Protokoll:
8056

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 56

  • date_rangeDatum: 11. November 1977

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:23 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Inhalt: Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 4307 A Erweiterung der Tagesordnung 4308 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Auslegung der Geschäftsordnung hier: § 105 GO-BT (Große Anfragen) — Drucksache 8/1159 — Dürr SPD 4308 C Dr. Miltner CDU/CSU 43 09 B Dr. Kohl CDU/CSU 4310 A Porzner SPD 4311 A Ollesch FDP 4311 D Carstens (Fehmarn) CDU/CSU 4312 C Dr. Schmude SPD 4313 C Spitzmüller FDP 4314 B Namentliche Abstimmung 4315 B Große Anfrage der Abgeordneten Kroll-Schlüter, Burger, Frau Schleicher, Braun, Frau Geier, Dr. Reimers, Köster, Dr. Hammans, Dr. Rose, Frau Karwatzki, Dr. George, Hasinger, Geisenhofer, Höpfinger und der Fraktion der CDU/CSU Alkohol- und Drogenmißbrauch und Kriminalität von Kindern und Jugendlichen — Drucksachen 8/751, 8/922 — Kroll-Schlüter CDU/CSU 4317 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 4320 D, 4346 B Frau Geier CDU/CSU . . . . . . . 4325 B Kuhlwein SPD 4327 B Eimer (Fürth) FDP 4331 A Geisenhofer CDU/CSU 4332 B Marschall SPD 4334 A Spitzmüller FDP 4335 C Braun CDU/CSU 4337 C Amling SPD 4338 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . . 4340 D Baum, Parl. Staatssekretär BMI . . . . 43 42 C Heyenn SPD 4343 B Engelhard FDP 4345 A Burger CDU/CSU . . . . . . . . . 4347 A Dr. Schwenk (Stade) SPD . . . . . . 43 49 A Nächste Sitzung 4350 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 4351* A Anlage 2 Risikobeteiligungsverträge des Bundes für in Betrieb, Bau und Planung befindliche Kernkraftwerke MdlAnfr Al 04.11.77 Drs 08/1125 Schäfer (Offenburg) SPD SchrAntw BMin Matthöfer BMFT . . . . 4351* C Anlage 3 Nichteinladung der Korrespondentin einer deutschen Tageszeitung zum Essen mit dem Bundesaußenminister am 18. August 1977 in Athen SchrAnfr B1 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Fuchs CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 4352* A Anlage 4 Geltendmachen eines Vorbehalts für abschreckende Kernwaffen bei der Unterzeichnung der beiden Zusatzprotokolle zu den Genfer Rot-Kreuz-Konventionen von 1949 SchrAnfr B2 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU SchrAnfr B3 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 4352* B Anlage 5 Freilassung des deutschen Journalisten Werner Gengenbach aus tschechischer Haft angesichts der Absichtserklärungen der KSZE-Schlußakte und der völkerrechtlichen Verpflichtungen der CSSR aus dem internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte SchrAnfr B4 04.11.77 Drs 08/1125 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAnfr B5 04.11.77 Drs 08/1125 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 4352* C Anlage 6 Verurteilung der Untaten des kommunistischen Regimes in Kambodscha SchrAnfr B6 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Narjes CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 4352* D Anlage 7 Behinderung deutscher Volkszugehöriger mit rumänischer Staatsangehörigkeit beim Betreten der deutschen Botschaft in Bukarest SchrAnfr B7 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 4353* A Anlage 8 Kriterien für die Gewährung einstweiliger Zuflucht in der deutschen Botschaft in Moskau SchrAnfr B8 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 4353* B Anlage 9 Verbot von Katapult-Sportschleudern SchrAnfr B9 04.11.77 Drs 08/1125 Spitzmüller FDP SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4353* C Anlage 10 Ausdehnung der Übergangszahlungsverordnung vom 23. Juli 1975 auf Beamte des einfachen und mittleren Dienstes im Betriebs-und Werksdienst kommunaler Dienste SchrAnfr B10 04.11.77 Drs 08/1125 Regenspurger CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4353* D Anlage 11 Entwicklung der Jugendkriminalität von 1950 bis 1976 SchrAnfr B11 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Abelein CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4354* B Anlage 12 Anweisung der Bundesbehörden zur Verwendung von Papier mit einem Altpapieranteil von 50 v. H. SchrAnfr B12 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Holtz SPD SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4355* A Anlage 13 Verhinderung von Ausweisungen im Zuge der unzureichenden Unterkünfte ausländischer Arbeitnehmer durch Änderung des Ausländerrechts SchrAnfr B13 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Holtz SPD SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4355* B Anlage 14 Auswirkung der Forderung nach mehr Sicherheit vor Banküberfällen und der Ver- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 III pflichtung zur privaten Bekämpfung der Kriminalität auf die Entwicklung der Selbstjustiz SchrAnfr B14 04.11.77 Drs 08/1125 Spranger CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4355* D Anlage 15 Erhöhung der Stellenzulage für Flugzeugführer von Propellermaschinen SchrAnfr B15 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Stavenhagen CDU/CSU SchrAnfr B16 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Stavenhagen CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4356* A Anlage 16 Einrichtung einer zweiten Grenzschutzgruppe für den Personenschutz SchrAnfr B17 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Jentsch (Wiesbaden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4356* C Anlage 17 Behauptung von Bundeskanzler Schmidt über die Bearbeitung der Anträge auf Genehmigung eines nuklearen Entsorgungszentrums in Niedersachsen SchrAnfr B18 04.11.77 Drs 08/1125 Würtz SPD SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4356* C Anlage 18 Zuständigkeit der Grenzschutzgruppe 9 für den Personenschutz SchrAnfr B19 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Rose CDU/CSU SchrAntw PStSekr von Schoeler BMI . . . 4356* D Anlage 19 Ermöglichung grundsätzlicher Mietrechtsentscheide durch Oberlandesgerichte und den Bundesrechnungshof mit einer Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften SchrAnfr B20 04.11.77 Drs 08/1125 Francke (Hamburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 4357* A Anlage 20 Erfahrungen bei der Bekämpfung der Mietpreiserhöhungen gemäß § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes in der Fassung vom 3. Juni 1975 als Befürchtung, der Mietspiegel (§ 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe) könne den Charakter einer Höchst- und Mindestpreisverordnung annehmen SchrAnfr B21 04.11.77 Drs 08/1125 Gattermann FDP SchrAnfr B22 04.11.77 Drs 08/1125 Gattermann FDP SchrAnfr B23 04.11.77 Drs 08/1125 Gattermann FDP SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 4357* D Anlage 21 Feststellung des Bundesfinanzministeriums über die Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland an die Europäischen Gemeinschaften und ihren volkswirtschaftlichen Nutzen SchrAnfr B24 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Schäuble CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 4358* C Anlage 22 Erhöhung von Miet- und Pachtzinsen für bundeseigene Liegenschaften im Zonenrandgebiet zum 1. Januar 1978 SchrAnfr B25 04.11.77 Drs 08/1125 Baron von Wrangel CDU/CSU SchrAnfr B26 04.11.77 Drs 08/1125 Baron von Wrangel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 4360* D Anlage 23 Auswirkungen einer Verbrauchsteuererhöhung für Heizöl auf die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Gartenbaus SchrAnfr B27 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Schmidt (Gellersen) SPD SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 4361* C Anlage 24 Verbesserung der sozialen Sicherheit der deutschen Zivilbediensteten bei den Stationierungsstreitkräften durch Übernahme in den öffentlichen Dienst im Falle der Entlassung SchrAnfr B28 04.11.77 Drs 08/1125 Regenspurger CDU/CSU SchrAnfr B29 04.11.77 Drs 08/1125 Regenspurger CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 4361* D Anlage 25 Klagen von Betriebsräten und Geschäftsleuten über umsatzsteuerliche Behandlung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer; Verzicht auf Besteuerung von Sozialleistungen für Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 SchrAnfr B30 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU SchrAnfr B31 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 4362* B Anlage 26 Bereitstellung von Pauschalbeträgen an Gemeinden zur Investitionsförderung statt gezielter Investitionshilfen durch den Bund SchrAnfr B32 04.11.77 Drs 08/1125 Meininghaus SPD SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 4362* D Anlage 27 Steuerliche Begünstigung des Arbeitnehmerwohnungsbaus bzw. höhere SteuerermäBigung für Arbeitgeber für vermögenswirksame Leistungen an Arbeitnehmer in Zonenrandgebieten SchrAnfr B33 04.11.77 Drs 08/1125 Stutzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 4363* B Anlage 28 Verlängerung der Antragsfrist des § 55 Abs. 5 EStG gemäß § 89 der AO 1977 SchrAnfr B34 04.11.73 Drs 08/1125 Dr. Schäuble CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 4363* C Anlage 29 Anzahl der Mischfinanzierungsprogramme des Bundes, der Gemeinschaftsaufgaben und der Konjunktursonderprogramme sowie deren finanzielles Volumen SchrAnfr B35 04.11.77 Drs 08/1125 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAnfr B36 04.11.77 Drs 08/1125 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 4363* D Anlage 30 Bevorzugung eines bestimmten Herstellers bei der Beschaffung von Dienstfahrzeugen durch den Bund SchrAnfr B37 04.11.77 Drs 08/1125 Walther SPD SchrAnfr B38 04.11.77 Drs 08/1125 Walther SPD SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 4364* C Anlage 31 Höhe der Ausgaben bzw. der Einnahmeverluste bei Gesetzen nach dem 1. 1. 1970 durch Beschlüsse des Vermittlungsausschusses sowie Auswirkung auf die Kommunen SchrAnfr B39 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 4364* D Anlage 32 Bewilligung von 25 Planstellen für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt im Haushaltsjahr 1978 SchrAnfr B40 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU SchrAnfr B41 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4365* A Anlage 33 Typ und Standort der Einrichtungen des Bundes im Zonenrandgebiet SchrAnfr B42 04.11.77 Drs 08/1125 Lintner CDU/CSU SchrAnfr B43 04.11.77 Drs 08/1125 Lintner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4365* C Anlage 34 - Abbau der durch Anwendung unterschiedticher Normen bedingten Wettbewerbsverzerrungen bei Ausschreibungen im Ausland SchrAnfr B44 04.11.77 Drs 08/1125 Zebisch SPD SchrAnfr B45 04.11.77 Drs 08/1125 Zebisch SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4366* B Anlage 35 Haltung der Bundesregierung zu den Artikeln 2, 4 und 7 des niederländischen Erdgaspreisgesetzes und zu den im niederländischen Erdgas-Importvertrag festgelegten höheren Verkaufspreisen SchrAnfr B46 04.11.77 Drs 08/1125 Breidbach CDU/CSU SchrAnfr B47 04.11.77 Drs 08/1125 Breidbach CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4366* D Anlage 36 Einführung rentabler Verfahren zur Energieeinsparung oder zur Nutzung regenerativer Energiequellen SchrAnfr B48 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Riesenhuber CDU/CSU SchrAnfr B49 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Riesenhuber CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4367* D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 V Anlage 37 Verlagerung der Kompetenz für den Tierschutz vom Bundesernährungs- auf das Bundesinnenministerium SchrAnfr B50 04.11.77 Drs 08/1125 Müller (Bayreuth) SPD SchrAntw BMin Ertl BML 4368* C Anlage 38 Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Novellerung des Tierseuchengesetzes unter Einbeziehung der Fischseuchen SchrAnfr B51 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . . 4368* D Die Fragen B 52 und 53 — Drucksache 8/1125 vom 04. 11. 77 — des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) sind vom Fragesteller zurückgezogen Anlage 39 Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe der sonst für das Arbeitslosengeld aufgebrachten Leistungen SchrAnfr B54 04.11.77 Drs 08/1125 Stutzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4369* A Anlage 40 Selbstbeteiligung bei den Krankenhausbenutzungskosten SchrAnfr B55 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4369* C Anlage 41 Vereinbarkeit der engen Anbindung der Zeitschrift „Thema 1 — Gesundheit" an die kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag der kassenärztlichen Selbstverwaltungsinstitution; Sachgerechte Information der Patienten und Arzte durch die Krankenversicherungen, insbesondere über die Bestimmungen des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes SchrAnfr B56 04.11.77 Drs 08/1125 Egert SPD SchrAnfr B57 04.11.77 Drs 08/1125 Egert SPD SchrAnfr B58 04.11.77 Drs 08/1125 Egert SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4369* C Anlage 42 Negative Stellungnahmen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus auf Anträge von Trägern einer Jugendeinrichtung auf Zuweisung von Zivildienstleistenden SchrAnfr B59 04.11.77 Drs 08/1125 Zebisch SPD SchrAnfr B60 04.11.77 Drs 08/1125 Zebisch SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4370* C Anlage 43 Veröffentlichung der bei der Arbeitsverwaltung gemeldeten Ausbildungsplätze und Bewerber um einen Ausbildungsplatz in monatlichem Rhythmus SchrAnfr B61 04.11.77 Drs 08/1125 Schedl CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4371* A Anlage 44 Auslegung des Mitbestimmungsgesetzes durch den DGB, insbesondere periodische Berichterstattung der in den Aufsichtsrat gewählten Arbeitnehmervertreter vor dem Wahlmännergremium SchrAnfr B62 04.11.77 Drs 08/1125 Schedl CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4371* C Anlage 45 Ablehnung von Beschäftigungsangeboten, die Berliner Arbeitnehmern in einem anderen Stadtbezirk gemacht wurden SchrAnfr B63 04.11.77 Drs 08/1125 Schedl CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4371* D Anlage 46 Berechnungsgrundlagen für die Errechnung des Durchschnittseinkommens der Ärzte SchrAnfr B64 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Möller CDU/CSU SchrAnfr B65 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Möller CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 4372* A Anlage 47 Auflösung des Kreiswehrersatzamtes Solingen und Errichtung eines Musterungszentrums in Düsseldorf SchrAnfr B66 04.11.37 Drs 08/1125 Braun CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 4373* A VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Anlage 48 Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Reservistenkameradschaften und den Einheiten der Bundeswehr SchrAnfr B67 04.11.77 Drs 08/1125 Frau Hoffmann (Hoya) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 4373* B Anlage 49 Beschleunigung der Schadensabwicklung bei Manöverschäden SchrAnfr B68 04.11.77 Drs 08/1125 Frau Hoffmann (Hoya) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 4373* C Anlage 50 Umfang der Diebstähle von Spreng- und Explosionsstoffen in der Bundesrepublik Deutschland 1972 bis 1977 SchrAnfr B69 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Abelein CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 4374* C Anlage 51 Bau einer Panzerübungsstraße im Landschaftsschutzgebiet des Spessart SchrAnfr B70 04.11.77 Drs 08/1125 Biehle CDU/CSU SchrAnfr B71 04.11.77 Drs 08/1125 Biehle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 4374* D Anlage 52 Zum Schein durch Soldaten auf Zeit für die Dauer ihrer gesetzlich geförderten Zivilausbildung abgeschlossene Ausbildungsverträge; Anerkennung der Ausbildung zur „geprüften Werkschutzfachkraft" als förderungswürdig im Sinne des Berufsförderungsgesetzes für Soldaten auf Zeit SchrAnfr B72 04.11.77 Drs 08/1125 Müntefering SPD SchrAnfr B73 04.11.77 Drs 08/1125 Müntefering SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 4374* D Anlage 53 Verursachung schwerer Mißbildungen bei Neugeborenen durch den Schwangerschaftstest „Duogynon" SchrAnfr B74 04.11.77 Drs 08/1125 Lenders SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 4375 D Anlage 54 Bleigehalt der Milch von an Autobahnen weidenden Kühen; Amerikanische Studie über die Auswirkungen der Darstellung von Gewalt im Fernsehen auf die Entwicklung männlicher Jugendlicher SchrAnfr B75 04.11.77 Drs 08/1125 Biechele CDU/CSU SchrAnfr B76 04.11.77 Drs 08/1125 Biechele CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 4376* A Anlage 55 Zulassung landschaftsbezogener Kraftfahrzeugkennzeichen, insbesondere des Kennzeichens „WW" für den Westerwaldkreis SchrAnfr B77 04.11.77 Drs 08/1125 Peiter SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 4376* C Anlage 56 Verbesserung von Attraktivität und Rentabilität der Bahnhofsgaststätten; Bilanz der Bodensee-Schiffsbetriebe der Deutschen Bundesbahn 1975 bis 1977 SchrAnfr B78 04.11.77 Drs 08/1125 Biechele CDU/CSU SchrAnfr B79 04.11.77 Drs 08/1125 Biechele CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 4376* D Anlage 57 Gleichstellung der Rechte und Möglichkeiten der deutschen Verkehrsunternehmen im Ostblock mit denen der östlichen Verkehrsunternehmen im Bundesgebiet SchrAnfr B80 04.11.77 Drs 08/1125 Schedl CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 4377* B Anlage 58 Entwicklung neuer, leistungsfähiger Unterflurfeuer für Flughäfen; Ausstattung des Flughafens Stuttgart-Echterdingen mit einer Unterflurbefeuerungsanlage SchrAnfr B81 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Hauff SPD SchrAnfr B82 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Hauff SPD SchrAnfr B83 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Hauff SPD SchrAnfr B84 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Hauff SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 4377* D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 VII Anlage 59 Erfahrungen mit dem seit dem 1. Mai 1974 in Kraft befindlichen Punktesystem für Verkehrssünder; Korrektur von Teilbereichen des Punktesystems für Verkehrsordnungswidrigkeiten SchrAnfr B85 04.11.77 Drs 08/1125 Daubertshäuser SPD SchrAnfr B86 04.11.77 Drs 08/1125 Daubertshäuser SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 4378* A Anlage 60 Energieeinsparungen bei Gleichstellung des Werkverkehrs mit dem gewerblichen Güterkraftverkehr SchrAnfr B87 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Müller CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 4378*C Anlage 61 Teilnahme von Generalvertretern der Deutschen Bundesbahn an der Ende November 1977 geplanten 125-Jahr-Feier der deutschen Einwanderung in Chile SchrAnfr B88 04.11.77 Drs 08/1125 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD SchrAnfr B89 04.11.77 Drs 08/1125 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 4378* D Anlage 62 Raumordnungsverfahren und Naturversuche im Zusammenhang mit dem Bau der Staustufe Neuburgweier SchrAnfr B90 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 4378* D Anlage 63 Entwicklung im Verkehrssektor, insbesondere unter Berücksichtigung der Auftragslage bei der Bundesbahn SchrAnfr B91 04.11.77 Drs 08/1125 Link CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 4379* A Anlage 64 Stillegung von ca. 25 v. H. der Güterwagenkapazität der Bundesbahn, Umfang der Betriebsbehinderungen; Verwirklichung der Konsolidierungsmaßnahmen bei der Bundesbahn bis 1980 angesichts der Beschäftigungslage SchrAnfr B92 04.11.77 Drs 08/1125 Zink CDU/CSU SchrAnfr B93 04.11.77 Drs 08/1125 Zink CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 4379* B Anlage 65 Verwendung der Kürzel BRD in einem von der Condor Flugdienst GmbH herausgegebenen Taschenbuch SchrAnfr B94 04.11.77 Drs 08/1125 Frau Berger (Berlin) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 4379* D Anlage 66 Stand der Verhandlungen mit Österreich über den Bau der Transitstrecke Salzburg–Lofer, Beeinträchtigung des Fremdenverkehrs SchrAnfr B95 04.11.77 Drs 08/1125 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 4380* A Anlage 67 Modifikation des BMV-Erlasses vom 21.3. 1972 betr. Nachtflugbeschränkungen unter Einbeziehung der Planungsrichtlinie B 1/76 der Bundesanstalt für Flugsicherung SchrAnfr B96 04.11.77 Drs 08/1125 Frau Dr. Hartenstein SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 4380* B Anlage 68 Einbeziehung der Untersuchungen des HUK-Verbandes zum Unfallgeschehen und zur Fahrzeugsicherheit in die laufende Gesetzgebung SchrAnfr B97 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 4380* C Anlage 69 Ausbau der B 27 (neu) zwischen Stuttgart und Tübingen SchrAnfr B98 04.11.77 Drs 08/1125 Pfeifer CDU/CSU SchrAnfr B99 04.11.77 Drs 08/1125 Pfeifer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 4381* B Anlage 70 Aufhebung der Vollsperrung auf der B 71 zwischen Bremerhaven und Loxstedt-Bexhövede SchrAnfr B100 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. von Geldern CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 4381* C VIII Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Anlage 71 Inanspruchnahme von Ausbildungsplätzen bei Bundespost und Bundesbahn durch Dritte, Besetzung freier Ausbildungskapazitäten in eigener Regie SchrAnfr B101 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Blüm CDU/CSU SchrAnfr B102 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Blüm CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMP 4381* D Anlage 72 Förderung des sozialen Wohnungsbaus aus Mitteln des Regionalprogramms des Bundes SchrAnfr B103 04.11.77 Drs 08/1125 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Haack BMBau . . 4382* A Anlage 73 Abschluß einer Verwaltungsvereinbarung über die Fortführung des Regionalprogramms im Jahre 1978 mit den Ländern; Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen und anderer Länder SchrAnfr B104 04.11.77 Drs 08/1125 Francke (Hamburg) CDU/CSU SchrAnfr B105 04.11.77 Drs 08/1125 Francke (Hamburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Haack BMBau . . 4382*C Anlage 74 Subventionsleistungen an Mieter, die den Kriterien der Bedürftigkeit nicht entsprechen SdirAnfr B106 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Haack BMBau . . 4383* B Anlage 75 Kostensteigerung für die Bewohner des Heidelberger Modellwohngebiets Emmertsgrund auf Grund von Forderungen der Neuen Heimat Baden-Württemberg SchrAnfr B107 04.11.77 Drs 08/1125 Weißkirchen (Wiesloch) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Haack BMBau . . 4383* C Anlage 76 Parlamentarische Beschlußfassung über die Inbetriebnahme des in Kalkar geplanten Schnellen Brutreaktors SNR 300; Konsequenzen einer negativen Entscheidung SchrAnfr B108 04.11.77 Drs 08/1125 Ueberhorst SPD SchrAnfr B109 04.11.77 Drs 08/1125 Ueberhorst SPD SchrAntw BMin Matthöfer BMFT . . . , 4383*D Anlage 77 Tätigkeit der Zuweisungsstellen unter dem Aspekt von Konkurrenzbeziehungen zwischen Antragsteller und Vergabe- bzw. Belieferungsstelle SchrAnfr B110 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Zeitel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 4384* B Anlage 78 Hilfen für spätausgesiedelte Lehrer zur Absolvierung eines Ergänzungsstudiums SchrAnfr B111 04.11.77 Drs 08/1125 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Engholm BMBW . . . 4384* C Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4307 56. Sitzung Bonn, den 11. November 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 11. Adams * 11. 11. Dr. Aigner * 11. 11. Alber * 11. 11. Dr. Apel 11. 11. Dr. Arnold 11. 11. Dr. Bangemann * 11. 11. Dr. Barzel 11. 11. Dr. Bayerl * 11. 11. Blumenfeld * 11. 11. Böhm (Melsungen) ** 11. 11. Frau von Bothmer ** 11. 11. Büchner (Speyer) ** 11. 11. Dr. Dollinger 11. 11. Dr. Dregger 11. 11. Dr. Evers 11. 11. Feinendegen 11. 11. Fellermaier * 11. 11. Dr. Fuchs * 11. 11. Gscheidle 11. 11. Haase (Fürth) * 11. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 11. 11. Hoffie 11. 11. Graf Huyn 11. 11. Dr. Jahn (Braunschweig) * 11. 11. Jaunich 11. 11. Dr. h. c. Kiesinger 11. 11. Dr. Klepsch * 11. 11. Klinker * 11. 11. Dr. Köhler (Duisburg) . 11. 11. Lampersbach 11. 11. Lange * - 11. 11. Lemp * 11. 11. Dr. Marx 11. 11. Mattick 11. 11. Dr. Müller 11. 11. Müller (Bayreuth) 11. 1.1. Müller (Mülheim) * 11. 11. Müller (Wandern) * 11. 11. Dr. Müller-Hermann * 11. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Frau Pack 11. 11. Pfeifer 11. 11. Dr. Probst 11. 11. Rainer 11. 11. Rosenthal 11. 11. Prinz zu Sayn-Wittgenstein- Hohenstein 11. 11. Schmidhuber 11. 11. Schmidt (München) * 11. 11. Schmidt (Würgendorf) 11. 11. Schreiber * 11. 11. Schröder (Wilhelminenhof) 11. 11. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schwabe * 11. 11. Dr. Schwarz-Schilling 11. 11. Dr. Schwörer * 11.11. Seefeld * 11. 11. Sieglerschmidt 11. 11. Dr. Starke (Franken) * 11. 11. Stommel 11. 11. Strauß 11. 11. Stücklen 11. 11. Voigt (Frankfurt) * 11. 11. Frau Dr. Walz * 11. 11. Dr. Warnke 11. 11. Wawrzik * 11. 11. Wohlrabe 11. 11. Würtz * 11. 11. Zeyer * 11. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Matthöfer auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage A 1): Für welche in Betrieb, Bau und Planung befindliche Kernkraftwerke bestehen für den Bund in welchem finanziellen Umfang Risikobeteiligungsverträge, und welche finanziellen Mittel hat der Bund bisher auf Grund solcher Verpflichtungen aufwenden müssen? Zur Zeit bestehen für folgende Kernkraftwerke Risikobeteiligungsverträge: Gundremmingen, Lingen, Obrigheim, die sich in Betrieb befinden bzw. vorübergehend außer Betrieb sind, mit einem Volumen von je 100 Millionen DM. Für die im Bau befindlichen Prototypreaktoren SNR-300 und THTR-300 bestehen Verträge über 100 bzw. 105 Millionen DM Bundesanteil. Risikobeteiligungsverträge für in Planung befindliche Kernkraftwerke bestehen nicht. Am stillgelegten Kernkraftwerk Niederaichbach beträgt die Risikobundesbeteiligung 25 Millionen DM. An finanziellen Mitteln hat der Bund 64,2 Millionen DM für Risikoabdeckungen beim Kernkraftwerk Gundremmingen und 80,2 Millionen DM beim Kernkraftwerk Lingen aufgewandt. Davon abzuziehen sind Rückzahlungen in Höhe von 15,7 Millionen DM für das Kernkraftwerk Gundremmingen, so daß sich ein Nettoaufwand von 128,7 Millionen DM ergibt. Kernkraftwerk Vertragsabschluß In Betrieb 1. Gundremmingen 5. 12. 1962 2. Lingen 28. 4. 1965 3. Obrigheim 6. 7. 1966 In Bau 4. THTR-300 29. 12. 1971 5. SNR-300 15. 5. 1973 4352* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 In Planung Stillgelegt 19. 4. 1966 6. Niederaichbach ersetzt durch Neufassung vom 22. 12. 1972 Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Fuchs (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 1): Welche in Athen tätige Korrespondenten deutscher Zeitungen wurden am Donnerstag, dem 18. August 1977, zu dem von dem Bundesminister des Auswärtigen, Hans-Dietrich Genscher, gegebenen Essen im Hotel Astir — Vouligmeni — eingeladen, und welche Gründe gab es, die Korrespondentin einer deutschen Tageszeitung als einzige zu diesem Essen nicht einzuladen, obwohl der deutschen Botschaft in Athen bekannt ist, daß sie als Korrespondentin einer deutschen Tageszeitung ständig in Athen tätig ist? Zu dem von dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen gegebenen Mittagessen im Hotel Astir konnte wegen der beschränkten Platzverhältnisse nur ein Teil der in Athen arbeitenden deutschen Korrespondenten eingeladen werden. Die in Ihrer Frage namentlich nicht genannte Korrespondentin war daher nicht die einzige, die wegen der räumlichen Enge nicht eingeladen werden konnte. Sie erhielt jedoch Einladungen zu den beiden anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen des Bundesaußenministers, dem Frühstück für die ortsansässigen und mitreisenden Journalisten sowie dem Empfang in der deutschen Botschaft. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 2 und 3) : Auf welche Weise wird die Bundesregierung, zusammen mit den Regierungen unserer Verbündeten, zweifelsfrei sicherstellen, daß die internationale Glaubwürdigkeit ebenso wie die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Substanz durch die bevorstehende Unterzeichnung und das Inkrafttreten der beiden Zusatzprotokolle zu den Genfer Rot-Kreuz-Konventionen von 1949 nicht berührt werden? Beabsichtigt die Bundesregierung, bei der Unterzeichnung der beiden Zusatzprotokolle zu den Genfer Rot-Kreuz-Konventionen von 1949 eine Erklärung oder einen Vorbehalt des Inhalts abzugeben, daß die beiden Zusatzprotokolle nicht auf Kernwaffen Anwendung finden, die nach der mehrfach bekundeten Auffassung der Bundesregierung und der Regierungen unserer Verbündeten für die Sicherung des Friedens durch effektive Abschreckung von ausschlaggebender Bedeutung sind? Während der Vorbereitung und der vierjährigen Beratungen der am 10. Juni 1977 in Genf verabschiedeten Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen von 1949 war die Bundesregierung sich bewußt, daß diese Protokolle sicherheitspolitische Fragen aufwerfen, die einer eingehenden und sorgfältigen Prüfung in engem Zusammenwirken mit unseren Verbündeten bedürfen. Die Bundesregierung hat daher bereits während der Konferenz alle Entscheidungen in ständiger Fühlungnahme mit den Verbündeten getroffen. Diese Zusammenarbeit wird bei der rechtlichen und politischen Würdigung der verabschiedeten Texte fortgesetzt. In jedem Falle wird die Bundesregierung die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um zweifelsfrei sicherzustellen, daß internationale Glaubwürdigkeit ebenso wie sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, daß die Protokolle nicht schon mit ihrer Zeichnung in Kraft treten; vielmehr unterliegen sie der Ratifikation. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 4 und 5) : Welches ist der Stand der Bemühungen der Bundesregierung zur Freilassung des in der Tschechoslowakei zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilten deutschen Journalisten Werner Gengenbach? Hält die Bundesregierung den weiteren Vollzug der Strafe gegen Werner Gengenbach für vereinbar mit den Absichtserklärungen der KSZE-Schlußakte und mit den völkerrechtlichen Pflichten der Tschechoslowakei aus dem Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte, und wird sie den Fall Gengenbach beim KSZE-Folgetreffen in Belgrad zur Sprache bringen? Zu Frage B 4: Seit der Verurteilung Herrn Werner Gengenbachs zu zehn Jahren Freiheitsstrafe im Oktober 1974 bemüht sich die Bundesregierung nachdrücklich um seine Freilassung. Bundesminister Genscher hat sich wiederholt gegenüber dem tschechoslowakischen Außenminister für Herrn Gengenbach eingesetzt, zuletzt anläßlich seines Gesprächs mit ihm am 28. September 1977 am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Wie Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher am 8. September 1977 in Beantwortung einer Frage des Abgeordneten Dr. Kunz ausgeführt hat, hofft die Bundesregierung, daß ihre Bemühungen in absehbarer Zeit zum Erfolg führen werden. Zu Frage B 5: Die Bundesregierung hält es jedoch nicht für sinnvoll und erfolgversprechend, den Fall Gengenbach beim KSZE-Folgetreffen in Belgrad zur Sprache zu bringen. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Narjes (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 6) : Was hat die Bundesregierung bisher — innerhalb und außerhalb der Vereinten Nationen — getan, um ihrem Mißfallen über die Untaten des kommunistischen Regimes der Roten Khmer in Kambodscha Ausdruck zu geben? Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4353* Die Bundesregierung unterhält keine diplomatischen Beziehungen zur Regierung in Phnom Penh. In einer Antwort auf eine Anfrage im Europäischen Parlament ist kürzlich nach Abstimmung unter den beteiligten Regierungen betont worden, daß die Aussagen zahlreicher kambodschanischer Flüchtlinge die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft selbstverständlich nicht gleichgültig gelassen haben. Diese haben wiederholt ihre Besorgnis über die berichteten Ereignisse zum Ausdruck gebracht. Die Bundesregierung hatte sich bei der Beantwortung von Anfragen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und aus der deutschen Offentlichkeit bereits zuvor in diesem Sinne geäußert. Die konkreten Möglichkeiten der Einwirkung auf das Regime in Phnom Penh sind jedoch äußerst gering. Dies trifft sowohl für die Bundesrepublik wie auch für ihre Partner in der Gemeinschaft zu. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 7) : Bezieht sich die Antwort der Bundesregierung auf die Frage B 3 (Drucksache 8/1056) im Plenarprotokoll 8/53 bezüglich der Behinderung des Zutritts zur deutschen Botschaft in Bukarest auch auf deutsche Volkszugehörige mit rumänischer Staatsangehörigkeit. und treffen die zahlreichen Aussagen in Briefen aus Rumänien zu, daß diese Deutschen vor dem Betreten der Botschaft polizeilich scharf überprüft und in vielen Fällen am Betreten der Botschaft behindert werden? Auf Ihren Wunsch bestätige ich Ihnen, daß sich die Antwort auf Ihre in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 27. Oktober 1977 an die Bundesregierung gerichtete Frage generell auf alle deutschen Besucher der Botschaft einschließlich der von Ihnen angesprochenen Personengruppe bezieht. Weder der Botschaft noch dem Auswärtigen Amt liegen Beschwerden über Zugangsbehinderungen vor. Falls Sie über abweichende Informationen verfügen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns diese zugänglich machen würden, damit wir dem Sachverhalt nachgehen können. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 8) : Setzt die „zeitweilige Zuflucht", zu der die Bundesregierung zu den Fragen 10 und 11 (Drucksache 8/963) im Plenarprotokoll 8/48 Stellung nahm, nicht schon allein voraus, daß Leib und Leben einer Person bedroht sind, ohne Rücksicht darauf, ob die bedrohenden Umstände einem Bürgerkrieg, einer Revolution oder z. B. der totalitären Struktur eines Staats entspringen, wie beispielsweise die US-Botschaft in Moskau kürzlich Georgiern ,zeitweilig Zuflucht" gewährte? Die Gewährung der „zeitweiligen Zuflucht" setzt das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände voraus, die die Betroffenen einer unmittelbaren Leibes- oder Lebensgefahr aussetzen. In der Antwort der Bundesregierung, auf die Sie Bezug nehmen, sind entprechende Beispiele aufgeführt. Ob außergewöhnliche Umstände jeweils vorliegen, muß einer eingehenden Bewertung des Einzelfalles vorbehalten bleiben. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Spitzmüller (FDP) (Drucksache 8/1125 Frage B 9): Ist die Bundesregierung bereit, die sogenannten KatapultSportschleudern auf Grund ihrer gutachtlich nachgewiesenen Gefährlichkeit für Leben oder Gesundheit baldmöglichst in den entsprechenden Verbotskatalog des Waffengesetzes aufzunehmen? Das Waffengesetz enthält in § 6 Abs. 4 Nr. 2 eine Ermächtigung für den Bundesminister des Innern, durch Rechtsverordnung u. a. die Herstellung, den Vertrieb, den Erwerb, die Einfuhr und den Besitz von Waffen zu verbieten, die den in § 37 des Waffengesetzes bezeichneten Gegenständen in ihrer Gefährlichkeit vergleichbar sind, sofern diese Gegenstände wegen ihrer Beschaffenheit oder Wirkungsweise zur Begehung von Straftaten besonders geeignet sind. Ob diese Ermächtigungsgrundlage für ein Verbot von Präzisions-Gummischleudern ausreicht, sollte nach Auffassung der Bundesregierung anläßlich der Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Strafvorschriften des Waffenrechts geprüft werden. Gegebenenfalls müßte während der Beratungen die Ermächtigung entsprechend erweitert werden. Ob die Einführung eines Verbotes für PräzisionsGummischleudern zweckmäßig und wirksam ist, bedarf noch einer eingehenderen Prüfung. Die Abgrenzung solcher Geräte von ähnlichen für Sport und Spiel verwendeten harmloseren Geräten stößt auf Schwierigkeiten. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß solche Geräte von jedermann ohne großen technischen Aufwand und ohne besondere Fachkenntnisse selbst hergestellt werden können. Im übrigen habe ich zu diesem Fragenkomplex in Beantwortung von Mündlichen Fragen des Herrn Kollegen Dr. Hans-Joachim Jentsch in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 19. Oktober 1977 Stellung genommen. Auf die Niederschrift über die 49. Sitzung des Deutschen Bundestages S. 3739 ff. darf ich Bezug nehmen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Regenspurger (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 10): 4354* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Ist die Bundesregierung bereit, in ihrer Regelung über die Übergangszahlung nach § 75 des Bundesbesoldungsgesetzes die Benachteiligung der Beamten im kommunalen Werkdienst gegenüber den Beamten im Bereich der Deutschen Bundesbahn, der Deutschen Bundespost und der Wehrtechnik alsbald zu beseitigen und den Geltungsbereich der Übergangszahlungsverordnung vom 23. Juli 1975 (BGBl. I S. 1982) auf die Beamten der Laufbahnen des einfachen und mittleren Dienstes im Betriebs- und Werkdienst kommunaler Dienstherren zu erstrecken? Nach § 75 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) ist die Gewährung einer Übergangszahlung unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich bei allen öffentlich-rechtlichen Dienstherren möglich. Die Übergangszahlungsverordnung vom 23. Juli 1975 (BGBl. I S. 1982), die auf der Grundlage des § 75 BBesG ergangen ist, regelt bereits die Bereiche Deutsche Bundesbahn, Deutsche Bundespost und Wehrtechnik. In diesen Bereichen war eine Regelung vordringlich, da hauptsächlich in diesen Bereichen Einkommensverluste bei Übernahme von Arbeitnehmern in das Beamtenverhältnis entstanden sind (vgl. Bericht des Bundesministers des Innern vom 12. 5. 1972 an den Vorsitzenden des BT-Innenausschusses). Auch nur für diese Bereiche lagen 1975 genauere Untersuchungen vor. Eine Erweiterung auf andere Bereiche stieß seinerzeit auf den Widerstand der Länder, die unausgewogene Weiterungen verhindern wollten. Andere Bereiche in Bund und Ländern mußten daher 1975 zurückgestellt werden. Ab Sommer 1975 standen in Bund und Ländern Einsparungsbemühungen im öffentlichen Dienstrecht im Vordergrund, die ihren Niederschlag in den Einsparungsmaßnahmen des Haushaltsstrukturgesetzes fanden. Auf strukturelle Verbesserungen mußte weitestgehend verzichtet werden. Gleichwohl liegen mir inzwischen aus vier Bundesländern und mehreren Bundesressorts, einschließlich meines nachgeordneten Bereichs, Vorschläge über die Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs der Verordnung vor. Der Bundesminister des Innern ist bereit, im Zusammenwirken mit den zuständigen Bundesressorts und, wenn auch die Länder dies wünschen, mit diesen eine entsprechende Prüfung zu veranlassen. Jedoch muß ich darauf aufmerksam machen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall durchaus umstritten sein werden, daß umfangreiche Untersuchungen notwendig sind und diese kurzfristig kaum zu erledigen sein dürften. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 11) : Wie entwickelte sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Jugendkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland [einschließlich Berlin (West)] von 1950 bis einschließlich 1976 pro tausend Jugendliche in bezug auf Deutsche bzw. Ausländer? In der Polizeilichen Kriminalstatistik wird die Entwicklung der Jugendkriminalität bezogen auf die entsprechende Altersgruppe der Wohnbevölkerung (Personen von 14 bis unter 18 Jahren) erst seit dem Jahre 1955 registriert. Die verfügbaren Daten beziehen sich dabei jedoch jeweils auf die jugendlichen Tatverdächtigen insgesamt; eine Differenzierung nach deutschen und ausländischen Tatverdächtigen in der Altersgruppe der Jugendlichen nimmt die Statistik nicht vor. Mit dieser Maßgabe hat sich die Jugendkriminalität in absoluten Zahlen der jugendlichen Tatverdächtigen und nach der Kriminalitätsbelastungszahl (Anzahl der registrierten jugendlichen Tatverdächtigen bezogen auf je 1 000 Jugendliche der Wohnbevölkerung) von 1955 bis 1976 wie folgt entwickelt: Jahr Jugendliche Kriminalitätsbelastungsziffer Tatverdächtige 1955 85 083 2,3 1956 95 722 2,5 1957 107 472 2,9 1958 100 228 2,9 1959 103 364 3,2 1960 102 220 3,6. 1961 113 749 4,1 1962 105 539 3,9 1963 72 343 2,7 1964 80 302 2,7 1965 84 244 2,7 1966 98 081 3,1 1967 108 368 3,4 1968 120 834 3,8 1969 128 720 4,1 1970 137 963 4,3 1971 141 571 4,4 1972 150 465 4,5 1973 141 079 4,1 1974 142 324 4,0 1975 150 015 4,0 1976 167 916 4,4 Zur Erläuterung möchte ich noch darauf hinweisen, daß in den vorstehenden Zahlen bis 1962 jeweils die Verkehrsdelikte mit berücksichtigt sind. Die Vergleichbarkeit mit den folgenden Jahren ab 1963 ist damit begrenzt. Allgemein ist zu der Statistik anzumerken, daß die Aufklärungsquoten und damit die Ermittlung der Tatverdächtigen bei einzelnen Deliktsarten unterschiedlich hoch sind und daß das Ermittlungsrisiko bei den verschiedenen Altersgruppen nicht gleich ist; bei Jugendlichen ist es erfahrungsgemäß besonders hoch. Ferner treten in der Statistik in gewissem Umfang Mehrfachzählungen auf, indem diesselbe Person, gegen die im Berichtszeitraum mehrfach ermittelt worden ist, jedesmal erneut für die Statistik gezählt wird. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4355* Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretär von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Holtz (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 12) : Ist die Bundesregierung bereit, ähnlich wie die amerikanische Regierung, darauf hinzuwirken, daß bei Bundesbehörden nur Papier verwendet wird, das zumindest zu 50 v. H. aus Altpapier besteht? In ihrem Abfallwirtschaftsprogramm 75 hat die Bundesregierung die Steigerung des Altpapiereinsatzes bei der Erzeugung von Pappe- und Papierprodukten als ein vorrangiges Ziel herausgestellt. Der Einsatz von Altpapier anstelle von Zellstoff bzw. Holzschliff bei der Papierproduktion führt zu einer Entlastung der Umwelt und trägt gleichzeitig zu einer Einsparung von Rohstoffen und Energie bei. Die Verwendung von aus Altpapier hergestellten graphischen Papieren erfordert von den Verbrauchern ein gewisses Umdenken, was die Qualitätsansprüche an entsprechende Produkte, insbesondere die optischen Eigenschaften, angeht. Um in dieser Beziehung ein Beispiel zu geben, hat der Bundesminister des Innern bereits vor mehr als zwei Jahren für bestimmte Zwecke in seinem Geschäftsbereich die Verwendung von Büropapieren angeordnet, die auf der Basis von Altpapier hergestellt sind. Gleichzeitig wurden andere Bundesbehörden gebeten, diesem Beispiel zu folgen. Die positive Haltung der Bundesregierung in der Frage der Verwendung von altpapierhaltigen Papiersorten bei Bundesbehörden kommt auch in der Tatsache zum Ausdruck, daß dieses Papier in die Liste der Materialien aufgenommen wurde, die bei den obersten Bundesbehörden einer gemeinsamen Beschaffung unterliegen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß für bestimmte Anwendungsbereiche Papier von hohen Festigkeitseigenschaften und guter Alterungsbeständigkeit zur Verfügung stehen muß, für dessen Herstellung neues Fasermaterial erforderlich ist. Das neue Papier wird bei der Herstellung kurzlebiger Druckerzeugnisse, bei der Vervielfältigung und z. T. im Schreibdienst eingesetzt. Für eine breitere Anwendung altpapierhaltiger Papiersorten für Bürozwecke und Druckerzeugnisse bedarf es noch eingehenderer Untersuchungen, insbesondere hinsichltich der Alterungsbeständigkeit der Papiere sowie ihrer Eignung für Büromaschinen und -geräte. Die Bundesregierung hat zur Klärung dieser Fragen die notwendigen Gutachten in Auftrag gegeben. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Holtz (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 13): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die städtische Wohnungsaufsicht in der Praxis die Schließung von offensichtlich unzureichenden Unterkünften verzögern muß, da sie zur Benachteiligung dort wohnender Ausländer führt, die infolge sehr langer Verweilzeiten in den ihnen zugewiesenen Schlichtwohnungen in Kauf zu nehmen haben, daß sie in den Automatismus der vom Ausländeramt verfügten Ausweisung geraten, und gedenkt die Bundesregierung, hier durch Änderung des Ausländerrechts Abhilfe zu schaffen? Der Bundesregierung ist der vorgetragene Sachverhalt bisher nicht bekanntgeworden. Sowohl die Wohnungsaufsicht als auch der Vollzug des Ausländergesetzes ist Sache der Länder. Aus ausländerrechtlicher Sicht ist zu Ihrer Frage folgendes zu bemerken: Die Gründe für eine Ausweisung sind in § 10 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) vom 28. April 1965 (BGBl. I S. 353) abschließend aufgeführt. Eine sehr lange Verweildauer in einer Schlichtwohnung stellt keinen Ausweisungsgrund dar. Auch wenn im übrigen ein Ausweisungsgrund gegeben ist, führt dies keineswegs automatisch zu einer Ausweisung. Nach § 10 Abs. 1 AuslG haben die Ausländerbehörden der Länder bei Vorliegen eines der dort genannten Tatbestände vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie eine Ausweisung anordnen oder von ihr absehen. Die rechtmäßige Ausübung des Ermessens setzt dabei voraus, daß die für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abgewogen werden. Sofern eine Ausländerbehörde diese Grundsätze in einem Einzelfall außer acht läßt, kann ihre Entscheidung im Rechtsweg abgeändert werden. Die Bundesregierung sieht daher zu einer Änderung des Ausländerrechts keinen Anlaß. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 14): Bedeutet die Forderung nach mehr Sicherheit vor Banküberfällen durch optische Raumüberwachung nicht das Eingeständnis, daß der Staat seiner Pflicht zur angemessenen Garantie von Recht und Ordnung nicht mehr ausreichend nachkommen kann, so daß der Private deshalb selbst für mehr Sicherheit zu sorgen habe, und wie läßt sich gegebenenfalls der dann drohenden Entwicklung begegnen, daß in immer stärkerem Ausmaß die Verpflichtung des Staats, gesetzestreue Bürger vor Rechtsbrechern zu schützen, ersetzt wird durch die Verpflichtung zur privaten Bekämpfung der Kriminalität in Art der Selbstjustiz? Die Spitzenverbände des Bankgewerbes, die Unfallversicherungsträger und die Sicherheitsbehörden halten sowohl in präventiver als auch in repressiver Hinsicht die Ausstattung von Schalterhallen mit optischen Überwachungsanlagen für eine geeignete Maßnahme, um Raubüberfällen auf Kreditinstitute entgegenzuwirken. Die Spitzenverbände des Kreditgewerbes haben sich deshalb Anfang Oktober 1977 in Verhandlungen mit dem Bundesminister des Innern bereit- erklärt, kurzfristig und energisch zusammen mit den zuständigen Behörden den weiteren Ausbau der Schalterhallen mit optischen Überwachungsanlagen voranzutreiben. 4356* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Diese Maßnahme der Kreditinstitute bedeutet nicht, daß der Staat seiner Pflicht zur angemessenen Garantie von Recht und Sicherheit nicht ausreichend nachkommt. Die Absprachen mit dem Bankgewerbe tragen vielmehr dem allgemeinen Gedanken Rechnung, daß der Schutz von Rechtsgütern in dem Sinne eine gemeinsame Aufgabe des Staates sowie der Bürger und Privateinrichtungen ist, als jeder einzelne in einem ihm zumutbaren Maße einen Beitrag zur Sicherung der eigenen Rechtsgüter leisten soll. Dies gilt im übrigen auch für andere Bereiche. Auf die von den Bürgern in ganz selbstverständlicher Weise getroffenen Schutzvorkehrungen zur Sicherung ihres Eigentums kann ich beispielhaft genauso verweisen wie auf Maßnahmen des Werkschutzes oder auf die Maßnahmen der Luftverkehrsgesellschaften zur Sicherung des Luftverkehrs. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 15 und 16) : Welches sind die Gründe, die die Bundesregierung dazu veranlassen, in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache 8/1027) nur die Stellenzulage für Flugzeugführer von Strahlflugzeugen zu erhöhen und die Stellenzulagen für Flugzeugführer von Propellermaschinen unverändert zu lassen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Flugzeugführer von Propellermaschinen einer ähnlichen physischen und psychischen Belastung wie Strahlflugzeugführer ausgesetzt sind und ähnliche Verantwortung zu tragen haben und deshalb eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist? Die besoldungsgesetzlichen Stellenzulagen werden nach ihrer Zweckbestimmung für die Wahrnehmung herausgehobener Funktionen gewährt (§ 42 Bundesbesoldungsgesetz). Die Verwendung als fliegendes Personal in Luftfahrzeugen ist als herausgehobene Funktion durch eine Stellenzulage nach Vorbemerkung Nr. 6 zu den Besoldungsordnungen A und B anerkannt. Ihre Höhe ist nach der Art der Verwendung abgestuft (Luftfahrzeugführer von Strahlflugzeugen, Luftfahrzeugführer von sonstigen Luftfahrzeugen und sonstige ständige Besatzungsangehörige). Hinsichtlich der Gründe, die die Bundesregierung zum Vorschlag der Erhöhung der Zulage an Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter in ein- oder zweisitzigen strahlgetriebenen Kampf- oder Schulflugzeugen veranlaßt haben, verweise ich auf die Begründung des von Ihnen genannten Gesetzentwurfs. Die dort geschilderten Funktionssteigerungen und die sie auslösenden Entwicklungen sind nach den derzeitigen Erkenntnissen auf den vorstehenden Personenkreis beschränkt. Vergleichbare Veränderungen sind bei den Funktionen des übrigen fliegenden Personals — sowohl von Strahl- als auch Propellermaschinen — nicht eingetreten. Die Funktionen der erwähnten Besatzungen von Kampf- oder Schulmaschinen heben sich von denen des übrigen fliegenden Personals daher stärker ab, als es der gegenwärtigen Zulagenregelung entspricht. Eine angemessene Erhöhung speziell dieser Zulage scheint daher erforderlich. Auch beim übrigen fliegenden Personal werden die laufenden Entwicklungen im Hinblick auf besoldungsrechtlich eventuell notwendige Folgerungen jedoch ständig beobachtet. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jentsch (Wiesbaden) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 17) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung des Bundesgrenzschutzverbands nach Einrichtung einer zweiten Anti-TerrorGruppe (GSG 10), die vorwiegend dem Personenschutz dienen soll? Für den Personen- und Begleitschutz ist zur Zeit nicht der Bundesgrenzschutz, sondern gemäß § 9 Abs. 1 BKAG das Bundeskriminalamt zuständig. Für eine Übertragung des Personen- und Begleitschutzes vom Bundeskriminalamt auf den Bundesgrenzschutz wären Änderungen des BKA-Gesetzes und des BGS-Gesetzes notwendig. