Protokoll:
8083

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 83

  • date_rangeDatum: 13. April 1978

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:15 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/83 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 83. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Inhalt: Begrüßung des Vizepräsidenten der Nationalversammlung der Republik Korea und Vorsitzenden der Koreanisch-Deutschen Parlamentariergruppe und einer Delegation 6499 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Gradl, Dr. h. c. Kiesinger und Franke (Hannover) 6499 B Wahl des Abg. Dr. Pfennig zum stellvertretenden Mitglied des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt 6499 B Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . 6499 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse der NATO-Ratstagung vom 7. April 1978 in Brüssel und die Tagung des Europäischen Rates vom 7./8. April 1978 in Kopenhagen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 6499 C Dr. Kohl CDU/CSU 6504 D Pawelczyk SPD 6511 A Dr. Bangemann FDP 6517 A Strauß CDU/CSU 6522 B Genscher, Bundesminister AA 6532 A Bahr SPD (Bemerkung nach § 35 GO) . 6535 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Parlamentarische Kontrollkommission — Drucksache 8/1695 — 6554 A Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung — Drucksache 8/1690 — Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 6554 B Dr. Emmerlich SPD 6555 D Kleinert FDP 6558 A Hansen SPD (zur Abstimmung) 6559 A Namentliche Abstimmung 6559 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Ausgleich von Steuerausfällen bei den Gemeinden (GV) — Drucksachen 8/593, 8/1596 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/1621 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes (Gemeindefinanzreformänderungsgesetz) — Drucksache 8/923 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/1663 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/1662 — Dr. Waffenschmidt CDU/CSU . . . . . 6562 A Frau Traupe SPD . . . . . . . . . 6564 D Spilker CDU/CSU . . . . . . . . . 6568 A Frau Matthäus-Maier FDP 6570 D Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 6573 C Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 20. September 1976 zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik — Drucksache 8/1136 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/1702 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/1572 — 6576 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften — Drucksache 8/1606 — Broil CDU/CSU 6576 C Liedtke SPD 6579 B Dr. Wendig FDP 6580 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die von ihr in den Rechnungsjahren 1973, 1974, 1975 gemäß § 96 BVFG getroffenen Maßnahmen — Drucksachen 8/586, 8/1564 — Sauer (Salzgitter) CDU/CSU 6581 B Dr. Nöbel SPD 6584 C Dr. Wendig FDP 6586 D von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 6588 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Milz, Lemmrich, Tillmann, Pfeffermann, Straßmeir, Weber (Heidelberg), Dreyer, Dr. Jobst, Haberl, Dr. Waffenschmidt, Hanz, Ziegler, Sick, Frau Hoffmann (Hoya), Würzbach, Dr. Friedmann, Biechele, Dr. Möller, Bühler (Bruchsal) und der Fraktion der CDU/CSU Bundesfernstraßenbau — Drucksachen 8/1179, 8/1561 —Milz CDU/CSU . . . . . . . . . . 6590 C Topmann SPD 6592 A Ollesch FDP 6594 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernteerhebung — Drucksache 8/1616 — 6596 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1978 hier: Einzelplan 15 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit - - Drucksachen 8/1458, 8/1587 — . . . . 6596 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1978 hier: Haushaltsgesetz 1978 — Drucksachen 8/1480 (neu), 8/1589 — . . 6596 B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1977 hier: überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 11 13 Tit. 656 03 — Zuschuß des Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 III Bundes an die Knappschaftliche Rentenversicherung — Drucksachen 8/1289, 8/1627 — . . . . 6596 C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Veräußerung des „General-von-SteubenHotels" an die Stadt Wiesbaden — Drucksachen 8/1442, 8/1626 — . . . . 6596 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung UNESCO-Empfehlung über die Teilnahme und Mitwirkung aller Bevölkerungsschichten am kulturellen Leben — Drucksachen 8/1287, 8/1604 — . . . . 6596 D Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 4/78 — Zollkontingente für Walzdraht und Elektrobleche — 1. Halbjahr 1978) — Drucksache 8/1631 — . . . . . . . 6596 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zum Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur fünften Änderung der Richtlinie 73/ 241/ EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für zur Ernährung bestimmte Kakao- und Schokoladenerzeugnisse — Drucksachen 8/1435 Nr. 48, 8/1618 — . . 6597 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an den Rat über einen Aktionsplan der Gemeinschaft auf dem Gebiet der radioaktiven Abfallstoffe — Drucksachen 8/1078, 8/1629 — . . . . 6597 A Fragestunde — Drucksache 8/1689 vom 07. 04. 1978 — Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) MdlAnfr A109 07.04.78 Drs 08/1689 Luster CDU/CSU MdlAnfr A110 07.04.78 Drs 08/1689 Luster CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK . . . 6536 A, B, 6537 A, B, C, D, 6538 A, B, C, D, 6539 A, B ZusFr Luster CDU/CSU . . 6536 A, D, 6537 A, 6538 C, D ZusFr Kunz (Berlin) CDU/CSU 6537 B ZusFr Straßmeir CDU/CSU 6537 C ZusFr Egert SPD 6537 D ZusFr Dr. Diederich (Berlin) SPD 6537 D, 6538 D ZusFr Kittelmann CDU/CSU . . 6538 A, 6539 A ZusFr Dr. Kreutzmann SPD 6538 B ZusFr Ey CDU/CSU 6539 B Bevölkerungsrückgang in Berlin (West) MdlAnfr A111 07.04.78 Drs 08/1689 Kunz (Berlin) CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK . . . . 6539 B, D, 6540 B, C ZusFr Kunz (Berlin) CDU/CSU . . . . 6539 C, D ZusFr Luster CDU/CSU 6540 A ZusFr Kittelmann CDU/CSU 6540 C Bevölkerungsrückgang in Berlin (West) MdlAnfr A112 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Berger (Berlin) CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK . . . . 6540 C, D, 6541 A, B, C, D ZusFr Frau Berger (Berlin) CDU/CSU . 6540 D ZusFr Fiebig SPD 6541 A ZusFr Luster CDU/CSU . . . . . . 6541 B ZusFr Dr. Diederich (Berlin) SPD . . . 6541 C ZusFr Kittelmann CDU/CSU 6541 D Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) MdlAnfr A113 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Pieser CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK 6542 A, B, C, D ZusFr Frau Pieser CDU/CSU . . . . . 6542 B ZusFr Straßmeir CDU/CSU . . . . . 6542 C ZusFr Luster CDU/CSU 6542 D Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) MdlAnfr A114 07.04.78 Drs 08/1689 Kittelmann CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK . 6543 A, B, C, D, 6544 A, B, C ZusFr Kittelmann CDU/CSU . . . . . 6543 A, B ZusFr Wohlrabe CDU/CSU . . . . . 6543 B ZusFr Müller (Berlin) CDU/CSU . . . . 6543 C IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 ZusFr Roth SPD 6543 D ZusFr Ey CDU/CSU 6543 D ZusFr Becker (Nienberge) SPD 6544 A ZusFr Dr. Pfennig CDU/CSU . . . . 6544 A, B ZusFr Dr. Jens (Voerde) SPD 6544 B ZusFr Frau Simonis SPD 6544 C Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) MdlAnfr A115 07.04.78 Drs 08/1689 Wohlrabe CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK 6544 C, D, 6545 A ZusFr Wohlrabe CDU/CSU 6544 D Bevölkerungsrückgang in Berlin (West) MdlAnfr A116 07.04.78 Drs 08/1689 Straßmeir CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK . 6545 A, B, C, D, 6546 A, B ZusFr Straßmeir CDU/CSU 6545 B, C ZusFr Roth SPD 6545 C ZusFr Luster CDU/CSU 6545 D ZusFr Kittelmann CDU/CSU 6546 A ZusFr Wohlrabe CDU/CSU 6546 A ZusFr Müller (Berlin) CDU/CSU . . . 6546 B Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) MdlAnfr A117 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Pfennig CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK . . . . 6546 C, D, 6547 A, B, C ZusFr Dr. Pfennig CDU/CSU 6546 D ZusFr Luster CDU/CSU 6547 A ZusFr Amrehn CDU/CSU 6547 B ZusFr Müller (Berlin) CDU/CSU . . . 6547 B Einbeziehung der DDR in den Dank des Bundeskanzlers an Österreichs Bundeskanzler Kreisky MdlAnfr A118 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Wischnewski BK . . . . 6547 C, D, 6548 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6547 C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6548 A ZusFr Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . 6548 A ZusFr Wehner SPD 6548 B Schwierigkeiten bei der Ablegung der polnischen Staatsangehörigkeit für Aussiedler MdlAnfr A14 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6548 C, D, 6549 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6548 D Abschluß des Strafverfahrens gegen den Hauptangeklagten der Bezirksflugkontrolle Zagreb im Zusammenhang mit dem dortigen Flugzeugunglück MdlAnfr A119 07.04.78 Drs 08/1689 Milz CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA 6549 A, B, C ZusFr Milz CDU/CSU 6549 A, B Regelung der Frage der Errichtung und Betreuung von Soldatenfriedhöfen mit den ost- und südosteuropäischen Staaten MdlAnfr A120 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Althammer CDU/CSU MdlAnfr A121 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Althammer CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6549 C, D, 6550 A, B, C ZusFr Dr. Althammer CDU/CSU 6549 D, 6550 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6550 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6550 C Rechtfertigung der Gewährung eines 4-Wochenstipendiums des Auswärtigen Amtes für eine Südafrikareise einer Schülerin aus Simmern angesichts der politischen Lage in der Republik Südafrika MdlAnfr Al22 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Erler SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6550 D, 6551 A ZusFr Frau Erler SPD . . . . 6550 D, 6551 A Aussichten des deutsch-brasilianischen Reaktorabkommens nach Inkrafttreten des amerikanischen „Anti-Proliferationsgesetzes MdlAnfr Al23 07.04.78 Drs 08/1689 Männing SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6551 B Haltung der polnischen Regierung zur Entlassung von Aussiedlern aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße aus der polnischen Staatsbürgerschaft bei Besuchen ihrer Angehörigen in Oberschlesien Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 V MdlAnfr A124 07.04.78 Drs 08/1689 Biehle CDU/CSU MdlAnfr A125 07.04.78 Drs 08/1689 Biehle CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6551 C, D, 6552 B, C, D, 6553 A ZusFr Biehle CDU/CSU . . 6551 D, 6552 B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6552 D ZusFr Becker (Nienberge) SPD 6553 A Deutsche in Gefängnissen der Volksrepublik Mozambique MdlAnfr Al26 07.04.78 Drs 08/1689 Niegel CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 6553 B, C ZusFr Niegel CDU/CSU 6553 B, C Angebliche Äußerungen des rumänischen Präsidenten Ceausescu über ausreisewillige Deutsche MdlAnfr Al27 07.04.78 Drs 08/1689 Sauer (Salzgitter) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 6553 D ZusFr Sauer (Salzgitter) CDU/CSU . . 6553 D Nächste Sitzung 6597 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6599* A Anlage 2 Anteil der nach dem sogenannten Bauherren-Modell errichteten Wohnungen am Gesamtwohnungsbau MdlAnfr Al 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Schneider CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . . 6599* C Anlage 3 Verfahrensweise der Länder bei der Vergabe der Drittmittel für Forschung an den Hochschulen MdlAnfr A2 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Steger SPD SchrAntw PStSekr Engholm BMBW . . . 6599* D Anlage 4 Beschlagnahme von Archivmaterial für ein geplantes Buch bei der Durchsuchung des Hauses des Journalisten Hans-Georg Faust MdlAnfr A30 07.04.78 Drs 08/1689 Thüsing SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 6600* A Anlage 5 Zahl der Strafverfolgungsmaßnahmen nach §§ 88, 353 c StGB seit 1969 MdlAnfr A33 07.04.78 Drs 08/1689 Coppik SPD MdlAnfr A34 07.04.78 Drs 08/1689 Coppik SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 6600* C Anlage 6 Anpassung des Lohnsteuerfreibetrags für unentgeltliche oder verbilligte Verpflegung von Arbeitnehmern an die Sachbezugsverordnung vom 28. Dezember 1977 MdlAnfr A36 07.04.78 Drs 08/1689 Pfeffermann CDU/CSU MdlAnfr A37 07.04.78 Drs 08/1689 Pfeffermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 6601* A Anlage 7 Auswirkungen der Erhöhung der Mehrwertsteuer bei privaten Alten- und Pflegeheimen MdlAnfr A38 07.04.78 Drs 08/1689 Braun CDU/CSU MdlAnfr A39 07.04.78 Drs 08/1689 Braun CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 6601* C Anlage 8 Steuerliche Neuregelung des sogenannten Bauherren-Modells MdlAnfr A40 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Schneider CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 6602* A Anlage 9 Befreiung der Pannenhilfsfahrzeuge der Automobilclubs von der Kraftfahrzeugsteuer; Verfahren bei Steuerbescheiden an unterhaltsverpflichtete Elternteile MdlAnfr A41 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Funcke FDP MdlAnfr A42 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Funcke FDP SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 6602* B Anlage 10 Entwicklung der Ertragslage der Deutschen Bundesbank angesichts der umfangreichen Dollarkäufe MdlAnfr A43 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . . 6603* B VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Anlage 11 Neuschneidung des Zonenrandgebiets in Schleswig-Holstein MdlAnfr A44 07.04.78 Drs 08/1689 Kuhlwein SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 6603* D Anlage 12 Senkung der Arzneimittelpreise MdlAnfr A45 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Jens (Voerde) SPD MdlAnfr A46 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Jens (Voerde) SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 6604* A Anlage 13 Überbrückungshilfe für die Ruhrkohle AG sowie Subventionen für den Ruhrbergbau insgesamt MdlAnfr A47 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Hürland CDU/CSU MdlAnfr A48 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Hürland CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 6604* C Anlage 14 Beibehaltung der im Milchgesetz vom 31. Juli 1930 vorgeschriebenen Erlaubnis zur Abgabe von Milch MdlAnfr A51 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . . 6605* A Anlage 15 Unruhe bei Krankenhausträgern und Ärzten durch das Inkrafttreten des § 371 RVO in neuer Fassung MdlAnfr A52 07.04.78 Drs 08/1689 Höpfinger CDU/CSU MdlAnfr A53 07.04.78 Drs 08/1689 Höpfinger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 6605' B Anlage 16 Abbau der Belastung für kleinere Landwirtschaftsbetriebe durch Änderung der Beitragserhebung für die landwirtschaftliche Krankenversicherung und die Altershilfe MdlAnfr A54 07.04.78 Drs 08/1689 Simpfendörfer SPD MdlAnfr A55 07.04.78 Drs 08/1689 Simpfendörfer SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 6605* D Anlage 17 Auffassung des Bundeswirtschaftsministers zur Frage der Aussperrung MdlAnfr A58 07.04.78 Drs 08/1689 Kirschner SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 6606* A Anlage 18 Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in der Frage der Aussperrung MdlAnfr A59 07.04.78 Drs 08/1689 Weisskirchen (Wiesloch) SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 6606* C Anlage 19 Kündigung der Arbeitsverhältnisse ausländischer Krankenschwestern MdlAnfr A61 07.04.78 Drs 08/1689 Frau Berger (Berlin) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 6606* D Anlage 20 Auffassung des Bundeswirtschaftsministers über die Aussperrung als gerechtfertigtes Mittel des Arbeitskampfs MdlAnfr A62 07.04.78 Drs 08/1689 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 6607* A Anlage 21 Aufhebung der Beschränkungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz für die Mitwirkung von Jugendlichen in kulturellen Vereinigungen oder Sportvereinen MdlAnfr A63 07.04.78 Drs 08/1689 Gerster (Mainz) CDU/CSU MdlAnfr A64 07.04.78 Drs 08/1689 Gerster (Mainz) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 6607* C Anlage 22 Militärische Bedeutung der „Kampfgruppen der Arbeiterklasse" in der DDR MdlAnfr A65 07.04.78 Drs 08/1689 Schmöle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6607* D Anlage 23 Stärke und Ausrüstung der Betriebskampfgruppen in der DDR MdlAnfr A66 07.04.78 Drs 08/1689 Böhm (Melsungen) CDU/CSU MdlAnfr A67 07.04.78 Drs 08/1689 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6608* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 VII Anlage 24 Einsatz der Betriebskampfgruppen der DDR MdlAnfr A68 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Abelein CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6608* B Anlage 25 Einsatz der Kampfgruppen der DDR MdlAnfr A69 07.04.78 Drs 08/1689 Straßmeir CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6608* C Anlage 26 Teilnahme von Kampfgruppen der DDR an Manövern der Staaten des Warschauer Pakts; Einstufung der Betriebskampfgruppen als territoriale Verteidigung der DDR MdlAnfr A70 07.04.78 Drs 08/1689 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU MdlAnfr A71 07.04.78 Drs 08/1689 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6608* D Anlage 27 Zahl der der DDR zur Verfügung stehenden Panzer; Zugehörigkeit der Betriebskampfgruppen in der DDR zur Parteiarmee der SED MdlAnfr A72 07.04.78 Drs 08/1689 Lintner CDU/CSU MdlAnfr A73 07.04.78 Drs 08/1689 Lintner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6609* A Anlage 28 Ideologische Schulung der Betriebskampfgruppen in der DDR sowie ihre Bedeutung für die Stabilisierung. des dortigen politischen Systems MdlAnfr A74 07.04.78 Drs 08/1689 Jäger (Wangen) CDU/CSU MdlAnfr A75 07.04.78 Drs 08/1689 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6609* B Anlage 29 Privilegien der Angehörigen der Betriebskampfgruppen gegenüber anderen Bürgern der DDR MdlAnfr A76 07.04.78 Drs 08/1689 Schmöle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von.Bülow BMVg . 6609* D Anlage 30 Einstellung der Ausbildung Ungedienter in fünf Wehrübungen zum Reserveoffizier MdlAnfr A77 07.04.78 Drs 08/1689 Berger (Lahnstein) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6609* D Anlage 31 Aussage des Bundeskanzlers über einige Abhörfälle in jüngerer Zeit MdlAnfr A78 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Voss CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg . 6610* B Anlage 32 - Erosion unterhalb der Rheinstaustufe Iffezheim MdlAnfr A79 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Stavenhagen CDU/CSU MdlAnfr A80 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Stavenhagen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 6610* C Anlage 33 Erhöhung des Sicherheitsstandards für Tankschiffe MdlAnfr A81 07.04.78 Drs 08/1689 Paterna SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 6610* D Anlage 34 Verhinderung von Tankerunfällen an den deutschen Küsten sowie Bestrafung der Verursacher von Verseuchungen der Bundeswasserstraßen MdlAnfr A82 07.04.78 Drs 08/1689 Flämig SPD MdlAnfr A83 07.04.78 Drs 08/1689 Flämig SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 6610* D Anlage 35 Konzeption der Bundesregierung bei ihrer Tarifgenehmigungspolitik im Nordatlantikluftlinienverkehr MdlAnfr A84 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Schulte (Schwäbisch Gemünd) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 6611* B Anlage 36 Billigtarif von Pan-Am zwischen Berlin und New York MdlAnfr A85 07.04.78 Drs 08/1689 Tillmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . 6611* C VIII Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Anlage 37 Verschärfung der Sicherheitsvorschrif ten für Öltanker MdlAnfr A86 07.04.78 Drs 08/1689 Hoffie FDP MdlAnfr A87 07.04.78 Drs 08/1689 Hoffie FDP SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . 6611* D Anlage 38 Beförderung überalterter Oberinspektoren bei der Bundespost MdlAnfr A88 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Müller CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMP . . . . . 6612* A Anlage 39 Verlust von Arbeitsplätzen in Usingen und Oberursel bei einer Verlegung der dortigen Postämter nach Bad Homburg MdlAnfr A89 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Langner CDU/CSU MdlAnfr A90 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Langner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMP . . . . . 6612* B Anlage 40 Berücksichtigung der Gemeindeneugliederungen in den Bundesländern bei der Umstellung des Fernmeldenetzes auf den Nahdienst MdlAnfr A91 07.04.78 Drs 08/1689 Jahn (Marburg) SPD SchrAntw PStSekr Haar BMP . . . . 6612* D Anlage 41 Trassenführung der Autobahn Berlin—Hamburg MdlAnfr A92 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Diederich (Berlin) SPD MdlAnfr A93 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Diederich (Berlin) SPD SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 6613* A Anlage 42 Ubersicht über Investitions- und Folgekosten für die Nord- und Südtrasse der Autobahn Berlin—Hamburg; Untersuchungen über eine längere Streckenführung durch die DDR MdlAnfr A94 07.04.78 Drs 08/1689 Kühbacher SPD • MdlAnfr A95 07.04.78 Drs 08/1689 Kühbacher SPD SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 6613* B Anlage 43 Vorwürfe eines ehemaligen Sachbearbeiters in der Rechtsabteilung der Bonner Ständigen Vertretung in der DDR gegen die politisch verantwortlichen Bürokraten MdlAnfr A96 07.04.78 Drs 08/1689 Hansen SPD SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 6613* D Anlage 44 Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit spaltbarem Material MdlAnfr A97 07.04.78 Drs 08/1689 Männing SPD SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6613* D Anlage 45 Vorbereitungen für die Weltwissenschafts- und Technologiekonferenz der UN MdlAnfr A98 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6614* A Anlage 46 Auswirkungen des Non-Proliferation Act 1978 der Vereinigten Staaten auf das deutsche Entsorgungskonzept für Kernkraftwerke MdlAnfr A99 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Lauffs CDU/CSU SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6614* C Anlage 47 Unterstützung der niedersächsischen Landesregierung bei der Öffentlichkeitsarbeit für die friedliche Nutzung der Kernenergie durch die Bundesregierung MdlAnfr A100 07.04.78 Drs 08/1689 Gerstein CDU/CSU MdlAnfr A101 07.04.78 Drs 08/1689 Gerstein CDU/CSU SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6614* D Anlage 48 Unterrichtung der Bevölkerung Niedersachsens über die Bedeutung des Entsorgungszentrums in Gorleben MdlAnfr A102 07.04.78 Drs 08/1689 Lenzer CDU/CSU MdlAnfr A103 07.04.78 Drs 08/1689 Lenzer CDU/CSU SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6615* A Anlage 49 Finanzmittel für die Aufklärung der Bevölkerung Gorlebens über das dortige Entsor- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 IX gungszentrum; Auftreten des Bundesforschungsministers bei Veranstaltungen in Gorleben MdlAnfr A104 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Hubrig CDU/CSU MdlAnfr A105 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Hubrig CDU/CSU SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6615* C Anlage 50 Auswirkungen des Nuclear Non-Proliferation Act der USA auf die deutsche Wirtschaft MdlAnfr A106 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6616* A Anlage 51 Notwendigkeit einer Korrektur der Zweiten Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung als Folge des amerikanischen Non-Proliferationsgesetzes; Aufgaben der Entsorgungskonzeption MdlAnfr A107 07.04.78 Drs 08/1689 Schäfer (Offenburg) SPD MdlAnfr A108 07.04.78 Drs 08/1689 Schäfer (Offenburg) SPD SchrAntw BMin Dr. Hauff BMFT . . . . 6616* B Anlage 52 Vereinbarkeit angeblicher Äußerungen des rumänischen Präsidenten Ceausescu über zur Ausreise entschlossene Deutsche mit der gemeinsamen Erklärung vom 7. Januar 1978 über humanitäre Fragen im Bereich der Familienzusammenführung und der Eheschließungen zwischen Bürgern beider Länder MdlAnfr A128 07.04.78 Drs 08/1689 Sauer (Salzgitter) CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6617* A Anlage 53 Bedeutung des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in Warschau in bezug auf die Abrüstung in Mitteleuropa und die Zusammenarbeit in der „Dritten Welt"; politische Bedeutung der Vergeltungsmaßnahme gegen den Kulturattaché der deutschen Botschaft in Warschau für die Realitäten des deutsch-polnischen Kulturaustauschs MdlAnfr A129 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Czaja CDU/CSU MdlAnfr A130 07.04.78 Drs 08/1689 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 6617* B Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6499 83. Sitzung Bonn, den 13. April 1978 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 14. 4. Dr. van Aerssen * 14. 4. Dr. Aigner * 14. 4. Alber * 14. 4. Arendt 13. 4. Dr. Bangemann * 14. 4. Dr. Bayerl * 14. 4. Blumenfeld * 14. 4. Frau von Bothmer 28. 4. Fellermaier * 14. 4. Flämig * 14. 4. Dr. Früh * 14. 4. Dr. Fuchs * 14. 4. Haase (Fürth) * 14. 4. Hoffmann (Saarbrücken) * 14. 4. Dr. Holtz ** 14. 4. Ibrügger * 14. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 4. Jung * 14. 4. Dr. Klepsch * 14. 4. Klinker * 14. 4. Dr. Ing. Laermann • 13. 4. Lange * 14. 4. Lemp * 14. 4. Lenzer *** 21. 4. Lücker * 14. 4. Luster * 14. 4. Dr. Müller *** 21. 4. Müller (Mülheim) * 14. 4. Müller (Wadern) * 14. 4. Dr. Müller-Hermann * 14. 4. Scheffler *** 21. 4. Schmidhuber ** 14. 4. Schmidt (München) * 14.4. Schreiber * 14. 4. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 21. 4. Dr. Schwörer * 14. 4. Seefeld * 14. 4. Sieglerschmidt * 14. 4. Dr. Starke (Franken) * 14. 4. Ueberhorst *** 21.4. Dr. Vohrer ** 14. 4. Frau Dr. Walz * 14. 4. Wawrzik * 14. 4. Würtz * 14.4. Zeyer * 14. 4. Zywietz * 14. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 1) : Wieviel Wohnungen werden gegenwärtig bzw. sind in den letzten Jahren jährlich nach dem sogenannten BauherrenModell errichtet worden, und welche wohnungspolitische und gesamtwirtschaftliche Bedeutung mißt die Bundesregierung dem nach diesem Modell errichteten Anteil von Wohnungen am Gesamtwohnungsbau bei? Die Zahl der nach verschiedenen „Bauherren-Modellen" errichteten Wohnungen wird in der offiziellen Statistik nicht erfaßt. Inoffizielle Mitteilungen, die mit allen Vorbehalten aufgenommen werden müssen, gehen davon aus, daß allein 1977 mit dem Bau von ca. 10 000 Wohnungseinheiten nach sogenannten „Bauherren-Modellen" begonnen worden ist. Die gleichen Quellen weisen aus, daß im Zeitraum 1971 bis 1975 ca. 40 000 Wohnungseinheiten nach unterschiedlichen Bauherren-Modellen finanziert worden sind. Eine Beurteilung allein aus wohnungspolitischer und gesamtwirtschaftlicher Sicht wird dem Gesamtkomplex der Bauherrenmodelle nicht gerecht, zumal die unterschiedlichen Modellformen dazu keine generell gültigen Aussagen zulassen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Engholm auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) Drucksache 8/1689 Frage A 2): Ist der Bundesregierung bekannt, ob Bundesländer auch die Drittmittel für Forschung an den Hochschulen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesforschungsministerium u. a. in den Etat einstellen und sie damit - zusätzlich zu den Vorschriften der Geldgeber - auch noch allen Verwaltungsvorschriften des Landes unterstellen, und welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls daraus zu ziehen? . Ja, der Bundesregierung ist bekannt, daß in einem Bundesland im Zuge der Anpassung des Landesrechts an das Hochschulrahmengesetz (HRG) im dortigen Universitätsgesetz über die verwaltungsmäßige Behandlung von Mitteln für Forschung bestimmt wurde, daß auch die „Geldzuwendungen Dritter zur Förderung von Forschung und Lehre" in den Staatshaushaltsplan eingestellt werden, „auch wenn die Zuwendung für diese Zwecke einem Mitglied der Universität mit der Maßgabe, persönlich über ihre Verwendung zu bestimmen, zur Verfügung gestellt ist". *) Diese Vorschrift stützt sich auf § 25 Abs. 4 HRG, wo es heißt: „Die Mittel für Forschungsvorhaben (gemeint sind die Drittmittelvorhaben) ... sollen von der *) § 8 Ba-Wü UniG. 6600* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Hochschule verwaltet, aus diesen Mitteln bezahlte hauptberufliche Mitarbeiter als Personal der Hochschule eingestellt werden. Das Nähere regelt das Landesrecht." Die Regelung entspricht auch den Forschungsempfehlungen des Wissenschaftsrats. Bei einem Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsvorschriften sind nach Ansicht der Bundesregierung in erster Linie die Bewilligungsrichtlinien des Zuwendungsgebers maßgebend. Im übrigen ist die verwaltungsmäßige Abwicklung von Drittmitteln durch die Hochschulen auch bisher nicht ungewöhnlich. Die Bundesregierung erwartet, daß die Länder bei der Umsetzung des Hochschulrahmengesetzes die Soll-Vorschrift des § 28 Abs. 4 HRG auch aufgrund der inzwischen gesammelten Erfahrungen so anwenden werden, daß ein Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Forschung nach möglichst unbürokratischer Abwicklung insbesondere bei Bagatellbeträgen und den Interessen der Offentlichkeit nach Transparenz und Kontrolle bei Drittmitteln erfolgt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretär Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Thüsing (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 30): Trifft es zu, daß Beamte der Bundesanwaltschaft am 17. August 1977 und am 29. November 1977 zusammen mit Beamten des Bundeskriminalamts das Haus des Journalisten Hans-Georg Faust untersucht und dabei Archivmaterial für ein geplantes Buch beschlagnahmt haben? Nach Auskunft des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof haben aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 24. November 1977 ein Angehöriger der Bundesanwaltschaft und Beamte des Bundeskriminalamtes am 29. und 30. November 1977 — nicht am 17. August 1977 — die Wohnung des Beschuldigten Faust gemäß § 102 StPO durchsucht. Im Rahmen dieser Durchsuchung wurde in einem von Faust angelegten Versteck ein Koffer mit amtlich geheimgehaltenen Unterlagen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorgefunden. Darunter befanden sich u. a. folgende Verschluß-Sachen: 1. Dienstvorschrift des Bundesamtes für Verfassungsschutz für die Nachrichtenbeschaffung, 2. Leitfaden des Bundesamtes für Verfassungsschutz für die Auswertung von Nachrichten, 3. zahlreiche Organisationsverfügungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, 4. Anordnung über Verhaltensmaßnahmen, die sich aus der konspirativen Unterbringung der Abteilung Terrorismus des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergaben, 5. eine Quartalübersicht über den Stand der Nachrichtenbeschaffung, über die Zahl und Honorierung geheimer Quellen, 6. Ausarbeitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz über Erfahrungen in der operativen Arbeit auf dem Ausländersektor, 7. Ablichtungen aus den Akten der „Operation Muell . Ferner wurde auch Archivmaterial sowie schriftliche Aufzeichnungen über das Bundesamt für Verfassungsschutz aufgefunden. Das gesamte Material wurde gemäß § 94 StPO sichergestellt. Zu einem Antrag auf richterliche Beschlagnahme des sichergestellten Materials nach § 98 StPO hatte die Bundesanwaltschaft keinen Anlaß, da der Beschuldigte Faust bis zur Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Bonn am 16. Dezember 1977 der Sicherstellung des Materials nicht widersprochen hatte. Was die Durchsuchung am 17. August 1977 betrifft, so hat nach einem hier vorliegenden Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bonn, der zu diesem Zeitpunkt das Verfahren führte, dieser am 17. August 1977 auf Grund eines Durchsuchungsbefehls des Amtsgerichts Bergisch-Gladbach vom gleichen Tage eine Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten Faust durchgeführt. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Coppik (SPD) (Drucksache 8/1689 Fragen A 33 und 34): Wieviel Strafanzeigen bzw. Verfahren hat es nach dem Wissensstand der Bundesregierung seit 1969 wegen Vergehen nach § 88 StGB gegeben? Wieviel Ermächtigungen, wegen des § 353 c StGB strafrechtlich vorzugehen, hat die Bundesregierung seit 1969 erteilt? Zu Frage A 33: Nach Auskunft des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof ist außer dem Verfahren gegen Faust u. a. in dem Zeitraum seit 1969 eine Strafanzeige wegen des Verdachts eines Vergehens nach § 88 StGB bei der Bundesanwaltschaft erstattet worden. Das Verfahren wurde eingestellt, weil hinreichende Anhaltspunkte für ein Vergehen nach § 88 StGB nicht vorlagen. Wieweit im Bereich der gemäß § 74 a GVG zuständigen Staatsanwaltschaften der Länder innerhalb des angesprochenen Zeitraumes Verfahren anhängig waren, ist der Bundesregierung zur Zeit nicht bekannt. Zu Frage A 34: Nach den dem Bundesministerium der Justiz vorliegenden Unterlagen haben die zuständigen Ressorts für die Bundesregierung seit 1969 insgesamt in fünf Fällen Strafverfolgungsermächtigungen nach § 353 c Abs. 4 des Strafgesetzbuches erteilt. Ermächtigungen zur Strafverfolgung wurden ausschließlich im Ermittlungsverfahren erteilt, die sich mit Veröffentlichungen von unter VS-Schutz stehenden Dokumenten aus dem Bereich der Innenverwaltungen befaßten. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6601* Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Pfeffermann (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 36 und 37): Zu welchem Zeitpunkt beabsichtigt die Bundesregierung, den Lohnsteuerfreibetrag für unentgeltliche oder verbilligte Mahlzeiten im Betrieb für Arbeitnehmer von derzeit 1,50 DM den Sachbezugswerten anzugleichen, wie sie durch die Sachbezugsverordnung vom 28. Dezember 1977 zwischen 2,20 DM und 2,80 DM neu festgelegt wurde? Welche geschätzten Steuerausfälle stehen dabei welchen geschätzten Verwaltungskosten gegenüber? Es muß unterschieden werden zwischen Arbeitnehmern, die in einer betriebseigenen Kantine eine unentgeltliche oder verbilligte Mahlzeit erhalten, und solche Arbeitnehmern, die ihre Mahlzeiten in einer verpachteten Kantine oder einer Vertragsgaststätte gegen volles Entgelt beziehen, dabei aber vom Arbeitgeber einen Zuschuß erhalten. Im erstgenannten Fall stellt die Unentgeltlichkeit oder Verbilligung einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil dar. Dabei ist der Wert der Mahlzeit mit einem amtlichen Sachbezugswert anzusetzen, der je nach Land zwischen 2,20 DM und 2,80 DM liegt. Von diesem Wert ist der sog. Essenfreibetrag von 1,50 DM arbeitstäglich abzuziehen, so daß sich steuerpflichtige Beträge zwischen 0,70 DM und 1,30 DM ergeben. Auf diese steuerpflichtigen Beträge sind dann noch etwaige Eigenleistungen der Arbeitnehmer anzurechnen. Nach den vorliegenden Erfahrungen werden in zahlreichen Fällen auch tatsächlich Eigenleistungen in Höhe des steuerpflichtigen Betrags erbracht, wodurch die Steuerpflicht entfällt; diese Gruppe von Arbeitnehmern würde folglich aus einer Anhebung des Essenfreibetrages nicht zwangsläufig einen Nutzen ziehen. Im zweiten Fall gehört der Arbeitgeberzuschuß grundsätzlich zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Zuschüsse bis zu 1,50 DM bleiben jedoch — analog zu dem vorerwähnten Essenfreibetrag — steuerfrei. Einen Vorteil aus einer Erhöhung des steuerfreien Höchstbetrags hätten also nur diejenigen Arbeitnehmer, die tatsächlich höhere Zuschüsse als 1,50 DM täglich erhalten. Das ist — soweit bekannt — nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Die Bundesregierung hält deshalb eine Anhebung des Essenfreibetrags und des steuerfreien Höchstbetrags für Essenzuschüsse nicht für erforderlich. Eine solche Anhebung wäre auch rechtlich bedenklich. Der Betrag von 1,50 DM ist als steuerfreie Annehmlichkeit zu werten. Annehmlichkeiten können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als solche aber nur anerkannt werden, wenn sie sich in mäßigem Rahmen halten. Ob diese Voraussetzung bei höheren Beträgen als 1,50 DM noch erfüllt wäre, muß bezweifelt werden. Eine Anhebung würde zudem nur die Arbeitnehmer begünstigen, die tatsächlich unentgeltliche oder verbilligte Kantinenmahlzeiten oder Essenzuschüsse erhalten. Das ist in weiten Bereichen der Wirtschaft noch nicht der Fall. Schließlich sind auch die haushaltsmäßigen Auswirkungen zu bedenken. So würde eine Anhebung des Essenfreibetrags für unentgeltliche oder verbilligte Mahlzeiten im Betrieb bzw. des steuerfreien Höchstbetrages für Essenzuschüsse von derzeit 1,50 DM pro Person/ Arbeitstag auf die amtlichen Sachbezugswerte von 2,20 DM, 2,50 DM oder 2,80 DM zu folgenden Steuerausfällen führen: — Erhöhung von 1,50 DM auf 2,20 DM rd. 200 Millionen DM — Erhöhung von 1,50 DM auf 2,50 DM rd. 300 Millionen DM — Erhöhung von 1,50 DM auf 2,80 DM rd. 400 Millionen DM Zu der Frage, wie hoch die Verwaltungskosten sind, die diesen Steuerausfällen gegenüberstehen, lassen sich keine Angaben machen; die Verwaltungskosten dürften jedoch geringfügig sein. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Braun (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 38 und 39): Kann die Bundesregierung Pressemeldungen bestätigen, nach denen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 1. Januar 1978 ca. 4 000 Bewohner privater Alten- und Pflegeheime zu Sozialhilfeempfängern geworden sind, und verfügt sie gegebenenfalls über Erkenntnisse darüber, welche Mehrausgaben dadurch den Gemeinden/ Gemeindeverbänden entstehen? Aus welchen Gründen werden bei privaten Alten- und Pflegeheimen sowie bei Arzneimitteln 12 v. H. Mehrwertsteuer erhoben, hingegen z. B. pornographische Literatur nur mit 6 v. H. belastet wird? Zu Frage A 38: Die privaten Altenheime sind von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie mindestens zu zwei Dritteln wirtschaftlich bedürftige Personen aufnehmen. Die Bundesregierung hat in dem Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes, der zur Zeit dem Bundesrat vorliegt, vorgeschlagen, die Steuerbefreiung zu erweitern. Pflegebedürftige alte Menschen sollen zusätzlich zu den wirtschaftlich Bedürftigen in die Zweidrittelregelung des § 4 Nr. 16 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes einbezogen werden. Außerdem ist in Aussicht genommen, die Grenze für die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit durch eine Anhebung der Vervielfacher in § 53 Nr. 2 der Abgabenordnung auszudehnen. Wenn die Vorschläge der Bundesregierung verwirklicht werden, dürfte es in der Regel nicht zu einer umsatzsteuerlichen Belastung der privaten Altenheime kommen. Durch eine Übergangsregelung soll außerdem sichergestellt werden, daß nach Möglichkeit auch für die Zeit bis zur Verwirklichung der vorgesehenen Gesetzesänderungen von den privaten Altenheimen keine Umsatzsteuer erhoben wird. Die Bundesregierung kann daher Pressemeldungen, nach denen durch die Erhöhung der Umsatzsteuersätze ab 1. Januar 1978 Bewohner privater Altenheime zu Sozialhilfeempfängern werden, nicht bestätigen. 6602* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Zu Frage A 39: Die privaten Alten- und Altenpflegeheime sind, wie ich schon in meiner Vorbemerkung ausgeführt habe, mit ihren Leistungen weitgehend von der Umsatzsteuer befreit. Nur in wenigen Fällen in denen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht erfüllt werden, ist Umsatzsteuer nach dem allgemeinen Steuersatz von 12 v. H. zu entrichten. Im übrigen trifft es nicht zu, daß sog. pornographische Literatur generell nur mit 6 v. H. Umsatzsteuer belastet ist. Von der Steuerermäßigung für die Umsätze von Druckerzeugnissen sind ausdrücklich die Erzeugnisse ausgenommen, die auf Grund des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in der Fassung vom 29. April 1961 in eine Liste aufgenommen sind. Zu den nicht begünstigten Erzeugnissen gehören insbesondere pornographische Druckerzeugnisse. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 40) : Trifft es zu, daß innerhalb der Bundesregierung Überlegungen im Gange sind, das sogenannte Bauherren-Modell steuerlich neu und bundeseinheitlich zu regeln, und welche konkreten Absichten verfolgt sie dabei? Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlaß, die ertragsteuerliche Behandlung sogenannter Bauherren-Modelle neu und bundeseinheitlich zu regeln. In den einzelnen Bundesländern hat eine Reihe von Oberfinanzdirektionen an ihre Finanzämter Verfügungen zur Anerkennung der Bauherreneigenschaft sowie von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung auf Grund der Errichtung von Eigentumswohnungen herausgegeben. Die Grundsätze zur Abgrenzung von Herstellungs- und Werbungskosten bei der Errichtung von Eigentumswohnungen sind jedoch nicht in allen Fällen einheitlich. Im Interesse einer gleichmäßigen steuerlichen Behandlung sollen auf der Ebene- der Oberfinanzdirektionen einheitliche Grundsätze erarbeitet werden. Das Ergebnis dieser Arbeiten liegt noch nicht vor. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache 8/1689 Fragen A 41 und 42) : In welchen Bundesländern sind die Pannenhilfsfahrzeuge der Automobilclubs von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, und sieht die Bundesregierung Bedenken dagegen, die Pannenhilfsfahrzeuge der Automobilclubs allgemein von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien? Ist der Bundesregierung bekannt, daß Finanzämter endgültige Steuerbescheide an unterhaltsverpflichtete Elternteile herausschicken auf einer Rechtsgrundlage, die das Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar festgestellt hat, so daß die Steuerpflichtigen förmlich Einspruch einlegen müssen, um ihre Rechtsansprüche zu sichern, und ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, sich bei den Länderfinanzverwaltungen dafür einzusetzen, daß Steuerbescheide an unterhaltsverpflichtete Elternteile bezüglich der vom Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Gesetzesbestimmungen nur als vorläufig herausgehen, um zu verhindern, daß Steuerpflichtige, die sich auf die Wirksamkeit des Bundesverfassungsgerichtsurteils verlassen und daher keinen Einspruch einlegen, keinen Schaden erleiden? Zu Frage A 41: Die Straßenwachtfahrzeuge des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs, die in München zugelassen sind, und die entsprechenden in Frankfurt/Main zugelassenen Fahrzeuge des Automobilclubs von Deutschland sind gegenwärtig auf Grund von Verwaltungsanordnungen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und des Hessischen Ministers der Finanzen aus Billigkeitsgründen von der Erhebung der Steuer ausgenommen. In Baden-Württemberg wird bei den Pannenhilfsfahrzeugen des Auto-Clubs Europa, Stuttgart, entsprechend verfahren. Der Bundesrat hat im ersten Durchgang des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (BR-Drucksache 36/78 — Beschluß) am 17. Februar 1978 die Bundesregierung um Prüfung gebeten, ob diese Fahrzeuge, die ausschließlich der Pannenhilfe dienen, gesetzlich von der Kraftfahrzeugsteuer freigestellt werden können. In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates hat sich die Bundesregierung gegen eine Freistellung ausgesprochen: Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrates, daß die Pannenhilfsfahrzeuge durch ihre Hilfe in Not- und Unglücksfällen in nicht unerheblicher Weise der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs dienen. Die Pannenhilfe fällt jedoch nicht unter die Befreiungsvorschriften des § 2 Nr. 4 KraftStG, die für Fahrzeuge zur ausschließlichen Verwendung in bestimmten Bereichen der Notfallhilfe und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit geschaffen wurden. Es ist deshalb bereits seit längerem mit den Finanzministern (-senatoren) der Länder geprüft worden, ob eine zusätzliche Befreiungsvorschrift für Straßenwachtfahrzeuge (Pannenhilfsfahrzeuge) der Automobilclubs in Betracht kommt. Hierbei hat sich die Mehrheit der Länder wiederholt gegen eine solche Ausweitung der Befreiungsvorschriften ausgesprochen, weil in diesem Fall neben erheblichen Abgrenzungschwierigkeiten im besonderen Maße die Gefahr weitgehender Berufungen eintreten würde. Die gewünschte Steuerbefreiung müßte zur Abgrenzung gegenüber konkurrierenden gewerblichen Dienstleistungen (z. B. Abschlepp- und Reparaturdienste) von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. In Betracht kämen z. B. die Unentgeltlichkeit der Hilfe, ihre Beschränkung auf Notfälle, die Hilfe für jedermann und die Gemeinnützigkeit des Trägers des Hilfsdienstes. Die Automobilclubs werden jedoch in erster Linie für ihre Mitglieder auf Grund der von diesen gezahlten Mitgliedsbeiträgen tätig. Eine Abgrenzung müßte auch gegenüber den vielfach auf regionaler Ebene entstandenen Hilfsclubs, die schon jetzt über zahlreiche Pannenhilfsfahrzeuge verfügen und in der Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6603* Regel nur gegen Entgelt tätig werden, vorgenommen werden. Dies würde eine zusätzliche Überwachung erfordern. Darüber hinaus könnte die gewünschte Befreiung auch Auswirkungen haben für den umfangreichen Bereich der karitativen und anderen sozialen Dienste sowie der sonstigen gemeinnützigen Organisationen und Insitutionen, denen die Pannenhilfsdienste vorrangig vergleichbar sind. Die Bundesregierung hält aus all diesen Gründen an ihrer Auffassung fest, daß die Pannenhilfsfahrzeuge der Automobilclubs nicht von der Kraftfahrzeugsteuer freigestellt werden sollten. Zu Frage A 42: Der Bundesregierung ist bekannt, daß Finanzämter in einigen Fällen endgültige Steuerbescheide an unterhaltsverpflichtete, hinsichtlich der steuerlichen Kinderadditive nicht zuordnungsberechtigte Elternteile erlassen haben, obwohl aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1977 eine gesetzliche Neuregelung erforderlich ist. Nach der vorgesehenen Regelung haben bei nach dem 8. Juni 1977 bestandskräftig gewordenen Steuerbescheiden auch diejenigen Steuerpflichtigen, die auf einen Einspruch oder auf einen Antrag zu einer Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt verzichten, die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von sechs Monaten einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach Maßgabe der neuen Vorschriften zu stellen. Auf diese Möglichkeit weist das Finanzamt künftig durch einen in den Steuerbescheid zu übernehmenden standardisierten Erläuterungstext in den Fällen hin, in denen Änderungen wegen der anders zu verteilenden Kinderadditive erkennbar in Betracht kommen. Deshalb werden dem betroffenen Personenkreis keine Nachteile erwachsen. Selbstverständlich können die Steuerpflichtigen auch gegen die Steuerbescheide Einspruch einlegen. Die Einsprüche können aber erst bearbeitet werden, wenn das zu erwartende Gesetz in Kraft getreten ist. Unabhängig hiervon können die Steuerpflichtigen auch einen Antrag auf Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt stellen. Die Finanzverwaltung wird diesen Anträgen stattgeben. Jedoch wird bei einer solchen Steuerfestsetzung ein weiterer Antrag auf Anwendung des neuen Gesetzes nicht überflüssig. Die vorstehende Regelung ist mit den Finanzministern (-senatoren) der Länder abgestimmt. Diese werden entsprechende Anweisungen an die ihnen unterstellten Dienststellen herausgeben. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 43): Wie entwickelt sich die Ertragslage der Deutschen Bundes- bank angesichts der umfangreichen Dollarkäufe zur Kurspflege des Dollar, und kommen in Verbindung damit Haushaltsrisiken auf den Bund zu? 1. Bei den Auswirkungen der Dollarkäufe auf die Ertragslage der Deutschen Bundesbank sind positive und negative Effekte zu unterscheiden, wobei der positive Effekt mit Sicherheit eintritt, während der negative Effekt ungewiß ist und von der Kursentwicklung des US-Dollars abhängt: Die positive Ertragswirkung besteht darin, daß die erworbenen Dollar sofort in US-Staatspapieren angelegt werden, die z. Z. mindestens 6,5 % Zinsen jährlich bringen. Hierdurch wird ein etwaiger Aufwertungsverlust tendenziell kompensiert. Andererseits erhöht sich mit einer Erhöhung der Devisenbestände auch der potentielle Umfang von Aufwertungsverlusten. Ob die Aufwertungsverluste tatsächlich eintreten, wird jedoch ausschließlich durch den zum Bilanzstichtag am 31. 12. 1978 geltenden Kurs bestimmt. Daher sind sichere Aussagen über die Ertragslage der Bundesbank vor diesem Zeitpunkt nicht möglich. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Dollarkäufe der Bundesbank nicht „zur Kurspflege des Dollars" erfolgt sind — wie der Fragesteller behauptet —, sondern in Erfüllung internationaler Verpflichtungen (Vereinbarung von Rambouillet, IWF-Abkommen) vorgenommen worden sind, um hektische Kursausschläge zu glätten und chaotische Zustände am Devisenmarkt zu vermeiden. 2. Ein Haushaltsrisiko für den Bund ist auch bei ungünstiger Entwicklung des US-Dollar-Kurses nicht zu befürchten, da nach dem Bundesbankgesetz eine Nachschußpflicht für den Bundeshaushalt bei Verlusten der Bundesbank nicht besteht. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kuhlwein (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 44): Trifft es zu, daß sich das Land Schleswig-Holstein bei der Bundesregierung um eine Neuschneidung des Zonenrandgebiets in Schleswig-Holstein (Verteilung der Mittel statt auf acht Kreise nur auf die grenznahen Gebiete) bemüht hat, und wie hat die Bundesregierung gegebenenfalls darauf reagiert? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die Landesregierung von Schleswig-Holstein eine Neufestlegung des Zonenrandgebiets in Schleswig-Holstein anstrebt. Die Bundesregierung würde die Frage einer Neufestlegung des Zonenrandgebietes in Schleswig-Holstein sorgfältig prüfen, falls das Land eine entsprechende Forderung erheben sollte. Da die gegenwärtige Abgrenzung des Zonenrandgebietes Bestandteil des Zonenrandförderungsgesetzes vom 5. August 1971 ist, würde eine Neuabgrenzung des Zonenrandgebietes in Schleswig-Holstein eine Gesetzesänderung erforderlich machen, die vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates zu beschließen wäre. 6604* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jens (Voerde) (SPD) (Drucksache 8/1689 Fragen A 45 und 46) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Wissenschaftlern, daß die Preise für Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu vergleichbaren Industriestaaten überdurchschnittlich hoch sind, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Hält die Bundesregierung es für möglich, durch eine Änderung des Patentschutzgesetzes den Wettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt zu beleben, um so im Interesse der Verbraucher die Arzneimittelpreise zu senken? Zu Frage A 45: Die Bundesregierung hat bereits anläßlich mündlicher Anfragen der Herren Abgeordneten Egert, Sund und Glombig (SPD) in der Fragestunde am 23. Oktober 1975 und des Herrn Dr. Schöfberger (SPD) in der Fragestunde am 21. Januar 1976 auf die Problematik internationaler Preisvergleiche hingewiesen. Eine Vielzahl von Komponenten sind dabei zu berücksichtigen; ohne sie im einzelnen aufzuzählen möchte ich hier noch einmal auf folgendes aufmerksam machen: — Es ist schwierig, identische Arzneimittel zu finden, die zudem für den jeweiligen Indikationsbereich in den zu untersuchenden Ländern gleichermaßen repräsentativ sind. — Die Produktionskosten und Kaufkraft in den einzelnen Ländern differieren. — Die Staaten nehmen auf die Preisbildung mehr oder weniger starken Einfluß. — Die Preisunterschiede werden maßgeblich u. U. kurzfristig durch Schwankungen der Wechselkurse beeinflußt. — Der Zugang zum Markt in den einzelnen Ländern wird durch zahlreiche unterschiedliche nationale gesundheitspolitische und sonstige Maßnahmen erschwert und damit der Wettbewerb in diesen Ländern und über ihre Grenzen hinaus erheblich eingeschränkt bis weitgehend ausgeschaltet. Die Einfuhr von Arzneimitteln in die Bundesrepublik Deutschland ist voll liberalisiert. Sie unterliegt allerdings denselben Sicherheitsvorschriften, die für die Produktion inländischer Arzneimittel z. B. in der Form der Zulassung und Registrierung beim Bundesgesundheitsamt in Berlin gelten. Die Bundesregierung ist darüber hinaus bei zahlreichen Gelegenheiten dafür eingetreten, daß generell wettbewerbshemmende Maßnahmen beseitigt werden. Dabei ist sie auch bemüht, daß die Harmonisierung der gesundheitspolitisch notwendigen Maßnahmen im EG-Bereich vorangetrieben wird, um darauf zurückzuführende Verzerrungen insbesondere auch preislicher Art auszuschließen. Zu Frage A 46: Nach Auffassung der Bundesregierung ist der patentrechtliche Schutz von Arzneimitteln in der Bundesrepublik Deutschland nicht Ursache für ein etwaiges erhöhtes Preisniveau im Verhältnis zu vergleichbaren anderen Industriestaaten. In der Regel kann davon ausgegangen werden, daß die betreffenden Arzneimittel, sofern sie einen ins Gewicht fallenden Anteil am Arzneimittelumsatz haben sollten, auch in den vergleichbaren westlichen Industriestaaten Patentschutz genießen. Die Bundesregierung hält es daher für ausgeschlossen, durch eine Änderung des Patentgesetzes eine Kostensenkung auf dem Arzneimittelmarkt herbeiführen zu können. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Hürland (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 47 und 48): Ist es richtig, daß die Ruhrkohle AG in Verhandlungen über Subventionen zu einer Überbrückungshilfe steht und daß im Rahmen dieser Verhandlungen ein Papier vorgelegt wurde, in dem mehrere Schachtanlagen, u. a. auch Fürst Leopold Wulfen in Dorsten, als Auslaufanlagen benannt werden für den Fall, daß nach Meinung der Ruhrkohle AG eine unzureichende Überbrückungshilfe seitens der Bundesregierung gewährt wird, und wenn ja, wie ernst schätzt die Bundesregierung diese Ankündigung ein, und welche Folgerungen zieht sie daraus? In welcher Höhe hat die Bundesregierung Subventionen für den Ruhrbergbau insgesamt und für welchen Zeitraum geplant, und sind diese mit Auflagen verbunden, und wenn ja, welcher Art sind diese Auflagen? Zu Frage A 47: Wie in der Zweiten Fortschreibung des Energieprogramms angekündigt, erörtert die Bundesregierung gegenwärtig mit den Beteiligten, in welcher Weise die eigenen Anstrengungen des Bergbaus zur Überwindung der konjunkturell und strukturell bedingten Absatzschwierigkeiten und die damit verbundenen Belastungen erleichtert werden können. Diskussionsgrundslage sind mittelfristige Unternehmensrechnungen der einzelnen Bergbaugesellschaften zur Produktions-, Absatz- und Ertragslage, in denen sowohl die eigenen Anstrengungen als auch die von den Unternehmen erwarteten finanziellen Belastungen dargelegt wurden. In den Verhandlungen ist von der Ruhrkohle AG kein Papier vorgelegt worden, in dem Schachtanlagen als Auslaufanlagen benannt wurden. Da eine Entscheidung über den Umfang und die Art der Hilfe noch nicht getroffen wurde, sind Äußerungen der Unternehmen über eine eventuell für sie unzureichende Hilfe verfrüht. Eine Entscheidung der Bundesregierung hierüber ist spätestens im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Nachtragshaushalts 1978 Anfang Mai zu erwarten. Zu Frage A 48: In der mittelfristigen Finanzplanung für den Zeitraum 1979-1981 sind im Haushaltsplan des BMWi (Kapitel 0902) für den deutschen Steinkohlenbergbau Subventionen in Höhe von durchschnittlich rd. 780 Millionen DM pro Jahr vorgesehen. Diese Aufwendungen beinhalten insbesondere Absatz- und Strukturhilfen, aber auch Anpassungs- und Sozialhilfen. Die mit den verschiedenen Subventionstiteln verbundenen Auflagen sind dem Bundeshaushaltsplan 1977, Einzelplan 09 für den Geschäftsbereich des BMWi zu entnehmen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6605* Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 51) : Hält die Bundesregierung die im Milchgesetz vom 31. Juli 1930 vorgeschriebene Erlaubnis zur Abgabe von Milch noch heute für erforderlich, und wenn ja, aus welchen Gründen — auch dann, wenn es sich um Unternehmen des Lebensmittelhandels handelt, die lediglich abgepackte Milch in Kühltruhen anbieten? Die Bundesregierung hält es für erforderlich, daß das Betreiben eines Unternehmens zur Abgabe von Konsummilch grundsätzlich eine Erlaubnis der zuständigen Behörde voraussetzt. Milch stellt einen besonders günstigen Nährboden für Mikroorganismen dar; sie ist leicht verderblich. Zum Schutz des Verbrauchers muß sichergestellt sein, daß im Umgang mit Milch eine besondere Sorgfalt aufgewendet wird. Die Erlaubnispflicht ist im Hinblick auf die sie begründenden Kriterien beschränkt auf die Abgabe von Konsummilch, die keiner oder einer nur wenig intensiven Wärmebehandlung, nämlich der Pasteurisierung, unterzogen wird, so daß bei nicht sachgerechter Behandlung ein vorzeitiger Verderb der Milch eintreten kann. Dagegen ist die Abgabe von Konsummilch, die durch Ultrahocherhitzung oder Sterilisierung keimfrei gemacht ist, erlaubnisfrei. Über diese Differenzierung hinaus erscheint es der Bundesregierung nicht vertretbar, Ausnahmen von dem Erlaubnisvorbehalt, etwa bei der Abgabe von abgepackter Milch aus Kühltruhen, vorzunehmen. Denn im Unterschied zu der Art der vorgenommenen Wärmebehandlung kommt der Abgabeform hinsichtlich der Erlaubnispflicht keine entscheidende Bedeutung zu. Die Verpackung allein schützt die Erzeugnisse nicht von schädlichen Einflüssen, wie insbesondere Temperatur-, Witterungs- und Lichteinwirkung. Vielmehr verlangen auch die vorverpackten Erzeugnisse eine sachgemäße und sorgfältige Behandlung, zumal die Verpackungen Beschädigungen aufweisen können. Allerdings ist hinsichtlich der Sachkunde, die von dem für den Betrieb Verantwortlichen zu verlangen ist, zu berücksichtigen, daß die Anforderungen geringer sein können, wenn nur abgepackte Erzeugnisse vertrieben werden. Dementsprechend sieht § 4 Nr. 4 der Milch-Sachkunde-Verordnung vom 22. Dezember 1972 (BGBl. I S. 2555) vor, daß zu differenzieren ist. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Höpfinger (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 52 und 53): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der Unruhe entgegenzuwirken, die durch das Inkrafttreten des § 371 RVO neuer Fassung am 1. Januar 1978 bei vielen Krankenhausträgern und Ärzten entstanden ist, und trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, den § 371 RVO in absehbarer Zeit neuerdings zu ändern? Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die gesetzlichen Krankenkassen und deren Aufsichtsbehörden in den Ländern beim Vollzug des § 371 RVO neuer Fassung vor erhebliche rechtliche und politische Schwierigkeiten gestellt sind, und wenn ja, wie will sie dieser Auffassung Rechnung tragen? Der Bundesregierung sind die Auslegungsschwierigkeiten bei der geltenden Fassung des § 371 RVO bekannt. Sie weist darauf hin, daß diese Fassung erst bei der Beratung des KrankenversicherungsKostendämpfungsgesetzes auf Grund der Anrufung durch den Bundesrat im Vermittlungsausschuß gefunden wurde. Insbesondere ist problematisch, wie bei den Krankenhäusern zu verfahren ist, deren Bereiterklärung nach § 371 Abs. 2 von seiten der Krankenkassen abgelehnt wird. Probleme ergeben sich insbesondere auch wegen der Überkapazitäten bei den bereits in den Bedarfsplänen aufgenommenen Krankenhäusern. Da diese Schwierigkeiten bereits vor dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 1978 absehbar waren, hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Herbst vorigen Jahres Abstimmungsgespräche im Bund-Länder-Ausschuß für Krankenhausfragen nach § 7 Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkassen unter Beiziehung des Bundesversicherungsamts aufgenommen. Als Ergebnis dieser Abstimmungsgespräche wurde allen Beteiligten am 14. Dezember 1977 eine Empfehlung zu Fragen des Verfahrens und zu einer Übergangsregelung übersandt, die insbesondere auch die Billigung der Deutschen Krankenhausgesellschaft gefunden hat. Angesichts der ausführlichen Diskussion um die neugefaßte Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren zur Krankenversicherungs-Kostendämpfung und noch sehr kurzen Erfahrungen mit der Vorschrift sieht die Bundesregierung derzeit nicht vor, den gesetzgebenden. Körperschaften eine erneute Novellierung vorzuschlagen. Anregungen in dieser Richtung hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bisher auch weder von seiten der von Ihnen angesprochenen Krankenkassen noch von den für Krankenhausfragen oder für die Aufsicht über die Sozialversicherung zuständigen Landesministern erhalten. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Simpfendörfer (SPD) (Drucksache 8/1689 Fragen A 54 und 55) : Teilt die Bundesregierung die im Gutachten „Überlegungen zur Fortentwicklung der Agrarsozialen Sicherung" der Agrarsozialen Gesellschaft begründete Auffassung, daß die derzeitige Beitragserhebung für die landwirtschaftliche Krankenversicherung und die Altershilfe dazu führt, daß die meist im Süden liegenden kleineren Betriebe mit geringerem Einkommen wesentlich stärker belastet werden als die meist in Norddeutschland liegenden größeren Betriebe, und hält die Bundesregierung deshalb die Beitragserhebung im Sinne eines größeren Solidarausgleichs für änderungsbedürftig? 6606* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Wie beurteilt die Bundesregierung den im Gutachten entwikkelten Vorschlag, das Standardbetriebseinkommen als einheitliche Bemessungsgrundlage für alle drei Zweige der agrarsozialen Sicherung zugrunde zu legen und welche Folgerungen wird sie aus ihrem Urteil ziehen? Ich gehe davon aus, daß Sie mit dem in Ihren Fragen genannten Gutachten die Untersuchung der Agrarsozialen Gesellschaft über „Ergänzende Formen der sozialen Sicherung landwirtschaftlicher Familien und die Belastung der Betriebe mit Sozialabgaben" meinen. Diese Untersuchung ist erst Anfang März 1978 veröffentlicht worden. Es handelt sich um eine umfangreiche Arbeit, deren Ergebnisse noch geprüft werden müssen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, daß die Untersuchung sich nur auf das Jahr 1976 erstreckt. Bevor Schlußfolgerungen gezogen werden können, müssen auch die Bundesverbände der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger und der Deutsche Bauernverband gehört werden. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß aus diesen Gründen eine Beurteilung der in der Untersuchung entwickelten Vorschläge noch nicht möglich ist. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 58) : Macht sich die Bundesregierung die Auffassung des Bundeswirtschaftsministers Graf Lambsdorff zur Frage der Aussperrung zu eigen, wie er sie in einem Gespräch mit dem „Handelsblatt am 29. März 1978 geführt hat, und ist sie demnach der Auffassung, daß die praktizierte Aussperrung durch die Arbeitgeber mit der Verfassung im Einklang steht? Das Recht des Arbeitskampfes ist nicht gesetzlich geregelt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob die Aussperrung verfassungsrechtlich gewährleistet ist — d. h., ob der Gesetzgeber die Aussperrung verbieten oder wesentlich beschränken darf —, in einer Entscheidung aus dem Jahre 1975 ausdrücklich offengelassen. Das Gericht ist in dieser Entscheidung davon ausgegangen, daß die Aussperrung derzeit zulässig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat allgemeine Rechtsregeln für den Arbeitskampf, d. h. für Streik und Aussperrung, entwickelt. Es hält die Aussperrung für eine zulässige Arbeitskampfmaßnahme. Das oberste Gebot unter den Rechtsregeln ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus diesem Gebot werden weitere Einzelgrundsätze hergeleitet, wie z. B., daß der Arbeitskampf nur das letzte mögliche Mittel sein und nicht auf die Vernichtung des sozialen Gegenspielers abzielen dürfe. Die Praxis des Arbeitslebens richtet sich seit langem nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtsgrundsätzen. In dem von Ihnen erwähnten Gespräch mit dem Handelsblatt hat der Bundeswirtschaftsminister zur Zulässigkeit der Aussperrung nach geltendem Recht lediglich erklärt — ich zitiere: „Die Abwehraussperrung sei durch eine höchstrichterliche Entscheidung klar und eindeutig erlaubt gegen Schwerpunktstreiks unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit." Diese Auffassung stimmt mit der von mir dargelegten Rechtslage überein. Soweit weiter danach gefragt wird, ob die durch die Arbeitgeber in Baden-Württemberg' praktizierte Aussperrung mit der Verfassung in Einklang stehe, möchte ich bemerken, daß es nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, konkrete Arbeitskampfmaßnahmen im Einzelfall rechtlich zu beurteilen. Dies ist — zumal bereits entsprechende Klagen bei den Arbeitsgerichten anhängig sind — Sache der Gerichte. Anlage 18 Antwort des Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 59): Ist die Bundesregierung bereit, sich gegebenenfalls einer Initiative zur Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in der Frage der Aussperrung anzuschließen? Nach der derzeitigen Sachlage besteht für die Bundesregierung kein Anlaß, darüber zu befinden, ob sie einem eventuellen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der Aussperrung beitreten oder sich in einem solchen Verfahren äußern würde. Wegen Aussperrungen der jüngsten Zeit ist zwar gegenwärtig eine größere Anzahl von Klagen von Arbeitnehmern vor den zuständigen Gerichten für Arbeitssachen anhängig gemacht worden. Es läßt sich jedoch nicht absehen, ob sich im Zuge der gerichtlichen Entscheidungen auch das Bundesverfassungsgericht mit der Aussperrungsfrage befassen wird. Die Bundesregierung wird die Frage eines eventuellen Beitritts oder einer Äußerung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren prüfen, wenn und soweit sich ihr diese Frage stellt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Berger (Berlin) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 61): Trifft es zu, daß in den einzelnen Bundesländern in vermehrtem Umfang dazu übergegangen wird, ausländische Krankenschwestern, insbesondere aus Südkorea, Indonesien, Indien und Thailand zu kündigen, um damit den Prozeß der Rückführung in ihre Heimatländer einzuleiten, und welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung gegebenenfalls, sich für das Verbleiben der Krankenschwestern einzusetzen, nachdem vor Jahren mit nicht unerheblichen Mitteln und Versprechen eines möglichen Verbleibens in der Bundesrepublik Deutschland diese Kräfte angeworben worden sind? Ob und inwieweit Krankenpflegeanstalten in den einzelnen Bundesländern in letzter Zeit dazu übergegangen sind, die mit außereuropäischen Krankenpflegekräften geschlossenen Arbeitsverträge zu kündigen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6607* Auch durch Rückfrage beim Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit konnten keine Informationen hierüber gewonnen werden. Die Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit zur Anwerbung außereuropäischen Krankenpflegepersonals ist seinerzeit von dem Abschluß eines auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrags abhängig gemacht worden. Wenn den außereuropäischen Krankenschwestern von den anwerbenden Stellen bei der Anwerbung Versprechungen über einen möglichen längeren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland gemacht worden sind, ist dies ohne Wissen und Billigung der Bundesregierung geschehen. Allerdings ist im Jahre 1969 aufgrund interministerieller Beratungen Einvernehmen darüber erzielt worden, daß der auf drei Jahre befristete Arbeitsaufenthalt außereuropäischer Krankenschwestern über diese Zeit hinaus verlängert werden kann, wenn Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes dies zulassen. Von dieser Möglichkeit haben viele außereuropäische Krankenpflegekräfte Gebrauch gemacht. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 62) : Teilt die Bundesregierung . den Standpunkt von Bundesminister Graf Lambsdorff, daß die Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfs gerechtfertigt sei, d. h. unserer staatlichen Rechtsordnung entspreche, und ist die Bundesregierung bereit, den Bundeswirtschaftsminister gegen die massive Kritik seitens des DGB und der SPD-Führungsspitze in Schutz zu nehmen? Das Recht des Arbeitskampfes ist nicht gesetzlich geregelt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob die Aussperrung verfassungsrechtlich gewährleistet ist — d. h., ob der Gesetzgeber die Aussperrung verbieten oder wesentlich beschränken darf —, in einer Entscheidung aus dem Jahr 1975 ausdrücklich offengelassen. Das Gericht ist in dieser Entscheidung davon ausgegangen, daß die Aussperrung derzeit zulässig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat allgemeine Rechtsregeln für den Arbeitskampf, d. h. für Streik und Aussperrung, entwickelt. Es hält die Aussperrung für eine zulässige Arbeitskampfmaßnahme. Das oberste Gebot unter den Rechtsregeln ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus diesem Gebot werden weitere Einzelgrundsätze hergeleitet, wie z. B., daß der Arbeitskampf nur das letzte mögliche Mittel sein und nicht auf die Vernichtung des sozialen Gegenspielers abzielen dürfe. Die Praxis des Arbeitsleben richtet sich seit langem nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtsgrundsätzen. In dem von Ihnen erwähnten Gespräch mit dem Handelsblatt hat der Bundeswirtschaftsminister zur Zulässigkeit der Aussperrung nach geltendem Recht lediglich erklärt — ich zitiere: „Die Abwehraussperrung sei durch eine höchstrichterliche Entscheidung klar und eindeutig erlaubt gegen Schwerpunktstreiks unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit." Diese Auffassung stimmt mit der von mir dargelegten Rechtslage überein. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündlichen Fragen des Augeordneten Gerster (Mainz) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 63 und 64) : Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß die Mitwirkung von Jugendlichen in kulturellen Vereinigungen wie Musikzügen, Chören und Trachtengruppen dann als arbeitnehmerähnliche Leistung angesehen wird, wenn eine derartige Gruppe im Rahmen freundsdiaftlicher Beziehungen bei einem anderen Verein unentgeltlich auftritt, mit der Folge, daß nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz Jugendliche nur dann mitwirken dürfen, wenn ihr Verein eine Ausnahmegenehmigung bei einer Gebühr von ca. 140 DM erhalten hat oder wenn die Wochenarbeitszeit dieser Jugendlichen einschließlich derartiger Veranstaltungen weder 40 Stunden noch die Fünftagewoche überschreitet? Ist die Bundesregierung bereit, unverzüglich eine Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes in der Richtung zu betreiben, daß eine freiwillig gewählte Hobby- und Freizeitbeschäftigung in einem kulturellen und sportlichen Verein wenigstens dann ohne derartige Beschränkungen möglich wird, wenn ein Verein oder eine Gruppe unentgeltlich und im Rahmen freundschaftlicher Beziehungen auftritt? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, das Jugendarbeitsschutzgesetz zu ändern. Sie ist der Auffassung, daß das Jugendarbeitsschutzgesetz die Hobby- und Freizeitbeschäftigung Jugendlicher in kulturellen und sportlichen Vereinen nicht beschränkt, auch nicht gelegentliche Auftritte dieser Jugendlichen im Rahmen freundschaftlicher Beziehungen bei anderen Vereinen. Das Jugendarbeitsschutzgesetz greift jedoch dann ein, wenn die Betätigung der Jugendlichen darüber hinausgeht, insbesondere wenn sie häufig an öffentlichen Veranstaltungen mitwirken, sie hierzu ähnlich wie Arbeitnehmer verpflichtet werden und mit ihrer Mitwirkung Gewinn erzielt werden soll. Dann handelt es sich in Wirklichkeit nicht um Freizeitbeschäftigung, sondern um Arbeits- oder Dienstleistungen. In diesen Fällen muß die Mitwirkung der Jugendlichen zusammen mit einer evtl. anderen Arbeit aus Gründen des Gesundheitsschutzes weiterhin auf 40 Stunden und fünf Tage in der Woche beschränkt werden. Außerdem muß ihre Beschäftigung nach 20 Uhr an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden bleiben. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf -die Mündliche Frage des Abgeordneten Schmöle (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 65) : Welche militärische Bedeutung mißt die Bundesregierung den sogenannten „Kampfgruppen der Arbeiterklasse" in der DDR bei? Die militärische Bedeutung liegt in erster Linie darin, daß die Kampfgruppen im Falle eines bewaff- 6608* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 neten Konflikts die regulären Streitkräfte von Aufgaben der Sicherung und des Objektschutzes auf eigenem Territorium einschließlich der Sicherung von Verbindungswegen entlasten und damit zur Stärkung des Potentials des Warschauer Paktes mittelbar beitragen. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 66 und 67): Wie hoch ist nach Erkenntnissen der Bundesregierung gegenwärtig die Stärke der Kampfgruppen in der DDR, und über welche Ausrüstung verfügen sie? Werden bei den Verhandlungen über ausgewogene und gleichzeitige Truppenreduzierung (MBFR) in Wien die Kampfgruppen der DDR bei der Feststellung der militärischen Stärkeverhältnisse mitgezählt? Zu Frage A 66: Nach den Erkenntnissen der Bundesregierung beträgt die Stärke der Kampfgruppen 400 000 Mann. Die Masse der Kampfgruppen sind nach wie vor in erster Linie mit leichten und mittleren Infanteriewaffen ausgerüstet. Ein Teil der KG-Bataillone sind mobil und verfügen über Mörser, Panzerabwehrgeschütze und leichte Flugabwehrgeschütze. Zu Frage A 67: Die Milizen und Kampfgruppen der Arbeiterklasse der DDR sind gegenwärtig nicht Teil der Verhandlungsmasse in Wien. Der Westen hat zur Durchsetzung seiner Ziele vom Beginn der Verhandlungen an gefordert, daß alles militärische Personal des aktiven Dienstes — also Soldaten —, aber auch nur Soldaten in die Verhandlungen einbezogen werden sollen. Von westlicher Seite bestand ein Interesse daran, die Verhandlungen auf den Abbau der Konfrontation der Streitkräfte zu konzentrieren und dabei den Verhandlungsgegenstand deutlich zu begrenzen. Der Westen hat deshalb von Anfang an darauf verzichtet, die Reduzierung von Potentialen wie z. B. auch Grenz- und Sicherheitstruppen des Ostens zu fordern. Eine solche Ausdehnung des Verhandlungsgegenstandes würde eine erhebliche Komplizierung bedeuten. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 68) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Fähigkeit der Kampfgruppen in der DDR, bei militärischer Konfrontation als Flankenschutz militärische Aufgaben zu übernehmen? Ausbildung, Ausrüstung und Platz der Angehörigen der Kamfgruppen im Arbeitsprozeß lassen einen Einsatz der Kampfgruppen zum Flankenschutz für die Streitkräfte als nicht möglich erscheinen. Die Kampfgruppen sind Kräfte, die Objekt- und raumbezogen, weitgehend territorial gebunden, militärische Sicherungs- und Kampfaufträge erfüllen können. Insofern sind die Kampfgruppen allerdings in der Lage, Schutzaufgaben für die kämpfende Truppe im rückwärtigen Gebiet zu übernehmen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Straßmeir (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 69): Besteht durch die betriebsspezifische Ausbildung der Kampfgruppen die theoretische Möglichkeit ihres Einsatzes in vergleichbaren Objekten außerhalb der DDR? Ein Teil der Kampfgruppenangehörigen wäre theoretisch auf Grund der beruflichen wie militärischen Ausbildung in der Lage, in vergleichbaren Institutionen/ Betrieben außerhalb der DDR zu arbeiten und eine Kampfgruppen-Formation zur Sicherung dieser Objekte zu stellen. Die Kampfgruppen sind jedoch fest in den Arbeitsprozeß eingegliedert. Sie dürfen und können nur in Ausnahmefällen aus ihren Betrieben herausgezogen werden, um die Wirtschaft nicht zu gefährden. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 70 und 71): Gibt es Erkenntnisse über die Teilnahme von Kampfgruppen an Manövern der Staaten des Warschauer Pakts? Betrachtet die Bundesregierung die Kampfgruppen als territoriale Verteidigung der DDR? Zu Frage A 70: Die Kampfgruppen werden bei militärischen Übungen der nationalen und sowjetischen Streitkräfte auf dem Territorium der DDR im Rahmen ihres Auftrages — Sicherung von Objekten wie z. B. Betrieben, Brücken, Straßenabschnitten, Verkehrsknotenpunkten usw. — eingesetzt. Zu Frage A 7l: Die Kampfgruppen sind Kräfte, die zur territorialen Verteidigung vorrangig im Bereich des Objektschutzes und der Raumsicherung eingesetzt werden. Neben den Organen des Ministeriums für Staatssicherheit und des Innenministeriums sind sie zugleich ein Instrument zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in der DDR. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6609* Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lintner (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 72 und 73): Wieviel Panzer welchen Typs stehen den Kampfgruppen in der DDR zur Verfügung? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es sich bei den Kampfgruppen um eine Parteiarmee des SED handelt? Zu Frage A 72: Die Kampfgruppen in der DDR sind nicht mit Kampfpanzern ausgerüstet, sie verfügen über keine Kettenfahrzeuge. Zu Frage A 73: Die Kampfgruppen werden in DDR-Veröffentlichungen wie z. B. dem „Militärlexikon" als „. . . bewaffnetes Organ der Arbeiterklasse der DDR in den sozialistischen Betrieben, Genossenschaften, Institutionen und Verwaltung, das von der SED geführt wird . . ." bezeichnet. Sie unterstehen der direkten Kontrolle der SED, in deren Gliederungen entsprechende Kommandostäbe zur Einsatzführung im Rahmen der Territorialverteidigung und inneren Sicherheit verantwortlich sind. Die Armee der SED ist die Nationale Volksarmee. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 74 und 75) : Welche Bedeutung haben die Kampfgruppen nach den Erkenntnissen der Bundesregierung auf Grund ihrer straffen Organisation und ideologischen Schulung für die Stabilisierung des politischen Systems in der DDR? Welche ideologische Schulung erhalten die Mitglieder der Kampfgruppen, und gehört dazu auch die Erziehung zum Haß gegen den „Klassenfeind" in der Bundesrepublik Deutschland? Zu Frage A 74: Neben ihrer Funktion im Rahmen der Landesverteidigung als territorial gebundene Kräfte haben sie gleichzeitig Bedeutung als Stabilisierungsfaktor im Hinblick auf die innere Sicherheitslage. — Die Erfassung von Teilen der Betriebsbelegschaften in den Kampfgruppen gewährleistet eine straffe Kontrolle der Arbeiterschaft durch die Partei. Zugleich bilden die Kampfgruppen ein weiteres Mittel zur unmittelbaren Indoktrinierung der Bevölkerung. — Die Bedeutung der Kampfgruppen für die Stabilisierung des politischen Systems wird deutlich, wenn man bedenkt, daß etwa ein Zehntel der männlichen Berufstätigen in der DDR Angehörige dieser paramilitärischen Organisation sind (8 Millionen Berufstätige, davon ca. 4 Millionen männlich). Zu Frage A 75: Das Militärprogramm der SED sieht die „sozialistische Wehrerziehung" der gesamten Bevölkerung vor. Ihr Hauptziel ist es, die Bereitschaft aller Bürger zu wecken, den Sozialismus unter Einsatz des Lebens militärisch zu verteidigen. Die politisch-ideologische Erziehung und die militärische Ausbildung in den Kampfgruppen ist Teil dieses allgemeinen Programms der sozialistischen Wehrerziehung. Im Mittelpunkt der ideologischen Schulung steht dabei die ideologische Motivierung des Kampf- und Siegerwillens durch Haßerziehung und Feindbildindoktrinierung, vor allem bezogen auf die BUNDESREPUBLIK, sowie eine im Gegensatz dazu unter dem Schlagwort „sozialistische Waffenbrüderschaft" stehende Freundbildvermittlung unter Würdigung der führenden militärischen Rolle der SOWJETUNION. Das Schwergewicht der Polit-Indoktrinierung der Kampfgruppen-Angehörigen liegt in der Politschulung durch SED, FDGB und andere Massenorganisationen, denen die Angehörigen der Kampfgruppen gleichzeitig angehören und die ebenfalls Aufgaben der Wehrerziehung wahrnehmen. Anlage 29 Antwort des Parl. Statssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schmöle (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 76): Welche Privilegien haben die Angehörigen der Kampfgruppen gegenüber anderen Bürgern der DDR z. B. hinsichtlich bevorzugter Ferienplätze, schnellerer Zuteilung von Neubauwohnungen und bei ihrer Alterssicherung? Nach den vorliegenden Erkenntnissen erhalten die Angehörigen der Kampfgruppen bzw. deren Hinterbliebene einen Rentenzuschlag von DM 100,—. Es kann davon ausgegangen werden, daß auch andere Vergünstigungen gewährt werden. Der Rentenzuschlag wurde 1974 eingeführt und ist als Maßnahme zu verstehen, unter Beibehaltung des Prinzips der Freiwilligkeit, den Dienst in den Kampfgruppen attraktiver zu gestalten. Er stellt ein Eingeständnis dar, daß trotz aller Indoktrination im Rahmen der „sozialistischen Wehrerziehung" auf materielle Anreize zur Gewinnung von Angehörigen der Kampfgruppe nicht verzichtet werden kann. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Berger (Lahnstein) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 77): 6610* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, das seit 1965 erfolgreich praktizierte Verfahren der Ausbildung Ungedienter in fünf Wehrübungen zum Reserveoffizier einzustellen, und glaubt die Bundesregierung, auf das Interesse des von diesem Programm angesprochenen Personenkreises zukünftig verzichten zu können? Ziel der Ausbildung von Ungedienten zum Offizier der Reserve des Truppendienstes war es, den Bedarf an Reserveoffizieren der sogenannten „weißen Jahrgänge", das sind die Jahrgänge 1927-1935, zu decken. Für die ungedienten Angehörigen dieser Geburtsjahrgänge wurde deshalb die Möglichkeit geschaffen, in freiwilligen Wehrübungen zum Reserveoffizier ausgebildet zu werden. Später wurde auch Angehörigen jüngerer Geburtsjahrgänge in Einzelfällen diese Ausbildung ermöglicht. Seit 1965 haben etwa 1 600 Ungediente an dieser Ausbildung teilgenommen und 645 von ihnen die Ausbildung mit der Beförderung zum Leutnant der Reserve abgeschlossen. Da der Bedarf an Reserveoffizieren heute durch gediente Wehrpflichtige gedeckt werden kann und die Angehörigen der „weißen Jahrgänge" auf Grund ihres Lebensalters nicht mehr für eine Ausbildung in Betracht kommen, hat das Bundesministerium der Verteidigung die Ausbildung mit Wirkung vom 1. Januar 1978 eingestellt. Alle Bewerber, die bis Ende 1977 ihre Ausbildung zum Offizier der Reverse in Wehrübungen begonnen haben, erhalten jedoch die Gelegenheit, in den nächsten Jahren (bis 1985) die weiteren Wehrübungen bis zur Beförderung zum Leutnant der Reserve abzuleisten. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Voss (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 78): Welche „zwei oder drei Fälle spricht der Bundeskanzler in seinem Interview in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Quick" an, die ihm in jüngster Zeit bekanntgeworden seien, in denen ganz offensichtlich Organe des Staats Gespräche mitgehört haben, die nach dem geltenden Recht nicht hätten mitgehört werden dürfen? Dem vom Deutschen Bundestag in der 8. Wahlperiode nach Art. 44 GG eingesetzten 1. Untersuchungsausschuß sind auf seinen Wunsch vom Bundesministerium der Verteidigung Unterlagen über Abhörmaßnahmen des MAD zugeleitet worden. Die vom Bundeskanzler in seinem Interview genannten Fälle sind in dieser Übersicht enthalten. Sie sind damit Gegenstand des Untersuchungsverfahren. Ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich hier auf konkrete Fälle und Einzelheiten nicht eingehen kann. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Stavenhagen (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 79 und 80) : Wie hat sich die Erosion unterhalb der Rheinstaustufe Iffezheim seit ihrer Inbetriebnahme entwickelt, und hat die Bundesregierung veranlaßt, daß Maßnahmen zur Verhinderung dieser Erosion, wie beispielsweise Geschiebezugabe, ergriffen werden? Wenn Maßnahmen zur Verhinderung der Erosion unterhalb der Rheinstaustufe Iffezheim bisher noch nicht ergriffen wurden, wann gedenkt die Bundesregierung solche Maßnahmen zu ergreifen, und welche Möglichkeiten erscheinen ihr hierbei als besonders geeignet? Unterhalb der Staustufe Iffezheim hat mit Beginn der Stauerrichtung Ende März 1977 die Erosion des Rheins eingesetzt. Aufgrund der neuesten Peilergebnisse vom 13. März 1978 — nach Ablauf des Hochwassers Ende Februar/ Anfang März — hat das gesamte Erosionsvolumen den vorausgeschätzten mittleren Jahreswert bei weitem nicht erreicht. Das Ausmaß der Erosion gibt also keinen Anlaß zur Besorgnis. Im Zuge der Untersuchung für Alternativlösungen zum Bau von Staustufen zur Verhinderung der Erosion ist vorgesehen, im Erosionsbereich unterhalb der Staustufe Iffezheim einen mehrjährigen Naturversuch mit Geschiebezugabe durchzuführen, der in allen Einzelheiten vorbereitet ist. Die französische Regierung hat sich inzwischen mit der Aufnahme der Geschiebezugabeversuche unterhalb der Staustufe Iffezheim einverstanden erklärt. Es ist damit zu rechnen, daß die Vereinbarung mit der französischen Seite über die Geschiebezugaben in den nächsten Tagen unterzeichnet wird. Unmittelbar danach wird mit der Geschiebezugabe begonnen werden. Die bisherigen Untersuchungen des Bundesverkehrsministeriums haben ergeben, daß eine Geschiebezugabe zumindest zur vorübergehenden Verhinderung der Erosion geeignet ist. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Paterna (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage 81) : Wird die Bundesregierung sich in den zuständigen internationalen Gremien dafür einsetzen, daß die Sicherheitsstandards für Tankschiffe erhöht werden? Ja, Herr Kollege. Derzeit werden kurzfristig eine Analyse der Möglichkeiten zur Risikoverminderung in der Tankschiffahrt und Vorstellungen über entsprechende deutsche Initiativen bei der EG und der IMCO ausgearbeitet. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Flämig (SPD) (Drucksache 8/1689 Fragen A 82 und 83) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6611* Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen, um folgenschwere Tankerunfälle an den Küsten der Bundesrepublik Deutschland nach Möglichkeit zu verhindern? Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für angezeigt, um eine Verseuchung der Bundeswasserstraßen mit 01 aus Schiffen des Binnenverkehrs oder durch verbotswidrige Einleitung gefährlicher Flüssigkeiten in die Bundeswasserstraßen rechtzeitig zu entdecken und - die Verursacher derartiger Umweltverschmutzungen zur Verantwortung zu ziehen? Zu Frage A 82: Zur Verhütung von Tankerunfällen gibt es bereits verschiedene internationale und nationale Übereinkommen. Sie betreffen den Bau, die Ausrüstung, den Schiffsbetrieb und die Navigation der Tanker. Im Hinblick auf die jüngsten Tankerunfälle beabsichtigt die Bundesregierung insbesondere folgende weitere Initiativen und Maßnahmen: 1. Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, daß internationale Übereinkommen, soweit sie noch nicht in Kraft sind, möglichst bald weltweit insbesondere durch die EG-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. 2. Die Bundesregierung wird der EG eine Reihe von konkreten Maßnahmen zur Beschlußfassung vorlegen, welche die Einführung eines wirksamen Kontrollsystems (Checkliste), von zusätzlicher Schiffsausrüstung, der Verbesserung des Ausbildungsstandes von Tankerbesatzungen, die Festsetzung einer ausreichenden Besatzung, die Einführung mehr Sicherheit bietender Fahrzeuge und einer Meldepflicht bei besonderen Vorkommnissen sowie die Vorhaltung und den Einsatz ausreichender Schlepper- und Leichter, Kapazitäten betreffen. 3. Unabhängig von ihrer Initiative bei der EG hat die Bundesregierung für den nationalen Bereich, abgesehen von durchgeführten Maßnahmen (Einrichtung des Tiefwasserweges, Lotseneinsetzung durch Hubschrauber bereits weit vor der Küste usw.) weitere Schritte eingeleitet, um die Kontrollen zu verstärken und die Benutzung des küstenferneren Tiefwasserweges beim Ansteuern deutscher Häfen sicherzustellen. Zu Frage A 83: Die Pflicht zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen, sowie die Entdeckung und Ahndung von Verstößen gegen die Reinhalteverpflichtungen obliegen nach dem Wasserhaushaltsgesetz und den dazu ergangenen Landeswassergesetzen den Ländern. Bei einer möglichen Verunreinigung der Bundeswasserstraßen durch austretendes Öl aus Binnenschiffen werden die Wasserschutzpolizeien der Länder auf Grund einer Verwaltungsvereinbarung mit dem Bunde tätig. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 84) : Welche Konzeption hat die Bundesregierung bei ihrer Tarifgenehmigungspolitik im Nordatlantikluftlinienverkehr? Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß Tarife im Fluglinienverkehr nur dann genehmigt werden sollten, wenn sie unter Berücksichtigung aller Kostenfaktoren eines sicheren, kostendeckenden und wirtschaftlich betriebenen Luftverkehrs kalkuliert sind. Dies gilt auch für den Luftverkehr über den Nordatlantik. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Tillmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 85) : Glaubt die Bundesregierung, die Interessen der Verkehrsnutzer angemessen zu vertreten, wenn sie sich gegen den Billigtarif von Pan-Am zwischen Berlin und New York zur Wehr setzt? Ja. Die Einführung von Kampftarifen wird langfristig nur zur Subventionierung des Flugverkehrs führen. Das kann nicht im Sinne der Steuerzahler liegen. Im übrigen sind für die Entscheidung über die Anwendbarkeit des von Pan-Am vorgesehenen Budget-Tarif zwischen Berlin und New York die Drei Mächte zuständig. Eine Entscheidung hierüber ist bisher noch nicht gefällt worden. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hoffie (FDP) (Drucksache 8/1689 Fragen A 86 und 87): Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der nicht abreißenden Kette von katastrophalen Öltankerunfällen, zuletzt des Öltankers „Amoco Cadiz" vor der bretonisdien Küste, die Effektivität des nationalen wie auch internationalen Sicherheitsnetzes? Ist die Bundesregierung bereit, im Verein mit ihren Partnerländern in den Europäischen Gemeinschaften, der Nato, des Europarats und auch der OECD unverzüglich dahin gehend initiativ zu werden, daß Oltanker nur dann die 200-SeemeilenWirtschaftszone der in diesen internationalen Organisationen zusammengeschlossenen Länder benutzen dürfen, wenn sie alle Vorschriften der einschlägigen internationalen Konventionen einhalten, und ist sie ferner bereit, mit Nachdruck national wie international darauf hinzuwirken, daß weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die Tanker sicherer zu machen, Schiffahrtswege besser zu regeln, die Lotsenpflicht zu erweitern und auch die Schlepperhilfe rechtlich besser zu organisieren? Zu Frage A 86: Schiffsunfälle, also auch Tankerunfälle, können nicht völlig ausgeschlossen werden. Die internationalen und nationalen Maßnahmen zur Verhütung von Tankerunfällen und zur Beseitigung bzw. Minderung der Unfallfolgen bilden ein umfassendes Sicherheitssystem, das den sich ändernden technischen Entwicklungen und ökonomischen Möglichkeiten laufend angepaßt wird, dessen weltweite Durchführung jedoch noch verbessert werden muß. Im nationalen Bereich bestehen Katastrophenstäbe (Nord-Ostsee), in denen alle zuständigen Bundes-/ Landesbehörden vertreten sind sowie ein zentraler Ölbekämpfungsausschuß des Bundes und der Län- 6612* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 der. Ihre Einsatzbereitschaft wird für jährliche Übungen gewährleistet. Zu Frage A 87: Ja, die Bundesregierung wird in allen mit der Frage der Tankersicherheit befassenden Gremien dafür eintreten, daß Öltanker sich streng an alle Vorschriften der einschlägigen internationalen Konventionen halten. Das gilt nicht nur in Bezug auf etwaige künftige Wirtschaftszonen, sondern für die Meere insgesamt. Die Bundesregierung wird sich auch dafür einsetzen, daß Tanker, die diesen Vorschriften nicht entsprechen, ihrer Jurisdiktion unterliegende Meeresteile nicht benutzen dürfen. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Müller (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 88) : Ist der Bundesregierung das Problem der überalterten Oberinspektoren bei der Deutschen Bundespost bekannt, und was gedenkt sie zu tun, um eine Lösung herbeizuführen, damit im Vergleich zu anderen Verwaltungen des öffentlichen Dienstes Möglichkeiten geschaffen werden, die überalterten Postoberinspektoren zu Postamtmännern zu befördern? Bei der Deutschen Bundespost befinden sich rd. 6 500 Beamte als Postoberinspektoren oder Fernmeldeoberinspektoren (nichttechnische Laufbahnen) in der Besoldungsgruppe A 10. Von diesen Beamten sind rd. 3 600, d. h. 55 v. H., über 40 Jahre alt. Ein Teil dieser Beamten war mit einer notwendigen Versetzung zur Beschäftigung auf einem Beförderungsdienstposten der Besoldungsgruppe A 11 bisher nicht einverstanden. Ein anderer Teil sind Aufstiegsbeamte, die erst seit wenigen Jahren der Besoldungsgruppe A 10 angehören und für die es noch keine Härte bedeutet, bisher nicht zum Amtmann befördert zu sein. Dennoch erscheinen bei einer gewissen Zahl von Oberinspektoren die Besorgnisse über ihre Berufsaussichten, soweit sie von anderen als in ihrer Person liegenden Gründen beeinflußt werden, verständlich. Die sich daraus ergebenden Probleme für eine Gruppe von Beamten dürfen nicht isoliert betrachtet, sondern müssen im Zusammenhang mit der Situation des gesamten gehobenen Dienstes bei der Deutschen Bundespost und im übrigen öffentlichen Dienst gesehen werden. Die dazu notwendigen Ermittlungen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen werden voraussichtlich in etwa drei bis vier Wochen abgeschlossen sein. Danach muß die Frage zwischen den beteiligten Ressorts beraten werden. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Langner (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 89 und 90) : Trifft es zu, daß der Verwaltungsdienst der Postämter Usingen und Oberursel zum 1. März 1979 nach Bad Homburg verlegt werden soll, und wenn ja, wieviel Arbeitsplätze gehen dadurch in Usingen und Oberursel jeweils und im einzelnen verloren? Welche Abteilungen im einzelnen sollen in Usingen und Oberursel aufgelöst werden, und wie wirkt sich dies auf die Situation des Personals und der Ruhestandsbeamten im Usinger Land und in Oberursel aus? Im Rahmen einer bundesweiten Rationalisierung interner Verwaltungsdienste werden die Verwaltungsaufgaben der Postämter Bad Homburg, Oberursel und Usingen beim Postamt Bad Homburg zusammengefaßt. Als Durchführungszeitpunkt wird der 1. 3. 1979 angestrebt. Bei der Durchführung der Maßnahme werden nach dem derzeitigen Stand der Planungen — beim Postamt Oberursel 9 Arbeitsplätze und — beim Postamt Usingen 6 Arbeitsplätze abgezogen. Bei der Neuordnung der Verwaltungsorganisation werden a) vom Postamt Oberursel vier Dienststellen, und zwar — die Organisationsstelle, — die Personalstelle, — die Hausverwaltung und — die Hauptkasse und b) vom Postamt Usingen drei Dienststellen und zwar — die Stelle Organisation/ Hausverwaltung — die Personalstelle und — die Hauptkasse abgezogen und ihre Aufgaben zum Postamt Bad Homburg verlagert. Die Belange der in den betroffenen Dienststellen beschäftigten Kräfte werden in einem Sozialplan berücksichtigt, der der Zustimmung des Personalrats bedarf. Auswirkungen auf die Situation anderer Dienstkräfte oder gar der Ruhestandsbeamten entstehen nicht. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jahn (Marburg) (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 91) : Wie wird die Deutsche Bundespost bei der Umstellung des Fernmeldenetzes auf den Nandienst den Erfordernissen Rechnung tragen, die sich aus der Gemeindeneugliederung in den Bundesländern ergeben? Ein wesentliches Ziel der Einführung des neuen Tarifsystems ist die Beseitigung tariflicher Nachteile für die Fernsprechkunden, die infolge der Gemeindeneugliederung innerhalb ihrer Gemeinde Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6613* und zu ihren Gemeindeverwaltungen Ferngespräche führen müssen. Die Deutsche Bundespost ist daher bemüht, diesen Zustand möglichst bald zu beseitigen. Der Bundespostminister hat als ein Kriterium für die Reihenfolge der Einführung des neuen Tarifsystems die Aufteilung einer Gemeinde auf mehrere Ortsnetze vorgesehen. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Diederich (Berlin) (SPD) (Drucksache 8/1689 Fragen A 92 und 93) : Hat die Bundesregierung bereits eine abgestimmte Haltung zur Trassenführung der Autobahn Berlin—Hamburg zugunsten der Nord- oder der Südtrasse, und ist die Überschrift im „Spiegel" vom 13. März 1978 zutreffend, die heißt, „Bonn legt sich auf Nord-Route fest"? Wie beurteilt die Bundesregierung die im „Spiegel" vom 13. März 1978 zitierten Argumente des Verkehrswissenschaftlers Prof. Manfred Manleitner zugunsten der Südtrasse, und auf welche Argumente stützt die Bundesregierung vorwiegend ihre Entscheidung? Zu Frage A 92: Die Bundesregierung hat noch keine Entscheidung über die in den Verhandlungen anzustrebende Trassenführung der geplanten Autobahn von Berlin nach Norddeutschland gefällt. Die optimale Berücksichtigung der vielfältigen Aspekte und Interessen auf unserer Seite setzt einen möglichst weiten Verhandlungsspielraum gegenüber der DDR voraus. Dieser Verhandlungsspielraum kann jedoch nur erhalten bleiben, wenn es zuvor auch intern keine Vorentscheidungen oder Festlegungen irgendwelcher Art gibt. Zu Frage A 93: Der Bundesregierung liegt eine Reihe eingehender und profunder Stellungnahmen zur Trassenführung einer Autobahn von Berlin in den norddeutschen Raum vor. Auch die Voruntersuchung von Prof. Manfred Manleitner erörtert u. a. Fragen der Streckenführung einer solchen Autobahn. Die Bundesregierung wird alle Aspekte sehr sorgfältig prüfen und gegeneinander abwägen, bevor sie hierüber in Verhandlungen eintritt. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kühbacher (SPD) (Drucksache 8/1689 Fragen A 94 und 95) : Ist die Bundesregierung in der Lage, eine Kostenübersicht über Investitions- und Folgekosten alternativ für die Nord- und Südtrasse der Autobahn Berlin—Hamburg vorzulegen einschließlich der zu zahlenden Transitgebühren, und wie sind die Multiplikationseffekte der Bauindustrie in der Bundesrepublik Deutschland bei den verschiedenen Trassenführungen zu beurteilen? Wird die Bundesregierung das Gutachten des niedersächsischen Verkehrsministeriums bei ihren Verhandlungen zugrunde legen, und gibt es ähnlich detaillierte Untersuchungen auch für die längere Streckenführung durch die DDR? Zu Frage A 94: Die Bundesregierung bereitet die Verhandlungen mit der DDR über den Bau einer Autobahn von Berlin nach Norddeutschland vor. Dazu gehört auch, daß Kostenvorstellungen erarbeitet werden. Die Kosten hängen u. a. von der Dimensionierung der Trasse ab. Daher werden sich konkrete Kostenangaben erst im Laufe der Verhandlungen machen lassen. Die in Ihrer Frage erwähnten Faktoren Transitgebühren und Beteiligung unserer Bauindustrie werden von der Bundesregierung sorgfältig in ihre Überlegungen einbezogen. Die Frage einer Beteiligung unserer Bauindustrie an diesem Projekt gewinnt auch aus konjunkturpolitischer Sicht eine besondere Bedeutung. Genaue Angaben über die voraussichtliche Multiplikator-Wirkung in der Bauwirtschaft sind allerdings nicht möglich. Zu Frage A 95: Der Bundesregierung liegt eine Reihe eingehender und profunder Stellungnahmen zur Trassenführung einer Autobahn von Berlin in den norddeutschen Raum vor. Dazu zählt auch das von Ihnen erwähnte Gutachten aus Niedersachsen. Die Bundesregierung wird alle Aspekte einer Trassenführung sehr sorgfältig prüfen und gegeneinander abwägen, bevor sie hierüber in Verhandlungen eintritt. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 96) : Treffen die im „Spiegel" Nummer 10/78 von einem ehemaligen Sachbearbeiter in der Rechtsabteilung der Bonner Ständigen Vertretung in der DDR im einzelnen gegen die innerdeutschen politisch verantwortlichen Bürokraten erhobenen und beispielhaft belegten Vorwürfe der „Unfähigkeit und Ignoranz" zu, und was wird die Bundesregierung tun, um gegebenenfalls diese Mißstände abzustellen? Der Bericht im „Spiegel" ist ein Gemisch aus unklaren Erinnerungen, unrichtigen Behauptungen, ungerechtfertigten Unterstellungen und persönlichen Deutungen. Ich habe in der Sitzung des Bundestagsausschusses für innerdeutsche Beziehungen am 15. März 1978 im einzelnen zu den erhobenen Vorwürfen Stellung genommen und die Tatsachen richtiggestellt. Unter Berücksichtigung der gegen den Verfasser des Artikels laufenden disziplinarischen Vorermittlungen möchte ich von einer weiteren öffentlichen Erörterung des Vorgangs absehen. Anlage 44 Antwort des Bundesministers Dr. Hauff auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Männing (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 97): 6614* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Kann auch dann die Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit spaltbarem Material als gesichert angesehen werden, wenn es zu keinem Kooperationsabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion hinsichtlich der Fortsetzung der Anreicherung von amerikanischem Natururan durch die UdSSR kommen sollte? Über ein Kooperationsabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion hinsichtlich der Fortsetzung der Anreicherung von amerikanischem Natururan ist nichts bekannt. Ein derartiges Abkommen hätte — wäre es vorhanden — auf die Versorgungslage der Bundesrepublik Deutschland mit spaltbarem Material keinen Einfluß, da Bezüge von Natururan aus den USA, soweit bekannt, von deutschen Reaktorbetreibern auf absehbare Zeit nicht vorgesehen sind. Im Rahmen der Anreicherungsverträge deutscher Reaktorbetreiber mit der UdSSR wird kein Uran amerikanischer Herkunft angereichert. Anlage 45 Antwort des Bundesministers Dr. Hauff auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 8/1689 Frage A 98) : Welche Vorbereitungen hat die Bundesregierung für die Weltwissenschafts- und Technologiekonferenz der UN getroffen, ist die inhaltliche Position bereits festgelegt, und welche Schwerpunkte will die Bundesregierung von sich aus dabei setzen? Zur Vorbereitung der Weltwissenschafts- und Technologiekonferenz für Entwicklung der Vereinten Nationen, die im August 1979 in Wien stattfinden wird, hat die deutsche Stiftung für internationale Entwicklung im Auftrag der Bundesregierung Anfang dieses Jahres ein deutsches Vorbereitungstreffen mit' Vertretern aus Entwicklungsländern in Berlin veranstaltet. Der Aufforderung der Vereinten Nationen folgend, ein sogenanntes „Länderpapier" zu stellen, das aus nationaler Sicht zur Anwendung von Wissenschaft und Technologie zugunsten der Entwicklungsländer Stellung nehmen soll, hat das Bundesministerium für Forschung und Technologie in Abstimmung mit den anderen beteiligten Bundesministerien einen Entwurf erarbeitet. Dieser Entwicklungs-Entwurf verdeutlicht die Absicht der Bundesregierung, die Konferenz auf praktische Ergebnisse zu orientieren und dadurch insbesondere die technologische Kapazität der Entwicklungsländer zu stärken. Die Bundesregierung ist bereit, ihrer Verantwortung gegenüber der Dritten Welt nachzukommen und Forschung und Technologie verstärkt in den Dienst der Entwicklungsländer zu stellen. Die Konferenz ist für die Bundesregierung ein willkommener Anlaß, dies auch nach außen deutlich zu machen. Die gesellschaftlich relevanten Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland, und insbesondere die Wissenschaft, haben z. Z. Gelegenheit, zu dem Entwurf der Bundesregierung Stellung zu nehmen. Er ist zu diesem Zweck von Professor Gottstein am MaxPlanck-Institut in Starnberg in seiner Eigenschaft als Koordinator für die deutschen Konferenzbeiträge aus dem nichtstaatlichen Bereich kürzlich verschickt worden. Da der Umfang des Länderpapiers aus technischen Gründen auf 30 Seiten beschränkt ist, wird es voraussichtlich kaum möglich sein, alle Verbesserungsvorschläge und Anregungen in dieses Papier einzuarbeiten. Es ist deshalb die Absicht der Bundesregierung, neben .dem Länderpapier weitere deutsche Konferenzbeiträge zu erarbeiten. Anlage 46 Antwort des Bundesministers Dr. Hauff auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Laufs (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 99) : Welche Auswirkungen auf ihr Entsorgungskonzept für Kernkraftwerke sieht die Bundesregierung auf Grund des am 10. April 1978 in Kraft tretenden Nonproliferation Act 1978 der Vereinigten Staaten? Das Non-Proliferationsgesetz macht u. a. Aussagen zur Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente, zu ihrer Wiederaufbereitung und zur Verwendung des dabei rückgewonnenen Plutoniums, also zu wesentlichen Teilen des Entsorgungskonzepts. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß das Gesetz die Wiederaufbereitung nicht verbietet, sondern sie vielmehr unter besonders wirksame Kontrollen gestellt sehen möchte. Dies ist in Übereinstimmung mit der bereits früher von Präsident Carter verkündeten US-Nuklearpolitik. Außerdem werden sich die Regelungen nur auf von den USA gelieferte Brennstoffe beziehen. Die Bundesregierung ist auf Grund 'der derzeitigen Erkenntnisse der Überzeugung, daß ihr Entsorgungskonzept, das ausschließlich auf die Bedürfnisse der friedlichen Kernenergie-Nutzung abgestellt ist, grundsätzlich nicht berührt wird. Anlage 47 Antwort des Bundesministers Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Gerstein (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 100 und 101) : In welchem Umfang hat die Bundesregierung der niedersächsischen Landesregierung bei der Öffentlichkeitsarbeit für die friedliche Nutzung der Kernenergie in den letzten zwei Jahren geholfen? . Welche Minister der Bundesregierung haben sich in öffentlichen Auftritten in den letzten zwei Jahren in Niedersachsen für die friedliche Nutzung der Kernenergie eingesetzt? Zu Frage A 100: Die Bundesregierung hat im Rahmen der Informationsaktion über Notwendigkeit und Sicherheit der Kernenergie die niedersächsische Landesregierung in gleicher Weise unterstützt wie alle anderen Landesregierungen auch. Die von der Bundesregierung herausgegebenen Publikationen (z. B. Taschenbuch Kernenergie, Dokumentation zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, Magazin Energiediskussion) sind auch in Niedersachsen verteilt worden. Verschiedene Anzeigen in Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6615* den Jahren 1976 und 1977 wurden auch in den niedersächsischen Tageszeitungen veröffentlicht. Darüber hinaus wurden im Zusammenhang mit den in Niedersachsen vorgesehenen Standorten für ein Entsorgungszentrum seit Anfang 1976 zahlreiche öffentliche Diskussionsveranstaltungen, Seminare und Informationsgespräche mit finanzieller, organisatorischer und personeller Unterstützung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie durchgeführt. Zu Frage A 101: Während der letzten zwei Jahre haben sich Minister der Bundesregierung in etlichen Veranstaltungen in Niedersachsen öffentlich für die friedliche Nutzung der Kernenergie eingesetzt. Bundesminister Matthöfer und ich haben dies bei mehreren Veranstaltungen in Niedersachsen getan, ebenso wie mehrere andere Mitglieder der Bundesregierung. Anlage 48 Antwort des Bundesminister Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 102 und 103): Hält die Bundesregierung im Rahmen des nuklearen Entsorgungskonzepts am Standort Gorleben fest? Welche konkreten Schritte hat der Bundesforschngsminister unternommen, um die Bevölkerung in Gorleben und ganz Niedersachsen über die Bedeutung des Entsorgungszentrums zu unterrichten? Zu Frage A 102: Ja. Zu Frage A 103: Aufgrund des Gesprächs der Bundesminister Friedrichs, Maihofer und Matthöfer am 11. November 1976 mit Ministerpräsident Albrecht in Hannover und aufgrund eines Gesprächs der für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit Verantwortlichen der Landesregierung Niedersachsen und des Bundesministeriums für Forschung und Technologie sind von Seiten des Bundes folgende Maßnahmen vorbereitet worden: -- zwei Taschenbücher zum Thema Entsorgung; — eine Anzeige mit Coupon zum Thema Entsorgung; — Seminare für alle gesellschaftlichen Gruppen (z. B. Gewerkschaften, Kirchen, Parteien, Träger der Erwachsenenbildung, Gebietskörperschaften) ; — eine gemeinsame Informationsstelle „Nukleares Entsorgungszentrum" im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Zu dem Text und zur Veröffentlichung der Anzeige, zum Konzept und zur Durchführung der Seminare und zur Einrichtung einer gemeinsamen Informationsstelle fehlt z. Z. leider noch die schriftliche Zustimmung des Landes Niedersachsen. Die Bundesregierung hofft, daß sich die Landesregierung von Niedersachsen noch vor der Landtagswahl zu den ihr vorliegenden Vorschlägen verbindlich äußert. Darüber hinaús ist an alle interessierten Personen in Niedersachsen die im Auftrag des Bundes erstellte „Systemstudie radioaktive Abfälle" verteilt worden. Außerdem fanden auf Vermittlung des BMFT Besichtigungsreisen für Vertreter der Gebietskörperschaften in Cap la Hague (französische Wiederaufarbeitungsanlage), in Karlsruhe (Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoffe) und im Versuchsendlager ASSE II statt. Am 22. und 23. April 1978 findet ein vom Bundesminister für Forschung und Technologie organisiertes und finanziertes Informationsseminar „Nukleare Entsorgung" für die Mitglieder der Gorleben-Kommission statt. Anlage 49 Antwort des Bundesministers Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hubrig (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 104 und 105) : Welche Finanzmittel, die im Rahmen des „Kernenergiedialogs" beim Bundesforschungsminister zur Verfügung stehen, sind bisher zur Aufklärung der Bevölkerung in Gorleben bereitgestellt worden? Warum setzt sich der Bundesforschungsminister nicht selbst bei Veranstaltungen in Gorleben für die friedliche Nutzung der Kernenergie und das Entsorgungszentrum ein? Zu Frage A 104: Im Rahmen des am 29. September 1977 mit dem Land Niedersachsen durchzuführenden Konzeptes für die Öffentlichkeitsarbeit Entsorgung ist im Haushalt 1978 unter Titel 30 05/531 05 ein größerer Betrag für die Öffentlichkeitsarbeit Entsorgung bereitgestellt worden. Auch im Jahre 1977 sind für eine Reihe von Veranstaltungen durch verschiedene gesellschaftliche Gruppen sowie zur Vorbereitung der notwendigen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit Entsorgung die Mittel in der Größenordnung von DM 150 000 zur Verfügung gestellt worden. Zu Frage A 105: Am 6. April 1978 hat der Bundesminister für Forschung und Technologie erklärt, daß er sich bereits in der Vergangenheit an der öffentlichen Diskussion über die Entsorgung beteiligt habe und daß sich daran auch in Zukunft nichts ändern werde. Ich erklärte wörtlich, daß ich mich im Rahmen der terminlichen Möglichkeiten auch der Diskussion in Niedersachsen stellen werde, sofern dies von der Sache her sinnvoll sei. Der Bundesminister für Forschung und Technologie ist jederzeit bereit, mit den für die Genehmigung der Entsorgungsanlage Verantwortlichen aus Niedersachsen gemeinsam nach Gorleben zu kommen. 6616* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 Allein in der vergangenen Woche habe ich auf drei Veranstaltungen in Niedersachsen öffentlich die Haltung der Bundesregierung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie dargestellt. Anlage 50 Antwort des Bundesministers Dr. Hauff auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 106): Welche Auswirkungen für die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland hat der von Präsident Carter am 10. März 1978 unterzeichnete Nuclear Non-Proliferation Act? Das US-amerikanische Nuclear Non-Proliferation Act vom 10. März 1978 kann Auswirkungen auf den Bezug von Urantrennarbeit auf Grund von Lohnanreicherungsverträgen im Rahmen des Zusammenarbeitsabkommens USA—Euratom haben. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) der Bundesrepublik Deutschland haben jedoch durch eine möglichst große Diversifizierung der Bezugsquellen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit beigetragen und außer mit den USA mit allen übrigen derzeit auf dem Weltmarkt tätigen Anreicherern UdSSR, URENCO und Eurodif Lohnanreicherungsverträge abgeschlossen, so daß nur etwa 50 bis 60 % des Bedarfs betroffen wären. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über Vorräte an angereichertem Uran, die im Rahmen der Devisenausgleichsabkommen mit den USA beschafft wurden. Ferner entstehen aufgrund von Lieferungen der UdSSR für im Bau verzögerte Kraftwerke gewisse Puffermengen an angereichertem Uran. Diese Vorräte würden einen Ausfall der amerikanischen Lieferungen, ohne daß Störungen im nuklearen Brennstoffkreislauf und bei der Elektrizitätserzeugung entstehen, bis 1981 voll ausgleichen können. In bezug auf die Versorgung mit hochangereichertem Uran besteht eine hohe Abhängigkeit von den USA. Die davon betroffenen Forschungsreaktoren tragen jedoch nicht zur Elektrizitätsversorgung bei. Die planmäßige Inbetriebnahme des ebenfalls mit hochangereichertem Uran zu betreibenden Prototyp-Kraftwerks der Hochtemperaturreaktorlinie, THTR 300, wird ebenfalls nicht beeinträchtigt werden, weil die dafür benötigten Brennelemente bereits fertiggestellt sind. Anlage 51 Antwort des Bundesministers Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 8/1689 Fragen A 107 und 108) : Wie lange könnten bei einem eventuellen Uranlieferungsstopp aus den USA als Folge des amerikanischen Non-Proliferationsgesetzes vom 10. März 1978 (Nuclear Non-Proliferation Act of 1978) die in der Bundesrepublik Deutschland in Betrieb befindlichen kerntechnischen Anlagen weiter betrieben werden, und sieht die Bundesregierung angesichts der neuen amerikanischen Haltung in der Frage der Nonproliferation die Notwendigkeit einer Korrektur der Zweiten Fortschreibung des Energieprogramms vom 14. Dezember 1977? Sieht die Bundesregierung in dem Nuclear Non-Proliferation Act of 1978 eine Brüskierung der Konferenz über die „Internationale Bewertung des nuklearen Brennstoffkreislaufs (INFCE), und ist die Bundesregierung bereit, bei einem eventuell der deutschen Entsorgungskonzeption widersprechenden Ergebnis der INFCE-Konferenz ihre Entsorgungskonzeption aufzugeben? Zu Frage A 107: Das US-amerikanische Nuclear Non-Proliferation Act vom 10. März 1978 hat bezüglich seiner Auswirkungen auf das Zusammenarbeitsabkommen USA—Euratom zu eingehenden Beratungen des Minister-Rates und der Kommission der EG zur Lösung der daraus entstehenden Probleme geführt. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang geeignete Maßnahmen vorgeschlagen, die den Eintritt von Versorgungsstörungen vermeiden sollen. Sollten trotz dieser Bemühungen der Bundesregierung Schwierigkeiten auftreten, würde dadurch im wesentlichen der Bezug von Urantrennarbeit aufgrund von Lohnanreicherungsverträgen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) der Gemeinschaft betroffen sein. Die EVU der Bundesrepublik Deutschland haben jedoch zur Erhöhung der Versorgungssicherheit durch eine möglichst große Diversifizierung der Bezugsquellen beigetragen und außer mit den USA mit allen übrigen derzeit auf dem Weltmarkt tätigen Anreicherern UdSSR, URENCO und Eurodif Lohnanreicherungsverträge abgeschlossen, so daß nur etwa 50 bis 60 % des Bedarfs betroffen wären. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über Vorräte an angereichertem Uran, die im Rahmen der Divisenausgleichsabkommen mit den USA beschafft wurden. Ferner entstehen auf Grund von Lieferungen der UdSSR gewisse Puffermengen an angereichertem Uran. Diese Vorräte würden einen Ausfall der amerikanischen Lieferungen, ohne daß Störungen im nuklearen Brennstoffkreislauf und bei der Elektrizitätserzeugung entstehen, bis 1981 voll ausgleichen können. In bezug auf die Versorgung mit hochangereichertem Uran besteht eine hohe Abhängigkeit von den USA. Die davon betroffenen Forschungsreaktoren tragen jedoch nicht zur Elektrizitätsversorgung bei. Die planmäßige Inbetriebnahme des THTR 300 wird ebenfalls nicht beeinträchtigt werden, weil die dafür benötigten Brennelemente bereits fertiggestellt sind. Eine Korrektur der kurz- und mittelfristigen Aussagen der 2. Fortschreibung des Energieprogramms vom 14. Dezember 1977 ist vor diesem Hintergrund nicht notwendig. Zu Frage A 108: Im Non-Proliferation Act wird an verschiedenen Stellen auf die Bedeutung von INFCE für die Nichtverbreitungspolitik unter Gewährleistung eines ausreichenden Beitrags der friedlichen Kernenergienutzung zur Energieversorgung der Welt hingewiesen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1978 6617* Das Gesetz legt in vielen Punkten nur generelle Zielsetzung fest. Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung, daß INFCE den geeigneten Rahmen bietet, weltweit die Möglichkeiten akzeptabler Lösungen zu den auch im Non-Proliferation Act angesprochenen Punkten zu untersuchen - neben technischen, insbesondere auch institutionelle Regelungen für die verschiedenen Teile des Brennstoffkreislaufs. Allerdings wird die Bundesregierung sorgfältig verfolgen, inwieweit die amerikanische Haltung weiterhin den auf der INFCE-Eröffnungskonferenz vereinbarten Grundsätzen genügt. Die Bundesregierung erwartet von INFCE kein dem deutschen Entsorgungskonzept widersprechendes Ergebnis. Sie sieht daher keinen Anlaß, sich auf andere Entsorgungslösungen einzurichten. Anlage 52 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1689 Frage A 128): Hält die Bundesregierung diese Angriffe gegebenenfalls mit der gemeinsamen Erklärung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sozialistischen Republik Rumänien vom 7. Januar 1978 vereinbar, wonach „humanitäre Fragen im Bereich der Familienzusammenführung und der Eheschließungen zwischen Bürgern beider Länder auf der Grundlage der in bilateralen und internationalen Dokumenten bekräftigten Absichten weiterhin wohlwollend behandelt werden sollen"? Die in der von Ihnen zitierten Gemeinsamen Erklärung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien vom 7. Januar 1978 bekräftigten Absichten hinsichtlich der Lösung humanitärer Fragen im Bereich der Familienzusammenführung und der Eheschließungen zwischen Bürgern beider Länder sind in der Rede Präsident Ceausescus nicht in Frage gestellt worden. Anlage 53 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1689 Fragen A 129 und 130) : Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Behauptung des polnischen Chefredakteurs Wojna durch Tatsachen begründet, wonach der letzte Besuch des Bundeskanzlers Schmidt in Warschau dazu entscheidend beigetragen hat, „den gemeinsamen Nenner" der Bundesrepublik Deutschland mit den kommunistisch regierten Ländern, insbesondere bezüglich der Abrüstung in Mitteleuropa, der Salt II, der Zusammenarbeit in der Dritten Welt „zu erweitern" (Polnische Woche 6/1978, Seite 8), und wenn ja, worauf bezog sich in diesen Bereichen die „Erweiterung des gemeinsamen Nenners mit dem Ostblock? Welche politische Bedeutung für die Realitäten des deutschpolnischen Kulturaustausches mißt die Bundesregierung der völlig unbegründeten Vergeltungsmaßnahme (Persona-non-grataErklärung) ausgerechnet gegen den Kulturattaché der deutschen Botschaft in Warschau- bei, und wird damit nicht ein unzulässiger und für den Kulturaustausch bedenklicher Bogen zwischen sicherheitsgefährdender Agententätigkeit und kultureller Begegnung geschlagen? Zu Frage A 129: Die. Bundesregierung hat ein Interesse daran, daß möglichst viele Staaten ihre außenpolitischen und sicherheitspolitischen Ziele kennen und womöglich teilen. Wenn dies nach polnischem Urteil durch die Reise des Bundeskanzlers gefördert wurde, begrüßt die Bundesregierung das Ergebnis. Zu Frage A 130: Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts am 21. März 1978 gegenüber der Presse erklärt hat, sieht die Bundesregierung das polnische Ersuchen um Abberufung des Kulturreferenten der deutschen Botschaft Warschau als Retorsionsmaßnahme gegenüber dem vier Tage zuvor erfolgten Ersuchen der Bundesregierung um Abberufung eines Angehörigen der polnischen Botschaft in Köln. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß das polnische Ersuchen erfolgte, ohne daß der deutsche Kulturreferent zur persona non grata erklärt wurde. Die Bundesregierung hat gegenüber der polnischen Seite unmißverständlich klargestellt, daß der deutsche Kulturreferent keiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit nachgegangen ist. Die Bundesregierung hat die polnische Seite mit Nachdruck darum gebeten, das Ersuchen um Abberufung des deutschen Kulturreferenten zurückzunehmen. Sie hat darauf hingewiesen, daß dadurch eine Beeinträchtigung der deutsch-polnischen Kulturbeziehungen entsteht, die sie bedauert. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die eingetretene Beeinträchtigung in den kulturellen Beziehungen möglichst bald überwunden wird. In diesem Sinne hat sich auch die polnische Seite geäußert.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808300000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich darf zunächst mitteilen, daß auf der Diplomatentribüne eine Delegation der Nationalversammlung der Republik Korea Platz genommen hat.

