Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. April 1978 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 GG nicht gestellt:
Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland
Gesetz zur Änderung des Waffenrechts
Gesetz über eine Zählung in der Landwirtschaft
Zweites Gesetz zur Änderung des Kündigungsschutzgesetzes
Viertes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes
Gesetz zu dem Abkommen vom 8. April 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und in bezug auf andere damit zusammenhängende Fragen
Gesetz zu dem Vertrag vom 11. Oktober 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island über die gegenseitige Unterstützung in Zollangelegenheiten
In seiner Sitzung am 21. April 1978 hat der Bundesrat ferner beschlossen, zu dem Zweiten Gesetz über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit und die Fortschreibung des Gebäudebestandes zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird.
Sein Schreiben ist als Drucksache 8/1736 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 20. April 1978 mitgeteilt, daß sich der Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Festsetzung der Qualitätsanforderungen an zur Brotherstellung bestimmten Weichweizen — Drucksache 8/1084 —durch Vorlage eines neuen Vorschlags überholt habe.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages am 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 12. bis 18. April 1978 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/1724 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Die nachstehenden, in Drucksache 8/1477 aufgeführten EG-Vorlagen werden als Drucksachen verteilt:
Nr. 11
Vorschlag für eine Achte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansäßige Steuerpflichtige
als Drucksache 8/1737, Nr. 12
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anpassung der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, zwecks Ermöglichung ihrer Anwendung auf die Selbständigen und ihre Familien
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anpassung der
Anhänge der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom
14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familie, die innerhalb
der Gemeinschaft zu- und abwandern, zwecks Ermöglichung
ihrer Anwendung auf die Selbständigen und deren Familien
als Drucksache 8/1739.
Die in Drucksache 8/1705 unter Nr. 15 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer Verordnung des Rates über die zollrechtliche Behandlung der Bevorratung von Luft- und Wasserfahrzeugen sowie von internationalen Zügen mit Bordbedarf
wird als Drucksache 8/1738 verteilt.
Wir treten ein in die
Fragestunde
— Drucksache 8/1728 —.
Meine Damen und Herren, wenn Sie den Kollegen Wehner heute als einen jener Kollegen vermissen, die in allen Fragestunden hier sind, so hängt das damit zusammen, daß unser früherer langjähriger Kollege Alex Möller seinen 75. Geburtstag feiert. Das ist der Grund, warum er nicht an seinem ständigen Platz ist. -
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär de With zu Verfügung. Die Frage ist des Herrn Abgeordneten Menzel wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Daher kann ich jetzt die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Weber aufrufen:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung im Hinblick auf den Bericht des Untersuchungsausschusses des baden-württembergischen Landtags zu den Vorfällen in Stuttgart-Stammheim über das Hineinschmuggeln von Waffen und Sprengstoff in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim vor?
Herr Staatssekretär.
Der Generalbundesanwalt führt gegen Rechtsanwälte Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. In einem dieser Fälle stützt die Bundesanwaltschaft ihren Vorwurf insbesondere auch darauf, daß der Beschuldigte Waffen und Sprengstoff in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim geschmuggelt habe. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts in zwei Fällen gegen
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6868 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Parl. Staatssekretär Dr. de WithRechtsanwälte ein vorläufiges Berufsverbot gemäß § 132 a StPO verhängt. In einem dieser Fälle ist insbesondere der Vorwurf des Waffen- und Sprengstoffschmuggels Grundlage der Entscheidung.
Herr Kollege, eine Zusatzfrage?
Welche Maßnahmen hält denn das Bundesjustizministerium für erforderlich, um zukünftig zu verhindern, daß Verteidiger die ihnen vom Rechtsstaat eingeräumte Stellung auf diese Art und Weise mißbrauchen können?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Hier ist auf zwei Ebenen zu verweisen. Zum einen sind durch die Verabschiedung des sog. Antiterrorgesetzes Maßnahmen ergriffen worden, die das, was in der Vergangenheit geschehen ist, weitgehend verhindern können, z. B. dadurch, daß jetzt auf gesetzlicher Grundlage die Trennscheibe eingeführt wird. Zum anderen ist es natürlich Sache der Länder, Konsequenzen aus dem Sachverhalt in Stuttgart-Stammheim zu ziehen und das ihre zu tun. Denn der Strafvollzug obliegt den Ländern.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Palamentarischer Staatssekretär, nachdem der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in seinem Beschluß vom 5. April 1978 diese Fälle eines konspirativen Zusammenwirkens von Verteidiger und Beschuldigtem sehr ins einzelne gehend festgestellt hat, frage ich die Bundesregierung, ob sie dafür Sorge tragen wird, daß die von dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof festgestellten Tatsachen der Bevölkerung in geeigneter Weise zur Kenntnis gebracht werden, um einerseits Verständnis dafür zu gewinnen, daß gesetzliche Maßnahmen notwendig waren, andererseits aber auch die Versäumnisse in der Landesvollzugsanstalt in Baden-Württemberg aufzuzeigen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Was den von Ihnen angeführten Beschluß des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof anlangt, so ist dieser im Zusammenhang mit einem noch schwebenden Verfahren zu sehen. Das bedeutet, daß mir eine gewisse Zurückhaltung auferlegt ist. Was den angesprochenen Bericht des Untersuchungsausschusses in Stuttgart betrifft, so liegt dieser vor. Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesregierung wie in der Vergangenheit jede Gelegenheit nutzen wird, um die Bevölkerung mit Informationen zu versorgen, damit sie begreift, warum bestimmte Maßnahmen getroffen werden mußten und andere nicht getroffen zu werden brauchten.
Herr Kollege Kunz.
Indem ich Ihre Ausführungen über die Notwendigkeit weiterer gesetzgeberischer Maßnahmen grundsätzlich begrüße, frage ich Sie, Herr Staatssekretär, ob Sie bei Ihren Informationen auch darauf hinweisen werden, daß auch in anderen Haftanstalten Munition gefunden worden ist, z. B. in Berlin.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kann mich nicht erinnern, behauptet zu haben, daß weitere Gesetzesmaßnahmen folgen müssen. Das schließt nicht aus, daß dann, wenn neue Erscheinungen festgestellt werden, auch neue Gesetze erforderlich sind. Im übrigen aber hat die Bundesregierung niemals einen Hehl daraus gemacht, daß das getan werden muß, was erforderlich ist. Das, was von Ihnen angedeutet wurde, ist, meine ich, allgemein bekanntgeworden, insonderheit dadurch, daß es im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages zur Sprache kam.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 14, des Herrn Abgeordneten Nordlohne auf:
Hat der Bundeskanzler vor wenigen Tagen in Wilhelmshaven erklärt, der Terrorismus sei kein Grund, daß jeder jetzt verrückt spielen müsse, und er lehne einen Schnüffeleistaat sowie Gesetzesexzesse kategorisch ab, und wenn ja, welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung für die zuerst angeführte Äußerung vor, und welche konkreten Gesetzesvorlagen hat der Bundeskanzler mit seiner zweiten Äußerung gemeint?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Frage bezieht sich offenbar auf Äußerungen, die der Bundeskanzler im Rahmen einer öffentlichen Kundgebung in Wilhelmshaven am 14. April 1978 getan hat. Er hat dabei die Haltung der Bundesregierung veranschaulicht, die er bereits früher vor dem Deutschen Bundestag dargelegt hatte, nämlich, daß sich die Verantwortlichen in unserem Lande nicht von terroristischen Gewalttätern zur Preisgabe unserer rechtsstaatlichen Grundsätze verleiten lassen dürfen. In seiner Regierungserklärung vom 15. September 1977 hat er z. B. ausdrücklich solche Ratschläge verworfen, die auf Repressionen und Repressalien gegen das Leben einsitzender Terroristen hinausliefen. Mit seinen weiteren Ausführungen am 14. April 1978 ist der Bundeskanzler insbesondere dafür eingetreten, Gesetze nur insoweit zu schaffen, als sich dafür eine sachliche Notwendigkeit ergeben hat.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Erkenntnisse liegen denn der Bundesregierung für diese Äußerung des Bundeskanzlers vor, der Terrorismus sei kein Grund, daß jeder jetzt verrückt spielen müsse?Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich meine, es ist jedem bekannt, daß es außerordentlich extreme Äußerungen in diesem Land gegeben hat — ich räume ein: erklärlicherweise unmittelbar nach Morden und Geiselnahmen —, daß aber gleichwohl die Bundesregierung gezwungen ist einen gesunden Weg der Mitte zu steuern, wie sie dies auch in der Vergangenheit getan hat. Nichts anderes als dieses wollte der Bundeskanzler zum Ausdruck bringen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6869
Parl. Staatssekretär Dr. de WithIch darf darauf verweisen, daß der Rechtsfrieden ja nicht nur dadurch gestört wird, daß Leute durch die Maschen des Gesetzes schlüpfen, sondern daß er auch dadurch gestört werden kann, daß Unschuldige verhaftet oder Leute unschuldig festgehalten oder unschuldig durchsucht werden.
Noch eine Zusatzfrage.
, Herr Staatssekretär, welche konkreten Gesetzesvorlagen, die hier in diesem Hause Gegenstand der Beratungen bei der Antiterrorgesetzgebung waren, hat der Bundeskanzler denn gemeint, als er in diesem Zusammenhang von Gesetzesexzessen sprach, und wo sieht der Bundeskanzler Anzeichen dafür, daß sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem Schnüffeleistaat entwickeln könnte?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Ausführungen des Bundeskanzlers geben keinen Anlaß, anzunehmen, daß er Gesetzesvorlagen aus diesem Hause gemeint habe. Ich stelle Ihnen gern den Text zur Verfügung. Er hat sich allgemein ausgedrückt.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marx.
Herr Staatssekretär, da Sie gerade gesagt haben, dieses Haus sei nicht gemeint gewesen, darf ich doch fragen: Was meint der Bundeskanzler, dessen Ausführungen ja immer mit besonderer Aufmerksamkeit gehört werden, wenn er sagt, daß er weder einen Schnüffeleistaat wolle und ihn kategorisch ablehne noch Gesetzgebungsexzesse? Kann man sich vorstellen, daß der Bundeskanzler dies einfach nur aus propagandistischem Bedürfnis so hinsagt, oder meint er präzis erfaßbare Tatbestände?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Er meint präzis erfaßbare Tatbestände, weil, wie ich bereits vorhin erwähnte, wohl unter dem Eindruck sehr schlimmer Ereignisse Emotionen in Forderungen umschlugen, die auch brieflich geäußert wurden und, wenn sie verwirklicht würden, zu exzessiven Gesetzgebungsmaßnahmen geführt haben würden. Dagegen hat sich der Bundeskanzler, meine ich, mit Recht und mit Nachdruck gewandt. Es ist Aufgabe der Bundesregierung — ich sage es noch einmal —, einen Kurs der Mitte zu steuern und, überspitzt formuliert, nicht von einem Extrem ins andere zu verfallen oder gar das Geschäft der Terroristen zu besorgen.
Ich hatte eben schon abbrechen wollen; aber ich lasse noch eine Frage von dem Abgeordneten Eyrich zu; dann gehen wir zur nächsten Frage über.
Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß der Bundeskanzler damit unter Umständen auch die Überlegungen gemeint haben könnte, die in internen Besprechungen zwischen den Fraktionen dieses Hauses angestellt worden sind, oder ist Ihnen nicht bekannt, daß über die in diesem Hause vorliegenden Gesetzentwürfe hinaus in jenen Tagen auf allen Seiten dieses Hauses weitergehende Vorstellungen vorhanden gewesen sind?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Was die Vorschläge aus der Mitte des Hauses, insonderheit aus der Mitte der Opposition, anlangt, so darf ich auf mehrere Äußerungen des Bundeskanzlers hier im Bundestag verweisen, in denen er eindeutig und klar erklärt hat, daß jede ernsthafte Vorlage sehr sorgfältig geprüft werden wird, woher sie auch immer kommt.