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 18) : Sagt Bundeskanzler Schmidt — wie der niedersächsische Sozialminister Schnipkoweit vor der Presse in Hannover erklärt haben soll — die Unwahrheit, wenn er behauptet, daß die atomrechtliche Genehmigungsbehörde in Niedersachsen die Anträge auf Genehmigung eines nuklearen Entsorgungszentrums nur zögernd bearbeite (Presseinformation 13/77 niedersächsischer Sozialminister), und wenn nein, welche Konsequenzen wird die Bundesregierung ziehen? Ihre Frage beantworte ich mit Nein. Der Herr Bundeskanzler hat stets betont, daß er aus gesamtpolitischer Verantwortung eine zügige Verwirklichung des geplanten deutschen Entsorgungszentrums für erforderlich hält. Auf diese Frage ist er auch in seinem Briefwechsel mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. Albrecht wiederholt eingegangen und hat dabei auf die notwendige enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern hingewiesen. Die Bundesregierung geht deshalb auch weiterhin davon aus, daß alle zuständigen Behörden von Bund und Land die Verwirklichung des geplanten Entsorgungszentrums ohne Verzögerungen ermöglichen werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs von Schoeler auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Rose (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 19) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4357* Ist die GSG 9 für den Personenschutz zuständig, und gegebenenfalls seit wann? Der Personen- und Begleitschutz ist keine Aufgabe des Bundesgrenzschutzes, sondern gemäß § 9 Abs. 1 BKAG des Bundeskriminalamtes. Die schon seit längerem gewährte Unterstützung des Bundeskriminalamtes im Personen- und Begleitschutz durch den Bundesgrenzschutz ist in diesen Zeiten erhöhter Gefährdung unter Heranziehung auch der GSG 9 erweitert worden. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Francke (Hamburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 20): Ist die Bundesregierung im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte in Rechtsstreiten über die Beendigung oder Fortsetzung eines Mietverhältnisses über Wohnraum oder über die Höhe des Mietzinses bereit, das Dritte Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 1967 dahin gehend zu ändern, daß die Landgerichte in grundsätzlichen kontroversen Rechtsfragen einen Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts bzw. des Bundesgerichtshofs herbeiführen können? Die Bundesregierung und die Länder prüfen seit einiger Zeit, wie sich die Probleme lösen lassen, die sich daraus ergeben, daß nach der Regelung im Gerichtsverfassungsgesetz die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes u. a. bei Streitigkeiten aus einem Mietverhältnis über Wohnraum einschließlich seiner Beendigung und der Höhe des Mietzinses in letzter Instanz entscheiden. In den Kreis dieser Überlegungen wird auch die Frage einbezogen, ob das Institut des Rechtsentscheids, das derzeit nur bei Rechtsfragen statthaft ist, die sich aus den §§ 556 a bis 556 c BGB ergeben, auf das gesamte Recht der Wohnraummietverhältnisse ausgedehnt werden sollte. Auf eine Anfrage des Landes Baden-Württemberg, ob sie eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel der Ausdehnung des Instituts des Rechtsentscheides auf alle Streitigkeiten über Wohnraummietverhältnisse im Bundesrat unterstützen würden, haben sich alle Länder (mit Ausnahme von Hamburg, das bisher nicht Stellung genommen hat) ablehnend geäußert. Zur Begründung der ablehnenden Auffassung wird unter anderem folgendes geltend gemacht: Der Rechtsentscheid hat bisher keine Bedeutung erlangt. Die Erfahrung zeigt, daß die Landgerichte selbst dort, wo sie nach geltendem Recht einen Rechtsentscheid einholen können, von dieser Möglichkeit nur in verschwindend geringem Umfang Gebrauch machen. Dies würde sich wohl auch dann nicht ändern, wenn der Anwendungsbereich des Rechtsentscheids erweitert würde, weil die Probleme in Wohnraummietstreitigkeiten zum weitaus größten Teil auf tatsächlichem Gebiet, nicht auf rechtlichem, liegen. Sodann ist fraglich, ob die Ausdehnung des Instituts des Rechtsentscheids wirklich zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung führen würde. Dies wäre nur zu erreichen, wenn man den Rechtsentscheid auch für die Fälle vorsähe, in denen ein Landgericht von einer ihm bekannten Entscheidung eines anderen Landgerichts abweichen will. Die gegenwärtig vorhandenen Mittel ermöglichen es aber nicht, den hierfür erforderlichen Informationsfluß über die Rechtsprechung der Landgerichte zu gewährleisten. Die Veröffentlichungspraxis der Landgerichte ist sehr unterschiedlich. Einheitliche Maßstäbe lassen sich nicht feststellen. Es hängt in weitaus stärkerem Maße als bei den Oberlandesgerichten von den Umständen des Einzelfalles ab, ob sich eine Kammer, der Vorsitzende oder der Berichterstatter zur Veröffentlichung einer Entscheidung entschließt. Die Voraussetzungen des Rechtsentscheides würden damit vielfach von eher zufallsbedingten Umständen abhängen. Hinzu kommt, daß den Landgerichten vielfach die personellen und sachlichen Möglichkeiten fehlen, sich umfassend über die Rechtsprechung anderer Landgerichte zu unterrichten. Hierdurch würde das Moment des eher Willkürlichen und Zufälligen, von dem bei einer solchen Lösung die Divergenzvorlage abhängig wäre, noch verstärkt. Der Rechtsentscheid führt zu einer längeren Erledigungsdauer. Gerade im Bereich des Wohnraummietrechts dürfte aber das Interesse der Parteien an einer raschen Erledigung des Prozesses besonders hoch sein. Die Vorteile des bisherigen Rechtszuges, nämlich ein ortsnahes, schnelles und kostengünstiges Verfahren, dürften gegenüber einem im Interesse einer möglichen Vereinheitlichung der Rechtsprechung verlängerten Instanzenzug überwiegen. In Anbetracht dieser Umstände strebt die Bundesregierung derzeit eine Gesetzesänderung der gedachten Art nicht an. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Gattermann (FDP) (Drucksache 8/1125 Fragen B 21, 22 und 23) : Welche Erfahrung hat die Bundesregierung mit der Anwendung des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 1975, insbesondere mit den Richtlinien der Länder zur wirksameren Bekämpfung der Mietpreisüberhöhungen (z. B. Runderlaß des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 1975 MBl NW Nr. 124, Seite 1950) gemacht? Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse darüber, in welchem Umfang Verfahren eingeleitet wurden und mit welcher Quote die Verfahren mit rechtskräftiger Verhängung eines Bußgelds (ohne Verfahren und Verurteilungen nach j 302 StGB) endeten, und wenn ja, wie lauten diese Erkenntnisse? Teilt die Bundesregierung die Befürchtung aus Kreisen der Wohnungswirtschaft und des Zentralverbands der deutschen Haus- und Grundeigentümer, daß der Mietspiegel (I 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe) faktisch mehr und mehr den Charakter von Höchst- und Mindestpreisverordnungen annimmt, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Zu Frage B 21: Die Erfahrungen mit der Anwendung des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes i. V. m. den Richtlinien der 4358* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1971 Länder zur wirksameren Bekämpfung von Mietpreisüberhöhungen sind im ganzen zufriedenstellend. Die Richtlinien unterstützen nach Inhalt und Tendenz den Zweck des § 5 WiStG, die Miete als Marktpreis zu erhalten und zu verhindern, daß Störungen auf dem Wohnungsmarkt (geringes Angebot) in nicht tragbarer Weise ausgenutzt werden. Die Richtlinien erleichtern das Arbeiten der Bußgeldbehörden z. B. dadurch, daß zwei Ermittlungsmethoden für die Feststellung der Unangemessenheit empfohlen werden (nämlich in erster Linie ein Aufschlag von 10 % auf den oberen Mietwert der Bandbreite der ortsüblichen Mieten für vergleichbare Wohnräume oder, falls es für den Vermieter günstiger ist, ein Aufschlag von 20 0/o auf den Durchschnitt der ortsüblichen Mieten, falls ein solcher feststellbar ist). Einige Gerichte haben höhere prozentuale Aufschläge zugrunde gelegt, wobei sie allerdings von einem rechnerischen Durchschnitt glaubten ausgehen zu müssen. Zu Frage B 22: Nach einer vom Bundesministerium für Wirtschaft erstellten Statistik sind 1976 2 164 (1975: 2 247, 1974: 4 989) Fälle von Mietpreisüberhöhungen festgestellt bzw. bearbeitet worden. 1976 wurde in 626 (1975 in 448, 1974 in 677) Fällen von einer Verfolgung abgesehen, nachdem auf Grund von Vorhaltungen der Bußgeldbehörden die überhöhten Entgelte herabgesetzt worden waren. Eingestellt wurde das Verfahren 1976 in 543 (1975 in 362, 1974 in 553) Fällen. Im Jahre 1976 ergingen 52 Bußgeldbescheide (1975: 62, 1974: 378). In 46 Fällen (1975 in 73, 1974 in 350) wurde 1976 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Wieweit die verhängten Bußgeldbescheide inzwischen rechtskräftig geworden sind, ist zur Zeit noch nicht bekannt. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl wurden die meisten Ordnungswidrigkeiten in Ländern mit Ballungsräumen (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und den Stadtstaaten) bekannt und verfolgt. Zu Frage B 23: Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte, welche die Befürchtung rechtfertigen könnten, die Mietspiegel nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe würden faktisch mehr und mehr den Charakter von Höchst- und Mindestpreisregelungen annehmen. Die Bedeutung der Mietspiegel für die Höhe des Mietzinses ist verschieden je nachdem, ob es sich um ein laufendes Mietverhältnis oder den Neuabschluß eines Mietvertrages handelt. Während der Dauer eines bestehenden Mietverhältnisses ist das Recht des Vermieters, die Zustimmung zu einer Mieterhöhung zu verlangen, nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe davon abhängig, daß der verlangte Mietzins die üblichen Entgelte für vergleichbare Wohnungen nicht übersteigt. Der Mietspiegel ist nur das praktisch bedeutsamste Hilfsmittel für die vom Vermieter beizubringende schriftliche Begründung, daß der verlangte Mietzins die üblichen Entgelte nicht übersteigt. Diese Begründung kann jedoch auch in anderer Weise vorgenommen werden, so durch Sachverständigengutachten oder durch die Angabe der Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen (§ 2 Abs. 2 MHG). Im Prozeß ist der Richter bei der Feststellung der Höhe der Vergleichsmiete nicht an den Mietspiegel gebunden. Für die Mieterhöhungsmöglichkeiten bei baulichen Verbesserungen und bei Erhöhungen der Betriebsoder Kapitalkosten (§§ 3 bis 5 MHG) ist der Mietspiegel ganz ohne Bedeutung. Das Gesetz zur Regelung der Miethöhe enthält keine Vorschriften, welche die Höhe des Mietzinses beim Abschluß eines neuen Mietvertrages einschränken. Zu der Frage, inwieweit § 5 Wirtschaftsstrafgesetz und seine praktische Handhabung eine freie Vereinbarung der Miethöhe beim Abschluß eines neuen Mietvertrages erschweren, wird die Bundesregierung im Bericht über die Auswirkungen des Zweiten Wohnraumkündigungsgesetzes Stellung nehmen; dieser Bericht soll gemäß dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 17. Oktober 1974 Anfang 1979 vorgelegt werden. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schäuble (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 24) : Trifft es zu, daß das Bundesfinanzministerium in einem vertraulichen Hintergrundbericht zum Bundeshaushalt 1978 die Feststellung getroffen haben soll, daß die Bundesrepublik Deutschland an die Europäischen Gemeinschaften nicht nur die höchsten Zahlungen zu erbringen habe, sondern auch noch den geringsten volkswirtschaftlichen Nutzen aus den Gemeinschaften ziehe, und auf welchen konkreten Vergleichszahlen beruht gegebenenfalls diese Feststellung? Die Position der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG) wird vom Bundesministerium der Finanzen naturgemäß ständig beobachtet, was auch in Aktenvermerken u. ä. ihren Niederschlag findet. Den von Ihnen zitierten „vertraulichen Hintergrundbericht" gibt es allerdings nicht. Einzahlungen der Mitgliedstaaten in den EG-Haushalt und Rückflüsse werden im BMF nicht nur intern behandelt, sondern auch veröffentlicht. So beispielsweise in den Finanznachrichten vom 22. September 1977. Darin ist u. a. ausgeführt, daß die Bundesrepublik Deutschland 1976 mehr in den EG-Haushalt einzahlte, als Mittel im Zuge der Durchführung der Gemeinschaftspolitiken in die Bundesrepublik Deutschland zurückflossen. Im Jahr 1976 betrug die Nettozahlung der Bundesrepublik Deutschland an die Gemeinschaft 3,3 Milliarden DM. Wegen weiterer Einzelheiten verweise ich auf die vorbezeichneten und als Anlage beigefügten Finanznachrichten. Einzahlungen der Mitgliedstaaten in den EG-Haushalt und Rückflüsse aus dem EG-Haushalt in die Mitgliedstaaten im Jahr 1976 Durch die Finanzströme über den EG-Haushalt, der inzwischen eine Größenordnung von über 30 Milliarden DM erreicht hat, werden die Mitgliedstaaten unterschiedlich begünstigt und belastet. Wie die Mit- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4359* Tabelle 1 Leistungen an den EG-Haushalt 1976 und Rückflüsse an die Mitgliedstaaten 1) - in Millionen RE - (1 RE = 3,66 DM) I B D F It L NL DK Irl GB Gesamt A. Leistungen (Eigenmittel) Finanzbeiträge 476,6 2 017,9 1 581,6 1 260,4 11,3 646,1 152,4 37,8 1 196,8 7 380,9 B. Rückflüsse Sozialfonds 8 44,4 78,5 147,5 0,1 12,9 10,4 31,1 106,5 439,43) Regionalfonds 4,5 19,2 45 120 0,3 5,1 3,9 18 84 300 4) Hilfe Friaul EAGFL 60 60 - Abt. Garantie 337,2 880 1 408,8 1 053,4 8,1 756,8 432,4 225,1 468,2 5 570 Veränderung der Zurechnung 5) . - Währungsausgleich - Großbritannien -6,77 -12,65 -23,74 - - -47,92 -71,7 -58,4 +221,2 - Italien -3 -17,1 -18,57 +56,44 - -12,81 - 4,75 - 0,19 - - Abt. Ausrichtung 15,2 63 59,6 93 0,2 13,7 11,9 27 54,8 338,4 Nahrungsmittelhilfe 26,4 21,6 32,5 16 1,3 9,5 0,1 3,4 0,9 111,7 10 % Erstattung für Erhebungskosten 37,1 118,7 74,2 93,4 0,3 58,6 11,4 3,9 125,1 522,7 Summe B 418,6 1 117,1 1 656,3 1 639,7 10,3 795,9 393,7 294,9 1 060,7 7 342,22) Empfängersaldo 74,7 379,3 149,8 241,3 212,1 1057,2 Zahlersaldo 58 900,8 1 136,18) 1095,9 Anmerkungen: 1) Nach vorläufigem EG-Rechnungsabschluß, Zahlen teilweise gerundet. 2) In der Tabelle sind nur die Mittel berücksichtigt, die im Rahmen der Gemeinschaftspolitiken über den EG-Haushalt zwischen den Mitgliedstaaten transferiert wurden. Nicht berücksichtigt sind die den Mitgliedstaaten nicht zurechenbaren Ausgaben in Höhe von 906,2 Millionen RE (etwa 10 °/o des EG-Haushalts), insbesondere Verwaltungsausgaben, Forschungsmittel, Entwicklungshilfe. Aus systembedingten Gründen übersteigen die Zahlungen um 38,7 Millionen RE die Rückflüsse; dieser Überschuß ist auf das Haushaltsjahr 1977 übertragen worden. 3) Einschließlich Mittelbindungen. 4) Aufteilung gem. Schlüssel nach Art. 2 VO 724/75. 5) Bei Einfuhren Italiens und Großbritanniens werden die zu gewährenden Währungsausgleichsbeträge für Rechnung der einführenden Mitgliedstaaten gewährt (Art. 2 a VO 974/71). Diese Währungsausgleichsbeträge, die in den Rückflüssen der Ausfuhrländer enthalten sind, müssen deshalb wirtschaftlich den beiden Ländern zugerechnet werden. 6) Ohne Berücksichtigung des Beitrittsausgleichs. gliedstaaten an der Finanzierung der Gemeinschaft beteiligt sind, zeigt die Gegenüberstellung der Einzahlungen jedes Mitgliedstaates in den EG-Haushalt mit seinen Rückflüssen aus dem EG-Haushalt. Die Rückflüsse richten sich nach den einzelnen Gemeinschaftspolitiken, insbesondere nach der Agrar-, der Regional- und der Sozialpolitik. Der Agrarbereich, auf den nach wie vor über 70 % der Ausgaben des EG-Haushalts entfallen, ist naturgemäß am stärksten für die Verteilung der Rückflüsse auf die einzelnen Länder maßgebend. Die Höhe der auf das einzelne Land entfallenden Rückflüsse wird entscheidend über die Agrarmarktpolitik bestimmt, und zwar durch die Ausgaben, die als Folge der Mechanismen der Agrarmarktordnungen anfallen. Die Verteilung der Mittel des EG-Haushalts richtet sich also nicht nach der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder dem Finanzbedarf des einzelnen Landes, sondern nach der jeweiligen Ausgestaltung der einzelnen Politiken. 1976 galt für die Bundesrepublik Deutschland: Der Finanzierungsanteil am Gesamthaushalt der EG betrug 27,6 %, die Rückflußquoten bei den einzelnen in diesem Gesamthaushalt veranschlagten Gemeinschaftsfonds erreichten: Agrarmarktausgaben 15,8 %, Agrarstrukturausgaben 18,6 %, Sozialfonds 10,1 %, Regionalfonds 6,4 %. Nach dem Abschluß von 1976 (Tabelle 1) zeigt sich, daß bei fünf Mitgliedstaaten die Rückflüsse aus dem EG-Haushalt höher waren als ihre Einzahlungen, während vier Mitgliedstaaten höhere Einzahlungen leisteten, als sie an Rückflüssen verbuchen konnten. Die Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Luxemburg und Großbritannien waren Nettozahler; Frankreich, Italien, die Niederlande, Irland und Dänemark waren Nettoempfänger. Die Bundesrepublik Deutschland zahlte 1976 2 017,9 Millionen RE = 7 385,0 Millionen DM in den EG-Haushalt ein; die Rückflüsse aus dem EG-Haushalt in die Bundesrepublik Deutschland betrugen 1 117,1 Millionen RE = 4 088,6 Millionen DM. Das ergibt einen Netto-Zahler-Saldo von 900,8 Millionen RE = 3 296,9 Millionen DM. (Zum Vergleich: Deutscher Netto-Zahler-Saldo 1975: 870 Millionen RE = 3 200 Millionen DM). Bei der Nettozahlerposition Großbritannien ist der sog. Beitrittsausgleich nicht berücksichtigt; es handelt sich dabei um Zahlungen der Gemeinschaft zur Verbilligung britischer Agrarimporte, da das britische Agrarpreisniveau noch nicht vollständig an das Gemeinschaftsniveau herangeführt ist 1). Bei Zurechnung des Beitrittsausgleichs an Großbritannien würde auch dieser Mitgliedstaat Nettoempfänger werden. Ein echter Ressourcentransfer zwischen den Mitgliedstaaten über den EG-Haushalt findet letztlich nur in Höhe der Differenz zwischen den jeweiligen Einzahlungen und Rückflüssen statt. Der durch eigene Leistungen nicht gedeckte Teil der Rückflüsse der Nettoempfänger wird durch die Nettozahler 1) Der Beitrittsausgleich zugunsten von Großbritannien betrug 1976 360 Millionen RE. Bei Zurechnung dieses Betrages kehrt sich die in Tabelle 1 ausgewiesene britische Nettozahlung von 136,1 Millionen RE in einen Nettoempfang von 223 Millionen RE um. finanziert. Er belief sich 1976 auf rd. 1 060 Millionen RE = 3 880 Millionen DM. Von diesem Betrag hat die Bundesrepublik Deutschland mehr als 4/5 finanziert. Begünstigte des Ressourcentransfers waren im Jahre 1976 vor allem Italien mit rd. 35,9 %, Dänemark mit rd. 22,8 % und Irland mit rd 20,1 %. Rechnet man die Nettobelastungen und die Nettogewinne pro Kopf der Bevölkerung um, so weist die Bundesrepublik Deutschland mit 14,6 RE = 53,4 DM pro Kopf die höchste Pro-Kopf-Belastung aus; als Nettoempfänger pro Kopf liegt Irland, gefolgt von Dänemark, an der Spitze (Tabelle 2). Tabelle 2 Pro-Kopf-Betrachtung des (Netto-)Ressourcentransfers zwischen den Mitgliedstaaten in 1976 1) Nettozahlung (-) Nettoempfang (+) insgesamt pro Kopf in Millionen R RE2) E 2) Deutschland Belgien 3) -900,8 -14,6 Luxemburg 3) Großbritannien 4) Frankreich - 58 - 5,9 Italien - i - 2,8 Niederlande Dänemark -136,1 - 2,4 Irland + 74,7 + 1,4 +379,3 + 6,8 + 149,8 +11 +241,3 +47,7 +212,1 +67,8 1) In der Tabelle sind nur die Mittel berücksichtigt, die im Rahmen der Gemeinschaftspolitiken über den EG-Haushalt zwischen den Mitgliedstaaten transferiert werden (nicht berücksichtigt sind insbesondere Verwaltungskosten, Forschungsmittel, Entwicklungshilfe, insgesamt etwa 10 v. H. des EG-Haushalts). 2) 1 RE = 3,66 DM 3) Bei der Belastung Belgiens und Luxemburgs muß gesehen werden, daß diese beiden Länder erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Vorteile als Hauptsitzstaaten der Organe der Europäischen Gemeinschaft haben. 4) Ohne Berücksichtigung des Beitrittsausgleichs. Die Zurechnung des Beitrittsausgleichs kehrt die britische Pro-Kopf-Belastung in einen britischen Pro-Kopf-Empfang in Höhe von 3,9 RE pro Kopf um. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Baron von Wrangel (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 25 und 26) : Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Bundesvermögensverwaltung im Zonenrandgebiet den Mietzins für verpachtetes oder vermietetes Gelände zum 1. Januar 1978 erheblich anheben will? Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4361* Ist die Bundesregierung bereit, auf Grund der strukturell ohnehin problematischen Situation des Zonenrandgebiets auf Mieterhöhungen zu verzichten und den Verkaufsstopp von bundeseigenem Vermögen aufzuheben? Zu Frage B 25: Die Bundesvermögensverwaltung hat in den letzten Monaten die Mieten für Bundesmietwohnungen allgemein an die untere Grenze der jeweils ortsüblichen- Miete für vergleichbare Wohnungen des allgemeinen Wohnungsmarktes herangeführt; allerdings mit der Maßgabe, daß die Mietanhebung 20 %, in Ausnahmefällen 30% der bisherigen Grundmiete nicht übersteigen darf. Die Bundesvermögensverwaltung hat die Mietanhebungsaktion bei praktisch allen 50 000 Bundesmietwohnungen inzwischen abgeschlossen, und zwar fast ausnahmslos in Einvernehmen mit den Mietern. Die erhöhten Mieten werden spätestens ab 1. Januar 1978 zu zahlen sein. Die Bundesvermögensverwaltung verwaltet auch eine Vielzahl für gewerbliche Zwecke vermieteter oder verpachteter bundeseigener Liegenschaften. Sie vereinbart dabei entsprechend den haushaltsrechtlichen Bestimmungen als Miete oder Pacht das jeweils ortsüblich angemessene Nutzungsentgelt, das sie regelmäßig im Abstand von jeweils 3 Jahren auf seine Angemessenheit überprüft und ggf. anpaßt. Die spezifischen Gegebenheiten des Zonenrandgebietes werden bei der Bildung und Anpassung der Mieten und Pachten der bundeseigenen Liegenschaften berücksichtigt, wenn und soweit sie sich in den ortsüblichen Nutzungsentgelten für Liegenschaften ausdrücken. Zu Frage B 26: Mieten und Pachten für bundeseigene Liegenschaften dürfen nach der Bundeshaushaltsordnung grundsätzlich nur dann unter den vollen, d. h. ortsüblichen Werten liegen, wenn dies durch Gesetz zugelassen ist. Die Situation des Zonenrandgebietes kann sich deshalb nur mittelbar über die ortsüblichen Nutzungsentgelte auswirken. Im übrigen wäre auf dem Wege einer Subventionierung der Mieten und Pachten für bundeseigene Liegenschaften eine sinnvolle Förderung des Zonenrandgebietes nicht möglich, da sich eine solche Förderung nach sachlichen Kriterien richten müßte, nicht aber danach, ob jemand Nutzer einer Liegenschaft ist, die zufällig im Eigentum des Bundes oder eines anderen steht. Den von Ihnen vermuteten „Verkaufsstopp" gibt es nicht. Allerdings dürfen bundeseigene Liegenschaften, die nach Lage, Größe und Beschaffenheit generell geeignet erscheinen, der Deckung späteren Bundesbedarfs zu dienen, grundsätzlich nur veräußert werden, wenn der Erwerber geeignetes Tauschgelände zur Verfügung stellt. Diese „Substanzerhaltung" ist geboten, weil das Liegenschaftsvermögen des Bundes vorrangig zur Deckung gegenwärtigen und künftigen Bundesbedarfs zu verwenden ist. Dieser Grundsatz gilt auch für das Zonenrandgebiet. Wo unter Wahrung dieses Prinzips eine Veräußerung möglich ist, werden die Belange des Zonenrandgebietes berücksichtigt. Insoweit darf ich auf das Gesetz über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken vom 16. Juli 1971 — BGBl. I S. 1005 — hinweisen. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 27) : Treffen Meldungen zu, daß eine Erhöhung der Verbrauchsteuern auf Heizöl geplant ist, und wie beurteilt die Bundesregierung in dem Fall die Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Gartenbaus gegenüber den steuerbegünstigt wirtschaftenden Gärtnern in Belgien und den Niederlanden? Die Bundesregierung hat keine Beschlüsse über steuerliche Maßnahmen im Energiebereich gefaßt. In den Grundlinien und Eckwerten für die Fortschreibung des Energieprogramms vom 23. März 1977 wird allerdings festgestellt, daß steigende Energiepreise — auch über Steuern und Abgaben — ein wirksames Mittel darstellen, einen sparsameren Umgang mit Energie zu erreichen. Über notwendige Maßnahmen zur Energieeinsparung und ihre Finanzierung wird im einzelnen bei der Fortschreibung des Energieprogramms Ende dieses Jahres zu entscheiden sein. Ohne diesen Entscheidungen vorgreifen zu wollen, möchte ich zu den Auswirkungen einer etwaigen Heizölsteuererhöhung folgendes bemerken: Die belgische und niederländische Heizölsteuer ist gegenwärtig drei- bis viermal so hoch wie die deutsche. Eine Anhebung der deutschen Heizölsteuer würde demnach ganz allgemein auf eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft hinauslaufen. In den Niederlanden und in Belgien wird jedoch Gartenbaubetrieben, die ihre Produkte exportieren, die Heizölsteuer zurückerstattet, wodurch die von Ihnen geschilderten Wettbewerbsprobleme auftreten. Eine längerfristig im Zuge der Harmonisierung unvermeidbare Anhebung der deutschen Steuer auf leichtes Heizöl würde unter Wettbewerbsgesichtspunkten das Gewicht der in Belgien und den Niederlanden bestehenden Begünstigungen für Gartenbaubetriebe verstärken. Ich würde es allerdings prinzipiell für bedenklich halten, steuerpolitische Maßnahmen von vornherein an solchen Sonderregelungen anderer Länder zu orientieren. Unsere Zielrichtung sollte es vielmehr sein, auf eine Beseitigung derartiger Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EG hinzuwirken. Anlage 24 Antwort des Staatsministers Dr. von Dohnanyi auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Regenspurger (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen 28 und 29) : 4362* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Gedenkt die Bundesregierung, die unbefriedigende Situation, die sich daraus ergibt, daß die deutschen Zivilbeschäftigten bei den Stationierungsstreitkräften in der Bundesrepublik Deutschland öffentliche Aufgaben wahrnehmen, jedoch nicht den sozialen Schutz eines im Dienst von Bund, Ländern oder Gemeinden stehenden Beschäftigten genießen, zu ändern? Aus welchem Grund verweigert die Bundesregierung im Fall der Entlassung den Betroffenen die automatische Übernahme in den deutschen öffentlichen Dienst, wie es etwa in Frankreich oder Japan in gleichliegenden Fällen selbstverständlich ist? Zu Frage B 28: Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Entsendestaaten der Stationierungsstreitkräfte wurde im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (Art. 56 Abs. 1 Buchst. f) vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 183) zur Klarstellung festgehalten, daß die Tätigkeit der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge nicht als Tätigkeit im deutschen öffentlichen Dienst gilt. Die Bundesregierung kann keine Zusage geben, Arbeitnehmer im Falle der Entlassung bei den Stationierungsstreitkräften automatisch in den deutschen öffentlichen Dienst zu übernehmen; die Regelungen in Frankreich und Japan sind nicht vergleichbar. Zu Frage B 29: Da eine automatische Übernahme von entlassenen deutschen zivilen Arbeitskräften in den deutschen öffentlichen Dienst nicht in Betracht kommt, hat die Bundesregierung die Betroffenen in anderer Weise berücksicht. Ich darf auf § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinweisen: Danach ist die Bundesregierung bemüht, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Die Bundesregierung wirkt außerdem darauf hin, daß deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 30 und 31): Sind der Bundesregierung die Klagen und Eingaben von Betriebsräten und Geschäftsleitungen auf Grund der vom Bundesfinanzminister unter dem Aktenzeichen IV A 2 — S 7100 —33/77 vom 23. Mai 1977 geregelten umsatzsteuerlichen Behandlung von Sachzuwendungen und sonstiger Leistungen an Arbeitnehmer bekannt, und welche Konsequenzen gedenkt sie aus den inzwischen erkennbaren negativen Folgen für die Arbeitnehmer zu ziehen? Ist der Bundesregierung darüber hinaus bekannt, daß durch diese Regelung insbesondere die Arbeitnehmer in Betrieben des Zonenrandgebiets betroffen sind, und plant die Bundesregierung unter Umständen, für die bereits in mehrfacher Hinsicht benachteiligten Zonengrenzgebiete Ausnahmeregelungen zu schaffen und auf die Besteuerung von Sozialleistungen für Arbeitnehmer ganz oder teilweise zu verzichten? Zu Frage B 30: Der Bundesregierung sind Eingaben von Betriebsräten und Geschäftsleitungen bekannt, die sich auf das Rundschreiben des Bundesministers der Finan- zen an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. Mai 1977 — IV A 2 — S 7100 — 33/77 — beziehen. Der Bundesregierung ist auch bekannt, daß Klagen zur Umsatzbesteuerung der Sachzuwendungen bei den Steuergerichten anhängig sind. Die Bundesregierung ist aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage, die Sachzuwendungen von der Umsatzsteuer freizustellen. Die Umsatzsteuerpflicht entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 6. Februar 1975 — V R 102/73; BStBl. II S. 255) und ist in der 6. Richtlinie zur EG zur Harmonisierung der Umsatzsteuer verbindlich festgelegt. Das Bundesministerium hat auf Wunsch der obersten Finanzbehörden der Länder in dem o. g. Schreiben die maßgeblichen Grundsätze zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Sachzuwendungen und sonstigen Leistungen an Arbeitnehmer zusammengefaßt. Das Rundschreiben soll eine einheitliche Auslegung des geltenden Rechts sicherstellen. Es enthält keine wesentlichen Neuregelungen, sondern entspricht weitgehend der in den Ländern geübten Verwaltungspraxis. Zu Frage B 31: Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß durch die o. g. Regelung Arbeitnehmer von Betrieben im Grenzgebiet zur DDR besonders betroffen sind, weil im gesamten Bundesgebiet die Leistungen einheitlich von der Umsatzsteuer erfaßt werden. Sonderregelungen für das Grenzgebiet zur DDR sind nach Ansicht der Bundesregierung bei der Umsatzsteuer nicht erforderlich und auch nicht zulässig. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Meininghaus (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 32) : Was hält die Bundesregierung von dem aus dem kommunalen Bereich kommenden Vorschlag, den Gemeinden statt gezielter Investitionshilfen durch den Bund Pauschalbeträge zur Investitionsförderung zur Verfügung zu stellen, und will sie ihn gegebenenfalls aufgreifen? Der aus dem kommunalen Bereich kommende Vorschlag, den Gemeinden statt gezielter Investitionshilfen Pauschalbeträge zur Investitionsförderung zur Verfügung zu stellen, läßt sich aus den folgenden verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwirklichen: 1. Nach Art. 104 a Abs. 1 GG darf der Bund nicht allgemein Aufgaben der Länder oder Gemeinden finanzieren. Der Bund hat deshalb nur im Rahmen der durch die Finanzreform 1969 geschaffenen Ausnahmebestimmung des Art. 104 a Abs. 4 GG die Möglichkeit, Finanzhilfen für Investitionen der Gemeinden zu gewähren. Es muß sich dabei um aus gesamtstaatlicher Sicht besonders bedeutsame Investititionen handeln. Die Investitionen müssen ferner zur Verwirklichung der Ziele des Art. 104 a Abs. 4 GG erforderlich sein. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4363* Der Bund hat somit darauf zu achten, daß die Finanzhilfen nur für Investitionsarten zur Verfügung stehen, die sich an diesen Rahmen halten. Er muß darüber hinaus unter den rechtlich in Betracht kommenden Investitionsarten eine Auswahl treffen, um am besten den Zielen des Art. 104 a Abs. 4 GG gerecht zu werden. Die Fachressorts des Bundes, die derartige Programme für Finanzhilfen zusammen mit den Ländern ausarbeiten, oder die Bundesregierung, aber auch das Parlament, dürfen sich nicht durch die Gewährung von Pauschalbeträgen von dieser rechtlichen und politischen Verantwortung freistellen. Art. 104 a Abs. 4 Satz 2 GG schreibt ausdrücklich vor, daß ,,insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen" durch Bundesgesetz oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung zu regeln sind. 2. Die Gemeinden sind nach unserer Verfassung Teile der Länder. Der Bund darf grundsätzlich weder in unmittelbare Finanzbeziehungen zu den Gemeinden treten, noch darf er den Ländern ein bestimmtes Verhalten in ihren Finanzbeziehungen zu den Gemeinden vorschreiben. So ist er gehalten, die Finanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG für Investitionen der Gemeinden nur den Ländern zu gewähren. Selbst wenn er dabei die vorstehend dargelegte rechtliche und politische Verantwortung voll den Ländern überlassen könnte, wäre nicht sichergestellt, daß die Länder die. Verantwortung weiter an die Gemeinden delegieren. Insbesondere hätte der Bund keinen Einfluß darauf, daß die Länder ihre eigenen Komplementärmittel zu den Finanzhilfen des Bundes den Gemeinden als Pauschalbeträge gewähren. Die Frage, ob solche pauschalen Zuweisungen von Landesmitteln für Gemeindeinvestitionen nach Landesrecht überhaupt möglich sind, unterliegt nicht der Beurteilung des Bundes. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 33): Was unternimmt die Bundesregierung, um einer Abwanderung qualifizierter Arbeitnehmer aus den Zonenrandgebieten entgegenzuwirken, wird sie in diesen Gebieten, wie schon in früheren Jahren, den Arbeitnehmerwohnungsbau zusätzlich steuerlich begünstigen, was dadurch geschehen könnte. daß Arbeitgeberdarlehen für den Bau von Wohnungen oder Eigenheimen bis zu bestimmten Höchstgrenzen von der Steuer befreit werden, oder wird sie Arbeitgebern für vermögenswirksame Leistungen an Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet höhere Steuerermäßigung zukommen lassen, womit zugleich ein Beitrag zur verbesserten Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand geleistet würde? Der Deutsche Bundestag hat anläßlich der Verabschiedung des Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung die Bundesregierung durch eine Entschließung ersucht, im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Investitionszulagengesetzes die weitere Wirksamkeit der Berlin- und Zonenrandförderung zu prüfen und gegebenenfalls Vorschläge zu unterbreiten, die eine ausreichende Förderung auch künftig sicherstellen. Im Hinblick auf diese Entschließung hat die 'Bundesregierung unverzüglich eine entsprechende Prüfung eingeleitet. Dabei werden allerdings vorrangig Maßnahmen zur Verbesserung der Investitionstätigkeit der Wirtschaft und zur Schaffung neuer und zur Erhaltung bestehender Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet untersucht. Die von Ihnen angeregten Maßnahmen zur Verhinderung der Abwanderung qualifizierter Arbeitnehmer aus dem Zonenrandgebiet erscheinen bei der gegenwärtigen Konjunktur- und Beschäftigungslage im Zonenrandgebiet weniger dringlich. Maßnahmen dieser Art werden daher von der Bundesregierung gegenwärtig nicht erwogen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schäuble (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 34) : Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 89 der AO 1977 die Antragsfrist des § 55 Abs. 5 EStG zumindest dann zu verlängern, wenn die Betroffenen auf den Fristablauf und seine Konsequenzen nicht hingewiesen wurden, obwohl das zuständige Finanzamt interne Vorbereitungen — z. B. Abstimmung mit den Gemeinden über die. Abgrenzung des Bauerwartungslands — für die Behandlung erwarteter Anträge getroffen hat? Aus § 89 der Abgabenordnung 1977 ergibt sich keine Verpflichtung der Finanzbehörde, jeden einzelnen Steuerpflichtigen auf den Ablauf wichtiger steuerlicher Fristen hinzuweisen. Dies gilt um so mehr, wenn es sich — wie im angesprochenen Falle — um ein Wahlrecht handelt und durch die zuständigen Fachverbände sowie in der Fachpresse auf den Fristablauf hingewiesen worden ist. Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, die in § 55 Abs. 5 Einkommensteuergesetz genannte Frist im Verwaltungswege allgemein zu verlängern, da es sich um eine am 31. Dezember 1975 abgelaufene gesetzliche Ausschlußfrist handelt. Im Einzelfall kann einem Steuerpflichtigen, der den Antrag spätestens 1976 nachgeholt hat, nach § 110 der Abgabenordnung 1977 unter bestimmten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ist vom zuständigen Finanzamt zu prüfen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 35 und 36) : Wieviel Mischfinanzierungsprogramme des Bundes mit anderen Gebietskörperschaften einschließlich der Gemeinschaftsaufgaben und der Konjunktursonderprogramme laufen gegenwärtig mit welchem finanziellen Volumen? Hält die Bundesregierung eine Ausweitung von derartigen Mischfinanzierungsprogrammen für sinnvoll, oder sieht sie Möglichkeiten eines langsamen Abbaus mit dem Ziel der Wiederherstellung klarer finanzpolitischer Verantwortlichkeiten? 4364e Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Ihre Fragen über die Mischfinanzierungen zwischen dem Bund und den anderen Gebietskörperschaften beantworte ich wie folgt: 1. Der Begriff „Mischfinanzierungsprogramme" liegt nicht fest. Es werden darunter sowohl große Gesamtprogramme wie auch Teilbereiche von Programmen oder auch nur einzelne Maßnahmen verstanden. Eine Angabe über die Zahl solcher „Programme" ist deshalb nur schwer möglich und wäre auch wenig aussagekräftig. In der nachfolgenden Ubersicht über das finanzielle Volumen der erfaßten „Mischfinanzierungsprogramme des Bundes mit den anderen Gebietskörperschaften" wird nicht nach Programmen, sondern nach der rechtlichen Grundlage der gemeinsamen Finanzierungen unterschieden. Gemeinsame Finanzierungen Bundesanteil 1977 in Milliarden DM 1. Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 a GG) 2,6 2. Bildungsplanung und Forschungs- förderung (Art. 91 b GG) 2,0 3. Geldleistungsgesetze (Art. 104 a Abs. 3 GG) 3,7 4. Finanzhilfen (Art. 104 a Abs. 4 GG) 4,3 5. Sonstige Einzelfälle z. B. Wiedergutmachung, Maßnah- men zur Förderung des Steinkohlen- bergbaus usw. 3,6 insgesamt 16,2 Das Gesamtvolumen der von Bund, Ländern und z T. auch von den Gemeinden gemeinsam finanzierten Maßnahmen — einschließlich der auslaufenden Konjunkturprogramme vom September 1974 und August 1975 — liegt im Haushaltsjahr 1977 über 30 Milliarden DM. Dabei ist das Gesamtvolumen der Fälle, in denen der Bund Zuschüsse zu Maßnahmen der Länder oder Gemeinden ohne einen festen Kostenteilungsschlüssel gewährt, nur sehr grob erfaßt. 2. Die im Zuge der Finanzreform 1969 neu geschaffenen Art. 91 a, 91 b, 104 a Abs. 3, 4 und 5 GG enthalten eine verfassungsrechtliche Regelung der Bund/Länder-Zusammenarbeit bei der Aufgabenwahrnehmung. Neben den verfassungsrechtlich ausdrücklich geregelten Fällen finanziert der Bund gemeinsam mit den Ländern auch andere Aufgaben wie z. B. die Steinkohlenförderung und die Zonenrandförderung. Eine Ausweitung der Mischfinanzierungsprogramme ist von der Bundesregierung nicht beabsichtigt. Sie sollten im Gegenteil im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts auf das notwendige Maß beschränkt werden. Die Fortsetzung der Programme sollte von Zeit zu Zeit — auch hinsichtlich der Höhe der Ausgaben — überprüft werden. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Walther (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 37 und 38) : Trifft es zu, daß bei der Beschaffung von Dienstfahrzeugen durch den Bund die Wagen eines bestimmten Herstellers bevorzugt werden, und wenn ja, welche Gründe gibt es hierfür? Wieviel Dienstfahrzeuge welcher Fabrikate werden zur Zeit von den einzelnen Bundesministerien gefahren? Zu Frage B 37: Es trifft nicht zu, daß bei der Beschaffung von Dienstkraftfahrzeugen des Bundes ein bestimmter Hersteller bevorzugt wird. Nach dem Stand vom 7. November 1977 betrug der Anteil am gesamten Kfz-Bestand von 5 405 Fahrzeugen (= 100 v. H.) 3 385 Fahrzeuge des Fabrikats VW (= 62,6 v. H.), 768 Fahrzeuge des Fabrikats Mercedes-Benz (= 14,2 v. H.), 549 Fahrzeuge des Fabrikats Opel (= 10,2 v. H.), 351 Fahrzeuge des Fabrikats Ford (= 6,5 v. H.), 352 Fahrzeuge d. übrigen Fabrikate (= 6,5 v. H.). Zu Frage B 38: Eine Zusammenstellung über die Verteilung der verschiedenen Kfz-Fabrikate auf die einzelnen Geschäftsbereiche (Einzelpläne) werde ich Ihnen in den nächsten Tagen zusenden. Einsatzfahrzeuge der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und des Katastrophenschutzes sind dabei nicht erfaßt worden. Für einige Bereiche der nachgeordneten Verwaltung mußten die Zahlen aus zeitlichen Gründen geschätzt werden. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 39) : Bei welchen Gesetzen seit dem 1. Januar 1970 (z. B. Steuergesetzgebung, Sozialgesetzgebung) haben Beschlüsse des Vermittlungsausschusses zu höheren Ausgaben bzw. auch Einnahmeverlusten geführt, und in welchem Umfang waren die Kommunen davon unmittelbar betroffen? Die Veränderungen der haushaltsmäßigen Auswirkungen einzelner Gesetze auf die Gebietskörperschaften in den verschiedenen Stufen des Gesetzgebungsverfahrens werden nicht ausgewertet. Seit 1970 haben 25 Beschlüsse des Vermittlungsausschusses die Haushaltssituation der Kommunen unmittelbar berührt. Ich habe eine schwerpunktmäßige Un- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4365* tersuchung der entsprechenden Gesetze veranlaßt. Auch wegen der notwendigen Abstimmung mit den beteiligten Ressorts wird diese Untersuchung einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich werde Sie von dem Ergebnis der Auswertung unterrichten. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 40 und 41) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, nachdem der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt neue Aufgaben wie Eichordnung, Atomgesetz, Röntgenverordnung usw. aufgetragen wurden, um sie personell in die Lage zu versetzen, diese Aufgaben zu bewältigen? Ist jetzt und in der Zukunft damit zu rechnen, daß — nachdem in den vergangenen Jahren nicht nur neue Stellen nicht bewilligt wurden, sondern Stellen abgegeben werden mußten — der Bundesanstalt im Haushaltsjahr 1978 25 Planstellen bewilligt werden? Zu Frage B 40: Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren zur Verringerung des hohen Zuwachses an Personalausgaben unter Zustimmung des Deutschen Bundestages, dessen Vorstellungen zum Teil sogar weiter gingen, insgesamt eine zurückhaltende Linie im Personalbereich verfolgt. Das hat auch zu einer Beschränkung des Personalzuwachses im Bereich der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig und Berlin geführt. Die Bundesregierung trägt einem zusätzlichen Personalbedarf für neue Aufgaben jedoch Rechnung, wenn sich dies nach den heute geltenden Maßstäben als unabweisbar herausstellt. So sollen der Bundesanstalt beispielsweise für den Bereich der Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle und die Aufgaben im Zusammenhang mit deren Zwischenlagerung im Haushalt 1977 und im Haushaltsentwurf 1978 zusammen 29 neue Stellen (davon 2 Stellenumsetzungen) zugewiesen werden. Weiter sind 5 neue Stellen für 1979 vorgesehen. Zu Frage B 41: Es trifft zwar zu, daß auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt von den Stelleneinsparungen der letzten Haushaltsjahre betroffen wurde, insgesamt nahm das Stellensoll jedoch leicht zu. Nach den Übersichten in den Vorworten zum Einzelplan 09 beträgt das Personalsoll 1974 1 334 Stellen, 1977 1 336 Stellen und 1978 (Entwurf) 1 349 Stellen. Das ist auch darauf zurückzuführen, daß die Physikalisch-Technische Bundesanstalt bei der Durchführung der durch die Haushaltsgesetze der letzten Jahre und vom Deutschen Bundestag veranlaßten Stelleneinsparungen zu Lasten des Ministeriums selbst und der nachgeordneten Wirtschaftsverwaltungsbehörden geschont worden ist. Nach dem gegenwärtigen Stand der Beratungen des Haushalts 1978 erwarte ich, daß die Physikalisch-Technische Bundesanstalt 15 neue Stellen erhalt. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lintner (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 42 und 43) : Welche Einrichtungen des Bundes oder von Unternehmen, an denen der Bund maßgeblich beteiligt ist, sind in den letzten drei Jahren gezielt zur Stärkung des Zonengrenzlands wohin verlegt oder wo geschaffen worden? Welche vorhandenen oder zur Verwirklichung anstehenden Einrichtungen im Sinne der vorstehenden Frage hält die Bundesregierung zur Verlegung ins bzw. Schaffung im Zonengrenzland für geeignet, und wo sollen bejahendenfalls die Standorte im einzelnen liegen? Zu Frage B 42: Vor allem aus Gründen der Stärkung der Wirtschaftskraft des Zonenrandgebiets durch Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst wurden 1975 die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen Hamburg und Kiel zusammengelegt. Kiel ist „übergeordneter Schwerpunktort im Zonenrandgebiet" des Regionalen Aktionsprogramms „Holstein" der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" . Neue Einrichtungen des Bundes im Zonenrandgebiet sind in den letzten 3 Jahren nicht geschaffen worden. Jedoch konnten einige im Zonenrandgebiet bereits bestehende Institutionen wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt im übergeordneten Schwerpunktort Braunschweig und die Bundesanstalt für Fleischforschung im Schwerpunktort Kulmbach/Stadtsteinach ausgebaut werden. Sofern Unternehmen, an denen der Bund maßgeblich beteiligt ist, durch Schaffung neuer oder Sicherung bestehender Arbeitsplätze zur Stärkung der Wirtschaftskraft des Zonenrandgebiets beitragen, können sie ebenso wie andere Unternehmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Investitionshilfen erhalten. Daneben sind steuerliche Vergünstigungen nach dem Zonenrandförderungsgesetz möglich. Auf diese Weise und in diesem Rahmen wird versucht, die unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffenden Standortentscheidungen dieser Unternehmen zugunsten des Zonenrandgebietes zu beeinflussen. Zahlreiche Industriebeteiligungen des Bundes haben ihren Standort im Zonenrandgebiet; teilweise sind sie, wie z. B. der Salzgitter-Konzern, mit dem Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen in diesem Raum ausgebaut worden. Ihre arbeitsplatzschaffenden Investitionen kommen ständig diesem Raum zugute. Die anderen Industriebeteiligungen des Bundes sind im Schwerpunkt ebenfalls in strukturschwachen Gebieten tätig — z. B. im Saarland und in Berlin —. Ihre Produktionen sind zudem weitgehend standortgebunden — z. B. Steinkohlenbergbau, Elektrizitätserzeugung. Die gezielten Standortverlegungen in das Zonenrandgebiet sind daher unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Grundsätzlich ist festzustellen, daß die Industrieunternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, im Wettbewerb mit Unternehmen in privatem Eigentum stehen. Sie müssen daher wie diese nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt werden. Ihre In- 4366* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 vestitionsplanung ist in unternehmerischer Verantwortung der Vorstände entsprechend ausgerichtet. Dieser Grundsatz muß gerade im Hinblick auf die sehr vielfältigen und zunehmenden regionalpolitischen Wünsche an die Bundesbeteiligungen aufrechterhalten bleiben. Zu Frage B 43: Die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt, die Bundesbahnbrückenmeistereien Hannover, Minden und Porta als Ersatz für das dort stillgelegte Bundesbahnausbesserungswerk nach Braunschweig zu verlegen und zu einer zentralen Brückenmeisterei zusammenzufassen. Im Bereich des Bundesministers für Wirtschaft wird gleichzeitig die in Braunschweig bereits bestehende Physikalisch-Technische Bundesanstalt planmäßig weiter ausgebaut. Braunschweig ist „übergeordneter Schwerpunkt im Zonenrandgebiet" des Regionalen Aktionsprogramms „Niedersächsisches Bergland" der o. g. Gemeinschaftsaufgabe. Darüber hinaus bestehen gegenwärtig keine konkreten Pläne zur Verlegung von Bundeseinrichtungen ins Zonenrandgebiet oder zur Schaffung solcher Einrichtungen in diesem Gebiet. Entscheidungen über ihren Standort werden jedoch stets auch unter regionalpolitischen Gesichtspunkten getroffen. Nach der Zielsetzung des Zonenrandförderungsgesetzes ist das Zonenrandgebiet bei der Standortwahl bevorzugt zu berücksichtigen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 44 und 45): Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse darüber, daß Deutsche Gesellschaften mangels internationaler Erfahrungen bei der Vergabe von Großprojekten zum Beispiel in Saudi-Arabien nur schwer zum Zuge kommen, und was wird sie unternehmen, um gegebenenfalls mitzuhelfen, diesen Wettbewerbsnachteil abzubauen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß amerikanische Consulting-Firmen sämtliche Ausschreibungen nach US-Normen vornehmen, um US-amerikanischen Firmen einen Wettbewerbsvorteil zu sichern, und was wird sie unternehmen, um darauf hinzuwirken, daß europa- und weltweit bei Ausschreibungen Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Normen abgebaut werden? Zu Frage B 44: In den OPEC-Staaten erfolgt die Vergabe von Großprojekten häufig über international tätige Consultingfirmen, denen die gesamte Projektdurchführung übertragen wird. Hier haben besonders amerikanische Consultingfirmen durch ihre Größe vor anderen ausländischen Mitbewerbern einen Wettbewerbsvorsprung. Dieser Wettbewerbsvorsprung ist auch dadurch bedingt, daß durch die Tätigkeit der amerikanischen Erdölfirmen in den OPEC-Ländern eine langjährige Zusammenarbeit zwischen den amerikanischen Firmen und den meisten Regierungen der OPEC-Länder besteht. So verfügen viele OPEC-Länder über einen amerikanischen Beraterstab und lassen ihre Techniker vorwiegend in den USA ausbilden. Hieraus ergibt sich ein starker Einfluß zugunsten einer Auftragsvergabe an amerikanische Consultingfirmen und damit auch eine Verbesserung der Chancen anderer amerikanischer Firmen, mit der Durchführung der Projekte betraut zu werden. Die Bundesregierung versucht, diesen Wettbewerbsnachteil vor allem durch eine verstärkte Unterstützung von Aktivitäten im Ausbildungsbereich, z. B. der Ausbildung von ausländischen Technikern in der Bundesrepublik Deutschland, Durchführung von Ausbildungsprogrammen im Partnerland und durch die Entsendung deutscher Berater ins Ausland, abzubauen. Hierbei handelt es sich jedoch um einen längerfristigen Prozeß. Insgesamt läßt sich jedoch nicht sagen, daß deutsche Firmen in den OPEC-Staaten weniger als Firmen anderer Länder zum Zuge kommen. Zu Frage B 45: Das Verfahren der Vergabe von Aufträgen vorzugsweise nach den jeweiligen nationalen Normen wird von allen Consultingfirmen angewandt, sofern die beauftragende Regierung der Consultingfirma die Durchführung der Ausschreibung übertragen hat und keine eigenen nationalen Normen bestehen. Hierbei können sich besonders für Firmen, die ihre Angebote nach einem anderen Normensystem erstellen, Nachteile ergeben. Um die Wettbewerbsnachteile für die jeweiligen Industrien zu verringern, setzt sich die Bundesregierung im internationalen Rahmen, z. B. in den multilateralen Handelsverhandlungen im GATT und in den internationalen Normenorganisationen ISO und IEC sowie in der zuständigen Fachgruppe des Europäisch-Arabischen Dialogs für eine weitgehende Vereinheitlichung der Normen ein. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 46 und 47) : Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung Parlament und Offentlichkeit bis heute nicht näher über die bereits 1973/74 von den Niederlanden eingeleitete Konservierungspolitik bei Erdgas unterrichtet, und welche energiepolitischen Folgerungen hat sie aus den politischen Entscheidungen und gesetzlichen Maßnahmen der Niederlande, die aus den Gas-Marketingplan der N. V. Nederlandse Gasunie, Groningen, von 1975 und dem neuen Erdgaspreisgesetz von 1975 abzuleiten sind, gezogen, um die Erdgasversorgung der Bundesrepublik Deutschland zu vernünftigen Konditionen zu sichern? Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung insbesondere aus den Artikeln 2, 4 und 7 des niederländischen Erdgaspreisgesetzes und aus der Tatsache, daß die N. V. Nederlandse Gasunie zur Erfüllung ihrer bestehenden Lieferverpflichtungen bereits einen Erdgas-Importvertrag zu einem Preis abschließen mußte, der über den für die Niederlande durch noch bestehende Lieferverträge erzielbaren Verkaufspreisen liegt, und für die die Niederlande nach einer Äußerung des niederländischen Wirtschaftsministers Lubber (nach einem Bericht in der Wirtschaftswoche Nr. 32 vom 29. Juli 1977) nicht bereit seien, draufzuzahlen? Zu Frage B 46: Die Niederlande waren lange Jahre (seit 1966) das einzige westeuropäische Land, das Erdgas in die Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4367' Länder der Europäischen Gemeinschaft exportiert hat. Noch heute versorgen sie den deutschen Markt zu 50 °/o, Frankreich zu über 50 °/o, Belgien zu fast 100 °/o und Italien zu rd. 17 °/o. Erst vor kurzem kam als zweites Lieferland der westlichen Hemisphäre Norwegen mit Erdgas aus dem Ekofisk-Feld hinzu. In den Niederlanden selbst trägt Erdgas zu 55 °/o zur Primärenergieversorgung bei. In Anbetracht dieser großen und bis in die 90er Jahre hineinreichenden Lieferverpflichtungen ist es verständlich, daß die Niederlande nach den Ereignissen auf dem Ölmarkt 1973/1974 eine grundsätzliche Wende in ihrer Erdgas-Export- und -Inlandspolitik vornahmen. Dies gilt besonders für ihr Bestreben, die vorhandenen Ressourcen zu strecken, d. h. keine neuen Exportverträge abzuschließen und den Verbrauch im Inland jedenfalls nicht über den allgemeinen Zuwachs des Energieverbrauchs hinaus zu steigern. Die Bundesregierung sah und sieht keine Veranlassung, diese Mengenpolitik der Niederlande einer öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik zuzuführen. Dies um so weniger, als die bestehenden Importverträge mit den Niederlanden auf dem jetzt erreichten Lieferplateau (ca. 26 Mrd. m3/a) bis Mitte der 90er Jahre feste Mengen für den deutschen Markt sichern. Die derzeit geltenden Konditionen dieser Lieferung halten sich durchaus im Rahmen -der mit anderen Erdgaslieferanten abgeschlossenen Verträge. Zu Frage B 47: Etwas differenzierter als die niederländische Mengenpolitik ist das niederländische Erdgas-Preisgesetz zu sehen. Die Bundesregierung hat die niederländische Regierung mehrfach wissen lassen, daß nach ihrer Auffassung die Preise in Verhandlungen zwischen den Unternehmen gefunden werden müssen. Sie konnte in diesem Zusammenhang auf zwei nach der Ölkrise erfolgte Preisanpassungen und auf die Einführung von Bindungsklauseln verweisen, die die niederländischen Erdgaspreise an die in der Bundesrepublik notierten Heizölpreise gebunden haben. Damit haben die deutschen Importeure wie auch die niederländische Gasunie bewiesen, daß sie in der Lage sind, auch eruptiven Marktveränderungen mit privatwirtschaftlichen Mitteln ökonomisch sinnvoll Rechnung zu tragen. Im übrigen enthalten die Vertrage Verhandlungsklauseln, die in regelmäßigen Zeitabständen Gespräche auch über Preise und Anpassungsklauseln zulassen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die bisherige Zusammenarbeit der Unternehmen für beide Seiten Ergebnisse erbracht hat, die sowohl gegenwärtig wie in absehbarer Zukunft eine Anwendung des niederländischen Erdgas-Preisgesetzes nicht rechtfertigen würden. Dieses Gesetz sieht in seinen Artikeln 2 und 4 vor, daß der niederländische Wirtschaftsminister Mindestpreise festsetzen und — bei Nichteinhaltung dieser Preise — Lieferverbote aussprechen kann, wenn er meint, niederländisches Erdgas werde zu einem Preis unter dessen Wert verkauft. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß vor allem wegen des teureren Nordseegases, das seit kurzem an die Niederlande fließt, dort die Diskussion über eine Anwendung des Erdgas-Preisgesetzes wieder aufgeflammt ist. Die Bundesregierung hat gegenüber der niederländischen Regierung jedoch mehrfach deutlich gemacht, daß eine Preisangleichung an dieses hohe Niveau weder marktwirtschaftlich gerechtfertigt noch für die deutsche Gaswirtschaft rechtlich und wirtschaftlich tragbar wäre. Auf der anderen Seite wird die Bundesregierung alle Bemühungen der Unternehmen unterstützen, die Verträge veränderten Umständen stets so anzupassen, daß sowohl den wirtschaftlichen Bedürfnissen beider Seiten als auch den politischen Implikationen Rechnung getragen werden kann. Einer Anwendung des niederländischen Preisgesetzes würde nach unserer Auffassung im übrigen ein Briefwechsel zwischen dem niederländischen und dem deutschen Wirtschaftsminister aus dem Jahre 1965 entgegenstehen. Damals wurde von beiden versichert, daß die Regierungen „die zwischen niederländischen und deutschen Unternehmen abgeschlossenen Verträge auf Einfuhr niederländischen Erdgases respektieren und auf staatliche Maßnahmen verzichten werden, die die Durchführung dieser Verträge gefährden könnten". Die Bundesregierung hat Parlament und Öffentlichkeit über das deutsch-niederländische Erdgasverhältnis zuletzt am 12. Oktober 1976 anläßlich der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten Wolfram unterrichtet (BT-Drucksache 7/5863). Die Bundesregierung erklärte damals wie auch schon zuvor bei Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU am 18. Juni 1976 (BT-Drucksache 7/5411), daß die Versorgung der Bundesrepublik mit Erdgas langfristig gesichert ist. Zum niederländischen Erdgaspreisgesetz und seiner möglichen Bedeutung für die deutsche Energiewirtschaft hat die Bundesregierung am 16. Januar 1975 Stellung genommen (Anfrage des Abgeordneten Dr. Ahrens, 7. Wahlperiode, 141. Sitzung vom 16. Januar 1975, S. 9797* A). Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Riesenhuber (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 48 und 49) : Liegen der Bundesregierung systematische Berechnungen vor, oder hat sie solche Berechnungen in Auftrag gegeben, die ausweisen, mit welchem Einsatz von öffentlichen Geldern und mit welchem Einsatz von Investitionskapital insgesamt bei welcher Rentabilität welche Verfahren zur Energieeinsparung oder zur Nutzung regenerativer Energiequellen in welchen Sektoren, bei welchem Vorrang und in welchem Zeitraum in den Markt eingeführt werden können? Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die in ihrem Energiesparprogramm vorgeschlagenen Maßnahmen die derzeit wirksamsten sind, und erwartet die Bundesregierung, daß weitere Energiesparmaßnahmen ähnlich hohen Investitionsaufwand und ähnlich hohe staatliche Mittel erfordern und nur eine ähnlich niedrige Rendite unterhalb von 2 v. H. erreichen, wie dies sich aus den Zahlen der Kabinettsvorlage zum Programm zur Förderung heizenergiesparender Investitionen in bestehenden Gebäuden ergibt? 4368* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Zu Frage B 48: Der Bundesregierung liegen eine Anzahl von Berechnungen über Kostenintensität, Effektivität und Rentabilität energiesparender Maßnahmen und der Nutzung regenerativer Energiequellen vor. Diese Berechnungen sind zum Teil im Rahmen von Forschungsaufträgen der Bundesressorts, insbesondere des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, durchgeführt worden. Ein bedeutender Teil dieser Berechnungen entstammt anhand aktueller praktischer Fragestellungen angestellten Untersuchungen — Wirtschaftlichkeitsgutachten zum Energieeinsparungsgesetz, Planung von Förderungsprogrammen zur Energieeinsparung, Therma-Wettbewerb — oder konkreten Förderprogrammen, wie der Förderung energiesparender Maßnahmen nach §§ 4 a und 4 b des Investitionszulagengesetzes. Vergleichende Untersuchungen mit dem Ziel der Aufstellung von Prioritäten sind mit den vorhandenen Ergebnissen möglich und für bestimmte Fragestellungen auch durchgeführt worden. Sie haben ihren Niederschlag u. a: in dem am 14. September 1977 vom Bundeskabinett beschlossenen Konjunkturprogramm zur Förderung heizenergiesparender Investitionen gefunden. Zu umfassenden theoretischen Berechnungen sieht die Bundesregierung jedoch keinen Anlaß, da einerseits die damit gewinnbaren Aussagen wegen einer Anzahl subjektiver Kriterien nur bedingt brauchbar sind, andererseits davon ausgegangen wird, daß brauchbare energiesparende Maßnahmen und eine erfolgreiche Nutzung regenerativer Energiequellen durch den Marktmechanismus begünstigt werden. Nur dort, wo es um eine Beschleunigung erkennbarer Entwicklungen, eine Beseitigung nicht marktkonformer Verhältnisse oder die Durchführung energiepolitisch erwünschter, aber nicht rentabler Maßnahmen durch eine Unterstützung der Bundesregierung geht, werden Berechnungen über Nutzen, Kosten und Maßnahmen gezielt durchgeführt. Zu Frage B 49: Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß vor dem Hintergrund der Grundzüge ihrer Energiepolitik die im Energiesparprogramm vorgeschlagenen Maßnahmen notwendig und möglich sind. Soweit es sich hierbei um Maßnahmen handelt, bei denen Investitionen unter gegenwärtigen Verhältnissen nicht generell durch Energieeinsparungen erwirtschaftet werden können, die gleichwohl aber energiepolitisch erwünscht sind, wird die Bundesregierung durch staatliche Mittel unterstützend eingreifen, um die Rentabilität der Maßnahmen für die Investoren zu verbessern. Die Bundesregierung ist im übrigen der Ansicht, daß die Förderung heizenergiesparender Investitionen entsprechend dem von ihr am 14. September 1977 beschlossenen Programm zu einer dauerhaften Verringerung der Nachfrage nach Heizenergie führt. Nach allen bisher bekannten Untersuchungen über Einsparmöglichkeiten liegt in bestehenden Gebäuden eine hohes Einsparpotential, auf dessen Nutzung im Rahmen einer effektiven Einsparpolitik nicht verzichtet werden kann. Bezogen auf die vorgesehenen öffentlichen Zuschüsse ergibt sich nach Durchführung des Programms bei der erwarteten jährlichen Energieeinsparung von rund 2 Millionen SKE ein hoher volkswirtschaftlicher Effekt. Die privatwirtschaftliche Rendite entsprechender energiesparender Maßnahmen hängt ausschließlich von den Bedingungen und konkreten Investitionen bei jedem einzelnen Gebäude ab. Generalisierende Aussagen hierüber sind daher nicht möglich. Zur Zeit beabsichtigt die Bundesregierung keine weiteren staatlichen Energiesparmaßnahmen mit ähnlich hohem Einsatz an öffentlichen Mitteln. Anlage 37 Antwort des Bundesministers Ertl auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Müller (Bayreuth) (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 50) : Ist die Bundesregierung mit mir der sachlich fundierten Auffassung, daß die Kompetenz für den Tierschutz vom Bundesernährungsministerium auf das Bundesinnenministerium übertragen werden sollte, und wenn ja, wann wird die Kompetenzverlagerung vorgenommen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die von bestimmten Gruppen angestrebte Verlagerung der Zuständigkeit für den Tierschutz vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf das Bundesministerium des Innern sachlich nicht begründet ist. Die zwischen der Land- und Forstwirtschaft und dem Tierschutz bestehenden zahlreichen Gemeinsamkeiten sowie die von der Bundesregierung — unter Federführung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — initiierten Fortschritte auf dem Gebiet des Tierschutzes sprechen für die Beibehaltung der bisherigen Zuständigkeit. Diese Fortschritte sind von vielen engagierten Tierfreunden der Bundesregierung immer wieder bestätigt worden. Eine Änderung der bestehenden Ressortzuständigkeit für den Tierschutz wäre daher der Sache nicht dienlich. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 51): Bis wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Tierseuchengesetzes vorlegen, der auch die Fischseuchen einbezieht, und bis wann ist mit einer Verabschiedung zu rechnen? Der erste Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes ist im zurückliegenden Halbjahr erstellt und mit verschiedenen beteiligten Stellen, so auch mit Vertretern der Bundesländer und im Tierseuchenbeirat, erörtert worden. Im Zuge der vorausgegangenen Prüfung über die Zweckmäßigkeit der Einbeziehung der Bekämpfung von Fischseuchen in die staatliche Tierseuchenbekämpfung Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4369* konnte bereits eine Übereinstimmung mit den Bundesländern über die Einbeziehung erzielt werden. Den betroffenen Wirtschaftskreisen wurden Ziele und Vorstellungen der neuen Regelung anläßlich des diesjährigen Fischereitages in Limburg an der Lahn dargelegt. Jetzt steht die Anhörung der Wirtschaftsverbände sowie der Sachverständigen an. Es ist beabsichtigt, den Gesetzentwurf im nächsten Jahr nach, der Sommerpause den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten, so daß mit der Verabschiedung etwa zum Frühjahr 1979 zu rechnen ist. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Stutzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 54): Wird die Bundesregierung der Bundesanstalt für Arbeit ermöglichen, anstelle des Arbeitslosengelds in Höhe der eingesparten Leistungen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu fördern, ohne daß immer wieder besondere Finanzierungsmittel bereitgestellt werden müssen (Auspabenermächtigung A)? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit künftig von der Einsparung von Arbeitslosengeld abhängig zu machen. Abgesehen davon, daß haushaltsrechtliche Bedenken bestehen, Ausgaben für gesetzliche Pflichtleistungen (Arbeitslosengeld) und Kann-Leistungen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) für deckungsfähig zu erklären, sprechen auch arbeitsmarktpolitische und verwaltungspraktische Gründe gegen das von Ihnen angesprochene Verfahren. Durch die Veranschlagung eines bestimmten Betrages für die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in ihrem Haushaltsplan bekundet die Bundesanstalt für Arbeit ihre Absicht, solche Maßnahmen in einem auf Grund der erwarteten Arbeitsmarktlage für erforderlich gehaltenen Umfang zu fördern. Das ermöglicht eine frühzeitige Planung entsprechender Maßnahmen und sichert den angestrebten Entlastungseffekt am Arbeitsmarkt. Diese Entlastung wird bei der Berechnung des Ausgabenbedarfs für Arbeitslosengeld bereits berücksichtigt, so daß Einsparungen insoweit nicht erwartet werden können. Sollte sich gegen Ende des Haushaltsjahres zeigen, daß die Ausgaben für Arbeitslosengeld hinter den Schätzungen im Haushalt zurückbleiben, reicht die Zeit bis zum Jahresende kaum aus, diesen finanziellen Spielraum für die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu nutzen. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen je nach Bedarf durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel ausgeweitet. Es besteht kein Anlaß anzunehmen, daß künftig arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus finanziellen Gründen unterbleiben werden. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Becker (Frankfurt) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 55) : Zieht die Bundesregierung eine Selbstbeteiligung bei den Krankenhausbenutzungskosten in Erwägung, nachdem, wie im Bericht des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit zu lesen war, Frau Antje Huber bei der 50. Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Ludwigsburg als Ursache der Fehlbelegung von Krankenhausbetten mit Pflegebedürftigen u. a. die Übernahme der gesamten Kosten bei dem Krankenhausaufenthalt durch die Krankenkassen nannte, was im Gegensatz zur Regelung in der Sozialhilfe alte Menschen nicht zwinge, ihre Rente miteinzusetzen? Die Bundesregierung zieht nicht in Erwägung, die Übernahme der Kosten einer erforderlichen Krankenhauspflege durch die Krankenkassen im Wege einer Selbstbeteiligung der Versicherten einzuschränken. Sie ist der Auffassung, daß während eines Krankenhausaufenthaltes Lohnersatzleistungen wie z. B. die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung dem Versicherten zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich und seine Familie in vollem Umfang belassen werden sollten. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Egert (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 56, 57 und 58) : Hält die Bundesregierung die enge räumliche, organisatorische und personelle Anbindung der Zeitschrift ,Thema 1 — Gesundheit" an die kassenärztliche Bundesvereinigung vereinbar mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag der kassenärztlichen Selbstverwaltungsinstitution? Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse darüber, daß es infolge mangelnder Bereitschaft der Krankenversicherung, die Ärzte sachgerecht über die tatsächlich getroffenen Regelungen im Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz zu informieren, zu einer zum Teil erschreckenden Unkenntnis der Ärzteschaft über die Bestimmungen des Kostendämpfungsgesetzes gekommen ist, und wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zur sachgerechten Information der Patienten und Ärzte beizutragen? Würde die Bundesregierung es begrüßen, wenn sich die Selbstverwaltungsorgane der Ärzteschaft am Beispiel der Krankenkassen orientieren würden und den von ihnen vertretenen Personenkreis entsprechend ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag unterrichten würden, und was gedenkt sie gegebenenfalls flankierend zu tun, um diese Information durch die Krankenversicherungen sicherzustellen? Bereits bei der Ankündigung der Zeitung „Thema 1 — Gesundheit" durch einen Brief der Herausgeber und Redakteure unter Verwendung des Briefkopfs „Deutsches Ärzteblatt — Ärztliche Mitteilungen" sowie durch einen Beitrag im „Deutschen Ärzteblatt Nr. 39" hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Anlaß genommen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) u. a. folgende Fragen zu stellen: „Hält die Kassenärztliche Bundesvereinigung es mit ihrer Rechtsstellung und mit ihren gesetzlichen Aufgaben für vereinbar, daß in ihrem offiziellen Organ und mit dem Eindruck ihrer Billigung Kassenärzten der Bezug dieser Zeitung empfohlen wird? Wie wird der Umstand gerechtfertigt, daß für diese Zeitung im Veröffentlichungsorgan der Kassenärzt- 4370e Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 lichen Bundesvereinigung Textseiten zur Verfügung gestellt werden? Welche Schritte gedenkt die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu unternehmen?" Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat u. a. dazu folgendes geantwortet: „Die den Ärzten zum Bezug gegen Entgelt angebotene Zeitung „Thema 1 — Gesundheit" hat mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung weder „enge personelle" noch „organisatorische" Zusammenhänge. Es handelt sich vielmehr um den Versuch von Journalisten, eine Wartezimmerzeitung für Ärzte herzustellen. Aus dem Umstand, daß ein Teil der Redakteure auch dem Redaktionskollegium des Deutschen Ärzteblattes angehört, kann in keiner Weise geschlossen werden, daß hiermit eine Verantwortlichkeit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für jenes von diesen in eigener Verantwortung herausgegebene Blatt entstanden ist. Soweit in einer Hinweisschrift für Journalisten ein Redakteur sich des Briefbogens mit der Bezeichnung „Deutsches Ärzteblatt" bedient hat, darf ich darauf hinweisen, daß es sich dabei nicht um den „offiziellen Briefbogen" des Deutschen Ärzteblattes handelt, sondern um ein altes Formular, welches für das Deutsche Ärzteblatt nicht mehr verwendet wird. Dennoch mißbillige ich ausdrücklich die Verwendung dieses Briefbogens wie auch jeden Hinweis auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Mitherausgeberin des Deutschen Ärzteblattes. Diese Mißbilligung habe ich mit Klarheit dem betreffenden Redakteur zum Ausdruck gebracht. Wenn Sie darauf hinweisen, daß im Deutschen Ärzteblatt Nr. 39 werbend auf die Zeitung „Thema 1 — Gesundheit" hingewiesen worden ist, so habe ich hierzu bereits Frau Staatssekretärin Fuchs gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht, daß dies die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Mitherausgeberin des Deutschen Ärzteblattes nicht für richtig hält. Sofort nach Erscheinen dieser Nummer des Deutschen Ärzteblattes habe ich veranlaßt, daß Hinweise im Deutschen Ärzteblatt — auf welche Zeitungen auch immer — allenfalls als Anzeige angebracht werden könnten, damit für den Leser die klare Trennung zwischen dem redaktionellen Inhalt des Deutschen Ärzteblattes einerseits und Inhalten fremder Zeitschriften andererseits erkennbar wird. Schritte, welche über die von mir veranlaßten Maßnahmen zur Klarstellung, daß die bezeichnete Patientenzeitung weder mittelbar noch unmittelbar von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung getragen wird, hinausgehen, beabsichtige ich nicht zu unternehmen." Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat diese Ausführungen als klarstellenden Hinweis über die Beziehung der KBV zu den Herausgebern der genannten Zeitung zur Kenntnis genommen. Die KBV ist in dem erwähnten Schreiben darauf hingewiesen worden, daß es Pflicht der kassenärztlichen Körperschaften ist, verantwortungsvoll und konstruktiv an der Durchführung des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes mitzuwirken. Der Vorsitzende der KBV sieht durch den erwähnten Vorgang diese Verpflichtung nicht berührt. Ich möchte unabhängig von der die KBV selbst betreffenden Frage allgemein wertend hinzufügen, daß die erwähnte Zeitung in ihrer ersten Ausgabe den Weg der wahrheitsgemäßen Information, verantwortungsvollen Aufklärung und legitimen Kritik verlassen hat. Ob Kassenärztliche Vereinigungen ihrer Informationspflicht gegenüber den Kassenärzten nicht sachgerecht nachgekommen sind, wäre eine Frage, die von den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder geprüft werden müßte. Soweit es die KBV angeht, hat diese in einer Reihe von Maßnahmen (Rundschreiben an die Kassenärztlichen Vereinigungen, Veranstaltungen für Organmitglieder und Funktionsträger dieser Körperschaften), welche fortgeführt - werden, über die neuen gesetzlichen Bestimmungen informiert. Ich begrüße alle Maßnahmen der kassenärztlichen Körperschaften ebenso wie die der Krankenkassen und ihrer Verbände, die dazu beitragen, die Durchführung des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes seinen Zielsetzungen entsprechend zu gewährleisten. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ist auch künftig bereit, mit den Spitzenorganisationen hierbei auftretende Fragen gemeinsam zu erörtern. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 59 und 60) : Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in den Fällen, in denen der Träger einer Jugendeinrichtung die Zuweisung eines Zivildienstleistenden beantragt, grundsätzlich eine negative Stellungnahme an das Bundesamt für Zivildienst in Köln richtet (vergleiche Süddeutsche Zeitung Nr. 244), und was wird sie gegebenenfalls unternehmen, um das Bundesamt für den Zivildienst zu veranlassen, daß über die Zuweisung nach sachlichen Kriterien entschieden wird? Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus seine grundsätzliche negative Stellungnahme mit der pauschalen Begründung, daß der Zivildienstleistende in derartigen Einrichtungen unmittelbaren Kontakt mit Kindern und Jugendlichen hat, und somit eine politische Beeinflussung durch den Zivildienstleistenden nicht ausgeschlossen werden kann", begründet, und wenn ja, was wird sie unternehmen, um dieser pauschalen Beurteilung aller Zivildienstleistenden durch die bayerische Staatsregierung entgegenzuwirken? Zwischen der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesjugendbehörden und dem Bundesbeauftragten für den Zivildienst wurde im Jahre 1972 vereinbart, vor der Anerkennung von Einrichtungen der Jugenderziehung und Jugendbetreuung als Beschäftigungsstellen des Zivildienstes die Stellungnahme der zuständigen obersten Landesjugendbehörden zum Anerkennungsantrag einzuholen, sofern es sich nicht um Einrichtungen für behinderte Jugendliche handelt. Seither wird in allen Fällen, in denen Zivildienstleistende in Jugenderziehungs- und Betreuungseinrichtungen tätig werden sollen, entsprechend dieser Vereinbarung verfahren. Während die obersten Landesjugendbehörden alle anderen Bundesländer in ihren Stellungnahmen lediglich eine pädagogische oder sozialpädagogische Fachausbildung der Zivildienstleistenden zur Voraussetzung machen, wenn die Dienstleistenden in der unmittelbaren Erziehung und Betreuung von Ju- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4371* gendlichen beschäftigt werden sollen, erhebt die oberste Landesjugendbehörde des Landes Bayern mit wenigen Ausnahmen gegen die Anerkennung solcher Einrichtungen Bedenken. Das Bundesamt für den Zivildienst hat in Einzelfällen die Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Unterrichtung und Kultus nicht berücksichtigt. Für die Zivildienstverwaltung wäre es jedoch schwierig, generell so zu verfahren. Der Bundesbeauftragte für den Zivildienst hat mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus bereits Verhandlungen mit dem Ziel begonnen, eine Gleichbehandlung aller Antragsteller im gesamten Bundesgebiet zu erreichen. Diese Verhandlungen haben allerdings bisher zu keinem konkreten Ergebnis geführt. Im Rahmen dieser Verhandlungen wurde von der Bundesregierung eindringlich darauf hingewiesen, daß eine pauschale negative Beurteilung aller Zivildienstleistendennicht gerechtfertigt ist. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 61): Enthält die Bundesregierung die ihr von der Bundesanstalt für Arbeit zugeleiteten monatlich erhobenen Zahlen über die der Arbeitsverwaltung gemeldeten Ausbildungsplätze und über die sich bei ihr meldenden Bewerber um einen Ausbildungsplatz der Offentlichkeit vor, und warum beschränkt sich die Bundesanstalt für Arbeit gegebenenfalls darauf, vierteljährlich nur mitzuteilen, wieviel Ausbildungsplätze noch nicht besetzt und wie viele Bewerber nodi nicht untergebracht werden konnten? Die Zahl der Ausbildungsplätze, die die Unternehmen der Bundesanstalt für Arbeit zur Vermittlung anbieten, sowie die Zahl der vorgemerkten Bewerber um einen Ausbildungsplatz werden von den Arbeitsämtern monatlich erhoben. Außerdem wird zum Monatsende Dezember, März, Mai, Juli und September festgestellt, wie viele der gemeldeten Ausbildungsplätze noch unbesetzt und wie viele der Bewerber noch nicht untergebracht sind. In den ersten Monaten des Beratungsjahres (1. Oktober bis 30. September) können diese Zahlen im Vergleich zum Vorjahre auf Grund der noch relativ kleinen Datenbasis zufallsbedingten Schwankungen unterliegen. Die Bundesanstalt beginnt da- her mit der Veröffentlichung der Märzergebnisse. Auf dem Wege von Pressemitteilungen hat sie außerdem die Ergebnisse der Monate Mai, Juni, Juli und September 1977 bekanntgegeben. Die Gesamtergebnisse des Beratungsjahres 1976/77 zum 30. September 1977 werden in Kürze zusätzlich in den Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt erscheinen. In allen Veröffentlichungen, auch bei der Veröffentlichung von Teilergebnissen im Verlaufe des Jahres, weist die Bundesanstalt darauf hin, daß das Verhältnis von gemeldeten Berufsausbildungsstellen zu gemeldeten Bewerbern nur begrenzte Schlüsse auf die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt zuläßt; eine endgültige Aussage dürfte erst möglich sein, wenn u. a. die Statistiken der Kammern über die tatsächlich abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse vorliegen. Im letzten Beratungsjahr wurden den Arbeitsämtern nur etwa drei Fünftel der angebotenen betrieblichen Berufsausbildungsstellen zur Vermittlung genannt, während gleichzeitig drei Viertel aller Bewerber um Ausbildungsstellen bei den Arbeitsämtern vorsprachen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 7/1125 Frage B 62) : Entspricht die Auslegung des Mitbestimmungsgesetzes durch den DGB, derzufolge das im Mitbestimmungsgesetz vorgesehene Wahlmännergremium das Recht habe, nach dem Wahlakt periodisch zusammenzutreten und sich von den Gewählten Bericht erstatten zu lassen, den Vorstellungen der Bundesregierung über die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes, und wenn nein, was wird die Bundesregierung unternehmen, um ihren Vorstellungen Geltung zu verschaffen und eine Entwicklung zum imperativen Mandat zu verhindern? Eine Meinungsäußerung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, wonach das Wahlmännergremium das Recht hätte, nach der Wahl periodisch zusammenzutreten und sich von Arbeitnehmervertretern Bericht erstatten zu lassen, ist mir nicht bekannt. Ob das Mitbestimmungsgesetz eine solche Auslegung zuläßt, haben im Streitfall die Gerichte zu entscheiden. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, in dieser Frage selbst etwas zu unternehmen. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 63): Trifft es zu, daß Arbeitnehmer, die in einem Berliner Bezirk wohnen und denen in einem anderen Berliner Bezirk ein Beschäftigungsangebot gemacht wird, die Arbeitslosigkeit vorziehen, und wie hat die Arbeitsverwaltung darauf gegebenenfalls reagiert? Fälle der von Ihnen geschilderten Art sind der Bundesregierung nicht bekannt. Ich kann deshalb Ihre Frage nur allgemein beantworten. Bezieher von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, die ein zumutbares _Angebot ablehnen, erhalten vier Wochen keine Leistungen. Lehnen Sie auch ein weiteres zumutbares Arbeitsangebot ab, so erlischt der Anspruch auf die Leistung. Als zumutbare werden einfache Wege- und Fahrtzeiten von der Wohnung zur Arbeitsstelle bis zu eineinhalb Stunden angesehen. Ausnahmen können sich aus den Umständen des Einzelfalles ergeben (z. B. bei Teilzeitarbeit). Ein Arbeitsloser, der ein Arbeitsangebot allein deshalb ablehnt, weil es in einem anderen Stadtbezirk liegt, wird deshalb in 4372* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 aller Regel damit rechnen müssen, daß er vier Wochen keine Leistungen erhält oder daß sein Anspruch erlischt. Wenn Ihnen derartige konkrete Fälle bekannt sind, wäre ich um Unterrichtung dankbar. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Möller (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 64 und 65): Was hat die Bundesregierung bewogen, bei der Errechnung der Durchschnittseinkommen der Ärzte (Fragestunde des Bundestages vom 2. März 1977, Stenographischer Bericht, Seiten 751 bis 755) allein die Kostenstrukturerhebung 1971 zugrunde zu legen, obwohl das Statistische Bundesamt ausdrücklich in der Kostenstrukturerhebung 1971 und 1975 festgestellt hat, daß diese Statistik weder Angaben über die tatsächliche Besetzung der verschiedenen Größenklassen nodi Angaben über die Durchschnittseinnahmen aller erfaßten Praxen liefert? Wird die Bundesregierung ihre Feststellungen über die Durchschnittseinkommen der Ärzte berichtigen, nachdem zwei Wissenschaftler, H. K. Lang und A. Mertens, in der Zeitschrift „Der Deutsche Arzt", Oktoberheft, dargelegt haben, daß die Bundesregierung zu Unrecht die Kostenstrukturerhebung verallgemeinernd herangezogen habe, und auch von falschen Zahlen ausgegangen sei, da der durchschnittliche Praxiskostenanteil nicht 35,3 — wie angegeben —, sondern ausweislich der Kostenstrukturerhebung 1975 mindestens 40,1 und höchstens 48,0 vom Hundert betrage? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Ergebnisse der Kostenstrukturerhebungen des Statistischen Bundesamtes eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Entwicklung der Praxisumsätze, der Praxiskosten und der Bruttoeinkommen der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte bilden. Die Kostenstrukturstatistik wird in der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes nach einzelnen ärztlichen Fachrichtungen und innerhalb der Fachrichtungen für bestimmte Umsatz- bzw. Einnahmen-Größenklassen dargestellt. Zusammenfassende Ergebnisse, d. h. durchschnittliche Praxiskostenanteile und Durchschnittsumsätze für alle Praxen, werden allerdings nicht veröffentlicht. Die Aussagefähigkeit solcher, auf der Grundlage des verfügbaren statistischen Materials errechneten Durchschnittswerte hängt davon ab, inwieweit die Verteilung der erfaßten Praxen auf die verschiedenen Größenklassen als repräsentativ für die Größenklassengliederung aller Praxen angesehen werden kann. Die bisherigen Erfahrungen mit der Kostenstrukturstatistik für Ärzte und Zahnärzte haben keine Hinweise darauf ergeben, daß die Repräsentanz der Verteilung der erfaßten Praxen auf die Größenklassen so gering ist, daß die Berechnung von Durchschnittswerten nicht zu vertreten wäre. Die Plausibilität der auf dieser Grundlage berechneten Werte zum Durchschnittseinkommen der Ärzte und Zahnärzte ist, soweit möglich, durch weiteres statistisches Material, insbesondere auf Grund der Entwicklung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für ambulante Behandlung sowie der Einkommenssteuerstatistik überprüft worden. Diese zusätzlichen Berechnungen haben — im Rahmen der durch die Aussagefähigkeit des Ausgangsmaterials und die bestehenden methodischen Probleme gesetzten Grenzen — die auf der Grundlage der Kostenstrukturstatistik berechneten Werte im wesentlichen bestätigt. Die übrigen weise ich darauf hin, daß sich die Bundesregierung, um den bestehenden methodischen Fragen Rechnung zu tragen und deutlich zu machen, daß es sich um Schätzwerte handelt, bei ihren Angaben zum Durchschnittseinkommen der Ärzte und Zahnärzte darauf beschränkt hat, eine bestimmte Bandbreite anzugeben. Soweit sich Ihre Frage auf die Ergebnisse der Kostenstrukturerhebung 1975 bezieht, darf ich folgendes bemerken: i. Der durchschnittliche Praxiskostenanteil hat sich bei den niedergelassenen Ärzten von 35,3 v. H. im Jahre 1971 auf 42,7 v. H. im Jahre 1975, bei den Zahnärzten von 42,5 v. H. im Jahre 1971 auf 51,2 v. H. im Jahre 1975 erhöht. Diese Erhöhung ist im Vergleich zu den Ergebnissen früherer Kostenstrukturerhebungen außergewöhnlich. Es ist daher noch erforderlich zu prüfen, auf welche Gründe dieser Kostenanstieg zurückzuführen ist. Die Bundesregierung hat bei ihren Angaben zum durchschnittlichen Bruttoeinkommen der Ärzte und Zahnärzte vor der Auswertung der Kostenstrukturerhebung 1975 stets ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die in der Kostenstrukturerhebung 1971 ermittelten Praxiskostenanteile den Berechnungen zugrunde gelegt worden sind. Sie hat ferner darauf hingewiesen, daß eine Überprüfung der auf der Grundlage der Kostenstrukturerhebung 1971 basierenden und entsprechend der Aufwandsentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Entwicklung der Bevölkerungs- und Arztzahlen fortgeschriebenen Angaben zum Bruttoeinkommen der niedergelassenen Ärzte anhand der Kostenstrukturerhebung 1975 möglich und beabsichtigt ist. Der nach der Kostenstrukturstatistik 1971 errechnete durchschnittliche Praxiskostenanteil mußte zugrunde gelegt werden, weil aktuellere Angaben nicht verfügbar waren und die Entwicklung in den vergangenen Jahren nicht einheitlich war. So betrugen die Kostenanteile bei den niedergelassenen Ärzten 1963 35,1 v. H., 1967 33,7 v. H. und 1971 35,3 v. H. Legt man den aus der Kostenstrukturstatistik 1975 errechneten durchschnittlichen Praxiskostenanteil von 42,7 v. H. zugrunde, ergibt sich für die niedergelassenen Ärzte ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 150 000 bis 160 000 DM im Jahre 1975. Für die Zahnärzte ergibt sich bei einem durchschnittlichen Praxiskostenanteil von 51,2 v. H. ein Bruttoeinkommen von 195 000 bis 205 000 DM. 2. Die Kostenstrukturerhebung 1975 läßt ferner erkennen, daß weiterhin erhebliche Einkommensunterschiede zwischen den einzelnen Arztgruppen bestehen. So lag das Einkommen der Röntgenärzte doppelt so hoch wie das Einkommen der Allgemeinärzte und mehr als doppelt so hoch wie das Einkommen der Kinderärzte. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4373* Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Braun (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 66) : Beabsichtigt die Bundesregierung nach wie vor, das Kreiswehrersatzamt Solingen aufzulösen und ein Musterungszentrum in Düsseldorf zu errichten, obwohl von den Städten des Bergischen Lands Vorschläge unterbreitet wurden, die für die Betroffenen eine günstigere Lösung vorsehen? Im Weißbuch 1971/1972 zur „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Entwicklung der Bundeswehr" hat die Bundesregierung ihre Absicht erklärt, in Düsseldorf ein Kreiswehrersatzamt mit Facharztstationen — Musterungszentrum — unter Einbeziehung der Kreiswehrersatzämter Mettmann, Wuppertal und Solingen zu errichten. Die Neuorganisation der Kreiswehrersatzämter im Regierungsbezirk Düsseldorf soll Anfang 1978 in einem Gespräch im Bundesverteidigungsministerium erörtert werden. Hierzu werden die Bundes- und Landtagsabgeordneten sowie die Vertreter der betroffenen Gebietskörperschaften, die sich in dieser Angelegenheit an das Bundesverteidigungsministerium gewandt haben, eingeladen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Hoffmann (Hoya) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 67) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Reservistenkameradschaften und den Einheiten der Bundeswehr zu verbessern? Nach den mir vorliegenden Meldungen ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und den Reservistenkameradschaften insgesamt gut. Da es sich bei den hier angesprochenen Kontakten zwischen den Reservistenkameradschaften und der aktiven Truppe vornehmlich um Vorhaben handelt, die außerhalb der allgemeinen Dienstzeit stattfinden — meist an Wochenenden, Sonn- und Feiertagen sowie abends — gehen die verantwortlichen Truppenkommandeure oft bis an die Grenze der Belastbarkeit, um allen Kontaktwünschen nachzukommen. Allein im Rahmen der „Allgemeinen Reservistenarbeit" sind im Jahre 1976 unter der Verantwortung der Bundeswehr ca. 5 100 Vorhaben als dienstliche Veranstaltung durchgeführt worden. Über 115 000 Reservisten haben daran teilgenommen neben ca. 20 000 Teilnehmern aus Bundeswehr, Polizei, Bundesgrenzschutz, befreundeten Streitkräften und ca. 49 000 Gästen aus dem zivilen Bereich. Daneben hat der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V. (VdRBw) fast 16 000 verbandsinterne Veranstaltungen durchgeführt, an denen ebenfalls über 12 000 aktive Soldaten, ca. 4 500 ausländische Soldaten und ca. 137 000 Zivilpersonen teilgenommen haben. Ich gebe Ihnen diese Zahlen bekannt, weil sie neben dem außerordentlichen freiwilligen Engagement der Reservisten nicht nur den beträchtlichen Einsatz der aktiven Truppe wiedergeben, sondern auch Beweise für die vielfältige und umfassende Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Reservistenkameradschaften- sind, auch wenn man berücksichtigt, daß in den Teilnehmerzahlen eine nicht bekannte Anzahl von „Mehrfachteilnehmern" enthalten ist. Wegen der starken dienstlichen Beanspruchung der aktiven Soldaten, aber auch aus finanziellen Gründen, halte ich zur Zeit eine allgemeine Steigerung der bestehenden Kontakte nicht für möglich. Das schließt nicht aus, daß Kontakte dort, wo im örtlichen Bereich Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen einzelnen Reservistenkameradschaften und Einheiten der Bundeswehr bestehen, in Zukunft verbessert werden. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Hoffmann (Hoya) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 68) : ist die Bundesregierung bereit, in Zukunft Manöverschäden schneller und unbürokratisch mit den Betroffenen zu regulieren, da die Schadensabwicklung bislang bis zu zwei Jahren in Anspruch nahm? Bei der Abwicklung von Manöverschäden ist zu unterscheiden zwischen den Schäden, die von Einheiten der Bundeswehr verursacht worden sind, und solchen, die auf Truppen der Entsendestaaten zurückzuführen sind. Für die Bundeswehr hat das Bundesministerium der Verteidigung 1976 die Anweisungen zur beschleunigten Bearbeitung von Übungsschäden neugefaßt, um dadurch in Ergänzung der Regelung des Bundesleistungsgesetzes eine schnelle und unbürokratische Schadensabwicklung zu erreichen. Darin ist u. a. angeordnet, daß bei jeder Übung, bei der mit Übungsschäden zu rechnen ist, Übungsschadensoffiziere einzuteilen sind. Diese haben schon währen der Übung alle für die Schadensabwicklung wesentlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und sollen hierbei nach Möglichkeit die Geschädigten beteiligen. Die Übungsschadensoffiziere sind ferner berechtigt, Bagatellschäden bis zur Höhe von DM 200,— für jeden zusammenhängenden Einzelschaden an Ort und Stelle zu regulieren. Im Interesse einer beschleunigten Schadensabwicklung ist des Weiteren angeordnet worden, daß die Bundeswehrverwaltung vor Beginn einer Übung bei den Gemeindeverwaltungen im Übungsgebiet Formblätter zur vereinfachten Geltendmachung von Ersatzansprüchen auslegt. Schließlich wurde die Befugnis zur Bearbeitung von Flur-, Forst- und sonstigen Schäden bis zur Höhe von DM 5 000,— und zur Herbeiführung einer Einigung mit den Geschädigten auf die örtlich zuständigen Standortverwaltungen mit landwirtschaft- 4374* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag; den 11. November 1977 lichen Fachberatern delegiert, um die Schadensabwicklung zu vereinfachen. In den Jahren 1975/1976 wurden bei den Wehrbereichsverwaltungen folgende Flur-, Forst- und sonstigen Schäden angemeldet: 1975 Schadensfälle 10 151 1976 Schadensfälle 8 083 18 234 wobei die überwiegende Zahl aller Schäden in einer Zeit bis zu drei Monaten abgeschlossen war. Im gegenwärtigen Zeitpunkt werden von den Wehrbereichsverwaltungen nur 30 Fälle berichtet, deren Entstehung zwei Jahre zurückliegt und die noch nicht abgeschlossen werden konnten. Davon betreffen 11 Fälle Ansprüche wegen der Beschädigung von Grenzsteinen, bei denen die Mitwirkung der Vermessungs- und Katasterämter erforderlich ist, 7 Fälle befanden sich im förmlichen Festsetzungsverfahren nach dem Bundesleistungsgesetz, und in 12 Fällen handelte es sich um Sonderfälle, die nicht durch Verschulden der Bundeswehrverwaltung unerledigt geblieben sind. Berücksichtigt man, daß der größte Teil der Schäden jeweils durch die großen Herbstübungen verursacht wurden, von diesen aber bis zum jeweiligen Jahresende bereits 64 Prozent abgewickelt werden konnten und sich von den 10 151 Schadensfällen des Jahres 1975 nur noch 7 Fälle, die noch dazu einem besonderen Verfahren unterliegen, übrig sind, dann ist ein solches Ergebnis als befriedigend zu bezeichnen. Das Bundesministerium der Verteidigung sieht daher keine Veranlassung, die bestehende Regelung zu ändern. Soweit Manöverschäden von den in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräften verursacht werden, obliegt die Schadensabwicklung gemäß Art. 14, 8 des Ausführungsgesetzes zum NATO-Truppenstatut (BGBl. II 1961, 1183) den Behörden der Verteidigungslastenverwaltung (Landesbehörden), die der Aufsicht der Landesfinanzministerien unterliegen. Auch diese Behörden wickeln die kleineren Manöverschäden (bis DM 1 000,—) in einem vereinfachten Verfahren schnell und unbürokratisch ab. Bei größeren Manöverschäden sind die zahlungspflichtigen ausländischen Streitkräfte am Verfahren zu beteiligen, so daß allenfalls die Regulierung dieser Schäden längere Zeit beansprucht. In aller Regel wird nur bei Großschäden (meist umfangreichere Straßenschäden) oder bei Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung in Einzelfällen eine Zeit von 2 Jahren bis zur endgültigen Abwicklung der Manöverschäden benötigt. Sollten Sie nähere Zahlenangaben über den Stand der Abwicklung der von den ausländischen Streitkräften verursachten Manöverschäden und die Dauer der Entschädigungsverfahren wünschen, ist der Bundesminister der Finanzen bereit, entsprechende Auskünfte bei den Landesfinanzministerien einzuholen und Sie hierüber zu unterrichten. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 69) : Wieviel Sprengstoff, Minen (Panzerminen, Schützentretminen, andere), Sprengkapseln und Zündschnüre sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 1972 bis September 1977 aus zivilen bzw. militärischen Beständen in der Bundesrepublik Deutschland entwendet und nicht wieder aufgefunden worden? Aus Beständen der Bundeswehr wurden 1 049 Stück Sprengmittelzünder und Sprengkapseln sowie 269 m Zündschnur entwendet und nicht wiederaufgefunden. Minen wurden nicht entwendet. Aus allen übrigen Beständen ergeben sich nach Angaben des Bundeskriminalamtes folgende Verlustzahlen: — 14 Stück Minen verschiedener Art, — 7 691 Sprengmittelzünder und Sprengkapseln und — 970 m Zündschnur. Die Aufschlüsselung nach den verschiedenen Sprengmitteln und die Zahlenangaben hierfür können unter Umständen geringfügig abweichen, weil die Statistik über Sprengmittelverluste nicht im gesamten Berichtszeitraum nach den gleichen Kriterien geführt wurde. So wurden z. B. in den Jahren 1972 und 1973 Minen nicht besonders erfaßt. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biehle (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 70 und 71): Treffen Pressemeldungen zu, wonach im Landschaftsschutzgebiet des Spessarts eine Panzerübungsstraße für die Bundeswehr oder Stationierungsstreitkräfte geplant ist, und wenn ja, welches Gebiet wird betroffen? Wann soll das Projekt gegebenenfalls verwirklicht werden, und sind dabei die Probleme des Natur- und Landschaftsschutzes sowie des hochentwickelten Fremdenverkehrs im Spessartraum berücksichtigt? Planungen für den Bau einer Panzerübungsstraße im Landschaftsschutzgebiet des Spessarts sind der Bundesregierung nicht bekannt. Pressemeldungen können daher nicht bestätigt werden. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Müntefering (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen 72 und 73): Sind Fälle bekannt, in denen Soldaten auf Zeit für die Dauer ihrer gesetzlich geförderten Zivilausbildung Ausbildungsverträge zum Schein abgeschlossen und sich so Doppelverdienste verschafft haben, und welche Konsequenzen sind gegebenenfalls gezogen worden? Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4375* Wird eine Ausbildung zur „geprüften Werkschutzfachkraft", die zwei Jahre dauert und weitgehend ohne schulischen Teil erfolgt, als förderungswürdig im Sinne des Berufsförderungsgesetzes für Soldaten auf Zeit angesehen? Die Anzahl der Fälle, in denen Soldaten auf Zeit für die Dauer der nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) geförderten Berufsausbildung — Fachausbildung — nur zum Schein Ausbildungsverträge abgeschlossen und sich so Doppelverdienste verschafft haben, ist dank der im Soldatenversorgungsrecht getroffenen Vorkehrungen und deren Realisierung durch den mit der Berufsförderung befaßten Berufsförderungsdienst der Bw sehr gering. Maßgebend sind dabei folgende Gesichtspunkte: Der Soldat kann die — als Versorgungsleistung erdiente — Sachausbildung in öffentlichen und privaten Einrichtungen, die auch sonst eine Ausbildung und Weiterbildung für das spätere Berufsleben durchführen, in Anspruch nehmen. Im Rahmen der Verpflichtung zur gesteigerten Fürsorge gegenüber dem längerdienenden Soldaten hat der Berufsförderungsdienst dabei darauf hinzuwirken, daß der Soldat seine Berufsförderung jeweils bestmöglich nutzt. Dementsprechend sind Berufsbildungsmaßnahmen privater Einrichtungen als Fachausbildung nur dann anzuerkennen, wenn sie die notwendigen Anforderungen an eine erfolgreiche Berufsbildung Erwachsener erfüllen. So lehnt der Berufsförderungsdienst die Bewilligung einer Fachausbildung dann ab, wenn Zweifel an der Eignung der Ausbildungsstätte oder an der Seriosität des vorgelegten Bildungsplanes bzw. des Ausbildungsvertrages bestehen. Außerdem überprüft der Berufsförderungsdienst durch Anfragen bei der ausbildenden Stelle, ob der Soldat die Fachausbildung zeitgerecht begonnen hat, und danach außerdem auch in angemessenen Abständen während der Förderungszeit, ob er sie weiterhin ordnungsgemäß durchführt. Dem Soldaten wird selbst außerdem die Verpflichtung zur Meldung von Unregelmäßigkeiten, z. B. im Falle des Nichtantritts, der Unterbrechung oder des Abbruchs der Fachausbildung, auferlegt. Bei Fachausbildungen während der Wehrdienstzeit, die unter Freistellung vom militärischen Dienst erfolgen, wird der Soldat jeweils auch auf die weitreichenden Folgen dienst- und strafrechtlicher Art bei Mißbrauch dieser Freistellung ausdrücklich hingewiesen. Ergibt sich der Verdacht von Unregelmäßigkeiten, dann informiert sich der Berufsförderungsdienst nach Möglichkeit durch Überprüfungen an Ort und Stelle. In den bisher festgestellten Fällen, in denen Soldaten trotz dieses Kontrollsystems vermochten, Ausbildungsverträge zum Schein nur abzuschließen und anstatt der Berufsbildung einer bloßen Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist die Bewilligung der Fachausbildung zurückgenommen worden. Die bewilligten Leistungen wurden. zurückgefordert. So auch die zeitanteiligen Dienstbezüge, wenn der Soldat für die Fachausbildung vom militärischen Dienst freigestellt oder der Ausbildungszuschuß, wenn ihm die Fachausbildung für die Zeit nach Beendigung der Wehrdienstzeit bewilligt worden ist. Der Beantwortung Ihrer weiteren Frage, ob die Ausbildung zur geprüften Werkschutzfachkraft — die zwei Jahre dauert und weitergehend ohne schulischen Teil erfolgt — als förderungsfähig im Sinne der SVG angesehen wird, ist folgender soldatenversorgungsrechtlicher Grundsatz voranzustellen: Die Förderung der begehrten beruflichen Bildungsmaßnahme ist dem anspruchsberechtigten Soldaten prinzipiell dann immer zu gewähren, wenn eine erfolgreiche Fachausbildung zu erwarten ist und der erstrebte Beruf voraussichtlich eine Existenzgrundlage bietet. Gemessen an diesem Prinzip darf die Tatsache, daß bei der Werkschutz-Ausbildung ein erheblicher Teil für die praktische Ausbildung außerhalb schulischer Lehrgänge zu verwenden ist, kein Ausschließunqsgrund für die Gewährung einer Fachausbildung sein. Ausgerichtet an den Erfordernissen dieses Berufes kann bei fachgerechter Werkschutzausbildung nur ein Teil der Ausbildungszeit für die fachtheoretische Ausbildung in Lehrgängen sowie Seminaren verwendet werden. Ein erheblicher Zeitanteil muß der fachpraktischen Ausbildung in Betrieben vorbehalten bleiben, bei der der Bewerber mit allen im Werkschutz vorkommenden Tätigkeiten vertraut wird. Demgemäß wurde von den Industrie- und Handelskammern Ludwigshafen, Frankfurt und Münster, welche Prüfungsordnungen für die Fortbildungsprüfung von Werkschutzpersonal bisher erlassen haben, im wesentlichen als Zulassungsbedingung bestimmt: — Teilnahme an einer mindestens zweijährigen Ausbildung zum Werkschutzmann in einem Betrieb der gewerblichen Wirtschaft, des Handels oder im Bereich des öffentlichen Dienstes oder — Teilnahme innerhalb einer zweijährigen Werkschutztätigkeit an einem Werkschutz-Grundlehrgang und Werkschutz-Aufbau-(Fortbildungs-) Lehrgang. Die auf dieser Grundlage absolvierte zweijährige Ausbildung und der erfolgreiche Abschluß durch die Fortbildungsprüfung für Werkschutzpersonal bei der Industrie- und Handelskammer eröffnen den ehemaligen Soldaten solide Berufsaussichten. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenders (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 74) : Kann die Bundesregierung britische Untersuchungen bestätigen, wonach der in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Namen „Duogynon" verwendete Schwangerschaftstest schwere Mißbildungen bei Neugeborenen verursacht, und wenn ja, welche geeigneten Maßnahmen gedenkt sie zu unternehmen? In der Bundesrepublik Deutschland wird zur Frühdiagnose der Schwangerschaft nur parenteral zu injizierendes Duogynon in Ampullen verwendet. Diese enthalten körpereigene Hormone. Der Bundesregierung sind weder britische noch anderweitige 4376* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Untersuchungen bekannt, die einen Verdacht auf Entstehung von Mißbildungen im Zusammenhang mit dieser Verabreicherungsform äußern. Geäußert wird in jüngster Zeit dagegen der Verdacht eines Zusammenhangs von Mißbildungen durch Duogynon-Dragees, die während der Schwangerschaft oral aufgenommen worden sind. Duogynon-Dragees enthalten andere Wirkstoffe als die Ampullen. Sie sind nicht zur Schwangerschaftsdiagnose bestimmt. Die Packungsbeilage nennt ausdrücklich die Kontraindikation Schwangerschaft. Anlage 54 Antwort des Pari. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 75 und 76): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Befürchtungen, die Milch von Kühen, die an Autobahnen weiden und Blei aus Autoabgasen einatmen, enthalte Blei, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen unbegründet sind? Liegt der Bundesregierung die Studie vor, die ein amerikanisches Team im Auftrag der US-Fernsehgesellschaft CBS in England erstellt hat, wonach männliche Jugendliche, die längere Zeit Gewalt im Fernsehen miterlebt haben, zu größerer Gewalttätigkeit neigen, ein Ergebnis, das die Hypothese zu bestätigen scheint, daß langandauernder Konsum von Gewaltsendungen gewalttätiges Verhalten fördert, und welche Folgerungen wird die Bundesregierung gegebenenfalls daraus ziehen? Zu Frage B 75: Die Rückstandssituation von Blei und anderen toxischen Spurenstoffen in Milch wird seit langem im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit untersucht. Dabei sind Rückstandswerte an Blei von 10-30 Mikrogramm auf ein Kilogramm (ppb) festgestellt worden. Der vom Bundesgesundheitsamt empfohlene Richtwert über Höchstmengen von Blei in Milch von 50 ppb wird damit nicht erreicht. Die Resorptionsrate von Blei liegt bei Menschen in der Regel bei etwa 10 % der mit dem Lebensmittel aufgenommenen Menge. Daraus ergibt sich, daß die Bleibelastung des Menschen durch Milch — ein täglicher Verzehr von 1 Liter vorausgesetzt — nur etwa 0,46 % der von der Weltgesundheitsorganisation als vorläufig bekanntgegebenen duldbaren Aufnahmemenge von 3 mg/Woche beträgt. Zu Frage B 76: Ihre Frage bezieht sich offenbar auf die im Juni dieses Jahres veröffentlichte Studie Nr. 40 des englischen Home Office mit dein Titel „Screen Violence and Film Censorship — a review of research". Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat diese Studie auf Grund von Presseberichten bei der Britischen Botschaft Bonn angefordert. Sie wurde mit Schreiben vom 27. Oktober dieses Jahres übersandt. Eine Äußerung zum Inhalt der Studie und zu der Frage, welche evtl. Folgerungen die Bundesregierung daraus ziehen wird, ist noch nicht möglich, da die Studie verständlicherweise in den wenigen Tagen noch nicht ausgewertet werden konnte. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 77) : Treffen Pressemeldungen zu, daß die Bundesregierung nunmehr in der Lage ist, landschaftsbezogene Kraftfahrzeugkennzeichen zuzulassen, und kann ich zutreffendenfalls annehmen, daß den beiden im heutigen Landkreis Westerwald zusammengeschlossenen ehemaligen Westerwaldkreisen Unterwesterwald und Oberwesterwald, die 1974 das auf den Kreissitz Montabaur bezogene Kfz-Kennzeichen „MT" erhielten, nunmehr das landschaftsbezogene Kennzeichen „WW" zugeteilt werden kann, falls das Land Rheinland-Pfalz dieses Kennzeichen beantragt? Die Meldungen treffen zu. Nach der vom Bundesrat am 14. Oktober 1977 gefaßten Entschließung sollen künftig für Verwaltungsbezirke mit Landschaftsnamen oder mit Doppelnamen vom Namen der Verwaltungsbezirke abgeleitete Unterscheidungszeichen vorgesehen werden, wenn es die zuständige Landesregierung wünscht. Die Bundesregierung wird dieser Entschließung künftig Rechnung tragen. Dies gilt auch für den Fall, daß das Land Rheinland-Pfalz eine Änderung des derzeitigen Unterscheidungszeichens für den Kreis Westerwald beantragt. Anlage 56 Antwort des Pari. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 78 und 79): Wie beurteilt die Bundesregierung Feststellungen anläßlich der Tagung der Union Deutscher Bahnhofsbetriebe in Konstanz, daß nicht zuletzt durch ein Versäumnis der Deutschen Bundesbahn der Umsatz der Bahnhofsgaststätten und des Bahnhofshandels rückläufig sei, da vor allem die Bahnhofsgaststätten nicht rechtzeitig den heutigen Bedürfnissen der Kunden angepaßt wurden und deswegen für die Reisenden wie auch für die Stadtbevölkerung unattraktiv geworden seien, und welche Maßnahmen sind nach Meinung der Bundesregierung gegebenenfalls erforderlich, um die Attraktivität und damit eine ausreichende Rentabilität der Bahnhofsgaststätten zurückzugewinnen? Wie ist die Bilanz der Saison 1976 der Bodensee-Schiffsbetriebe der Deutschen Bundesbahn, auch im Vergleich zum Jahr 1975, zu beurteilen, und hat man 1977 am Angebot der Verkehrsleistungen 1976 festgehalten und diese möglicherweise mit guten Ergebnissen ausbauen können? Zu Frage B 78: Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn (DB), in deren Zuständigkeit die Vorhaltung von Bahnhofsgaststätten fällt, treffen die Behauptungen der Union deutscher Bahnhofsbetriebe nicht zu. Die Umsätze sind von 1970 bis 1976 von 1 035 Millionen DM auf 1 270 Millionen DM gestiegen. Entsprechend haben sich auch die Pachterlöse bei der DB erhöht. Für 1977 erwartet die DB eine weitere Steigerung, die z. B. bei zehn großen Bahnhofsgaststätten in den ersten acht Monaten des Jahres 5,4 vom Hundert beträgt. Die DB versucht im übrigen, die Bahnhofsgaststätten den Bedürfnissen des Reiseverkehrs und der sonstigen Kunden anzupassen. Trotz finanzieller Schwierigkeiten hat sie in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Gaststätten neu gebaut oder modernisiert. Auch Hilfen der DB gegenüber den Pächtern Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4377* haben dazu beigetragen, das Erscheinungsbild der Gaststätten zu verbessern. Wo in Einzelfällen infolge der baulichen Struktur alter Bahnhöfe die Gaststätten nach Fläche und Raumhöhe überdimensioniert sind, ist die DB z. Z. im Rahmen eines Aktionsprogramms bemüht, Abhilfe zu schaffen. Die vorgesehene Einführung eines kosten- und ertragsorientierten Pachtentgeltsystems wird außerdem die Pächterinitiative fördern und damit auch die Attraktivität der DB-Servicebetriebe weiter erhöhen. Zu Frage B 79: Die wirtschaftliche Situation der Bodenseeschiffsbetriebe (BSB) hat sich in den letzten Jahren verbessert. Unter Berücksichtigung der kalkulatorischen Kosten- und Erlösrechnungen zeichnet sich folgende Entwicklung ab: 1975 1976 Kostenunterdeckung 1 229 TDM ca. 600 TDM Kostendeckung 86 % 93 % Dabei ist zu bemerken, daß die Kosten um 82 TDM gesenkt wurden und die Erlöse um 552 TDM gestiegen sind. Von Bedeutung für diesen Unternehmenszweig der DB ist, daß es sich hier um einen saisonalen Verkehr handelt, der stark witterungsabhängig ist. Bei annähernd konstanten Verkehrsleistungen im Bereich der Kursfahrten wurde das Angebot an Sonder- und Rundfahrten stark ausgeweitet. Die Steigerung dieser Angebote im Jahre 1976 gegenüber 1975 betrug ca. 29 %, wobei eine Zunahme an Fahrgästen von ca. 23 % zu verzeichnen ist. Die Angebote der BSB umfassen u. a. — Bodensee-Paß für 15 Tage — 50 %ige Ermäßigung auf den Strecken entlang des Bodensees — Familienermäßigung ab 26 km (Ermäßigung bis 44 % auf den Fahrpreis) — Advents- und Nikolausfahrten — Sylvesterfahrten. Diese Angebote wurden in den letzten Jahren entwickelt und nach und nach ausgebaut. Sie werden auch 1978 beibehalten und ggf. erweitert, soweit die Kosten-Erlös-Relationen dies zulassen. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 80): Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen, in den Verhandlungen mit dem Sowjetblock den deutschen Verkehrsunternehmen die gleichen Rechte und Möglichkeiten zu verschaffen, die die Verkehrsunternehmen des Sowjetblocks im Bundesgebiet vorfinden, und wird die Bundesregierung — falls gleiche Rechte und Möglichkeiten für die deutsche Seite nicht voll durchsetzbar sind — den Betätigungsrahmen des Sowjetblocks im Bundesgebiet auf den Umfang zurückschneiden, in dem die deutschen Verkehrsunternehmen in den kommunistischen Staaten tätig sein können? Die Bundesregierung hat am 28. September 1977 die Ziele der deutschen Verkehrspolitik gegenüber den Staaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) dahin gehend festgelegt, — eine ausgewogene und damit gerechtere Beteiligung der Verkehrsunternehmen der Bundesrepublik Deutschland am bilateralen Verkehr mit den RGW-Staaten zu erreichen — eine Beherrschung des bilateralen Ost-West-Verkehrs sowie eine Verdrängung deutscher Verkehrsunternehmen aus Verkehren mit dritten Ländern durch RGW-Verkehrsunternehmen zu verhindern. Im Rahmen dieser Zielsetzung hat Herr Bundesminister Gscheidle im Oktober 1977 erste Gespräche mit der UdSSR in Moskau aufgenommen. Vereinbarte Expertentreffen zur Erörterung von Einzelfragen werden in Kürze beginnen. Vom Ergebnis dieser Gespräche wird die Bundesregierung ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hauff (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 81, 82, 83 und 84): Ist der Bundesregierung bekannt, ob — seit Inkrafttreten der Befeuerungs- und Markierungsrichtlinien von Flughäfen des Bundesverkehrsministeriums vom 20. Mai 1970, insbesondere Ziffer III, Punkt 1.5 — Anbieter von neuen, leistungsfähigen Unterflurfeuern, die den Normen des Abkommens über die internationale Luftfahrt (ICAO) für Überflurfeuer entsprechen, existieren? Inwieweit lassen sich die seit ungefähr zwei Jahren in der • Anflugschneise der Piste 12/32 installierten Unterflurfeuer des Flughafens Zürich-Kloten im Vergleich zu den herkömmlichen Uberflurfeuern beurteilen, welche Erfahrungen wurden bisher mit diesen Unterflurfeuern gemacht, und werden die gemachten Erfahrungen eventuell zur Änderung der Richtlinien führen? Welche Konsequenzen ergäben sich bei der gegenwärtig diskutierten Ausbauplanung des Flughafens Stuttgart-Echterdingen für die Start- und Landebahnlängen sowie für die Sicherheit, wenn bei einer Schwellenverschiebung nach Osten von 885 m eine Unterflurbefeuerung auf der gesamten Anflugstrecke bis zur neuen Schwelle möglich wäre? Wäre es schon heute möglich, im Westen des Flughafens eine verkürzte Anflugbefeuerung in Unterflurbauweise zur Stabilisierung des Landeanflugs 08 einzurichten,. die nach einer Schwellenverlegung als Unterflurbefeuerung weiter verwendet werden könnte? 1. Der Bundesregierung ist der Markt von neuentwickelten Hochleistungs-Unterflurfeuern, die für die Anflugbefeuerung von Start- und Landebahnen mit versetzter Schwelle (Befeuerungsrichtlinien Nr. III. 1.5) geeignet sind, bekannt. 2. Soweit bekannt, haben sich die auf dem Flughafen Zürich im Anflug 14 verwendeten Unterflurfeuer bisher bewährt. Diese Erfahrungen werden bei der gegenwärtigen Überarbeitung der Befeuerungsrichtlinien berücksichtigt. 3. Im Planungsfalle einer auf dem Flughafen Stuttgart in Anflugrichtung 08 auf den ersten 885 m 4378* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 der Bahn unterflur eingebauten Anflugbefeuerung könnte dieser Bahnabschnitt beim Start nach Osten mitbenutzt werden. Für Starts nach Westen sowie Landungen von Westen und Osten würde dieser Abschnitt wegen des Hindernisses Weidacher Höhe keinen zusätzlichen Nutzen bringen. 4. Die Anflugrichtung 08 verfügt bereits über eine verkürzte Überflur-Anflugbefeuerung. Eine Schwellenversetzung mit oder ohne vorgelagerte Unterflur-Anflugbefeuerung würde bei der gegenwärtigen Bahnlänge eine kritische Verkürzung der Landestrecke bedeuten. Die Frage wird deshalb verneint. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Daubertshäuser (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 85 und 86) : Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung mit dem sich seit 1. Mai 1974 in Kraft, befindlichen Punktesystem für Verkehrssünder gemacht? Ist die Bundesregierung bereit, eine kritische Überprüfung und gegebenenfalls eine Korrektur in Teilbereichen des jetzigen Punktesystems für Verkehrssünder vorzunehmen, und auf welche Bereiche würde sich diese Korrektur nach Auffassung der Bundesregierung beziehen müssen? Zu Frage B 85: Nach einhelliger Auffassung der zuständigen obersten Landesbehörden, der sich die Bundesregierung anschließt, hat sich das Punktesystem in dreijähriger Praxis im allgemeinen bewährt. Die Ziele (Gleichbehandlung, Präventivwirkung) wurden im wesentlichen erreicht. Allerdings haben sich auch Schwachstellen im Punktsystem gezeigt, die es zu beseitigen gilt. Nachteile für den Betroffenen werden sich hieraus künftig jedoch nicht ergeben, da die Verwaltungsbehörde nach herrschender neuester Rechtsprechung nicht schematisch von der Punktebewertung ausgehen darf, sondern bei ihren Entscheidungen Art und Schwere der Verstöße im einzelnen zu würdigen hat. Zu Frage B 86: Anfang Oktober 1977 wurde mit den für das Fahrerlaubniswesen zuständigen obersten Landesbehörden ein Erfahrungsaustausch über das Punktsystem geführt. Zur ausführlichen Beratung der möglichen Änderungen und Verbesserungen, auch der Anregungen von verschiedenen Seiten, sind zwei Arbeitsausschüsse unter Ländervorsitz gebildet worden, in denen auch das Bundesverkehrsministerium und das Bundesjustizministerium vertreten sind. Beratungsergebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 1978 vorliegen. Erst dann läßt sich übersehen, wie die bereits erkannten Schwachstellen des Punktsystems beseitigt und in welchen Bereichen evtl. Korrekturen erfolgen müssen. In Übereinstimmung mit der Auffassung der zuständigen obersten Landesbehörden ist zu erwarten, daß eine grundlegende Reform des Punktsystems nicht erforderlich sein wird. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Müller (CDU/CSU) (Drucksache 7/1125 Frage B 87): Hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Überlegung schon einmal die Frage geprüft, inwieweit durch die Gleichstellung des Werkverkehrs mit dem gewerblichen Güterkraftverkehr — bei absoluter Gleichbehandlung (Sachkundeprüfung, Steuer, Versicherung) — erhebliche Energieeinsparungen vorgenommen werden können, da heute ein Teil des Werkverkehrs ja als Leerverkehr abgewickelt wird? Eine bessere Auslastung der Leerfahrten des Werkverkehrs könnte nur zu Lasten der Eisenbahn gehen, in dem Transportgut von der Schiene auf die Straße abwandert. Die Energiebilanz würde sich hierdurch nicht verbessern, weil sich die an sich günstigeren Energieverbräuche der Eisenbahn durch geringere Auslastung verschlechtern würden. Darüber hinaus ist zu befürchten, daß nicht nur Leerkapazitäten des Werkverkehrs besser genutzt, sondern insgesamt die Zahl der Straßentransporte noch weiter steigen würde. Eine solche Maßnahme hätte deshalb zwei nicht gewollte Folgeerscheinungen, erstens eine noch stärkere Belastung unseres Straßennetzes mit schwerem Lkw-Verkehr, zweitens ein weiteres Ansteigen der Bundeszuschüsse an die Deutsche Bundesbahn. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 88 und 89) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Fahrt von Generalvertretern der Deutschen Bundesbahn zur 125-Jahr-Feier der deutschen Einwanderung in Chile Ende November 1977 unter den gegebenen politischen Umständen in Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit der betreffenden Personen gebracht werden kann, und wie beurteilt die Bundesregierung die politischen Auswirkungen einer derartigen Fahrt? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, auf die entsprechenden Generalvertreter einzuwirken, diese Fahrt zu unterlassen? Zu Frage B 88: Wie mir die Deutsche Bundesbahn (DB) auf Anfrage mitteilt, ist nicht bekannt, daß ein Vertreter der DB im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit an der 125-Jahr-Feier der deutschen Einwanderung in Chile in diesem Monat teilnimmt. Im übrigen hat auch eine entsprechende Absicht nicht bestanden. Zu Frage B 89: Die Beantwortung dieser Frage erübrigt sich daher. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 90): Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4379* Hat die Bundesregierung die mit Schreiben vom 5. Mai 1977 zugesagten Raumordnungsverfahren im Zusammenhang mit dem Neubau der Staustufe Neuburgweier eingeleitet und weitere Verfahrensvoraussetzungen veranlaßt, und kann weiter davon ausgegangen werden, daß die Staustufe Neuburgweier gebaut werden wird, sofern die zur Zeit laufenden Naturversuche zu einem negativen Ergebnis führen? Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes hat am 29. Juli 1977 die Einleitung der Raumordnungsverfahren für die Staustufe Neuburgweier in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beantragt. Mit den beiden Ländern werden die Voraussetzungen für die Durchführung der Verfahren in diesen Tagen so weit geklärt, daß noch im Verlaufe des Monats November mit der Weiterführung der Verfahren zu rechnen ist. Die Verfahren dienen gerade dem Zweck, unverzüglich mit dem Bau der Staustufe beginnen zu können, falls die Naturversuche zu einem negativen Ergebnis führen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Link (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 91): Wie beurteilt die Bundesregierung die weitere Entwicklung auf dem Verkehrssektor, insbesondere bei der Deutschen Bundesbahn unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Auftragslage? Aufgrund einer mehrjährigen Wirtschaftsvorschau des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn (DB) ist mittelfristig — bedingt durch Strukturwandlungseffekte im Montangüterbereich — mit einem anhaltenden Rückgang im Güterverkehr zu rechnen. Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung und richtet sich kurzfristig auf die dadurch bedingte, aber vorübergehende Leistungssituation der DB ein. Langfristig, d. h. bis etwa 1990, erwartet die Bundesregierung jedoch, daß die DB sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr an einer Gesamtentwicklung partizipiert, die entsprechend den gesamtwirtschaftlichen Wachstumsperspektiven aufwärts gerichtet ist. Die Bundesregierung stützt sich hierbei auf eine Prognose des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, die für die DB spätestens in einem Jahrzehnt ein erheblich günstigeres Leistungsbild erwarten läßt. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Zink (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 92 und 93) : Trifft es zu, daß bei der Deutschen Bundesbahn schon seit Wochen 80 000 bis 90 000 Güterwagen (287 000 Gesamtbestand) unbeschäftigt abgestellt sind und dadurch teilweise Betriebsbehinderungen verursacht worden sind? Ist es richtig, daß angesichts der Beschäftigungslage der Deutschen Bundesbahn die vom Bundesverkehrsminister angekündigten Konsolidierungsmaßnahmen (Leistungsauftrag) bis 1980 nicht erreichbar erscheinen? Zu Frage B92: Nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn wurden im arbeitstäglichen Durchschnitt der 30. bis 34. Woche (25. Juli bis 28. August 1977) 80 000 bis 90 000 nicht genutzte Güterwagen-abgestellt. Betriebsbehinderungen traten nur vereinzelt durch Abstellung von Leerwagenzügen auf Überholungsgleisen auf. Zu Frage B 93: Der Leistungsauftrag der Bundesregierung an die Deutsche Bundesbahn (DB) ist eine Zusammenfassung aller notwendigen und möglichen Maßnahmen, um durch Investitionen und Konzentration, Rationalisierung und Organisationsstraffung die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern und seine Ertragskraft zu stärken. Schwerpunkte sind: — Rationalisierung von Produktion und Absatz, — Anpassung der Produktion an den Bedarf, — Rationalisierung des Vorhaltungsbereichs (Anlageerhaltung), — Schaffung einer resultatsbezogenen Unternehmensorganisation. Durch die genannten Maßnahmen soll der Anstieg der Aufwendungen verlangsamt und die Erträge gesteigert werden. Die Bundesregierung hält unverändert an den im Leistungsauftrag fixierten Zielen fest, auch wenn der Verlustabbau bis 1985 nicht erreichbar ist. Während die Kostenminderungen voll in dem vorgegebenen Plan laufen, hat die Ertragsentwicklung aufgrund des Konjunkturverlaufs die Erwartungen nicht erfüllt. So mußten die für 1977 erwarteten Verkehrsmengen im Wagenladungsverkehr der DB von 304 Millionen t auf 276 Millionen t (minus 9,2 %) zurückgenommen werden. Der Zeithorizont 1985 für den Verlustabbau kann sich daher durch diese konjunkturellen Einflüsse sowie durch externe Hemmnisse bei der Durchführung notwendiger Investitionen verschieben. Dies schließt jedoch nicht aus, daß bei günstigem Konjunkturverlauf sich die Erträge wieder in Richtung der ursprünglichen Prognosen entwickeln. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Berger (Berlin) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 94) : Gibt — wie im Informationsdienst der Berliner CDU, Nr. 41 vom 12. Oktober 1977, gemeldet — die Condor Flugdienst GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Lufthansa AG, ein Taschenbuch für die Touristikpresse heraus, in dem sich die Condor durchgängig der Schreibweise „BRD" für die Bundesrepublik Deutschland bedient, und wenn ja, was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um eine Änderung herbeizuführen und in Zukunft ein derartiges Vorgehen durch eines ihrer Unternehmen zu vermeiden? 4380* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Die Condor Flugdienst GmbH hat im Taschenbuch für die Touristik-Presse 1977/78 aus Gründen der Abkürzung teilweise die Schreibweise „BRD" für die Bundesrepublik Deutschland benutzt. Die Condor Flugdienst GmbH hat zugesagt, in der nächsten Auflage des Taschenbuchs nur noch die Bezeichnung Bundesrepublik Deutschland zu verwenden. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 95): Wie weit sind die Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich wegen des Neubaus einer Transitstraße zwischen Salzburg und Lofer hinsichtlich Streckenführung und Baubeginn bereits gediehen, und ist bei der Trassenführung die Besonderheit der Landschaft und die allseits befürchtete Beeinträchtigung des Fremdenverkehrs genügend berücksichtigt worden? Eine deutsch-österreichische Expertengruppe untersucht zur Zeit die technischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Straßenverbindung Salzburg–Bad Reichenhall–Lofer. Alle verkehrlichen, topographischen und geologischen Komponenten werden in diese Untersuchung einbezogen. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich können erst nach Abschluß der technischen Untersuchungen (voraussichtlich Sommer 1978) beginnen. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 96) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Planungsrichtlinie B 1/76 der Bundesanstalt für Flugsicherung, Frankfurt am Main, mit den Zeitangaben für Nachtflugbeschränkungen im Widerspruch steht zum Erlaß des Bundesverkehrsministers vom 21. März 1972, und wann wird die erforderliche Modifikation dieses Erlasses analog zu den Erkenntnissen der Lärmmedizin vorgenommen? Der Erlaß des Bundesministers für Verkehr vom 21. März 1972 und die Planungsrichtlinie B 1/76 der Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) richten sich mit unterschiedlichen Regelungen an unterschiedliche Adressaten: der Erlaß an die Luftfahrtbehörden der Länder, die Planungsrichtlinien an den Flugverkehrskontrolldienst. Soweit daher von der BFS in den Planungsrichtlinien für die Prioritätenregelung der Verkehrsabwicklung eigene Zeitvorstellungen entwickelt werden, ist darin kein Widerspruch zum Erlaß zu sehen. Eine Abänderung des Erlasses erscheint erst dann notwendig und vertretbar, wenn neben gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft auf technischem und medizinischem Gebiet Anzeichen dafür vorliegen, daß die von den Luftfahrtbehörden der Länder unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten verfügten Nachtflugbeschränkungen nicht mehr ausreichen, um einen wirksamen Fluglärmschutz zur Nachtzeit zu gewährleisten. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 97): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Ergebnisse der neuen Untersuchung des HUK-Verbands zum Unfallgeschehen und zur Fahrzeugsicherheit in ihren Auswirkungen vor allem für die Gesetzgebung umgehend zu prüfen und sie gegebenenfalls in ihre weiteren Überlegungen einzubeziehen? Die Bundesregierung prüft derzeit die Ergebnisse der neuesten Untersuchung des Verbandes der Haftpflichtversicherer, Unfallversicherer, Autoversicherer und Rechtschutzversicherer e. V. (HUK-Verband) über „Fakten zu Unfallgeschehen und Fahrzeugsicherheit". Besondere Aufmerksamkeit wird die Bundesregierung dabei den Vorschlägen für Maßnahmen des Gesetzgebers widmen. Bereits heute läßt sich zu den Vorschlägen für „Maßnahmen des Gesetzgebers" in Abschnitt 6.1 der vorgenannten HUK-Schrift sagen: Zu 6.1.1 Dem HUK-Vorschlag nach stärkerer Betonung der Gefahrenlehre in der Fahrschule wird aufgrund von neuen Gesetzen und Rechtsverordnungen aus dem Jahre 1976 sowohl bei der Ausbildung der Fahrlehrer (§ 4 Abs. 2 des Fahrlehrergesetzes und Rahmenplan für die Ausbildung in amtlich anerkannten Fahrlehrer-Ausbildungsstätten) als auch bei der Unterrichtung der Fahrschüler (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und § 4 Abs. 3 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung) Rechnung getragen. Der Bundesminister für Verkehr prüft, inwieweit die Vorschläge des HUK-Verbandes zu einer Intensivierung der Gefahrenlehre über das gesetzlich festgelegte Maß hinaus beitragen können. Zu 6.1.2 Mit dem HUK-Vorschlag für die zeitlich begrenzte Geschwindigkeitsbeschränkung für Führerscheinneulinge und die periodische Weiterbildung der Führerscheinneulinge wird Neuland betreten. Seine Übernahme in die Gesetzgebung würde eine grundlegende Änderung der seitherigen Regelung bedeuten. Die Bundesregierung wird diesen Vorschlag sehr sorgfältig prüfen, da ihr das Risiko von Führerscheinneulingen erhebliche Sorgen bereitet. Zu 6.1.3 Der HUK-Vorschlag, Weiterbildungsveranstaltungen auf der Grundlage der Freiwilligkeit für alle Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4381* Führerscheininhaber durchzuführen und sie für schuldhafte Verursacher schwerer Unfälle vorzuschreiben, findet ein hohes Maß an Interesse bei der Bundesregierung. Die Bundesregierung stellt für diesen Bereich nicht nur erhebliche Mittel für die Verkehrsaufklärung zur Verfügung. Sie entwickelt darüber hinaus auch ein Modell zur Nachschulung für Kraftfahrer mit hohem Punktekonto im Verkehrszentralregister, für alkoholauffällige Kraftfahrer und für junge Fahranfänger. Im Zusammenhang mit diesen Überlegungen zur gezielten Nachschulung wird die Bundesregierung die HUK-Vorschläge eingehend überprüfen. Zu 6.1.4 Der HUK-Vorschlag zur Verbesserung der Unfallaufnahme ist auch aus der Sicht der Bundesregierung sehr zu begrüßen. Die sich aus der Verwirklichung dieses Vorschlages ergebende erhebliche Mehrbelastung für die unfallaufnehmende Polizei ist jedoch unübersehbar. Bei der Grundeinstellung der Polizei, die Unfallaufnahme im Straßenverkehr wegen ihrer großen Häufigkeit möglichst nicht aufwendiger zu gestalten, muß hier mit beachtlichen Schwierigkeiten gerechnet werden. Zu 6.1.5 Die Bundesregierung begrüßt das Eintreten des HUK-Verbandes für das Anlegen des Sicherheitsgurtes, das auch die Bußgeldandrohung bei Verstößen gegen die Anlegepflicht umfaßt. Dabei ist zu betonen, daß die Bundesregierung die freiwillig erzielte höhere Anlegequote dem Zwang vorzieht. Ohne nachhaltige Besserung, besonders im innerörtlichen Bereich, wo der Sicherheitsgurt die beste Wirkung entfaltet, wird sich die Bundesregierung allerdings gezwungen sehen, die Bußgeldbewehrung der Anlegepflicht einzuführen. Zu 6.1.6 Dem HUK-Vorschlag, die Verpflichtung zur Ausrüstung der Pkw-Rücksitze mit Sicherheitsgurten einzuführen, beabsichtigt die Bundesregierung zu entsprechen. Dies wurde in der Fragestunde am 5. Oktober 1977 bereits ausgeführt. Die Pflicht zum Einbau von Sicherheitsgurten auf Pkw-Rücksitzen wird voraussichtlich im Jahre 1978 wirksam werden. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 98 und 99) : Hat die in einem Pressebericht des Schwäbischen Tagblatt Tübingen vom 2. November 1977 im Zusammenhang mit einer Diskussion über den Bau der neuen B 27 im Neckartal bei Tübingen wiedergegebene Äußerung eines Vertreters des Bundesverkehrsministeriums, wonach das Bundesverkehrsministerium mittlerweile den Ausbau bestehender Bundesstraßen vollkommenen Neubauten vorziehe, Auswirkungen auf die Planung und den Bau der B 27 (neu) zwischen Stuttgart und Tübingen? Hält die Bundesregierung an der bisherigen Planung der B 27 (neu) zwischen Stuttgart und Tübingen fest? Es trifft zu, daß der Bundesminister für Verkehr dem Ausbau bestehender Bundesfernstraßen vor Neubaumaßnahmen grundsätzlich Vorrang einräumt. Dieser Grundsatz findet jedoch dort seine Grenzen, wo unzulängliche Verkehrsverhältnisse nicht durch Maßnahmen an bestehenden Bundesfernstraßen ausreichend verbessert werden können. In diesen Fällen muß auch weiterhin der Neubau von Bundesfernstraßen in Betracht gezogen werden. Dies gilt auch für den Bereich Stuttgart-Tübingen, wo unter den gegebenen Verhältnissen die notwendige Verbesserung nur durch einen Neubau der B 27 erreicht werden kann. Die Bundesregierung hält daher an der bisherigen Planung für einen Neubau der B 27 fest. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. von Geldern (CDU/ CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 100): Wie lange wird die wegen der gegenwärtigen Erneuerungsarbeiten vorgenommene Vollsperrung der Bundesstraße 71 zwischen Bremerhaven und Loxstedt-Bexhövede, die die betroffene Bevölkerung in außerordentlichem Maß belastet, noch aufrechterhalten? Die aus bautechnischen Gründen unumgängliche Vollsperrung der B 71 zwischen Bremerhaven und Bexhövede ist planmäßig bis 16. Dezember 1977 vorgesehen; eine Verkürzung der Sperrzeit wird angestrebt. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Blüm (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 101 und 102): Wieviel Ausbildungsplätze werden im Bereich der Deutschen Bundespost und der Deutschen Bundesbahn zur Nutzung an Dritte gegen Kostenerstattung angeboten, und wieviel werden davon in Anspruch genommen? Ist die Bundesregierung bereit, bisher nicht in Anspruch genommene Ausbildungskapazitäten selbst mit Auszubildenden zu besetzen und damit die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern? Die Deutsche Bundespost hat in diesem Jahr 4 000 Auszubildende im Fernmeldehandwerk eingestellt, ohne selbst einen Bedarf zu haben. Die darüber hinaus noch vorhandenen 1 400 Ausbildungsplätze bietet sie gegen Kostenerstattung Dritten zur Nutzung an. 900 Plätze werden z. Z. durch Dritte genutzt. Hinsichtlich der übrigen werden noch Verhandlungen geführt. Diese noch freien Ausbildungskapazitäten verteilen sich über Bereiche mit sehr unterschiedlicher Jugendarbeitslosigkeit. 4382* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Die Deutsche Bundespost, die ihr Ausbildungsangebot im Jahre 1977 bereits um 12 % gegenüber 1976 gesteigert hat, ist z. Z. nicht in der Lage, die etwa noch freibleibenden restlichen Ausbildungsplätze im Fernmeldehandwerk, in dem sie keinen eigenen Bedarf hat, selbst zu besetzen. Sie hält diese Plätze für die Nutzung durch Dritte bereit. Die Deutsche Bundesbahn hat seit 1975 in ihrem Bereich Dritten Ausbildungsplätze gegen Kostenerstattung angeboten. Nachdem von diesem Angebot so gut wie kein Gebrauch gemacht worden ist, hat sich die Deutsche Bundesbahn bemüht, ab 1. September 1977 die in ihrem Bereich nicht für den Eigenbedarf genutzten 1 236 Ausbildungsplätze gegen Kostenerstattung durch den Bund mit Auszubildenden zu besetzen. Dies ist weitgehend (zu mehr als 97 %) gelungen. Soweit Plätze nicht besetzt sind, stehen dafür geeignete Bewerber nicht zur Verfügung. Die Deutsche Bundesbahn bleibt bemüht, die innerhalb des Probevierteljahres von den Auszubildenden wieder aufgelösten Ausbildungsverhältnisse nachzubesetzen. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 103) : Ist die Bundesregierung bereit, aus dem Regionalprogramm des Bundes den sozialen Wohnungsbau mit finanziellen Mitteln zu fördern, und welche Voraussetzungen sind dafür erforderlich? Das Regionalprogramm ist 1971 als Teil der sozialen Wohnungsbauförderung eingeführt worden; in diesem Programm wird daher auch bisher schon nur der soziale Wohnungsbau gefördert. Erläuternd darf ich hinzufügen, daß im sozialen Wohnungsbau zwischen dem öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau, dem sogenannten 1. Förderungsweg, und dem 2. Förderungsweg in dessen Rahmen das Regionalprogramm durchgeführt wird, zu unterscheiden ist. Während der soziale Wohnungsbau im 1. Förderungsweg nachhaltiger und intensiver für einkommensschwächere unter die Einkommensgrenzen des § 25 II. WoBauG fallende Personengruppen gefördert wird, kann dies im 2. Förderungsweg mit sehr viel weniger Mitteleinsatz auch für einkommensstärkere Personen geschehen, deren Einkommen gemäß § 88 a II. WoBauG die in § 25 II. WoBauG bestimmten Einkommensgrenzen nicht um mehr als 40 Prozent übersteigt; Personen, die eine öffentlich geförderte Wohnung freimachen, können im Regionalprogramm ohne Einkommensbegrenzung gefördert werden. Obgleich der Bund seit Jahren mehr als 1 Milliarde DM jährlich für die Gewährung von Aufwendungsdarlehen im Regionalprogramm bereitstellt — in diesem Jahr sind es sogar über 1,7 Milliarden DM gewesen —, reichen die Mittel angesichts der sehr starken Nachfrage nach Aufwendungsdarlehen nicht aus, um allen Förderungsanträgen zu entsprechen. Die für die Durchführung des Regionalprogramms zuständigen Länder sind daher gezwungen, die Gewährung der Aufwendungsdarlehen nach sozialen Kriterien auszurichten. In weiten Teilen der Bundesrepublik werden daher auch im Regionalprogramm trotz der hier vorgesehenen höheren Einkommensgrenzen nur noch Antragsteller gefördert, die einkommensmäßig unter § 25 Il. WoBauG fallen und daher von den formellen Voraussetzungen her an sich auch im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau berücksichtigt werden könnten. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Francke (Hamburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Fragen B 104 und 105) : Welchen Stand haben die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Ländern zum Abschluß einer Verwaltungsvereinbarung über die Fortführung des sogenannten Regionalprogramms im Jahr 1978, und wie reagiert die Bundesregierung auf die Äußerung des Staatssekretärs Dr. Brodesser auf dem Allgemeinen Deutschen Bauvereinstag in Köln, wonach das Land Nordrhein-Westfalen nicht beabsichtige, eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung zu unterschreiben? Welche Konsequenzen für den gesamten Wohnungsbau hätte nach Auffassung der Bundesregierung die Weigerung eines oder mehrerer Bundesländer auf Abschluß einer Verwaltungsvereinbarung über die Fortsetzung des sogenannten Regionalprogramms im Jahr 1978, und was gedenkt die Bundesregierung dann zu tun? Die weitere Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus und damit auch des Regionalprogramms hängt primär von der Wohnungsbauförderung durch die Länder ab. Der Bund kann sich nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes nur mit Finanzhilfen an der Förderung der Länder beteiligen. Hierfür die Voraussetzungen im Regionalprogramm durch ein angemessenes Beteiligungsverhältnis von Bund und Ländern zu schaffen, ist eines der Ziele der mit den Ländern abzuschließenden Verwaltungsvereinbarungen. Der Bund strebt im Regionalprogramm ein Beteiligungsverhältnis von 30 v. H. Landes- und 70 v. H. Bundesmitteln an. Das aber würde bei den von der Bundesregierung für die Jahre 1978-1981 in unveränderter Höhe beschlossenen Finanzhilfen des Bundes von 1 029 Millionen DM eine Aufstockung der Aufwendungsdarlehen im Regionalprogramm je Jahresmaßnahme auf 1 470 Millionen DM bedeuten, oder mit anderen Worten ausgedrückt: statt bisher 45 000-50 000 Wohnungen könnten künftig jährlich bis zu 70 000 Wohnungen im Regionalprogramm gefördert werden. Zur eigentums- und vermögenspolitischen Bedeutung einer Aufstockung des Regionalprogramms darf ich darauf hinweisen, daß in diesem Programm zu etwa 80 v. H. Eigentumsmaßnahmen gefördert werden und daß die bisher allein vom Bund bereitgestellten Mittel angesichts der sehr starken Nachfrage von Aufwendungsdarlehen bei weitem nicht Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4383* ausreichen, allen Förderungsanträgen zu entsprechen. Gerade unter diesem Gesichtspunkt müßte eine Aufstockung des Regionalprogramms auch für die Länder von Interesse sein, von den positiven arbeitsmarktpolitischen Effekten ganz abgesehen. Ich kann mir daher nicht vorstellen, daß die Länder ernsthaft daran denken, éin angemessenes Beteiligungsverhältnis von Bund und Ländern im Regionalprogramm und damit dessen Aufstockung abzulehnen, zumal sie dadurch auch die Fortführung des Regionalprogramms in seinem bisherigen Umfang gefährden würden. In der Tat haben sich die Länder anläßlich der Aufstellung des Bundeshaushalts 1978 und der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes, die Anfang dieses Jahres noch ein Auslaufen des Regionalprogramms mit dem Jahr 1977 signalisierte, einmütig für seine Fortführung eingesetzt. Ich darf in diesem Zusammenhang aus dem Protokoll der 49. Ministerkonferenz der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder am 26. November 1976 zitieren: Die Ministerkonferenz ist einmütig der Auffassung, daß die Bundesregierung im Interesse des Wohnungsbaues und nicht zuletzt der Bauindustrie das Regionalprogramm fortführen sollte. Die Entwürfe für die Verwaltungsvereinbarungen sind mit den Referenten der Länder vorgesprochen worden und sollen in einer Konferenz mit den für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Ministern der Länder am 28. November 1977 erörtert werden. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich mich, so lange die Verhandlungen mit den Ländern noch nicht abgeschlossen sind, zu spekulativen Fragen, die den Ausgang dieser Verhandlungen betreffen, nicht äußern kann. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr.Haack auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 106) : Trifft die Meldung in „Die Welt" (3. November 1977, Seite 11) zu, daß es Milliarden Subventionen an Mieter gibt, die dieser gar nicht bedürfen, und wenn ja, wie hoch schätzt die Bundesregierung den Subventionsbetrag aus der Bundeskasse, der an nicht unbedingt bedürftige Mieter ausgezahlt wird, weile nein, wie hoch schätzt die Bundesregierung den Anteil der Wohngeldbezieher, die wirklich bedürftig sind, um aus Steuermitteln subventioniert zu werden? Die Behauptung, es gebe Milliarden Subventionen an Mieter, die dieser gar nicht bedürfen, trifft nicht zu. Für die einzige direkt an Mieter gezahlte Subventionen, das Wohngeld, sind erst vor wenigen Monaten vom Bundestag einstimmig wesentliche materielle Verbesserungen beschlossen worden. Dieser Beschluß wäre sicher nicht zustande gekommen, wenn Wohngeld an Mieter gezahlt würde, die dieser Hilfe nicht bedürfen. Auch für die mittelbare Subventionierung von Mietern über Zinsverzichte und Aufwendungsbeihilfen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues trifft die in der Frage zitierte Behauptung nicht zu. Bei den relativ hoch subventionierten Sozialwohnungen jüngerer Förderungsjahrgänge wird eher über zu hohe Belastungen der durchweg den breiten Schichten der Bevölkerung angehörenden Mietern geklagt. Bei einem großen Teil der älteren Sozialwohnungen ist das Ausmaß der Subventionierung inzwischen durch Zinsanhebungsmaßnahmen bereits stark reduziert. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weißkirchen (Wiesloch) (SPD) (Drucksache 8/1125 Frage B 107) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Betriebskostenerhöhung im Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund, einem überwiegend aus Sozialwohnungen bestehenden Wohngebiet, die der Eigner, die Neue Heimat Baden-Württemberg, zum 1. November 1977 verlangt hat, vor dem Hintergrund der Tatsache, daß dieser Stadtteil als Modell vom Bund gefördert wurde, und sieht die Bundesregierung sich in der Lage, einen Beitrag zur Dämpfung des zunehmenden Kostendrucks auf die in der Regel finanziell schwächeren Bewohner des Stadtteils zu leisten? Der Bund hat nicht — wie aus der Frage hervorgeht — den gesamten Stadtteil Heidelberg-Emmertsgrund gefördert, sondern er hat im Rahmen der ressortbezogenen Forschung dem Land Baden-Württemberg für ausgewählte Projekte innerhalb der Gesamtmaßnahme Bundesdarlehensmittel zur Verfügung gestellt. Die Förderung erfolgte, um die Durchführung dieser städtebaulichen und in ihren Einzelheiten für die Fachwelt interessanten Wohnungsbaumaßnahme zu ermöglichen. Bis zum Abschluß der Mittelbereitstellung im Jahre 1975 wurden dem Land Baden-Württemberg im Rahmen der Versuchs-, Vergleichs- und Demonstrativbauvorhaben für den Bau von 688 Wohnungen in Heidelberg-Emmertsgrund 8 000 DM je Wohnung zur Verfügung gestellt. In diesem Betrag drückt sich die Begrenzung der Bundesbeteiligung auf die städte- und wohnungsbaulichen Forschungsaspekte aus. Die Gründe der von Ihnen genannten Betriebskostenerhöhungen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Sie hat auch keine Möglichkeiten, bei der Förderung von Versuchs-. und Vergleichsbauvorhaben Einfluß auf Betriebskosten zu nehmen. Anlage 76 Antwort des Bundesministers Matthöfer auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Ueberhorst (SPD) (Drucksache 8/1125 Fragen B 108 und 109): 4384* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 Hält die Bundesregierung aus politischen oder rechtlichen Erwägungen eine parlamentarische Beschlußfassung über eine eventuelle Inbetriebnahme des im Bau befindlichen Prototyps eines Schnell-Brut-Reaktors in Kalkar für erforderlich, gegebenenfalls mit welchen Gründen? Welche rechtlichen und finanziellen Konsequenzen ergäben sich aus einer möglicherweise negativen parlamentarischen Entscheidung zur Inbetriebnahme des SNR 300? Zu Frage B 108: Die Bundesregierung respektiert und begrüßt den Beschluß des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie vom 19. Oktober 1977, wonach vor Inbetriebnahme des SNR-300 eine Beschlußfassung aufgrund einer grundsätzlichen politischen Debatte erfolgen soll. Die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer solchen Beschlußfassung zum gegebenen Zeitpunkt ist Sache des Parlaments. Zu Frage B 109: Die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen einer solchen Beschlußfassung hängen sowohl von ihrem Inhalt als auch von ihren Gründen und den Mitteln ihrer Durchsetzung ab und entziehen sich demgemäß zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitgehend einer Beurteilung. Der Bundesanteil am Risikobeteiligungsvertrag für den SNR-300 beträgt 105 Millionen DM. Anlage 77 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Zeitel (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 110) : Wie beurteilt die Bundesregierung im Bereich der Unternehmungskonzentration die Tätigkeit der Zuweisungsstellen, insbesondere unter dem Blickwinkel der Konkurrenzbeziehungen zwischen Antragsteller und Vergabe- bzw. Belieferungsstelle? Ihre Fragestellung bezieht sich auf die Verfahrensregelung bei der Förderung von Unternehmensberatungen. Nach den „Grundsätzen einer Strukturpolitik für kleine und mittlere Unternehmen" und dem dazu entwickelten „Aktionsprogramm zur Leistungssteigerung kleiner und mittlerer Unternehmen" (Bundestagsdrucksache 7/5248 vom 21. Mai 1976) werden Unternehmensberatungen in mittelständischen gewerblichen Unternehmen durch Zuschüsse zu den Beratungskosten verbilligt. Die verwaltungstechnische Abwicklung der Förderung erfolgt über sogenannte „Zuwendungsleitstellen". Als solche sind vom Bundesminister für Wirtschaft Spitzenverbände der Wirtschaft bzw. deren regionale oder fachliche Organisationen oder von diesen getragene Beratungsstellen anerkannt worden. Für die von den Zuwendungsleitstellen wahrzunehmenden Funktionen gelten die für die verschiedenen Wirtschaftsbereiche erlassenen Förderungsbestimmungen. Unternehmen, die eine Beratung begehren, sind in der Wahl der Berater bzw. Beratungsgesellschaft frei. Soll ein freiberuflich tätiger Berater bzw. ein Beratungsunternehmen den aus Bundesmitteln geförderten Beratungsauftrag erhalten, muß sichergestellt sein, daß diese in der Lage sind, die erwartete Leistung in fachlich unbedenklicher Art zu erbringen. Zuwendungsleitstellen weisen keine Merkmale einer Unternehmenskonzentration auf. Darüber hinaus stellt das praktizierte Verwaltungsverfahren sicher, daß Konkurrenzbeziehungen, die freiberufliche Berater benachteiligen könnten, vermieden werden. Anlage 78 Antwort des Parl. Staatssekretärs Engholm auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 8/1125 Frage B 111) : Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der Hilfen für Spätaussiedler über die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und die von der Otto-Benecke-Stiftung gewährten Hilfen und Zuschüsse hinaus spätausgesiedelten Lehrern mit Familien weitere finanzielle Hilfen bei Absolvierung eines Ergänzungsstudiums zu gewähren? In Ergänzung zu dem Schreiben von Herrn Staatssekretär Professor Dr. Jochimsen vom 10. August 1977 teile ich Ihnen mit, daß sich der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft mit dem Problem der Eingliederung von über 35jährigen deutschen Aussiedlern in die Bundesrepublik eingehend befaßt hat und wegen der Notwendigkeit eines den Garantiefonds ergänzenden Programms ein solches Programm entwickelt hat. Der Bundesminister der Finanzen hat bei den Chefgesprächen im Dezember 1976 auch keine Einwendungen gegen das von Herrn Bundesminister Rohde vorgeschlagene Förderungsprogramm für zugewanderte deutsche Ausbildungsbewerber aus den osteuropäischen Ländern erhoben. Das Programm soll vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit aus Mitteln des sog. Garantiefonds, dessen Bewirtschaftung insoweit großzügig gehandhabt werden soll, unter fachlicher Assistenz des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft finanziert werden. Inzwischen haben der Bundesfinanzminister und der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit für den Haushalt 1978 eine Regelung gefunden, wonach den betroffenen Personen Aufstockungshilfen zu den ihnen sonst zustehenden Leistungen (Bundesausbildungsförderungsgesetz und Bundessozialhilfegesetz) gewährt werden können. Es werden dabei folgende Modelle erörtert: — Sprachkursförderung nach der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit über die Förderung von Deutsch-Lehrgängen für Aussiedler" vom 22. Juli 1976, — Zahlung der Lebenshaltungskosten auch für die Familie von der Sozialhilfe und eine Aufstokkungspauschale nach dem Garantiefonds für den Ausbildungsbewerber, Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4385* Förderung der Zusatzstudien entweder nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Darlehen) oder nach den Bestimmungen der Sozialhilfe (Bundessozialhilfegesetz) (Regelsatz im Bundesdurchschnitt für den Haushaltsvorstand DM 286,—. Abschließend möchte ich nochmals betonen, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft alles getan hat, um die Einrichtung des geplanten Förderungsprogramms zu erreichen. Alle weiteren Bemühungen des Parlaments und der Betroffenen müssen sich an den Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit richten.
Gesamtes Protokol
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805600000
Die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 10. November 1977 im Nachgang zu seinem Schreiben vom 17. Oktober 1977 die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes (8/1026) übersandt. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1171 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 8. November 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Eyrich, Schwarz, Milz, Biehle, Biechele, Dr. Langguth, Dr. Miltner, Susset, Volmer, Spranger, Broll, Gerster (Mainz), Dr. Kunz (Weiden), Krey, Dr. Jentsch (Wiesbaden), Dr. Jaeger, Regenspurger, Hartmann, Neuhaus, Dr. George, Hanz, Schröder (Lüneburg) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kosten des nachträglichen Schallschutzes an Straßen (Lärmsanierung) — Drucksache 8/1044 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1168 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 8. November 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Engelsberger, Dr. Jobst, Tillmann, Dr. Dollinger, Frau Benedix, Weber (Heidelberg), Dr. George, Kittelmann, Biehle, Frau Pack, Frau Hoffmann (Hoya), Daweke, Pohlmann, Biechele, Luster, Frau Will-Feld, Eymer (Lübeck), Neuhaus, Dr. Sprung, Wissmann, Burger, Dr. Laufs und der Fraktion der CDU/CSU betr. Fremdenverkehrspolitik — Drucksache 8/1068 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1169 verteilt.
Überweisungen von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung von Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände durch Aufstellung von Fangquoten für das Jahr 1978 (Drucksache 8/1131)
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung über eine „bessere Koordinierung der einzelstaatlichen Wirtschaftspolitik" (Drucksache 8/1132)

überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Finanzausschuß, Haushaltsausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung technischer Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände (Drucksache 8/1133)
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Vorschlag einer Haushaltsordnung betreffend EAGFL, Abteilung Garantie, für die Zeiträume 1967/68 bis 1970 (Drucksache 8/1134)

überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates
über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien hinsichtlich der Einfuhr von Tomatenkonzentraten mit Ursprung in Algerien in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei hinsichtlich
der Einfuhr von Tomatenkonzentraten mit Ursprung in der Türkei in die Gemeinschaft (Drucksache 8/1151)

überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates betreffend das Fangverbot für Stintdorsch (Drucksache 8/1152)
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates
über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien hinsichtlich der Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Algerien in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko hinsichtlich der Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Marokko in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik hinsichtlich der Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Tunesien in die Gemeinschaft (Drucksache 8/1153)

überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren (Drucksache 8/1154)
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates über bestimmte Sofortmaßnahmen zur Anpassung der Kapazitäten in der Fischwirtschaft (Drucksache 8/1155)

überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Gewebe und bestimmten Samt und Plüsch, auf Handwebstühlen hergestellt, der Tarifnummer ex 50.09, ex 50.10, ex 55.07, ex 55.09 und ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs (Drucksache 8/1156)

überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Warmwasserzähler (Drucksache 8/1157)

überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates über besondere Maßnahmen für die Einfuhr gewisser Schraubenmuttern aus Stahl mit Ursprung in Taiwan (Drucksache 8/1158)
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates über die zolltarifliche Behandlung bestimmter Erzeugnisse, die zur Verwendung beim Bau, bei der Instandhaltung oder der Instandsetzung von Luftfahrzeugen bestimmt sind (Drucksache 8/1081)



Vizepräsident Frau Renger
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Erhöhung des für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis zum 30. Juni 1978 mit Verordnung (EWG) Nr. 1331/77 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für Rinder bestimmter Höhenrassen (Drucksache 8/1083)
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Qualitätsanforderungen an zur Brotherstellung bestimmten Weichweizen (Drucksache 8/1084)
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines präferentiellen Gemeinschaftsplafonds für bestimmte in der Türkei raffinierte Erdölerzeugnisse und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren dieser Erzeugnisse (Drucksache 8/1109)
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Überwachung der Tätigkeit von Fischereifahrzeugen der Gemeinschaft (Drucksache 8/1110)
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Anpassung der in Artikel 13 Absatz 1 und 9 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften vorgesehenen Sätze der Tagegelder für Dienstreisen (Drucksache 8/1119)

überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates über die Abschöpfungen, die bei Einfuhren von bestimmten ausgewachsenen Rindern und deren Fleisch aus Jugoslawien anzuwenden sind (Drucksache 8/1120)
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates über die Gewährung einer Verbraucherbeihilfe für Butter in Italien (Drucksache 8/1121)
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Meine Damen und Herren, der Herr Bundestagspräsident hat gemäß § 129 der Geschäftsordnung den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung gebeten, eine Auslegung des § 105 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vorzunehmen und dem Plenum zur Beschlußfassung vorzulegen. Der Ältestenrat hat eine entsprechende Ergänzung- der Tagesordnung und die sofortige Beratung darüber vorgeschlagen. Ist das Haus mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch; somit rufe ich auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) zur Auslegung der Geschäftsordnung
hier: § 105 GO-BT (Große Anfragen)

— Drucksache 8/1159 —Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
Abgeordneter Dr. Miltner
Gemäß § 34 der Geschäftsordnung treten wir in eine Debatte zur Geschäftsordnung über die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ein. Damit keine Mißverständnisse entstehen, darf ich dem Hohen Hause den Wortlaut des § 34 unserer Geschäftsordnung vorlesen:
Zur Geschäftsordnung wird das Wort nur nach
freiem Ermessen des Präsidenten erteilt. Die
Bemerkungen dürfen sich nur auf den zur Verhandlung stehenden oder unmittelbar vorher verhandelten Gegenstand oder den Geschäftsplan des Hauses beziehen. Sie dürfen die Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten.
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0805600100
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Präsident des Deutschen Bundestages hatte mit Schreiben vom 31. Oktober 1977 den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung um Interpretation des § 105 unserer Geschäftsordnung gebeten. § 105 lautet:
Große Anfragen an die Bundesregierung sind dem Präsidenten schriftlich einzureichen. Sie müssen kurz und bestimmt gefaßt und von soviel Mitgliedern des Bundestages unterzeichnet sein, wie einer Fraktionsstärke entspricht; sie sind schriftlich zu begründen.
Gefragt war, ob bei Großen Anfragen nicht nur diese, sondern auch die Begründung kurz und bestimmt sein müßten oder ob für die schriftliche Begründung keinerlei Einschränkung gelte. Der Ausschuß vertrat mit Mehrheit die Ansicht, auch die Begründung müsse kurz gefaßt sein. Er stellte dem Präsidenten anheim, den Anlaßfall gemäß § 128 der Geschäftsordnung selbst zu entscheiden oder nach § 129 vorzugehen. Der Präsident hat sich zur Entscheidung außerstande gesehen und gebeten, nach § 129 zu verfahren.
§ 129 unserer Geschäftsordnung lautet:
Eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung einer Vorschrift dieser Geschäftsordnung kann nur der Bundestag nach Prüfung durch den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beschließen.
Der Ausschuß schlägt demgemäß dem Plenum vor, § 105 dahin auszulegen, daß auch die Begründung von Großen Anfragen kurz gefaßt sein muß. Die Ausschußmehrheit — die von der Ausschußminderheit vorgetragenen Argumente wird Herr Kollege Dr. Miltner erläutern — ließ sich dabei von folgenden Erwägungen leiten.
Bis zum Jahre 1968 wurden Große Anfragen im Plenum folgendermaßen behandelt. Zunächst begründete einer der Fragesteller die Große Anfrage, dann trug die- Bundesregierung die — vorher nicht bekannte — Antwort vor, erst danach begann die Aussprache.
In der ursprünglichen Fassung hatte der letzte Halbsatz des § 105 gelautet:
eine kurzgefaßte schriftliche Begründung — der Großen Anfrage nämlich —
ist zulässig.
1968 wurde die Pflicht statuiert, Große Anfragen schriftlich zu begründen; dafür fiel die Begründungsrede im Plenum weg. Die Bundesregierung beantwortet Große Anfragen jetzt schriftlich, so daß im



Dürr
Plenum sofort mit der politischen Debatte begonnen werden kann. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung Großer Anfragen ist also nach der Entstehungsgeschichte ganz eindeutig Ersatz für die weggefallene Begründungsrede im Plenum.
Das wurde auch als selbstverständliche Regel so verstanden, so daß der Umfang der Begründungen nie größer war, als eine Begründungsrede gedruckt im Bundestagsprotokoll gewesen wäre. Der Wissenschaftliche Dienst unseres Hauses hat festgestellt, daß der durchschnittliche Umfang der Großen Anfragen, d. h. Fragen und Begründungen, in der 7. Wahlperiode viereinhalb Seiten, in der 8. Wahlperiode sechs Seiten betragen hat. Die umfangreichste Große Anfrage in dieser Zeit steht in der Drucksache 7/2354 mit insgesamt 9½ Seiten, davon 61/2 Seiten Begründung. Es ist aus der Entstehungsgeschichte nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß den Anfragenden die Möglichkeit offengehalten werden sollte, Großen Anfragen umfangreiche Begründungen etwa in Form einer Dokumentation beizufügen.
Einen solchen über lange Jahre geübten Parlamentsbrauch, über den es nie den geringsten Streit gegeben hat, beizubehalten ist nach Ansicht der Ausschußmehrheit ein Gebot parlamentarischer Klugheit, nicht ein Zeichen für geringere Liberalität. Im Gegenteil, eine andere Interpretation wäre für den Bundestag gefährlich und würde den Präsidenten notwendigerweise in schwierige Lagen bringen. Er hätte keine Kriterien, um gegebenenfalls eine Drucklegung zu verweigern. Beispiele, welche Druckwerke dann 26 Abgeordnete einer Großen Anfrage als Begründung beifügen könnten, mag sich jedes Mitglied des Hohen Hauses selber bilden.
Es ist äußerst selten, daß der Bundestag Vorschriften der Geschäftsordnung nach § 129 selber auslegt. Wir sollten das tun, wie § 129 das von uns verlangt, nämlich in einer grundsätzlichen, über den Einzelfall hinausgehenden Auslegung. Wir sollten das tun, gestützt auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit und im Blick auf die Zukunft unseres Parlaments.
Namens des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung bitte ich Sie, seiner Beschlußempfehlung zu folgen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805600200
Das Wort hat als zweiter Berichterstatter der Abgeordnete Dr. Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0805600300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir, die Opposition, vertreten demgegenüber die Auffassung: § 105 der Geschäftsordnung enthält wohlweislich keine Begrenzung der Begründung einer Großen Anfrage. Das ergibt sich zunächst einmal ganz klar aus dem Text des § 105, wo in Zusammenhang mit der Begründung das Wort „kurz" ausdrücklich fehlt. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift müssen wir den gegenteiligen Schluß ziehen, wie es die Koalition tut, nämlich den, daß man bei der Neufassung des § 105 der Geschäftsordnung das Wort „kurz" absichtlich
weggelassen und demgemäß eine kurze Begründung nicht mehr verlangt hat. Damit wollte man auch die Zeit für die Aussprache im Plenum gewinnen.
Daß man ausdrücklich auf eine kurze Begründung bei einer Großen Anfrage verzichtet hat, ergibt sich auch aus dem Vergleich mit anderen Vorschriften. Sowohl bei selbständigen Anträgen als auch bei Kleinen Anfragen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine kurze Begründung geboten ist.
Aber selbst wenn das Wort „kurz" in § 105 enthalten wäre, bliebe doch die Frage, ob im Einzelfall eine Materie eine kurze Begründung verträgt oder ob eine längere Begründung zum Verständnis unerläßlich ist. Diese Entscheidung kann im konkreten Fall immer nur anhand des Sachzusammenhangs getroffen werden. Ein anderer Maßstab ist dafür eigentlich nicht gegeben.
Im übrigen erhob sich im Geschäftsordnungsausschuß auch die Frage, ob das Parlament im Verhältnis zur Regierung bei der Flut der Drucksachen nicht schlechtergestellt ist. Der Ausschuß stand in der Tat vor der Frage, ob nicht der Informationsflut seitens der Regierung die Möglichkeit entgegengesetzt werden müßte, die Offentlichkeit durch das Parlament stärker zu informieren. Wenn die Opposition dann darauf verwiesen wurde, diese Information durch das Parlament, also durch die Gesamtheit des Parlaments, könne nicht — wie in diesem Falle — über die Begründung einer Großen Anfrage erfolgen, sondern über einen anderen Weg, so. muß immerhin doch festgestellt werden, daß die Geschäftsordnung für das Parlament keinen solchen Weg eröffnet. Der Geschäftsordnungsausschuß wird sicher Gelegenheit nehmen, diese Frage bei der Neufassung der Geschäftsordnung aufzugreifen. Dabei muß er berücksichtigen, daß zur Zeit alle Vorlagen der Bundesregierung gedruckt und verteilt werden müssen.
Insgesamt steht die CDU/CSU auf dem Standpunkt, daß sich aus dem Text, aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, aus ihrer Entstehungsgeschichte und aus dem Vergleich mit anderen Bestimmungen der Geschäftsordnung eine Begrenzung des Umfangs der Begründung nicht ableiten läßt.
Wir waren auch der Auffassung, daß die Öffentlichkeit diesen Streit nicht verstehen wird. Sie wird nicht verstehen, warum gerade bei dieser Materie und der Bedeutung dieser Materie eine Drucksache nicht Eingang in das Parlament finden soll, wo doch tagtäglich viel unbedeutendere Materien im Parlament gedruckt und verteilt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn es je einen Gegenstand gegeben hat, an dem die Regierungskoalition ihre falsche Interpretation des § 105 nicht hätte demonstrieren sollen, dann ist es dieser.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daher, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, die Beschlußempfehlung abzulehnen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805600400
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.




Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0805600500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem Aufruf der Diskussion um die Auslegung des § 105 der Geschäftsordnung führen wir hier eine, so empfinde ich es jedenfalls, einigermaßen gespenstische Diskussion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da wird unter strenger Einhaltung der Geschäftsordnung des Hauses der letzte Halbsatz des § 105 „. . . sind schriftlich zu begründen" mit aller Akribie ausgelegt. Hinter dieser Debatte verbirgt sich der Sachverhalt, ob der frei gewählte Deutsche Bundestag, die einzige frei gewählte Institution der Deutschen, über das Thema Menschenrechte in Deutschland eine Dokumentation vorlegt oder nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da wird aufgerechnet, ob das sechs, elf, 23 oder 98 Seiten sein dürfen. Meine Damen und Herren, wenn dies nicht gespenstisch ist, dann weiß ich nicht, was gespenstisch ist!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Am 28. Oktober 1969 verlas von dieser Stelle der damalige Bundeskanzler Willy Brandt eine Regierungserklärung, in der ein paar bemerkenswerte Sätze stehen, die ich hier zitieren darf:
Wir wollen mehr Demokratie wagen.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Hört! Hört! — Lachen bei der CDU/CSU — Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Wir werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information Genüge tun.

(Erneutes Lachen bei der CDU/CSU — Beifall bei der SPD)

Wir werden darauf hinwirken, daß nicht nur durch Anhörungen im Bundestag, sondern auch durch ständige Fühlungnahme mit den repräsentativen Gruppen unseres Volkes und durch eine umfassende Unterrichtung über die Regierungspolitik jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, so sprach hier Willy Brandt.

(Heiterkeit — Beifall bei der SPD)

Heute,

(Wehner [SPD] : Heute spricht der Kohl!)

nach acht Jahren, wollen Sie hier Zensur und obrigkeitsstaatliches Denken einführen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

Das ist das parlamentarische und demokratische Verständnis einer Mehrheit, die hauchdünn ist und über Minderheiten spricht.
Meine Damen und Herren, ich stehe hier

(Wehner [SPD] : Ja! — Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

und spreche — —

(Weitere Zurufe von der SPD)

— Herr Kollege Wehner, was Sie jetzt an Schaustellung aufführen oder nicht aufführen, ist Ihre Sache. Nur sollten Sie, der Sie in den letzten Wochen so oft von der „Solidarität der Demokraten" gesprochen haben, sich und Ihre Freunde beschämt fragen, was das für ein Schauspiel ist, das Sie hier heute bieten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn 254 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion,

(Zuruf von der SPD: Wo sind die denn?)

die 18,6 Millionen Wähler in der Bundesrepublik Deutschland vertreten, hier in einer Großen Anfrage die Aufnahme einer Anlage über die Menschenrechte in Deutschland und in Europa beantragen, dann gehört es zum Selbstverständnis eines frei gewählten Parlaments, daß man dies gewährt und nicht Zensur ausübt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Beschämende vor allem ist: Ein solcher Vorgang wäre in keinem frei gewählten Parlament der Welt möglich.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Die Vorstellung, daß im englischen Parlament, im amerikanischen Senat oder Kongreß, in der französischen oder italienischen Kammer eine Mehrheit der Minderheit untersagen würde, eine Dokumentation als Drucksache einzubringen, ist gänzlich unverständlich.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805600600
Herr Abgeordneter, ich muß Sie an die Redezeit erinnern.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0805600700
Meine Damen und Herren, dies alles ist ein Ausdruck der politischen Kultur, der politischen Auseinandersetzung und des Stils,

(Zurufe von der SPD)

den Sie in den Jahren Ihrer Herrschaft in dieses Haus hineingetragen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie werden entscheiden, wie Sie es nach Ihrer Fraktionsräson für richtiger halten.

(Lachen und weitere Zurufe von der SPD)

Aber eines sei noch gesagt: Auch in dieser Entscheidung schwingt ja nichts anderes als Angst mit,

(Lachen und Zurufe von der SPD)

nicht Angst wegen einer Dokumentation der CDU/ CSU-Fraktion, sondern die Furcht — darum geht es in Wirklichkeit —, nach einem Beschluß der Vernunft und der Fairneß in Zukunft ertragen zu müssen, daß Gruppen Ihrer eigenen Partei auf Grund eines solchen Beschlusses heute ebenfalls solche Dokumentationen vorlegen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und weitere Zurufe von der SPD)

Weil dies so ist, wird hier ein Stück Selbstverständnis eines frei gewählten Parlaments mit Mehrheit untergepflügt.



Dr. Kohl
Meine Damen und Herren, dies ist keine Sternstunde.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD — Wehner [SPD] : Eine Kohl-Stunde ! — Beifall bei der SPD und der FDP)

— Dies ist eine Stunde, in der Sie, Herr Wehner, aus Gründen des Machterhalts einmal mehr dokumentieren, daß Ihnen an Gemeinsamkeit und an Fairneß überhaupt nichts liegt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805600800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porzner.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0805600900
Frau Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich weise die Kritik des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, der Präsident des Bundestages habe so gehandelt, daß das Parlament am Schluß eine Zensur über die Minderheit des Bundestages ausübe, zurück.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Präsident des Bundestages, dessen Zuständigkeit für die Zulassung z. B. von Großen Anfragen von niemandem bestritten wurde und wird, hat keine Entscheidung getroffen. Er hat den Geschäftsordnungsausschuß des Bundestages angerufen und um eine Auslegung des § 105 der Geschäftsordnung des Bundestages gebeten. Der Ausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, daß auch Begründungen zu Großen Anfragen kurz sein müssen.
Auch nach Kenntnis der Interpretation des Geschäftsordnungsausschusses hat der Präsident keine Entscheidung getroffen. Er hat vielmehr den Ausschuß gebeten, für das Plenum, für den Deutschen Bundestag, eine Beschlußempfehlung vorzulegen. Er hat zugleich die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen gebeten, ihn zu unterstützen, daß diese Entscheidung heute noch fallen kann. Das Zensur zu nennen ist stilwidrig im Parlament

(Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU)

und schadet dem ganzen Bundestag, Herr Kohl.

(Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Ich stelle also zum Geschäftsordnungsverfahren fest: Erstens. Der Präsident hat von seinem Entscheidungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Zweitens. Der Präsident hat korrekt gehandelt,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

indem er den Geschäftsordnungsausschuß um eine Beschlußvorlage gebeten hat.
Die SPD-Fraktion stimmt dieser Empfehlung des Ausschusses zu. Wenn es nämlich möglich würde, zur Begründung Großer Anfragen Dokumentationen, Broschüren von Parteien, von Verbänden, ja, womöglich Texte ganzer Bücher dem Bundestag unter dem Deckmantel von Drucksachen vorzulegen, dann wird das Instrument der Großen Anfrage zerstört, weil es mißbraucht wird, und dann wird die Möglichkeit des
Bundestags, Aussprachen zu führen, dadurch geschmälert.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Die Diskussion über Menschenrechte ist kein Mißbrauch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn politische Parteien Dokumente veröffentlichen wollen, dann können und sollen sie das selbst in eigener Verantwortung tun.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die CDU/CSU-Fraktion hat die Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht verklagt,

(Zurufe von der CDU/CSU: Verklagen müssen! — Zu Recht!)

daß sie Schriften und Broschüren als Materialien der Regierung verteile und damit Parteipropaganda betreibe.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Wir bezahlen das selbst! — Weiter Zurufe von der CDU/ CSU)

Jetzt versucht die CDU/CSU-Fraktion, unter dem Mantel einer Drucksache des Bundestags eine Parteidokumentation zu veröffentlichen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das ist doch keine Parteidokumentation! Menschenrechte sind nicht Parteipolitik! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird deswegen nicht das Verfassungsgericht anrufen.

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Tun Sie es doch!)

Wir beantragen namentliche Abstimmung und Annahme des Vorschlages des Geschäftsordnungsausschusses.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805601000
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommen die Liberalen!)


Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0805601100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erregung der Opposition bei einer Auseinandersetzung über die Auslegung der Geschäftsordnung wird nur verständlich, wenn man ihr die Absicht unterstellt, nicht eine Geschäftsordnungsdebatte zu führen, sondern ein Thema auf die politische Schiene zu bringen, auf die es heute in dieser Auseinandersetzung nicht zu bringen ist. Bei dieser Beschlußempfehlung des Geschäftsordnungsausschusses geht es nicht um Beschneidung von Minderheitenrecht

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Natürlich!) oder Behinderung von parlamentarischer Arbeit


(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Natürlich!) oder Verhinderung von Informationen,


(Dr. Jenninger [CDU/CSU] Natürlich!)




Ollesch
sondern schlicht und einfach um die Ordnung, die wir uns in Gestalt der Geschäftsordnung zur Durchführung der parlamentarischen Arbeit gegeben haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ihr Beitrag, Herr Kollege Dr. Kohl, war kein Beitrag zur Geschäftsordnung, sondern ein politischer Beitrag, den Sie dann halten sollten, wenn das Thema „Menschenrechte" in Gestalt Ihrer Großen Anfrage hier zur Debatte steht.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Wir dürfen doch gar nicht! Ihr verhindert ja die Große Anfrage! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Heute war der falsche Zeitpunkt, Herr Kollege Dr. Kohl. Gegen diesen Versuch, Geschäftsordnungsdebatten in politische Debatten umzumünzen, müssen wir uns nachhaltig wehren.

(Beifall bei der FDP und SPD — Dr. Biedenkopf [CDU/CSU] : Ach du lieber Gott, wo bleibt denn da das Liberale! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Der Ausschuß für Geschäftsordnung hat auf Wunsch des Präsidenten eine Auslegung des § 105, und zwar vornehmlich des letzten Halbsatzes, vorgenommen. Es wurde versucht, dabei die Gedankengänge heranzuziehen, die bei der Novellierung der Geschäftsordnung die damals Handelnden gehabt haben könnten.
Wir ergehen uns gar nicht in Spekulationen. Denn zweifellos ist die Begründung einer Großen Anfrage ein untrennbarer Teil der Großen Anfrage. Das wird auch aus der Großen Anfrage betreffend „Alkohol-und Drogenmißbrauch und Kriminalität von Kindern und Jugendlichen", die von der Opposition eingebracht wurde und heute behandelt wird, schon äußerlich ersichtlich. Diese Große Anfrage beginnt mit der Begründung — wobei das Wort „Begründung" gar nicht gedruckt erscheint — und leitet von der Begründung in die einzelnen Fragen über.
In § 105 heißt es schlicht und einfach: „Große Anfragen an die Bundesregierung sind dem Präsidenten schriftlich einzureichen." Das haben Sie getan. „Sie müssen kurz und bestimmt gefaßt ... sein . . ." Damit bin ich eigentlich schon am Ende.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

— Ob Sie das wahrhaben wollen oder nicht: Das gilt naturgemäß auch für die Begründung. Auch sie muß natürlich kurz und bestimmt gefaßt sein, weil sie ein Teil der Großen Anfrage ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

— Herr Professor Mikat, Sie können den Kopf schütteln; aber damit überzeugen Sie keinen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Denn aus diesem Satz geht ganz klar hervor, daß damit auch die Begründung gemeint ist, weil sie nicht ein besonderer Teil, sondern schlicht und einfach ein Teil der Großen Anfrage ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Weil das so ist und weil die Einhaltung der Geschäftsordnung für den ungestörten Ablauf unserer Arbeit so wichtig ist, ist die Einhaltung der Geschäftsordnung keine Frage minderen Ranges. Denn sonst würden wir sehr bald bei unserer Arbeit an lauter Ecken und Kanten stoßen und nicht mehr in der Lage sein, unseren Auftrag, den wir von den Wählern bekommen haben, durchzuführen.
Aus diesen Gründen sagen die Freien Demokraten zu der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Geschäftsordnung ja.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805601200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Carstens.

Dr. Karl Carstens (CDU):
Rede ID: ID0805601300
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bedanken für die vielen Ratschläge, die ich in dieser Frage bekommen habe, für die Meinungen, die mir gegenüber vorgetragen worden sind, und auch dafür, daß die Fraktionen des Deutschen Bundestages es auf meine Bitte ermöglicht haben, daß die Entscheidung über diese Zweifelsfrage der Auslegung des § 105 heute getroffen werden kann. Die Auslegung des § 105, meine Damen und Herren, ist zweifelhaft. Darauf sollten wir uns verständigen. Wer die heutige Debatte angehört hat, muß eigentlich zu dem Ergebnis kommen, daß es so ist.
Der Wortlaut spricht nach meiner Auffassung gegen die Annahme, daß die Begründungen kurz sein müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn an einer anderen Stelle der Geschäftsordnung heißt es bezüglich der Anträge ausdrücklich, daß sie kurz begründet werden müssen. Ich würde sagen, dies ist ein Indiz dafür, daß das an dieser Stelle nicht gelten soll. Die Praxis allerdings — das ist völlig richtig vorgetragen worden — ging bisher dahin, daß die Begründungen im wesentlichen kurz, jedenfalls keineswegs von übermäßiger Länge waren. Was die Vorgeschichte anlangt, so ist sie meiner Meinung nach ambivalent. Man kann aus der Vorgeschichte sicherlich einiges zugunsten der Auffassung entnehmen, die Begründung müsse kurz sein. Aber man kann aus ihr auch den gegenteiligen Schluß ziehen.
Wir haben es hier also mit einer echten Zweifelsfrage über die Auslegung der Geschäftsordnung zu tun. Wie sollten wir uns verhalten, wenn wir es mit Zweifelsfragen dieser Art zu tun haben? Das ist die Frage, zu der ich hier einige Worte sagen möchte.
Ich möchte den Standpunkt vertreten, daß wir uns in einem solchen Fall nicht nur an die eine Vorschrift klammern sollten, um die es hier konkret geht, sondern daß wir die Diskussion in den größeren Rahmen des Selbstverständnisses des Parlaments stellen sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus diesem Gesichtspunkt möchte ich den allgemeinen Gedanken ableiten, daß das Parlament sich sel-



Carstens (Fehmarn)

ber, seinen Fraktionen und seinen Mitgliedern ein größtmögliches Maß an Handlungsfreiheit einräumen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies jedenfalls entspricht den Grundsätzen, nach denen ich das Amt des Präsidenten bisher geführt habe. Ich möchte an diesen Grundsätzen festhalten, weil sie nach meiner Meinung einen Kern des parlamentarischen Gedankens überhaupt betreffen.
Nun wird gesagt, wenn man die Geschäftsordnung in diesem Fall so anwende, könne das zu Mißbräuchen führen. Das ist zuzugeben. Aber, meine Damen und Herren,' die Anwendung und Ausübung jedes Rechts können zu Mißbräuchen führen. Man sollte sich bei der Auslegung einer Vorschrift nicht von dem Gedanken leiten lassen, aus ihr könnten, wenn man sie so oder so interpretiere, Mißbräuche erwachsen, sondern man sollte die Auslegung auf das Selbstverständnis des Parlaments zurückführen.
Hier würde ich nun in der Tat den Vorschlag machen und dafür plädieren wollen, daß wir auf die Geschäftsordnung die Auslegungsgrundsätze anwenden, die im angelsächsischen Recht als „liberal construction" bezeichnet werden, als „liberale Interpretation"

(Beifall bei der CDU/CSU)

in dem Sinne, daß wir möglichst wenig restriktiv über die Beschränkungen hinaus interpretieren, die die Geschäftsordnung enthält und die natürlich von uns allen respektiert werden müssen.
Das, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, sollte insbesondere für § 105 der Geschäftsordnung gelten, denn diese Bestimmung betrifft das Verhältnis von Regierung und Parlament. Große Anfragen richten sich an die Regierung. Wenn schon Interpretation im Sinne eines größtmöglichen Maßes an Handlungsfreiheit eine Grundregel für die Auslegung der Geschäftsordnung sein sollte, dann gilt das nach meiner Meinung ganz besonders, wenn es sich um das Verhältnis von Parlament und Regierung handelt; denn auf der anderen Seite, auf der Seite der Regierung, sind die Möglichkeiten der Selbstdarstellung natürlich unendlich viel größer, als sie das Parlament selbst im besten Falle hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich sage das ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall, um den es geht. Ich sage das auch ohne Bezugnahme auf die derzeitige Konstellation von Koalition und Opposition.

(Wehner [SPD]: Ganz uneigennützig!)

Ich sage es als eine Grundauffassung für das parlamentarische System überhaupt: daß sich das Parlament in seinem Verhältnis zur Regierung nicht selber Beschränkungen auferlegen sollte, die nicht klar und eindeutig aus der Geschäftsordnung hervorgehen.
Dies sind meine Überlegungen. Wenn ich allein zu entscheiden gehabt hätte, hätte ich die Große Anfrage zugelassen.

(Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

Ich bin von den Fraktionen der Koalition darauf hingewiesen worden, daß dagegen Bedenken bestehen. Ich habe daher den Weg gewählt, den die Geschäftsordnung für diesen Fall vorsieht. Ich bitte das Haus zu entscheiden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805601400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0805601500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die in dieser Form — einschließlich einer Dokumentation als Begründung — vorgelegte Große Anfrage der CDU/CSU wird mit Recht von der Mehrheit des Hauses als unzulässig zurückgewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Sie hat nach Inhalt und Umfang eigentlich auch gar nicht den Zweck, dieses Parlament oder die Bundesregierung zu informieren. Es geht den An- tragstellern offenbar darum, ein Parteidokument mit amtlichem Anschein zu versehen, um es in der internationalen Politik zu verwenden.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Widerspruch von der CDU/CSU)

Dazu ist das Instrument der Großen Anfrage nicht da. Würden wir diesem Versuch stattgeben, dann wäre damit nicht nur die Gefahr späterer Mißbräuche verbunden, die Grenze wäre bereits überschritten. Der Mißbrauch würde stattfinden.
Wenn ich sage, der Zweck sei gar nicht auf die Information von Bundestag und Bundesregierung gerichtet, kann ich Ihnen das kurz mit der Vorgeschichte dieser Dokumentation belegen, die uns heute hier angedient wird.
Sie werden sich erinnern, daß Sie Anfang März versucht haben, eine solche Dokumentation durch die Bundesregierung anfertigen, unter Einbeziehung der westlichen Verbündeten bearbeiten und dann schließlich in Belgrad bei der KSZE-Nachfolgekonferenz einführen zu lassen. Wir haben auf die schweren Bedenken gegen ein solches Vorgehen hingewiesen und am 21. Juni hier diesen Versuch zurückgewiesen.
Schon vorher hatten Sie uns angekündigt, Sie würden dann eben die Dokumentation selbst fertigen und über befreundete Regierungen oder Parteien in Belgrad vorlegen lassen, so Herr Kollege Kohl im April dieses Jahres. Dann setzte offenbar ein Lernprozeß ein, bei dem Sie erkennen mußten, daß Sie nicht nur im Juli 1975, als Sie hier in einer Sondersitzung des Bundestages nein zu der Unterschrift unter das Schlußdokument sagten, international isoliert waren, sondern es auch jetzt sind; denn wir erlebten, daß man uns Mitte Juli genau das vorhersagte, was jetzt geschieht. In einer Pressemeldung hieß es:
Es finden sich offenbar nicht befreundete Regierungen, die bereit sind, eine solche Dokumentation vorzulegen.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das ist doch nicht zur Geschäftsordnungl)




Dr. Schmude
— Ich komme im nächsten Satz genau auf den Punkt.
Man werde deshalb hier eine Große Anfrage einbringen.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Zur Geschäftsordnung bitte!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805601600
Herr Kollege, ich muß Sie ermahnen, daß wir hier zur Geschäftsordnung sprechen und nicht zur Sache.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0805601700
Frau Präsidentin, ich bitte, auch noch den nächsten Satz in Ihre Bewertung einzubeziehen.
Ich zitiere: Man werde die Dokumentation hier als Große Anfrage einbringen. Interessierte Regierungen anderer Staaten könnten dann nachlesen, was im deutschen Parlament über Menschenrechtsverletzungen aktenkundig sei.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

— Sie geben mir also recht, daß das der eigentliche Zweck Ihres Vorhabens hier heute ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Natürlich! Das wollt ihr verhindern!)