(Beifall)

Ich habe die Ehre, den Vizepräsidenten der Nationalversammlung und Vorsitzenden der KoreanischDeutschen Parlamentariergruppe, Herrn Minister Chang, und die Mitglieder der Delegation zu begrüßen.

(Beifall)

Wir freuen uns, daß die koreanische Delegation auch Berlin besuchen wird. Ich möchte ihr an dieser Stelle dafür danken und ihr einen angenehmen Aufenthalt in Deutschland wünschen.
Meine Damen und Herren, ich habe sodann die Freude, einigen Kollegen zum Geburtstag zu gratulieren: dem Herrn Kollegen Dr. Gradl zum 74. Geburtstag,

(Beifall)

dem Herrn Kollegen Dr. Kiesinger zum 74. Geburtstag

(Beifall)

und dem Herrn Kollegen und Bundesminister Egon Franke zum 65. Geburtstag.

(Beifall)

Für den aus dem Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt ausscheidenden Abgeordneten Schmidt (Wuppertal) hat die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Dr. Pfennig benannt. Ist. das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Pfennig als stellvertretendes Mitglied des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt gewählt.
Amtliche Mitteilung ohne Verlesung
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 11. April 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Narjes, Kittelmann, Breidbach, Lenzer, Dr. von Geldern, Dr. Hoffacker, Dr. Hüsch, Dr. Köhler (Wolfsburg), Niegel und der Fraktion der CDU/CSU betr. Behinderung der Importe von Bohrtürmen und anderen OffshoreGroßanlagen in Erdöl- und Erdgasförderstaaten — Drucksache 8/1648 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1698 verteilt.
Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 1 zur Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse der NATO-Ratstagung vom 7. April 1978 in Brüssel und die Tagung des Europäischen Rates vom 7./8. April 1978 in Kopenhagen
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808300100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es haben am vergangenen Wochenende zwei für uns bedeutsame internationale Gremien getagt, wie der Bundestagspräsident eben schon gesagt hat. In Kopenhagen trafen sich die Staats- und Regierungschefs der neun Staaten der Europäischen Gemeinschaft, in Brüssel der NATO-Rat. In beiden Gremien wurden vorausgegangene interne Beratungen zwischen den Partnerstaaten zu Ergebnissen geführt, die nun auch von der Bundesregierung öffentlich dargelegt und bewertet werden können.
Die notwendige Zurückhaltung, die sich die Bundesregierung in der vorangegangenen Phase auferlegen mußte, hat verschiedentlich auch hierzulande publizistische oder politische Mißdeutungen erfahren. Die Bundesregierung hat dies bewußt in Kauf nehmen wollen; denn eine verantwortliche Außenpolitik sollte der internen Willensbildung in Partnerstaaten nicht hier öffentlich vorgreifen, und sie darf auch strategische Erwägungen innerhalb des Bündnisses nicht auf dem offenen Markte ausbreiten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Bundesregierung nimmt deshalb aber heute, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, die Gelegenheit wahr, das Parlament über die Entwicklung der letzten Wochen und Monate zu unterrichten.
Im Mittelpunkt "der Gespräche der Regierungschefs und der Außenminister im Europäischen Rat in Kopenhagen haben die europäische und die weltweite Wirtschafts- und Währungsproblematik sowie die Direktwahlen zum Europäischen Parlament gestanden.
Ich stelle mit großer Genugtuung fest, daß es dem Europäischen Rat nun gelungen ist, als gemeinsamen Termin für die Direktwahl zum Europäischen Parlament in allen neun Staaten der Gemeinschaft die Tage vom 7. bis 10. Juni 1979, also heute in 14 Monaten, festzulegen.



Bundeskanzler Schmidt
Diese Entscheidung hat den Weg zu einem neuen Abschnitt im Leben der Europäischen Gemeinschaft geöffnet — mehr als 20 Jahre nach ihrer Begründung —, einen Weg, an den die Bundesregierung große Hoffnungen knüpft. Wir sind zuversichtlich, daß es einem unmittelbar gewählten Parlament, gestützt auf die demokratischen Kräfte in allen Partnerstaaten, gelingen wird, den europäischen Gedanken noch stärker mit Leben zu erfüllen. Es sollte dem gewählten Europäischen Parlament gemeinsam mit den Regierungen möglich werden, den Einigungsprozeß zu beschleunigen.
Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Termins für die Direktwahl haben sich die Staats- und Ministerpräsidenten in feierlicher Erklärung darauf festgelegt und dazu bekannt, daß Achtung und Erhaltung der repräsentativen Demokratie und der Menschenrechte in jedem Mitgliedstaat wesentliche Elemente der Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft sind — eine für die Zukunft noch bedeutsam werden könnende Festlegung.
Bei der Behandlung von Themen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, im wesentlichen durch die Außenminister und im wesentlichen betreffend Namibia, Nahost, aber auch die Bekämpfung des Terrorismus, hat sich im Europäischen Rat eine erfreuliche Übereinstimmung ergeben.
Auf dem Wirtschafts- und Währungssektor haben die Regierungschefs eine Zwischenbilanz der insgesamt wenig befriedigenden Lage gezogen. Die Europäische Gemeinschaft ist in allen Bereichen engstens mit der Weltwirtschaft verflochten und unter unserer Mitwirkung bemüht, Schranken im Welthandel abzubauen und sich dem Entstehen neuer protektionistischer Barrieren entgegenzusetzen. Die Gemeinschaft kann und will auch keine Wirtschaftspolitik verfolgen, die so tut, als ob die Gemeinschaft allein auf der Welt wäre.
Das heißt dann auch, daß man Inflation und Arbeitslosigkeit in Europa nur in den Griff bekommen, verstärktes Wachstum in der ganzen Gemeinschaft nur zustande bringen kann, wenn es auch weltweit aufwärts geht. Daß dies nur im Zusammenwirken aller Weltwirtschaftspartner geschehen kann, haben uns die Auswirkungen der Dollarschwäche auf die Wechselkurse und die hiervon auf das Weltwirtschaftssytem als Ganzes ausgehenden Irritationen erneut ins Bewußtsein gerufen.
Die Regierungschefs gingen davon aus, daß gemeinsame Überlegungen notwendig sind, um die unbefriedigende Lage zu verbessern. Dabei konnte allerdings keiner der versammelten Regierungschefs ein Patentrezept anbieten. Dennoch habe ich unseren Meinungsaustausch, der demnächst fortgesetzt wird, als sehr fruchtbar empfunden.
Als Wachstumsziel für die Gemeinschaft als Ganzes ist in Kopenhagen eine Zahl von 41/2 % genannt worden. Ich möchte gern, daß sich hier keine Mißverständnisse einschleichen: Es handelt sich um eine Projektion dessen, was die Gemeinschaft als Ganzes etwa zur Jahresmitte 1979 als dann zu erreichende Jahresrate anstrebt. Ich habe im Rat meinen Zweifel geäußert, ob die zur Erreichung dieses durchaus ehrgeizigen Zieles von allen Partnern zu leistenden notwendigen Beiträge auch tatsächlich geleistet werden können.
Die Bundesregierung — das möchte ich deutlich sagen — ist in Kopenhagen jedenfalls keine Verpflichtung zur Erreichung nationaler oder gar unrealistischer nationaler Wachstumsziele eingegangen. Solche Verpflichtungen führen leicht zu unnötigen Enttäuschungen. Wir denken, jeder Mitgliedstaat sollte nach seinen Notwendigkeiten und Möglichkeiten zur Konjunkturbelebung beitragen. • Die unterschiedlichen Ausgangspositionen erfordern unterschiedliche Ansätze und Dosierungen.
Für unser Land haben Bundesregierung und Bundestag bereits gegen Ende 1977 mit hauptsächlicher Wirkung in diesem Jahr massiv gehandelt. Erfolge sind sichtbar. Im letzten Vierteljahr 1977 ist unser Bruttosozialprodukt mit einer Jahresrate von 6 % gewachsen. Über das erste Quartal 1978 sind unsere Informationen noch recht lückenhaft. Wir wissen insbesondere auch noch nicht, wie die Unternehmensleitungen auf die Währungsturbulenzen reagiert haben. Obwohl wir also noch etwas warten müssen, bis wir Sicherheit über den Grundtrend der wirtschaftlichen Entwicklung in den ersten drei Monaten dieses Jahres erhalten, vertraue ich auf die Wirkung der 1977 von uns eingeleiteten Maßnahmen. Es geht darum, sie jetzt auch zur vollen Auswirkung gelangen zu lassen.
Um die Instrumente zur gemeinschaftlichen Abstützung und Flankierung nationaler Maßnahmen zu verstärken, haben die Regierungschefs beschlossen, das Kapital der Europäischen Investitionsbank zu verdoppeln. Mit dieser Maßnahme wird das verfügbare Investitionskreditvolumen der Europäischen Investitionsbank um etwa 22 Milliarden DM erweitert.
Am Rande des Europäischen Rats ist natürlicherweise auch über währungspolitische Fragen gesprochen worden. Bei allen Beteiligten war die Sorge über die Dollarschwäche und die daraus resultierenden Gefahren für die Konjunkturbelebung gemeinsam festzustellen. Wir waren uns einig, daß wir uns auf die Dauer eine solche Unbeständigkeit der Wechselkurse nicht leisten können.
Eine wichtige Rolle hat die Energiepolitik gespielt. Der Rat hat betont, daß der Abhängigkeit von Ölimporten durch verstärkte Anstrengungen auf allen Ebenen entgegengewirkt werden muß. Dies, so haben wir festgestellt, gelte für die Staaten der ?Gemeinschaft ebenso wie für die Partner außerhalb der Gemeinschaft. Es ist ganz klar, daß sich dies insbesondere auf unseren wichtigsten Partner bezieht.
Dieser Europäische Rat war zugleich der erste Schritt der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zur Vorbereitung einer gemeinsamen Haltung für den Weltwirtschaftsgipfel, der Mitte Juli hier in Bonn stattfinden wird. Dem Abschluß der Vorbereitungen unter den EG-Partnern soll die für den 6. und 7. Juli dieses Jahres in Bremen vorgesehene Tagung des Europäischen Rates dienen.



Bundeskanzler Schmidt
Zu dem Weltwirtschaftsgipfel am 16. und 17. Juli erwarten wir in Bonn die Staats- bzw. Regierungschefs der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Japans und Kanadas. Da am 1. Juli die Präsidentschaft im Europäischen Rat turnusmäßig auf die Bundesrepublik Deutschland übergeht, werde ich auf dem Weltwirtschaftsgipfel zugleich die Gemeinschaft — gemeinsam mit dem Kommissionspräsidenten Roy Jenkins — vertreten.
Die Bundesregierung möchte darauf hinwirken, daß die Gespräche des Weltwirtschaftsgipfels zu einer engeren Abstimmung des wirtschafts- und des währungspolitischen Vorgehens der Teilnehmer in ,der gegenwärtigen Situation führen. Dies ist auch die Ansicht der übrigen Teilnehmer jenes Gipfeltreffens, das sich bereits in der substantiellen Vorbereitung befindet.
Bei diesem Treffen wird gewiß auch eine Reihe weltpolitischer Fragen erörtert werden, zum Teil auch in bilateralen Gesprächen. Der Bundestag weiß, daß wir dem unmittelbar vorangehenden Besuch des amerikanischen Präsidenten in der Bundesrepublik Deutschland hohe Bedeutung beilegen.

(Beifall)

Wir haben uns am Rande des Europäischen Rats, vornehmlich unter den Außenministern, auch darüber unterhalten, wie das neue amerikanische Gesetz, das einer Weiterverbreitung von Atomwaffen entgegenwirken soll, die zukünftigen Lieferbedingungen zwischen den Vereinigten Staaten und Euratom — „Euratom" ist auf Grund der historischen Entstehungsgeschichte nur ein anderer Firmenname für die Europäische Gemeinschaft — also der Europäischen Gemeinschaft, auf dem Felde der Lieferung spaltbaren Materials für die friedliche Nutzung der Kernenergie beeinflussen wird.
Euratom und die Vereinigten Staaten von Amerika haben 1959 einen Rahmenvertrag abgeschlossen, der u. a. die Grundlage für die Lieferung angereicherten Urans geschaffen hat — 1959. Das am 10. März 1978 in Kraft getretene neue amerikanische Gesetz sieht eine Verschärfung der bestehenden Lieferbedingungen vor, z. B. insofern, als einem Vertragspartner gegenüber, der nicht innerhalb einer inzwischen abgelaufenen Frist von 30 Tagen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes seine Bereitschaft zu Neuverhandlungen erklären sollte, Exportgenehmigungen nach jenem amerikanischen Gesetz nicht mehr erteilt werden sollen.
Ich will dazu ausführen, daß wir wie auch andere Partner in der Europäischen Gemeinschaft bereit gewesen wären — natürlich bei Wahrung unserer Position in der Sache —, innerhalb jener 30-TageFrist den USA unsere Gesprächsbereitschaft mitzuteilen. Andere Partner innerhalb der Gemeinschaft waren dazu nicht bereit.
Bundesminister Genscher hat die in diesem Zusammenhang zu stellenden Fragen bei seinem kürzlichen Besuch in Washington mit der amerikanischen Regierung erörtert.
Von uns, übrigens auch von unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft, wird in den Diskussionen über diesen Komplex mit den Vereinigten Staaten das Folgende in den Vordergrund gestellt: Auf dem letzten, auf dem Londoner Weltwirtschaftsgipfeltreffen im Mai 1977 haben die Staats- und Regierungschefs die Einleitung einer internationalen Untersuchung des nuklearen Brennstoffkreislaufes beschlossen, einer Untersuchung, an der sich inzwischen 40 Staaten der Welt beteiligen. Die damals von den USA vom Präsidenten selbst anerkannte Voraussetzung für die Durchführung dieser Untersuchung ist, daß während der Dauer der Untersuchung keine neuen Maßnahmen getroffen werden dürfen, welche laufende Programme und bestehende Abkommen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie gefährden. Ich bin der Überzeugung, daß wir uns unter Berücksichtigung der bereits getroffenen Abmachung über die von mir erwähnte Untersuchung über die prozeduralen Fragen mit der amerikanischen Seite alsbald einigen werden. Wenn ich sage „wir", meine ich hier die Neunergemeinschaft: daß die Gemeinschaft sich mit den Amerikanern darüber bald einigen wird. Es geht hier um Gespräche unter Freunden und Verbündeten. Jedenfalls für uns besteht kein Grund, diese Angelegenheit zu dramatisieren.
Das andere wichtige Ereignis war die Tagung des NATO-Rats am Freitag letzter Woche. Die Beratungen im NATO-Rat, wenn ich das hier einflechten darf, sind seit einiger Zeit geprägt von der bei uns und bei unseren Verbündeten wachsenden Besorgnis über gewisse Verschiebungen des militärischen Kräftegleichgewichts zugunsten des Warschauer Pakts in Europa. Solange es nicht gelingt, das notwendige militärische Gleichgewicht durch Maßnahmenn der Rüstungskontrolle — wenn irgend möglich auf einem niedrigeren Niveau als bisher — zu gewährleisten, bleibt das Bündnis darauf angewiesen, durch militärische Anstrengungen im konventionellen, übrigens auch im nuklearen Bereich seine Sicherheit zu gewährleisten. Nur auf diese Weise werden die Regierungen der Mitgliedstaaten des Bündnisses der Verantwortung gerecht, die sie für die Sicherheit ihrer Völker tragen.
Diese Einsicht setzt sich keineswegs leichtfertig über den Schrecken hinweg, den jede der Waffen, die dabei notwendig sind, die aus politischer und militärischer Notwendigkeit heraus verfügbar sind, in sich trägt. Wir tun dies mit dem Ziel, unfriedliche Entwicklungen zu verhindern, die dazu führen können, daß diese Waffen zur gemeinsamen Verteidigung tatsächlich eingesetzt werden müssen.
Es ist seit anderthalb Jahrzehnten übereinstimmende Auffassung aller Bündnispartner, daß taktische Nuklearwaffen und ihre Modernisierung ein unverzichtbares Mittel sind, um das ansonsten zahlenmäßig überlegene militärische Potential des uns gegenüberstehenden Warschauer Pakts auszugleichen. Die Diskussionen um die sogenannten Neutronenwaffen gehören in diesen Zusammenhang.
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat am 7. April seine Entscheidung bekanntgegeben, „die Produktion von Waffen mit gesteigerter Strahlungswirkung aufzuschieben". Die endgültige Entscheidung über die Einführung von Elementen



Bundeskanzler Schmidt
mit gesteigerter Strahlungswirkung in die modernisierten in Europa vorhandenen Gefechtsfeldwaffen nuklearer Qualität soll erst später erfolgen.
Übrigens: Dieser Ausdruck „gesteigerte Strahlenwirkung" ist eine Übersetzung des gängigen amerikanischen Terminus enhanced radiation ins Deutsche. Deswegen werden die bei uns häufig Neutronenbombe oder Neutronenwaffen genannten militärischen Entwicklungen in Amerika auch als E. R. W., Enhanced Radiation Weapons oder Enhanced Radiation Warheads — ER-Waffen —, bezeichnet. Alle diese Bezeichnungen werden nebeneinander gebraucht. Sie meinen alle dasselbe.
Die Entscheidung Amerikas, die erst später erfolgen soll, soll durch das Maß beeinflußt werden, in dem die Sowjetunion Zurückhaltung in ihren konventionellen und nuklearen Waffenprogrammen und Streitkräftedislozierungen zeigt, soweit sie die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika und soweit sie die Sicherheit Westeuropas berühren.
Präsident Carter hat gleichzeitig das amerikanische Verteidigungsministerium angewiesen, mit der Modernisierung des Lance- und des 203-mm-Waffensystems fortzufahren. Lance ist eine relativ kurze Strecken abdeckende Rakete. Das 203-mm-Waffensystem ist eine Artilleriekanone der Heeresstreitkräfte.
Der Osten hat seit einigen Monaten eine große öffentliche Kampagne gegen die Produktion der ER-Waffen oder Neutronenwaffen und gegen deren mögliche Dislozierung in Europa gerichtet. Zu gleicher Zeit hat der Warschauer Pakt seinerseits neue weiterreichende nukleare Waffensysteme eingeführt.
Über die Fragen der sogenannten Neutronenwaffen oder ER-Waffen fanden seit Herbst letzten Jahres im- NATO-Rat, aber auch bilateral, Konsultationen statt. Die Bundesregierung hat dabei von Anfang an den Zusammenhang zwischen den ER-Waffen und den das Kräftegleichgewicht gefährdenden Disparitäten im konventionellen Bereich und in wachsendem Maße im nuklearen Mittelstreckenbereich hier in Europa gesehen. Die Bundesregierung hat deshalb frühzeitig eine rüstungsbegrenzungspolitische Nutzung der Option auf Neutronenwaffen vorgeschlagen.
Die wesentlichen Elemente unserer Haltung waren und sind:
Erstens. Die Bundesregierung hat sich schon zu Zeiten Bundeskanzler Adenauers feierlich zum Verzicht auf Atomwaffen verpflichtet Wir haben diese Verpflichtung mit unserer Ratifikation des Nichtverbreitungsvertrages bekräftigt. Eine Teilnahme an der Entscheidung eines Kernwaffenstaats über die Produktion z. B. von Neutronenwaffen, über die Produktion von nuklearen Waffen insgesamt würde der Bundesrepublik Deutschland, die kein Kernwaffenstaat ist, entgegen aller bisherigen Praxis eine Mitentscheidung über die Herstellung nuklearer Waffen zuweisen. Deshalb mußte und deshalb muß eine etwaige Produktionsentscheidung eine souveräne Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika bleiben. (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Formal ja!)

Das war übrigens auch noch niemals anders. Es gibt einige, von denen ich weiß, daß sie es gerne anders haben möchten. Ich möchte zu diesen nicht gehören; ich möchte auch im Verhältnis zu unseren westlichen Freunden und Verbündeten diesen Eindruck nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Zweitens. Nach einer etwaigen Produktionsentscheidung der USA sollten die sich bietenden Möglichkeiten zu Fortschritten bei Rüstungsbegrenzungsverhandlungen, insbesondere bis zur tatsächlichen Dislozierung der Neutronenwaffe, geprüft und solche Möglichkeiten in Verhandlungen sodann auch tatsächlich genutzt werden.
Drittens. Die Bundesregierung hat in den Konsultationen ihre Bereitschaft erklärt, dann die Lagerung von ER-Waffen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland zuzulassen, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach amerikanischer Produktionsentscheidung die westliche Seite deshalb auf die Dislozierung verzichtet, weil inzwischen entsprechende Resultate von Rüstungsbegrenzungsverhandlungen vorliegen. Bei diesem letzten Punkt ging die Bundesregierung ausdrücklich davon aus, daß in solchem Fall darüber ein gemeinsamer Beschluß im Bündnis herbeigeführt werden würde. Sie hat gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß die Dislozierung von ER-Waffen nicht allein auf deutschem Territorium erfolgen könnte.
Die in diesen drei Punkten, die ich Ihnen eben in Kürze zusammengefaßt dargetan habe, festgelegte Haltung hat die Bundesregierung frühzeitig formuliert, vor vielen Monaten, und sie hat daran bis heute festgehalten. Es gibt für mich keinen ersichtlichen Grund, diese Position zu verändern. Ich möchte betonen, daß sich die Bundesregierung bei ihrer Haltung zu den Fragen der rüstungsbegrenzungspolitischen Nutzung und bei den Fragen der Dislozierung von ER-Waffen grundsätzlich von der Erwägung leiten ließ, daß es sich hierbei um politische Entscheidungen des ganzen Bündnisses handeln muß.
An den Beratungen haben wir uns sowohl bilateral mit den Amerikanern und Engländern als auch natürlich und vor allem multilateral in den Gremien des Bündnisses intensiv beteiligt. Unser NATO-Botschafter hat eindeutige Weisungen ausgeführt, wie auch die übrigen hohen Repräsentanten dieses Staates einschließlich des Außenministers und des Bundeskanzlers in diesen Punkten sehr eindeutig waren, gegenwärtig sind und bleiben werden.
Bevor die laufenden Bündniskonsultationen über die Neutronenwaffen, über die ER-Waffen zu einem abschließenden Ergebnis gekommen waren, hat der amerikanische Präsident erkennen lassen, daß er die Frage der Produktionsentscheidung einer nochmaligen Prüfung unterziehen wolle. Ich selbst habe in einem Gespräch mit unseren amerikanischen Freunden am 31. März in Hamburg unsere unveränderte Situation vorgetragen, und ebenso hat Bundesminister Genscher sie am 4. April in Washing-



Bundeskanzler Schmidt
ton so dargelegt, wie eben referiert. So viel zum Hergang.
Nun ein Wort zur Bewertung. Die vom amerikanischen Präsidenten am 7. April getroffene Entscheidung hält Produktion, Einführung und Dislozierung von ER-Waffen in der Schwebe. Sie hält die Möglichkeiten einer abrüstungspolitischen oder besser gesagt: einer rüstungsbegrenzungspolitischen Nutzung der Neutronenwaffenoption bewußt und absichtlich offen. Sie schließt unabhängig davon eine weitere Modernisierung der hier vorhandenen nuklearen Waffen ein.
Die Bundesregierung begrüßt diesen Beitrag des amerikanischen Präsidenten zur Politik der Rüstungsbegrenzung auf der Welt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Bundesregierung teilt im übrigen die Auffassung Präsident Carters, daß die technologischen Möglichkeiten des Westens auch weiterhin erhalten und daß sie beim Ausgleich der in Europa bestehenden Disparitäten zwischen Ost und West optimal genutzt werden müssen. Wir können mit Genugtuung feststellen, daß sich auch in dieser schwierigen Frage, in diesem Komplex von Fragen Dialog und Konsultation im Bündnis bewährt haben.
Ich sagte Ihnen vorhin: auf einigen Gebieten macht uns die Zunahme der zahlenmäßigen Überlegenheit des Warschauer Pakts besorgt. Dies gilt für den Vorsprung bei der Zahl der Panzer wie auch für den Ausbau und die Verbesserung sowjetischer Mittelstreckenraketen und Mittelstreckenflugzeuge. Man muß auf der Seite der Warschauer-Pakt-Staaten zur Kenntnis nehmen, daß eine Übersteigerung ihres eigenen Sicherheitsstrebens zur Verunsicherung auf unserer Seite führen kann. Der Westen kann nicht bereit sein, sich mit dem bestehenden unbefriedigenden Zustand abzufinden.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb beteiligt sich die Bundesregierung im Rahmen der gemeinsamen Position der Allianz aktiv und initiativ an den Wiener MBFR-Verhandlungen. Sie hat im Juli vorigen Jahres eine NATO-Initiative zu MBFR angeregt, die der Intensität des westlichen Eintretens für die Verwirklichung der beiden Kernelemente von MBFR, nämlich Parität • und Kollektivität, entspricht. Diese Initiative wird in Wien in diesen Tagen gemeinsam durch die westlichen Partner und uns eingebracht werden.
Ebenso sind die SALT-Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion nach unserer Auffassung ein wichtiger Beitrag zur politischen Stabilisierung des Ost-West-Verhältnisses. Schließlich und endlich müssen ja der Entspannungsprozeß und der Entspannungswille auch im Verhältnis der militärischen Kräftepotentiale zum Ausdruck gebracht werden, insbesondere wenn sie dauerhaft vorherrschen sollen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Bundesregierung sieht in SALT eine Chance, im Wege eines fortlaufenden Prozesses eine Eindämmung der beiderseitigen Rüstungsanstrengungen der beiden Weltmächte zu erreichen. SALT berührt übrigens durch die Ausweitung der Verhandlungsgegenstände in zunehmendem Maße auch die direkten Sicherheitsbelange Europas. Wir vertrauen darauf, daß die europäischen Sicherheitsinteressen bei SALT gewahrt bleiben, und bauen darauf, daß sie durch enge Konsultationen mit den Vereinigten Staaten von Amerika gesichert werden. Wir halten es in dem Zusammenhang für wichtig, daß die im Mittelstreckenbereich bestehenden Disparitäten bei jenen Verhandlungen berücksichtigt werden.
Die Diskussion um Abrüstung, Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle findet in diesem Jahr nicht allein in SALT und nicht allein bei MBFR statt, sondern sie wird auch von einer Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen über Abrüstung mitbestimmt, die für das späte Frühjahr nach New York einberufen ist. Diese Sondergeneralversammlung über Abrüstung steht in starkem Maße- im Zeichen der Dritten Welt, die 1976 in Colombo die Initiative dafür ergriffen hat. Die Bundesregierung hat diese Initiative der Dritten Welt von Anfang an unterstützt. Wir hoffen,, daß die Sondergeneralversammlung wichtige Beiträge in Richtung auf eine weltweite Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Abrüstung erbringen kann. Wir wollen dort einen konstruktiven Beitrag zum Gelingen dieser Sondergeneralversammlung leisten. Ich werde deshalb Ende Mai vor der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen die Haltung der Bundesrepublik Deutschland zur Abrüstung und zur Rüstungskontrolle im einzelnen darlegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der Entschluß Präsident Carters, die Entscheidung über die Produktion von Neutronenwaffen aufzuschieben, kann neue Ansatzpunkte für die einvernehmliche Stabilisierung des Kräfteverhältnisses zwischen NATO und Warschauer Pakt mit dem Ziele gleicher Sicherheit schaffen. Es ist ein Signal für die Gegenseite, ihrerseits Bereitschaft zum Abbau oder zur Begrenzung ihres wachsenden Potentials zu zeigen.
Wir erwarten hier in Bonn in wenigen Wochen das sowjetische Staatsoberhaupt, Generalsekretär Breschnew, zu einem offiziellen Besuch. Ich freue mich darüber, daß dieser im Prinzip seit langem vereinbarte Besuch nunmehr verwirklicht werden kann. Ich betrachte den Besuch des sowjetischen Staatsoberhauptes als eine Bestätigung für meine Überzeugung, daß auch die Sowjetunion der Gestaltung der deutsch-sowjetischen Beziehungen eine große Bedeutung beimißt. Ich erwarte mir einen konstruktiven Meinungsaustausch nicht nur über unsere bilateralen Beziehungen, sondern auch über die Fragen der europäischen Entspannungspolitik und über aktuelle Probleme der Weltpolitik überhaupt. Ich habe die Zuversicht, daß ein solcher Meinungsaustausch dazu beitragen wird, den beiderseitigen Willen zur Fortsetzung der Entspannungspolitik zu dokumentieren und das gegenseitige Verständnis zu fördern.

(Beifall bei der SPD und der FDP)




Bundeskanzler Schmidt
In dem Augenblick, in dem wir hier miteinander sprechen, geht der Besuch des tschechoslowakischen Präsidenten, des Generalsekretärs Dr. Husak, in der Bundesrepublik Deutschland zu Ende. Ich habe in eingehenden Gesprächen den persönlichen Dialog mit Dr. Husak fortsetzen können, den wir vor drei Jahren gelegentlich der Schlußkonferenz in Helsinki begonnen haben. In seinen Gesprächen mit dem Bundespräsidenten, dem Außenminister, mit anderen, mit mir ist insgesamt die Entschlossenheit beider Seiten erkennbar geworden, den 1973 mit dem Vertrage eingeschlagenen Weg einer Ausweitung und Intensivierung der bilateralen Beziehungen konsequent fortzusetzen. Die von Präsident Husak und von mir unterzeichnete gemeinsame Erklärung und das von den beiden Außenministern unterzeichnete Kulturabkommen sind sichtbarer Ausdruck unseres gemeinsamen Bestrebens, gutnachbarliche Beziehungen zwischen unseren Staaten herzustellen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Zum Schluß: Ich begrüße den Entschließungsantrag, der von den Fraktionen der SPD und der FDP vorgelegt worden ist. Ich halte ihn für eine wertvolle Bekräftigung und Unterstützung der Haltung, welche die Bundesregierung eingenommen hat und welche sie weiterhin vertreten wird.
Der Entschließungsantrag der Opposition dagegen vereinfacht, er simplifiziert komplexe Problemstellungen

(Zurufe von der CDU/CSU)

in einer für die Wahrung unserer Sicherheitsinteressen unzulässigen Weise.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Formulierung, der Wortlaut des Entschließungsantrages der Opposition verfälscht im übrigen die Entscheidungen des Bundeskabinetts und des Bundessicherheitsrates.

(Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

Das letztere ist den Verfassern auch durchaus bekannt.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Das müßten Sie aber begründen! -Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?)

Besonders vermisse ich bei diesem Entschließungsantrag vollständig jegliche rüstungsbegrenzungspolitische Zielsetzung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die rüstungsbegrenzungspolitische Zielsetzung ist nun aber gerade der Kern der von Präsident Carter getroffenen Entscheidung. Idh kann keinen Sinn darin erkennen, unser Parlament in erklärten Gegensatz zur Politik unseres wichtigsten Verbündeten setzen zu wollen.

(Beifall bei der SPD und der FDP Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das ist eine Perversion des Denkens! Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist eine Verleumdung!)

Ich muß, Herr Präsident, in diesem Zusammenhang die Betroffenheit und die Sorge erwähnen, welche der Wortlaut von Ausführungen des Abgeordneten Strauß in einem Interview in der „Welt" in mir hervorgerufen hat; die gleichen Ausfälle sind ja jetzt im „Bayernkurier" erneut verbreitet worden. Wer es fertigbringt, in einem einzigen Satz zwei Staatsoberhäupter, die der USA und der Sowjetunion, zu verunglimpfen, und wer dann schließlich das Verhalten der Bundesregierung als „verlogen" bezeichnen läßt, der verliert den Anspruch, als Gesprächspartner für seriös gehalten zu werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Beifall bei der FDP)

Das gilt sowohl hier im Parlament als auch für die Außenpolitik. Er verletzt deutsche Interessen.

(Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : Sagen Sie einmal ein Wort zu Herrn Bahr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Solch maßloser Polemik fehlt jegliche sachliche Berechtigung.

(Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist so fest verankert, daß ihr tagespolitische Meinungsverschiedenheiten, zu denen es bei bester Zusammenarbeit immer auch wieder kommen kann, nichts anhaben können.

(Erneuter Beifall • bei der SPD und der FDP — Lemmrich [CDU/CSU] : Dazu haben Sie mit Ihrer Kritik an der amerikanischen Politik im Vietnam-Krieg beigetragen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich habe jüngst hier festgestellt: Das Fundament unserer Freundschaft sind die geschichtlichen, die geistesgeschichtlichen und die menschlichen Bindungen sowie die weitgehende Identität unserer politischen und sozialen Wertvorstellungen. Daraus ergibt sich: Der deutsch-amerikanische Konsensus ist breit und tief fundiert; er ist nicht zu erschüttern. Er ist ein Element der politischen Stabilität, mit dem die Welt fest rechnet und mit dem sie rechnen kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Gute deutschamerikanische Beziehungen waren und bleiben eine der wichtigsten Grundlagen unserer Existenz als eines freien Gemeinwesens. Das gilt auch für Berlin.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Diese Freundschaft vor leichtfertiger Beeinträchtigung zu schützen, halte ich seit Jahrzehnten für meine Aufgabe. Dies ist ebenso die Haltung der Bundesregierung. Auch die Opposition sollte diese Einschätzung nicht gefährden, sondern sie gemeinsam mit uns beherzigen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808300200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kohl.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0808300300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, die wir soeben hör-



Dr. Kohl
ten, brachte im wesentlichen einen Überblick und eine Sammlung über viele längst bekannte Vorgänge der letzten Monate. Der Beifall, den Sie fanden, Herr Bundeskanzler, war ja auch bemerkenswert: Ihre eigene Fraktion hat nur dort geklatscht, wo Sie den politischen Gegner beschimpft haben. Zur Sache war nichts weiter von Ihrer Seite zu erwarten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, man gewinnt den Eindruck, daß die Aufzählung vieler längst bekannter Ereignisse — zum Teil ohne jede Wertung — vor allem den Zweck hat, vom eigentlichen Thema dieser heutigen Debatte abzulenken, von dem Thema Neutronenwaffe, von dem Thema Verhalten der Bundesregierung im Zusammenhang mit den deutschamerikanischen Beziehungen in den letzten Monaten. Ich will mich deswegen diesem Thema zuwenden, weil dies das Thema ist, das unsere Mitbürger bewegt und das auch aus gutem Grunde — dieser Grund liegt vor allem in Ihrer Politik, Herr Bundeskanzler — im Ausland enorme Bedeutung gewonnen hat.
Herr Bundeskanzler, es ist Ihre Aufgabe, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Ihre Regierungserklärung hat bewiesen, daß es Ihnen im Augenblick zunächst nur noch darum geht, bereits angerichteten Schaden einzugrenzen. Ihre Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, kommt zu spät, denn in diesem Hause wurde im zurückliegenden Jahr immer wieder über AuBen- und Sicherheitspolitik diskutiert. In diesen Debatten fand sich auch immer die Neutronenwaffe im Mittelpunkt des Geschehens. Es wäre für die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gut gewesen, wenn Sie in diesen Monaten klar und deutlich und mutig und mannhaft Ihre Haltung und die Haltung Ihrer Regierung deutlich gemacht hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben geschwiegen, Herr Bundeskanzler — nicht aus jenen Gründen, die Sie heute hier vorgetragen, sondern wegen des inneren Zustandes Ihrer eigenen Partei, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Unerhörte Unterstellung! „Schaden abwenden", Herr Kohl!)

— Herr Kollege Wehner, Sie wissen doch so gut wie ich: Sie haben geschwiegen, wie auch in anderen wichtigen Fragen — wir beraten heute noch abschließend die Gesetzgebung zum Terrorismus —, weil Sie Angst um den Machterhalt und Angst vor den Linken in der eigenen Partei haben müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, was muten Sie uns eigentlich zu, wenn Sie uns in Ihrem Schlußappell zur hier vorgelegten Resolution der CDU/CSU bezichtigen, die deutschen Interessen nicht hinreichend zu vertreten?

(Wehner [SPD] : Das war sehr richtig gesagt!)

Herr Bundeskanzler, hätten Sie in den letzten Monaten mehr Mut bewiesen, wäre es dem amerikanischen Präsidenten Carter leichter gefallen, die notwendige Entscheidung zu treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben auch in Ihrer Funktion als stellvertretender Vorsitzender der SPD

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Ist er das wirklich?)

jenen in Ihrer Partei das Wort überlassen, die schon nach der ersten Diskussion in der amerikanischen Presse die Neutronenwaffe zu einem Gegenstand öffentlicher Polemik in der deutschen Innenpolitik gemacht haben. Sie tragen damit Mitverantwortung dafür, daß die Diskussion über die Neutronenwaffe eine Dimension erhielt, die weder dem Gegenstand angemessen noch dem Atlantischen Bündnis und den amerikanisch-deutschen Beziehungen im besonderen dienlich sein konnte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, wenn Sie es heute für erforderlich gehalten haben, die Notwendigkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zu unterstreichen, so sagt dies mehr über den tatsächlichen Zustand der deutschamerikanischen Beziehungen aus, als Sie der deutschen Offentlichkeit glauben machen wollen. Auch die Aktivität, der Verleumdungsfeldzug aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei gegen die Opposition können über diese Tatbestände nicht hinwegtäuschen. Meine Damen und Herren, denjenigen, der die jüngste deutsche Geschichte miterlebt und mitgestaltet hat, berührt es mehr als eigenartig, wenn gerade Sie von der SPD CDU und CSU des Antiamerikanismus bezichtigen wollen. Das nimmt Ihnen nicht ein einziger in der deutschen Offentlichkeit ab. Sie wissen selbst, wie töricht dieser Vorwurf ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Wie war das mit dem Zaren?)

— Ich komme noch darauf, Herr Kollege Wehner, obwohl Sie beim Begriff des Zaren viel mehr Assoziationen verspüren müßten als ich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Wehner, zu einer Zeit, als Sie in der Antiatomtddkampagne die Straße mobilisierten,

(Liedtke [SPD]: Was ist das?)

in einer Zeit, als Sie nationalistische Gefühle hochpeitschten, sind CDU und CSU unter der Führung Konrad Adenauers für das Bündnis, für die Partnerschaft, für die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten eingetreten. Den Nachholbedarf vor der deutschen Geschichte haben Sie und nicht wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben unsere Freundschaft und Bündnistreue zu den Vereinigten Staaten in einer Zeit unser Beweis gestellt, als Sie noch in heftigster Weise gegen die Politik der Westintegration, gegen den Eintritt in die Atlantische Allianz kämpften. Aber nicht nur zu diesem Zeitpunkt, sondern noch in den letzten Jahren haben Sie doch aus dem Antiamerikanismus billiges politisches Kapital schlagen wollen. Ich



Dr. Kohl
denke beispielsweise an das Verhalten führender Repräsentanten Ihrer Partei während des Vietnamkrieges. Damals waren es doch Sie von der SPD, die die Diffamierungskampagne gegen die amerikanische Politik in der Bundesrepublik tatkräftig unterstützt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU Wehner [SPD]: Fehlt bloß noch der Vorwurf der Dolchstoßlegende!)

— Herr Kollege Wehner, wenn es um die Erfindung von Legenden geht, sind Sie unbestreitbar der Meister dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Das ist ja gut! Wenigstens in einem Punkte!)

Warum soll ich mich in einer solchen Lage mit Ihnen messen wollen? Die Tatsache, daß Sie heute wieder so unentwegt auf Ihre Weise in die Debatte eingreifen, zeigt doch, wie unbequem Ihnen das Thema ist, das wir gegenwärtig behandeln.

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Herr Bundeskanzler, dazu noch ein offenes Wort. Wenn Sie in diesem Zusammenhang in der Ihnen eigenen Weise hier wieder öffentlich Rügen erteilen und andere abkanzeln, muß ich Sie fragen: Was denken Sie sich eigentlich, wenn Sie solche Äußerungen mit diesem Pathos wie eben gegenüber Franz Josef Strauß vortragen?

(Liedtke [SPD]: Pflichtverteidiger!)

Herr Bundeskanzler, lesen Sie eigentlich oder lassen Sie wenigstens deutsche und internationale Zeitungen lesen? Lesen Sie doch bitte die neueste Nummer der „Time". Dort werden Sie all das aufgelistet finden, was in den Vereinigten Staaten über Ihre Unfreundlichkeiten gegenüber dem amerikanischen Präsidenten und der amerikanischen Administration berichtet wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist doch schon ganz erstaunlich, wenn ein Mann wie der Bundeskanzler Helmut Schmidt, der sich ohne jede Not in den amerikanischen Wahlkampf einmischte, hier andere rügt,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

ein Mann, der schon vor der Entscheidung der amerikanischen Wähler den Amerikanern signalisierte, welchen Präsidenten er haben möchte,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

der bei jeder nur denkbaren Gelegenheit im Inland und Ausland in Wort und Schrift — schauen Sie doch einmal Ihre gesammelte Briefsammlung in diesem Zusammenhang an, Herr Bundeskanzler — unseren Partnern mitteilt, was er, der Meister aller Dinge, dazu zu sagen hat. Herr Bundeskanzler, wenn Sie dann kommen und andere rügen, ist das weder überzeugend noch glaubwürdig. Ich bin dafür, daß Sie Ihren für unsere deutschen Interessen dringend erforderlichen Beitrag zur Bereinigung auch mancher persönlichen Auseinandersetzung im Ausland. leisten. Überlassen Sie es anderen, ihrerseits dasselbe zu tun. Das ist das, was in diesem Zusammenhang zu sagen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

— Herr Kollege Wehner, ich bin Ihnen für den Zwischenruf dankbar.

(Wehner [SPD]: Sehr gut!)

Herr Kollege Wehner, Franz Josef Strauß hat für die deutsch-amerikanische Freundschaft schon gekämpft, als Sie sich noch sehr überlegten, wie Sie die Dinge steuern wollen. Auch das gehört in diesen Zusammenhang.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

Es ist unter Freunden nicht nur möglich, sondern gelegentlich nötig, Meinungsverschiedenheiten auszutragen. Das ist im privaten Leben nicht anders als im Leben der Völker. Nur, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Amtszeit haben diese Auseinandersetzungen drastisch zugenommen: vom Brasilien-Abkommen angefangen über die Menschenrechtsfrage bis hin zu den währungs- und sicherheitspolitischen Differenzen unserer Tage.
Wir, die CDU/CSU, als Opposition haben nie gezögert, Ihnen und der Bundesregierung in wichtigen Fragen, die auch die nationale Gemeinsamkeit berühren, auch gegenüber der amerikanischen Regierung Unterstützung zu geben, wenn es darum ging, zentrale deutsche Interessen wie die Nuklearversorgung oder den Brasilien-Vertrag entscheidend zu unterstützen. Wir haben dabei nie einen Zweifel aufkommen lassen, daß die Freundschaft und die enge Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten als Grundlage unserer Außen- und Sicherheitspolitik unverzichtbar bleiben. Daran werden wir wie in der Vergangenheit auch in Zukunft jede Entscheidung Ihrer Regierung im Verhältnis zu den USA und in der Gesamtpolitik messen. Wer die Freundschaft und die Partnerschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten in Frage stellt, gefährdet die wichtigsten Fundamente unserer Freiheit und die Sicherheit nicht nur der Bundesrepublik, sondern auch des ganzen freien Europas.

(Zuruf von der SPD)

Freundschaft und Partnerschaft sind aber im Verhältnis zweier Staaten keine schlichte Selbstverständlichkeit. Auch und gerade freundschaftlich partnerschaftliche Beziehungen bedürfen der Pflege und der gegenseitigen Aufmerksamkeit.
Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Partei, die SPD, müssen sich angesichts der aktuellen Belastung der deutschamerikanischen Beziehungen nach Ihrer auch sehr persönlichen Verantwortung für diese Entwicklung fragen lassen. Es ist die Frage zu stellen: Wo bleibt Ihr Konzept für die Stabilisierung und Fortentwicklung des Atlantischen Bündnisses?
Die Diskussion um die Neutronenwaffe beinhaltet doch mehr als die Auseinandersetzung um ein einzelnes Waffensystem. Sie berührt im Kern den Inhalt unserer gemeinsamen Verteidigungsstrategie.