Der Bundeskanzler hat ferner zum Ausdruck gebracht, daß er davon ausgeht, daß ,der Bereich des Terrorismus für Parteipolitik nicht geeignet ist. Denn dem Bürger in diesem Land ist es schließlich gleichgültig, ob die Opposition über die Koalition oder die Koalition über die Opposition siegt. Der Bürger will, daß die Demokratie dieser Geißel Herr wird.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — das ist sicher seit langem nicht mehr der Fall gewesen — liegt nur eine Frage vor, nämlich die des Herrn Abgeordneten Eickmeyer. Auf Wunsch des Fragestellers wird sie schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich kann also den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aufrufen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Sperling zur Verfügung. Die erste Frage, die Frage 4, ist die des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn .
Wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik des Gesamtverbands Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen an Bestrebungen, die Bindungen für öffentlich geförderte Wohnungen zu lockern?
Herr Kollege, der Kompliziertheit des Sachverhalts angemessen, auf den sich die Kritik bezieht, beurteilt die Bundesregierung auch diese Kritik differenziert.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, diesem Hause eine konkretere Antwort zu geben?Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, die Bundesregierung hat zur Zeit in der noch andauernden Kabinettssitzung eine Stellungnahme
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6870 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Parl. Staatssekretär Dr. Sperlingzu einem Gesetzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen, der Gesetzentwurf des Bundesrates geworden ist, zu formulieren. Die Kabinettssitzung dauert noch an. Ich kann Ihnen darum nicht sagen, wie das Kabinett in dieser Sitzung entscheidet. Danach würde sich unter Umständen die Stellungnahme zu der Kritik des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsbauunternehmen unterschiedlich ausnehmen, je nachdem, wie dort formuliert wird.
Herr Kollege Jahn, ich hatte ja bereits in der letzten Fragestunde, als Sie das Thema schon einmal aufgegriffen hatten, gesagt, daß Sie sicher wieder darauf zurückkommen würden. Haben Sie noch eine weitere Zusatzfrage?
Jawohl, Herr Präsident.
Bitte!
Herr Staatssekretär, ist denn die Bundesregierung bereit, wenigstens zuzugestehen, daß die von der CDU/CSU seit langem geforderte Auflockerung der Bindungsfristen einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, die Wohnungswirtschaft unter gezielter individuellerer Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise schrittweise in die soziale Marktwirtschaft zu überführen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, so allgemein, wie Sie die Frage stellen, kann man auch ganz allgemein ja dazu sagen. Aber das Interessante sind doch die Einschränkungen, damit die Wohnungswirtschaft sozial bleibt.
Ich rufe die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn, die Frage 5, auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß bei vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Förderungsmittel ein Bonus auch für Mietwohnungen und für Wohnungen des zweiten Förderungswegs gewährt werden sollte?
Herr Staatssekretär.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine vorzeitige Rückzahlung der öffentlichen Förderungsmittel nicht durch einen Bonus unbedingt bewirkt werden muß. Die Kapitalmarktzinsen sind niedrig genug, so daß der Anreiz für diejenigen, die es möchten, groß genug ist.
Herr Staatssekretär, da Sie von „nicht unbedingt" sprechen, was würden Sie denn dann unter „bedingt" verstehen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Unter „bedingt" würde ich verstehen, daß, wenn die Kapitalmarktzinsen sich ganz erheblich änderten und wenn das Ziel der vorzeitigen Rückzahlung interessant bleiben sollte, eine solche Bonusregelung ins Auge gefaßt werden könnte. Aber das ist derzeit nicht der Fall.
Darf ich Sie dann dahin gehend interpretieren, daß Sie sich für eine Bonusgewährung nicht aussprechen, daß Sie eine Bonusgewährung prinzipiell ablehnen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Im Moment ja.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Staatssekretär Haunschild zur Verfügung. Der Herr Abgeordnete Engelsberger hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik der Forschungsvereinigung Feinmechanik und Optik am 16. März in Bonn, in der die Programme des Bundesforschungsministeriums als „im großen und ganzen enttäuschend" bezeichnet wurden, und will die Bundesregierung aus dieser Kritik Konsequenzen ziehen?
Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hält die Aussage der Forschungsvereinigung Feinmechanik und Optik, die wörtlich lautet, das Bundesprogramm zur Forschungs- und Technologieförderung sei im großen und ganzen enttäuschend, für unbegründet. Die Bundesregierung weist hierzu insbesondere auf den in den vergangenen Jahren überproportionalen gestiegenen Mittelanteil kleiner und mittlerer Unternehmen an staatlichen Forschungshilfen und ferner auf die kürzlich gefaßten Beschlüsse zur Verbesserung der steuerlichen Forschungsförderung hin. In das von der Bundesregierung kürzlich vorgelegte forschungs- und technologiepolitische Gesamtkonzept für kleine und mittlere Unternehmen ist eine Novellierung des Investitionszulagengesetzes eingeordnet, die sich bereits in der parlamentarischen Beratung befindet. Der Vorschlag enthält insbesondere eine Verdoppelung des Zulagensatzes und eine Ausdehnung der Begünstigung auf immaterielle Wirtschaftsgüter.
Auch die in diesem Jahr anlaufende Förderung der Vertragsforschung kommt den Bedürfnissen der kleinen und mittleren Unternehmen ganz besonders entgegen — und damit auch den Mitgliedern der Forschungsvereinigung Feinmechanik und Optik, in der gerade kleinere und mittlere Unternehmen besonders stark vertreten sind.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, da dies auch der Forschungsvereinigung bekannt sein mußte, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, wieviel der Projektförderung des Bundesministeriums für For-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6871
Dr. Stegerschung und Technologie auf Firmen, die dieser Forschungsvereinigung bzw. diesem Industriezweig angehören, entfällt?Haunschild, Staatssekretär: Ich kann Ihnen als Antwort nur runde Zahlen nennen, ohne hinter dem Komma genau sein zu können. Seit 1972 sind 190 Vorhaben bei Mitgliedsfirmen dieser Forschungsvereinigung Feinmechanik und Optik mit einem Gesamtvolumen, das nicht wesentlich unter 100 Millionen DM liegt, gefördert worden. Der Umfang der Mittel und die Zahl der Vorhaben sind seit 1972 stark angestiegen. Zur Zeit werden für die Projektförderung etwa 18 Millionen DM pro Jahr ausgegeben.Nach eigenen Angaben der Forschungsvereinigung machte der staatliche Anteil an den Forschungszuwendungen für diesen Bereich schon 1975 ca. 15 °/o der Gesamtausgaben aus. Dies ist im Vergleich zu anderen Branchen ein besonders hoher Anteil.
Eine letzte Zusatzfrage von Ihnen.
Herr Staatssekretär, finden Sie es nicht etwas merkwürdig, daß von der Forschungsvereinigung und ihren Mitgliedsfirmen auf der einen Seite in derartigem Umfang öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden und dann auf der anderen Seite eine 'derartige Kritik geübt wird?
Haunschild, Staatssekretär: Ich finde es merkwürdig, da eine direkte Rückfrage bei der Bundesregierung, im Ministerium, etwaige Unklarheiten leicht hätten aufklären können.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Frage.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung der eingereichten Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Engholm zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
In welchem Umfang wird die berufliche Ausbildung von lernbehinderten Jugendlichen dadurch gehemmt, daß die Berufsbildungszentren nicht genügend anerkannte Sonderausbildungsgänge für Lernbehinderte anbieten können, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung gegebenenfalls daraus?
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Laufs, die Bundesregierung läßt sich in ihrer Politik von den nachstehenden drei Grundsätzen leiten:
Erstens. Der wirksamste Schutz vor Verdrängung Schwächerer im Wettbewerb um Ausbildungsplätze ist ein ausreichendes Angebot für alle Jugendlichen.
Zweitens. Das oberste Ziel der Berufsausbildung Behinderter muß die Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen mit dem Ziel eines qualifizierten Abschlusses sein.
Drittens. Soweit dies nicht möglich ist, muß Behinderten eine besondere berufliche Qualifikation auf der Grundlage besonderer Regelungen gewährt werden.
Solche besonderen Regelungen sind die von den zuständigen Stellen für die Berufsausbildung Behinderter erlassenen Regelungen, die sogenannten Kammerregelungen. Hiervon gibt es zur Zeit 149, durch die 56 Sonderausbildungsgänge geregelt werden.
Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung, daß eine Erhöhung der Zahl solcher Sonderausbildungslehrgänge die Ausbildungsplatzsituation Lernbehinderter grundlegend verbessern könnte. Insofern sieht sie Ansätze zur Lösung dieses Problems vorrangig nicht im Ordnungsbereich, sondern vielmehr in Maßnahmen zur allgemeinen Steigerung des Ausbildungsplatzangebotes.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Aufbauarbeit der Berufsbildungszentren schon heute erheblich behindert ist, weil die Anerkennung bestimmter Sonderausbildungsgänge für Fachwerker und Fachhelfer, z. B. für den Autofachwerker, den Industriefachwerker oder den Gartenbauhelfer, nicht erteilt werden kann?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Laufs, die Bundesregierung hat sich in der Regel den berechtigten Wünschen aus der Praxis gegenüber nie gesträubt. Es ist eine Frage, inwieweit sich die in der Praxis Tätigen — auch die Tarifpartner — vorher auf eine inhaltliche Regelung geeinigt haben. Das wird in den meisten Fällen dazu führen, daß auch die Bundesregierung ihr Plazet gibt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung, daß dieser Ausbau der Berufsbildungswerke auch gefördert würde, wenn die Zahlung von Ausbildungsgeldern, die bei fehlender Anerkennung der Ausbildungsgänge nicht durch die Arbeitsämter möglich ist, durch eine entsprechende Änderung des Arbeitsplatzförderungsgesetzes sichergestellt würde?Engholm, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen in dieser Frage inhaltlich nicht ganz folgen, da ich nicht zu beurteilen vermag, ob Sie das Ausbildungsplatzförderungsgesetz oder das Arbeitsförderungsgesetz meinen. Ein Arbeitsplatzförderungsgesetz ist mir persönlich nicht bekannt. Ich wäre aber gern bereit, wenn Sie mir einen konkreten und mit der
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6872 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Parl. Staatssekretär Engholmgenauen Bezeichnung des Gesetzes versehenen Text nachreichten, Ihnen darauf eine Antwort zukommen zu lassen.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Sind nach Auffassung der Bundesregierung die unter den Kammerbezirken auftretenden Abweichungen zwischen den gegenwärtig anerkannten Sonderausbildungsgängen für Fachwerker und Werker so erheblich, daß bundeseinheitliche Regelungen angezeigt sind, und falls ja, mit welchen Maßnahmen wird sie die Vereinheitlichung anstreben?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege- Dr. Laufs, die zur Zeit vorliegenden 149 Kammerregelungen weichen zum Teil erheblich voneinander ab. Die Bundesregierung hält es in Übereinstimmung mit einem Beschluß des Bundesausschusses für Berufsbildung vom 25. August 1976 für notwendig, einheitliche Regelungen für die Berufsausbildung Behinderter zu schaffen.
Eine Vereinheitlichung von Ausbildungsregelungen für Behinderte muß sich auf zwei Aspekte konzentrieren: erstens auf eine bessere formale Gestaltung der Regelungen, zweitens auf eine bessere inhaltliche Vereinheitlichung solcher Regelungen. Eine Vereinheitlichung wird nach unserer Meinung in folgenden Schritten vorzunehmen sein. Zunächst sind kurzfristige Grundsätze für die Vereinheitlichung solcher Regelungen zu erarbeiten. Langfristig anzustrebendes Ziel ist die Aufstellung vereinheitlichter Kammerregelungen, also für die 149 zur Zeit geltenden Bereiche. Der beim Bundesinstitut für Berufsbildung errichtete Ausschuß für Fragen Behinderter befaßt sich zur Zeit mit solchen Grundsätzen für die Vereinheitlichung.