Sie werden Wege finden — und Sie haben bereits Wege gefunden, wie Sie gestern mitgeteilt haben —, um zu Ihrem Ziel zu gelangen.

(Rawe [CDU/CSU] : Das Europäische Parlament auch!)

Die Große Anfrage hier in diesem Parlament ist dazu kein geeignetes Instrument.
Herr Kollege Kohl, wenn etwas gespenstisch ist, dann ist das in dieser Vorgeschichte Ihrer Großen Anfrage Ihr Slalom um unbewältigte Sachprobleme, der Sie letztlich nicht nur mit der politischen Vernunft, sondern auch mit der Geschäftsordnung des Bundestages in Konflikt gebracht hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805601800
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0805601900
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich glaube, wir sollten uns zu dem Thema äußern, das Beschlußvorlage ist. Die öffentliche Präsentation einer Dokumentation, einer wissenschaftlichen Arbeit oder von Tagungsergebnissen ist eine Sache, die parlamentarische Behandlung solcher Dinge ist eine andere Sache. Es sind zwei voneinander klar zu trennende Vorgänge. Es geht hier um die Tatsache, daß auf Veranlassung des Bundestagspräsidenten eine grundsätzliche Auslegung der Geschäftsordnung, die über den Einzelfall hinausgeht, stattzufinden hat. Für uns Freie Demokraten war es immer eine klare Angelegenheit, daß Große Anfragen laut Geschäftsordnung des Bundestages kurz und bestimmt gefaßt sein müssen. Die historische Entwicklung dieses Paragraphen ist hier schon angesprochen worden. Wir sind der Meinung, daß die Praxis, die bisher angewandt wurde, auch der Maßstab für heute und die Zukunft bleiben soll. Es wäre in unseren Augen ein Unding und ein Schaden für das Parlament, wenn in Zukunft gewaltige Schriftwerke zur Bundestagsdrucksache erhoben würden, indem man sie schlicht einer Großen Anfrage als Begründung beifügt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ansprechen, Herr Kollege Dr. Kohl; ich möchte einer möglichen Legendenbildung vorbeugen. Hier geht es nämlich nicht um die vorgesehene Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zu den Menschenrechten — das ist der Einzelfall, der vom Präsidium hätte entschieden werden können —, sondern es geht um die grundsätzliche Entscheidung, und hier werden geschäftsordnungsmäßig garantierte Minderheitsrechte in keiner Weise geschmälert noch werden Zensuren erteilt, sondern es wird die Geschäftsordnung, wie sie war und wie auch der Präsident das hier vorgelegt hat und wie sie auch eingehalten worden ist, festgeschrieben, so daß es auch in der Zukunft so wie bisher gehandhabt werden soll.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Zu der Frage einer liberalen Interpretation sind wir mit Ihnen, Herr Präsident, völlig einer Meinung.

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sehr liberal!)

Alle wichtigen Gedanken zu einer Großen Anfrage können in kurzer Form in der Begründung angesprochen und können soweit, wie gewünscht, hier in der Debatte ausgeführt werden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Aussprachen über Große Anfagen ziehen sich über Stunden, über ganze Tage hin. Ich meine, daß für meine Begründung der liberalen Interpretation eine Entscheidung dieses Bundestages spricht. Wir hatten zur Debattenabkürzung hier schon einmal die Möglichkeit, Reden zu Protokoll zu geben. Dies war, wenn Sie so wollen, ein Minderheitenrecht, sogar für einen Einzelnen. Dies hat der Deutsche Bundestag abgeschafft. Dies geschah, weil er will, daß wichtige Argumente nicht schriftlich zu Protokoll gegeben und damit zu Bundestagsdrucksachen werden, sondern daß wichtige Beiträge hier in Form des gesprochenen Wortes vorgetragen werden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es geht hierbei ganz und gar nicht um das Vorhaben der CDU/CSU;

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist interessant!)

denn die Große Anfrage der CDU/CSU wird durch diesen Beschluß, den wir fassen wollen, nicht verhindert, sie wird nicht verzögert. Die CDU/CSU kann die Große Anfrage einbringen, und die Debatte wird möglich sein. Es geht lediglich darum, die Übung einer ausufernden Literaturbeigabe nicht einreißen



Spitzmüller
zu lassen; sonst entstünde für zukünftige Zeiten ein Drucklegungszwang, der bei entsprechender Ausnutzung im Stile des jetzigen CDU/CSU-Versuchs nur noch in Zentnern und Tonnen bedruckten Papiers zu bemessen wäre.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Die Freien Demokraten sind auch aus diesem Grunde für die Beschlußvorlage, wie sie uns der Geschäftsordnungsausschuß vorgelegt hat. Aus grundsätzlichen Erwägungen sind wir der Meinung, daß die Flut bedruckten Papiers, über das dann hinterher nicht einmal groß debattiert wird, nicht zunehmen sollte, sondern daß das gesprochene Wort Inhalt der parlamentarischen Auseinandersetzung zu sein hat.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vizepräsident. Frau Renger: Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/1159. Die Beschlußempfehlung lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
§ 105 GO-BT — Große Anfragen — wird gemäß § 129 GO-BT dahin gehend ausgelegt, daß auch die Begründung der Großen Anfragen kurzgefaßt sein muß.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Bitte beginnen Sie mit der Abstimmung.
Ich schließe die Abstimmung. (Vorsitz: Präsident Carstens)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0805602000
Meine Damen und Herren, ich möchte das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. Mit Ja haben 241 Abgeordnete, mit Nein 195 Abgeordnete gestimmt, insgesamt also 436 Abgeordnete.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 436; davon ja: 240
nein: 195
ungültig: 1
Ja
SPD
Ahlers
Dr. Ahrens Amling Arendt Augstein Baack
Bahr
Dr. Bardens
Batz
Becker (Nienberge) Biermann
Bindig Blank
Dr. Böhme (Freiburg) Brandt
Brandt (Grolsheim) Brück
Buchstaller
Büchler (Hof) Bühling
Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet
Conradi
Coppik
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dr. Diederich (Berlin)

Dr. von Dohnanyi
Dr. Dübber Dürr
Egert
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg
Eickmeyer
Frau Eilers (Bielefeld) Dr. Emmerlich
Dr. Enders Engholm Frau Erler Esters
Ewen
Fiebig
Dr. Fischer Flämig
Frau Dr. Focke
Franke (Hannover) Friedrich (Würzburg) Gansel
Gerstl (Passau)

Gertzen
Dr. Geßner Glombig Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr. Haack Haar
Haehser
Hansen
Frau Dr. Hartenstein Hauck
Dr. Hauff Henke
Heyenn
Höhmann
Hoffmann (Saarbrücken) Hofmann (Kronach)
Dr. Holtz Horn
Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Dr. Jens (Voerde) Junghans Jungmann Junker
Kaffka
Kirschner
Klein (Dieburg)

Koblitz
Konrad
Kratz
Kretkowski
Dr. Kreutzmann Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lattmann
Dr. Lauritzen
Leber
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Dr. Linde Löffler
Lutz
Mahne
Marquardt Manning Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Dr. Meinecke (Hamburg) Meinike (Oberhausen) Meininghaus
Menzel
Möhring
Müller (Nordenham) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Neumann Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Paterna
Pawelczyk Peiter
Dr. Penner Pensky
Peter
Polkehn Porzner Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Ravens
Frau Renger Reuschenbach
Rohde
Roth
Saxowski
Schäfer (Offenburg)

Dr. Schäfer (Tübingen) Scheffler
Scheu
Schirmer Schlaga Frau Schlei
Schluckebier
Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg) Schmidt (München) Schmidt (Wattenscheid) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schulte (Unna)

Schulze (Berlin)

Dr. Schwencke (Nienburg) Dr. Schwenk (Stade) Seefeld
Sieler
Frau Simonis Simpfendörfer
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Dr. Staudt Dr. Steger
Frau Steinhauer Stockleben Stöckl
Sybertz
Thüsing
Frau Dr. Timm
Tönjes Topmann Frau Traupe
Ueberhorst Urbaniak
Dr. Vogel (München) Vogelsang
Voigt (Frankfurt) Waltemathe
Walther
Dr. Weber (Köln)




Präsident Carstens
Wehner
Weißkirchen (Wiesloch) Wendt
Dr. Wernitz
Westphal
Wiefel Wilhelm
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Dr. de With
Wittmann (Straubing) Wolfram (Recklinghausen) Wrede
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
FDP
Angermeyer
Baum
Cronenberg
Eimer (Fürth)

Engelhard
Ertl
Frau Funcke
Gärtner Gallus Gattermann
Grüner
Dr. Haussmann
Hölscher Hoppe Jung
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff Ludewig
Dr. Dr. h. c. Maihofer
Frau Matthäus-Maier Mischnick
Möllemann
Ollesch Paintner
Peters (Poppenbüll) Schäfer (Mainz)
Schmidt (Kempten)

von Schoeler
Frau Schuchardt Spitzmüller
Dr. Vohrer
Dr. Wendig
Wolfgramm (Göttingen) Wurbs
Zywietz
Nein
CDU/CSU
Dr. van Aerssen
Dr. Althammer
Bayha
Dr. Becher (Pullach) Dr. Becker (Frankfurt) Frau Benedix
Benz
Frau Berger (Berlin) Berger (Herne)
Berger (Lahnstein) Biechele
Dr. Biedenkopf
Biehle
Dr. von Bismarck
Dr. Blüm Dr. Bötsch Braun
Breidbach Broll
Bühler (Bruchsal)

Burger
Carstens (Emstek) Carstens (Fehmarn)
Dr. Czaja Damm
Daweke
Dreyer
Engelsberger
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Ey
Dr. Eyrich Frau Fischer
Francke (Hamburg) Franke
Dr. Friedmann
Dr. Früh
Frau Geier Geisenhofer
Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz) Gierenstein Glos
Dr. Gradl Dr. Gruhl Haase (Kassel)

Dr. Häfele Dr. Hammans
Hanz

(BonnBad Godesberg)

Dr. Hennig
von der Heydt Freiherr
von Massenbach Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Hoya)

Dr. Hornhues
Horstmeier Dr. Hubrig Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Dr. Jaeger Jäger (Wangen)

Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jentsch (Wiesbaden) Dr. Jobst
Frau Karwatzki
Katzer
Kiechle
Kittelmann
Dr. Klein (Göttingen) Klein (München)
Dr. Köhler (Wolfsburg) Köster
Dr. Kohl
Kolb
Krampe
Dr. Kraske Kraus
Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Kunz (Berlin) Dr. Kunz (Weiden) Lagershausen
Landré
Dr. Langguth
Dr. Langner
Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz (Bergstraße) Lenzer
Link
Lintner Löher
Dr. Luda Luster
Dr. Mende
Dr. Mertes (Gerolstein) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup
Dr. Mikat
Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Müller (Berlin)

Müller (Remscheid) Niegel
Nordlohne
Petersen Dr. Pfennig
Picard Pieroth Frau Pieser
Pohlmann
Prangenberg
Rawe
Reddemann
Regenspurger
Dr. Reimers
Frau Dr. Riede (Oeffingen) Dr. Riesenhuber
Dr. Ritz Röhner Dr. Rose Rühe
Sauer (Salzgitter)

Sauter (Epfendorf)

Dr. Schäuble
Schedl
Frau Schleicher
Schmidt (Wuppertal) Schmitz (Baesweiler) Schmöle
Dr. Schneider
Dr. Schröder (Düsseldorf)

Schröder (Luneburg)

Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

Schwarz
Seiters
Sick
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark (Nürtingen)

Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Straßmeir Stutzer
Susset
de Terra
Tillmann
Frau Tübler Dr. Unland Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Duren) Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Dr. von Wartenberg Weber (Heidelberg) Weiskirch (Olpe)
Dr. von Weizsäcker Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer (Mönchengladbach)

Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissebach Wissmann
Dr. Wittmann (München) Dr. Wörner
Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff Dr. Zeitel Ziegler
Dr. Zimmermann
Zink
Damit ist der Antrag des Geschäftsordnungsausschusses angenommen.
Wir fahren in der Abwicklung unserer Tagesordnung fort. Ich rufe Punkt 21 a auf:
Große Anfrage der Abgeordneten KrollSchlüter, Burger, Frau Schleicher, Braun, Frau Geier, Dr. Reimers, Köster, Dr. Hammans, Dr. Rose, Frau Karwatzki, Dr. George, Hasinger, Geisenhofer, Höpfinger und der Fraktion der CDU/CSU
Alkohol- und Drogenmißbrauch und Kriminalität von Kindern und Jugendlichen
— Drucksachen 8/751, 8/922 —
Im Ältestenrat sind maximal vier Stunden Redezeit vereinbart worden. Nach der Begründung werden wir in die Aussprache eintreten. Für diese Aus-



Präsident Carstens
sprache wurde festgelegt, daß fünf Mitglieder jeder Fraktion einen Debattenbeitrag von jeweils 10 Minuten leisten. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das beschlossen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0805602100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebracht und daraufhin veröffentlicht wurde, erreichte uns eine Fülle von Zuschriften. Betroffene, verzweifelte Eltern machten uns auf Einzelfälle aufmerksam, sie forderten uns auf, zu handeln. Manchmal hatte ich den Eindruck: ihre Erwartungen können wir nicht erfüllen. Doch wir können mehr tun, als bisher geschehen ist; deswegen unsere Initiative.
In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung auf die Schlußnotiz des gemeinsamen Aktionsprogramms von Bund und Ländern zur Eindämmung und Verhütung des Alkoholmißbrauchs, wo es heißt — ich zitiere —:
Dieses Programm bedarf zu seiner Verwirklichung der Mitarbeit aller, die als Abgeordnete im Bundestag, in den Landtagen sowie den öffentlichen und regionalen politischen Gremien über Möglichkeiten verfügen, ihnen zum Erfolg zu verhelfen.
Auch hier haben Sie eine Begründung für unsere Anfrage.
Doch die Reaktionen der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien waren sehr merkwürdig. Sie ließen erkennen, daß weder die Bundesregierung noch die Fraktionen von SPD und FDP die Bedeutung dieses Themas erkannt haben.
In jüngster Zeit ist eine Ausweitung des Jugendalkoholismus zu beobachten. Daraus müssen wir ableiten, daß eine durchgreifende und dauerhafte Lösung des Suchtproblems nicht erkannt, geschweige denn erreicht worden ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

Alkohol bleibt ein gesundheitspolitisches und sozialmedizinisches Problem aller Alters- und Personengruppen. Wohlgemerkt, es geht hier um das Übermaß des Alkoholkonsums. Es geht nicht um Alkohol schlechthin. Meine Damen und Herren, ich möchte es Ihnen selbstverständlich nicht vorhalten, wenn Alkohol in Maßen genossen wird, zumal ich Bürgermeister einer Bierstadt bin und meine Aussagen dann schon von daher fragwürdig wären.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Na denn Prost! Mit gutem Beispiel voran! — Zuruf von der CDU/CSU: Er tut es selber!)

Es war vor allem die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die diesen Themenkomplex — heute wie in der Vergangenheit — zur Sprache brachte. Unmittelbar nachdem die heute zur Debatte stehende Große Anfrage eingebracht wurde, war vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit keine Reaktion zu hören. Lediglich der Obmann für innere Sicherheit der SPD-Fraktion, der Kollege Pensky, brachte gegenüber der Presse zum Ausdruck — ich zitiere —:
Ich bedaure, daß die CDU/CSU auch in diesem Bereich konsequent den Weg geht, Versäumnisse der Länder zu kaschieren und dafür den Bund anzugreifen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, diese Äußerung macht zweierlei deutlich. Erstens. Es gibt auch nach Meinung der SPD — und wohl auch der Bundesregierung — eindeutig Versäumnisse in diesem Bereich. Zweitens. Wir haben, wie immer wieder, hier die Versuchung der Regierungskoalition, die Probleme, die auch durch Hilfe des Bundes zu lösen sind, auf die Länder abzuschieben. Es ist erschreckend, wie sehr man sich hier aus der Verantwortung zu stehlen versucht.
Denn immerhin sind 1,5 Millionen Bürger unseres Landes, darunter 150 000 Jugendliche, alkoholgefährdet. Es gibt 40 000 Drogenkonsumenten und etwa 60 000 Drogenfrührentner. Der Maßstab, den die Bundesregierung zur Bewertung der Alkoholgefährdung anlegt, liegt an und für sich über dem, den Experten als Gefährdungsmaßstab anlegen. Wie uns namhafte Experten versichert haben, ist bei der von der Bundesregierung zugrunde gelegten Menge bereits eine konkrete Gesundheitsschädigung eingetreten.
Eine genaue, abgesicherte Einschätzung des Rauschmittel- und Drogenkonsums, also der Drogensucht, sowie der damit verbundenen Kriminalität ist angesichts der Dunkelziffern und schwankenden Daten sicher äußerst schwierig. Es liegt aber völlig neben der Sache, wenn die Bundesregierung den Vorwurf erhebt, bei der Darstellung des Suchtproblems würde übertrieben. Es wird nicht übertrieben, sondern wir machen nur auf bedauerliche Tatsachen aufmerksam. Denn, Frau Minister, es kann ja wohl nicht übertrieben sein, wenn wir darauf hinweisen, daß 335 000 junge Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren akut alkoholismusgefährdet sind. Ist es übertrieben, wenn wir der Antwort der Bundesregierung entnehmen können, daß mit einer Vorverlegung des Trinkbeginns bei jungen Menschen auf etwa 17 Jahre und einer Steigerung der Trinkintensität befürchtet werden muß, daß die alkoholbedingten Folgeschäden nicht nur früher, sondern insgesamt auch häufiger eintreten? Wir sehen uns einem Trend gegenüber, der nicht lediglich eine Modeerscheinung ist und nicht Ausdruck eines Statussymbols, sondern hier stellen wir seit 10 Jahren vielmehr eine konstante Entwicklung fest.
Diese Entwicklung spiegelt die gegenwärtigen Belastungen der jungen Menschen in Schule und Beruf, aber auch durch die Arbeitslosigkeit, die gesellschaftspolitische Verunsicherung und die Hilflosigkeit gegenüber dem Bürokratismus unseres Staatswesens wider. Wen wundert es in unserer gegenwärtigen arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Situation, wenn Unsicherheit, Zukunftsangst, Resignation, Hoffnungslosigkeit und fehlende Perspektive einer zukunftsorientierten Jugendpolitik diesem Trend entgegenkommen?



Kroll-Schlüter
Wir stellen ja nicht den ernsthaften Willen der Bundesregierung in Frage, zur Lösung des Problems beizutragen. Aber wir kritisieren mit Nachdruck, Frau Minister, daß Sie von Anfang an und auch in Ihren jüngsten Verlautbarungen wieder dieses Thema verharmlosen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Ursache des Problems ist vielfach die Realitätsflucht junger Menschen, die sie in die Abhängigkeit von Alkohol und Drogen, aber auch zum Selbstmord treibt. Diese Realitätsflucht ist in erster Linie durch eine mangelnde Orientierung des jungen Menschen zu begreifen. Es ist ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, Kinder und Jugendliche wären mit dem zufrieden, was wir Wohlstand nennen. Sie sehen sich einem Staat gegenüber, der mehr und mehr bürokratisiert und dadurch anonymer wird. Dieser Staat lähmt die Eigenverantwortlichkeit und die Eigeninitiative der jungen Menschen. Er verführt zur Passivität. Er bringt die Jugendlichen um ihre Erfolgserlebnisse. Alkohol und Drogensucht sind Folgen eines Gesellschaftsdenkens, das sich in anonymen Sozialstaatsmodellen verhärtet hat und nicht mehr an eigenes Handeln, eigene Aktivitäten und Mitarbeit im Sinne mitbürgerlicher Solidarität appelliert.
Wenn Sie sagen, das sei übertrieben, möchte ich darauf aufmerksam machen: dies ist im Tenor das gleiche, was der Bundeskanzler — leider mit jahrelanger Verspätung — auf dem Städte- und Gemeindetag gesagt hat. Das ist ja eben das Dilemma: Wir handeln und Sie reden, aber Sie reden erst mit zeitlicher Verzögerung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Rede des Bundeskanzlers war eine einzige Anklage seiner selbst, war die Auflistung der Versäumnisse dieser Bundesregierung in den vergangenen Jahren. Er hat aufgezeigt, wo auch die Probleme für das hier anstehende Thema liegen, nämlich in der Perfektionierung, in der zunehmenden Zentralisierung, in der zunehmenden Anonymisierung und in der zunehmenden Bürokratisierung dieses Staatswesens. Kaum eine Gruppe in unserem Staate leidet so sehr darunter wie junge Menschen. Denn wo sollen sie in diesem perfektionierten, bürokratisierten Staat ihre Zukunftschancen erkennen können, die von der Zustimmung oder Nichtzustimmung des einzelnen Bürokraten infolge übertrieben perfektionistischer Gesetze abhängen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir kennen das Wort „Jugend erinnert sich vornehmlich an die Zukunft". Hier liegt das Problem. Welche Chancen und welche Wertvorstellungen kann Jugend verwirklichen? Nach der Wertung des Grundgesetzes ist der Schutz der Jugend von bedeutsamem Rang und ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen. Beide Gemeinschaftsgüter sind gegenwärtig akut gefährdet. Deswegen unsere Initiativen. Seit Jahren fordern wir eine Novellierung des Jugendschutzgesetzes. Seit Jahren wird dies versprochen. Die Bundesregierung ergreift einfach nicht die dazu notwendige Initiative. Seit Jahren fordern
wir, daß der Kreis der Antragsberechtigten bei der Bundesprüfstelle erweitert wird. Wir hoffen, daß Sie bald auch hier eine Entscheidung treffen.
Wir müssen überlegen, ob nicht für Drogenhändler die Strafandrohungen verschärft werden sollen. Denn die Rauschgiftdelikte sind in den vergangenen Jahren — leider — erheblich angestiegen: von 1972 bis 1976 um 39 %. Die Bundesregierung stellt — in Verkennung der wirklichen Tatsachen — fest, daß bei den jugendlichen Konsumenten ein leichter Rückgang zu verzeichnen sei. Dem widersprechen nicht nur die Drogenberatungsstellen, die wissenschaftlichen Experten, sondern auch die Fachleute in den Rauschgiftdezernaten. Denn wenn auch in der offiziellen Statistik ein Rückgang zu verzeichnen ist, so liegt dies im wesentlichen daran, daß sich die Jugendlichen immer mehr aus einem professionellen Händlerkreis versorgen und sich mit dem Bedarf an Drogen vorrangig im Ausland eindecken.
Ich will einmal einige Zahlen nennen: 1972 wurden 3,7 Kilogramm Heroin, 1976 167,1 Kilogramm sichergestellt. Oder: 1972 starben in unserem Lande 104 Menschen an Rauschgift; 1976 337 Personen. Da kann man nicht von einem Rückgang sprechen — wie auch immer begründet —, sondern hier gibt es leider einen Anstieg, der verstärkte Maßnahmen nicht nur des Staates — aber auch des Staates —, sondern auch der freien Träger fordert. Noch wichtiger ist eben, daß man dies erkennt. Wir hoffen, daß die Bundesregierung durch diese Debatte diese Kenntnis von der Wirklichkeit bekommt. Es ist dem Professor Keup aus Berlin zuzustimmen, der im Jahrbuch 1978 schreibt:
Aus den hier dargestellten Zahlen geht eindeutig hervor, daß der Mißbrauch mit chemischen Stoffen in nahezu allen Einzelgruppen weiter ansteigt. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß unser Abwehrsystem nicht ausreichend funktioniert, daß wir Drogenabhängige nicht ausreichend zu Therapien motivieren können und daß die Therapieeinrichtungen quantitativ und qualitativ nicht ausreichen. Wir sind offenbar auch weit davon entfernt, den Markt für irgendeine Substanz auszutrocknen.
Das ist die Analyse eines Kenners. Wir sollten sie beherzigen.
Die Frage nach der grundsätzlichen Problembewältigung kann nicht beantwortet werden, ohne zunächst zu versuchen, die Ursachen des Problems aufzuzeigen. Der motivbestimmende Hintergrund ist weitgehend bekannt: Broken home, Erziehungsfehler, mangelnde Partnerschaft in der Familie, Streß in der Schule; das sind einige Ursachen. Die Wert- und Bindungslosigkeit ist sicherlich die tiefste Ursache für steigenden Alkholismus und zunehmende Kriminalität. Angesichts dieser Daten, Fakten und Zusammenhänge ist uns jedoch unverständlich, daß das seit Jahren von der Regierung angekündigte psychosoziale Langzeitprogramm immer noch nicht abgeschlossen ist. Es ist nicht abgeschlossen in der Praxis — das schon gar nicht —, es ist noch nicht einmal konzeptionell abgeschlossen. Was nützen da die besten Modelle und das Großmodell, wenn wir



Kroll-Schlüter
einerseits Alkohol- und Drogenkranke heilen, andererseits aber diese jungen Menschen immer wieder der Wirklichkeit überlassen und nicht sichergestellt ist, daß sie den gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Problemen gewachsen sind? Dies bedeutet, daß wir der Nachsorge eine große, große Aufmerksamkeit schenken müssen.
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig darüber, daß die Förderungsmaßnahmen der Bundesregierung teilweise positiv zu bewerten sind. Doch sie müssen in ihrer Förderungspraxis konkreter, im Ansatz weniger theoretisch werden, als das in vergangenen Jahren vielleicht gezwungenermaßen notwendig war. Es müßten jetzt so viel Erkenntnisse vorliegen, daß man verstärkt zum praktischen Handeln schreiten könnte. Und: Sie müssen Ihren eigenen Worten Taten folgen lassen. Sie können nicht immer sagen: Jawohl, das machen wir, aber z. B. dann, wenn meine Fraktion im Haushaltsausschuß den Antrag stellt, für die Hauptstelle für Suchtgefahren in Hamm die doppelten Gelder zur Verfügung zu stellen, und dafür auch noch einen Dekkungsvorschlag bringt, unbegründet nein sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD)

— Ohne Begründung! Sie brauchen nur Ihre Antwort zu nehmen. Umfangreich genug ist sie, daß Sie zumindest eine Begründung hätten geben können. Sie haben der Erhöhung nicht nur nicht zugestimmt, sondern Sie haben die Mittel real sogar gekürzt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Es ist wie so oft: Den Worten folgen keine Taten, es sei denn Taten des Widerspruchs.
Sie müssen die teilweise bewährten Modelle durch konkrete Maßnahmen ergänzen. Sie müssen bedenken, daß es bei der Wahl der Suchtmittel heute einen Trend zur Mehrfachabhängigkeit, zu der Kombination Alkohol/Medikamente, gibt. Ich will einmal einige Zahlen nennen. 3 % aller Betroffenen sind abhängig von der Hauptsubstanz illegale Drogen, 14 % von Medikamenten und 80 % von der Hauptsubstanz Alkohol. Die Frage, die auch von der Opposition — nicht nur von mir, sondern auch von meinen Kollegen, die nachfolgend sprechen werden — zu beantworten ist, lautet: Was ist zu tun?
Immer mehr Jugendliche — um eine positive Entwicklung zu erwähnen — versuchen, aus eigener Kraft den Teufelskreis der Abhängigkeit zu durchbrechen. Es sind — dies sollte einmal deutlich gesagt werden — immerhin 30 % der Abhängigen, die sich aus eigenem Antrieb beraten und behandeln lassen, und zwar vor allem auch in ambulanten Einrichtungen. Nur 28 % aller Suchtkranken benötigen eine stationäre Therapie. Etwa die Hälfte der Kranken braucht eine längerfristige Therapie. Übrigens, wenn gesagt wird, 80 % oder 60 % der Behandelten würden wieder rückfällig, so gehört es zu einem realistischen Bild, davon auszugehen, daß mehr als 50 % der einmal Behandelten zunächst wieder rückfällig werden. Das ist weiter nicht tragisch, wenn man dies bedenkt und die Behandlungsmethoden entsprechend darauf einrichtet.
Über zwei Drittel aller Suchtkranken könnten ausschließlich ambulant behandelt werden, wenn die notwendigen Einrichtungen vorhanden wären. Es fehlen aber mehr als 600 Fachambulanzen, um neu Hinzukommende einigermaßen zu behandeln. Jede Klinikbehandlung führt nur dann zu einem dauerhaften Erfolg, wenn eine ausreichende ambulante Weiterbehandlung gesichert ist, die auch in Zusammenarbeit mit den Selbsthilfeorganisationen der Suchtkranken durchgeführt wird.
Ich möchte für meine Fraktion diesen Selbsthilfeorganisationen, die vorbildlich, in breiter Anlage, mit vielen ehrenamtlichen Helfern, seit Jahren, hervorragende Dienste geleistet haben, ausdrücklich für ihre Tätigkeit danken und sie ermuntern, auf diesem Wege fortzufahren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn wenn wir es mit diesem Thema ernst meinen, wenn unsere konkreten Vorschläge befolgt werden, dann haben wir Grund zur Hoffnung.
Eine weitere Lücke in der Versorgung Suchtkranker zeigt sich in der klinischen Versorgung. Es gibt zu wenig qualifizierte Kliniken. Seit 1974 sind lediglich sechs Fachkliniken für Suchtkranke eingerichtet worden.
Ein ganz großes Problem ist die Tatsache, daß die Frage der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Kranken- und Rentenversicherungsträgern bei Suchterkrankungen noch nicht gelöst ist. Die Schlußfolgerung daraus lautet: wir müßten mit den Rentenversicherungsträgern eine Regelung hinsichtlich der Übernahme treffen. Das kostet Geld. Das sollen jetzt ausgerechnet wieder diejenigen aufbringen, die ohnehin in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Im Grunde ist es gleichgültig; aber es muß eine einvernehmliche gesetzliche Regelung getroffen werden. Einer zahlt es ja auch jetzt schon. Nur, die Unsicherheit und der damit verbundene bürokratische Aufwand sind unnötig. Deswegen unsere Forderung nach einer klaren Regelung. Vielleicht wird die Notwendigkeit durch folgenden Hinweis in Verbindung mit folgenden Zahlen deutlich.
Der Deutsche Caritasverband — auch andere, die Innere Mission usw. — brachte im Jahre 1976 etwa 14 Millionen DM für die Arbeit von 100 ambulanten Einrichtungen auf. Der Anteil der Bundesmittel hierfür lag bei 1 bis 2 %. Die Zuschüsse der Länder und Kommunen betrugen etwa 45 %. Über die Hälfte der Kosten, also etwa 7 Millionen DM, brachte die Caritas aus eigenen Mitteln auf, aus ihren Steuer- und Spendenmitteln.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr verdienstvoll!)

— Sehr verdienstvoll, Herr Hasinger, und wir müssen damit die Feststellung verbinden, daß es wohl bei aller Kraft, die diese Verbände haben, so nicht weitergehen kann. Wenn es hier nicht eine signalwirkende Unterstützung auch aus diesem Hohen Hause und von der Regierungsbank her gibt, könnte sich leicht eine gewisse Enttäuschung einstellen.
Einzelmaßnahmen wären zu nennen. Ich nenne zuerst die Stärkung der freien Träger. Wir müssen überlegen, ob nicht ein Gesundheitspaß mit einer



Kroll-Schlüter
Spalte für frühere Suchtkranke eingeführt werden sollte. Verunglückt einer, die Spalte ist nicht da, und er war suchtkrank, erreicht man, wenn er eine Morphiumspritze bekommt, wie dies geschehen kann, genau das Gegenteil dessen, was erreicht werden soll. Wir sollten an die Eltern von Suchtabhängigen denken, die oftmals ebenso seelisch und körperlich gebrochen sind wie ihre drogenabhängigen Kinder. Wir sollten Wert legen auf eine wichtige umfassende Information der Allgemeinheit, besonders der betroffenen Eltern und Jugendlichen. Wir sehen die Verantwortung des Sports, und wir weisen hin auf die große Verantwortung der Schule. Dies alles steht auch unter dem Stichwort der Prävention, unter dem Stichwort frühzeitig informieren, frühzeitig erziehen, frühzeitig darauf hinwirken, Leitbilder aufbauen, Gemeinschaftsgefüge stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier liegen ganz, ganz wichtige Aufgaben der Gesellschaft und des Staates.
Wenn ich von Aufklärung und Information spreche, dann muß ich auch von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sprechen und muß darauf hinweisen, daß uns offen gesagt wird, ihre Arbeit werde aus viel zu großer Distanz vorgenommen, sie sei viel zuwenig konkret, viel zuwenig auf die eigenen Bedürfnisse abgestellt. Ich müßte hinweisen auf die Tatsache, daß in den Gefängnissen der Stadt Frankfurt 50 % Drogenabhängige sitzen. Wie zu anderen Fragen so werden auch zu diesen meine Kollegen noch das Wort ergreifen.
Ich will aber noch einmal fragen, wie dieses Phänomen der Abhängigkeit von Alkohol und Droge zu erklären ist. Sicherlich nicht mit einer Ursache. Sicherlich wirken hier viele Faktoren mit: Wohlstandsdenken, materielle Hindernisse, beengte Wohnverhältnisse, Probleme mit Schule und Beruf, Egoismus, Vergnügungssucht, fehlende Erfolgserlebnisse, mangelnde menschliche Kontakte durch zuviel Konzentration, Ballung, Zentralismus, das Fehlen von Wertvorstellungen, Orientierungsschwierigkeiten. Probleme in Familie und Nachbarschaft führen zu Konflikten, führen zu Angst. Die Folge von Angst ist Aggressivität oder Resignation, Droge, Alkoholismus.
Christa Mewes sagt:
Schulen sind zu einem Spektakulum des Desasters geworden. 20 0/0 ohne Hauptschulabschluß.
Die Ehen halten nicht mehr. Liberale Demokratie
— wenn ich das mit ihren Worten auch an die Regierung sagen darf —
heißt heute offenbar, daß für das Leben der Menschen, für die Möglichkeit einer Zukunft zentrale Institutionen nicht mehr verantwortlich zeichnen. Jeder muß sehen, wie er über die Runden kommt.
Eine sehr treffende Aussage. Hier haben wir eine Gruppe, der wir zu helfen haben. Hier setzt unsere eigentliche Aufgabe ein, die Aufgabe unseres Handelns, nämlich die Stärkung der Familie, des sozialen Nahraums, die Förderung auch durch Forderung an junge Menschen, die Abkehr vom materiellen Denken hin zur mitmenschlichen Solidarität. Hier wird ein großer Bogen unserer Aufgabe sichtbar, und was ich hier vermisse, ist die Sehschärfe dieser Bundesregierung. Mit Einzelmaßnahmen, Einzelmodellen, Einzelforschungsaufträgen und Einzelstrafvollzugsmaßnahmen ist es nicht getan. Es fehlt eine Gesamtperspektive der Probleme, die alle miteinander verbunden sind und letztlich durch eine Lösung des Grundproblems zu einem positiven Ergebnis geführt werden. Von Hermann Hesse stammt das Zitat:
Wir dürfen nicht hinten beginnen bei den Regierungsformen und politischen Methoden, sondern wir müssen vorne anfangen beim Bau der Persönlichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Minister Huber! Wenn wir uns diese Weisheit nicht zu Herzen nehmen und heute nicht bereit sind, endlich Konsequenzen zu ziehen, so können wir morgen unseren Staat begraben. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen ihn weiterführen. Wir wollen ihn weiterbauen, weiterbauen in eine freiheitliche Zukunft besonders für die junge Generation in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0805602200
Das Wort hat die Frau Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0805602300
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die sozialliberale Bundesregierung verfolgt seit 1970, also praktisch seit Amtsübernahme, den Drogen-, Rauschmittel- und Alkoholmißbrauch mit großem Ernst. Wir haben die Bedeutung des Themas schon damals erkannt. Das können Sie daraus ersehen, daß das Aktionsprogramm der Bundesregierung schon seit 1970 läuft. Vorher gab es auf diesem Feld gar nichts, obwohl die Alkoholkonsummenge schon seit spätestens 1965 kritisch war, das jedenfalls nach der Auffassung anderer Länder, in denen damals schon Programme gemacht wurden.

(Hasinger [CDU/CSU] : Wie hat sie sich seit 1970 entwickelt?)

— Das werde ich darstellen. Sie brauchen uns also nicht darüber zu belehren, als ob wir keine Erkenntnisse hätten und diese erst in dieser Debatte gewönnen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf der Abg. Frau Dr. Wex [CDU/CSU])

Außerdem erinnere ich in diesem Zusammenhang daran, sehr verehrte Frau Kollegin, daß beide Fraktionen der sozialliberalen Koalition schon 1975 eine einschlägige Anfrage eingebracht haben. Das Thema ist damals hier ausführlich diskutiert worden. Es bedurfte nicht erst Ihrer Anfrage.

(Zurufe von der CDU/CSU: Da können wir ja nach Hause gehen! — Was soll das denn? — Franke [CDU/CSU] : Entschuldigen Sie, daß wir Sie an Ihre Pflicht erinnern! Wollen Sie Ihre Pflicht leugnen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




Bundesminister Frau Huber
— Ich leugne meine Pflicht nicht. Ich hörte nur eben Herrn Kroll-Schlüter sagen, erst diese Anfrage vermittle uns die Erkenntnisse.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Ich habe die Hoffnung geäußert!)

— Das ist doch dasselbe. Sie vermuteten, daß es nötig sei.
Aber wie immer dem auch sei: Wir haben uns bemüht, die Große Anfrage der Opposition zu diesem Themenbereich umfassend und korrekt zu beantworten.
In der Drucksache 8/751 sind 30 Fragen enthalten. Ich möchte sie zunächst auf fünf Kernfragen zusammenfassen:
1. Wie steht es um die Alkohol- und Drogengefährdung, insbesondere die der jungen Menschen?
2. Welche Maßnahmen wurden mit welchem Erfolg ergriffen in bezug auf Heilung, Prophylaxe und Forschung?
3. Welche ergänzenden Maßnahmen sind notwendig?
4. Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen Suchtgefahr und Kriminalität, insbesondere der Kinderkriminalität erkennen?
5. Was kann man dagegen tun?
Eine korrekte Antwort auf alle diese Fragen ist nicht möglich, ohne zunächst etwas über die Begriffsbestimmung zu sagen. Zur Zeit herrscht über die Alkoholgefährdung eine große Begriffsverwirrung. Erhöhter Alkoholkonsum wird vielfach mit Alkoholismus gleichgesetzt, Alkoholgefährdung durch Überkonsum mit Behandlungsbedürftigkeit.
Eine Situationsanalyse als Grundlage für erfolgversprechende Maßnahmen muß jedoch von klaren Begriffsbestimmungen ausgehen, nicht von uneinheitlichen Definitionen, Annahmen, Hochrechnungen und Schätzungen. Die Bundesregierung stellt daher, wie aus dem Text der Antwort deutlich ersichtlich, heraus, daß sie von einer Gefährdungsgrenze von 100 Gramm Alkohol pro Tag ausgeht. Bei einem darüber hinausgehenden Alkoholkonsum sind Gesundheitsschäden zu erwarten. Die Bundesregierung folgt damit Untersuchungen aus der Fachwelt, z. B. dem Lehrbuch der Pharmakologie von Kuschinsky und Lüllmann (6. Auflage), das den kritischen Grenzwert mit 160 Gramm bei individuellen Schwankungsbreiten von ± 33 % ansetzt.
Die Bundesregierung widerspricht sich deshalb nicht — wie Frau Abgeordnete Neumeister behauptet hat —, wenn sie früher wie heute die Verträglichkeitsgrenze bei 80 Gramm zieht. Sie macht mit der Grenze von 100 Gramm vielmehr deutlich, daß zwischen Verträglichkeit und Gefährdung nur eine geringe Spanne liegt, und befindet sich mit dieser Grenze im übrigen im Einklang mit der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren und mit der Caritas. Der Begriff „Alkoholismus" wird im Sinne von Abhängigkeit und Krankheit gebraucht, wie er auch im BSHG-Urteil von 1968 definiert worden ist.
Alkoholgefährdung vollzieht sich auf dem Hintergrund und im Zusammenhang mit den allgemeinen Verbrauchsgewohnheiten. Der Alkoholverbrauch ist in den letzten Jahren ungefähr gleichgeblieben. Er ist 1976, wie die Statistiken zeigen, leicht gesunken, und wird, wenn man den Mitteilungen der Alkoholindustrie Glauben schenken kann, auch in diesem Jahr niedriger liegen, also weiter gesunken sein.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es geht nicht um den Gesamtverbrauch, sondern um den der Jugendlichen!)

— Ich hatte gesagt, daß sich das auf diesem Hintergrund vollzieht. Sie werden gleich merken, wie ich den Zusammenhang sehe.
Wenn die Opposition in ihrer Anfrage auf den Verbrauch von 1950, also den gleich nach dem Kriege, abhebt, so muß man bedenken, daß dieser damals mit 4 1 knapp war. Er steigerte sich dann aber in kräftigen Raten auf 10 1 im Jahr 1965. Dieser Wert galt, wie gesagt, in den USA schon damals als kritisch und war Ausgangspunkt für Programme. Danach steigerte sich der Verbrauch nur noch gering und blieb in den letzten Jahren ziemlich gleich.
Etwa die Hälfte der Bevölkerung trinkt regelmäßig Alkohol. Aber es zeigt sich beim Vergleich von 1976 mit 1973 ein Rückgang des täglichen ProKopf-Konsums, und wir verzeichnen mehr Abstinenzler und weniger Gefährdete.
Es wird allgemein mehr getrunken, insbesondere auch unter den Jüngeren und unter den Frauen. Es handelt sich hier aber um Wohlstandskonsum der Feierabendtrinker, die sich zu über der Hälfte auf den sogenannten Zwang zum geselligen Trinken berufen und überwiegend in der sozialen Mittelschicht angesiedelt sind.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU] : Das macht doch die Sache nicht besser!)

Eine geringere, wenn auch keineswegs völlig außer acht zu lassende Rolle spielen das Problemtrinken oder erbliche Belastungen.
Auf diesem Hintergrund ist nun die Hauptfrage nach der Alkoholgefährdung zu beantworten.
Eine Repräsentativerhebung zeigt, daß 2,2 % der Gesamtbevölkerung oder 4 % der über 14jährigen alkoholgefährdet sind, d. h., sie konsumieren täglich die Risikomenge von 100 g oder mehr. Die Zahl ist hoch. Aber sie beschreibt keine aussichtslose Situation. Denn nach Untergruppen aufgegliedert zeigt sich, daß die Gefährdeten nur zu einem ganz kleinen Teil aus Trinkerfamilien oder milieugeschädigten Verhältnissen kommen.
Etwa 40 % der Gefährdeten greifen zum Alkohol auf Grund bestimmter psychischer Störungen und Belastungen, weil sie glauben, ihre Probleme mit Alkohol lösen zu können. Diese Gruppe bedarf der intensiven psychosozialen Betreuung.
Die Hauptgruppe bilden aber diejenigen, die Alkohol als zum heutigen Lebensstil gehörend ansehen, ihn unkontrolliert, häufig und im Übermaß konsumieren. Bei den hier auftretenden Folgekrankheiten haben wir es mit Auswirkungen gesundheit-



Bundesminister Frau Huber
lichen Fehlverhaltens zu tun, die als vermeidbar angesehen werden müssen und die durch intensive Aüklärung zu vermeiden man sich bemühen muß.

(Hasinger [CDU/CSU] : Thema verfehlt! Es geht um Jugendalkoholismus!)

— Dazu spreche ich gleich noch gesondert. Jetzt spreche ich vom Alkoholismus. Sie brauchen nicht dazwischenzurufen.

(Lachen bei der CDU/CSU — Schwarz [CDU/ CSU] : Das darf man aber doch? — Zuruf von der CDU/CSU: Mangelnde Souveränität!)

— Natürlich dürfen Sie das. Bloß habe ich gesagt: Ich komme darauf.

(Franke [CDU/CSU] : Mangelnde Souveränität!)

Die ausgewiesene Zahl der Alkoholgefährdeten umfaßt auch die Alkoholkranken. Sie darf aber nicht mit dieser gleichgesetzt werden. Denn die Risikomenge muß schon eine erhebliche Zeitlang getrunken werden, ehe es zu Folgeschäden kommt. Auf Grund verschiedener Angaben kann der Schluß gezogen werden, Herr Franke, daß etwa 10 % der Alkoholgefährdeten behandlungsbedürftig sind.

(Zurufe und Lachen bei der CDU/CSU)

— Heute ist zwar ein besonderes Datum, trotzdem dachte ich, Herr Kroll-Schlüter, daß Sie dieser Frage großen Ernst beimessen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl, das tun wir! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Was habe ich denn jetzt gemacht? Warum haben Sie mich jetzt angesprochen?)

— Das wissen Sie schon.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Warum? Sagen Sie es mal!)

