beteuert die Tatsache, daß es nicht möglich ist, das nördliche Ostpreußen zu besuchen. Die Botschaft in Moskau hat sich schon wiederholt im sowjetischen Außenministerium dafür eingesetzt, daß Besuchsreisen auch in das nördliche Ostpreußen möglich werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808825700
Zusatzfrage? — Bitte.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0808825800
Herr Staatsminister, ist Ihnen ein anderes vergleichbares Land in der ganzen Welt bekannt, in das einzureisen so schwierig, um nicht zu sagen, unmöglich ist?

(Zuruf von der SPD: Albanien!)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es gibt in jedem Land Regionen, in die zu reisen schwer ist. Hier im Westen, bei uns, spielt es faktisch keine Rolle. In anderen Ländern gilt dies in stärkerem Umfange. Ich kann einen solchen Vergleich nicht ziehen und daher Ihrer Zusatzfrage so nicht zustimmen, weil mir dieser Vergleich nicht möglich erscheint.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808825900
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0808826000
Sind nach Meinung der Bundesregierung hierfür militärische Gründe in der Gänze des Gebietes maßgebend oder möglicherweise eine Unsicherheit der Sowjetunion?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann das nicht beantworten. Es gibt, wie gesagt, Sperrgebiete in einer Vielzahl von Ländern. Ich kann nur unterstreichen: Die Bundesregierung bemüht sich, die Einreise ins nördliche Ostpreußen zu ermöglichen.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808826100
Weitere Zusatzfrage.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0808826200
Muß nicht die Bundesregierung nach Ihrer Antwort, die Sie mir gegeben haben, dieses für ein wichtiges Thema halten, das sie mit Herrn Breschnew bei seinem bevorstehenden Besuch in Bonn besprechen wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, daß wir das für ein wichtiges Thema halten, ergibt sich ja daraus, daß wir in dieser Frage versucht haben, im Außenministerium in Moskau vorstellig zu werden. Ob der anstehende Besuch Gelegenheit geben wird, darüber zu sprechen, kann ich im Augenblick nicht sagen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808826300
Noch eine Zusatzfrage.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0808826400
Darf ich Sie danach fragen, ob sich die Bundesregierung prinzipiell für berechtigt hält, dieses Thema mit Herrn Breschnew zu besprechen, oder ob sie das gar für eine Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Landes halten würde?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihre Frage insofern nicht verstehen, als ich eben gerade gesagt habe, daß wir sogar auf diplomatischem Wege bereits versucht haben, in dieser Frage unser Interesse deutlich werden zu lassen. Es steht also nicht zur Diskussion, daß wir das als eine Einmischung betrachten würden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808826500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808826600
Herr Staatsminister, Sie haben von diplomatischen Kontakten gesprochen, darum die Frage: Welche Antwort und welche Gründe hat die Sowjetunion mitgeteilt, warum es nicht möglich sein kann, als Besucher in den Norden Ostpreußens zu reisen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Soweit uns bekanntgeworden ist, sind im nördlichen Ostpreußen zahlreiche Gebiete zu sogenannten Sperrgebieten erklärt worden. Die Beschränkungen für Reisen in diese Gebiete gelten auch für Vertreter ausländischer Botschaften und, soweit uns bekanntgeworden ist, selbst für Sowjetbürger. Darüber hinaus kann ich Ihnen hier im Augenblick keine Auskunft geben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808826700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808826800
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß das nördliche Ostpreußen nicht aus dem Bereich ausgeklammert werden kann, für den die Vereinbarungen der Schlußakte von Helsinki und die dort vereinbarte Verbesserung des Reiseverkehrs gelten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das ist sicher richtig, aber ich unterstreiche noch einmal, daß auch die Schlußakte davon ausgeht, daß es Reisebeschränkungen für gewisse Gebiete gibt. Dies ist, wie gesagt, in den meisten Ländern der Welt in dem einen oder anderen Fall üblich. Insofern wird man sich hier nur begrenzt auf die Schlußakte selbst beziehen können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808826900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0808827000
Herr Staatsminister, Sie hatten vorhin berichtet, daß die Bundesregierung diplomatische Bemühungen um die Eröffnung der Möglichkeit von Besuchsreisen bei der sowjetischen Seite unternommen habe. Wurden in Beantwortung dieser Bemühungen von sowjetischer Seite überhaupt keine Argumente in die Antwort einbezogen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, ich hatte eben gesagt, soweit uns auch aus diesen Gesprächen bekanntgeworden ist, sind im nördlichen Ostpreußen zahlreiche Gebiete zu Sperrgebieten erklärt worden. Ich habe hinzugefügt, daß diese Beschränkung der Reisen für die Vertreter ausländischer Botschaften und sogar für Sowjetbürger gilt. Das sind die Argumente, von denen wir hier auszugehen haben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808827100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808827200
Herr Staatsminister, da schon keine Reisen in den Norden Ostpreußens möglich sind, besitzt die Bundesregierung wenigstens Informationen, wie es um die Statten in Königsberg bestellt ist, die mit dem Namen Immanuel Kant verbunden werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, es gab immer wieder Berichte, und diese Berichte, die zum Teil auch veröffentlicht worden sind, sind natürlich auch der Bundesregierung bekannt. Mir ist im Augenblick nicht geläufig, ob darüber hinaus Berichte vorliegen, die der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich waren. Wenn Sie an solchen Berichten interessiert sein sollten und es derartige Berichte gibt und ich sie Ihnen zugänglich machen kann und darf, will ich das gern tun.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808827300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID0808827400
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob Herr Ministerpräsident Goppel anläßlich der Ausstellung des Freistaates Bayern in Moskau die hier behandelten Fragen angeschnitten hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das ist mir nicht bekannt.

(Zurufe von der SPD: Schade!)





Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808827500
Herr Abgeordneter, dies war genau eine der Dreiecksfragen, von denen ich eingangs der Fragestunde gesagt habe, daß es sie bei uns nicht mehr geben sollte. — Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Wir haben in der Fragestunde noch fünf Minuten. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe Frage 30 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Wettbewerbsverzerrungen auf dem süddeutschen Stahlmarkt, die durch Niedrigpreispolitik ausländischer Hersteller und durch Nichteinhaltung der EG-Mindestpreisregelung entstanden sind, zu beseitigen, um damit zu verhindern, daß weitere Arbeitsplätze in der süddeutschen Stahlindustrie verlorengehen?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0808827600
Herr Kollege, die Bundesregierung verfolgt mit wachsender Sorge, daß eine Reihe von Stahlunternehmen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die von der EG-Kommission festgesetzten Mindestpreise für Beton- und Stabstahl insbesondere auf dem süddeutschen Markt unterbieten und sich so gegenüber den deutschen Unternehmen, die die Vorschriften der EG-Kommission respektieren, beträchtliche Wettbewerbsvorteile verschaffen.
Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft wiederholt darauf hingewiesen, daß eine derartige Praxis, die zu Lasten unserer Unternehmen geht, nicht hingenommen werden kann und daß das Verhalten der illoyalen Unternehmen die Wirksamkeit der gesamten Krisenmaßnahmen in Frage stellt. Sie hat die Kommission mehrfach dringend aufgefordert, ihre obligatorischen Preisregelungen gegenüber allen Unternehmen der Gemeinschaft im Wege der Verhängung von Geldbußen durchzusetzen, damit nicht die loyalen Unternehmen auf Grund dieser Bestimmungen schwer geschädigt werden. Erst vor wenigen Tagen ist die Bundesregierung erneut an die Kommission herangetreten.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat wiederholt wirksame Maßnahmen zugesagt. Es laufen auch Bemühungen auf der Ebene der Stahlindustrie, um die Schwierigkeiten zu mildern. Die Bundesregierung wird mit Nachdruck weiter tätig bleiben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808827700
Eine Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0808827800
Herr Staatssekretär, wenn der Bundesregierung bekannt ist, daß die einschneidenden Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der süddeutschen Stahlindustrie andauern, möchte ich Sie fragen: Gibt es dagegen nationale Schritte, und ist die Bundesregierung willens, solche Schritte zu tun, um zu verhindern, daß in der Stahlindustrie im süddeutschen Raum noch mehr Arbeitsplätze gefährdet werden?

(Reuschenbach [SPD] : Aber man darf doch keine sektorale Wirtschaftspolitik betreiben!)

Grüner, Parl. Staatssekretär: Es gibt keine Rechtsgrundlagen für nationale Maßnahmen der Bundesregierung; diese Rechtsgrundlagen stehen vielmehr lediglich der Kommission zur Verfügung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808827900
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.
Dr. Jobst (CDU/CSU) Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung der Tatsachen bewußt, daß durch die Krise der Stahlindustrie im süddeutschen Raum und durch die erfolgte Umstrukturierung im Unternehmen Max-Hütte bereits einige tausend Arbeitsplätze verlorengegangen sind, daß der Verlust weiterer Arbeitsplätze droht, daß Arbeitsplätze in diesem Raum dadurch verlorengehen werden, daß das vorhandene Braunkohlevorkommen ausläuft, und daß in der Bevölkerung große Sorgen um die Arbeitsplätze vorhanden sind, und was will die Bundesregierung hier tun?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung kennt die außerordentlich schwierige Lage der Stahlunternehmen, wie sie in Ihrer Frage ja auch geschildert wurde, und ich kann nur noch einmal betonen, daß wir alles in unserer Macht Stehende tun, um die Kommission zu veranlassen, die von ihr ergriffenen Maßnahmen auch mit Sanktionen durchzusetzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808828000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.

Erich Wolfram (SPD):
Rede ID: ID0808828100
Herr Staatssekretär, da es sich in erster Linie um Stahllieferungen aus einem EG-Mitgliedsland handelt, frage ich Sie, ob Sie auch schon bilaterale Gespräche mit dem Lieferland mit dem Ziel geführt haben, derartige wettbewerbsverzerrende Stahlexporte zu unterbinden.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist geschehen, sowohl auf der Ebene der Regierungen als auch auf der Ebene der Unternehmen.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Danke!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808828200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0808828300
Herr Staatssekretär, haben Sie in Ihre bisherigen Bemühungen auch die Tatsache einbezogen, daß aus Drittländern wie etwa Jugoslawien, aber auch aus dem EG-Land Italien insbesondere auf dem Gebiet der Profilstähle Stahlsorten, die bis zu 50 % billiger sind, als sie in Deutschland hergestellt werden können, im süddeutschen Raum angeboten werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist bekannt, und diese Tatsache war ja auch der Grund für die Maßnahmen, die die Kommission getroffen hat, wobei man sich allerdings bewußt auf die besonders gefährdeten Produktionsbereiche beschränkt hat.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808828400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID0808828500
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß die Anfragen der Opposition auf eine Verstärkung der sektoralen Strukturpolitik auf nationaler und internationaler Ebene gerichtet sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe diese Anfragen so verstanden und auch so beantwortet, daß einmal getroffene Maßnahmen tatsächlich auch mit Sanktionen durchgesetzt werden sollten; sonst wirken sie kontraproduktiv und erreichen das Gegenteil von dem, was sie eigentlich erreichen sollten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808828600
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 59 und 60 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die übrigen wegen Zeitablaufs nicht aufgerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind am Ende der Fragestunde.
Wir fahren in der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 6 — sektorale Strukturpolitik — fort.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Biedenkopf.

Dr. Kurt H. Biedenkopf (CDU):
Rede ID: ID0808828700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Gegenstand der Großen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur sektoralen Strukturpolitik war nicht nur eine Klärung der konkreten Position, die die Bundesregierung zu Einzelfragen einnimmt, sondern vor allen Dingen auch eine Klärung der Trennungslinie, die nach Auffassung der Bundesregierung zu ziehen ist und auch nach unserer Auffassung gezogen werden muß zwischen der globalen Wirtschaftssteuerung, der globalen Wirtschaftspolitik und der sektoralen Intervention.
Es geht uns bei der politischen Auseinandersetzung über diese Frage vor allem um drei Dinge: einmal, die Möglichkeiten sektoraler Beeinflussung der Wirtschaftsentwicklung durch die staatliche Politik zu ermitteln und vor allen Dingen deren Grenzen zu beschreiben; zum zweiten, die Zusammenhänge zwischen der Diskussion über die Instrumente der sektoralen Strukturanalyse und Strukturpolitik einerseits und der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung einer solchen Politik andererseits herzustellen; und zum dritten, die Tragfähigkeit der Erklärungen und Äußerungen zu analysieren, die die Bundesregierung zu diesem Thema abgegeben hat.
Ich möchte mit dem dritten Punkt beginnen. Der Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff hat in seiner Rede eine ganze Reihe von Aussagen zu den Grenzen sektoraler Strukturanalyse und sektoraler Strukturpolitik gemacht, die unsere Zustimmung finden können. Diese Aussagen, die zum Teil substantiell und konkret waren, sind wesentlich über das hinausgegangen,

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

was in der schriftlichen Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage enthalten war.

(Zuruf des Abg. Kittelmann [CDU/CSU])

Die Kritik, die der Herr Kollege Barzel an der schriftlichen Antwort der Bundesregierung geübt hat, wäre zweifellos anders ausgefallen, wenn der wesentliche Inhalt dessen, was der Bundeswirtschaftsminister dem Hohen Hause vorgetragen hat, bereits in der schriftlichen Antwort enthalten gewesen wäre.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich möchte mir jetzt eine Einzelanalyse der Frage ersparen, warum diese Differenz entstanden ist. Ich möchte aber auf einen Punkt eingehen, den der Bundeswirtschaftsminister an den Anfang seiner Ausführungen gestellt hat, weil er mir nicht nur für diese Frage, sondern auch für andere wichtige politische Fragen, die wir in diesem Hohen Hause diskutieren, entscheidend zu sein scheint. Das ist das Verständnis des Bundeswirtschaftsministers vom Zusammenhang bzw. Nichtzusammenhang zwischen der von der Bundesregierung formulierten Politik und den von Parteitagen beschlossenen Programmen.
Der Bundeswirtschaftsminister hat in Abwehr der von Herrn Kollegen Barzel vorgetragenen Argumente zu den Beschlüssen insbesondere des SPD-Parteitags festgestellt, ein Wettstreit über Parteiprogramme sei hier nicht angezeigt; hier sei über die Politik der Bundesregierung zu sprechen.
Ich stimme dieser Auffassung zu, bin aber im Unterschied zum Herrn Bundeswirtschaftsminister der Meinung, daß für die Politik der Bundesregierung die Beschlüsse der Parteitage nicht ohne Bedeutung sein können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich orientiere mich dabei an dem Parteiverständnis, das z. B. in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem von der Opposition angestrengten Verfahren wegen der nach unserer — vom Bundesverfassungsgericht dann bestätigten — Auffassung über die verfassungswidrige Verwendung von Steuermitteln für Parteipropaganda enthalten ist. Dort hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt, es sei die Aufgabe der politischen Parteien, politische Auffassungen zu formulieren, mehrheitsfähig zu machen und die Funktionen zu übernehmen, die mit der Auswahl und politischen Unterstützung von Mandatsträgern und Koalitionen verbunden sind. Es ist für mich überhaupt kein Zweifel, daß sich der politische Bewegungsspielraum dieser Bundesregierung — wie jeder Bundesregierung — natürlich auch an den von Parteitagen formulierten politischen Zielen orientieren muß.
Es mag richtig sein, daß die Bundesregierung nicht die Absicht hat, den von Herrn Kollegen Barzel zitierten Beschluß des SPD-Parteitages vom November des vergangenen Jahres — so wie er beschlossen worden ist — in die politische Praxis umzusetzen. Das ist aber auch gar nicht behauptet worden. Vielmehr ist festgestellt worden — und diese Feststellung möchte ich wiederholen —, daß solche Partei-



Dr. Biedenkopf
tagsbeschlüsse der Bundesregierung auch ein anderes — nämlich diesen Beschlüssen widersprechendes — politisches Handeln unmöglich machen. Die Folge des Vorliegens solcher Parteitagsbeschlüsse, insbesondere wenn die Parteitagsbeschlüsse der beiden Koalitionsfraktionen in unüberbrückbarem Gegensatz zueinander stehen, ist die, daß die Bundesregierung durch die Person des Bundeswirtschaftsministers marktwirtschaftliche Politik zwar verbal vertreten, aber in der Praxis nicht verwirklichen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese nicht nur von uns, sondern von vielen beklagte Stagnation des politischen Handelns ist nach meiner Überzeugung und der Überzeugung meiner politischen Freunde eben auf diesen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen den wirtschaftspolitischen Beschlüsse des SPD-Parteitages und den kurz zuvor in Kiel- verabschiedeten wirtschaftspolitischen Thesen der FDP zurückzuführen. Während der SPD-Parteitag unter Mitwirkung des Bundeskanzlers und anderer führender Sozialdemokraten, die Kabinettsämter innehaben, sich auf einen Weg in die dirigistische Interventionssteuerung und damit die Ablösung unternehmerischer Initiative und der Kräfte des Marktes durch bürokratische Gruppenparität und Bevormundung begeben hat, hat die FDP in Kiel eine marktwirtschaftliche Politik zu dem Gegenstand, den wir hier behandeln, beschlossen, die zahlreiche Berührungspunkte mit den wirtschafts- und ordnungspolitischen Vorstellungen der Union aufweist.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Aber gerade dieser Umstand macht es der Regierung unmöglich, in wesentlichen Fragen politische Entscheidungen zu treffen, die in die Zukunft weisen und über ein tagesbezogenes Krisenmanagement hinausreichen. Die SPD-Parteitagsbeschlüsse zeigen insbesondere, daß die Sozialdemokratische Partei einschließlich ihres Bundesvorstandes und damit ihrer Führung der Meinung ist, die Globalsteuerung sei unzureichend und müsse durch ein umfangreiches Instrumentarium, ein Instrumentarium sowohl des Staates als auch nichtstaatlicher Gruppen, ersetzt werden.
Ich möchte aus diesem Programm zur näheren Erläuterung der Gefahren, die wir sehen, und zur gleichzeitigen Analyse der Politik, die dort vorgeschlagen wird, nur wenige Punkte herausgreifen. Der erste Punkt ist der der sogenannten Transparenz der Investitions- und Unternehmensentscheidungen. Eine, wie es heißt, „vorausschauende Strukturpolitik für Vollbeschäftigung und humanes Wachstum" soll — ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten — „zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung weitere Strategien sozialdemokratischer Beschäftigungspolitik verfolgen", nämlich unter anderem eine Arbeitsmarktpolitik, insbesondere Arbeitszeitpolitik und verteilungspolitische Maßnahmen, die innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer den unteren Lohngruppen zugute kommen soll.
Diese Zielvorgabe, insbesondere die Zielvorgabe einer Arbeitszeitpolitik und einer vorausschauenden Strukturpolitik ist ohne Intervention in die unternehmerische Entscheidungskompetenz und in die Kompetenz der Tarifparteien überhaupt nicht zu verwirklichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn insbesondere eine Arbeitszeitpolitik, die von der Bundesregierung ausgehen soll — die Tarifparteien sind hier mit keinem Wort erwähnt, auch in der Folge nicht —, läßt sich nur verwirklichen, wenn die Bundesregierung, d. h. wenn die Gesetzgebung die Arbeitszeitregelungen vorschreibt. In der Tat sind auch die konkreten Vorschläge, die an späterer Stelle çles Programmes gemacht werden, solche gesetzgeberischer Art. Die Transparenz, mit der nun diese Politik ermöglicht werden soll, bedeutet im Ergebnis — ich habe schon aus früherem Anlaß auf diesem Zusammenhang hingewiesen — eine völlige Aufdeckung der Einzelentscheidungen der Unternehmen, und zwar mit dem Ziel ihrer Beeinflussung. Das heißt, die Unternehmensentscheidungen werden nicht nach den vollzogenen Entscheidungen transparent gemacht, sondern vor dem Vollzug der Entscheidungen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Forderung nach einer solchen sektoralen Strukturpolitik und die ebenfalls verfolgte Vorstellung von der Autonomie der Unternehmen, auf der ja die Mitbestimmung der Betriebsräte und der Arbeitnehmervertreter ebenso beruht, wie die Selbständigkeit der Unternehmensentscheidungen miteinander unvereinbar sind. Man kann nicht auf der einen Seite Mitbestimmung der Arbeitnehmer fordern und auf der anderen Seite den Arbeitnehmern eben die Mitbestimmung, die sie im Betrieb kraft der Autonomie der Unternehmen haben, durch eine staatliche Interventionspolitik wieder nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

— Herr Kollege, wenn Sie es nicht verstehen, dann bin ich dafür nicht verantwortlich. Ich hatte nicht das Vergnügen, Sie zum Studenten zu haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Der zweite Punkt, auf den es mir hier ankommt, ist die in dem SPD-Beschluß enthaltene Feststellung, daß man nicht Steuervergünstigungen wünsche, sondern offene Subventionen. Hier kehrt die in vielen Äußerungen der Politik der Koalitionsfraktionen enthaltene Vorstellung wieder, ein Abbau der Überlastung der Betriebe mit Steuern sei eine Begünstigung, die Wiederherstellung eines normalen Zustandes also eine sozial ungerechte Wohltat zugunsten der Unternehmer, auf die man politisch verzichten müsse. Statt dessen wird empfohlen, die Unternehmen von offenen Subventionen abhängig zu machen. Wer mehr Selbständigkeit, mehr Selbstbestimmung haben will, der muß daran interessiert sein, daß die Unternehmen über den Einsatz ihrer Mittel selbst entscheiden und daß nicht der Staat darüber entscheidet, wie diese Mittel im praktischen Fall eingesetzt werden sollen. Die einzige Möglichkeit, den Entscheidungsspielraum der Unternehmen und damit den Entscheidungsspielraum der Märkte zu erweitern, ist eine Entlastung der Unternehmen mit der Folge, daß sie selbst über die Investition der so bereitgestellten Mittel verfügen, und



Dr. Biedenkopf
nicht eine Politik, die eine neue Bürokratie aufbaut und dann das den Unternehmen in Form von Subventionen wieder zuteilt, was sie ihnen vorher in Form von Übersteuerungen abgenommen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der dritte und für mich zentrale Beschlußgegenstand, der nach meiner Auffassung auch einer der Hauptursachen für den Stillstand der Politik der Bundesregierung in diesem Bereich ist, ist die von der SPD geforderte Einrichtung weiterer Mitbestimmungsgremien im Bereich der sektoralen Politik. Der Beschluß des Sozialdemokratischen Parteitages fordert die Einrichtung von Strukturräten der öffentlichen Hand und einen Strukturrat der sozialen Gruppen. Bei dem zweiten Punkt ist entscheidend, daß dieser Strukturrat der sozialen Gruppen Ausschüsse für Sektoren bilden soll, eine branchenspezifische Ausschußgliederung, was im Ergebnis auf sektorale Strukturräte hinausläuft. Die Einrichtung solcher sektoraler Strukturräte bedeutet im Ergebnis — daran besteht jedenfalls unter Sachkundigen kein Zweifel —, daß die Beratungen und Beschlußfassungen in diesen sektoralen Strukturräten die Investitionspolitik und die Kreditpolitik der betroffenen Unternehmen gestalten und bestimmen. Daß hier der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer paritätisch mitbestimmen sollen, aber weder von Kunden noch Abnehmern noch Zulieferern noch Vertretern der Öffentlichkeit oder der Allgemeinheit auch nur gesprochen wird, zeigt, daß man im Ergebnis die Wirtschaftspolitik auf sektoraler Ebene einem paritätischen Kartell der beiden direkt beteiligten Gruppen anvertrauen will — eine Situation, die mit Sicherheit dazu führt, daß die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, des Kartellrechts, des Wettbewerbsgedankens und damit des machtverteilenden Prinzips des Wettbewerbs in auf diese Weise organisierten Bereichen versagen muß, und deshalb an die Stelle freier Märkte reglementierte Märkte durch die die direkt Beteiligten treten. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, daß nur deshalb, weil man die direkt Beteiligten mit solchen Aufträgen versieht, die demokratische Verfassung oder die Freiheitlichkeit der Märkte gesichert sei; denn alle die Interessen, die sich im Markt letztlich verwirklichen sollen, insbesondere die Interessen der breiten Bevölkerung, soweit sie nicht unmittelbar beteiligt sind, sind in einem solchen System nicht mehr vertreten. Es ist also im Ergebnis nicht demokratischer, sondern weniger demokratisch als der offene Markt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Entscheidend ist schließlich nach meiner Auffassung in dem Beschluß des sozialdemokratischen Parteitages, daß die Verbindung zwischen den Fragen der sektoralen und der allgemeinen Strukturpolitik und den Konsequenzen der Tarifpolitik überhaupt nicht angesprochen wird. Die Philosophie, die diesen Beschlüssen zugrunde liegt, will den Staat verpflichten, die Fehlentwicklungen, die sich möglicherweise aus Fehlentscheidungen der Tarifparteien ergeben, mit öffentlichen Mitteln zu korrigieren. Die Folge einer solchen Politik ist: die Interventionen und Korrekturen wachsen, der Umfang der Fehler wächst, die Tarifparteien handeln weiter unabhängig von den staatlichen politischen Zielvorstellungen, was zu einem immer größeren Durcheinander des Entscheidungsprozesses führt, mit der Folge weiterer struktureller Fehlentwicklungen und Verwerfungen, die dann weitere staatliche Interventionen begründen.
Auch in der Antwort der Bundesregierung — um zur Antwort der Bundesregierung zurückzukehren — vermisse ich, daß die Äußerungen zur sektoralen Strukturanalyse und Strukturpolitik nicht ausführlich auf den Zusammenhang zwischen den strukturellen Entwicklungen und der Tarifpolitik eingehen. Dies gilt im übrigen auch für den Jahreswirtschaftsbericht 1978, den die Bundesregierung bei der Beantwortung der Großen Anfrage in erheblichem Umfang herangezogen hat. Dort werden zwar Ausführungen über die Verantwortung der Tarifparteien gemacht, aber der enge Zusammenhang zwischen den Schwierigkeiten, in die eine zunehmende Zahl von Betrieben gerade in regional schwächeren Gebieten oder in gefährdeten Sektoren der Wirtschaft gerät, und der Tarifpolitik wird auch im Jahreswirtschaftsbericht 1978 nicht hergestellt.

(Zuruf von der SPD: Ihr Lieblingsthema!)

— Es ist nicht ein Lieblingsthema von mir, sondern eines der Themen, verehrter Herr Kollege, die uns insbesondere dann allen auf den Nägeln brennen sollten, wenn man sieht, wie gegen die Vernunft, gegen den Sachverstand aller Sachverständigen in diesem Lande tarifpolitische Forderungen gegen Betriebe durchgesetzt werden, die dann einen wesentlichen Teil ihrer Arbeitnehmer nicht mehr bezahlen können, so daß daraus eine Arbeitslosigkeit erwächst, die die Gewerkschaften bekämpfen wollen, indem sie z. B. am 1. Mai die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit fordern.

(Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD] : Angesichts der Wechselkursentwicklung ist es ein starkes Stück, das den Gewerkschaften zuzumuten!)

— Daß Sie den Zusammenhang zwischen Lohn- und Gehaltspolitik auf der einen Seite und Beschäftigungspolitik auf der anderen Seite ablehnen müssen, Herr Kollege Roth,

(Roth [SPD] : Diese Gewerkschaftsfeindlichkeit vier Tage vor dem 1. Mai!)

ergibt sich aus dem ganz einfachen Umstand, daß Sie völlig außerstande wären, die kritische Distanz zu den Gewerkschaften zu wahren, die es Ihnen erlauben würde, objektive Urteile zu fällen. Das ist doch ganz unmöglich.

(Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD] : Das ist sehr interessant! Ihre Rede werden wir auf dem DGB-Kongreß verteilen! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wer finanziert Ihr Institut?)

— Das finanzieren eine große Zahl von Leuten, die der Auffassung sind, daß es dringend notwendig ist, einmal wieder etwas objektivere Meinungen in diesem Land zu hören.

(Roth [SPD] : Gewerkschaftsgelder! — Weitere Zurufe von der SPD)




Dr. Biedenkopf
— Wenn ich nur ein Viertel der Mittel zur Verfügung hätte, die die Gewerkschaften Ihnen zur Verfügung stellen, wäre ich wahrscheinlich einer der reichsten Institutsleiter in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Steger [SPD] : Das war noch nicht einmal ein Kalauer! — Roth [SPD] : Ein Kapitalauer!)

— Vielleicht haben Sie die Güte, mich jetzt einmal weiterreden zu lassen. Andernfalls muß ich annehmen, daß Sie die Wahrheit nicht ertragen können.

(Dr. Steger [SPD] : Der Herr Professor beliebt zu scherzen!)

Diese Zusammenhänge zwischen Arbeitsmarktpolitik, Einkommenspolitik und Strukturpolitik sind gestern von dem auch vom Bundeswirtschaftsminister zitierten Professor Stützel auf einem Symposium der Ludwig-Erhard-Stiftung wieder eindrücklich dargestellt worden. Es ist sehr interessant — und ich begrüße das —, daß der Bundeswirtschaftsminister in seiner Rede auch auf den Umstand hingewiesen hat, daß Herr Professor Stützel maßgeblich an der Formulierung der „Kieler Thesen" der FDP beteiligt war. Aber gerade dieser Zusammenhang zwischen dem Einfluß von Professor Stützel auf die FDP-Thesen auf der einen Seite und den Beschlüssen des sozialdemokratischen Parteitages auf der anderen Seite macht deutlich, warum die Bundesregierung diesem politischen Zusammenhang zwischen sektoralen Strukturschwierigkeiten und der Einkommenspolitik nicht wirksam nachgehen kann: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die Sozialdemokratische Partei verhindern mit ihrem Einfluß auf die Bundesregierung jede wirkliche Auseinandersetzung mit diesem Zusammenhang.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Die Folge ist, daß die allgemeine Strukturpolitik und die sektorale Strukturpolitik sowie in wachsendem Maße öffentliche Subventionen eingesetzt und in Anspruch genommen werden müssen, um die Fehlentwicklungen zu korrigieren, die sich aus einer falschen Einkommens- und Sozialpolitik ergeben.

(Zuruf des Abg. Dr. Steger [SPD])

Ich stimme der Auffassung von Professor Stützel und insofern auch den Auffassungen, die in den Thesen der FDP niedergelegt sind, zu. Ich teile die Auffassung, daß es notwendig ist, bei der Beurteilung der strukturellen Entwicklung wichtiger Industriezweige den engen Zusammenhang zwischen der Lohn- und Einkommenspolitik mit der Leistungsfähigkeit der betreffenen Wirtschaft zu beachten.
Wenn insbesondere die kleinen und mittleren Betriebe nicht von den wachsenden Kosten entlastet werden, die sich aus der Verlagerung sozialer Risiken vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber ergeben, wenn wir nicht für die kleinen und mittleren Betriebe die Möglichkeit schaffen, die sozialen Lasten, die aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit nicht von den Arbeitnehmern getragen werden können, auf größere Einheiten zu übertragen, dann ist der Zeitpunkt vorauszusehen, zu dem eine immer größere Zahl von kleinen und mittleren Betrieben der Überlastung durch Lohnkosten, Sozialkosten und Steuern nicht mehr gewachsen ist.
Das Angebot, diese Überlastung im Rahmen der sektoralen Strukturpolitik durch staatliche Subventionen auszugleichen, ist gleichbedeutend mit einem Angebot der langfristigen Vergesellschaftung eben dieser Industrien; denn in dem Maße, in dem der Staat aus arbeitsmarktpolitischen Gründen gezwungen wird, sich durch Subventionen an der Erhaltung von Arbeitsplätzen zu beteiligen, muß auch sein Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungen wachsen, die in diesen Betrieben getroffen werden.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Es kann keine dauerhafte Finanzierung wirtschaftschaftlicher Unternehmen mit staatlichen Mitteln geben, ohne daß die staatliche Verwaltung, die staatliche Bürokratie, auch die Verwendung dieser Mittel kontrolliert und beeinflußt.
Nach sozialdemokratischen Zielvorstellungen, so wie sie in den Parteitagsbeschlüssen zum Ausdruck kommen, wird dieses Ergebnis zumindest in Kauf genommen, wenn nicht angestrebt. Die Bundesregierung ist umgekehrt der Auffassung, daß solche Subventionen und eine derartige Strukturpolitik nicht erwünscht sind — wenn ich der Antwort auf die Große Anfrage und dem folge, was der Bundeswirtschaftsminister dazu gesagt hat. Wir begrüßen diese Antwort.
Folgerichtig müssen wir dann jedoch feststellen: Dauerhafte Subventionen, also Subventionen, deren Zweck über das Auffangen von Strukturveränderungen und damit über das hinausgehen, was von der Regierung der Großen Koalition 1968 als strukturpolitische Aufgabe des Staates festgestellt wurde, können nur vermieden werden, wenn die Lebensfähigkeit der Unternehmen auf andere Weise, nämlich durch eine sinnvolle Begrenzung der Belastungen, d. h. durch eine sinnvolle Steuerpolitik und sinnvolle Einkommenspolitik, sichergestellt wird. In dem Vortrag von Herrn Stützel ist der zutreffende Satz enthalten — ich wiederhole ihn, weil ich ihn selbst schon öfter ausgesprochen habe, auch als eigene Meinung —, daß es abwegig ist, vom einzelnen Unternehmer eine Sozialpflichtigkeit seines Handelns zu verlangen, aber eben eine solche Sozialpflichtigkeit bei den beiden Tarifparteien zu bestreiten.
Die Durchsetzung der Sozialpflichtigkeit der Tarifparteien bedeutet zu einem ganz wesentlichen Teil die politische Verwirklichung staatlicher Zielvorstellungen im Sinne der Vorgabe wirtschaftspolitischer Daten, die den Zweck haben, die Beseitigung von Arbeitsplätzen durch die Überlastung von Unternehmen mit Kosten, die sie nicht erwirtschaften können, zu verhindern. Wenn man die sektorale Strukturpolitik schon, wie die Sozialdemokraten das tun, unter die Überschrift „Recht auf Arbeit" stellt, dann muß man sich die Frage stellen lassen, wie die Leistungsfähigkeit der Unternehmen im Markt wirklich gesichert werden muß, um das Recht auf Arbeit zu verwirklichen.
Wir sind so der Meinung, daß eine sektorale Strukturanalyse sinnvoll sein kann, soweit sie uns



Dr. Biedenkopf
Auskunft gibt über die strukturellen und wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, auf denen Entwicklungen in einzelnen Sektoren der Wirtschaft beruhen. Wir sind der Meinung, daß alle Maßnahmen, die darüber hinausgehen, den Staat in einem Umfang in Einzelentscheidungen der Unternehmen einbezieht, dem er niemals gerecht werden kann.
Damit möchte ich zum Schluß ein generelles Bedenken gegen sektorale Strukturpolitik anmelden. Im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung wird auf Seite 18 unter Ziffer 39 auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich daraus ergeben, die unterschiedlichen Entscheidungsebenen im staatlichen und gesellschaftlichen Bereich wirkungsvoll miteinander zu koordinieren. Es heißt dort — ich darf zitieren —:
Auf Grund der föderativen Struktur und der kommunalen Selbständigkeit sind der Abstimmung der öffentlichen Haushalte enge Grenzen gezogen. Dies gilt auch für die Finanzplanungen. Insbesondere die Koordinierung der großen Zahl gemeindlicher Haushalte ist äußerst schwierig.
Wenn diese ohnehin schwierige Koordination¡ jetzt durch die Entwicklung weiterer Gremien, weiterer Zuständigkeiten und weiterer Bürokratien weiter erschwert werden soll, so ist der Zeitpunkt ab- zusehen, zu dem die Entscheidungsgeschwindigkeit dieser Koordinationsprozesse weit hinter der Entwicklungsgeschwindigkeit der Märkte zurückbleibt.

(Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

Wenn vom „Investitionsstau" die Rede ist, wird von der Bundesregierung vielfach auf die Gerichte und die schwierigen administrativen Prozesse verwiesen. Diesen administrativen Verfahren sind die Unternehmen ausgesetzt, nachdem sie ihre Investitionspläne entwickelt und die Investitionsdurchführung beschlossen haben. Wenn jetzt im Vorfeld dieser Entscheidungen weitere bürokratische Hindernisse aufgebaut werden, wenn weitere „Transparenz" in Form umfangreichen Abfragens statistischer Unterlagen, Fragebögen und anderes eingeführt wird, ist ein weiteres Anwachsen des von der Bundesregierung beklagten Investitionsstaus unvermeidlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können einer sektoralen Strukturpolitik deshalb dann nicht zustimmen, wenn sie über die reine Analyse der Zusammenhänge hinausgeht und wenn sie den Anspruch erhebt — ich stimme hier dem zu, was Herr Kollege Barzel gesagt hat , klüger zu sein als der Markt. Jede solche Entwicklung wird auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen. Dort, wo staatliche Eingriffe aus übergeordneten politischen Gründen notwendig sind, müssen sie in ihrer Wirkung begrenzt und vor allem zeitlich befristet sein. Sie dürfen nicht zu einem Instrument der dauerhaften Beteiligung des Staates an unternehmerischer Verantwortung werden, weil diese dauerhafte Beteiligung des Staates letztlich zur Vergesellschaftung dieser Bereiche und damit zu einer Zerstörung von Verantwortung und Zuständigkeit führt.
Der Bundeswirtschaftsminister hat zum Schluß seiner Rede die Verbürokratisierungstendenzen beklagt, die vom europäischen Markt ausgehen. Ich möchte dazu ein Wort sagen. Auch das Parlament, auch meine Fraktion ist zunehmend beunruhigt durch die wachsende Zahl von Vorschriften, die dieses Parlament durchlaufen und innerdeutsches Recht werden, ohne daß eine ausreichende Zahl von Parlamentariern sich je wirklich ernsthaft mit diesen Vorschriften hätte befassen können. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir von den Bürgern Gesetzesgehorsam nicht gegenüber einer wachsenden Flut von Vorschriften verlangen können, über deren Sinn, Inhalt und Zweck Mitglieder dieses Hauses keine Auskunft mehr geben können, weil diese Gesetze im administrativen Durchlaufverfahren beschlossen werden.
Dies ist ein generelles Problem, das über die hier diskutierte Materie weit hinausreicht, das aber zu einem wesentlichen Teil zur Stagnation unserer Wirtschaft beiträgt. Selbst kleine und kleinste Betriebe sind auf immer unsinnigere Weise von Harmonisierungsbestrebungen der europäischen Bürokratie betroffen und müssen die so erlassenen Vorschriften als Teil ihrer unternehmerischen Tätigkeit umsetzen, ohne daß sie sich darauf verlassen können, daß der gesunde Menschenverstand und die Sachkenntnis des nationalen Parlaments Unsinn von Notwendigem geschieden haben.
Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß uns diese wachsende Flut der Vorschriften politisch zugerechnet wird und daß sich weder die Bundesregierung noch dieses Hohe Haus von der Mitverantwortung für diese Flut unter Hinweis auf europäische Verpflichtungen freisprechen kann. Mir scheint es notwendig zu sein — das halte ich für eine Aufgabe, die uns alle betrifft —, daß wir dieser Entwicklung Einhalt gebieten und daß wir insbesondere erneut prüfen, was unter Harmonisierungsgesichtspunkten nun wirklich vereinheitlicht werden muß und wo die Vielfalt der Entwicklung eher ein Vorteil für die Lebendigkeit unseres Marktes ist als ein Nachteil.
Wir sind der Meinung, daß die Wirtschaftspolitik große Anstrengungen machen muß, die Hemmnisse abzubauen, die sich wirtschaftlichen Entscheidungen — der privaten Haushalte ebenso wie der Unternehmer — in den letzten Jahren zunehmend entgegenstellen. Dieser Abbau der Hemmnisse, über den wir uns im Prinzip ja offenbar einig sind, wenn ich die Erklärungen der Bundesregierung zugrunde lege, ist eine Aufgabe, hinsichtlich der die Bundesregierung — das kann und muß die Opposition erwarten — eine Führungsrolle übernehmen muß. Dafür hat sie das politische Mandat, dafür hat sie die politische Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Barzel [CDU/CSU] : Und den Apparat!)

Deshalb wünschen wir uns, und deshalb erwarten wir, daß die Bundesregierung jetzt unverzüglich konkrete Vorschläge macht, wie sie denn die Gasrechnungen vereinfachen will, die der Bundeskanzler nicht mehr lesen kann, wie sie die Vorschriften vereinfachen will, die jetzt die Investitionen stop-



Dr. Biedenkopf
pen, und wie sie das Gestrüppp lichten will, in dem die Initiative der Wirtschaft erstickt, von deren Leistungsfähigkeit wir alle abhängen.

(Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Stücklen: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha! Jetzt kommen wir zur Sache!)


Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID0808828800
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zur Gasrechnung nur eine Bemerkung: Ich bin sicher, daß wir genug Bedienstete in der Bundesverwaltung hätten, die einen Gesetzentwurf betreffend diese Problematik machen könnten. Ich bin auch sicher, daß wir als Koalition dieses Gesetz durch den Bundestag bringen würden.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist ja auch eine Leistung, das ist eine bedeutende Leistung!)

Ich bin auch sicher, daß Sie versuchen würden, es über das Bundesverfassungsgericht zu Fall zu bringen.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Also, so machen Sie einmal weiter! — Kittelmann [CDU/CSU] : Wenn Ihre Rede so bleibt, können wir ja gehen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Im übrigen gehört zur Durchsichtigkeit von parlamentarischen Prozessen und von Willensbildungsprozessen, Herr Dr. Biedenkopf, auch, daß die politische Willensbildung in diesem Lande nicht auf die Ebene des Vermittlungsausschusses zwischen Bundesrat und Bundestag,

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ah, so!)

nicht auf die Ebene des Bundesverfassungsgerichtes rutscht.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ist der Vermittlungsausschuß außerhalb der Verfassungsordnung, Herr Abgeordneter? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Gerade für mich als jungen Abgeordneten will ich sagen: Ich werde Sie in Ihrem Kampf — es ist mein Kampf — gegen eine Überbürokratisierung auf europäischer Ebene unterstützen. Und ich hoffe, daß Sie uns durch ein vernünftiges Verhalten von Opposition bei der Abwendung dieser anderen Gefahr, von der ich gesprochen habe, unterstützen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Professor Biedenkopf, Sie haben das Recht in Anspruch genommen — das kann ich Ihnen nicht nehmen, das kann Ihnen niemand nehmen —, direkt auf die Regierung zu antworten. Sie haben das Recht in Anspruch genommen, weil es so parlamentarischer Brauch ist. Wir halten uns daran.
Ich fand es wenig erfreulich, daß Sie es nicht zustande gekriegt haben, daß Sie nicht den nötigen Großmut gehabt haben, zu warten, bis jedenfalls ein Redner der von Dr. Barzel bereits oft angesprochenen sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Gelegenheit gehabt hat, hier Stellung zu nehmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Biedenkopf)

— Sie brauchen hier nicht auf die Regierungsbank zu weisen. Sie hätten selbst die ausreichende Größe haben müssen. Sie haben sie nicht gehabt. Ich stelle das nur fest.
Die Große Anfrage von Abgeordneten der CDU/ CSU zur sektoralen Strukturpolitik gibt uns also Anlaß, strukturelle Fragen von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik zu diskutieren. Das ist das Positive an dieser Sache, aber — wie ich meine — das einzig Positive an dieser Anfrage bzw. an den bisherigen Reden der Opposition. Denn das Mißtrauen, die ordnungspolitische Beckmesserei und die Unsicherheit gegen jede Art von Strukturpolitik wird sowohl in der Anfrage der CDU/CSU-Fraktion wie jetzt in den Reden von Dr. Barzel und Professor Biedenkopf deutlich. Ich halte das angesichts unserer wirtschaftlichen Probleme für verhängnisvoll.
Es war für mich nicht überraschend, daß von den wirklichen Problemen eben dieser Wirtschaft, von Arbeitslosigkeit, von Krisenerscheinungen in verschiedenen Sektoren, in den Beiträgen der beiden Redner der Opposition kaum die Rede war.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Sie haben nicht zugehört!)

Aus der Anfrage wird erkennbar, daß sich die CDU/CSU in ideologische Scheinwelten der reinen Lehre von Marktwirtschaft flüchtet,

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

während Arbeitnehmer und Arbeitgeber angesichts der Strukturwandlungen — ob sie nun beschleunigt sind oder nicht; das ist nicht die Frage; sie sind in einigen Bereichen krisenhaft — Antworten auf diese Krisenerscheinungen verlangen.
Was sollen denn Beschwörungsformeln aus der ordoliberalistischen Vorzeit, Herr Dr. Barzel, wenn große Teile der deutschen Stahlindustrie in einem der härtesten Überlebenskämpfe stehen, die sie bisher gehabt haben? Davon muß bei der sektoralen Strukturpolitik die Rede sein. Und ich bin der Bundesregierung dankbar, daß sie an diesem Mittwoch Entscheidungen getroffen hat.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie können doch nicht einerseits durch Herrn Ministerpräsidenten Röder und seinen Wirtschaftsminister hier sektorale Strukturhilfen für die Stahlindustrie an der Saar abholen und anschließend so tun, als seien Sie gegen das Ganze.

(Beifall bei der SPD)

Sonst ist das reine Subventionsstrategie. Wir lehnen reine Subventionsstrategien ab. Wir fordern gerade in diesem Bereich sektorale Überlegungen.
Sie können doch nicht, wenn die Maschinenbauindustrie der Bundesrepublik Deutschland — und dabei vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen — in einem internationalen Konkurrenzkampf steht, dessen Ausgang vor allem auf die spä-



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tere deutsche Marktstruktur ungewiß erscheint, in dieser Weise über sektorale Strukturpolitik reden. Sie können es nicht tun, wenn wichtige Industriebranchen — beispielsweise die chemische Industrie und die Elektroindustrie —, obgleich sie in den letzten Jahren insgesamt ein relativ gutes Wachstum gehabt haben, durch ein schnelleres Tempo des Wachstums der Arbeitsproduktivität ständig weniger Arbeitsplätze bieten. Sie können es nicht tun, wenn in Dienstleistungs- und Verwaltungsbereichen, die früher immer mehr Arbeitsplätze anboten, Rationalisierungsprozesse eingesetzt haben, die heute unter dem Strich Verluste von Arbeitsplätzen bedeuten.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Nach meiner Auffassung bewegen Sie sich, meine Damen und Herren von der Opposition, auf einer Ebene, die mit unserer Wirklichkeit, mit unseren Aufgaben, die uns als Politiker gestellt sind — genauso wie den Unternehmern und den Gewerkschaften —, fast nichts zu tun hat. Sie tun so, als gebe es den Markt, die Marktwirtschaft im Staats- oder gesellschaftsfreien Raum. Sie sind sich nicht einmal im klaren darüber — so scheint es mir jedenfalls; bei Professor Biedenkopf klang mir das an —, daß auch der Markt, wenn er funktioniert — und wir sind für funktionierende Märkte —, Ergebnis staatlicher Leistung ist. Es ist ja kein Zufall, daß Sie in Ihrer ganzen Regierungszeit es nicht zustande gebracht haben, ein wirksames Kartellgesetz zu machen,

(Beifall bei der SPD)

und daß wir in dieser Legislaturperiode mit der FDP gemeinsam eine weitere Stärkung der Effizienz des des Marktes in dieser Bundesrepublik Deutschland durchsetzen werden. Hier werden wir dann sehen, wo die Interessenpolitik steht, die bisher in diesen Fragen bei Ihnen jeweils durchgeschlagen hat.
Die Entscheidung, wo und in welchem Umfang der Markt die Wirtschaft regelt und in welchem Umfang andere gesellschaftliche, nicht notwendigerweise staatliche Steuerungselemente durchgreifen müssen, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage und kann nie eine Heilsfrage sein, schon gar keine religiöse Frage wie bei Herrn Professor Biedenkopf. Gerade weil Sie jedoch die Marktwirtschaft im Jenseitigen ansiedeln, haben Sie zu der prakschen Frage, in welchem Umfang staatliche und gesellschaftliche Strukturpolitik notwendig ist, niemals einen nüchternen Zugang gefunden, so auch heute nicht. Bei der Opposition hat Strukturpolitik noch immer den Charakter des Anrüchigen, ja des Obszönen. Strukturpolitik ist für Sie immer nur Ausnahme und findet insoweit keine Ordnung. Damit marschieren Sie nach meiner Auffassung ganz konsequent an der Wirklichkeit vorbei. Nichtanerkennung der Realitäten ist das alte Leiden der konservativen Politik. Dieses Leiden hat auch hier ansteckend gewirkt.
Dasselbe gilt übrigens auch für Ihre Dauerpolemik gegen Investitionslenkung. Dabei hat die öffentliche Hand seit sehr langer Zeit unmittelbaren Zugang und mittelbaren Zugang zur Strukturgestaltung und natürlich zur Investitionsbeeinflussung. Gibt es nicht vielfältige Finanzhilfen als Investitionszuschüsse? Wollen Sie die investitionsbeeinflussende Förderung von Bergbau, Luftfahrt, Schiffahrt oder Landwirtschaft einstellen? Was soll Ihr Wehklagen eigentlich über zu vorausschauende Strukturpolitik angesichts der notwendigen Förderung von Forschung und Entwicklung in Schwerpunktbereichen auf der einen Seite und bei kleinen und mittleren Unternehmen auf der anderen Seite?

(Beifall bei der SPD)

Natürlich wird hier vorausschauend Strukturpolitik gemacht, und es werden ohne Zweifel auf diesen Gebieten Investitionen gelenkt. Allerdings werden keine Investitionen oder Innovationen kommandiert, weder durch Funktionäre noch durch Strukturräte, wie Sie behaupten. Wer in der Strukturpolitik vor Keuschheit die Realität verdrängt, wind von der Realität eingeholt. Das Ergebnis sind Einzeleingriffe ohne Konzeption und ohne Systematik.
Wir kennen diese Art von Eingriffen aus den 50er und 60er Jahren, ja, wir kennen sie aus den letzten Tagen. Ein Beispiel aus der Sitzung des Wirtschaftsausschusses gestern nachmittag. Da lag ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion vor, man wolle die Solartechnik besonders fördern. Das ist ja wohl Investitionslenkung, oder irre ich mich? Es wurde verlangt erstens eine Solarprämie, speziell eine neue Subvention, zweitens ein neues Töpfchen im ERP-Sonderprogramm, im ERP-Wirtschaftsplangese.tz 1978, und drittens — das hat immer noch nicht ausgereicht — verlangte man zusätzlich Verstärkung von Markteinführungs-Subventionen für die Solartechnik vom Bundeswirtschaftsminister. Das war ein Beispiel von unüberlegten Einzelaktivitäten. Herr Lenzer, Ihr technologischer Experte, durfte mal in Investitionslenkung machen, und es war etwas mühsam, Ihre Gruppe im Wirtschaftsausschuß von diesem Wege abzubringen.
Oder schauen wir das Energiesparprogramm und die Diskussion darüber an. Die SPD hat zusammen mit dem Koalitionspartner ein klares Konzept einer Zuschußregelung vorgesehen. Dann kam die Landesregierung Niedersachsen, und ihr zu Hilfe Herr Filbinger, und sagte: Nein, das reicht nicht aus. Wir machen das ganz anders. Jetzt soll die Steuerpolitik in den Vordergrund rücken, nämlich Abschreibungsmöglichkeiten. Anschließend haben Landesregierungen Ihrer Provenienz noch zusätzliche Landessubventionen für diesen Zweck vorgesehen.
Das Ergebnis wird sein, daß wir nicht einen klaren, eindeutigen Förderungsweg haben. Nein, wir werden erstens Zuschüsse haben, wir werden zweitens im Steuerrecht Veränderungen haben, und drittens machen auch noch die Länder ein mit dem Bund nicht abgestimmtes Programm. Und jetzt, Herr Professor Biedenkopf, erinnern Sie sich an Ihren Kongreß der letzten Woche. Ich sage nur, fangen Sie bei der Entbürokratisierung bei Ihren Länderstrategen Dr. Filbinger und Herrn Albrecht an; das wäre sehr hilfreich für diesen Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der SPD und der FDP)




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Wie gesagt, es ist die falsche Tendenz, Einzeleingriffe vorzunehmen und nachträgliche Reparaturen zuzulassen und dann groß zu reden. Nach unserer Überzeugung müssen wir frühzeitig Fehlentwicklungen und auch neue Chancen in der Wirtschaft erkennen und diese Chancen klar und eindeutig durch Förderung wahrnehmen. Dazu bedarf es nach meiner Auffassung vorausschauender Politik.
Unstrittig ist — und ich möchte auf diesem Gebiet der Antwort der Bundesregierung ausdrücklich zustimmen —, daß die statistischen und informativen Grundlagen der sektoralen Strukturpolitik verbessert werden müssen. Vorausschauende Strukturpolitik braucht bessere Prognosen. Wir brauchen bessere Prognosen über die Entwicklung des Kapitalstocks wichtiger Sektoren — nicht aller, aber wichtiger Sektoren —, über die Investitionstendenzen und über die Entwicklung der Produktivitäten.
Was interessiert bei diesem Thema die Opposition? Sie will, so sagt sie, keine amtlichen Prognosen; das ist ihr Hauptanliegen. Welche Einfalt drückt sich im Hervorheben dieser Einzelfrage aus! Wogegen ist sie eigentlich? Ist sie dagegen, daß der Bundeswirtschaftsminister einen Stempel auf derartige Prognosen von Instituten draufdrückt. Da kann ihr geholfen werden. Wir wollen das auch nicht. Wir wollen übrigens auch nicht den Weg, den wir bei den Konjunkturgutachten von den Instituten haben, daß die sich zusammensetzen, den allgemeinsten Pfad der Tugend zu formulieren versuchen, sondern wir wollen gerade bei den Branchenprognosen Konkurrenz zwischen Instituten; wir wollen Strukturberichterstattung nicht durch ein einzelnes Institut oder durch ein einziges Gutachten, wollen keine einzelne Prognose, sondern divergierende Prognosen, die zeigen, wo Tendenzen liegen, keine amtlichen. Aber das war nicht das Problem. Gewicht werden diese Prognosen bekommen; da können Sie sich wehren, Herr Professor Biedenkopf, soviel Sie wollen.

(Dr. Biedenkopf [CDU/CSU] : Und wie steht es mit Ihren Parteitagbeschlüssen?)

— Ich kommen auch noch zu diesem Aspekt, Herr Professor.
Herr Dr. Barzel, Sie werden sich damit abfinden müssen, daß wir in Zukunft Branchenprognosen differenzierter Art haben, und wir werden sie in aller Offenheit diskutieren. In dieser Diskussion wird allmählich die Plausibilität der verschiedenen Auffassungen erkannt werden. Nicht anders geht es auch in der konjunkturellen Diskussion.
Wir unterstützen also die Bundesregierung bei ihren Bemühungen, eine Verbesserung der Informationsbeschaffung und der Verarbeitung dieser Informationen herbeizuführen. Ein Anfang ist bekanntlich in der Strukturberichterstattung gemacht. Es kommt nun auf weitere Verbesserungen an.
Folgendes steht dabei für mich im Vordergrund. Erstens muß die Investitionstätigkeit der Sektoren, insbesondere der strukturbestimmenden Sektoren, frühzeitiger analysiert werden können, als es bisher möglich ist. Dabei kommt es mir — um die Antwort auf den Zwischenruf zu geben — nicht darauf an, ob man das über ein Verfahren der Investitionsmeldepflicht oder über eine Verbesserung und Erweiterung der Investitionstests macht, die wir in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt haben. Das ist zunächst eine praktische Frage. Da wir ein Instrument haben, nämlich die Investitionstests, halte ich es für gut, wenn wir vorläufig diesen Weg weiter gehen. Das gleiche gilt für die Abschätzung von Personalplanungen.
Wer hier unter dem Vorzeichen „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß" und mit der Ausrede, diese Datenerfassung sei systemwidrig, wer also die Verbreitung des Wissens über Wirtschaftspolitik aus ideologischen Gründen ablehnt, wird im Hinblick auf die Lösung von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsproblemen unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir müssen uns schnell einen Überblick über die sektoralen Strukturwirkungen der öffentlichen Hände verschaffen. Ich bin froh, daß das in einer Rede angesprochen wurde. Ich glaube in der Tat, daß wir allen Grund haben, bevor wir das Instrumentarium auf anderer Ebene erweitern, uns zu bemühen, im Bereich der wissenschaftlichen Durchdringung genauso wie in der politischen Analyse, die sektoralen Wirkungen unserer politischen Entscheidungen genauer zu erfassen. Es darf nicht angehen, daß wir Maßnahmen im Bereich der sektoralen Strukturpolitik haben, die sich gegenseitig aufheben oder aufschaukeln, so daß im Anschluß ein Verstärkung von Fehlentwicklungen stattfindet.
Drittens. Strukturpolitik benötigt eine bessere Fundierung der Willensbildung in den gesellschaftlichen Kräften. Sie wissen, die Sozialdemokratische Partei hat die Konzertierte Aktion nicht nur unterstützt, sondern mit eingeführt. Es hat sich gezeigt, daß die Konzertierte Aktion vorn Teilnehmerkreis und von der Thematik her zu eng und zum Teil zu unverbindlich war. Strukturwandlungen und Tendenzen der sektoralen Arbeitsmärkte müssen mit in den Vordergrund der Erörterung rücken, wenn die Ursachen des Stukturwandels und der Arbeitslosigkeit früher erkannt werden sollen.
Ich sehe eine gute Chance, diese Ziele zu erreichen. Gestern hat der Bundeswirtschaftsminister eine Erklärung abgegeben, daß er beabsichtige, nach vorläufigen Überlegungen zehn Vertreter der Gewerkschaften, zehn Vertreter der Unternehmensverbände und dann entsprechend Vertreter der öffentlichen Hand in der weiterentwickelten Konzertierten Aktion zusammenzuführen. Wir wären als sozialdemokratische Bundestagsfraktion daran interessiert, wenn der bevorstehende DGB-Bundeskongreß auf diesen Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers eine positive Antwort fände.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In diesem neuen weiterentwickelten Gremium werden dann strukturelle Fragen eine vorrangige Rolle spielen, die Vollbeschäftigungspolitik mit ihren strukturellen Aspekten.
Sie wissen, die SPD hatte auf ihrem Parteitag — und das ist die Zielsetzung unserer Partei — gesamt-



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wirtschaftliche, keine branchenmäßigen, Strukturräte in Weiterentwicklung der Konzertierten Aktion vorgeschlagen. Dieser Vorschlag steht weiterhin zur Diskussion. Polemische oder tendenziöse Verzerrungen führen an dieser Problematik nicht vorbei. Wir sind froh, daß ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegt, der einen Zwischenschritt bedeutet.
Sie kommen als Opposition auch nicht um zwei Fragen herum. Erstens: Sind alle sozialen Gruppen und alle politischen Kräfte bereit, der Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Koordinierung und Förderung des Strukturwandels zuzustimmen, oder wollen Sie die Entscheidungen vorwiegend dem diskreten Zusammenspiel zwischen Interessengruppen und Bürokratie überlassen? Ich will hier nicht in Beispiele gehen, aber jeder, der im wirtschaftspolitischen Bereich Verantwortung trägt, weiß, wie viele derartige Fälle im Zusammenspiel zwischen einzelnen Verbänden und der Bürokratie es gibt. Durch die Entwicklung nach Europa ist diese Gefahr nur noch größer geworden. Wir wissen, wie stark sich die Europa-Lobby verbreitet hat.
Zweitens müssen Sie beantworten: Sind wir bereit, die Diskussion mit den Tarifparteien auf alle arbeitsmarktbestimmenden und investitionsbeeinflussenden Faktoren auszudehnen, oder wollen wir zusehen, wie sich Verteilungskämpfe verschärfen, weil die ausreichende gesellschaftliche Fundierung der Wirtschaftspolitik fehlt? Ich glaube, das ist die entscheidende Frage. Wir können doch nicht während dieser Verstärkung der Strukturwandlungen die Verschärfung der Verteilungskämpfe, der Auseinandersetzungen bei den Tarifen beklagen und keine Alternative vorschlagen. Wir schlagen sie vor. Wir schlagen eine Weiterentwicklung der Konzertierten Aktion vor.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die CDU behauptet nun — vor kurzem in einem Papier, das in Bonn verteilt wurde —, unsere Vorstellung auf diesem Gebiet ziele darauf, „als Alternative zur Marktwirtschaft ein syndikalistisches Wirtschaftssystem" einzuführen. Dies ist ein Zitat aus einem Papier der Opposition.
Wo leben Sie denn eigentlich? Sie tun so, als ob es die Macht der Wirtschaftsverbände nicht gäbe; Sie tun so, als ob es die Großorganisationen in der Gesellschaft nicht gäbe. Die Erfahrung zeigt, daß derartige Machtzusammenballungen die Regelung von sozialen Konflikten verlangen. Wir haben bereits — nicht zuletzt im Tarifstreit — einige Zwischenstufen erreicht. Im Wirtschaftspolitischen gibt es noch ein Defizit. Wir müssen die gesamtwirtschaftlichen Überlegungen mit den sozialen Kräften zusammenbinden. Wegen der Beschleunigung des Strukturwandels muß nach meiner Auffassung die Konzertierte Aktion weiterentwickelt werden.
Sie als Opposition stehen vor einer klaren Alternative, und mich würde gerade auch die Meinung der Leute interessieren, die nicht unmittelbar die Interessen vertreten, die zu vertreten mein Vorredner üblicherweise die Tendenz hat. Die Opposition kann in ihrer destruktiven Haltung gegen die Erneuerung der Konzertierten Aktion verharren oder unseren Weg — nämlich eine vertiefte Abstimmung zwischen den sozialen Kräften in Richtung auf eine Mitbestimmung beim Strukturwandel und natürlich bei der Verteilung der Opfer — mitgehen.
Wer hier die Gewerkschaften fernhalten will, spielt mit dem Feuer. Die deutschen Gewerkschaften haben bisher — trotz aller Folgen, die mit ihm verbunden sind — zum Strukturwandel prinzipiell ja gesagt. Wer sie nicht in Formen der gesamtwirtschaftlichen Mitbestimmung an der Willensbildung beteiligt, wird sie dazu zwingen, zum Strukturwandel immer dann zuerst einmal nein zu sagen, wenn die Arbeitsplatzeffekte ungewiß sind. Wir kennen diese Haltung aus einigen Ländern in Europa. Die deutschen Gewerkschaften haben bisher den notwendigen Zusammenhang zwischen Rationalisierungs- und Erweiterungsinvestitionen erkannt. Das ist eine positive Haltung, die sich sehr von der anderer unterscheidet. Sie haben damit den sozialen und den wirtschaftlichen Fortschritt mit garantiert, und dafür sollten wir ihnen dankbar sein.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn sich allerdings der Strukturwandel auch und vor allem in Richtung auf Arbeitsplätze auswirkt, ist es notwendig, im wirtschaftspolitischen Bereich, im Bereich der überbetrieblichen Mitbestimmung die Gewerkschaften verstärkt Anteil nehmen zu lassen.
Es war für mich kein Zufall, daß Sie, Herr Dr. Barzel, als der Hauptredner Ihrer Fraktion in der ganzen Rede zur Strukturpolitik — in der ganzen Rede! — keine Bemerkung zu Aufgabe, Stellung und Funktion, zum Beitrag der Gewerkschaften und der Arbeitnehmerschaft zum Strukturwandel gemacht haben.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Das ist bezeichnend. Ich kann nur sagen, Sie gehen in diesem Bereich in die falsche Richtung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Hauptaufgaben der künftigen sektoralen Strukturpolitik machen die Notwendigkeit der Beteiligung der Gewerkschaften deutlich genug. Erstens. Die Sanierung und Konsolidierung einiger Krisensektoren wie Stahl, Schiffbau und Flugzeugbau wird nur dann gelingen, wenn die Unternehmensleitungen, die Betriebsräte und ihre Gewerkschaften in eine strukturelle Aktion der Sanierung eingebunden werden. Öffentliche Subventionen, Geld allein reichen für diese Sanierung und Konsolidierung nicht aus.
Zweitens. Die strukturelle Entwicklung von Angebots- bzw. Nachfragefeldern, wie sie vor kurzem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin — übrigens in voller Übereinstimmung mit den Vorstellungen der SPD — vorgeschlagen hat, erfordert die Festlegung öffentlicher Mittel auf Entwicklungsfeldern. Ich stimme dem DIW ausdrücklich darin zu, daß wir die öffentlichen Mittel auf folgende Aufgaben konzentrieren müssen: die Wiedergewinnung und Verbesserung der Umweltqualität, den Ausbau der Lebensqualität in den Städten und Gemeinden, die Durchsetzung neuer Technologien zur rationellen Verwendung von Energie und Rohstoffen und zur Anwendung alternativer Ener-



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gie und Rohstoffquellen, die Integration und bessere Versorgung von benachteiligten Gruppen unserer Gesellschaft und schließlich die Entwicklungspolitik, insbesondere auch die Entwicklung angepaßter Technologien für Entwicklungsländer. — Wie gesagt, das bedeutet Konzentration der öffentlichen Mittel auf diese Felder, und das bedeutet logischerweise Opfer und Zurückhaltung bei der Ausgabe öffentlicher Mittel auf anderen Feldern.
Wie soll denn dies auf Dauer realisiert werden ohne Vorbereitung einer derartigen offensiven Marktentwicklungspolitik und Infrastrukturpolitik, ohne Willensbildung mit den entscheidenden gesellschaftlichen Gruppen? Sowohl die Entwicklung neuer Märkte für alternative Energien unter Einschluß des Energiesparens wie die Finanzierung von Märkten verbesserter Umwelt- und Kommunikationstechnologien binden also Mittel. Wir müssen sie bereitstellen. Das erfordert Opfer.
Drittens. Die prinzipielle Ablehnung jedes Protektionismus und die Ablehnung von Behinderungen des Kapitalexports in Drittländer wird auch in Zukunft den Strukturwandel beschleunigen. Ich freue mich, dáß ich an diesem Punkt darauf hinweisen kann, daß alle Redner in dieser Debatte in dieser Frage übereinstimmende Auffassungen vertreten haben.
Strukturwandel auf Grund von Ablehnung des Protektionismus bedeutet natürlich für Arbeitnehmer — gestern in der Textilindustrie und der optischen Industrie, heute im Schiffbau und Stahl, morgen in der Elektroindustrie — Probleme. Wer wird erwarten wollen, daß die Gewerkschaften sich weiter gegen Protektionismus und für Kapitalmobilität aussprechen, wenn sie ausgeschaltet werden, weil sie angeblich syndikalistische Interessen vertreten!

(Dr. Ehmke [SPD]: Sehr gut!)

Gerade dieses Beispiel zeigt, wie fortschrittsfeindlich und strukturkonservierend in der Wirkung die Politik der CDU/CSU sein muß.
Viertens. Berechnungen zeigen, daß bei Fortschreibung des Status quo Mitte der 80er Jahre 3 Millionen Arbeitsplätze fehlen werden. Selbst eine umfassende Modernisierung der Volkswirtschaft, die wir wünschen, die wir vielfältig unterstützen, der wir Raum lassen für Innovations- und Investitionsentscheidungen der Unternehmer, wird nicht unmittelbar zur Vollbeschäftigung führen.
Damit ist Arbeitszeitverkürzung nach meiner Auffassung ein logisches, ich füge hinzu: auch ein humanes Thema und Mittel der Arbeitsmarktpolitik und der Tarifdiskussion.
Sie, Herr Professor Biedenkopf, haben gesagt, die Politiker sollten sich nicht in die Arbeitszeit-Diskussion einmischen. Ich widerspreche Ihnen in diesem Punkt ausdrücklich. Es ist ganz sinnvoll, wenn wir durch Änderung der Arbeitszeitordnung oder durch Einführung eines Arbeitszeitgesetzes ein positives Signal für Arbeitszeitverkürzungen setzen. Das wollen wir tun.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht sinnvoll, daß die Regelarbeitszeit nach dem Gesetz 48 Stunden und die durchschnittlich erreichte knapp über 40 Stunden beträgt. Wir Sozialdemokraten wissen aber sehr genau, weil wir die Gewerkschaften kennen wahrscheinlich besser als Sie —, daß es die Aufgabe vor allem der Gewerkschaften ist, das im konkreten Tarifkampf durchzusetzen.
Hier gibt es etwas Erfreuliches festzustellen. Ich bin froh, daß ich das heute, wenige Tage nach der Aussage, hier im Deutschen Bundestag wiedergeben kann. Ich hätte mir sehr gewünscht — aber vielleicht kommt das noch; man kann sich das ja aufgehoben haben —, daß man positiv vermerkt hätte, was Heinz Oskar Vetter in diesen Tagen zur Arbeitszeitverkürzung gesagt hat.