Ich muß jedoch abschließend darauf hinweisen, daß die Möglichkeiten der Bundesregierung in diesem Felde begrenzt sind. Die Bundesregierung kann sich nur in Form von Empfehlungen äußern. Auf der geltenden Rechtsgrundlage des Berufsbildungsgesetzes sind andere Möglichkeiten nicht vorhanden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bestehen auf seiten der Bundesregierung grundsätzlich Bedenken dagegen, im Rahmen einer Novellierung des Berufsbildungsgesetzes unterhalb des normalen Leistungsniveaus der Gehilfen und Facharbeiter besondere vereinfachte Berufsbilder bundeseinheitlich zu schaffen und anzuerkennen?
Engholm, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Absichten bestehen nicht, denn die zur Zeit gültigen anerkannten Ausbildungsberufe — es werden zur Zeit in der Bundesrepublik etwa 450 zuzüglich der 149 Kammerregelungen, die ich bereits genannt habe, sein — lassen eine ganz breite Palette von zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen zu. In dieser Palette findet in der Regel jeder lernbeeinträchtigte Jugendliche und finden auch viele behinderte Jugendliche heute eine Chance.
Wollen Sie noch eine Zusatzfrage stellen?
Ja, bitte. — Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß durch diese Novellierung des Berufsbildungsgesetzes eine Vereinfachung und Vereinheitlichung geschaffen werden könnte, die sich insgesamt für alle betroffenen Lernbehinderten sehr positiv auswirken müßte?
Engholm, Pari. Staatssekretär: Dem würde ich im Grundsatz zustimmen. Ich darf Sie aber auf die Schwierigkeiten einer Reform des Berufsbildungsgesetzes verweisen. Die Bundesregierung hat einen solchen Schritt 1976 versucht. Sie wissen, welchen Weg die Reform der beruflichen Bildung gegangen ist. Zur Zeit denkt die Bundesregierung nicht daran, einen vergleichbaren Schritt zu machen. Ich schließe aber für die Zukunft nicht aus, daß auf der Grundlage der Einigung der Fraktionen kleine denkbare Schritte getan werden können.
Herr
Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Brück zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Todenhöfer auf:
Welchen konkreten Beitrag bei der wirtschaftlichen und sozialen Förderung der Entwicklungsländer erwartet die Bundesregierung von der Sowjetunion, der DDR und anderen Ländern des Warschauer Pakts bezüglich des Volumens der Entwicklungshilfe, der Qualität der Entwicklungshilfe bzw. der Öffnung des Markts der Sowjetunion und des COMECON für die Exporte der Entwicklungsländer sowie der Liberalisierung des Handels und des Zahlungsverkehrs zugunsten der Entwicklungsländer, und wird Bundeskanzler Schmidt seine diesbezüglichen Erwartungen bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit der Sowjetunion verdeutlichen?
Herr Kollege Todenhöfer, die Bundesregierung sowie ihre westlichen Partnerregierungen sind der Auffassung, daß die östlichen Staatshandelsländer den ihrer Wirtschaftskraft entsprechenden Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung -der Dritten Welt leisten sollten. Auch von seiten der Entwicklungsländer werden die östlichen Industrieländer zunehmend an ihre Pflichten erinnert. Die Bundesregierung wird auch künftig wie bisher die Regierungen östlicher Staatshandelsländer auf die Probleme des Nord-Süd-Dialogs ansprechen und auf die im Verhältnis zu den westlichen Gebern unausgewogenen Leistungen der östlichen Industrieländer zur Entwicklung der Dritten Welt hinweisen.
Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die aggressive Nord-Süd-Politik der So-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6873
Dr. Todenhöferwjetunion mit ihren Stellvertreterkriegen und mit all dem, was sie in der Dritten Welt macht, das Gegenteil von dem ist, was man unter Entspannungspolitik verstehen könnte, und wird Entspannungspolitik, ausgesprochen von einem Mann wie Breschnew, nicht völlig unglaubwürdig, solange er diese aggressive Nord-Süd-Politik nicht aufgibt, und sind Sie bereit — —
Jetzt machen wir mal ein Fragezeichen, und dann wollen wir den Staatssekretär hören.
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Todenhöfer, die Entspannungspolitik ist für Europa konzipiert. Ich teile aber Ihre Auffassung, daß die Politik der Sowjetunion in Afrika nicht zu billigen ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Parl. Staatssekretär, sind Sie meiner Auffassung, daß Waffenlieferungen z. B. zur Schürung von Konflikten in der Dritten Welt das Gegenteil von Entwicklungspolitik sind, nämlich einer Politik, die das Ziel hat, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Dritten Welt voranzubringen, und sind Sie bereit, diese Auffassung und die andere dem Parteisekretär, Herrn Breschnew, bei seinem nächsten Besuch durch den Herrn Bundeskanzler übermitteln zu lassen?
Herr Kollege, Ihre Zusatzfragen gehen schon über den Rahmen der Richtlinien hinaus. Da es aber Ihre zwei eigenen Zusatzfragen sind, lasse ich sie noch zu. Der Herr Staatssekretär wird sie beantworten. Ich wäre nur dankbar, wenn die weiteren Fragesteller ihre Zusatzfragen stärker an dem konkreten Inhalt der Frage ausrichteten.
Bitte, Herr Staatssekretär!
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Todenhöfer, ich halte Waffenlieferungen in der Tat nicht für einen Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Länder der Dritten Welt. Im übrigen, glaube ich, gibt es keinen Sinn, heute darüber zu reden, worüber der Bundeskanzler mit Herrn Breschnew reden wird.
Herr Abgeordneter Kunz, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzt die Bundesregierung den bisherigen prozentualen Anteil der Entwicklungshilfe der Ostblockstaaten ein, der im wesentlichen auf Waffenlieferungen und militärische Hilfen entfällt?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kunz, ich bin in der Lage, Ihnen hierzu sehr konkrete Angaben zu machen, und will das auch gerne tun.
Die Entwicklungshilfeleistungen—ich verstehe darunter die Nettoauszahlungen — aller Geber betrugen 1976 19,4 Milliarden Dollar. Die Planwirtschaftsländer trugen hierzu nur mit 0,5 Milliarden Dollar bei.
Der Anteil der Planwirtschaftsländer an den Gesamtauszahlungen aller Geber betrug 1976 somit nur 2,8 %. Der Bruttosozialproduktanteil der öffentlichen Entwicklungshilfe der Planwirtschaftsländer erreichte 1976 0,03 %. Die DAC-Länder, also die Geberländer in der OECD, erreichten einen Schnitt von 0,33 %, die OPEC-Länder einen solchen von 2,14 %.
Herr Abgeordneter Hoffacker, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für notwendig, angesichts des gegenwärtig zu erwartenden Besuches von Herrn Breschnew und der Zahlen, die Sie gerade genannt haben, diesen Punkt zum Gegenstand der Beratungen in dem Gespräch mit dem Herrn Generalsekretär Breschnew zu machen?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hoffacker, ich beziehe mich auf das, was ich dem Kollegen Todenhöfer geantwortet habe. Ich halte es nicht für sinnvoll, jetzt darüber zu reden, worüber der Bundeskanzler mit Herrn Breschnew reden wird.
Herr Abgeordneter Marx.
Herr Kollege Brück, sind Sie bereit, Ihre Bemerkungen auf die erste Frage des Kollegen Todenhöfer, wo Sie sagten, die Entspannungspolitik sei für Europa konzipiert, insoweit zu korrigieren, als Sie meiner Meinung zustimmen, daß Entspannungspolitik aus einem Gedanken, aus einer politischen Überlegung kommen, für alle Kontinente gelten muß und nicht den einen mit Entspannung beruhigen und den anderen mit Krieg überziehen darf?
Brück, Parl. Staatssekretär: Aber, Herr Kollege Marx, es hat doch keinen Sinn, deshalb in Europa keine Entspannungspolitik zu machen, weil es die Politik der Sowjetunion in der Dritten Welt so gibt, wie es sie gibt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Graf Huyn.
Ich gebe noch zwei Zusatzfragen, dann gehen wir weiter.
Bitte, Graf Huyn und dann Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bestätigen Sie damit, daß dies, was die Sowjetunion in Afrika betreibt, keine Entspannungspolitik ist?
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6874 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Herr Kollege, ich bedaure, diese Frage steht nicht mehr in dem notwendigen Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage.
Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, wird nach den von Ihnen hier genannten Zahlen der konkrete Beitrag der Sowjetunion zur Verbesserung der Entwicklung in diesen Ländern nicht vor allen Dingen einmal darin bestehen müssen, daß eine kräftige Erhöhung der Kapitalhilfe und der sonstigen Mittel der Wirtschaftshilfe seitens der Planwirtschaftsländer erfolgen muß?
Herr Kollege Jäger, ich bin an sich gern bereit, Zusatzfragen zuzulassen; aber ich glaube, daß hier ganz deutlich wird, daß der unmittelbare Zusammenhang nicht mehr gegeben ist. Ich überlasse es in diesem Fall dem Herrn Staatssekretär.
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, der Bundeskanzler hatte erst in seiner Regierungserklärung im Januar dieses Jahres ganz deutlich gemacht, daß wir von den Staatshandelsländern höhere Entwicklungsleistungen erwarten.
Da die Zusatzfrage des Abgeordneten Graf Huyn nicht zum Zuge kam, bitte, Herr Abgeordneter Hüsch.
Ich verzichte.
Dann rufe ich die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx auf:
Ist sich die Bundesregierung nach Abschluß der Gespräche, die jener Emissär, der sich auf Absprachen mit ihr beruft, kürzlich in Moskau geführt hat, nun über Inhalt, Umfang und Zielsetzungen der sowjetischen Entwicklungspolitik gegenüber Entwicklungsländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien im klaren?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Marx, die Bundesregierung hat keinen Emissär zur Klärung über Inhalt, Umfang und Zielsetzungen der sowjetischen Entwicklungspolitik gegenüber Entwicklungsländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien, nach Moskau geschickt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Kollege Brück, dann frage ich Sie, ob Sie bereit sind, in diesem Hause zu dementieren, daß ein Kollege dieses Hauses mitgeteilt hat, er habe in Absprache mit der Bundesregierung und mit seinem Parteivorsitzenden vor, in Moskau Themen des Nord-Süd-Problems zu klären, und daß er in Moskau erklärt hat, er habe den Russen klargemacht, man könne Entwicklungspolitik nicht nur mit Waffen betreiben.
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Marx, Sie spielen auf die Reise des Kollegen Bahr nach Moskau an. Dazu muß ich Ihnen sagen, daß Herr Kollege Bahr im Auftrag des SPD-Vorsitzenden, der Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission ist, nach Moskau gefahren ist. Herr Kollege Bahr hat sich, wie dies selbstverständlich ist — dies hat auch der frühere Kollege und jetzige Finanzminister von Niedersachsen, Herr Kiep, getan —, vorher mit der Bundesregierung über diese Reise besprochen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Kollege Brück, ich möchte noch einmal auf den Wortlaut meiner Frage zurückkommen, ob sich die Bundesregierung über Inhalt, Umfang und Zielsetzungen der sowjetischen Entwicklungspolitik gegenüber den genannten Kontinenten und Ländern nun klar ist.
Brück, Parl. Staatssekretär: In Ihrer Frage gehen Sie davon aus, daß die Bundesregierung einen Emissär geschickt hat. Herr Kollege Marx, das hat die Bundesregierung nicht getan.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kunz.
Dr. Kunz - (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, nachdem Sie meine vorausgegangene Frage erfolgreich umfahren haben, möchte ich sie sinngemäß — —
Herr Kunz, ich bitte um Verständnis dafür, daß ich diese Einleitung streiche. Sie haben lediglich das Recht zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung einen Überblick und ist sie bereit, diesen Überblick bekanntzugeben, wie hoch der prozentuale Anteil der Ostblockentwicklungshilfe ist, der auf Waffen und militärische Hilfe entfällt?