Die Zahl der wirklich Behandlungsbedürftigen beträgt also — das möchte ich hier deutlich sagen —0,2 % der Bevölkerung.
Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang zu sagen, daß vermehrte Einweisungen von Alkoholkranken in psychiatrische Krankenhäuser nichts über die Zahl der tatsächlich behandlungsbedürftigen Alkoholkranken aussagen. Einer hessischen Pressemitteilung zufolge wurde 1976 dort von 12 715 Neuzugängen in psychiatrischen Krankenhäusern ausgegangen. Inzwischen zeigen unsere Statistiken, daß es sich nur um 3 136 Personen gehandelt hat; das sind gut 24 % aller Behandlungsfälle. Rechnet man das auf das Bundesgebiet hoch, so wären 1976 maximal 35 000 Alkoholkranke in psychiatrischen Krankenhäusern gewesen. Setzen Sie das einmal in Beziehung zu Ihrer Zahl von 1,5 Millionen.
Die hessischen Ergebnisse zeigen, daß die Zahlen von 1976 mit denen von 1974 übereinstimmen, daß es also keine explosionsartige Ausweitung gegeben hat. Sie decken sich mit der Haupterhebung zur Psychiatrie-Enquete, wo zum Stichtag 30. Mai 1973 rund 17 000 Alkoholiker in psychiatrischer Behandlung waren. Demgegenüber liegen die von der Bundesregierung angegebenen Zahlen über den auf dieser Basis errechneten. Von Verniedlichung, wie Frau
Neumeister meint, kann also gar keine Rede sein. Wir dürfen eher den berechtigten Schluß ziehen, daß es in den letzten Jahren, insbesondere seit der letzten Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen von vor zwei Jahren zwar partielle Veränderungen, aber keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gegeben hat.
Nicht jeder, der zum Glase greift, ist ein Konflikttrinker. Die meisten passen sich dem inzwischen entstandenen Wohlstandskonsum an, ohne Realitätsflucht, allerdings auch ohne viel Rücksicht auf mögliche Leberschäden, die in Ländern mit hohem ProKopf-Verbrauch deutlich häufiger sind als in anderen. Der internationale Vergleich zeigt aber auch, daß man in bezug auf den Alkoholismus keine voreiligen Schlüsse ziehen darf. So, wie die Leberschädigungen bei hohem Pro-Kopf-Verbrauch häufiger sind, so ist es mit dem Alkoholismus eher umgekehrt. Südliche Länder z. B. weisen einen viel höheren Konsum, aber eine geringere Alkoholismusrate auf. Nordische Länder dagegen haben deutlich niedrigere Durchschnittswerte, aber anscheinend ein vergleichsweise größeres Alkoholismusproblem. Regionale Unterschiede auf Grund Trinksitten gibt es offensichtlich auch in der Bundesrepublik. Deshalb muß unser gesundheitspolitisches Ziel nicht Abstinenz, aber im Rahmen der Verträglichkeitsgrenzen liegendes kontrolliertes Trinken sein.
Ein in der Tat nicht zu unterschätzendes Problem, das die Bundesregierung sehr ernst nimmt, ergibt sich allerdings bei jüngeren Menschen — und offensichtlich auch bei jüngeren Frauen —

(Hasinger [CDU/CSU] : Endlich beim Thema!)

aus der zunehmenden Gefährdung durch den immer frühereren Trinkbeginn.
Ich möchte Ihnen aber widersprechen, Herr Kroll-Schlüter. Es handelt sich nicht um einen gestiegenen Jugendalkoholismus, sondern es handelt sich um eine gestiegene Gefährdung. Während unter den Alkoholkonsumenten im allgemeinen 7 % der Männer und 1 % der Frauen behandlungsbedürftig — also gefährdet sind —, sind 4 % der alkoholkonsumierenden jungen Leute unter 30 Jahre gefährdet. Die Vorverlagerung des Trinkbeginns um zwei Jahre auf 16 Jahre etwa ist gefährlich, da früher Trinkbeginn häufig zu Mißbrauch führt. Eltern, von denen ein großer Teil — wie uns Umfragen leider zeigen — gegen gelegentlichen Alkoholgenuß ihrer Sprößlinge nichts einzuwenden haben, können nicht genug vor einem Problem gewarnt werden, das vielleicht unmerklich aufkommt, aber viel Elend, manchmal Frühinvalidität und schlimmeres zur Folge haben kann. Die Bundesregierung appelliert deshalb an alle Eltern, Erzieher, Gastwirte, Einzelhändler, Kindern und Jugendlichen keinen Alkohol zu geben. Mit Gastwirten und Einzelhändlern läuft seit Oktober dieses Jahres eine Aktion, die Ausschank und Verkauf von Alkohol an Jugendliche eindämmen soll.
Die Bundesregierung nimmt auch das Problem der Mißbildungen von Kindern durch Alkoholmißbrauch keineswegs leicht, wenngleich es jährlich nicht 5 000 Kinder — wie in der Anfrage behauptet —, sondern
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode —.56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1977 4323
Bundesminister Frau Huber
auf Grund einer Expertise, die sich mein Ministerium hat machen lassen, etwa 1 000 Kinder sind.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU] : Das ist immer noch zu viel!)

— Das ist richtig, Frau Kollegin. Das unterstreiche ich.
Auf Grund eigener Berechnungen haben wir aber diese Zahl in der Antwort mit maximal 2 000 sogar weitergesteckt. Man sollte jedoch in diesem Punkt, auch was die Zahlen betrifft, ehrlich bleiben. Auch ich finde die Zahlen schon schlimm genug.
Gerade die die Jüngeren betreffenden Zusammenhänge werden zur Zeit in einer Erhebung untersucht, deren Ergebnisse wir Anfang 1978 erwarten, also in wenigen Wochen. So wird die Situation im Rahmen des seit 1970 laufenden Aktionsprogramms der Bundesregierung und des gemeinsamen Aktionsprogramms des Bundes und der Länder seit 1975 verfolgt und analysiert, um zielgenaue Maßnahmen entwickeln zu können.
Was den Drogenbereich angeht, so hat die Opposition in der Anfrage die von ihr schon 1973 genannten Zahlen so wiederholt, wie sie sich im Protokoll der. Sitzung vom 8. Juni 1973 finden. Für die hier genannte Zahl von 60 000 Drogenfrührentnern gibt es keinen Beleg. Junge Drogenabhängige haben außerdem in aller Regel noch gar keinen Rentenanspruch. 1973 wurde auch behauptet, 30 bis 40 °/o aller jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren hätten Drogenerfahrung. Erwiesenermaßen waren es damals 19 °/o. Die neuesten Untersuchungen zeigen einen Rückgang auf 15 %. Es stimmt also nicht, daß steigender Alkoholkonsum mit einem Anstieg des Drogenmißbrauchs einhergeht. Auch die wiederum angeführte Zahl von 40 000 Konsumenten harter Drogen wurde schon 1973 benutzt.
Ich sage das ohne jeden Triumph; denn die Stagnation der Zahlen bedeutet nur einen Teilerfolg. Es gibt immer noch einen großen, einen viel zu großen Zustrom zu illegalen Drogen, besonders zu Heroin. Immerhin besteht der Eindruck, daß die Maßnahmen zu greifen beginnen, wie sich im Beratungs- und Behandlungsbereich zeigt.
Durch die ständig verbesserten Programme haben behandlungsmotivierte Abhängige unmittelbar nach der Behandlung Erfolgschancen von über 50 %, wenn die Therapie konsequent und in den dafür eingerichteten Behandlungsketten durchgeführt wird. Früher wurde eine Chance von 2 % angenommen. In dem Großmodell hat sich weiterhin gezeigt, daß sogar drei Monate nach Beendigung der Behandlung immerhin noch 25 % aller Behandelten drogenfrei waren. Ein Erfolg von Aufklärung und Beratung ist auch darin zu sehen, daß von den 40 000 jungen Drogenabhängigen inzwischen 25 000 namentlich bekannt sind, wodurch mehr Hilfe möglich ist.
In der Begründung der Großen Anfrage der CDU/ CSU wird behauptet, daß der Anteil Jugendlicher und Heranwachsender an den Rauschgiftdelikten ständig gestiegen sei. Das ist falsch. Er war im Gegenteil rückläufig und ist jetzt von 60 % auf 45 % abgesunken. Auch die sogenannte Kriminalitätsbelastungsziffer — Täter auf 100 000 der Altersgruppe — ist rückläufig. Das sollte man nicht verschweigen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Das ist falsch! Ihre Zahlen sind falsch!)

— Nein, das ist nicht falsch. Ergänzend möchte ich Ihnen sagen, daß Sie die Kriminalitätsstatistik auch im Lichte der enorm hohen und gestiegenen Aufklärungsquote sehen müssen, was die Zahlen relativiert.

(Beifall bei der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/ CSU] : Ihre Zahlen für 1975 und 1976 sind eindeutig falsch!)

— Ich glaube, daß ich bei meiner Aussage bleiben muß.
Die Ursachen der Rauschgiftdelikte sind übrigens nicht monokausal, Herr Kollege.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das ist richtig! Das habe ich auch bemerkt!)

Ich sage das nicht, um die Situation zu beschönigen, denn die Drogengefährdung ist weiterhin ernst. Es gibt jährlich einige hundert Drogentote. Bis zur Anfrage hatten Sie die Zahlen gar nicht richtig recherchiert. Inzwischen haben Sie die Zahlen wohl auch erfahren. Da sich die Szene stark in die Privatsphäre verlagert hat, ist es sehr schwer, den Zu- gang zu den Gefährdeten zu finden.
Die Bundesregierung läßt nichts unversucht und spricht z. B. die Heroinkonsumenten und deren Kontaktpersonen besonders an, weil bei einer herzustellenden Einzeldosierung von 0,05 Gramm und weniger Überdosierungen kaum steuerbar und auch wegen schwankender Verträglichkeit Todesfälle sehr schwer vermeidbar sind. Beratungs- und Behandlungsangebote haben bisher auch eine relativ hohe Selbstmordrate nicht verhindern können. Deshalb gilt es, Therapieprogramme mit noch besseren Erfolgschancen für diejenigen zu entwickeln, die aus dem Teufelskreis ausbrechen wollen und dazu Hilfe brauchen.
Nach Abschluß des jetzt laufenden Großmodells zur Beratung und Behandlung drogengefährdeter und abhängiger junger Menschen, deren Einrichtungen von den Ländern dort weitergeführt werden, wo sie sich bewährt haben und wo ein Bedarf besteht, wird dies durch ein psychosoziales Anschlußprogramm spezifisch ergänzt, das besonders darauf ausgerichtet ist, nicht zu warten, bis der Klient voller Verzweiflung selber kommt, sondern ihn durch Außenkontakte der verschiedensten Art mit Hilfe der sogenannten Fährtensucher selbst aufzuspüren. Wir haben in der Antwort ausführlich dargelegt, was im einzelnen getan wird.
Bedauerlicherweise stellt die Opposition in dem Bemühen, der Regierung Untätigkeit anzukreiden, hier Forderungen auf, die man fast alle in unseren Programmen nicht nur nachlesen, sondern auch schon in der Praxis beobachten kann.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Sie haben nicht zugehört, was ich gesagt habe, Frau Minister! Das hat Ihnen jemand aufgeschrieben, und jetzt sagen Sie es einfach!)




Bundesminister Frau Huber
— Ich habe genau zugehört. Erstens hat es mir niemand aufgeschrieben, sondern ich habe mich selbst sachkundig gemacht, und zweitens habe ich das genau gehört.
Sie haben kritisiert, daß wir immer noch Modelleinrichtungen — Herr Kroll-Schlüter, ich komme auf Ihren Text noch —, sogenannte Großmodelle, finanziert haben, anstatt den Schwerpunkt, wie Sie gesagt haben, auf eine konkrete finanzielle Unterstützung der Erziehungs-, Kontakt- und Beratungsstellen der behördlichen, aber besonders auch der freien Träger zu legen.
Der Bund hat aber seine Möglichkeiten, z. B. was mein Haus heute hier betrifft, extensiv ausgelegt. Wenn vorgeschlagen wird, nicht weiter Modelle zu fördern, sondern den Schwerpunkt auf die konkrete finanzielle Unterstützung solcher Erziehungs-, Kontakt- und Beratungsstellen der behördlichen wie der freien Träger zu legen, muß ich Sie auf die Bestimmungen des Grundgesetzes verweisen. Lesen Sie das Grundgesetz.
Sie haben übrigens gesagt, die Bundesregierung tue nichts oder jedenfalls wenig, aber Sie handelten. Aber wo, bitte, haben Sie gehandelt?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat seine Möglichkeiten, wie gesagt, extensiv ausgeschöpft, z. B. in diesen 60 örtlichen Einrichtungen, die zum Großmodell gehören. Jetzt im Anschlußprogramm, das fünf Jahre läuft, werden 40 Einrichtungen in der Endstufe gefördert; pro Land etwa ein bis drei Stellen. Sie werden ausschließlich sowohl behördliche als auch freie Träger haben. Damit ist eine Kapazität gesichert, die mit dem Großmodell geschaffen worden war. Zum anderen wird jetzt eine spezifische neue Kapazität hinzugefügt, um der Situation noch gezielter zu begegnen.
Die Bundesregierung hat außerdem eine Reihe von Forschungsaufträgen an fünf Fachkliniken vergeben. Ein Übergangsheim, das der Rückgliederung und besonders der Nachsorge dienen soll, ist seit diesem Jahr im Bau. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung — sie ist klein, aber sie arbeitet mit der Praxis, Herr Kroll-Schlüter — hat einen Hauptschwerpunkt ihrer Arbeit — schon länger, aber auch in diesem Jahr wieder neu — auf die Bekämpfung der Suchtgefahren gelegt, um insbesondere die jungen Leute vor dem Alkohol- und Drogenmißbrauch zu warnen und sie davon abzuhalten.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Es geht um das Wie!)

Wir halten eine Sensibilisierung durchaus für möglich. Gesundheitsbewußtsein senkt den Anteil der Gefährdeten. Daß Aufklärung wirklich helfen kann, können wir in einem Teilbereich sehen, z. B. bei der Bundeswehr, wo nach einer Kampagne die Disziplinarverfahren auf Grund von Trunksuchtsvergehen stark rückläufig geworden sind.
Wenn Sie hier die Förderung der Hauptstelle gegen Suchtgefahren ansprechen, so will ich Ihnen sagen, daß aus dem Haushaltsausschuß verlautete, daß für Projekte dieser Hauptstelle deutlich eine steigende Förderung zugesagt wurde.
Die Lösung der mit dem Mißbrauch von Drogen, Arzneimitteln und alkoholischen Getränken verbundenen Probleme muß natürlich im Gesamtkontext von Gesundheits-, Jugend- und Familienpolitik, im weiteren Rahmen also der Gesellschaftspolitik, gesehen werden. Um die Ursachen zu verändern, bedarf es langfristiger Programme. Darauf ist in der Antwort hingewiesen worden.
Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Hilfsangeboten im Rahmen des Jugendhilfegesetzes zu, dessen Entwurf wir soeben an die Ressorts, die Länder und die Verbände zur Stellungnahme übersandt haben. Um junge Menschen und deren Eltern in Konfliktsituationen zu beraten und helfen zu können, ja um solche Konflikte möglichst nicht entstehen zu lassen, sieht dieser Entwurf einen verstärkten Ausbau der ambulanten sozialen Dienste vor. Bei Gefährdung oder Störung der Entwicklung, bei Erziehungsschwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten sollen Kinder und Jugendliche sowie deren Erziehungsberechtigte künftig Anspruch auf fachliche Beratung und Behandlung erhalten. Zur Prävention psychosozialer Störungen, auf denen das Mißbrauchsverhalten ja letztlich beruht, ist auch eine Intensivierung der Angebote der Jugendarbeit und der Familienbildung besonders wichtig.
Ich bin überzeugt, daß es uns auf diese Weise gelingt, den Gefahren des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs besser und wirksamer zu begegnen. Ich möchte Sie daher hier und heute schon um Ihre Unterstützung bei der parlamentarischen Beratung des Jugendhilferechts bitten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Bundesregierung kann den Kampf gegen die Suchtgefahren nicht allein führen. Dies wird auch von der Opposition wohl nicht erwartet, da die Appelle auf Beteiligung der Verbände unüberhörbar sind. Aber die Bundesregierung beteiligt ja, Herr Kroll-Schlüter, die Verbände. Sie hält allerdings nichts von massivem Vorgehen, sondern sie hält viel von gezielter sachgerechter Bekämpfung der Suchtgefahren. Die Opposition versteht hierunter aber offensichtlich, wie Ihre Entschließung heute wieder zeigt, unter diesem massiven Vorgehen Maßnahmen, die ohnehin schon im Gange sind und die zum Teil gar nicht in die Zuständigkeit des Bundes fallen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Auch das haben Sie nicht richtig gelesen! Schade!)

Die Bundesregierung ist weit davon entfernt, die hier diskutierten Probleme zu bagatellisieren. Es gibt das alles: die Leere, den Wohlstandsüberdruß, persönliche Schicksalsschläge, allgemeine Schwierigkeiten. Es gibt auch Flucht in den Alkohol und/ oder in die Drogen. Auch unsere Gesellschaft ist kein Hort selbstverständlicher Harmonie. Man darf aber weder eine falsche Entschuldigung noch einen falschen Schuldigen suchen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Aber man muß sich mit den Problemen auseinandersetzen!)




Bundesminister Frau Huber
Was der familienpolitische Sprecher der Opposition — das haben Sie heute auch wiederholt, Herr Kroll-Schlüter — sich nicht scheut zu unterstellen, nämlich daß es eine Kette gebe von der angeblich schlechten Politik dieser Regierung und den dadurch verursachten Problemen zu Realitätsflucht, Alkohol und Drogenmißbrauch bis hin zum Selbstmord junger Menschen — das funktioniert nicht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das ist nichts anderes als eine infame Unterstellung. Wie wäre es sonst zu erklären, daß das ein internationales Problem ist und überall auftritt, auch da, wo konservative Regierungen herrschen?

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Entweder hat die internationale Welt schuld oder die Bundesländer, nur Sie nicht!)

— Solche Länder, Herr Kroll-Schlüter, die sicher nicht an den uns unterstellten anonymen Sozialstaatsmodellen leiden, sondern manchmal sogar an größeren Problemen als die Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die wenigsten Trinker, die wenigsten Gefährdeten verzeichnet bei uns die Unterschicht; das sind die Leute mit den kleinen Einkommen. Es gibt also keinen Elendsalkoholismus in der Bundesrepublik.

(Beifall bei der SPD)

Die Suchtgefahren sind da, sie sind ernst; aber sie sind in den letzten Jahren nicht gewachsen. Problemtrinken, soweit es das gibt, Realitätsflucht in die Drogen haben ganz andere Ursachen. Man kann ihnen, so hoffen wir, zwar ohne Patentrezepte, aber mit staatlichen Mitteln und viel individueller Mühe allmählich beikommen, aber ganz sicherlich nicht mit einer konservativen Politik.

(Beifall bei der SPD und der FDP — KrollSchlüter [CDU/CSU] : Ihre ist reaktionär! Wenn man Sie hört, wird einem wirklich angst um das Problem! Eine äußerst schwache Rede war das! — Hasinger [CDU/ CSU] : Dürftige Ausführungen!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0805602400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Geier.

Erna-Maria Geier (CDU):
Rede ID: ID0805602500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Minister, es soll doch wohl keine Rüge gewesen sein, als Sie eben meinten, die Opposition hätte ihre Anfrage gar nicht erst einbringen sollen. Ich nehme an, diese Bemerkung entsprang einem persönlichen Beleidigtsein, daß wir es nämlich gewagt haben, ein Problem anzusprechen, das Sie eben doch noch nicht gelöst bzw. richtig in den Griff bekommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir an Ihrer Beantwortung unserer Fragen besonders vermissen, ist die Grundsatzaussage, daß die Familie der wichtigste Faktor vor allen Dingen zur Vorbeugung bei Schwierigkeiten Jugendlicher ist, aber auch zur Stabilisierung der Persönlichkeit
der Jugendlichen. Eine gute Jugendpolitik ist doch nur möglich, wenn ihr eine familienfördernde Politik vorausgegangen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Feststellung fehlt bei Ihnen eben bis heute.
Frau Minister, es genügt uns nicht, daß Sie draußen in der Öffentlichkeit in Ihren Reden feststellen, „ohne Familie gehe nichts", wenn nicht gleichzeitig in Ihrem Hause, und zwar bei allen Gelegenheiten, spürbar der Beweis angetreten wird. In Ihrer Antwort erscheint z. B. Familie recht spät. Sie sprechen von der Familie zum erstenmal im Zusammenhang mit der Familientherapie. Da meinen Sie, daß die Familie mithelfen müsse, wenn ein Jugendlicher bereits süchtig sei. Wir sind der Meinung, die Familie wird viel, viel früher gebraucht und muß deshalb auch entsprechend gefördert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auf Seite 26 Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage erwähnen Sie die Familie dann noch einmal im Zusammenhang mit den „Elternbriefen" als Erziehungsleitfaden und im Zusammenhang mit den Elternbildungsangeboten. Ganz gewiß sind das sehr wichtige und notwendige Maßnahmen, aber damit darf ein Familienministerium die Aufgabe der Familienpolitik doch nicht als erledigt betrachten. Uns genügt das auf jeden Fall nicht.
Wir fordern, daß die Familie — mehr als bisher — wieder zum Mittelpunkt aller Lebensfunktionen, vor allem im Hinblick auf unsere Kinder und Jugendlichen, gemacht wird. Davon hängt doch weitgehend ab, ob Heranwachsende die Institution Familie als die wichtigste Lebensgemeinschaft betrachten und als Ort von Erziehung und Bildung anerkennen oder nicht. Wenn die Familie aber mit regierungsamtlicher Genehmigung als „Ort der Fremdbestimmung" — wie im Familienbericht ausgeführt — bezeichnet wird, so werden wir labile Jugendliche — und das sind die Suchtgefährdeten — ganz bestimmt nicht dazu bewegen können, den Halt in der Familie zu suchen.
Wir reden über Drogen und Alkoholismus und sagen, das sei eine Krankheit. Gerade deshalb müssen wir doch die Symptome erkennen, bevor wir die Therapien ansetzen.

(Zurufe von der SPD)

— Ja, wir müssen Ursachenforschung betreiben. Aber das mögen wieder einige Leute aus der linken Szenerie nicht,

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

nämlich diejenigen, die in ihrer eigenen ideologischen Verblendung bereits begonnen haben, die Jugendlichen aus den Familien herauszuholen oder durch ihre Konfliktstrategie zumindest eine große Entfremdung zwischen Eltern und Jugend hervorzurufen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Sie beleidigen die Masse unserer Familien!)




Frau Geier
Um überhaupt die Ursache der Gefährdung der Jugend zu finden, muß man eine Einteilung in drei Felder vornehmen: die Familie, die Gesellschaft und die Regierung.
Zuerst das Elternhaus: In vielen Familien ist es zu einer Entleerung der emotionalen Beziehungen gekommen. Vom rationalen Zeitgeist sind Gefühl, Gemüt, Zärtlichkeit, Zeit für das Kind und Spiel zurückgedrängt worden. Die Umwelteinflüsse, aber auch das fehlende Einfühlungsvermögen vieler Eltern haben bewirkt, daß heute nahezu 30 % der Jugendlichen verhaltensgestört sind.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Viele Kinder werden schon recht früh einsam und verunsichert, und das ist ein Auslösungsfaktor für ihr späteres Suchtverhalten:

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Und dann ist wohl die Regierung schuld!)

weil z. B. vielleicht die Mutter in den ersten Lebensjahren dem Kind nicht als die Bezugsperson zur Verfügung stand. Das sagt die Union schon immer, aber jetzt sagen das auch sehr laut und deutlich namhafte Erziehungswissenschaftler und Ärzte. Sie weisen immer häufiger auf die negativen Auswirkungen der frühkindlichen Mutterentbehrung hin und rufen den Staat heute auf, nicht tatenlos zuzusehen, wie Muttersein und Mutterpflicht immer mehr falsch verstanden werden.
Wenn dann eine ideologisch gelenkte Emanzipation der Frau hinzukommt, die in eine Rollenverwirrung hineinführt, indem die Frau von der Rolle als „Heimchen am Herd" in eine neue Rolle, nämlich die der „Karrierefrau", hineingedrängt werden soll, dann werden wiederum die spezifischen Aufgaben der Mutter in der Erziehung des Kindes, hauptsächlich beim Kleinkind, unerfüllt bleiben. In dieser Rollenkonfusion wachsen unsere Kinder doch heute heran.
Bemerkenswert ist, meine Damen und Herren, daß nicht nur irgendwelche wildgewordenen Feministinnen unter Emanzipationsschwierigkeiten leiden. Im Familienbericht der Bundesregierung wird die Mutterrolle geradezu herabwürdigend behandelt. Sie führe zu Konflikten, schreiben Sie dort. Die Mutter, die ihre ganze Kraft ausschließlich der Familie widmet, wird dort negativ als nicht emanzipiert dargestellt; sei wird pauschal verdächtigt, ihre eigene Unterdrückung in eine totalitäre Erziehungspraxis umzusetzen.

(Zurufe von der SPD: Wo haben Sie denn das her?)

Deshalb fordern Sie dann die Kontrollierbarkeit der elterlichen Erziehung.

(Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

— Ich rede zum Thema. Die Kinder, die ein solches Mutterbild vermittelt bekommen, werden sich nämlich niemals an den Werten der Familie orientieren, sondern später in die Gruppe der Jugendlichen geraten, die entweder in der Kriminalität oder in der
Drogen- und Alkoholsucht enden. Das hat sehr viel mit dem Thema zu tun.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Sie sind eine schlimme Ideologin!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0805602600
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fiebig?

Erna-Maria Geier (CDU):
Rede ID: ID0805602700
Ich möchte Fragen erst am Schluß beantworten; ich habe nur 10 Minuten Zeit.
Frau Minister, Sie als Verantwortliche für Familie und Jugend sind hier aufgerufen, grundlegende Korrekturen vorzunehmen. Sie sind aufgerufen, dafür zu sorgen, daß in Zukunft die Diskriminierung von Familie und Mutter aufhört. Ihre Vorgängerin ist auf dem Glatteis der Fachideologie ausgerutscht. Sie aber haben die Chance, uns heute und hier zu sagen, wie Sie die Maßstäbe für den Stellenwert der Familie neu setzen wollen.

(V o r sitz : Vizepräsident Frau Funcke)

Wen wundert es denn, wenn wir unsere heutige Schulpolitik betrachten,

(Immer [Altenkirchen] [SPD] : Ja, in Rheinland-Pfalz zum Beispiel!)

— wenn wir unsere Schulpolitik wie in Hessen betrachten; dann haben wir gerade genug an sozialistischem Beispiel wen wundert es denn bei diesem offiziell geduldeten falschen Elternbild, das dort vermittelt wird, daß sich die Jugendlichen von der Familie abwenden und in Drogen, Alkohol und Kriminalität enden?
Sagen Sie, Frau Minister, jetzt nicht, Schulpolitik sei Ländersache.

(Zuruf von der SPD: Wieso denn? Das ist sie doch!)

Der Bundesminister für Jugend und Familie gibt die Richtschnur der Familienpolitik,

(Immer [Altenkirchen] [SPD] : Das, wovon Sie sprechen, ist aber Schulpolitik!)

und wir können es nicht dulden, daß er abseits steht, wenn aus unseren Schulen durch Konfliktpädagogik laufend Konfliktstoff in die Familien hineingetragen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU — Fiebig [SPD]: Was hat das mit Alkoholmißbrauch zu tun?)

— Das hat sehr wohl etwas mit Familienpolitik zu tun! Das ist es ja gerade, was Sie nicht wahrhaben wollen. — Deshalb haben wir ja diese Anfrage gestellt. Es ist bedauerlich, daß Sie immer noch nicht kapiert haben, wo die eigentlichen Ursachen liegen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Der Herr Pastor wird noch darüber nachdenken müssen!)

Sie liegen nämlich in der Ideologie und der Verunsicherung, die Sie verbreiten, auch wenn sich die Frau Minister noch so sehr dagegen wehrt.

(Zurufe von der SPD)




Frau Geier
Unsere heutigen Jugendlichen haben eben keine Wertvorstellungen von Familie, keine Wertvorstellungen von verantwortlicher Gemeinschaft mehr.

(Hauck [SPD] : Sie können doch nicht pauschal von „unseren Jugendlichen" reden! Es sind 40 000! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie können doch nicht unser Land verunglimpfen!)

— Ich darf hier korrigieren: Ich meine die Jugendlichen, die bereits suchtgefährdet sind. Von denen reden wir doch! Und ist Ihnen die Zahl 40 000 zu gering? Das ist doch eine enorm große Zahl! Wir müssen doch dafür sorgen, daß diese Zahl überhaupt verschwindet oder mindestens sehr weit heruntergedrückt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU — Immer [Altenkirchen] .[SPD]: Da kann man nur sagen, Schwarze trinken nicht! — Franke [CDU/ CSU]: Nicht darauf eingehen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, merken wir uns doch eines für die Zukunft: Wenn wir so fortfahren, die Familie, den Staat und unser System immer nur negativ darzustellen,

(Zurufe von der SPD: Das machen doch Sie! — Sie tun das doch laufend! )

werden immer mehr Jugendliche alles hassen lernen, und dann werden sie eben diese Wege gehen, von denen wir hier heute sagen, wir müßten ihnen entgegenwirken. Frau Minister, niemand hat behauptet, diese Bundesregierung unternehme nichts gegen diese Problematik und gegen diese Suchtgefahr. Aber wir haben das Gefühl, daß das, was unternommen wird, eben nicht ausreicht, und deshalb wollen wir mit Ihnen zusammen darüber diskutieren. Wir hoffen, daß bei Ihnen nach dem guten alten Sprichwort „Einsicht ist immer der beste Weg zur Besserung" diese Einsicht bald gegeben ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805602800
Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0805602900
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der letzten Rede, die wir gehört haben, habe ich so etwas den Eindruck, als werde sich die großangekündigte jugendpolitische Offensive der Union festrennen und als würden Sie Gefahr laufen, daß Sie — wie es ja im Sport häufig ist, wenn man offensiv wird — durch Konterschläge eine ganze Zahl von Toren

(Burger [CDU/CSU] : Erzielen!)

in Kauf nehmen müssen, weil Sie vergessen haben, Ihr eigenes Tor zu bewachen.
Ich freue mich darüber, daß die Große Anfrage der Union Gelegenheit gibt, in diesem Hause erneut ein ernstes Thema der Jugend-, Familien- und Gesundheitspolitik zu diskutieren, daß wir Überlegungen über soziale Ursachen von Verhaltensänderungen anstellen und daß wir versuchen, die Mittel und Möglichkeiten des Staates, wachsende Probleme in
den Griff zu bekommen, zu untersuchen. Auch wenn Ihre Zahlen, Herr Kollege Kroll-Schlüter, von der Frau Minister schon eindeutig zurechtgerückt worden sind, ist das, womit wir es hier zu tun haben, sicherlich ein Problem.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Welche Zahlen?)

Daß unsere Diskussion ausgerechnet am 11. 11. 1977 — das ist ja auch noch, wie man es so nennt, eine Schnapszahl, und ich werde hier sogar um 11.11 Uhr reden — stattfindet, also zum Auftakt des Karnevals, reizt zum Philosophieren

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU] : Das, was Sie sagen, finde ich gar nicht witzig!)

— zum Philosophieren darüber, Frau Kollegin Wex, ob denn wirklich nur die vom Kollegen Kroll-Schlüter angeführten anonymen Sozialstaatsmodelle Ursache von Alkohol- und Drogensucht sind oder ob nicht auch sehr viel vordergründiger das Vorbild der Erwachsenenwelt eine problematische Rolle spielen könnte.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dies ist ja manchmal auch ein Vorbild, das den Konsum von Alkohol z. B. nicht nur toleriert, sondern sogar fördert, natürlich nicht nur beim rheinischen Karneval, sicherlich auch in Ihrer heimatlichen Bierstadt, sicherlich auch bei der Münchner Wies'n, wo ja der Erfolg des großen Vergnügens daran gemessen wird, wieviel Hektoliter Bier getrunken worden sind.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Ich will darauf nur hinweisen, damit hier keiner auf die Idee kommt, hier im Saal die angebliche Suchtgefährdung durch den Sozialismus zu beklagen und dann zu Hause am Wochenende im Wahlkreis mit seinen Freunden mal so richtig ein Faß aufzumachen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Hammans [CDU/ CSU] : Die Anfrage lautet: Kriminalität von Kindern und Jugendlichen! — Gegenrufe von der SPD)

— Sie kennen doch die Untersuchungen, Herr Kollege Dr. Hammans, wie stark der Elterneinfluß beim Drogen- und Alkoholmißbrauch, insbesondere beim Alkoholmißbrauch, auf die Kinder und Jugendlichen ist. Auch darum geht es hier, wenn wir nicht große Heuchelei treiben wollen.

(Beifall bei der SPD)

Die Debatte gibt der Bundesregierung aber auch die Gelegenheit,. vor der Offentlichkeit ihre umfangreichen Bemühungen darzustellen, im Rahmen der von der Verfassung eng gesetzten Grenzen einen Beitrag zur Lösung der Probleme zu leisten. Ich kann für meine Fraktion erklären, daß uns die Leistungsbilanz der Bundesregierung überzeugt. Sie hat auf dem Feld des Alkohol- und Drogenmißbrauchs das Notwendige getan, soweit es in ihrer Zuständigkeit liegt.
Was mich an den von der Union vorgetragenen Argumenten verwundert, ist der Glaube an die Be-



Kuhlwein
herrschbarkeit aller gesellschaftlichen Probleme durch den Staat.

(Beifall bei der SPD — Burger [CDU/CSU] : Wo steht das denn?)

— Lassen Sie mich das doch einmal erläutern! Gerade Unionspolitiker wehren sich doch immer dagegen, dem Staat weitere Eingriffsmöglichkeiten in gesellschaftliche Prozesse zu geben. Das gilt ja für die Wirtschaftspolitik oder auch für das elterliche Sorgerecht, mit dem wir uns hier noch zu beschäftigen haben werden. Aber die Stoßrichtung der Rede des Kollegen Kroll-Schlüter richtet sich ja auch und gerade wieder gegen den angeblich anonymen Sozialstaat, der angeblich die Eigenverantwortung und Eigeninitiative lähme. Herr Kollege Kroll-Schlüter, wenn das richtig ist

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Das habe ich vom Bundeskanzler!)

- ich habe es als Ihr Argument hier zitiert — dann kann es doch nicht gleichzeitig richtig sein, von der Bundesregierung noch mehr sozialstaatliche Eingriffe zu fordern.

(Beifall bei der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/ CSU] : Wer sagt das denn?)

— Das haben Sie doch hier getan. Sie haben doch gesagt: Was die Regierung macht, ist nicht genug; wir fordern noch mehr.

(Erneuter Beifall bei der SPD — Immer [Altenkirchen] [SPD]: So ist es!)

Dann erwarten wir aber deutliche Bekenntnisse sowohl beim elterlichen Sorgerecht als auch bei der bevorstehenden Diskussion über ein neues Jugendhilfegesetz.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805603000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0805603100
Herr Kollege Kroll-Schlüter, wir haben eine begrenzte Redezeit.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Nur eine kurze Frage, bitte!)

— Gut, eine ganz kurze Frage.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0805603200
Herr Kuhlwein, können wir uns darauf verständigen, daß, wenn wir z. B. eine Verstärkung der Hauptstelle für Suchtgefahren fordern, dies keine Stärkung des Staates ist, sondern eine Stärkung des freien Trägers, auf den der Staat angewiesen ist?

(Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU] : Falls Sie das zu unterscheiden vemögen!)


Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0805603300
Ich komme auf die freien Träger und ihre Bedeutung durchaus noch zu sprechen. Damit ist aber die Frage „anonymer Sozialstaat oder nicht?" aus dieser Diskussion noch nicht heraus.

(Beifall bei der SPD)

Die Instrumente des Staates sind begrenzt. Sie lasten es doch dem Staat an, wenn Wohlfahrtsverbände nicht funktionieren. Das tun Sie doch.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Die Instrumente des Staates sind begrenzt, Herr Kollege Kroll-Schlüter. Ich bitte Sie, einmal nachzulesen, was die Landesregierung in Schleswig-Holstein im Juli dieses Jahres im Landtag in Kiel in einer ähnlichen Debatte zum Thema der Bewältigungsmöglichkeiten der Probleme durch den Staat gesagt hat. Dort hieß es — ich darf zitieren —:
Wir sollten allerdings in dieser Debatte ehrlich zur Kenntnis nehmen, daß die Möglichkeiten des Staates zur Bekämpfung des Alkoholismus und der Drogenabhängigkeit verhältnismäßig gering sind. Wir dürfen unsere Möglichkeiten auf diesem Gebiet nicht überschätzen. Dies zeigt ein Blick in viele andere Länder, die sich wie die Bundesrepublik sehr intensiv mit diesen Fragen beschäftigt haben.
Das stammt von der CDU-Landesregierung Schleswig-Holstein und wurde im Kieler Landtag so gesagt. Das kann ich Ihnen zeigen, wenn Sie es nachlesen wollen.
Wir könnten darüber reden, ob und wo wir zweckmäßigerweise die Möglichkeiten des Staates ausweiten. Wir wollen z. B. — das gilt für meine Fraktion — ein neues Jugendhilferecht. Aber wir können auch im Rahmen der geltenden Gesetze einiges mehr tun. Dann wäre allerdings mehr eine Aufforderung an Länder und Gemeinden zu richten, auch ihren Teil dazu beizutragen, um z. B. erkennbare soziale Ursachen des Drogen- und Alkoholmißbrauchs und der Kriminalität abzubauen, soweit das durch staatliche Eingriffe überhaupt möglich ist, die Gesetze voll auszuschöpfen und die erforderlichen Einrichtungen für Prävention, Beratung und Therapie — natürlich gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden — zu schaffen.
Wir sollten uns aber vor der schrecklichen Vereinfachung hüten — bei Frau Kollegin Geier habe ich das vorhin durchgehört —, als wären diese oder jene Partei und ihr Programm oder diese oder jene Politik an der ernsten Entwicklung im Zusammenhang mit Drogen und Alkohol schuld. Wenn ich mir es so einfach machte, meine Damen und Herren von der Rechten, würde ich sagen: Der Kapitalismus ist an allem schuld.

(Braun [CDU/CSU] : Wir sitzen in der Mitte! — Dr. Hammans [CDU/CSU] : Wir sitzen in der Mitte und nicht auf der rechten Seite des Hauses!)

— Von der Bewußtseinslage und von Ihren Verhaltensweisen her sind Sie halt rechts.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde der Opposition vorhalten, daß es im traditionell CDU-regierten Süden der Bundesrepublik, in Bayern und Baden-Württemberg, prozentual mehr Alkoholgefährdete gibt

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: So ist es!)




Kuhlwein
als im „roten" Hessen mit seinen „schrecklichen" Rahmenrichtlinien, wo angeblich die Konfliktstrategien daran schuld sind, daß die Leute so oft zum Becher greifen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Herr Kollege Geisenhofer sagt Ihnen das gleich!)

Ich würde die Opposition dann fragen, ob der Grund dafür, daß in den Ländern im Süden der Bundesrepublik soviel getrunken wird, die Verzweiflung darüber ist, daß die Menschen dort die jeweilige Landesregierung nur noch im Rausch ertragen können.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Oder ich würde fragen, ob die Leute, die zu Franz Josef Strauß ins Bierzelt kommen,

(Immer [Altenkirchen] [SPD] : Sehr gut!) die Mühseligen und Beladenen sind,


(Immer [Altenkirchen] [SPD]: So ist es!) die sich dort erquicken lassen wollen.


(Burger [CDU/CSU] : Wer trinkt denn in Bayern Bier?)

Meine Damen und Herren, ich müßte Ihnen vorhalten, daß eine Untersuchung im CDU-regierten Schleswig-Holstein über den Alkoholismus Jugendlicher ergeben hat — Auftragggeber: Sozialministerium; Sie kennen die Studie wahrscheinlich —, daß etwa die Hälfte der befragten Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren im Schulunterricht dort noch nie etwas über Alkohol gehört hatte und daß dort die Beteiligung von Lehrkräften an den Lehrgängen über das Thema „Rauschmittelmißbrauch" nach Angaben der „Aktion Jugendschutz" stetig zurückgegangen ist, weil die Bereitschaft fehlt, den Lehrern hierfür Dienstbefreiung zu gewähren. Das wären dann, Herr Kollege Kroll-Schlüter, die Fragen, die ich angesichts dessen stellen würde, was Sie hier reden und was Sie dort tun, wo Sie die politische Verantwortung tragen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber ich bin sicher, daß es solche Probleme auch in anderen Bundesländern gibt. Gerade deshalb warne ich davor, aus dem Glashaus heraus mit Steinen zu werfen. Es könnte nämlich passieren, daß wir uns dabei alle gemeinsam an den Scherben in den Finger schneiden.

(Hasinger [CDU/CSU] : Mit der Bundesregierung beschäftigen Sie sich überhaupt nicht!)

Das gilt auch für die konsequente Anwendung bestehender Gesetze. Unter Ziffer 1 Ihres Resolutionsentwurfes fordern Sie eine Verschärfung des Jugendschutzgesetzes. Was nutzt jedoch ein verschärftes Gesetz, wenn nach der schleswig-holsteinischen Untersuchung ein Drittel der Alkoholkonsumenten unter 16 Jahren selbst Alkohol kauft und dabei kaum auf Schwierigkeiten stößt? Wenn die Gesetze in allen Ländern durchgesetzt würden, wären wir schon ein ganz schönes Stück weiter. Die Bundesregierung hat mit ihrer Appellkampagne bei Lebensmitteleinzelhändlern, bei Gastwirten und mit ihrer Rechtshilfebroschüre ihren Beitrag geleistet.
Nun wird ja in diese Debatte — die Frau Kollegin Geier hat das zum zentralen Thema gemacht — der ganze weite Bereich der Familienpolitik eingebracht. Lassen wir den ideologischen Qualm, den sie hier verbreitet hat, einmal beiseite. Es bleibt: Die Union stellt die Behauptung auf, die Bundesregierung betreibe geistig und materiell eine familienfeindliche Politik. Was die materielle Seite angeht, so verweise ich wegen der Kürze der Zeit nur auf die Kindergelderhöhungen. Aber in der geistigen Auseinandersetzung erwarte ich von der Union etwas mehr Geist. Ich erwarte auch die Lektüre einschlägiger Papiere, nicht irgendwelcher Papiere, die irgendwann einmal erdacht worden sind. Im familienpolitischen Leitantrag des SPD-Parteivorstandes, der nächste Woche in Hamburg verhandelt werden soll, heißt es ausdrücklich:
Die SPD bejaht die Ehe und die Familie und sieht in ihnen erstrebenswerte Formen des Zusammenlebens.

(Beifall bei der SPD — Frau Dr. Wex [CDU/ CSU]: Das sieht man ja!)

Wir teilen allerdings nicht Ihre Auffassung, Frau Kollegin Wex, daß die Familie immer aus sich heraus heil und intakt ist.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU] : Wer hat das denn gesagt?)

Gerade aus vielen Drogen- und Alkoholuntersuchungen wissen wir, daß auch die scheinbar intakte Familie auf diesem Feld zusätzlicher Hilfen bedarf und daß manchmal auch das Vorbild der Eltern nicht gerade geeignet ist, den Mißbrauch von Rauschmitteln zu verhindern.

(Beifall bei der SPD — Frau Dr. Wex [CDU/CSU] : Dann erwarten wir, daß Sie unsere Sachen lesen!)

Das gilt interessanterweise vor allem für Familien aus der Ober- und Mittelschicht. Ich hoffe, daß das nicht die Werte sind, von denen die Frau Kollegin Geier vorhin gesprochen hat. Das hat ja dann offenbar etwas mit dem sozialen Rang zu tun, den viele an ihrem Alkoholkonsum nachweisen zu können glauben.
Was die Berufstätigkeit der Frauen und den Zusammenhang mit dem Alkoholproblem bei den Kindern angeht, so gibt es auf jeden Fall keine schlüssigen Beweise.

(Immer [Altenkirchen] [SPD] : Sehr richtig!)

Es gibt auch keine Beweise für das Gegenteil. Aber immerhin haben eine INFRATEST-Untersuchung bei 2 700 Befragten in Bayern und eine Jugendamtsuntersuchung in Hamburg ergeben, daß die Berufstätigkeit der Mütter für den Alkoholkonsum der Kinder keine entscheidende Rolle spielt. Auch das sollte man einmal zur Kenntnis nehmen und in die weiteren Überlegungen mit einfließen lassen.

(Beifall bei der SDP Kroll-Schlüter [CDU/ CSU] : Sie bewegen sich immer nur am Rande des Problems!)




Kuhlwein
Meine Damen und Herren, ich teile die Auffassung der Bundesregierung, die in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von SPD und FDP vom Juni 1975 zum Ausdruck kommt, wonach das Grundproblem langfristig nur zu lösen sei, wenn es gelinge, die negativen Auswirkungen des sozialen Wandels abzufangen, die letztlich alle mit einer sozialen Versteppung und emotionalen Verarmung verbunden seien. Nur, mit einer Neuauflage überlieferten Familienideologie, wie wir das soeben gehört haben, wird man diesem Problem nicht gerecht;

(Beifall bei der SPD und der FDP)

denn eine solche Neuauflage würde nur den Blick auf die Strukturveränderungen verstellen, die heute für die Familie zusätzliche Konflikte bedeuten: Streß im Beruf und in der Schule — den gibt es ja wohl auch in unionsregierten Ländern —, unwirtliche Städte, Landflucht aus den Dörfern, ständige Medienberieselung von Jugendlichen und Kindern, um nur einige der Faktoren zu nennen, die neue Probleme für die Familien stellen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Frau Huber bestreitet das alles!)

Ich stimme dem Kollegen Kroll-Schlüter zu, wenn er es für einen gefährlichen Irrtum hält, zu glauben, Kinder und Jugendliche seien mit dem zufrieden, was wir Wohlstand nennen. Ich finde es sogar gut, daß die Kinder und die Jugendlichen damit nicht zufrieden sind. Aber ich glaube, daß die Union bei einer eingehenden Analyse dann auch sagen müßte, daß sie an einer gesellschaftlichen Entwicklung nicht ganz unschuldig ist, die materiellen Wohlstand zum obersten Ziel menschlichen Strebens erhoben hat

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

und die dafür erforderliche Durchsetzungsfähigkeit mit den Ellenbogen zur Tugend erklärt hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP — KrollSchlüter [CDU/CSU] : Das ist unwahr!)

Ich erinnere mich noch an viele Debatten im Schleswig-Holsteinischen Landtag, wo der SPD Leistungsfeindlichkeit unterstellt wurde,

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: So ist es!)

weil wir die Frage gestellt haben, ob der Leistungsdruck in den Schulen nicht unerträglich geworden sei.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Wir Sozialdemokraten freuen uns über einen neuen Bundesgenossen, Herr Kollege Kroll-Schlüter, wenn es darum geht, die Gesellschaft mehr durch eigenes Handeln, eigene Aktivität und Mitarbeit im Sinne mitbürgerlicher Solidarität zu entwickeln. Das könnte aus dem Orientierungsrahmen 85 abgeschrieben worden sein.

(Beifall bei der SPD)

Sie werden uns dann sicherlich bei künftigen Mitbestimmungsdiskussionen sowohl im Bereich der Wirtschaft als auch der Schulen und Hochschulen tatkräftig unterstützen, und Sie werden dann sicherlich auch bei Ihren Freunden in den Kommunen dafür sorgen, daß sie den Jugendlichen Mitbestimmungsrechte bei der Verwaltung von Jugendzentren einräumen, damit sie etwas Sinnvolles zu tun kriegen.

(Erneuter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, unser grundgesetzlich garantierter Sozialstaat ist dann kein anonymes Sozialstaatsmodell, wenn wir den Menschen mehr Möglichkeiten einräumen, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu verwalten und in den gemeinsamen Angelegenheiten mitzubestimmen. Der Parteivorsitzende der SPD hat 1969 der sozialliberalen Koalition mit auf den Weg gegeben, wir sollten mehr Demokratie wagen.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Wir haben das auf vielen Feldern in gesellschaftliche Wirklichkeit umgesetzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Im Gegenteil!)

— Wir freuen uns ja, wenn die Union' jetzt dabei mitmachen will.

(Beifall bei der SPD und der FDP — KrollSchlüter [CDU/CSU] : Nur durch uns kann das erreicht werden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassen.
Erstens. Auch die SPD sieht in der Zunahme des Alkohol- und Drogenkonsums bei Jugendlichen eine ernste Gefahr.
Zweitens. Die Ursachen dieser Entwicklung sind vielfältig. Deshalb sind auch differenzierte Maßnahmen nötig.
Drittens. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Zuständigkeiten das nach den bisherigen Erkenntnissen Richtige im erforderlichen Umfang getan. Was die Union in ihrem Antrag fordert, ist zum Teil bereits gemacht worden, zum Teil bereits eingeleitet.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Zum Beispiel? Nennen Sie mal ein Beispiel!)

— Meine Kollegen werden Ihnen das noch sagen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Ach so!)

Viertens. Es kommt jetzt darauf an, daß die zentral angelaufenen Maßnahmen in praktisches Handeln vor Ort umgesetzt werden. Dazu brauchen wir die Mitarbeit von Ländern, Gemeinden, freien Trägern und allen Bürgern, die auf junge Menschen Einfluß haben.
Fünftens. Die SPD-Fraktion setzt sich dafür ein, daß .das von der Bundesregierung angekündigte neue Jugendhilfegesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Sie erhofft sich davon eine nachhaltige Wirkung auch im Bereich des Alkohol- und Drogenmißbrauchs und der Jugendkriminalität. Wir hoffen, daß die Opposition auf ihre Finanzminister in den Ländern Einfluß nehmen wird, um dieses Gesetz auch im Bundesrat durchsetzen zu können.