Dr. Kohl
Der Schaden, den die Herren Brandt, Bahr und andere führende Mitglieder Ihrer Partei, Herr Bundeskanzler, mit ihrer Irreführung der Offentlichkeit über die Neutronenwaffe verursacht haben, •

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : So ist es!)

liegt doch gerade darin, daß sie letztlich mit dieser Diskussion eine verantwortungsbewußte, nüchterne Entscheidung verhindert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das klar auch für meine Fraktion aussprechen:

(Wehner [SPD] : Das würde mich wundern!)

Wir haben durchaus Respekt vor denen, die die Diskussion über die Neutronenwaffe zum Anlaß genommen haben, um sich die unmenschliche Vernichtungswirkung aller Kernwaffen erneut bewußtzumachen und nach Auswegen suchen. Wir nehmen die Frage der Abrüstung und der Rüstungskontrolle, Herr Bundeskanzler, sehr ernst.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Wovor ich keinen Respekt habe, ist die Haltung führender Politiker der Sozialdemokratie, die seit Jahr und Tag die Politik der atomaren Abschreckung als die Grundlage militärischer Sicherheit im Ost-West-Verhältnis bejaht und öffentlich vertreten haben und hier jetzt im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neutronenwaffe plötzlich erklären, hier würden die menschlichen Werte auf den Kopf gestellt. Meine Damen und Herren, wer dies als Politiker tut, führt die Offentlichkeit wider besseres Wissen in die Irre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Obwohl Sie dies alles wußten, Herr Bundeskanzler, haben Sie beredt dazu geschwiegen. Es ist zu spät, wenn Sie erst heute auf den Zusammenhang mit den wachsenden Ungleichgewichten im Kräfteverhältnis in Mitteleuropa hinweisen. Die Kampagne Ihrer Partei, der SPD, unter Anführung von Brandt und Bahr hat dazu geführt, daß der Westen möglicherweise auf eine wirkungsvolle Verstärkung seines Abschreckungspotentials gegenüber der konventionellen Überlegenheit des Warschauer Pakts
verzichten muß.
Gerade Sie, Herr Bundeskanzler, als langjähriger Verteidigungsminister wissen dies ganz genau. Ihre Ausführungen hätten diesen Schaden für unsere Sicherheitsinteressen verhindern können, wenn Sie mit uns gemeinsam — hier gibt es die Notwendigkeit der Gemeinsamkeit der Demokraten zur Verteidigung der Freiheit in Deutschland — dies in den letzten Monaten mit Mut und Entschiedenheit getan hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Recht verweisen Sie heute auf das Kommuniqué der Ministertagung des Verteidigungsplanungsausschusses vom 6./7. Dezember des letzten Jahres in Brüssel. Dort wird unmißverständlich darauf verwiesen, welche Bedrohung von der militärischen Schlagkraft des Warschauer Pakts ausgeht. Ich darf zitieren:
In diesem Zusammenhang zeigten sich die Minister besorgt über das unverminderte Tempo der Rüstungsanstrengungen des Warschauer Pakts ...
Sie stellten fest, daß die militärische Schlagkraft der Streitkräfte des Warschauer Pakts weit 'über das zur Verteidigung erforderliche angemessene Maß hinaus verstärkt wird ...
Die Minister äußerten ihre Besorgnis darüber, daß die Lücke in der konventionellen Schlagkraft zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt nach wie vor wächst.
Herr Bundeskanzler, warum haben Sie dieses Zitat heute nicht in Ihre Regierungserklärung aufgenommen?
Ein Weiteres: Kann ich davon ausgehen, daß Sie während des Besuches von Herrn Breschnew auch über diese Fragen mit ihm sprechen werden?
Am 15. September 1977, wiederum nur vor wenigen Monaten, hat der amerikanische Verteidigungsminister Brown in diesem Zusammenhang auch eine interessante Erklärung abgegeben. Er sagte:
Jedenfalls hält der Sowjetblock seine Kapazität
für einen Großangriff auf Westeuropa bei und
ist weiterhin bestrebt, sie zu verbessern . .
Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, daß die mächtigen Streitkräfte des Paktes, die in Osteuropa bereits aufgestellt sind, ohne Verstärkung und nahezu ohne taktische Warnung mitten in einer Ost-West-Krise angreifen.
Kein Geringerer als der amerikanische Präsident Carter hat diese Einschätzung der Lage in einer sehr wichtigen Rede vor der Wake-Forest-Universität am 17. März — wiederum vor wenigen Tagen — aufgenommen. Carter sagte:
Diese Truppen (des Warschauer Paktes) könnten zur politischen Erpressung benutzt werden und unsere lebenswichtigen Interessen bedrohen, sofern wir und unsere verbündeten Freunde nicht unsere eigene konventionelle Stärke als Gegengewicht verfügbar haben.
Präsident Carter sprach dabei ausdrücklich von der Notwendigkeit, „konventionelle und nukleare Streitkräfte miteinander (zu) verbinden, damit kein Aggressor das Territorium der Freiheit bedrohen kann".
Dies allein, meine Damen und Herren — und gar nichts anderes —, ist der Zusammenhang, in dem die Frage der Neutronenwaffe entschieden werden muß.
Ich darf Sie selbst, Herr Bundeskanzler, zitieren. Sie sprachen — wiederum vor wenigen Monaten — im Oktober des vergangenen Jahres in einer bemerkenswerten Rede in London „von der wachsenden Bedeutung der Disparitäten auf nukleartaktischem und konventionellem Gebiet zwischen Ost und West". Meine Damen und Herren von der SPD- und FDP-Fraktion: Warum haben Sie dieses Zitat Ihres Regierungschefs nicht in Ihren Entschließungsantrag aufgenommen? Das ist doch eine ganz andere Sprache. Diese Sprache muß von Ihnen hier im



Dr. Kohl
Bundestag und nicht nur auf einer Konferenz in London gesprochen werden!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, Sie selbst haben im Zusammenhang mit diesen Ausführungen, die ich zitierte, die Neutronenwaffe ausdrücklich in diesen Zusammenhang gestellt. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, können dieser Einschätzung voll zustimmen. Wir werfen Ihnen aber vor, daß Sie es trotz besserer Einsicht unterlassen haben, gegen die öffentliche Kampagne Ihrer eigenen Partei, der SPD, einzuschreiten. Ihr Schweigen war unverantwortlich. Es hat unseren nationalen Sicherheitsinteressen geschadet, weil es dem Präsidenten der Vereinigten Staaten die Beurteilung der Haltung der europäischen Verbündeten — hier vor allem der Bundesrepublik — nachteilig erschwert hat.

(Beifall bei 'der CDU/CSU)

Lassen Sie mich noch ein Zitat, das im amerikanischen Senat gerade in diesen Tagen zunehmend an Bedeutung gewinnt, zitieren. Wie dringend der amerikanische Präsident auf klare europäische Meinungen und Stellungnahmen angewiesen war und ist, zeigt die Stimme des Verteidigungsexperten im amerikanischen Senat, des Senators Sam Nunn, der doch sehr zu Recht erklärt hat:
Wir haben keine Verwendung für diese Waffe im Pazifik oder anderswo, außer in Westdeutschland. Wenn wir die Waffe nicht in Deutschland für die NATO bereithalten können, haben wir überhaupt keinen Grund, sie herzustellen. Präsident Carter hat völlig recht: Warum sollen wir etwas bauen, wenn wir es nicht gebrauchen können?
Wer sich gegen diese Waffe entscheidet, der gibt uns das Signal, daß unsere NATO-Verbündeten sich gegen die Modernisierung unserer atomaren Abschreckung sträuben.
Senator Nunn ist heute ein Mann, der im Zusammenhang mit unserem Thema für die Schlußentscheidung von größter Bedeutung ist.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : So ist es!)

Herr Bundeskanzler, hätten Sie klar gesprochen, hätten Sie die Linken in Ihrer eigenen Partei, einschließlich des Parteivorsitzenden Willy Brandt, in ihre Schranken gewiesen, dann hätten Sie — mit einer breiten Unterstützung der Bürger der Bundesrepublik Deutschland — im Sinne der Aufforderung des Senators Nunn gehandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, unmittelbar nach Ihrer Rückkehr aus den Vereinigten Staaten im Juli des vergangenen Jahres — das war doch kein Zufall — hat der Bundesgeschäftsführer der SPD, Herr Egon Bahr, im Zentralorgan der SPD, im „Vorwärts", die Neutronenbombe als Symbol der Perversion des Denkens bezeichnet.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, er hat diese Meinung
auf dem SPD-Parteitag in Hamburg im November
bekräftigt. Sie, Herr Bundeskanzler, haben zu all
dem geschwiegen. Sie haben zugelassen, daß der gleiche Herr Bahr der Opposition Gier nach Atomwaffen vorgeworfen hat.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, dieser ungeheuerliche Vorwurf beweist doch nur eines: daß es den maßgeblichen Repräsentanten der SPD überhaupt nicht mehr daran gelegen ist, in so zentralen Fragen der nationalen Existenz, der Verteidigung der Freiheit ein Gespräch zwischen demokratischen Parteien zu ermöglichen. Sie wollen Brücken zerstören.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, hier drängt sich natürlich noch eine andere Frage auf. Angesichts Ihrer Minimehrheit, angesichts der Tatsache, daß Sie jede Stimme in monatelangem Bemühen zusammenbringen müssen, um dann triumphierend zu sagen: „Ich bin noch einmal davongekommen", sollten Sie sich doch einmal fragen, ob das, was Bahr, Brandt und andere getan haben, was als ein Stoß gegen die Opposition erscheint, nicht letztlich ein Stoß gegen Sie und Ihre Politik ist. Denn es gibt doch zwischen diesen Politiken offensichtlich gar keine Gemeinsamkeit mehr. Die einzige Gemeinsamkeit, die Sie noch demonstrieren — heute mittag wieder —, ist doch, dranzubleiben. Das ist die Gemeinsamkeit, in der Sie sich wirklich einig sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wissen doch so gut wie ich, daß das Tun der Herren Brandt, Bahr und anderer der Bundesrepublik Deutschland, dem Bündnis und der deutschamerikanischen Freundschaft überhaupt nichts nützt. Es hat in Wahrheit nur der Sowjetunion und ihren Verbündeten genützt. Es kann auch niemand überraschen, daß die Sowjetunion sehr rasch die Kampagne aus der SPD gegen die Neutronenwaffe für ihre eigenen Interessen einsetzt, und zwar weltweit. Die Sowjetunion ist sich natürlich längst der Bedeutung taktischer Kernwaffen für die westliche Allianz bewußt. Es liegt ausschließlich im sowjetischen Interesse, diesen Bestandteil der westlichen Abschrekkung auszuschalten. Moskau weiß sehr genau, daß die Neutronenwaffe ein außerordentlich wirksames Mittel gegen die massierte, gänzlich unbestrittene sowjetische Panzerüberlegenheit sein kann. Genau-sowenig haben die Sowjets ein Interesse daran, ihr eigenes Potential an Mittelstreckenraketen vom Typ SS 20, das zentral auf Mitteleuropa, auf uns, gerichtet ist, in eine Abrüstungsdiskussion einzubeziehen. Es konnte deshalb — Sie können es doch nachlesen — für die weltweite Kampagne der Sowjetunion gegen die Neutronenwaffe keinen willkommeneren Kronzeugen geben als den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei und Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale, Willy Brandt,

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : So ist es!)

als den Architekten der Ostpolitik der Regierungskoalition, Egon Bahr.
Zu alledem haben Sie, Herr Bundeskanzler, geschwiegen,

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Heute auch wieder!)




Dr. Kohl
obwohl doch all dies die Glaubwürdigkeit Ihrer eigenen Politik in Zweifel zieht. Ja, Sie sind sogar in einer Lage, in der Sie sich hier in einer Pflichtübung von eigenen Überlegungen, die Sie doch im Zusammenhang mit der Neutronenwaffe angestellt haben und die nicht falsch, sondern richtig sind und die unsere Unterstützung finden, öffentlich distanzieren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben dazu geschwiegen, als die sowjetische Presse damit begann, den Vizekanzler, Ihren Koalitionspartner und Außenminister, im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neutronenwaffe zu beschimpfen. Sie haben geschwiegen, obwohl Sie doch damit rechnen mußten, daß die Sowjetunion nach all den Erfahrungen, die wir gemacht haben, die deutsch-amerikanischen Schwierigkeiten als Schwäche und für sich als Chance zu weiterem Handeln nutzen wird.
Meine Damen und Herren, es war allein die CDU/ CSU, die mehrfach im Bundestag und in einer einstimmigen Erklärung der Fraktion am 21. Februar dieses Jahres eine klare, eindeutige Position zur Neutronenwaffe als Element sowohl der Abschrekkung als auch der Friedenssicherung bezogen hat.
Sie, Herr Bundeskanzler, verstecken sich heute in Ihrer Regierungserklärung hinter der Formel — und es wird auch noch Konrad Adenauer bemüht —, nur der amerikanische Präsident könne über die Produktion entscheiden. Kennen Sie eigentlich jemanden hier in diesem Hause, der diesen Tatbestand in Zweifel gezogen hat? Führende Mitglieder Ihrer Partei haben doch in diesen Monaten immer in einer Weise lauthals gegen diese Waffe polemisiert, als läge die Entscheidung in Europa.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808300400
Warum haben Sie geschwiegen? Ich will Ihnen die Antwort geben, in jener Form, aus jenem Blatt, 'das Sie hier so gerne zitieren: weil — so hat „Die Zeit" geschrieben — „Sie Angst vor den Linken hatten" .

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das war- doch jedem klar und nicht zuletzt Ihnen und dem Außenminister, daß diese ganze Kampagne auch auf die recht schwierige öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten nicht ohne Wirkung war. Präsident Carter stand von Anfang an vor einer schwierigen Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Die europäischen Bündnispartner und Sie an der Spitze haben ihn bei dieser Entscheidung in der Offentlichkeit weitgehend im Stich gelassen. Sie haben damit die Entscheidungsfindung erschwert, obwohl hier nicht nur amerikanische, sondern in gleichem, vielleicht sogar noch in stärkerem Maße nationale Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland berührt sind. Dies war die der Offentlichkeit bekannte Lage bis zur vergangenen Woche.
Als sich die Nachrichten verdichteten, Präsident Carter wolle auf die Produktion der Neutronenwaffe verzichten, brach innerhalb der Bundesregierung eine große Hektik aus. Wir wurden jetzt auch informiert und in den Stand gesetzt, wenigstens einige der Überlegungen nachzuvollziehen. Das alles wurde verständlicherweise mit dem Hinweis gesagt, daß diese Tatsachen streng geheim seien. Ich kann dennoch darüber reden, weil das, was als streng geheim erklärt wurde, in den letzten Tagen fast alles in nationalen oder internationalen Presseorganen nachzulesen war. Nach diesen Berichten, meine Damen und Herren, soll der Bundessicherheitsrat am 20. Januar und am 14. März unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers die Dislozierung der Neutronenwaffe auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befürwortet haben. Sie verstehen sicher die Frage, Herr Bundeskanzler, die einem dann durch den Kopf schießt: Haben Sie das im Wege der klassischen Kabinettsdiplomatie des frühen 19. Jahrhunderts gemacht, und Ihre eigene Partei nicht informiert? Das wäre ein bemerkenswerter Vorgang in einer politischen Gruppierung, die unentwegt mehr Demokratie wagt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Oder, Herr Bundeskanzler, Sie haben Herrn Brandt informiert. Dann stellt sich doch gegenüber Herrn Brandt die Frage: Was ist das für eine politische Schizophrenie, wenn der Bundessicherheitsrat so entscheidet und Brandt, Bahr und andere den Eindruck erwecken, als hätten sie mit dieser Entscheidung überhaupt nichts zu tun? Ich bin nicht dafür, meine Damen und Herren — das ist ja eine der großen Gefahren, die man überall in der SPD-Filzokratie mit Händen greifen kann —, daß Staat und Partei eins sind. Aber daß die Regierung wenigstens noch in etwa Informationskontakte zur eigenen Fraktion unterhält, scheint mir doch notwendig zu sein. Wie eine Reihe von Kollegen, Verteidigungsexperten — ich will die Namen gar nicht nennen, weil das vielleicht Heiterkeit erwecken könnte —, bis in die letzten Tage hinein zu diesen Themen sprachen, das war entweder unbedarft, fern von jeglicher Information

(Wehner [SPD] : Wie Sie von der SPD sprechen!)

oder, Herr Kollege Wehner, bösartig in der Täuschung der deutschen Offentlichkeit. Es gibt nur diese Alternativen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Das sind Ostereier eines verspäteten Osterhasen!)

Herr Kollege Wehner, Herr Kollege Brandt, entweder haben diese Kollegen keine Informationen gehabt,

(Wehner [SPD]:. Dann holen Sie sie nach!)

dann haben sie mildernde Umstände. Oder sie haben Informationen gehabt, dann haben sie bewußt
die deutsche Offentlichkeit und ihre eigenen Parteifreunde und -anhänger getäuscht. Das ist die Feststellung, die hier zu treffen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir hören weiter, der Herr Bundesaußenminister soll bereits im Januar, also noch vor diesem letztgenannten Termin, seinem amerikanischen Kollegen die Zustimmung der Bundesregierung signalisiert haben. Wir hören und lesen: Der Bundeskanzler soll dem Vizeaußenminister der Vereinigten Staaten, Christopher, nachdrückliche Bedenken gegen eine



Dr. Kohl
mögliche negative Entscheidung von Präsident Carter vorgetragen haben. Wir lesen und hören: Der Bundesaußenminister soll auf seiner Blitzreise nach Washington noch einmal die positive Haltung der Bundesregierung zur Neutronenwaffe übermittelt und vor einem Nein, einem Produktionsstopp, gewarnt haben.
Meine Damen und Herren, die „Herald Tribune" hat es schlicht unid einfach damit kommentiert, daß sie sagte: Dies alles kam zu spät. Ich will nicht glauben, daß dies so richtig ist. Aber, Herr Bundeskanzler, wenn es nicht zu spät kommen soll, ist doch heute der späteste Zeitpunkt gekommen, an dem Sie hier von diesem Pult — was immer in Ihrer Fraktion gesagt wird — etwas entschiedener Ihre doch offenkundige Position in dieser Frage — wenn ich es recht interpretiere — deutlich machen.
Lassen Sie sich doch bitte nicht in dieser Frage nationaler Existenz, der Freiheitssicherung und der Friedenssicherung im Blick auf die Abrüstungsgespräche von der Überlegung leiten, ob alle aus Ihrer Fraktion zustimmen. Das ist für einen Regierungschef ein legitimes Denken. Ich lehne dies nicht ab. Nur: Es gibt doch Situationen, wo Sie den Mut haben sollten, auch über die Grenzen Mehrheiten zu finden — und Sie können sie doch finden, wenn Sie unsere Entschließung betrachten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, was sich offenkundig — und ich rüge das nicht; ich will es deutlich loben — auf diplomatischer Ebene vollzogen hat, muß doch hier im Bundestag eine öffentliche Entsprechung in der Erklärung des Kanzlers finden. Ihre Regierungserklärung schweigt sich zu diesem Thema im wesentlichen aus. Zu deutlich ist der Widerspruch zwischen der Haltung Ihrer Regierung zur Neutronenwaffe, lierr Bundeskanzler, und der öffentlichen Antikampagne der eigenen Partei.
Die CDU/CSU-Fraktion bejaht mit Nachdruck Verhandlungen über gegenseitige und ausgewogene Abrüstung und Rüstungskontrolle. Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß bei solchen Verhandlungen keine Ebene der Waffensysteme ausgeklammert werden darf, insbesondere auch nicht die sowjetische Mittelstreckenrakete SS 20, die zentral auf Mitteleuropa gerichtet ist.
Sie, Herr Bundeskanzler; haben mit Recht und wiederholt darauf hingewiesen, daß die Neutronenwaffe als Gegenstand von Rüstungsbegrenzungsverhandlungen nur dann tauglich sei, wenn die Entscheidung für die Produktion erfolgt sei. Das ist ganz einfach logisch; denn wenn ich über einen Gegenstand nicht verfügen kann, kann ich ihn auch nicht in Verhandlungen einführen.

(Widerspruch bei der SPD)

— Sie mögen anderer Meinung sein. Aber die Logik ist Gott sei Dank etwas, was jenseits von Parteipolitik liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Verhandlungen mit der Sowjetunion können nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die
Sowjetunion — und, Herr Bundeskanzler, diesen Kernsatz müssen Sie doch auch bekräftigen; Sie müssen dazu Stellung beziehen, hier und heute — unmißverständlich weiß, daß im Falle des Scheiterns der Rüstungskontrollverhandlungen der Bau — das ist zunächst die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten — und die Dislozierung — und das ist unsere Entscheidung — der Neutronenwaffe in der Bundesrepublik Deutschland und in Mitteleuropa definitiv erfolgt. Wenn Sie diese Voraussetzungen nicht haben, brauchen Sie gar nicht in die Verhandlungen zu gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Demgegenüber — und darüber, meine Damen und Herren, sind Sie uns und dem deutschen Volk eine Antwort schuldig — hat Herr Bahr, der Bundesgeschäftsführer der SPD, vor wenigen Monaten auf Ihrem Parteitag in Hamburg erklärt:
Dieser Parteitag will mit seiner gesamten Diskussion die Einführung der Neutronenwaffe in der Bundesrepublik Deutschland verhindern.
Mit diesem erklärten politischen Willen ist doch die Voraussetzung und der Wert der Verhandlung im vorhinein zerstört worden.
Jetzt, Herr Bundeskanzler, frage ich mich: Was ist eigentlich in Ihnen vorgegangen — ich beziehe mich auf viele Berichte deutscher Zeitungen aus jenen Tagen —, daß Sie auf dem Parteitag nicht nur geschwiegen haben — das sind wir inzwischen gewöhnt —, sondern nach den Berichten in der deutschen Tagespresse bei dieser Passage des Herrn Bahr ausdrücklich laut applaudierten? Ich frage Sie: Wie wollen Sie das mit Ihren heutigen Äußerungen vereinbaren?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Gerade weil uns die Rüstungsverhandlungen so wichtig sind, halten -wir es für ein Gebot der Stunde, daß der Deutsche Bundestag in dieser wichtigen Frage heute eine klare Position bezieht. Deshalb darf ich namens der CDU/CSU-Fraktion die folgende Entschließung einbringen:
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend ihrer eigenen Entscheidung im Bundessicherheitsrat ihre Bereitschaft zur Stationierung der Neutronenwaffe auf dem Gebiet europäischer NATO-Staaten, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zu bekräftigen.
Ich bitte auch und gerade die Kollegen der Fraktionen der SPD und der FDP, dieser Entschließung aus den dargelegten Gründen zuzustimmen. Vor allem bitte ich die stimmberechtigten Mitglieder des Bundessicherheitsrats, dieser Entschließung zuzustimmen; denn wenn Sie zustimmen, wird es eine Mehrheit für diese Entschließung geben.

(Lachen bei der SPD)

Damit hätten wir einen wichtigen Schritt zur Bekräftigung der Partnerschaft und der Freundschaft mit



Dr. Kohl
den Vereinigten Staaten und zur Verteidigung der Freiheit in Europa getan.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808300500
Das Wort hat der Abgeordnete Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0808300600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal können wir feststellen, daß der Abgang nett war, Herr Kollege Kohl.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich möchte namens meiner Fraktion dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Außenminister ausdrücklich für die Art und Weise danken, in der sie dafür gesorgt und ihren Beitrag dazu geleistet haben, daß die Solidarität im Bündnis voll erhalten geblieben ist und daß das Bündnis seine volle Handlungsfähigkeit natürlich in keinem Augenblick ver- loren hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich will darauf hinweisen, daß die NATO gestern bei den MBFR-Gesprächen in Wien eine neue, gemeinsam getragene, also solidarische Initiative eingebracht hat. Der Dissens kann also so groß nicht sein.

(Unruhe)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808300700
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen und dem Redner zuzuhören.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0808300800
Herr Kollege Kohl, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Aber ich habe Ihren Beweis vermißt, daß sich der amerikanische Präsident anders entscheiden wollte, als er sich entschieden hat.

(Lachen bei der CDU/CSU)

— Nein, da brauchen Sie nicht zu lachen. Dieser Beweis ist nicht erbracht worden.
Sie haben sich zweitens in Ihrer Argumentation unfair verhalten. Die Bundesregierung hat zu einem sehr frühen Zeitpunkt, nämlich bereits am Montag, den Auswärtigen Ausschuß und den Verteidigungsausschuß in einer geheimen Sitzung gründlich informiert.

(Sehr wahr! bei der SPD)

Sie hätten es besser wissen müssen. Bei diesen wirklich wichtigen Fragen reicht es nicht aus, einen Beitrag unter die Überschrift „Schaden vermehren" zu stellen.
Ich habe drittens vermißt, daß Sie — das wäre ja wohl der richtige Augenblick gewesen — hier die sicherheitspolitische Konzeption Ihrer Fraktion eingebracht haben. Die verteidigungspolitischen Notwendigkeiten und die entspannungspolitischen Notwendigkeiten als zwei Seiten derselben Medaille gegenüberzustellen und daraus die Schlüsse für die Politik zu ziehen, das haben Sie hier nicht getan. Ich verweise auf die Schlußkritik des Herrn Bundeskanzlers, bezogen auf Ihre Resolution; auch in ihr sind Ansätze dieser Art überhaupt nicht zu finden.
Wir wollen uns zur Substanz dieser Politik äußern. Wir werden unsere Argumentation nicht auf Pressezitaten aufbauen. Alle Belege, die Sie für sich herangezogen haben, sind Pressezitate. Wo haben Sie eine Regierung eines NATO-Staates zitieren können? Nicht an einer Stelle. Nur Pressezitate.
Die Ziffer 1 des Entschließungsantrages der Koalitionsfraktionen bezieht sich ausdrücklich und nicht zufällig auf ein Zitat aus der Regierungserklärung, das da lautet:
Wir begreifen die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Sicherung des Friedens in der Welt auch im Jahre 1978 als wichtige Aufgabe unseres Staates vor unserem eigenen Volk und gegenüber den Nachbarn.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das sagte auch Adenauer!)

Nach dieser Notwendigkeit richten wir unsere Politik ein.
Die gegenwärtige Auseinandersetzung um die Neutronenwaffe verdeutlicht einmal mehr die grundsätzlichen Unterschiede in den Auffassungen über eine verantwortungsbewußte Sicherheitspolitik zwischen Ihnen und uns. Die Sicherheitspolitik, die Frieden und Freiheit aufrechterhalten soll, ist das gemeinsame grundsätzliche Ziel. Aber die Konzeptionen liegen weit auseinander. Wir meinen, die Frage muß beantwortet werden, ob der Versuch fortgesetzt werden soll, Ungleichgewichte im militärischen Bereich weiterhin durch Herunterrüsten auszugleichen, zumindest den Versuch dazu am Verhandlungstisch zu unternehmen, oder ob man unter Verzicht auf diesen Versuch den Ausgleich durch Heraufrüsten vornehmen soll. Das scheint die grundsätzliche Unterscheidung zwischen uns zu sein.
Durch eine Politik der weiteren Aufrüstung ohne den vorhergehenden Versuch würden wir in die außenpolitischen Auseinandersetzungen der frühen 60er Jahre zurückfallen. Wir wissen doch alle, daß diejenigen, die am meisten dabei Schaden nehmen, die Deutschen in Berlin, in der Bundesrepublik und in der DDR sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten verfolgen eine auf Stabilität ausgerichtete Sicherheitspolitik, die auf der einen Seite die Verteidigungsfähigkeit nicht vernachlässigt. Ich denke, jeder wird unterschreiben können, daß wir uns seit 1969 im Bündnis mustergültig verhalten haben und daß niemand diese Seite so ernst genommen hat wie wir. Das verlangt aber auch von uns — gerade wegen der besonderen Lage, in der wir stehen, auch geographisch —, das andere Anliegen, das rüstungskontrollpolitische, mit demselben Ernst zu verfolgen und uns dafür einzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir stimmen im Ansatz mit den Vereinigten Staaten völlig überein. Wir müssen genau ausloten,




Pawelczyk
wo die gemeinsamen Interessen beider Bündnisse liegen, wenn wir Ergebnisse haben wollen und wenn wir die Beziehungen weiterentwickeln wollen. Wir wissen und gehen auch davon aus, daß die Sowjetunion genauso wenig erpreßbar ist wie wir.
Solange die Opposition davon ausgeht, daß man der Sowjetunion etwas abtrotzen könne, wird sie in ihrer außenpolitischen Position isoliert bleiben. Ich finde, so lange haben Sie nicht das Mandat für die Führung der deutschen Außenpolitik verdient.
Die äußere Sicherheit der Bundesrepublik beruht auf einer militärischen und auf einer politischen Stabilität zwischen beiden Bündnissystemen. Die sozialliberale Koalition hat seit 1969 diese Konzeption entscheidend beeinflußt. Wir verstehen Politik und auch Sicherheitspolitik als einen dynamischen Prozeß.
Sicherheitspolitik ist eingebunden in die qualitativen und quantitativen rüstungstechnologischen Entwicklungen beider Seiten, in die politische Veränderung im Ost-West-Verhältnis, in die psychologisch-politische Entwicklung zwischen beiden Bündnissen und zunehmend auch in die ökonomischen Rahmenbedingungen. Zusätzlich beeinflußt die Lage außerhalb Europas diese Entwicklung. Die Neutronenwaffe und die Debatte über sie wird von den ersten drei Gründen beeinflußt, die ich dazu nannte.
Über die militärische Bedeutung der Neutronenwaffe ist seit Juli vorigen Jahres viel gesagt worden.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Über die politische Bedeutung!)

Es gibt' viele unterschiedliche Argumente. Was das Einsatzprofil dieser Wafe angeht, sammeln wir laufend und auch in den letzten Tagen wieder, Herr Kollege Mertes, neue Erkenntnisse und Bewertungen auch aus der amerikanischen Presse.
Die Entscheidung Präsident Carters vom 7. April, die Produktion von Neutronenwaffen aufzuschieben, und die Ankündigung, daß seine endgültige Entscheidung beeinflußt werde durch den Grad der Zurückhaltung, den die Sowjetunion in ihrem Entwicklungsprogramm für konventionelle und nukleare Waffen, die die Sicherheit der Vereinigten Staaten und Westeuropas berühren, und bei deren Indienststellung, übe, hat die militärische Diskussion über die Neutronenwaffe einem übergeordneten sicherheitspolitischen Konzept untergeordnet. Ich muß hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, daß der amerikanische Präsident diese Position nicht für die Vereinigten Staaten allein vertreten, sondern ausdrücklich das Sicherheitsinteresse Westeuropas einbezogen hat.
Wir Sozialdemokraten begrüßen diese Entscheidung. Das fällt uns auch nicht schwer, weil wir seit Sommer 1977 auf dieser Basis argumentieren und auf unserem Parteitag eine Entschließung verabschiedet haben, die politisch inhaltlich genau dies aussagt. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir haben auf dem Bundesparteitag drei Stunden über dieses Thema debattiert. Es lagen zwei Anträge mit unterschiedlichen Auffassungen zugrunde: Der eine Antrag wollte die Option offenhalten, der andere nicht. Das Abstimmungsergebnis lautete so, daß ein Delegierter dagegen gestimmt hat, wenige sich enthalten haben und die ganz überwältigende Mehrheit der Partei sich für das Offenhalten dieser Option ausgesprochen hat.
Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, wie sie der Sicherheitsberater Brzezinski, jüngst, nämlich im „Panorama"-Interview, noch einmal wiederholt hat, liegt genau auf dieser Ebene. Er hat in diesem Interview bestätigt, daß dies das Ergebnis gemeinsamer Beratungen ist. Sie stellt, so Brzezinski, eine Lösung dar, die den Sicherheitsbedürfnissen der Verbündeten entspricht und optimale Möglichkeiten gibt, Fragen der Rüstungsbegrenzung auszuloten und zugleich die Allianz zu stärken. Was wir auf dem Bundesparteitag verabschiedet haben, nämlich das Offenhalten dieser Option, finden Sie im übrigen im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Ziffer 4 wieder.
Es bleibt zu fragen, was die Opposition mit der Kampagne, die sie hier angezettelt hat, eigentlich erreichen will. Mir ist eigentlich nur eines eingefallen, daß sie nämlich von der krassen Fehlentscheidung ablenken will, mit der sie wieder einmal außenpolitisch allein dasteht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Diskussion beweist, daß die Opposition isoliert steht. Wäre die Bundesregierung der Auffassung gefolgt, stände ihr Ja zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen das Nein der Vereinigten Staaten.

(Dr. Ehmke [SPD] : Sehr wahr!)

Sie haben sich von verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten einer Entscheidungsmöglichkeit ausgerechnet wieder die für die Bundesrepublik schlechteste und ungünstigste herausgesucht.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist doch Unsinn, was Sie da sagen!)

Die Bundesrepublik stände allein gegen die NATO und also auch gegen die übrigen Staaten. Ausgerechnet der Staat, der den außenpolitischen Ausgleich für seine Existenz am dringendsten benötigt, wäre als einziger zur UNO-Sonderkonferenz über Abrüstung mit einem Votum für die Fortsetzung des Wettrüstens gekommen, ohne vorher durch außenpolitische Aktivitäten einen Ausgleichsversuch unternommen zu haben.
Niemand von uns kennt die Ergebnisse eines rüstungskontrollpolitischen Versuchs, den die NATO gemeinsam unternehmen will. Wir wissen nur, daß verantwortungsbewußte Politik von uns verlangt, diesen Versuch vor einer anderen Entscheidung ernsthaft zu unternehmen. Wir haben einen Weg beschritten, der es ermöglicht, unsere Sicherheit mit außenpolitischen Mitteln zu stabilisieren, ohne den verteidigungspolitischen Weg zu verbauen.
Die Auffassung der Opposition, die Neutronenwaffe sei als Gegengewicht gegen die Überlegenheit des Warschauer Paktes in Mitteleuropa unverzicht-



Pawelczyk
bar, wird vom amerikanischen Verteidigungsminister nicht geteilt. Ich werde jetzt Zitate eben nicht aus der Presse, sondern der amerikanischen Regierung bringen. Der amerikanische Verteidigungsminister Brown erklärte, die Neutronenwaffe könne zwar eine nützliche militärische Funktion erfüllen, sei aber bei weitem nicht das einzige Mittel, mit der in Europa existierenden Bedrohung fertig zu werden.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das hat auch niemand gesagt!)

Er erklärte weiter, die Entscheidung könne nicht nur unter militärischen Gesichtspunkten gefällt werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808300900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0808301000
Herr Präsident, ich möchte vorgehen wie der Herr Abgeordnete Kohl vor mir.

(Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Stört doch nicht den Fluß seiner langweiligen Rede!)

Wenn Sie — wie wir — die Pressekampagne seit Sommer letzten Jahres, bezogen auf die politische Haltung der Sozialdemokratischen Partei, die dekkungsgleich mit den Entscheidungen, wie sie im Bündnis getroffen worden sind, ist, hätten über sich ergehen lassen müssen, wären auch Sie sicherlich der Auffassung, daß wir hier Gelegenheit haben müssen, unsere Position im Zusammenhang darzustellen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir teilen die ernsthafte Sorge über sicherheitspolitische Instabilitäten. Wir beobachten die sowjetischen Rüstungsanstrengungen, die nach unserer Meinung über das für die Verteidigung Notwendige hinausgehen. Im Bereich der eurostrategischen Waffensysteme besteht eine Disparität zugunsten der anderen Seite; ich denke an Backfire, ich denke an SS 20. Sie können den Bereich der Unkalkulierbarkeit vergrößern. Wenn dieser Trend ohne Gegenmaßnahmen auf der westlichen Seite fortgesetzt wird, ist es möglich, daß daraus eine zusätzliche Option erwächst. Aber niemand wird beweisen können, daß der Warschauer Pakt zur Zeit eine zusätzliche Option hat. Dies ist politisch entscheidend, und hier liegt unser Ansatz für das politische Vorgehen. Es gibt ein Gleichgewicht der Optionen und Fähigkeiten. Für keine Seite ist ein politisches Ziel mit direktem oder indirektem Einsatz militärischer Mittel erreichbar; keine Seite ist für die andere erpreßbar. Das weiß jede Seite.
Ich meine im übrigen, daß die sicherheitspolitische Diskussion zu sehr auf der Basis der Wahrscheinlichkeit schockierender Kriegsereignisse geführt wird. Wir definieren den Sicherheitsbegriff zu eng.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Da haben Ste recht!)

Wer auf die Sicherheitsfrage eine gültige Antwort geben will, kann sich nicht auf das Abzählen der militärischen Einheiten beschränken; er muß die technologische Situation, die wirtschaftspolitische Situation und die innenpolitische Situation in den verschiedenen Bereichen mit in seine Gesamtrechnung hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach der Parität zwischen beiden Bündnissen einbeziehen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Vor allem muß er die Zielsetzung der anderen Seite einbeziehen!)

— Nein, beider Seiten! Der Unterschied zwischen Ihrem Ansatz, Herr Kollege Mertes, und unserem ist, daß wir beide Seiten der Bewertung ganz ernst nehmen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Ernst nehmen sowieso!)

Die Haltung der CDU zur Einführung der Neutronenwaffe ist die Position der Druckausübung zum gegenwärtigen Zeitpunkt

(Damm [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

— wir reden doch vom gegenwärtigen Zeitpunkt! — und ist nicht geeignet, den außenpolitischen Versuch, hier zu einer Lösung beizutragen, zu unterstützen. Eine Verhärtung der Fronten im gegenwärtigen Zeitpunkt hilft nicht dem Ansatz der Politik, auf den sich die NATO verständigt hat. Dieser Handlungsraum muß ausgelotet werden, und dann ist die Entscheidung fällig. Wir Sozialdemokraten begrüßen ausdrücklich den Versuch.
Im Unterschied zu einer solchen Vorgehensweise verharrt die Opposition, wie ihr Sprecher am 10. April mitteilte, in der Kontinuität der bisherigen Außenpolitik. Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Kohl, ich habe den Text überhaupt nicht verstanden.

(Lemmrich [CDU/CSU] : Sie haben manches nicht verstanden!)

Sie unterstreichen positiv, daß Sie auch mit dieser Entscheidung in der Kontinuität Ihrer Außenpolitik bleiben. Wie sieht denn die Kontinuität dieser Außenpolitik, an der Sie als Opposition seit 1969 teilnehmen, eigentlich aus? Bei der parlamentarischen Entscheidung über den Nichtverbreitungsvertrag war die Fraktion gespalten.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Die ein Hälfte war dafür, die andere Hälfte war dagegen. Sie haben sich, was den Beitritt der Bundesrepublik zur UNO angeht, genauso verhalten:

(Damm [CDU/CSU] : Ihr wart doch dagegen, daß wir in die NATO eintreten!)

die eine Hälfte war dafür, die andere Hälfte war dagegen. Bei der Abstimmung über die Ostverträge haben Sie sich der Verantwortung durch Stimmenthaltung entzogen.

(Zuruf von der SPD: Leider!)

Bei der KSZE waren Sie die einzigen in Europa

(Brandt [SPD] : Und Albanien!) — Entschuldigung außer Albanien —,


(Dr. Ehmke [SPD] : Und die italienischen Faschisten!)

die sich dagegen ausgesprochen haben. Ich wage
nicht, mir auszumalen, in welcher außenpolitischen



Pawelczyk
Lage unsere Bundesrepublik wäre, wenn sie sich als einziger europäischer Staat nicht an der Politik zunehmender Konsensbildung beteiligt hätte.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Während Sie sich bei der KSZE-Entscheidung, nämlich bei einer politischen Entscheidung, auf das Nein festgelegt haben, haben Sie sich, bei der Neutronenwaffe als einzige zur Unzeit auf das Ja festgelegt. Gut, ich erkenne darin eine Kontinuität der Politik der CDU/CSU, nämlich in der Linie, die ich hier erklärt habe. Aber ich sehe nicht den Boden einer Gemeinsamkeit bei Ihnen selber. Aber das ist Ihr Problem. Ein anderes Problem ist aber, wie Sie denn mit dieser Haltung die Konsensfähigkeit im Bündnis herstellen wollen.

(Damm [CDU/CSU] : Das ganze Bündnis war seit Jahren für die Neutronenwaffe!)

Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich die 14 NATO-Staaten dieser Ihrer Grundsatzforderung unterordnen würden.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sie wissen, daß das ganze Bündnis seit Jahren für die Neutronenwaffe war! Das ist doch dummes Zeug!)

— Wenn das stimmt, was Sie sagen, dann hätte Ihr Kollege Kohl sicherlich mehr als nur amerikanische Zeitungen als Zeugen angeführt. Er hat es aber nicht getan. Er ist doch ganz schlecht beraten, wenn er Zeitungszitate und nicht Äußerungen der Regierung zur Untermauerung seiner Position verwendet.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Herr Kollege, trifft es zu, daß das Bündnis für die Waffe war?)

Dr. Kohl nimmt in einer Erklärung vom 6. April für sich in Anspruch, „sich immer für eine Politik des Friedens und der allgemeinen Abrüstung und für Maßnahmen begrenzter Rüstungskontrolle eingesetzt" zu haben. Herr Kollege Mertes, ich spreche Sie an, weil Sie ein paarmal dazwischengerufen haben. Wir wären doch die letzten, die nicht daran interessiert wären, hier eine gemeinsame Haltung zu entwickeln. Nur, wo bleiben die Taten, die den Worten zu folgen haben?

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Wer hat denn den ersten Atomverzicht ausgesprochen? Das war Adenauer!)

Hier kann ich mich voll dem anschließen, was der Bundeskanzler am Schluß seiner Regierungserklärung vorgetragen hat. Sie legen eine Entschließung zu einer hochpolitischen Frage vor und berücksichtigen die rüstungskontrollpolitische Seite mit keinem einzigen Wort.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Die ist doch impliziert!)

— Ich habe die Entschließung doch hier.

(Dr. Wörner [CDU/CSU] : Herr Pawelczyk, wann wollen Sie begreifen, daß man nur über etwas verhandeln kann, was man hat, und nicht über das, was man noch nicht einmal haben will?)

Wo bleibt die Tat, die den Worten zu folgen hat? Aus diesem Entschließungsantrag geht sie nicht hervor.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Ich bin gespannt, ob der Außenminister einverstanden ist!)

Statt dessen — das verfolge ich mit zunehmender Sorge — werden nicht haltbare Bedenken geäußert, daß die Stabilisierung der nuklearen strategischen Systeme bis zu einem gewissen Grade die Sicherheit beeinflusse, daß durch die Erreichung der strategischen Parität diese Potentiale neutralisiert würden. Meine Damen und Herren, ich persönlich möchte sehr davor warnen, auf dieser Basis zu argumentieren. Es ist nicht die auf Waffensystemen beruhende Stabilität einer der drei — zwischen West und Ost aufeinander abgestimmten — Ebenen der Abschreckungstriade, die hier Probleme schafft. Es sind auch nicht die Waffensysteme, die Probleme schaffen, sondern es ist das politische Handeln. Es ist die Frage: Handelt das Bündnis oder nicht?

(Zustimmung des Abg. Wehner [SPD])

Es steht außer Frage, daß die.Zusammensetzung des Potentials — insonderheit im Nuklearbereich — der Vereinigten Staaten zur Zeit ausreicht, um auch das taktisch-nukleare Einsatzpotential der Sowjetunion mit abzudecken. Wenn in der Diskussion in der genannten Weise angesetzt wird, so empfinde ich dies als ein Mißtrauen gegenüber den Bündnisversprechungen der Vereinigten Staaten. Dies wäre eine Sicherheitsgefährdung und leider kein Beitrag zur Sicherheitsstabilisierung.

(Zustimmung bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist doch eine Verfälschung!)

— Wieso? Das ist überhaupt keine Verfälschung.
Die verteidigungspolitische Absicherung des von Carter vorgeschlagenen Weges einer politischen Handhabung der Neutronenwaffe gewährleistet die Sicherheit im Bündnis, gewährleistet die Abschrekkung und gewährleistet auch die Bündnisgarantie der Vereinigten Staaten uns gegenüber. Der Versuch, zu einer politischen Lösung beizutragen, ist kein Signal zur generellen Unterbrechung der laufenden Waffenmodernisierungsprogramme. Niemand — ich finde, auch kein amerikanischer Politiker; vorhin ist von Herrn Kollegen Kohl einer zitiert worden — sollte sich zu einer solchen Argumentation verleiten lassen. Gerade wir haben in unserer Regierungsverantwortung seit 1969 alles getan, um uns an der Modernisierung der Systeme zu beteiligen. Wir werden auch in Zukunft so handeln.
Der Versuch, zu einer politischen Lösung beizutragen, steht auch nicht im Widerspruch zu der Anfang der 70er Jahre von seiten der europäischen NATO-Staaten gegenüber den Vereinigten Staaten angesprochenen Bitte, Entwicklungen einzuleiten, deren Ergebnis ein nukleares Einsatzmittel vom Profil der Neutronenwaffe sein sollte. Inzwischen haben sich NATO und Warschauer Pakt darauf verständigt, zu versuchen, am Verhandlungstisch — KSZE, SALT, MBFR — Lösungen zu erreichen. Wenn Entwick-



Pawelczyk
tisch Produktionsentscheidungen werden, frage ich mich: Was soll dann die Politik? Wo hat dann die Politik ihren Raum? Deswegen besteht, wie ich meine, überhaupt kein Widerspruch zwischen der Bitte an die Vereinigten Staaten, solche Entwicklungen einzuleiten, und dem politischen Zwischenschritt, zu versuchen, eine politische Lösung bei Offenhalten der Option zu erreichen. Durch die Vorgehensweise, die Neutronenwaffe in ihrem jetzigen Entwicklungsstadium in Rüstungskontrollverhandlungen einzubeziehen, haben NATO und Warschauer Pakt zum erstenmal die Möglichkeit, bei einer bestehenden Option am Verhandlungstisch anzusetzen. Ich frage mich, wie wir die berechtigte gemeinsame Kritik — Sie üben sie ja auch —, die darauf abzielt, über Instrumente nachzudenken, um den qualitativen Rüstungswettlauf zu hemmen, zu einem positiven Ziel führen können, wenn wir nicht mit unseren Überlegungen ansetzen, bevor die Systeme eingeführt sind. Dies ist doch ein Versuch dazu, der unternommen wird.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Haben Sie die Reaktion der Sowjetunion gelesen?)

— Das werden wir ja sehen. Politische Kompromißerwägungen werden weder in der „Prawda" noch in der „New York Times" unternommen. Sie erfolgen an anderer Stelle. Das werden Sie als ehemaliger Diplomat ja wohl nicht bestreiten wollen.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nur so viel — und das muß ein Politiker ja wohl unterschreiben können —, daß am Beginn eines Versuchs, der durch die Carter-Entscheidung ermöglicht ist, nicht das Entweder-Oder stehen darf, nicht ein eng verknüpftes Junktim die Ouvertüre sein darf. Dort hat der faire Versuch zu stehen.
Die NATO-Partner müssen einen Konsens bilden. Sie müssen dann ausloten, welche Möglichkeiten es gibt. Dann stehen am Schluß die Forderungen der einen Seite und die Forderungen der anderen Seite gegenüber, die im Kompromiß, also einem politischen Ergebnis, enden — oder leider negativ ausgehen. Das ist die richtige Verfahrensweise. Im übrigen ergibt sich diese Vorgehensweise aus der Nummer 5 unseres Entschließungsantrags; dort führen wir das ausdrücklich auf.
Mit dieser Vorgehensweise werben wir nicht dafür, die Rahmenbedingungen der gemeinsamen NATO-Politik zu verändern. Wir stehen auf dem Boden dieser gemeinsamen sicherheitspolitischen Absprachen. Sie finden die Einzelheiten in den Nummern 5 bis 7 unseres Entschließungsantrags.
Es ist also zu prüfen, ob die Sowjetunion die nötige Kompromißbereitschaft in der Sache zeigt. Wenn das der Fall wäre, würde die Chance, von der ich eben gesprochen habe, sich eröffnen. Wir Sozialdemokraten sind bereit, einen Versuch dieser Art zu nutzen und zu versuchen, Chancen dieser Art nutzbar werden zu lassen.
Für den Fall, daß die Sowjetunion nicht zu einem fairen Kompromiß bereit ist, gebietet verantwortungsbewußtes politisches Handeln bei einer möglilungsentscheidungen ein Jahrzehnt später automachen Produktions- und Dislozierungsentscheidung, diese in einen Stufenplan einzuordnen. Wer gegen den qualitativen Rüstungswettlauf Instrumente entwickeln will, muß bei einem außenpolitischen Fehlversuch und bei einer Produktions- und Dislozierungsentscheidung sich einen politischen Stufenplan zurechtlegen und nach einem Stufenplan vorgehen, der bei Einsichtigkeit der anderen Seite das sofortige Umschalten an den Verhandlungstisch wieder ermöglicht. Das ist eine Forderung, die ich in diesem Zusammenhang erheben möchte.
Die Bundesregierung hält wie alle Bundesregierungen vor ihr an der Selbstverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland fest, nicht nach der Verfügungsgewalt über nukleare Waffen zu streben. Ich denke, da gibt es keine unterschiedlichen Auffassungen. Das hat sich auch aus dem Beitrag des Herrn Kollegen Kohl ergeben. Sie hat stets und in kontinuierlicher Übereinstimmung mit den Vereinigten Staaten diese Auffassung bekräftigt.
Nun muß ich sagen: Ich verstehe den Herrn Kollegen Kohl nicht. Der Bundeskanzler hat in einer sehr sauberen, ausführlichen Information mit einer anschließenden langen Diskussion am Montag im Auswärtigen Ausschuß die einzelnen Schritte exakt erklärt. Er hat deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es beim amerikanischen Partner gar keinen Zweifel gegeben hat, also die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten auf dem klaren Wissen über die Auffassung der Bundesrepublik beruhen konnte. Ich finde, Herr Kollege Kohl, Sie sollen hier nicht in Ihrem Beitrag insoweit Zweifel anmelden.
Wir, die Sozialdemokraten, unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich in dieser grundsätzlichen Haltung. Sie finden in Nummer 2 des Entschließungsantrags der Koalitionsfraktionen diese Position beschrieben.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind heute in der gleichen Lage wie schon mehrmals seit 1969. Sie müssen aufs neue feststellen, daß Sie die Weichen der Politik mit Ihrer Entscheidung falsch gestellt haben. Sie versuchen nicht, selbstkritisch diese Position zu korrigieren, sondern Sie gehen in die Offentlichkeit mit einer Argumentationsweise, die geeignet ist, die Atmosphäre im Bündnis zu belasten.
Die jüngsten Äußerungen der Opposition sind ein Beispiel dafür. Am 6. April, also einen Tag vor der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten über den Bau der Neutronenwaffe, schreibt Herr Dr. Kohl im Pressedienst seiner Fraktion — ich zitiere —:
Wer die enge Partnerschaft und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Amerika in Frage stellt, gefährdet das wichtigste Fundament unserer Freiheit und Sicherheit, des freien Europas insgesamt.
Da gibt es, glaube ich, keine unterschiedlichen Auffassungen.

(V o r sitz: Vizepräsident Frau Funcke)




Pawelczyk
Am 8. April, zwei Tage später — also einen Tag nach der Entscheidung des Präsidenten der Vereinigten Staaten —, sagt in einem „Welt"-Zitat Ihr Kollege Strauß:
In meiner Kenntnis der amerikanischen Geschichte und nach dem Zweiten Weltkrieg ist dies das erste Mal, wo ein amerikanischer Präsident offen und erkennbar vor einem russischen Zaren gekuscht hat.

(Wehner [SPD] : Hört Hört!)

Herr Dr. Kohl, die Oppositionsfraktionen operieren ja, wie Sie immer betonen, abgestimmt, gleichgerichtet, gehen konzeptionell in gleicher Weise vor.

(Wehner [SPD] : Vielleicht wirklich? Vielleicht ist das Absicht?)

Wie paßt das eigentlich zusammen? — Das ist vielleicht Absicht; ich will das gerne aufgreifen.
Man muß natürlich fragen, was hier im Grunde gemeint ist. Wenn ich mir dieses Interview von Herrn Strauß ansehe und andere Interviews hinzufüge, frage ich mich, ob Sie die innenpolitische Situation in der Bundesrepublik derart belasten wollen, daß zu erwartende Besuche ausländischer Repräsentanten atmosphärisch erheblich belastet werden.

(Wehner [SPD]: Natürlich wollen Sie das!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808301100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Mertes?

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0808301200
Nein.
Auch ich bekomme den Eindruck, daß das gewollt sei. Genau diese Äußerungen von Franz Josef Strauß sind es, die das freundschaftliche Verhältnis zu den Vereinigten Staaten belasten.
Es gäbe hier viele Möglichkeiten, auf tatsächliche Dissense zwischen der Bundesregierung und den Vereinigten Staaten hinzuweisen, nämlich zu einer Zeit, als Sie die Bundeskanzler gestellt haben. Ich will mir das hier ersparen. Sie sollten den ersten Absatz der Regierungserklärung von Herrn Dr. Kiesinger zu Beginn der Großen Koalition noch einmal nachlesen. Er gibt dort zu, daß am Ende Ihrer alleinigen Verantwortung gravierende Mißverständnisse auch im außenpolitischen Bereich bestehen. Das hat er damals selber — er war auch noch Vorsitzender seiner Partei — in der Regierungserklärung höchstpersönlich zum Ausdruck gebracht.
Wir Sozialdemokraten haben die verteidigungspolitische Seite der Sicherheitspolitik und der Außenpolitik immer sehr ernst genommen. Wir werden mit derselben Gründlichkeit die andere Seite der Medaille, nämlich die entspannungspolitische Seite, ernst nehmen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Gerade jetzt kommt es darauf an, sich darum zu kümmern, damit die Staaten nicht die politische Kontrolle über neue, qualitativ sehr hochstehende nukleare Waffensysteme, die fertig entwickelt und einführbereit vorhanden sind, verlieren. Wir werden darauf hinwirken, daß alle nuklearen Waffensysteme und -entwicklungen in den Verhandlungsprozeß eingebaut werden. Das ist immer noch nicht der Fall. Die dadurch gegebene Möglichkeit, frei und ungebunden, ungehemmt den qualitativen Rüstungswettlauf fortzusetzen, ist eine der großen Gefahren unserer Zeit. Es wäre eine gute gemeinsame Aufgabe für alle Fraktionen des Bundestags, hier mit nachzudenken, wie wir eine konzeptionelle Weiterentwicklung derart bekommen, daß alle Entwicklungen im nuklearen Bereich am Verhandlungstisch einer Regelung zugeführt werden. Das ist bis jetzt nicht der Fall.
Lassen Sie mich abschließend das Ziel unserer Außen- und Sicherheitspolitik folgendermaßen umreißen. Wir Europäer sollten einen geschichtlichen Auftrag darin sehen, ein Netz von Abkommen schaffen zu helfen, welches imstande ist, krisenhafte Situationen zwischen den Staaten ohne Gewaltanwendung zu überwinden. Die Staaten müssen immer unfähiger werden, Konflikte mit Hilfe von Streitkräften auszutragen. Auf diese ständig zu verbessernde Ordnung könnten andere Staaten und Kontinente zu ihrem und unserem Vorteil zurückgreifen. Unsere gesamte Politik seit 1969 ist so aufgebaut. Von Abkommen zu Abkommen sind zusätzliche Bindungen geschaffen worden, sind zusätzliche, gegenseitige Abhängigkeiten entstanden, sind also friedensfördernde Maßnahmen getroffen worden.

(Amrehn [CDU/CSU] : Und das Ungleichgewicht wird immer größer! — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

Aber es läßt sich nicht übersehen, daß wir alle aus dem Vollzug dieser Politik haben lernen müssen.
Erstens. Ohne Kompromiß ist es nicht möglich, Rüstungskontrollvereinbarungen zu erzielen. In diesen Kompromiß muß das Interesse der anderen Seite einbezogen werden.
Zweitens. Abkommen, die gegen die Grundinteressen des jeweils anderen verstoßen, kommen entweder nicht zustande oder werden nicht von Dauer sein.
Drittens. Langwierige Verhandlungen sind nicht grundsätzlich ein Zeichen fehlender Bereitschaft. Im Grunde sind beide Seiten noch nicht fähig genug, Steuerungsverfahren einzusetzen, die dem raschen technologischen Wandel gerecht werden können.
Viertens. Wir sind noch nicht fähig, uns von der Vorstellung zu lösen, daß Machtpotentiale nur zahlenmäßig definiert werden können.
Fünftens. Wichtiger als die Frage nach der Zahl der Waffen und Soldaten ist die Frage, wie diese Potentiale jeweils genutzt werden können. Wenn wir diese Überlegung nicht zur Grundüberlegung machen, werden wir die Entwicklung zu gemeinsamen Abkommen, zur Verständigung nicht schaffen.
Sechstens und letztens: Unser Nahziel muß es sein, die Fähigkeit zum überraschenden Angriff zu reduzieren. Das ist das Ziel und muß das Ergebnis



Pawelczyk
Nummer eins in einer Politik sein, die es geschafft hat, in die auswärtigen Verträge den Gewaltverzicht aufzunehmen, die es aber noch nicht geschafft hat, den Gewaltverzicht in den militärischen Bereich hineinzubekommen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Bundesrepublik Deutschland ist an langfristigen, guten Beziehungen auch zu den Staaten Osteuropas, also auch der Sowjetunion, interessiert. Der Bundesrepublik Deutschland kommt hier als dem Staat an der Naht zwischen beiden Systemen, nämlich zwischen NATO und Warschauer Pakt, .und als dem Staat, der von den positiven und negativen Ergebnissen jeweils am meisten betroffen ist, eine Anregerfunktion für das Bündnis zu. Wir Sozialdemokraten stellen uns dieser Aufgabe. Wir haben das in dem vorliegenden Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Ausdruck gebracht. Wir bitten darum, dieser Entschließung zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808301300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bangemann.

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID0808301400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat eine Erklärung zu zwei Themen abgegeben: nicht nur zu der Ratstagung der NATO, sondern auch zum Europäischen Rat in Kopenhagen. Meine Fraktion legt Wert darauf, daß auch das Thema des Europäischen Rats in diese Diskussion einbezogen wird. Ich habe kein Verständnis dafür, daß der Oppositionsführer auf dieses Thema nicht eingegangen ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Man kann das unterschiedlich interpretieren. Man könnte es bösartig interpretieren und sagen: So wie der Oppositionsführer der Regierung vorwirft, sie sei nur daran interessiert, dranzubleiben, kann es dann ja wohl auch so sein, daß die Opposition nur interessiert ist, dranzukommen.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Aber Herr Bangemann, so europäisch wie Sie sind wir doch allemal!)

— Herr Kohl, ich habe gesagt, man könnte es bös. artig interpretieren. Aber ich interpretiere es gar nicht so. Meine Interpretation sieht so aus, daß Sie überhaupt nur bei dem einen Thema eine Möglichkeit erkannt haben, die Regierung anzugreifen, während Sie bei dem anderen Thema mit den Ergebnissen, die die Regierung erzielt hat, voll zufrieden sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ist das ein Ergebnis der Regierung, wenn wir Europawahlen haben?)

Ich kann es mir nicht anders erklären, wieso Sie sonst an den Themen des Europäischen Rats vorübergegangen sind. Sie können doch nicht sagen, daß die wirtschaftliche Situation einschließlich der Industriesektorenpolitik, die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, die Energiefrage, Fragen des Welthandels, die Direktwahl, daß das alles für Sie keine Themen sind. Das müssen doch Themen sein, die in der Aussprache über eine Regierungserklärung auch von der Opposition aufgegriffen werden, wenn sich die Hälfte der Regierungserklärung damit befaßt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich will mich mit diesen Themen befassen, aber zuvor einige kurze Bemerkungen zu der Frage machen, die bis jetzt im Mittelpunkt der Debatte stand. Diese Frage wird später von meinen Kollegen noch unter spezifischen Aspekten aufgenommen. Ich möchte sie in den Gesamtkomplex des Verhältnisses der Bundesrepublik zu den Vereinigten Staaten einordnen.
Wenn man sich einmal den Entschließungsentwurf der Opposition ansieht und mit dem vergleicht, was die Regierungserklärung zu der wichtigen Kernfrage sagt, dann stellt man einen fundamentalen Unterschied fest. In der Regierungserklärung heißt es zu dieser Kernfrage — ich zitiere —, daß die Bundesregierung in den Konsultationen ihre Bereitschaft erklärt hat, „dann die Lagerung von ER-Waffen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland zuzulassen, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach amerikanischer Produktionsentscheidung die westliche Seite auf die Dislozierung verzichtet, weil inzwischen entsprechende Resultate von Rüstungsbegrenzungsverhandlungen vorliegen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Steht die Regierung noch dazu?)

— Also ich bitte Sie, Herr Mertes! Das ist ja nun eine Frage, ob die Regierung dazu noch stehe! Das ist der Text — Seite 27 —, den der Bundeskanzler hier heute vorgetragen hat. So weit kann das Mißtrauen der Opposition in die Regierung doch nicht gehen, daß sie die Frage stellt, ob die Regierung noch zu dem stehe, was sie vor zwei Stunden gesagt hat. Das geht ein bißchen weit.

(Wehner [SPD]: Was soll die Opposition noch sagen?)

In Ihrem Entschließungsantrag dagegen wird die Bundesregierung lediglich „aufgefordert, entsprechend ihrer ... Entscheidung im Bundessicherheitsrat, ihre Bereitschaft zur Stationierung der Neutronenwaffe auf dem Gebiet europäischer NATO-Staaten, einschließlich der Bundesrepublik, gegenüber dem Präsidenten erneut zu bekräftigen". Kein Wort von der Möglichkeit und der Notwendigkeit, die Frage der Dislozierung in die Abrüstungsbemühungen einzubeziehen!

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das, meine Damen und Herren, ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihrer Position und der Position der Regierung und der Bundestagsfraktionen, die diese unterstützen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Was hat denn der Verteidigungsrat beschlossen?)




Dr. Bangemann
Das ist der entscheidende Unterschied. Dieser Unterschied, meine Damen und Herren von der Opposition, ist während der ganzen Zeit der Debatte von der Bundesregierung nie verheimlicht worden.
Die FDP-Fraktion hat lange vor der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten ihre Position genau in diesem Sinne festgelegt und damit die Position der Bundesregierung erneut bekräftigt. Ich wiederhole es hier jetzt ganz bewußt: Wir haben öffentlich erklärt, daß wir der Dislozierung der Waffe konditioniert zustimmen, nämlich unter der Bedingung, daß zuvor Abrüstungsbemühungenscheitern. Daran kann doch nun nicht gerüttelt werden. Das ist doch nicht zu kritisieren. Sie können die Frage der Neutronenwaffe nicht auf eine zu simple Form bringen, nämlich auf ein Ja oder Nein zur Dislozierung. Die Frage muß vielmehr lauten: Ja oder nein zur Dislozierung, wenn feststeht, ob in diesen Abrüstungsverhandlungen ein für uns vernünftiges Ergebnis zu erzielen ist oder nicht. Für den Fall, daß es nicht zu erzielen ist, haben wir bereits ja gesagt.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Kennen Sie Punkt 4 unserer Erklärung?)

— Ich kenne Ihre Erklärung, die Sie uns heute hier vorgelegt haben, Herr Mertes, und von der Herr Kohl wünscht, daß ich ihr zustimme.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Dann tun Sie etwas Gutes! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich würde ja gern etwas Gutes tun, Herr Kohl, das wissen Sie. Idh bin permanent damit beschäftigt, etwas Gutes zu tun. Nur, wenn Sie diese Erklärung für die Fraktion der FDP zustimmungsfähig machen wollen, dann müssen Sie zuvor diesem Text der Regierungskoalition zustimmen. Dann stimmen wir auch Ihrer Erklärung zu.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808301500
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kohl?

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID0808301600
Bitte sehr! Da ich vorher gesagt habe, daß ich Gutes tun will, will ich auch Ihnen etwas Gutes tun.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0808301700
Ich will Ihnen gerade etwas Gutes tun, Herr Kollege. Würden Sie mir zustimmen, daß es klug gewesen wäre, wenn Sie uns in der Frage der Wehrpflichtnovelle zugestimmt hätten? Dann hätte heute das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden, daß die Novelle verfassungswidrig ist.

(Zuruf von der SPD: Billiger geht es nicht mehr! — Weitere Zurufe von der SPD)


Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID0808301800
Herr Kohl, Sie wehren sich mit Recht — und das unterstütze ich — dagegen, daß die Frage der Einführung eines neuen Waffensystems ausschließlich unter moralischen Gesichtspunkten gewertet wird. Die Einführung von neuen Waffensystemen muß unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob sie den Frieden sicherer machen. Die Frage, die Sie angeschnitten haben, ist aber für mich eine zutiefst moralische Frage, in welcher Weise nämlich Kriegsdienstverweigerer ihr Recht ausüben können. Das ist für mich eine Frage nach der Gewissensfreiheit. Deswegen hat diese Frage mit der Einführung eines Waffensystems überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Die Frage hatte den Sinn, deutlich zu machen, daß es entschieden ist!)

Das Verhältnis der Vereinigten Staaten zur Bundesrepublik wird von zwei Seiten bestimmt, einmal von unseren politischen Erklärungen und Taten und von den politischen Erklärungen und Taten und Absichten der Vereinigten Staaten selbst. Das ist nicht etwas, was allein wir gestalten können. Es kann niemand bestreiten, daß die Beispiele, die Herr Kohl zitiert hat, in denen sich die Bundesregierung im übrigen, wie er selber gesagt hat, im Sinne der Bundesrepublik standfest erwiesen hat, auch gegenüber massivem Druck der Vereinigten Staaten, entstanden sind durch politische Absichten der Vereinigten Staaten. Der neue Präsident hat die Menschenrechtsfrage aufgegriffen und in seine außenpolitischen Überlegungen einbezogen. Die Frage unseres Liefervertrages mit Brasilien wurde von der neuen amerikanischen Administration aufgegriffen. Der Kongreß selbst hat in dem berühmten Bingham-Act einen Fakt gesetzt, den wir einfach vorfinden, so daß wir uns allenfalls so oder so darauf einstellen können. Deswegen bitte ich darum, wenn wir das Verhältnis der Bundesrepublik zu den Vereinigten Staaten beurteilen, daß wir immer auch mit in Rechnung stellen, welche schwierigen Situationen durch das Handeln der Vereinigten Staaten entstanden sind und möglicherweise in Zukunft noch entstehen können.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Da waren wir noch solidarisch mit der Regierung!)

Wir haben uns mit dieser Frage vom Europäischen Parlament aus kürzlich in einer gemeinsamen Tagung mit Vertretern des amerikanischen Kongresses und des Senats befaßt und haben in dieser gemeinsamen Diskussion — alle, ganz gleich, aus welchem Mitgliedsland die Abgeordneten stammten, ganz gleich, welche parteipolitische Richtung sie repräsentierten — den Amerikanern erklärt, daß eines auf jeden Fall nicht geht: daß durch einen Akt nationaler Gesetzgebung internationale Verpflichtungen und Abmachungen, die bereits getroffen sind, außer Kraft gesetzt werden oder abet durch einen Akt nationaler Gesetzgebung zukünftige internationale Verpflichtungen präjudiziert werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Das ist eine einhellige Position. Ich glaube, diese Position wird auch in diesem Hause sicher nicht bestritten werden.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Ist auch nie bestritten worden!)




Dr. Bangemann
Nur ergibt sich jetzt für uns die Situation: Wenn in einem freundschaftlichen Verhältnis — das wird hier ja unterstrichen — der eine Teil in einem bestimmten Moment etwas tut, was dem anderen Schwierigkeiten macht, dann darf ich das nicht zum Anlaß von wüsten Beschimpfungen nehmen. Wenn ich diesem freundschaftlichen Verhältnis gerecht werden will, muß ich vielmehr diesen Punkt der Kritik sachlich aufgreifen. Was der Herr Strauß in dem gemacht hat, was hier zitiert worden ist, war nicht im Geiste der deutsch-amerikanischen Freundschaft. Das war auch keine Kritik, die dort so aufgefaßt worden ist, wie sie aufgefaßt werden sollte, nämlich als sachlicher Beitrag.

(Zuruf des Abg. Strauß [CDU/CSU])

— Herr Strauß, wir haben uns in dieser Frage mit den Amerikanern sehr sachlich auseinandergesetzt und haben mit einer sachlichen Kritik offene Ohren gefunden. Hätten wir uns so verhalten, wie Sie sich verhalten haben, hätten die Amerikaner in der Tat an dem Geist, an 'der echten Bereitschaft zu einem freundschaftlichen Verhältnis mit Recht zu zweifeln angefangen. Das muß man Ihnen vorwerfen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808301900
Herr Kollege Bangemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID0808302000
Bitte sehr.

Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID0808302100
Herr Kollege Bangemann, ist Ihnen zur Substanz der Frage der Neutronenwaffe eine heftigere und giftigere Kampagne gegen die amerikanische Bündnispolitik bekannt als die wiederholte moralische Abwertung der amerikanischen Neutronenwaffe als einer Perversion des Denkens durch den SPD-Politiker Egon Bahr?

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID0808302200
Herr Mertes, ich habe vorhin schon auf den Einwand des Kollegen Kohl gesagt, daß ich glaube, Wir sollten die Einführung oder Nichteinführung dieses Waffensystems ausschließlich unter dem Gesichtspunkt beurteilen, ob dadurch der Frieden, den wir hier sichern wollen, sicherer oder unsicher wird. Für mich ist z. B. die Frage „Wird die Einführung dieser Waffe die nukleare Schwelle heben oder senken?" entscheidender als alles andere, was Sie jetzt zitiert haben.

(Beifall bei der FDP und der FDP und der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/ CSU] : Das war keine Antwort auf meine Frage!)

Ich möchte mich jetzt mit dem zweiten Thema befassen, weil Kollegen meiner Fraktion, Herr Möllemann u. a., darauf noch eingehen werden, wie ich Ihnen schon angekündigt habe. Dieser Gipfel in Kopenhagen hat eine Reihe von sehr bedeutsamen Entscheidungen getroffen. Zuerst ist sicher die Entscheidung zu nennen, mit der die Unsicherheit über den Wahltermin beseitigt wurde. Wir werden alle bei den Vorbereitungen für diese Wahl festgestellt haben, daß sie zunehmend deswegen schwierig wurden — auch gegenüber den eigenen Parteifreunden, die man letzten Endes auch einmal motivieren muß, sich auf einen solchen Wahlkampf vorzubereiten —, weil die erste Frage immer war: Wann wählt ihr denn? Wir konnten dann immer nur sagen: Das wissen wir noch nicht so genau; da gibt es in Großbritannien Schwierigkeiten. Das ist natürlich nicht besonders geeignet, um jemanden zu motivieren. Diese Ungewißheit ist beseitigt.
Der Rat hat auch den richtigen Zusammenhang mit dieser Entscheidung hergestellt,

(Strauß [CDU/CSU] : Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen!)

als er darauf verwiesen hat, daß die gemeinsame Erklärung von Rat, Kommission und Parlament zu den Grundrechten in der Europäischen Gemeinschaft eine wichtige Grundlage auch für seine zukünftige Politik ist.
Das gibt uns genau den Ansatzpunkt, an dem wir in der Wahl und nach der Wahl beginnen müssen.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Halten Sie das wirklich für eine so gewaltige Tat? Hat er denn vor dieser Entschließung anders gedacht?)

— Der Rat hat zu dieser Entschließung bis jetzt noch nicht Stellung genommen, Herr Kohl, weil diese Entschließung aus den letzten Monaten stammt und seitdem ein Europäischer Rat noch nicht stattgefunden hat. Daß er gerade diese Entschließung aufgegriffen hat, finde ich gut, weil darin ein Bekenntnis auch der Regierungschefs zu dem demokratischen Charakter der Gemeinschaft liegt. Diese Gemeinschaft muß ihre Identität definieren.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist selbstverständlich!)

Diese Identität kann nicht in einer Wirtschaftsgemeinschaft liegen. Sie kann nicht nur in dem Bemühen liegen, Zollschranken abzubauen.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Sie muß in dem Bemühen liegen, die Demokratie in Europa zu stärken. Das kommt hier zum Ausdruck.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Zweitens. Ich glaube, es ist ein nicht geringer Erfolg der Bundesregierung, daß sie mindestens bei den Partnern in Europa die Vorstellung ausräumen konnte, daß die Bundesrepublik allein in der Lage sei, als Lokomotive einen Zug wieder in Gang zu setzen, der wirtschaftlich ins Stocken geraten ist. Sie wissen, daß das auch eine Frage im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten ist. Ich will darauf jetzt nicht zurückkommen. Aber das war auch eine Frage im Verhältnis zu unseren europäischen Nachbarn. Durch den Übergang zum Bild des Konvois wird die wirtschaftliche Situation viel zutreffender beschrieben als vorher mit dem Bild von der Lokomotive.
Die vier Schwerpunkte, die bei dieser Ratstagung zu Erklärungen geführt haben, sind exakt die Schwerpunkte, die auch in den Beratungen der eu-



Dr. Bangemann
ropäischen Gremien bereits formuliert worden sind nämlich erstens eine Industriepolitik, die die strukturellen Schwächen der Gemeinschaft beseitigt und dadurch einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leistet, zweitens ein Schwerpunkt im Bereich der Energiepolitik, drittens Bemühungen, den Welthandel von protektionistischen Bestrebungen freizuhalten und auch den Nord-Süd-Dialog zu intensivieren, und viertens die Prüfung neuer Schritte zu einem Währungsverbund. Ich möchte diese vier Schwerpunkte behandeln, um deutlich zu machen, daß meine Fraktion diese vier Schwerpunktbereiche in der Tat als die zukünftigen Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft in den nächsten Jahren betrachtet.
Erstens. Zur Frage der Industriestrukturpolitik: Es ist ganz richtig, daß wir, je höher industrialisiert die Mitgliedsländer der Gemeinschaft sind, die Beseitigung von Strukturschwächen nicht mehr allein dem Markt überlassen dürfen. Es ist unmöglich, daß die Kräfte des Marktes in so kurzer Zeit auf strukturelle Schwächen reagieren, die durch unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen entstanden sind. Deswegen müssen wir in Bereichen wie der Textilindustrie, der Werftindustrie oder der Stahlindustrie, in denen in der letzten Zeit solche Strukturschwächen sichtbar geworden sind, auch mit Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft reagieren. Nur — das möchte ich für meine Fraktion dick unterstreichen —, alle diese Maßnahmen dürfen nicht die Grundprinzipien unserer Wirtschaftsordnung berühren. Wir dürfen nicht, um Strukturschwächen im Stahlsektor zu beseitigen, ein Beispiel für Protektionismus geben, weil wir nämlich mit diesem schlechten Beispiel für Protektionismus nur Strukturschwächen in anderen Bereichen begünstigen würden.
Wir dürfen solche Maßnahmen auch nicht zu einem dauernden Zustand machen. Sie müssen vorübergehenden Charakter haben. Es kann nicht angehen, daß wir in Europa eine Staatsstahlindustrie aufbauen, die ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Effizienz und volkswirtschaftliche Kosten produziert, was wir nicht gebrauchen können. Das darf dabei nicht herauskommen.
Deswegen ist auch nicht richtig, was mein Freund Dahrendorf in einer Zeitung von England her erklärt hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Ich sage das ausdrücklich, weil mich sonst vieles mit ihm verbindet, gerade auch in der Europapolitik, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen. Aber in diesem Punkt muß ich ihm ausdrücklich widersprechen. Die Tatsache, daß in England mehr als bei uns über Europa diskutiert wird, ist leicht erklärbar. Sie ist nicht damit erklärbar, daß sich die Engländer etwa mit einem stärkeren Enthusiasmus der Europäischen Gemeinschaft zuwenden, als unsere Bevölkerung das tut, sondern mit der Neuheit der Mitgliedschaft und natürlich auch der stärkeren Ablehnung bestimmter wirtschaftspolitischer Überzeugungen in der Europäischen Gemeinschaft.
Wenn wir für die Europäische Gemeinschaft wirtschaftliche Modellvorstellungen entwickeln, muß sie nicht so aussehen, wie wir uns das vorstellen. Es kann ja sein, daß andere mit Mehrheit anders entscheiden. Aber daß wir unsere eigenen Vorstellungen über eine Wirtschaftsordnung in diese Debatte einführen, ist notwendig, ist vernünftige Politik und behindert die europäische Integration überhaupt nicht.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Das ist gegen Dahrendorf!)

- Da ich vermute, daß Sie, Herr Barzel, das Thema Dahrendorf in den vor uns liegenden Debattenrunden aufgegriffen hätten, habe ich es hiermit gleich erledigt.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr dankenswert!)

Das fällt alles unter die Kategorie „Gutes tun".

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Das geschieht aber sehr selektiv!)

Zweites Thema: Energie. Wir haben den letzten statistischen Zahlen entnommen, daß eine Politik der Energieeinsparung sehr wohl Effekt macht; denn die Rate des Wachstums unseres Energiebedarfs, und zwar sowohl des Primärenergiebedarfs wie auch des privaten Energiebedarfs, hat sich erheblich verlangsamt. Deswegen glaube ich, daß die Europäische Gemeinschaft nicht nur bei der Erforschung alternativer Energiequellen ansetzen sollte — so farbenprächtig es sich ausmacht, wenn man sagt, wir wollen Geothermie oder Sonnenenergie ausbeuten —, sondern sich stärker auf die Möglichkeiten der Energieeinsparung konzentrieren sollte, weil wir dort schneller zu aktuellen und praktikablen Ergebnissen kommen können.
Dritter Punkt: die Handelsbeziehungen, insbesondere auch mit Blick auf die noch laufenden GATT-Verhandlungen. Die Europäische Gemeinschaft muß sich nach Ansicht meiner Fraktion in diesen Verhandlungen unbedingt darauf konzentrieren, jeglichem Versuch zu widerstehen, protektionistische Mechanismen einzuführen, und sie muß — das betone ich, weil das nämlich von uns eigenes Handeln verlangt — ihre eigenen politischen Maßnahmen, auch, ihre agrarpolitischen Mechanismen daraufhin überprüfen, ob sie nicht selber protektionistische Züge tragen und wieweit sie damit ihre eigene Position bei diesen Verhandlungen unglaubwürdig macht.
Vierter und letzter Punkt: Die währungspolitischen Fragen. Dazu haben wir noch keine konkreten Beschlüsse. Es liegt nur eine Absichtserklärung vor, die etwas wolkig formuliert ist.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Aber ich hätte zu dieser wolkigen Erklärung sprechen sollen!?)

— Aber, Herr Kohl — jetzt darf ich einmal etwas böswillig sein —, wenn Sie zu wolkigen Formulierungen sprechen, halte ich das durchaus für angemessen.
Diese Erklärung ist etwas wolkig formuliert. Diese Erklärung bedarf der Interpretation. Diese Interpretation kann in unterschiedliche Richtungen ge-



Dr. Bangemann
hen. Sie kann in die Richtung des nach meiner Meinung untauglichen Versuchs gehen, .die Währungsschlange zu beleben. Sie kann zu dein richtigen Versuch führen, über den Gedanken der ständigen Ausweitung der Europäischen Rechnungseinheit einen Währungsverbund zu schaffen, dessen Keim bereits vorhanden ist.
Wir haben in der Tat in der europäischen Rechnungseinheit im Keim eine europäische Währung, die nicht unbedingt an die Stelle der nationalen Währungen treten muß, um wirksam zu sein, sondern die durchaus als Parallelwährung eine Reihe von wirtschaftspolitischen und währungspolitischen Vorteilen haben kann. Ich kann das jetzt nicht im einzelnen ausbreiten, möchte aber davor warnen, daß bei uns der Versuch, diese europäische Rechnungseinheit stärker in ihrem Anwendungsbereich fortzuführen, als ein verschleiertes Manöver bezeichnet wird, an unsere Währungsreserven heranzukommen. Das wäre eine sehr vordergründige Betrachtung der Dinge. Diese Währungseinheit existiert. In ihr wird der europäische Haushalt ausgedrückt. In ihr werden Zahlungen vorgenommen. Wir können sie ohne Schwierigkeiten z. B. auf bestimmte Zahlungen der Mitgliedsländer an die europäische Gemeinschaft ausdehnen. Wir können sie auf Aktionen der europäischen Investitionsbank ausdehnen; das Kapital ist ja auch in Kopenhagen verdoppelt worden, was vernünftig und richtig ist.
Wir können auf diese Weise durch den gewogenen Mittelwert des Währungskorbes eine Währung anbieten, die jedenfalls im Verhältnis zu jeder anderen Mitgliedswährung in ihren Schwankungen nicht so heftig reagiert. Das müssen sogar diejenigen zugeben, die dem Gedanken skeptisch gegenüberstehen. Denn wenn in diesem gewogenen Korb eine Währung sinkt, nehmen wir mal an, die Lira, und eine andere Währung, z. B. die D-Mark, entsprechend steigt, dann wird diese Bewegung definitionsgemäß in dem gewogenen Mittel ausgeglichen. Das ist also eine Währung, die sicher Währungsschwankungen mitmacht, weil sie eben auch floatet wie jede andere Währung, auch gegenüber den nationalen Mitgliedswährungen, aber ihre Schwankungen sind sowohl nach oben wie auch nach unten weniger ausgeprägt. Das heißt, sie könnte einen Anreiz darstellen, auch für Schuldner und Gläubiger langfristiger Verbindlichkeiten, die ein solches Mittel gerne übernehmen würden.
Möglicherweise — aber das ist vielleicht noch Zukunftsmusik — kann sie auch zu einem Teil die Leitwährungsfunktionen übernehmen, die heute allein der Dollar übernommen hat. Die Dollarschwäche hat eine Reihe von Gründen: das Zahlungs- und Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten, die vergangene Politik der Vereinigten Staaten, die sich wenig um ihre Währung gekümmert haben. Aber eine Ursache des Dollarverfalls ist auch zu nennen, nämlich die, daß der Dollar als Leitwährung Verpflichtungen übernehmen mußte, die weit über die nationalen Einflußmöglichkeiten hinausgegangen sind. Das war im übrigen auch das Schicksal des britischen Pfundes, als es noch Leitwährung war.
Wir können also mit diesem Gedanken durchaus einen neuen und besseren Währungsverbund aufbauen, der für die europäische Integration große Vorteile hätte. Der eine Vorteil besteht schon darin, daß wir aus dem unfruchtbaren Durcheinander und Gegeneinander herauskommen, das immer dann entsteht, wenn diejenigen ihre Fahne aufpflanzen, die zunächst für eine Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik sind, und dann daraufhin sofort die anderen ihr entgegengesetztes Banner flattern lassen, die sagen: wir müssen erst einmal eine gemeinsame Währung haben, dann können wir die Wirtschaftspolitik vereinheitlichen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808302300
Herr Kollege Bangemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rapp?

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID0808302400
Ja, ich habe schon die ganze Zeit gesehen, daß der Kollege als Experte nur mühsam seine Erregung darüber zurückhalten konnte, daß ein Europapolitiker hier über Währungsangelegenheiten spricht.