(Beifall bei der SPD)

Wer — so sagte er — Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich will, reduziert natürlich den Arbeitsmarkteffekt in Richtung auf Vollbeschäftigung. Aus diesem Grund müsse man, meinte er, Kostenaspekte berücksichtigen. Und eben dies schlage er den Gewerkschaften für die nächsten Tarifrunden vor. Dies sagte Heinz Oskar Vetter nicht in einem Interview irgendwo und irgendwann in einer Zeit, wo es niemanden angeht. Dies sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes wenige Tage vor dem ordentlichen Bundeskongreß des DGB in vollem Bewußtsein der Schwierigkeit der Diskussion darüber im Gewerkschaftsbereich.
Ich hätte mir gewünscht, daß ein kleines Stück dieses Mutes zu unbequemen Antworten auf Grund der Krisensituation in den Reden der Opposition gewesen wäre, wie ihn Heinz Oskar Vetter hier gezeigt hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir jedenfalls halten es für eine politische Aufgabe, ihn in dieser Zeit bei seiner Aussage zu unterstützen. Wir tun es hier als sozialdemokratische Bundestagsfraktion. Und wir werden die flankierenden Maßnahmen zur Tarifpolitik der Gewerkschaften auf diesem Gebiet ergreifen.
Wir Sozialdemokraten begrüßen jede Entscheidung der Bundesregierung, die die Strukturpolitik verbessert. Bei Wahrung unserer eigenen Zielvorstellungen als Sozialdemokratie stellen wir fest: Die Bundesregierung ist mit der Entwicklung der Strukturberichterstattung auf dem richtigen Wege. Die Weiterentwicklung der Konzertierten Aktion steht bevor. Wir werden uns durch weltfremde Ideologien der Opposition nicht von unserem Hauptziel abbringen lassen.

(Kittelmann [CDU/CSU] : Wer sind die weltfremden Ideologen?)

Strukturpolitik muß Anpassungsprozesse erleichtern, um Arbeitsplätze zu sichern. — Sie rufen hier dazwischen, wer die Ideologen seien. Verehrter Herr Kittelmann, wenn Sie den Reden zugehört hätten — in Sorgfalt; ich weiß, Sie haben das nicht getan, jedenfalls nicht bei der letzten —, dann hätten Sie erkannt, daß in meiner Rede und in der Rede des Herrn Wirtschaftsministers von den heutigen



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Problemen am Arbeitsmarkt und in den Sektoren unserer Volkswirtschaft die Rede war, während hier von den beiden Rednern der Opposition nur von Ordnungsstrategien langfristiger, perspektivischer, ja ideologischer Art gesprochen wurde. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der SPD)

Wir stellen uns den Themen, die uns gestellt sind, und werden uns auch durch diese Scheindebatte nicht davon abbringen lassen.
Letzte Bemerkung zur -aktuellen wirtschaftspolitischen Lage! Wir haben die Gutachten gelesen. Wir sagen: ein bißchen mehr Konkurrenz zwischen den Instituten wäre besser, wäre mehr Beratung für die Politik als diese verschwommene Gemeinschaftsgutachten. Wir freuen uns, daß das DJW positive Ansätze für Arbeitsmarktpolitik gesehen hat. Wir halten die Forderung nach Steuersenkungen nicht nur für problematisch, sondern für unerträglich. Sie muß neuen Attentismus in der Wirtschaft zeugen. Wir sagen ganz klar: Ruhe an der Steuerfront, keine pauschalen Steuersenkungen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Wir werden über wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Stabilisierung einzelner Sektoren in den nächsten Wochen ausreichend debattieren können. Die gestrigen Entscheidungen des Bundeskabinetts zur Stahlindustrie und zur Kohle werden von uns begrüßt.

(Beifall bei der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808828900
Das Wort hat der Abgeordnete Haussmann.

Prof. Dr. Helmut Haussmann (FDP):
Rede ID: ID0808829000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Etwas paradox ist es schon: Während die CDU gerade draußen in der wirtschaftspolitischen Debatte das Eingreifen des Staates in Sachen -Steuerpolitik sehr stark fordert, während Herr Biedenkopf stärkere Eingriffe des Staates in die Tarifpolitik fordert, soll heute hier im Plenum aufgezeigt werden, daß der Staat sich eigentlich aus Fragen der Bewältigung des Strukturwandels möglichst heraushalten sollte.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Man versteht diese Haltung der Unionsparteien besser, wenn man sieht, daß der Antrag zur Strukturpolitik im Dezember des letzten Jahres gestellt wurde, d. h. direkt im Anschluß an die Parteitage der Freien Demokraten und der Sozialdemokraten. Die Absicht war klar: man möchte Dissens aufzeigen.
Nun — dies gebe ich zu — ist es gar keine Frage, daß gerade im Bereich der sektoralen Strukturpolitik unterschiedliche Akzente zwischen Sozialdemokraten und Liberalen da sind. Auf diese soll auch heute eingegangen werden. Dies ist meines Erachtens im Sinne zweier selbständiger Parteien mit eigenständiger Geschichte und Programmatik legitim.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Bevor dies aber geschieht, müssen einige Fragen an die Union selbst erlaubt sein.
Erstens. ' Warum lesen wir nur Fragen? Wo finden wir denn eigene unionspolitische Grundsätze zur Strukturpolitik? Gibt es diese überhaupt in der Union? Nach welchen Grundsätzen fördert denn z. B. der CDU-Landeswirtschaftsminister in Baden-Württemberg, wenn Herr Eberle immer wieder so wolkig von der Förderung zukunftsorientierter Industrien redet? Oder ist es etwa so, wie der frühere Generalsekretär Biedenkopf in einem Grundsatzartikel im „Deutschland-Union-Dienst" im Jahre 1974 schrieb — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:
Es liegt in der Natur der Sache, daß im Bereich der sektoralen Strukturpolitik die Rolle des Staates bedeutend geringer ist als in der Regionalpolitik. Hier steht die Initiative des Unternehmers eindeutig im Vordergrund. Dem Staat kommt im wesentlichen nur die Aufgabe zu, im Einzelfall unter überragenden sozialen Gesichtspunkten tätig zu werden.
Soweit stimmen wir mit Ihnen völlig überein. Aber dann folgt der Satz:
Häufig geht es für den Staat nur darum, einen geordneten Rückzug vom Markt zu unterstützen.
Ich wiederhole: Nach Biedenkopf geht es darum, in der Strukturpolitik „einen geordneten Rückzug vom Markt zu unterstützen". Hier haben Freie Demokraten eine diametral andere Auffassung. Unsere Auffassung ist es gerade, daß Strukturpolitik dazu beitragen soll, daß Prozesse unterstützt werden, daß einzelne Unternehmen oder Branchen wieder zurück zum Markt kommen, also nicht weg vom Markt.
Die zweite Frage an die Union: Warum äußert sie ihre Anfragen nur in der Form des Ideologieverdachts? Warum wird hier nicht ganz konkret Kritik an den bisher postulierten strukturpolitischen Grundsätzen geübt? Oder warum wird nicht Kritik an ganz konkreten strukturpolitischen Einzelmaßnahmen des Bundeswirtschaftsministers geübt? Ist diese konkrete Politik nicht möglich, frage ich.
Drittens. Warum greift man denn nur eine Form der Strukturpolitik heraus? Warum geht man nicht auf den zentralen Zusammenhang zwischen sektoraler, regionaler und betriebsgrößenorientierter Strukturpolitik ein?
Viertens. Warum definiert man nicht zunächst klar die eigene Auffassung von Strukturpolitik? Man definiert negativ, man verdächtigt. Demnach wird zunächst ein Monstrum von Strukturpolitik in dieser Anfrage aufgestellt — ein Monstrum, wie es nach meiner Auffassung im Deutschen Bundestag noch nie von einem Vertreter beider Koalitionsfraktionen aufgestellt wurde. Nach der Anfrage — ich summiere hier lediglich die Adjektive — bedeutet für die CDU Strukturpolitik vor allem eine enge Verbindung mit Steuerung um ihrer selbst willen, mit dem Begriff der Investitionslenkung; man versteht darunter Einzeleingriffe, man versteht



Dr. Haussmann
darunter Voraussagen; es wird ein künstlicher Gegensatz zur Politik der staatlichen Rahmensetzung konstruiert. Man spricht davon, daß möglichst keine außerökonomischen Ziele in den Rahmenkatalog der Strukturpolitik eingehen sollten.
Meine Damen und Herren, diese Art der Negativdefinition von Strukturpolitik führt die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland bei ihrer wichtigen Aufgabe, nämlich der Bewältigung des strukturellen Wandels, nicht weiter. Genau in diesem Punkt herrscht dann wieder Einigkeit zwischen allen drei Fraktionen: Man gibt zu, daß der vielzitierte Strukturwandel notwendig ist. Man ist aber nicht bereit, als eine der Antworten hierauf eine aktive Strukturpolitik des Staates zu akzeptieren. Wäre es denn nicht logisch, zunächst auch auf die Gründe für diesen aufgestauten Strukturwandel einzugehen und damit die Mitverantwortung der Union zuzugeben, z. B. bei dem Festhalten an falschen Wechselkursen?
Auf diesen Strukturwandel müssen die Unternehmen reagieren. Dies macht die Schwierigkeit aus. Nur wenn wir diesen strukturellen Wandel mit möglichst wenig Friktionen bewältigen, können wir unser hohes Maß an Wohlfahrt aufrechterhalten. Auch nur dann sind wir in der Lage, weitere Arbeitsplätze mit weiteren Arbeitsplatzchancen zu schaffen, um den Wettlauf mit dem Freisetzen von Arbeitsplätzen durch technologische Entwicklungen zu gewinnen.
Wenn man dies aber zugibt, dann darf man unter Strukturpolitik nicht eine verengte, ideologieträchtige Auffassung verstehen. Nein, dann hilft nur eine Auffassung von Strukturpolitik weiter, die im weitesten Sinne eine Antwort auf den strukturellen Wandel zu geben vermag. Die Freien Demokraten haben diese Antwort nach einer sehr intensiven Diskussion auf ihrem Parteitag in Kiel gegeben. Sie bekennen sich dazu, daß die Steuerung der Strukturen und des Strukturwandels grundsätzlich über den Markt zu erfolgen hat, der eben dem Wandel der Verbraucherbedürfnisse am besten nachgeht. Aufgabe des Staates ist es in unserem Programm demnach, die Rahmenbedingungen für diesen Prozeß zu setzen, um vor allem auch diejenigen Faktoren zu berücksichtigen, die nicht oder nur ungenügend über den Markt zur Geltung kommen, wie z. B. der Umweltschutz, Fragen der Infrastruktur oder aber auch die Nachfrage späterer Generationen nach wichtigen Ressourcen. Liberale Strukturpolitik hat daher nach unserer Auffassung die Wirtschaft für Strukturänderungen offenzuhalten und ihre Anpassungsfähigkeit zu unterstützen. Das heißt für uns, daß der Staat nur grundsätzlich den Strukturwandel erleichtern kann, daß aber die Unternehmen selbst ihre Chancen und Gefahren abschätzen müssen. Dies kann und darf der Staat ihnen in einer dezentralen Wirtschaftsordnung nicht abnehmen.
Der Staat kann aber z. B. die Informationsbasis zur besseren Risikoabschätzung der Unternehmen verbessern. Sektorale Strukturpolitik im besten Sinne wäre es demnach, in verschiedenen Sektoren oder Branchen gleichberechtigte Chancen durch verbesserte Rahmendaten zu geben und im Sinne einer gesamtwirtschaftlichen Effizienz diese Prozesse zwischen den Sektoren zu erleichtern. Dazu gehört aber auch — dies ist die Schwierigkeit — ein ehrliches Bekenntnis, daß einzelne Wirtschaftszweige in diesem Strukturwandel schrumpfen werden, daß sogar einzelne Unternehmen aus dem Strukturwandel ausscheiden müssen. Dies ist ein normaler wettbewerbspolitischer Vorgang und darf grundsätzlich kein Anlaß dafür sein, die Spielregeln des Marktes außer Kraft zu setzen.
Die Bundesregierung — der Bundeswirtschaftsminister hat darauf verwiesen — hat in den letzten Monaten wichtige wirtschaftspolitische Rahmendaten verändert, um diesen Strukturwandel für unsere Unternehmen zu erleichtern. Ich erinnere an die Frage der Steuererleichterungen, des Infrastrukturprogramms, an die Verbesserung der Möglichkeiten der Existenzgründung, an eine verbesserte Forschungs- und Innovationsförderung. Umgekehrt gilt aber auch, daß Strukturpolitik aus - bestimmten übergeordneten Gründen Investitionen lenkt, wie im Bereich des Umweltschutzes, im Bereich der Energiesicherung oder aus Gründen der Raumordnung einschränkt oder fördert. Wenn dies aber so ist, ist es sehr wichtig, Grundsätze für diese Ausnahmebereiche zu entwickeln.
Wir Liberalen sagen daher in unserem Kieler Programm, daß diese staatlichen Anpassungshilfen erst das letzte Mittel nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten der Selbsthilfe sein dürfen. Wir fordern daher, daß Anpassungshilfen von vornherein zeitlich befristet und möglichst degressiv gestaltet sein müßten, damit die Motivation zur Anpassung erhalten bleibt und keine auf die Dauer nicht mehr wettbewerbsfähige Struktur zementiert wird.
Ich glaube, gerade in diesem Punkt gilt es, das Problem aller drei Fraktionen in diesem Hause aufzuzeigen. Wo gibt es denn von uns ehrlich gemeinte und konkrete Vorschläge, z. B. Förderungen oder Anpassungshilfen endlich auslaufen zu lassen? Aufnahmebereiche sind immer wieder zu prüfen, aber wo ist die gemeinsame Kraft der drei Fraktionen in diesem Hause, dann auch eine entsprechend harte Entscheidung zu fällen? Wir alle kennen doch sehr genau den Druck, der auf uns ausgeübt wird, um einen an sich befristeten Eingriff immer mehr zu verlängern. Wir kennen die Gefahr der sogenannten Ölflecktheorie: daß ganz bestimmte Eingriffe in Einzelbereichen andere Eingriffe in benachbarten Bereichen nach sich ziehen.
Neben diesem politischen Problem der sektoralen Strukturpolitik gibt es sehr wichtige und sehr gravierende methodische Probleme. Die Prognoseunsicherheit wird desto größer, je kleiner und differenzierter die einzelnen Aggregate sind, für die eine sektorale Schätzung vorgenommen werden soll. Wir möchten daher die Strukturberichterstattung im generellen Bereich vorantreiben, aber — dies ist hier schon betont worden — als nachträgliche Informationsbasis für die Unternehmen. Wir möchten, daß sich die Opposition dazu auch unter dem Aspekt der Mittelstandspolitik offensiver bekennt;

Dr. Haussmann
denn es gibt sehr viele Großunternehmen, die auf Grund ihrer eigenen volkswirtschaftlichen Abteilungen in der Lage sind, wichtige interne Informationen für strukturpolitische Anpassungsentscheidungen zu geben, während kleine und mittlere Unternehmen sehr darauf angewiesen sind, durch Institute in dieser zentralen Aufgabe unterstützt zu werden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Auch wir möchten keine amtliche Berichterstattung. Wir wollen den Wettbewerb der Institute. Wir glauben, daß damit mehr Transparenz, mehr Pluralität für die betroffenen Unternehmen und den Staat geschaffen werden.
Meine Damen und Herren, wir warnen aber auch eindringlich vor einem technokratischen Irrglauben von der vollständigen Gestaltbarkeit unserer Wirtschaftsstruktur. Auch die Union hat ihren Erkenntnisprozeß hinter sich, wenn wir an die Sozialisierungsforderung des Ahlener Programmes denken — ein Programm, das der damalige Generalsekretär Biedenkopf historisch nach wie vor für sehr wichtig hielt.
Freie Demokraten sind auch gegen die Neubildung von Gremien, die sich mit Strukturpolitik beschäftigen sollen. Wir sehen in diesem Zusammenhang die große Gefahr einer weiteren Entmachtung unserer Parlamente. Wir sind für jede vernünftige Verbesserung der Informationsbasis, und wir sind für jede Verbesserung der Instrumente staatlicher Strukturpolitik. Wir möchten sie aber im Verantwortungsbereich der Gewählten halten.
Auch bei beratenden Gremien sehen wir die Gefahr, daß Kapazitäten abgestimmt werden und damit tendenziell Wettbewerb ausgeschaltet wird. Wir möchten auch nicht den natürlichen Wettbewerb, ja den Machtausgleich zwischen den Tarifpartnern ausschalten. Wir befürchten, daß dies zu Lasten des öffentlichen Interesses und der Verbraucherinteressen gehen würde.
Branchenausschüsse z. B. wären Ausschüsse für Etablierte. Wer aber würde sich für Innovationshilfe für Förderhilfen für neue, bisher noch gar nicht verbandsmäßig etablierte Branchen oder Einzelunternehmen verwenden?
Wir geben zu: Es gibt im institutionellen Teil der sektoralen Strukturpolitik zwischen Freien Demokraten und Sozialdemokraten Unterschiede in der Programmatik. Aber es ist der Union nicht möglich, in dieser Debatte diese Unterschiede in der bisherigen Praxis der Politik der beiden Koalitionsfraktionen nachzuweisen.
Schwieriger ist aber der Vergleich unserer Vorstellungen mit denen der Union. Hier gibt es eben keine allgemeinverbindlichen Grundsätze der Strukturpolitik. Es gibt hehre Bekenntnisse von Grundsatzdenkern, von Ordnungspolitikern der Union. Dies ist die eine Seite. Auf der anderen Seite der Union werden aber auch handfeste Forderungen nach sektoralen Eingriffen an den Wirtschaftsminister herangetragen — von dem Kollegen Köhler in der Abteilung Kohle und Stahl, von dem Kollegen Müller-Hermann im Bereich der Werften, von den Kollegen Starke und Schwörer im Bereich der Textilindustrie.
Meine Damen und Herren, dies ist die Diskrepanz in der wirtschaftspolitischen Wirklichkeit. Ich halte eine Partei für ehrlicher, die Grundsätze aufstellt und mit sich darüber diskutieren läßt, als eine, die auf der einen Seite hohe persönliche ordnungspolitische Bekenntnisse abgibt, sich aber auf der anderen Seite von Fall zu Fall die Forderung nach Einzelmaßnahmen offenläßt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich möchte daher der Union ausdrücklich für ihre Anfrage danken. Sie gibt den Freien Demokraten nach unserer Auffassung eine sehr gute Gelegenheit, einmal ihre wichtige Rolle als politische Kraft der wirtschaftlichen Vernunft darzustellen.
Wir glauben weder an die Wunderwaffe Strukturpolitik noch glauben wir an die Dämonisierung staatlicher Strukturpolitik. Wir bekennen uns vielmehr zu einer aktiven Rolle des Staates im Bereich der Rahmensetzung, um den Unternehmen den schwierigen Wandel zu erleichtern. Wir lehnen direkte Marktinterventionen ab. Wir wissen nur zu gut, daß vor allem die autonomen Partner eine sehr hohe Mitverantwortung bei der Bewältigung des strukturellen Wandels zu tragen haben. Diese Verantwortung kann ihnen der Staat nicht abnehmen.
Erlauben Sie mir ganz zum Schluß dieser Debatte über sektorale Strukturpolitik eine mehr persönliche Fußnote, eigentlich ein Infragestellen des gesamten Ansatzes: Ich halte die Branche, den einzelnen Industriezweig nicht mehr für das Kriterium schlechthin, das uns Auskunft über Strukturprobleme oder Strukturchancen geben kann. Ich kenne inzwischen zu viele Einzelbetriebe, die in eigentlich schlechten Branchen immer wieder weitere Arbeitsplätze schaffen können, während andere Unternehmen in sogenannten Wachstumsbranchen stagnieren. Ich glaube vielmehr, daß wir uns andere Indikatoren schaffen müssen, um Entwicklungs- und damit Förderchancen für den Staat beurteilen zu können. Ich glaube, Verbrauchernähe, Managementqualifikation, Innovations- und Risikobereitschaft, Faktorkostenintensität, Potential an innerbetrieblichen Beteiligungsmöglichkeiten wären bessere Maßstäbe, die uns anzeigen können, wo sich Wachstumschancen abzeichnen und wo es sich für den Staat lohnt, fördernd einzugreifen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808829100
Das Wort hat der Abgeordnete Schedl.

Albert Schedl (CSU):
Rede ID: ID0808829200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, mich eingangs mit einigen Einlassungen des Kollegen Roth auseinanderzusetzen.
Herr Roth hat mit der bekannten Gasrechnung begonnen, die vor gar nicht allzu langer Zeit der Herr Bundeskanzler hier eingeführt hat. Nur: In Ihrer Folgerung, die, wenn sie Humor war, zumindest derber Humor war, Herr Roth, haben Sie zwei



Schedl
Fehler begangen. Erstens haben Sie mit Ihrer Würdigung, wir könnten Vereinfachungsvorschläge von Ihnen in den Vermittlungsausschuß und in den Bundesrat abrutschen lassen, eine nicht besonders gute Wertung dieser beiden Verfassungsorgane vorgenommen. Zweitens haben Sie völlig übersehen, Herr Kollege Roth, daß gerade der Bundesrat ein ganzes Paket an Vorlagen der Bundesregierung, die Sie zu tragen haben, in den hinter uns liegenden Jahren mit der Begründung zurückgeben mußte, daß sie wegen der Verkomplizierung der Verwaltung, wegen mehr Schwierigkeiten und mehr Vorschriften unvernünftig seien. Deswegen war diese Wertung schlecht.
Ich möchte einen weiteren Punkt erwähnen, meine verehrten Damen und Herren. Herr Kollege Roth hat hier davon gesprochen, daß wir uns lediglich zur reinen Lehre bekennen würden und daß uns der Eingang zur Wirklichkeit und zur Erkenntnis in der Wirtschaft fehle. — Herr Kollege, Sie stimmen dem mit kräftigem Kopfnicken bei. Herr Kollege Roth, Sie haben an einer anderen Stelle, weiter hinten im Katalog, der mehr für draußen gedacht war — —

(Dr. Steger [SPD] : Ich wünsche Ihnen eine Maß, damit Sie realistischer werden!)

— Der Witz hatte ungefähr dieselbe Qualität, wie das in allen Bereichen bei Leuten aus dieser Ecke der Fall zu sein pflegt. Wir haben sehr viel Verständnis für Humor; nur sollten Sie nicht meinen, daß Sie sich aus peinlichen Überlegungen herausflachsen können.
Nun wieder zu Ihnen, Herr Kollege Roth. Sie haben davon gesprochen, daß wir wenig Eingang in die Wirklichkeit und die tatsächlichen Verhältnisse hätten und uns lediglich zur reinen Lehre bekennen würden. Sie haben an anderer Stelle an jegliche Überlegungen zur Steuersenkung eine sehr deutliche Absage erteilt. Damit haben Sie sich, wenn ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister heute früh richtig verstanden habe, in einen deutlichen Widerspruch zu ihm gebracht.
Aber jetzt kommt die eigentliche Frage von mir in diesem Zusammenhang: Wer regiert hier denn eigentlich seit etlichen Jahren? Wer hat denn in den Fragen des Arbeitsmarktes, wer hat denn in den Fragen der Steuerpolitik über Jahre hinweg die Möglichkeit gehabt, seine Vorstellungen durchzusetzen? Es ist doch ganz anders, Herr Roth: Ihre gewünschte Wirklichkeit und die tatsächlichen Verhältnisse und die Mehrheiten in ihren Parteien sind völlig konträr zueinander. Das ist doch der Punkt, warum Sie hier nichts Vernünftiges vorlegen können.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Steger [SPD] : Wir brauchen keine Strategiekommission!)

— Die hätte bei Ihnen auch keinen Sinn mehr; die müßte nur mehr die Abwicklung beraten, verehrter Herr Kollege. Anderes haben Sie wahrscheinlich nicht mehr zu beraten.
Sie haben eine vorausschauende Politik, Sie haben bessere Prognosen gefordert. Und Herr Kollege
Roth hat an dieser Stelle wieder sehr entlarvend vom „Einheitsbrei" des soeben vorgelegten Gutachtens gesprochen. Warum paßt Ihnen denn der „Einheitsbrei" nicht? — Weil er an ganz markanten Punkten die Thesen vertritt, die wir Ihnen gegenüber nicht nur hier immer wieder vertreten haben, für die wir Ihnen sogar Unterstützung angeboten haben, die in vielen Teilen dieser Wirtschaftsminister vertreten würde, aber hier nicht vertreten kann, weil Sie die Mehrheiten verweigern. Das ist doch der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und deswegen ist es Einheitsbrei, deswegen brauchen Sie Konkurrenz, deswegen brauchen Sie konkurrierende Gutachten, um sich dann vielleicht das eine noch heraussuchen zu können, das sogar Ihren wirtschaftspolitischen Einheitsbrei, um einmal Ihr Wort zu übernehmen, weiter nach vorne tragen würde.
Herr Kollege Roth, Sie haben hier in der Debatte eine interessante Einlassung zur Konzertierten Aktion gemacht, schriftlich allerdings haben Sie sich etwas deutlicher geäußert. In der „Neuen Gesellschaft" haben Sie dazu — ich möchte mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren — folgendes geschrieben:
In diesem Zusammenhang hat der Rückzug der Gewerkschaften aus der Konzertierten Aktion in den letzten Monaten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden. Gerade weil aber innerhalb der Konzertierten Aktion auf Grund der Konstruktion dieses Gremiums kein ausgewogenes Verhältnis von Macht zu Gegenmacht vorhanden ist, sondern ein offensichtlicher oder auch versteckter Zwang zum gemeinsamen Konsens über das Thema Lohnpolitik vorliegt, ...
Das, Herr Kollege Roth, ist das eine.
An einer anderen Stelle haben Sie — entweder in der vorhergehenden oder in der darauffolgenden Nummer — noch viel Interessanteres dazu geschrieben. Sie haben nämlich folgendes erläutert:
Die von der Gewerkschaftsbewegung früher vorgeschlagenen Formen der überbetrieblichen Mitbestimmung sind als Willensbildungsorgane der Strukturpolitik am besten geeignet. Eine vorausschauende Strukturpolitik muß also in Gremien der überbetrieblichen Mitbestimmung (Strukturräte) vorbereitet werden, obgleich sie dann letztlich vom Staat ausgeführt werden muß.
Für diese Strukturräte haben Sie in Ihrem Beitrag eigene, durchläufige Apparaturen und Gremien auf allen Ebenen gefordert. Das ist der Grund, Herr Kollege Roth, warum Sie mit diesem Wirtschaftsminister niemals übereinstimmende Wirtschaftspolitik betreiben können.
Herr Kollege Roth, Sie haben im zweiten Teil Ihrer Rede in katalogisierter Darstellung geschickt versucht, Probleme und Kriegsschauplätze anzuleuchten, die sich in Wirklichkeit ganz anders darstellen. Sie wollen die Verwirklichung von Zielen



Schedl
erreichen, für die Sie — Gott sei Dank — auch in Ihrem Lager noch keine Mehrheit haben. Weil Sie aber diese Ziele ohne die Mehrheit nicht erreichen können, lassen Sie die Öffentlichkeit in Unklarheit über die wirklichen Probleme, zu deren Verbesserung Sie im Sinne vieler Bürger arbeiten könnten. Ich nenne hier als Stichwort: Arbeitsmarkt.
Graf Lambsdorff, Sie haben heute früh dem Kollegen Barzel erklärt: „Meine Damen und Herren, Herr Kollege Barzel, ich glaube, Sie sollten diese Diskussion mehr auf den Punkt und mehr mit denen führen, die dafür Ihre eigentlichen Gesprächspartner sind."

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Kommen Sie doch einmal zur Sache!)

Herr Bundeswirtschaftsminister, an dieser Stelle muß man Sie sehr wohl fragen: Haben Sie, als Sie vor sieben Monaten Regierungsverantwortung übernommen haben, diese grundsätzliche Diskussion in dem Maße mit denen geführt, wie Sie das von uns verlangen und wie wir das tun? Im übrigen habe ich den Dank Ihres Kollegen Haussmann gerade dahin verstanden, daß wir dieses Thema hier überhaupt eingeführt haben. Weiter muß man Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, fragen: Haben Sie sich, wenn Sie diese Diskussion geführt haben, durchgesetzt, oder war die Minimalposition auch ein Grund für die knappe Beantwortung der Fragen, die wir Ihnen vorgelegt haben? So könnte man es nämlich durchaus auch auffassen.
Als letzten Punkt möchte ich hier noch die zunehmende Bürokratisierung ansprechen, die von Graff Lambsdorff ja auch gar nicht bestritten worden ist. Er hat hier vielmehr erklärt: Wir müssen vor allen Dingen darauf achten, nicht ein „Europa der Vorschriften" zu werden. Herr Bundeswirtschaftsminister, dies vermeiden wir am leichtesten dann, wenn wir eine Bundesrepublik der Vorschriften vermeiden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auf diesem Weg können wir die Entwicklung Europas eher und vernünftiger beeinflussen.
Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, haben gesagt, daß nicht nur Ihre Regierung für die Fehlentwicklung in Sachen Bürokratisierung auf europäischer Ebene verantwortlich sei. Das wollen wir gar nicht bestreiten. Nur, wenn Sie uns auch nur ein Beispiel dafür anführen könnten, wo Ihre Regierung in den Jahren der Verantwortung Hemmnisse, Vorschriften, Dickicht, Bürokratie abgebaut hat, statt an allen Ecken und Enden mehr Hemmnisse aufzubauen, dann wüßten wir, daß diese Feststellung mehr als ein verbales Lippenbekenntnis ist. Chancen, Hemmnisse abzubauen, gibt es in vielen Bereichen. Sie haben genügend Möglichkeiten, an denen Sie ansetzen können, um die Dinge zu entwirren, zu entflechten und für viele von uns zu verbessern.
Herr Kollege Barzel hat am Schluß seiner Rede in vier Punkten wesentliche Kernsätze unserer Alternativüberlegungen aufgezeigt. Herr Kollege Roth hat gegen Schluß seiner Rede einen Katalog all dessen aufgestellt, was politisch angegangen werden müßte. Sie haben darin Maßnahmen aufgezählt, die i. E. geeignet sein können, Investitionshemmnisse aus dem Weg zu räumen, und zu Steuerhemmnissen haben Sie sich hier deutlich eingelassen, Herr Kollege Roth. Hier denken Sie anders als Verantwortliche Ihrer Regierung. Zu den Bereichen Anreize und mehr Selbständigkeit, die ja der Kollege Barzel deutlich herausgestellt hat, ist von Ihrer Seite — das hat uns nicht gewundert — nichts gekommen, was als ein positiver Ansatz betrachtet werden könnte.
Meine verehrten Damen und Herren, um dieses abzurunden, zu zeigen, wie wichtig und richtig es war, diese Frage überhaupt wieder einmal in das Plenum des Deutschen Bundestags zu bringen, und um noch klarer zu machen, Herr Bundeswirtschaftsminister, wo die Gesprächspartner sitzen, möchte ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten noch ein Zitat des Kollegen Roth mit in die Debatte einführen. Er hat in der gleichen Ausgabe der „Neuen Gesellschaft", die ich vorhin bereits zitiert habe ausgeführt: „Es ist zu wünschen, daß er sowohl die politische Arbeit von Bundestagsfraktion" — damit wird er seine gemeint haben — „und Bundesregierung stützt und fördert, wie eine konkrete Phase der SPD-Wirtschaftsdiskussion einleitet". Und jetzt kommt es: „Das anarcho-liberale Gezeter in manchen Teilen der veröffentlichten Meinung ... , das mit Verdächtigungen wie ,antimarktwirtschaftlich die Erörterungen stören soll, müssen wir wohl hinnehmen. Wir können uns damit trösten, daß es immer weniger ernstgenommen wird."
Meine verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Roth, mich würde eigentlich intern noch interessieren, wo anarcho-liberales Gezeter beginnt. Was ist antimarktwirtschaftlich? Oder glauben Sie, daß Sie hier — wie in vielen anderen Bereichen der Politik auch — mit einem langen Marsch in einem verbalen Feldzug, mit einem unwürdigen Marsch in Verbalstrategie Mehrheiten oder zumindest größeren Gruppierungen glaubhaft machen zu können, daß Sie, wenn Sie von Marktwirtschaft reden, das auch meinen? In wesentlichen Ansätzen wollen Sie doch etwas ganz anderes. Das war der Grund, warum wir mit Ihnen, mit Ihnen allen, darüber reden wollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808829300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (SPD):
Rede ID: ID0808829400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sprecher der Union, Dr. Barzel, Professor Biedenkopf und Herr Schedl, haben sich mit einer ganzen Reihe von Themen und Sachverhalten befaßt: Herr Professor Biedenkopf insbesondere mit der Einschränkung der Tarifautonomie, Dr. Barzel mit anthropologischen Motiven für die Wirtschaftspolitik und Herr Schedl mit überwiegend polemisch aufgemachter Interpretation von Parteitagsbeschlüssen. Andere haben sich wiederum mit Konjunkturpolitik und mit Bürokratisierung beschäftigt.