Brück, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen das im Moment nicht sagen, Herr Kollege Kunz.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Reise des Kollegen Bahr nach Moskau nicht in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt vorbereitet worden ist?Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe vorhin in einer Antwort auf die Frage des Kollegen Marx gesagt, daß der Kollege Bahr ebenso wie un-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6875
Parl. Staatssekretär Brückser früherer Kollege und jetzige Finanzminister in Niedersachsen, Herr Kiep,
natürlich vorher mit der Bundesregierung, mit dem Auswärtigen Amt und mit uns darüber gesprochen hat.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Wittmann auf:
Hält die Bundesregierung das in den Niederlanden angewandte Verfahren, mit einem landesweiten Netz automatischer „Schnupper-Pfähle" Luftverschmutzern rasch auf die Spur zu kommen, für die Einführung in der Bundesrepublik Deutschland für geeignet, und welche Möglichkeiten sieht sie, auf die — eventuell probeweise — Einführung hinzuwirken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, der Begriff „landesweites Netz automatischer Schnupperpfähle" bezeichnet das niederländische nationale Meßnetz für Luftverunreinigungen. Diesem Meßnetz entsprechen hinsichtlich Aufgabenstellung und technischer Ausstattung die im Ausbau befindlichen Meßnetze der einzelnen Bundesländer nach § 44 des Bundesimmissionsschutzgesetzes, ergänzt durch das Meßnetz des Umweltbundesamtes.
Nach den bisherigen Erfahrungen erlauben Immissionsmeßnetze nur in besonders günstig und einfach gelagerten Fällen eine eindeutige Emittentenermittlung. Dies gilt in gleicher Weise für das niederländische nationale Meßnetz und die Meßnetze der Bundesländer. Ein Rückschluß von Immissionsdaten auf Emissionsquellen ist immer dann schwierig, wenn mehrere Anlagen als Verursacher für eine Immissionsbelästigung in Betracht gezogen werden müssen. Diese Konstellation ist in Ballungsgebieten der Bundesrepublik Deutschland vorherrschend. Aus diesem Grunde werden in der Bundesrepublik Deutschland auch Verfahren der Emissionsüberwachung in großem Umfang angewendet. Die Bundesrepublik ist im internationalen Vergleich insbesondere auf dem Sektor der Emissionsüberwachung durch fortlaufend aufzeichnende Meßgeräte führend.
Die Bundesregierung sieht gegenwärtig keinen Anlaß, die Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz über die Ermittlung von Immissionen in Belastungsgebieten zu ändern. Im Rahmen der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Luftreinhaltung besteht ein intensiver Erfahrungsaustausch, durch den sichergestellt ist, daß die jeweils gewonnenen Erfahrungen in beiden Ländern gleichermaßen berücksichtigt werden.
Keine Zusatzfragen.
Der Herr Abgeordnete Schwarz ist nicht im Hause; daher werden die Fragen 11 und 12 schriftlich beantwortet, und die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Welche „bestimmte(n) Kurzbezeichnungen" „im Hinblick auf völkerrechtliche Vereinbarungen" und „wegen des Sachzusammenhangs" als „eine Orientierung an international gebräuchlichen Abkürzungen" meint die Bundesregierung für den Namen der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Antwort im Plenarprotokoll 8/84, Anlage 8?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der von Ihnen erwähnte Teil der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen des Kollegen Luster bezog sich vor allem auf Abkürzungen für die Bezeichnung unseres Staates, die im Straßenverkehr, im Sport und im Normenwesen international vereinbart oder üblich sind.
So ist durch internationale Abkommen das Nationalitätskennzeichen „D" für die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeuge festgelegt. Ich darf insoweit auf die Antwort des Kollegen Haar auf die Schriftliche Frage des Kollegen Dr. Riedl für die Fragestunde des 7. Deutschen Bundestages am 19./20. Februar 1975 Bezug nehmen.
Die internationale Normenorganisation ISO hat sich darauf geeinigt, in den ISO-Länder-Code — ein weltweit standardisiertes Abkürzungsverzeichnis für Länderbezeichnungen — die Zeichen „DE" und „DEU" für die Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen. Hinsichtlich der Einzelheiten darf ich auf die Ausführungen verweisen, die der Kollege Grüner über den ISO-Länder-Code in Beantwortung einer vom Kollegen Dr. Riedl für die Fragestunde am 26./27. Februar 1975 gestellten Frage gemacht hat.
Auf dem Gebiet des Sports sind die Sportverbände dem Reglement ihrer jeweiligen internationalen Föderationen unterworfen und haben deshalb nur eine beschränkte Möglichkeit, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Dieser Gesichtspunkt und die Autonomie der Sportverbände sind zu berücksichtigen, soweit bei internationalen Sportveranstaltungen das Kürzel „BRD" verwendet wird. Bei Olympischen Spielen gilt die vom IOC festgelegte Abkürzung „GER".
Bereits diese Beispiele, deren Zahl sich noch vermehren ließe, machen hinreichend deutlich, daß eine einheitliche Abkürzungspraxis — wenn man diese überhaupt für erforderlich hält — im Hinblick auf die internationalen Zusammenhänge und Gegebenheiten nicht in allen Fällen zu verwirklichen wäre.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, warum soll eine einheitliche Abkürzungspraxis nicht
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6876 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Dr. Hupkaerforderlich sein, zumal es diese einheitliche Abkürzungspraxis bei allen anderen Staaten gibt, etwa „F" für Frankreich oder „USA" für die Vereinigten Staaten von Nordamerika?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin nicht sicher, ob es diese einheitliche Abkürzungspraxis so, wie Sie es in Ihrer Frage darstellen, bei allen anderen Ländern gibt. Ich weise darauf hin, daß die Abkürzungspraxis eben auf praktische Schwierigkeiten unterschiedlicher Art in den einzelnen Bereichen deshalb stößt, weil es sich nur teilweise um staatliche Entscheidungen und vielfach um private — auch internationale — Entscheidungen handelt und weil bei jeder dieser Entscheidungen die Gegebenheiten des jeweiligen Fachgebietes Zu berücksichtigen sind.So habe ich in der letzten Fragestunde auf die Frage eines Kollegen antworten müssen, daß die Übernahme des im Straßenverkehr verwendeten Nationalitätskennzeichens, der Abkürzung „D", in andere Bereiche nicht möglich ist, weil dort eine drei Buchstaben umfassende Abkürzung verlangt wird. Ich glaube, daß die Schwierigkeiten, die der Forderung, die in Ihrer Frage ja liegt, entgegenstehen, hier im Plenum mehrfach in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht worden sind.
Herr Abgeordneter, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es für die einzelnen Organisationen bei ihrer Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nicht leichter, wenn sie sich darauf beziehen könnten, daß die Bundesregierung eine klare Überzeugung von der Möglichkeit der Abkürzung des Namens „Bundesrepublik Deutschland" vertritt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nein.
Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Parl. Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß es in diesem Zusammenhang notwendig wäre, darauf hinzuwirken, daß zumindest die von der DDR in propagandistischem Sinne uns zugedachte Kurzbezeichnung „BRD" möglichst vermieden wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat hier im Plenum des Deutschen Bundestages mehrfach darauf hingewiesen, daß sie das Kürzel „BRD" im amtlichen Sprachgebrauch zu vermeiden trachtet, soweit das irgend geht.
Herr Abgeordneter Nordlohne, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, konnten Sie auf Grund der vorletzten Fragestunde, in der ich Sie darauf hinwies, daß in den Abteilen der
Deutschen Bundesbahn eine entsprechende Streckennetzgerade mit dem Ausdruck „BRD" aushängt, einiges unternehmen, um dies eventuell zu beseitigen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Prüfung ist auf Grund der Fragestunde selbstverständlich veranlaßt. Das Ergebnis kann ich Ihnen allerdings noch nicht mitteilen. Ich bitte um Verständnis.
Herr Abgeordneter Gerster, die letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Bundesregierung zur größeren Klarheit allein schon dadurch beitragen könnte, daß sie in ihren Berichten, Drucksachen, Referentenentwürfen und dergleichen selber eine einheitliche und klare Sprachregelung trifft, und wird das Innenministerium darauf hinwirken, daß künftig so verfahren wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe keinen Zweifel daran, daß die Bundesregierung in ihrem Bereich für Klarheit sorgt.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Nordlohne auf.
Wie beurteilt die Bundesregierung bezüglich der Bevölkerungsentwicklung unseres Landes die verschiedenen Aspekte, die in der Sendung „Kraftproben — Sterben die Deutschen aus?", im 1. Programm des Deutschen Fernsehens am 20. April 1978 ausgestrahlt, angesprochen wurden, und welche Konsequenzen wird sie daraus ziehen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Sendung „Kraftproben — Sterben die Deutschen aus?" am 29. April 1978 im Ersten Programm des Deutschen Fernsehens hat keine Aspekte erbracht, die nicht schon in der Antwort der Bundesregierung vom 24. Juni 1977 auf die Kleine Anfrage zur langfristigen Bevölkerungsentwicklung — Drucksache 8/680 — berücksichtigt worden sind.
Ich darf mich insbesondere, was die Konsequenzen anlangt, die aus der Bevölkerungsentwicklung zu ziehen sind, auf die Antwort vom 14. April 1978 auf schriftliche Fragen des Kollegen Susset beziehen. Dort ist ausgeführt, daß, bevor Maßnahmen in Verbindung mit der Bevölkerungssituation ergriffen werden, sorgfältig geprüft werden muß, welche Tragweite ihnen im einzelnen zukommt und was zur Lösung erforderlich ist. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung bezüglich der in dieser Sendung dargestellten eindeutigen Tendenz der Bevölkerungsentwicklung in unserem Land die soeben veröffentlichten Zahlen über die Zunahme der Schwangerschaftsabbrüche, die 1977 gegenüber 1976 mehr als 100 % betrug, wobei fast 60 % auf eine soziale Indikation zurückzuführen sind?
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6877
Wollen Sie darauf antworten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Beantwortung dieser speziellen Frage fällt mir, da ich die Zahlen nicht kenne und mich wegen des sehr fernen Sachzusammenhangs darauf nicht vorbereitet habe, schwer. Daher würde ich auf eine Beantwortung gern verzichten.
Herr Staatssekretär, das muß der Fragesteller zur Kenntnis nehmen. Ich lasse bei den eigenen Zusatzfragen des Fragestellers die Zusatzfragen auch dann noch gern zu, wenn der unmittelbare Zusammenhang nicht so deutlich wird.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich kommentiere ungern eine Zahl, die ich nicht kenne, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, welche konkreten Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um vor allem das Bewußtsein der Öffentlichkeit über den großen Stellenwert der Familie in unserer Gesellschaft positiv zu beeinflussen, wie es auch in dieser Sendung als Fazit angesprochen worden ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat in ihrer Beantwortung der schon zitierten Anfrage der Oppositionsfraktion und beispielsweise auch anläßlich solcher Fragestunden dargestellt, was sie im einzelnen tut, um das Bewußtsein für diese Problematik in der Öffentlichkeit zu wecken. Im übrigen hat sie diese Problematik zum Anlaß der in der Antwort auf Ihre Frage dargestellten Prüfung genommen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die nächste — —
— Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich für Ihre Zusatzfrage rechtzeitig an eines der Mikrophone des Saales begeben würden, damit wir Sie sehen. Bitte, Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die Bundesregierung keinen unmittelbaren Einfluß auf die Bevölkerungsentwicklung über die Gebärfreudigkeit in der Bundesrepublik hat?
Herr Kollege, ich schlage vor, daß die Frage nicht beantwortet wird.
Inwieweit trifft die Pressemeldung zu, daß auf Grund einer schon vor ca. zwei Jahren von Bundesinnenminister Dr. Maihofer erlassenen Verfügung die Industriegewerkschaften des DGB sicherheitspolitisch nicht mehr observiert werden dürfen, und was hatte den Verfassungsschutz veranlaßt, sie bis dahin zu observieren?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Pressemeldung, auf die Sie sich beziehen, ist hier ebensowenig bekannt, wie die in Ihrer Frage erwähnte Verfügung des Bundesministers des Innern. Die Pressemeldung hätte zudem keinerlei Bezug zur Realität. Die Gewerkschaften werden als demokratische Organisationen nicht observiert. Sie wurden es auch nicht. Nach dem gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes dürfen sie auch nicht observiert werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß selbst die DGB-Spitzen schätzen, daß auf dem letzten Jugendkongreß der Gewerkschaften mindestens 30 % der Delegierten Mitglieder der moskautreuen DKP und ihrer Unterorganisation waren oder dieser nahestanden und offensichtlich ihre kommunistischen Forderungen ohne Schwierigkeiten durchgebracht haben? Welche Folgerung zieht die Bundesregierung daraus?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat es immer abgelehnt, einzelne Abstimmungen auf Veranstaltungen demokratischer Organisationen zu kommentieren. Was die Versuche einiger extremistischer Gruppen betrifft, Einfluß auf andere demokratische Organisationen zu nehmen, so stellt die Bundesregierung dies jährlich im Verfassungsschutzbericht dar.