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0808302500
Herr Kollege Bangemann, würden Sie sich bitte zu meiner Besorgnis äußern, daß jede Parallelwährung natürlich jede dann schlechtere Währung von den Märkten verdrängt, so daß wir am Ende doch einen D-MarkBlock haben und die D-Mark dabei überfordern würden?

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID0808302600
Das hängt davon ab, wie die rechtlichen Verpflichtungen aussehen und in welchem Tempo eine solche Währung eingeführt wird, bis hin zum alltäglichen Zahlungsverkehr. Wir haben heute schon einen Anwendungsbereich der europäischen Rechnungseinheit, Herr Kollege, der allerdings beschränkt ist. Ich wiederhole noch einmal: der Haushalt wird in ihm ausgedrückt, finanzielle Transaktionen der EGKS werden in ihr vorgenommen, auch werden Zahlungen an Empfänger in dieser Währung ausgedrückt, die im Haushalt vorgesehen sind. Das ist ein rechtlicher Anwendungsbereich, der eng ist. Je weiter Sie den Anwendungsbereich machen, um so stärker ist natürlich die Attraktion dieser Währung. Das bestreite ich nicht. Aber das ist ja gerade der Sinn der Übung. Darin liegt ja gerade der faszinierende Gedanke der Parallelwährung, daß sie, obwohl nur parallel eingeführt, eine Attraktivität entfalten kann, die der Integration nützt. Um es noch einmal zu wiederholen: Wir kommen aus dem unfruchtbaren Streit heraus, in dem die einen sagen, daß erst die Wirtschaftspolitik einschließlich der Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik vereinheitlicht werden müsse und dann eine gemeinsame Währung geschaffen werden solle, während die anderen sagen: Nein, umgekehrt ist es richtig, nämlich erst müsse eine gemeinsame Währung vorhanden sein, und dann könne man schrittweise das tun, was notwendig sei, um eine solche Währung zu halten. Ich wiederhole es noch einmal: Ich halte den Gedanken der Parallelwährung, der offenbar vom französischen Staatspräsidenten in die Debatte eingeführt



Dr. Bangemann
worden ist, für einen Gedanken, den wir sowohl im Europäischen Parlament als auch hier im Bundestag ernsthaft prüfen sollten.
Ich habe mich bemüht, verehrte Kollegen — lieber Herr Kohl, gestatten Sie, daß ich das noch anfüge —, vielleicht noch das zu ergänzen, was Sie heute morgen hätten sagen wollen, wenn Sie sich nicht so stark durch das Bemühen, die Regierung in Verlegenheit zu setzen, auf ein Thema konzentriert hätten, das auch wichtig ist, neben dem aber dieses europäische Thema nicht ganz aus dieser Debatte verschwinden sollte. Ich füge hinzu: Das sollte nicht geschehen, weil Sie der Bundesregierung in diesem Bereich das eine oder andere Lob hätten aussprechen müssen, sondern weil — so wichtig die Entscheidung über die Neutronenwaffe jetzt ist — diese anderen wichtigen Entscheidungen ebenfalls zu unserer europäischen Sicherheit gehören. Es ist gemeinsame Überzeugung dieses Hauses und auch der Opposition, daß man Sicherheitspolitik nicht allein auf Militärpolitik einschränken darf, sondern daß Sicherheitspolitik das Ensemble unserer gesamten politischen Bemühungen ist. Dazu gehört der Kopenhagener Gipfel, und dazu gehören die Bemühungen der Bundesregierung in Kopenhagen, die meine Fraktion begrüßt, weil wir in diesen Bemühungen und in den Ergebnissen einen Beweis dafür sehen, daß die Bundesregierung auf dem richtigen Weg ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808302700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0808302800
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist es nicht allein die Aufgabe des Parlaments, strittige Fragen zu erörtern, es kommt ihm durchaus auch zu, solche Fragen, in denen eine Übereinstimmung zwischen Regierung und Opposition besteht, in diesem Hause zu behandeln. Wir haben auch nie ein Hehl daraus gemacht, wo wir, wie Helmut Kohl es heute morgen betont hat, der Regierung zustimmen, u. a. bei sehr kritischen Fragen, wie dem deutsch-brasilianischen Kernenergievertrag oder wie bei der Ablehnung eines sich inflationär auswirkenden Konjunkturprogramms als angebliche Rettung für internationale Wirtschaftsschwierigkeiten. Aber wenn wir als Opposition heute die Frage der Neutronensprengköpfe in den Mittelpunkt der Diskussion stellen, dann geschieht das deshalb, weil es sich hier um eine aktuelle Frage handelt, bei der die Regierung fast ein Jahr Zeit gehabt hätte, ihren Standpunkt öffentlich darzulegen,

(Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!)

statt um die Frage herumzureden, und weil jetzt ein Zeitpunkt eingetreten ist, in dem über diese Frage sine ira et studio, aber auch in aller Offenheit und Deutlichkeit gesprochen werden muß.
Wenn wir nicht über die Konferenz in Kopenhagen reden, dann ist das nicht etwa so, weil wir nicht mit dem einverstanden wären, was dort an Beschlüssen gefaßt oder an guten Absichten bekundet worden ist. Es ist allerdings schon ein mageres Ergebnis, wenn sich der Fortschritt des europäischen Einigungsprozesses praktisch in der Festlegung eines Wahltermins erschöpft. Alles andere ist die Bekundung guter Absichten. Ich möchte nicht im einzelnen darauf eingehen. Wer aber diesem Hohen Hause seit einer Reihe von Jahren angehört, der wird wissen, welche großartigen Beschlüsse die europäische Gipfelkonferenz im Herbst 1969 in Den Haag gefaßt hat. Beinahe hätte man damals im Bundestag ob dieses großen, monumentalen, historischen Ereignisses die Glocken läuten lassen. Was ist herausgekommen? Gar nichts.

(Wehner [SPD]: Das ist nicht ganz wahr, Herr Strauß! Das wissen Sie auch!)

— Ich weiß, daß Sie wahr, ganz wahr, beinahe wahr, halbwahr und — —

(Wehner [SPD] : Das unterscheidet mich nicht von Adenauer!)

— Aber sonst unterscheidet Sie einiges von Adenauer; das ist für uns sehr beruhigend.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage das ohne polemische oder gehässige Zuspitzung.
Es kann doch aber niemand bestreiten, daß wir damals mit unserer Skepsis in der Frage, was aus den großen Worten von Den Haag in der Praxis werden wird, leider recht gehabt haben.

(Dr. Ehmke [SPD] : Sie haben leider immer recht!)

Es ist ja auch nicht die damalige Regierung des Kanzlers Willy Brandt schuld daran gewesen, daß nichts daraus geworden ist, aber die Opposition ist bestimmt nicht schuld daran gewesen.
Dasselbe haben wir damals auch zu den bombastischen Ankündigungen einer europäischen Gipfelkonferenz von • Kopenhagen gesagt. Und wenn wir jetzt gar nichts sagen, so warten wir ab, was in Wirklichkeit herauskommen wird, was z. B., Herr Bangemann, aus der europäischen Währungsschlange werden wird usw.
Heute reden wir über das Thema „Sicherheit". Wir haben uns in diesem Hause schon seit dem Jahre 1949 und in verstärktem Maße seit dem Jahre 1952 über Sicherheitsprobleme — nicht beschränkt auf militärische Fragen, aber natürlich häufig mit militärischen Fragen im Mittelpunkt — unterhalten; ich denke an die großen Debatten der 50er Jahre im Zusammenhang mit der Einführung der Wehrpflicht, an die großen Debatten im Zusammenhang mit der Aufstellung der Bundeswehr. Die Fronten von damals sind uns noch bekannt. Ich habe nicht die Absicht, hier militärpolitische Archäologie zu betreiben, etwa den Werdegang dieser Debatten noch einmal wiederzukäuen; aber manche Dinge wiederholen sich mit einer beklemmenden und besorgniserregenden Deutlichkeit und Eindringlichkeit.
Helmut Kohl hat vorhin in einer Zwischenfrage auf das hingewiesen, was sich heute ereignet hat. Daran kann man auch nicht so mit einem höhnischen Lachen vorbeigehen oder es mit einer Handbewe-



Strauß
gung abtun. Dann, wenn das Bundesverfassungsgericht heute festgestellt hat, daß die Wehrpflichtnovelle aus formellen und materiellen Gründen verfassungswidrig ist, ist damit festgestellt worden, daß die Bundesregierung und die hinter ihr stehende Mehrheit abermals drauf und dran waren, die Verfassung zu verletzen, die Verfassung zu brechen. Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts sagt aus, daß die Novelle aus formellen und materiellen Gründen verfassungswidrig ist, formell, weil sie der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte, diese jedoch nicht erhalten hat —

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

der Herr Bundespräsident wird vielleicht in Zukunft seine Juristen auf einen besonderen Ausbildungskurs schicken müssen —,

(Beifall bei der CDU/CSU)

materiell, weil diese Novelle durch die Gewährung der Möglichkeit, sich vom Wehrdienst — ich sage das in meiner Formulierung — per Postkarte abzumelden, auf die für die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zwingend vorgeschriebene Gewissensentscheidung verzichtete, damit das vom Grundgesetz gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Wehr- und Zivildienst in eine vom Grundgesetz nicht gewollte Wahlfreiheit zwischen den beiden Diensten umwandelte

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

und so die allgemeine Wehrpflicht faktisch abschaffte.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Eine klare Antwort! Und was ist uns hier alles vorgehalten worden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist, kurz zusammengefaßt, der Inhalt der materiellen Ablehnung dieses Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht. Wir als Opposition wären wahrlich unsere Mandate nicht wert, wenn wir hier darauf verzichteten, der Regierung in Sachen Ernsthaftigkeit in der Sicherheitspolitik die Leviten zu lesen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wissen natürlich, daß der Kollege Leber seinerzeit schweren Herzens auf Widerstand verzichtet hat. Wir wissen auch, warum, Herr Kollege Leber; ich werfe Ihnen das hier auch gar nicht vor. Es ist wieder einmal — genau wie bei den Neutronensprengköpfen — die innerparteiliche Situation der SPD, die eine klare Haltung und eine klare Aussage dieser Partei in Sicherheitsfragen unmöglich macht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich bin durchaus der Meinung, daß man sich als Mitglied der einen Partei nicht unbedingt in die Verhältnisse einer anderen Partei einmischen soll.

(Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

Wenn das auf Gegenseitigkeit getan wird, bin ich zu jeder Konzession bereit. Dann aber, wenn sich eine Partei als Staatspartei betrachtet, wenn sie den Staatsapparat praktisch usurpiert hat,

(Wehner [SPD] : Ach?)

wenn sie ihn zu einem Gelände für ideologische Exerzierübungen gemacht hat,

(Weitere Zurufe von der SPD)

zu einem Karrierevehikel für alle möglichen Funktionäre und Außenseiter,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

wie wir es ja zur Genüge erlebt haben,

(Zurufe)

— ja, es stimmt, es gibt ein rühmliches Gegenbeispiel; Bayern meine ich —, und wenn diese Partei die stärkste Regierungspartei ist — wobei man nur wieder von einer Regierung „Coppick/Schmidt" sprechen kann, weil die vier den Handlungsspielraum bestimmen, innerhalb dessen Herr Schmidt sich noch bewegen darf, und weil sie auch bestimmen, wie lange er noch bleiben darf —, ist das nicht mehr eine Parteiangelegenheit der SPD, sondern eine Angelegenheit von nationaler Tragweite, eine Angelegenheit, die den ganzen Staat betrifft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Problem der Neutronenwaffe — der Bundeskanzler spricht von „ER-Waffe" ; ich glaube, er meint enhanced radiation, wenn ich ihn richtig verstehe; die Offentlichkeit wird das im allgemeinen nicht so ohne weiteres verstehen — ist ja nur im Zusammenhang der gesamten militärpolitischen Diskussion — man kann ruhig sagen: der letzten '25 Jahre — zu verstehen, und nur in diesem Zusammenhang. Diese Diskussion ist in der Offentlichkeit nicht zuletzt durch den Beitrag des Hauptgeschäftsführers der SPD, des Herrn Bahr, in eine völlig falsche Richtung gelenkt worden.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Absichtlich!)

Aus welchen Motiven Herr Bahr das getan hat, mag man der Würdigung seiner Person und den Intentionen seiner politischen Linie überlassen. Aber die Diskussion ist auf ein völlig falsches Geleise gebracht worden. Ich sage Ihnen auch, warum.
Wir hatten den ersten großen Dissens, die erste große Auseinandersetzung mit unseren amerikanischen Freunden im Jahre 1956. Es ist beklemmend, heute nachzulesen, wie damals die Fronten verlaufen sind: zwischen uns hier in diesem Hause und den Amerikanern. Dabei soll man in der Außenpolitik nicht so viel von Freundschaft reden. Natürlich sind die Amerikaner für uns Freunde. Sie stehen uns nach ihrer ganzen Geschichte, Kultur, Tradition und Mentalität sicherlich näher als viele andere Völker, ohne daß damit ein abwertender Beigeschmack verbunden ist. Aber in der Außenpolitik sind Interessen viel bedeutsamer als Freundschaften. Freundschaften vergehen über Nacht, aber Interessen bleiben. Es war für uns immer ein Hauptanliegen, zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland möglichst viele gemeinsame Interessen zu schaffen. Freundschaft ist eine Gefühlsangelegenheit, Interessen sind eine handfeste Angelegenheit.
Damals im Jahre 1956 tauchte am Horizont ein merkwürdiger Begriff auf, der sogenannte Radford-



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Plan. Der damalige Bundeskanzler schlug Alarm. Es war das erste Jahr, in dem Bundeswehreinheiten aufgestellt wurden. Der Radford-Plan war zwar genausowenig offiziell, wie es etwa jemals eine Hallstein-Doktrin gegeben hat; aber man hat darunter eine ganz bestimmte militärische strategische Doktrin verstanden. Ich habe im Herbst 1956 kurz nach meiner Ernennung zum Bundesverteidigungsminister, den damaligen Chairman der Joint Chiefs of Staff, Admiral Radford, bei der NATO-Konferenz in Paris gefragt: Herr Admiral, was ist eigentlich der Radford-Plan? Die Antwort war bezeichnend. Ich versuche, sie auf deutsch korrekt wiederzugeben: Es gibt keinen Radford-Plan; es gibt eine offizielle Strategie. Diese Strategie bedeutet: Wenn der Gegner angreift, gleichgültig wo, gleichgültig wann, gleichgültig in welcher Größenordnung, werden wir, falls er sich nicht bis zum Sonnenaufgang des nächsten Tages auf seine Ausgangslinie zurückgezogen hat, mit allen Waffen zuschlagen, über die wir verfügen. So lautete die wörtliche Erklärung Admiral Radfords damals in kleinem Kreise. Meines Wissen waren General Dr. Speidel, Botschafter Blankenhorn und zwei amerikanische Generäle auf der anderen Seite dabei.
Als der Radford-Plan damals in der Offentlichkeit auch durch eine Presseverlautbarung oder durch eine Pressedarstellung bekannt wurde, entsandte Adenauer General Heusinger nach USA, und Adenauer gab einige drastische Erklärungen ab. Diese Erklärungen haben sein sehr freundschaftliches Verhältnis zu John Foster Dulles in keiner Weise getrübt. Er hat sich damals mit allem Nachdruck gegen die nukleare Totalstrategie der Amerikaner gewandt. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich im Jahre 1955 der NATO gegenüber verpflichtet, konventionelle Streitkräfte in einer Stärke von 500 000 Mann aufzustellen. In der Debatte vom 16. Juni 1955 über das sogenannte Vorschaltgesetz -über die Aufstellung von Streitkräften begründete der damalige Verteidigungsminister diese Streitmacht unter anderem damit, daß ihr Aufbau die Chance für ein realistisches Abrüstungsgespräch auf dem Gebiete der Atomwaffen erhöhe. Im Sommer 1956 kam der Radford-Plan. Er wurde auf amerikanischer Seite wie folgt begründet: angeblich Fortschritte in der Entspannung, neue Waffen, Schwierigkeiten für die USA, gleichzeitig modernste Kernwaffen und starke konventionelle Streitkräfte zu finanzieren. Es wurde gesagt, dies führe zu der Notwendigkeit, eine nukleare Totalstrategie einzuführen. Ich verweise auf die Formulierung, die Admiral Radford einige Monate später mir gegenüber in Paris wörtlich gebrauchte.
Adenauer machte damals die ernstesten Bedenken geltend und schickte Heusinger nach Washington, um Protest gegen diesen Redford-Plan einzulegen. Er sagte damals: Dieser Plan ist nicht nur für Deutschland und Europa, sondern für die ganze Menschheit außerordentlich bedenklich. Die SPD vertrat damals immer wieder die Auffassung, daß eine konventionelle deutsche Armee überhaupt keinen sicherheitspolitischen Sinn habe. Die SPD vertrat damals den Standpunkt, daß angesichts der
Existenz nuklearer Waffen konventionelle Streitkräfte überhaupt keinen Sinn hätten.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Natürlich hatte die SPD nicht etwa die Absicht, Atomwaffen für die Bundeswehr zu verlangen. Ihre Absicht war, die Sinnlosigkeit der Aufstellung einer konventionellen Armee im Bewußtsein der Offentlichkeit — auch für wahlwerbewirksame Zwecke — so weit wie möglich zu verbreiten. Ich spreche nicht über das, was geschehen wäre, wenn . . . Die Argumentation der SPD zu Beginn der Militärdiskussion in unserem Lande war diese:

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Ohne mich!)

Normale Streitkräfte haben überhaupt keinen Sinn mehr. Es ist militärischer Größenwahn Adenauers und seiner Mitarbeiter, eine Armee von 500 000 Mann aufzustellen. Diese Armee ist überflüssig, gefährlich und schädlich. Wir brauchen sie nicht. Sie vermindert eher unsere Sicherheit, als daß sie sie erhöht. Im Atomzeitalter haben normale klassische Armeen keinen Sinn mehr. Das ist zusammengefaßt — ich habe es in den letzten Tagen nachgelesen — die Argumentation gewesen, die von dieser Seite des Hauses vertreten worden ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808302900
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0808303000
Ich freue mich immer, wenn Herr Wehner mich etwas fragt.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0808303100
Verehrter Herr Kollege, würden Sie bei dieser Gelegenheit hier auch den Abschluß dieser für uns zugegebenermaßen qualvollen Diskussion mit meiner Rede vom 30. Juni 1960 zur Kenntnis bringen?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0808303200
Ich bin zwar kein Prophet, aber als Sie aufgestanden sind, habe ich mir gedacht, daß Sie diese Frage stellen werden.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Schönen Dank!)

Ich komme darauf zurück.
Natürlich war es nicht die Absicht der SPD, die Bundeswehr etwa mit atomaren Waffen auszurüsten. Ihre Absicht war vielmehr, die Aufstellung einer Bundeswehr überhaupt zu verhindern. Sie sagen: Wir haben unsere Haltung geändert. Das wissen wir alle. Ich habe Ihre Rede, Herr Wehner, damals gehört. Das war Ihr großer strategischer Schachzug. Seit dieser Zeit sage ich immer, Sie seien der einzige echte strategische Kopf — es gibt ansonsten noch ein paar nachgemachte —, den die SPD hat.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Über einen alten Mann kann man gut spotten!)

— Wenn man — wie ich — 62 Jahre alt ist, Herr Kollege Wehner, handelt es sich bei uns nicht mehr um eine Diskussion zwischen Generationen.



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Ich fahre fort. Was wäre geschehen, wenn wir damals den Vorstellungen der damaligen Opposition gefolgt wären? Daß Sie von der SPD später Ihre Meinung geändert haben, war ja nichts anderes als der Respekt vor dem Fait accompli, nichts anderes als die Berücksichtigung der von uns im Jahre 1956 gegen den Willen der SPD geschaffenen Tatsachen. Was wäre geschehen, wenn wir damals auf die Aufstellung einer konventionellen Armee von 500 000 Mann verzichtet und den Amerikanern erklärt hätten: Eure Atomwaffen reichen aus, um einen Krieg zu verhindern; mehr brauchen wir nicht? In welcher militärpolitischen Lage befänden sich heute die Bundesrepublik Deutschland und alle Staaten Europas, wenn wir damals Ihrer Fehleinschätzung der militärtechnischen und der militärpolitischen Lage gefolgt wären, die genauso verhängnisvoll war wie die Fehleinschätzung, die auch heute wieder bei der Diskussion um die Neutronenwaffe zutage tritt? Es kann doch gar keine Rede mehr davon sein, daß die Amerikaner die Last starker konventioneller Streitkräfte in Europa anstelle der Bundesrepublik auf sich genommen hätten. Die Aufstellung der Bundeswehr war doch damals gewissermaßen unser Beitrag mit der Rückversicherungsgarantie, daß dafür die nukleare Garantie gilt und Amerika das Bündnisgebiet einschließlich der Bundesrepublik mit seinen Waffen zu verteidigen bereit ist.
Schon im Jahr 1956 habe ich als damaliger Verteidigungsminister die erste Andeutung gemacht, daß die amerikanische Strategie im Wandel begriffen sei und daß man im Fall eines kleineren militärischen Angriffs — wobei man es sehr schwer hat, hier genaue Kriterien zu nennen — nicht mehr mit dem Einsatz der strategischen Atomwaffen der Amerikaner rechnen könne.
Das hing mit der Tatsache zusammen, daß zum erstenmal in der amerikanischen Geschichte im Fall eines Kriegs das amerikanische Territorium selber in schwerster Weise vom Kriegsgegner in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Man muß sich ja vorstellen, was das für die Amerikaner bedeutet. Sie haben den Ersten Weltkrieg militärisch entschieden. Sie haben den Zweiten Weltkrieg militärisch entschieden. Keiner der beiden Weltkriege wäre ohne den massiven Einsatz der amerikanischen industriellen und militärischen Macht in Europa und, im Zweiten Weltkrieg, im Pazifik gegen das Deutsche Reich gewonnen worden. Damals ist kein Ziegelstein von einem Dach eines amerikanischen Hauses durch Kriegshandlungen heruntergefallen. Und heute müssen die Amerikaner die Vernichtung ihrer Industriezentren und ihrer Großstädte für den Fall der Einlösung ihrer Sicherheitsgarantie als eine gespenstische Wahrscheinlichkeit in Kauf nehmen.
Aus diesem Grund, so sagte Foster Dulles damals bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Adenauer, bei dem Außenminister von Brentano und ich beigezogen waren, sind wir nicht mehr in der Lage, euch den Schutz mit strategischen Atomwaffen in jedem Fall zu gewährleisten. Wir müssen euch bitten, taktische Atomwaffen in Europa zu stationieren, vornehmlich in der Bundesrepublik Deutschland angesichts ihrer militärgeographischen Lage. Es hat keinen Sinn, daß wir Amerikaner unsere Divisionen damit ausrüsten. Denn im Fall eines breit angelegten Angriffs würde der militärische Gegner zur rechten und linken Flanke an unseren Divisionen durchstoßen und die nicht atomar bewaffneten Verbände unserer Verbündeten, darunter die der Bundeswehr überrennen. Deshalb brauchen wir in der ganzen Frontbreite taktische Atomwaffen. Ihr müßt die Waffenträger einführen. Die Sprengköpfe werden von uns geliefert, bleiben under American custody and control — so hieß die offizielle Formel —, und den Einsatzbefehl kann nach unserem Recht — das heute noch gilt —, nämlich der McMahon Act, nur der amerikanische Präsident geben.
Diese Konferenz hat im Frühjahr 1957 — wahrscheinlich im Monat Mai — stattgefunden; die Akten des Bundeskanzleramts müssen darüber noch Auskunft geben können.
Was haben wir damals getan? Wir haben noch während dieser wenige Stunden dauernden Konferenz mit Foster Dulles die Zustimmung der Bundesregierung zur Stationierung taktischer Atomwaffen und zur Einführung der A-Waffen-Träger in Aussicht gestellt. Die Amerikaner wußten ganz genau, woran sie waren. Da gab es kein Hin und Her, da gab es kein Finassieren und kein Taktieren, da gab es kein Lavieren und kein innerparteiliches Schwarzer-Peter-Geschiebe, sondern unter Freunden — wir waren Freunde; und wir sind es heute noch — die ganz klare Auskunft: Wir nehmen zur Kenntnis: Strategische Atomwaffen werden nicht mehr eingesetzt außer im äußersten Fall; konventionelle Waffen allein reichen nicht aus, ein abgestuftes Abschreckungsarsenal dem potentiellen Gegner gegenüberzustellen; also ziehen wir aus dieser Lage die Konsequenzen.
Es war — wenn ich Sie freundlich anreden darf, Herr Kollege Wehner — die Zeit, als die Sozialdemokratische Partei eine Große Anfrage im Bundestag einbrachte, die zu beantworten ich die Ehre hatte — weil solche Aufträge ja lieber auf den Verteidigungsminister abgeladen als von anderen ausgeführt werden —. Der Sinn Ihrer Anfrage und der Zweck Ihres Antrags war, die Bundesregierung solle gewährleisten, daß keine taktischen Atomwaffen, keine Sprengköpfe für taktische Atomwaffen, daß überhaupt keine Atomsprengköpfe — so muß ich umfassend sagen — aur deutschem Boden gelagert werden, weder für die amerikanischen Streitkräfte, noch etwa für deutsche Streitkräfte; und daß, wenn eine solche Zustimmung bereits erteilt worden sei, sie unverzüglich wieder zurückgenommen werden sollte.
Das war damals der Sinn der Großen Anfrage. Das war der Sinn des Antrags im Mai 1957. Das war in derselben Periode — ich kann nicht sagen, ob es vor oder nach dem Gespräch im Bundeskanzleramt war; das könnte man nur den Akten entnehmen, und darum habe ich mich nicht bemüht —, in der Sie den Amerikanern auch die Lagerung von Atomsprengköpfen für ihre eigenen Streitkräfte unmöglich machen wollten. In der Zeit mußten wir uns schon gegenüber den Amerikanern verpflichten, die Lagerung von Atomsprengköpfen



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für amerikanische Truppen auch weiterhin zu erlauben und für die deutschen Truppen in Aussicht zu stellen, sobald der NATO-Rat darüber beschlossen hat.
Wenn wir hier, gelinde gesagt, skeptisch sind — Kollege Kohl denkt hier kein Haar anders als ich zu dieser Frage —, dann beruht das auf folgendem. Im Jahre 1956 wollten Sie die Aufstellung einer konventionellen Armee mit der Begründung verhindern, nur die Atomwaffen könnten heute noch einen Krieg verhindern; aber da sie niemals in deutscher Hand sein sollten, brauchten wir überhaupt nichts zu tun.
Im Jahre 1957 wollten Sie der Bundesregierung verbieten, den Amerikanern die Stationierung ihrer Atomwaffen für die amerikanischen Streitkräfte zu erlauben. Vorsorglich wollten Sie es auch gleich für die deutschen Streitkräfte verbieten. Dahinter steckte eben keine Logik, genausowenig wie heute hinter der Haltung der SPD zur Neutronenwaffe auch nur die geringste Logik steckt.
Wir haben in diesem Hohen Hause im März 1958 eine gespenstische, fast vier Tage dauernde Diskussion — ich glaube, es war die längste Diskussion, die wir überhaupt jemals in diesem Hause im Zusammenhang mit einem Thema hatten — durchgeführt. In dieser Diskussion sind bemerkenswerte Reden gehalten worden. Eine der bemerkenswertesten Reden hat damals der Kollege Helmut Schmidt gehalten. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Ergebnis der großen Pariser NATO-Konferenz vom Dezember 1957 ein Appell an die Sowjetunion zur Mitarbeit an der Wiedervereinigung Deutschlands war, für die Unabhängigkeit und Souveränität der Staaten im Nahen Osten, für die Bereitschaft zur Förderung der Wohlfahrt der Völker Afrikas, für die Verbesserung der politischen Konsultation der NATO-Staaten, für die Bereitschaft zur Abrüstung, für die Konferenz der Außenminister zur Überwindung des toten Punktes bei der Abrüstung, für die Vorräte von Atomladungen für die Verteidigung des Bündnisses im Notfall, für die engere Koordinierung der Streitkräfte.
Ich habe damals auch bekanntgegeben, daß ein NATO-Dokument zur Entscheidung ansteht. Das geschah dann im Mai 1958. Es handelt sich um das berühmte Dokument MC 70. Ich glaube, das ist heute nicht mehr in Kraft, aber seine Substanz gilt auch noch heute.
Dieses NATO-Dokument MC 70 war nichts anderes als die Konsequenz aus dem, was Foster Dulles uns im Mai 1957 gesagt hatte: Wir brauchen taktische Atomwaffen, und ihr müßt die Waffenträger nehmen, wir lagern für euch auch die Sprengköpfe; der amerikanische Präsident hat allein die Verfügungsgewalt.
Schon damals, im März 1958, hat die SPD mit vollen Breitseiten gegen die Einführung der taktischen Atomwaffenträger bei der Bundeswehr geschossen, allerdings mit einer merkwürdigen Begründung, die der Irreführung der Offentlichkeit diente: gegen die „Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen".
Ich habe damals gesagt: Es geht nicht um die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen — das ist eine doppeldeutige und deshalb irreführende Formulierung —, es geht um die Einführung von A-Waffenträgern zur Verwendung für amerikanische Sprengkörper, die in amerikanischem Eigentum bleiben, unter amerikanischer Bewachung und Kontrolle sind und nur durch den amerikanischen Präsidenten freigegeben werden können.
In einer späteren Fernsehdiskussion sagte mir der heutige Bundeskanzler, er habe das gar nicht begriffen. Er habe mich so verstanden, daß es um die Einführung von Atomwaffen in deutschem Besitz und mit deutscher Verfügungsgewalt gehe. Das war ja damals die Irreführung der Offentlichkeit.
Er hat damals eine bemerkenswerte Rede gehalten.

(Zurufe von der SPD: Das sagten Sie bereits! — Hartmann [CDU/CSU] : Heute ist er wieder ein Irrender!)

— Sagen wir: ein Suchender! — Ich muß vieles überschlagen.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Er hört sowieso nicht zu! — Wehner [SPD]: Es waren ja viele Jahre dazwischen! — Dr. Marx [CDU/ CSU] : Aber. die Wahrheit muß Wahrheit bleiben!)

— Aber ich kann doch noch lesen, Herr Kollege Wehner. — In dieser Rede hat er auf mich gezeigt und sinngemäß gesagt: Dieser Mann ist gefährlich, weil er intelligent ist. Jedenfalls ging Helmut Schmidt in seinem Widerstand gegen die offizielle NATO-Planung damals sogar so weit, daß er einen Generalstreik von 24 Stunden Dauer als Protestaktion befürwortet hat. Das waren die Jahre 1957/58
— ich kann sie nicht vergessen, weil sie ein wichtiger Abschnitt meines persönlichen und politischen Lebens sind —, in denen Sie mit der Aktion „Kampf dem Atomtod" die deutsche Offentlichkeit gegen die Erfüllung unserer Bündnispflichten aufwiegeln wollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es war für jedermann klar, daß der Verbleib der Amerikaner in Europa nicht zuletzt von der Haltung der Bundesrepublik, der damaligen Bundesregierung und ihrer politischen Mehrheit, abhängen würde. Im Interesse unserer Gleichberechtigung, unseres Mitbestimmungsrechtes in der NATO haben wir — auch im Interesse unserer militärischen Sicherheit — dieser Planung zugestimmt. Sie dagegen haben damals alles unternommen, um die deutsche Offentlichkeit so aufzuwiegeln, daß für den Fall Ihres Erfolges der Abzug der Amerikaner und die Ausklammerung der Bundesrepublik aus der militärischen Sicherheitsgarantie zum Schluß die einzig mögliche Folgerung gewesen wären.
Sie erinnern sich doch an die großen Kundgebungen, so in Hamburg mit 100 000 Teilnehmern. Alle städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter wurden auf der Straße mobilisiert. Sie erinnern sich doch an Hannover, Bielefeld, die berühmten Ostermärsche, an die „Kampf dem Atomtod"-Demonstrationen in Frankfurt, an die Demonstrationen in Lon-



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don. Seid ihr für den Atomtod? — Nein! — Seid ihr für den konventionellen Tod? — Nein! — Seid ihr für den Tod überhaupt? — Nein!

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

— So etwa war damals die Logik der Agitation, die ich hier nur zusammengefaßt wiedergeben kann. Ich sage das nicht — das habe ich ausdrücklich gesagt —, um hier militärpolitische Archäologie zu betreiben, sondern ich sage das im Zusammenhang mit dem Thema Neutronensprengköpfe heute und im Zusammenhang mit dem amerikanisch-europäischen Verhältnis heute.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt keinen Zweifel, daß bei den Amerikanern — auch wenn es frühere Administrationen und frühere Präsidenten waren — ein tiefes Trauma im Zusammenhang mit dem Vietnam-Krieg zurückgeblieben ist. Ich rede jetzt nicht über die Richtigkeit oder Nichtrichtigkeit der amerikanischen Intervention in Vietnam. Ich habe mich darüber mit amerikanischen Verteidigungs- und Außenministern in jenen Jahren viel unterhalten. Meine Meinung war nicht geeignet, publiziert zu werden. Darum habe ich sie auch zurückgehalten. Es hat auch jetzt keinen Sinn mehr, darüber zu reden. Aber die Tatsache, daß die Bundesgenossen den Amerikanern damals psychologisch, politisch und propagandistisch in illoyalster Weise in den Rücken gefallen sind, daß insbesondere die SPD in Deutschland, vor allen Dingen ihre Jugendorganisation, die Amerikaner als Mörder, als Kriegsverbrecher dargestellt hat, hat tiefe Wunden geschlagen. Ihre Rede damals, Herr Bundeskanzler, die Sie taktvollerweise

(Dr. Dregger [CDU/CSU] : So war er immer schon!)

während einer Amerika-Reise gehalten haben und in der Sie nach Wiederaufnahme der Luftangriffe auf gewisse Ziele in Nordvietnam Ihre Meinung, Ihre Belehrung dem amerikanischen Präsidenten durch eine öffentliche Ansprache haben zuteil werden lassen, hat den Grund für eine tiefreichende Verstimmung gelegt, die nicht nur etwa einzelnen Personen, sondern dem Bündnispartner Deutschland allgemein galt.
Da ich das Glück habe, nicht Regierungsmitglied zu sein

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und der FDP — Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Das Glück ist auf unserer Seite!)

— darüber werden wir uns in absehbarer Zeit in einem anderen Theater unterhalten —, und auch nicht in den diplomatischen Dienst berufen werden möchte, Herr Kollege Genscher, sage ich: Es wäre nicht nur der Wahrheit, sondern auch den guten Beziehungen gedient, wenn man sich im gegenseitigen Umgang einerseits öffentlich stärker zurückhalten würde

(Lachen bei der SPD)

— ich weiß, warum ich das sage — und andererseits vor allen Dingen ehrlicher miteinander wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn der amerikanische Präsident z. B. Herrn Schmidt als seinen Lehrer bezeichnet, dann kann er natürlich nicht Herrn Schmidts Selbsteinschätzung zerstören, der nicht begreifen kann, daß das schwarzer Humor ist,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

daß das die mildestmögliche Bezeichnung ist für seine dauernde Belehrungshaltung. Denn Schmidts Politik ist so eine Mischung zwischen propagandaträchtiger Geheimdiplomatie einerseits,

(Wehner [SPD] : Beklemmt Sie das?)

Verkündung volkswirtschaftlicher Lehrsätze andererseits. Es ist sozusagen kostenlose Überlassung seiner politischen Lebenserfahrungen auf dem offenen Markt. Damit haben Sie, Herr Bundeskanzler, sehr geteilten Beifall geerntet. Ihre Bezeichnung als „Feldwebel" - vielleicht werden Sie demnächst befördert;

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

in dieser Laufbahn gibt es noch ein paar Stufen — hängt doch auch damit zusammen.
Wenn Sie den Artikel in „Time" lesen, den Helmut Kohl heute morgen erwähnt hat, dann sollten I Sie einmal prüfen, ob Sie der deutschen Öffentlichkeit, dem Deutschen Bundestag und einer Opposition, die nur beansprucht, vernünftige Politik und eine seriöse Opposition zu betreiben, dieses Märchenspiel wirklich zumuten können, das Sie heute morgen hier aufgeführt haben. Das stimmt doch hinten und vorn nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt unter Umständen psychotherapeutische Wirkungen, z. B. die, daß man eine ursprünglich nicht geglaubte Legende nach öfterer Wiederholung zum Schluß für Wahrheit hält. Aber das ist nur ein sozusagen selbstreinigender Prozeß; er strahlt nicht auf die Umwelt aus.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Dann zu Ihrem Schweigen zu dem ungeheuerlichen Angriff des Hauptgeschäftsführers der SPD gegen den amerikanischen Präsidenten . Das ist doch fast unerträglich. Wenn irgendein Abgeordneter, irgendein Funktionär so etwas macht, gut, in einer politischen Partei sind wir viel gewöhnt, muß man viel in Kauf nehmen. Wenn aber der Hauptgeschäftsführer, also der Generalsekretär bei Abwesenheit seines Herrn eigentlich sogar der eigentliche Einpeitscher der Partei — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808303300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0808303400
Ich bitte um Entschuldigung. Könen Sie mir eine Nachhilfe geben durch Beantwortung meiner Frage: Ist es mir entgangen, daß der es war, der den Präsidenten des „Kniefalls vor dem Zaren" bezichtigt hat?

(Beifall bei der SPD)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0808303500
Sie müssen mich wörtlich zitieren. Ich habe auch nicht von der Knute gespro-



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chen; es ist aber sehr interessant, daß Sie darauf zu reden kommen; das ist aber nur etwas für Sie, Herr Wehner.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ich habe gesagt, das sei der erste Fall in der amerikanischen Geschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, daß der amerikanische Präsident vor dem roten Zaren gekuscht habe.

(Wehner [SPD]: Aber das war nicht Herr Bahr, nicht?)

— Das habe ich auch nicht behauptet.

(Wehner [SPD] : Ich dachte, mir sei das entgangen!)

— Ich leide ja nicht an Bewußtseinsspaltung, Herr Kollege Wehner.

(Anhaltende Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Aber Herr Kollege Bahr hat dem amerikanischen Präsidenten moralische Perversion vorgeworfen. Er hat das später auf dem Parteitag der SPD wiederholt.

(Dr. Ehmke [SPD]: Das ist nicht wahr!)

Der amerikanische Präsident war immerhin bereit, das Startsignal zur Produktion dieser Waffe zu geben, und wurde deshalb von dem obersten Funktionär der stärksten deutschen Regierungspartei der moralischen Perversion des Denkens bezichtigt.

(Dr. Ehmke [SPD]: Das ist nicht wahr! — Gegenrufe von der CDU/CSU)

— Ja, was ist denn an „Perversion"?

(Zurufe von der SPD — Abg. Dr. Ehmke meldet sich zu einer Zwischenfrage — Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Der muß es wissen!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808303600
Herr Kollege Strauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehmke?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0808303700
Herr Kollege Strauß, würden Sie mir einmal vorlesen, wie sich Herr Bahr zum amerikanischen Präsidenten, dem er mit großem Respekt gegenübersteht, geäußert hat? Sie wollen hier doch etwas verdrehen. Sie wollen das, was er zur Natur einer Waffe gesagt hat — ich teile das nicht ---, jetzt auf die Person des amerikanischen Präsidenten beziehen. Auch das kann den deutschamerikanischen Beziehungen kaum guttun.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0808303800
Herr Ehmke, Sie sind ein großer Dialektiker, ein großer Kasuistiker,

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Rabulist ist er!)

aber Ihre ganze Rabulistik, auch wenn sie mit professorenhafter Gönnermiene vorgetragen ist, reicht nicht aus, um diesen Tatbestand aus unserem Gedächtnis löschen zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD] : Lesen Sie es doch einmal vor!)

„Perversion des Denkens" heißt doch die Überschrift. Also ist der amerikanische Präsident, weil
er den Bundesgenossen die Neutronenwaffe angeboten hat, einer Perversion unterlegen.

(Dr. Ehmke [SPD}: Das ist unwahr! Lesen Sie es vor!)

— Ich muß es aus meinen vielen Unterlagen heraussuchen. Vielleicht kann ich es während meiner Rede noch tun, dann lese ich es vor.
Jetzt lassen Sie mich einmal zur Neutronenwaffe etwas sagen, nicht weil ich mich für einen kompetenten Kernphysiker oder für einen militärpolitischen Fachmann halte — da gibt es schon viel zu viele in diesem Hause —, sondern einfach im Lichte der Tatsachen. Wir haben damals im Jahre 1957 der Lagerung von Atomsprengkörpern zugestimmt. Wir haben ab 1958 taktische Atomwaffenträger in die Bundeswehr eingeführt. Für die Zwecke der Bundeswehr befinden sich auf deutschem Boden unter den bekannten Bedingungen Tausende von Atomsprengkörpern in Form von Granaten, in Form von Bomben, in Form von Raketen. Alle diese Waffen, die in der Zwischenzeit wahrscheinlich sogar mehrmals gewechselt worden sind, weil sie modernisiert worden sind, mit geringerem Gewicht eine größere Leistungsfähigkeit erreicht worden ist, auch weil man sich nicht zuletzt unter unserem Einfluß bemüht hat, den sogenannten Yield, die Gesamtwirkung, abzuschwächen, kleinere Waffen, präziser treffende Waffen herzustellen, um diese schrecklichen Flächenvernichtungen und damit auch die Auslöschung von Menschenleben geradezu in Flächenbränden zu verhindern, alle diese Waffen sind da. Jede dieser Waffen ist in ihrer Wirkung scheußlicher, furchtbarer und ekelhafter als die Neutronenwaffe. Wo ist denn dann bei Ihnen die Logik?

(Zuruf von der SPD: Welcher Tod ist denn schöner?)

Die Logik kann doch bei Ihnen nur darin bestehen: Wir sind gegen die Neutronenwaffe, weil wir uns dann wirksamer verteidigen können, da sie angewandt werden könnte, und wir sind für den Verbleib von Waffen, die so furchtbar sind, daB sie nie angewandt werden können, und deshalb entscheiden wir uns gegen die Einführung der Neutronenwaffe.
Wenn es darum ginge zu fragen: „Hängt von unserer Entscheidung die Einführung der A-Waffen in der Welt ab, ja oder nein?, ich glaube, es gäbe niemanden im Hause, der ja sagen würde. Ich möchte die Verantwortung vor mir selbst, vor den Mitmenschen und vor Gott für die Einführung der A-Waffen nicht tragen. Andere haben sie aber in die Welt gesetzt, und wir müssen mit diesem Problem zurechtkommen. Wir haben in diesem Hause 20 Jahre um dieses Thema gerungen. Ganze Bände von Protokollen sind seinerzeit mit den Reden gefüllt worden. Jetzt geht es uns darum, den Einsatz dieser massiven, schweren Atomwaffen, die auch die taktischen Atomwaffen sind, dadurch noch weiter hinauszuschieben, ohne eine militärische Lücke zu schaffen, daß eine Waffe, deren Wirkung wesentlich geringer ist, dazwischengeschoben werden kann.
Natürlich ist der Entschluß zum Einsatz der Neutronenwaffe in der Verteidigung leichter zu fassen



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als der Entschluß, A-Waffen mit 20 Kilotonnen, 50 Kilotonnen oder 100 Kilotonnen anzuwenden. Die Vorstellung aber, die in dem Artikel von Herrn Bahr offensichtlich zutage tritt, ist ja eine ScienceFiction-Grusel-Story. Die Vorstellung — es ist eine wirksame Propagandavorstellung — ist die: Intakte Städte, Geisterstädte, in denen die Menschen in großen Leichenhaufen am Boden liegen. Das heißt, der Mensch wird zerstört, die Materie überlebt. Auch im Fernsehen ist neulich gekommen, was wäre, wenn eine solche Bombe fiele: Dann wären alle Studios in Ordnung, die Fernsehanlagen und die Videoeinrichtungen. Das ist alles Unsinn. Tatsache ist bei der Neutronenwaffe, daß ihre Hitze- und Druckwirkung wesentlich geringer ist, während ihre Strahlungswirkung erhalten bleibt, vielleicht sogar stärker ist. Die Reichweite ist aber begrenzt, und der Umkreis, in dem sie wirkt, ist wesentlich kleiner als etwa der Umkreis der Hiroshima-Bombe, die für uns immer eine vorstellbare Größenordnung gewesen ist. Es kann also keine Rede davon sein, daß hier Geisterstädte übrigbleiben, in die dann der militärische Sieger einziehen kann, um die Menschen zu beerdigen und dann die intakten Fabriken oder Wohnhäuser zu übernehmen.
Die technische Entwicklung der Neutronenwaffe ist seit Ende der 50er Jahre innerhalb gewisser NATO-Gremien erörtert worden. Sie wurde damals von allen militärischen und technischen Fachleuten als eine Möglichkeit betrachtet, mit der man eine wirksame Verteidigung mit abschreckender Wirkung sicherstellen und trotzdem von der furchtbaren Entscheidung, A-Waffen einzusetzen, noch weiter wegrücken kann. Das heißt, sie ist eine Möglichkeit, die Schwelle für den Einsatz der bekannten A-Waffen noch wesentlich höher zu hängen. Das allein ist die Entscheidung, die wir zu treffen haben.
Wenn heute der Herr Bundeskanzler sagt, daß das in die Abrüstungsproblematik einbezogen werden müsse, dann wird dem niemand widersprechen. Aber Moskau hat doch die Antwort schon längst gegeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Sie laufen doch einer Fiktion, einer Utopie nach. Um Ihrem parteipolitischen Dilemma zu entgehen, träumen Sie, Herr Bundeskanzler, statt zu entscheiden. Sie träumen davon.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist doch absurd, zu glauben, daß die Sowjets auf die Modernisierung ihres Mittelstreckenraketenarsenals, das jetzt von ortsfest auf mobil umgestellt wird und das eine Reichweite von 4 000 km hat, mit der sie ganz Europa abdecken können, wegen des Verzichts auf die Neutronenwaffe ihrerseits verzichten werden.
Es ist es doch wirklich einmal wert, die Frage zu stellen: Warum legen die Sowjets so großen Wert darauf? Das ist doch ein völlig ungewöhnlicher Vorgang — auf den Sie leider nicht eingegangen sind —, daß der mächtigste Mann der Sowjetunion Briefe an alle Verbündeten der Amerikaner schreibt, in diesen Briefen drohend die Faust erhebt, furchtbare Konsequenzen ankündigt, wenn die Bundesgenossen diese von den Amerikanern angebotene Waffe annehmen. Ich halte es durchaus für möglich, daß der amerikanische Präsident nicht vor dem Zaren in Moskau gekuscht hat. Aber was ist denn dann die Wirkung? Überlegen Sie sich doch einmal das zeitliche Zusammentreffen der Drohbriefe Breschnews und der weltweiten Kampagne, die zum Teil im Stil der Science Fiction Story, der Horror Story betrieben wird. Der Vergleich ist nämlich falsch. Die Neutronenwaffe ist zwar scheußlich, aber weniger scheußlich als die anderen Waffen, die schon in unseren Depots für den hoffentlich nie eintretenden Ernstfall bereit sind. Das ist doch die technische und militärische Wahrheit.
Warum haben Sie, Herr Bundeskanzler, nichts von dieser in der Geschichte der Diplomatie der Welt unerhörten Einmischung des mächtigsten Mannes der Sowjetunion gesagt? Ich weiß nicht: Hat er einen Brief geschrieben, hat er zwei Briefe geschrieben? Aber warum?
Wer von uns weiß denn, meine Damen und Herren, ob die Russen diese Waffe nicht schon längst haben? Ich warne vor dem Irrglauben, den ich auch aus der Feder eines Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion gelesen habe, die Russen seien deshalb gegen die Einführung dieser Waffe, weil sie nicht das wissenschaftlich-technische Potential hätten, sie in absehbarer Zeit ebenfalls herzustellen. Ich bin nicht davon zu überzeugen. Das wissenschaftlich-technische Potential der Sowjetunion in der Waffenentwicklung und Waffenfabrikation reicht durchaus aus.
Hier haben wir uns in der Vergangenheit doch furchtbar getäuscht. Niemand wollte es glauben, als die Russen ihre erste A-Waffe im Jahre 1949 gezündet haben. Man dachte, daß das frühestens fünf Jahre später geschehen könnte. Als sie im Jahre 1953 die erste Wasserstoffbombe gezündet haben, war das Jahre früher, als man es erwartet hatte. Auch in NATO-Kreisen war man höchst überrascht, als sie im Jahre 1957 den ersten Sputnik auf die Reise um die Erde schickten. Idh warne vor dem Aberglauben, daß die Sowjetunion diese Waffe nicht herstellen könne. Ich warne vor der Sicherheit der Überzeugung, daß sie die Sowjetunion nicht heute schon hat. Das ist durchaus möglich.
Warum dann der Widerstand auf sowjetischer Seite, würde die logische Anschlußfrage lauten. Auf die Frage gibt es nur eine plausible Antwort: Weil diese Waffe den Verteidiger einseitig und mit Masse, sozusagen, begünstigt. Die politisch-militärische Führung der Sowjets glaubt nicht, daß vom Westen her jemals ein Angriff gegen sie unternommen werden würde.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Ein Landangriff in Europa, etwa im Stile Napoleons oder Hitlers, gehört der Vergangenheit an, auch wenn der Komplex noch tief in der russischen Mentalität ist. Aber die Sowjetführung weiß ganz genau, daß bei der Stärke der NATO, bei der politischen Zusammensetzung der NATO und den in der NATO geltenden inneren Regeln ein Angriffskrieg weder vorbereitet noch durchgeführt werden kann.



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Wir kennen aber auch die sowjetische Militärdoktrin. Das ist ein Muster der Kombination von Feuerkraft und Beweglichkeit. Die Sowjets sind so weit, daß sie selbst im normal atomar verseuchten Gelände, das viel schlimmer zugerichtet ist als von der Neutronenwaffe, innerhalb weniger Tage mit ihren Panzern vorstoßen können. Das bereitet ihnen nicht die geringsten Schwierigkeiten. Sie sind die einzigen, die Schützenpanzer haben, die ABC-sicher sind. Auf diesem Gebiete haben sie ungeheuer viel geleistet, mehr als wir ihnen jemals zugetraut haben.
Der drohende Widerstand der Sowjetunion gegen die Einführung der Neutronenwaffe ist nur so zu erklären, daß damit die Verwendung großer Panzerverbände, die in der Offensive viel wirksamer als in der Defensive sind, wie wir wissen, in Frage gestellt wird, daß Konzentrationen nicht mehr möglich sind, große Aufmärsche nicht mehr abgeschirmt werden können, kurzum: daß ein Angriff im Stil des Blitzkrieges, wie ihn auch die sowjetische Militärdoktrin, natürlich unter Modernisierung ihrer Ausrüstung übernommen hat, dann nicht mehr möglich ist. Weil diese Möglichkeit und damit das Druckmittel im Bewußtsein, in der Psychologie der Europäer entfällt, verliert die Sowjetunion eine psychologische Waffe, wenn auf unserer Seite die Neutronenwaffe eingeführt wird, die — ich bitte um Entschuldigung, wenn ich das sage; ich weiß, wie scheußlich sie ist — viel harmloser als die Waffen ist, die zu Tausenden, auch für die Bundeswehr, auf deutschem Boden lagern.
Wir haben damals, Herr Kollege Wehner, nachdem die Entscheidung gefallen war — ich habe das Abkommen im Frühjahr 1959 unterzeichnet —, über die Lagerung von Atomsprengkörpern in der Bundesrepublik gesprochen. Man tut immer so, als ob man eine neue tragische Entscheidung fällen, als ob man neue Standorte suchen, Raumordnungsverfahren usw. einleiten müßte. Es ist alles da. Es handelt sich lediglich darum, in den bereits bestehenden Atomwaffendepots Neutronensprengkörper zu lagern und dafür andere Atomsprengkörper herauszunehmen, falls der Raum nicht ausreicht. Aber wahrscheinlich sind die Depots nicht einmal voll, weil sie seinerzeit sehr umfangreich gebaut worden sind. Das ganze Drama mit der Stationierung von Neutronenwaffen ist doch nichts anderes als Glasperlenspiele der SPD zur Bewältigung des Dilemmas in ihren eigenen Reihen.
Ich bezeichne das nicht als einen ideologischen Vorwurf. Ich mache Ihnen aber einen anderen Vorwurf, von dessen Richtigkeit ich leider zutiefst überzeugt bin und von dem ich auch gleichzeitig betroffen bin, nämlich daß Sie in der SPD nie ein wirkliches Verhältnis zur militärischen Wirklichkeit, zu den militärpolitischen Realitäten und zu den technischen Zwangsläufigkeiten gefunden haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Interessant war, was der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten in der Sendung „Panorama" zu der heute so kritisierten Formulierung in meinem Interview in der „Welt" gesagt hat. Er sagte — die Fragestellung war übertrieben, es war nicht die genaue Formulierung —: „Ich weiß nicht, ob Herr Strauß das gesagt hat. Wenn er es gesagt hat, dann deutet er die Motivierung des amerikanischen Präsidenten falsch; denn die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten ist das wohlüberlegte Ergebnis der Beratungen mit den europäischen Bündnispartnern."

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Es gibt nicht den geringsten Zweifel, daß die enttäuschende Haltung der Europäer, die zum Teil auch mit moralischen Belehrungen gegenüber dem amerikanischen Präsidenten verbunden war, der eigentliche Anlaß war, nicht sein Nachgeben vor der Sowjetunion. Davon bin ich jetzt voll überzeugt. Aber es wirkt wie ein Nachgeben, weil es zeitlich zusammenfällt. Und das hat auch eine psychologisch verheerende Wirkung in der Dritten Welt: Moskau hebt drohend die Faust, und die andere große Weltmacht tut das, was Moskau verlangt. Aber das wirkliche Motiv ist weniger die Drohung Moskaus gewesen als die blamable, enttäuschende, versagende Haltung der europäischen Bündnispartner, auch der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In dem von Helmut Kohl erwähnten Artikel in der „Time" steht ja ebenfalls: „Schmidt hat darauf bestanden, daß die Produktion erst aufgenommen wird, wenn Abrüstungsverhandlungen ergebnislos verlaufen sind." Außerdem sei das allein Sache des amerikanischen Präsidenten — das haben wir auch heute wieder gehört —, und im übrigen nur dann, wenn noch ein zweiter Bündnispartner hinzukommt, mithin nicht nur auf deutschem Boden. Wenn also , Luxemburg mitmacht, dann haben auch wir sozusagen die moralische Legitimation, ja sagen zu können. Herr Bundeskanzler, ich kann nur sagen: Das ist eine erbärmliche Haltung.
Es ist auch völlig falsch zu sagen: Das ist eine rein amerikanische Entscheidung. Rechtlich haben Sie natürlich recht. Niemand kann den amerikanischen Präsidenten rechtlich zwingen, eine Waffe zu bauen oder nicht zu bauen. Das ist allein seine Sache. Das ist eine Binsenweisheit, die brauchen wir gar nicht zu wiederholen. Aber wir sind ja Bündnispartner, Freunde sind wir sogar. Wie sehr Sie besorgt sind, daß diese Freundschaft gestört werden könnte, haben sie ja heute laut betont. Diese Waffe ist doch nur für die europäische Verteidigung gedacht. Sie paßt weder nach Afrika noch nach Asien. Sie paßt weder zur 6. Flotte noch zur 7. Flotte. Sie ist allein dazu gedacht, das militärpolitische Gleichgewicht in Europa angesichts der starken sowjetischen Panzerverbände und Schützenpanzerverbände durch eine Abwehrwaffe wiederherzustellen.
Ich würde, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, dem amerikanischen Präsidenten doch nicht sagen: „Es ist allein Ihre Sache." Wir müssen doch wissen: was ist notwendig? Als Bündnispartner, als zweitstärkste Wirtschaftsmacht der NATO, auf deren wirtschaftliche Kraft sich der Bundeskanzler immer gern zu berufen pflegt, wenn er seinen Bizeps bei den Konferenzen zeigt — das ist auch schon öfter aufgefallen —, müssen wir doch wissen — wir sind



Strauß
doch auch nicht militärpolitische Idioten —, was wir brauchen, und man muß den Mut haben, das dann zu vertreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der „Time" — es stammt nicht von mir — steht: „Schmidt's waffling annoyed the White Hause." Das ist ein Ausdruck der Umgangssprache. Ich habe erst im Lexikon nachschlagen müssen. „Waffle", als Verbum, heißt „schwafeln" Die „Time" schreibt: „Das Geschwafel Helmut Schmidts hat das Weiße Haus verärgert." Sie können ruhig davon ausgehen, Herr Bundeskanzler, daß trotz aller Freundschaftsbeteuerungen, trotz aller Höflichkeitsfloskeln das lavierende, finassierende, taktierende, ausweichende, blamable versagende Verhalten der Bundesregierung und anderer europäischer Partner der eigentliche Grund dafür ist, warum Washington vorerst auf die Produktion dieser Waffe verzichtet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich weiß, daß Sie ein hartes Wort von mir in meinem letzten Debattenbeitrag hier noch härter gedeutet haben, als es gemeint war. Aber, Herr Bundeskanzler, Sie haben doch nicht den Amtseid für die SPD geschworen. Sie haben den Amtseid für das deutsche Wolk geschworen, für unseren freiheitlichen Rechtsstaat, für die Verteidigung seiner Sicherheit, seiner Freiheit .und für die Verteidigung des Friedens in Europa.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da ist es nicht Sache des deutschen Bundeskanzlers, zu sagen: Du, amerikanischer Präsident, entscheidest allein; wie froh bin ich, daß ich damit nichts zu tun habe. Solltest du dich aber wider Erwarten doch dafür entscheiden, dann müssen wir zuerst einmal diese Waffe zum Gegenstand von Abrüstungsverhandlungen machen — darüber habe ich mich schon geäußert —, und wenn es dann zu keinem guten Ergebnis kommt, dann können wir die Lagerung in der Bundesrepublik in Betracht ziehen, wenn sie auch noch auf einem anderen Territorium als dem der Bundesrepublik stationiert wird.
Herr Bundeskanzler, ich behaupte nicht, daß die früheren Regierungen aus Helden und Genies bestanden haben, die Regierungen der Zeit AdenauerErhard-Kiesinger. Aber in solchen Fragen haben wir schnell und sachgerecht entschieden, und wir haben alle Widerstände in der öffentlichen Meinung, auch Widerstände innerhalb der eigenen Reihen in Kauf genommen und ausgetragen, von der Wehrpflicht bis zur Einführung der taktischen Atomwaffenträger. Denn daß Sie an der Macht bleiben wollen und daß wir hin wollen, das ist selbstverständlich. Das gehört' zum normalen demokratischen Spiel zwischen Regierung und Opposition. Aber die Regierung hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, nach geschichtlichen Maßstäben mit langem Atem und im Lichte ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen harte Sachentscheidungen zu treffen. Was ist das für ein Zustand, daß über die Einführung von Waffensystemen an Parteitagen entschieden wird, wie es heute zu gehen pflegt, und mit Rücksicht auf Parteitage! Ich meine die Resolution, die Sie in Hamburg dann zum Schluß einstimmig verabschiedet haben. Es war noch die „Tauben"-Resolution. Da lachen doch die Hühner, wenn sie das lesen, was da alles gemacht werden soll. Sagen Sie ja oder nein! Das Schlimme ist, daß Sie lauwarm sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß ein bekannter sowjetischer Besucher in der Bundesrepublik, Herr Poljanow, der sicherlich nicht immer so geheißen hat, von einem Treffen mit dem Hauptgeschäftsführer der SPD berichtet und seine Haltung natürlich lobt und sagt: Mir hat Egon Bahr — das Zitat kann jedermann bei mir abholen, aber ich kann meine Rede jetzt nicht unterbrechen, um es aus den vielen Dokumenten herauszusuchen — gesagt, daß er gegen die Einführung der Neutronenwaffe sei, weil sie die politische Handlungsfreiheit der Bundesrepublik noch weiter einengen werde; sie sei ohnehin leider schon durch die Stationierung taktischer Atomwaffen zum Nachteil der Bundesrepublik eingeengt worden.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Eine Narretei! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Es wäre gut, wenn Herr Bahr hier erklären würde, ob Herr Poljanow — Sie kennen wahrscheinlich diese Verlautbarung, da Sie ein besseres Archiv als wir haben — hier die Wahrheit gesagt hat. Ich bin nicht der Meinung, daß die Einführung der taktischen Atomwaffenträger und die Stationierung von Atomsprengkörpern für die Zwecke der Bundeswehr unsere politische Handlungsfreiheit eingeengt hat. Ich bin umgekehrt der Meinung, daß die Erfüllung unserer Bündnispflichten ohne Lavieren und Taktieren, daß klare, mutige, harte und auch in der Offentlichkeit zu verantwortende Entscheidungen unseren politischen Spielraum sowohl im Westen als auch gegenüber dem Osten und auch in der Dritten Welt wesentlich erhöhen:

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Amerikaner haben immer noch das Trauma des Vietnam-Krieges zu verkraften. Sie sind damals nicht materiell, aber moralisch schwer angeschlagen worden. Die Europäer und auch die damalige Bundesregierung haben Herrn Kissinger auf seine New Yorker Rede mit der Neufassung der AtlantikDoktrin eine höhnische, abweisende Antwort erteilt. Herr Brandt sprach davon, daß sich die Amerikaner daran gewöhnen müßten, daß die Europäer eine werdende Großmacht seien. Sie sind ein bleibender Zwergenhaufen, aber nicht eine werdende Großmacht, und gerade das führt heute den Abstiegsprozeß der Europäer herbei, beschleunigt ihn und macht ihn so besorgniserregend, daß sie sich nämlich in Fragen ihrer eigenen Sicherheit mehr nach parteipolitischen Opportunitäten, nach innenpolitischen Gefälligkeiten verhalten, daß sie die Augen vor der geschichtlichen Wirklichkeit verschließen, daß sie die technischen Realitäten nicht mehr sehen wollen und daß sie die politischen oder militärpolitischen Konsequenzen aus moralischer Schwäche und Mangel an Einsicht nicht mehr zu ziehen vermögen. Dies hat den Niedergang der Europäer herbeigeführt, dies macht uns vom amerikanischen Präsidenten so abhängig, ein Zustand, über den er alles an-



Strauß
dere als glücklich ist. Die Amerikaner wären froh und würden Gott jeden Tag dafür danken, wenn die Europäer mehr Verantwortungsbewußtsein, mehr Selbständigkeit hätten. Hier kommt der Macht in Europa, die nach den Amerikanern die größte Wirtschaftskraft hat, automatisch eine Verantwortung zu. Dieser Verantwortung können wir nicht ausweichen. Wir bitten Sie, Herr Bundeskanzler, unbeschadet der Schärfe der heutigen Auseinanderzung, sagen Sie dem amerikanischen Präsidenten: Wir halten aus Gründen unserer Sicherheit die Einführung dieser Waffe zur Ergänzung unseres Atomwaffenarsenals, sicherlich auch mit der Möglichkeit, es an anderer Stelle abzubauen, für notwendig, und wir bitten Sie, diese Waffe zu produzieren und uns in Europa zur Verfügung zu stellen! Das wäre eine mutige, klare Antwort, und Sie würden im deutschen Volke das gewinnen, was Sie in der SPD dadurch verlieren würden.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808303900
Das Wort hat der Herr Bundesminister Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0808304000
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Aussprache, die heute über die Regierungserklärung zu führen ist und die sich mit Recht nicht nur mit der gewiß zentralen Frage der Neutronenwaffe befaßt, sondern in deren Mittelpunkt das Bündnis, das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten und die Situation in Europa zu stehen haben, sollten erstens, wie überhaupt die öffentliche Diskussion, unter der Leitlinie stehen, unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auf keinen Fall zu schädigen, sondern sie im Gegenteil zu stärken und auszubauen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Die Diskussion über die hier anstehenden schwerwiegenden sicherheitspolitischen Fragen sollten von dem Bewußtsein getragen werden, daß wir alles tun müssen, um den Zusammenhalt des Bündnisses als Ganzen zu fördern. Meine Damen und Herren, ich warne davor, die atlantische Verteidigung, die Sicherheit Europas und einzelne Entscheidungen einschließlich so bedeutungsvoller wie der über die Neutronenwaffe als eine rein deutschamerikanische Entscheidung erscheinen und behandeln zu lassen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Drittens. Vor dem Hintergrund der Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, die hier noch einmal wiederholt werden muß, ist ein weiteres zu beachten. Der Präsident hat gesagt:
Ich habe entschieden, die Produktion von Waffen mit gesteigerter Strahlungswirkung aufzuschieben; die endgültige Entscheidung, ER-Elemente zu einem Bestandteil unserer modernisierten Gefechtsfeldwaffen zu machen, wird später erfolgen und wird durch das Maß beeinflußt sein, in dem die Sowjetunion Zurückhaltung zeigt in ihren konventionellen und nuklearen Waffenprogrammen sowie bei Streitkräftedislozierungen, die die Sicherheit Nordamerikas und Westeuropas berühren.
Meine Damen und Herren, der Präsident der Vereinigten Staaten hat damit die Option offengehalten. Wir als Bündnis haben das begrüßt, und wir sollten alles tun, um den Wert dieser Option nicht zu mindern, sondern so zu erhalten, wie ihn der Präsident ernsthaft gemeint hat.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist unbestritten!)

— Herr Kollege Mertes, es ist nicht ganz unbestritten! Denn es gibt auch Kommentierungen der Entscheidung des Präsidenten, die besagen, das komme ja einem versteckten Verzicht gleich.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Worüber sich manche sehr freuen!)

Ich möchte dem Präsidenten weder dies noch andere Motive unterstellen, sondern nehme die Erklärung so, wie sie abgegeben worden ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU] : Und die gleichen Leute klatschen!)

Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesregierung will zur Sicherung des Friedens in Europa und der Welt beitragen. Diese Politik steht auf den Fundamenten des Atlantischen Bündnisses und der Europäischen Gemeinschaft. Von dieser Grundlage aus streben wir nach beiderseits vorteilhafter Zusammenarbeit mit dem Osten und nach gleichberechtigter Partnerschaft mit den Staaten der Dritten Welt. Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist — das haben alle Debattenbeiträge gezeigt —von grundlegender und zentraler Bedeutung, und zwar für uns als Verbündeten und Freund der Vereinigten Staaten, für uns als Mitglied der atlantischen Allianz, für uns als Teil der Europäischen Gemeinschaft und für uns als Partner der Dritten Welt.

(Unruhe)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808304100
Einen Augenblick, bitte, Herr Bundesminister! Ich glaube, wir sollten generell ein wenig mehr Ruhe halten.

(Zustimmung)

Es ist sehr schwer, sich hier durchzusetzen.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0808304200
Ich meine, daß wir uns alle darin einig sein sollten, daß das deutsch-amerikanische Verhältnis organisch gewachsen, fest gegründet und auf Dauer angelegt ist. Es besteht auf der Grundlage gemeinsamer Wertvorstellungen und gemeinsamer Interessen.
Ich kann Herrn Kollegen Strauß zustimmen: Es kommt nicht allein auf persönliche Freundschaften an, sondern darauf, daß die Interessen deckungsgleich sind. In der hier entscheidenden Frage, nämlich der europäischen Sicherheit, besteht das gemeinsame Interesse in der Sicherheit Westeuropas.



Bundesminister Genscher
Deshalb ist die Sicherheit Westeuropas gleichbedeutend auch mit der Sicherheit der Vereinigten Staaten. Wir dürfen nicht eine Sicherheitsdebatte führen und so tun, als gäbe es Waffen, die nur für die Vereinigten Staaten gut sind, und als gäbe es Waffen, die für uns gut sind. Damit würden wir die Vorstellung nähren, als könnte man unterscheiden, als könnte man trennen zwischen den Sicherheitsinteressen der Partner.
In Wahrheit hat das Bündnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, immer zur Grundlage seiner Entscheidungen gemacht, daß die Sicherheit der Vereinigten Staaten auch hier in Europa gewahrt wird, daß die Anwesenheit amerikanischer Streitkräfte nicht nur der Sicherheit der europäischen Partner, sondern auch der Sicherheit der Vereinigten Staaten selbst dient. Das ist doch der Grund dafür, warum wir auch in dieser Frage in so enge Konsultationen mit den Vereinigten Staaten getreten sind.
Die Tatsache, daß die Bundesregierung ihre Auffassung zu den Notwendigkeiten der Verteidigung, zu den Disparitäten im konventionellen Bereich, zu den Disparitäten im Mittelstreckenbereich geäußert hat, ändert nichts daran, daß seit eh und je die Entscheidung im atomaren Bereich über die Produktion eine souveräne amerikanische Entscheidung ist und auch bleiben wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht nur die Auffassung der Bundesregierung, das ist auch die Auffassung des Präsidenten der Vereinigten Staaten — er hat das kürzlich zum Ausdruck gebracht —, und es ist die Auffasung des britischen Premierministers. Ich denke, daß die Bundesregierung deshalb gut beraten war, diese Auffassung auch zum Ausdruck zu bringen.
Der Bundeskanzler hat heute morgen in klarer Form die Position der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht. Ich will sie noch einmal wiederholen, weil sie ganz offensichtlich im Laufe der Debatte vor Fragestellungen, die nicht unmittelbar zum Thema gehören, in den Hintergrund getreten ist. Der Bundeskanzler hat gesagt — ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin —:
Die wesentlichen Elemente unserer Haltung waren und sind:
Erstens. Die Bundesregierung hat sich schon zu Zeiten Konrad Adenauers feierlich zum Verzicht auf Atomwaffen verpflichtet. Wir haben diese Verpflichtung mit unserer Unterschrift
• unter den Nichtverbreitungsvertrag bekräftigt. Eine Teilnahme an der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten über die Produktion von Neutronenwaffen würde den Verbündeten, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland, die kein Kernwaffen-Staat ist, entgegen der bisherigen Praxis eine Mitentscheidung im Bereich der Produktion nuklearer Waffen zuweisen. Deshalb mußte und muß eine etwaige Produktionsentscheidung eine souveräne Entscheidung der USA bleiben.
Zweitens. Nach einer etwaigen Produktionsentscheidung der USA sollten alle sich bietenden
Möglichkeiten zu Fortschritten bei Rüstungsbegrenzungsverhandlungen, insbesondere bis zur tatsächlichen Dislozierung der Neutronenwaffe, geprüft und sodann in Verhandlungen tatsächlich genutzt werden.
Drittens. Die Bundesregierung hat in den Konsultationen ihre Bereitschaft erklärt, dann die Lagerung von ER-Waffen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland zuzulassen, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach amerikanischer Produktionsentscheidung die westliche Seite auf die Dislozierung verzichtet, weil inzwischen entsprechende Resultate von Rüstungsbegrenzungsverhandlungen vorliegen.
Die Bundesregierung ging dabei ausdrücklich davon aus, daß in solchem Fall darüber ein gemeinsamer Beschluß im Bündnis herbeigeführt werden würde. Die Bundesregierung hat gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß die Dislozierung von ER-Waffen nicht allein auf deutschem Territorium erfolgen könnte.
Der Bundeskanzler hat diesen Punkt mit der Feststellung beschlossen:
Die in diesen drei Punkten festgelegte Haltung hat die Bundesregierung frühzeitig formuliert und daran bis heute festgehalten. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, diese Position zu verändern.
Ich bekräftige diese Haltung der Bundesregierung, die unzweifelhaft ist, unzweifelhaft war und mit unseren Verbündeten besprochen war, hier erneut vor dem Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn jetzt im Verlauf der Debatte in der Rede von Herrn Kollegen Strauß — in der Rede von Herrn Kollegen. Kohl ist dies heute morgen nicht angeklungen — die Frage aufgeworfen wird „Warum nur in der Bundesrepublik Deutschland?" und wenn der Bundeskanzler kritisiert wird, daß er sich nicht bereit erklärt, nur in der Bundesrepublik Deutschland zu dislozieren, muß ich mich doch fragen, Herr Kollege Strauß, warum Ihre Fraktion einen Antrag einbringt, in dem es heißt:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend ihrer eigenen Entscheidung im Bundessicherheitsrat,. ihre Bereitschaft zur Stationierung der Neutronenwaffe auf idem Gebiet europäischer NATO-Staaten, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zu bekräftigen.
Sie verlangen also sogar noch mehr von uns, als wir verlangt haben, nämlich daß wir hier über das beschließen, was die souveräne Entscheidung anderer Verbündeter in Europa ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808304300
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Strauß?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0808304400
Bitte schön.
6534 •


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0808304500
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der von mir vertretene Standpunkt der gemeinsame Standpunkt der Fraktion der CDU/CSU ist, daß wir aber, um Ihnen die Zustimmung zu unserer Entschließung nicht zu erschweren, das geschluckt haben, was von der Bundesregierung an Bedingungen gestellt worden ist — in der Hoffnung, daß Sie wenigstens dann unseren Entschließungsantrag in der Öffentlichkeit unterstützen und sich offen dazu bekennen würden?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0808304600
Herr Kollege Strauß, das ist eine wichtige Erläuterung, die indessen nicht alle Unterschiede zwischen Ihrem Antrag, indem Sie sich auf den Beschluß des Bundessicherheitsrates beziehen, und der hier vom Bundeskanzler vertretenen Position der Bundesregierung aufhebt. So fehlt die außerordentlich wichtige rüstungskontrollpolitische Komponente der Haltung der Bundesregierung.

(Beifall bei ,der FDP und der SPD)

Ich glaube, nachdem das gesamte NATO-Bündnis in Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten die rüstungskontrollpolitische Nutzung der glaubwürdig aufrechterhaltenen Option für die Produktion bejaht hat, sollte die Bundesregierung und sollte auch der Deutsche Bundestag hier heute nicht mit einem Beschluß von dieser gemeinsamen Haltung des Bündnisses abweichen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir sollten uns im Gegenteil — dann hat diese Debatte einen Nutzen — auf die Frage konzentrieren, wie denn die Position, die der amerikanische Präsident mit seiner Entscheidung und das Bündnis mit seiner Stellungnahme geschaffen haben, rüstungskontrollpolitisch genutzt werden kann.
Meine Damen und Herren, in der Debatte hat es zwischen der Bundesregierung, den Rednern der Koalition und den Vertretern der Opposition eine übereinstimmende Einschätzung an der Stelle gegeben, an der von der Überlegenheit der anderen Seite im konventionellen Bereich — vor allem im Bereich der Panzerrüstung — und des Mittelstreckenpotentials die Rede war.
Wir würden nach meiner Überzeugung einen Fehler machen, wenn wir jetzt erste Erklärungen zu der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten als das letzte Wort der Sowjetunion nähmen. Im Gegenteil: Jetzt geht es darum, daß die westlichen Staaten jeden Versuch unternehmen, um diese Option zu nutzen und um auszusprechen, daß es jetzt Sache der Sowjetunion ist, einen positiven Rüstungskontrollpolitischen und rüstungsbegrenzungspolitischen Beitrag für die weitere Entwicklung der Sicherheitslage in Europa in Richtung auf das Gleichgewicht zu leisten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Hier liegt der Ansatzpunkt für die Haltung der Bundesregierung. Ich kann der Kritik nicht zustimmen, daß die Position der Bundesregierung in dieser Frage nicht klar und eindeutig sei.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Öffentlich!)

Der Bundeskanzler hat, wie von mir heute verlesen, diese Position öffentlich deutlich gemacht. Die rüstungskontrollpolitische Komponente, Herr Kollege Mertes, habe ich bereits im Sommer des vorigen Jahres erwähnt, als die Diskussion begann.
Es gibt auch andere Verlautbarungen. Der Herr Kollege Leber hat noch in seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister in der Debatte am 8. September 1977 — wenn ich es richtig übersehe — eine erste Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Fragenkomplex abgegeben und dabei auf die Probleme hingewiesen, die sich für unsere Sicherheit stellen und deren Lösung notwendig ist, wenn es sich nicht als erforderlich erweisen soll, zur Produktion und Dislozierung der Neutronenwaffe zu schreiten.
Das bedeutet: Der interne Meinungsbildungsprozeß im westlichen Bündnis — und das ist nicht eine Sache von heute auf morgen, und das ist, ich betone es noch einmal, nicht eine Sache allein der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten — ist von klaren, den jeweiligen Stand der Meinungsbildung in der Bundesregierung wiedergebenden öffentlichen Erklärungen auch von Mitgliedern der Bundesregierung begleitet worden, die sich nicht in Widerspruch zur Auffassung des Bundeskanzlers gestellt haben, sondern darin mit ihm auf Grund der Beratungen im Sicherheitsrat und außerhalb übereinstimmten.
Ich lege die Betonung jetzt auf den rüstungskontrollpolitischen Aspekt, weil wir die Diskussion über die Neutronenwaffe, über die Herstellung einer Parität im konventionellen Bereich und über die Bedrohung durch das sowjetische Mittelstreckenpotential im Gesamtzusammenhang der Abrüstungs- und Rüstungskontrollgespräche führen müssen, die auf den verschiedenen Ebenen stattfinden. Gerade jetzt beginnen die SALT-Verhandlungen wieder ins Zentrum der amerikanisch-sowjetischen Politik zu treten.
Bei unseren Gesprächen in Washington hat sich gezeigt, daß die Vereinigten Staaten bereit sind, die spezifischen europäischen Interessen, die in diesem Zusammenhang zu wahren sind, zu berücksichtigen. Das ist ein entscheidender Faktor und Ausdruck der Solidarität im Bündnis und des Verantwortungsbewußtseins der Vereinigten Staaten für die europäische Sicherheit.
Hier ist heute morgen erwähnt worden, daß wir in diesen Tagen bei den MBFR-Verhandlungen durch eine Initiative neue Bewegung in diese Verhandlungen bringen wollen. Es muß ja unser gemeinsames Ziel sein, auch im konventionellen Bereich zu einer Parität zu kommen. Daran, daß es jetzt darum geht, bei den Wiener Verhandlungen über die Fragen der Parität zu sprechen und das Paritätsziel unter Aufrechterhaltung unserer essentiellen Forderungen nach Kollektivität zu erreichen, zeigt sich, daß die abrüstungspolitische Diskussion in Gang gekommen ist. In diese abrüstungspolitische



Bundesminister Genscher
Diskussion gilt es jetzt den Stand der Entscheidung der amerikanischen Regierung über die Produktion der Neutronenwaffe einzuführen und rüstungskontrollpolitisch für uns zu nutzen. Auf diese Weise können wir der Sicherheit unseres Landes am besten Genüge tun.
Wir würden es deshalb begrüßen — ich sage das hier für die Bundesregierung —, wenn der ganze Deutsche Bundestag angesichts der klaren Haltung der Regierung in der Sache sich entschließen könnte, über diese Kurzfassung im CDU-Antrag hinaus sich zu dieser wichtigen rüstungskontrollpolitischen Komponente der Bemühungen des ganzen Bündnisses durch Zustimmung zum _Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zu bekennen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, es wäre ein Zeichen. der Solidarität im Bündnis, es wäre ein Zeichen der Übereinstimmung in der Sicherheitspolitik, es wäre ein Zeichen für unseren Willen, einen Beitrag zur Abrüstung und Rüstungskontrolle zu leisten, wenn der Antrag der Fraktionen von SPD und FDP, der heute hier zur Abstimmung vorliegt, mit den Stimmen aller Mitglieder des Hohen Hauses angenommen werden könnte. Das würde unsere Verhandlungsposition stärken, und es würde zeigen, meine Damen und Herren, daß wir bereit sind, konstruktiv bei der Rüstungskontrolle mitzuwirken, aber auch mit Festigkeit die Sicherheitsinteressen unseres Landes zu vertreten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808304700
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe damit die Aussprache.
Es liegen uns zwei Entschließungsanträge vor. Ich rufe zunächst den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD/FDP auf Drucksache 8/1697 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD/FDP auf Drucksache 8/1697. Wer die Zustimmung geben will, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal um das Handzeichen bitten. Wer zuzustimmen wünscht, bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist die Mehrheit!)

Meine Damen und Herren, es besteht keine Einigkeit unter den Schriftführern.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das Präsidium ist falsch besetzt!)

Darf ich einmal bitten aufzustehen. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Gegenprobe!

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist die Mehrheit! — Das ist eindeutig die Mehrheit!)

— Es besteht hier keine Einigkeit. Wir müssen auszählen. Ich bitte, den Saal zu verlassen..
Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Insgesamt 465 Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. -Mit Ja haben 240, mit Nein 225 Abgeordnete gestimmt. Damit ist die Entschließung angenommen.
Ich rufe nun den Entschließungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion auf Umdruck 8/1700 auf. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. Wer seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich bitte, noch einen Augenblick sitzenzubleiben. Herr Abgeordneter Bahr hat zu einer persönlichen Bemerkung nach § 35 der Geschäftsordnung um das Wort gebeten.
Bitte schön, Herr Bahr.

Prof. Egon Bahr (SPD):
Rede ID: ID0808304800
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem einen Punkt, wo Herr Kollege Strauß mich gefragt hat, eine persönliche Bemerkung machen.
Erstens. Ich kenne den Artikel von Herrn Poljanow, auf den er abgestellt hat, nicht.
Zweitens. Ich kann hier erklären, daß ich die mir von Herrn Strauß unterstellten Bemerkungen nicht gemacht habe.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0808304900
Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung bis 14 Uhr. Wir treten dann zur Fragestunde zusammen.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.25 bis 14.00 Uhr)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808305000
Meine Damen und Herren, wir fahren in den Beratungen fort.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 8/1689 —
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Herr Staatsminister Wischnewski steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Luster auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der seit Jahren erkennbare und fortschreitende Bevölkerungsrückgang in Berlin (West) und ein weiteres Absinken unter die Zahl von zwei Millionen Einwohnern langfristig zu einer Existenzgefährdung des freien Berlin führen können und wegen der historischen und aktuellen politischen Rolle Berlins für Deutschland verhindert werden müssen, und wird die Bundesregierung sicherstellen, daß die Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung -von Berlin (West) durch außergewöhnliche Maßnahmen des Bundes gefördert, diesbezügliche Vorschläge Berlins vorrangig unterstützt und weitere Maßnahmen der Länder koordiniert werden?
Bitte schön, Herr Staatsminister.




Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0808305100
Ich bitte, Frau Präsident, zu den Fragen 109 bis 117 vorab einige allgemeine Bemerkungen abgeben zu dürfen, weil die Fragen alle im Zusammenhang stehen und auch einen Zusammenhang mit anderen Überlegungen erkennen lassen. Falls die Fragesteller damit einverstanden sind und Sie, Frau Präsident, das zulassen, würde ich mit den einleitenden Ausführungen beginnen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808305200
Dagegen ist nichts einzuwenden. Das Fragerecht der Fragesteller bleibt davon natürlich unberührt.
Herr Kollege, sind Sie damit einverstanden?