Reuschenbach
Nur: Ich muß sagen, zum eigentlichen Thema, wie und ob man zweckmäßigerweise ,der Strukturpolitik auch das Bein „sektorale" hinzufügt und wie man das tut, hat jedoch kaum einer mehr als zwei, drei reichlich oberflächliche Sätze gesagt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Es ging dabei ein bißchen rundum: Markt kontra Staat. Das hört sich in manchen Ohren sicherlich gut an, sagt aber zum Tagesordnungspunkt wenig.
Ich will ein programmatisches Zitat in die Debatte einführen, und Sie dürfen raten, wer das vor drei Tagen gesagt hat. Es lautet:
Der Rückweg zur Vollbeschäftigung führt deshalb nur über eine angebotsorientierte Wachstums- und Strukturpolitik.
U n d Strukturpolitik! Dieser Satz stammt nicht etwa aus dem Munde eines strukturpolitisch fixierten Sozialdemokraten, sondern dies schrieb vor wenigen Tagen der Vorsitzende des Bundesfachausschusses für Wirtschaftspolitik der CDU, Ihr Kollege Herr Pieroth. Da können Sie es drehen und wenden, wie Sie wollen, und können der Strukturpolitik dieses oder jenes schmückende Beiwort hinzufügen oder wegnehmen, angebotsorientiert oder nicht, es bleibt, daß entgegen den beinahe wütenden Attacken gegen sozialdemokratische Erwägungen über sektorale Strukturpolitik der Vorsitzende eines so wichtigen Ausschusses der Christlich Demokratischen Union programmatisch — und damit hat er doch weitgehend auch für die Partei gesprochen — von der Strukturpolitik als einem unverzichtbaren Element, wie er es formuliert hat, für eine Vollbeschäftigung gesprochen hat.
Damit ist auch der merkwürdige Widerspruch angesprochen, der bei der Union herrscht, daß sie nämlich strukturpolitische Absichten und Zielsetzungen anderer als Teufelswerk verdammt, in ihren eigenen Aussagen zum Teil, aber noch viel stärker in der praktischen Politik bei Einzelanträgen und bei Forderungen im Parlament — vor allem in Ausschüssen, wo das nicht so öffentlich ist — mehr oder weniger sachgerecht zugunsten einzelner Branchen und Sektoren interveniert.
Es sind schon ein paar Beispiele dafür genannt worden. Ich will dem ganz allgemein hinzufügen: Es gab und gibt überhaupt keine Fraktion in diesem Parlament, die stärker und häufiger als die Union früher noch durchgesetzt, heute gefordert hat die Begünstigung einzelner Wirtschaftszweige, was sich dann auch in den Haushalten niedergeschlagen hat. Nur hatte das nach unserer Überzeugung verhältnismäßig wenig mit überlegter und an den Notwendigkeiten und Zukunftsentwicklungen orientierter Zielsetzung von Strukturpolitik zu tun, sondern erschöpfte sich weitgehend in Gefälligkeitsinterventionen. Aber das spielt auch keine Rolle. Auch eine falsch angelegte Förderung von Sektoren, eine falsch angelegte Förderung von Strukturpolitik ist ja ein Bekenntnis zu diesem Instrument, auch dann, wenn es nicht erfolgreich ist und nicht gelingt.
Ich wundere mich über dieses harte Nein, über die Abwehr solcher Erwägungen zur sektoralen
Strukturpolitik um so mehr, als das überhaupt keine neue Aufgabenstellung ist. Es ist jetzt zehn Jahre her, daß eine Bundesregierung, deren 'Bundeskanzler Kiesinger hieß, eine Erklärung unter der Überschrift „Grundsätze sektoraler Strukturpolitik" abgegeben hat. In dieser Erklärung steht viel,

(Dr. Ehmke [SPD] : Da war der pädagogische Einfluß noch wirksam!)

aber für unsere Debatte ist es wohl zweckmäßig, sich ein paar Sätze daraus in die Erinnerung zu rufen. Da heißt es:
Von der staatlichen Politik muß erwartet werden, daß sie den Strukturwandel erleichtert und fördert.
— Ja, durch Nichtstun bestimmt nicht. Weiter heißt es:
Die Grundsätze sollten in sämtlichen Bereichen der Wirtschaft als Leitlinie dienen und bei allen wirtschaftspolitischen Entscheidungen beachtet werden.
An anderer Stelle:
... steht die Entwicklung zukunftsweisender, für den gesamtwirtschaftlichen Fortschritt wichtiger Produktionszweige im Vordergrund unserer Wirtschaftspolitik.
Dies, auf heute übertragen, ist kein wesentlicher Unterschied zu dem, was Sozialdemokraten für vernünftig und zweckmäßig halten. Aber daß Sie sich von einem Mann, den Sie einmal so geschätzt haben, von diesem damaligen Bundeskanzler, so entschieden abwenden, spricht nicht für die Weiterentwicklung Ihrer Erkenntnisse und Einsichten.

(Beifall bei der SPD)

Wissen Sie, in der praktischen Politik dieses Hauses und in den verschiedenen Regierungen war und ist sektorale Strukturpolitik eine in der Praxis von allen akzeptierte Methode der Wirtschaftspolitik gewesen. Sicher ist es wahr, daß man zu Zeiten der Hochkonjunktur auf diese Seite der Wirtschaftspolitik weniger Schwergewicht gelegt hat und auch zu legen brauchte; die Auswirkungen des Strukturwandels sind im Boom weniger sichtbar und weniger dramatisch als heute.
Aber eine Partei, die einmal wesentlichen Anteil an der Bildung der europäischen Agrarmarktordnung hatte und sie als einen großen Erfolg auf ihre Fahnen geschrieben hat, hat in Wirklichkeit die strukturpolitische Jungfernschaft verloren. Sie hat diese Agrarmarktordnung als ein leuchtendes Beispiel von Wirtschaftspolitik dargestellt und ihre Ordnung begrüßt. Daraus ergibt sich jetzt, daß diese Partei überhaupt keine Veranlassung hat, ein konsequentes und klares Nein zu jeglicher Strukturpolitik zu sagen.
Wissen Sie, ohne jegliche Wertung: dieses Gebilde, diese Agrarmarktordnung mit Mengenpreisen, Vorräten und Interventionen ist ja nun wirklich das zur Zeit gigantischste Unternehmen sektoraler Strukturpolitik. Oder nehmen Sie doch ein anderes Beispiel, über das wir heute vor einer Woche debattiert haben, den ganzen Bereich der Ener-



Reuschenbach
giepolitik. Wenn ich mich recht erinnere, haben sich die Sprecher der Union, Herr Dr. Narjes und Herr Spies von Büllesheim, in keinem einzigen Satz und mit keinem einzigen Wort in jener Debatte vor einer Woche gegen diese Energiepolitik gewandt. Ganz im Gegenteil, sie haben die Bundesregierung kritisiert, weil sie ihre Projektionen und Zielsetzungen nicht entschiedener durchgesetzt habe; sie haben die Bundesregierung kritisiert, weil die Instrumente nicht scharf genug seien.
Ich erinnere mich gut an die Bemerkung des Kollegen Spies von Büllesheim zur Ölraffineriestruktur. Da sagte er, nun wird es aber doch allerhöchste Zeit, daß die Bundesregierung diese arme Ölwirtschaft nicht allein läßt, sondern sich ihrer Raffineriestrukturen annimmt, um die Strukturveränderungen dort in den Griff zu bekommen. Also, wenn dies nicht eine Aufforderung zum staatlichen Engagement zur Überwindung von Strukturproblemen und zur Förderung strukturpolitischer Entwicklungen ist, dann weiß ich nicht mehr, was eine noch deutlichere Aufforderung sein könnte, sich so zu engagieren.

(Zuruf von der SPD: Doppelstrategie!)

— In der Tat, das Wort Doppelstrategie ist hier ganz zweifellos angebracht.
Oder ich nenne die Förderung der Luftfahrt. Einer Ihrer großen Politiker, der sich hier bald verabschiedet, ist doch eines der hervorragendsten Beispiele. Ich erinnere daran, wie sehr er den Staat, staatliche, finanzielle und Gesetzesmittel eingesetzt hat, um auf dem Sektor der Luftfahrt voranzukommen. Ich kritisiere ihn gar nicht deswegen. Das ist ja auch ganz vernünftig, den Sektor der Luft- und Raumfahrt mit staatlichen Mitteln und auch mit Geld zu fördern. Nur, wer dieses in seiner Praxis tut, sollte doch bitte anderen nicht den Vorwurf machen, sie hätten da irgendein Teufelswerk im Sinn.

(Beifall bei der SPD)

In den Jahren der Krise in der Textilindustrie waren es vorwiegend und lautstark Sprecher der Union, die den Schutz vor ausländischer Konkurrenz um der heimischen Industrie willen, um des Schutzes von Arbeitsplätzen willen, gefordert haben.
Ich kann mich auch nicht erinnern, daß es in den letzten zwei, drei Jahren in irgendeiner der Fraktionen hier im Hause Protest gegeben hat, als die Bundesregierung vorschlug und Ausschüsse berieten und beschlossen und dann der Bundestag zustimmte, daß der immer schwieriger werdenden Lage der Werftindustrie mit staatlichen Mitteln, bezogen auf diese Branche, begegnet wird. Das Werftprogramm ist doch nichts anderes als eine branchenbezogene Förderung. Ihr Nein und Ihren Protest gegen angeblichen Staatsdirigismus müssen Sie, wenn Sie ihn überhaupt ausgesprochen haben, in irgendeiner Hinterstube, aber nicht in den Versammlungen an der norddeutschen Küste geäußert haben.
Ich bin aber gerne bereit, der Union mildernde Umstände zuzubilligen; denn natürlich ist nicht alles, was sie an Branchenbegünstigungen für richtig gehalten und in ihrer Regierungszeit auch getan hat, ausschließlich auf ihrem Mist gewachsen. Es ist schon so, daß solche Forderungen, berechtigt oder unberechtigt, überwiegend aus der Wirtschaft selbst kommen. Und da ist die Frage, wie weit man diesen Forderungen nachgibt oder wie weit man ihnen nicht erliegt. Auf jener Bühne ist es halt so, daß vor dem Vorhang auch die Führer der Wirtschaftsunternehmen und der Verbände das Hohelied des Marktes singen und daß hinter dem Vorhang das Gerangel um Durchsetzung handfester Brancheninteressen vor sich geht.
- Einige von Ihnen — auch einige hier aus dem Hause — haben in der vorigen Woche zwei Beispiele dafür erlebt, wie zwar hier auf der Bühne Marktwirtschaft gepriesen, Staatsdirigismus abgelehnt, sektorale Strukturpolitik verdammt wird, dies aber in einem Raum in Aussprache mit Wirtschaftsverbänden ganz anders beurteilt wird. Wir waren dort beim Verband der Deutschen Reeder. Dieser hat dargelegt, wie schwierig die Situation geworden sei, wie hart die Konkurrenz sei, auch wie schlimm die Comecon-Linien seien, und hat gesagt: Da muß doch die Politik etwas zu unseren Gunsten machen, um uns zu schützen. Es war einer Ihrer Kollegen — ich haben den Namen leider vergessen, aber das ist wirklich wahr —, der gesagt hat: „Wir haben das in den beteiligten Ausschüssen, im Auswärtigen und im Wirtschaftsausschuß und im Verkehrsausschuß, längst zur Sprache gebracht. Wenn es nach uns ginge, wäre schon völlig klar, daß in der Seeschifffahrt Quoten zugeteilt worden wären: Die machen soviel, und die dürfen soviel machen. Wenn es nach uns ginge, würde diese Branche schon längst unter das schützende Dach des deutschen Staates gekommen sein."
Eine andere Veranstaltung, ohne daß ich auch hier eine Wertung vornehmen, mit einem Werturteil kommen will, betrifft den Edeka-Verband. Er hat den Kollegen dieses Hauses eine Schrift vorgestellt, in der es folgendermaßen heißt:
In den letzten Jahren hat das Bewußtsein in Wirtschaft und Gesellschaft zugenommen, daß mit den Veränderungen der Struktur- und Wettbewerbsverhältnisse wesentliche ökonomische, raumwirtschaftliche, gesellschaftspolitische und versorgungspolitische Probleme verknüpft sind. Diese Gefahr verstärkt negativer Folgewirkungen ist auf längere Sicht nicht auszuschließen . . . Daraus leitet sich die Notwendigkeit einer kontrollierenden politischen Steuerung des Prozesses ab.
Solche Forderungen aus dem Raum der Wirtschaft, an die Parteien herangetragen, veranlassen die einen mehr, die anderen weniger, ihnen nachzugeben. Insofern meinte ich, gebe es mildernde Umstände für die Union. Ich will damit sagen, daß die Forderungen nach sektoralen, nach branchenbezogenen politischen Maßnahmen nicht aus irgendeinem kranken Kopf und nicht aus irgendeinem Fanatismus kommen, sondern in den tatsächlichen und wirklich vorhandenen ökonomischen Verhältnissen geboren werden. Ob man die Schlußfolgerungen immer teilt, die der eine oder andere Wirtschaftsverband zieht, ist eine völlig andere Sache.



Reuschenbach
Sie haben wirklich keine Veranlassung, den Sozialdemokraten Planungsgläubigkeit vorzuwerfen und schon gar nicht Prognosefetischismus, denn niemand von uns plädiert für die die gesamte Wirtschaft umfassende Planung mit Produktionskapazität, Beschäftigungs- und Absatzzielen. Nicht umsonst haben Sozialdemokraten sowohl in ihr Grundsatzprogramm wie auch in den Orientierungsrahmen '85 hineingeschrieben bzw. den wichtigen Satz unserer Programmatik zur Grundlage gemacht: Wettbewerb und freie Unternehmerentscheidung sind unverzichtbarer Bestandteil unserer Wirtschaftspolitik. Da, wo es um Verbesserungen des Kartell- und Wettbewerbsrechtes geht, standen und stehen immer die Sozialdemokraten und die Liberalen an der Spitze der Bewegung. Das ist doch kein Zufall. Aber wir sagen auch: Wettbewerb so weit wie möglich und Planung so weit wie nötig. Planung nämlich nicht um ihrer selbst willen und auch in Abhängigkeit von der Fähigkeit, zukünftige Entwicklungen einigermaßen zutreffend zu erkennen. Ganz zweifellos, diese Fähigkeit, künftige Entwicklungen zu erkennen, ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, mit welcher Intensität und welcher Verantwortung des Staates man sich an die Förderung sektoraler Branchen heranmachen darf. Wenn man da keine ausreichenden Prognosekenntnisse und -fähigkeiten hat, darf man nicht politische Verantwortung auf den Staat laden, die er nicht tragen kann. Sich daran heranzuarbeiten ist aber eine wichtige Aufgabe.
Theoretisch ist bei ihren Sprechern, z. B. bei Professor Biedenkopf, in der Analyse oder in der Bestandsaufnahme oft vieles klar. Da gibt es dieses kleine Büchlein — das erste Produkt seines neuen Instituts —, zu dem er hier in seiner Rede nicht näher Stellung nehmen wollte, trotz einiger Zwischenfragen, in dem er sich über Arbeitslosigkeit ausläßt. Im Vorwort stehen ein paar bemerkenswerte Sätze. Da heißt es:
Eine der entscheidenden Schwächen unserer Politik ist ihre völlige Beschränkung auf Probleme der Gegenwart. Zukunftsaufgaben werden vernachlässigt. Wohl selten hat eine Generation so ausschließlich für sich selbst gesorgt wie die gegenwärtige.
Nun lasse ich es einmal dahingestellt, ob er mit „unserer Politik" unsere oder seine oder die der sozialliberalen Koalition meinte. Wenn er es aber mit dieser Analyse ernst nimmt, dann bitte nicht nur den Mund spitzen, sondern auch pfeifen. Dann muß er, so gut und so weit es geht, auch in der Wirtschaftspolitik bereit sein, den Weg mitzugehen, so weit wie nur irgend möglich vorauszuschauen und daraus Konsequenzen zu ziehen und dann auch, soweit unsere Prognosefähigkeit es zuläßt, zu helfen, eine positive Strukturentwicklung mit auf den Weg zu bringen.
Zum Schluß: Es gibt in der Union ja immer noch einige, die sich der in ihrem Programm und in ihren Grundsatzerklärungen selbst gegebenen sittlichmoralischen Grundlage ihrer Gesellschafts- und Wirtschaftspolitk verpflichtet fühlen. Und den anderen schadet es sicherlich auch nichts, wenn sie sich gelegentlich zentraler Positionen der katholischen
Soziallehre erinnern. Zur Aufgabe des Staates in der Wirtschaft hat Johannes XXIII. in „Mater et Magistra" — jedenfalls gemessen an den Außerungen christlicher Wirtschaftspolitiker hierzulande und hier heute — Revolutionäres festgestellt; und ich glaube, es ist nicht überflüssig, Ihnen das in Erinnerung zu rufen. Da heißt es:
Es ist wahr, die Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntnis und Produktionstechnik geben augenscheinlich der staatlichen Führung heute in umfassenderem Maße als früher die Möglichkeiten an die Hand, Spannungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen, zwischen den verschiedenen Gebieten einer und derselben Nationen sowie zwischen den verschiedenen Nationen auf der Weltebene zu mildern, die aus den Konjunkturschwankungen der Wirtschaft sich ergebenden Störungen zu begrenzen und durch vorbeugende Maßnahmen den Eintritt von Massenarbeitslosigkeit wirksam zu verhindern. Darum ist es von der staatlichen Führung, die für das Gemeinwohl verantwortlich ist, immer wieder zu fordern, daß sie sich in vielfältiger Weise umfassender und planmäßiger als bisher wirtschaftspolitisch betätigt.
An anderer Stelle wird gesagt:
Darum ist von der staatlichen Führung zu fordern, daß sie dafür
— für diese Aufgabe nämlich —
angepaßte Einrichtungen, Zuständigkeiten, Mittel und Verfahrensweisen ausbildet.
Schließlich heißt es, es könne ebenso festgestellt werden,
daß, wo in der Wirtschaft die gebotene wirtschaftspolitische Aktivität des Staates gänzlich fehlt oder unzureichend ist, es schnell zu heilloser Verwirrung kommt. Da herrscht die freche Ausbeutung fremder Not durch von Skrupeln wenig gehemmte Stärkere.
Oswald von Nell-Breuning, der dieses Büchlein geschrieben hat, fügt hinzu:
150 Jahre Geschichte der Arbeiterbewegung sprechen hier eine deutliche Sprache.
Wissen Sie, es wäre für den Stil und die Ergebnisse unserer wirtschaftspolitischen Erörterungen viel gewonnen, wenn sich diejenigen, die das C im Namen ihrer Partei tragen, auch solche Festpunkte der katholischen Soziallehre mindestens gelegentlich in Erinnerung rufen ließen und darüber nachdächten. Nachdenklichkeit in diesem Punkte würde unserer künftigen Arbeit sicherlich zugute kommen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808829500
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Angermeyer.

Joachim Angermeyer (FDP):
Rede ID: ID0808829600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns heute mit der sektoralen Strukturpolitik beschäftigen, sollten wir dies nicht darauf beschränken, daß wir



Angermeyer
uns mit den binnenwirtschaftlichen Problemen auseinandersetzen; denn seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stehen wir mit unseren Sorgen nicht allein in unseren vier Wänden, sondern müssen gemeinsam mit unseren Partnern Lösungen für unsere gemeinsamen Probleme suchen.
Im Bereich der gesamten Gemeinschaft haben wir ein geringeres Wirtschaftswachstum; der letzte Gipfel in Kopenhagen hat dies festgestellt und dazu auch das Entsprechende gesagt. Wir haben 6 Millionen Arbeitslose in der Gemeinschaft, und wir müssen dabei auf die sektoralen Probleme Rücksicht nehmen.
Die Bundesrepublik hat sich bei Lösungen in diesen Bereichen und in bestimmten Ausnahmefällen bereit gezeigt, neue und besondere Wege mitzugehen. Ich darf hier auf den Stahlbereich und auf den Textilbereich hinweisen. Wir dürfen nur nicht daran glauben, daß man mit dem Patentrezept einer Massierung von Interventionen Lösungen, die dann letztlich das Geschehen bestimmen, finden kann. Denn hierdurch werden die Möglichkeiten der Gemeinschaft auf wirtschaftlichem Gebiet insgesamt strapaziert, überstrapaziert. Auch im Bereich der Gemeinschaft müssen wir uns an bestimmte Grundsätze halten.
Die Wirtschaft der Gemeinschaft steht weltweit veränderten Bedingungen gegenüber. Wir alle wissen, wieweit die weltweite Inflation uns zu europäisch-binnenwirtschaftlichen Maßnahmen gezwungen hat, die wir in dieser Form sicher alle nicht gewollt haben. Hierzu zählen die schwankenden Wechselkurse, die Währungsschlange, die Frage der Rohstoffe und alles, was mit den Hilfen für die Entwicklungsländer zu tun hat. Auf der einen Seite wollen und müssen wir die Exportmöglichkeiten dieser Länder fördern. Andererseits wissen wir und müssen in Kauf nehmen, daß dadurch im eigenen Bereich strukturelle Akzente neu gesetzt werden müssen.
Eine Folge der weltwirtschaftlichen Verflechtung ist in bestimmten Sektoren auch eine Änderung des Lohnkostenniveaus sowie eine •neue Beurteilung der technologischen Möglichkeiten, die sehr tiefgreifende strukturelle Anpassungen unsererseits erforderlich machen.
Auf diese Herausforderung hin dürfen wir vieles machen, nur einen Fehler nicht: hierauf mit protektionistischen und vielleicht sogar isolationistischen Maßnahmen zu reagieren. Wenn wir eine Marktwirtschaft weltweit wollen — und wir gehen doch wohl alle davon aus, daß sich dieses Prinzip, das sicher viele Fehler hat, bisher immer noch als das beste bewährt hat —, dann müssen wir auch bereit sein, den Preis zu zahlen, den dieses System von uns fordert.
Wir müssen uns rechtzeitig Wege überlegen, wie marktkonforme Innovationen gestaltet werden können. Verschließen wir uns diesen Problemen, werden Hilfslösungen nur Prothesencharakter haben, und wir werden unter kurzfristiger Bewahrung des Erreichten langfristig nur draufzahlen, da wir insgesamt die notwendigen Fortschritte im Bereich der Technologie, der Wirtschaftsentwicklung und der Sozialpolitik nicht für uns positiv werden verbuchen können.
Das gilt ganz besonders für den Bereich der Arbeitsmarktpolitik, auf den ich schon hingewiesen habe. Daß auch hier die Tarifpartner eine besondere Verantwortung haben, sei ausdrücklich erwähnt.
Wir sind uns alle klar darüber, daß ein Protektionismus nach außen eine Menge Nachteile bringt. Wir sind aufgefordert, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft als eine der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt ein Beispiel für das Gelingen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit des Welthandels zu geben. Unser negatives Vorbild würde andere Handelsnationen ihrerseits zum Protektionismus verleiten. Die gesamte Wirtschaftspolitik im Bereich des Nord-Süd-Dialogs wäre stark gefährdet. Es könnte sogar innerhalb des Gemeinsamen Markts zu Beeinträchtigungen des freien Handels kommen.
In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß den Maßnahmen zur Einfuhrregulierung im Bereich der Stahlerzeugung von seiten der Bundesrepublik nur mit erheblichen Vorbehalten zugestimmt wurde. Hier soll kein Präzedenzfall geschaffen werden.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Diese Maßnahmen sind ausschließlich als Medizin und nicht als Dauertherapie anzusehen.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Das ist der Punkt!) — Schönen Dank, Herr Barzel!

Das beste Regulativ für Strukturprobleme muß der Markt bleiben. Hier ist die vordringliche Aufgabe der Unternehmen. Der Staat oder der Rat kann dies nicht leisten. Mit Planung ist hier nicht geholfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie groß die Initiative, der Einfallsreichtum und die Risikobereitschaft der Unternehmen sein müssen, um mit diesen Dingen fertig zu werden, ist allgemein bekannt. In der erfolgreichen Lösung der Probleme liegt jedoch die Bestätigung für das marktwirtschaftliche System. Keine Behörde kann dies besser machen als die freien Unternehmen im freien Wettbewerb.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Bravo! — Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU] : Meint das auch Frau Schuchardt in Hamburg?)

— Ich habe hier nicht die Auffassung von Frau Schuchardt zu vertreten, sondern ich vertrete die, die ich habe und die meine Fraktion mit mir teilt und die wir in Kiel beschlossen haben.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich kurz auf die Möglichkeiten eingehen, den Strukturwandel besser zu beobachten. Hier muß sicher mehr als bisher getan werden, um Entwicklungen abschätzen zu können, die zu strukturellen Verwerfungen führen können. Hierbei müssen wir aber darauf bestehen, daß es sich nicht um



Angermeyer
staatlich ermittelte Ergebnisse und Analysen handeln darf, da sonst die Gefahr der Erstellung von Prognosen ex cathedra entsteht, die gleichzeitig zu einer verbindlichen Richtschnur für alle Unternehmen werden können. Eine staatlich verordnete Planung — ich wiederhole dies noch einmal lehnen wir ab. Sie paßt nicht in das System der freien Marktwirtschaft. Sie hemmt oder verhindert sogar den Wettbewerb.
In diesem Zusammenhang müssen die Unternehmen darauf hingewiesen werden, daß der Wettbewerb, der am ehesten zur Aufdeckung von Strukturschwächen führt, nicht durch Marktabsprachen oder unzulässige Kartelle behindert werden darf. Für die Gründung neuer Unternehmen und für zukunftweisende Innovationen muß eine bessere Unterstützung in jeder und nicht nur in finanzieller Form gewährt und gefunden werden.
Hierbei werden sicherlich auch funktionsfähige weltweite Abkommen eine große Bedeutung haben. Eine ähnliche Bedeutung kommt der Unterstützung der Forschungen und der Innovationspolitik zu. Diese staatliche Unterstützung sollte jedoch vorrangig dort eingesetzt werden, wo es um die Schaffung langfristiger und neuer Strukturen geht, und nicht dort, wo überalterte Bereiche zu Lasten aller Steuerzahler künstlich am Leben erhalten werden sollen.
Auch für diesen Bereich — damit möchte ich schließen — gilt der Grundsatz: Nur so viel staatliche Eingriffe wie unbedingt nötig und so viel freie Initiative und freier Wettbewerb wie irgend möglich.

(Beifall auf allen Seiten)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808829700
Das Wort hat der Abgeordnete Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID0808829800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es ein bißchen eigenartig, daß die Opposition eine Große Anfrage einbringt und selbst nur mit zehn, elf Abgeordneten hier im Saal vertreten ist.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Und Herr Biedenkopf hält eine große Rede und verschwindet sofort danach erst mal in die Cafeteria.

(Dr. Biedenkopf [CDU/CSU]: Sie irren sich! Wir haben die ganze Zeit nebeneinander gesessen!)

— Da irren Sie sich, Herr Biedenkopf. Also, das ist mir ein bißchen hart, der Tobak.

(Zurufe von der CDU/CSU: Zur Sache!)

Aber Sie haben uns ja hier sowieso mit einem Seminar für Studenten im dritten Semester, gewissermaßen privatissime und gratis, gelangweilt.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU] : Er wollte auch Sie ansprechen!)

Wir sind natürlich froh darüber, daß dieser akademische Vortrag zum Ende gekommen ist.
Die Große Anfrage der CDU/CSU zur sektoralen Strukturpolitik hat offensichtlich den politischen
Sinn, einen Keil in die sozialliberale Koalition zu treiben. Hier werden von der Opposition Meinungsunterschiede in der Regierung vermutet, die es überhaupt nicht gibt.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Es gibt in dieser Frage zweifellos Meinungsunterschiede zwischen den Parteien. Aber wenn wir die nicht mehr hätten, dann könnten wir uns ja gleich zusammenschließen. Es ist auch gut so, daß wir hier Meinungsunterschiede haben. Die sollen auch offen und ehrlich ausgetragen werden. Polemische Fragen und Äußerungen seitens der Opposition sind, finde ich wenigstens, deshalb völlig unangebracht, zumal sektorale Strukturpolitik keine Erfindung dieser Regierung ist. Dieses nehmen wir gar nicht für uns in Anspruch.
Anpassungshilfen für bestimmte Wirtschaftszweige wie z. B. für die Werftindustrie und die Textilindustrie oder die Luft- und Raumfahrtindustrie hat es schon unter CDU-Regierungen gegeben. Allerdings bestand damals die Gefahr, daß ein völlig unsystematisches Eingreifen in die Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen sich ölfleckartig ausbreiten könnte. Seit eh und je findet die Lobby der Wirtschaft bei der Opposition ja bekanntlich wesentlich offenere Ohren als bei uns. Das wissen die Herren der Wirtschaft auch. Herr Köhler ist ja nicht mehr im Saal, aber der würde sich sicherlich direkt angesprochen fühlen.
Das Verdienst der Sozialdemokraten ist es aber, in der sektoralen Strukturpolitik Grundsätze aufgestellt zu haben, damit Gschaftlhuberei oder ein Rückfall in den punktuellen Interventionismus vermieden werden. Grundsätze sind unabdingbar, obwohl dies zur gleichen Zeit heißt, daß es Ausnahmen gibt. Denn die Ursachen von wirtschaftlichen Störungen sind von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig häufig sehr unterschiedlich. Unterschiedliche Ursachen für Strukturprobleme erfordern aber auch unterschiedliche Antworten in der Politik.
Wenn die Opposition der Regierung vorwirft, daß die Antworten auf Ihre Anfragen dünn ausgefallen seien, so ist das zunächst sogar verständlich. Denn die Kenntnisse über Strukturentwicklung sind in der Tat in diesem Lande noch immer sehr dünn, und es gilt, diese Kenntnisse zu erweitern.
Wenig sinnvoll ist z. B., daß Bund, Länder und Gemeinden, jeder auf seine Weise, sektorale Strukturpolitik betreiben, ohne sie zu koordinieren. Wie unsinnig ist es, daß regionale und sektorale Strukturpolitik sich gegenseitig zum Teil konterkarieren. Was wir zunächst brauchen, sind mehr Informationen über die Entwicklung der Wirtschaftszweige in unserem Lande. Die Strukturberichterstattung, die in dieser Legislaturperiode von der Regierung in Angriff genommen wurde, ist ein sinnvoller Beitrag, um mehr Licht in das strukturelle Dunkel zu bringen. So wird mehr Transparenz auch für die Unternehmen geschaffen, die über Fehlinvestitionen in den vergangenen Jahren bekanntlich nicht klagen können. Wenn Herr Biedenkopf kritisiert, daß wir hier wieder weitere Prognosen



Dr. Jens
hätten, die möglicherweise falsch sein könnten, so liefert sein Institut, das er jüngst aus der Taufe gehoben hat, wahrscheinlich erneut zusätzliche Prognosen, die sehr wohl auch falsch sein können. Warum sollten zusätzliche Prognosen eigentlich nicht sinnvoll sein? Kein Unternehmer wird eine Investitionsentscheidung fällen, ohne vorher selbst eine Prognose über die zukünftige Entwicklung zu machen. Zusätzliche Informationen sind deshalb notwendig und für die Unternehmen auch erforderlich.
Um dirigistische Eingriffe zu vermeiden, die wir auch nicht wollen, ist es auf alle Fälle wichtig, die Flexibilität der Preise für Produktionsfaktoren und für Produkte zu erhalten. Die CDU will allerdings mit der jetzt vorgelegten Novelle zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb diese Flexibilität der Preise durch die Beschränkung der Information über Preisentwicklung eindämmen. Dies ist kein Beitrag zum Ausbau unserer marktwirtschaftlichen Ordnung, ganz im Gegenteil. Wir werden darüber ja noch zu reden haben.
Zweifellos müssen wir die Strukturpolitik ausbauen, aber ohne die Dezentralisierung der Entscheidungen aufzuheben und ohne die Verluste zu sozialisieren, weil dies die Freiheit in unserer Wirtschaft zerstören würde.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU] : Auch nicht bei der Helaba!)

Die Globalpolitik, so wie wir sie seit 10 Jahren hier in diesem Lande betrieben haben, hat zweifellos ihre Fehler; denn sie hat nicht unmittelbar, aber mittelbar mit dazu beigetragen, daß die Konzentration in unserer Wirtschaft weiter wächst. Globale Politik trifft eben Reiche und Arme, Starke und Schwache sehr unterschiedlich. Deshalb müssen wir vielleicht, um diese Ordnung zu erhalten, verstärkt zu einer differenzierten Förderung kommen, die Bezieher kleiner Einkommen und kleine Unternehmer überdurchschnittlich begünstigt. Im übrigen verläuft die Entwicklung in den Wirtschaftszweigen häufig sehr unterschiedlich. Dies ist auch ein Argument gegen die Globalpolitik. Die Automobilindustrie prosperiert, und in der Stahlindustrie haben wir eine Krise. Mit globalen Ankurbelungsbemühungen werden die einen zwar richtig getroffen, aber die anderen völlig falsch. Bei den einen schaffen wir Arbeitsplätze, bei den anderen tragen wir dazu bei, daß die Preise steigen können.
Globalpolitik setzt im übrigen zwingend voraus, daß der Wettbewerb in unserer Wirtschaft funktioniert: Die Monopolkommission hat allerdings gerade festgestellt, daß die Konzentration in der Wirtschaft wiederum kräftig fortgeschritten ist.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: In Ihren Regierungsjahren!)

Ich hoffe, Sie werden bei der Kartellgesetznovelle mit dazu beitragen, daß wir hier gegensteuern können.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU] : Sie war noch nie so groß wie in Ihren Regierungsjahren!)

Wichtig für die Globalpolitik ist ferner, daß sich die Wirtschaftssubjekte ökonomisch und nur ökonomisch sinnvoll verhalten. Gerade in unserer Situation kommt es deshalb darauf an, daß sich alle Teilnehmer am Wirtschaftsprozeß flexibler und risikobereiter verhalten. Das Streben nach Sicherheit auch der Unternehmer ist zwar verständlich, aber nicht mit unserer liberalistischen Wirtschaftsordnung, die von der Eigeninitiative lebt, vereinbar.
Viele Probleme, mit denen Wirtschaftszweige in unserem Lande zu kämpfen haben, resultieren eben aus den weltwirtschaftlichen Turbulenzen der letzten Zeit. Die Stahlindustrie, die Chemiefaserindustrie, die Düngemittelindustrie erleiden heute das Schicksal der Textilindustrie von vor zehn Jahren. Genauso wie die Textilindustrie wird sich aber auch die Stahlindustrie umstellen müssen. Massenstahl können bereits heute die Entwicklungsländer produzieren, und zwar wesentlich billiger als wir, hochwertige Spezialstähle aber noch lange nicht. Die Weltwirtschaft wird im übrigen auch mit unserer Entwicklungshilfe in einem Tempo umstrukturiert wie die Wirtschaftsstruktur in Europa am Ende des vorigen Jahrhunderts. Diese Entwicklung ist unaufhaltsam. Wichtig erscheint mir nur, daß man verstärkt auf die Entwicklungsländer einwirkt, auch für den eigenen Markt zu produzieren und nicht alles zu exportieren. Der Bedarf dieser Länder ist nahezu grenzenlos, wenn nur genügend Kaufkraft vorhanden wäre.
In dem Maße, wie wir anderen Entwicklungsländern beim Aufbau von Industrien helfen, müssen wir unseren Industrien helfen, sich umzustrukturieren. Nur Produktionen mit viel technischem Knowhow werden auf längere Zeit von uns auf dem Weltmarkt abgesetzt werden können. Leider kann man den Schumpeterschen Unternehmer in unserer Wirtschaft kaum noch finden. Weil das so ist, werden wir nicht darum herumkommen, daß im Bereich der Forschung und Technologie auch der Staat verstärkt die Weichen stellt.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Sie wollen den Schumpeter mit der Rationalisierung gar nicht haben!)