Im übrigen ändert dieses nichts an der Beantwortung der ersten Frage, daß es eine solche Verfügung des Bundesinnenministers nicht gibt.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so interpretieren, daß die Bundesregierung den selbst von den DGB-Spitzen erkannten Umstand nicht zur Kenntnis nimmt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nein.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz auf:Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit — insbesondere im Zusammenhang mit § 6 des Ausländergesetzes — einem Ausländer, der in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich zur Einführung eines verfassungswidrigen Diktaturmodells aufruft, wie es Otto von Habsburg mit seinem Artikel „Zeitgerechte Abwehr" in Heft 4 der „Zeitbühne" April 1978 getan hat, unmißverständlich klarzumachen, daß hiermit die auch Ausländern gewährten' Rechte grob mißbraucht und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer schwer beeinträchtigt werden können?Herr Staatssekretär.
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6878 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Ausländergesetz eröffnet in § 6 die Möglichkeit, die politische Betätigung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen einzuschränken.Nach § 6 Abs. 3 Ausländergesetz ist die politische Betätigung von Ausländern kraft Gesetzes unter anderem dann unerlaubt, wenn sie mit dem Völkerrecht nicht vereinbar ist oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.Nach § 6 Abs. 2 Ausländergesetz kann sie eingeschränkt werden, wenn die Abwehr von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder von Beeinträchtigungen der politischen Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen für eine Einschränkung der politischen Betätigung vorliegen, sind die Ausländerbehörden der Länder zuständig. Falls diese Voraussetzungen bejaht werden, so ist von diesen Behörden nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine bestimmte politische Betätigung eingeschränkt werden soll. Diese Entscheidung fällt demnach in die alleinige Zuständigkeit der Bundesländer. Das gilt im übrigen auch für die Entscheidung über eine Ausweisung.
Herr Abgeordneter Wernitz, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Ihren Hinweis auf die Kompetenz der Länder mit einbeziehend frage ich Sie: Wie will man in unserem Staat wirksam auch gegen rechtsextremistische Bedenken angehen, zu denen ich auch jene rechne, die ein Diktaturmodell propagieren wie Otto von Habsburg, wenn einige CDU/CSU-Kollegen dieses Hauses, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, CDU- und CSU-Landesminister aus Baden-Württemberg und Bayern sowie einzelne Bischöfe demnächst beabsichtigen, mit dem Verfechter derartiger Konzepte gemeinsam z. B. in Freiburg und Neresheim aufzutreten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Beantwortung würde von mir eine Bewertung des Verhaltens von Mitgliedern dieses Hauses erfordern. Ich möchte davon Abstand nehmen und nehme an, daß Ihre Frage damit ihren Sinn schon erreicht hat.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bei künftigen Verfassungsschutzberichten in ihre Darstellung des Rechtsextremismus nicht auch derartige Vorfälle mit einbeziehen sollte, wie sie im fraglichen Artikel des
Herrn von Habsburg in der „Zeitbühne" ihren Ausdruck gefunden haben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist — wie ich meine: aus sehr gutem Grunde — bei der Erwähnung von Einzelpersonen im Verfassungsschutzbericht zurückhaltend. Im übrigen setzt eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht in jedem Einzelfall voraus, daß der Verfassungsschutz — dazu ist er nach den gesetzlichen Grundlagen seiner Tätigkeit verpflichtet — prüft, ob eine Tätigkeit, die dort erwähnt wird, in seine Zuständigkeit fällt. Diese Fragen kann ich hier im' Augenblick nicht beantworten. Es ist eine Rechtsfrage. Von daher kann ich zu Ihrer Frage auch nicht abschließend Stellung nehmen.
Meine Damen und Herren, die Frau Abgeordnete Krone-Appuhn hat ihre Fragen 106 und 107 zurückgezogen.
Damit, Herr Staatssekretär, sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern beantwortet. Ich danke Ihnen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers. der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser zur Verfügung. Der Herr Abgeordnete von der Heydt Freiherr von Massenbach hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 20 und 21 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Auch der Herr Abgeordnete Dr. Jens hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen 22 und 23 gebeten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe auf die Fragen 24 und 25 des Herrn Abgeordneten Wolfram . Der Abgeordnete ist nicht im Saal, so daß die Fragen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Lampersbach hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen 26 und 27 gebeten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe nun die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Welche volkswirtschaftlichen Vorteile ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung aus den bisherigen Steuervergünstigungen der Flick-Gruppe nach § 6 b des Einkommensteuergesetzes für die Bundesrepublik Deutschland?
Wenn der Herr Abgeordnete damit einverstanden ist, würde ich die beiden Fragen gern im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich gleich die Frage 29 mit auf:Ist die Bundesregierung angesichts der enorm hohen Anteile der Flick-Gruppe an den gesamten Steuervergünstigungen nach § 6 b des Einkommensteuergesetzes in den letzten beiden Jahren bereit, den Vorschlag einer Obergrenze der Steuervergünstigungen für einzelne Steuerzahler im Rahmen der Regelungen des § 6 b des Einkommensteuergesetzes zu überprüfen?
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6879
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ob bei der Übertragung stiller Reserven von veräußerten auf neu erworbene Anteile an Kapitalgesellschaften die Voraussetzung der volkswirtschaftlichen besonderen Förderungswürdigkeit erfüllt ist, läßt sich nur an Hand des konkreten Einzelfalls beantworten. Mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis sieht sich die Bundesregierung jedoch zur Erörterung von Einzelfällen nicht in der Lage.Die Bundesregierung hält eine Einschränkung der Übertragungsmöglichkeit für stille Reserven nicht für angebracht. Bei Einführung einer Obergrenze für die Übertragung stiller Reserven wäre eine reinvestitionshemmende Wirkung der Besteuerung bei Veräußerung größerer Teile des Betriebsvermögens zu befürchten. Zusätzlich würde die Einführung einer Obergrenze eine weitere Komplizierung des Steuerrechts bedeuten und könnte zu einer erweiterten Anwendung des sogenannten Tauschgutachtens des Bundesfinanzhofs führen, nach dem ein gewinnneutraler Anteilstausch ohne jede Kontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium möglich ist.
Eine Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, inwieweit kann nach Auffassung der Bundesregierung der Austausch der Großaktionäre eines Versicherungskonzerns einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung und zur breiteren Eigentumsstreuung im Sinne des § 6 b Einkommensteuergesetz darstellen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie werden, wenn Sie § 6 b studieren, zwar von der Reinvestition lesen, aber nicht unbedingt den Zusammenhang feststellen, den Sie in Ihre Frage hineinlegen. Selbstverständlich war bei der Abfassung dieses § 6 b das, was Sie mit Ihrer Frage hören wollen, nicht ohne Belang.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann das primär auf mittelständische Unternehmen orientierte Subventionsziel des § 6 b Einkommensteuergesetz nicht als weitgehend verfehlt betrachtet werden, wenn sich in Zukunft Ausreißerfälle der Inanspruchnahme des § 6 b Einkommensteuergesetz wie im Falle Flick wiederholen oder häufen werden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Spöri, die bisherige Inanspruchnahme des § 6 b läßt den Schluß nicht zu, daß er den Zweck, für den er geschaffen worden ist, nicht erfüllt.
Eine Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die statistischen Angaben über die Inanspruchnahme des § 6 b Einkommensteuergesetz, die in dem entsprechenden Bericht der Bundesregierung nur bis 1971 gemacht worden sind, unter Berücksichtigung des Falles Flick zu aktualisieren, und wann kann das geschehen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Spöri, ich kann mir nicht denken, daß gegen eine Fortführung dieser Angaben irgendwelche Bedenken bestehen. Ich werde im Bundesministerium der Finanzen prüfen, ob die Fortführung möglich ist, ohne daß selbstverständlich das Steuergeheimnis in Frage gestellt wird. Ich gehe davon aus, daß die Fortführung möglich ist, und da ich davon ausgehe, werde ich auch dafür sorgen, daß sie bald erfolgt.
Herr Abgeordneter Gobrecht, Sie wollen eine Zusatzfrage stellen. Bitte!
Herr Staatssekretär, sind Ihnen weitere „Ausreißerfälle" in diesem Bereich bekannt, und könnten Sie sie nennen, insbesondere, wenn sie zwischen denkbaren Obergrenzen des Begünstigungsrahmens von 5 bis 20 Millionen DM liegen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gobrecht, ich habe im ersten Teil meiner Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Spöri auf etwas hinweisen müssen, was zu schützen im Interesse aller in unserem Staate ist, nämlich auf das Steuergeheimnis. Ich werde aber gerne prüfen, inwieweit das vorgekommen ist, was Sie „Ausreißerfälle" nennen, und werde Ihnen unter Berücksichtigung des Steuergeheimnisses eine Auskunft erteilen.
Damit Herr Staatssekretär, sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Ich danke Ihnen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung .der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Ich rufe Frage 36 des Herrn Abgeordneten Conradi auf. — Der Herr Abgeordnete Conradi ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 37 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf:
Hält die Bundesregierung das Recht der privaten Krankenanstalten für zeitgemäß, oder beabsichtigt sie in absehbarer Zeit, dem Bundestag eine Konkretisierung der „gesundheitspolizeilichen Anforderungen" in § 30 Abs. 1 Buchstabe b der Gewerbeordnung vorzuschlagen und dabei auch nachträgliche Auflagen entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft zuzulassen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Schöfberger, die von Ihnen angesprochene Vorschrift des § 30 der Gewerbeordnung regelt die Kon-
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6880 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Parl. Staatssekretär Buschfortzessionspflicht für private Krankenanstalten. Über die Frage, welche Veränderungen dieser Vorschrift im einzelnen notwendig und sinnvoll erscheinen, haben seit längerer Zeit Gespräche — insbesondere mit den Ländern — stattgefunden. Diese Gespräche sind noch nicht zum Abschluß gekommen, so daß Aussagen über Inhalt und Umfang einer Änderung des § 30 der Gewerbeordnung zur Zeit nicht möglich sind.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie schon etwaige Zeitangaben machen, bis wann die Gespräche mit den Ländern abgeschlossen sein werden?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr, Kollege Schöfberger, wir führen derzeit intensive Gespräche. Sie wissen, daß im Krankenhausbereich das Krankenhausfinanzierungsgesetz im Vordergrund steht, daß einige Verordnungen gerade verabschiedet wurden und weitere notwendig sind. Aber ich möchte doch annehmen, daß eine Beantwortung Ihrer Frage in den nächsten Monaten möglich sein sollte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus entnehmen, daß Ihr Haus dieses Vorhaben mit besonderem Nachdruck verfolgt?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege.
Ich rufe Frage 38 des Herrn Abgeordneten Hauser auf:
Ist die Bundesregierung bereit, nunmehr unmißverständlich ihren Verzicht auf die immer wieder aus SPD-Kreisen geforderte Einführung einer Arbeitsmarktabgabe zu erklären, nachdem ihr Gutachten vorliegen, die eindeutig nachweisen, daß eine solche Arbeitsmarktabgabe für Selbständige und Beamte verfassungsrechtlich unzulässig wäre?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hauser, wenn Sie einverstanden sind, würde ich die Fragen 38 und 39 gern gemeinsam beantworten.
Der Herr Kollege ist einverstanden.