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808305300
Ich frage mich, Frau Präsident, wieso der Herr Staatsminister meint, daß ich als Fragesteller mein Einverständnis dazu geben muß, daß er jetzt mit einer Einleitung beginnt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808305400
Das Verfahren weicht von der sonst üblichen Form der Beantwortung von Fragen ab. Insofern müßten die Fragesteller damit einverstanden sein. Ich sehe, das ist der Fall.

(Luster [CDU/CSU] : Wenn es der Sache dient, gern!)

— Herzlichen Dank, Herr Kollege. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Wischnewski, Staatsminister: Frau Präsident, ich möchte nur sagen: Ich habe diese Frage auf Grund meines Respekts vor dem Hohen Hause gestellt.
Die Fragen 109 bis 117 betreffen die Bevölkerungsentwicklung in Berlin und damit einen Teilbereich der Wirtschaftsentwicklung Berlins im weitesten Sinne. Um die Einstellung der Bundesregierung zu diesem Thema zu verdeutlichen, möchte ich zunächst zwei Sätze aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976 zitieren:
Im Mittelpunkt unserer Anstrengungen für Berlin muß in den nächsten Jahren die Wirtschaft im weitesten Sinne stehen. Unser Ziel wird es sein, die Unternehmen und die, Wirtschaftsbetriebe in Berlin voll zu entfalten und dort zusätzliche produktive Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Bundesregierung ist sich ihrer Verpflichtung bewußt, die wirtschaftliche, geistige, politische und kulturelle Anziehungskraft Berlins zu erhalten und zu stärken. Sie wendet hierfür erhebliche Mittel auf, allein in diesem Jahr nahezu 10 Milliarden DM. Diese Summe setzt sich zusammen aus der Bundeshilfe, aus sonstigen Leistungen aus dem Bundeshaushalt und aus steuerlichen Hilfen. Im Jahre 1978 beträgt allein die Bundeshilfe für Berlin 7,781 Milliarden DM. Sie ist damit seit 1969 um mehr als 5 Milliarden DM gestiegen, anders ausgedrückt: Sie ist seit 1969 um 193 % gestiegen, während im Vergleich dazu das Volumen des Bundesetats im gleichen Zeitraum nur um 130 % stieg.
Trotz dieser massiven Hilfe verkennt die Bundesregierung nicht, daß in Berlin keinesfalls alle Probleme gelöst sind. Der Senat und das Abgeordnetenhaus, die Industrie- und Handelskammer und die Gewerkschaften, andere Institutionen wie das DIW befassen sich sich seit Jahren mit diesen Fragen. Sorge bereitet insbesondere der Bevölkerungsrückgang. Er ist langfristig ein Problem für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Wir verkennen jedoch nicht, daß dieses Thema für Berlin ganz besondere Bedeutung hat.
Mit der weiteren Entwicklung Berlins befaßt sich derzeit eine Arbeitsgruppe beim Herrn Bundespräsidenten. Alle im Bundestag vertretenen Parteien arbeiten in dieser Gruppe mit. Die Arbeiten in diesem Gremium sind noch nicht abgeschlossen. Die Beteiligten haben Vertraulichkeit vereinbart. Im Hinblick hierauf möchte ich die Fragesteller bitten, dafür Verständnis zu haben, daß sich die Bundesregierung bei der Beantwortung der Fragen auch von der von allen Beteiligten vereinbarten Vertraulichkeit leiten läßt.
Ich will noch einmal versichern, daß die Bundesregierung nicht nur die mit einem Bevölkerungsrückgang einhergehenden Probleme Berlins sieht, sondern daß sie darüber hinaus gemeinsam mit dem Senat auch künftig ,das Erforderliche tun wird, um die Vitalität der Stadt zu erhalten.
Diese Vorbemerkung wollte ich für alle Fragen 109 bis 117 machen.
Nunmehr komme ich zur Beantwortung der Frage 109. Die Bundesregierung beobachtet die Bevölkerungsentwicklung in Berlin mit Sorge. Viele erkennbare wirtschafts- und bevölkerungspolitische Symptome hat der Bundeskanzler zum Anlaß genommen, 1974 und 1975 in zwei ganz speziellen Berliner Wirtschaftsgesprächen verstärkte Aktivitäten zugunsten der Berliner Wirtschaft anzuregen, nachdem die politische Zukunft der Stadt und die Sicherheit der Zufahrtswege durch die Vertragspolitik der Bundesregierung und speziell auch durch das Viermächteabkommen auf Dauer sichergestellt werden konnten.
Die Bundesregierung weiß, daß außer ihr auch die Arbeitsgruppe Berlin beim Herrn Bundespräsidenten, der Berliner Senat, das Abgeordnetenhaus und Institutionen wie die Berliner Industrie- und Handelskammer die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Berlins und in diesem Zusammenhang auch die Frage der Bevölkerungsentwicklung aufmerksam verfolgen. Die sich aus all dem ergebenden Aktivitäten unterstützen die Bundesregierung und den Senat in ihrem gemeinsamen Bemühen, die Attraktivität und Lebensfähigkeit Berlins auf eine noch breitere Grundlage zu stellen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808305500
Bitte, Herr Kollege Luster, eine Zusatzfrage.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808305600
Herr Staatsminister, nicht eingehend auf Ihre Vorbemerkungen und auf Ihren Abschweifungsversuch: Wann beabsichtigt die Bundesregierung zur nachhaltigen sowohl strukturellen



Luster
wie zahlenmäßigen Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung Berlins ein Programm vorzulegen, das zeitlich und dem Umfange nach insbesondere die erforderlichen wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und familienpolitischen Maßnahmen im einzelnen beschreibt?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung ist an den Gesprächen der Arbeitsgruppe beim Herrn Bundespräsidenten beteiligt. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die von Ihnen angesprochenen Fragen dort eine ganz besondere Rolle spielen. Ich gehe von der Voraussetzung aus, daß die Arbeiten dort bald abgeschlossen werden können. Dann wird die Bundesregierung ihre Entscheidungen in den von Ihnen angesprochenen Fragen treffen. Auf einige Leistungen und Aktivitäten der Bundesregierung habe ich bereits hingewiesen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808305700
Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Luster.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808305800
Herr Staatsminister, da Sie einen Termin auch jetzt nicht angeben können: Warum ist die Bundesregierung bisher nicht den vielfältigen Maßnahmenvorschlägen des Senats von Berlin zur Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung gefolgt, oder wurden solche Maßnahmenvorschläge vom Senat von Berlin nicht gemacht?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung wird auch Vorschläge des Berliner Senats, aber auch des Berliner Abgeordnetenhauses — Sie wissen ja, daß es solche auch gibt —, aufgreifen und darum bemüht sein, das, was in ihre Zuständigkeit fällt, in die Tat umzusetzen. Daß jetzt, wenn erfreulicherweise alle vier Parteien darum bemüht sind, Berlin zu helfen, die Bundesregierung hier auf das Ergebnis wartet, zumal es unmittelbar bevorsteht, wenn ich über den Fortgang der Gespräche richtig informiert bin, scheint mir eine Selbstverständlichkeit zu sein. Das sage ich auch im Respekt vor denjenigen, die an den Gesprächen beim Herrn Bundespräsidenten beteiligt sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808305900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0808306000
Herr Staatsminister, warum ist die Bundesregierung den jahrelang bekannten Berliner Vorschlägen, insbesondere den aus der CDU heraus entwickelten Vorschlägen, nicht gefolgt, zur Lösung dieser Probleme, ihrer eingehenden Untersuchung und Analyse einen Planungsstab im Bundeskanzleramt einzurichten?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung verfügt über die Zahl von Mitarbeitern, die notwendig ist, um diese Arbeiten zu bewältigen. Die Zusammenarbeit der Ressorts in dieser Frage ist ausgezeichnet. Auf die besonderen Aktivitäten des Bundeskanzlers habe ich hingewiesen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808306100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Straßmeir.

Günter Straßmeir (CDU):
Rede ID: ID0808306200
Herr Staatsminister, soeben wurde auf die Vorschläge des Senats abgehoben, die auch der Bundesregierung bekannt sind. Ich möchte Sie fragen, ob es Punkte gibt, in denen die Bundesregierung mit dem Senat von Berlin in Dissens steht.
Wischnewski, Staatsminister: Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und dem Berliner Senat sind ausgezeichnet.

(Beifall bei der SPD — Straßmeir [CDU/ CSU] : Ich haben nach den Vorschlägen gefragt! Herr Staatsminister, zur Verdeutlichung, da ich den Eindruck habe, daß Sie die Frage nicht aufgenommen haben: Ich habe nicht nach den Beziehungen, sondern nach den Vorschlägen des Senats gefragt!)

— Die Bundesregierung und der Berliner Senat befinden sich, wie jedem bekannt ist, in einem ständigen Dialog. Der Berliner Senat ist jetzt genauso an den Gesprächen beteiligt, an denen auch Sie beteiligt sind. Ich muß sagen, daß ich es etwas sonderbar finde, wenn sich einige Kollegen aus Ihrer Fraktion an den Gesprächen beim Bundespräsidenten beteiligen, dort die Vertraulichkeit vereinbaren und andere dann meinen, anders handeln zu können. Ich werde in dieser Frage das tun, was der Sache dient.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808306300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Egert.

Jürgen Egert (SPD):
Rede ID: ID0808306400
Herr Staatsminister, können Sie mir bestätigen, daß auch in anderen Großstädten —Ausnahme: München — die Bevölkerungsentwicklung rückläufig ist, z. B. in Frankfurt und Hamburg, daß sich also die besondere Besorgnis, die hier in Frage 109 mit dem Bevölkerungsrückgang verbunden wird, relativiert, wenn man sich die zahlenmäßige Entwicklung der Bevölkerung insgesamt ansieht?
Wischnewski, Staatsminister: Ich möchte ausdrücklich bestätigen, daß es eine solche Entwicklung auch in anderen Großstädten gibt. Ich habe in meiner Antwort auf die Frage 109 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dieses Problem für die Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit besteht, daß es aber natürlich aus den uns allen bekannten Gründen für Berlin seine besondere Bedeutung hat, und dies wird berücksichtigt.

(Frau Berger [CDU/CSU] : So ist es!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808306500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Diederich.

Dr. Nils Diederich (SPD):
Rede ID: ID0808306600
Herr Staatsminister, können Sie mir bestätigen, daß die Existenzfähigkeit einer Stadt wie Berlin (West) nicht allein von der Bevölkerungszahl abhängt, sondern daß es im wesentlichen auf die Struktur und die Zusammensetzung der Bevölkerung, insbesondere auf ihre ökonomische Leistungsfähigkeit ankommt?



Wischnewski, Staatsminister: Für die Existenzfähigkeit der Stadt Berlin spielen viele Faktoren eine Rolle. Ich glaube, die Bundesregierung und der Berliner Senat müssen alle Faktoren, die für die Existenzfähigkeit von Berlin von Bedeutung sind, berücksichtigen. Das gilt in besonderem Maße für diejenigen, die von Ihnen angesprochen worden sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808306700
Eine Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0808306800
Herr Staatsminister, können Sie mir im Hinblick auf die von Ihnen genannten Zahlen der Steigerung seit 1969 und auf den sehr viel stärkeren Anstieg der Bundeszuschüsse für Berlin in ihrer Gesamtheit zustimmen, daß es angesichts der uns allen gemeinsam obliegenden Verpflichtung, Berlin zu helfen, zur Vermeidung eines noch stärkeren Anwachsens der Zuschüsse vor allem notwendig ist, den Bevölkerungsrückgang in Berlin zu stoppen?
Wischnewski, Staatsminister: Nein, ich sehe da keinen unmittelbaren Zusammenhang. Mir lag daran, mit der Nennung der Zahlen nachzuweisen, daß auch die bisherige Politik der Bundesregierung und übrigens, wenn ich richtig informiert bin, des ganzen Hauses davon ausgeht, daß für Berlin etwas Besonderes und Zusätzliches geschieht und daß sich diese Politik auch weiter derart entwickeln wird. Das geschieht jetzt stärker unter den Gesichtspunkten, die hier in dieser Frage und in den nächsten angesprochen worden sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808306900
Eine Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Dr. Kreutzmann.

Dr. Heinz Kreutzmann (SPD):
Rede ID: ID0808307000
Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß den Bemühungen um die Stärkung Berlins wenig gedient ist, wenn man in dieser Form, in der es hier geschieht, die Lebensfähigkeit der Stadt in Frage stellt?

(Kunz [Berlin] [CDU/CSU] : Diese Frage ist unzulässig! — Frau Berger [Berlin] [CDU/ CSU]: Der beschimpft uns hier! — Wohlrabe [CDU/CSU]: Kreutzmann, das nicht!)

Wischnewski, Staatsminister, Herr Kollege Dr. Kreutzmann, ich gehe von der Voraussetzung aus, daß derjenige, der von diesem Platz aus redet, in der Beurteilung bestimmter Fragen darum bemüht sein sollte, sich eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen. Ich tue das.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808307100
Ich rufe Frage 110 des. Herrn Abgeordneten Luster auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der fortschreitende Bevölkerungsrückgang in Berlin (West) in seinem Ausmaß und in seinen Ursachen nicht mit der Bevölkerungsentwicklung anderer westdeutscher Großstädte vergleichbar und in seinen Wirkungen für die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Stadt ungleich gefährlicher ist, und wird die Bundesregierung deshalb dafür Sorge tragen, daß die Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) durch Aufrechterhaltung eines Präferenzgefälles der Wirtschaftsförderung gegenüber anderen Regionen des Bundesgebiets unterstützt wird?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß der Bevölkerungsrückgang in Berlin angesichts der geographischen Lage der Stadt nicht ohne weiteres mit der Bevölkerungsentwicklung anderer westdeutscher Großstädte vergleichbar ist. Auch daher nimmt die Frage des Präferenzgefälles bei den Gesprächen der vier Parteien beim Herrn Bundespräsidenten einen hohen Stellenwert ein. Ich möchte, wie ich bereits vorhin gesagt habe, dem Ergebnis dieser Gespräche nicht vorgreifen, möchte aber darauf hinweisen, daß die Bundesregierung derzeit prüft, ob und in welcher Weise der Präferenzvorsprung Berlins sichergestellt werden kann.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808307200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808307300
Herr Staaatsminister, darf ich Ihrer Antwort zu dem letzten Teil entnehmen, daß die Bundesregierung zur Zeit nicht in der Lage ist, anzugeben, in welchem konkreten Punkt das Präferenzgefälle inzwischen so flach geworden ist, daß es zugunsten Berlins wieder verstärkt werden muß?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung hat zu allen Fragen ihre konkrete Meinung, aber sie wird die Gespräche der Parteien beim Bundespräsidenten jetzt nicht stören.

(Zustimmung bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808307400
Die zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808307500
Auf welche Weise, Herr Staatsminister, verschafft sich im Vorfeld dieser eben von Ihnen genannten Meinungsbildung die Bundesregierung einen methodischen und kontinuierlichen Überblick darüber, ob und inwieweit die Wirtschaftsförderung Berlins jeweils noch ausreichend ist?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung ist, wie Sie wissen, mit den Fragen der Wirtschaftsförderung Berlins ständig beschäftigt. Sie wissen, daß sich in dieser Frage — auf einige Teilaspekte komme ich ja noch bei der Beantwortung der übrigen Fragen zurück — der Bundeskanzler selbst in sehr hohem Maße engagiert hat. Wenn die Ergebnisse der Arbeitsgruppe vorliegen, wird die Bundesregierung zu dem, was die vier Parteien vorschlagen, sehr konkret Punkt für Punkt ihre Meinung sagen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808307600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Diederich.

Dr. Nils Diederich (SPD):
Rede ID: ID0808307700
Herr Staatsminister, würden Sie mir darin zustimmen, daß zur wirtschaftlichen Förderung eines Gebildes wie Berlin (West) nicht nur das Angebot von Präferenzen gehört, sondern auch die Annahme dieses Angebots durch die freie Wirtschaft und daß sich daraus eine besondere Verpflichtung und auch Mitverantwor-



Dr. Diederich (Berlin)

tung der freien Wirtschaft, insbesondere der Großunternehmen, für die Zukunft, die Entwicklung und die Existenzfähigkeit Berlins ergibt?
Wischnewski, Staatsminister: Ich möchte das, was in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, ausdrücklich unterstreichen. Dies war auch der Grund dafür, daß sich der Bundeskanzler darum bemüht hat, daß besonders in Großunternehmen der deutschen Wirtschaft Berlin-Beauftragte eingesetzt werden. Dies ist ja in der Zwischenzeit — und zwar mit positiven Ergebnissen — geschehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808307800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0808307900
Herr Staatsminister, kann man also Ihrer Beantwortung der eben gestellten Frage entnehmen, daß Sie die in der Frage zum Ausdruck kommende Ansicht, an der Wirtschaft sei im Hinblick auf einen Mangel an Engagement in Berlin Kritik zu üben, nicht teilen?
Wischnewski, Staatsminister: Ich habe in dieser Frage keine Kritik entdeckt, sondern den Eindruck gewonnen, daß der Fragesteller wissen wollte, ob das Engagement der Wirtschaft notwendig ist. Dazu kann ich sagen: selbstverständlich. Die Probleme der Wirtschaftsentwicklung in Berlin sind nur mit einem entsprechenden Engagement der Wirtschaft lösbar — neben den Präferenzen, die auf der politischen Ebene geschaffen werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808308000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0808308100
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß in engstem Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung in Berlin die Mobilisierung und Förderung zukunftsträchtiger wirtschaftlicher Unternehmungen in Berlin zu sehen ist, und hat die Bundesregierung diesbezüglich neue Pläne?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung teilt erst einmal die grundsätzliche Auffassung. Im übrigen gibt es, was die Zukunftssicherung betrifft, insbesondere in bezug auf die Forschungspolitik eine Reihe konkreter Vorstellungen und Pläne der Bundesregierung.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808308200
Ich rufe Frage 111 des Herrn Abgeordneten Kunz (Berlin) auf:
Wie wird die Bundesregierung der Gefahr begegnen, daß der fortschreitende Bevölkerungsrückgang in Berlin (West) die Chancen der Stadt gefährdet, sich in der andauernden OstWest-Auseinandersetzung gegenüber dem mit Vorrang und systematisch zur „Hauptstadt der DDR" ausgebauten östlichen Teil der Stadt als europäische Metropole zu behaupten?
Bitte, Herr Staatsminister.
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung mißt die Erhaltung der Lebensfähigkeit und Attraktivität der Stadt nicht am Ausbau des östlichen Teils von Berlin, sondern an der wirtschaftlichen und kulturellen Konkurrenzfähigkeit Berlins gegenüber anderen europäischen Metropolen. Dazu hat Berlin gute Voraussetzungen. Nicht nur ist die Stadt voll in die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland und damit auch der Europäischen Gemeinschaft integriert, sondern Berlin hat bekanntlich auch eine ausgezeichnete Infrastruktur. Ich verweise auf die öffentlichen Versorgungsbetriebe und beispielsweise auch darauf, daß die Schulen und Krankenhäuser von hohem Niveau sind. Vom Bildungsstand her sowie vom technischen und industriellen Wissen her besitzt Berlin eine Bevölkerung, die unternehmerisch hochqualifiziert ist und deren Facharbeiter den Herausforderungen einer modernen Industriegesellschaft gewachsen sind. Die Anstrengungen der Bundesregierung und des Berliner Senats zielen darauf ab, auch für die Zukunft dieses Niveau zumindest zu erhalten.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Die wollen aber mehr!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808308300
Herr Abgeordneter Kunz, bitte, Zusatzfrage.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0808308400
Herr Staatsminister, da es mir um die Stärkung Berlins als einer europäischen Metropole geht, frage ich Sie, ohne daß ich viele Dinge, die Sie soeben zur Qualität unserer Stadt gesagt haben, etwa leugne — ich möchte sie ausdrücklich bestätigen — : Was wird die Bundesregierung tun, um insbesondere stärkere europäische kulturelle Aktivitäten nach Berlin zu verbringen?
Wischnewski, Staatsminister: Erstens darf ich feststellen, daß es in Zukunft zusätzliche kulturelle Aktivitäten, auch internationale Aktivitäten, geben wird. Wenn Sie in den Bundeshaushalt schauen, werden Sie feststellen, daß schon für dieses Jahr entsprechende Voraussetzungen geschaffen worden sind. Wir sollten abwarten, wie die Erfahrungen in bezug auf dieses Jahr aussehen werden. Daraufhin sollte über die weitere Entwicklung zusätzlicher internationaler kultureller Veranstaltungen in Berlin entsprechend entschieden werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808308500
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0808308600
Indem ich, Herr Staatsminister, einen weiteren Punkt anspreche, über den nicht beim Herrn Bundespräsidenten verhandelt wird, frage ich Sie, was die Bundesregierung unternehmen wird, um die Funktion Berlins als eines europäischen Entwicklungshilfezentrums auszubauen.
Wischnewski, Staatsminister: Es gibt in Berlin eine ganze Reihe von Aktivitäten der deutschen Entwicklungspolitik. Ich erinnere an die Deutsche Stiftung für internationale Zusammenarbeit, ich erinnere an das Entwicklungsinstitut, ich erinnere an den Deutschen Entwicklungsdienst. Das heißt, Berlin beherbergt bereits jetzt eine Reihe von Institutio-



Staatsminister Wischnewski
nen der deutschen Entwicklungspolitik. Wenn es neue Institutionen überhaupt geben sollte, wird darüber zu entscheiden sein. Mir ist nicht bekannt, daß sich zur Zeit die Notwendigkeit ergibt, neue Institutionen der deutschen Entwicklungspolitik zu schaffen. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß Berlin hier in den vergangenen Jahren bereits in ganz besonders starkem Maße berücksichtigt worden ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808308700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Luster.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808308800
Herr Staatsminister, Sie werden sich noch erinnern, daß Sie auf dem letzten Landesparteitag der SPD in Hamburg mitgeteilt haben, die Bundesregierung beschäftige sich mit der Einrichtung eines europäischen Krebsforschungszentrums in Berlin und werde das der KSZE vortragen. Frau Hamm-Brücher hat uns hier mitgeteilt, daß. das nicht der Fall sei. Ich weise Sie darauf hin, daß vor wenigen Tagen der Senatssprecher auf eine FDP-Anfrage mitgeteilt hat, daß das doch zum Zuge komme.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808308900
Würden Sie bitte fragen.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808309000
Wie steht es mit dem europäischen Krebsforschungszentrum? Ist das eine Maßnahme der Bundesregierung, die in diesem Zusammenhang getroffen wird oder nicht?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung ist selbstverständlich daran interessiert, daß es im Rahmen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa viele Aktivitäten gibt, die sich direkt in positiver Weise für die Menschen in Europa auswirken. Deswegen gehören zu den generellen Überlegungen über ,die Fortsetzung der Arbeit der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auch Überlegungen über gemeinsame Probleme der Gesundheitspolitik. Dazu würde dann eine solche Aufgabe gehören. Die Bundesregierung wird eine Initiative dann entwickeln, wenn sie den Zeitpunkt für geeignet hält, in einer solchen Frage einen Schritt nach vorne zu tun.
Im übrigen wollte ich ausdrücklich feststellen, daß ich leider noch nie die Chance gehabt habe, auf einem Hamburger Landesparteitag zu sprechen.

(Luster [CDU/CSU] : Es war ein Bundesparteitag, Herr Minister!)

— Ich bedanke mich.

(Luster [CDU/CSU] : Sie wissen, was gemeint war! — Zuruf von der CDU/CSU: Zu gut!)

— Ja, ich wollte nur nicht, daß hier ein falscher Eindruck entsteht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808309100
Zusatzfrage, Herr A b-geordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0808309200
Herr Staatsminister, kann man davon ausgehen, daß Sie bei der Beantwortung der Frage 111 des Abgeordneten Kunz vielleicht auch darauf hätten eingehen können, wieweit die politische Idee, die Ihre Regierung, speziell einige ihrer Vertreter, einmal vertreten haben, Berlin (West) zur Drehscheibe zwischen Ost und West zu machen, immer mehr in Vergessenheit geraten ist, weil man der Wucht, mit der Ost-Berlin seine Funktion als Hauptstadt der DDR entwickelt hat, nichts entgegenzuhalten hatte?
Wischnewski, Staatsminister: Ich glaube nach wie vor, daß Berlin in den Fragen des Ost-West-Handels immer eine ganz besondere Rolle spielen sollte und daß für die Weiterentwicklung der Ansätze, die deutlich erkennbar sind, auch gute Voraussetzungen gegeben sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808309300
Ich rufe die Frage 112 der Abgeordneten Frau Berger (Berlin) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der fortschreitende Bevölkerungsrückgang in Berlin (West), der nicht nur gegenwärtig durch einen hohen Sterbeüberschuß, sondern langfristig auch durch einen starken Rückgang der Zahl der Kinder und Jugendlichen bestimmt wird, über die Zuzugswerbung hinausgehende und auch von der Bundesregierung zu treffende Maßnahmen erfordert, und was gedenkt die Bundesregierung insoweit zu veranlassen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Wischnewski, Staatsminister: Verehrte Frau Kollegin, auch dieser Fragenkomplex wird gegenwärtig eingehend von der Arbeitsgruppe Berlin beim Herrn Bundespräsidenten behandelt. Ich möchte den möglichen Ergebnissen nicht vorgreifen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808309400
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Berger.

Lieselotte Berger (CDU):
Rede ID: ID0808309500
Herr Staatsminister, ohne daß dadurch der Aufgabenkatalog und die Vertraulichkeit der Arbeitsgruppe beim Herrn Bundespräsidenten berührt werden, frage ich Sie, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß die 1. Enquete-Kommission der 7. Wahlperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin in ihrem Ausschußbericht — Drucksache 7/1171 — in Mehrheit und Minderheit nachdenkenswerterweise übereinstimmend festgestellt hat, daß die rückläufige Bevölkerungsentwicklung soweit wie nur möglich durch geeignete bevölkerungspolitische Maßnahmen und andere wirksame Maßnahmen aufgehalten werden muß.
Wischnewski, Staatsminister: Ich möchte die Auffassung, die dort in der Enquete-Kommission offensichtlich erfreulicherweise von allen Beteiligten vertreten wurde, ausdrücklich unterstützen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808309600
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Berger.

Lieselotte Berger (CDU):
Rede ID: ID0808309700
Herr Staatsminister, wird sich die Bundesregierung, wenn das so ist, zu den von der 1. Enquete-Kommission des Abgeordnetenhauses als Bündel von Maßnahmevor-



Frau Berger (Berlin)

schlägen zusammengetragenen 112 Anregungen äußern? Wenn ja: Für welchen Termin können wir auf diese Äußerung hoffen?
Wischnewski, Staatsminister: Wie Sie wissen, ist das Berliner Abgeordnetenhaus in der Arbeitsgruppe genauso wie der Senat vertreten. Dort werden alle Fragen behandelt. Ich hoffe, daß die Arbeit bald zum Abschluß kommt. Selbstverständlich wird sich die Bundesregierung dann zu jedem einzelnen Punkt äußern.

(Zuruf von der SPD: Zu jedem einzelnen dieser 112 Punkte!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808309800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fiebig.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0808309900
Ist Ihnen die Institution der Familiengründungsdarlehen in Berlin bekannt, Herr Staatsminister, und können Sie bestätigen, daß dies einmalig ist und andere Städte und Bundesländer in der Bundesrepublik über diese Einrichtung nicht verfügen, sie somit Modellcharakter für die Familienpolitik in der Bundesrepublik hat?
Wischnewski, Staatsminister: Ich möchte diese Auffassung ausdrücklich unterstützen. Ich freue mich im übrigen darüber, daß es in Berlin eine ganze Reihe von Einrichtungen gibt, die vorbildlich sind und Modellcharakter für viele andere Städte in der Bundesrepublik haben sollten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808310000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Luster.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808310100
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, Ihre letzte Antwort zu korrigieren, wenn ich Sie auf zwei Dinge hinweise, nämlich erstens darauf, daß das Saarland — —

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808310200
Darf ich Sie bitten, eine Frage zu stellen.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808310300
Ist Ihnen, Herr Staatsminister, bei Ihren Überlegungen und bei der Beantwortung der Frage eben bewußt gewesen, daß das Saarland eine so hohe Familiengründungsunterstützung wie das Land Berlin Jahre vorher hatte und das Land Bayern eine gleich hohe hat und sie auf das Doppelte anzuheben derzeit sich anschickt?
Vizepräsident. Frau Renger: Bitte, Herr Staatsminister.
Wischnewski, Staatsminister: Verehrter Herr Kollege, ich muß korrekterweise hier sagen, daß ich den Unterschied erst feststellen müßte. Ich kann nicht aus dem Handgelenk sagen, welcher Unterschied in dieser Frage zwischen dem Saarland und Berlin besteht.

(Luster [CDU/CSU] : Sie haben von Modell gesprochen!)

— So sehe ich es auch. Denn wenn das im Saarland jetzt so der Fall ist — das muß ich Ihren Ausführunge entnehmen —, dann hätte es in der Tat Modellcharakter.

(Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU] : Das Saarland!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808310400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Diederich.

Dr. Nils Diederich (SPD):
Rede ID: ID0808310500
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung Berechnungen darüber angestellt oder ist sie bereit, dies in Zukunft zu tun, welchen Anteil die Mitglieder dieses Hauses im Hinblick auf eine beispielgebende Wirkung geleistet haben, dem Rückgang der Bevölkerung in Berlin entgegenzuwirken?

(Heiterkeit)

Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung nimmt alle Anregungen, die aus dem Haus kommen, natürlich sehr ernst. Aber sie führt keine Statistik über die Anregungen und Initiativen, die aus dem Haus kommen. Sie weiß aber, wo es bereits seit vielen Jahren ständige Bemühungen darum gibt, Berlin in bestimmten Fragen behilflich zu sein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808310600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0808310700
Herr Staatsminister, nachdem Sie nun in allen möglichen Lobeshymnen die Bevölkerung Berlins dargestellt und außerdem hier angeführt haben, daß es genügend Förderungsmaßnahmen gibt, frage ich Sie: Kann man davon ausgehen, daß der Pessimismus, der sich in Berlin darin ausdrückt, daß die Bevölkerungszahl trotzdem überdurchschnittlich zurückgeht, auch an der schlechten politischen Führung der Stadt liegt?

(Luster [CDU/CSU]: Da haben wir es! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD und der FDP)

Wischnewski, Staatsminister: Der Bundesregierung ist von einer schlechten politischen Führung in Berlin nichts bekannt,

(Widerspruch bei der CDU/CSU) Ganz im Gegenteil.


(Luster [CDU/CSU] : Noch nie den Namen Schütz gehört?)

Wir gehen von der Voraussetzung aus, daß diese in Berlin in den besten Händen liegt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Im übrigen gehöre ich zu denjenigen, die dei Auffassung sind, daß die Berliner nicht zum Pessimismus neigen, sondern eher zum Optimismus Wenn es einige Berliner Oppositionspolitiker gibt, die in dieser Frage eine Ausnahme bilden, dann entspricht das nicht der Berliner Mentalität.

(Beifall bei der SPD und der FDP)





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808310800
Es ist ziemlich schwer, immer gleich den Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage festzustellen. Es tut mir leid, wenn das nicht immer so klappt.

(Abg. Straßmeir [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zusatzfrage)

- Herr Straßmeir, muß das noch zu dieser Frage sein? Es kommen noch viele Fragen.

(Straßmeir [CDU/CSU] : Wenn Sie es wünschen, nehme ich es zur nächsten! — Heiterkeit)

— Ach, das wäre sehr freundlich von Ihnen. Dann kann ich nämlich die nächste Frage aufrufen, die Frage 113 der Frau Abgeordneten Pieser:
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß die zur Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) notwendigen Kenntnisse von der Wirkung familienpolitischer Maßnahmen, beispielsweise der besonderen Förderung der Zwei- und Dreikinderfamilie, beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung umgehend beschafft und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden?
Bitte sehr.
Wischnewski, Staatsminister: Verehrte Frau Kollegin, die Bundesregierung wird alle Vorschläge prüfen — nicht nur jene des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung —, aus denen sich geeignete Maßnahmen herleiten können. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Untersuchungen hinweisen, die der Berliner Senat in Auftrag gegeben hat. Bekanntlich hat auch das Berliner Abgeordnetenhaus durch seine Enquete-Kommission im vergangenen Monat Untersuchungen angestellt, die ebenfalls eine Reihe entsprechender Vorschläge enthalten. Ich konnte vorhin bereits darauf hinweisen.
Ich gehe davon aus, daß auch die Arbeitsgruppe Berlin beim Herrn Bundespräsidenten die so gewonnenen Ergebnisse in ihre Überlegungen mit einbezieht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808310900
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Pieser.

Liselotte Pieser (CDU):
Rede ID: ID0808311000
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung nach Beginn der öffentlichen Diskussion um die Frage im Zusammenhang mit dem Bevölkerungsrückgang in West-Berlin und den damit verbundenen besonderen politischen Hintergründen in der Bewertung dieser Frage dem genannten Bundesinstitut einen entsprechenden Forschungsauftrag gegeben, aus dem zu ermitteln wäre, zu welchen analytischen Ergebnissen hier Unterlagen zur Verfügung gestellt werden können?
Wischnewski, Staatsminister: Ich bin gern bereit, festzustellen, ob es neben den laufenden Aktivitäten zusätzliche Initiativen gibt. Ich bin gern bereit, Ihnen das mitzuteilen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808311100
Zweite Zusatzfrage.

Liselotte Pieser (CDU):
Rede ID: ID0808311200
Würde die Bundesregierung insbesondere im Zusammenhang mit dem Projekt Nr. 4 dieses genannten Bundesinstituts aus dem
Bericht vom Dezember 1977 ergänzende Angaben zusammenstellen lassen?
-Wischnewski, Staatsminister: Ich kenne die Reihenfolge der Projekte nicht. Ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich Ihnen die Frage schriftlich beantworte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808311300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Straßmeir.

Günter Straßmeir (CDU):
Rede ID: ID0808311400
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung aus dem Bericht der Enquete-Kommission bekannt, daß sich die deutsche Bevölkerung in Berlin im Alter bis zu 15 Jahren, die im Jahre 1973 noch 304 000 betrug, nach den Prognosen im Jahre 1990 halbieren wird und ist dies nicht ein Zeichen für die Notwendigkeit von Maßnahmen, abgesehen davon, daß diese Zahlen schon vor der Bundespräsidentenrunde bekannt waren?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung kennt, wie ich bereits gesagt habe, den Bericht der Enquete-Kommission sehr genau. Sie prüft und behandelt ihn sehr ernst und wird im Zusammenhang mit der Arbeitsgruppe, von der ich geredet habe, die Konsequenzen ziehen, die sich als notwendig erweisen und der Entwicklung in Berlin hilfreich sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808311500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Luster.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808311600
Falls die Frau Präsidentin diese Frage zuläßt: Herr Staatsminister, wie haben Sie sich in der Lage gesehen, den Optimismus der CDU anzuzweifeln, wenn in der Drucksache 7/1171 des Abgeordnetenhauses von Berlin steht — ich darf zitieren —:
Die Mehrheit in der Kommission (SPD/FDP) vertritt die Auffassung, daß ein Rückgang der absoluten Bevölkerungszahl in den kommenden Jahren unausweichlich ist. Die Minderheit in der Kommission (CDU) vertritt die Auffassung, daß ein weiterer Bevölkerungsrückgang nicht unausweichlich ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808311700
Ich muß trotzdem darum bitten, daß wir nicht solche Vorlesungen halten; es sollen kurze Fragen gestellt werden. Ich bitte, das für die Zukunft zu berücksichtigen.
Herr Staatsminister, bitte sehr.
Wischnewski, Staatsminister: Ich hoffe, daß der von Ihnen angesprochene Pessimismus — er ist ja nicht von mir angesprochen worden — ungerechtfertigt ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808311800
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe dann die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Kittelmann auf:
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß die Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) u. a. auch durch ein stärkeres Engagement des Bundes auf wirtschaftlichem Gebiet und die davon ausgehende Signalwirkung auf die private Wirtschaft positiv beeinflußt wird?
Bitte, Herr Staatsminister.



Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung hat zu dieser Frage bereits in ihrer Antwort vom 22. März 1977 — Bundestagsdrucksache 8/220 — auf die Kleine Anfrage betreffend Bundesbeteiligungen in Berlin ausführlich Stellung genommen. Ich darf darüber hinaus erwähnen, daß als Folge der Berlin-Gespräche des Herrn Bundeskanzlers auch mit dem BDI Vorstandsmitglieder von mehr als 50 westdeutschen Unternehmen zu Berlin-Beauftragten bestellt worden sind. Die Aktivität dieser Beauftragten hat bereits zu einem stärkeren Engagement der Wirtschaft in Berlin geführt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808311900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0808312000
Herr Staatsminister, würden Sie die begrüßenswerte Gelegenheit der hier gestellten Fragen benutzen, um einmal über die allgemeine Aussage hinaus, daß hier 50 Großunternehmen Berlin-Beauftragte benannt haben, zu sagen, was sich in letzter Zeit konkret im Hinblick auf Zahlen der Berliner Wirtschaft durch eine Signalwirkung, die der Bund gegeben hat, positiv verändert hat?
Wischnewski, Staatsminister: Ich glaube, die Tatsache, daß innerhalb der letzten Zeit in 50 Unternehmungen, und zwar sehr wichtigen Unternehmungen, Berlin-Beauftragte tätig sind, die in ihren Unternehmungen Vorstandsmitglieder sind, ist ein deutliches Zeichen, ein durch den Bundeskanzler gesetztes Signal dafür, in Berlin zusätzliche wirtschaftliche Aktivitäten zu entwickeln. Auch Ihnen ist bekannt, daß speziell in Berlin eine Reihe zusätzlicher Arbeitsplätze durch Unternehmungen aus dem Bundesgebiet geschaffen werden konnten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808312100
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0808312200
Herr Staatsminister, welche konkreten Zahlen können Sie dafür nennen, daß hier von Bundesunternehmen, die wirtschaftspolitisch tätig sind und auch in Berlin tätig sind, positive Signalwirkungen für die Wirtschaft ausgegangen sind?
Wischnewski, Staatsminister: Sie wissen, wie viele Bundesunternehmungen in Berlin tätig sind. Ich habe deshalb ja ausdrücklich auf die umfangreiche schriftliche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage hingewiesen. Die Bundesregierung ist bei den Unternehmungen mit Bundesbeteiligung oder mit überwiegender Bundesbeteiligung weiterhin darum bemüht, daß es auch entsprechende Engagements in Berlin, soweit sie möglich sind — soweit sie möglich sind! —, gibt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808312300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0808312400
Herr Staatsminister, ein Anliegen der deutschen Wirtschaft und von uns allen ist, daß sich Betriebe in Berlin ansiedeln. BMW z. B. tut dies beispielhaft. Würden Sie uns bitte sagen, welche Bundesunternehmungen sich in den letzten zwei bis drei Jahren in Berlin neu angesiedelt haben?
Wischnewski, Staatsminister: Ich könnte über eine Reihe von Aktivitäten auch von Bundesunternehmungen in Berlin berichten, die — mit einer Ausnahme — auch von gutem Erfolg gekrönt sind. Ich bin gern bereit, auf diese Frage auch schriftlich einzugehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808312500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0808312600
Herr Staatsminister, Sie sprachen soeben von zusätzlichen Arbeitsplätzen, die geschaffen worden sind. Können Sie Angaben darüber machen, auf welchen Gebieten diese zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen wurden, weiß man doch, daß in den letzten Jahren in der Industrie 27 000 Arbeitsplätze verlorengegangen sind?
Wischnewski, Staatsminister: Sie und ich wissen ganz genau, daß durch Förderung von außen auch zusätzliche Arbeitsplätze, insbesondere in Berlin, geschaffen worden sind.

(Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Wo? Ich möchte wissen, wo!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808312700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID0808312800
Herr Staatsminister, würden Sie mir zustimmen, daß es wegen der Struktur des Bundesbesitzes — ich erinnere nur an VEBA — relativ schwierig ist,

(Wohlrabe [CDU/CSU]: Ausrede!)

den Standort Berln zu wählen, und würden Sie mir zustimmen, daß Berlin beispielsweise als Standort für eine Ölraffinerie kaum in Frage kommt?
Wischnewski, Staatsminister: Es gibt unter den Bundesunternehmungen natürlich solche, die ihren Standort — aus den unterschiedlichsten Gründen — nicht in Berlin haben können. Daß dies bei einigen Bundesunternehmungen in besonderem Maße eine Rolle spielt, ist klar. Sie haben die VEBA erwähnt. Ich brauche nur andere Industriezweige zu erwähnen, z. B. den Bergbau. Auch hier ist eine Ansiedlung in Berlin nicht möglich. Aber es gibt Unternehmungen, bei denen diese Möglichkeit besteht, die dann auch wahrgenommen werden muß.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808312900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0808313000
Herr Staatsminister, erwägt die Bundesregierung, für Berlin eine deutlich herausgehobene, höhere und langfristig gesicherte materielle Förderung von Ein- und Mehrkinderfamilien einzuführen?



Wischnewski, Staatsminister: Ich habe gesagt, daß sich mit diesen Fragen die Arbeitsgruppe beschäftigt, an der Ihre Partei mit Vertretern Ihrer Fraktion und des Berliner Abgeordnetenhauses beteiligt ist. Wir werden zu dieser Frage dann Stellung nehmen, wenn wir einen entsprechenden Bericht vorliegen haben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808313100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID0808313200
Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß z. B. die Deutsche Bundespost durch die Vergabe von Mehrmilliardenaufträgen nach Berlin zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Fernmeldeindustrie ständig sehr wesentlich beiträgt?
Wischnewski, Staatsminister: Ich glaube, daß gerade dies ein Beispiel ist, das ganz besondere Beachtung verdient. Ich möchte das, was hier gesagt worden ist, ausdrücklich bestätigen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808313300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfennig.

Dr. Gero Pfennig (CDU):
Rede ID: ID0808313400
Herr Staatsminister, ich möchte auf die Frage des Kollegen Roth zurückkommen, der die Sache ja etwas zu karikieren versuchte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808313500
Bitte keine Bewertung der Fragestellung eines Abgeordneten!

Dr. Gero Pfennig (CDU):
Rede ID: ID0808313600
In welcher Branche hat denn die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren versucht, Bundesunternehmen zur Verlegung nach Berlin zu bewegen?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung beschäftigt sich mit deren Akvitität, soweit die Voraussetzungen gegeben sind. Hier möchte ich ausdrücklich unterstreichen, was Herr Kollege Roth dazu gesagt hat. Soweit die Voraussetzungen gegeben sind, ist sie im ständigen Gespräch mit den Unternehmungen — über ihre Vertretungen — und trägt dazu bei, daß diese Unternehmungen, soweit die Möglichkeit gegeben ist, auch besondere Aktivitäten in Berlin entwickeln.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808313700
Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID0808313800
Herr Staatsminister, sind denn schon private deutsche Großunternehmen dem Vorschlag gefolgt, ihre Verwaltungen oder zumindest Verwaltungsabteilungen nach Berlin zu verlegen?
Wischnewski, Staatsminister: Im Augenblick kann ich über besondere Aktivitäten in dieser Frage nicht berichten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808313900
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Simonis.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0808314000
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob größere deutsche Unternehmen dem Aufruf gefolgt sind, ihre obersten Verwaltungsetagen nicht von Berlin wegzuverlegen?

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Das ist eine Steinzeitfrage!)

Wischnewski, Staatsminister: Ich glaube, daß in dieser Frage Appelle doch eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808314100
Ich rufe die Frage 115 des Herrn Abgeordneten Wohlrabe auf:
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß die Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West) durch die anhaltende Anteilnahme der deutschen und internationalen Öffentlichkeit an den Problemen der Stadt und deren Bereitschaft zur Unterstützung Berlins gefördert wird?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung wird wie bisher dafür Sorge tragen, daß Berlin unabhängig von der Bevölkerungsentwicklung in die deutsche und internationale Kommunikation eingebunden bleibt. Es geht aber nicht nur darum. Die Bundesregierung hat auch ihre Bemühungen verstärkt, verbündete und befreundete Staaten zu einem stärkeren wirtschaftlichen und kulturellen Engagement in Berlin zu bewegen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808314200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0808314300
Herr Staatsminister, für die Darstellung der Berlin-Situation ist die publizistische Resonanz sehr wichtig. Können Sie uns vielleicht mitteilen, wie es kommt, daß die Berichterstattung aus Ost-Berlin sowohl im ersten als im zweiten Programm -des deutschen Fernsehens einen viel breiteren Raum einnimmt als die Berichterstattung aus West-Berlin, und sehen Sie darin irgendwelche politischen Gründe, die für West-Berlin auf Dauer abträglicher Natur sein könnten?
Wischnewski, Staatsminister: Zuerst muß ich hier auf die Unabhängigkeit der Rundfunk- und Fernsehanstalten in der Bundesrepublik hinweisen. Das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt. Hier bestimmt nicht die Bundesregierung.
Die Bundesregierung verfolgt das aber natürlich mit großer Aufmerksamkeit. Ich kann aus der bisherigen Berichterstattung, ohne daß nun ein besonderer, konkreter Prüfungsauftrag dafür vorliegt, nicht ersehen, daß die Berichte aus Ost-Berlin zu einer Zurückstellung all dessen beitragen, was aus West-Berlin berichtenswert ist. Ich kann das ohne eine genaue Untersuchung nicht feststellen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808314400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0808314500
Die Entwicklung der Bevölkerungszahl ist in erster Linie auch ein psycho-



Wohlrabe
logisches Problem. Deshalb kämpfen wir so darum, daß die Gesamtbevölkerungszahl nicht absinkt. Ich möchte gern einmal wissen, welche Möglichkeiten die Bundesregierung sieht, über ihre vielfachen Wege der Öffentlichkeitsarbeit — hierfür stehen enorme Mittel zur Verfügung — Berlin hier helfend zur Seite zu stehen.
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung wird auch, wenn es darum geht, die Öffentlichkeitsarbeit für Berliner Interessen zu verwenden und in der psychologischen Situation, von der Sie gesprochen haben, mitzuhelfen, ihre Möglichkeiten voll nutzen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808314600
Ich rufe die Frage 116 des Abgeordneten Straßmeir auf:
Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu, daß der fortschreitende Bevölkerungsrückgang in Berlin (West), der durch einen erheblichen Wanderungsverlust mit herbeigeführt wird, auch in engem Zusammenhang mit dem im Vergleich zu anderen Großstädten qualitativ unzureichenden Wohnungsangebot steht?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß auch ein quantitativ und qualitativ günstiges Wohnungsangebot eine Voraussetzung dafür ist, daß Arbeitnehmer nach Berlin kommen und dort bleiben. Sie ist über Verbesserungsmöglichkeiten ständig im Gespräch und auch in aktuellen Verhandlungen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808314700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Straßmeir.

Günter Straßmeir (CDU):
Rede ID: ID0808314800
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß in Berlin über 500 000 Wohnungen über keine Zentralheizung verfügen, 150 000 weder über Bad noch Toilette und 100 000 ohne ein Bad sind, und wie glaubt sie, das daraus resultierende Gebot zur Hilfe zu erfüllen?
Wischnewski, Staatsminister: Ich nehme an, daß Sie wissen, daß die Frage der Wohnungen auch in der Arbeitsgruppe bei dem Herrn Bundespräsidenten ein ganz besonderes Kapitel darstellt und daß es dafür ein ganz besonderes Projekt gibt. Ich hoffe, daß wir sehr bald über dieses Projekt reden können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808314900
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Günter Straßmeir (CDU):
Rede ID: ID0808315000
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß in bezug auf die Aufbauleistung von Neubauwohnungen nach dem Kriege Berlin auch im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten zurückliegt, und welche Schlußfolgerung ziehen Sie denn daraus?
Wischnewski, Staatsminister: Ich habe akustisch das eine Wort nicht verstanden.

(Luster [CDU/CSU] : Welches denn?)


Günter Straßmeir (CDU):
Rede ID: ID0808315100
Ob der Bundesregierung die Tatsache bekannt ist, daß in bezug auf die Wiederaufbauleistung von Neubauwohnungen nach dem Kriege Berlin auch im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten zurückliegt, und welche Schlußfolgerungen Sie daraus zieht.
Wischnewski, Staatsminister: Es gibt aus den Zahlen, die mir bekannt sind, nicht den geringsten Anlaß, die Wiederaufbauleistung, die sich in Berlin (West) ergeben hat, hier kleinzumachen. Dazu bin ich jedenfalls nicht bereit.

(Beifall bei der SPD)

Diese Stadt hat eine hervorragende Aufbauleistung vollbracht, und es wäre schlecht, wenn im Deutschen Bundestag etwas anderes behauptet würde.

(Beifall bei der SPD — Straßmeir [CDU/ CSU] : Das wissen wir auch, Herr Minister!)

Dies würde dieser Stadt überhaupt nicht nützen.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Hier will doch keiner miesmachen!)

— Das ist doch versucht worden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808315200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID0808315300
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekant, daß in der Wohnungsmodernisierung, insbesondere in der Verbesserung der Wohnqualität und der Wohnquartiere Berlin derzeit Beispielhaftes leistet und inzwischen zum Zielort der Städtebauer und Wohnungspolitiker von ganz Europa geworden ist?

(Hört! Hört! bei der SPD)

Wischnewski, Staatsminister: Mir ist das bekannt, und die Bundesregierung begrüßt das außerordentlich.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808315400
Herr Abgeordneter Luster.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808315500
Herr Staatsminister, sind Sie zum Zwecke der Besserung der Verhältnisse auch bereit, Daten zur Kenntnis zu nehmen wie jene des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von vor etwa zwei Jahren, wonach im Städtevergleich von 1949 bis 1974 Berlin pro 1 000 Wohnungen 125 Wohnungen und München, Hamburg und Köln etwa 180 bis 190 Wohnungen neu gebaut haben?

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist die Realität!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808315600
Bitte, Herr Staatsminister.
Wischnewski, Staatsminister: Dies hat sicher mit unterschiedlichen Altersstrukturen und der Zahl an Wohnungen insgesamt zu tun. Ich bin aber gerne bereit, mir die Zahlen noch einmal sehr genau an-
zuschauen.





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808315700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0808315800
Herr Staatsminister, sind nicht auch Sie mit mir der Meinung, daß statistische Zahlen, die vorliegen und die eben konkret von einem Abgeordneten genannt wurden, nichts mit Miesmacherei zu tun haben und daß Ihre Reaktion darauf in diesem Zusammenhang als Überreaktion gewertet werden muß?
Wischnewski, Staatsminister: Nein. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß ich nicht bereit bin, dies als Überreaktion zu werten. Wenn ich den Eindruck habe, daß hier versucht wird, die Situation in Berlin mieszumachen, dann gehört es auch zur psychologischen Situation, für Berlin etwas zu tun. Dann wehre ich mich hier dagegen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808315900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Ist das eine Fragestunde für diese fünf Leute?)


Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0808316000
Herr Staatsminister, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß auch eine in der Darstellung der Sachverhalte unterschiedliche Position Berlin nutzen kann und dies deshalb nicht mit Polemik Ihrerseits hier verbessert wird?
Wischnewski, Staatsminister: Ich verwahre mich gegen das Wort Polemik. Gegen eine sachliche Darstellung hat niemand etwas. Wenn aber bei mir der Eindruck entsteht, daß Berlin bewußt miesgemacht werden soll, dann muß ich mich dagegen wehren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD — Kunz [Berlin] [CDU/CSU] : Unglaublich! — Franke [CDU/CSU] : Herr Wischnewski, Sie sind schwach! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808316100
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0808316200
Herr Staatsminister, wenn es sich eben herausgestellt hat, daß der Neubauzugang in Berlin gegenüber anderen Großstädten relativ gering ist, ist das nicht vielleicht darauf zurückzuführen, daß in Berlin 90 % der Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gefördert werden, während in anderen Großstädten ein größerer Anteil frei finanzierter Wohnungen vorhanden ist?
WisChnewski, Staatsminister: Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich im Augenblick nicht genau weiß, wieviel Prozent der Wohnungen in Berlin mit Hilfe des sozialen Wohnungsbaus entstanden sind und wie viele frei finanziert sind und wie das in anderen Städten ist. Ich bin gerne bereit, mich dafür zu interessieren. Im übrigen habe ich — und natürlich die Bundesregierung — nichts gegen die sachliche Feststellung von Zahlen. Aber wenn der Wiederaufbau insgesamt angesprochen wird, wie das geschehen ist, dann werde ich mich im Interesse Berlins dagegen wehren.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808316300
Ich rufe die Frage 117 des Herrn Abgeordneten Dr. Pfennig auf:
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß die Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung von Berlin (West), insbesondere hinsichtlich der Steigerung der Zuwandererzahlen, dadurch erleichtert wird, daß z. B. die finanziellen Voraussetzungen für die Beibehaltung der Neubautätigkeit, die Beschleunigung der Sanierung und für die Ausweitung der Modernisierung, insgesamt für die Bereitstellung von mehr und preisgünstigen familiengerechten Wohnungen geschaffen werden?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Wischnewski, Staatsminister: Herr Kollege, eine wichtige Voraussetzung für eine verstärkte Zuwanderung von Arbeitnehmern nach Berlin ist — wie schon gesagt — ein ausreichendes Wohnungsangebot. Die Bundesregierung ist bereit, unter Beachtung finanzverfassungsrechtlicher Grundsätze des Grundgesetzes, wonach der Bund keine alleinige Finanzierungskompetenz für den Wohnungsbau in den Ländern hat, gemeinsam mit dem Senat die Frage der finanziellen Voraussetzungen für weitere Hilfen auf diesem Gebiet zu prüfen.
Im übrigen wird, wie ich vorhin bereits gesagt habe, auch dieser Problemkreis — gerade in dieser speziellen Frage mit einem besonderen Projekt —in der Arbeitsgruppe beim Herrn Bundespräsidenten behandelt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808316400
Zusatzfrage, Herr Dr. Pfennig.

Dr. Gero Pfennig (CDU):
Rede ID: ID0808316500
Herr Staatsminister, weiß die Bundesregierung, daß von den insgesamt 500 000 modernisierungsbedürftigen Wohnungen in Berlin 270 000 sofort modernisiert werden müssen, weil sie aus den Jahren vor 1918 stammen, und teilt sie meine Auffassung, daß das nicht allein durch staatliche Direktzuschüsse zu bewältigen ist?
Wischnewski, Staatsminister: Sie wissen, daß die Bundesregierung auch aus ganz anderem Anlaß daran interessiert war, hier ein besonderes Programm zu entwickeln. Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre das auf dem Verwaltungswege in der Zwischenzeit längst erfolgt. Dies wäre auch Berlin sehr schnell zugute gekommen. Ich bedaure außerordentlich, daß das nicht geschehen ist, weil einige Länder dafür Sorge getragen haben, daß es verhindert worden ist. Dies hätte auch dem gedient, was Sie hier angesprochen haben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808316600
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Pfennig, bitte.

Dr. Gero Pfennig (CDU):
Rede ID: ID0808316700
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, nachdem in Berlin für den Erwerb von Einfamilienhäusern besondere steuerliche Vergünstigungen bestehen und gleiches



Dr. Pfennig
wohl auch für den Erwerb von unbeweglichen Wirtschaftsgütern eingeführt werden soll, sich nunmehr auch für eine großzügige Förderung der Modernisierung der Berliner Altbaumietwohnungen dadurch einzusetzen, daß sie den Erwerb dieser Mietshäuser zu Modernisierungszwecken steuerlich begünstigt?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung wird die von Ihnen angesprochene Frage im Zusammenhang mit allen Problemen, in besonderem Maße denen des Wohnungsbaus, prüfen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808316800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Luster.

Rudolf Luster (CDU):
Rede ID: ID0808316900
Herr Staatsminister, wird bei dieser Prüfung der Bundesregierung auch eine Rolle spielen, daß gerade jüngst die Enquete-Kommission im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Zahl von 18 000 bis 22 000 jährlich neu zu bauenden, zu modernisierenden und zu sanierenden Wohnungen als wünschenswert angegeben hat, und wird die Bundesregierung versuchen, der Stadt Berlin das entsprechende Finanzvolumen in den dafür geeigneten Weisen zur Verfügung zu stellen?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung wird bei ihrer Prüfung alle wichtigen Dokumente heranziehen. Selbstverständlich ist der Bericht der Enquete-Kommisison ein wichtiges Dokument, das in diese Prüfung mit einbezogen wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808317000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Amrehn.

Franz Amrehn (CDU):
Rede ID: ID0808317100
Herr Staatsminister, teilen Sie die Überzeugung, daß ungeachtet der Ergebnisse der Beratungen der Kommission beim Herr Bundespräsidenten die Gesamtheit aller Maßnahmen kultureller, wirtschaftlicher, psychologischer Art zugunsten Berlins eine politische Strategie erfordert, die nur auf Grund einer Führungsentscheidung des Bundeskanzlers geschaffen werden kann, und können Sie in Aussicht stellen, daß er in dieser wichtigen Frage für eine weitreichende Zukunft von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen wird?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wischnewski, Staatsminister: Der Bundeskanzler hat viele Male den Beweis dafür erbracht, daß den hier angeschnittenen Fragen sein ganz besonderes Engagement gilt. Das wird auch in der Zukunft klar und eindeutig so sein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808317200
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0808317300
Herr Staatsminister, können Sie mir bestätigen, daß eine Bereitstellung von mehr preisgünstigen familiengerechten Wohnungen ein besonderer Anreiz für Zuwanderer nach Berlin wäre?
Wischnewski, Staatsminister: Ich habe bereits auf die Bedeutung der Wohnungen für die Bevölkerungsentwicklung und die Zuwanderung nach Berlin hingewiesen. Ich möchte ausdrücklich bestätigen, daß das eine ganz besonders wichtige Rolle spielt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808317400
Ich rufe die Frage 118 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Hat Bundeskanzler Schmidt in seinen Dank an Österreichs Bundeskanzler Kreisky auch die Formulierung „für eine glückliche Zukunft des Volks der Deutschen Demokratischen Republik" einbezogen oder sich dazu kritisch geäußert?
Wischnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß Herr Bundeskanzler Kreisky durch sein Auftreten in Ost-Berlin und die von ihm dort abgegebenen Erklärungen dem Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten und damit der Entspannung in Europa einen Dienst erwiesen hat.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Das hat der Bundeskanzler gegenüber Bundeskanzler Kreisky zum Ausdruck gebracht, als er sich bei ihm für rasche Unterrichtung über seinen Besuch in der DDR bedankte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808317500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka, bitte.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808317600
Herr Staatsminister, können Sie auch Auskunft geben, wie sich der Herr Bundeskanzler in seinem Dankschreiben an Herrn Kreisky bezüglich dessen Auslassung verhalten hat, daß es ein Volk der DDR geben soll?
WisChnewski, Staatsminister: Die Bundesregierung hält es für unangebracht, sich in der Öffentlichkeit mittelbar oder unmittelbar zu Erklärungen zu äußern, die vom Regierungschef eines anderen Landes gegenüber dem Regierungschef eines dritten Landes abgegeben worden sind. Im übrigen gehen wir von der Voraussetzung sehr -freundschaftlicher Beziehungen mit unserem österreichischen Nachbarn aus und hoffen, daß niemand die Absicht hat, diese freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu stören.

(Beifall bei der SPD — Wehner [SPD]: Das muß anders werden, Herr Staatsminister! — Dr. Corterier [SPD]: Es ist doch offensichtlich, daß Herr Hupka diese Beziehungen stören will!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808317700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808317800
Herr Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß der Bundeskanzler der Republik Osterreich nicht im Einklang mit unserem Selbstverständnis gehandelt hat, als er von einem Volk der DDR gesprochen hat?
Wischnewski, Staatsminister: Der österreichische Bundeskanzler hat die Formulierung gebraucht, die er für richtig gehalten hat. Ich weigere mich, hierzu



Staatsminister Wischnewski
eine Stellungnahme abzugeben, weil ich nicht das will, was Sie offensichtlich erreichen wollen, nämlich daß es eine Belastung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich gibt. Etwas Derartiges kommt nicht in Frage.

(Dr. Hupka [CDU/CSU] : Das ist keine Antwort auf meine Frage!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808317900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808318000
Herr Staatsminister, auch wenn ich Gefahr laufe, mir von Ihnen — wie andere Kollegen auch — ebenfalls eine Rüge und Zurechtweisung zuzuziehen, frage ich Sie, ob nicht gerade die Äußerung seitens des Bundeskanzlers der Republik Osterreich, nach der der Kollege Dr. Hupka gefragt hat, eine Einmischung in deutsche Angelegenheiten gewesen ist und damit von seiner Seite die Gefahr einer Belastung des deutsch-österreichischen Verhältnisses ausgegangen ist.
Wischnewski, Staatsminister: Von einer solchen Einmischung kann überhaupt gar keine Rede sein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808318100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerster.

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0808318200
Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, daß es um die Freundschaft mit Osterreich schlecht bestellt wäre, wenn bereits ein Hinweis auf die Verfassungswirklichkeit in Deutschland diese Freundschaft gefährden könnte?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wischnewski, Staatsminister: Es geht darum, ob kritische Bemerkungen gegenüber dem Bundeskanzler eines Nachbarlandes gemacht werden, der sich in hervorragender Weise darum bemüht hat, einen Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten zu leisten. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808318300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0808318400
Herr Staatsminister, wäre es nicht vielleicht nützlich, wenn Sie sich zur Klärung dieser Verhältnisse überlegten, diesen Teil der Fragestunde einem österreichischen Kabarett zur Verfügung zu stellen?

(Heiterkeit bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Wischnewski, Staatsminister: Ich möchte das gerne unterstreichen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808318500
Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi zur Verfügung. Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, mit welchen Schwierigkeiten und unzumutbaren Auflagen die Ablegung der polnischen Staatsangehörigkeit für diejenigen Aussiedler verbunden ist, die ohne die Entlassung aus der polnischen Staatsangehörigkeit in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind, und was gedenkt sie für diese Mitbürger zu tun?
Bitte schön, Herr Staatsminister.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0808318600
Die Zahl derjenigen Personen ist gering, die Polen mit Genehmigung der Behörden verlassen haben und dennoch noch nicht aus der polnischen Staatsangehörigkeit entlassen worden sind. Hierbei handelt es sich meist um Ehefrauen oder Kinder von Aussiedlern. Diese Personen können bei der polnischen Botschaft in Köln einen Antrag auf Entlassung aus der polnischen Staatsangehörigkeit stellen. Dem Antrag wird in der Regel stattgegeben.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Entlassung von solchen Personen aus der polnischen Staatsangehörigkeit, die ohne Genehmigung in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind, schwierig sein kann. Wie meine Kollegin Frau Hamm-Brücher Ihnen bereits in der Fragestunde am 23. Februar mitgeteilt hat, ist die Bundesrepublik darum bemüht, diese Schwierigkeiten jeweils im konkreten Fall zu überwinden und zu mildern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808318700
Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808318800
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung dafür Verständnis, daß jemand, der vor zwanzig Jahren als Flüchtling hierhergekommen ist, nunmehr als Vater von Kindern, die hier geboren worden sind, in polnischer Sprache den Nachweis über seine familiären Verhältnisse erbringen muß, weil die polnische Regierung auf dem Standpunkt steht, daß seine Kinder die polnische Staatsangehörigkeit besitzen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, ich verweise noch einmal auf das, was ich eben sagte: die Bundesregierung hat natürlich Verständnis für diese Schwierigkeiten, und sie ist deswegen bemüht, im jeweils konkreten Fall zu helfen und die Schwierigkeiten, die entstanden sind, zu überwinden und zu mildern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808318900
Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808319000
Herr Staatsminister, unabhängig von dem Helfen von Fall zu Fall: wäre es nicht möglich und notwendig, einmal generell durch Absprachen zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen solche Fälle auszuschließen, daß jemand für seine Kinder, die hier geboren sind, nunmehr den Antrag auf Entlassung aus der polnischen Staatsangehörigkeit stellen muß?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, die Volksrepublik Polen hat das Recht, ihr Staatsangehörigkeitsrecht nach den internationalen Regeln zu bestimmen. Die Bundesregierung kann also nur versuchen zu helfen, kann aber an den Grundsätzen, die hier bestehen, nichts ändern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808319100
Ich rufe Frage 119 des Herrn Abgeordneten Milz auf:
Kann die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Flugzeugunglück in Zagreb Auskunft darüber geben, wann mit dem rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens gegen den Hauptangeklagten der Bezirksflugkontrolle Zagreb gerechnet werden kann, zumal dies für die Klärung der Schadensersatzansprüche wichtig ist?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Berufungsverhandlung in dem Verfahren gegen die Fluglotsen der Bezirksflugkontrolle Zagreb vor dem Obersten Gerichtshof der Republik Kroatien in Zagreb hat nach einem Bericht unseres Generalkonsulats in Zagreb am 7. April 1978 begonnen. Das Generalkonsulat Zagreb wird das Berufungsverfahren beobachten und über seinen Ausgang sofort berichten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808319200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Milz.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0808319300
-Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, zur Regelung vergleichbarer Fälle in der Zukunft etwa mit Jugoslawien ein Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, und weshalb ist etwas Derartiges bis heute nicht geschehen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich kann Ihnen diese Frage hier aus dem Stegreif nicht beantworten. Ich will gerne prüfen, ob das sinnvoll erscheint.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808319400
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Milz.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0808319500
Herr Staatsminister, das schreckliche Unglück geschah am 19. September 1976. Mir liegen Unterlagen des Amtsgerichts Köln vor, aus denen hervorgeht, daß heute noch in Zagreb eine große Zahl von Eigentum der Verunglückten liegt. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Angehörigen zu helfen, endlich in den Besitz dieser Fundsachen zu kommen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich kann diese Frage im Augenblick nicht beantworten. Ich gehe davon aus, daß das Vorhandensein dieses Eigentums in Zagreb vermutlich mit Beweisfragen zusammenhängt. Wenn das der Fall wäre, müßte man dies natürlich berücksichtigen. Aber ich bin gern bereit, wenn Sie mir den Fall im einzelnen zur Kenntnis geben, der Sache nachzugehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808319600
Ich rufe Frage 120 des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer auf.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Präsident, darf ich die Fragen 120 und 121 zusammen beantworten?

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808319700
Dann rufe ich 120 und 121 auf:
Hält die Bundesregierung den Zeitpunkt für gekommen, die Frage der Errichtung und Betreuung von Soldatenfriedhöfen mit den ost- und südosteuropäischen Staaten zu regeln?
Welche Maßnahmen ist die Bundesregierung bereit diesbezüglich zu treffen, und mit welchem Zeitraum rechnet sie bis zum Abschluß der Regelung?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung ist in enger Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge seit vielen Jahren bestrebt, die Frage der Errichtung und Betreuung von Soldatenfriedhöfen mit den ost- und südosteuropäischen Staaten zu regeln. Sie hat wiederholt in ihren Kontakten auf hoher und höchster Ebene auf das humanitäre Problem der Kriegsgräberfrage hingewiesen und ist auch willens, dies bei jeder geeigneten Gelegenheit in Zukunft wieder zu tun.
Die Bundesregierung hat bei ihren Bemühungen folgendes erreicht: Zwei Soldatenfriedhöfe am Stadtrand von Moskau wurden instandgesetzt und für Besucher freigegeben. In Bulgarien und Ungarn unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, eine angemessene Grabpflege sicherzustellen. In Ungarn werden etwa 2 000 Soldatengräber gepflegt. Mit Jugoslawien befindet sich die Bundesregierung über die Lösung der Kriegsgräberfürsorge im Gespräch. Im September 1977 konnte der damalige Präsident des VdK, Professor Thiele, diese Frage erstmals mit den zuständigen jugoslawischen Partnern besprechen. In Rumänien bahnt sich eine Lösung der Verlegung des Soldatenfriedhofs in Braila an. Rumänien hat darüber hinaus zu erkennen gegeben, daß es gewillt ist, diese Frage im gesamten rumänischen Staatsgebiet zu lösen. In der Tschechoslowakei konnte eine Gräberpflege bisher nur in Einzelfällen erreicht werden. Gleiches gilt für Polen.
Zusammengefaßt und insbesondere in Antwort auf Ihre zweite Frage, Herr Kollege Althammer: Ob und wann eine endgültige Regelung der Kriegsgräberfürsorge in den ost- und südosteuropäischen Staaten zu erreichen ist, hängt von der Gesamtentwicklung der Beziehungen zu diesen Staaten ab.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808319800
Eine Zusatzfrage.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0808319900
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch der Prozentsatz der Gefallenen ist, die bisher in diesen Ländern keine würdige Bestattung gefunden haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Althammer, das kann ich im Augenblick nicht beantworten; ich bin aber gern bereit, festzustellen, ob die Bundesregierung hierüber Zahlen hat.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808320000
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0808320100
Herr Staatsminister, wenn Sie sagen, das hänge von dem weiteren Fortgang der allgemeinen Beziehungen zu diesen Ländern ab, dann muß ich die Frage stellen, ob die Bundesregierung nicht angesichts der intensiven bisherigen Bemühungen endgültig zu einer positiven Lösung kommen könnte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das ist der Grund dafür, daß wir für die vergangenen Jahre auf die relativen Erfolge verweisen können, die ich hier verlesen habe. Die Verbesserung der Beziehungen zu den südosteuropäischen und osteuropäischen Staaten hat bereits dazu beigetragen, daß die Lage verbessert werden konnte; aber wir sind mit Ihnen der Meinung, daß hier noch viel Arbeit zu leisten ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808320200
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0808320300
Herr Staatsminister, sehen Sie eine Möglichkeit, die besondere Dringlichkeit dieser Frage den ausländischen Partnern dadurch nahezubringen, daß, bevor andere Punkte, die die Gegenseite interessieren, zur Sprache kommen, diese Frage von unserer Seite zu einer Lösung gebracht wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich unterstreiche: Bei den verschiedenen Gesprächen und Besuchen, die auf politischer Ebene stattgefunden haben, hat dieses Thema eine wesentliche Rolle gespielt. Die Tatsache, daß diese Gespräche stattgefunden haben, hat sich wiederum in gewissen — wie ich zugebe: noch nicht voll befriedigenden — Erfolgen niedergeschlagen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808320400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808320500
Herr Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß es zu den Voraussetzungen der vielgerühmten Normalisierung gehören würde, daß endlich — 33 Jahre nach Kriegsende — erlaubt wird, daß wir uns um unsere Kriegsgräber kümmern?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, ich glaube, es ist nicht Voraussetzung, es ist ein Bestandteil der Normalisierung, um die sich die Bundesregierung und die Koalition in diesem Hause besonders bemühen. Ich unterstreiche: Es ist eine Normalisierung, die Sie uns nicht immer erleichtern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808320600
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808320700
Herr Staatsminister, haben Sie eine Erklärung dafür, daß, entsprechend Ihrer
Auskunft gerade in der Tschechoslowakei und in Polen, es bis jetzt nicht möglich war, der Bundesrepublik Deutschland eine Sorge für die Kriegsgräber zuzubilligen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Hier hat es, wie Sie wissen, im Prozeß der Verständigung gewisse Schwierigkeiten gegeben. Deswegen sind wir dabei, hier nachzuholen, was mit anderen Ländern bereits möglich geworden ist. Ich unterstreiche allerdings: Die Bundesregierung ist bemüht, auch hier die entsprechenden Schritte zu ermöglichen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808320800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0808320900
Herr Staatsminister, da Sie die besonderen Schwierigkeiten in der Tschechoslowakei erwähnt haben, frage ich: Hat die Bundesregierung bei den gerade geführten Gesprächen mit dem Präsidenten der tschechoslowakischen Republik diese Frage angesprochen, und, wenn ja, mit welchem Erfolg geschah das? Ich frage das, da darüber im Schlußkommuniqué nichts zu lesen war.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe versucht, dies von mir aus kurzfristig festzustellen, weil ich Ihre Frage erwartet habe. Ich konnte nicht feststellen, in welchem Zusammenhang die Frage angeschnitten worden ist. Ich will Ihnen das gerne schreiben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808321000
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 122 der Abgeordneten Frau Erler auf:
Trifft die Meldung der Rhein-Zeitung" vom 16. März 1978 zu, daß das Auswärtige Amt einer Schülerin aus Simmern ein 4-Wochen-Stipendium für eine Südafrikareise gewährt, und wie ist dies gegebenenfalls angesichts der politischen Lage in der Republik Südafrika zu rechtfertigen?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das Auswärtige Amt gewährt deutschen Schülern keine Stipendien für Ferienaufenthalte in der Republik Südafrika. Die Schülerin, auf die sich die Zeitungsnotiz bezieht, hat vielmehr ein Stipendium der Republik Südafrika in Anspruch genommen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808321100
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0808321200
Herr Staatsminister, trifft es dann zu, daß diese Stipendien der Republik Südafrika durch den Pädagogischen Austauschdienst bei der Kultusministerkonferenz vermittelt werden und daß die KMK vom Auswärtigen Amt beraten wird, und wie beurteilen Sie den Vorgang in Anbetracht dieser Information?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, die von der Republik Südafrika selbständig vergebenen Stipendien beziehen sich auf Stipendien, die



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
andererseits von deutscher Seite für solche Schüler aus Südafrika gegeben werden, die besonders qualifiziert in deutscher Sprache sind, und insofern sind natürlich beim Austausch auf beiden Seiten Institutionen eingeschaltet.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808321300
Noch eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?

(Frau Erler [SPD] : Ja!)

— Bitte.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0808321400
Herr Staatsminister, sehen Sie eine Möglichkeit, daß die Bundesregierung angesichts ihrer erklärten Anti-Apartheid-Politik darauf hinwirken könnte, daß solche Werbungsveranstaltungen der südafrikanischen Republik nicht mehr mit Unterstützung dieser Bundesregierung stattfinden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich unterstreiche noch einmal, daß die Reise der Schülerin, auf die sich die Zeitungsnotiz bezieht, ja auf Initiative der Republik Südafrika stattgefunden hat. Wir sind, Frau Kollegin, der Meinung, daß es zweckmäßig ist, wenn von Menschen, auch von jungen Menschen, ein unmittelbarer Eindruck von der Republik Südafrika in der Republik Südafrika gesammelt werden kann — so wie wir daran interessiert sind, daß insbesondere aus der schwarzen Mehrheit Südafrikas Schüler die Bundesrepublik Deutschland besuchen können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808321500
Ich rufe Frage 123 des Herrn Abgeordneten Männing auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten des deutschbrasilianischen Reaktorabkommens nach Inkrafttreten des neuen amerikanischen „Anti-Proliferations-Gesetzes" das Bedingungen festgelegt hat, die den Zugang von Nicht-Kernwaffen-Staaten zur sensitiven nuklearen Technologie erheblich einschränken?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das neue Gesetz der Vereinigten Staaten von Amerika, genannt „Nuclear Non-Proliferation Act of 1978", enthält u. a. eine Bestimmung in Abschnitt 307, wonach gegenüber einem Land, das nach Inkrafttreten des Gesetzes — Termin ist der 10. März 1978 — Wiederaufbereitungsanlagen oder -technologie exportiert, ein Lieferstop verhängt wird. Nach dem Wortlaut des Gesetzes berührt diese Bestimmung also das deutsch-brasilianische Abkommen vom 27. Juni 1975 nicht, weil es ja bereits vorher geschlossen wurde. Außenminister Vance bestätigte dies kürzlich ausdrücklich gegenüber Bundesaußenminister Genscher.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808321600
Keine Zusatzfrage dazu? — Dann rufe ich Frage 124 des Herrn Abgeordneten Biehle auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die polnische Regierung deutschen Staatsangehörigen aus Ostdeutschland jenseits von Oder/Neiße die nun in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, die Einreise zu Besuchen bei zurückgebliebenen engsten Angehörigen in Oberschlesien verweigert, weil beim Visumantrag wegen doppelter Staatsbürgerschaft im Personalausweis die Angabe des Geburtsorts nicht nach der polnischen Ortsbezeichnung, sondern nach der alten deutschen Bezeichnung erfolgte, und welche wird sie gegebenenfalls daraus ziehen?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Präsident, darf ich wiederum zwei Fragen gemeinsam beantworten, in diesem Falle 124 und 125?

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808321700
Einverstanden; ich rufe zusätzlich Frage 125 des Herrn Abgeordneten Biehle auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Entlassung aus der polnischen Staatsbürgerschaft für deutsche Staatsbürger (bei Doppelstaatsbürgerschaft) nur dann erfolgt, wenn der bundesdeutsche Personalausweis mit polnischen Geburtsortsangaben zusätzlich beim Visumantrag vorgelegt wird, und was gedenkt die Bundesregierung gegen diese Maßnahmen zu unternehmen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Eine Person mit doppelter Staatsangehörigkeit wird grundsätzlich von dem jeweiligen Staat als sein Staatsbürger behandelt. Die polnischen Behörden können also nach internationalen Grundsätzen verlangen, daß ein polnischer Staatsangehöriger in polnisches Staatsgebiet mit einem polnischen Reisedokument einreist. Die Erteilung eines Visums in einen deutschen Reisepaß kann abgelehnt werden.
Allerdings hat die polnische Botschaft — worauf Sie in Ihrer zweiten Frage hinweisen — die von der Antragstellerin eingeleitete Entlassung aus der polnischen Staatsangehörigkeit dadurch kompliziert, daß sie die Vorlage des deutschen Personalausweises mit der polnischen Bezeichnung des Geburtsortes verlangte. Im konkreten Fall hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, daß unsere Botschaft in Warschau den von Ihnen angesprochenen Fall beim polnischen Außenministerium aufgegriffen hat; sie wird ihre Bemühungen um die Lösung dieses Falles mit Nachdruck fortsetzen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808321800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biehle.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0808321900
Herr Staatsminister, sind Ihnen ähnlich gelagerte Fälle der Ablehnung der Erteilung eines Visums durch Polen in der geschilderten Form bekannt, und was gedenkt man neben der Vorsprache in Warschau generell zu unternehmen; um dabei zu helfen, daß bei einer deutsch-polnischen Doppelstaatsbürgerschaft die polnische Staatsbürgerschaft aufgelassen wird, damit den in der Bundesrepublik wohnenden Familienangehörigen die Erteilung von Visa zu Familienbesuchen in Gebiete jenseits von Oder und Neiße ermöglicht wird, ohne daß die polnischen Forderungen nach Angabe des Geburtsortes in polnischer Sprache — die, weil es ja den Bundespersonalausweis betrifft, ein Eingriff in die deutsche Gesetzgebung wäre — erfüllt werden müßten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung weiß, daß die polnische Botschaft in diesem konkreten Fall, wie auch in mehreren anderen Fällen, die in Übereinstimmung mit der 1970 getroffenen Paßabsprache stehende deutsche Bezeichnung des Geburtsortes eines nach dem



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
8. Mai 1945 in den Oder-Neiße-Gebieten geborenen Paßinhabers in Klammern hinter dem polnischen Ortsnamen beanstandet und diesen Paßinhabern das Visum verweigert hat. Wir wissen also, daß es mehrere solche Fälle gibt.
Die deutsche Bezeichnung des Geburtsortes in Pässen von Personen, die vor dem 8. Mai 1945 in diesen Gebieten geboren worden waren, wird nach unserer Kenntnis nicht beanstandet.
Die Bundesregierung hat die aufgetretenen Schwierigkeiten auf politischer Ebene mit der polnischen Seite aufgenommen und dabei unterstrichen, daß diese Frage zwischen den Regierungen zu behandeln ist. Sie hat die Erwartung geäußert, daß Meinungsverschiedenheiten hierüber nicht auf dem Rücken von Einzelpersonen ausgetragen werden dürfen. Die Bundesregierung wird sich weiter mit Nachdruck für die Lösung dieser Frage einsetzen.
Die Bundesregierung ist auch der Auffassung — und damit beziehe ich mich auf den letzten Teil Ihrer Frage —, daß der Personalausweis ein Ausweispapier ist, das vorrangig für den innerstaatlichen Gebrauch, jedenfalls aber nicht für den außerstaatlichen Gebrauch, z. B. im Verkehr mit Polen, bestimmt ist. Die Form der in einem solchen Papier einzutragenden Bezeichnung des Geburtsortes unterliegt daher in erster Linie, ja allein der Entscheidung deutscher Behörden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808322000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biehle.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0808322100
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß bei den geschilderten Visumanträgen neben den hohen Anfahrtskosten der Betroffenen, die nach Köln gebeten worden sind, vom polnischen Konsulat zusätzlich auch noch 320 DM Kosten für die Bearbeitung des Visumantrags verlangt worden sind, danach aber die Ablehnung erfolgte, ohne daß es zu einer Kostenrückerstattung kam, obwohl bei der persönlichen Vorsprache jegliche Möglichkeit zur Auskunft durch die Betroffenen in Köln gegeben war?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, uns sind diese Tatbestände bekannt. Das ist einer der Gründe, warum sich die Bundesregierung bemüht, die Klärung dieser Frage durch die Regierungen und nicht auf dem Rücken von Einzelpersonen durchführen zu lassen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808322200
Eine weitere Zusatzfrage bitte.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0808322300
Herr Staatsminister, halten Sie es für vertretbar, daß die Visumanträge beim polnischen Konsulat in Köln deswegen nicht bearbeitet wurden, weil das Begleitschreiben in deutscher Sprache abgefaßt war, und daß die Bearbeitung erst dann erfolgte, als dieses Begleitschreiben auch in polnischer Sprache vorgelegt wurde?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Im Prinzip kann natürlich eine polnische Behörde die Vorlage von
Dokumenten und Papieren zur Bearbeitung durch diese Behörde nach ihren eigenen Vorschriften regeln. Wir würden es natürlich für zweckmäßig halten, wenn in solchen Fällen die Mehrsprachigkeit genutzt werden könnte. Aber wir müssen auch sehen, daß es hier offenbar Regeln gibt, die aufzustellen allein im Rahmen der Zuständigkeit der polnischen Behörden liegt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808322400
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biehle.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0808322500
Herr Staatsminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die geschilderte Ablehnung von Visumanträgen durch das polnische Konsulat in Köln mit den genannten Gründen und Formalitäten gegen den Geist und auch gegen den formellen Inhalt der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen getroffenen Vereinbarungen verstößt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir glauben, daß diese Anträge im Zuge der Vereinbarungen und der Absprache, die hier getroffen wurde, an sich in der vorgelegten Form hätten bewilligt werden müssen. Aber ich möchte von dieser Stelle aus nicht sagen, daß ein mögliches Mißverständnis auf der polnischen Seite, über das man sich zu einigen versucht, notwendigerweise gegen den Geist unserer Vereinbarungen verstößt. Wir müssen sehen, daß wir diese Fragen mit der Volksrepublik Polen auf politischer Ebene klären. Offenbar bestehen Meinungsverschiedenheiten in der Interpretation.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808322600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808322700
Herr Staatsminister, wie erklärt es sich die Bundesregierung, daß polnische Dienststellen in Köln, wie Sie auch gesagt haben, wiederholt gegen deutsch-polnische Absprachen gehandelt haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann hier nicht für die polnischen Behörden sprechen. Ich kann nur sagen, daß nach unserer Interpretation die vorgelegten Unterlagen eindeutig waren. Wir sind dabei zu klären, welche Gründe auf polnischer Seite bestehen, und wir versuchen, den Antragstellern durch unsere Intervention zu helfen. Aber ich glaube, wir helfen ihnen am besten, wenn wir zunächst das Gespräch mit den polnischen Behörden und Dienststellen hier zu Ende führen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808322800
Zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0808322900
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung nicht schon seit langem bekannt, daß polnische Dienststellen bezüglich der Bezeichnung der Ortsnamen entgegen den deutsch-polnischen Absprachen handeln?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, es gibt solche Einzelfälle. Es gibt auch eine Vielzahl von Fällen, wo diese Probleme nicht auftreten. Die Fälle werden jeweils einzeln begründet. Es kommt uns wirklich darauf an, dieses mit den Dienststellen, Behörden und auf politischer Ebene mit der Regierung der Volksrepublik Polen zu klären. Ich hoffe, daß wir auf diese Weise in der Lage sein werden, den Antragstellern zu helfen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808323000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID0808323100
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, daß die polnische Botschaft in einer Vielzahl von Fällen die Absprachen sehr großzügig ausgelegt und den Betroffenen direkt und sehr kurzfristig geholfen hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Becker, das ist richtig, und das ist einer der Gründe, warum ich versuche, hier keine Diskussion auszulösen, die es schwieriger machen würde, mit den Problemen fertig zu werden, als es bisher der Fall ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808323200
Ich rufe die Frage 126 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Gefangene, unter denen sich auch Deutsche befinden sollen, die Pressemitteilungen zufolge in Gefängnissen der Volksrepublik Mozambique festgehalten werden, und was wird die Bundesregierung gegebenenfalls gerade im Hinblick auf die Menschenrechte unternehmen, um das Schicksal dieser Gefangenen aufzuklären und ihnen gegebenenfalls zur Freiheit zu verhelfen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Nach Kenntnis der Bundesregierung befinden sich gegenwärtig keine deutschen Staatsangehörigen in Gefängnissen der Volksrepublik Mozambique.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808323300
Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0808323400
Herr Staatsminister, sind Sie dem Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung" nachgegangen, den ein ehemaliger Staatsangehöriger der Republik Mozambique, der lange Jahre in der DDR studiert hat, geschrieben hat und in dem er auch darauf hingewiesen hat, daß u. a. Deutsche in den Gefängnissen von Mozambique gefangengehalten werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege bei Eröffnung unserer Botschaft in Maputo im August 1976 befanden sich drei deutsche Staatsangehörige in Haft. Ihnen wurde unerlaubter Grenzübertritt, Waffenbesitz und illegaler Goldtransfer vorgeworfen. Sie wurden nach Intervention der Botschaft im Oktober 1976 aus der Haft entlassen und abgeschoben. Dies ist alles, was mir im Augenblick bekannt ist. Ich bin gerne bereit, dem von Ihnen genannten Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung" noch einmal ausdrücklich nachzugehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808323500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0808323600
Herr Staatsminister, trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, daß es heute in Mozambique mehr Insassen in Gefängnissen gibt, als es je zur Zeit der Portugiesen der Fall war?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Präsident, Herr Kollege, wenn ich mir den Hinweis erlauben darf: Ich glaube, diese Frage steht wirklich nicht im Zusammenhang mit der Frage nach Deutschen in Gefängnissen. Ich bin gerne bereit, auch darauf eine Antwort zu geben. Aber ich glaube, das .geschähe nicht im Rahmen der gestellten Frage.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808323700
Das wird bei anderer Gelegenheit noch möglich sein, nehme ich an, Herr Kollege Niegel. Die Zeit ist zu knapp, um jetzt noch lange Ausführungen zu machen, und die Kollegen strömen zur Stimmabgabe in den Saal. — Danke schön, Herr Kollege Niegel.