Bei Aufwertungssätzen von 7 bis 8 Prozent in den letzten Jahren braucht man sich auch nicht darüber zu wundern, daß die deutschen Unternehmen ins Ausland gegangen sind und dort investiert haben. Jahrelang ist es allerdings umgekehrt gewesen: Jahrelang sind deutsche Unternehmen von den Amerikanern aufgekauft worden, weil diese für sie besonders billig waren. Die abrupte Abwertung des Dollars in den letzten Jahren kann manchmal Erinnerungen an die unselige „beggar-my-neighbourpolicy" der zwanziger Jahre wachrufen. Eine falsche Antwort auf diese Herausforderung wäre nach meinem Dafürhalten allerdings die Flucht in den Protektionismus, der sich vor allem in Europa in der letzten Zeit breitgemacht hat und der vor allem in den Kreisen der Opposition Befürworter hat. Nachdem die Stahlindustrie ihre Mengen- und Preiskartelle unter Dach und Fach gebracht hat, steht jetzt die Mineralölwirtschaft in Brüssel bereits vor



Dr. Jens
der Tür; aber protektionistische Maßnahmen sind leichter eingeführt als wieder abgeschafft. Sie haben die übliche und üble Eigenschaft, sich wie ein Krebsgeschwür auszubreiten, das eines Tages nicht mehr beherrscht werden kann. Vor dieser Reise in den Protektionismus ist laut und deutlich zu warnen.
Mitunter beschleicht einen angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen in Europa das Gefühl, daß sich die Geschichte wiederholen könnte. Aber wir Sozialdemokraten werden auch mit der sektoralen Strukturpolitik dagegen kämpfen, daß unsere Republik ein solches Ende wie damals die Republik von Weimar finden wird. Ich hoffe allerdings zunächst, daß es in allen Industrienationen der westlichen Welt gelingen wird, sich durch einen internationalen Pakt zur Wiedererlangung der Vollbeschäftigung, der jüngst von unserem Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen wurde, aus dem weltwirtschaftlichen Sumpf zu ziehen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808829900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidhuber.

Peter M. Schmidhuber (CSU):
Rede ID: ID0808830000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als letzter Redner meiner Fraktion das Ergebnis der heutigen Debatte zusammenfassen.
Zunächst möchte ich noch ein Wort zu meinem lieben Kollegen Jens sagen. Herr Kollege Jens hat angemerkt, daß der Herr Kollege Professor Biedenkopf kurzfristig den Saal verlassen hat. Wir freuen uns, daß er zurückgekehrt ist; aber leider fällt mir schon seit einiger Zeit auf, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister offenbar wegen wichtiger Staatsgeschäfte zurückgezogen hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Das müssen wir dann auch anmerken. Ich halte im übrigen von solchen Einleitungen, mit denen uns der Herr Kollege Jens immer beglückt, nicht allzuviel.

(Zuruf von der SPD: Wo ist denn Ihr Experte Strauß?)

Nun komme ich aber zu dieser Debatte. Der Herr Bundeswirtschaftsminister und die Vertreter der Koalition haben es sorgfältig vermieden, auf die Kernfrage unserer parlamentarischen Initiative einzugehen. Diese Frage möchte ich wie folgt formulieren: Wird die neue Welle des wirtschaftspolitischen Interventionismus, die unter der Bezeichnung Strukturpolitik anrollt, die Qualität unserer Wirtschaftsordnung verändern, wird der Markt, das dezentrale Steuerungssystem unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, durch ein Stakkato wirtschaftspolitischer Eingriffe gelähmt, und soll in Zukunft die Steuerung, d. h. die Signalsetzung für wirtschaftliche Betätigung, nicht mehr über den Markt, sondern durch eine Vielzahl von Räten erfolgen? Daß dies so ist, dafür gibt es genügend Belege. Viele sind in dieser Debatte genannt worden.
Die Koalition hat unsere Große Anfrage in äußerst dürftiger Weise beantwortet.

(Dr. Steger [SPD] : Vielleicht lag es an den Fragen, Herr Schmidhuber!)

— Ich komme schon noch darauf.
Dies war offenbar der kleinste gemeinsame Nenner der Unverbindlichkeit, auf den sich die Koalitionspartner, gerade noch einigen konnten.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!. — Dr. Steger [SPD] : Ohne Strategie-Kommission!)

Die Opposition ist bei dieser Beantwortung der Anfrage mit „benign neglect behandelt worden. Die Antworten waren kürzer als die Fragen.

(Heiterkeit — Roth [SPD] : Wird das nicht gerügt?)

Es ist nur die Frage, wie lange Sie sich das noch leisten können.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat dann in seiner Rede unsere Bedenken aus dem Plenarsaal des Deutschen Bundestages in die Versammlungssäle der politischen Parteien verwiesen, auf Diskussionsforen, wie er sich ausgedrückt hat. Meine Damen und Herren, dies ist natürlich ein billiger rhetorischer Trick und offenbart im übrigen ein merkwürdiges — ich möchte beinahe sagen — gräfliches Verständnis der Verfassungswirklichkeit. In diesem Haus sitzen die Repräsentanten der politischen Parteien als die Vertreter des deutschen Volkes. In den politischen Parteien vollzieht sich die Vorformung des politischen Willens, der in diesem Hause exekutiert wird. Man kann es sich nicht so leicht machen, zu sagen: Das erledigen wir auf der Forumsdiskussion, und hier machen wir das, was Sie, meine Herren von der Koalition, unter praktischer Politik verstehen. Meine Damen und Herren, die Regierung schwebt nicht über den Parteien. Sie besteht aus den Parteien.

(Dr. Steger [SPD] : Die Regierung steht fest auf dem Boden! Die Opposition schwimmt!)

— Ich kann Ihnen nur dazu gratulieren, daß Sie sich an Ihren eigenen Sprüchen festhalten.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, der Kollege Roth hat heute zu einem mittleren Rundumschlag ausgeholt und uns gesagt, was wir für ordnungspolitische Sünder seien. Sie haben sich einen Buhmann aufgebaut, dem Sie dann die erforderlichen Ohrfeigen erteilt haben. Aber Sie sind nicht darauf eingegangen, was der Kollege Dr. Barzel und der Kollege Professor Dr. Biedenkopf gesagt haben.
Natürlich wissen wir, daß wir eine gemischte Wirtschaftsordnung haben.

(Dr. Steger [SPD]: Was? Da fragen Sie aber mal Herrn Biedenkopf!)

— Das haben wir immer gesagt. Wir haben eine gemischte Wirtschaftsordnung, in der nach unserer Auffassung das dezentrale Steuerungssystem das entscheidende ist. Wir machen doch seit 1949 Wirtschaftspolitik und haben dazu beigetragen, daß die-



Schmidhuber
ser Wirtschaft das enorme Wachstum der 50er und 60er Jahre gehabt hat.
Die entscheidende Frage ist doch, ob die Investitionslenkung, d. h. die Beeinflussung der Investitionsströme, durch entsprechende Rahmensetzung über den Markt erfolgt, oder ob der Markt ersetzt werden soll durch eine progressiv fortschreitende Wirtschaftsplanung, und das ist das, was wir aus Ihren Papieren herauslesen, meine Herren von der SPD.

(Dr. Steger [SPD] : Herauslesen! — Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] : Weil Sie es hineingeschrieben haben!)

— Ich bleibe bei dieser Interpretation.
Nun noch ein Wort zum Kollegen Dr. Jens. Er hat die hochinteressante Frage gestellt: Wo bleibt denn der Typ des Unternehmers, den Joseph A. Schumpeter in seinem hervorragenden Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" beschrieben hat? Den findet er heute nicht mehr. Ich kann Ihnen schon sagen, Herr Kollege Dr. Jens, warum Sie den nicht mehr finden. Den haben Sie, meine Herren von der SPD, von der Bildfläche verdrängt durch die Androhung sogenannter Reformen, und Sie haben ihn entmutigt durch einen enormen Gesinnungsdruck, den Sie seit 1969 ausgeübt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Art Unternehmer wird auch wieder in Erscheinung treten, wenn die Rahmenbedingungen anders sind, wenn er wieder etwas unternehmen kann, meine Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808830100
Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Steger.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0808830200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst ebenso wie Herr Schmidhuber ein kurzes Fazit dieser Debatte zu ziehen, um dann vielleicht noch Ihre Aufmerksamkeit auf einen Punkt zu lenken, bei dem vieles, was heute von der Opposition in Frage gestellt wurde, längst schon erfolgreich praktiziert wird.
Die Anlage der Debatte durch die Opposition sah ja so aus, daß man einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen treiben wollte, daß man sagen wollte: Nun guckt doch mal, staunendes Publikum, wir, die CDU, sind ja mit der FDP viel mehr einer Meinung, als die Sozialdemokraten das sind.
Man hat dabei insbesondere, Herr Barzel, sorgfältig vermieden, sich mit der von der Bundesregierung tatsächlich praktizierten sektoralen Strukturpolitik auseinanderzusetzen. Sie haben viel Lyrik geboten, Zitate von Hayek. Mich wundert, daß Sie nicht auch noch Adam Smith hier in die Debatte eingeführt haben. Nur wäre es sicherlich sehr viel besser gewesen, wenn Sie auch einmal in Keynes geschaut hätten, denn dann hätten Sie eine profundere Leitlinie für das, was heute an wirtschaftspolitischen Ansätzen notwendig ist, als wenn Sie es ausgerechnet bei abgehalfterten Ordoliberalen tun.

(Dr. Unland [CDU/CSU] : Und was ist mit Johannes XXIII.?)

Meine Vermutung, warum Sie es nicht riskiert haben, sich hier mit der praktizierten sektoralen Strukturpolitik auseinanderzusetzen, geht dahin, daß Sie es einfach, Herr Barzel, an Mannesmut vor Grafenthronen haben fehlen lassen, denn nachdem Herr Probst letztens in der energiepolitischen Debatte so schlecht ausgesehen hat, wollten Sie sich vermutlich ein ähnliches Schicksal ersparen.
Dafür blieb es Herrn Biedenkopf vorbehalten, in einer Art und Weise die Marktwirtschaft hochzujubeln, daß einem geradezu noch die Tränen in die Augen kommen mußten. Nur, Herr Biedenkopf: Die Unterschiede zu den anderen Rednern der Opposition sind, glaube ich, allzu deutlich geworden. Sie gingen sogar so weit, dem Markt Intelligenz zuzusprechen. Wahrscheinlich haben Sie in Ihrem pseudowissenschaftlichen Institut dessen IQ gemessen. Sie haben gesagt, der Markt sei klüger als Bürokraten.

(Dr. Biedenkopf [CDU/CSU] : Da habe ich Ihren Bundeskanzler zitiert, der hat das nämlich auch gesagt!)

— Herr Biedenkopf, nach der Rede, die Sie heute gehalten haben, die ein sehr schlechtes Proseminar war, kann ich mir soviel Einsicht bei Ihnen gar nicht vorstellen, daß Sie den Bundeskanzler zustimmend zitieren.
Sie haben den Markt hochgejubelt, wie es im Widerspruch zu allem steht, was Vertreter Ihrer eigenen Fraktion hier gesagt haben. Damit kommen wir, glaube ich, zum interessanteren Teil der Diskussion. Ich will Ihnen gern zugeben: Der interessantere Teil der Debatte findet innerhalb und zwischen den Koalitionsfraktionen statt.
Graf Lambsdorff hat hier ausgeführt — das fand ich sehr bemerkenswert —, daß auch er die sektorale Strukturpolitik lange Zeit verdrängt habe, aber nach dem Einarbeiten in die Probleme sehr klar sehe, daß sie notwendig sei. Was sind denn die Erfordernisse dieser sektoralen Strukturpolitik, was steht in diesen von Ihnen so viel geschmähten Parteitagsbeschlüssen? Übrigens: Wenn Sie, Herr Schmidhuber, diese einmal gelesen und nicht nur etwas herausgelesen hätten, dann hätten Sie in den Kieler Thesen einiges entdecken können, was zumindest in Herrn Biedenkopfs ordnungspolitisches Scheuklappenleitbild nicht hineingepaßt hätte.
Worum geht es bei diesem Punkt? Wir sind in einer weltweiten Wachstumskrise, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die frühere, fast problemlose, einmalig hohe Wachstumsphase der Nachkriegszeit vorbei ist und wir zu Wachstumsraten zurückkehren, die — im historischen Vergleich - als durchschnittlich zu bezeichnen sind. Dies schafft uns viele Anpassungsprobleme, die weder durch strukturkonservierende Maßnahmen noch durch eine defensive Strategie des Lohnverzichts zu lösen sind. Erforderlich ist vielmehr, daß in die notwendigen staatlichen Maßnahmen mehr Transparenz und mehr Rationalität hineinkommt, als es mit diesen fallweisen Eingriffen einer konservativen Strukturpolitik — denken Sie doch einmal an Ihre eigenen Maßnahmen, die Sie in den 50er Jahren und Anfang der 60er Jahre ergriffen haben — bislang der Fall gewesen



Dr. Steger
ist. — Da können Sie ruhig den Kopf schütteln. Aus diesem Zwiespalt zwischen den ordnungspolitischen Glaubensbekenntnissen von Herrn Biedenkopf und diesen fallweisen Eingriffen — pragmatisch kann man die gar nicht nennen; das ist der fehlende Mut, Herr Barzel, wenn es schon um Mut geht, zu einer konzeptionellen Wirtschaftspolitik — kommen Sie nicht heraus. Und dann beschimpfen Sie die Koalition, weil wir versuchen, in die notwendigen strukturpolitischen Entscheidungen mehr Transparenz, mehr Rationalität, bessere Informationsgrundlagen, eine bessere Willensbildung hinein- und diese Entscheidungen aus dem Gemauschel der Interessenverbände mit einzelnen Regierungsbürokraten herauszubringen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Dummes Geschwätz!)

Dies ist der Kern; darüber können Sie auch nicht hinweg. Vor allen Dingen können Sie deswegen nicht darüber hinweg, weil es entgegen der negativen Einschätzung, die Sie hier gegeben haben, durchaus Bereiche gibt, in denen die staatliche sektorale Strukturpolitik alles andere als erfolglos war. Ich nenne Ihnen drei Bereiche: die Datenverarbeitung, die Luft und Raumfahrt und die Kernenergie. Natürlich haben sich nicht alle mit der Förderung verbundenen Erwartungen und Hoffnungen erfüllt. Aber es wäre doch wohl verkehrt, diese Mißerfolge, die es gegeben hat, jetzt der staatlichen Förderung zuzuschreiben. Da muß man z. B. über Mißmanagement im Bereich der Luftfahrtindustrie und nicht so sehr über falsche Datensetzung durch den Staat reden.
Im übrigen: Da herrscht oder herrschte — ich muß das vorsichtig sagen — zumindest in unserem Ausschuß Einigkeit darüber — Herr Riesenhuber, Sie sind Kronzeuge —, daß es für die staatliche Förderung in diesen sektoralen Bereichen konstitutiv ist, daß ein besonderes Entwicklungsrisiko besteht, das die privaten Unternehmen zu tragen nicht bereit wären — denn nur dieses Entwicklungsrisiko rechtfertigt eine solche staatliche Förderung —, daß auch. das Risiko von Fehlentwicklung oder sogar das des Scheiterns besteht.
Letzter Punkt: Was ist auf der Basis des bisher Erreichten künftig notwendig? Wir haben in diesen Anträgen — das ist ein Punkt, an dem wir, glaube ich, auch keine Meinungsverschiedenheiten mit den Liberalen haben — gesagt, daß die Wachstumsbedingungen unserer Volkswirtschaft ständig verbessert werden müssen, daß .dies nur in einem mittelfristigen Zeithorizont geschehen kann, daß in diesem Rahmen die Forschungs- und Technologiepolitik und die damit verbundene Innovationsförderung einen zentralen Stellenwert einnehmen und daß sich das — anders als die von Ihnen geforderten pauschalen Steuererleichterungen — sehr viel mehr an 'den zentralen Bedürfnissen dieser Gesellschaft und seiner einzelnen Mitglieder orientiert, als wenn jede Familie 8 DM mehr im Monat hätte.
Ich nenne drei Bereiche:
Der erste Punkt sind neue Technologien zur Lösung der Energie-, Rohstoff- und Umweltprobleme — nicht nur für uns, sondern auch für die Entwicklungsländer. Was z. B. Solarkollektoren oder Windmühlen betrifft, denken wir nicht nur immer an die Verwendung im eigenen Land, sondern wir denken dann auch daran, wie dieses dezentral organisiert in verschiedenen, Entwicklungsländern eingesetzt werden kann. Man sollte hier ja wohl mittlerweile auch unterstellen können, daß selbst die Opposition begriffen hat, daß hier neue Märkte liegen, daß hier Wachstumschancen liegen, die aber eben nicht von selber kommen, sondern für die es einer gezielten staatlichen Hilfe und Förderung bedarf. Die Opposition hat jedenfalls auch schon entsprechende Anträge eingebracht. Von daher darf ich wohl davon ausgehen, daß sie dort mit uns einer Meinung ist.
Der zweite Bereich betrifft die Förderung der kommunalen Technologien. Ich nenne hier die neuen Verkehrssysteme, Systeme des Gesundheits- und Betreuungswesens, Ver- und Entsorgungssysteme wie etwa Müllverbrennungsanlagen und ähnliches. Dies ist ebenfalls ein Bereich, der zur größeren Produktivität im öffentlichen Sektor beiträgt und neue Wachstumschancen eröffnet. Ich nenne hier ferner den Bereich der Information und Dokumentation sowie der technischen Kommunikation.
Als letzten, aber vielleicht doch wichtigsten Punkt nenne ich die Strategien zur Humanisierung der Arbeit und zur Steuerung des technischen Fortschritts; denn — ich glaube, das ist der Punkt, Herr Biedenkopf, den Sie völlig verkennen — in der gegenwärtigen Situation sind die Arbeitnehmer in diesem Lande nicht mehr bereit, quasi als Versuchskarnickel die sozialen Konsequenzen des technischen Wandels an sich ausprobieren zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen, damit der technische Wandel zum Fortschritt wird, diesen von gesellschaftspolitisch und arbeitsplatzorientierten Kriterien gesteuert wissen. Dieses — das muß ich Ihnen auch sagen, Herr Biedenkopf — haben Ihre Kollegen im Forschungs- und Technologieausschuß anerkannt, indem sie die Forderung nach einer Technologiebewertung gestellt haben. Genau darum geht es ja im Kern: Wie steuere ich den technischen Wandel im Hinblick auf gesellschaftspolitische Ziele, damit er wirklich Fortschritt genannt werden kann und nicht nur eine bloße Produktivitätsverbesserung ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch ein kritisches Wort an das Wirtschaftsministerium richten, weniger an die Leitung, sondern mehr an die gehobenen Beamten, die auf sehr sicheren und wohldotierten Arbeitsplätzen sitzen und von denen ich mir etwas mehr Verständnis für die Situation der Arbeitnehmer in der Metallindustrie und in der Druckindustrie erhofft habe. Soweit es in der Presse bekanntgeworden ist, muß man nämlich davon ausgehen, daß dort diese Tarifverträge sehr negativ beurteilt worden sind. Ich muß hier sagen, daß ich diese Beurteilung nicht teilen kann, denn gerade wenn man die Marktwirtschaft für einen effizienten Rechenmechanismus hält, muß man derartige Tarifverträge begrüßen, weil sie nämlich ähnlich wie beim Umweltschutz dazu führen, daß die sozialen Kosten



Dr. Steger
oder externen Effekte in die Unternehmenskalkulation eingehen. Insofern arbeitet der marktwirtschaftliche Rechenzusammenhang, weil er eben Kosten und Erträge des technischen Fortschritts erfaßt, sehr viel präziser, als wenn sich in der Unternehmenskalkulation nur die positiven Effekte des technischen Fortschritts niederschlagen, die negativen sozialen Kosten aber dann ausschließlich von der öffentlichen Hand übernommen werden. Ich wäre jedenfalls dankbar, wenn auch diese Überlegung bei der anstehenden Studie mit einbezogen würde.
Fazit der Debatte hier und heute: Die CDU/CSU hat mal wieder mit vollen Backen — Herr Schmöle, dieses Bild fällt mir ein, wenn ich Sie so vor mir sitzen sehen — —

(Schmöle {CDU/CSU]: Schönes Bild! Aber sonst fällt Ihnen auch nichts mehr ein!)

— Ja, das muß ich Ihnen sagen: Wenn ich Sie mir in Gelsenkirchen begucke, fällt mir wirklich nicht mehr viel ein.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Ihnen kann nichts einfallen!)

Die CDU hat hier zum ordnungspolitischen Generalangriff gegen die wirtschafts- und strukturpolitischen Vorstellungen der Bundesregierung und der SPD geblasen. Nimmt man das Ende dieser Debatte, dann muß man sagen: anders als seinerzeit in Jericho sind nicht die Mauern eingefallen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Habt ihr ja gar nicht!)

Im Gegenteil. Ich fühle mich bei dem, was hier von der Opposition praktiziert worden ist, mehr an tibetanische Gebetsmühlen erinnert. Vielleicht kann Herr Biedenkopf zu deren Anwendung in der Politik auch einmal einen Forschungsauftrag vergeben.
Ich glaube, daß die Alternativen klar sind: auf der einen Seite die vorausschauende Strukturpolitik für Vollbeschäftigung und humanes Wachstum, auf der anderen Seite eine Politik, bei der durch etliche staatliche Maßnahmen zwar offenbar das Recht auf Gewinne gesichert werden soll, das Recht auf Arbeit aber irgendwo von hintenrum durch die kalte Küche den Tarifparteien zugeschanzt wird, und dann noch so zugeschanzt wird, daß die Gewerkschaften keine Chance haben, ihr Marktstellung auch wirklich zu entfalten. Ich schließe mich vor allen Dingen Herrn Reuschenbach an, der darauf hingewiesen hat, daß diese Politik den fundamentalen Erfordernissen der christlichen Soziallehre nicht genügt. Ich möchte hinzufügen, sie hat die ökonomischen Lehren, die die westlichen Industriestaaten seit Keynes begriffen haben, auch nicht berücksichtigt. Aber Sie haben ja einen kompetenten Professor in Ihren Reihen. Vielleicht gibt der einmal in der einen oder anderen Frage Nachhilfe-Stunde; so sozial, wie er ist: privatissime et gratis, versteht sich. — Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808830300
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um folgenden Punkt ergänzt werden:
Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung zum Terrorismus — Drucksache 8/1753 —
Das Haus ist damit einverstanden, daß wir die Tagesordnung so erweitern? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich möchte vorschlagen, daß dieser Punkt sofort behandelt wird. Das Haus ist damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch.
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Rechtsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß und den Innenausschuß zu überweisen. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich ums Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Krefeld), Dr. Zeitel, Schmidhuber, Lampersbach, Dr. Pinger, Dr. Eyrich, Stücklen, Dr. Bötsch, Erhard (Bad Schwalbach), Engelsberger, Schedl, Helmrich, Dreyer, Landré, Dr. Hammans, Dr. Stavenhagen, Sick, Biehle, Niegel und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
— Drucksache 8/1670 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmidhuber hat das Wort.

Peter M. Schmidhuber (CSU):
Rede ID: ID0808830400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion legt Ihnen heute den Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vor. Damit wollen wir einen Beitrag zur Fortentwicklung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs leisten. Daß dies notwendig ist, hat auch die Bundesregierung in der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 bereits zum Ausdruck gebracht.
Der Schwerpunkt dieser Vorlage, aber, wie ich ausdrücklich hinzufügen möchte, nicht ihr einziger und ausschließlicher Zweck, ist die Sicherung der Institution „Leistungswettbewerb". Daß das UWG auch noch in einer anderen Richtung reformbedürftig ist, nämlich in bezug auf den Verbraucherschutz, haben wir nicht nur in politischen Erklärungen, sondern durch die Einfügung eines Schadenersatztatbestandes für Abnehmer von Waren, gewerblichen Leistungen und Rechten, die durch einen schuldhaften Verstoß gegen die in § 13 UWG aufgeführten Bestimmungen zur Abnahme bestimmt worden



Schmidhuber
sind, zum Ausdruck gebracht. Damit ist der berechtigten rechtspolitischen Forderung, den Verbraucher vor den Folgen täuschender Werbung zu schützen, Rechnung getragen.
Die Bundesregierung hat die vor ihr angekündigte UWG-Novelle noch nicht verabschiedet. Daher kann sich das Plenum heute nur mit unserer Vorlage befassen. Von seiten der Regierung liegt nur ein Referentenentwurf vor, der den Akzent ausschließlich auf den Verbraucherschutz legt und die wettbewerbspolitische Problematik ausklammert.
Meine Fraktion bejaht beide Zielsetzungen. Wir sehen daher die beiden Initiativen — unseren Entwurf und die Vorstellungen, die die Bundesregierung bisher zu erkennen gegeben hat — nicht so sehr als kontrovers, sondern eher als komplementär an. Dies bedeutet allerdings nicht, daß wir schon heute einen Blankoscheck auf das Reformvorhaben des Bundesjustizministeriums ausstellen wollen oder daß wir alle Vorschläge des Referentenentwurfs billigen. Aber dies ist heute nicht das Thema. Solange die Bundesregierung eine politische Entscheidung noch nicht getroffen hat, kann hier über diese Vorstellungen nichts gesagt werden. Aber ich möchte an die Bundesregierung appellieren, daß sie möglichst bald ihre Vorstellungen präzisiert und diesem Hohen Hause vorlegt.
Wie die Geschichte des UWG beweist, hat sich die ordnungspolitische Bedeutung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gewandelt. Der Schutzzweck des UWG hat sich wesentlich erweitert. Stand am Anfang nur der Schutz des lauteren Mitbewerbers, so sind aus heutiger Sicht noch als gleichberechtigte Ziele der Verbraucherschutz und der Schutz der Institution Wettbewerb hinzugekommen.
In dieser letzteren Zielvorstellung ergeben sich Berührungspunkte zu dem anderen wichtigen wettbewerbspolitischen Gesetz, dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Eine ausgewogene Weiterentwicklung des UWG — und nur darum kann es gehen — muß von einer gleichgewichtigen Berücksichtigung aller drei Ziele ausgehen.
Es gilt, das UWG an die veränderten ökonomischen Bedingungen anzupassen. Der Wettbewerb ist wesentlich härter geworden. Dies hat konjunkturelle und strukturelle Ursachen. Die Zunahme der Intensität des Wettbewerbs ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Sie steigert die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft und dient dem Verbraucherinteresse. Der härtere Wettbewerb, insbesondere auf bestimmten Märkten, hat aber auch bestimmte negative, ordnungspolitisch bedenkliche Begleiterscheinungen. Es wächst bei manchen Wettbewerbern die Neigung, am Rande des Erlaubten zu operieren oder sogar die Grenzlinie zur Unlauterkeit zu überschreiten.
Machtbedingte Komponenten spielen im Wettbewerb eine größere Rolle. Der immer häufiger verwendete Begriff der Verdrängungskonkurrenz ist ein Indiz dafür. Das Vordringen machtbedingter Komponenten ist keine zwangsläufige Folge der Zunahme der Intensität des Wettbewerbs. Diese machtbedipgten, nicht mit den Prinzipien eines fairen Leistungswettbewerbs zu vereinbarenden Praktiken müssen im langfristigen Interesse aller Marktteilnehmer eingedämmt werden. Eine darauf gerichtete Politik ist unerläßlich, um die Wettbewerbsordnung zu sichern. Wettbewerbspraktiken, die die Wettbewerbsstruktur als solche gefährden, indem sie an sich leistungsfähige Wettbewerber mittels Verdrängungsstrategie aus dem Markt werfen, steigern weder die Leistungsfähigkeit des Wettbewerbssystems insgesamt noch dienen sie dem langfristigen Konsumenteninteresse.
Die aktuellen Vorgänge in bestimmten Bereichen des Einzelhandels beweisen dies. Hier hat der Verdrängungswettbewerb bereits zu einer Veränderung der Wettbewerbsstruktur geführt, die nicht nur die Voraussetzung für eine Monopolisierung oder Oligopolisierung von Teilmärkten geschaffen hat, sondern darüber hinaus auch andere wichtige volkswirtschaftliche Ziele wie z. B. eine ausreichende Nahversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gefährdet hat. Aus statistischen Erhebungen wissen wir, daß die Zahl der Gemeinden, die keinen eigenen Lebensmittelladen mehr besitzen, ständig zunehmen.
Selbstverständlich soll in diesem Zusammenhang nicht gegen eine notwendige Rationalisierung des Vertriebsapparates Stellung genommen werden, auch kann es nicht darum gehen, einen Bestandsschutz für kleine und mittlere Unternehmen einzuführen. Dies wäre das Ende jeder ökonomischen Dynamik. Aber auch hier gilt es zu bedenken, daß es ordnungs- und strukturpolitische Zielkonflikte gibt. Es geht lediglich darum, dem Leistungswettbewerb stärkere Geltung zu verschaffen und das leistungswidrige Wettbewerbsverhalten klarer zu erfassen, um es auch mit den Instrumenten des UWG besser bekämpfen zu können. Dies gilt im übrigen nicht nur für die Stufe des Einzelhandels, sondern auch für andere Produktionsstufen und für die Beziehungen zwischen den Produktionsstufen.
Ein erster Anstoß zur Kennzeichnung des Nichtleistungswettbewerbs ist durch das Sündenregister des Bundeswirtschaftsministeriums und durch die sogenannte gemeinsame Erklärung der Wirtschaftsverbände gegeben worden. Jetzt geht es darum, das Instrumentarium zu vervollständigen und den Klärungsprozeß der Rechtsprechung dadurch zu beschleunigen.
Durch unseren Gesetzentwurf wollen wir also einen weiteren Beitrag zur Sicherung des Leistungswettbewerbs leisten. Zentrales Element unseres Konzepts ist die Erweiterung des Tatbestandes des § 1 UWG, wonach auch ein Unterlassungsanspruch gegenüber Handlungen begründet werden soll, die geeignet sind, der Wirksamkeit eines leistungsgerechten Wettbewerbs entgegenzuwirken.
Wir sind uns der Schwierigkeiten, die die Erweiterung des § 1 UWG, der zentralen Generalklausel dieses Gesetzes, mit sich bringt, durchaus bewußt. Damit wird aber nicht etwas völlig neues aufgetischt, sondern es wird auf einen Rechtsbegriff zurückgegriffen, der bereits zum Bestand des GWB



Schmidhuber
gehört. Er findet sich in § 28 Abs. 2 GWB. Schon dadurch ergibt sich eine Verzahnung mit den einschlägigen Vorschriften des GWB über die Wettbewerbsregeln und über das Diskriminierungsverbot.
Gegen diese Lösung ist der Einwand vorgetragen worden, daß die gegenwärtige Formulierung der Generalklausel des § 1 UWG ausreichend sei, daß die Rechtsprechung mit dieser Klausel alle wichtigen Fälle lösen könne. Dies trifft nicht zu, denn gerade die neueren Entscheidungen des BGH, wie etwa die beiden Urteile bezüglich der Schaufenstermiete und des Eintrittsgeldes vom Dezember 1976 zeigen, daß man an die Grenzen der Interpretationsmöglichkeiten der derzeitigen Fassung des § 1 UWG stößt. Wir haben mit der von uns gewählten Ergänzung des § 1 UWG einen Vorschlag aufgegriffen, der von einem erfahrenen Richter des Bundesgerichtshofes in der juristischen Literatur gemacht und eingehend begründet worden ist. Es würde allerdings den üblichen Rahmen der ersten Beratung eines Gesetzentwurfes sprengen, wenn ich jetzt auf die Einzelheiten der juristischen Argumentation, auf das Für und Wider der Erweiterung der sogenannten großen Generalklausel des UWG weiter einginge. Dazu wird während der Ausschußberatungen ausreichend Gelegenheit bestehen.
Der von seiten der SPD erhobene Vorwurf, daß es sich hierbei um das Ergebnis interessengebundenen Schutzzaundenkens handle, ist absurd. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie müssen sich doch fragen lassen, was Sie eigentlich gegen den Konzentrationsprozeß, den Sie bei jeder Gelegenheit beklagen, tun, außer daß Sie Lippenbekenntnisse ablegen. Eine Verschärfung der Fusionskontrolle — vor allen Dingen auf die unprofessionelle Weise, wie sie jetzt im Referentenentwurf vorgesehen ist — allein genügt sicher nicht. Das ist in vielen Fällen doch nur ein Kurieren an Symptomen. Die Praxis der Fusionskontrolle seit 1973 beweist doch dies. Wesentlich wichtiger ist es, die Ursachen des Konzentrationsprozesses zu beseitigen. Die von uns vorgeschlagene 'Änderung ist ein nicht unwesentlicher Beitrag hierzu, sicherlich kein Allheilmittel.
Ich habe ausgeführt, daß die Erweiterung des § 1 UWG das Kernstück einer Kombination gesetzlicher Änderungen ist. Es treten nämlich die Kodifizierung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Beweislastumkehr in UWG-Sachen und die Möglichkeit einer Streitwertherabsetzung hinzu. Diese Kombination von Änderungen hat zum Ziel eine beschleunigte Sanktionierung von Praktiken des Nichtleistungswettbewerbs auf privatrechtlicher Grundlage — d. h. mit den Mitteln des Zivilrechts — herbeizuführen, indem die Erfolgsaussichten von Unterlassungsklagen erheblich verbessert werden.
Diese drei Vorschriften müssen also in einem engen Zusammenhang gesehen werden. Wenn z. B. der Kollege de With gegen die Kodifizierung der Beweislastumkehr ins Feld geführt hat, damit werde nichts Neues erreicht, geht dieser Einwand fehl. Die Kodifizierung stellt ein Signal für die Rechtsprechung dar und führt zu deren Verfestigung durch
Normsetzung. Wenn man das Argument des Kollegen de With ernst nähme, müßte man ja die Frage stellen, warum dann der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches neu kodifiziert worden ist; hier ging es doch ebenfalls in erster Linie darum, die Ergebnisse der Rechtsprechung in Gesetzesform zu bringen. Es entspricht nun einmal deutscher Rechtstradition, daß der Charakter unserer Rechtsordnung vom Gesetzesrecht und nicht vom Richterrecht geprägt wird.
Diese Kombination von Vorschriften stellt die privatrechtliche Alternative zu den öffentlich-rechtlichen Lösungen der Bekämpfung des Nichtleistungswettbewerbs dar. Es ist kein Geheimnis, daß wir einige Zeit geschwankt haben, welcher Lösungsmöglichkeit wir den Vorzug geben sollten. Wir haben ursprünglich einmal ein Klagerecht der Kartellbehörden in bestimmten UWG-Sachen erwogen. Von anderer Stelle ist eine öffentlich-rechtliche Untersagungsbefugnis bezüglich der leistungswidrigen Wettbewerbshandlungen im Rahmen des § 37 a GWB ins Gespräch gebracht worden. Wir haben schließlich der jetzt vorgelegten Lösung den Vorzug gegeben, weil sie dem überwiegend privatrechtlichen Charakter des UWG am besten entspricht.
Ob neben der von uns vorgeschlagenen Lösung noch ein Beteiligungsrecht der Kartellbehörden, wie es im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vorgeschlagen wird, sinnvoll und notwendig ist, wird im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch zu prüfen sein.
Neben dieser generellen Erweiterung der Unterlassungsansprüche des UWG soll mit einer Reihe von Sondertatbeständen gegen aktuelle leistungswidrige Praktiken vorgegangen werden. Dies gilt für das Verbot der öffentlichen Werbung mit Preisgegenüberstellungen — einer der derzeitigen Hauptmißbrauchsfälle — und für die Einschränkung der Preisgegenüberstellung innerhalb der Verkaufsräume, für das Verbot der werbemäßigen Herausstellung von Waren, die mengenmäßig beschränkt werden, und schließlich für die Neuregelung des Rechts der Aus- und Räumungsverkäufe. Hier geht es darum, für die Rechtsprechung neue Signale zu setzen und deutlich zu machen, daß der Gesetzgeber diesen Ausuferungen des Wettbewerbs, die zumindest eine täuschende Komponente haben, aber mit den bisherigen Tatbeständen nur unzureichend erfaßt werden konnten, entgegentritt.
Wir geben uns dabei nicht der Illusion hin, man könnte allein dadurch die Praktiken unseriöser Geschäftsleute zurückdrängen. Sie werden neue, ebenfalls anfechtbare Praktiken ersinnen. Neben der Regelung aktueller Mißstände kommt aber diesen Sondertatbeständen insofern, als sie entsprechende Hinweise für die Rechtsprechung darstellen, eine gewisse Bedeutung zu, weil an Hand dieser Beispiele die wirtschaftspolitische Zielsetzung des Gesetzgebers klarer wird. Es kommt darauf an, die zeitliche Lücke zwischen dem aktuellen Wettbewerbshandeln und der Sanktionierung durch die Rechtsprechung zu verkleinern. Der Erfindungsreichtum aggressiver Geschäftsleute kann und soll nicht unterbunden, aber kanalisiert werden.