Dann rufe ich auch Frage 39 des Herrn Abgeordneten Hauser auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Einführung einer gesetzlichen Gruppensolidarität Gruppenhomogenität voraussetzt und diese zwischen Selbständigen und Unselbständigen nicht gegeben ist?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat im Arbeitsförderungsbericht vom 23. März 1973 — Bundestagsdrucksache 7/403 — die Möglichkeiten für eine Neuregelung der Finanzierungsvorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes aufgezeigt. Dabei hat sie auch die Einführung einer
Arbeitsmarktabgabe für alle Erwerbstätigen erörtert. Das Für und Wider einer solchen Lösung und die in diesem Zusammenhang sich ergebenden verfassungsrechtlichen und verwaltungspraktischen Probleme wurden ausführlich dargelegt. In den gesetzgebenden Körperschaften, denen dieser Bericht zu erstatten war, wurde diese Frage in der Folgezeit nicht zu Ende diskutiert. Auch die Bundesregierung hat die verfassungsrechtlichen Fragen, die mit der Einführung einer derartigen Abgabe zusammenhängen, noch nicht abschließend entschieden.
Die augenblickliche Arbeitsmarktlage hat die Diskussion über einen solidarischen Beitrag aller Erwerbstätigen zur Milderung des allgemeinen Arbeitsplatzrisikos neu entfacht. Soweit neue Argumente vorliegen, werden sie in den Meinungsbildungsprozeß der Bundesregierung einbezogen.
Zu Ihrer zweiten Frage wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung die verfassungsrechtlichen Fragen der Einführung einer Arbeitsmarktabgabe noch nicht abschließend geklärt hat. Bereits im Arbeitsförderungsbericht hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß die Befugnis des Bundesgesetzgebers zur Regelung arbeitsmarktpolitischer Fragen auch die Möglichkeit einschließt, zumindest die Selbständigen weitgehend in das Leistungssystem des Arbeitsförderungsgesetzes einzubeziehen. Es ist nämlich u. a. zu bedenken, daß regelmäßig ein nicht unbeträchtlicher Teil. bisher Selbständiger eine unselbständige Tätigkeit aufnimmt und hierfür Hilfen nach dem Arbeitsförderungsgesetz wie Umschulung, Eingliederungshilfen und Arbeitslosenhilfe beansprucht.
Herr Kollege, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine Überbürdung der Soziallast von einer Gruppe auf eine andere im Rahmen eines kooperativen Umverteilungssystems nur dann mit der Gleichheit vereinbar wäre, wenn eine spezifische soziale Verantwortlichkeit gerade der in Anspruch zu nehmenden Gruppe im Hinblick auf die finanziell zu bewältigende Aufgabe besteht?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hauser, die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß Personen, die Leistungen beanspruchen, für diese Leistungen auch Solidarbeiträge bezahlen sollten. Wenn es derzeit so ist, daß jährlich ca. 100 000 Personen, die vorher keine Beitragsleistungen erbracht haben, Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit beanspruchen, so ist daraus wohl abzuleiten, daß diese Personengruppe auch zu einer Abgabe herangezogen werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind Berechnungen zutreffend, daß die für die Selbständigen und Beamten geplante Arbeitsmarktabgabe ein Volumen von etwa 3,5 Milliarden DM ausmacht?
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Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir sind konkrete Berechnungen nicht bekannt. Vor allen Dingen fehlen auch noch Informationen über den Leistungsumfang. Denn einer Abgabe werden ja wohl auch Leistungen gegenüberstehen müssen. Solange vom Gesetzgeber der betroffene Personenkreis und die Leistungen nicht festgelegt sind, kann man auch über den Umfang der erforderlichen Einnahmen nichts sagen.
Die letzte Zusatzfrage.
Hält die Bundesregierung derartige zusätzliche Belastungen — in einer Presseerklärung eines Kollegen der Koalitionsfraktionen war von 1,5 bis 2 % die Rede — für vereinbar mit dem konjunkturpolitischen Gutachten der Forschungsinstitute, wonach Entlastungen gerade der mittelständischen Unternehmen das Gebot der Stunde seien?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hauser, ich kann die Zahlen, die Sie genannt haben, nicht bestätigen, möchte aber in diesem Zusammenhang gern hinzufügen, daß ein beachtlicher Teil der Leistungen der Bundesanstalt in die Wirtschaft einfließt und so Beschäftigung herbeiführt. Denken Sie beispielsweise an die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Das sind ja keine Zahlungen von Arbeitslosengeld, sondern Ausgaben zur Arbeitsplatzerhaltung und Arbeitsplatzschaffung. Gerade diese Ausgaben kommen doch der Wirtschaft zugute. Im übrigen ist eine Straße, die gebaut wird — oder eine Turnhalle oder ein Schwimmbad —, nicht eine Straße nur für Arbeitslosenversicherte, sondern wird anschließend von der Allgemeinheit in Anspruch genommen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Sieler.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung auch die Frage prüfen, ob Arbeitslosigkeit unter den heutigen Verhältnissen noch ein versicherbares Risiko ist?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Auffassung zu dem hier besprochenen Problem wurde bereits im Jahre 1968 deutlich. Damals haben wir ganz bewußt das AVAVG durch das Arbeitsförderungsgesetz abgelöst. Damals ist festgelegt worden, daß die Arbeitsplatzbeschaffung und Arbeitsplatzerhaltung sowie die berufliche Bildung im Vordergrund stehen muß und .erst dann, wenn das nicht möglich ist, die Zahlung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe eintreten soll. Die Konstruktion insgesamt ist also eine andere.
Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Staatssekretär, Sie haben die Bemerkung gemacht, daß etwa 100 000 Nichtbeitragszahler pro Jahr Leistungen erfordern. Sind in dieser Zahl auch Beamte oder ehemalige Beamte enthalten, und wie hoch ist deren Prozentsatz an dieser Zahl?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, natürlich sind in dieser Zahl auch spätere Beamte enthalten, insbesondere solche Personen, die eine Beamtentätigkeit anstreben, z. B. Referendare. Ich kann Ihnen die Zahl aber jetzt im Detail nicht nennen. Ich will aber gern eine Aufschlüsselung zwischen Selbständigen und Beamten — vielleicht gibt es auch noch andere Personenkreise, die man hier berücksichtigen müßte — nachreichen.
Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, gilt das, was Sie in bezug auf Selbständige gesagt haben, auch für Hausfrauen, geschiedene Frauen und Witwen, die wieder in das Erwerbsleben eintreten wollen und Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch nehmen, ohne vorher Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt zu haben?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, die Problematik, die Sie ansprechen, erkenne ich sehr wohl. Im sozialen Bereich haben wir bisher aber Beiträge immer nur dann erwartet, wenn auch ein Einkommen vorhanden war. Von daher muß man die Frage, die Sie ansprechen, natürlich sorgfältig prüfen. Zunächst einmal stehen die Einkommensbezieher im Vordergrund. — Ich will gern hinzufügen, daß ich hier nur die Auffassungen des Arbeitsministeriums wiedergeben kann.
Herr Abgeordneter George.
Herr Staatssekretär, sind Presseinformationen zutreffend, daß die Bundesregierung zusammen mit der Einführung der Arbeitsmarktabgabe auch .eine Begrenzung der Überstunden auf zwei Überstunden pro Woche durch eine Änderung der Arbeitszeitordnung plant?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich erkenne zwar nicht den Zusammenhang zwischen —
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis. Der unmittelbare Sachzusammenhang ist nicht gegeben.Herr Abgeordneter Kuhlwein, Herr Abgeordneter Kirschner, die Herren Abgeordneten Becker und Horstmeier und alle anderen sind anwesend, und wir sollten versuchen, Ihnen noch die Antworten auf ihre Fragen geben zu lassen.
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6882 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in der Berufsberatung auch Kindern eines Personenkreises zugute kommen, der nicht durch Beitragszahlung zur Solidargemeinschaft gehört?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Ja.
Herr
Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, wenn Arbeitslosigkeit kein einzelversicherbares Risiko ist, ist es dann nicht gemeinsame Aufgabe aller gesellschaftlich relevanten Gruppen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, und ist es deshalb nicht auch Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen und nicht nur Aufgabe der Arbeitnehmer, das Problem einer Arbeitsmarktabgabe zu prüfen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen hier nur zustimmen; im übrigen beruht das, was ich wiedergebe, auch auf Beratungen des Ausschusses für Arbeit aus dem Jahre 1968. Damals hatten wir, wie Sie wissen, die Große Koalition. Der damalige Ausschuß für Arbeit hat bereits im Jahre 1968 zu dem angesprochenen Problemkreis eine Prüfung verlangt. Dies ist dann weiterentwickelt worden. Von daher kann ich Ihnen eigentlich nur bestätigen, daß bereits in der damaligen Zeit der Bundestag und auch die Bundesratsausschüsse der Auffassung waren, daß ein Solidarbeitrag zum Zwecke einer Arbeitsmarktabgabe erforderlich ist.
Für die
nicht zugelassene Frage des Abgeordneten George gebe ich jetzt noch das Wort zu einer Zusatzfrage dem Herrn Kollegen Müller.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß nach § 42 an und für sich nur dann jemand einen Anspruch auf berufliche Förderung hat, wenn es arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig ist und damit die Aussicht besteht, ihn in Kürze vermitteln zu können, so daß er auch Beitragszahler wird?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, natürlich kann ich Ihnen das bestätigen. Das schließt aber nicht aus, daß an anderer Stelle auch steht, daß Berufsberatung und -vermittlung usw. erfolgt. Was Sie gerade ansprechen, betrifft ja nur den speziellen Bereich der beruflichen Förderung.
Der Abgeordnete Dr. Steger ist nicht im Saal, so daß die Frage 40 schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe jetzt die Fragen des Abgeordneten Dr. Becker auf und frage, Herr Staatssekretär, ob eine gemeinsame Beantwortung möglich ist. Der Fragesteller wäre einverstanden. — Also die Fragen 41 und 42:
Treffen Berichte zu, daß im Bundesarbeitsministerium eine Datenbank mit personenbezogenen Daten der renten-, kranken-und arbeitslosenversicherten Bürger als Planungsinstrument aufgebaut wird?
Aus welchen Gründen werden gegebenenfalls für ein Planungsinstrument im Aufgabenbereich des Bundesarbeitsministeriums personenbezogene Daten benötigt?
Bitte!
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bekker, Berichte, daß im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Datenbank mit personenbezogenen Daten der renten-, kranken- und arbeitslosenversicherten Bürger als Planungsinstrument aufgebaut werde, treffen nicht zu. Die seit 1974 eingerichtete Sozialdatenbank umfaßt Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der Träger der Sozialversicherung. Darüber hinaus sind für Haushaltsplanungen und für die verschiedenen Berichte der Bundesregierung Daten des Rentenbestandes, des Arbeitsmarktes, der Kriegsopferversorgung und 10 % der Unfallanzeigen gespeichert. Es handelt sich aber durchweg um anonymisierte. Daten, d. h. also ohne Namen, Anschriften, Geburtsdaten und auch ohne Versicherungsnummern. Derart anonymisierte Daten sind keiner bestimmten Person zugeordnet. Die Person ist auch nicht mit Hilfe zusätzlicher beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorhandener oder erreichbarer Informationen bestimmbar.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich bemerken, daß es gegenwärtig keine Planungsaufgaben gibt, für die personenbezogene Daten benötigt werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können diese Datensammlungen auch dem Parlament bzw. seinen Fraktionen zugänglich gemacht werden?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege,, ich glaube, dazu bedürfte es wohl einer besonderen Regelung; aber ich kann diese Frage im Moment nicht juristisch einwandfrei beantworten. Ich will das gern prüfen lassen und Ihnen diese Frage noch schriftlich beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Können, abgesehen von der von mir aus Gleichheitsgründen gestellten Frage, diese Daten zu wissenschaftlichen Zwecken auch Universitätsinstituten oder anderen Forschungsinstituten zugänglich gemacht werden?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube kaum, daß das möglich sein wird. Hierzu müßten dann sicherlich Einzelverhandlungen geführt werden. Ich kann mir zwar vorstellen, daß Wissenschaftler vorübergehend einmal im Bundesarbeitsministerium gewisse Fragen stellen und Antworten erhalten können. Ich kann mir aber schlecht vorstellen, daß wir Teile der Sozialdatenbank und damit die Programme herausgeben.