Helmut Sauer (CDU):
Rede ID: ID0808323800

Treffen die publizierten Äußerungen des Präsidenten der sozialistischen Republik Rumänien, Ceausescu vor dem Plenum des ungarischen und deutschen Arbeitervolkrats am 15. März 1978 zu, in denen unter anderem er zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland entschlossene Deutsche neben anderen Beleidigungen als „schwache, moralisch entartete Elemente" bezeichnet, „die geradewegs in das feindliche Lager überwechseln und mit Verachtung gestraft werden müssen", zu, und wenn ja, wie wird die Bundesregierung darauf reagieren?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Sauer, die Ausführungen bezogen sich als solche nicht auf zur Ausreise entschlossene Deutsche. Präsident Ceausescu hat sich gegen die Förderung von Auswanderungstendenzen im allgemeinen gewandt, aber in derselben Rede auch die Bereitschaft zur Lösung humanitärer Probleme bekräftigt.
Zu einer Reaktion der Bundesregierung besteht also keinerlei Veranlassung.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808323900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer?

Helmut Sauer (CDU):
Rede ID: ID0808324000
Wegen der vorgeschrittenen Zeit werde ich schriftliche Fragen einreichen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808324100
Danke schön. Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr von Dohnanyi.
Die Fragen 56, 57 und 60 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die übrigen wegen Zeitablauf nicht mündlich beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich warte einige Minuten, damit sich das Plenum füllt, weil wir die volle Stimmenzahl brauchen, um über den nächsten Antrag abzustimmen.



Vizepräsident Frau Renger
Ich unterbreche die Sitzung für zwei, drei Minuten.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Hört! Hört! — Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU] : Wer braucht denn die volle Stimmenzahl? — Daweke [CDU/CSU] : Eine interessante Begründung! Die ist in der Geschäftsordnung gar nicht vorgesehen!)


(Unterbrechung von 15.30 bis 15.32 Uhr)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808324200
Wir setzen die Sitzung fort. — Ich bitte Sie herzlich, Platz zu nehmen, damit ich übersehen kann, ob wir eine ausreichende Stimmenzahl, also die Mehrheit der Abgeordneten, bei der nächsten Abstimmung haben.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP — Parlamentarische Kontrollkommission —— Drucksache 8/1695 —
Dazu wird das Wort nicht erbeten. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung.
Nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 11. April 1978 ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Das sind 260 Stimmen. Ich gehe davon aus, daß wir über den Antrag insgesamt abstimmen können. — Es erhebt sich kein Widerspruch.
Wer dem Antrag auf Drucksache 8/1695 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angesichts der Besetzung des Hauses stellt der Sitzungsvorstand übereinstimmend fest, daß damit die gesetzlich geforderte Mehrheit erreicht ist und die Vorgeschlagenen gewählt sind. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung
— Drucksache 8/1690 —
Hierzu werden Erklärungen der Fraktionen abgegeben. Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Vogel (Ennepetal).

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0808324300
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Abstimmung über den Einspruch des Bundesrats gegen das am 16. Februar 1978 vom Deutschen Bundestag mit 245 Ja-Stimmen gegen 244 Nein-Stimmen verabschiedete Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung gebe ich namens der Fraktion der CDU/CSU gemäß § 92 der Geschäftsordnung folgende Erklärung ab.
Die heutige Abstimmung wird ein unrühmliches Kapitel der Gesetzgebung beenden, bei der es zuletzt nicht mehr um eine wirksame Antwort der Volksvertretung auf die schlimme Herausforderung des Terrorismus ging, sondern nur noch um die Machterhaltung der in wichtigen Fragen handlungsunfähig gewordenen Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei bestand noch im Herbst des vergangenen Jahres die große Hoffnung, daß die drei Fraktionen des Deutschen Bundestages in der Lage sein würden, bei den wichtigsten der vorliegenden gesetzlichen Vorschläge einen eindrucksvollen Beweis der Solidarität der Demokraten zu erbringen. Die Verabschiedung des Kontaktsperregesetzes war Vorbild.
Es ist bedrückend, wie schnell und gründlich nach den großen Heimsuchungen des letzten Jahres diese Hoffnung auf Solidarität zerstört worden ist.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Am 19. Oktober 1977 hatten sich alle drei Fraktionen im Rechtsausschuß auf die Punkte verständigt, die vordringlich behandelt werden sollten. Es waren das erstens die Frage der Überwachung der Besuche des Verteidigers bei inhaftierten Terroristen; zweitens die Verschärfung der Bestimmungen über den Verteidigerausschluß; drittens die Änderung der Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung; viertens die Änderung der Bestimmungen über die Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung; fünftens die Einstufung des § 129 a des Strafgesetzbuches — Tatbestand der kriminellen terroristischen Vereinigung — als Verbrechen; sechstens die Verschärfung des Haftrechts bei der Straftat des § 129 a des Strafgesetzbuches; siebentens die Einrichtung von Kontrollstellen und die Zulässigkeit von Identitätsfeststellungen. Später wurde achtens noch die Frage der Erweiterung von Durchsuchungsmöglichkeiten bei unverdächtigen Personen hinzugenommen. Von den zahlreichen Gesetzesinitiativen wurde die Beratung also auf diejenigen konzentriert, die als die wichtigsten und vordringlichsten angesehen wurden. Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß es auch heute nur um diese gemeinsam als vordringlich angesehenen Vorschläge geht.
Unmittelbar nach der Ermordung Hanns Martin Schleyers hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 20. Oktober -1977 zu diesen Bemühungen der Fraktionen um Gemeinsamkeit in der Antiterrorgesetzgebung folgendes ausgeführt — ich zitiere —:
Allerdings würde ich es begrüßen, wenn der schon eingeleitete Versuch, einzelne Vorschläge zur besseren Bekämpfung des Terrorismus nach sorgfältiger Prüfung in einer gemeinsamen Gesetzesinitiative der drei Fraktionen zusammenzufassen, fortgesetzt und zu einem konstruktiven Ende geführt würde.
Heute müssen wir von der CDU/CSU feststellen, daß wir und die gesamte deutsche Offentlichkeit damals getäuscht worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen feststellen, daß die Koalitionsmehrheit dieses Hauses zu keinem Zeitpunkt den Willen und die Fähigkeit besessen hat, jenen im Rechts-



Vogel (Ennepetal)

ausschuß vereinbarten Katalog mit uns gemeinsam zu verabschieden oder auch nur ernsthaft zu prüfen. Aus dem Paket, das eine eindrucksvolle Antwort auf die Herausforderung des Terrorismus gewesen wäre, ist am Ende, wie ein angesehener Journalist es kommentiert hat, ein „Jammerpäckchen" geworden. Nichts ist von dem Versprechen des Bundeskanzlers übriggeblieben, das er angesichts der Opfer der Terroristen gegeben hat. Ich darf auch hier zitieren:
Wer den Rechtsstaat zuverlässig schützen will, der muß innerlich auch bereit sein, bis an die Grenzen dessen zu gehen, was vom Rechtsstaat erlaubt und geboten ist.
Wir müssen heute feststellen: Diese Bundesregierung und diese Koalition von SPD und FDP haben es versäumt, ihre Pflicht zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Statt auf die überzeugende Mehrheit zurückzugreifen, die die Verabschiedung des Kontaktsperregesetzes ermöglicht hat und die auch für die Verabschiedung des Antiterrorpakets zur Verfügung gestanden hätte, haben sie aus Gründen der Machterhaltung durch eine kleine Gruppe extrem linker Abgeordneter bestimmen lassen, was geht und was nicht geht. Der Bundeskanzler und die Mehrheit der Koalition sind vor den Herren Coppik, Hansen, Meinike, Lattmann und ihren Anhängern in die Knie gegangen, um eine angeschlagene Koalition über die nächste Runde zu bringen; heute versuchen sie wortreich, diesen Tatbestand zu verschleiern. Allein hierauf und auf nichts anderes aber ist das beschämend magere Ergebnis der Antiterrorgesetzgebung zurückzuführen. Das muß der deutschen Offentlichkeit heute noch einmal mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt werden.
Zu der jetzt von allen Abgeordneten der Koalition abgelehnten Möglichkeit einer Überwachung der Besuche von Verteidigern bei inhaftierten Terroristen hat der Bundeskanzler noch am 20. April 1977 in diesem Hohen Hause ausgeführt — ich zitiere —:
Die Bundesregierung hatte allerdings auch vorgeschlagen, unter bestimmten Voraussetzungen auch den mündlichen Verkehr zwischen Häftlingen und ihren Verteidigern zu überwachen. Für meine Person
so damals der Herr Bundeskanzler — vertrete ich diese Meinung heute noch.

(Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Die Gruppe um Coppik hat ihn gezwungen, seine Meinung zu ändern.
Am 9. Mai 1977 berichtete die Deutsche Presseagentur über Überlegungen des der SPD angehörenden hessischen Justizministers Günther zur Antiterrorgesetzgebung. Danach plädierte Günther dafür, bei der Sicherungsverwahrung die „Open-end- Methode" einzuführen, d. h. zur Sicherungsverwahrung verurteilte Täter so lange unterzubringen, „als sie noch gefährlich sind". Er plädierte weiter dafür, die Frage zu prüfen, ob eine vorzeitige Entlassung von Straftätern nicht an verschärfte Voraussetzungen gebunden werden sollte.
Auch der Berliner FDP-Justizsenator Baumann ist in einem Briefwechsel mit dem Bundesjustizminister, den er meiner Fraktion zur Kenntnis gebracht hat, für eine wirksamere Sicherungsverwahrung eingetreten. Unter dem Druck der Gruppe Coppik mußte Herr Kollege Emmerlich zu dahin gehenden Vorschlägen der CDU/CSU am 16. Februar die Auffassung kundtun, ihrer Annahme hätten verfassungsrechtliche bzw. unüberwindliche rechtsstaatliche Bedenken entgegengestanden. Das ist ein Vorwurf, Herr Kollege Emmerlich, der ebenso absurd wie unbelegbar ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie sehr der Bundeskanzler durch seinen Mitregenten Coppik in seiner Handlungsfähigkeit schon eingeengt ist, hat sich zuletzt im Vermittlungsverfahren gezeigt. Im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat war nicht einmal für die Veränderung eines Kommas eine Mehrheit zu gewinnen. Letztlich überwog die Angst davor, daß dann die linke Sperrminorität das Gesetz im Bundestag endgültig durchfallen lassen könne
Man kann sich vorstellen, wie dem Bundeskanzler zumute sein muß, daß er bei der Hürde, die das Gesetz heute im Bundestag zu nehmen hat, ausgerechnet der Gnade und Barmherzigkeit dieser Gruppe ausgeliefert ist. Wie diese Herren mit ihren noch am 16. Februar 1978 hier bekundeten Gewissensbedenken ins reine kommen, wird wohl ihr Geheimnis. bleiben. Oder folgen Sie Ihrem Kollegen Schwencke, der sich nicht geschämt hat, in diesem Hause erklärtermaßen gegen sein Gewissen zu stimmen?

(Pfui-Rufe von der CDU/CSU)

Die CDU/CSU-Fraktion ist nicht bereit, den Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern ein gänzlich unzulängliches, gesetzliches Instrumentarium zur Verfügung zu stellen. Leider müssen wir die Befürchtung äußern: Nach dem nächsten Terroranschlag wird wiederum zu beklagen sein, daß der Gesetzgeber seine Pflicht versäumt hat. Die Schuld daran tragen ausschließlich SPD und FDP.
Deshalb lehnen wir eine Mithaftung für dieses Gesetz ab. Wir stimmen gemäß dem Einspruch des Bundesrats.
Namens meiner Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808324400
Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID0808324500
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung am 16. Februar 1978 verabschiedet. Dieses Gesetz sieht folgende Änderungen der Strafprozeßordnung vor:
1. Verbesserung der Vorschriften über den Verteidigerausschluß,



Dr. Emmerlich
2. Vorrichtungen, die die Übergabe von Schriftstücken und anderen Gegenständen beim Gespräch zwischen dem einer Straftat nach § 129 a StGB verdächtigen inhaftierten Beschuldigten und seinem Verteidiger unterbinden,
3. Modernisierung der Vorschriften über die Durchsuchung,
4. Schaffung einheitlicher, d. h. in der gesamten Bundesrepublik geltender Rechtsvorschriften über die Zulässigkeit von Identitätsfeststellungen und über die Einrichtung von Kontrollstellen bei der Strafverfolgung.
Der Bundesrat hat am 17. März 1978 mit Mehrheit beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, weil das vom Bundestag beschlossene Gesetz den Erfordernissen einer wirksamen Bekämpfung des Terrorismus nicht genüge und er Änderungen und Ergänzungen für notwendig halte, wie sie die Fraktion der CDU/CSU in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs mit der Drucksache 8/1511 beantragt hatte.
Der Vermittlungsausschuß hat das vom Deutschen Bundestag am 16. Februar 1978 beschlossene Gesetz in seiner Sitzung vom 23. März 1978 bestätigt. Am 7. April 1978 hat der Bundesrat gleichwohl mit Mehrheit beschlossen, gegen das Gesetz Einspruch einzulegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was soll mit diesem Einspruch erreicht werden? Vordergründig verfolgt die Bundesratsmehrheit mit dem Einspruch das Ziel weiter, das sie bei der Anrufung des Vermittlungsausschusses im Auge gehabt hat, nämlich Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses im Sinne der Anträge der Opposition zu erreichen. Ihr eigentliches Ziel ist aber, wie sich bei näherer Betrachtung erweist, ein ganz anderes. Hätte nämlich der Einspruch des Bundesrates Erfolg, so würde das vom Bundestag beschlossene Gesetz zunächst einmal nicht in Kraft treten. Aber auch die Änderungen und Ergänzungen, die die Opposition beantragt und die die Bundesratsmehrheit übernommen hat, würden dann nicht Gesetz werden. Wer heute den Einspruch der Bundesratsmehrheit nicht zurückweist, bewirkt, ob er das will und wahrhaben will oder nicht, daß in absehbarer Zeit weder die von der Bundesregierung und der Koalition für erforderlich gehaltene Komplettierung des gesetzlichen Instrumentariums zur Bekämpfung des Terrorismus stattfindet noch daß die darüber hinausgehenden Forderungen der Opposition realisiert werden.
Daß die Situation so und nicht anders ist, hat die Bundesratsmehrheit natürlich gewußt. Das weiß auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und davon ist selbstverständlich auch die sogenannte Strategiekommission von CSU und CDU ausgegangen, als sie im Februar dieses Jahres den Schlachtplan für die weitere Behandlung des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung austüftelte und die Bundesratsmehrheit zu ihrem Erfüllungsgehilfen degradierte.
Wenn es beim Einspruch des Bundesrates und bei der heutigen Entscheidung des Bundestages über diesen Einspruch nicht um eine Verbesserung des gesetzlichen Instrumentariums zur Terrorismusbekämpfung geht, was ist es dann, was die Strategiekommission der CSU und der CDU sowie die Bundesratsmehrheit und die CDU/CSU-Fraktion als ihre Vollzugsorgane beabsichtigen? Auf Grund des Abstimmungsergebnisses am 16. Februar 1978 im Deutschen Bundestag hat die Strategiekomission von CSU und CDU eine Chance gewittert, nämlich daß die Koalition die zur Zurückweisung eines Einspruches erforderliche absolute Mehrheit verfehlen und es der Opposition infolgedessen gelingen könnte, eine politisch wichtige Gesetzesvorlage der Regierung und der Koalition zum Scheitern zu bringen. Diese Chance haben die Herren Strauß & Co. begierig aufgegriffen, um der Regierung und der Koalition eine Niederlage beizubringen und dadurch ein Stück näher an ihr eigentliches Ziel heranzukommen, diese vom deutschen Volk in der Bundestagswahl 1976 bestätigte Regierung während der laufenden Legislaturperiode zu Fall zu bringen und am Wähler vorbei die Regierungs- und Gesetzgebungsmacht für CDU und CSU zu ergattern.
Diese Tendenz, sich an der Wählerentscheidung vorbei an die Macht zu mogeln, wurde schon unmittelbar nach der Bundestagswahl deutlich. Obwohl der damalige Kanzlerkandidat der Unionsparteien die Zustimmung der Mehrheit der Wähler nicht gefunden hatte, machte er mit fadenscheinigen Begründungen dreist den Anspruch auf die Kanzlerschaft geltend.

(Hartmann [CDU/CSU] : Wer hat denn das Volk am meisten bemogelt?)

Mit Strauß im Nacken und einem Dregger, der ihm schon auf den Füßen steht, weiß er, daß er nur noch Kanzler werden kann, wenn es ihm gelingt, die Regierung ohne Rücksicht auf das Wahlergebnis 1976

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

noch vor 1980 zu stürzen. Auf dieses Ziel ist seine gesamte Politik ausgerichtet. Auch die Fragen der inneren Sicherheit und der Terrorismusbekämpfung werden diesem Ziel untergeordnet.

(Hartmann [CDU/CSU] : Das ist unerhört, was Sie da sagen)

Der Einspruch der Bundesratsmehrheit und das heutige Abstimmungsverhalten der Opposition hat nichts zu tun mit dem Kampf gegen den Terrorismus, sondern dient nichts anderem als der Eroberung der Regierungsmacht.

(Beifall bei der SPD — Hartmann [CDU/ CSU]: Eine ganz üble Rede!)

Die Parallelität zum Verhalten der Opposition in den Jahren 1969 bis 1972 ist unverkennbar. Die Union hat nichts dazugelernt. Ihr böses Spiel mit • dem Wählerwillen hat sich damals nicht ausgezahlt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Heute, im Jahre 1978, versucht sie eine Neuauflage dieses Spiels in einer anderen Kulisse und mit einer anderen Dramaturgie. Der Erfolg wird jedoch ebenso ausbleiben wie 1972.
Übrigbleiben wird lediglich die Erkenntnis der fortbestehenden Unfähigkeit der Union, für die Bun-



Dr. Emmerlich
desrepublik die Regierungsverantwortung tragen zu können.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Daß die Unionsstrategen mit ihrer destruktiven Haltung das Inkrafttreten von verbesserten gesetzlichen Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung um nahezu zwei Monate verzögert und damit bewußt ein unübersehbares Risiko für die innere Sicherheit in unserem Lande heraufbeschworen haben, unterstreicht das bisher Gesagte nachdrücklich.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Mancher, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird vielleicht meinen, hier sei ein zu negatives Bild von der Unionsstrategie gezeichnet und zuwenig der Versuchung widerstanden, den politischen Gegner schlechtzumachen.
Dazu einige wenige Zitate aus der Rede des CSU-Vorsitzenden im November 1974 in Sonthofen. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten:

(Zurufe von der CDU/CSU)

Die Auflösung der jetzigen Bundesregierung ist das vorrangige Ziel und hier besteht durchaus die Möglichkeit, daß noch vor dem Jahre 1976 es zu einer Änderung kommt ... Wir müssen die Auseinandersetzung hier im Grundsätzlichen führen. Da können wir nicht genug an allgemeiner Konfrontierung schaffen ... Da muß man die anderen immer wieder identifizieren damit, daß sie den Sozialismus und die Unfreiheit repräsentieren, daß sie das Kollektiv und die Funktionärsherrschaft repräsentieren und daß ihre Politik auf die Hegemonie der Sowjetunion über Westeuropa hinausläuft ... Und jetzt hier in demokratischer Gemeinsamkeit zu sagen, wir Demokraten in SPD/FDP und CDU/ CSU, wir halten also jetzt nun zusammen in dieser Situation, hier müssen wir den Rechtsstaat retten — das ist alles blödes Zeug.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Hört! Hört!)

Wir müssen sagen, die SPD und die FDP überlassen diesen Staat kriminellen und politischen Gangstern.
Meine sehr geehrten Damen und, wo gibt es in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine Aussage von größerer Skrupellosigkeit,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

von geringerer politischer Moral und von zynischerer Machtbesessenheit?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Eine abschließende Bemerkung zu der Behauptung, das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung genüge den Erfordernissen einer wirksameren Bekämpfung des Terrorismus nicht und es bedürfe der von der Opposition vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen: Niemand kann ernsthaft bezweifeln, daß der erweiterte Verteidigerausschluß, die Trennscheibe, die erweiterte Durchsuchungsmöglichkeit und eine sichere bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für Kontrollstellen und Identitätsfeststellungen das rechtliche Instrumentarium zur
Bekämpfung des Terrorismus und auch der Gewaltkriminalität verbessern.
Die Frage kann nur lauten, ob die darüber hinausgehenden Forderungen der Opposition einen zusätzlichen Gewinn an Sicherheit bringen, ohne in unverhältnismäßiger Weise die individuellen Grundfreiheiten und die freiheitliche Grundordnung zu beschneiden. Diese Frage haben wir in den vergangenen Monaten immer und immer wieder — bis zum heutigen Tage — mit größter Sorgfalt geprüft. Wir können zu keinem anderen Ergebnis gelangen als dem: Zusätzliche Sicherheit ist durch die Realisierung der Vorschläge der Opposition nicht zu gewinnen. Die geforderten weiteren Kompetenzen der Strafverfolgungsbehörden bei Durchsuchungen, Kontrollstellen und Identitätsfeststellungen sowie zur Verteidigerüberwachung würden die Strafverfolgung nicht effektiver machen, sondern ihre Effektivität vermindern, weil z. B. die Inhaftierung zum Zwecke der Identitätsprüfung — auch bei Nichtverdächtigen — bis zur Dauer von 48 Stunden sehr bald auf breiten Widerstand stoßen und die unbedingt notwendige Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch die Bevölkerung untergraben würde. Ähnliches gilt für die den Bogen überspannenden Vorstellungen der Opposition über die Zulässigkeit von Flächenrazzien und von Kontrollstellen bei Straftaten außerhalb der gemeingefährlichen Gewaltkriminalität.

(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen)

Die Verteidigerüberwachung ist nach nahezu einhelliger Meinung aller Fachleute weder effektiv noch praktikabel. Überdies greift sie, weil sie mit einem weitgehenden Ausschluß des Verteidigergesprächs kombiniert ist, zu sehr in das Grundrecht auf ungehinderte Verteidigung ein. Schließlich ist sie bei einer wirksamen Regelung des Verteidigerausschlusses, wie wir ihn vorsehen, auch überflüssig, weil sich bei einem ausgeschlossenen Verteidiger die Frage der Verteidigerüberwachung gar nicht mehr stellt.
Die Opposition ist in dieser Frage total isoliert. Die deutschen Richter, die deutschen Rechtsanwälte und auch der Generalbundesanwalt stehen auf der Seite der Koalition und nicht hinter der Opposition.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wer die Möglichkeiten zur Anordnung der Sicherungsverwahrung so ausweiten will wie die Opposition, der hat den ersten Schritt zu einem Strafrecht getan, das nicht mehr straft, weil eine Straftat begangen worden ist, sondern weil angenommen wird, es könnten Straftaten begangen werden. Eine solches Strafrecht wäre das Ende des Rechtsstaats. Wir sind nicht bereit, diesen ersten Schritt in Richtung auf eine solche Entwicklung zu gehen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Für die Bundestagsfraktion der SPD beantrage ich, den Einspruch des Bundesrates zurückzuweisen und darüber namentlich abstimmen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808324600
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0808324700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Den Anspruch, den die Oppositionsparteien durch ihren Sprecher erhoben haben, haben wir wohl vernommen. Einiges am Handeln der Opposition in der Vergangenheit läßt Zweifel daran, ob dieser Anspruch, so wie er erhoben ist, gerechtfertigt ist. Es fehlt einfach an der schlüssigen Darlegung, in welchen Punkten das, was heute zum wiederholten Male hier verabschiedet werden soll, hinter dem zurückbleibt, was Ihnen vorschwebt. Ich will mich dieser klarstellenden Aufgabe gerne an Ihrer Stelle unterziehen.
Wir folgen Ihnen nicht, soweit es sich um die Einführung der Überwachung des Verteidigergesprächs handelt. Wir folgen Ihnen nicht, soweit es sich um die Einführung einer weitergehenden Sicherungsverwahrung handelt, als sie bereits besteht. Wir folgen Ihnen schon gar nicht bei Ihrem Bemühen, für bereits bestehende Straftatbestände lediglich ein höheres Strafmaß einzuführen, was nur rein plakative Bedeutung haben kann.
In den beiden ersten Punkten hat es Auseinandersetzungen gegeben, die — ich glaube, sagen zu können — von großem Verantwortungsbewußtsein auf allen Seiten des Hauses getragen waren. Wir sind zu einem anderen Ergebnis als Sie gekommen. Herr Emmerlich hat soeben mit Recht darauf hingewiesen, daß Sie eben auch nicht vor die von Herrn Vogel zitierten Richter mit Ihren Vorschlägen treten können, um ihnen ein besseres Handwerkszeug zu geben. Gerade diese Richter lehnen die Verteidigerüberwachung wegen der damit verbundenen unwürdigen Zumutungen an den durchführenden Richter und darüber hinaus, wie wir, auch wegen ihrer offenbaren Nutzlosigkeit ab.
Die Erweiterung der Sicherungsverwahrung lehnen wir in Übereinstimmung mit den Sozialdemokraten deshalb ab, weil Sie an die Stelle des Richterspruches, an die Stelle der Würdigung des einzelnen Täters und des von ihm gesetzten Tatbestandes ein ganz allgemeines Verdikt setzen, das sich im Grunde jeder weiteren Nachprüfung entzieht. Wir folgen Ihnen also einerseits wegen der enormen Beeinträchtigung rechtsstaatlicher Grundsätze durch eine Erweiterung der Sicherungsverwahrung nicht, andererseits aber auch deshalb nicht, weil die Überprüfung des vorhersehbaren Nutzens hier ebenfalls ergibt, daß diese Maßnahme nichts nützen würde. Fast alle wegen terroristischer Taten Abzuurteilenden verdienen sehr hohe Strafzumessungen. Diese Strafen sind auch ausgesprochen worden. Nach einer Strafverbüßung kann die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur dann sinnvoll sein, wenn es sich um kürzere Strafen handelt, die auf diese Weise verlängert werden. Warum aber, so frage
haben dann in diesen Fällen die Richter in dem ordentlichen Gerichtsverfahren, auf das wir mit Recht stolz sind, eine kürzere Strafe verhängt, um hintenherum über das Institut der Sicherungsverwahrung darüber hinauszugehen? Doch nur deshalb, weil sie auch die Gefährlichkeit des entsprechenden Täters nicht so hoch einschätzen. Deshalb auch hier wegen erkennbarer Nutzlosigkeit und einer Fülle rechtspolitischer Nachteile unsere Ablehnung.
Zu dem dritten Punkt, der an tatsächlich gravierenden Differenzen zwischen uns noch übrig bleibt, hatte ich bereits etwas gesagt.
Es bleibt also festzustellen, daß das Bemühen um ein Vermittlungsverfahren, das Bemühen, an dem Gesetzesbeschluß, den wir Koalitionsfraktionen hier beschlossen hatten, etwas zu ändern, tatsächlich Gründe hat, die eben nicht nur dem Schutz vor terroristischen Umtrieben dienen, die eben nicht nur Ihrer Sorge um diesen Staat entsprechen, einer Sorge, die wir wahrlich genauso haben wie Sie. Darüber hinaus verfolgen Sie vielmehr die hier bereits angesprochenen Ziele, die Koalitionsparteien in eine von Ihnen vermutete Schwierigkeit dadurch zu bringen, daß Sie sie zwingen, hier die sogenannte Kanzlermehrheit für das vorzuführen, was sie beschlossen haben.
Dazu kann man nur sagen: das ist Ihr gutes Recht. Ich glaube allerdings, daß Sie, je näher der Zeitpunkt dieser Abstimmung herankommt, die nun in wenigen Minuten vor uns steht, um so mehr bezweifeln, daß Sie taktisch so gut beraten waren, wie einige Ihnen das einzureden versucht haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Denn die Koalition wird nunmehr wegen einer veränderten Ausgangsposition die Gelegenheit haben, Ihnen zu beweisen, daß sie noch ein paar Stimmen mehr als beim letztenmal bringt. Das ist nun allerdings ein Nachteil, den Sie sich selber zuzuschreiben haben bei der Ausnutzung des Ihnen zustehenden Rechtes.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir Freien Demokraten haben jedenfalls — besonders in den Koalitionen im Saarland und in Niedersachsen — bei dieser Gelegenheit nach Kräften mitgeholfen, Ihnen die Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten zu erleichtern und die heutige Abstimmung herbeizuführen,

(Lachen bei der CDU/CSU)

erstens, damit dieses Ergebnis hier vorgewiesen werden kann, und andererseits, um zu beweisen, daß wir in solchen Koalitionen sehr gute Möglichkeiten kennen, daß jeder zu seinem Recht kommt; die Christdemokraten dazu, diese Abstimmung herbeizuführen, und die Freien Demokraten dazu, daß genau das verabschiedet wird, was wir rechtsstaatlich und strafrechtlich für wünschenswert halten, und das mit der größtmöglichen Mehrheit.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808324800
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Platz nähmen.
Es liegt noch eine Wortmeldung vor. Zu einer Erklärung zur Abstimmung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Hansen das Wort.

(Unruhe bei der CDU/CSU)





Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0808324900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur bevorstehenden Abstimmung gebe ich — zugleich im Namen meiner Kollegen Coppik und Meinike — folgende Erklärung ab.

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Wo bleibt Lattmann!)

Der Bundestag hat am 16. Februar das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung beschlossen. Aus Sorge um den Erhalt des demokratischen Rechtsstaates

(Lachen bei der CDU/CSU)

und im Wissen, daß ein allgemeines, weiter ausgreifendes Mehr an staatlicher Härte keine politische Antwort auf die Herausforderung des Terrorismus ist, haben wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. Wir halten das Gesetz nach wie vor für falsch und gefährlich.
Das Kontaktsperregesetz hat die Selbstmorde von Stammheim nicht verhindern können. Sie waren die Folge sträflicher Versäumnisse im Strafvollzug unter der Aufsicht des Landes Baden-Württemberg.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

Die Pannen von Erftstadt-Liblar haben überdies gezeigt, daß durch bloße Ausweitung des Fahndungsapparates mehr Fahndungserfolge nicht erreicht werden.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie waren die Folge der Tätigkeit des Herrn Hirsch, wollten Sie doch sagen?)

— Herr Kohl, wer in Ihren Reihen den Terror in Chile befürwortet, sollte sich aus dieser Diskussion heraushalten. Alle Erfahrungen belegen, daß Gesetzesänderungen zur Bekämpfung des Terrorismus unwirksam sind.
Noch verhängnisvoller ist es, daß Gesetzesänderungen von der Notwendigkeit ablenken, mit allen Mitteln nach den gesellschaftlichen Ursprüngen und politischen Ursachen der Entstehung des Terrorismus in der Bundesrepublik zu forschen. Das nunmehr vorliegende Votum des Bundesrates mit dem Ziel einer Verschärfung des Gesetzes macht deutlich, daß konservative Kräfte in unserem Lande nichts unversucht lassen, unter dem Vorwand des besseren Kampfes gegen 'den Terrorismus die Qualität unseres Rechtsstaates und unserer Verfassung zu ändern.

(Pfui-Rufe von der CDU/CSU)

Der Einspruch des Bundesrates zielt nicht auf das Scheitern, sondern auf eine wesentliche Verschärfung des Gesetzes ab. Die Erfüllung der Forderung des Bundesrates nach weiterer Strafverschärfung, nach Erweiterung der Sicherungsverwahrung, nach weiterer Einschränkung der Verteidigerrechte und nach weitergehenden Befugnissen Eingriffen in die Grundrechte unbeteiligter Bürger würde die demokratischen Freiheitsrechte und rechtsstaatlichen Garantien in unerträglicher und verhängnisvoller Weise einschränken. Diese Forderungen sind die Grundlage des heute zur Abstimmung stehenden Bundesratseinspruches. Mit politischen Kräften, die solche Forderung erheben, haben wir nichts, aber auch nichts gemein.
Die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit ist uns Verpflichtung in der Gegenwart, auch wenn sich Geschichte niemals genau wiederholt. Aus diesem Grund hat niemand mehr Veranlassung, sich dem Einspruch zu verweigern, als 'diejenigen, die aus Sorge um die Qualität unserer Demokratie schon die Änderung der Strafprozeßordnung am 16. Februar nicht gewollt haben.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Heute wird nicht noch einmal über das Gesetz abgestimmt,

(Zurufe von der CDU/CSU: Doch!)

sondern es geht darum, den Versuch des Bundesrates, das Gesetz noch schärfer zu gestalten, endgültig zurückzuweisen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir werden gemeinsam mit allen anderen Kollegen der SPD-Fraktion für die Zurückweisung des Bundesratseinspruches stimmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808325000
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag lautet: Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates, den dieser mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen hat. Dafür bedarf es nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes der Mehrheit der Mitglieder des Hauses. Das sind 249 Stimmen. Wer den Einspruch zurückweisen will, muß mit Ja stimmen.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Befindet sich noch ein Mitglied des Hohen Hauses im Saal, das seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Damit schließe ich die namentliche Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Einspruch des Bundesrats gegen das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung — Drucksache 8/1690 — bekannt. Insgesamt haben 495 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 22 Kolleginnen und Kollegen aus Berlin an der Abstimmung teilgenommen. Es haben mit Ja gestimmt 252 Mitglieder des Hauses und 11 Berliner Abgeordnete; mit Nein 243 und 11 Berliner Abgeordnete.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen 495 und 22 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 252 und 11 Berliner Abgeordnete, nein: 243 und 11 Berliner Abgeordnete
Ja Dr. Ahrens
Amling
SPD Dr. Apel
Arendt
Adams Augstein
Ahlers Baack



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Bahr
Dr. Bardens
Batz
Dr. Bayerl
Becker (Nienberge) Biermann
Bindig Blank
Dr. Böhme (Freiburg) Brandt
Brandt (Grolhesim) Brück
Buchstaller
Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet Conradi
Coppik
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg
Eickmeyer
Frau Eilers (Bielefeld)

Dr. Emmerlich
Dr. Enders
Engholm
Frau Erler
Esters Ewen Fellermaier
Fiebig
Dr. Fischer
'Flämig
Frau Dr. Focke
Franke (Hannover) Friedrich (Würzburg) Gansel
Gerstl (Passau)

Gertzen
Dr. Geßner
Glombig
Gobrecht
Grobecker
Grunenberg
Gscheidle
Dr. Haack
Haar
Haase (Fürth)

Haehser
Hansen
Frau Dr. Hartenstein Hauck
Dr. Hauff
Henke Heyenn Höhmann
Hoffmann (Saarbrücken) Hofmann (Kronach)
Dr. Holtz
Horn
Frau Huber
Huonker
Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jaunich
Dr. Jens (Voerde) Junghans
Jungmann
Junker Kaffka Kirschner
Klein (Dieburg)

Koblitz
Konrad
Kratz
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lange
Lattmann
Dr. Lauritzen
Leber
Lemp
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marquardt Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Dr. Meinecke (Hamburg) Meinike (Oberhausen) Meininghaus
Menzel
Möhring
Müller (Bayreuth)

Müller (Mülheim)

Müller (Nordenham)

Müller (Schweinfurt)

Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Neumann Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Paterna
Pawelczyk Peiter
Dr. Penner Pensky
Peter
Polkehn Porzner
Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Ravens
Frau Renger Reuschenbach
Rohde
Rosenthal Roth
Saxowski
Dr. Schachtschabel
Schäfer (Offenburg)

Dr. Schäfer (Tübingen) Scheffler
Scheu
Schirmer Schlaga Schluckebier
Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Schmidt (Würgendorf)
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber Schulte (Unna)

Dr. Schwencke (Nienburg) Dr. Schwenk (Stade) Seefeld
Sieler
Frau Simonis Simpfendörfer
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl (Kempen) Dr. Staudt
Dr. Steger
Frau Steinhauer Stockleben
Stöckl Sybertz Thüsing Frau Dr. Timm
Tönjes Topmann Frau Traupe
Ueberhorst
Urbaniak
Dr. Vogel (München) Vogelsang
Voigt (Frankfurt) Waltemathe
Walther
Dr. Weber (Köln)

Wehner
Weißkirchen (Wiesloch) Wendt
Dr. Wernitz
Westphal Wiefel Wilhelm
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Dr. de With
Wittmann (Straubing) Wolfram (Recklinghausen) Wrede
Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
Berliner Abgeordnete
Bühling
Dr. Diederich (Berlin)

Dr. Dübber
Egert
Löffler
Männing Mattick Frau Schlei
Schulze (Berlin) Sieglerschmidt
FDP
Angermeyer
Dr. Bangemann
Baum
Cronenberg
Eimer (Fürth)

Engelhard
Ertl
Frau Funcke
Gärtner Gallus
Gattermann
Genscher Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Hölscher Hoffie
Jung
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff Ludewig
Dr. Dr. h. c. Maihofer
Frau Matthäus-Maier Mischnick
Möllemann
Ollesch Paintner
Peters (Poppenbüll) Schäfer (Mainz)
Schmidt (Kempten)

von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller
Dr. Vohrer Dr. Wendig
Wolfgramm (Göttingen) Wurbs
Zywietz
Berliner Abgeordnete Hoppe
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. van Aerssen
Dr. Aigner Alber
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Barzel Bayha
Dr. Becher (Pullach)

Dr. Becker (Frankfurt) Frau Benedix
Benz
Berger (Herne)

Berger (Lahnstein) Biechele
Dr. Biedenkopf
Biehle
Dr. von Bismarck
Dr. Blüm Blumenfeld
Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch Braun
Breidbach Broll
Bühler (Bruchsal)

Burger
Carstens (Emstek) Carstens (Fehmarn) Conrad (Riegelsberg)
Dr. Czaja Damm
Daweke
Dr. Dollinger
Dr. Dregger Dreyer
Engelsberger
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Dr. Evers Ey.
Eymer (Lübeck)

Dr. Eyrich Feinendegen
Frau Fischer Francke (Hamburg) Franke
Dr. Friedmann
Dr. Früh
Dr. Fuchs Frau Geier Geisenhofer
Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz) Gierenstein Glos



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Dr. Gruhl Haase (Kassel)

Haberl
Dr. Häfele Dr. Hammans
Handlos
Hanz
Hartmann Hasinger von Hassel

(BonnBad Godesberg)

Dr. Hennig
von der Heydt Freiherr
von Massenbach Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Hoya) Dr. Hornhues Horstmeier
Dr. Hubrig Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger (Wangen)

Dr. Jahn (Braunschweig) Dr. Jahn (Münster)
Dr. Jenninger
Dr. Jentsch (Wiesbaden) Dr. Jobst
Josten
Frau Karwatzki
Katzer
Kiechle
Dr. h. c. Kiesinger
Dr. Klein (Göttingen) Klein (München)
Dr. Klepsch Klinker
Dr. Köhler (Duisburg) Dr. Köhler (Wolfsburg) Köster
Dr. Kohl
Kolb
Krampe
Dr. Kraske Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz (Weiden) Lagershausen Lampersbach
Landré
Dr. Langguth
Dr. Langner Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz (Bergstraße) Lenzer
Link
Lintner
Löher
Dr. Luda
Lücken
Dr. Marx Dr. Mende
Dr. Mertes (Gerolstein) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Dr. Mikat
Dr. Miltner Milz
Dr. Möller Dr. Müller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern)
Dr. Müller-Hermann
Dr. Narjes Neuhaus
Frau Dr. Neumeister
Niegel
Nordlohne Frau Pack Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Picard
Pieroth
Dr. Pinger Pohlmann Prangenberg Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Regenspurger
Dr. Reimers
Frau Dr. Riede (Oeffingen) Dr. Riedl (München)
Dr. Riesenhuber
Dr. Ritz
Röhner
Dr. Rose
Rühe
Russe
Sauer (Salzgitter)

Sauter (Epfendorf)

Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble
Schantz (Trier)

Schedl
Frau Schleicher Schmidhuber
Schmidt (Wuppertal) Schmitz (Baesweiler) Schmöle
Dr. Schneider
Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Luneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Dr. Schulte (Schwäbisch
Gmünd) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seiters
Sick
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Starke (Franken)

Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stommel
Strauß
Stücklen
Stutzer
Susset
de Terra
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Frau Tübler Dr. Unland Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren) Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel Frau Dr. Walz
Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg
Wawrzik
Weber (Heidelberg) Weiskirch (Olpe) Dr. von Weizsäcker Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer (Mönchengladbach) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissebach
Wissmann
Dr. Wittmann (München) Dr. Wörner
Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff
Dr. Zeitel
Zeyer
Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Frau Berger (Berlin) Dr. Gradl
Kittelmann Kunz (Berlin) Luster
Müller (Berlin)

Dr. Pfennig Frau Pieser Straßmeir
Wnhlrahe
Damit ist die nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes erforderliche Mehrheit von 249 Stimmen erreicht. Der Einspruch des Bundesrats ist damit zurückgewiesen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich rufe nunmehr Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
Ausgleich von Steuerausfällen bei den Gemeinden (GV)

— Drucksachen 8/593, 8/1596 —
Berichterstatter: Abgeordneter Spilker dazu
Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/1621 — Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
Mit der Beratung dieses Punktes soll die Beratung des Punktes 5 der Tagesordnung verbunden werden:
Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes (Gemeindefinanzreformänderungsgesetz)

— Drucksache 8/923 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/1663 —Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 8/1662 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Traupe

(Erste Beratung 58. Sitzung)

Ich frage die Berichterstatterin und die Berichterstatter, ob eine Ergänzung der schriftlich vorgelegter' Berichte gewünscht wird. — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich danke für die Berichterstattung.



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Waffenschmidt.

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0808325100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Grund der Initiativen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion befaßt sich der Deutsche Bundestag heute erneut mit den Notwendigkeiten für eine aufgabengerechte Finanzausstattung unserer Gemeinden. Das Ergebnis der Ausschußberatungen ist für die deutschen Gemeinden — das muß man hier feststellen — unbefriedigend.

(Unruhe)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808325200
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Platz nehmen würden, soweit Sie nicht durch andere Verpflichtungen außerhalb des Saales festgehalten werden.

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0808325300
Die bisherigen Ablehnungen unserer Gesetzesinitiative, den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer von 14 auf 15 °/o anzuheben, und auch die gleichzeitige Ablehnung unserer Aufforderung an die Bundesregierung, sich ihrerseits weiter für einen Ausgleich der erheblichen Steuerausfälle bei den Gemeinden aus den Steuergesetzen 1977 einzusetzen, zeigen leider, daß die Koalitionsparteien SPD und FDP nicht bereit sind, das jetzt und heute dringend Notwendige für die Gemeinden zu tun. Das muß man leider feststellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies wiegt für uns um so schwerer — und ich meine: auch für alle beteiligten kommunalen Körperschaften —, weil ja gerade auch die Sozialdemokraten immer wieder betont haben, auch in ihrem Kommunalprogramm und zuletzt in den Wahlkämpfen, daß sie sich für die Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer einsetzen wollten. Man muß zusammengefaßt leider sagen: Wenn die SPD heute bei der Ablehnung bleibt, dann ist das ein weiteres Kapitel in dem traurigen Buch der SPD „Versprochen und nicht eingehalten". Dies muß man deutlich aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn der Bundesfinanzminister — das habe ich gestern mit Interesse gelesen — in einem Interview der Bild-Zeitung „Batterien von Möglichkeiten" — so drückte er sich aus — „für die Konjunkturbelebung" anspricht und dann von neuen Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt redet, so möchte ich ihm heute hier aus Anlaß dieser Beratungen sagen: Das Allerbeste ist, die Gemeinden, Herr Bundesfinanzminister, als Träger der öffentlichen Investitionen jetzt finanziell so zu unterstützen, daß sie das Ihre tun können. Verfallen Sie nicht wieder darauf, neue große Programme mit langen Antrags- und Bewilligungsverfahren zu machen. Das bringt ja nur zusätzlichen bürokratischen Aufwand.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Möller [CDU/CSU] : Sofortige Hilfe ist notwendig!)

Die Koalitionsparteien haben in die Ausschußberatungen einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Bundesregierung auffordert, bei der nächsten Umsatzsteuerverteilungsverhandlung mit den Ländern zu prüfen, ob der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer erhöht werden kann. Die CDU/CSU- Bundestagsfraktion wird diesem Entschließungsantrag zustimmen; sie hat ihm auch in den Ausschußberatungen zugestimmt. Denn er ist ja für die Gemeinden immerhin besser als gar nichts. Ohne unsere Initiative wäre ja nicht einmal dieser Entschließungsantrag auf dem Tisch des Hauses.
Hier muß aber auch gleich hinzugefügt werden: Wenn aus dieser Aufforderung — das sollten wir heute hier feststellen —, wirklich etwas werden soll, dann sollte sich die Bundesregierung — hier spreche ich auch die Verantwortung des Bundeskanzlers persönlich an — mit den Ländern alsbald in Verbindung setzen, damit das, was der Entschließungsantrag will, auch Realität wird. Denn die Erfahrung lehrt uns ja, daß die Umsatzsteuerverhandlungen zwischen Bund und Ländern selbst so hart sind, daß für Absprachen zur unmittelbaren Finanzverbesserung der Gemeinden in der Regel wenig Raum ist.
Wir fordern deshalb hier den Bundeskanzler auf, mit den Ländern alsbald in Verhandlungen im Sinne des Entschließungsantrages einzutreten. Ich sage hier für unsere Fraktion: Die gesamtstaatliche Verantwortung für eine aufgabengerechte Steuerverteilung unter den Gebietskörperschaften und für die Erhaltung der Investitionskraft der Gemeinden verpflichtet den Kanzler geradezu, seine Untätigkeit in dieser Frage aufzugeben und nach vielen schönen Worten einmal konkret etwas für die Gemeinden initiativ zu unternehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Möller [CDU/CSU] : Das würde einmal Zeit!)

Das beste Verfahren für die Gemeinden wäre freilich, wenn bei Beginn der nächsten Umsatzsteuer-runde ein verabschiedeter Gesetzentwurf über 15 % Gemeindeanteil an der Einkommensteuer schon vorläge.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Diese Gesetzesregelung könnte dann auch bei der Umsatzsteuerverteilung berücksichtigt werden. Es muß hier deutlich gesagt werden — das sage ich einmal an die Adresse der Kollegen von SPD und FDP —: Bei den die Gemeinden belastenden Gesetzen warten Sie ja auch nicht bis zur nächsten Umsatzsteuerrunde, sondern da werden die Lasten sogleich, und zwar ohne Ausgleich, wirksam.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich muß hier, um auch auf die neuesten Entwicklung einzugehen, sagen: Ihr bisheriges Vorgehen beim Verkehrslärmschutzgesetz und auch im Hinblick auf den Entwurf zum neuen Jugendhilferecht beweist das aufs Neue. Denn hier kommen auf die Städte und Gemeinden erneut Milliardenlasten zu; von einem Ausgleich jedoch ist nicht die Rede. Sogar das, was der Bundesrat beim Verkehrslärmschutzgesetz vorgeschlagen hat, nämlich Möglichkeiten aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vorzusehen, wurde von der Bundesregierung bisher abgelehnt. Im Blick auf diese Verfahrensweise muß ich hier sagen: Es wird inzwischen leider



Dr. Waffenschmidt.
unerträglich, wie die Bundesregierung und die Koalitionsparteien weiterhin unbekümmert Politik zu Lasten- der Gemeinden betreiben und hier auch zur Beschlußfassung bringen. Das sollten wir alle miteinander, die wir gerade auch für die Investitionskraft der kommunalen Körperschaften Verantwortung verspüren, sehr ernst nehmen.
Meine Damen und Herren, warum ist das alles so wichtig? Es geht ja nicht allein darum, daß hier kommunalen Körperschaften Finanzen im örtlichen Interesse zugewiesen werden. Vielmehr ist das Ganze von gesamtstaatlichem Interesse. Die kommunalen Spitzenverbände haben zu Beginn des Jahres 1978 nachdrücklich deutlich gemacht, daß die Gemeinden für ihre Aufgaben den besseren Steueranteil dringend brauchen. Sie haben darauf hingewiesen, daß die Investitionen, die 1978 noch einmal sehr stark angekurbelt worden sind — 30 Milliarden DM tragen die kommunalen Körperschaften bei —, wieder nachhaltig schrumpfen werden, wenn nicht eine aufgabengerechte Beteiligung der Gemeinden an den Steuereinnahmen erfolgt. Dabei muß man im Blick haben: Die Gemeinden haben für 1978 einen Steuerzuwachs von nur 2,1 % - gegenüber 4 % beim Bund und 3,9 % bei den Ländern — zu erwarten. Der Rückgang der Investitionen der Gemeinden seit 1974 ist ein Kennzeichen ihrer Finanzschwäche. Sie ist zugleich Folge der eingetretenen Verschuldungsunfähigkeit.
Man muß hier heute einmal sagen: Hätten sich die Gemeindeinvestitionen seit 1974 normal weiterentwickeln können, dann hätten die deutschen Gemeinden von 1974 bis 1978 rund 30 Milliarden DM mehr investiert. Dies entspricht genau dem Umfang aller Konjunkturprogramme, die in diesem Zeitraum vorgelegt worden sind.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Und die versickert sind!)

Hieraus ist ganz deutlich die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die konjunkturpolitische Bedeutung zerrütteter Kommunalfinanzen an allen Orten sichtbar ist. Es ist ganz deutlich: 1971 hatten wir noch Anteil der Investitionen an den kommunalen Haushalten von 40 %; 1977 sind es nur noch 30 %.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie — wir haben das auch in den Ausschüssen immer wieder vorgetragen — schon in den vor- angegangenen Jahren unsere Bitten und Anträge, die für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Gemeinden hier eingebracht wurden, positiv aufgenommen hätten, dann hätten wir vieles schaffen können. Das betrifft sowohl öffentliche Investitionen als auch private Folgeinvestitionen. Wir hätten uns dann viel an Konjunkturprogrammen mit langen Antrags- und Bewilligungsverfahren und einem riesigen bürokratischen Aufwand erspart, die heute in manchen Bereichen in ihrer Wirkung leider völlig verpufft sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus diesen Zahlen ergibt sich: Zerrüttete Kommunalfinanzen wirken destabilisierend auf die Konjunktur. Eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer von 14 auf 15 °/o, wie sie die
Union vorschlägt, wäre daher auch ein ganz wichtiger konjunkturpolitischer Schritt. Man kann sogar so weit gehen zu sagen: Eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer wäre auf der Ausgabenseite des Staates das beste Konjunkturprogramm, das wir uns denken können. Deshalb müßte der Bundestag hier heute eigentlich geschlossen zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Nachteile mangelnder Investitionskraft der Gemeinden treffen die Konjunktur, die Beschäftigungslage und damit letztlich alle Bürger. Gerade die Gemeinden können nämlich auch durch viele kleine Aufträge, z. B. im Bauunterhaltungsbereich, die Konjunktur stabilisieren helfen. Insbesondere beschäftigungsintensiven mittelständischen Betrieben können die Gemeinden, wenn sie eine auskömmliche Finanzkraft haben, auch durch kleinere und mittlere Investitionen Aufträge zukommen lassen. Wir wollen dies unterstützen und fördern. Denn wir wollen auch mit dieser Initiative helfen, durch Investitionspolitik Arbeitslosigkeit zu überwinden.
Meine Damen und Herren, ich will einmal mit guten Gründen folgende Rechnung aufmachen: Wenn mit zusätzlichen Gemeindeinvestitionen schon rund 100 000 Arbeitslose wieder Arbeit bekämen — was auf diesem Wege gut möglich ist —, so würde dieser Vorteil dem Gesamtstaat jährlich rund 2 Milliarden DM an zusätzlichen Einnahmen und ersparten Ausgaben erbringen. Dies ist fast doppelt so viel wie das eine Prozent Erhöhung des kommunalen Einkommensteueranteils, das Bund und Länder aufzubringen haben. Hier wird einmal sichtbar, daß wir nicht weiter über die Verteilung des Mangels nachdenken dürfen, sondern eine offensive Investitionspolitik machen müssen, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun haben die Koalitionsparteien in den Ausschußberatungen immer wieder zwei Einwände vorgebracht. Sie haben gesagt, dem Bund gehe es finanziell noch schlechter als den Gemeinden.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Woran liegt das bloß?)

Dann haben sie gesagt, die Länder sollten den Gemeinden Geld geben. Meine Damen und Herren, der erste Einwand, daß es dem Bund noch schlechter gehe, kann in dieser Form nicht akzeptiert werden. Denn wenn die gegenwärtige Regierungskoalition durch ihre verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik den Bund in eine solch große Misere hineingebracht hat, wie wir es neulich bei den Haushaltsberatungen wieder feststellen mußten, dann ist es doch eine unverantwortliche Haltung, auch noch zu verlangen, daß es den Gemeinden ebenfalls erst noch erheblich schlechter gehen müsse, bis sie Hilfe bekämen.

(Widerspruch bei der SPD)

— Doch! — Das würde dazu führen, daß wir das Draufloswirtschaften zum finanzpolitischen Leitbild erheben. Da sind wir als CDU/CSU dagegen. Dies muß deutlich ausgesprochen werden.



Dr. Waffenschmidt
Ich möchte in dem Zusammenhang sagen, die Gemeinden sind dann zweimal betroffen, denn einmal bekommen sie das Geld nicht, und zum anderen trifft die Bundespolitik, die wir in vielen Bereichen als verfehlt kennzeichnen müssen, durch höhere .Sozialausgaben und durch höhere andere Ausgaben und vermehrte Aufgaben, die den Gemeinden übertragen werden, zweimal die Ausgaben- und Einnahmenseite der Städte, Gemeinden und Kreise.
Meine Damen und Herren, um auch dies hier noch einmal bündig und klar auszusprechen: Wenn in unserem Land Soziale Marktwirtschaft wieder ohne Wenn und Aber offensiv unterstützt und gefördert wird, wie wir das als Union immer wieder gefordert und in unserer Zeit in der Regierungsverantwortung auch praktiziert haben, dann wäre auch genug an Finanzmitteln da, um eine gerechte Finanzpolitik gegenüber den Steuerzahlern zu machen und eine gerechte Finanzpolitik gegenüber allen Gebietskörperschaften. Soziale Marktwirtschaft ist eben die Grundforderung, die wir hier auch als Kommunalpolitiker noch einmal erheben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun noch ein Wort zu den Ländern. Was die Länder angeht so haben sie vor allem durch die Bundespolitik auch eine Menge Ausgaben aufgetragen bekommen. Es liegt natürlich in der Natur der Sache, daß sie auch zunächst daran denken, ihre eigenen Finanzlöcher zu stopfen. So bekommen die Gemeinden 1978 nur rund 500 Millionen DM zum Ausgleich der Steuerausfälle aus den Steueränderungsgesetzen 1977. Die Steuerausfälle belaufen sich aber bei den Gemeinden auf über 3 Milliarden DM. So bleibt bei den Gemeinden eine Menge offen, weshalb wir auch unseren entsprechenden Antrag aufrechterhalten haben.
Übrigens möchte ich in dem Zusammenhang hier einmal deutlich darauf hinweisen, daß die letzte Statistik des Deutschen Städtetages ausweist, daß die von der Union geführten Länder seit 1970 prozentual ihre Leistungen an die Gemeinden am besten entwickelt haben; Schlußlichter sind hier Hessen und Nordrhein-Westfalen. Das hat der Städtetag in seiner Statistik sehr deutlich nachgewiesen.
Deutlich möchte ich auch hier hervorheben, daß die Mehrheit im Bundesrat für unsere Initiative auf Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer gegeben ist. Das beweisen die klaren Aussagen der entsprechenden Landesregierungen. Zuletzt hat es noch Ministerpräsident Stoltenberg sehr deutlich ausgesprochen. Dies ist wichtig, weil die Länder ja fast die Hälfte der Initiative, die wir vorgelegt haben, finanzieren müssen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808325400
Herr Kollege, gestatten Sie, bevor Sie zum Schluß kommen, noch eine Zwischenfrage?

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0808325500
Ja, bitte schön!

Dr. Jürgen Linde (SPD):
Rede ID: ID0808325600
Herr Kollege Waffenschmidt, finden Sie nicht das Klopfen auf Ihre eigenen Schultern ein wenig übertrieben, nachdem gerade gestern die kommunalen Spitzenverbände einhellig bedauert haben, daß durch die Anträge der CDU/CSU-regierten Länder im Bundesrat und die Initiative Ihrer Fraktion im Bundestag die Heizenergiesparmaßnahmen über steuerliche Regelungen unterstützt werden sollen und dadurch den Gemeinden erneut Steuerausfälle im Bereich der Einkommensteuer entstehen?

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0808325700
Ich kenne die Verhandlungen ganz genau und weiß, daß die Einlassung der Spitzenverbände sehr differenziert war. Das ist eben der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Wir legen parallel dazu auch Vorschläge vor, wie bei den Gemeinden auch ein Ausgleich herbeigeführt werden kann, während Sie nur belastende Initiativen vorlegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Gemeinden brauchen im gesamtstaatlichen Interesse dringend Hilfe. Der Bund ist aus gesamtstaatlicher Verantwortung dazu auch mit Nachdruck gefordert. Der beste erste Schritt dazu ist der Gesetzentwurf unserer Fraktion zur Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer. Wir bitten erneut um Zustimmung zu dieser wichtigen Initiative für die deutsche kommunale Selbstverwaltung.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808325800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Traupe.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Da bin ich aber gespannt, was jetzt für ein Eiertanz aufgeführt wird, nachdem man vorher selber 18 % gefordert hat!)


Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID0808325900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwar ist der Zeitpunkt, die heutige Nachmittagsstunde, vielleicht nicht sehr günstig für diese Debatte, aber der Monat ist meines Erachtens für das Thema Gemeindefinanzen recht geeignet.
Unseren heutigen Beratungen liegen der Antrag der CDU/CSU-Fraktion vom 2. Juni 1977 und der Gesetzentwurf vom 21. September 1977 zugrunde. Der Zeitraum wird von uns deshalb als günstig angesehen, da ab Juni/Juli dieses Jahres die Umsatzsteuerneuverteilung zwischen Bund und Ländern für den Zeitraum ab 1. Januar 1979 ansteht.
Liest man aber nun den von Ihnen im Juni 1977 eingebrachten Antrag und seine Begründung heute unvoreingenommen, so merkt man doch die vordergründige Absicht, hier ein eigentlich ernstes Thema mehr zur eigenen Profilierung „Wie gut ist die CDU" nutzen zu wollen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Möller [CDU/ CSU] : Das ist ein bißchen zu billig! — Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben doch 18 % gefordert!)

— Ich will Ihnen das gleich beweisen. Es heißt in Ihrem Antrag:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den
Verhandlungen über die Steuerneuverteilung



Frau Traupe
darauf hinzuwirken, daß den Gemeinden ... der Steuerausfall ersetzt wird, der ihnen durch steuergesetzliche Maßnahmen des Jahres 1977 entsteht.
Wenn Sie diesen Antrag ganz besonders damit begründen, daß der Ausgleich notwendig wäre — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —, „um die Notwendigkeit weiterer Erhöhungen der kommunalen Steuern und Abgaben und um einen weiteren Verfall der kommunalen Investitionskraft zu vermeiden", so ließen sich diese Behauptungen bereits in der Kommunaldebatte im November 1977 entkräften. Auf der Grundlage heute bekannter Finanzdaten kann man nur noch ein Kopfschütteln dafür haben.
Soweit ich mich informiert habe — und der Kollege Dr. Waffenschmidt wird das sicherlich bestätigen können —, hat die große Mehrzahl der Städte, Gemeinden und Kreise in der Bundesrepublik keineswegs die Notwendigkeit der Erhöhung der kommunalen Steuern und Abgaben für das Jahr 1978 vorgesehen.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: So ist es!)

Im Gegenteil, sehr verehrter Herr Kollege, es gibt eine Reihe von Gemeinden, die über die Senkung der Gewerbesteuerhebesätze nachdenken, freilich auch mit dem Hintergedanken

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Aber warum wohl?)

— ich komme dazu; nun warten Sie doch ab —, mit dieser Maßnahme in ihren Gemeindegrenzen vielleicht neue Betriebe ansiedeln zu können, aber doch kaum aus dem Grunde, um ihre Haushaltsdefizite zu vergrößern.
Von einem Verfall der kommunalen Investitionskraft kann seit 1976 weiß Gott keine Rede mehr sein. Ich kann hier einen ganz unverfänglichen Zeugen anführen. Die kommunalen Spitzenverbände haben im Oktober des Jahres 1977 in einer Entschließung festgestellt, daß eine relativ günstige Entwicklung der effektiven Steuereinnahmen seit 1976 die Konsolidierungsanstrengungen der Kommunen unterstützt habe.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Ja, relativ!)

Die 1976 begonnene und von seiten der Gemeinden und Länder zugegebene Konsolidierung der Gemeindefinanzen nach der immerhin schweren Ölkrise läßt sich durch die Zahlen der Jahre 1977 und 1978 nur noch untermauern. So ging der Finanzsaldo der Kommunen von 3,9 Milliarden DM im Jahre 1976 auf 2,1 Milliarden DM im Jahre 1977 zurück. Hauptursache war der überproportionale Anstieg der Gemeindeeinnahmen nicht nur durch den Anstieg der Steuereinnahmen, sondern auch durch die laufenden Zuweisungen des Bundes und der Länder. Der Überschuß des Verwaltungshaushalts, der ein bedeutendes Kriterium für eine gesunde kommunale Investitionsfähigkeit darstellt, stieg 1977 auf bisher noch nicht erreichte 13 Milliarden DM an. Selbst in den Jahren der Hochkonjunktur, 1972 und 1973, war der Überschuß des Verwaltungshaushalts mit 10,5 Milliarden DM bzw. 12,1 Milliarden DM geringer. Wie Sie trotz der 1976 wieder steigenden
Tendenz hinsichtlich des Überschusses der kommunalen Verwaltungshaushalte noch in der Mitte des Jahres 1977 die Aussage begründen wollten, ein weiterer Verfall der kommunalen Investitionskraft müsse vermieden werden, bleibt Ihr Geheimnis.
Für 1978 rechnet das Bundesfinanzministerium mit einem Anstieg der kommunalen Einnahmen um 7,5 °/o auf 116,5 Milliarden DM. Die gegenüber den hohen Zuwachsraten früherer Jahre geringe geschätzte Zuwachsrate der Steuereinnahmen der Kommunen — sie beträgt nach Ihrer Schätzung, Herr Kollege Waffenschmidt, 2,1 %, nach der des Finanzministeriums 2,3 % — ist auf die Steuerentlastungen der beiden Steuerpakete zurückzuführen, die auch Bund und Länder getroffen haben.
Erfreulicherweise wollen die Gemeinden mit einer Steigerung ihrer Ausgaben für 1978 um 8,5 % auf 120 Milliarden DM die konjunkturellen Ankurbelungsmaßnahmen des Bundes und der Länder unterstützen. Die Sachinvestitionen werden voraussichtlich um 11,5 % auf das Volumen von 32 Milliarden DM in 1978 steigen und überträfen damit den bisherigen Höchststand bei den Kommunen aus dem Jahre 1974. Auch der Deutsche Städtetag geht in seinem Finanzbericht 1978 von einer zweistelligen Zuwachsrate der Sachinvestitionen aus; bei den Bauausgaben spricht er sogar von einer Zuwachsrate von plus 15 %. Sind das alles — fragen wir Sie, meine Kollegen von der CDU/CSU — Zeichen eines weiteten Verfalls der kommunalen Investitionskraft?
Noch eine weitere Zahl soll im Plenum des Deutschen Bundestages nicht unerwähnt bleiben. Die Konsolidierungserfolge der Gemeinden im Jahre 1977 werden auch an ihren Rücklagen sichtbar. Nach der Statistik der Deutschen Bundesbank — ich habe den Monatsbericht vom Februar 1978 zugrunde gelegt — hatten die Kommunen 1977 rund 17 Milliarden DM angelegt. Das ist seit 1974 das beste Ergebnis und ist auch Ursache dafür, daß die Gemeinden und Landkreise ihre Investitionen 1978 um mehr als 10 % ausdehnen können bei einem Finanzierungsdefizit von rund 4 Milliarden DM, wohingegen der Bund — das sei nur erwähnt — aus Konjunkturgründen ein Defizit von 31,5 Milliarden DM und die Länder ein solches von 16,5 Milliarden DM in diesem Jahr in Kauf nehmen.
Unter den Finanzdaten der Gemeinden dürften auch die Deckungsquoten der Jahre 1975 bis 1978 nicht uninteressant sein. Während die Einnahmen die Ausgaben 1975 zu 89,3 %, 1976 zu 96,3 % und 1977 sogar zu 98,0 % abdecken, wird für 1978 eine Deckungsquote von 96,8 °/o erwartet. Beim Bund sank sie 1977 — nur als Vergleich — auf 86,8 °/o, bei den Ländern auf 95,0 %. Ob angesichts der Tatsache, daß der Bund einen Einnahmeausfall von 6 Milliarden DM, 'die Länder von 2,7 Milliarden DM hinnehmen mußten, ein voller Ausgleich des durch die Steuerentlastungsmaßnahmen des Jahres 1977 entstandenen Ausfalls von 2,6 Milliarden DM für die Gemeinden wirklich berechtigt erscheint, bleibt doch zu fragen.
Das ist auch der Hintergrund jener Entschließung des Innen-, Finanz- und Haushaltsausschusses zum



Frau Traupe
Gesetzentwurf der CDU/CSU hinsichtlich der Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer von 14 v. H. auf 15 v. H. vom 21. September 1977. Eine von Ihnen als Opposition gewünschte isolierte Anhebung der Gemeindeeinnahmen haben alle drei Ausschüsse nicht befürworten können.

(Dr. Müller [CDU/CSU] : Wünschen Sie das denn nicht? Sie waren im Städteund Gemeindebund auch dafür! Jetzt wollen Sie es nicht mehr wahrhaben!)

Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat am' 18. Januar 1978 auf den gemeinsamen Vorschlag der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Wolfgramm und Brandt an den federführenden Finanzausschuß einstimmig die folgende Empfehlung beschlossen — ich zitiere —:
Die Erhöhung des Anteils der Gemeinden an der Einkommensteuer von 14 auf 15 % soll deren Finanzsituation quantitativ und qualitativ verbessern. Der Innenausschuß empfiehlt, diese Erhöhung in die Bund-Länder-Verteilung 1978 über die Neuverteilung der Umsatzsteuer ab 1. Januar 1979 einzubeziehen.

(Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU] : Das haben wir aber erst beschlossen, nachdem Sie unserem Gesetz nicht zustimmen wollten!)

Eine isolierte Erhöhung des Gemeindeanteils auf 15 v. H. ab 1. Januar 1979 fand im Finanzausschuß wie im Haushaltsausschuß aus finanzpolitischen Überlegungen keine Mehrheit.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Mit wessen Stimmen?)

Aber die Mitglieder des Finanzausschusses empfahlen am 22. Februar 1978 einstimmig:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, ob im Zusammenhang mit den kommunalen Bund-Länder-Verhandlungen über die Neuverteilung der Umsatzsteuer unter Berücksichtigung der Grundsätze des Art. 106 des Grundgesetzes eine Erhöhung des Gemeindeanteils auf 15 v. H. durchgeführt werden kann.
Dieser Empfehlung schlossen sich am 8. März die Mitglieder des Haushaltsausschusses einstimmig an.
Damit, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, komme ich nun zu Ihnen und Ihrer wiederholt vorgebrachten Behauptung, die SPD und die FDP lehnten eine Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer von 14 auf 15 °/o ab.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Wenn das nicht der Fall ist; können Sie doch heute zustimmen! — Weitere Zurufe)

Zuletzt schrieb der Kollege Dr. Waffenschmidt im Deutschland-Union-Dienst Nr. 66:
Das Nein von SPD und FDP im Finanzausschuß
des Bundestages zum Gesetzentwurf der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion, den Gemeindeanteil
an der Einkommensteuer von 14 auf 15 % anzuheben, ist ein schwerer Schlag gegen die kommunale Selbstverwaltung und verhindert dringend notwendige Investitionen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU)

— Es wird ja noch besser. —
Dies gilt um so mehr, als die neuesten Steuerschätzungen für 1978 den Gemeinden nur einen Steuerzuwachs von 2,1 % zumessen gegenüber 4 % für den Bund und 3,9 % für die Länder.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt!)

— Dieses stimmt nicht ganz. Die Zahlen sind nicht ganz korrekt. —
Die Bereitschaft der Gemeinden, unter Inkaufnahme hoher zusätzlicher Verschuldung 1978 ihren Beitrag zur Konjunkturpolitik mit Sachinvestitionen von rund 30 Milliarden zu leisten, ist von der Koalition nicht anerkannt worden.
Ich frage mich, sehr verehrter Herr Kollege Dr. Waffenschmidt, wie Sie zu solch einer Aussage kommen können.

(Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU] : Weil Ihr unseren Gesetzentwurf ablehnt!)

— Ich schätze Ihr Engagement für die Sache der Gemeinden sehr. Aber ich meine, Sie sollten die Wahrheit nicht unter den Tisch kehren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

In allen drei zuständigen Bundestagsausschüssen haben sich die Vertreter der Koalitionsparteien für eine Verbesserung der Gemeindeausstattung ausgesprochen.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Ausgesprochen, aber nichts getan!)

In allen drei Gremien haben Opposition und Koalitionsparteien gemeinsam der Bundesregierung den Auftrag erteilt, die Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerneuvertellung 1979 in die Gespräche von Bund und Ländern einzubringen. Im Klartext gesprochen: eine Anhebung des Einkommensteueranteils der Kommunen kommt dann in Frage, wenn die finanzielle Belastung zwischen den drei Ebenen der Gebietskörperschaften dabei ausgeglichen wird bzw. sich nicht zuungunsten einer Ebene verschlechtert.
Wir erwarten von der CDU/CSU-Fraktion auch noch eine Antwort auf die Frage, wie sich isolierte Anträge, die zu weiteren Mindereinnahmen des Bundes führen, mit Ihrer Behauptung vertragen, Sie stellten keine kostenwirksamen Gesetzesanträge mehr, während Sie noch vor einigen Wochen bei der Haushaltsberatung 1978 die hohe Verschuldungsquote des Bundes vehement beklagt haben. Da der Bund bei einer isolierten Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes nach dem jetzigen Stand die Hauptlast mit 730 Millionen DM Mindereinnahmen tragen müßte, kann eine Lösung nur im Zusammenhang



Frau Traupe
mit den bald beginnenden Umsatzsteuer-Neuverteilungen 1979 zwischen Bund und Ländern gefunden werden.
Es stellt sich die Frage — sie kam mir eben bei Ihrem Vortrag, Herr Dr. Waffenschmidt —, ob Sie der vorgeschlagenen Gesetzesänderung in den Bund-Länder-Verhandlungen überhaupt eine Chance einräumen. Sollten wir Ihre im DeutschlandUnion-Dienst wider besseres Wissen aufgestellte Behauptung,

(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

die Koalitionsparteien verhinderten im Bundestag den Anstieg des gemeindlichen Einkommensteueranteils, dahin gehend verstehen, daß Sie schon wissen, die Länder würden diesen Wunsch der Kommunen bei ihren Verhandlungen über die Verteilung der Umsatzsteuer nicht berücksichtigen?

(Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU]: Die Länder stimmen ja zu!)

— Das werden wir ja sehen.
Dies ist der Grund, warum ich den heutigen Beratungstermin Ihres Gesetzesentwurfs als günstig ansehe. Da im Bundesrat die von der CDU/CSU geführten Länder die Mehrheit bilden, können Sie als Mitglieder der Opposition, die Sie ja die bereits erwähnte Empfehlung an die Bundesregierung in den drei zuständigen Bundestagsausschüssen einstimmig mit beschlossen haben, nun Ihre Einflußmöglichkeiten auf Ihre politischen Freunde in den Ländern nutzen, um dort die Bereitschaft für. eine weitere Verbesserung der kommunalen Finanzen zu steigern. Sie sind am Zuge, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Freilich, wenn man gerade die mangelhafte Bereitschaft von CDU-geführten Bundesländern sieht — der sehr verehrte Herr Kollege Stoltenberg ist da besonders anzuführen —, schon 1977 und 1978 die Gemeinden an der in diesen beiden Jahren eintretenden finanziellen Besserstellung der Länder durch die augenblickliche Umsatzsteuerverteilung zu beteiligen, dürfte man auch für 1979 kaum eine größere Bereitschaft erwarten.
Um so klarer möchte ich eines herausstellen. Wir Sozialdemokraten halten an unserer Absicht fest, eine Verstetigung der kommunalen Einnahmen über die Anhebung des Einkommensteueranteils zu erreichen. Wir sehen die Notwendigkeit von umfangreichen Investitionen durch die Gemeinden auch heute und in den nächsten Jahren. Ich darf sagen, die Wasserwirtschaft, die Entwässerung der Umwelt- und der Lärmschutz, Gewerbeansiedlung, Freizeit- und Gesundheitsbereich, der Ausbau des Berufsschulwesens, Stadt- und Ortskernsanierung

(Zurufe von der CDU/CSU)

sind Aufgaben, die auch wir weiterhin gefördert und finanziert sehen möchten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist genau unser Gesetzesantrag! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wir nehmen für uns in Anspruch, daß eine Verbesserling der kommunalen Finanzausstattung erst nach dem Eintritt der SPD in die Bundesregierung möglich war. Dafür gibt es keinen unverfänglicheren Zeugen als den damaligen Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß, der bei der Verabschiedung des Finanzreformgesetzes 1969 im Deutschen Bundestag besonders die Verdienste des Sozialdemokraten Alex Möller herausstellte, von dem er sagte: Er —Alex Möller — war es, der damals bei den Koalitionsverhandlungen die Koalition — also beide Koalitionspartner, die CDU/CSU wie die SPD — darauf festgelegt hat, daß diese Koalition nicht in den Bundestagswahlkampf 1969 gehen dürfe, wenn sie nicht vorher die Finanzverfassungsreform und die dazu gehörenden Gesetze verabschiedet hat. Ich möchte Ihnen das nur in Erinnerung bringen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Den Möller habt ihr davongejagt!)

Wir haben außerdem durch die jährlichen Leistungen des Bundes an die Gemeinden und Gemeindeverbände dafür gesorgt, daß Anfang der siebziger Jahre die kommunale Investitionstätigkeit stark anstieg und damit eine gemeindliche Infrastruktur geschaffen werden konnte, die es kaum ein zweites Mal in Europa gibt. Nicht nur die Schaffung von Schulräumen, der Ausbau der Sportstätten, das dichte Netz an Hallen- und Freibädern, die gemeindlichen Verkehrswege, sondern auch der Ausbau des Gesundheitswesens und die Altstadtsanierung wurden in den siebziger Jahren unter einer von Sozialdemokraten geführten Bundesregierung möglich wie nie zuvor.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Deshalb paßt der Stempel mangelnder Gemeindefreundlichkeit, den Sie uns immer wieder aufdrükken wollen, nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Alles mit Krediten gebaut!)

Doch unsere Haltung bleibt, wie in der Debatte vom November 1977, die, daß eine bessere Finanzausstattung der Gemeinden dann möglich wird, wenn dadurch der Bund nicht einseitig stärker als die anderen Gebietskörperschaften belastet wird.
Wie widersprüchlich die Finanzpolitik der CDU/ CSU-Fraktion ist, hat der Haushaltsobmann meiner Fraktion, Lothar Löffler, kürzlich so ausgedrückt — ich zitiere —: Im gleichen Atemzug fordert sie — die Opposition —, die Nettokreditaufnahme des Bundes auf ein normales Maß zurückzuführen und die Steuern drastisch zu senken. Das paßt nicht zusammen.
Es paßt dann schon gar nicht zusammen, wenn man Gesetzentwürfe einbringt, die, so wie sie vorliegen, den Bund einseitig finanziell belasten.
Ich sage deshalb noch einmal: Eine isolierte Erhöhung des Gemeindeanteils auf 15 v. H. ab 1. Januar 1979 lehnt die Mehrheit des Parlaments ab.

(Beifall bei der SPD)




Frau Traupe
Die Bundesregierung ist aufgefordert, wie wir es einstimmig in den zuständigen Ausschüssen be-. schlossen haben, gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, ob im Zusammenhang mit Bund-Länder-Verhandlungen über die Umsatzsteuerverteilung eine Erhöhung des Gemeindeanteils auf 15 v. H. durchgeführt werden kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808326000
Meine
Damen und Herren! Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spilker.

Dr. Karl-Heinz Spilker (CSU):
Rede ID: ID0808326100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Ausgleich von Steuerausfällen bei den Gemeinden — Drucksache 8/593 —und dem Entwurf des Gemeindefinanzreformänderungsgesetzes — Drucksache 8/923 — wurden von der Opposition notwendige Initiativen ergriffen, mit denen den Gemeinden der Ausgleich von Steuerausfällen gewährt werden soll, die durch die Steuergesetzgebung im letzten Jahr entstanden sind. Die Gelder, über die wir hier reden, sind von einer Größenordnung, an die die Gemeinden jetzt und morgen gewiß denken werden, wenn sie ihre wichtigen Aufgaben zu erfüllen haben. So muß man doch die Problematik sehen. Hier geht es doch nicht um eine Selbstdarstellung, wie Frau Kollegin Traupe vorhin sagte, sondern um die eminent wichtige Frage, wie wir sicherstellen können und sicherstellen wollen, daß die Gemeinden das tun, was wir doch alle gemeinsam von ihnen erwarten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Tat ist dieses Problem von zwei Seiten zu sehen, wenn wir daran denken, — über den Zeitpunkt wird noch zu sprechen sein — den Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer anzuheben. Einmal ist diese Frage vom Grundgesetz her, vom Staatsaufbau oder von der Staatsorganisation dieser Bundesrepublik her zu sehen. Zum anderen ist sie von unserer wirtschaftlichen Situation her zu sehen, die doch eine traurige ist. Die Frage, die für Sie immer noch offen ist, wer dafür also die Verantwortung zu tragen hat, ist bei uns geklärt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Beratung der erwähnten Vorlagen im Finanzausschuß zeigte sich, daß eigentlich alle Fraktionen darüber einig waren, ,daß die Steuerausfälle in irgendeiner Form abzudecken sind. Als ein geeignetes Mittel wurde dabei auch die Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer angesehen, eine Erhöhung von 14 auf 15 Prozent. Soweit, so gut. Aber schon in der Frage, wann und in welchem Zusammenhang das zu geschehen hat, gab es keine einvernehmliche Meinung. So kommt es zu dieser Debatte, in der es in der Tat zwei Standpunkte gibt. Weil dem so ist und wir Anhänger einer vorweggenommenen Erhöhung des Gemeindeanteils sind, lassen Sie mich noch einmal die Notwendigkeit hervorheben, die uns zu dieser Auffassung gebracht hat, und zwar nicht nur anhand von Zahlen, sondern auch ausgehend von unserer Verantwortung, die wir für die gesamte Staatsorganisation haben. Schließlich haben wir auch dafür zu sorgen, daß die Arbeitsfähigkeit der Kommunen sichergestellt bleibt.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Unsere Gemeinden sind doch leistungsfähig und gesund! Das wissen Sie auch!)

— Es kommt darauf an, wovon Sie reden, Herr Kollege Wolfram. Ich spreche auch nicht allein von Recklinghausen, sondern ich habe noch einige andere Gemeinden im Kopf, deren Bürgermeister oder Oberbürgermeister in den letzten Monaten abgewählt wurden. Das wird sicherlich auch seine Gründe gehabt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Haeckel!)