Schmidhuber
Meine Damen und Herren, mit der von uns vorgelegten Novelle wollen wir einen Beitrag zur Festigung der marktwirtschaftlichen Ordnung leisten. Wir weisen die Unterstellung zurück, daß es uns bei der Reform des UWG um den Schutz überholter Strukturen ginge, um ein Einzelhandelsschutzgesetz in Neuauflage oder um einen Import der strukturkonservierenden Zielsetzung des Loi Royer. Wir halten nichts von einem solchen Schutzzaundenken, weder in der allgemeinen Wirtschaftspolitik noch in der Wettbewerbspolitik. Wir wollen aber gar nicht leugnen, daß für uns die Wettbewerbspolitik im Rahmen der Sicherung einer gesunden Wettbewerbsstruktur auch eine mittelstandspolitische Komponente hat.
Unser Entwurf bringt auch eine wichtige Verbesserung eines weiteren Schutzbereiches des UWG, nämlich des Schutzes des Konsumenten. Der in den Fällen täuschender Werbung bisher nur dem Mitwettbewerber zustehende Schadenersatzanspruch soll auch dem Abnehmer von Waren, gewerblichen Leistungen oder Rechten gewährt werden, sofern er durch die Zuwiderhandlung zur Abnahme bestimmt worden ist. Dies bedeutet eine konsequente Fortentwicklung der verbraucherpolitischen Komponente des UWG. Der Schadensersatzanspruch ist als Individualanspruch ausgestaltet. Er umfaßt gemäß dem in § 249 niedergelegten Prinzip der Naturalrestitution auch das Recht zur Rückgängigmachung des Vertrags, zu dessen Abschluß der Abnehmer durch die täuschenden Angaben des Anbieters veranlaßt worden ist.
Es stellen sich in diesem Zusammenhang — das wollen wir gar nicht verschweigen — allerdings eine Reihe schwieriger Fragen, die im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens geprüft und entschieden werden müssen, etwa die, wie die Abwicklung des Schadensersatzanspruchs erfolgt, wenn der Verkäufer der Ware und der Verbreiter der täuschenden Werbeaussage nicht identisch sind. Im übrigen steht der Referentenentwurf vor demselben Problem. Auch der Referentenentwurf hat dieses Problem bisher nicht vollkommen lösen können.
Es ist unsere Absicht, dem aufgeklärten Verbraucher, der sich seiner wichtigen Rolle in der Marktwirtschaft bewußt ist, mit dem neuen Schadensersatzanspruch ein Instrument zur Durchsetzung seiner berechtigten Interessen an die Hand zu geben. Auch dies ist ein Beitrag zur Festigung unserer Wettbewerbsordnung.

(Zuruf des Abg. Dr. Weber [Köln] [SPD])

— Immerhin noch früher als Sie, meine Herren von der SPD.
Die Aufrechterhaltung und Stärkung unserer Wettbewerbsordnung und damit die Sicherung der Funktionsfähigkeit des primären Steuerungssystems unserer Volkswirtschaft, des Marktes, ist eine ordnungspolitische Daueraufgabe. Wir haben uns bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt schon darüber unterhalten.
Die Gutachten der Monopolkommission weisen darauf hin, daß mehr Wettbewerb möglich und nötig ist. Fusionskontrolle und Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen sind wichtige, aber allein nicht ausreichende Instrumente, um eine sinnvolle Wettbewerbsstruktur zu erhalten. Die Stärkung des Wettbewerbs ist eine umfassendere Aufgabe.
Dazu kann und wird das UWG in Zukunft einen größeren und wirkungsvolleren Beitrag leisten, wenn die von uns vorgelegte Novelle zum UWG verabschiedet wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808830500
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weber.

Dr. Hubert Weber (SPD):
Rede ID: ID0808830600
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition erfüllt mit diesem Gesetzentwurf sicher eine Pflichtaufgabe, nämlich gegenüber den vielen Gruppen innerhalb der Union. Etwas anderes ist dieser Gesetzentwurf nicht. Sie dient mit diesem Gesetzentwurf sicher nicht der Rechtsfortentwicklung und auch nicht dem Bürger in unserem Land, der an dem Wettbewerb interessiert ist.
Sie haben am 21. Februar in einer Pressekonferenz diesen Entwurf in wesentlichen Punkten als Papier des Diskussionskreises Mittelstand vorgelegt. Dann hatten Sie aber offenbar doch etwas Bedenken, daß Ihr Entwurf zu mager und zu gruppenegoistisch sei; denn Sie haben — insofern stimmt das gar nicht, was Sie soeben gesagt haben, Herr Schmidhuber — aus dem Referentenentwurf des Justizministeriums wörtlich die Vorschrift über den Schadensersatzanspruch zusätzlich abgeschrieben; der stand in Ihrem Entwurf bis dahin überhaupt nicht drin.

(Schmidhuber [CDU/CSU] : Sie haben ein schlechtes Gedächtnis, Herr Kollege!)

— Daraus haben Sie das wörtlich abgeschrieben.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Das wäre nicht das Schlimmste!)

Dieser Entwurf zeichnet sich nicht durch das aus, was er enthält — denn davon ist einiges abzulehnen und das meiste völlig unnötig —, sondern durch das, was er nicht enthält. Ursprünglich enthielt er überhaupt keine Vorschläge zur Verbesserung der Rechtsstellung der Verbraucher. Es stand kein Wort von Schadensersatz und Rücktrittsrecht darin, obwohl dahin gehende Forderungen von den Rechtspolitikern der Union erhoben worden waren — wenn auch an anderer Stelle und nicht von Ihrem Arbeitskreis, der für diesen Entwurf verantwortlich zeichnet. Wir meinen, darin liegt gerade das Kernstück eines modernen Wettbewerbsrechtes, und deswegen ist es auch zum Kernpunkt des Referentenentwurfs geworden.
Schließlich berücksichtigt Ihr Entwurf überhaupt nicht das, worauf Sie sonst immer so sehr pochen, nämlich die Angleichung an das europäische Recht. Mit keinem einzigen Wort wird darin etwas davon gesagt, daß mittlerweile eine Richtlinie — der Entwurf zur Angleichung des Rechts der Mitgliedstaa-



Dr. Weber (Köln)

ten zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs — gegeben ist. Mit keinem Wort wird etwas davon erwähnt, daß sich diese Richtlinie gerade mit der täuschenden Werbung, mit der vergleichenden Werbung befaßt, alles Dinge, die Sie hier angesprochen haben und die dort völlig anders geregelt sind. Der Entwurf enthält auch nicht das von Ihnen früher angekündigte Klagerecht der Kartellbehörden in diesen UWG-Streitsachen. Damit haben Sie — wie das auch nicht anders zu erwarten war; denn Sie haben sich mittlerweile zwischen alle Stühle gesetzt — den Bedenken der Industrie- und Handelskammern Rechnung getragen. Wir begrüßen, daß Sie diesen Rückzieher gemacht haben, weil ein solches Klagerecht von Kartellbehörden im privatrechtlichen UWG-System fremd wäre und kaum behebbare Folgen hätte.
Zurückweisen muß ich die Behauptung meines Vorredners, der Entwurf des Justizministers enthalte keine wettbewerbsrechtlichen Vorschriften. Ich verweise auf § 4 dieses Entwurfs, der eine weit stärkere Pönalisierung vorsieht, als das bisher der Fall war, und wovon Sie auch gar nichts in Ihrem Entwurf erwähnen.
Nun zu Ihren Vorschlägen im einzelnen.
Erstens. Sie wollen eine Erweiterung des § 1 UWG um das Verbot von Handlungen, die — so heißt es dann wörtlich — der Wirksamkeit eines leistungsgerechten Wettbewerbs entgegenzuwirken geeignet sind. Das ist doch die Formulierung, die in § 28 Abs. 2 GWB steht. Die Formulierung ist dort entnommen. Diese Formulierung mag für die Zulassung von Wettbewerbsregeln zwischen einzelnen Unternehmen ausreichen. Für die Beschreibung des gegen jeden gerichteten Verbots der UWG-Generalklausel ist sie dagegen viel zu unbestimmt und untauglich. Sie ist außerdem völlig unnötig, soweit damit eine stärkere Berücksichtigung des Interesses an der Wettbewerbserhaltung im UWG angestrebt wird. Denn die Rechtsprechung ist dabei ein ganzes Stück weiter, als Sie es wollen. Die Rechtsprechung hat gerade in den letzten Jahren dieses Interesse bei der Auslegung des § 1 UWG zunehmend berücksichtigt.
Der von dem Bundesrichter Dr. Merkel stammende — Sie haben es erwähnt — und von Ihnen dann abgeschriebene Vorschlag ist inzwischen auf fast einhelligen Widerstand aller Fachleute gestoßen. Beispielsweise haben sich alle anderen Mitglieder des I. Zivilsenats des BGH dagegen ausgesprochen. Die Studienvereinigung Kartellrecht hat sich dagegen ausgesprochen. Zahlreiche Wissenschaftler, an der Spitze der führende Wettbewerbsrechtler Professor Ulmer, haben sich gegen eine solche Formulierung ausgesprochen. Wir tun es auch.
Zweitens. Sie wollen ein Verbot der Preisgegenüberstellung in öffentlichen Bekanntmachungen und ein Verbot der Preisgegenüberstellungen in Verkaufsräumen, wenn der höhere Preis vom Werbenden nicht eine angemessene Zeit hindurch gefordert werden kann.
Der zweite Teil dieser Forderung ist zwar völlig in Ordnung; aber er entspricht der Rechtsprechung zu Preisgegenüberstellungen allgemein und ist daher völlig unnötig. Der erste Teil des Verbots, nämlich ein generelles Gegenüberstellungsverbot in der Werbung, wäre eine wirtschaftspolitische Maßnahme. Das gerade aus Ihrem Mund zu hören, klingt nach der Debatte von heute mittag doch sehr eigenartig, wäre aber keine Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs; denn die werbemäßige Herausstellung einer echten Preissenkung kann doch niemals unlauter sein. Das UWG wäre, selbst wenn man ein solches Verbot für zweckmäßig hielte — wir halten es nicht für zweckmäßig —, jedenfalls nicht der richtige Ort für eine solche Regelung. Dann müßten Sie das Rabattgesetz ändern. Ich habe allerdings auch erhebliche Zweifel daran, daß ein solches generelles Werbeverbot wettbewerbspolitisch zweckmäßig und politisch wünschbar ist.
Drittens. Dann wollen Sie ein Verbot der Werbung für Waren, die nur in geringen Mengen zur Verfügung stehen oder deren Abgabe mengenmäßig beschränkt ist. Auch hier handelt es sich um einen den Mittelstand schützenden Vorschlag — so meinen Sie wenigstens —, der nicht unlauteres — so meinen wir —, sondern allenfalls aus der Sicht des mittelständischen Handels unerwünschtes Verhalten verbieten soll. Eine Irreführung über die Menge der Vorräte ist doch schon heute nach dem Wortlaut der §§ 3 und 4 UWG ausdrücklich verboten. Warum wollen Sie es also ändern? Wird aber in der Wer- . bung unmißverständlich darauf hingewiesen, daß die Vorräte oder die Abgabe mengenmäßig begrenzt sind, dann fehlt doch ein ausreichender, auch aus der Sicht der Allgemeinheit akzeptabler Grund für ein Werbeverbot. Dieses Verbot würde im übrigen doch praktisch auf ein Verbot der günstigen Abgabe aus begrenzten Vorräten oder in begrenzten Mengen hinauslaufen — eine Maßnahme, meine ich, die nicht begrüßt werden kann.
Dann wollen Sie viertens Änderungen im Recht der Ausverkäufe und der Räumungsverkäufe. Der Arbeitskreis Mittelstand der CDU/CSU greift damit einen Vorschlag auf, der schon einmal in der vorigen Wahlperiode Gegenstand eines Gruppenantrages der Opposition war und von der Hauptgemeinschaft des Einzelhandels ausgearbeitet worden war, genauso wie auch jetzt von dieser Arbeitsgemeinschaft des Einzelhandels Ihr Gesetzentwurf vorgeschrieben worden ist. Gestern ist er uns frisch auf den Tisch gelegt worden. Die von Ihnen propagierten Änderungen richten sich also doch offensichtlich gegen die sogenannten Orientteppichhändler, die ihre Zweigstellen oder auch Hauptgeschäftsstellen oft schon nach wenigen Wochen wegen sogenannten Ausverkaufs schließen. Diese gewünschten Änderungen hat schon in der vorigen Legislaturperiode die Bundesregierung abgelehnt, weil sie in. der Sache nicht nötig sind. Eine Anwendung des jetzt bestehenden § 4 UWG regelt alles das, was Sie wollen. Wenn Sie mehr wollen, über das Ziel hinausschießen, dann kommt es zu Ungereimtheiten. Zu weit geht, meine ich, insbesondere — das ist einmal an die Mittelstandspolitiker der CDU gerichtet —, daß ein Ausverkauf nach Ihrem Gesetz-



Dr. Weber (Köln)

entwurf nur nach dreijähriger Geschäftstätigkeit möglich ist. Dies würde dann auch z. B. „gute" Fälle gerade aus dem Mittelstand treffen. Sie brauchen nur einmal daran zu denken, daß ein soeben gegründetes kleineres Geschäft schließen will, weil in seiner Nähe irgendein Discountladen oder ein Supermarkt aufmacht. Dann wollen Sie ihm den Ausverkauf verbieten.
Sie wollen fünftens die Umkehr der Beweislast — etwas völlig Unnötiges. Der § 13 a entspricht der sogenannten Bärenfangformel des BGH. Da zeigt sich also mit Gewißheit, daß Sie nur für Ihre Leute, Ihre vermeintlichen Wähler etwas tun wollten, daß Sie etwas hingeschmiert haben, was in der Rechtsprechung längst abgeklärt ist.
Dann kommen Sie sechstens zum Regelstreitwert und zur Streitwertherabsetzung. Da übernehmen Sie auch — das war im Februar auch nicht in dieser Form in Ihrem Entwurf — die Klarstellungsvorschläge des Referentenentwurfs, fordern aber gleichzeitig eine Bestimmung, nach der ein Regelhöchststreitwert mit 50 000 DM eingeführt werden soll. Das ist sicherlich eine falsche juristische Bezeichnung; denn Sie meinen wohl eine obere Begrenzung des herabgesetzten Streitwertes. Mit diesem Zusatzvorschlag werden Sie aber sicherlich keine Freude bei den Anwälten finden, die Sie üblicherweise auch zum Mittelstand rechnen.
Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Insgesamt handelt es sich bei Ihrem Entwurf um eine unbrauchbare und unnütze Vorlage. Der Entwurf ist nicht ausgedacht, er wärmt längst geklärte Rechtsfragen auf, er verfolgt keine sachlichen Ziele, sondern enthält eine ins Parlament gebrachte Anhäufung von Wunschvorstellungen einzelner Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Wir werden diesen Entwurf im Rechtsausschuß sicherlich beraten. Nachdem sich der Rechtsausschuß aber in der Vergangenheit — in der Zukunft wird es sicherlich nicht anders sein -- über zu wenig Arbeit nicht beklagen konnte und Sie von der Opposition erst einmal das Feigenblatt des Handelns nach außen für sich — für Ihren bestimmten Kreis — in Anspruch nehmen können, werden wir im Ausschuß sicherlich eine zufriedenstellende Beratung finden, wenn der Entwurf des Justizministeriums gleichzeitig mitberaten werden kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808830700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pinger.

Dr. Winfried Pinger (CDU):
Rede ID: ID0808830800
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hätten erwarten können, Her Kollege Weber, daß Sie sich mit einer Problematik, wie wir Sie hier vor uns liegen haben, ernsthafter als in dieser Art von Polemik beschäftigt hätten. Ich komme nachher darauf zurück.

(Dr. Weber [Köln] [SPD] : Wenn Sie ein ernsthaftes Gesetz gemacht hätten, gern!)

Verbesserte Spielregeln müssen dafür sorgen, daß es im Wettbewerb fairer als bisher zugeht. Leistungswidrige Wettbewerbspraktiken haben zu einem existenzvernichtenden Verdrängungswettbewerb geführt. In den letzten Jahren sind Zehntausende von leistungfähigen mittelständischen Unternehmen vom Markt verdrängt worden, und zwar letztlich zum Schaden der Verbraucher.

(Dr. Zeitel [CDU/CSU] : Das interessiert doch Herrn Weber gar nicht! — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Der hat doch kein Erbarmen!)

Wir fordern daher ein gesetzliches Verbot des leistungswidrigen Wettbewerbs, d. h. ein Verbot der Benachteilung von kleinen und mittleren Unternehmen beim Einkauf, ohne jeden sachlichen Grund und allein unter unter dem Druck von marktmächtigen Unternehmen. Auch unseriöse Lockvogelangebote und Preisgegenüberstellungen müssen verboten werden, da diese Methoden geeignet sind, den Verbrauchern Sand in die Augen zu streuen. Es reicht nicht aus, dem Verbraucher in diesem Gesetz einen Schadenersatzanspruch oder ein Rücktrittsrecht zuzuerkennen. Das wollen wir auch. Aber der beste Verbraucherschutz ist die Herstellung eines funktionsfähigen Leistungswettbewerbs. Es geht darum, nicht nur Schmerztabletten zu verabreichen, sondern den Krankheitsherd selbst zu bekämpfen, d. h., wir müssen die Lücken im Wettbewerbsrecht schließen, wir müssen die Maschen im Gesetz enger knüpfen, damit die Haie im Wettbewerb nicht in einem mörderischen Wettbewerbskampf zu Lasten der seriösen Geschäftsleute obsiegen, die sich an die Regeln des Leistungswettbewerbs halten.
Herr Kollege Weber, Sie haben offensichtlich die Diskussion der letzten Jahre nicht mit verfolgt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ende 1974 wurden im sogenannten Sündenregister des Bundeswirtschaftsministeriums diejenigen Methoden exemplarisch aufgezählt, deren zunehmende Anwendung wettbewerbsverzerrend wirkt. Daraufhin gab es die gemeinsame Erklärung der Spitzenverbände der Wirtschaft Ende 1975. Dann kam der Versuch, mit Wettbewerbsregeln diese Wettbewerbsverzerrungen und die wettbewerbswidrigen Praktiken in den Griff zu nehmen. Ich nenne die Wettbewerbsregeln des Markenverbandes, die beim Bundeskartellamt angewendet worden sind.
Nun haben wir die Entwicklung, daß sich sehr viele, ja die meisten, die Seriösen, an diese Wettbewerbsregeln halten, die Außenseiter aber nicht. Da taucht die Frage auf, wie wir es schaffen, diese Außenseiter dazu zu zwingen, sich an eben dieselben Regeln eines fairen Wettbewerbs zu halten. Wenn die nach wie vor die Möglichkeit haben, zu Lasten der anderen ihre Methoden anzuwenden, dann kann man doch von den Seriösen nicht erwarten, daß sie sich weiter an die Regeln halten.
Also müssen wir das Problem in den Griff bekommen. Da bieten sich nur zwei Möglichkeiten an. Einmal — das wird dauernd diskutiert — könnten die Wettbewerbsregeln, die in den verschiedenen Branchen aufzustellen wären — unterstellt, das wäre möglich —, für allgemeinverbindlich erklärt



Dr. Pinger
werden. Wir meinen, daß das nicht der gute Weg ist, und zwar deshalb, weil wir dann eine Quasirechtsetzung durch die Verbände bekämen. Diese Probleme zu lösen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Wir brauchen uns nicht über mangelnde Autorität des Gesetzgebers zu beschweren, wenn er dauernd auf der Flucht vor den wesentlichen Problemen ist.
Daß da verschiedene Interessen im Spiel sind, haben wir bei den Beratungen zu unserem Gesetzentwurf in der Tat auch erfahren. Wir haben manches davon berücksichtigt. Das werfen Sie uns jetzt vor. Aber wir meinen, daß wir wirklich an die Probleme herangekommen sind.
Die Wettbewerbsregeln sind nach unserer Auffassung ein Weg; der bessere Weg ist aber der, daß hier die Entscheidung getroffen wird, nämlich, daß ein Verbot nicht nur — wie bisher — nach § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ausgesprochen wird, sondern auch in Anlehnung an nach § 28 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wo es um Beeinträchtigungen des leistungsgerechten Wettbewerbs geht.

(Zuruf des Abg. Dr. Weber [Köln] [SPD])

Wir müssen dann versuchen, die Problematik von zwei Seiten her in den Griff zu bekommen. Die eine Seite ist die des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in dem die Mißbrauchsaufsicht und das Diskriminierungsverbot im Zusammenhang mit marktbeherrschenden Unternehmen geregelt sind. Unterhalb der Schwelle der marktbeherrschenden Unternehmen und der marktstarken Unternehmen gilt es, das Gesetz, das Privatleuten ihr Recht gegenüber dem Mitbewerber sichert, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, anzuwenden.
Insofern ist es wichtig, daß wir die Lücke, die sich ergeben hat und in diejenigen hineingehen, die sich an die Regeln des fairen Wettbewerbs nicht halten wollen, schließen. Wir stellen dann fest, daß nicht nur das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, sondern auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb die Funktion hat, den Mitbewerber, den Verbraucher zu schützen, aber auch den Wettbewerb selbst zu sichern. Was nützt der beste Verbraucherschutz, wenn wir es erleben, daß der Verdrängungswettbewerb mit diesen Praktiken auf regionalen Märkten dazu führt, daß dort überhaupt kein ausreichendes konkurrierendes Angebot mehr da ist? Dann haben wir zwar den perfekten Verbraucherschutz mit Schadenersatzansprüchen, aber der Verbraucher hat nicht mehr die Auswahl unter den Produkten verschiedener Unternehmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Weber [Köln] [SPD])

— Herr Kollege Weber, wir sind nicht grundsätzlich gegen Betriebsformen des Handels unter Verwendung großer Flächen. Wir sind aber dagegen, wenn sich einzelne dieser großen Vertriebsorganisationen genau dieser Praktiken bedienen.
Welcher Praktiken? Ich nenne da den Druck auf den Hersteller, um ihn zu einer Diskriminierung, d. h. einer Ungleichbehandlung seiner Abnehmer, zu zwingen. Das führt dann zu Einstandspreisen für Großabnehmer mit der Folge, daß an sich leistungsfähige mittlere und kleine Unternehmen nicht mehr mitkommen.
Wir müssen also die Diskriminierung unterhalb der Marktbeherrschungsschwelle in den Griff nehmen. Gleichzeitig müssen wir die unseriösen Methoden der Werbung unterbinden. Ich meine jene Lockvogelwerbung, die überhaupt nichts mehr damit zu tun hat, dem Verbraucher eine Information über das Angebot zu geben. Wir brauchen nur irgendeine Zeitung an irgendeinem Tage aufzuschlagen. Da steht in den Anzeigen: Abgabe nur in Haushaltsmengen. Was heißt das? Das heißt, daß es um den Verkauf dieser 30 bis 40 Waren, die hier angeboten und im Preis so sehr herausgestellt werden, überhaupt nicht geht. Man will sie gerade nicht verkaufen und nur den Verbraucher anlocken, um ihm dann die andere, teurere Ware zu verkaufen. Das sind die Praktiken, die tagtäglich angewendet werden, und auch dagegen gilt es vorzugehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Weber [Köln] [SPD])

— Herr Kollege Weber, wenn dies auf dem Gebiet des Wettbewerbs nach unserem geltenden Wettbewerbsrecht nach wie vor möglich bleibt, dann werden wir in der Tat noch sehr viele leistungsfähige mittelständische Unternehmen verlieren. Wir wollen das nicht.
Wir wollen keinen Mittelstandsschutz im Sinne von Schutzzaunpolitik und im Sinne der Privilegierung des Mittelstands. Das wollen wir nicht. Aber wir nehmen es ernst auch auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts, wenn wir sagen: Wir wollen eine Chancengleichheit. Wenn aber die Chancengleichheit deshalb nicht mehr gegeben ist, weil einzelne, vor allen Dingen marktmächtige Unternehmen meinen, nach wie vor wettbewerbswidrige Praktiken anwenden zu können und zu müssen, dann müssen wir die Chancengleichheit durch eine Lückenschließung in unserem Wettbewerbsrecht wiederherstellen.
Insofern ist dann allerdings Wettbewerbsrecht auch Mittelstandsschutz. In gleicher Weise sind wir der Meinung, daß das dann nicht nur ein sachgerechter Mittelstandsschutz ist. Ich möchte dazu noch einmal sagen: Der beste Verbraucherschutz ist der funktionsfähige Wettbewerb, ein Wettbewerb, bei dem auch mittelständische Unternehmen eine Chance haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808830900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0808831000
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eine weise Regie hat es so gefügt, daß wir vorhin zu dem vorhergegangenen Punkt Herrn Schmidhuber hören konnten mit zu Herzen gehenden Ausführungen über die Notwendigkeit, den Unternehmern Lust am Unternehmen zu belassen — was die sozialliberale Koalition nach Kräften verhütet, so Ihre Behauptung —; und anschließend haben wir Sie dann gehört bei dem Versuch, weite Zweige der Werbewirtschaft und der werbenden Wirtschaft strangulierend einzuengen



Kleinert
mit einem Gesetz, das wahrscheinlich am wesentlichsten für die Gerichte sein wird, das ihnen nämlich ungeheure Schwierigkeiten machen wird, insbesondere mit dem von Ihnen vorgeschlagenen § 1, das aber das, was Ihr Arbeitskreis „Mittelstand" dem betroffenen Mittelstand glaubt geben zu können, nicht erfüllt. Wir halten es auch für wünschenswert, manche Auswüchse zu beseitigen. Ich behaupte aber, daß das auf dem gewählten Wege nicht möglich ist. So wie Herr Pinger seine Ausführungen geschlossen hat, daß nämlich das beste Regulativ des Wettbewerbs der funktionierende Markt sei, paßte das nicht zu dem meisten dessen, was er vorher gesagt hat.
Herr Pinger, Sie haben Herrn Weber vorgeworfen, er gehe nicht ernsthaft genug an die Dinge heran. Man kann das auch ganz anders betrachten und sagen, Herr Weber hat, wie es seines und meines Berufes ist, als praktizierender Anwalt die Sache zunächst einmal auf ihre praktische Machbarkeit abgeklopft, während Sie, wie es nunmehr Ihres Berufes ist, die Dinge etwas mehr von der professoralen Warte aus betrachtet haben. Das aber hindert Sie dann häufig, über den wünschenswerten Zielen einer theoretischen Lösungsmöglichkeit auch die praktische Lösungsmöglichkeit anzudienen, um die wir uns vereint bemühen.

(Dr. Pinger [CDU/CSU] : Herr Kollege Kleinert, ich bin 14 Jahre Anwalt gewesen! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!)

Das wird der Grund dafür sein, daß sowohl Herr Schmidhuber als auch Sie die Sache auf einem bemerkenswert hohen intellektuellen und wissenschaftlichen Niveau abgehandelt haben — bei derartigen Höhenflügen wird nämlich nicht so leicht sichtbar, wie sich die Sache nach Bodenlandung, nach Bodenberührung, vor Gericht, im Prozeß, weiterentwikkeln wird und was dann an zusätzlichen Schwierigkeiten entsteht —, statt mit mehr Bezug zur Praxis zu überlegen, wie die Schwierigkeiten, die wir gemeinsam beklagen, beseitigt werden können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808831100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pinger?

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0808831200
Bitte schön.