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Sie ha-
ben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem wir jetzt erfahren konnten, daß dort keine personengebundenen Daten gesammelt werden, was tut die Bundesregierung, um die Furcht der Bürger vor eben dieser Sammlung zu beseitigen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Becker, ich denke, daß auch unsere heutige Diskussion dazu beitragen kann. Ich gehe im übrigen davon aus, daß, nachdem entsprechende Zeitungsartikel erschienen sind, auch die heutige Mitteilung veröffentlicht wird.
Herr Abgeordneter Gerster.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß derart anonymisierte Daten, wie Sie sie in Ihrem Haus aufbewahren, nach dem heutigen technischen Stand problemlos jeweils wieder zu personenbezogenen Daten zusammengefaßt werden können, so daß diese Furcht sehr wohl begründet ist?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der technische Stand ist mir bekannt. Nur würde dies voraussetzen, daß bei uns an einer anderen Stelle entsprechende Personendaten vorhanden sind. Im BMA gibt es solche personenbezogenen Daten nicht.
Herr Abgeordneter Horstmeier, ich rufe Ihre Frage Nr. 43 auf:
Wann ist mit einer Verwirklichung der Regelung zu rechnen, wonach alle Schwerbehinderten einen gleichen Ausweis unabhängig von der Ursache ihrer Behinderung erhalten sollen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, die derzeit noch gegebene Vielfalt von Ausweisen für Schwerbehinderte hat ihre Ursache insbesondere in dem Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr aus dem Jahre 1965. Dieses Gesetz sieht unterschiedliche Voraussetzungen für die Gewährung der Freifahrtvergünstigung für die verschiedenen Gruppen Schwerbehinderter vor. Die Bundesregierung beabsichtigt, dies zu ändern. Ein im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erarbeiteter Diskussionentwurf ist bereits mit den Ländern erörtert worden. Ich rechne damit, daß in Bund und Ländern die Prüfung der noch offenen Fragen in den nächsten Wochen abgeschlossen werden kann.
Herr Abgeordneter, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist auf Grund des Änderungsgesetzes zum Bundesversorgungsgesetz 1974 dieser Inhalt noch nicht gegeben?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben es hier weniger mit einem Problem der Kriegsopferversorgung als vielmehr mit einem Problem zu tun, das sich im Bereich des Schwerbehindertengesetzes herausgestellt hat. Wir beabsichtigen, hierzu in den nächsten Wochen einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die bisher benachteiligten Personengruppen zukünftig gleichbehandelt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die nächsten Fragen, die Fragen Nr. 44 und Nr. 45 des Herrn Abgeordneten Sieler auf:
Sind die Befürchtungen der Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretung Deutscher Apotheker , wonach durch die Maßnahmen des Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) ein „existenzbedrohender Umsatzverfall" eingetreten und die „Prämissen" des Arzneimittelmarktgesetzes „paralysiert" worden sein soll, begründet, und wenn ja, welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Hält die Bundesregierung eine Beschränkung der vom ABDA kritisierten Niederlassungsfreiheit für einen geeigneten Weg zur Existenzsicherung der Apotheken?
Ich weiß nicht, inwieweit ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Fragen besteht. Herr Staatssekretär, wollen Sie die Fragen zusammen beantworten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Im Zusammenhang.
Also im Zusammenhang. Der Kollege ist einverstanden.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sieler, die Bundesregierung hält die Befürchtungen der Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen deutscher Apotheker nicht für begründet. Sie sieht keine Anhaltspunkte dafür, daß die gesetzlichen Maßnahmen auf dem Arzneimittelsektor, insbesondere der nach dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz festzusetzende Höchstbetrag für Arzneimittel, zu einer Existenzbedrohung bei den Apotheken führen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf das Ergebnis der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen auf ihrer Sitzung am 17. März 1978 hinweisen. Sie hat zum Arzneimittelhöchstbetrag einmütig empfohlen, diesen so festzusetzen, daß sich die Aufwendungen der Träger der Krankenversicherung im zweiten Halbjahr 1978 um 3,5 v. H. erhöhen können. Der Empfehlung der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen haben alle Beteiligten, auch die Vertreter der Pharma-Industrie und der Apotheken, zugestimmt.
Die Bundesregierung sieht — und damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage — bei der gegebenen Sachlage keinen Anlaß für eine Prüfung der Frage der Niederlassungsfreiheit. Grenzen setzen insoweit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die römischen Verträge.
Keine Zusatzfragen.Die nächste Frage ist die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Peters . — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe dann die Fragen 47 und 48 des Herrn Abgeordneten Gerster auf:Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Hannover, daß bereits die freigewählte und entschädigungslose Mitwirkung von Jugendlichen in einem Chor schon dann eine arbeitnehmerähnliche Leistung darstellt, die in der Regel unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fällt, wenn sich dieser Chor an einem öffentlichen Konzert beteiligt und daß darüber hinaus sogar die vorausgehenden vereinsinternen Proben für eine auswärtige Veranstaltung so beurteilt und daher einer staatlichen Genehmigungspflicht unterworfen werden müssen, und wenn nein, wie wird sie ihrer Auffassung Geltung verschaffen?Könnte sich die Bundesregierung vorstellen, daß die Frage, wann sich die Ausübung eines Hobbys in einem kulturellen oder sportlichen Verein für einen Jugendlichen gesundheitsgefährdend auswirkt, sachgerechter im Einzelfall durch die Erziehungsberechtigten entschieden werden kann, als durch ein staatliches Genehmigungsverfahren auf der Basis des Jugendarbeitsschutzgesetzes, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?Auch hier gibt es einen gewissen Zusammenhang, Herr Staatssekretär. — Der Herr Fragesteller ist auch einverstanden.Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, aus welchen Gründen das Gewerbeaufsichtsamt Hannover in dem von Ihnen genannten Falle die Anwendung des Jugendarbeitsschutzgesetzes auf eine freiwillige, entschädigungslose Mitwirkung von Jugendlichen an einem Konzert bejaht hat, ist mir nicht bekannt. Ich kann deshalb zu der Auffassung des Gewerbeaufsichtsamtes Hannover nicht Stellung nehmen. Ich bin jedoch gern bereit, mich wegen dieser Sache mit dem niedersächsischen Sozialminister, dem die Dienstaufsicht über das Gewerbeaufsichtsamt Hannover zusteht, in Verbindung zu setzen.Auf Ihre zweite Frage möchte ich darauf hinweisen, daß das staatliche Genehmigungsverfahren für die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen an öffentlichen Veranstaltungen seit Jahrzehnten Bestandteil des Jugendarbeitsschutzes ist und sich in der Praxis bewährt hat. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, eine Änderung dieses Verfahrens vorzuschlagen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen wenigstens eine Entscheidung des Gewerbeaufsichtsamts Nürnberg bekannt, die besagt, daß Jugendliche, die in einem normalen Arbeitsverhältnis stehen, bei Wochenendeinsätzen in der Dinkelsbühler Knabenkapelle nur dann mitwirken dürfen, wenn ihre Wochenarbeitszeit einschließlich solcher Einsätze 40 Stunden nicht überschreitet?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist ein völlig neuer Fall.
Ich wiederhole noch einmal den Standpunkt des Arbeitsministeriums. Wir gehen davon aus, daß eine Hobby- und Freizeitbeschäftigung nicht unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fällt. Das ist auch völlig unbestritten. Ich weiß nicht, ob wir solche Einzelfälle immer wieder behandeln müssen. Ich jedenfalls bin der Meinung, daß die Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung bisher sehr deutlich herausgestellt worden ist.
Herr Kollege Gerster.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß nach Ihrer Antwort auf meine diesbezügliche Frage vor etwa 14 Tagen — es war in der 83. Sitzung —, wonach das
Jugendarbeitsschutzgesetz greift ... , wenn ... Jugendliche ... häufig an öffentlichen Veranstaltungen mitwirken, sie hierzu ähnlich wie Arbeitnehmer verpflichtet werden und mit ihrer Mitwirkung Gewinn erzielt werden soll,
etwa Mitglieder von Jugendfußballmannschaften, obwohl sie freiwillig mitwirken, deshalb unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fallen, weil diese Mannschaften in der Regel häufig spielen und der Verein in der Regel einen Eintritt nimmt — etwa bei Meisterschaftsspielen — und daß es schon entsprechende Verfahren gegen Sportvereine gibt?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gerster, wenn ein Verein Einnahmen erzielt, ist damit noch längst nicht gesagt, daß dabei ein Gewinn erzielt wird und es sich dabei um eine Vermarktung des einzelnen Jugendlichen handelt, der Fußball spielt.
Ich darf wiederholen, daß die Bundesregierung davon ausgeht, daß eine echte Hobby- und Freizeitgestaltung nicht im Bereich des Jugendarbeitsschutzgesetzes unterzubringen ist.
Wenn Ihnen solche Fälle im einzelnen nicht klar sind, dann empfehle ich sehr dringend, sich jeweils an den aufsichtführenden Landesminister zu wenden.
Da wir
für weitere Weltmeisterschaften noch Nachwuchs
brauchen, lasse ich noch ein paar Zusatzfragen zu.
Zunächst haben Sie noch eine, Herr Kollege Gerster.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für im Ansatz falsch, daß nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz eine Arbeitnehmertätigkeit in einem Arbeitsverhältnis oder einem Ausbildungsverhältnis mit einer Hobbytätigkeit in einem Verein dann gleichgestellt wird — ich darf es noch einmal sagen —, wenn man sich verpflichtet hat, häufig mitzuwirken und wenn der Verein, entsprechende Eintrittsgelder nimmt — das ist nämlich die derzeitige Praxis vieler Gewerbeaufsichtsämter?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wiederhole noch einmal: Wenn es darum geht, daß diese einzelnen wie Arbeitnehmer verpflichtet sind, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen und wenn mit diesen Veranstaltungen dann Gewinn erzielt wird, sind wir der Auffassung, daß es sich um eine zu erfassende Tätigkeit handelt.Ich verstehe aber überhaupt nicht, warum diese Frage jetzt im Jahre 1978 plötzlich dramatisiert wird,
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6885
Parl. Staatssekretär Buschfortnachdem dieses Gesetz seit Jahrzehnten in Kraft ist und mit dem neuen Jugendarbeitsschutzgesetz dieser Bereich nicht verändert worden ist.
Herr Kollege Gerster.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, hier festzustellen, daß eine Verpflichtung eines Sport- und Hobbyvereins gegenüber einem Jugendlichen im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes nur dann vorliegt, wenn dieser Jugendliche gegen ein entsprechendes Entgelt eingesetzt wird?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich weise noch einmal drauf hin, daß .wir in dieser Frage eine Absprache mit den Länderreferenten getroffen haben. Diese Absprache mit den Länderreferenten beinhaltet all das, was ich hier jetzt wiedergegeben habe. Wenn sich die Länder an diese Absprache hielten, brauchten wir diese Frage hier überhaupt nicht zu behandeln.
Herr Abgeordneter George.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es richtig wäre, diese Absprache, die Sie mit den Länderreferenten getroffen haben, auch offiziell zu publizieren, so daß dann beide Seiten keinen Anlaß mehr hätten, sich darüber aufzuhalten?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege George, ich will das gern versuchen. Zunächst handelt es sich um ein internes Papier, das ich nicht von mir aus jetzt ohne Absprache mit den Ländern veröffentlichen kann. Ich will unseren Referenten gern bitten, daß er diese Frage, die Sie jetzt angesprochen haben, in der nächsten Referentenbesprechung mit den Ländern noch einmal aufgreift und daß man dann zu einem Papier kommt, das man auch der Öffentlichkeit übergeben kann. Aber Sie müssen verstehen, daß ich hier im Bundestag nicht einfach über ein Papier verfügen kann, das in Absprache mit den Ländern gefertigt wurde.