Lassen Sie mich einmal einige Jahrzehnte zurückblättern. Mit der Entscheidung über den föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz, vor allen Dingen in den Artikeln 20 und 28, wurden doch gleichzeitig Garantien verankert, die es den Gebietskörperschaften ermöglichten, selbständig ihre ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Darüber kann es doch hier überhaupt keinen Zweifel geben. Das ist doch anerkannt und daran schließt sich doch eine unmißverständliche Finanzverfassung an. Wie in einem Rezeptbuch wird im einzelnen klargestellt, wie die Mittel aufzuteilen sind, die gemeinsam von allen öffentlichen Händen eingenommen werden. Das gilt sowohl für Steuern und für Zölle als auch für andere Einnahmen. Es geht um die Aufteilung der Einnahmen auf alle öffentlichen Hände je nach den Aufgaben der einzelnen Gebietskörperschaften in Bund und Ländern.
Dazu treten die Regulationsmechanismen des vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs — das ist uns allen bekannt —, mit denen dafür Sorge getragen wird, daß unterschiedliche Einnahmeaufkommen zwischen den Ländern und zwischen den Ländern und Gemeinden in einer den wirtschaftlichen Bedürfnissen angemessenen Weise ausgeglichen werden.
Meine Damen und Herren, es besteht doch gar kein Zweifel: Diese Regeln sind eindeutig und unabdingbar darauf gerichtet, den zeitlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen und den öffentlichen Händen in allen Ebenen den Anteil an den vorhandenen Mitteln zur Verfügung zu stellen, der zur Wahrnehmung der anfallenden Aufgaben gebraucht wird.
Bei unserem Bekenntnis zum Grundgesetz — darüber sollte es hier keinen Zweifel geben —, zur parlamentarischen Demokratie und zum Föderalismus darf es einfach nicht dazu kommen, daß sich zwischen Bund und Kommunen ein Verhältnis entwickelt, bei dem die Gemeinden wie Petenten um die Mittel zur Wahrnehmung ihrer spezifischen Aufgaben zu betteln haben,

(Beifall bei der CDU/CSU)

während der Bund aus seinen normalen Einnahmen seinem jeweiligen Ermessen entsprechend —



Spilker
vielleicht sogar noch unter Bedingungen — seine finanzielle Gunst verteilt.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Wie ein Laie!)

— Herr Professor, das Laienmäßige schreiben wir uns gegenseitig nicht ins Gesetzbuch. Ich könnte Ihnen einiges mehr dazu sagen.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Das wäre fein!)

Lassen Sie uns einmal über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kommunen reden. Da weiß ich nicht, wer über mehr Erfahrungen verfügt, Ihre Repräsentanten oder die meiner Fraktion. Ich glaube, wir können es hier gern auf eine Debatte ankommen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808326200
Herr Kollege Spilker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Professor Schäfer?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0808326300
Herr Kollege, sind Sie mit mir darin einig, daß man die Betrachtung Bund — Gemeinden nicht ernsthaft zu Ende denken kann, ohne dabei die Rolle der Länder mit einzubeziehen?

Dr. Karl-Heinz Spilker (CSU):
Rede ID: ID0808326400
Es sollte mich wundern, wenn Sie glauben, daß ich auf diesen Punkt nicht noch zurückkomme. Es kann aber ganz gewiß, lieber Herr Kollege Schäfer, nicht ausschließlich Aufgabe der Länder sein, dafür zu sorgen daß den Gemeinden Steuerausfälle in irgendeiner Form ersetzt werden. Ich glaube, das ist eine Gesamtaufgabe und nicht nur Aufgabe der Länder.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies — das wissen Sie aus beruflichen Gründen — ergibt sich auch aus dem Grundgesetz und nicht nur aus den Verfassungen unserer deutschen Bundesländer.
Ich möchte noch ein Wort zu den Ausführungen meiner Vorrednerin sagen. Sie erwähnte, daß es ein Vorhaben der Koalitionsfraktionen gebe, den Gemeinden auch bei der Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer behilflich zu sein. Liebe Frau Kollegin, das ist eigentlich nicht unser Problem. Das Problem besteht darin, doch endlich einmal etwas zur richtigen Zeit 211 tun, denn die praktischen Auswirkungen zeigen sich doch nicht morgen oder übermorgen. Da haben wir doch Erfahrungen. Zu dem Zeitpunkt, in dem wir Hilfen erwarten, bekommen wir keine. Dann beklagen wir uns darüber, daß wir zu spät reagiert haben. Es ist doch ein Vorwurf an die Mehrheit hier im Hause, daß wir in vielen Fragen, die mit der Konjunktur. zusammenhängen, zu spät und darüber hinaus noch falsch reagiert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im übrigen bleibt es dabei: Es nützt uns ja nichts, wenn Sie sagen: Wir wollen das tun. Wann tun Sie es denn? Das Handeln steht hier nämlich zur Diskussion und nicht das Versprechen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Herr Spilker, Sie reden nicht zur Regierungserklärung! — Ein richtiger Wildfang!)

— Ich habe so einiges von Ihrem Herrn Fraktionsvorsitzenden gelernt.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Sie haben auch einmal für Herrn Strauß gearbeitet!)

Ich bin ja lange genug im Hause und war immer ein aufmerksamer Zuhörer. Wenn ich dann einmal versuche, nicht nur auf Tagespolitik hinzuweisen, weil es eben hier nicht um eine Selbstdarstellung geht, von der eben die Rede war, und mir erlaube, an unser Grundgesetz zu erinnern, an einige Artikel, die uns alle binden und nicht nur diejenigen, die glauben, für irgendeinen kommunalen Bereich daraus Nutzen ziehen zu können, Herr Kollege, meine ich, daß ich eigentlich auf dem richtigen Wege bin. Wenn Sie glauben, ich sei es nicht, habe ich erst recht das Gefühl, daß ich auf dem richtigen Wege bin.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Aber fragen Sie ruhig weiter. Sie machen mich damit nicht nervös.
Ich bin ein überzeugter Anhänger eines Ausgleichs, eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Kommunen und den Ländern und dem Bund. Sie, meine Herren Kollegen, von der Koalition, haben für ein Vertrauensverhältnis kein Gespür. Sonst gäbe es auf anderen Gebieten in unserem Vaterland eine bessere Entwicklung. Ich denke dabei z. B. an unsere Situation auf wirtschaftlichem, auf sozialem und finanziellem Gebiet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie mit Recht sagen, daß die Kassen leer seien, müssen wir doch gegenfragen: Wer hat sie denn leergefegt?

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Genauso ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, ich möchte — ob Sie es nun wollen oder nicht — noch einmal darauf zurückkommen, daß die Frage der Gemeindeentlastung eigentlich doppelseitig gesehen werden muß oder sollte. Davon hängt schließlich auch das Votum zu unserem Antrag ab. Es handelt sich hier auch um eine Frage der Einstellung zum Grundgesetz, zur Gliederung des Bundes mit den Ländern und logischerweise auch den Gemeinden. Wer zu dieser Gliederung ja sagt, müßte unserem Antrag eigentlich zustimmen. Wer hier eine andere Einstellung hat, wird, so fürchten wir jedenfalls, übermorgen — im nächsten oder im übernächsten Jahr — auch etwas anderes praktizieren.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808326500
Herr Kollege Spilker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?

Dr. Karl-Heinz Spilker (CSU):
Rede ID: ID0808326600
Es ist mir eine Freude.




Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0808326700
Herr Kollege Spilker, wir sind im Finanzausschuß ja gemeinsam Zahlenkinder. Ihnen dürfte der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank nicht entgangen sein. Haben Sie aus den Anlagen der Gebietskörperschaften in Geld nicht auch — wie ich — entnehmen können, daß die Gemeinden mit 16,8 Milliarden DM an Finanzmitteln bei den Banken den Höchststand seit Gründung der Bundesrepublik erreicht haben, und halten Sie es mit mir dann nicht für unangemessen, hier laut von leeren Kassen zu reden?

(Zuruf von der SPD: Der Spilker kann doch nicht lesen!)


Dr. Karl-Heinz Spilker (CSU):
Rede ID: ID0808326800
Ich habe, soweit ich es in Erinnerung habe, von leeren Kassen in diesem Hohen Hause, also in einer Institution des Bundes, gesprochen. Wenn Sie den Versuch machen sollten, darauf hinzuweisen, daß in den Kassen noch etwas ist, so kann ich nur antworten: Sie strafen damit diejenigen Lügen, die seit Wochen, seit Monaten und seit Jahren etwas anderes sagen. Sie sind mit unserem Geld doch restlos am Ende.

(Zuruf von der SPD)

— Meine Damen und Herren, wollen Sie das denn auch noch bestreiten? Sie haben beim Geldausgeben doch nicht nur Überstunden gemacht. Es sind Dauerarbeitsstunden, die Sie hier eingeführt haben. Darin sind Sie doch wirklich Meister gewesen. Darüber kann es doch gar keinen Zweifel geben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808326900
Herr Kollege Spilker, lassen Sie noch zwei Zwischenfragen zu?

Dr. Karl-Heinz Spilker (CSU):
Rede ID: ID0808327000
Lassen Sie mich zum Schluß kommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808327100
Meine Herren, der Kollege Spilker will zum Schluß kommen.

(Zurufe von der SPD)


Dr. Karl-Heinz Spilker (CSU):
Rede ID: ID0808327200
Warten Sie nur! Ich bin ja gar nicht fertig. Sie überschätzen oder unterschätzen mich; das überlasse ich ganz Ihnen.
Es ist ja für mich nicht so ganz überraschend, von Ihnen zu hören, daß Sie auch irgend etwas für die Gemeinden tun wollen. Es hat ja Repräsentanten Ihrer Partei gegeben, die sich sehr über -die finanzielle Ausstattung der Gemeinden beschwert haben. Denken Sie einmal an Herrn Arndt. Ich weiß nicht, Herr Oberbürgermeister, ob Sie das auch getan haben. Ihre Stadt Recklinghausen ist vielleicht in einer besseren Situation.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht seinetwegen!)

Wie war denn aber der Weg unserer Gemeinden? Wir betrachten die Gemeinden — und dies mit vollem Recht — immer als wirksame Investitionsträger. Darüber kann es kaum einen Zweifel geben. Wir haben von den Gemeinden in den letzten Jahren eine zurückhaltende Haushaltspolitik erwartet. Ich glaube, diese Erwartung haben sie auch erfüllt. Dahinter steckt viel Sparsamkeit, die wir nicht hoch genug bewerten können. Die Gemeinden haben offensichtlich etwas anderes gelernt als diejenigen, die hier mit Geld umzugehen haben. Wenn von uns jetzt aber mit Recht erwartet wird, daß bei den Gemeinden — vielleicht im Gegensatz zu anderen Institutionen — die Investitionsschallmauer durchbrochen wird, so ist dafür doch zwingende Voraussetzung, daß wir den Gemeinden auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Sonst wird eben nicht investiert. Das ist doch eine alte Spielregel. Um das zu wissen, brauche ich doch nicht erst in diesen Bundestag zu gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Wenn Sie, meine Damen' und Herren von der Koalition, trotzdem bei Ihrem Votum bleiben, dann können wir nichts dafür. Immerhin wollten wir wenigstens versuchen, Sie zu überzeugen, zum einen unter dem Gesichtspunkt des Grundgesetzes und zum anderen unter dem Gesichtspunkt unserer Konjunktursituation, die Sie wohl selber als schlecht empfinden, und in Anbetracht der Arbeitslosigkeit, die unter Ihrer miserablen Führung zu einer Dauerarbeitslosigkeit geworden ist.

(Zurufe von der SPD — Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie darüber wenigstens einige Minuten nachdenken, haben Sie vielleicht doch noch einen Glücksgriff in Reserve. Ein Ja möge Ihnen überlassen bleiben.
Ich jedenfalls bitte um Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung. Sie kommt unseren Bürgern unmittelbar und sicher auch unseren Gemeinden zugute, auf die wir uns bisher immer verlassen konnten. Geben wir ihnen weiter die nötigen Möglichkeiten!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808327300
Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID0808327400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute geht es hier um zwei Anträge der CDU/CSU-Fraktion, nämlich um den Antrag, den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer von 14 auf 15 % zu erhöhen — was ab 1979 zu Mehreinnahmen bei den Gemeinden von etwa 1,2 Milliarden DM und zu Mindereinnahmen beim Bund von 730 Millionen DM und bei den Ländern von 470 Millionen DM führen würde —, und um den Antrag, die Bundesregierung solle den Gemeinden einen Ausgleich für die Steuerausfälle gewähren, die durch die verschiedenen steuerlichen Maßnahmen im Jahr 1977 entstanden sind.
Mir scheint, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie wieder einmal nach der bisher schon dauernd praktizierten Doppelstrategie verfahren: Einerseits beklagen Sie den hohen Schuldenstand des Bundes — in der Haushaltsdebatte vor



Frau Matthäus-Maier
wenigen Wochen haben Sie sogar behauptet, mit der Neuverschuldung verstoße der Bund gegen die Verfassung —, andererseits überrollen Sie uns mit einer Flut von sehr teuren — weil publikumswirksamen — Anträgen und Forderungen, die die von Ihnen beklagte Verschuldung des Bundes selbstverständlich wesentlich erhöhen würden.
Darf ich es einmal salopper ausdrücken: Mir scheint, Sie verfahren erneut nach der Devise: Erst ziehen Sie dem Bund die Hosen aus, und dann beklagen Sie lautstark, daß er nackt dasteht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber, Frau Kolgin! — Zuruf des Abg. Dr. Kohl [CDU/CSU] — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Sie wollen ihm sogar die Unterhosen ausziehen.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Wir sind keine Schotten!)

Sie werden ja wohl nicht ernsthaft erwarten, daß wir dieses Spiel mitmachen. Denn dieses Spiel ist wirklich unseriös.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Was ist der finanzverfassungsrechtliche Hintergrund der heutigen Debatte? Erstens: An der Einkommensteuer haben heute die Gemeinden einen Anteil von 14 %, Bund und Länder einen von je 43 %. Die Erhöhung des Gemeindeanteils auf 15 % ist eine alte FDP-Forderung,

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Dann stimmen Sie doch zu!)

von mehreren Parteitagen in den Ländern und auf Bundesebene unterstützt. Wir halten eine solche Erhöhung des originären Steueranteils der Gemeinden für einen wichtigen Beitrag zur kommunalen Selbstverwaltung.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Publikumswirksam, aber nichts dahinter!)

— Darauf komme ich noch; das können Sie sich ja denken. Das ist doch nur die Einleitung, Herr Kollege.
Zweitens ist nicht zu übersehen, daß es ein zweites wichtiges finanzielles Bein für die Finanzausstattung der Gemeinden gibt, nämlich den Anteil an der Umsatzsteuer. Nach Art. 106 des Grundgesetzes haben Bund und Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer Ausgaben aus der Umsatzsteuer. Auf Grund dieser Verfassungsbestimmung ist völlig klar, daß zu den Ausgaben und Einnahmen der Länder, die hier gemeint sind, die der Gemeinden hinzugehören. Das bedeutet: Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland einen zweistufigen föderalen Aufbau, nach dem die Länder für die Finanzausstattung der Gemeinden zuständig sind. Das bedeutet nun mal leider, daß nach einer Umsatzsteuerneuverteilung sowohl der Bund als auch die Gemeinden auf den guten Willen der Länder angewiesen sind, einen Teil ihres Anteils an die Gemeinden weiterzugeben.
Wenn Sie nun angesichts dieser finanzverfassungsrechtlichen Situation Ihre beiden Anträge stellen, so muß man, glaube ich, folgendes entgegenhalten.
Erstens. Die finanzielle Lage der Gemeinden ist sicher nicht gut — das hat hier auch überhaupt niemand behauptet —, nur: die finanzielle Lage des Bundes ist deutlich schlechter. Seit der Finanzreform 1969 haben sich die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden per Saldo wesentlich besser als die des Bundes entwickelt. Ich möchte hier, um die Debatte zu verkürzen, nicht die vielen Zahlen nennen, die Ihnen ja bekannt sind und die zum Teil z. B. von Frau Traupe hier vorgetragen worden sind. Jedenfalls stiegen im Ergebnis in den Jahren von 1970 bis 1977 die Ausgaben der Gemeinden im Jahr durchschnittlich um 10,1 °/o, ihre Einnahmen wuchsen demgegenüber im Jahre durchschnittlich um 11,5 °/o. Diese längerfristige Verbesserung der Finanzlage schlägt sich auch in der Erhöhung der Deckungsquote nieder. Sie schlägt sich weiter darin nieder, daß die Nettokreditaufnahme des Bundes 1977 mehr als doppelt so hoch war wie die von Gemeinden und Ländern zusammen.
Zweitens muß man den CDU/CSU-Anträgen folgendes entgegenhalten. Die Opposition bemängelt, daß die Einnahmenausfälle der Gemeinden, die durch Steuererleichterungen entstanden sind, nicht gleichzeitig wieder durch den Bund an sie zurückgegeben worden sind. Dazu muß man dreierlei sagen.
Erstens glaube ich nicht, daß man hier ein Verfahren einführen kann, das dazu führt, daß die Gemeinden an einer dynamischen Höherentwicklung der Einkommensteuer teilnehmen, aber dann, wenn sich hier auch einmal Verminderungen ergeben, automatisch von den Verminderungen ausgenommen werden. Es ist doch so, daß die hohen Zuwachsraten beim Steueraufkommen der Gemeinden in den letzten Jahren gerade auf die Beteiligung an der dynamischen Einkommensteuer zurückzuführen sind. Dann kann man aber nicht umgekehrt jede Verminderung des Steueraufkommens an der Einkommensteuer automatisch nur zu Lasten des Bundes und der Länder gehen lassen. Grundsätzlich müssen sich daran auch die Gemeinden beteiligen, sonst können wir die Gemeinschaftsteuern abschaffen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es ist zweitens nicht zu übersehen, daß bestimmte steuerpolitische Maßnahmen, die zu einer Senkung des Aufkommens der Gemeinden bei der Einkommensteuer geführt haben, indirekt auch den Gemeinden zugute kommen. Ich meine z. B. die Anreize, die wir für Private geschaffen haben, damit diese insbesondere im Altbereich der Städte und Gemeinden investieren und damit zur Verbesserung der Lage in den Städten und Gemeinden beitragen. Ich möchte hier nur nennen: die Erweiterung des § 7 b auf Altbauten, die entsprechende Befreiung von der Grunderwerbsteuer, die zehn mal 10%ige Abschreibungserleichterung für die Erhaltung und Herstellung denkmalgeschützter Gebäude, schließlich die zehn mal 10%ige Abschreibungserleichterung im Bereich der Energieeinsparung. Das sind alles Maßnahmen, die zwar zur Verminderung der Einkommensteuereinnahmen der Gemeinden führen, ihnen aber gleichzeitig auch wieder über private Investitionen zugute kommen.



Frau Matthäus-Maier
Schließlich muß man den Antragstellern entgegenhalten, daß es doch wirklich unglaubwürdig von der Opposition ist, wenn sie einerseits die Einkommensteuerausfälle der Gemeinden beklagt, andererseits aber, z. B. im letzten Jahr, im Vermittlungsausschuß nicht nur ein Steuerpaket durchgesetzt hat, das — wie Sie wissen — teurer, und zwar deutlich teurer geworden ist, als die Koalitionsfraktionen es gewollt haben, sondern sogar einen Konjunkturabschlag gefordert hat, der noch einmal mindestens 4 Milliarden DM gekostet hätte. Das sind Maßnahmen, die selbstverständlich auf die kommunalen Finanzen negativ durchgeschlagen wären.

(Zuruf von der CDU/CSU: Deswegen ist der Antrag zur Umverteilung ja gestellt worden!)

Ein anderes Beispiel: Sie fordern eine Tarifreform ab 1979, die Sie nicht im einzelnen beziffert haben, die aber auch wieder Milliarden kosten würde, ohne daß Sie sagen, wie sich das denn auf die kommunalen Finanzen auswirkt.

(Zuruf des Abg. Hasinger [CDU/CSU])

— Doch, wir wollen die Tarifreform; das haben wir oft gesagt, und zwar noch in der vorletzten Woche im Finanzausschuß. Wir wollen sie. Jedoch sind wir der Ansicht, daß auf Grund der Höhe der Steuererleichterungen vom Herbst 1977 die Tarifreform zum 1. Januar 1979 leider nicht mehr möglich ist.
Noch ein letztes Beispiel von dieser Woche. Sie fordern, daß der Zuschuß für heizenergiesparende Maßnahmen etwa zur Hälfte durch steuerliche Erleichterungen ersetzt wird. Da der Zuschuß in Höhe von 4,3 Milliarden DM nicht zu Lasten der Gemeinden gegangen wäre, bedeutet das doch, wenn Sie rund die Hälfte, also etwa 2,17 Milliarden DM, durch eine steuerliche Regelung ersetzen, daß die Gemeinden auch hieran wieder durch Ausfälle beteiligt sind. Eine Berechnung ergibt, daß allein diese Ihre Forderung zu Einkommensteuerausfällen bei den Gemeinden in Höhe von 303 Millionen DM führen würde.

(Hört! Hört! bei der SPD)

[ch kann das nicht als glaubwürdige Politik ansehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Möller [CDU/CSU] : Der Wohnungsbauminister hat gestern das gleiche beantragt!)

Drittens. Herr Waffenschmidt, Sie haben gesagt, die Gesetzgebung im Bund habe zur Belastung bei den Gemeinden geführt. Das ist an verschiedenen Stelen sicher der Fall, unbestritten. Auf der anderen Seite aber hat es in den letzten Jahren erhebliche Leistungen des Bundes zugunsten der Gemeinden gegeben. Ich möchte hier als nur ein Beispiel die großzügige Förderung von öffentlichen Investitionen durch das Programm für Zukunftsinvestitionen erwähnen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das zieht ja gar nicht! — Gegenruf von der SPD: Aber natürlich!)

— Aber selbstverständlich zieht das! Fragen Sie doch einmal in Ihren Gemeinden nach!

(Erneuter Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben zehn Anträge gestellt, aber nur einen durchbekommen!)

— Entschuldigen Sie, in meinem Wahlkreis, in dem es fast nur CDU-regierte Gemeinden gibt, rühmt man sich doch, welche Maßnahmen man mit diesem Programm für den Bürger ergriffen hat. Sie müssen da schon glaubwürdig bleiben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Mittel, die z. B. zur Beseitigung höhengleicher Bahnübergänge, zum Bau von Ortsumgehungen oder für andere Infrastrukturmaßnahmen im innerstädtischen Bereich zur Verfügung gestellt werden, dienen doch selbstverständlich auch der Entlastung der Gemeinden. Allein für diese Maßnahmen wird der Bund bis 1981 mehr als zwei Milliarden DM aufbringen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Hasinger [CDU/CSU] : Diese Entlastung hat doch keinen zusätzlichen Effekt!)

— Ich glaube, es kann doch wohl niemand bestreiten, daß dies zusätzliche investive Maßnahmen zugunsten der Gemeinden sind, über die sie auch froh sind und die sie gern in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Viertens. Es gibt natürlich auch Entlastungen ganz anderer Art, die der Bund durch die Gesetzgebung der letzten Jahre geschaffen hat und die indirekt zu einer Entlastung der Gemeinden führen. — Wie gesagt, ich will gar nicht verhehlen, daß es auch Belastungen durch Bundesgesetze gegeben hat; das ist unstreitig. Nur sollte man nicht alles so einseitig darstellen. — Dazu gehören z. B. die Einführung der beruflichen Rehabilitation im Arbeitsförderungsgesetz, das Bundesausbildungsförderungsgesetz, die Dynamisierung und Verbesserung der Kriegsopferleistungen, das Krankenversicherungsleistungsverbesserungsgesetz mit der Einführung der zeitlich unbegrenzten Krankenhauspflege, die Einführung des Konkursausfallgeldes, das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung usw., Maßnahmen, die die Finanzlage der Gemeinden selbstverständlich indirekt verbessern, weil diese von entsprechenden Leistungen, etwa in der Sozialhilfe und auf anderen Gebieten, entlastet werden.
Auf ein Letztes, meine Damen und Herren, möchte ich hinweisen — das haben wir aber schon so oft besprochen, daß ich dazu nur einen Satz sagen muß: Schließlich hat der Bund durch die Umsatzsteuerneuverteilung vom letzten Jahr von seinen Einnahmen an die Länder einen großen Teil abgegeben mit der Zusicherung der Länder, daß sie davon Teile an die Gemeinden weitergeben. Wenn manche Länder das tun, z. B. Nordrhein-Westfalen, und andere nicht, z. B. Schleswig-Holstein, ist das schließlich nicht unser Fehler.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich möchte damit zum Schluß kommen: Dies alles weiß auch die Opposition. Deswegen hat z. B. Finanz-



Frau Matthäus-Maier
minister Gaddum in der ersten Lesung Ihrer Anträge am 24. November 1977 folgendes festgestellt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Die CDU/CSU ist sich darüber im klaren, daß die öffentlichen Finanzmittel begrenzt sind und wir nicht einfach eines auf das andere türmen können.
Dr. Waffenschmidt machte damals den Zuruf: So ist es!

(Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Es geht darum, daß wir uns einmal überlegen, ob es nicht möglich ist, anstelle bestimmter Zuweisungen die originären Mittel der Gemeinden zu verstärken. Es geht nicht um ein Mehr, sondern es geht um ein aliud.

(Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Hier stellt sich wirklich die Gretchenfrage: Wie halte ich es mit der kommunalen Selbstverwaltung? Hier liegt meines Erachtens der eigentliche Punkt der Auseinandersetzung.
Hier sehe auch ich den Kern des Problems, aber nicht den eigentlichen Kern der Auseinandersetzung. Denn die FDP wünscht eine Stärkung der Selbstverwaltung. Deswegen wünscht sie eine Stärkung der originären Finanzmittel und eine Erhöhung des Anteils der Gemeinden.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Nur heute nicht! Erst dann, wenn wir wieder an der Regierung sind, 1980! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Sie will also das aliud. Aber auch Herr Gaddum sagte: anstelle der Zweckzuweisungen und nicht etwa zusätzlich.
Deswegen sind wir der Ansicht: Sie können den Bund nicht zweimal zur Zahlung heranziehen. Wir wollen eine Erhöhung von 14 auf 15 %. Wir wollen dies bei den nächsten Umsatzsteuerneuverhandlungen erreichen. Wir wollen nicht, daß eine heute erbrachte Vorleistung dann bereits wieder vergessen ist. Deshalb können wir der Erhöhung von 14 auf 15 % nicht isoliert zustimmen. Wir sehen das in einem Zusammenhang. Dies ist genau der Inhalt der Entschließung, die wir hoffentlich gemeinsam mit Ihnen verabschieden werden.
Meine Damen und Herren, da Sie erfahrungsgemäß — es ist leider so, aber es ist so — auf die Länder einen ganz erheblichen Einfluß haben, liegt es in Ihrer Hand, durch Einwirkung auf die Länder bei den nächsten Umsatzsteuerneuverhandlungen dazu beizutragen, daß wir hier zu einer einvernehmlichen Regelung kommen. Die Umsatzsteuerneuverhandlungen müssen so geführt werden, daß sie zu einem die Interessen von Bund, Ländern und Gemeinden gleichmäßig berücksichtigenden Ergebnis kommen. Dann können wir gemeinsam den Einkommensteueranteil der Gemeinden von 14 auf 15 % erhöhen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808327500
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0808327600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist erst fünf Monate her, daß der Deutsche Bundestag gründlich und umfassend über die finanzielle Lage der Gemeinden beraten hat. Die Bundesregierung hat damals ausführlich Stellung genommen. Ich kann darauf Bezug nehmen. An dieser Stellungnahme hat sich nichts geändert. Sie gilt unverändert fort.
Die CDU/CSU-Fraktion hatte im Juni 1977 den Antrag eingebracht, .die Bundesregierung aufzufordern, bei den Verhandlungen mit den Bundesländern über die Steuerneuverteilung den Gemeinden den Steuerausfall zu ersetzen, der ihnen durch steuergesetzliche Maßnahmen des Jahres 1977 entsteht. Dies ist einer der beiden Anträge, über den wir heute noch zu beraten haben.
Bei den Verhandlungen über die Neuverteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern, bei denen es darum gehen muß, die Relation zwischen Bund und Ländern vernünftig zu gestalten, war selbstverständlich mittelbar auch die Finanzausstattung der Gemeinden zu berücksichtigen, in erster Linie seitens der Länder, denen nach unserer Verfassung die Verantwortung für die Finanzkraft der Gemeinden primär obliegt.
Das bedeutet nicht, daß nicht auch die Bundesregierung die Bedeutung der Gemeinden und ihrer Leistungsfähigkeit erkennen und sich für ihre Erhaltung einsetzen würde. Die Gemeinden und ihre Finanzkraft sind von großer Bedeutung für die öffentliche Infrastruktur, für öffentliche Leistungen und damit letztlich für die Lebensbedingungen in unserem Land — oder, wenn ich Herrn Dr. Kohl ansehe, in „diesem unserem Lande".
Dabei kommt der Investitionsfähigkeit der Gemeinden selbstverständlich auch erhebliche ökonomische und gegenwärtig auch konjunkturelle Bedeutung zu. Es ist in den letzten Jahren nicht zuletzt mit Hilfe erheblicher Zuschüsse aus dem Haushalt des Bundes — 1977 waren es 3,7 Milliarden DM — gelungen, im kommunalen Investitionsbedarf auf wichtigen Gebieten, von denen ich z. B. den Krankenhausbau nenne, einen gewissen Sättigungsgrad zu erreichen. Dennoch gilt es nach wie vor, in den Gemeinden erhebliche Aufgaben im Interesse der Bürger zu bewältigen. Ich erwähne die Ziele im Umweltschutz, Lärmbekämpfung, Altbausanierung, Stadtentwicklung, öffentlichen Nahverkehr, nicht zuletzt auch Maßnahmen zur Stärkung der örtlichen Wirtschaftskraft.
Es wäre immerhin bemerkenswert, wenn die Unionsparteien bei der politischen Bewertung des öffentlichen Bedarfs der Gemeinden, also einer der drei Ebenen unseres Bundesstaates, mit der Koalition wetteifern wollten. Wenn dies allerdings ein Wetteifern in der Weise wäre, daß die CDU/CSU durch letztlich unverbindliche Forderungen ihrer verschiedenen kommunalpolitischen Sprecher Sympathien bei den Gemeinden sammeln wollte, ansonsten aber mit dem Motto „weniger Staat und weniger Steuern"



Bundesminister Matthöfer
Wahlkämpfe bestreitet, dann bliebe dieser Widerspruch bei unseren Bürgern gewiß nicht unbemerkt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Nun bleibt die Frage, welcher Bedarf oder welche politisch wünschenswerten Investitionen oder Leistungen angesichts unserer finanziellen Möglichkeiten finanzierbar sind. Ich unterstelle, daß in dieser Legislaturperiode keine schwerwiegenden Eingriffe in Steuergesetze mehr erfolgen. Der CDU/CSU steht es frei, von allen möglichen Vorschlägen und von geringeren Steuereinnahmen auszugehen. Der Bundesminister der Finanzen muß sich an die Tatsachen halten und damit an folgende Zahlen. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate der Einnahmen von 1970 bis 1977 betrug beim Bund 7,7 %, bei den Ländern 10,9 % und bei den Gemeinden 11,5 %. Die Anteile der Gebietskörperschaften am gesamten Steueraufkommen — Frau Matthäus hat schon darauf hingewiesen — haben sich zuungunsten des Bundes verändert. Der Anteil ides Bundes ging von 54,2 % 1970 auf 48,2 % im Jahre 1977 zurück, und die Anteile von Ländern und Gemeinden sind entsprechend gestiegen — die Anteile, nicht nur das absolute Aufkommen.
Diese Entwicklung zugunsten der Gemeinden ist das Ergebnis der Gemeindefinanzreform, die den Gemeinden einen gleichbleibenden Anteil an der dynamischen Einkommensteuer und damit einen ständig wachsenden, von Zweckbindungen freien Anteil am staatlichen Finanzierungsaufkommen verschafft. Die Gemeindefinanzreform brachte den Gemeinden seit ihrem Inkrafttreten im Jahre 1977 insgesamt Mehreinnahmen von 43 Milliarden DM.
Das gleichzeitige Anwachsen des Anteils der Länder zu Lasten des Bundes bei wachsenden internationalen Verpflichtungen des Bundes z. B. gegenüber der Europäischen Gemeinschaft hat demgegenüber zu einem wachsenden Ungleichgewicht geführt.
Die Ausgaben der Gebietskörperschaften sind in den Jahren 1970 bis 1977 ziemlich gleichmäßig um 10 bis 11 % gestiegen. Das bedeutet eine schwerwiegende Veränderung der Deckungsquote. Auch darauf hat Frau Matthäus freundlicherweise schon hingewiesen.
Diese Zahlen können es keineswegs rechtfertigen, die Finanzausstattung der Gemeinden zu Lasten des Bundes zu verbessern. Wenn man aber über eine Verbesserung der Finanzausstattung der Gemeinden hätte nachdenken wollen, dann im Verhältnis zu den Ländern. Durch mehrmalige Änderungen des Verhältnisses der Beteiligung an der Umsatzsteuer zu Lasten des Bundes und zugunsten der Länder ist die Finanzausgleichsmasse erhöht worden, an der die Gemeinden teilhaben. Die Länder haben die wohlbegründeten Forderungen des Bundes in den Umsatzsteuerverhandlungen leider abgelehnt und dabei auch den Investitionsbedarf der Gemeinden als Argument angeführt. Dies hätte die Länder dann aber auch dazu führen müssen, die so erstrittenen Anteile an die Gemeinden weiterzugeben, zumal die Finanzausstattung der Gemeinden primär Sache der Länder ist. Ich kann deshalb den Gemeinden, nicht nur denen in Schleswig-Holstein, Frau Matthäus, sondern z. B. auch denen an der Saar, nur empfehlen, sich einmal zu erkundigen, ob ihnen von den mehr als einer Milliarde DM, die der Bund in diesem Jahr den Ländern überlassen mußte, etwas zugute kommt.
Der Antrag der CDU/CSU vom Juni 1977 ist jedenfalls nach Meinung der Bundesregierung, soweit es den Bund betrifft, durch das Ergebnis der Umsatzsteuerverhandlungen erledigt.
Bemerkenswert erscheint mir noch die diesem Antrag zugrunde liegende Vorstellung, daß Änderungen von Steuergesetzen, seien sie nun bestimmt, die Steuerbelastung der Bürger zu vermindern, seien sie wirtschaftspolitisch oder energiepolitisch begründet, zu Lasten einer Ebene des Staates, gegenwärtig des Bundes, gehen müßten. Wenn, wie dies heute zu Recht der Fall ist, Bund, Länder und Gemeinden einen originären Anteil am Aufkommen aus Steuern erhalten, so teilen sie selbstverständlich Glück und Leid der Steuergesetze gemeinsam. Wenn der Deutsche Bundestag und der Bundesrat gemeinsam aus gesamtstaatlichen Gründen steuerliche Erleichterungen beschließen, dann müssen auch alle Ebenen des Staates die damit verbundenen Einnahmeausfälle tragen. Das wäre wohl die schönste aller Welten für die CDU/CSU, wenn sie sich durch immer neue Vorschläge für Steuersenkungen das Wohlgefallen der Wirtschaft und der öffentlichen Meinung erdienen könnte, alle Einnahmeausfälle beim Bund abladen könnte, höhere Anteile für die Gemeinden fordern, dem Bund dann schließlich Leistungsabbau vorwerfen und schließlich im Wahlkampf Kolossalgemälde von Staatsbankrott oder Verschuldung des Bundes malen könnte.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn die CDU/CSU Steuererleichterungen zur Unzeit fordert, also zur Unzeit konjunkturpolitisch, zur Unzeit im Verhältnis zu vielen internationalen Forderungen an die Bundesrepublik, zur Unzeit im Hinblick auf die Haushaltslage und nicht zuletzt auch zur Unzeit im Hinblick auf die Möglichkeiten für eine wirklich dauerhafte und umfassende Steuerreform, dann werden wir ihnen halt immer wieder das gesamte Rechenwerk vor Augen führen müssen, in dem diese Widersprüche offenbar werden.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Wir haben doch so viele Steuerreformen in den letzten Jahren gehabt!)

— Die wir alle gemeinsam beschlossen haben und die wir alle am gesamtstaatlichen Interesse beschlossen haben und die deshalb alle drei Ebenen des Staates in ihren Konsequenzen auch gemeinsam tragen müssen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808327700
Herr Bundesfinanzminister, würden Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Huonker zulassen?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0808327800
Bitte schön.




Gunter Huonker (SPD):
Rede ID: ID0808327900
Herr Bundesminister, können Sie mir in diesem Zusammenhang bestätigen, daß die Forderung der CDU/CSU nach einer Tarifreform die Gemeinden mit Steuerausfällen in Höhe von 1,5 bis 2,5 Milliarden DM pro Jahr belasten würde?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0808328000
Das kann ich nicht nur bestätigen, das kann ich auch noch ergänzen, und zwar um die Forderungen nach völliger Abschaffung der Gewerbesteuer, der Lohnsummensteuer usw. Das würde die Gemeinden noch sehr viel stärker belasten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die CDU/CSU hat im September den weiteren Antrag eingebracht, den Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer von 14 auf 15 % zu erhöhen. Nach dem gegenwärtigen Stand würde das etwa 730 Millionen DM Mindereinnahmen des Bundes bedeuten. Ich weiß nicht, wie Sie einen solchen Einnahmeausfall der zugleich eine entsprechende Erhöhung der Nettoverschuldung bedeuten würde, rechtfertigen wollen.
Jedenfalls hat mich der Haushaltsausschuß — ich denke, die Entschließung liegt auch dem Bundestag vor; die werden Sie dann alle gemeinsam beschließen — zur Konsolidierung des Haushalts aufgefordert. Ich bin gerne bereit, dieser Aufforderung, soweit ich das kann und soweit das im wirtschaftspolitischen Gesamtinteresse möglich ist, nachzukommen. Nur verträgt sie sich nicht mit dem, was Sie hier vorschlagen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

In Wirklichkeit wollen Sie die Bundesregierung zu einer noch höheren Kreditaufnahme veranlassen, um sie dann publikumswirksam wegen einer angeblichen Schuldenpolitik anprangern zu können. Sie werden verstehen, daß sich die Bundesregierung auf eine solche Strategie nicht einlassen kann. Ebensowenig werden wir die berechtigten Anforderungen des Bundes an das gesamtstaatliche Steueraufkommen gegen die Gemeinden ausspielen lassen. Die Bundesregierung wird sich immer für eine ausreichende Finanzausstattung der Gemeinden aussprechen. Ob es dazu einer Verbesserung des Anteils der Gemeinden an der Einkommensteuer bedarf, kann nur im Gesamtzusammenhang der Entwicklung von Einnahmen und öffentlichen Ausgaben beurteilt werden.
Eine Erhöhung wird nur dann zu verwirklichen sein, wenn dabei die Gleichmäßigkeit der Finanzausstattung sowohl im Verhältnis der beiden staatlichen Ebenen zueinander als auch im Verhältnis dieser beiden Ebenen zu den Gemeinden hergestellt wird.
Der Bund hat im letzten Jahr mit 21,8 Milliarden DM 12,7 % seiner Ausgaben durch Kreditaufnahme gedeckt, die Länder mit 7,7 Milliarden DM nur 4,8 % und die Gemeinden mit 3 Milliarden DM nur 2,7 %. In diesem Jahr werden der Bund rund 31 Milliarden DM, die Länder dagegen nur 19 Milliarden DM und die Gemeinden 4,5 Milliarden DM an Krediten aufnehmen müssen.
Auf den Bund kommen weitere Haushaltsrisiken zu, die gesamtstaatlicher Art sind, z. B. in Kokskohlenbeihilfe und die Kohlesubvention im Interesse vor allem der Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland, Hilfen für die deutsche Fischerei im Interesse der Küstenländer und nicht zuletzt wachsende Anforderungen aus Europa und aus einer Reihe von internationalen Entwicklungen.
Die Bundesregierung wird in der Offentlichkeit deutlich darlegen, wie der Bund seiner gesamtstaatlichen Verantwortlichkeit für die wirtschaftliche Wiederbelebung, für Wiederherstellung und langfristige Sicherung der Vollbeschäftigung, für Investitionen in die Zukunft, für die Energievorsorge, für ein leistungsfähiges Bildungssystem, für soziale Sicherheit, für innere und äußere Sicherheit, für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und für eine solidarische internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit nachkommt. Sie wird ebenso deutlich darlegen, wie maßgebliche Kräfte in der CDU und in der CSU darauf hinarbeiten, daß die Länder dem Bund dabei im Stich lassen.
Herr Spilker, als Sie vorhin sagten, das Geld sei alle und die Kassen seien leergefegt, haben Sie vielleicht an die Parteikasse der CSU gedacht. Beim Bund ist das nicht so.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Das war schon sehr schön! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Ist die wirklich voll, die Kasse? — Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU]: Wenn Sie Geld haben, dann geben Sie es doch her! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann können Sie doch heute zustimmen!)

Ich füge ausdrücklich hinzu, daß es in den unionsgeführten Regierungen der Bundesländer Gott sei Dank auch Kräfte gibt, die sich einer kurzfristigen Parteistrategie der Konfrontation von Bund und Ländern nicht unterordnen wollen, sondern die gesamtstaatliche Verantwortung höher stellen. Ich hoffe, daß bei den nächsten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Neuaufteilung der Umsatzsteuer dies der Maßstab sein wird.
Nur im Rahmen einer gesamtstaatlichen Betrachtung, im Rahmen eines Gesamtpakets, das sich an objektiven Gesichtspunkten ausrichtet, kann über eine Verbesserung der Gemeindefinanzen entschieden werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0808328100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zunächst zur Beschlußempfehlung auf Drucksache 8/1596. Der Finanzausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 8/593 abzulehnen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag des Finanzausschusses ist angenommen. Damit ist der Antrag auf Drucksache 8/593 abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung in zweiter Beratung über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
des Gemeindefinanzreformgesetzes — Punkt 5 der Tagesordnung —. Der Finanzausschuß empfiehlt auf der Drucksache 8/1662, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe auf Artikel 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Nach § 84 Abs. 3 der Geschäftsordnung unterbleiben deshalb jede weitere Beratung und Abstimmung.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses. Unter Nr. 2 wird die Annahme einer Entschließung empfohlen. Wer dem zustimmt, bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Der Ausschuß empfiehlt ferner, den Antrag auf der Drucksache 8/881 für erledigt zu erklären. Es erhebt sich kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 20. September 1976 zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik
— Drucksache 8/1136 —Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/1702 —
Berichterstatter: Abgeordneter Simpfendörfer
i) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß)

— Drucksache 8/1572 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Narjes

(Erste Beratung 58. Sitzung)

Ich frage die Herren Berichterstatter, ob eine Ergänzung des Berichts gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in zweiter Beratung und Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 8/1606 — Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß (federführend)

Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Wird eine Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Broll.

(Vorsitz: Vizepräsident Stücklen)


Werner Broll (CDU):
Rede ID: ID0808328200
Meine Herren Präsidenten! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als gestern im Innenausschuß bekanntgegeben wurde, daß heute das „Müllgesetz" beraten werde, war mein Kollege Dr. Gruhl gleich hell begeistert. Erst als er erfuhr, daß es sich nicht um ein Gesetz mit dem Thema Abfallbeseitigung oder gar Atommüll handele, sondern um den Kosenamen, den die Beamten des Innenministeriums dem „Achten Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften" gegeben haben, war er weniger begeistert. Er erklärte sich aber immerhin bereit, auch den „Beamtengesetzgebungsmüll" beiseite zu räumen. Wir waren allerdings der Meinung, daß das von Herrn Kollegen Dr. Gruhl vielleicht doch ein bißchen zu rigoros gemacht werden könnte. Deswegen stehe ich heute als Fraktionssprecher hier; denn nichts liegt uns mehr am Herzen, Herr Staatssekretär, als der Regierung dabei zu helfen, Abfall zu beseitigen, der übriggeblieben ist aus jenen glorreichen Jahren der Koalition, als noch jeden Tag eine Reform gemacht wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So geht es in diesem Gesetz in der Tat um eine ganze Menge von Routineangelegenheiten, redaktionellen Änderungen, Anpassungen an den neuesten Stand der Rechtsprechung usw., die nur den Liebhaber interessieren. Der schwierige Kernpunkt dieses achten Besoldungs- und Beamtenrechtsänderungsgesetzes ist ganz zweifellos die Hochschullehrerbesoldung. Wenn es sich auch um eine Angelegenheit handelt, die vorwiegend die Länder bezahlen und bei der die Länder natürlich auch die Vorschläge ausgearbeitet bzw. zumindest Ratschläge gegeben haben für das, was das Innenministerium tut, so, meine ich, müssen wir uns im Innenausschuß und im Plenum mit diesen Dingen doch etwas genauer beschäftigen. Die bedeutende Reform der Hochschullehrerbesoldung, die Ablösung der H-Besoldung und deren Ersetzung durch die C-Besoldung, war ja die Folge des Hochschulrahmengesetzes und, wenn wir einmal grob sagen dürfen, der gesamten Hochschulreform. Damals war in dem Zweiten Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts im Jahre 1975 für den 1. Januar 1977 die Einführung der neuen C-Besoldung beschlossen worden. Dann war der Termin durch das Haushaltsstrukturgesetz um ein Jahr und durch das Gesetz zur Änderung des Haushaltsstrukturgesetzes noch einmal um ein halbes Jahr verschoben worden.
Dann aber sind die Länder noch entschlossener gewesen, die finanziellen Folgen der Bildungsreform nicht auf sich zu nehmen, die eigentlich in



Broll
der Änderung des Hochschullehrerwesens und des Hochschulwesens insgesamt natürlich als Konsequenz enthalten waren. Damals hatte man bei dem Hochschulrahmengesetz den großen Kraftakt versucht, in einem Anlauf eine Reihe von Zielen zu verfolgen. Man wollte erstens Fachhochschulen und Hochschulen und die Lehrer dieser Hochschulen, deren Status sehr unterschiedlich war, in einem einzigen schematischen System unterbringen. Man wollte zweitens wirkliche oder vermeintliche Privilegien der Hochschullehrer beseitigen. Man wollte Unterschiede, die zwischen den Ländern bestanden haben mögen, beseitigen, damit auch nirgendwo noch etwa ein föderalistisches Blümchen blühte. Das alles wollte man mit ein wenig kulant geschnittenen Besoldungsgruppen versüßen.
So fing man — abgesehen von C 1, der für die Hochschulassistenten, damals noch Hochschuldozenten genannt, vorgesehene Gruppe, von der wir jetzt nicht zu reden brauchen — bei C 2 mit A 14 an und endete nach 15 Dienstalterstufen bei A 15. Bei C 3 fing man bei A 15 an und endete bei A 16 nach der gleichen Zahl von Dienstaltersstufen. Bei C 4, dem höchsten Rang der Hochschullehrerbesoldung, fing man mit A 16 an und endete bei B 4.
Hinzu kam bei den Hochschullehrern, die in der Gruppe C 4 waren, noch die Möglichkeit, durch verschiedene Berufungsverhandlungen bis zur Bezahlung von B 10 aufzusteigen, etwa einem Ministerialdirektor. Wer noch mehr verdienen wollte, wurde dann auf die literarische Tätigkeit oder andere Einnahmequellen verwiesen.
Die Länder sind nun nicht mehr bereit, die rund 80 Millionen DM zu tragen, die die Einführung der C-Besoldung bringen würde oder gebracht hätte. Der Entwurf der Bundesregierung, der nun vorliegt, bringt Veränderungen in diesem Bereich. Man fängt in C 2 jetzt nicht mehr bei A 14 an und endet bei A 15, sondern man nimmt A 14, bleibt bei A 14 und legt nur in jeder Dienstaltersstufe 200 Mark darauf. Entsprechendes gilt bei C 3 und C 4. Das bedeutet, daß man am Anfang in den ersten Dienstaltersjahren zulegt, am Ende aber, da man ja an A 14 gebunden bleibt, heruntergeht und bis zu 350 bis 380 DM monatlich weniger in Aussicht stellt als vorher. Man gibt also in den unteren Gehaltsstufen hinzu, in denen sich ohnehin kein Professor an einer Hochschule befindet, weil man noch zu jung ist, und nimmt dort weg, wo man bezahlt.
Nun scheinen tatsächlich die Professoren den besonders kunsthaften Charakter dieses sozialen Ausgleichs nicht begriffen zu haben. Man ist schwer enttäuscht, erbost, fühlt sich hintergangen oder betrogen um die Hoffnungen, die man sich gemacht hat. Wir müssen zugeben, daß die alte C-Besoldungsordnung der Ausgleich für eine ganze Menge von Beschneidungen im Status der Hochschullehrer sein sollte. Man wollte sie dafür entschädigen, daß die Emeritierung wegfiel, d. h. die Entpflichtung bei Beibehaltung des vollen Gehaltes. Man wollte dafür entschädigen, daß das Hörergeld seit 1965 überhaupt nicht mehr angehoben worden war, während alle anderen Beamteneinkünfte, wie wir wissen, zum Teil erheblich angehoben worden sind. Man wollte sie für mancherlei Erschwerungen entschädigen, die der Hochschullehrerdienst in den letzten Jahren mit sich gebracht hat. Man wollte sie auch für den Mangel an Aufstiegschancen entschädigen, die sie natürlich in diesem System nicht haben — im Unterschied etwa zu einem hierarchisch gegliederten Ministerialapparat. Man wollte sie dafür entschädigen, daß die Erreichung der Höchstbezahlung durch Berufungsverhandlungen in diesem Gesetz erheblich erschwert wird. Die jetzigen Hochschullehrer haben persönlich keinen Nachteil, weil ihnen natürlich die Bestandsgarantie gegeben wird; aber der Status des Hochschullehrers insgesamt wird durch die neu zugeschnittene C-Besoldung erheblich beeinträchtigt. Der Übergang zu entsprechenden Stellen, etwa eines Richters am Oberlandesgericht in eine entsprechende Professorenstelle, ist heute nicht mehr interessant, da der entsprechende Professor durchschnittlich etwa 500 DM — in den einzelnen Stufen etwas mehr oder weniger — weniger als der betreffende Richter oder Höhere Verwaltungsbeamte verdient. Das hat durchaus etwas mit der Qualität der Wissenschaft und der Lehre an den Hochschulen zu tun. Insofern verstehen und akzeptieren wir völlig die Kritik, die die Hochschullehrerverbände an dieser neuen C-Besoldung üben.
Man kann — das müssen die Länder sich sagen lassen; es tut mir leid, daß ich nicht den Unterschied zwischen Freiheit und Sozialismus am Beispiel der Hochschullehrerbesoldung zeigen kann, weil hier leider Gottes CDU- und SPD/FDP-regierte Länder mehr oder weniger in einem Boot sitzen — und man muß den Ländern sagen, daß es nicht geht, Reformen anzufangen, etwa Rang der Fachhochschulen und Anforderungen an die Fachhochschulen zu erhöhen, die Fachhochschullehrer in die Besoldung einzubeziehen, wodurch sie von ihrer bisherigen Eingruppierung in A 14, A 15 nun in Zukunft nach C 2 und C 3 kommen sollen, auch spürbare Mehreinnahmen haben werden, um dann die Kostenneutralität dadurch zu erreichen zu versuchen, daß man die alten Hochschulprofessoren heranzieht und sie in ihrem Gehalt geschmälert werden. Das wäre — wir wollen diese Methoden durchaus nicht einführen —, als wenn in Zukunft die Gehälter der Staatssekretäre dadurch kostenneutral erhöht werden, daß man die Ministergehälter kürzt. Das ist eine Sache, die auch in den Ländern und in den Landtagen nicht so ohne weiteres akzeptiert werden würde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein guter Vorschlag!)

Es ist ein Naturgesetz, daß, je mehr wir uns bemühten, die Beamtenbesoldung gerecht zu gestalten, die Beamtenschaft insgesamt desto unzufriedener geworden ist. Man muß sich aber dennoch nicht unbedingt an das Prinzip des alten österreichischen Ministerpräsidenten Graf Taaffe halten, der gesagt hat, es genüge schon, wenn es einem gelänge, ein gleichmäßig temperiertes Maß von Unzufriedenheit über das ganze Reich zu verbreiten. Zumindest hier scheint es so, daß die erhebliche Unzufriedenheit im Bereich der Hochschullehrer begründet ist. Wir müssen uns im Innenausschuß überlegen, ob wir nicht dem Antrag des Kulturausschusses des Bun-



Broll
desrates folgen wollen, der die alte C-Besoldung zugrunde legt und nur eine Minderung um etwa 100 DM pro Gehaltsstufe oder um 2,5 % vorsieht. Das ist eine Sache, mit der sich die Hochschullehrer zwar mit „knirschenden Zähnen", aber doch wohl einverstanden erklären könnten.
Wir begrüßen die Initiative des Bundesrates, die einmaligen Unfallentschädigungen, die das Beamtenversorgungsgesetz vorsieht, um 25 % zu erhöhen. Bei den Morden an den Begleitern von Siegfried Buback und Hanns Martin Schleyer ist der Offentlichkeit bekanntgeworden, wie bescheiden die Absicherung der Angehörigen der damals ermordeten Polizeibeamten ist. Somit ist dies ein vernünftiger Schritt, den wir begrüßen. Daß die Bundesregierung, dieser guten Anregung des Bundesrats folgend, dann noch den weiteren Vorschlag hinzugefügt hat, diese Anhebung auch auf das Soldatenversorgungsgesetz zu erweitern, ist selbstverständlich in Ordnung. Es ist leider so, daß manchmal erst spektakuläre Ereignisse dazu führen, daß der gesetzgeberische Apparat in Gang gesetzt wird und das - Notwendige geschieht.
Wir sind nicht überrascht — damit komme ich zu einen dritten Punkt —, daß die Bundesregierung nun die Verlängerung der Sondergenehmigung vorschlägt, daß im Bereich der inneren Sicherheit beim Bund und in einigen anderen Bereichen bei den Ländern den Beamten zwischen 40 und 80 Überstunden pro Monat finanziell vergütet werden können. Beim BKA sollen sogar, wenn das nicht durch Freistunden abgegolten werden kann, Beamten über 80 Überstunden monatlich vergütet werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Mehrarbeitsvergütung ist ein notwendiges Übel. In der Debatte am Ende des letzten Jahres ist bereits darauf hingewiesen worden, daß sie alles andere als sympathisch ist und daß wir allen Grund haben, die Länder dringend aufzufordern, die Personalstellen im Bereich der inneren Sicherheit so auszuweiten, daß bei den ja bekanntermaßen auch noch in Zukunft drohenden Belastungen — etwa in der Bekämpfung des Terrorismus und beim Schutz von Kernkraftwerken vor gewalttätigen Demonstrationen — die Polizei ihre Pflicht tun kann, ohne daß die einzelnen Beamten über die Maßen gesundheitlich strapaziert werden.
Wir sind dankbar dafür, daß uns die Gewerkschaft der Polizei, so sehr sie sich auch immer — natürlich auch in diesem Fall - für die Gesundheit und das Recht ihrer Mitglieder einsetzt, in dieser Beziehung unterstützt, weil sie die Notwendigkeit einsieht, den Ländern noch drei Jahre zu geben, bis die Ausbildungskapazität so ausgeweitet wird, daß dann eine Vergütung von mehr als 40 Überstunden pro Monat endgültig nicht mehr notwendig sein dürfte.
Ich sagte schon, daß unsere Zustimmung, die ich in diesem Bereich schon in Aussicht stelle, nichts daran ändert, daß wir in den Überstundenvergütungen an sich ein großes Ärgernis sehen und daß wir die Länder auffordern, dafür zu sorgen, daß diese Notwendigkeit eines Tages beseitigt sein wird.
Wir glauben auch — wir werden das im Ausschuß zu behandeln haben —, daß die Erlaubnis, sogar mehr als 80 Überstunden im Monat finanziell zu vergüten, auf Teile des Bundesgrenzschutzes und auch auf bestimmte Sicherheitsbereiche der Länder aus- gedehnt werden kann. Es ist eine Tatsache, daß die Polizei und der Bundesgrenzschutz sowohl die Ausbildung als auch den normalen Dienst nicht aufrechterhalten könnten, wenn sie gezwungen wären, allen Beamten die Stunden in Freizeit zu vergüten, die sie an Wochenenden und nachts häufig aufbringen müssen, um ihren Dienst an uns allen zum Zweck der Sicherheit zu tun.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Ich möchte bei der Gelegenheit auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß die Überstundenvergütung de facto minimal ist. Der Anreiz ist wirklich nicht sehr groß. Wenn etwa ein Polizeioberwachtmeister 40 Stunden pro Monat vergütet bekommt, so bekommt er brutto 10,30 DM, netto 6,22 DM pro Stunde; ein Oberkommissar bekäme 7,20 DM netto pro Stunde. Das ist ein gewaltiger Stundenlohn! Wenn wir ihn mit dem vergleichen, was der Betreffende normalerweise — wenn man sein Gehalt zugrunde legt — für eine Dienststunde bekommt, oder auch mit dem, was im privatwirtschaftlichen Bereich für Nachtarbeit und für Überstunden mehr als beim normalen Tariflohn gezahlt wird, müssen wir sagen: Auch dies muß einmal bedacht werden.
Im übrigen habe ich den Eindruck, daß die Geringfügigkeit der Überstundenvergütungen mit die Ursache dafür ist, daß die Länder so wenig bereit sind, hinreichend mehr Stellen auszuwerfen.
Sehr skeptisch sind wir, wenn wir hören, daß die Länder auch für den staatlichen Gesundheitsdienst und den ärztlichen Dienst in den Kliniken eine Vergütung von 40 bis 80 Überstunden bis zum Ende des Jahres 1980 wünschen. Ich bin wirklich nicht sicher, ob das nötig ist. Das Angebot an Medizinern zumindest ist hinreichend. Natürlich ist für die Ärzte der Anreiz, ins Krankenhaus zu gehen, wiederum größer, wenn sie Überstundenvergütungen bekommen können; sie verdienen ja wohl ohnehin etwas weniger, als wenn sie sich in einer Praxis niederlassen würden.
Wir müssen auch akzeptieren, daß die Länder selbst als Krankenhausträger unter dem Druck der Kassen stehen, die sich offenbar, wie mir berichtet wird, immer noch nicht bereit erklären, bei den Plefgesatzverhandlungen hinsichtlich der Stellenpläne die Empfehlungen der Krankenhausgesellschaft von 1973 zu beachten; sie verlangen immer noch, daß man sich nach den sehr viel bescheideneren Empfehlungen des Jahres 1969 richtet. So stehen die Krankenhausträger, in diesem Falle die Länder, zwischen zwei Feuern, und wir werden im Ausschuß darüber zu reden haben, daß dies auf die Dauer unmöglich ist.
Ich will auch noch darauf hinweisen, daß das ganze System der Überstundenbezahlung ständige Quelle von Unzufriedenheit ist. Bei der Bundeswehr, speziell beim Heer, leisten z. B. 60 % aller Soldaten 50 Stunden pro Woche, 12 % zwischen 50 und 60



Broll
Stunden und 5 % über 60 Stunden pro Woche — nicht privat durch übermäßiges Engagement, sondern durch Dienstbefehl, nach offiziellem Dienstplan —, ohne eine einzige Stunde vergütet zu bekommen. Auch dies muß für die Länder Anlaß sein, die Ungleichheit zu beseitigen und durch Einrichtung von entsprechend mehr Stellen eine vernünftige Regelung zu schaffen.
Lassen Sie mich zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf hinweisen, daß dieses achte Gesetz allerdings nicht nur mit dem schnöden Mammon zu tun hat, sondern auch, sagen wir, ein „bedeutendes" Dokument sprachgeschichtlicher Entwicklung ist. Nach Art. II soll das „Institut für angewandte Geodäsie" in „Institut für Angewandte Geodäsie" umbezeichnet werden. Wenn Sie gut hingehört haben, werden Sie gemerkt haben, daß der Unterschied darin besteht, daß im ersten Fall das Wort „angewandt" klein-, daß es jedoch zukünftig großgeschrieben werden soll.

(Heiterkeit und Zurufe)

Wenn Sie nun bedenken, daß Worte realitätsbildende und -verändernde Kraft haben

(Zuruf von der CDU/CSU: Und kostenlos sind!)

und Sie hier sehen, daß aus einer Qualitätsbezeichnung nichts als ein bloßer Titel wird, so müssen wir befürchten, daß in Zukunft in diesem Institut die Geodäsie nicht mehr angewandt wird; da habe ich also erhebliche Bedenken.

(Heiterkeit)

Andererseits bin ich sehr erfreut, daß in Artikel II Nr. 9 der Präsident der Deutschen Bundesbahn nicht mehr wie bisher als „Vorsitzender des Vorstandes", sondern als „Vorsitzer des Vorstandes" bezeichnet werden soll. „Vorsitzender", dieses Partizip, dieses Mittelwort der Gegenwart, drückt so richtig die Behäbigkeit aus, mit der jemand auf seinem Posten sitzen und kleben kann, während das Nomen agentis „Vorsitzer" allein schon das Dynamische, das Aktive, das Macherische ausdrückt, das wir ja von diesem Mann verlangen.

(Zurufe und Heiterkeit)

Diesem Vorschlag, meine Damen und Herren, werden wir bestimmt zustimmen. Das ist der Beitrag des Innenausschusses zur Sanierung der Bundesbahn.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808328300
Das Wort hat der Abgeordnete Liedtke.

Karl Liedtke (SPD):
Rede ID: ID0808328400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, daß wir uns in dem an sich sehr schwierigen und in der Reflexion von außen fast immer wenig dankenswertem Gebiet der Besoldung des öffentlichen Dienstes noch immer einmütig in die gleiche Richtung bewegen. Anders wäre es 1971 wohl auch nicht möglich gewesen, eine Grundgesetzänderung zu erreichen. Ich kann mich also auf wenige zusätzliche Bemerkungen beschränken.
Erstens. Es handelt sich um die erste Lesung. Ein Gesetzentwurf, der uns erreicht, ist immer verbesserungsfähig und auch änderungswürdig in einigen Teilen. Den Beschwerden der Hochschullehrer möchte ich freilich behutsam entgegenhalten, daß es geübter Stil dieses Hauses ist, weitgehend den Forderungen und dem Begehren der Länder zu folgen, wenn die Personalkosten ganz oder fast ausschließlich in ihrem Bereich auftreten. Das ist in diesem Hochschulbereich der Fall.
Das Hochschulrahmengesetz löste, wie Sie richtig sagten, die Veränderung der Personalstruktur und in der Nachfolge logischerweise auch der Besoldungsstruktur aus. Der erste Entwurf, der uns mit den Wunschelementen der Länder angereicht wurde, war diesen im nachhinein zu teuer; sie wünschten eine Fassung, die sich gegenüber dem jetzigen Zustand kostenneutral darbietet. Das ist im wesentlichen, ohne daß ich die innere Gültigkeit und Gerechtigkeit dieses Entwurfs jetzt beurteilen will, der Fall. Gegenüber dem nicht in Kraft gesetzten ersten Entwurf werden rund 80 Millionen DM eingespart. Ein bißchen bemerkenswert — und dann will ich hier auch schon schließen — ist die Tatsache, daß wir 1971 in die allgemeine Besoldungsvereinheitlichung die Besoldungsordnung A — sie betrifft die aufsteigenden Beamten —, die Besoldungsordnung B — sie betrifft die höheren Beamten mit den Festgehältern —, die Besoldungsordnung R — sie gilt für Richter und Staatsanwälte — eingebunden haben und daß wir in diesem schwierigen Bereich immerhin bis zum Jahre 1978 brauchten, um nun die Letz- ten, d. h. die Hochschullehrer, in die allgemeine Norm eines einheitlichen Besoldungsgesetzes auf Bundesebene einzubinden. Ein Stück Besoldungsgeschichte in dieser Demokratie bringen wir damit zum Abschluß, wie gerecht oder weniger gerecht sie in einzelnen Teilen immer sein mag.
Damit beginnt aber auch die zweite große Aufgabe, nämlich auf der Basis eines einheitlichen Besoldungsrechtes nun auch zu einer funktionsorientierten Bezahlung bundesweit von Schleswig-Holstein bis Bayern durchzustoßen — eine Arbeit, die diesen Bundestag in der zweiten Hälfte und wohl auch noch Teile des nächsten Bundestages beanspruchen wird. Schwierig ist dies halt allemal, wenn man sich dabei um möglichst viel Gerechtigkeit bemüht. Es geht immerhin um Millionen von Menschen in diesem Bereich. Dann muß man sehr nah an die einzelnen Aktivposten heran. Damit wird das Ganze nur immer schwieriger. Es ist auch gut, wenn wir als Bundestagsabgeordnete einmal sagen, daß es auch für uns immer schwerer wird, sich bis in die feinsten Verästelungen hineinzudenken und sie zu erkennen, denn was uns angereicht wird, ist immer subjektiv und standortgebunden.
Ich teile und unterstreiche auch die von Ihnen dargestellte Ansicht, daß wir gemeinsam uns schwertun, angesichts der Arbeitsmarktsituation nun noch einmal für drei Jahre Sonderüberstunden zu gewähren. Ich betone lediglich, daß wir sie für den Bund begrenzt haben auf die Beschäftigten im engeren Bereich der inneren Sicherheit, Bundesnachrichtendienst, und, wie es so schön im Gesetz



Liedtke
heißt, auf das eingeschiffte Personal auf Forschungsschiffen.
Ich darf damit schließen und sage allen ungeduldigen Stimmen, die uns schon geschrieben haben: Es ist eine erste Lesung. Wir werden über die Vorschläge, die man uns eingereicht hat, noch nachdenken. Wir sind dankbar, wenn man uns das hier in der notwendigen Ruhe und Gelassenheit tun läßt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808328500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.

Dr. Friedrich Wendig (FDP):
Rede ID: ID0808328600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Nach den Ausführungen meiner beiden vorangegangenen Kollegen kann ich mich in meinen Ausführungen, wie ich glaube, recht kurz fassen, zumal, was den wesentlichen Inhalt des Entwurfs angeht, hier das Wesentliche bereits gesagt worden ist. Auch in der Tendenz vertrete ich für meine Fraktion in etwa die gleiche Auffassung.
Bei der Debatte am 24. November des vergangenen Jahres, als wir über die Fristverlängerungen sprachen, habe ich für meine Fraktion damals an die Zustimmung die Erwartung geknüpft, daß die Bundesregierung zügig der Forderung des Bundesrates entspricht, die ursprünglich bereits zum 1. Januar dieses Jahres vorgesehene neue Hochschullehrerbesoldung mit dem Ziel der Kostenneutralität zu überprüfen. Diesem unserem Petitum ist die Bundesregierung mit der Vorlage dieses Entwurfes gefolgt. Wie schon zum Ausdruck gebracht, stehen im Vordergrund des Gesetzentwurfs Änderungen besoldungsrechtlicher Vorschriften, insbesondere für Professoren an Hochschulen und für die Hochschulassistenten. Diese Änderungen sind aus zwei Gründen notwendig geworden, nämlich erstens, wie schon von meinen Vorrednern erwähnt, befand sich das inzwischen in Kraft getretene Hochschulrahmengesetz bei den damaligen Beratungen noch im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. Dies macht heute zum einen eine Reihe von mehr technischen Änderungen erforderlich, die auf den ersten Blick schwer zu übersehen sind. Vor allen Dingen aber waren neue Überlegungen notwendig, weil an Stelle des ursprünglich einmal vorgesehenen Amtes des Hochschuldozenten das nach Status und Verwendung abweichende Amt des Hochschulassistenten geschaffen worden ist. Da beide Ämter einander nicht gleichwertig sind, muß nun der Hochschulassistent besoldungsrechtlich entsprechend eingestuft werden. Das zweite sind die Regelungen des Haushaltsstrukturgesetzes, das hier insbesondere die Aussetzung der Geltung einzelner Vorschriften für Professoren an Hochschulen und Hochschuldozenten bis zum 31. Dezember 1977 angeordnet hat, was wir nun im vergangenen Jahr verlängert hatten.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich im einzelnen wegen der Entstehungsgeschichte, die ja schon Gegenstand der Debatte war, nur kurz auf die Begründung des Gesetzentwurfs verweise. Ich möchte allerdings auch für mich noch einmal deutlich machen, daß es Wunsch der Länder war, die Besoldungsordnung C möglichst kostenneutral einzuführen. Dies hat die Bundesregierung bei den Beratungen des Haushaltsstrukturgesetzes im Vermittlungsausschuß am 11. Dezember 1975 zugesagt.
Den Wunsch nach einer möglichen Kostenneutralität haben die Regierungschefs der Länder mehrmals in einschlägigen Beschlüssen unterstrichen. Ihnen ist die Bundesregierung gefolgt. Es war für die Bundesregierung in einem gewissen Sinn sicher folgerichtig, so zu verfahren, da die vorgesehenen gesetzlichen Änderungen fast ausschließlich den Bereich der Länder betreffen. Insoweit war und ist es konsequent, daß die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme überwiegend den Vorschlägen des Bundesrats zu diesem Entwurf gefolgt ist.
Dies entbindet uns als Parlament indessen nicht von der Verpflichtung, den vorliegenden Entwurf unter allen Gesichtspunkten sorgfältig zu überprüfen. Ich stimme dem Kollegen Broll zu, daß die C-Besoldung so, wie sie einmal konzipiert war, in einem gewissen Gesamtzusammenhang stand, den wir heute nicht einfach schlicht leugnen können.
Wir werden bei der Überprüfung, in die wir ganz offen eintreten werden, in gewissen Bereichen unter anderem die alternativen Vorschläge beispielsweise des Kulturausschusses des Bundesrats zu berücksichtigen haben, denen allerdings die Bundesratsausschüsse des Innern und der Finanzen nicht entsprochen haben. Gleiches gilt für die Erwägungen, die die betroffenen Verbände an uns herangetragen haben.
Mir ist bewußt, daß den im Gesetz vorgesehenen Einsparungen Kritik seitens der Hochschullehrer begegnen wird. Dafür muß man Verständnis haben. Gerade in den nächsten Jahren werden von den Hochschulen, insbesondere von den Hochschullehrern, besondere Leistungen bei den Überlastprogrammen im Interesse der geburtenstarken Jahrgänge gefordert werden müssen. Wir können sicher nicht zulassen, daß die jungen Menschen der geburtenstarken Jahrgänge schlechter gestellt werden als die, die sich bereits in der Ausbildung befinden. Deswegen haben auch die Hochschullehrer und die Hochschulen einen Anspruch darauf, bei der Lösung der anstehenden Probleme nicht allein gelassen zu werden.
Unsere Beratung, ganz gleich, wie ihr Ergebnis sein wird, sollte den falschen Eindruck vermeiden, hier könne eine Tendenz der Unterbewertung der Leistungen der Hochschullehrer im Gesamtsystem des öffentlichen Dienstrechts zum Ausdruck kommen. Aber auch der Zusammenhang mit dem Haushaltsstrukturgesetz, das auch andere Beamte betroffen hat, muß hier immer wieder deutlich herausgestellt werden.
Mehr möchte ich zu diesem Komplex Hochschulbesoldung als dritter Redner in der ersten Lesung nicht sagen.
Erlauben Sie mir noch einige kurze Bemerkungen zu den Vorschriften über die Verlängerung der Regelung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung.



Dr. Wendig
Bereits in der zweiten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur, als es um die Verlängerung bis zum 31. Dezember 1977 ging, habe ich an dieser Stelle zum Ausdruck gebracht, daß wir dem wegen der zwingenden Notwendigkeiten besonders im Sicherheitsbereich nicht widersprechen können. Auch ich halte das für ein notwendiges Übel. Ebenso klar muß sein, daß nochmalige Verlängerungen u. a. aus arbeitsmarktpolitischen Gründen unerwünscht sind und im Grunde nicht in Frage kommen sollten.
Ich unterstreiche deshalb nochmals meine bereits damals geäußerte Erwartung, daß die gesamte Problematik der Mehrarbeitsvergütung nach Auffassung meiner Fraktion noch einmal grundsätzlich erörtert und dann abschließend und vernünftig geregelt werden sollte. Vor allem kommt es darauf an, die notwendigen Stellen gerade im Sicherheitsbereich auszubringen und zu besetzen.
Mehr möchte ich in der ersten Lesung zu diesem Entwurf nicht sagen.
Die FDP-Bundestagsfraktion stimmt der vorgeschlagenen Ausschußüberweisung zu.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808328700
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf auf Drucksache 8/1606 federführend an den Innenausschuß und mitberatend an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen.
Ich bemerke keine gegenteilige Meinung. Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die von ihr in den Rechnungsjahren 1973, 1974, 1975 gemäß § 96 BVFG getroffenen Maßnahmen
— Drucksachen 8/586, 8/1564 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Krey
Abgeordneter Dr. Nöbel
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauer.

Helmut Sauer (CDU):
Rede ID: ID0808328800
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Ihnen in der Drucksache 8/586 vorliegenden Bericht der Bundesregierung über die gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes getroffenen Maßnahmen und dem Ihnen in der Drucksache 8/1564 vorliegenden Ausschußbericht möchte ich für die CDU/CSU folgendes ergänzen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Bericht an sich jährlich zu erstatten. Erst später wurde durch einen Ausschußbeschluß eine Zweijahresberichterstattung vereinbart. Dieser Bericht für die Jahre 1973 bis 1975 erscheint jedoch mit erheblicher Verspätung. Seit dem Bestehen der Berichtspflicht, seit dem Jahr 1957, wurden regelmäßig Berichte vorgelegt, insgesamt sieben.
Seit 1969 jedoch wurde innerhalb von acht Jahren einschließlich dieses Berichts leider nur zweimal seitens der Bundesregierung berichtet, und während der Amtszeit des Bundeskanzlers Willy Brandt ist nicht einmal ein Ausschußbericht gefertigt worden.
Der eigentliche Zweck dieser jeweils zweijährigen Berichterstattung, nämlich über die aktuelle Lage Rechenschaft abzulegen, wurde durch diese Unterlassungen seit 1969 nicht erreicht. So müssen wir heute über das Geschehen in weit zurückliegender Zeit diskutieren. Daher begrüßt die CDU/CSU-Fraktion die Empfehlung des Ausschusses, künftig zu Beginn und in der Mitte jeder Legislaturperiode dem Bundestag einen solchen Bericht vorzulegen, also im Zweijahresrhythmus.
Erfreulich ist, daß dieser Bericht jetzt dem Deutschen Bundestag erstmals als Bundestagsdrucksache vorliegt und die Bundesregierung im Gegegensatz zur zurückliegenden Zeit auf eine vertrauliche Behandlung des Berichts verzichtet hat. Diese Form der öffentlichen Berichterstattung über die Verwendung bescheidener 3,7 Millionen DM wird allen Kritikern im eigenen Lande, insbesondere aber auch den Agitatoren aus dem Ostblock, für ihre Vorwürfe, hier würden in einem Übermaß Steuermittel für Kriegshetze und Revanchismus hinausgeworfen, den Wind aus den Segeln nehmen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Der Bundesinnenminister, Herr Professor Maihofer, hat durch all das, was dieser Bericht an erfreulichen Maßnahmen enthält, bewiesen, daß er es mit seiner Aussage in seiner Rede zum 20jährigen Bestehen des Bundes der Vertriebenen in der Frankfurter Paulskirche, ihm liege die Pflege des kulturellen Erbes der Vertriebenen besonders am Herzen, wirklich ernst meint. Dies soll an dieser Stelle dankbar anerkannt werden.
Damit möchte ich für die CDU/CSU-Fraktion auch den Dank an alle jene Mitarbeiter verbinden, die in den beteiligten Ministerien die Grundlagen für diesen Bericht erarbeitet haben, ebenso den Berichterstattern, den Kollegen Krey und Nöbel.
Insbesondere gebührt auch dem Kollegen Dr. Nöbel von der sozialdemokratischen Fraktion des Hauses Dank, da er als Vorsitzender der eigens für diesen Bericht berufenen Arbeitsgruppe erreicht hat, daß dieser Bericht, der in den intensiven Sachberatungen teilweise kontrovers diskutiert wurde, in einer Atmosphäre gegenseitigen Verständnisses so abgeschlossen werden konnte, daß wir Ihnen heute eine einstimmige Beschlußempfehlung vorlegen können.
Der federführende Ausschuß und die mitberatenden Ausschüsse haben im übrigen von Anbeginn



Sauer (Salzgitter)

j der Versuchung widerstanden, die ost- und mitteldeutsche Kultur von der gesamtdeutschen zu spalten und damit nationalistischen und chauvinistischen Forderungen der kommunistischen Seite, diesen Teil deutscher Kultur der Vergessenheit preiszugeben, eine Abfuhr erteilt. Damit haben wir auch gemeinsam gegen die Thesen des Nationalrats der Nationalen Front in der DDR Stellung bezogen; denn die DDR verfolgt unter Einsatz beträchtlicher Mittel beharrlich ihre politische Abgrenzungspolitik gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Ziel ist eine Eigenprofilierung ihrer kulturellen Entwicklung, und gleichzeitig will sie ihre angebliche Überlegenheit als Sachwalterin eines nationalen und, wie sie sagt, eines zugleich sozialistischen Kulturerbes draußen propagieren.
Ob und in welchem Ausmaß diese Bemühungen — ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Interpretation von Kurt Hager im „Neuen Deutschland" und auf die Veröffentlichung von Ruth Kähler im Dietz-Verlag in Ost-Berlin — Erfolg haben oder eines Tages sich selbst ad absurdum führen werden, hängt entscheidend davon ab, wieweit es uns gemeinsam gelingt, unsere kulturelle Auslandsarbeit einfallsreich und überzeugend voranzutreiben.
Die Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses, die Auslandsarbeit zu verstärken, wird von der CDU/CSU-Fraktion begrüßt und nachdrücklich unterstützt, denn hier wird eine langjährige Forderung meiner Fraktion übernommen.
Die Bundesregierung hat in dem Bericht zu Recht festgestellt, daß die Förderung der ost- und mitteldeutschen Kultur eine Daueraufgabe ist. Denn es würde zu einer unverantwortlichen Verarmung der deutschen Kultur führen, wenn dieser Anteil im Bewußtsein unseres Volkes und des Auslandes nicht lebendig erhalten wird.
Trotz der Teilung unseres Vaterlandes haben wir von der Einheit der deutschen Kultur auszugehen. In diesem Zusammenhang sollte man sich bewußt werden, daß es beim polnischen Nachbarvolk in Zeiten seiner Teilungen stets das kulturelle Erbe gewesen ist, das den Bestand der polnischen Nation auch ohne gemeinsamen Staat gesichert hat. Beachten sollten wir auch, daß die Förderungsmaßnahmen Brücken der Völkerverständigung im Osten sind. Freilich ist dies ein Beitrag als Teil der deutschen, der ostdeutschen Kultur und nicht einer interethnischen.
Darüber hinaus aber werden die Förderungsmaßnahmen auch wesentlich zur Vertiefung des Europagedankens beitragen können. Deshalb ist die ostdeutsche Kultur nicht nur ein besonderer Bestandteil der gesamtdeutschen Nationalkultur, sondern auch ein wichtiger Teil gesamteuropäischer Kultur. Insbesondere jedoch soll durch diese Förderung nach § 96 den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen weiterhin die Möglichkeit der Bewahrung, Fortentwicklung und Entfaltung ihrer Kultur gegeben, aber auch unseren Aussiedlern soll erleichtert werden, in der neuen Heimat Wurzeln zu schlagen.
Die Erhaltung, Pflege, Entfaltung und Festigung des ost- und mitteldeutschen Kulturerbes birgt in sich,
daß diese Aufgabe nicht aus unseren allgemeinen politischen Grundauffassungen herausgelöst werden kann. Um der guten Sache willen sollten wir auf allen Seiten des Hauses bemüht bleiben, Kulturpolitik von jeglicher Art der Macht- oder Parteipolitik fernzuhalten. Beachten wir bei der Vergabe der Mittel an einzelne Verbände und Organisationen auch die Mahnung des Bundesverfassungsgerichts, daß durch die Dosierung von Finanzmitteln unliebsame Verbände nicht an die Kette gelegt werden sollen!
Wir gehen sicher auch darin einig, daß vor allem die Vertriebenen, Flüchtlinge und auch die Aussiedler selbst für diese Aufgabe der Kulturarbeit die Berufensten in unserem Volke sind. Sie werden sich dieser Aufgabe weiterhin mit besonderer Hingabe widmen. Die Deutschen aus dem Osten waren zwar im Materiellen auf den Lastenausgleich angewiesen, im geistig-kulturellen Bereich sind sie es wahrhaftig nicht. Kultur und Sprachgut sind Grundwerte der Ostdeutschen, mit denen sie wahrhaft wuchern können. Ich denke an Herder, Kant, Kleist, Eichendorff, Gustav Freytag, Agnes Miegel, die Gebrüder Hauptmann, Hermann Stehr oder an die zeitgenössischen Schriftsteller wie Siegfried Lenz, Lipinski-Gottersdorf, Rakette, Taubitz oder Piontek. Dies trifft natürlich ebenso für die mitteldeutschen Landsleute zu. Denken Sie an Lessing und Bach oder z. B. an die Weimarer Zeit von Schiller und Goethe.
Die Verbände der Ostdeutschen, insbesondere die Landsmannschaften und die in der Gesamtorganisation des Bundes der Vertriebenen bzw. des Bundes der Mitteldeutschen zusammengeschlossenen Mitbürger, haben selbstlose und uneigennützige hervorragende Arbeit geleistet. Verantwortung und Verpflichtung für diesen Auftrag werden unmittelbar Betroffene naturgemäß stärker motivieren, als es unter staatlicher Aufsicht „Dienstleistende" — oft ohne innere Beziehung zum deutschen Osten — zu tun vermögen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Dem sollte bei der Zumessung der finanziellen Mittel aber dann auch Rechnung getragen werden, wie es in der Beschlußempfehlung unter Nr. 2 b) sowohl unter ff als auch unter gg eindeutig und gemeinsam gefordert wird. Herr Staatssekretär von Schoeler, ich darf jetzt schon darauf aufmerksam machen, daß wir in nächster Zeit, insbesondere nach der Entscheidung über die Westvermögen-Zuführungsverordnung, darauf zurückkommen werden.
Die gesetzliche Verpflichtung des § 96, der beinhaltet, daß das Kulturgut im Bewußtsein — ich betone: im Bewußtsein — der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu verankern ist, ist wirklich ernst zu nehmen. Wir müssen bei der Förderung immer darauf achten, daß wir nicht — und die Gefahr sehe ich bei einzelnen Fördermaßnahmen — kleine, elitäre Zirkel, weltferne Spezialarbeiten oder isolierte Gruppen fördern. Vielmehr geht es darum, wie künstlerische, wie schriftstellerische und wie wissenschaftliche Leistungen neben der musealen Arbeit dem Bewußtsein breiter Schichten im In- und Ausland nahegebracht werden.