Dr. Winfried Pinger (CDU):
Rede ID: ID0808831300
Ich darf Sie bitten, Herr Kleinert, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich jetzt zwar als Hochschullehrer tätig bin, aber immerhin 14 Jahre als Anwalt praktiziert habe und von daher auch etwas von der Praxis verstehe.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0808831400
Ich bemühe mich ja immer, die Gegner möglichst genau zu kennen. Ich habe vorhin auch festgestellt, daß Sie keineswegs als Discount-Professor tätig sind. Vielmehr habe ich beim Durchlesen des Handbuchs mit Freude die Tatsache Ihrer Habilitation zur Kenntnis genommen. Sie sehen also, daß ich der Sache nachzugehen pflege. Genauso wenig ist es mir nicht entgangen, daß Sie früher als Anwalt praktiziert haben, wovon ja einiges noch nachklingen mag. Heute aber haben wir ganz eindeutig mehr den Professor gehört. Das allerdings ist bei dem Gegenstand eine gewisse Gefahr.
Die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zu dem noch nicht vorliegenden Entwurf der Bundesregierung wie auch zu Ihren Überlegungen ist sehr lesenswert, zumal der Deutsche Richterbund ja nicht irgendeine Institution ist. Ich bin sehr froh, daß er sich wieder mehr, als das in früheren Jahren manchmal der Fall war, mit den Problemen der Gesetzgebung, und zwar rechtzeitig, befaßt und uns aus der Sicht seiner Mitglieder, nämlich derjenigen, die dieses Recht dann anzuwenden haben, seine Meinung kundtut. Die ist nun allerdings auch für den Regierungsentwurf, mit dem wir uns heute aber nicht zu befassen haben, nicht unbedingt freundlich. Der Deutsche Richterbund kommt in beiden Fällen zu dem Ergebnis, daß die Klauseln notwendigerweise sehr unbestimmt sein müssen, so daß der Rechtsprechung eine Fülle zusätzlicher Probleme aufgehalst wird, ohne daß übersehen werden kann, ob damit auch nur einer der mehreren gedachten guten Zwecke dieser Gesetzesänderung erreicht werden kann.
Das ist meiner Meinung nach das, was wir ganz sorgfältig erforschen müssen. Es gibt kein ausreichendes Material, dem zu entnehmen wäre, in welchen Fällen, auf welche Weise hier geholfen werden kann. Es gibt auch kein ausreichendes Material, um auf diesen Punkt zu kommen, hinsichtlich des Schadensersatzanspruches, über den ja zur Zeit eine gewisse Einigkeit zu bestehen scheint.
Hinsichtlich dieses Schadensersatzanspruchs frage ich mich sehr ernsthaft, ob hier ein Schutz des Konsumenten oder ein Schutz der Konsumverbände beabsichtigt ist. Denn wenn in dem Westerland-Beschluß allen Ernstes die Idee enthalten ist, man müsse den Schadensersatzanspruch des Konsumenten hier aufnehmen, wenn anschließend verblüffenderweise argumentiert worden ist, dieser Schadensersatzanspruch sei in der Regel aber so gering, daß es sich für den Konsumenten nicht lohne, ihn geltend zu machen, und daß man ihn deshalb einfacherweise gleich beim Verband belassen solle, dann, meine ich, ist das eine Darlegungskette, die gegen sich selber spricht, und zwar sehr deutlich.
Nun ist nach mannigfachen Protesten gegen diese Idee einiger Verbände, die häufig im Wege der Parthenogenese entstehen, in der öffentlichen Diskussion so lange angegangen worden, bis wir den Schadensersatzanspruch übrigbehalten haben, von dem diejenigen, die den Verbraucher schützen wollen, seinerzeit gesagt haben, daß es für den einzelnen ja gar nicht interessant sei, ihn wahrzunehmen. Wollen wir also eine stärkere Institutionalisierung der Verbraucherverbände, insbesondere im Bereich der Rechtsberatung? Wollen wir — von der Verbraucherberatung in fachlicher, sachlicher Hinsicht abgesehen — bei diesen Verbänden das Personal im Rechtsbereich verstärken und damit zusätzliche Schwierigkeiten für den Bereich heraufbeschwören, von dem auch der nächste Tagesordnungspunkt handeln wird, oder wollen wir noch einmal ganz sorgfältig prüfen, in welchen Fällen dieser Schadenser-



Kleinert
satzanspruch in nennenswerter Weise zum Zuge kommen kann?
Der Deutsche Richterbund führt liberalerweise in seiner Stellungnahme aus, daß es sehr bedauerlich sei, daß immer mehr die Ansicht um sich greife, es gebe überhaupt keine Unglücksfälle, keine Zufälle und keine Schicksale, die der einzelne zu erleiden habe, die ihn auch manchmal unverschuldet träfen und mit denen er dann auch fertigwerden müsse. Es sei vielmehr eine Tendenz dahin festzustellen, daß man versuche — auch bei einer noch so geringen Widrigkeit —, eine Anspruchskette dafür zu finden, daß jemand Schadensersatz zu leisten habe, daß jemand für die Widrigkeit geradezustehen habe, und daß man dafür schleunigst ein Gesetz andiene. Wenn dazu die Kosten-Nutzen-Rechnung angestellt wird, dann wird sich der Verbraucher vielleicht bei sorgfältiger Kalkulation des ihm anderenfalls verbleibenden Risikos gegen einige der ihm zugedachten Wohltaten und die ihm schließlich in irgendeiner Weise aus solchen Wohltaten erwachsenen Kosten verwahren.
Man muß doch sehen, daß es nicht ausreicht, auf dem Vorblatt eines Gesetzentwurfs zu schreiben „Kosten: keine", wenn vielleicht bei der öffentlichen Hand keine oder nur geringe Kosten entstehen. Ob ein Verband oder eine Gesellschaft oder eine Stiftung, die von der öffentlichen Hand mit MillionenBeträgen subventioniert werden muß, zu solchen Zwecken tätig wird oder ob das die öffentliche Hand selbst tut, das ist demjenigen, der in jedem Fall für diese Kosten aufzukommen hat, nämlich dem Steuerzahler und damit dem Verbraucher, ganz gleichgültig. Das ist bei all diesen Dingen zu bedenken. Das Ausweichen von der rein behördlichen Tätigkeit und die Verlagerung in diesen halböffentlichen Raum ändert an der Kosten-Nutzen-Frage, die sich hier stellt, überhaupt nichts.
Zur Streitwertherabsetzung hat Herr Kollege Weber in schöner kollegialer Offenheit hier schon eine Andeutung gemacht. Ich meine aber, daß über das keineswegs zu verbergende berufliche Interesse hinaus — die geringerwertigen Prozesse müssen ja auch von irgend jemandem zu zweifellos nicht kostendeckenden Gebühren geführt werden — auch der Gesichtspunkt der Chancengleichheit eine Rolle spielt.
Ich finde es nicht schön, wenn ausgerechnet Sie von der Opposition, von der ganz besonders marktwirtschaftlich verpflichteten und dem Wettbewerb das Wort redenden Partei, hier herangehen und dort hineinschreiben: Bei der Ansetzung der Bedürftigkeit eines Verbandes ist erst einmal die Gesamtzahl der von ihm in dieser Hinsicht zu führenden Prozesse und der daraus erwachsenden Belastungen zu berücksichtigen. Das heißt also, je fleißiger die Kameraden prozessieren, um so geringer wird für sie das Prozeßkostenrisiko und um so höher wird das Risiko für den zu beklagenden Unternehmer, der sich diesen Klagen gegenübersieht und dafür nicht nur Geld, und zwar in viel größerer Höhe, aufwenden muß, sondern auch sehr viel Zeit und Nervenkraft. Es ist doch nicht unbedingt gut durchdacht, hier eine Prämie auf möglichst häufiges Prozessieren auszuschütten, indem man einen Mengenrabatt bei der Gestaltung der Prozeßkosten gibt.
Dann schreiben Sie obendrein noch in diese segensreiche Vorschrift: Staatliche Zuschüsse bleiben bei der Feststellung der Vermögenslage dieses Vereins außer Betracht. Das ist ja das Allerschärfste. Wen interessiert es denn, woher das Geld kommt, wenn es erst einmal da ist? Es fragt ja auch keiner danach, woher der andere diese Prozeßkosten nimmt. Außerdem stört mich schon seit längerem die zweifellos schon im geltenden Recht vorhandene Bestimmung, daß man einen Streitwert für den Fall, daß man verliert, niedrig festgesetzt bekommt, und für den Fall, daß man gewinnt, hinterher hoch festgesetzt bekommt. Das ist ja so, als dürfte man an einem Geldspielautomat mit Falschgeld spielen. Kommt was heraus, kassiert man richtiges, schönes, gutes Geld, und kommt nichts heraus, hat man nur sein Falschgeld eingebüßt. Wo ist da die Chancengleichheit? Wo sind da die selbstregelnden Automatismen, von denen Sie doch eher als andere sprechen müßten?
Angesichts einer solchen Gesetzesvorlage frage ich mich überhaupt, wo hier in diesem Hause neuerdings die Fronten verlaufen. Was man draußen von Ihrer Stellung gegenüber dem Markt und von Ihrer Stellung gegenüber einem Zuviel an Gesetzen vermutet, wird hier mühsam von den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten gegen Sie verteidigt. Das müssen wir den Verbänden, die sich damit befassen, einmal deutlich machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Der Einzelhandel ist, wie ich nachgelesen habe, über Ihre Vorschläge schon gar nicht glücklich. Abgesehen von einigen wenigen Punkten, über die es ja zwischen allen keinen Streit geben kann, Bereich Ausverkauf usw., sagt der Einzelhandelsverband zu dem Punkt Schadenersatz und auch zu dem Punkt Kostenherabsetzung sehr deutlich

(Zuruf von der CDU/CSU)

— also ich kann es Ihnen vorlegen, ich habe es nicht mit hierher gebracht! —, daß dies sehr zweischneidige Schwerter sind, und er mag sich gar nicht entscheiden, ob er der Einführung der Sache das Wort reden will, während der Deutsche Richterbund so weit geht, daß er sagt, das Ganze ist überflüssig. Jedenfalls ist es nicht in Ordnung, daß Herr Stoltenberg, Herr Kohl, Herr Carstens und andere sich hinstellen und über die Gesetzesflut jammern und Sie dann herkommen und der Bundesregierung einen noch nicht fertigen Referentenentwurf abschreiben, damit Sie ja die ersten sind, die das neue Gesetz vorlegen können. Da stimmt doch auch etwas nicht in Ihrer Argumentation!

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Bundesregierung ist ja sehr föderalistisch, sehr ländertreu, kann man sagen, so wie die Länder bundestreu sein sollen, und sie hat darum in ihre Geschäftsordnung hineingeschrieben, daß vor der Vorlage eines Entwurfs im Kabinett derselbe den Länderministern zuzuleiten ist. Wir haben also die



Kleinert
große Freude, daß wir hier wenigstens nicht nach undichten Stellen in dem einen oder anderen Hause suchen müssen, denn wir wissen, daß es hier einen ganz einwandfreien Dienstweg gibt, auf dem diese Entwürfe Ihnen zu Ihrer beliebigen Verfügung zugeleitet werden. Davon machen Sie dann allerdings auch den heute hier wieder zu beobachtenden Gebrauch, aber im Gegensatz zu Ihren Erklärungen zu derartigen Punkten, wenn es sich um pauschale Darlegungen handelt, wie man ja überhaupt heute wieder feststellen muß, daß Ihnen das Pauschale und das etwas höherfliegende Allgemeine weit mehr liegen als die Knochenarbeit, der wir uns auch in dieser Frage erst in Zukunft noch werden unterziehen müssen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808831500
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuß. — Ich höre keinen Widerspruch. Das ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Vogel (Ennepetal), Dr. Langner, Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Eyrich, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Klein (Göttingen), Geisenhofer, Dr. Blüm, Dr. Möller, Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die außergerichtliche Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen
— Drucksache 8/1713 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Darf ich annehmen, daß Sie die Begründung gleich mit in die Aussprache nehmen? — Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Dr. Langner.

Dr. Manfred Langner (CDU):
Rede ID: ID0808831600
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann anknüpfen an den vorangegangenen Tagesordnungspunkt, ich kann anknüpfen an die Ausführungen von Herrn Kleinert zu den Klagen über die Gesetzesflut in Deutschland. Ich meine, das wäre kein Thema, weder hier im Hause noch draußen, wenn man sich bei allen Gesetzen soviel Zeit lassen würde, wie wir das bei dem jetzt zu beratenden Gesetz getan haben. Denn hier liegt zwischen Problemerkenntnis und Einbringung eines Gesetzentwurfs ein Zeitraum von fast 100 Jahren. Ich darf erinnern etwa an die frühen Initiativen: so gab es beispielsweise 1890 schon eine Rechtsauskunftsstelle des Katholischen Volksvereins in Essen, die dann vorbildhaft für andere private Initiativen auf diesem Gebiet geworden ist.
Worum geht es? Es geht um die vorgerichtliche, um die außergerichtliche Rechtsberatung und Vertretung, um Rechtsbesorgung für Mitbürger mit geringem Einkommen. Wir haben bekanntlich für das
Streitverfahren das Armenrecht und für Strafverfahren von Gewicht die Pflichtverteidigung. Wir haben aber kein Rechtsinstitut für die Rechtsbesorgung im vor- und im außergerichtlichen Bereich. Daß angesichts der Vorschriftenfülle — das Bundesgesetzblatt wird ja von Jahr zu Jahr dicker —, auch der Kompliziertheit, der Spezialisierung des Rechts, aber auch der oft unvollständigen und unklaren Gesetzessprache ein Bedürfnis besteht, darüber herrscht kein Streit.
Man muß sich aber die Frage vorlegen, und das haben wir sehr gründlich geprüft, bevor wir diesen Entwurf eingebracht haben, ob es zur Regelung des Problems, das erkannt ist, unbedingt eines Gesetzes bedarf. Das ist eine Frage, die viel ernster zu nehmen ist, als es oft geschieht. Daß wir den Entwurf eingebracht haben, beweist eigentlich nur, daß wir die Notwendigkeit bejaht haben. Ich möchte den Begründungszwang ernster nehmen und einiges dazu sagen.
Hier läge ein Einwand nahe, der Einwand nämlich, daß wir auf eine bunte Palette vielfältiger Einrichtungen privater oder öffentlicher Natur und auf Modellversuche blicken können. Ich darf daran erinnern, daß etwa der VdK seine Mitglieder im Bereich des Sozialrechts berät. Die Gewerkschaften beraten und vertreten ihre Mitglieder in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Wir haben öffentliche Rechtsauskunftsstellen in Hamburg, Lübeck und Berlin. Wir kennen die Rechtsberatung der Arbeitskammer Bremen. Wir haben ein weit gefächertes System freiwilliger Rechtsberatung der Anwaltsvereine. Ein Raum, der etwa 25 Millionen Einwohner unseres Landes abdeckt, wird von diesen freiwilligen Einrichtungen der Anwaltschaft erfaßt. Wir haben Lohnsteuerhilfevereine, wir haben Mietervereine. Sie erteilen jeweils auf gewissen Rechtsgebieten Rechtsrat.
Diese Vielfalt ist nicht Zersplitterung und sicherlich für sich auch noch kein Argument dafür, daß wir eine vereinheitlichende bundesgesetzliche Regelung brauchen. Es geht auch gar nicht darum, daß wir den spezialisierten Rechtsrat irgendwie mit dem ablösen könnten, was wir heute hier vorlegen. Es geht um den allgemeinen Rechtsrat. Hier halten wir allerdings in der Tat ein Gesetz für erforderlich.
Zunächst ist auf die Lücken hinzuweisen, die es trotz der Vielfalt von Einrichtungen noch gibt, insbesondere im ländlichen Raum. Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß es eine Vielzahl von betroffenen Mitbürgern gibt, für die wir hier etwas zu regeln haben. Ich möchte nicht Partei in dem Streit ergreifen, wie hoch die Zahl der ärmeren Mitbürger in Deutschland anzusetzen ist, ob Herr Geißler mit der von ihm genannten Zahl von sechs Millionen recht hat; aber eines steht fest: daß der Kreis der betroffenen Mitbürger, die nur ein Einkommen im Sozialhilfeniveau zur Verfügung haben, nach Millionen zählt. Wenn eine Vielzahl von Mitbürgern betroffen ist, ist ein Gesetz ja auch nicht von vornherein die falsche Lösung.
Es geht aber vor allen Dingen um eine harmonische Verbindung des gerichtlichen und vorgericht-



Dr. Langner
lichen Verfahrens, um eine harmonische Verbindung des Armenrechts und, wenn Sie so wollen, des in den vorprozessualen Raum vorgezogenen vorgerichtlichen Armenrechts. Das Armenrecht ist in der ZPO, einem Bundesgesetz, geregelt. Aus diesem Sachzusammenhang empfiehlt sich hier eine bundesgesetzliche Regelung. Dadurch, daß von vornherein über die Aussichten eines Verfahrens belehrt wird, daß man vielleicht durch vorprozessuale Korrespondenz oder Telefonieren eine Sache erledigen kann, ist das, was wir vorschlagen, auch durchaus geeignet, Prozesse zu verhindern, während umgekehrt — und hier beziehe ich mich auf den Erfahrungsbericht des Saarlandes mit seinem Modellversuch — auch ein gewisser Prozentsatz der Fälle — im Saarland waren es ca. 12 % — aus dem Bereich der vorgerichtlichen Rechtsberatung dann in ein gerichtliches Verfahren übergeht.
Wir schlagen die Anwaltslösung vor — und ich werde dazu noch etwas sagen — und müssen Anwälte verpflichten, zu verringerten Gebühren — zum Teil in Höhe eines Anerkennungssatzes, je nach Umfang der Tätigkeit — tätig zu werden. Für diese Verpflichtung brauchen wir zweifelsohne ein Gesetz.
Wenn nun damit die Begründung dafür gegeben ist, daß ein Gesetz notwendig ist, so bedeutet dies doch keineswegs, daß hiermit eine Paragraphenflut zu begründen wäre. Es ist durchaus möglich — und ich glaube, unser Entwurf spricht dafür —, eine einfache, verständliche Lösung und ein unbürokratisches Verfahren zu wählen. Wenn ich unseren Entwurf einmal mit dem vergleichen darf, was als Referentenentwurf aus dem Justizministerium bekanntgeworden ist, so muß ich sagen, dieser Vergleich spricht ganz gewiß für unseren Entwurf, der viel einfacher, viel unkomplizierter, viel kürzer, viel knapper und auch verständlicher ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Und richtiger! — Und nicht abgeschrieben!)

— Und nicht abgeschrieben, auch das.
Warum war eine solche einfache und zweckmäßige Lösung möglich? Wir schauen ja auf eine lange Rechtsdiskussion und auf eine breite Entwicklung privater und öffentlicher Einrichtungen auf diesem Gebiet zurück. Juristen, Politiker und Arbeitskreise vielfältiger Art haben sich mit dem Thema befaßt. Die Literatur ist kaum mehr zu überschauen. Dankenswerterweise haben wir auch in den letzten Jahren zusätzliche Erfahrung durch praktische Modelle in den einzelnen Bundesländern gewonnen. Diese Erfahrung können wir verwerten; diese Erfahrung führt nun zu einer Kodifikationsreife. Ich glaube, das, was die Bundesländer in den letzten Jahren auf diesem Gebiet getan haben, ist ein gutes Beispiel für einen fruchtbaren Föderalismus. Sie haben wichtige Rechtstatsachen für das erprobt und geliefert, was wir heute hier zu regeln haben.
Ich sagte schon, daß wir die Anwaltslösung vorschlagen. Dort, wo die freien Kräfte der Gesellschaft ein Beratungssystem anbieten, ist nach unserer Auffassung kein Raum für staatliches Tätigwerden. Wir nehmen das Subsidiaritätsprinzip auch bei diesem Gesetzentwurf sehr, sehr ernst. Es gibt das flächendeckende, weit gestreute Beratungssystem der Anwaltschaft unterdessen schon bis in die größeren Dörfer hinein.
Wir haben in den letzten Jahren — das wird sich noch in den nächsten Jahren fortsetzen — Rekordzahlen von Neuzulassungen von Anwälten. Um es beiläufig zu sagen — es gehört ja nicht ganz zum Thema —. Die Anwaltschaft ganz sicherlich hat einen Teil dessen in den nächsten Jahren zu tragen, was die Bildungseuphorie, so möchte man schon fast sagen, in den letzten Jahren bewirkt hat. Eine wachsende Zahl von Abiturienten drängte zu den Hochschulen, und anderer Fächer — wenn ich das einmal so salopp sagen darf —, wie die medizinischen und die naturwissenschaftlichen, haben die Schotten etwas dichter gemacht. Viele junge Abiturienten haben — obwohl sie es sicherlich erst als zweite oder dritte Präferenz im Auge hatten — das juristische Studium gewählt. In den nächsten Jahren wird eine Rekordzahl von Absolventen auf den Arbeitsmarkt drängen. Kein Mensch wird befürworten, daß wir deshalb unsere Bürokratie auf dem staatlichen Sektor ausweiten sollten. Das ist überhaupt nicht zu finanzieren. Es bleibt vielfach nur die Anwaltszulassung. Wir können also — damit ist der Zusammenhang zum Thema gewahrt — damit rechnen, daß das Netz der anwaltlichen Beratung noch dichter werden und bis hinein in die kleineren Dörfer reichen wird. Dieses System steht zur Verfügung.
Diese Bemerkung darf natürlich nicht dahin gehend mißverstanden werden, als würde mit diesem Gesetz oder mit dem, was im Bundesjustizministerium ausgedacht wird, ein Arbeitsbedarf für Anwälte geschaffen. Ich höre, daß die Zahl von 7 Millionen DM an Anwaltskosten im Referentenentwurf des Justizministeriums genannt ist. Dies ist natürlich — gäbe es eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung anwaltlicher Gebühren — eine zu vernachlässigende Größe. Damit ist überhaupt kein Arbeitsbeschaffungseffekt für Anwälte zu erreichen. Und wenn ich auch das aus meiner Erfahrung sagen darf: Ich glaube, die betroffene Klientel wird durchaus nicht zu jungen, frisch zugelassenen Anwälten gehen, um ihnen Mandate zu verschaffen, sondern sie wird im Gegenteil in jedem Fall ganz sicherlich einmal schauen, wo ein namhafter Anwalt zu finden ist, wenn sie eine Rechtsauskunft oder rechtliche Vertretung braucht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es spricht ein weiteres entscheidendes Argument für die Anwaltslösung, nämlich das der Waffengleichheit, wenn ich es einmal so nennen darf. Weder pensionierte Richter, die ein Leben lang Streit geschlichtet haben und dann im Alter plötzlich Interessenvertreter werden sollen — das klappt nicht — sind die richtigen Personen, noch sind Amtsstuben der richtige Ort für Rechtsberatung und Interessenvertretung. Nein, dafür stehen Anwälte bzw. Anwaltskanzleien zur Verfügung, denn dort erhalten auch wirtschaftlich besser gestellte Mitbürger ihren Rechtsrat und ihre Rechtsvertretung.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 88.
Dr. Langner
Unser Gesetzentwurf macht es nötig, daß wir die Anwaltschaft verpflichten, zu geringeren Gebühren tätig zu werden. Das kann im Einzelfall — dann, wenn die Sache nicht mit einer kurzen Beratung abgetan ist, sondern eine Korrespondenz erforderlich ist, wenn der Mandant ein-, zwei- oder dreimal kommen muß — dazu führen, daß das, was der Anwalt dafür erhält, sich allenfalls als Anerkennungsgebühr darstellt. Wir glauben, diese Verpflichtung aus der Stellung der Anwaltschaft als eines Organs der Rechtspflege ableiten zu können, und sind dankbar dafür, daß die Anwaltschaft nach allem, was man auf ihren Kongressen hört und was sie bisher schon in der Praxis getan hat, damit einverstanden ist. Wir sollten dies auch dankbar hervorheben. Die Anwälte sehen hier durchaus eine sozialverpflichtete Komponente ihres Berufs, und dies ist ja auch sehr geeignet, das Ansehen dieses Berufsstandes zu heben, das Ansehen, das ja in letzter Zeit durch einige wenige Komplizenverteidiger von Terroristen hier und da etwas gelitten hat.
Nun, der Grundsatz ist klar; es sind noch einige Einzelfragen zu lösen. Wer ist bedürftig? Hier bildet sich immer mehr die allgemeine Meinung heraus, daß der doppelte Sozialhilfesatz für den Haushaltsvorstand mit einigen Ergänzungen für Haushaltsangehörige oder für Unterhaltsverpflichtungen nach außen der richtige Maßstab ist.
Wir wollen ein einfaches und unbürokratisches Verfahren der Prüfung. Nach unserer Auffassung soll das Amtsgericht oder der Anwalt prüfen können. Wir haben in den Beratungen, die wir führten, bevor wir diesen Entwurf einbrachten, die Argumente sehr ernst genommen, die gegen eine Prüfung durch den Anwalt selbst vorgebracht worden sind, zuletzt auch wieder in dem Erfahrungsbericht des Saarlandes. Wir meinen aber, daß hier trotzdem auch der Anwalt die Möglichkeit haben soll, zu prüfen.
Das Gesetz sieht dann noch eine Eigenbeteiligung vor. Diese ist notwendig, um Mißbrauch oder Querulantentum abzuwehren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es handelt sich hier um ein Gesetz im Schnittbereich von Justiz- und Sozialrecht. Ich habe eingangs ausführliche Anmerkungen zur Notwendigkeit des Gesetzes gemacht; abschließen möchte ich damit, daß ich auch einiges zur Finanzierbarkeit sage.
Es ist ja nicht damit getan, daß wir auf dem Vorblatt schreiben: Den Bund treffen keine Kosten. Das haben wir ja allzu oft, daß hier im Hause große Reformpläne und Gesetzeswerke gemacht werden, und die Länder oder die Gemeinden oder Sonstige haben die Kosten zu tragen.

(Prinz zu Sayn Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Wir haben dies sehr wohl bedacht. Nach unserem Gesetzentwurf ist es so, daß die Sache dort, wo jetzt öffentliche Rechtsauskunftsstellen bestehen, billiger wird; ich betone: wenn unsere Lösung angenommen wird, denn dann gibt es keine sächlichen und personellen Vorhaltekosten des Staates
mehr. Im Saarland, wo es einen Flächenversuch gegeben hat, wird ein Mehrbedarf nicht entstehen, und in den anderen Bundesländern, die Modellversuche durchgeführt haben, sind Haushaltsmittel bereits ausgewiesen; sie werden sich allenfalls geringfügig erhöhen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf weist nach unserer Auffassung den Weg, wie wir einen trotz Haushaltsenge, die durch Anspruchsinflation verursacht ist, verbleibenden Gestaltungsspielraum noch nutzen können, wenn man ordnungspolitisch richtig handelt, wenn man die nichtstaatliche Lösung dort, wo sie möglich ist, wählt — das haben wir getan —, wenn man die Bereitschaft eines Berufsstandes, zu helfen, nutzen kann — .das haben wir getan — und wenn man eine Eigenbeteiligung vorsieht, die Mißbrauch und Ausnutzung ausschließt.
Durch dieses Gesetz, meine verehrten Damen und Herren, erweist sich die Union einmal mehr als Anwalt der Bürger.

(Wehner [SPD] : Ja, ja!)

Die Politiker benutzen die Wendung, Anwalt für irgendeine Sache zu sein, sehr, sehr gern. Hier haben wir uns als Anwalt unserer ärmeren Mitbürger erwiesen. Wir hoffen auf eine sehr fruchtbare Beratung in den Ausschüssen. Wir sind für Anregungen dankbar und offen, allerdings nicht dafür, daß ein in der Lösung einfaches, klares und verständliches Gesetz verkompliziert wird. Diesen Weg würden wir allerdings nicht mitgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808831700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schöfberger.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Jetzt wird der Entwurf von links zerfetzt!)


Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0808831800
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Langner, Sie haben Ihren Entwurf in einer sehr angenehmen und zuhörenswerten Weise begründet.
Aber in einem möchte ich Ihnen widersprechen. Richtungweisend oder bahnbrechend ist Ihr Entwurf nicht gerade. Denn, auf wenige Sätze konzentriert, lautet Ihr Konzept der außergerichtlichen Rechtsberatung in fast allen Bundesländern: Erstens. Es machen die Anwälte. Zweitens. Die bekommen dafür 55 Mark. Drittens. Der einkommensschwache Bürger legt zehn Mark drauf. Und das Ganze ist eine gesetzliche Verpflichtung. Das ist nach dem jahrzehntelangem Bemühen auf diesem Gebiet eine sehr dünne Erkenntnis. Viel ist dabei an Versuchsergebnis offenbar bei Ihnen nicht herausgekommen.
Aber Ihr übergeordnetes Grundziel deckt sich ohne Zweifel mit dem unsrigen. In der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976 heißt es:
Jeder Mensch soll bei der Durchsetzung seiner
Rechte möglichst gleiche Chancen haben. Des-



Dr. Schöfberger
halb streben wir im Zusammenhang mit den in einigen Ländern laufenden Versuchen unter Einbeziehung der Anwaltschaft eine durchgreifende Verbesserung der vorgerichtlichen und der außergerichtlichen Rechtsberatung und eine Neuregelung des Armenrechts an.
Diese Ankündigung der Regierungserklärung entspricht dem Ziel der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Uns ist jede Anstrengung auf diesem Feld willkommen. Insofern begrüßen wir auch Ihren Entwurf als willkommenen Diskussionsbeitrag.
Wir gehen davon aus — ich hoffe, daß es bei Ihnen ebenso ist —, daß es auch in einer marktwirtschaftlichen Ordnung elementare Lebensbereiche geben muß, die nicht dem Gesetz der Kommerzialisierung oder der Gewinnmaximierung unterliegen. Leben und Gesundheit, Bildung und Ausbildung, Umweltsicherung und Naturgenuß gehören dazu, aber eben auch Recht und Rechtspflege. Einfacher ausgedrückt: Es darf im Prinzip nicht von der Schwere des Geldbeutels oder von der Fülle der Brieftasche abhängen, ob ein Bürger sein Recht bekommt oder nicht. Im Prinzip nicht!
Zwischen Recht haben und Recht bekommen liegt in der Praxis für die meisten Bürger ein weiter Weg mit vielen Hürden und Stolpersteinen. Sozialstaatliche Rechtspflege bedeutet, diesen Weg vom Recht haben zum Recht bekommen für alle Bürger gangbarer, also einkommens- und vermögensunabhängiger zu machen.
Weil Sie von Rechtstatsachen gesprochen haben, Herr Kollege Langner, sollten wir uns an dieser Stelle überlegen, um welche Rechtsfälle es sich da denn eigentlich handelt. Wir beide sprechen aus der Praxis; wir beide sind Advokaten.
Es geht dabei nicht um Vermögenstransfers, um Grundstücksgeschäfte en gros; es geht auch nicht um Spitzfindigkeiten aus dem Aktienrecht. Wie ich das beurteile, geht es vorwiegend um Mieterhöhung, um Arbeitsplatzkündigung, um Beleidigungen im Treppenhaus, um Lohnsteuerjahresausgleich, um Streit mit dem Gartennachbarn, um Haustürgeschäft, um Ratenvertrag, um Kreditvertrag mit den damit gelegentlich verbundenen Übervorteilungen, um Übervorteilung beim Gebrauchtwarenverkauf, um Verkehrsunfälle, um den Nachlaß der Tante Anna, und, wenn es hoch kommt, um die Scheidung, die sich der Einkommensschwächere sowieso selten leisten kann. Um diese Fälle geht es.
So bereitwillig viele Anwälte auf diesem Gebiet auch waren — den meisten hat man damit ja bisher schon keine besondere Freude gemacht,

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Darum geht es ja auch nicht!)

wenn solche Fälle ins Haus gestanden sind, und man wird es auch in Zukunft nicht gerne machen — mit und ohne 55 Mark. Ich befürchte also, daß der Großteil der Anwaltschaft gar nicht so scharf darauf ist, die Aufgabe zugewiesen zu bekommen.
Auch das Folgende gehört zu den Rechtstatsachen: Viele Bürger aus den schwächeren Einkommensschichten verkünden uns ja immer mit einem gewissen Stolz, sie hätten im ganzen Leben mit Gerichten noch nie etwas zu tun gehabt. Soweit das die Strafgerichte betrifft, ist das Ausweis eines rechtstreuen Lebens. Aber soweit es andere Gerichte betrifft, ist das wohl auch der Beweis, daß sich der Bürger ein Leben lang alles hat gefallen lassen oder alles gefallen lassen mußte, was der Hausbesitzer, der Arbeitgeber, der clevere Vertreter, das Finanzamt, die Bußgeldstelle oder das Nachlaßgericht mit ihm angestellt haben. Er mußte sich manches gefallen lassen, weil er — bewußt oder unbewußt -wohl davon ausgeht, daß er sich das Recht-Bekommen doch nicht leisten könne. Ist es in einem Rechtsstaat nicht schrecklich, wenn viele Bürger davon ausgehen müssen, sich das Recht nicht leisten zu können? Das fordert uns auf den Plan.
Ein weiteres Element aus der Rechtstatsachenforschung ist wohl unbestritten: Unterdurchschnittliches Einkommen, Geschäfts- und Rechtsungewandtheit, Schwellenangst vor Behörden und Anwaltskanzleien sind Geschwisterpaare. Sie treffen in der Mehrzahl der Fälle beim einzelnen Bürger zusammen. Ich glaube nicht, Herr Kollege Langner, daß man diese ganzen Hemmschwellen in der Praxis mit einer 55-Mark-plus-10-Mark-Lösung bewältigen kann. Da steckt zuviel an Problemen darin. Sie verweisen mit gutem Recht auf die Einfachheit Ihres Entwurfes. Aber wenn der so einfach ist, daß er auf den ersten Blick für die Fülle der angestauten Probleme und Hemmschwellen keine Lösung bieten kann, dann ist er halt zu einfach, um nicht zu sagen: zu simpel.
Unser Ziel heißt -- darin ergänzen wir uns — Chancengleichheit aller Bürger in der Rechtspflege, denn Gerechtigkeit ist ohne Gleichheit aller Bürger vor dem Recht unvorstellbar.
Unsere Strategie — als Sozialdemokraten — heißt dazu: Fortschreitender Abbau aller finanziellen, bürokratischen, psychologischen Hemmschwellen, die bei einkommensschwächeren Schichten aufzufinden sind.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Das geht nur durch Bürokratie!)

— Ja, auch Sie kommen nicht ohne Bürokratie aus, Herr Vogel, wenn Sie die Amtsgerichte zur erneuten Prüfung der Erfolgschancen vorschalten, um dann den Bürger über diesen fakultativen Umweg zu einem Rechtsanwalt zu schicken. Also: ganz ohne Bürokratie und Prüfung der Erfolgsaussichten geht es auch bei Ihrem Entwurf nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Aber das allein genügt ja wohl noch nicht. An die Stelle der bisherigen Hemmschwellen muß ein sozialstaatliches mehrgliedriges Gefüge von außergerichlichen und gerichtlichen Rechtshilfen treten. Unter diesem Aspekt ist Ihr Entwurf gut gemeint, in einem Teilbereich auch gelungen, aber im ganzen zu kurz gestrickt. Das möchte ich begründen.
Eine Gesamtreform der außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsberatung einkommensschwächerer Schichten besteht nicht nur aus dem von Ihnen ange-



Dr. Schöfberger
sprodienen Teilstüdc. Zur Gesamtreform aus einem Guß gehört eine außergerichtliche Rechtsberatung, die von Ihnen audi so gesehene Nahtstelle der vorgerichtlichen Rechtsberatung, wenn es zum Prozeß kommt, auch die Prozeßkostenhilfe, zu der Sie noch einen Antrag einbringen müssen.
Ich nehme an, daß Sie auch das seit der wilhelmischen Zeit überkommene Armenrecht reformieren wollen. Denn dieses Armenrecht ist längst zu einem Armutszeugnis des sozialen Rechtsstaats geworden.
Dazu gehört aber zwangsläufig auch eine Überarbeitung des Rechtsberatungsmißbrauchsgesetzes aus dem Jahre 1935. Dieses Gesetz hat eine sehr zweifelhafte Vergangenheit. Es ist im Dritten Reich erlassen worden, um den vom damaligen Unrechtstaat aus dem Dienst entlassenen jüdischen Richtern, die sich dann als Anwälte niedergelassen und die keine Zulassung hatten, das Handwerk zu legen — eine sehr zweifelhafte Tradition. Dieses Gesetz ist bereinigt worden, aber es ist auf unsere Tage überkommen.
Darf ich Ihnen dazu einmal kurz einen praktischen Fall nennen, der mich bewegt.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Jetzt kommt der Arzt!)

— Das ist ein Arzt, der in meinem Wahlkreis wohnt, Herr Dr. Weber, Psychotherapeut, der seinen Patienten gelegentlich geholfen hat, einen Antrag auf Sozialhilfe auszufüllen. Dieser Arzt ist vom Amtsgericht München wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz zu einer Geldbuße von 1 000 DM verurteilt worden.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Das war Stuß!)

Nach der Rechtsbeschwerde zum Bayerischen Obersten Landesgericht ist es dann zu einer mehr symbolisch zu verstehenden Strafe von 50 DM herabgesetzt worden. Dieser Bürger hat eine Petition eingereicht. Er meint, es müsse sich nun alles um diesen Fall drehen. Sp wird es nicht sein. Aber diesen Fall müssen wir bei der außergerichtlichen Rechtsberatung und ihrer Neuorganisation sicher mit einbeziehen.

(Dr. Langner [CDU/CSU] : Ein anderes Thema!)