Herr Abgeordneter Pinger.
Herr Staatssekretär, ich möchte noch einmal nachfragen. Davon ausgegangen, daß nicht nur vereinzelt Unsicherheiten bei den Gewerbeaufsichtsämtern hinsichtlich der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen bestehen, daß im übrigen offensichtlich ein Anlaß bestand, ein solches internes Papier zu verfassen: Sieht die Bundesregierung angesichts dieser Feststellungen Anlaß, eine allgemeine Information über die Auslegung dieser Bestimmungen durchzuführen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär, Herr Kollege, wir haben ja entsprechende Schritte eingeleitet. Wir
haben daraufhin das Gespräch mit den Länderreferenten geführt und sind dort zu einem abschließenden Ergebnis gekommen.
Das Protokoll liegt vor. Aber für die Gewerbeaufsicht — ich darf das noch einmal wiederholen — ist nicht die Bundesregierung, sondern sind die jeweiligen Landesregierungen zuständig. Von daher geht diese ganze Frage an die falsche Adresse. Wenn wir uns auf das Jugendarbeitsschutzgesetz beziehen, darf ich wiederholen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß bei Hobby- und Freizeitbetätigungen das Jugendarbeitsschutzgesetz gar keine Anwendung finden kann, da es sich auf Arbeitnehmertätigkeit bezieht. Fußballspielen in einem Amateurverein ist nun eben keine gewerbliche Arbeitnehmertätigkeit.
Herr Abgeordneter Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß dieses Problem in Hannover in der Weise gelöst wird, daß der niedersächsische Sozialminister als aufsichtsführende Behörde und Parteifreund der Fragesteller an die Gewerbeaufsicht in Hannover herantritt und sie über die Interpretation des Jugendarbeitsschutzgesetzes in diesem Punkt informiert?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, ich habe ja bereits vorhin gesagt, daß ich gern bereit bin, mit dem Sozialminister aus Hannover diese Frage zu erörtern. Ich bin ganz sicher, daß er sich dann fachkundig machen und den Fall in Hannover zutreffend beurteilen wird.
Herr Staatssekretär, wir alle haben wohl das Gefühl, daß es für viele Vereine und viele Beteiligte eine wertvolle Hilfe bedeuten würde, wenn man die interne Verabredung mit den Länderreferenten in geeigneter Form publizierte.Ich rufe nun die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:Wie hoch schätzt die Bundesregierung unter Berücksichtigung des Bundeshaushaltsentwurfs das Haushaltsdefizit der Bundesanstalt für Arbeit für 1979, wenn sie davon ausgeht, daß die Bundesanstalt bereits im laufenden Haushalt 1978 ein Defizit von einer Milliarde DM veranschlagt hat und ihr zusätzlich für die Beitragsleistung an die Rentenversicherung in den Monaten Juli bis Dezember 1978 ein Betrag von 1,45 Millionen DM aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt wird, und werden die Beitragszahler oder die Steuerzahler (Bundeszuschüsse) die Lücke schließen müssen?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, vor der erst im Herbst anstehenden Entscheidung der Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt für Arbeit über den Haushalt besteht keine Möglichkeit, exakte Aussagen über die Höhe eines eventuellen Defizits im Haushalt 1979 zu machen. Ich kann insoweit nur meine Antwort auf Ihre gleichgerichtete Frage vom 15. März 1978 wiederholen und mich auf die sich damals anschließende Erörterung zur Finanzentwicklung der Bundesanstalt für Arbeit in diesem Hause beziehen.
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6886 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, nachdem nicht nur der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, sondern auch etliche Mitglieder der Bundesregierung von einem für 1979 zu erwartenden großen Defizit sprechen, daß die Arbeitnehmer und die Wirtschaft heute verunsichert sind, weil sie nicht wissen, wie diese Lücke geschlossen werden soll, ob durch Beitragserhöhungen oder aber durch den Steuerzahler, durch Bundeszuschüsse?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, ich kann Ihre Frage sehr wohl verstehen. Nur ist die Beantwortung insofern sehr schwierig, da wir ja zunächst einmal einfach feststellen müssen, daß Defizite durch den Bundeshaushalt abgedeckt werden. Ich möchte hier folgendes einflechten. Die Diskussion um das 21. Rentenanpassungsgesetz mit der Frage, ob wir nun eine Beitragserhöhung einführen oder aber einen geringeren Zuwachs bei den Renten gestalten sollen, zeigte, daß allein die Beantwortung dieser Frage, also die Tatsache, daß wir uns für den zweiten Weg entschieden haben, doch schon ausschließt, jetzt eine Beitragserhöhung für die Arbeitslosenversicherung einzuführen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen sehr dankbar, wenn ich Ihre Antwort richtig verstanden habe, daß Sie sowohl für 1979 als auch für 1980 eine Beitragserhöhung in der Arbeitslosenversicherung ausschließen.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, so weit, wie Sie jetzt gegangen sind, bin ich in meiner Formulierung nicht gegangen. Ich halte es derzeit nicht für denkbar, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag zu erhöhen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Der Herr Palamentarische Staatssekretär Dr. von Bülow steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Möllemann hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 50 und 51 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 52 des Herrn Abgeordneten Gerstl auf:
Ist an die Bundesregierung der Vorschlag herangetragen worden, eine Miliz aus ehemaligen Soldaten der Bundeswehr aufzustellen, die in Spannungs- und Krisenzeiten und zur Bekämpfung von Terroristen eingesetzt werden soll, und wenn ja, beabsichtigt sie, ein solches Vorhaben zu unterstützen?
Ich wäre dankbar, wenn wir es so einrichten könnten, daß dem Herrn Kollegen Berger noch beide Fragen beantwortet werden. — Bitte!
Ich werde schnell sprechen, Herr Präsident.
Herr Kollege, der Vorschlag, eine Miliz aus ehemaligen Soldaten der Bundeswehr aufzustellen, die in Spannungs- und Krisenzeiten und zur Bekämpfung von Terroristen eingesetzt werden soll, ist von offiziellen Stellen an die Bundesregierung bisher nicht herangetragen worden.
Herr Kollege Gerstl, der Einsatz der Streitkräfte im Innern ist abschließend im Grundgesetz geregelt. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die für den Einsatz der Streitkräfte im Innern bestehende verfassungsrechtliche Regelung einer Änderung bedarf.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie sich erklären, wie im Zusammenhang mit meiner Frage und mit Ihrer Antwort ein Bundeswehroberst im Wartestand davon sprechen kann, daß „im Einvernehmen" mit dem Bundesministerium der Verteidigung diese Miliz oder eine ähnliche Truppe „geschaffen wird"?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Diese Meldung ist nicht korrekt.
Kann es sein, daß Abteilungen in Ihrem Hause oder verantwortliche Einzelpersönlichkeiten solche Absichten, nämlich die Schaffung einer Miliz, tatkräftig unterstützen und diese ihre Absicht dem schon angesprochenen Oberst im Wartestand mitgeteilt haben?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Dies ist nach meiner Erkenntnis nicht zutreffend.
Herr Abgeordneter Berger, wenn Sie einverstanden wären, rufe ich wegen des Zeitablaufs Ihre beiden Fragen 57 und 58 gemeinsam auf, auch wenn kein unmittelbarer Zusammenhang gegeben ist, damit sie beide noch beantwortet werden können:Trifft es zu, daß Hauptfeldwebel der Bundeswehr, die auf solchen sogenannten Weißbuchstellen befördert worden sind, die jetzt wieder wegfallen sollen, nur deshalb in andere Standorte versetzt werden, weil dort besetzbare Planstellen frei werden, ohne daß andere dienstliche Gründe dies erforderlich machten, während persönliche Gründe dieser Versetzung sogar entgegenstehen?Werden Organisationsmaßnahmen, die zum Beispiel im Bereich des Heeres im Vorgriff auf die einmal beabsichtigte Neustruktur bereits verfügt worden sind, wieder rückgängig gemacht?Sie haben trotzdem vier Zusatzfragen. — Bitte, Herr Staatssekretär.Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Haushalt 1971 sind ingesamt 9000 Planstellen für Unteroffiziere und Offiziere um jeweils eine Besoldungsgruppe angehoben worden. Mit diesen sogenannten Weißbuchstellen konnten Soldaten auch auf niedriger bewerteten Dienstposten befördert
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. April 1978 6887
Parl. Staatssekretär Dr. von Bülowwerden. In den Stellenplänen der Bundeswehr waren diese Planstellen nicht ausgewiesen, weil sie einen „ku-Vermerk" trugen und jederzeit in ihre frühere Besoldungsgruppe rückumgewandelt werden konnten.Mit dem Haushalt 1977 sind die ku-Vermerke gestrichen worden. Die Planstellen werden jetzt auch in den Stellenplänen ausgewiesen. Nach dem in § 18 Bundesbesoldungsgesetz verankerten Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung wird es nun nicht mehr möglich sein, einen Soldaten auf einem Dienstposten einzusetzen, der in seiner Bewertung nicht dem Dienstgrad des Inhabers entspricht. Für Soldaten, die zur Zeit noch auf einem niedriger bewerteten Dienstposten verwendet werden, sind Versetzungen und eventuell Umschulungen, in einigen Fällen auch Ortswechsel nicht zu vermeiden. Ihre Zahl wird sich jedoch in Grenzen halten, da die Masse der mit Hilfe von Weißbuchstellen Beförderten bereits angemessen bewertete Dienstposten besetzt. Nicht versetzt werden auch alle Soldaten, die während einer Übergangszeit zur Versetzung in den Ruhestand heranstehen.
Ich gebe Ihnen erst einmal eine Zusatzfrage hierzu.
Herr Staatssekretär, bedeutet dies, daß Ihrer Meinung nach die damaligen Beförderungen auf diesen sogenannten Weißbuchstellen nicht funktionsgerecht erfolgt sind?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Sie sind erfolgt zur Korrektur einer nicht altersgerechten Struktur der Bundeswehr und sollten da persönliche Abhilfe schaffen. Sie sind aber mit den Auflagen des Haushaltsgesetzgebers, d. h. dieses Parlaments, versehen worden und müssen letztlich dementsprechend eingeordnet werden nach den Bestimmungen des Bundesbesoldungsgesetzes.
Noch eine zweite Zusatzfrage dazu.
Herr Staatssekretär, wenn dies damals erfolgte, um einen Beförderungsstau abzubauen, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß genau jener Effekt jetzt wieder im Bereich der Nachwuchs-Oberfeldwebel entsteht, die zur Beförderung heranstehen?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Es ist ganz sicher so, daß wir im Augenblick wieder die Problematik des Verwendungs- und des Beförderungsstaus zu beobachten haben. Sie wissen, daß sich das Bundesministerium der Verteidigung bemüht, die aus der Aufbauphase der Bundeswehr herrührende schlechte Altersstruktur auszugleichen und da Maßnahmen zu ergreifen.
Die nächste Frage bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Vorgriff auf das Heeresmodell 4 wurden bisher noch keine Organisationsmaßnahmen durchgeführt. Falls mit der Frage die für die Erprobung des Heeresmodells 4 umgegliederten bzw. neu aufgestellten Heeresbrigaden und die sogenannten Rand-Bataillone gemeint sein sollten, so ist dazu zu sagen, daß deren Rückgliederung in eine Struktur des Heeresmodells 3 nicht vorgesehen ist. Ab Oktober 1977 werden Verbände des Heeres, die auf neue Waffensysteme umgerüstet werden, auch entsprechend umgegliedert. Das trifft z. B. 1977/78 für acht Flugabwehrbataillone Gepard zu. Deren neue Struktur ist mit derjenigen identisch, die sie auch im Heeresmodell 4 haben würden.
Keine Zusatzfrage.
Herr Abgeordneter Biehle hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 53 und 54 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär von Bülow für die Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.
Wir stehen damit am Ende der heutigen Plenarsitzung des Deutschen Bundestages.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, dem 27. April 1978, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.