Sauer (Salzgitter)

Entsprechend der Gliederung innerhalb des Berichts der Bundesregierung mache ich für die CDU/ CSU-Fraktion noch folgende Einzelbemerkungen.
Zu III: Kunst- und Künstlerförderung. Hier fehlen Ausführungen über die Pflege ostdeutscher Theaterdichtung und die Förderung der literaturwissenschaftlichen Forschung. Auch sollten ostdeutsche Dichterlesungen viel mehr genutzt und gefördert werden. Dabei darf auch aus nationalen Gründen einmal die Frage geprüft werden, ob bei vergleichbarem künstlerischem Wert nicht gerade auch in der Preisverleihung diejenigen einen Vorrang erhalten sollten, die sich bemühen, die ostdeutsche und die gesamtdeutsche Komponente darzustellen.
Zu IV: Sicherung des dinglichen Kulturgutes. Hier muß ich darauf hinweisen, daß die Unterbringung des ehemaligen Königsberger Staatsarchivs im staatlichen Archivlager zu Göttingen sowie das dort befindliche bedeutsame Archiv des Deutschen Ordens wirklich unbefriedigend sind.

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Angesichts der Tatsache, daß die Ordensgeschichte wohl das umstrittenste Kapitel der deutschen bzw. der polnischen Geschichtsschreibung ist, hätten diese beiden Archive meines Erachtens, z. B. im Interesse des nötigen Widerspruchs gegen die polnische Darstellung, mit Vorrang ausgewertet werden sollen.
Zu V: Förderung von Wissenschaft und Forschung. Hier ist leider, obwohl der Bericht die Zeit von 1973 bis 1975 umfaßt, über die Förderung wissenschaftlicher und populärer Darstellungen von Kopernikus wenig berichtet worden. Dagegen hat die polnische Seite während des Kopernikusjahres erheblich mehr Leistungen als die deutsche Seite erbracht.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Die Frage, ob überhaupt und inwieweit unter der Rubrik „Förderung von Wissenschaft und Forschung" Forschungsarbeiten über eine objektive Darstellung der Rechtslage ganz Deutschlands sowie der Rechte der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge im Lichte des allgemeinen Völkerrechts und der Auslegung der Ostverträge in verfassungskonformer Hinsicht seitens der Bundesregierung und bezüglich der Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts noch in dem Rahmen des § 96 aufzunehmen sind, ist leider offengeblieben.
Das gleiche gilt bedauerlicherweise auch für die wissenschaftliche Prüfung der deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen. Der Drang nach aufrichtiger Wahrheitsfindung und nach Wahrhaftigkeit ohne Rücksicht auf Tabus liegt doch im Interesse beider Völker.
Die zum Teil in Archiven der Bundesregierung — das ist allgemein unbekannt —, z. B. des Auswärtigen Amtes, befindlichen Dokumente über frühere Bemühungen um die Schulbücher in den deutsch-polnischen Beziehungen zeigen gegenüber einem damals unerträglichen — ich betone: damals unerträglichen — nationalsozialistischen Druck auf deutscher Seite gegenüber den polnischen Gesprächspartnern und andererseits eine viel objektivere Haltung der freiheitlichen und weltweit anerkannten damaligen polnischen Historiker zu den deutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren vor 1939. Hier könnte sich die Bundesregierung mit Hilfe des Auswärtigen Amts durch Bestrebungen nach einer objektiven Überprüfung dieser deutschpolnischen Schulbuchempfehlungen sehr verdient machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu Kapitel VI: Kulturelle Breitenarbeit. Meines Erachtens sind die Breitenarbeit sowie die Hinweise auf die Verdienste der Landsmannschaften, und zwar der ost- wie der mitteldeutschen Landsmannschaften, und des Bundes der Vertriebenen in ihrer Kulturarbeit sowohl zu schwach als auch nicht präzise genug dargestellt worden.
Bedauerlicherweise wurde jedoch z. B. die Arbeit, die bisher vom West-Ost-Kulturwerk in Bonn zum größten Teil ehrenamtlich geleistet worden ist, überhaupt nicht erwähnt. Das Kulturwerk hat z. B. im Kopernikusjahr fast als einzige Einrichtung eine große Veranstaltung über Kopernikus durchgeführt, an der neben dem Apostolischen Nuntius eine Vielzahl diplomatischer Missionen teilgenommen hat. Auch die Corinth-Ausstellung hier in Bonn, bei deren Eröffnung 41 Bundestagsabgeordnete und eine große Zahl Journalisten anwesend waren, ist in diesem Zusammenhang nicht erwähnt worden.
Auch das segensreiche Wirken der kirchlichen Vertriebenenarbeit sollte endlich einmal ausführlich dargestellt werden, z. B. des Hedwigswerkes der katholischen Schlesier, der Ackermann-Gemeinde der sudetendeutschen Katholiken, der Eichendorff-Gilde oder auch der Diözesanvertriebenenseelsorger, aber auch andererseits die Arbeit des Konvents der zerstreuten Ostkirchen im evangelisch-lutherischen Bereich. Hierzu gehört — das ist fast untergegangen — die Breitenarbeit der zahlreichen Jugendverbände.
Im Abschnitt VII wird neben der ausführlichen Darstellung der regionalen Kulturwerke die Arbeit des Ostdeutschen Kulturrates gewürdigt. Leider wird kaum Stellung dazu genommen, ob die dem Ostdeutschen Kulturrat ministeriell versuchsweise zugewiesene Kooperationsaufgabe angesichts der wirklich hohen Finanzierungsmittel die erwartete Effizienz gebracht hat und ob die Erfüllung der Aufgaben nach § 96 durch seine Tätigkeit wirklich verbessert worden ist. In diesem Zusammenhang verweise ich mit Nachdruck auf die Berichterstattung in der Drucksache auf Seite 5 unter VII und betone daß gemeinsame Erörterungen der Aufgaben nicht Weisungen und Richtlinien gegenüber anderen Verbänden oder anderen kreativen Aktivitäten bedeuten dürfen.
Im Abschnitt VIII und damit im letzten Abschnitt gibt die Bundesregierung einen sogenannten Ausblick. Doch ich finde, der Ausblick ist unvollständig, weil er keine konkreten Planungen und Vorhaben enthält. Auch wird das Problem des Zurücktretens der Erlebnisgeneration meines Erachtens überbetont. Nicht, daß diese Aussage dem Grunde nach falsch



Sauer (Salzgitter)

wäre, sie ist jedoch nur zu einem Teil richtig: Sie trifft für den Teil der Erlebnisgeneration zu, der im Zeitpunkt der Vertreibung auf der Höhe seiner Schaffenskraft stand. Die jüngeren Jahrgänge sind doch noch keineswegs zum Zurücktreten reif. Ich stimme dennoch der Empfehlung zu, daß die Weitergabe dieser bedeutsamen deutschen Aufgabe mehr und mehr von der Ergebnisgeneration auf und an die Bekenntnisgeneration erfolgen muß.
Ich sagte vorhin, daß ich einige konkrete Planungen vermisse. Daher möchte ich einige Vorschläge namens der Fraktion ,der CDU/CSU unterbreiten:
Erstens. 1978 haben wir das Herder-Jahr. Die DDR trifft umfangreiche Vorbereitungen, natürlich unter ideologischen Gesichtspunkten. Wir sollten das Wirken dieses Ostpreußen in bezug auf die nationale Entwicklung unserer osteuropäischen Nachbarn, denen er fundamentale Impulse gegeben hat, auch aus unserer Sicht deutlich machen. Das gleiche gilt für die Arbeiten des Dichters Kleist.
Zweitens. Die Breslauer Universität scheint uns in der germanistischen Forschung zu überflügeln. Wir sollten die Literaturforschung Schlesiens, z. B. über Eichendorff, verstärken.
Drittens. Das Eichendorff-Museum befindet sich in einem Privathaus in Wangen. Forscher aus aller Welt, auch aus dem Ostblock, arbeiten dort unter primitivsten Verhältnissen. Hier sollte dringend etwas geschehen, ebenso in der Forschung über Gustav Freytag.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Koblitz [SPD] : In Wangen gibt es doch nichts Primitives!)

— Das Museum ist wirklich in einem Privathaus untergebracht, und es ist wirklich eine Schande, wie dort das Eichendorff-Studium getätigt werden muß.
Viertens. Die Forschung in der Osteuropageschichte und in der Slawistik ist in ihrer Bedeutung gegenüber den Forschungsergebnissen der Weimarer Zeit sehr zurückgefallen. Früher war die deutsche Wissenschaft in diesen Fragen führend. Wir sollten daher von uns aus für die Förderung von Lehrstühlen Impulse geben. Denken wir auch daran, daß mit den Aussiedlern eine große Zahl von Akademikern zu uns kommt, die nicht nur slawische Sprachen beherrschen, sondern zum Teil auch genaue Kenner des Standes der Wissenschaft in diesem Bereich, aber auch des Denkens und Fühlens unserer osteuropäischen Nachbarvölker sind. Hier liegt ein beachtlicher Reichtum an persönlicher, sprachlicher und wissenschaftlicher Erfahrung so gut wie brach.
Lassen Sie mich auch in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die Bundesregierung und einzelne Landesregierungen hierbei Fehler korrigieren können, die sie sich vor wenigen Jahren geleistet haben, als sie den Göttinger Arbeitskreis, den Königsteiner Kreis und das Herder-Institut finanziell eingeschränkt haben.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Motivation für die Förderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz und die Aufgaben und Ziele der Förderung werden grundsätzlich richtig gesehen, auch wenn einige Schwerpunkte unterbewertet werden und leider nicht immer dargestellt wird, inwieweit die gesamte Kulturarbeit dem Bewußtsein des deutschen Volkes nahegebracht werden konnte. Es ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzesauftrag nicht nur kulturpflegerische Akzente setzt, sondern nachhaltig kulturpolitische Akzente erwartet. Ich betone dies wegen der Bemerkung im letzten Absatz des Ausblicks bezüglich der Pflege des ostdeutschen Kulturgutes innerhalb der Nationalstiftung.
Auch in einer Nationalstiftung sollte ostdeutsches Kulturgut nicht nur museal verwaltet werden. Es sollte bekanntgemacht und die Aktivitäten sollten gefördert werden.
Namens der Fraktion der CDU/CSU bitte ich das Hohe Haus und die Bundesregierung, sich der Erfüllung dieses Auftrags wegen seiner gesamtdeutschen und auch europäischen Bedeutung weiterhin bewußt zu sein. Für diese Entwicklung sollten wir gemeinsam insbesondere die junge Generation mehr als bisher aktivieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808328900
Das Wort hat der Abgegeordnete Nöbel.

Dr. Wilhelm Nöbel (SPD):
Rede ID: ID0808329000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich den von Ihnen, Herr Kollege Sauer, ausgesprochenen Dank Ihnen und allen Kollegen, die in der Arbeitsgruppe mitgearbeitet haben, zurückgeben.
Heute bleibt festzustellen: Eine Unterrichtung der Bundesregierung über die von ihr getroffenen Maßnahmen im Bereich der Pflege des ostdeutschen Kulturguts und der Förderung der wissenschaftlichen Forschung findet erstmals Eingang in die Plenarberatungen des Deutschen Bundestages — eine parlamentarische Initiative, die allerdings dar- auf zurückzuführen ist, daß der Regierungsbericht über die Jahre 1973 bis 1975 von besonderer Aussagekraft ist. Die bisherigen Berichte — sechs an der Zahl — über die Jahre 1957 bis 1972 blieben meist aus verschiedenen Geheimhaltungsgründen der Offentlichkeit vorenthalten. Wenn Sie sagten, Herr Kollege Sauer, der Bericht sei nicht aktuell bzw. die früheren Berichte seien in kürzeren Abständen gegeben worden, so weise ich darauf hin, daß der Bericht 1963 bis 1966 ebenfalls einen Zeitraum von drei Jahren umfaßte und daß die Möglichkeit des mündlichen Berichts stets gegeben ist.
Schließlich haben wir uns darauf geeinigt, jeweils zu Anfang und zur Mitte der Wahlperiode den schriftlichen Bericht zu erwarten.
Aber wiçhtiger noch ist folgendes: Heute sind die Geheimhaltungsgründe, etwa von 1960, nicht mehr gültig. Die damalige Bundesregierung war der Meinung — ich darf zitieren —,
daß die gesamte deutsche Ostarbeit einschließlich der Kulturarbeit und im besonderen Maße die deutsche Ostforschung in den Ostblockstaaten mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und



Dr. Nöbel
mit propangandistischer Zielsetzung zum Anlaß genommen werden, deutschen Stellen revanchistische und imperialistische Motive zu unterschieben.
Meine Damen und Herren, wir meinen: Seit dem ist nicht nur die Zeit ins Land gegangen, sondern insbesondere auf Grund der Ost- und Entspannungspolitik der sozialliberalen Regierungen konnten sowohl klimatische Verbesserungen als auch konkrete Fortschritte erzielt werden. Und damit beweisen wir auch, daß wir demokratisch offener geworden sind.
In diesem Zusammenhang erwähne ich beispielhaft das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik Polen über kulturelle Zusammenarbeit, das am 25. November 1977 in Kraft getreten ist. Dieses Abkommen geht auf den Warschauer Vertrag von 1970 zurück, der die umfassende Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen vorsieht. Es heißt dort:
. .. in der Erkenntnis, daß eine Ausweitung der Zusammenarbeit im Bereich der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen im gemeinsamen Interesse liegt.
Sicherlich wird die Umsetzung dieses Abkommens in künftigen Berichten eine wesentliche Rolle spielen müssen; denn die Praktizierung dieses seit knapp fünf Monaten gültigen Abkommens bedeutet z. B. eine Erleichterung der Benutzung von Bibliotheken, Archiven, Museen durch Wissenschaftler beider Länder, die Förderung des gegenseitigen Verständnisses über die Darstellung der Geschichte, Geographie und Kultur in den Schulbüchern, die Entwicklung der Zusammenarbeit in Unterrichtung und Studium beider Sprachen, Künstleraustausch und kultureller Erfahrungsaustausch, gemeinsame Konferenzen, Wettbewerbe, Jugendaustausch, Zusammenarbeit zwischen Hörfunk, Fernsehen und Massenmedien insgesamt.
Hier sind nicht nur die Regierungen angesprochen und gefragt, sondern auch die Parlamente, besonders aber die kulturellen Institutionen. Die Aufgaben liegen nicht nur in den kommenden Jahrzehnten vor uns — dann auch —, sondern jetzt können und müssen wir sie auf der geschaffenen Grundlage angehen.
Aber auch die von der Bundesregierung vorgelegte Unterrichtung über die Jahre 1973 bis 1975 ist ein überzeugender Bericht, für den die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dankt. Ebenfalls sind die interfraktionellen Bemühungen, Herr Kollege Sauer, auf die Sie hingewiesen haben, zu begrüßen, einen gemeinsamen Nenner zu finden und die Grundlage, auf der alle Fraktionen des Parlaments konkrete, also der Sache dienliche Beiträge zu eventuellen Verbesserungen liefern können. Eine Arbeitsgruppe des Innenausschusses — sie wurde erwähnt — wird sich dieser Zielsetzung auch weiterhin annehmen. Auch diese interfraktionelle Vereinbarung ist neu und wird sich als nutzbringend erweisen.
Bund und Länder haben entsprechend ihrer durch das Grundgesetz gegebenen Zuständigkeit das Kulturgut der Vertreibungsgebiete in dem Bewußtsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslands zu erhalten. So lautet der Auftrag gemäß § 96 des Gesetzes über Angelegenheiten dér Vertriebenen und Flüchtlinge. Deshalb ist die gemeinsame Linie aller Fraktionen dieses Hauses nicht nur erwünscht, sondern wichtig; denn nicht nur der Bund, auch die Länder, auch die Kommunen leisten Beiträge. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf die vielen Hundert Patenschaften hinweisen.
Der federführende Innenausschuß hat den Bericht der Bundesregierung einhellig gewürdigt und festgestellt, daß er — ich darf zitieren — „anerkennenswerterweise eine sehr umfangreiche Darstellung der Maßnahmen zur Kunst- und Künstlerförderung, zur Sicherung des dinglichen Kulturgutes, zur Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie eine Würdigung der regionalen Kulturwerke der Vertriebenen und der zentralen Institutionen enthält und in einem Ausblick wesentliche Feststellungen" trifft.
Im Haushaltsjahr 1977 standen allein beim Bundesminister des Innern 3,774 Millionen DM für die Pflege des ostdeutschen Kulturgutes zur Verfügung. Wir halten diesen Betrag für mitteilenswert, zumal im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik, bei den Ländern und Gemeinden zusätzliche Mittel bereitstehen. Die Bundesregierung versucht, in der Drucksache 8/586 die vielfältigen Förderungsmaßnahmen entflechtend und übersichtlich darzustellen. Das ist anschaulich gelungen. Natürlich läßt eine solche Darstellung Detailaspekte vermissen, die der eine oder andere schließlich doch erwähnt wissen möchte. Aber die Kritik in den Ausschußberatungen war durchweg positiv. Ich habe auch ihre Kritik, Herr Sauer, heute so verstanden. Sie will sich als Unterstützung verstanden sehen, die das Parlament der Regierung für die Zukunft anbietet.
Das, was fehlt, ist im wesentlichen bereits in früheren Berichten ausführlich dargestellt worden. Deshalb wird in der Vorbemerkung auf die — wie es dort heißt — „Vermeidung von Wiederholungen" hingewiesen.
Alle sieben bisher vorgelegten Berichte haben auf Grund des Gesetzesauftrages ein und dieselbe Voraussetzung. Es darf keinen staatlichen Dirigismus geben, der die Eigengesetzlichkeit der kulturellen Entwicklung tangiert. Die öffentliche Hand fördert eigenständige Arbeitsträger, ermöglicht schöpferische Initiativen, hat allerdings die Effektivität zu prüfen und sollte Anregungen vermitteln. Dabei ist es unerläßlich, den entsprechenden Institutionen eine langfristige Planung zu sichern — und das geschieht —; denn eine Abhängigkeit von nur kurzfristig überschaubaren Zuwendungen wäre nicht vertretbar.
Da niemand Staatsdirigismus will, muß jeder die Schwierigkeiten einsehen, die der kulturelle Spielraum mit sich bringt. Das Gesetz über Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge kann daher nicht mehr sein als ein Grundsatzgesetz, was insbesondere für dessen § 96 zutrifft. Dieser Kulturparagraph enthält nur die allgemeine Weisung an Bund und Länder. Es fehlen also — das geht gar nicht



Dr. Nöbel
anders — nicht nur unmittelbar wirksame materiellrechtliche Regelungen; es kommt hinzu die geteilte Verantwortung in unserem föderalistischen System. Der Vorteil liegt in der Möglichkeit, alle Aktivitäten auf dem Gebiet der ostdeutschen Kulturpolitik aus unterschiedlichen Aspekten und breit angelegter Verantwortung zu fördern. Unbestritten bleibt, daß die wirtschaftliche und soziale Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie ihrer Nachkommen in der Regel abgeschlossen ist. Unbestritten ist die Pflege und Fortentwicklung der ostdeutschen Kultur als Daueraufgabe. Unbestritten muß auch sein, daß die staatliche Förderung an vorhandene, teilweise seit Jahrzehnten nun schon arbeitende Institutionen gebunden ist, aber gleichzeitig die sich wandelnden Verhältnisse berücksichtigen muß.
Ich denke an das aktuelle Problem der Eingliederung der Aussiedler; diese muß eine gesamtgesellschaftliche, also nicht zuletzt die kulturelle Betreuung mit beinhalten. Hier hat die Politik der Bundesregierung Grundvoraussetzungen geschaffen, die sich sehen lassen können. Die Konsequenz geht so weit, daß alle Parteien gemeinsam aufgerufen sind, kritischen Teilen unserer Öffentlichkeit zu erklären, warum diesen Menschen in besonderer Weise geholfen werden muß. Es darf nicht sein, daß Aussiedlern, die endlich in ihr Vaterland zurückkehren konnten, offen oder auch hinter vorgehaltener Hand von ihrer neuen, einheimischen Nachbarschaft bedeutet wird, sie seien eigentlich doch keine Deutschen, oder daß ihnen ein Wust von Bürokratie, von Formularstapeln ins Haus kommt, dem sie sich hilflos ausgesetzt fühlen, zumal sie in den Ostblockländern nie oder selten mit Formularen konfrontiert worden sind. Wenn dann noch tüchtige Geschäftsleute hierzulande diese Hilflosigkeit zum eigenen Vorteil ausnutzen, weil denen, wie sie meinen, ohnehin mit Steuergeldern unter die Arme gegriffen wird, ist dies der Gipfel. Das ist keine bundespolitische Angelegenheit. Es geht die Kommunen, Regierungspräsidenten, Länder und uns alle als engagierte Bürger an. Diese Menschen haben sich nach der Freiheit gesehnt, manche ein ganzes Leben lang. Aber das ist nicht die Freiheit, die sie erwartet haben. Das ist Pseudo-Freiheit, mit der sie nicht nur nicht fertig werden, sondern die sie fertigmacht.
Die vorliegende Beschlußempfehlung auf Drucksache 8/1564 bitten wir anzunehmen. Wir warnen allerdings davor, daß in den § 96 des Bundesvertriebenengesetzes Regelungen hineininterpretiert werden, die nicht hineingehören, da sie anderweitig bereits geregelt sind oder gegebenenfalls vielleicht auch anderweitig geregelt werden müssen.
Wir werden uns bei den weiteren Beratungen der Förderung auch davor zu hüten haben, Flüchtlinge, Vertriebene, Landsmannschaften in verschiedene Klassen einzustufen. Ich darf dies als einer, der in Bonn geboren ist

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das gibt es noch?)

— das gibt es auch noch —, sich aber seit vielen Jahren mit Fragen der Ostforschung und der Geschichte des deutschen Ostens intensiv befaßt hat, frei von jedem Lobbyismus, auch ohne jedwede
Unterstellung — das sage ich, damit das nicht falsch verstanden wird —, objektiv feststellen.
Wir haben uns auch davor zu hüten, ostdeutsche Kulturpolitik isoliert zu betreiben. Die Chance liegt einzig und allein in der Integration, in der Gesamtschau deutscher Kultur, um sie im In- und Ausland bewußter zu machen.
Unsere Hilfe wird auch konkret erwartet, nicht in großen Sprüchen, auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene. Wenn ich beispielsweise mit ansehen muß, wie das wissenschaftliche Jahrhundertwerk „Grundriß der deutschen Verwaltungsgeschichte, 1815 bis 1945" herausgegeben hier in Bonn von Professor Walther Hubatsch, im Formularwesen und im Unverständnis voh Beamten einiger Bundesländer, sowohl CDU- als auch SPD-geführter Landesregierungen, längst erstickt wäre, wenn dieser Mann nicht außergewöhnliche Selbstbehauptung besäße, gehe ich mit meinen Freunden im Innenausschuß um so stärker und überzeugter an diese gemeinsame Aufgabe heran, die Bundesregierung zu unterstützen, in ernster und tatsächlicher Berücksichtigung auch von Vorschlägen der Opposition in einer unbestritten ehrenvollen Aufgabe.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808329100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.

Dr. Friedrich Wendig (FDP):
Rede ID: ID0808329200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt den Bericht, den die Bundesregierung gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes über die Förderung des kulturellen Erbes aus den Vertreibungsgebieten erstattet hat. Der Bericht weist, wie ich meine, aus, daß die Bundesregierung ihrem Gesetzesauftrag in dem Berichtszeitraum zufriedenstellend nachgekommen ist. Vor allen Dingen möchte ich aber meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß wir nach einer so offenen und umfassenden Darstellung durch die Bundesregierung hier erstmalig auch in einer solchen offenen Breite diskutieren. Ebenso begrüße ich dankbar die offene und sachliche Aussprache im Unterausschuß. Das gilt für alle, die darin mitgearbeitet haben.
Ich will in meinen Ausführungen weitgehend davon absehen, auf die einzelnen in dem Bericht aufgeführten Maßnahmen näher einzugehen. Dies ist schon sehr umfassend gewürdigt worden. Ich möchte etwas anderes ausführen. So wichtig die kritische Betrachtung von Haushaltsansätzen ist und wie sehr auch Einzelmaßnahmen erläutert und danach gewichtet werden müssen, so bleibt doch die allgemeine und grundsätzliche Frage vorrangig, die uns immer wieder bewegt, welche Voraussetzungen und welche Grenzen einer Ausfüllung, einer Erfüllung des Auftrages aus § 96 des Bundesvertriebenengesetzes unter den heutigen Verhältnissen gesetzt sind. Der Auftrag als solcher steht fest: die Erhaltung des kulturellen Erbes aus den Vertreibungsgebieten im Bewußtsein seiner ehemaligen Bewohner, der übrigen Bevölkerung und des Auslandes.



Dr. Wendig
Zu Recht weist die Bundesregierung darauf hin, daß dies — das sage ich jetzt — auch bei möglicherweise veränderten Verhältnissen eine Daueraufgabe ist. Dabei besteht die Aufgabe, heimische Kultur zu bewahren und fortzuentwickeln, hier nicht darin, etwa für die Vertriebenen und Flüchtlinge eine Art staatlich geförderte Schutzzone zu schaffen, die dann sehr leicht musealen Charakter gewinnt und damit inhaltlich erstarrt.
Es wird sehr oft vergessen, daß heimische, landschaftliche oder regionale Kultur auch den unmittelbarsten geistigen Lebensraum des einzelnen dar- stellt. Sie zu erhalten ist daher nebenbei auch ein Stück geistiger Freiheit. Auch in einer Zeit, die zunehmend die Züge einer überregionalen oder supranationalen geistigen Orientierung aufweist, behält diese Feststellung, wie ich meine, ihren besonderen Rang. Jeder — lassen Sie mich das für mich persönlich sagen —, der in seinem Leben einmal erfahren hat, was es bedeutet, den kulturellen Lebensraum, wenn auch nur zeitweilig, verloren zu haben, kann in voller Breite ermessen, welch enge Zusammenhänge zwischen der individuellen, der geistigen Freiheit und diesen regionalen kulturellen Beziehungen bestehen.
Für die übrige Bevölkerung der Bundesrepublik kommt es darauf an, das Bewußtsein der gemeinsamen deutschen Nationalkultur zu erhalten, die zu einem wesentlichen Teil nur aus der Gesamtschau der Regionalkulturen und ihren Einzelbeiträgen begriffen werden kann. Dies gilt auch für die auswärtige Kulturpolitik, die in dem Bericht der Bundesregierung nicht behandelt ist. Zu Recht spricht aber der Bericht der beiden Berichterstatter,. denen ich dafür danke, von einer auswärtigen Kulturpolitik, die von einer in vielfältigen Ausprägungen gemeinsamen deutschen Nationalkultur auszugehen hat. Ich unterstütze hierbei ausdrücklich den Hinweis, daß bei einer Darstellung der deutschen Nationalkultur durch die auswärtige Kulturpolitik auch der spezifische Gesetzesauftrag des § 96 beachtet werden sollte. Auch die Bitte des Innenausschusses an das Auswärtige Amt, eine noch bessere Erfassung der Maßnahmen nach § 96 zu überprüfen, findet unsere volle Zustimmung.
Dies ist für uns keineswegs der Ausdruck eines kulturellen oder kulturpolitischen Besitzstandsdenkens. Die Beiträge ostdeutscher Kultur zur deutschen Nationalkultur machen erst den vollen Inhalt der deutschen Nationalkultur aus. Sie nicht zu erhalten und fortzuentwickeln würde eine beachtliche Verengung unseres Kulturbewußtseins und eine Verarmung unserer Gesamtkultur bedeuten. Dies gilt auch für den Beitrag der deutschen Kultur zum abendländischen Kulturerbe. Ich bin davon überzeugt, daß über diese Grundsätze hier bei uns keine Meinungsverschiedenheit besteht.
Nun komme ich zu einem anderen Punkt. Dessen ungeachtet dürfen wir jedoch nicht übersehen, daß sich mit dem Fortgang der Zeit die Bedingungen, unter denen der Auftrag des § 96 zu erfüllen ist, gewandelt haben und auch aller Sicherheit nach ständig verwandeln werden. Zu Recht weist der Bericht der Bundesregierung auf das Zurücktreten der Erlebnisgeneration und den allgemeinen Generationenumschwung hin. Sicher ist den Berichterstattern und auch Ihnen, Herr Kollege Sauer, darin zuzustimmen, daß solchen Überlegungen keine übertriebene Bedeutung beigemessen werden darf. Man würde indessen den Kopf in den Sand stecken, wollte man eine solche Entwicklung nicht erkennen. Sie erkennen bedeutet doch nur, daß wir die Überlegung verstärken müssen, wie sich die Erfüllung des Auftrages nach § 96 den veränderten Bedingungen besser anzupassen hat.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung beschreibt in ihrem Bericht Möglichkeiten, wie diesen Gefahren zu begegnen ist. Das Ziel ist genannt: Das ostdeutsche Kulturerbe ist noch stärker in das allgemeine Kulturerbe einzubeziehen mit dem Ziel, es als eine der Quellen und einen der Bestandteile auch unserer zeitgenössischen Kultur deutlich herauszustellen. In diese Richtung weisen auch die Einzelempfehlungen des Innenausschusses in Ziffer 2 der Vorlage, die ich im einzelnen nicht näher erörtern möchte.
Eine besondere Rolle spielen in dem Bericht u. a. die Gedenkjahre großer Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler wie z. B. das Herder-Jahr, von dem schon die Rede war. Es ist richtig, daß solche Gedenkjahre auch im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik genutzt werden müssen; dies darf sicher nicht der DDR allein überlassen werden.
Das Herder-Jahr gibt mir aber Veranlassung, auf einen Gesichtspunkt hinzuweisen, der in dem Bericht ein wenig am Rande vorkommt. Herr Kollege Sauer hat ihn auch genannt. Ich meine die engen Beziehungen, die zwischen bestimmten Werken ostdeutscher Kultur und dem Kulturleben der benachbarten, vorwiegend slawischen Völker bestanden haben. Es sollte deshalb nicht verschwiegen werden, daß ostdeutsches Kulturschaffen nicht in einem Nebeneinander oder gar in einem Gegeneinander bestanden hat. Gerade das Lebenswerk Herders und dessen Einflüsse auf das kulturelle Selbstbewußtsein der benachbarten slawischen Völker sind hier ein gutes Beispiel — ebenso wie die Rückwirkungen dieser Entwicklung auf bestimmte Bereiche der deutschen Geisteskultur z. B. in der Romantik des 19. Jahrhunderts. Eine so verstandene Kulturpolitik richtet nicht Schranken auf, sondern baut Brücken zu einer besseren Verständigung unter den Völkern.
Die ist schließlich auch ein wesentlicher Inhalt des Ostkundeunterrichts, den der Bericht der Bundesregierung als einen bedeutsamen Teil im Aufgabenbereich des § 96 hervorhebt. Ostkunde, als Osteuropakunde verstanden, soll durch die Vermittlung von Kenntnissen , die Voraussetzungen für eine schöpferische Auseinandersetzung mit den Völkern Ost- und Südosteuropas schaffen. Dies dient wesentlich dazu, die ostdeutsche Leistung verständlich zu machen und eine friedliche geistige Auseinandersetzung mit den Völkern Ostmitteleuropas zu ermöglichen.
An dieser Stelle möchte ich wie Herr Kollege Dr. Nöbel auf das deutsch-polnische Kulturabkommen



Dr. Wendig
hinweisen, das eine Fülle von Möglichkeiten aufweist, die — werden sie ausgeschöpft — wesentliche Fortschritte für eine Verständigung zwischen den beiden Völkern bringen werden.
In diesem Zusammenhang nun noch ein Wort zu den deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen. Die Bundesregierung sollte — und so steht es auch in der Empfehlung — ihre Förderung nicht versagen, wenn diese Empfehlungen in wissenschaftlicher und didaktischer Hinsicht noch einmal überprüft werden. Daß das überprüfende deutsche Gremium wissenschaftlich und didaktisch unabhängig sein muß, ist für mich ebenso selbstverständlich, wie ich davon ausgehe, daß die deutschen Mitglieder der Schulbuchkommission dies ebenfalls gewesen sind. Dieser Bereich ist für die Entwicklung des deutsch-polnischen -Verhältnisses im Sinne einer Verständigung beider Völker von entscheidender Bedeutung. Ich weiß nicht, was die deutsch-polnischen Verhandlungen der Jahre 1934 bis 1938 enthalten haben. Ich weiß es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, Herr Kollege Sauer, wäre aber sehr dankbar, wenn wir hier durch das Auswärtige Amt eine nähere Aufklärung erfahren könnten.
Meine Damen und Herren, auf weitere Einzelheiten will ich jetzt nicht eingehen. Aber eine grundlegende Unterscheidung etwa zur Kulturpolitik der DDR und zu deren Voraussetzungen darf nicht ungenannt bleiben. Bei uns kann der Staat die erforderlichen Aktivitäten weder verordnen noch im einzelnen organisieren. Er ist deshalb auf die zahlreichen Kultureinrichtungen angewiesen, die sich mit dem Kulturerbe Ostdeutschlands befassen. Wir begrüßen nachdrücklich die Arbeit dieser Einrichtungen und der in ihr tätigen Bürger. Hier. gilt, wie für jede geistige und kulturelle Darstellung eines Volkes: Jeder staatliche Anstoß bleibt wirkungslos, wenn nicht in der Bevölkerung, wenn nicht in den Bürgern eines Landes der Drang zu einer kulturellen Betätigung, zu einer kulturellen und geistigen Selbstdarstellung vorhanden ist. Die Mitarbeit in den zahlreichen Kultureinrichtungen zeigt, daß dieses Bewußtsein bei uns in der Bundesrepublik lebendig ist. Dies läßt uns mit der begründeten Zuversicht erkennen und voraussehen, daß auch in Zukunft die Voraussetzungen für eine Erfüllung der Aufgaben nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes in der Bundesrepublik vorhanden sein werden.
Wir Freien Demokraten werden alles tun, um dies nach Kräften zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808329300
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808329400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum erstenmal wird ein solcher Bericht der Bundesregierung hier im Plenum des Deutschen Bundestages debattiert. Dem gingen ausführliche Beratungen in den Ausschüssen voraus. Diese Behandlung des Berichts zeigt, eine wie große Bedeutung Bundestag ebenso wie Bundesregierung dem ostdeutschen Kulturbereich beimessen. Ich bin dankbar für diese Einschätzung der oft nicht genügend. beachteten Bemühungen, das ostdeutsche Kulturerbe zu bewahren und lebendig zu erhalten, da ich wie wir alle vom hohen politischen Rang dieser Aufgabe überzeugt bin.
Die Beschlußempfehlung des Innenausschusses, die hier zur Beratung ansteht, enthält unter anderem das Ersuchen, bei der Gestaltung künftiger Berichte noch einige Gesichtspunkte mehr als bisher zu verdeutlichen. Im Bericht sind darüber hinaus eine Reihe von Empfehlungen zur künftigen Förderungspraxis ausgesprochen worden. Die Bundesregierung wird sich bemühen, diesen Wünschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gerecht zu werden und in ihren künftigen Berichten darauf einzugehen. Auch beim besten Willen wird bei künftigen Berichten aber eines nicht erreichbar sein, Herr Kollege Sauer, nämlich daß wir sämtliche Aktivitäten, die sich in diesem Bereich erfreulicherweise vollziehen, in einem solchen Bericht erwähnen. Wenn Sie einige Beispiele unerwähnter Aktivitäten hier vorhin im einzelnen dargelegt haben, dann bedeutet die Tatsache der Nichterwähnung im Bericht keinesfalls eine Nichtachtung dieser Aktivitäten, sondern es gibt eine natürliche Begrenzung, wenn der Bericht nicht so umfangreich werden soll, daß er schon wieder nicht mehr aussagekräftig ist.
Bei dieser Gelegenheit würde ich gerne auch noch auf einige andere Bemerkungen eingehen, Herr Kollege Sauer, die Sie gemacht haben. Sie haben die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten angesprochen, das Herder-Jahr 1978 zum Gegenstand von Aktivitäten zu machen. Ich teile Ihre Auffassung. Selbst wenn es uns nicht gelingen wird, die DDR auf diesem Gebiet zu überflügeln, so gibt es hier doch Zeichen für Aktivitäten in diesem Bereich. Der Herder-Forschungsrat wird in diesem Jahr, wie Sie wahrscheinlich wissen, eine Ausstellung veranstalten. Sie wird in Marburg stattfinden und wird voraussichtlich im Frühjahr 1979 auch hier in Bonn zu sehen sein. Das Bundesinnenministerium fördert diese Ausstellung. Das von Ihnen bereits erwähnte West-Ost-Kulturwerk plant für Dezember dieses Jahres eine Herder-Veranstaltung in Bonn. Auch diese Veranstaltung wird vom Bundesinnenministerium gefördert werden.
Ich möchte eine weitere Bemerkung von Ihnen, Herr Kollege Sauer, aufgreifen. Sie sagten, daß die kulturelle Breitenarbeit in diesem Bericht einen zu geringen Umfang einnehme. Ich nehme das zur Kenntnis. Ich muß darauf hinweisen, daß es schwierig ist, dièse Arbeit sehr plastisch darzustellen, nicht weil es eben nur wenige großartige, einzeln herausragende Ereignisse gibt, wie schon der Themenbereich sagt, den Sie angesprochen haben, sondern weil es um eine Vielzahl guter Aktivitäten geht. Aber wir wollen Ihre Anregung gerne prüfen und überlegen, ob wir diesen Bereich in zukünftigen Berichten noch mehr ausbauen können.
Ich möchte die Gelegenheit der Aussprache über diesen Bericht aber gern doch noch dazu verwenden, einige grundsätzliche Bemerkungen über die Weiterführung der Kulturarbeit zu machen. Die Pflege des ostdeutschen Kulturerbes stellt wegen der Beson-



Parl. Staatssekretär von Schoeler
derheiten dieses Erbes eine Aufgabe von großer Schwierigkeit dar. Diese Besonderheiten bestehen darin, daß der Raum, in dem sich die ostdeutsche Kultur entwickelt hat, verlorengegangen ist und daß die Menschen, die in diesem Raum lebten, nicht zusammenbleiben konnten, sondern weit verstreut wurden. Hier Wege zu finden, wie das ostdeutsche Kulturerbe lebendig erhalten werden kann, wird in erster Linie eine Aufgabe des Kulturbereichs selbst sein müssen. Herr Kollege Wendig hat bereits darauf hingewiesen, daß der Staat in diesem Bereich Aktivitäten nicht organisieren kann, nicht verordnen kann, wie Sie, glaube ich, gesagt haben, sondern daß er nur fördernd, unterstützend eingreifen kann.
Unter Berücksichtigung dieser Aufgabenabgrenzung werden in meinem Hause die Möglichkeiten für eine sinnvolle Weiterführung der Kulturarbeit im Vertriebenenbereich neu durchdacht. Diese Überlegungen werden zu gegebener Zeit mit den Ländern und Repräsentanten des Kulturbereichs der- Vertriebenen abzustimmen sein. Solche grundsätzlichen Überlegungen über die künftige Arbeit in diesem Bereich erscheinen mir aus Gründen erforderlich, die ich kurz darstellen will.
Die Kulturarbeit im Vertriebenenbereich wurde in der Vergangenheit und wird auch jetzt in erheblichem Umfang von den Angehörigen der Erlebnisgeneration — das ist bereits angesprochen worden — getragen. Diese Erlebnisgeneration hat mit großer Sachkunde, starkem Engagement und weitgehend ehrenamtlich Erstaunliches geleistet, und sie leistet es immer noch. Ohne den Gedanken des Zurücktretens dieser Generation überbetonen zu wollen — darin stimmen wir völlig überein, Herr Kollege Sauer —, werden wir doch, glaube ich, mittel- und längerfristige Überlegungen über die Weiterführung der Kulturarbeit diese Entwicklung, an deren Anfang wir stehen, nicht außer acht lassen können. Es gilt, mit verstärkter staatlicher Hilfe der Gefahr zu begegnen, daß das unabwendbare Abtreten dieser Generation in der Zukunft zu Leistungsverlusten führt.
Die Notwendigkeit, die Weiterführung der ostdeutschen Kulturarbeit zu durchdenken, ergibt sich nach meiner Auffassung im übrigen auch daraus, daß die Erfassung und Sicherung des ostdeutschen Kulturerbes inzwischen zu einem gewissen Abschluß gekommen sind, wenngleich auch hier noch manches zu tun bleibt. Für die Zukunft wird es darauf ankommen, verstärktes Gewicht auf eine Auswertung dieses Kulturgutes zu legen. Hier scheinen noch manche Lücken zu bestehen, die systematisch ermittelt und durch gezielt geförderte Vorhaben geschlossen werden sollten. Dieses entspricht auch der Forderung des Innenausschusses, auf überregionale Darstellungen ostdeutscher Kultur besonderes Augenmerk zu richten.
Von der Auswertung des ostdeutschen Kulturerbes wird es meines Erachtens ohnedies entscheidend abhängen, ob das Ziel, dieses Kulturerbe in unserem Volk und im Ausland lebendig zu erhalten, erreicht wird. So wird es sicher nicht ausreichen, das Kulturgut lediglich historisch oder museal auszuwerten. Um eine lebendige Kulturarbeit zu leisten und das ostdeutsche Kulturerbe in unsere Gegenwart und Zukunft einzufügen, wird es vielmehr notwendig sein, auf alle neuen Erkenntnisse und Formen einer zeitgemäßen Kulturvermittlung zurückzugreifen. Dabei sollte insbesondere aufgezeigt werden, wie sehr die in den ostdeutschen Landschaften entstandene Kultur mit der gesamten deutschen und europäischen Kultur verflochten ist, um sie aus ihrer bisweilen zu beobachtenden Isolierung herauszuholen.
Manche Anzeichen deuten darauf hin, daß unser Volk nach einer „Durststrecke" seine Geschichte und seine Kultur wieder zu entdecken beginnt. Diese Entwicklung bietet die Chance, auch den ostdeutschen Anteil an unserer Kultur wieder stärker in das allgemeine Bewußtsein zu bringen.
Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der kulturellen Breitenarbeit zu — wir sprachen schon darüber —, deren verstärkte Förderung ja auch im Bericht des Innenausschusses gefordert wird. Die Intensivierung dieser Arbeit erschiene auch mir wünschenswert, wobei ich Breitenarbeit nicht nur auf den landsmannschaftlichen Bereich, sondern gemäß dem Gesetzesauftrag auf möglichst breite Kreise der Bevölkerung erstreckt wissen möchte. Ein Schwerpunkt wird dabei auf die Jugendarbeit zu legen sein — auch darin stimmen wir überein, Herr Kollege Sauer —, damit die Kenntnis des ostdeutschen Kulturgutes sich in künftigen Generationen nicht auf einen kleinen Kreis von Fachleuten beschränkt.
Die Bemühungen um eine Verstärkung der kulturellen Breitenarbeit dürfen allerdings nicht dazu führen, daß die Förderung der Kulturwerke eingeschränkt und ihre Arbeitsmöglichkeiten dadurch reduziert werden. Zwar erreichen diese Kulturwerke mit ihrer Arbeit im allgemeinen nicht unmittelbar breite Kreise der Bevölkerung. Eine zu geringe Effektivität des Mitteleinsatzes kann hieraus jedoch nicht hergeleitet werden, da anspruchsvolle Kulturarbeit nicht an den Maßstäben extensiver Wirkung und schnell sichtbarer Erfolge gemessen werden darf. Sie ist auf die Vertiefung des Wissens um das kulturelle Erbe und auf langfristige Wirkung angelegt und verdient daher in gleicher Weise staatliche Förderung wie die kulturelle Breitenarbeit der Verbände. Das muß um so mehr gelten, als die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Arbeit in großem Umfang auch für die praktische Arbeit der Verbände die Voraussetzungen liefern.
Die Arbeit der Kulturwerke und der anderen Kultureinrichtungen der Vertriebenen scheint mir bei entsprechender Ausrichtung im übrigen besonders geeignet, auch den Nichtvertriebenen anzusprechen. Diese Einrichtungen haben daher durchweg auch im allgemeinen Kulturleben Ansehen gewonnen. Durch wissenschaftsgerechte Aufbereitung, wirksame Präsentation und Anlegen strenger Qualitätsmaßstäbe wird dieser Weg, für die ostdeutsche Kultur allgemeines Interesse zu wecken, künftig unvermindert fortzusetzen sein.
Ich konnte hier mit der kulturellen Breitenarbeit und der Tätigkeit der Kulturwerke nur einige be-



Parl. Staatssekretär von Schoeler
sonders wichtige Bereiche aus diesem Bericht herausgreifen, die aber schon deutlich machen, wie umfassend die vor uns liegende Aufgabe ist. Unter diesen Umständen sehe ich nur. begrenzte Möglichkeiten, die im Bericht des Innenausschusses geforderte verstärkte Förderung bestimmter Bereiche — wie der Forschung, der kulturellen Breitenarbeit und der Arbeit ostdeutscher Schriftsteller der Gegenwart — allein durch eine Umschichtung der vorhandenen Mittel ohne die Bereitstellung zusätzlicher Mittel zu erreichen.
Der in den nächsten Jahren eingeschlagene Weg wird von größter, ja vielleicht entscheidender Bedeutung für die Weiterführung der ostdeutschen Kulturarbeit sein. Um diese schwierige Aufgabe zu lösen, wird es der konstruktiven Zusammenarbeit aller Kräfte bedürfen, die sich der Erhaltung und dem Fortleben des ostdeutschen Kulturerbes verpflichtet fühlen. Viele erfreuliche Anzeichen einer solchen Zusammenarbeit, insbesondere auch im politischen Raum, sind bereits erkennbar. Hierzu gehört auch der sehr zu begrüßende Dialog, der zwischen Parlament und Regierung und zwischen den Fraktionen dieses Hauses in diesem Bereich zustande gekommen ist. Der künftige Zweijahresturnus der Berichterstattung, durch den bereits im nächsten Jahr ein weiterer Bericht vorzulegen sein wird, wird diesen Dialog erfreulicherweise nicht abreißen lassen.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808329500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlungen des Ausschusses. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1564 unter Ziffer 1, den Bericht der Bundesregierung auf Drucksache 8/586 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, und unter Ziffer 2 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlungen des Ausschusses sind damit angenommen.
Ich rufe den Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (14. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Milz, Lemmrich, Tillmann, Pfeffermann, Straßmeir, Weber (Heidelberg), Dreyer, Dr. Jobst, Haberl, Dr. Waffenschmidt, Hanz, Ziegler, Sick, Frau Hoffmann (Hoya), Würzbach, Dr. Friedmann, Biechele, Dr. Möller, Bühler (Bruchsal) und der Fraktion der CDU/CSU
Bundesfernstraßenbau
— Drucksachen 8/1179, 8/1561 —Berichterstatter: Abgeordneter Topmann
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Er verzichtet. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Milz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0808329600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte es schon gewünscht, daß der Berichterstatter zu diesem Thema ein paar Worte gesagt hätte, und zwar ganz einfach deshalb, weil in dem Bericht selber eine ganze Reihe von Tatsachen unsachlich und unrichtig dargestellt sind, die es zunächst für das Protokoll richtigzustellen gilt. Herr Kollege Topmann, bei der Darstellung des Problems erklären Sie, daß es unser Anliegen sei, die 287 Millionen DM nicht verbauter Straßenbaumittel aus 1977 abzubauen. Dies, Herr Kollege Topmann, trifft nicht zu, weil unser Antrag im Jahre 1977 gestellt worden ist, noch bevor das Jahr zu Ende war. Der Anlaß zu diesem Antrag lag darin, daß nach Aussage der Bundesregierung im Jahre 1976 380 Millionen DM nicht verbaut werden konnten, davon allein 180 Millionen DM in Nordrhein-Westfalen.
Ein Zweites ist sachlich falsch. Die antragstellende Fraktion hat zur Frage des Ausbaus der Dringlichkeitsstufe 1 b nicht erklärt, daß sie generell für eine Ausweitung in diesem Bereich sei, sondern sie hat erklärt — das können Sie in der Niederschrift des Ausschusses nachlesen —, daß das nur geschehen solle, wenn so der zügige Abfluß von Straßenbaumitteln gewährleistet werden könne. Dies ist, so meine ich, ein wesentlicher Unterschied,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

der meiner Meinung nach zunächst einmal in den Vordergrund einer Richtigstellung gestellt werden muß.
Was hat nun die Union zu diesem Antrag veranlaßt? Nicht nur die nicht verbauten Straßenbaumittel aus 1976 und 1977, sondern auch die Tatsache, daß in 1977 der Bundeskanzler erklärte — ich wiederhole das, was ich bei der Einbringung des Antrags gesagt habe —, daß insgesamt 10 Milliarden DM Investitionsmittel nicht abfließen könnten und daß ein erheblicher Teil durch Schwierigkeiten im Bereich des Straßenbaus verursacht sei.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Dies wurde nicht nur vom Bundeskanzler gesagt, sondern auch der hier anwesende Vertreter der Bundesregierung, Herr Staatssekretär Wrede, hat schon im vergangenen Jahr gesagt, daß der Bau von Fernstraßen beispielsweise heute nicht mehr ein Finanzierungsproblem sei, sondern daß unter anderem Planungsprobleme eine große Rolle spielten und daß da die eigentliche Ursache der nicht abfließenden Mittel gesehen werden müsse. Das, Herr Kollege Topmann, sind damals die eigentlichen Gründe für den Antrag gewesen. Ich meine, Sie bestehen angesichts der Tatsache fort, daß auch in Ihrem Bericht zum Ausdruck kommt, daß 1977 287 Millionen DM nicht verbaut werden konnten und davon wiederum 160 Millionen DM in Nordrhein-Westfalen.
Diese Tatsache muß uns alle dazu bringen, nach Möglichkeiten zu suchen, die Schwierigkeiten abzubauen. Mit unserem Antrag ist genau gewollt, diesen Schwierigkeiten Herr zu werden, um sicherzustellen, daß die in Aussicht genommenen Straßen auch so ge-



Milz
baut werden, wie es der Gesetzgeber für richtig gehalten hat.

(Dreyer [CDU/CSU] : Genau das wollten wir!)

Ich darf nun zu unserem Antrag kommen und deutlich machen, daß es uns überhaupt nicht darum geht, die Ausbaustufe 1 b insgesamt zu verändern und schon in den Ausbau zu bringen, sondern daß es uns darum geht, die Planung so einzustellen, daß da, wo Maßnahmen der Ausbaustufe 1 a nicht durchgeführt werden können, wie das in Nordrhein-Westfalen nachgewiesenermaßen an vielen Stellen der Fall ist, schon Maßnahmen der Ausbaustufe 1 b in Angriff genommen werden können.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Nun ist in diesem Zusammenhang etwas sehr Interessantes festzustellen. Herr Kollege Ollesch erklärte sowohl im Ausschuß als auch von dieser Stelle, er sei der Auffassung, daß man einer ganzen Reihe von Dingen, die wir hier vorschlagen, zustimmen könne. Ich begrüße dies ganz außerordentlich, Herr Kollege. Er sagte aber, der Veränderung in der Ausbaustufe 1 b könne er unter gar keinen Umständen zustimmen, denn, so erklärte Herr Ollesch, dies dürfe nicht am Parlament vorbei geschehen. Er lege großen Wert darauf, daß die Entscheidung auch über die Ausbaustufe 1 b durch das Parlament getroffen wird. Herr Kollege Ollesch, ich bin ohne Einschränkung Ihrer Auffassung und verweise insofern auf das, was wir im Verkehrsausschuß dazu gesagt haben. Nur, Herr Kollege, wenn Sie sich die Drucksache 0/117 des Bundesministers für Verkehr einmal ansehen, die wir in den letzten Tagen bekommen haben, dann werden Sie dort zur Frage der Ausbaustufe 1 b folgendes zur Kenntnis nehmen müssen. Es heißt:
Im Bereich des Bundesfernstraßenbaus sind bisher 78 1-b-Maßnahmen begonnen worden bzw. werden 1978 begonnen. Davon sind 62 Maßnahmen im Programm für Zukunftsinvestitionen enthalten.
Herr Kollege Ollesch, dies ist am Parlament vorbei gehandelt und kann unsere Zustimmung nicht finden. Ich hoffe, daß es die Ihre auch nicht findet, und ich hoffe, daß Sie sich mit uns dafür einsetzen, daß das, was der Gesetzgeber seit Beginn dieser Legislaturperiode gewollt hat, nun endlich eingehalten wird und nicht hinter dem Rücken der Abgeordneten so getan wird, als gäbe es die gesetzliche Regelung überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Worum es uns also geht, ist, dafür zu sorgen, daß dort, wo Schwierigkeiten auftauchen, diese durch Maßnahmen der Ausbaustufe 1 b beseitigt werden können. Ich betone ausdrücklich: nicht entschieden durch das Verkehrsministerium und den Verkehrsminister, sondern entschieden durch den Verkehrsausschuß und damit durch den Deutschen Bundestag.
Ich darf in aller Kürze zu einem weiteren Punkt Stellung nehmen. In diesem Bericht wird so getan, als wollten wir das, was unter „möglicher weiterer Bedarf" eingestuft ist, so behandeln, als ob man jetzt schon Aussagen für das Jahr 2000 und die darauf folgenden Jahre machen könne. Dies ist wiederum eine falsche Annahme. Worum es uns geht, wird nicht zuletzt auch im Bericht irgendwo gesagt. Das, worum es uns geht, ist, eine Überprüfung dieser nicht ganz unproblematischen Eingruppierung „möglicher weiterer Bedarf" vorzunehmen mit dem Ziel, alles das, was in einem überschaubaren Zeitraum erkennbar als nicht notwendig, als nicht realisierungsfähig angesehen werden kann, aus dieser merkwürdigen Stufe herauszunehmen, damit sich dort, wo der Bund — aus welchen Gründen auch immer — nicht tätig werden kann, anstelle des Bundes ein anderer Verkehrsträger Gedanken darüber machen kann, wie man die Probleme bewältigen kann.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Beispielen — auch wieder aus Nordrhein-Westfalen — bringen, wo dies notwendig ist, wo sogar der Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen darauf wartet, daß sich der Bund entscheidet, damit er selber in eigene Überlegungen eintreten kann. Dies, meine Damen und Herren, sollte doch auch Ihre Zustimmung finden, wenn Sie erstens den Haushalt des Bundes auf Sicht entlasten wollen und zweitens daran interessiert sind, daß eine vernünftige Strukturpolitik in ländlichen Räumen — denn um die handelt es sich in der Regel — möglich ist.
Ich möchte abschließend noch zwei Bemerkungen machen: Es wird so getan, als gäbe es die Schwierigkeiten im Verkehrsbereich jetzt nicht mehr. Die Koalition erklärt im Ausschuß: „Es ist alles schon geschehen; es braucht diesen Antrag nicht mehr. Die Regierung hat in hervorragender Weise gehandelt."

(Sehr richtig! bei der SPD — Straßmeir [CDU/CSU]: Das erklären die bei jedem Antrag!)

Wenn Sie sich einmal die „Rheinische Post" von heute zu Gemüte führen, dann werden Sie feststellen müssen, daß das, was die Koalition im Ausschuß gesagt hat, nicht zutrifft. In einem Bericht dieser Zeitung kommt zum Ausdruck, daß nach Meinung der Staatssekretäre — ein Staatssekretärausschuß hat sich mit den nicht abfließenden Investitionsmitteln beschäftigt — und auch nach Meinung des Wirtschaftsministers im Bereich des Verkehrsministers der größte Teil der Mittel blockiert sei und daß allein 2 Milliarden DM für den Bau von Bundesfernstraßen nicht abfließen könnten.
Wenn dies so ist, so zeigt das ganz deutlich, daß sich das Parlament Gedanken darüber machen muß, wie man diese Mittel flüssiger bekommt, als das jetzt der Fall ist,

(Hasinger [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

nicht etwa nur, um damit eine vernünftige Strukturpolitik sicherzustellen, sondern auch deshalb, um einen Beitrag zum Abbau unerträglich hoher Arbeitslosenzahlen im Bereich der Tiefbauwirtschaft zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU — Hoffie [FDP] : Aber doch nicht mit der Gießkanne!)




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— Natürlich nicht, Herr Kollege Hoffie. Bundesfernstraßenbau ist nicht mit der Gießkanne zu betreiben, sondern Bundesfernstraßenbau ist immer eine ganz gezielte Maßnahme. Ihr Hinweis mag zwar an anderer Stelle sehr zutreffend sein, hier jedoch, so meine ich, trifft er die Situation überhaupt nicht.

(Hoffie [FDP] : Aber Ihren Antrag!)

Die Union hat mit diesem Antrag den Versuch unternommen, einen Beitrag zu leisten, die Verkehrspolitik wieder in vernünftige Bahnen zu bringen. Sie hat den Versuch unternommen, der Bundesregierung etwas Hilfestellung zu leisten, aber nicht darin Aprilscherze zu produzieren und fantastische Gebilde aufzuzeigen, wie man die Bundesbahn sanieren kann, sondern darin, auch wieder mit beiden Beinen auf die Erde zu kommen und eine Politik zu machen, die wir alle miteinander vertreten können.
Ich lade Sie ein, diesem Antrag zuzustimmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808329700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Topmann.

Günter Topmann (SPD):
Rede ID: ID0808329800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Beratung des Oppositionsantrags im Plenum und im Fachausschuß des Deutschen Bundestages kann, so meine ich, vorab festgestellt werden, daß die Antragsteller erstens von falschen Voraussetzungen ausgegangen sind,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

zweitens in wesentlichen Teilen ihres Antrags Forderungen gestellt haben, die mit dem Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen nicht in Einklang zu bringen sind,

(Milz [CDU/CSU] : Wo zum Beispiel?)

drittens, soweit es die wesentliche Forderung des Punktes 2 angeht, einen falschen Adressaten gewählt und viertens Forderungen an die Bundesregierung gestellt haben, die diese zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt, d. h. vor Einbringung des Antrags, bereits im Sinne der Antragsteller erledigt bzw. einer Erledigung zugeführt hatte.

(Beifall bei der SPD — Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/CSU] : Also ohne das Gesetz oder gegen das Gesetz!)

— Herr Schulte, ich weiß, es fällt Ihnen ab und zu schwer, differenzierte Dinge zu verstehen. Aber vielleicht bemühen Sie sich jetzt, mir zuzuhören.
Der Abgeordnete Milz hat vor dem Deutschen Bundestag am 8. Dezember 1977 für die CDU/CSU ausgeführt, der Antrag sei u. a. deshalb gestellt worden, weil man davon ausgegangen sei, daß es im Bereich des Straßenbaus inzwischen zu einem Investitionstau zwischen 10 und 15 Milliarden DM gekommen sei.

(Hört! Hört! bei der SPD und der FDP)

Das würde bedeuten — das wäre ja wohl die logische Schlußfolgerung, Herr Kollege Milz —, daß Mittel für den Straßenbau beim Bund, bei den Ländern und den Gemeinden in den zurückliegenden
Jahren in dieser Höhe nicht hätten verbaut werden können.

(Abg. Milz [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808329900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Günter Topmann (SPD):
Rede ID: ID0808330000
Nein, ich gestatte die Zwischenfrage aus zweierlei Gründen nicht, erstens —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0808330100
Herr Abgeordneter, Sie brauchen es nicht zu begründen.

Günter Topmann (SPD):
Rede ID: ID0808330200
Ich tue es aber, Herr Präsident. Erstens bin ich in Sachen Zeit ein gebranntes Kind. Zweitens, meine Herren von der Opposition, bitte ich, mir als Neuling wie Ihrem großen Vorsitzenden heute morgen die gleiche Gelegenheit einzuräumen, die Dinge folgerichtig weiterzuführen, zumal wir beide aus der Provinz kommen und, wie gesagt, in der Tat hier Neulinge sind und insofern auch entsprechende Berücksichtigung finden sollten.

(Dr. Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/ CSU] : Sie blamieren aber die Provinz! — Milz [CDU/CSU] : Sie haben soeben die Unwahrheit gesagt!)

Richtig ist jedoch, daß es per 31. Dezember 1977 einen Investitionsmittelstau im Bereich des Baus und des Ausbaus von Bundesfernstraßen in einer Höhe von 281 Millionen DM gab. Das bedeutet einen Überhang von 5,2 % am Jahresende im Verhältnis zu den eingeplanten Mitteln.

(Zurufe von der CDU/CSU: Woher haben Sie die Zahlen?)

— Das sind die Zahlen, um die Sie sich auch einmal bemühen sollten. — Dabei muß vernünftigerweise einbezogen werden, daß der Überhang am Ende des Jahres 1976

(Milz [CDU/CSU] : Sie müssen Ihren Bericht richtig lesen!)

176 Millionen DM

(Milz [CDU/CSU]: 287 Millionen!)

— gleich 3,5 °/o der eingeplanten Mittel — betrug, die logischerweise im Jahre 1977 zusätzlich zu den eingeplanten Mitteln verbaut werden mußten. Natürlich ist es so. Alles in allem ist es also im Jahr 1977 zu einem echten Überhang in Höhe von 100 Millionen DM gekommen.
Aus der Rückschau der Jahre 1971 bis 1975, also der Jahre des ersten Fünfjahresplans, ist zu sagen, daß es auch dort beispielsweise im Jahre 1973 einen Überhang im Bereich des Bundesfernstraßenbaus in Höhe von 257 Millionen DM — gleich 4,9 % der eingeplanten Mittel — gegeben hat, der im Jahr danach, 1974, auf 104 Millionen DM zurückgeführt werden konnte. Kriterium für eine Beurteilung sollte deshalb nicht ein einzelnes Jahr, sondern eine Mehrjahresbilanz sein,

(Milz [CDU/CSU]: 1976 und 1977!)




Topmann
die, zumindest was den ersten Fünfjahresplan angeht, doch mit einem hervorragenden Ergebnis abgeschlossen werden konnte. Von den 29,5 Milliarden DM zur Verfügung gestellten Mitteln sind 29,4 Milliarden DM ausgegeben worden.

(Mahne [SPD]: Darum machen wir es ja auch über mehrere Jahre! — Milz [CDU/ CSU] : Der hat scheinbar die Gesamtschule besucht!)

— Herr Milz, Sie sollten beispielsweise in Ihre Überlegungen einfließen lassen, daß ein verregneter Oktober oder November die ganze Sache in diesem oder jenem Land bereits um 100 Millionen DM zurückwerfen kann. Das ist doch die Situation, um die es geht.

(Milz [CDU/CSU] : Fällt Ihnen das Rechnen deshalb schwer, weil Sie Ganzheitsmethode gelernt haben?)

Ich meine, daß dies ein deutlicher Beweis für die Flexibilität ist, mit der die Bundesregierung und hier insonderheit der Bundesverkehrsminister

(Beifall bei der SPD).

den zugegebenermaßen dann und wann aufgekommenen Schwierigkeiten begegnet ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Läßt der regnen?)

Damit dürfte klar herausgestellt worden sein, daß Sie bei Ihrem Antrag von falschen Voraussetzungen ausgegangen sind, daß Sie nämlich nicht unterschieden haben zwischen dem Investitionsmittelstau und dem Projektstau. Herr Milz, das sollten Sie inzwischen gelernt haben.
In Punkt 1 Ihres Antrages fordern Sie die Bundesregierung auf, abweichend vom Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß nach Abstimmung mit den 'Bundesländern auch Projekte der Dringlichkeitsstufe 1 b in Angriff genommen werden. Damit greifen Sie eine Forderung des Bundesrates aus dem Jahre 1976 auf, die zum Inhalt hatte, daß in begründeten Ausnahmefällen Straßenbauprojekte auch unabhängig von der Dringlichkeitsbewertung im Bedarfsplan in die jährlichen Straßenbaupläne aufgenommen werden können.
Diesen Vorschlag hat im Jahre 1976, wie ich soeben ausgeführt habe, bei gleichen Voraussetzungen der Verkehrsausschuß einmütig zurückgewiesen. Er hat sich demgegenüber dem Regierungsentwurf angeschlossen, der Abweichungen nur bei, unvorhergesehenem Verkehrsbedarf insbesondere auf Grund einer Änderung der Verkehrsstrukturen gemäß § 6 des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen zuläßt. Die Bundesregierung würde also, falls sie aus den von Ihnen genannten Gründen, Herr Milz, Projekte der Dringlichkeitsstufe 1 b vorziehen würde, gegen das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz verstoßen.
Nun ist es allerdings richtig, daß Sie, Herr Milz, als Vertreter der Opposition im Ausschuß für Verkehr und für das Post-,und Fernmeldewesen und auch heute wieder auf diesen meinen Einwand hin erwidert haben, daß mit dem „Inangriffnehmen" nicht bereits der Beginn der Ausführung einer solchen
Maßnahme gemeint sei. Daraufhin kann ich Ihnen nur erklären, daß es unumstritten ist, daß die Länderregierungen bzw. die für sie handelnden Straßenbauämter in die Planungen für die Maßnahmen der Dringlichkeitsstufe 1 b eintreten können, so daß es hierzu überhaupt keiner weiteren Aufforderung durch die Bundesregierung bedarf.
Wie wenig, meine Herren von der Opposition, es Ihrer Aufforderung an die Bundesregierung nach mehr Flexibilität im Bundesfernstraßenbau bedurfte, geht — und das lassen Sie sich in diesem Zusammenhang sagen — nicht zuletzt aus dem Umstand hervor, daß die Bundesregierung die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, daß die Fortschreibung des Bundesfernstraßenausbauplans nicht erst zum 1. 1. 1981, sondern bereits zum 1. 1. 1980, vorgelegt wird. Das bedeutet doch, daß unter Wahrung der Prioritäten, aber auch der Möglichkeiten eines zügigen 'Weiterbaus die ,gesetzlich einwandfreien Voraussetzungen für einen zügigen Mittelabfluß geschaffen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, wir sind uns miteinander einig in der Meinung, daß es nicht in erster Linie darum geht, unter allen Umständen die zur Verfügung stehenden Mittel zu verbauen, sondern sie so zu verbauen, daß auch die Priorität der Dringlichkeit der einzelnen Maßnahmen und damit der Gesichtspunkt der Netzgeschlossenheit im Fernstraßenbau gewahrt bleibt.

(Hoffie [FDP]: Genau darauf kommt es an!)

Meine Damen, meine Herren von der Opposition, Ihre Forderung unter Punkt 2 müßte eigentlich an die Landesregierungen gerichtet werden. Die Bundesregierung ist hier ganz offensichtlich der falsche Adressat.

(Hoffie [FDP] : Sehr wahr!)

Ich glaube, daß Ihre politischen Freunde, die baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Frey und Ilch aus dem Kreise Göppingen — also aus Ihrer Umgebung, Herr Dr. Schulte — das sehr viel besser als Sie erkannt haben. Sie sind in einer Anfrage an die dafür zuständige Landesregierung der Frage nachgegangen, wie die Landesregierung die Möglichkeiten beurteile, durch Bildung von Personalschwerpunkten darauf hinzuwirken, daß ein Planungsvorlauf entsteht, der es ermöglicht, vorgesehene, aber aus Gründen der Planfeststellung noch nicht durchführbare Straßenbaumaßnahmen durch andere zu ersetzen. Herr Milz, nehmen Sie Nachhilfeunterricht bei den Kollegen Frey und Ilch aus dem baden-württembergischen Landesparlament.

(Milz [CDU/CSU] : Sehen Sie mal nach Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege!)

Ohne die Antwort der baden-württembergischen Landesregierung zu kennen, weiß ich, daß diese Frage ihren richtigen Adressaten gefunden hat.

(Milz [CDU/CSU] : Sehen Sie mal, was in Ihrem eigenen Land los ist! Gehen Sie mal zu Herrn Kühn und sagen Sie ihm das!)

Dort, wo die Bundesregierung indirekt gefordert ist,
hat sie wiederum schnell gehandelt. Ich spreche da-



Topmann
mit die notwendige Verrechtlichung des Lärmschutzes an, bei der die Bundesregierung binnen weniger Wochen den Entwurf eines Lärmschutzgesetzes verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet hat. Sie wissen doch genau wie wir, meine Herren von der Opposition, daß es nicht der Bundesregierung angelastet werden kann, daß eine von ihr bereits im Jahre 1977 erarbeitete Lärmschutzverordnung nicht längst Rechtskraft erlangt hat.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das ist heute doch gar nicht das Thema!)

— Natürlich ist das das Thema. Verstehen Sie den den Antrag Ihrer Freunde nicht? Lesen Sie den einmal nach. Ich gebe Ihnen anschließend Nachhilfeunterricht.

(Milz [CDU/CSU]: Jawohl, Herr Lehrer! — Weiterer Zuruf des Abg. Hasinger [CDU/ CSU])

Schließlich ist es im Zuge der Beratungen dieses Antrages für alle recht offenkundig geworden, daß die Bundesregierung bereits vor Eingang Ihres Antrages in Sachen Ihrer Forderung unter Punkt 3 tätig geworden ist. Abgesehen davon, daß diese Problemstellungen schon mit den Länderregierungen erörtert worden sind, wird es bei der Fortschreibung des Bundesfernstraßenausbauplans darauf ankommen, auch und gerade diese Punkte in sinnvoller Weise miteinzubeziehen.
Zu Punkt 4 ist zu sagen, daß Sie im wesentlichen nur das wiederholen, was in der Ausschußdebatte zu Drucksache 7/5090 im April 1976 im Ausschuß für Verkehr, Post und Fernmeldewesen bereits einmütig festgelegt worden ist. Damals ist festgestellt worden, daß es erforderlich sei, auch Maßnahmen der Dringlichkeitsstufe 2 im weiteren zu überprüfen und sie nicht von vornherein von der Überprüfung auszuschließen.
Die Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran aufkommen lassen, daß sie diesen Antrag des Fachausschusses ernst nimmt und daß sie ihrerseits im Einvernehmen und in Zusammenarbeit mit den Länderregierungen dafür Sorge trägt, daß die Überprüfungen der Maßnahmen aus dem Bereich des möglichen weiteren Bedarfs mit in die Fortschreibung des Ausbauplans für die Bundesfernstraßen einfließen.

(Beifall bei der SPD)

Ich nehme an, meine Herren von der Opposition, daß Sie mit uns der Auffassung sind, daß eine solche Überprüfung losgelöst von der Fortschreibung dieses Bedarfsplans, die um ein Jahr vorgezogen werden wird, nicht erfolgen kann.
Die Forderung der Opposition unter Punkt 5 ist so allgemein gehalten und in sich so selbstverständlich, daß es sich erübrigt, auf sie noch einmal näher einzugehen, zumal Sie doch sicherlich mit uns der Auffassung sind, daß die Bundesregierung in den zurückliegenden Jahren diese Ihre Forderung bereits zum Maßstab ihres Handelns gemacht hat. Nur so ist es doch zu erklären, daß im Rahmen des Programms für Zukunftsinvestitionen kurzfristige strukturpolitische Sonderaktivitäten auf diesem Gebiet entwickelt worden sind, die bereits in die Haushalte 1-977 und 1978 voll eingeflossen sind bzw. in den Haushalt 1979 einfließen werden.
Meine Herren, weil Ihr Antrag von falschen Voraussetzungen ausgeht, bestehende gesetzliche Bestimmungen ignoriert, zumindest in einem Punkt einen falschen Adressaten gewählt hat und im übrigen nur noch etwas nachzuvollziehen

(V o r sitz: Vizepräsident Frau Renger)

beabsichtigt, was die Bundesregierung längst vollzogen hat, sehen wir uns außerstande, Ihrem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808330300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0808330400
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Kollegen von der Opposition, ich möchte zunächst eine Feststellung treffen. Es ist nicht so, daß die Koalitionsfraktionen Ihre Anträge nicht ernst nähmen, wenn auch gelegentlich der Eindruck entstehen mag, weil wir viele Ihrer Anträge abgelehnt haben. Aber auch die Regierung nimmt Ihre Anträge ernst; denn immerhin ist die gesamte politische Führungsspitze des Verkehrsministeriums heute bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes anwesend. Das soll doch einmal lobend vermerkt werden. Ich habe das auch mit Blick auf das Protokoll gesagt.
Ich habe mich als Vertreter der Freien Demokraten bei der Behandlung Ihres Antrages ein bißchen schwergetan. Er ist nämlich gar nicht so unvernünftig

(Zurufe von der CDU/CSU: Na bitte!)

— global betrachtet —, und wir haben ihn ja auch nicht schlicht und einfach abgelehnt. Wir haben immerhin vier Punkte Ihres Antrags für sehr vernünftig gehalten. Nur waren wir der Meinung; man brauche sie nicht erst erneut zu beschließen und als Auftrag an die Regierung zur Beachtung weiterzuleiten; denn die Regierung konnte glaubhaft versichern, daß sie alle diese Maßnahmen, die Sie fordern, schon eingeleitet hat oder im Begriff ist, sie einzuleiten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie hat ja auch Daten bekanntgegeben, nach denen das Ende der Untersuchung abzusehen ist. Dann wird sicherlich ein Bericht über die Bemühungen der Bundesregierung vorgelegt, für einen beschleunigten Mittelabfluß durch vielerlei Maßnahmen zu sorgen, die größtenteils in die Länderkompetenz fallen. Ich bin davon überzeugt, daß das geschehen wird.
Nun habe ich damals gleich in der ersten Lesung, aber auch im Auschuß erklärt, daß ich Ihrem Wunsch — Punkt 1 Ihres Antrags —, nach Abstimmung des Verkehrsministers mit den Bundesländern Umstufungen von 1 b nach 1 a vorzunehmen, so global nicht folgen könne;

(Sehr gut! bei der FDP)

denn der Anhang des Gesetzes zum Bundesfernstraßenbau bis 1985 ist ja Teil des Gesetzes. Danach
ist zu verfahren. Nun haben wir ja selbst dafür ge-



Ollesch
sorgt, daß Umstufungen vorgenommen wurden — wenn ich z. B. an die A 7 denke —, vom Parlament initiiert und von allen einstimmig beschlossen.
Sie haben recht, Herr Milz, wenn Sie sagen: Wenn man die Antworten der Bundesregierung auf die Fragen des Ausschußvorsitzenden einmal zur Hand nimmt, stellt man fest, daß 78 Umstufungen vorgenommen wurden. Davon sind 62 Maßnahmen im Programm für Zukunftsinvestitionen enthalten. Wir haben diesem Programm damals zugestimmt. Allerdings war aus dem Programm nicht ersichtlich, daß Umstufungen von 1 b nach 1 a vorgenommen würden. Herr Milz, ich darf Ihnen und dem Parlament ganz offen sagen: Diese Antwort stellt mich nicht zufrieden; denn das hätte ich gern gewußt.

(Milz [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Die Verweisung auf das Programm für Zukunftsinvestitionen ist sicherlich zu begrüßen, aber wenig hilfreich; denn auch nach eingehendem Studium der Straßenbaumaßnahmen war es mir nicht möglich — vielleicht hätte ich eine sehr große Straßenkarte zur Hand nehmen müssen —, die einzelnen Punkte zu bestimmen, wo das geschehen ist oder geschieht. Ich erwarte — das ist mein Wunsch an das Ministerium —, daß bei solchen Umstufungen das Parlament bzw. der Ausschuß gefragt und unterrichtet wird. Sicherlich werden wir bei der gemeinsamen Auffassung, daß im Straßenbau kontinuierlich beschäftigt werden sollte, solchen Vorschlägen auch nicht die Zustimmung versagen. Nur, daß das so global mit den Ländern erfolgt, sehe ich nicht so gern. Sie haben das nachher in den Ausschußberatungen zwar etwas differenziert. Aber der Text des Antrags sagt schlicht und einfach: der Minister kann das in Absprache mit den Ländern, ohne Einschaltung des Parlaments und des Ausschusses. Da kann ich nur sagen: Ich kenne einige 1-b-Maßnahmen, die ich für überflüssig halte. Vielleicht ist das nicht die allgemeine Meinung, aber darüber muß man sich dann im einzelnen unterhalten: wo man höherstuft und wo man es sein läßt. Daher war ich der Meinung, der Punkt 1 könne so nicht akzeptiert werden.
Nun zu Punkt 4!-Es ist schwierig, den weiteren Bedarf schon verbindlich festzulegen. Denn nach unseren früheren Finanzüberlegungen wäre der weitere Bedarf erst nach dem Jahre 2000 realisiert. Nun, von 1978 bis zum Jahre 2000 ist eine Zeitspanne, in der so viele Veränderungen im Verkehrsgefüge eintreten können, daß man da verbindlich nichts festlegen kann. Nur, Herr Milz, ich stimme Ihnen zu, man kann bei einigen Straßen, die als weiterer möglicher Bedarf eingestuft sind, schon heute sagen: Die streicht, raus damit aus dem Plan!,

(Milz [CDU/CSU]: Genau darum geht es doch!)

damit die Gemeinden wieder planen können, ohne auf solche in die Zukunft gerichteten Vorplanungen Rücksicht nehmen zu müssen. Man sollte also nicht verbindlich festlegen, was gebaut wird, sondern verbindlich festlegen, was nicht gebaut werden wird. Das sind weniger als die, die sicherlich bleiben, aber auch das wäre schon eine sehr gute Tat.
Nun gibt es ja die Überprüfung, die Netzuntersuchung — das ist vom Verkehrsministerium zugesichert —, die bis Ende 1978 abgeschlossen sein soll. In diese Untersuchung werden natürlich die Einstufungen mit einbezogen und dann korrigiert werden, und zwar mit unserer Zustimmung, nehme ich an. Denn ich bin der Auffassung, daß wir hier gefragt werden sollten, wie es das Gesetz vorschreibt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808330500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Milz?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0808330600
Ja, bitte.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0808330700
Herr Kollege Ollesch, sind Sie mit mir der Meinung, daß es bei der Überprüfung der Ausbaustufen zukünftig nicht dabei bleiben darf, daß nur die Ausbaustufe 1 a unsere Aufmerksamkeit hat, sondern daß in unseren Beschlüssen auch die Ausbaustufe 1 b und das, was unter „möglicher weiterer Bedarf" läuft, fixiert werden sollte?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0808330800
Herr Kollege Milz, ich meine, ich hätte gerade ausgeführt, in welchem Umfange das vorzusehen ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808330900
Sie gestatten noch eine Zwischenfrage?

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0808331000
Herr Kollege Ollesch, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß bei der letzten Überprüfung den Verkehrsausschuß im wesentlichen nur die Ausbaustufe 1 a beschäftigt hat und die beiden anderen Ausbaustufen nicht Gegenstand der Beratungen im Ausschuß waren?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0808331100
Herr Kollege Milz, da stimme ich Ihnen zu. Das ist erklärlich. Wir hatten damals Schwierigkeiten, die Ausbaustufe 1 a zu finanzieren. Wir haben Veränderungen immer nur vorgenommen im Austausch gegen in die Dringlichkeitsstufe 1 a eingereihte Projekte. Nachdem wir jetzt aber feststellen, daß der Mittelabfluß gar nicht so zügig ist, Herr Kollege Milz, bin ich Ihrer Auffassung. Hier liegt für uns eine Aufgabe. Ich denke, daß wir uns um die Jahreswende 1978/79 ohne finanziellen Zwang, sehr gelassen über die notwendigen Projekte der Zukunft unterhalten können.
Ich sagte damals schon, der Antrag enthält viele positive Komponenten. Die sehen wir in den Koalitionsfraktionen als erfüllt an durch die Maßnahmen der Bundesregierung. Von daher halten wir diese Punkte für erledigt. Für den ersten und den letzten Punkt konnten wir und können wir heute nicht die ungeteilte Zustimmung geben. Deshalb lehnen wir diese beiden Punkte ab. Da Sie aber auf der Annahme Ihres gesamten Antrages bestehen, müssen wir den Antrag insgesamt ablehnen. Das ist nicht schädlich, weil die positiven Momente ohnehin in die Tat umgesetzt werden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0808331200
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.



Vizepräsident Frau Renger
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1561, den Antrag auf Drucksache 8/1179 abzulehnen. Wer dem zuzustimmmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit entsprochen worden.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernteerhebung
— Drucksache 8/1616 —
Das Wort wird offensichtlich nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie an den Innenausschuß — mitberatend — vor. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1978
hier: Einzelplan 15 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit —— Drucksachen 8/1458, 8/1587 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Simonis
Auch hierzu wird das Wort nicht begehrt.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1587, den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 8/1458 für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? -- Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1978
hier: Haushaltsgesetz 1978
— Drucksachen 8/1480 (neu), 8/1589 —
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
Abgeordneter Hoppe
Das Wort wird nicht begehrt.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1589 die Annahme einer Entschließung. Wer dieser Ausschußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1977
hier: überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 11 13 Tit. 656 03 — Zuschuß des Bundes an die Knappschaftliche Rentenversicherung
— Drucksachen 8/1289, 8/1627 —
Berichterstatter: Abgeordneter Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1627, die Unterrichtung durch die Bundesregierung gemäß § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung entsprechend der Vorlage 8/1289 zur Kenntnis zu nehmen. — Das Haus ist damit einverstanden, da sich kein Widerspruch erhebt. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Veräußerung des „General-von-Steuben-Hotels" an die Stadt Wiesbaden
— Drucksachen 8/1442, 8/1626 — Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1626, die Einwilligung zu der Veräußerung der in der Drucksache 8/1442 genannten Liegenschaft zu erteilen. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist einstimmig so beschlossen. Ich danke Ihnen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
UNESCO-Empfehlung über die Teilnahme und Mitwirkung aller Bevölkerungsschichten am kulturellen Leben
— Drucksachen 8/1287, 8/1604 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Nöbel,
Abgeordneter Broll
Auch hierzu wird das Wort nicht begehrt.
Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/1604 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs

(Nr. 4/78 — Zollkontingente für Walzdraht und Elektrobleche — 1. Halbjahr 1978)

— Drucksache 8/1631 —
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft. — Dem wird nicht widersprochen. Es ist einstimmig so angenommen.



Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe die Punkte 17 und 18 der Tagesordnung auf:
17. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß) zum
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur fünften Änderung der Richtlinie 73/241/ EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für zur Ernährung bestimmte Kakao- und Schokoladenerzeugnisse
— Drucksachen 8/1435 Nr. 48, 8/1618 — Berichterstatter: Abgeordneter Spitzmüller
18. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission an den Rat über einen Aktionsplan der Gemeinschaft auf dem Gebiet der radioaktiven Abfallstoffe
— Drucksachen 8/1078, 8/1629 — Berichterstatter: Abgeordneter Volmer Abgeordneter Schäfer (Offenburg)

Auch hier wird das Wort von den Berichterstattern und in der Aussprache nicht begehrt.
Ich glaube, wir können über beide Punkte gemeinsam abstimmen. — Ich höre keinen Widerspruch.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung der Ausschüsse auf den Drucksachen 8/1618 und 8/1629. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Freitag, den 14. April 1978, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.