— Sicher ist das kein anderes Thema; denn wenn Sie die Mietervereine und ihre Tätigkeiten ansehen, wenn Sie die Lohnsteuerhilfen ansehen, wenn Sie sogar unsere Tätigkeit als Abgeordnete betrachten, dann ist das ein Thema. Wir haben als Münchner Abgeordnete mit unseren Mieterberatungsbüros eine. Beanstandung des Oberlandesgerichtspräsidenten bekommen, weil wir über das neue Wohnraumkündigungsschutzgesetz informiert - haben. Es ist dann zu einem erfreulichen Kompromiß gekommen: Der Herr Präsident des Oberlandesgerichts hat uns das ausnahmsweise angesichts des drohenden Rechtsberatungsmißbrauchsgesetzes genehmigt. Das sind also schon Fälle, die da hereinspielen.
Aber auch der Fall der Rechtsschutzversicherung muß aufgegriffen werden. Es gibt ja revolutionäre
Vorschläge àuf diesem Gebiet: eine allgemeine Pflichtrechtsschutzversicherung, vergleichbar mit der Krankenversicherungspflicht, einzuführen.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Haben Sie sich einmal näher damit befaßt, Herr Kollege Schöfberger?)

— Ich habe ja den Vorschlag nicht gemacht, Herr Kollege Vogel. Ich sage nur, daß es ihn gibt. Wir haben doch die Pflicht, solche Vorschläge abzuklopfen, auch wenn sie auf den ersten Blick als unsinnig erscheinen. Ich weiß, daß die allgemeine Rechtsschutzpflichtversicherung unsinnig wäre — schon deswegen, weil die Prozeßflut auf das Drei- und Fünffache steigen würde. Ich weiß aus meiner Praxis, daß man bei einem Verkehrsunfall bei einer 50 %igen Regulierung durch die Versicherung sagt: Die anderen 50 % werden eingeklagt; ich bin ja rechtsschutzversichert. Man tut das, ob es Aussicht auf Erfolg hat oder nicht.
Ich runde das jetzt ab: Seit der Regierungserklärung sind ein Jahr und vier Monate verstrichen. Bei aller Ungeduld, die ich teile, kann man ja nicht behaupten, daß die Regierung inzwischen saumselig gewesen sei. Die Referentenentwürfe des Bundesjustizministeriums zur Prozeßkostenhilfe und zur außergerichtlichen Rechtsberatung liegen derzeit bei den Länderjustizverwaltungen und bei den anzuhörenden Verbänden. Wie ich aus dem Ministerium höre, ist die Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen und mit den Länderfinanzministern sehr schwierig, weil das Ganze kostenträchtig ist. Ich bitte aber das Justizministerium, sich durch solche Berechnungen nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Bei der Beratung des Gesetzes über Hilfen für Verbrechensopfer hat man mit Zahlen aufgewartet, die sich in der Praxis nicht bewahrheitet haben. Die angesetzten Beträge und befürchteten Ausgaben sind weit unterboten worden, so daß ich annehme, daß es auch in diesem Bereich nicht so schlimm werden wird.
Die Opposition — das hat Herr Kleinert bei Tagesordnungspunkt 7 bereits ausgeführt — braucht sich ja mit solchen Anhörungen der Länderjustizbehörden und der Finanzbehörden nicht aufzuhalten. Sie braucht sich auch davon nicht beeindrucken zu lassen. Man kann einen parlamentarischen Schnellschuß abfeuern. _

(Dr. Langner [CDU/CSU] : Na, hören Sie mal l Das ist doch alles andere als ein Schnellschuß!)

— Sehr großer Überlegungen bedurfte dieser Schnellschuß ja wohl nicht. Ich glaube auch, daß Sie einen hintersinnigen Gedanken gehabt haben. Vor drei Wochen ist Ihr Entwurf im „Deutschen Anwaltsblatt" nicht nur veröffentlicht, ‘sondern auch gebührend beweihräuchert worden.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Das ist durchaus dankenswert!)

Ich glaube, daß Sie bei der deutschen Anwaltschaft
derzeit etwas abzufeiern haben, daß Sie um gutes
Wetter anhalten müssen; denn nach Ihren vielfälti-



Dr. Schöfberger
gen Vorschlägen zur Verteidigerüberwachung und ähnlichem haben Sie Boden gutzumachen.

(Dr. Langner [CDU/CSU] : Ihr wollt das doch viel teurer machen!)

Deswegen konzentrieren Sie sich so krampfhaft auf das reine Anwaltsmodell und werfen die zehnjährigen Versuchserfahrungen in allen Bundesländern einfach weg.

(Dr. Langner [CDU/CSU] : Im Gegenteil!)

Wie können Sie, Herr Kollege Langner, hier sagen, daß Sie die jahrelangen 'Erfahrungen nützen wollen, wenn Sie sie praktisch nicht nützen und das reine Anwaltsmodell herstellen? Insgesamt meine ich: Das Linsengericht der Erstgeburt haben Sie mit diesem Entwurf nicht gerade verdient.
Nun komme ich noch kurz zum reinen Anwaltsmodell. Sie sagen in Ihrer Begründung — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808831900
Herr Kollege, ich bitte, zum Abschluß zu kommen.

Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0808832000
Ich komme zum Abschluß.
Sie sagen in Ihrer Begründung, das reine Anwaltsmodell sei angebracht, weil nur der Anwalt ortsnah und sachkundig sei. Das trifft in vielen Bereichen zu, sowohl unter geographischem Bezug als auch nach Rechtsmaterien, aber bei weitem nicht in allen Fällen. In Stadtstaaten ist das ÖRA-Modell, also das Modell der öffentlichen Rechtsantragsstellen, erprobt worden. Es hat sich bewährt, und es wird dort auch erhalten werden müssen. Deswegen sehen wir im Gesetzentwurf eine Bestandsgarantie, ja eine fakultative Öffnung für solche ORA-Modelle, vor,
Unsere Konzeption ist folgende: Wir sind für eine maßgebende Beteiligung der Anwaltschaft. Ohne Anwaltschaft geht es nicht, ohne Anwaltschaft wird es auch von uns nicht gemacht werden; aber ebenso unsinnig wäre es, alle bisherigen Länderversuche und die bewährten Einrichtungen wegzuwischen. Wir meinen, daß die Rechtsverhältnisse, das Rechtsleben und auch die Rechtshindernisse so vielgestaltiger Natur sind, daß wir ein Mehrfachangebot an Rechtshilfen brauchen. Wir erwarten nach der Sommerpause die enstprechenden Regierungsentwürfe. Wir sichern Ihnen zu, daß unsere Fraktion in den Ausschüssen für eine zügige Beratung sorgen wird. Wir hoffen, daß wir damit noch in diesem Jahr fertig werden.
Wir sind dafür, daß der Entwurf dem Rechtsausschuß und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung überwiesen wird. Das Ganze ist ein Stück Rechtspolitik und ein Stück Sozialpolitik. Es kommt jetzt darauf an, beides zu einem Stück sozialer Gerechtigkeit zu verbinden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808832100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0808832200
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit Rücksicht auf das kurz bevorstehende Abendessen besonders wichtiger Mitglieder des Hauses, von dem ich gehört habe, versuche ich, mich kurz zu fassen, zumal die Herren Vorredner das meiste bei der bestehenden Einigkeit über die Grundsätze so dargelegt haben, daß nicht mehr viel hinzuzufügen ist.
Mir erscheint es ganz wesentlich, noch einmal, wie es auch schon die Vorredner getan haben, zu unterstreichen, daß seit vielen Jahren auf verschiedene Art und Weise, aber meist sehr wirksam, auf völlig freiwilliger Basis durch die Anwaltschaft in richtiger Erkenntnis ihrer sozialen Verpflichtung an den meisten größeren und auch an vielen kleineren Plätzen Beratung angeboten worden ist. Deshalb ist es etwas unangenehm, hier an der aus der Systematik sicher notwendigen Verpflichtung der Anwälte im Rahmen des Modells mitzuwirken, wie es im einzelnen auch immer ausgestaltet werden wird. Es ist natürlich bedeutend besser, wenn jemand eine derartige Leistung freiwillig erbringt, zumal wenn er bewiesen hat, daß das seit langem geschieht, als wenn man ihn dazu verpflichtet. Ich bedaure sehr, daß es mit dieser Freiwilligkeit insofern nun wohl formal ein Ende haben wird. Tatsache bleibt dann aber, daß von einer auch nur angemessenen Dekkung der Kosten bei den vorgesehenen Vergütungen nicht die Rede sein kann. Es handelt sich lediglich um einen Zuschuß zur Deckung derselben.
Deshalb möchte ich für die weiteren Überlegungen des Bundesjustizministeriums anregen, sich doch noch etwas mehr der zweifellos imponierenden Kürze des heute hier vorgelegten Entwurfs anzunähern und insbesondere bei der Frage der Erstattung der Kosten — das tut übrigens auch noch der CDU-Entwurf ein wenig — gar nicht erst den Eindruck zu erwecken versuchen, daß hier etwas ausgerechnet und versucht werde, etwas Leistungsangemessenes zu ermitteln. Da hier im wesentlichen eine soziale Verpflichtung übernommen und ein Teil der Kosten abgedeckt werden soll, brauchte man, meine ich, nicht noch den ungewöhnlich lästigen und häufig sehr zählebigen Streit mit dem Rechtspfleger über die Angemessenheit von entweder 30 oder 40 DM zu führen. Dann sollte man hergehen und wenigstens diesen Teil der Operation abkürzen, indem man ohne Rücksicht auf Art und Umfang der Sache eine Pauschalsumme für sämtliche Fälle ansetzt. Das würde Arbeit sparen und unterstreichen, daß von einer leistungsangemessenen Vergütung nicht die Rede sein kann. Ob man da — wie der jetzige Entwurf der Bundesregierung - bis auf 300 DM hochgeht oder bei 55 DM — wie das im CDU-Entwurf geschehen ist — eine Obergrenze setzt, das spielt dabei keine Rolle. Ich wäre dankbar, wenn man diesen Gedanken einer völligen Pauschalierung noch einmal aufgreifen könnte — einmal aus dem Grund, daß eben kein Leistungsentgelt im eigentlichen Sinne vorliegt und die Angemessenheit deshalb gar nicht ermittelt werden kann, und zum anderen wegen der dadurch möglichen erheblichen Vereinfachung.
Bei dem Entwurf der Bundesregierung spielen die 10 Mark, von denen hier die Rede gewesen ist, auch eine Rolle, nur mit dem feinen Unterschied, daß sie in die Kasse des Fiskus wandern sollen, während



Kleinert
sie nach dem CDU-Vorschlag zusätzlich noch in die Kasse des Anwalts fließen sollen. Das würde übrigens dazu führen, daß der Staat in den Fällen, in denen man an der Untergrenze des Vorschlages der Bundesregierung, nämlich bei 20 DM, bleibt, mit dem Anwalt sozusagen Kippe bei den Bemühungen um den Bürger, dem hier geholfen werden soll, macht. Die Mühe des Herausfindens, ob ein Rat zu geben ist, würde dann immerhin schon mit 50 % dessen bewertet werden, was dieser Rat hinterher selbst wert wäre. Das ist auch eine Ungereimtheit, die man vielleicht vermeiden sollte;
Das sind Gründe, deretwegen die Kürze des CDU- Entwurfs durchaus erfreulich ist.
Zu einigem anderen hatte ich mich bereits beim vorigen Tagesordnungspunkt geäußert, ohne daß ich etwa behaupten will, hier wäre wie in dem vorhergegangenen Fall etwas übernommen worden. Immerhin ist nicht zu verkennen, daß die Gedanken, von denen Sie hier nun einige ganz kurz zusammengefaßt haben, in aller Breite am Markte waren.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ein Schlüsselerlebnis hatte ich übrigens im Zusammenhang mit dieser Rechtsberatung und den dazu erprobten Modellen bei der Vorstellung des niedersächsischen Modells für diesen Zweck durch den damaligen niedersächsischen Justizminister Hans Schäfer, seines Zeichens Sozialdemokrat. Er hat ein sehr offenes, liberales und — wie mir scheint — sehr praktikables Anwaltsmodell vorgestellt. Dazu sprach auch der Ehrengast dieser Veranstaltung hier in der niedersächsischen Landesvertretung, der schleswigholsteinische Justizminister, Herr Schwarz. Er stellte seinerseits ein strikt öffentliches Modell ohne jegliche Anwaltsbeteiligung vor. Diese Entdeckung Ihrer ausschließlichen und besonderen Liebe zum Anwaltsstand, die sich so durchgehend bei den bisherigen Modellen nicht belegen läßt — ganz im Gegenteil —, war wirklich ein Schlüsselerlebnis.
Ich habe mich selten über den sonst so geschätzten Kollegen Schwarz so gewundert wie bei dieser Gelegenheit über seine Entscheidung.
Im übrigen muß man wohl auch hier sagen, daß man nicht nur dogmatisch vorgehen und nicht nur reine Lehre walten lassen kann. Das ist von uns als Liberalen schon gar nicht zu erwarten. Da, wo seit Jahrzehnten ein öffentliches Modell praktiziert wird — wie z. B. in Hamburg und wohl auch in einigen anderen Großstädten —, wird man wohl von einer von der Bevölkerung angenommenen Einrichtung dieser Art nicht abgehen können — wenigstens nicht gegen den Willen der Beteiligten. Das könnte auch nicht geschehen, wenn wir wirklich der Meinung wären, daß alles, was Kollege Schöfberger über die Schwellenangst, die zu überwinden ist, und die mannigfachen Hemmnisse, die abzubauen sind, richtig wäre. Diese Schwellenangst wird insbesondere im Zusammenhang mit der freien Auswahl und dem freien Zugang zu einem unter mehreren zur Verfügung stehenden Anwaltsbüros vermieden werden. Die Räumlichkeiten, in denen bisher die freiwillige und unentgeltliche Beratung zum Teil durchgeführt wurde, waren nicht immer angetan, die Schwellenangst herabzusetzen, ganz im Gegenteil. Wie allerdings ein komplizierter Entwurf diese Schwellenangst gänzlich ausräumen soll, ist mir gerade im Hinblick auf die Praxis schwer vorstellbar.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Herr Schöfberger weiß das!)

Da wird man sich nur bemühen können.
In diesem Zusammenhang komme ich noch einmal auf die insbesondere von Ihnen, Herr Langner, angestellten Überlegungen zurück, ob man so ein Gesetz überhaupt braucht. Da die Beratung in vielen Ländern schon sehr vernünftig läuft, könnten daran durchaus Zweifel bestehen. Ich meine aber, für ein solches Gesetz streitet in erster Linie die Vermutung, daß das Wissen um einen solchen Rechtsanspruch nach einiger Zeit auch einen Beitrag zur Überwindung der Schwellenangst darstellen würde. Das muß man einfach hier zur Begründung der Notwendigkeit dieses Gesetzes anführen.
Zum Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz und dort etwa notwendigen Reformen sehe ich sicherlich sehr interessante, aber keineswegs unkomplizierte Auseinandersetzungen mit dem Kollegen Schöfberger voraus; denn ich habe in mehreren Punkten völlig andere Auffassungen und halte auch die von ihm angeführten Fälle nicht für sehr hilfreich.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Der eine Fall ist namentlich bekannt. Ich habe mich sofort von sachkundiger Münchener Seite unterrichten lassen. Dieser Fall ist, glaube ich, als Beispiel hier nicht sehr geeignet. Im Einzelfall müßte das Gericht mit einiger Einsicht auch nach dem geltenden Recht helfen können — besser als eine Novelle, die auf jeden Grenzfall abstellt. Der Grenzfall ist zur Überprüfung des Sinnes einer Vorschrift im Ganzen meist wenig geeignet.
Über die Rechtsberatung der Münchener Kollegen weiß ich nichts Näheres. Ich freue mich, daß die Münchener Bürger diese Beratung durch so hervorragende Juristen genießen können. Ich hoffe aber, daß Sie bei der Weiterleitung an die von Ihnen zitierten Anwälte nicht so verfahren wie einige andere Stellen, die zur Objektivität verpflichtet sein sollten, aber in einer ungewöhnlichen Einseitigkeit einige ganz wenige Anwälte mit der Weitergabe der Mandate zu beglücken pflegen, wobei die Zusammenhänge für den Kundigen unschwer aufzuspüren sind. Man sollte Veranlassung nehmen, bei einer etwa ins Auge zu fassenden Reform des Rechtsberatungsmißbrauchsgesetzes auch einmal derartigen Dingen nachzugehen, dann allerdings vermutlich in einem Sinn, an den Sie, Herr Schöfberger, weniger gedacht haben. Aber das wird uns ja ein anderes Mal beschäftigen. Ich habe es nur aufgenommen, damit hier gar nicht erst Zweifel über die etwa leichte Durchsetzbarkeit derartiger Vorstellungen aufkommen.

(Allgemeiner Beifall)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808832300
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.



Vizepräsident Frau Funcke
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend —, an den Innenausschuß und, über die schriftliche Ankündigung hinaus, auch an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend , außerdem an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
— Drucksache 8/1716 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß (federführend)

Rechtsausschuß
Ich darf annehmen, Herr Kollege Stercken, daß wir die Aussprache gleich mit der Begründung verbinden können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Stercken.

Dr. Hans Stercken (CDU):
Rede ID: ID0808832400
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Annahme des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland hat der Deutsche Bundestag zum erstenmal ein Gesetz beschlossen, das nicht nur alle Deutschen, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, zur Teilnahme an einer Wahl berechtigt. Er folgte damit dem Beispiel anderer Staaten der Europäischen Gemeinschaft und beugte sich der Einsicht, daß nicht diejenigen deutschen Staatsbürger von der Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen in Europa ausgeschlossen werden können, die durch ihre Tätigkeit in den europäischen Gebieten der Gemeinschaft bereits die Voraussetzungen für mehr Zusammenarbeit, insbesondere für wirtschaftlichen Erfolg, in Europa schaffen. Es ist schwer verständlich, daß Vertreter der deutschen Wirtschaft — Ingenieure ebenso wie Monteure —, die in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft in steigendem Maße an einer Steigerung deutscher Exporte wesentlich mitwirken und die auf diese Weise die Konjunkturabflachung in der Bundesrepublik verringern, helfen, dafür ihrer demokratischen Mitwirkungs-
und Mitbestimmungsrechte verlustig gehen.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Das ist richtig!)

Die Frage, inwieweit sich alle Deutschen, die ihren ersten Wohnsitz nicht innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes haben, an Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland beteiligen können, ist in diesem Hohen Haus seit Jahren Gegenstand kontroverser Bewertungen. Alle, die über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, sollten, meine Damen und Herren, das Recht haben, sich an demokratischen Entscheidungsprozessen in Deutschland zu beteiligen. Diese Forderung bleibt bestehen.
Den vorliegenden Gesetzentwurf meiner Fraktion begründe ich daher als eine im Augenblick realisierbare Möglichkeit, die uns auf dem Weg, allen Deutschen die Beteiligung an der Demokratie in der
Bundesrepublik Deutschland zu erschließen, entscheidend voranbringt. Wir können nicht erwarten, daß die zunehmende Mitwirkung deutscher Staatsbürger bei der Sicherung und gegebenenfalls Erweiterung des lebenswichtigen Handels mit dem Ausland gewährleistet bleibt, wenn die dadurch entstehenden Konsequenzen in einer Fülle von Benachteiligungen bestehen.
Zu solchen Benachteiligungen gehört etwa die Bedrängnis, in die die Familien der Vertreter deutscher Interessen im Ausland geraten, wenn die deutschen Schulen nicht in der Lage sind, ihre Kinder aufzunehmen. Auf eine entsprechende Anfrage hat mir das Auswärtige Amt mitgeteilt, daß die kulturpolitische Aufgabe unserer Auslandsschulen vornehmlich darin bestehe, Begegnungen zwischen ausländischen und deutschen Schülern herbeizuführen. Ich bejahe diese Funktion einer deutschen Schule im Ausland, aber mir fehlt jedes Verständnis dafür, daß für die deutsche Schulpolitik im Ausland nicht die schulische Versorgung der Kinder deutscher Kaufleute, Ingenieure und Arbeiter ebenso wichtig ist, durch deren erfolgreiche Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland erst die materiellen Voraussetzungen für kulturelle Auslandsarbeit geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist mit dem Geiste Europas und der Wahrung deutscher Interessen nicht vereinbar, wenn der Deutsche Bundestag nicht wesentlich dazu beiträgt, die Rechtsstellung und die Lebensverhältnisse dieses Personenkreises erheblich zu verbessern. Dies muß ein vorrangiger deutscher Beitrag zur Freizügigkeit in der Europäischen Gemeinschaft sein.
Insbesondere, meine Damen und Herren, an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu den Nachbarstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist in den letzten beiden Jahrzehnten von Europa insoweit Gebrauch gemacht worden, als Zehntausende von Bürgern — oft in beiden Richtungen — über die Grenze gesiedelt haben. Bei europäischen Feierstunden wird dies als ein wichtiger, ja, unverzichtbarer Beitrag zur Integration der Gemeinschaft bezeichnet. Nach dem Festakt jedoch wird die Fülle der Unzuträglichkeiten deutlich, die sich diejenigen einhandeln, die für Europa optiert haben. Obwohl sie oft nur einige Kilometer von ihrem alten Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem Nachbarstaat entfernt wohnen, sind sie damit zu Zehntausenden von der Teilnahme am demokratischen Willensbildungsprozeß ausgeschlossen, erleiden im steuerlichen Bereich weitere Beeinträchtigungen und müssen neuerlich auch eine Fülle von durchaus berechtigten Sicherheitsmaßnahmen ertragen, die den Verkehr an der Grenze erheblich erschweren.
Dieser Personenkreis wird sich nun im Juni kommenden Jahres in der Bundesrepublik Deutschland zum erstenmal an der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments beteiligen können. Diese Wähler empfinden damit die Tatsache noch bedrükkender, daß ihnen die Ausübung anderer und für für sie oft noch wichtigerer Rechte verwehrt bleibt.



Dr. Stercken
Gewiß. kann man argumentieren, daß in einem Zeitalter erhoffter europäischer Freizügigkeit jeder letztlich doch am demokratischen Prozeß beteiligt sein soll, wo er innerhalb der Europäischen Gemeinschaft seinen ersten Wohnsitz genommen hat. Ich möchte aber unsere Burger, unsere deutschen Staatsbürger, nicht damit vertrösten, daß dies irgendwann einmal für sie möglich sein könnte. Wir hängen damit von vielen anderen Staaten ab, die dies vielleicht weniger zu einer Grundsatzentscheidung als zu einem Kalkül werden lassen könnten.
Soweit also der deutsche Gesetzgeber diese Rechte erschließen kann, ist er dazu aufgerufen, dies zu leisten. Nach der Verabschiedung des Europawahlgesetzes gibt es aber auch noch einen anderen formalen wichtigen Grund im Bundeswahlgesetz, das für das Europawahlgesetz beschlossene Verfahren zu übernehmen. Das Bemühen in unserem Lande, die ausländischen Arbeitnehmer möglicherweise wenigstens an kommunalen Wahlen teilnehmen zu lassen, hat zu der rechtlich leider überzeugenden Feststellung geführt, daß die Ausübung des aktiven und des passiven Wahlrechts nach dem Grundgesetz auf allen Ebenen des Staates an die deutsche Staatsangehörigkeit geknüpft ist. Die Homogenitätsklausel des Grundgesetzes, Art. 28, verbietet es, unterschiedliche Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts im staatlichen und im kommunalen Bereich festzulegen.
Man darf wohl davon ausgehen, daß die Ausübung des Europawahlrechts sinngemäß in diese Homogenität einzubeziehen ist. Dies heißt also, daß man nicht die Ausübung eines Wahlrechts nur auf einen Sektor dieses demokratischen Rechts begrenzen kann. Wahlrecht für ein Europäisches Parlament muß im Sinne der Homogenität, die der Verfassungsgeber anstrebt, bedeuten, daß dieser Personenkreis auch das Recht erhält, sich an den übrigen Wahlen im Bundesgebiet zu beteiligen.
Es gibt dafür auch ein praktisches Argument, das diesen Anspruch begründet. Nicht nur im Grenzgebiet, sondern auch in den europäischen Gebieten der Europäischen Gemeinschaft ist die Regelung der Lebensverhältnisse dieser betroffenen Bürger in ganz wesentlichem Umfange von den legislativen und exekutiven Entscheidungen abhängig, die in der Bundesrepublik Deutschland gefällt werden. Auch die Entscheidungen der Gemeinschaft müssen in diesem Sinne als ein Bestandteil der Verantwortlichkeit angesehen werden, die Legislative und Exekutive in der Bundesrepublik Deutschland ihren Staatsbürgern gegenüber zu tragen haben. Auf Grund dieser Lage und angesichts dieser Verflochtenheit ist es nicht mehr verantwortbar, die demokratische Mitwirkung dieser Bürger auszuschlagen.
Der Deutsche Bundestag würde sich nach meiner Überzeugung einen schlechten Dienst erweisen, wenn er diesen Anspruch auf demokratische Rechte durch ein erneutes Zerreden dieses Problems verhinderte. In einer repräsentativen Demokratie ist die Ausübung des Wahlrechts das umfassendste und originärste Mittel zur Übernahme demokratischer Verantwortlichkeiten und Mitwirkung am Gemeinwesen. Diese Überzeugung sollte sich bei den bevorstehenden Beratungen dieser Gesetzesvorlage in den Ausschüssen als bestimmend erweisen. Das Bessere ist der Feind des Guten. Tun wir zunächst das Erreichbare!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808832500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wittmann.

Otto Wittmann (SPD):
Rede ID: ID0808832600
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Europawahlgesetzes ist den in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft wohnenden Deutschen das Wahlrecht zum Europäischen Parlament zugebilligt worden. Diese Regelung war eine logische Folge des bisherigen Prinzips, daß nur der wahlberechtigt ist, der im Geltungsbereich des Gesetzes wohnt. Wenn nun die CDU/CSU mit ihrem Änderungsantrag zum Bundeswahlgesetz diesen Grundsatz durchbrechen will, wird man sich bei den Ausschußberatungen mit diesem Anliegen der Opposition sehr eingehend beschäftigen müssen.
Diese Frage wird im Deutschen Bundestag seit der 5. Legislaturperiode diskutiert, und es konnte bisher leider keine allen Wünschen entsprechende Lösung gefunden werden. Zum besseren Verständnis darf ich in die Erinnerung rufen, daß die Landeswahlgesetze eben nur in den einzelnen Bundesländern gelten und kein Mensch auf die Idee kommt, einem Bayern, der in Hessen wohnt, das Wahlrecht in Bayern einzuräumen, wenn der eine oder andere das auch sehr gern möchte. Bei der bisherigen Diskussion über die Ausweitung der Wahlberechtigung auf die im Ausland lebenden Deutschen stellte sich heraus, daß die im Bundeswahlgesetz geforderte Seßhaftigkeit im Wahlgebiet nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt ist.
Wenn nun durch die gesetzgeberische Initiative der Opposition das aktive Wahlrecht zum Deutschen Bundestag auf die in den europäischen Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft wohnenden Deutschen ausgedehnt werden soll, muß ich erneut auf die verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Problematik hinweisen.
Wenn wir nur den in der EG lebenden Deutschen das Wahlrecht zugestehen, nehmen wir meines Erachtens eine unberechtigte Einschränkung des Wahlrechts z. B. der in Osterreich — aus Bayern gehen ja sehr viele hinüber nach Osterreich — oder in der Schweiz lebenden Deutschen vor und verletzen damit den Gleichheitssatz nach Art. 3 des Grundgesetzes. Wir schaffen damit auch eine Vielzahl weiterer Probleme. Ich denke z. B. an die West-Berliner, die in Frankreich leben und dann wählen sollen, aber nicht wählen können, weil eben die West-Berliner nicht wählen dürfen. Das muß man sehen. Ich denke, wenn ich das Problem der DDR ins Auge fasse, daß sich dann wieder die Frage hochschaukelt, ob ein Bürger aus der DDR dann nötigenfalls ein Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch nehmen kann.
Wenn wir trotz dieser vielen Probleme in die Prüfung der Ausweitung des Wahlrechts eintreten,



Wittmann (Straubing)

dann insbesondere deshalb, weil die Verflechtung der europäischen Staaten, verbunden mit der Niederlassungsfreiheit, auch andere Konsequenzen nach sich ziehen sollte. Der Idealfall wäre meines Erachtens — und Sie haben das auch angesprochen —, wenn den Staatsangehörigen der EG-Staaten das Wahlrecht im Lande ihres dauernden Aufenthalts eingeräumt werden könnte, wenn also die Deutschen in Frankreich und die Italiener in Deutschland mitwählen könnten. Damit würde der Grundsatz der Freizügigkeit folgerichtig weiterentwickelt. Ich bin hier aber nicht sehr optimistisch, daß uns das in naher Zukunft gelingt.
Deshalb sollten wir auch prüfen, wie das Wahlrecht in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geregelt ist, und hier sollte nach Möglichkeit eine einheitliche Regelung angestrebt werden. Wir wissen, daß die einen Staaten es nach wie vor wie auch wir vom ersten Wohnsitz abhängig machen. Es gibt aber auch Staaten in der Europäischen Gemeinschaft, die diese Dinge großzügiger regeln und handhaben. All diese Dinge müssen wir berücksichtigen und beachten, um zu einer. guten Lösung zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß kommen. Ich schlage vor, daß wir den Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Änderung des Bundeswahlgesetzes in Verbindung mit dem Bericht der Wahlkreiskommission beraten. Dieser Bericht muß und wird ja Mitte des Jahres vorgelegt werden. Ich hoffe, daß wir eine Lösung finden, die allen Beteiligten gerecht wird, insbesondere den Deutschen im Ausland.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808832700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0808832800
Frau Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Verehrter Herr Kollege Stercken, Ihre Überlegungen zur Schulpolitik des Auswärtigen Amts darf ich doch mit einer Bemerkung ergänzen. Ein Blick in den Haushalt macht deutlich, daß wir eine ganze Anzahl von Schulen im Ausland neu bauen oder erweitern und daß die entsprechenden Mittel eingestellt sind. Da Sie sich in diesem Bereich in besonderer Weise engagieren, nehme ich an, daß Sie in diesem Punkt Ihre Augen vor Ihrem Wissen verschlossen haben.
Die mehrfache Beschäftigung des Deutschen Bundestages und der Gerichte mit dem vor uns liegenden Problem, den im Ausland lebenden Deutschen auch das Wahlrecht zum Bundestag zu geben, hat immer wieder deutlich gemacht, daß die Anknüpfung des Wahlrechts an die Seßhaftigkeit im Wahlgebiet zu den traditionellen und verfassungsrechtlich zulässigen Beschränkungen der Allgemeinheit der Wahl nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes gehört und daß daher der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist — weder aus dem Grundsatz der Allgemeinheit noch aus dem Grundsatz der Gleichheit —, das aktive Wahlrecht auf alle Deutschen im Ausland auszudehnen.
Auf der anderen Seite sehen wir aber, daß das Problem für die sich im Ausland befindlichen Deutschen eine besondere Härte darstellt. Die Frage ist allerdings, ob eine isolierte Ausdehnung des Wahlrechts auf ein räumlich bzw. regional abgegrenztes Gebiet im Ausland — und das beinhaltet ja Ihr Vorschlag — im Hinblick auf den Grundsatz der Wahlgleichheit nicht außergewöhnliche verfassungsrechtliche Probleme aufwirft. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs vom 27. Mai 1977 hin, worin er gerade diese Bedenken noch einmal deutlich vorgetragen hat.
Im Hinblick darauf, daß wir zu einer verfassungssicheren Lösung kommen wollen, halten wir die Übernahme aus der Europaregelung für problematisch. Wir müssen prüfen, ob eine unbegrenzte räumliche Ausdehnung mit einer zeitlichen gekoppelt werden kann, das letztere deshalb, weil die Beteiligung an Wahlen, die sicher eines der vornehmsten Rechte in der Demokratie ist, letztlich doch auch voraussetzt, daß z. B. die Teilnahme an Wahlveranstaltungen im Hinblick auf die Bedeutung der politischen Willensbildung möglich ist. Die intime Kenntnis der jeweiligen Verfassungs- und politischen Situation im Bundesgebiet muß vorausgesetzt werden. Aber diese Kenntnis wird mit zunehmendem zeitlichen Abstand naturgemäß geringer. Wir meinen, daß dies in einer solchen Regelung berücksichtigt werden muß.
Es wird also darauf ankommen, mit einer denkbaren Lösung verfassungssicher zu sein, und da meine ich, Herr Kollege Stercken, daß Ihr Entwurf tatsächlich zu einfach ist und keine Sicherheit für die Verfassungskonformität bietet.
Der Bezugspunkt, an die Regelungen anderer Staaten anzuknüpfen — Herr Kollege Wittmann hat es schon vorgeschlagen — ist sicher nicht falsch, allerdings werden sie für unser Problem hier auch keine Lösungen bringen. Wir wissen, daß Norwegen und Schweden auf diesem Gebiet eine begrenzte Wahlmöglichkeit für im Ausland lebende Schweden oder Norweger vorsehen; wir wissen, daß die Italiener vorsehen, daß im Ausland lebende Italiener am Wahltag in Italien wählen können, wenn auch mit einer zeitlichen Begrenzung. Alle anderen Staaten haben sich bisher mit unserer Regelung praktisch identifiziert.
Wir meinen, daß die Ausübung dieses Rechtes ein besonderes Recht ist, das wir ernst nehmen. Wir wollen diese Möglichkeit in den Ausschüssen sorgsam prüfen, aber wir wollen sie auf jeden Fall verfassungssicher haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808832900
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Innenausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß — mitberatend — zu überweisen.



Vizepräsident Frau Funcke
— Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15. März 1976 — 76/308/ EWG — Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 73/18 vom 19. März 1976 - (Beitreibungsrichtlinie) über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen (Beitreibungsgesetz-EG — BeitrG-EG)
Drucksache 8/1715 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Eine Einbringung scheint nicht vorgesehen zu sein. — Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat empfiehlt, die Vorlage an den Finanzausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 23 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/1708 —
b) Beratung der Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/1723 —
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.
Der Petitionsausschuß empfiehlt, die in den Sammelübersichten jeweils enthaltenen Anträge des Petitionsausschusses anzunehmen. Wer dieser Empfehlung folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 4/78 — Zollkontingente für Walzdraht und Elektrobleche — 1. Halbjahr 1978)
— Drucksachen 8/1631, 8/1720 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird auch nicht gewünscht.
Wir kommen zur Beschlußfassung über die Ausschußempfehlung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe das Haus für Mittwoch, den 10. Mai, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.