(Beifall bei der SPD und der FDP)





Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805603400
Das Wort hat der Abgeordnete Eimer.

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0805603500
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß die CDU/CSU-Opposition dem Deutschen Bundestag mit ihrer Großen Anfrage Gelegenheit gegeben hat, einen Komplex von zentraler Wichtigkeit zu debattieren: die Gefährdung unserer jungen Generation durch Alkohol, Drogen und Kriminalität. Dank gebührt aber selbstverständlich auch der Bundesregierung, die sich die Beantwortung der 30 Fragen nicht leichtgemacht hat. Ihre Antwort ist zu einer wertvollen Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation geworden. Der Dringlichkeit des Themas kann sich, glaube ich, niemand verschließen.
Der Deutsche Bundestag hat wahrlich Grund genug, sich mit den Problemen der jungen Generation zu beschäftigen. Es könnte sich nämlich herausstellen, daß die Probleme der Jugend ein Spiegelbild der Versäumnisse der älteren Generation sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn man über das Thema „Alkoholismus" spricht, so gerät man in die Gefahr des Moralisierens oder in den Verdacht, Antialkoholiker zu sein. Mir geht es hier aber nicht darum, den Alkohol zu verteufeln. Wir haben die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Opposition zum Alkohol- und Drogenmißbrauch und zur Kriminalität von Kindern und Jugendlichen vor uns liegen und müssen betroffen feststellen, daß der Alkoholgenuß zunimmt, daß Jugendliche immer früher zum Alkohol greifen, daß Probleme auf uns zukommen, die dringend gelöst werden müssen. Wir wissen, daß sich die Bundesregierung, kirchliche, öffentliche und private Institutionen darum bemühen, durch Aufklärung den Alkoholkonsum insbesondere von Kindern und Jugendlichen wieder zurückzudrängen. Wir wissen aber auch, meine Damen und Herren, daß diese Bemühungen bisher nicht sonderlich erfolgreich waren. Wir wissen, daß die Erkenntnis zunimmt, daß Alkohol, in größeren Mengen regelmäßig genossen, schädlich ist. Wir wissen aber auch, daß man sich trotzdem nicht danach richtet.
Woher kommt es, daß unsere Aktionen nicht den gewünschten Erfolg haben? In der Antwort der Bundesregierung sind die Ursachen beschrieben und in drei Gruppen eingeteilt. Die größte dieser Gruppen mit mehr als der Hälfte der Fälle betrifft diejenigen, die glauben, Trinken gehöre zum Lebensstil. Dieser soziale Zwang zum Trinken bleibt natürlich Kindern und Jugendlichen nicht verborgen. Ich frage mich, wie alle Aufklärungen wirken sollen, wenn die Welt der Erwachsenen ein schlechtes Vorbild gibt.
Wenn wir vor uns selbst ehrlich sind, müssen wir feststellen, daß im Privatleben, im Beruf, in der Werbung Alkohol meist nur positiv dargestellt wird. Wenn wir Besuch bekommen — privat, in der Firma, zu Besprechungen — wird Alkohol angeboten, und Ablehnen gehört in dieser Gesellschaft nicht zur Norm.
Wenn wir Werbung für alkoholische Getränke im Fernsehen anschauen, dann werden uns junge
Menschen in fröhlicher Stimmen oder ältere Menschen in besinnlicher Stimmung in gepflegter Wohn-und Lebenskultur gezeigt. Kurz, das Image des Alkohols in der Werbung, aber auch in der Öffentlichkeit ist nicht schlecht, ganz im Gegenteil. Der soziale Rang ist am Etikett des Kognaks abzulesen.
Nun verlangen wir selbstverständlich kein Werbeverbot für Alkoholika. Wenn es aber Werbung für Alkohol gibt, dann sollte man, so glaube ich, überlegen, ob nicht — ähnlich wie beim Tabak — die Bundesregierung in einer Antiwerbung die Kehrseiten des Alkoholgenusses aufzeigen sollte. Dieses Auseinanderklaffen von Vorbild und Aufklärung macht die Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs so schwer. Wir predigen Wasser und trinken selbst Wein. Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum wir eine so hohe Rückfallquote haben.
Meine Damen und Herren, in einem liberalen Staat kann die Bundesregierung nicht Sitten und Moral der Bürger steuern. Ihre Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen, sind gering. Maßnahmen sind auch wirkungslos, wenn die Bestrebungen vom Bürger nicht weitgehend unterstützt werden. Wir sind deshalb der Meinung, daß auf diesem Gebiet vor allem die Bemühungen der 'freien Träger vor Ort unterstützt werden müssen.
Was ich in der Antwort der Bundesregierung — danach hat die Opposition auch nicht gefragt — vermisse, sind Angaben über die Kosten, die der deutschen Volkswirtschaft durch Alkoholismus bzw. durch Alkoholkranke entstehen. Angaben über diese Kosten habe ich bisher nirgends auftreiben können. Sie sind meines Wissens auch nirgends erfaßt worden. Ich meine aber, es wäre zweckmäßig, wenn wir wüßten, welche Kostenbelastung durch Alkoholismus für unsere Volkswirtschaft entsteht, wenn wir diese Kosten in Relation zur Menge des verbrauchten Alkohols setzen könnten, wenn wir sie in Relation zu den Steuermitteln setzen könnten, die der Staat durch Alkoholsteuern einnimmt.
Wie interessant solche Zahlenvergleiche sein können, kann ich Ihnen hier nur am Beispiel des Tabakkonsums zeigen. Die Opposition hat in der letzten Legislaturperiode eine Anfrage betreffend die Auswirkungen des Zigarettenrauchens gestellt. In der Antwort der Bundesregierung ist der volkswirtschaftliche Schaden aufgeführt. Setzt man diese Beträge ins Verhältnis zur Zahl der gerauchten Zigaretten, dann muß man feststellen, daß pro Zigarette ein volkswirtschaftlicher Schaden von ungefähr 14½ Pfennig entsteht, während die Steuereinnahmen des Staates auf der anderen Seite nur 6½ Pfennig pro Zigarette betragen. Um die Mehrbelastungen auszugleichen, die nur den Krankenkassen durch Rauchen entstehen, müßte pro Zigarette ein Versicherungsbeitrag von 2,2 Pfennigen erhoben werden.
Ich kann mir vorstellen, daß es für uns sehr wichtig ist, ähnliche Zahlen über den Bereich des Alkoholismus zu bekommen. Ich gebe dies als Anregung an die Bundesregierung weiter.



Eimer (Fürth)

Es gibt weitere Punkte, die hier anzusprechen sind. Ich denke z. B. an Leute — sehr oft sind es Jugendliche —, die am Wochenende in ein Tanzlokal gehen und keinen Alkohol trinken wollen, weil sie Kraftfahrer sind, dann aber teilweise erhebliche Mühe haben, alkoholfreie Getränke zu erhalten. Sie können sich selbst einmal die Mühe machen und einige Lokale testen; Sie werden erstaunt sein, in wie vielen Lokalen ein Alkoholzwang herrscht. Ich rege an, Plaketten an Lokale zu verteilen, die nicht nur eine gepflegte Weinkarte, sondern auch eine gute Auswahl alkoholfreier Getränke aufweisen. Auch eine Plakette für autofahrerfreundliche Lokale kann als geeignete Maßnahme zum Kampf gegen den Alkoholismus ein wenig beitragen.
Wir müssen feststellen, daß es in unserer Gesellschaft viele Gelegenheiten gibt, bei denen wir durch gesellschaftlichen Zwang zum Alkohol verführt werden oder andere unter den Zwang setzen, Alkohol zu konsumieren, einen Zwang, dem man sich oft nur entziehen kann, indem man gegen gesellschaftliche Normen verstößt.
Wir müssen weiter feststellen, daß alle Bemühungen, den Alkoholkonsum Jugendlicher einzudämmen, erfolglos sein müssen, wenn wir uns nicht an der eigenen Nase zupfen und wenn die Gesellschaft nicht ein besseres Vorbild gibt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Lassen Sie mich ein paar dieser Situationen ins Gedächtnis rufen, in denen es einfach Sitte ist, Alkohol zu trinken. Das ist z. B. bei privaten Besuchen, beruflichen Gesprächen, in Studentenverbindungen, bei der Bundeswehr üblich.
Dieses Thema eignet sich, Frau Geier, nicht für parteipolitische und ideologische Auseinandersetzungen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir können nur dann etwas erreichen, wenn wir gemeinsam versuchen, die Diskrepanz zwischen dem Wissen über den Schaden durch Alkohol und unserem eigenen Verhalten zu beseitigen, und wenn Bundesregierung und Parlament ebenso wie Bund, Länder und Gemeinden all jene Institutionen vor Ort unterstützen, die sich dem Kampf gegen den Alkoholmißbrauch verschrieben haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805603600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geisenhofer.

Franz Xaver Geisenhofer (CSU):
Rede ID: ID0805603700
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion Stellung nehmen, und zwar zu jenen Bereichen, die sich auf die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern beziehen.
Sicher besteht in diesem Hohen Haus Übereinstimmung darüber, daß die Bekämpfung von Rauschgift sowie des Alkohol- und Drogenmißbrauchs nur im engsten Zusammenwirken zwischen
dem Bund und den Ländern betrieben werden kann. Daß in dieser Zusammenarbeit noch Lücken bestehen, beweist die Antwort der Bundesregierung auf die Frage der CDU/CSU-Frakion: „Wie viele Arbeitsunfälle sind unmittelbare Folgen des Alkoholkonsums?" Hier muß die Bundesregierung passen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Leider!)

Sie antwortet: „Zahlen über Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit Alkoholkonsum liegen der Bundesregierung leider nicht vor." Ich meine, es müßte möglich sein, mit Hilfe einer verbesserten Unfallstatistik diese Lücke zu schließen. Es steht ja fest, daß bei der Hälfte der zirka 14 000 Verkehrstoten in der Bundesrepublik Deutschland im letzten Jahr und bei vielen Tausenden Verkehrsunfällen Alkohol im Spiel gewesen ist. Es ist zu vermuten, daß auch im Arbeitsleben eine Unzahl von Unfällen auf Alkohol, vor allem auf die harten Sachen, zurückzuführen ist.
Die Bundesregierung kann auf diese Frage keine Antwort geben. Wer keine Antwort geben kann, kann auch nicht Abhilfe schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir fragen: Muß es im Gegensatz zum Verkehrsbereich bei dieser Dunkelziffer bleiben?
Die Frage 16 unserer Großen Anfrage:
Wie viele Drogenkranke werden zur Zeit durch den Strafvollzug erfaßf, und wie viele davon werden körperlich und psychisch behandelt?
kann die Bundesregierung ebenfalls nicht beantworten, weil, wie sie selbst erwähnt, der Strafvollzug Angelegenheit der Bundesländer sei und die diesbezüglichen Zahlen aus den einzelnen Bundesländern nicht zur Verfügung stünden. Wir meinen, der Bundesregierung müßte es doch möglich sein, sich im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit den Ländern einen bundesweiten Überblick zu verschaffen. Das hat, meine Damen und Herren, nichts zu tun mit mehr Staat, sondern mit der besseren Auswertung der bei den Ländern, also beim Staat, gesammelten Daten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Rauschgifttodesfälle haben in den letzten Jahren ständig zugenommen. Ihre Zahl betrug im Jahre 1976 in der Bundesrepublik Deutschland 335, in Bayern allein 50. In Bayern ist heuer der 38. Rauschgifttote, ein Student, in München gefunden worden. Der 19jährige lag nach Angaben der Polizei in einem Außenbezirk der Landeshauptstadt in einem abgestellten Kraftwagen. Die Polizei fand neben ihm eine gebrauchte Einwegspritze, die er vermutlich benutzt hatte. Der 37. Rauschgifttodesfall war in den letzten Wochen in Augsburg zu verzeichnen.
Vor wenigen Jahren war ein Rauschgifttoter in der Presse noch Schlagzeilen wert. Der 37. und der 38. Todesfall in Augsburg und München sind in Bayern in der Presse kaum noch erwähnt worden. Man scheint sich damit abgefunden zu haben, daß das Rauschgift halt seine Opfer fordert. Man hat



Geisenhofer
sich daran gewöhnt und geht einfach zur Tagesordnung über.
Meine Damen und Herren, gerade das müssen wir verhindern. Wir müssen verhindern, daß diese lebens- und existenzgefährendende Entwicklung ignoriert wird und sich weiter ausdehnt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die steigende Zahl der Frühinvaliden belastet immer mehr die Sozialversicherung und vor allem die Sozialhilfeträger. Die Verantwortlichen, Bund, Länder und Gemeinden, die Schulen, die freien Träger, sie alle und wir alle müssen das täglich mahnende Gewissen gegen diese große Gefahr sein. Verstärkte Aufklärung in allen Bereichen tut dringend not. Niemand, vor allem kein Jugendlicher, soll sagen können, er habe über die Auswirkungen von Drogen-, Rauschgift-, Alkohol- und Medikamentenmißbrauch vorher niemals etwas erfahren oder Bescheid gewußt.
Bemerkenswert ist auch die Antwort der Bundesregierung auf unsere Frage 1 über den Alkoholverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland. Hier muß die Bundesregierung zugeben, daß der Alkoholverbrauch in den letzten Jahren in Deutschland erheblich angestiegen sei. Den höchsten Anteil an den Gefährdeten habe Bayern mit 8 °/o, so meint die Bundesregierung, den niedrigsten Anteil Nordrhein-Westfalen mit 2 %. Die Regierung schwächt dann in der Beantwortung das negative Urteil gegenüber den Bayern etwas ab mit dem Hinweis darauf, daß die Werte für Bayern überhöht angesetzt seien; denn der Alkoholgehalt des bayerischen Bieres betrage nicht 5, sondern nur 3 %. Diese Korrektur, die die Bundesregierung hier anbringt, erfordert eine weitere Korrektur durch mich. Es ist richtig, daß der Bierkonsum in Bayern am höchsten ist. Das rührt einfach daher, daß dort mehr Menschen als in anderen Bundesländern Bier trinken. Fast alle Bayern trinken Bier, zu den Mahlzeiten. Bier ist in Bayern kein Genußmittel, sondern ein Nahrungsmittel.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Kuhlwein, Sie sprachen — ich möchte fast sagen: neiderfüllt — von den überfüllten Bierzelten mit Franz Josef Strauß, dem Sie nichts entgegensetzen können. Aber, meine Damen und Herren, wir haben in München nicht nur überfüllte Bierzelte und Säle, wenn Franz Josef Strauß spricht, sondern wir haben auch ein überfülltes Oktoberfest. Auf diesem Fest werden einige Millionen Liter Bier umgesetzt. Dieses Bier trinken nicht die Münchener und die Bayern allein, sondern zum Oktoberfest kommen sehr viele Gäste aus dem Norden. Das Biertrinken haben wir alle gemeinsam, im Süden und im Norden, die Schwarzen und die Roten.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns von Bund, Ländern und Gemeinden im Bereich der Drogen- und Rauschgiftbekämpfung ergibt sich daraus, daß diese Probleme an Ländergrenzen nicht haltmachen. Hervorzuheben und anzuerkennen sind die gemeinsamen Aktivitäten von Bund und Ländern bei der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels. Gerissenheit und Habgier internationaler Heroinhändler, die mit allen erdenklichen Mitteln in den lukrativen westeuropäischen Mark drängen, wurden durch verschärftes Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaften in letzter Zeit sehr stark bekämpft. Die großen Beschlagnahmeerfolge der letzten Zeit sprechen eine deutliche Sprache. Wir sagen Dank und Anerkennung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nach unserer Auffassung müssen in folgenden Bereichen die Maßnahmen des Bundes noch verbessert werden:
Erstens. Was im Bereich der Ursachenforschung fehlt, was dringend notwendig und möglich wäre, aber bisher von der Bundesregierung nicht durchgeführt wurde, ist eine bundesweite Repräsentativbefragung auf wissenschaftlicher Grundlage, die zu möglichst genauer Kenntnis über Ursachen und Umfang des Drogenproblems in der Bundesrepublik Deutschland führen könnte — Befragungen, wie sie das Land Bayern zweimal bei seinen jugendlichen Bewohnern bereits vorgenommen hat. Die von der Bundesregierung vorgenommenen Befragungen dieser Art fußen auf einer viel zu kleinen Basis und konzentrieren sich allzusehr auf Details.
Zweitens. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse müßte dann bundeseinheitlich eine Grundnetzinformation zur Aufklärung über Suchtgefahren erstellt werden, die länderspezifisch auszufüllen wäre. Das Material der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird diesen Erfordernissen immer noch nicht gerecht.
Beide Forderungen könnten Bestandteil des Aktionsprogramms der Bundesregierung zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs sein, das — wie Bayern ständig fordert — fortgeschrieben und in bezug auf die Bekämpfung harter Drogen auf den neuesten Stand gebracht werden müßte. Im Bereich der Bundesgesetzgebung sind Verbesserungen dringend notwendig. So muß dringend das Betäubungsmittelgesetz an die neuere Entwicklung angepaßt werden.
Erforderlich ist die Erhöhung des Strafrahmens für professionelle Rauschgifthändler. Die Gerichte stoßen in ihren Urteilen zunehmend an die Grenze des derzeitigen Höchststrafmaßes von zehn Jahren. Die wirklich großen Fische sind der Justiz immer noch nicht ins Netz gegangen.
Meine Damen und Herren, erforderlich ist ferner eine präzisere Regelung des Rehabilitationsangleichungsgesetzes hinsichtlich der Abgrenzung der Kostenanteile möglicher Kostenträger.
Ich habe in der mir zur Verfügung stehenden Zeit versucht, einige Schwerpunkte anzusprechen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr konkret!)

Ich glaube, wir sind alle einig, daß sich wirksame Erfolge auf diesem Gebiet nur erzielen lassen werden, wenn Bund, Länder und Gemeinden und auch die freien Träger zusammenwirken und wenn den



Geisenhofer
freien Trägern auch die Mittel zur Erfüllung ihrer schwierigen Aufgabe gewährt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805603800
Das Wort hat der Abgeordnete Marschall.

Manfred Marschall (SPD):
Rede ID: ID0805603900
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Opfer des Alkohol-und Drogenmißbrauchs im Lande steht es dem Parlament nicht an, sich rechthaberisch mit einer Aufzählung von Leistungen vergangener Jahre zu begnügen oder auch mit Horrorzahlen den Blick auf die tatsächlich anstehenden Probleme zu verdecken. Das unbeschreibliche Leid derjenigen, die in den Teufelskreis der Sucht geraten sind, und die Not derjenigen, die oft hilflos vor dem Elend ihrer Partner oder Kinder stehen, sollte uns allen den Weg zur Sachlichkeit weisen.
Die der heutigen Debatte zugrunde gelegten Zahlen über den Drogenmißbrauch von Kindern und Jugendlichen zeigen, daß unsere Gesellschaft vor sich schnell ändernde Herausforderungen gestellt ist. Weit mehr als 300 000 alkoholgefährdete junge Menschen, 40 000 junge Leute weiterhin in Abhängigkeit von illegalen Drogen, das sind bedrückende Zahlen. Dies gilt besonders für neue Erscheinungsformen der Abhängigkeit von illegalen Drogen und Medikamenten, für die erkennbar stärkere Gefährdung zunehmend jüngerer Leute durch Alkohol, durch Mehrfachabhängigkeiten und für neue Entwicklungen in der Kinder- und Jugendkriminalität. Hinter den Zahlenkolonnen der Statistik stehen Hunderttausende von Einzelschicksalen, für die wir alle Verantwortung tragen.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß aus einigen Beiträgen der Opposition die Erwartung spricht der Bund müsse nur verstärkt Mittel einsetzen, so wäre man in der Bekämpfung der Drogenabhängigkeit den entscheidenden Schritt weiter. Wie sonst könnte etwa Frau Kollegin Geier dem Bundesgesundheitsminister vorwerfen, daß das Problem noch nicht gelöst oder im Griff sei. Dazu muß aber wohl festgestellt werden, daß wir es mit Menschen, einer Vielzahl von Persönlichkeiten mit all ihren Eigenarten zu tun haben, die nicht wie Automaten auf Einwurf eines Geldstücks reagieren, wenn man neue Gesetze, Beratungsmodelle oder Broschüren vorweist.

(Beifall bei der SPD)

Die bisherige Entwicklung zeigt, wo Erfolge festzustellen sind, daß der einzelne Abhängige oder Gefährdete so, wie er in der Vielfalt der Gesellschaft lebt, auch von der Vielfalt der Gesellschaft angesprochen werden muß, sei es mit den Möglichkeiten des Bundes, der Länder, der Gemeinden, durch die Arbeit von Verbänden, Gruppen und einzelnen Personen.
Besonderen Rang hat in diesem Zusammenhang die Gemeinschaft der Familie und der Selbsthilfeorganisation. Bei dieser Gelegenheit soll auch ein Wort der Hochachtung und des Dankes an die vie-
len gerichtet werden, die aus Mitmenschlichkeit ihren Dienst am Nächsten tun

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und den Süchtigen und den Gefährdeten in schweren Zeiten beistehen. Gemessen daran, daß das Grundgesetz die Organisation und Durchführung des öffentlichen Gesundheitswesens nicht dem Bund, sondern den Ländern zuweist — ich bitte den Kollegen Kroll-Schlüter, dies bei der Formulierung seiner Kritik etwas verstärkt zu beachten —, oder auch gemessen am Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1967, das den Bund auf die Förderung von Aufgaben eindeutig überregionalen Charakters verweist, ist die vorliegende Stellungnahme der Bundesregierung in Drucksache 8/922 ein eindrucksvoller Nachweis, einmal großer Aufmerksamkeit, die auf den Drogenmißbrauch gerichtet ist, zum anderen der Bereitschaft zur engen Zusammenarbeit mit den Ländern. Eine Zusammenfassung der Daten aus den Ländern im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen — hiermit möchte ich auf den Beitrag des Herrn Kollegen Geisenhofer eingehen — halte ich, soweit dies verfügbar gemacht werden kann, für sinnvoll.
Die Vielzahl und Ausgewogenheit der durchgeführten und eingeleiteten Maßnahmen, die in der Antwort erkennbar wird, ist überzeugend. Als Beispiel mag das Aktionsprogramm zur Verhütung und Eindämmung des Alkoholismus mit der angestrebten Umsetzung auf breitester Basis gelten, dessen erste Bilanz in nächster Zeit vorliegen wird. Ich möchte dem Kollegen Geisenhofer sagen, daß wir neue Fragestellungen erst nach der Vorlage dieser ersten Ergebnisse in Angriff nehmen sollten. Das psychosoziale Langzeitprogramm, das die Problembereiche schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennen helfen und ambulante Therapiemethoden für abhängige und gefährdete junge Menschen einschließlich der Nachsorge fördern soll, ist eine notwendige und zukunftsweisende Weiterentwicklung. Die vor wenigen Tagen auf der Münchener Fachtagung über experimentelle Therapien des Alkoholismus vorgetragenen Erfahrungen sprechen eindeutig für die Richtigkeit des eingeschlagenen Wegs. Die kritische Frage des Kollegen Kroll-Schlüter, warum das Langzeitprogramm nicht abgeschlossen sei, hat auf dieser Tagung bereits eine Antwort gefunden. Wenn tragfähige und zugleich wirksame Therapieformen als Antwort auf die neuen Entwicklungen erarbeitet sind, kann von einem sinnvollen zusätzlichen Aufbau der notwendigen Therapiestrukturen gesprochen werden.
Dieses Langzeitprogramm führt auch zu der Frage: Warum geraten so viele junge Menschen in Abhängigkeit von Drogen? Ich bin einig mit den Vertretern der Opposition, wenn sie auf eine Vielzahl von Faktoren verweisen. Ich möchte nur zu einem Aspekt etwas sagen. Viele Gründe, warum junge Leute in ihrem Selbstbewußtsein verunsichert werden und deshalb zur Droge oder auch zur Rokkergruppe oder zur Jugendsekte fliehen, stehen wohl in einem Zusammenhang mit der Enttäuschung darüber, daß die Umwelt feierlich deklarier-



Marschall
te Grundsätze und Versprechungen nicht wahrzumachen bereit oder in der Lage ist; sei es im Elternhaus, wo der junge Mensch nicht selten zu wenig persönliche Zuwendung erfährt, sei es in der Schule, wo er oft härtesten Erwartungsdruck auszuhalten hat, sei es im Berufsleben, wo ihm in vielen Fällen eine sinnvolle Ausbildung oder Arbeit verwehrt ist; sei es bei der Verkaufswerbung, die ihm oft Glück vorgaukelt und faden Geschmack liefert.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ändert sich daran nichts, werden die Maßnahmen gegen die Drogenabhängigkeit auf Dauer ein Kurieren an Symptomen sein. Unsere Gesellschaft muß den Kindern und Jugendlichen mehr Chancen zur Selbstverwirklichung bieten, Chancen für ein Aufwachsen in einer Umgebung, die weniger an Konsum- und Prestigedenken, weniger an Leistungszwang, dafür mehr an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit orientiert ist.

(Beifall bei der SPD)

Dies um so mehr, als bestehende gesellschaftliche Verhältnisse Kinder und Jugendliche in wichtigen Bereichen — z. B. bei den Wohnverhältnissen, beim Verkehr und der Stadtplanung — immer noch benachteiligen; eine Bevölkerungsgruppe, die ihre Bedürfnisse weder selbst noch durch eine starke Lobby in den Parlamenten artikulieren kann.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Für die Politik des Bundes' und der Länder muß die Lösung der aktuellen bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Aufgaben im Sinne der Jugendlichen im Vordergrund stehen. Von ebenfalls hohem Rang muß aber auch eine Weichenstellung im Verhältnis der Erwachsenen zu den Kindern und- Jugendlichen sein. Die notwendige Partnerschaft setzt Abbau von Gewalt und Unterdrückung in allen Erziehungsbereichen wie das Bemühen uni gegenseitiges Verständnis voraus.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich möchte meine Vorrednerin von der Unionspartei bitten, zu überlegen, ob sie mit ihrer Äußerung, unsere heutigen Jugendlichen hätten keine Wertvorstellungen mehr — auch wenn sie das auf Nachfrage auf- Drogenabhängige eingeschränkt hat —, dazu einen guten Beitrag geleistet hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Im Sinne dieses gegenseitigen Verständnisses muß sich aber der Bundestag mit jugend- und familienpolitischer Gesetzgebung, etwa mit dem Gesetz der elterlichen Sorge, befassen. Die sozialdemokratische Fraktion unterstreicht besonders die Bedeutung der Reform des Jugendhilferechts. Durch ein neues Jugendhilferecht soll in Ablösung des über 50 Jahre alten Jugendwohlfahrtsgesetzes erreicht werden, daß jeder junge Mensch sein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Achtung der Menschenwürde verwirklichen kann und die soziale Benachteiligung vermindert wird bzw. die Erziehungs-, Bildungs- und Freizeitangebote zur Entwicklung der sozialen Anlagen und Fähigkeiten verbessert werden. Dabei soll die Erziehungskraft der Familie vor allem durch Verbesserung der Eltembildungs- und Familienberatungskapazität gestärkt werden.
Ohne den Ausbau der sozialen Sicherheit im Lande, ohne das breite Spektrum jugend- und familienpolitischer Maßnahmen des Gesetzgebers, ohne verstärkte Information, ohne kritischeres Bewußtsein in unserer Gesellschaft wird eine .entscheidende Besserung auf dem Gebiete des Drogen- und Alkoholmißbrauchs nicht möglich sein. Ich möchte deshalb abschließend die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, Verbände und Organisationen auffordern, verstärkt an dieser Arbeit mitzuwirken. Wir brauchen den guten Willen und die Tat jeder Gruppe und des einzelnen Bürgers. Wenn die heutige Debatte dazu einen Beitrag geleistet hat, war sie ein Erfolg.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805604000
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller. •

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0805604100
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zunächst darf ich mich beim Herrn Kollegen Geisenhofer recht herzlich für das Lob bedanken, das er der bayerischen Untersuchung gezollt hat. Ich darf mich dem Lob anschließen und sagen: Wie gut war es doch, daß die Bundesregierung durch die Bereitstellung der Mittel dafür gesorgt hat, daß diese bayerische Untersuchung erfolgen konnte. So ist der Sachzusammenhang.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Am vergangenen Dienstag berichtete die in Düsseldorf erscheinende „Rheinische Post" über die neue Rauschgiftstatistik von Interpol unter der Schlagzeile „Heroinwelle stieg lawinenartig an". Liest man dann den im einzelnen sehr informativen und übrigens auch zutreffenden Artikel, so findet man den in der Balkenüberschrift liegenden Warnruf nicht oder doch kaum bestätigt. "Für ein Publikationsorgan ist es ganz selbstverständlich, daß die Überschrift reißerisch sein muß, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Nur sollten wir beim Umgang mit statistischen Daten, wie er auch hier wieder einmal gehandhabt wird, ein bißchen vorsichtig sein, insbesondere dann, wenn wir als Parlamentarier über statistische Zahlen sprechen. Mir scheint, auch die Opposition ist nicht frei von der Versuchung, Fakten des Alkohol- und Drogenmißbrauchs unkritisch überzubewerten, d. h. in Überschriftart zu sehen und daraus voreilige und daher gelegentlich auch falsche Schlüsse zu ziehen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Aber wir, dürfen umgekehrt auch nicht verharmlosen!)

— Um Gottes Willen, kein Mensch wird verharmlosen. Das werden Sie bei meiner Rede auch feststellen. Nur darf ich Ihnen — ich werde darauf nachher sowieso noch zurückkommen — schon jetzt eines sagen: Wenn hier gewisse positive Ergebnisse,

Spitzmüller
Erfolge festzustellen sind, daß nämlich der Trend nach oben gestoppt wurde, daß die Zahl der jugendlichen Einsteiger geringer geworden ist, dann müssen wir denen, die vor Ort die schwere Arbeit tun, _doch auch ein bißchen Mut machen und dürfen ihre Erfolge nicht abwerten, sondern müssen in der Offentlichkeit auch einmal auf diese Erfolge hinweisen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich glaube, dazu bietet die Debatte eine gute Möglichkeit.
Lassen Sie mich an dem genannten Artikel der „Rheinischen Post" einiges belegen. Es wird dort berichtet, 1976 sei in der Bundesrepublik mehr als fünfmal so viel Herion als im Vorjahr sichergestellt worden; wegen Heroinbesitze seien allein an unseren Grenzen ungefähr doppelt so viele Personen festgenommen worden wie 1975: 1200 Personen jetzt, 645 Personen im Vorjahr. Vor allem aus diesen Fakten wird von der Zeitung ein lawinenartiges Ansteigen der Heroinwelle in der Bundesrepublik gefolgert.
Ich will die Situation keineswegs — am wenigsten angesichts der Gefährdung durch die sogenannten harten Drogen wie Heroin — verharmlosen. Nur müssen wir, gerade weil die Situation so ernst ist, die ermittelten Fakten realistisch einschätzen; so realistisch wie nur möglich. Wenn unsere Polizei nun die Beschlagnahme von mehr Heroin und die Festnahme von mehr Heroinschmugglern meldet, so liegt doch zunächst einmal der Schluß nahe, daß die Arbeit der Polizei verbes. seit werden konnte.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805604200
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hammans?

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0805604300
Bitte schön.

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0805604400
Herr Kollege Spitzmüller, selbstverständlich hat die Polizei — Gott sei Dank -- mehr Erfolge zu verzeichnen, aber sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß die Liberalisierung der Drogenszene in den Niederlanden zu einer Zunahme des Konsums im deutschniederländischen Grenzbereich beigetragen hat und daß die Erfolge mit dieser Tatsache zusammenhängen?

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0805604500
Herr Kollege, da ich nicht wie Sie im niederländischen Grenzgebiet wohne, kann ich das nicht bestätigen. Ich kann nur bestätigen, daß mir solche Berichte, wie sie in Ihrer Frage anklingen, auch vorliegen. Nur muß ich eben feststellen, daß die Arbeit unserer Polizei erfolgreich war und daß die Zusammenarbeit der deutschen Polizei mit der niederländischen Polizei wesentlich besser klappt, als das vor der Liberalisierung der Fall war.

(Beifall bei der FDP und der SPD) Diese erfolgreiche Arbeit der Polizei wollen wir doch nicht unterbewerten, sondern wir sollten sie in dieser Debatte herausstellen.

In der Drogenszene bleibt noch vieles bedenklich genug. Immerhin gibt es — so die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage - rund 25 000 Personen, die unserer Polizei als Rauschgifthändler oder -schmuggler, in aller Regel zugleich aber auch als Rauschgiftkonsumenten bekannt sind. Nach meinen Informationen beträgt der Anteil der 18- bis 25jährigen an diesem Personenkreis, dem harten Kern der Drogenszene, etwas über 70 %. Dies ist ein bedenklicher Prozentsatz. Interessant hieran ist aber nun, daß sich der Altersdurchschnitt dieses harten Kerns großenteils junger Drogengefährdeter und -abhängiger nach oben verschiebt, d. h., Drogeninfizierte kommen nur in seltenen Fällen von ihrer Abhängigkeit los. Andererseits wächst gottlob offenbar nicht eine entsprechende Zahl jüngerer Leute in die Abhängigkeit von harten Drogen hinein. Hier deutet sich zumindest ein Hoffnungsschimmer am Horizont an.
Große Aufmerksamkeit sollten wir aber der hochkriminellen Aktivität der Importeure harter Drogen widmen. Während die Importe über die Niederlande mit Erfolg bekämpft werden konnten, macht sich seit Ende des Jahres 1976 eine verstärkte Tätigkeit türkischer Heroin-Importeure bemerkbar, die insbesondere in West-Berlin, aber auch von Ost-Berlin her auftreten. Die Massierung von türkischen Gastarbeitern in West-Berlin — Bezirk Kreuzberg — hat zu einem gefährlichen Nährboden für eine solche Drogenkriminalität geführt. Über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld kommen offenbar zahlreiche mit Rauschgiftschmuggel befaßte Personen aus dem Mittleren und Vorderen Orient nach Ost-Berlin und von dort nach West-Berlin. Es ist ein bedenkliches Zeichen, wenn sich auf dem sonst so perfekt bewachten Boden Ost-Berlins, nämlich auf dem Bahnhof Friedrichstraße, ein illegaler Rauschgiftmarkt entwickeln konnte. Die zuständigen Behörden der Bundesrepublik haben nicht von ungefähr schon wiederholt bei den Behörden der DDR auf diese Mißstände hingewiesen. Die Bundesregierung sollte ihre Kontakte über das mit der DDR geschlossene Gesundheitsabkommen energisch nutzen, die hier offenbar werdenden Infektionsquellen schleunigst zu verstopfen. .

(Beifall bei der FDP, der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU)

Dies wollte ich in diese Debatte eingeführt haben, weil es zur Drogenszene gehört.
Lassen Sie mich auf die besonders ernste Frage des Drogenmißbrauchs Jugendlicher eingehen. Einige Punkte der Großen Anfrage zielen ja hierauf ab. Besonders aufschlußreich finde ich die Antwort auf die Frage nach der Einstellung zum Drogenkonsum in der Bevölkerung. Nach einer Trendanalyse im Auftrag des Gesundheitsministeriums ist die Zahl derer, die auf die Frage, ob auf einer Party schon einmal Haschisch oder ähnliche Drogen angeboten worden seien, mit Ja antworten, rückläufig. Frau



Spitzmüller
Minister Huber hat schon darauf hingewiesen. Weitere ähnliche Angaben über diese Rückentwicklung finden Sie in dieser und in anderen Antworten der Großen Anfrage. So gelingt es offenbar auf Grund des Modellprogramms der Bundesregierung zur Drogenbekämpfung, nach ambulanten und stationären Behandlungen doch immerhin etwa 55 % der Behandelten für die ersten drei Monate drogenfrei zu halten, bei der ursprünglich angenommenen außerordentlich hohen Rückfallsquote also doch ein Fortschritt, ein kleiner Erfolg, den wir vermerken müssen, der aber natürlich nicht ausreicht.
Das in den Antworten ausgebreitete Material über Umfragen, Modellaktionen, Behandlungs- und Beratungseinheiten sowie Forschungsarbeiten läßt meines Erachtens den vorsichtigen Schluß zu, daß die Gefahren des Drogenkonsums zwar bei weitem nicht gebannt sind, jedoch in der Gesellschaft offenbar Gegengifte gegen die erste große Infizierung durch die Drogenwelle in der Bundesrepublik entwickelt worden sind. So scheint der verführerische Reiz von „weichen" Drogen wie Haschisch und Marihuana und der harten Drogen wie Heroin, Kokain und LSD bei der jungen Generation nachgelassen zu haben. Die im Konsum solcher Drogen liegende Gefährdung, ja, das durch sie ausgelöste Elend, die erschreckende Zahl der dadurch verursachten Todesfälle üben offenbar doch eine abschreckende Wirkung aus.
Von daher bin ich der Meinung, Herr Kollege Geisenhofer, daß es gut ist, wenn die Zeitungen darüber berichten. Wir als Abgeordnete können und sollten vor Ort im Gespräch mit den örtlichen Redaktionen darauf hinwirken, daß über solche Dinge nicht zur Tagesordnung übergegangen, sondern darüber berichtet wird,

(Beifall bei allen Fraktionen)

damit der gesellschaftliche Verruf des Konsums von Drogen in der Gesellschaft weiter wächst. Er ist gewachsen.
Meine Damen und Herren, leider verhält es sich bei dem übermäßigen Konsum von Alkohol noch nicht so. Der übermäßige Konsum von Alkohol ist noch nicht in einen allgemeinen gesellschaftlichen Verruf gekommen. Deshalb müssen wir dem auch noch große Aufmerksamkeit zuwenden.
Wenn ich hier versucht habe, in der Entwicklung des Drogenkonsums einige positive Aspekte aufzuzeigen, so darf ich nicht falsch verstanden werden. Die Gefahren sind nicht gebannt. Nur war es auch einmal notwendig, Erfolge jahrelanger Bemühungen um Drogenbekämpfung und Ansätze zu einer Überwindung der größer werdenden Gefahren zu registrieren.
Wir müssen in unseren Bemühungen beharrlich fortfahren. Die Erfahrungen mit der Gefährdung durch Drogen, mit den Schwierigkeiten der Behandlung Drogenabhängiger sowie mit der Bekämpfung des Drogenhandels sind bei den Fachleuten gewachsen. Gewachsen ist aber vor allem auch das Gefährdungsbewußtsein in der Öffentlichkeit. Hoffen wir daher, daß die Zeit für uns, für unsere Jugend und gegen die Macht der Drogen arbeitet!

(Beifall)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0805604600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Braun.

Gerhard Braun (CDU):
Rede ID: ID0805604700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU zum Alkohol- und Drogenmißbrauch sowie zur Kriminalität von Kindern und Jugendlichen nimmt das Thema „Alkoholismus" — speziell der Jugendalkoholismus — einen breiten Raum ein. Das ist in Anbetracht der erschreckenden Entwicklung in diesem Bereich auch notwendig.
Nicht gut und nicht hilfreich waren in diesem Zusammenhang allerdings die Erklärungen und Erläuterungen von Frau Minister Huber, mit denen sie die Antwort auf unsere Große Anfrage der Öffentlichkeit vorstellte.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : So ist es)

Hier wurde der Versuch unternommen, ein Problem, welches uns alle bedrücken muß, herunterzuspielen, so daß die Tageszeitung „Die Welt" am 26. September dieses Jahres berichten konnte „Alkoholskala: Deutsche liegen hinten".

(Kuhlwein [SPD] : Das war doch eine andere Quelle!)

In diesem Zusammenhang möchte ich nur auf eine Aussage der Psychiatrie-Enquete hinweisen, die feststellte, daß die Zuwachsrate des Verbrauchs von reinem Alkohol in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich mit elf anderen Ländern am stärksten ausgeprägt ist.
In diesem Bericht, der in diesem Hohen Hause bisher leider zu wenig Beachtung gefunden hat, wird weiter festgestellt, daß die Zahl der Aufnahmen in medizinische Institutionen wegen schwerer Folgen des Alkoholismus zugenommen hat. Im Bundesdurchschnitt machen sie etwa 30 % sämtlicher Aufnahmen in den großen psychiatrischen Krankenhäusern aus. Dabei wissen wir alle durch so manchen tragischen Fall, der uns im Wahlkreis vorgetragen wird, daß eine solche Aufnahme nicht mit dem Beginn einer eingehenden Behandlung identisch ist. Während auf der einen Seite von einem Bettenüberhang im Krankenhausbereich gesprochen wird, möchte ich mit Nachdruck daran erinnern, daß auf der anderen Seite die Kapazitäten in der Psychiatrie nicht ausreichen, um den Alkoholkranken wirklich zu behandeln.

(Dr. Hammans [CDU/CSU] : Leider wahr!)

Die Kapazitäten dieser Häuser reichen meistens nur aus, um eine Entgiftungsbehandlung durchzuführen, so daß bereits nach zwei bis drei Wochen die Entlassung erfolgen muß — eine Entlassung wegen Bettenmangels —, und leider ist dann in vielen Fällen nach einer gewissen Zeit die Wiederholung dieses Vorganges festzustellen.
Sie, Frau Minister, werden nun antworten, das alles sei Sache der Länder. Hier geht es aber nicht



Braun
um Kompetenzen, sondern um Menschen, insbesondere junge Menschen, denen geholfen werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU — Kuhlwein [SPD] : Aber wir wollen doch trotzdem die Verfassung einhalten!)

— Es gibt doch, Herr Kuhlwein, die schöne Einrichtung der Gesundheitsministerkonferenz. Dort muß man gemeinsam nach Lösungen suchen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das Problem der Jugendarbeitslosigkeit ist sicher eine ernste Angelegenheit. Das Problem des Jugendalkoholismus ist nicht weniger ernst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur wird dieses Problem von der Öffentlichkeit und in der Öffentlichkeit nicht so ernst genommen, und es ist erst recht nicht schick, darüber zu sprechen, vor allen Dingen nicht heute am 11. im 11. 1,5 Millionen alkoholgefährdete Bundesbürger, hierunter 270 000 im Alter von 14 bis 29 Jahren, das sind Zahlen, die nicht nur sozialpolitische Fragen, die beantwortet werden müssen, sondern auch große volkswirtschaftliche Probleme aufwerfen. Welch enorme Kosten entstehen der Solidargemeinschaft allein für die notwendige Behandlung — und das ist dann nicht mit drei Wochen Behandlungsdauer getan —, und wie groß sind die Kosten durch den Arbeitsausfall, die entstehen!
Wenn ich mich auch vorhin selber des Begriffes „alkoholgefährdet" bedient habe, so möchte ich doch vor dem Trugschluß warnen, als seien Alkoholgefährdete keine Behandlungsbedürftigen. Daher ist es meines Erachtens auch wiederum eine Verniedlichung, Frau Minister, wenn Sie davon sprachen, daß es sich lediglich um 10 % behandlungsbedürftige Trinker handele.
Was ist zu tun, meine Damen und Herren? Das Jugendschutzgesetz muß novelliert werden. Gleichzeitig muß aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber gesprochen werden, wie der Jugendschutz in den Gemeinden wirksam durchgeführt werden kann und durchgeführt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Das Verbot des Verkaufs von Alkohol an Minderjährige muß besser und verstärkt überwacht werden. Die Gemeinden müssen aber auch angehalten werden, die Öffnungszeiten der Gaststätten, die sich in unmittelbarer Nähe von Schulen befinden und die sich in den letzten Jahren zunehmend zu Schülerpausenkneipen entwickelt haben, zu überprüfen.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß Alkoholgenuß und Auto- oder Mopedfahren nicht miteinander zu vereinbaren sind. Wir bejahen und kennen alle den Slogan „Wer trinkt, fährt nicht — wer fährt, trinkt nicht". Aber durch die gesetzlich festgelegte 0,8-Promille-Grenze bringen wir immer wieder viele, insbesondere Jugendliche, in die Versuchung, vor der Fahrt mit ihrem Fahrzeug zu probieren, beim wievielten Glas wohl die 0,8-PromilleGrenze beginnt. Wir sollten den Mut haben, darüber zu diskutieren — insbesondere bei der Beratung
im Ausschuß —, wie wir durch eine gesetzliche Regelung diesem Slogan wirklich Geltung verschaffen. Das heißt: wer sich hinter das Steuer oder den Lenker klemmen will, hat auf Alkohol zu verzichten.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Guter Gedanke!)

Der Bildung von Freundeskreisen von Alkoholkranken und Suchtgefährdeten kommt eine besondere Bedeutung zu, da hier eine sehr segensreiche Tätigkeit ausgeübt wird. Die dort vorgenommene Beratung und Arbeit verdienen unser aller Dank. Unser Dank gilt aber auch insbesondere der Hauptstelle gegen die Suchtgefahren und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege. Wir sollten aber auch sehen, daß es mit dem Dank alleine nicht getan ist. Beratung und Betreuung kosten Geld. Wir sollten dabei sehen, daß Beratung und Betreuung billiger als Behandlung sind. Aber das sind in unserer wohlgeordneten Gesellschaft zwei verschiedene Etats, die nichts voneinander wissen dürfen. Trotzdem müssen wir erkennen: die Arbeit der freien Träger ist gefährdet, die freien Träger benötigen für ihre Arbeit mehr Geld. Woher dieses Mehr an Geld nehmen? Der Staat langt bei der Alkoholsteuer kräftig zu. Ein kleines Sümmchen aus diesen enormen Einnahmen, die in den letzten Jahren ständig gestiegen sind, muß denen zur Verfügung gestellt werden, die vor Ort in aufopferungsvoller Kleinarbeit bemüht sind, das durch den Alkohol hervorgerufene Elend zu lindern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier geht es nicht schlechthin um Geld. Hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit unseres Staates.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805604800
Das Wort hat der Abgeordnete Amling.

Max Amling (SPD):
Rede ID: ID0805604900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Große Anfrage der CDU/CSU-Opposition betreffend Alkohol- und Drogenmißbrauch und Kriminalität von Kindern und Jugendlichen liest und die vielen öffentlichen Erklärungen der Opposition zu diesen Problemen in der letzten Zeit hörte, der mußte den Eindruck bekommen, als sei seit kurzem die ganze Bevölkerung in unserem Lande verlottert, als wären wir langsam alle zu Alkoholikern, als wären wir alle langsam süchtig geworden.

(Burger [CDU/CSU] und Braun [CDU/CSU] : Aber, aber!)

Die Opposition will uns glauben machen, daß dies nicht immer so gewesen sei, besonders nicht bei der Jugend. Die Opposition will uns glauben machen, dies sei früher anders gewesen, wir hätten früher die Äpfel von den Bäumen gepflückt und würden heute nur noch nach dem Apfelschnaps gieren.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Wissen Sie es besser?)

Meine Damen und Herren von der Opposition, so einfach liegen die Probleme nicht.

(Burger [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

So billig können Sie sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen, vor allem wenn man behauptet,



Amling
man habe so viele Jahre hier in diesem Lande verantwortungsbewußt Politik gemacht.
Als ich in diesem Sommer von dieser Großen Anfrage der CDU/CSU-Opposition zum Alkohol- und Drogenmißbrauch zum erstenmal hörte, war ich sehr gespannt. Ich habe mich gefragt: Will sich die Opposition hier einmal wirklich um die Probleme der jungen Menschen in unserem Lande kümmern, oder beschwört sie nur wieder einmal den Sittenverfall — in diesem Fall den der jungen Generation — herauf? Deshalb habe ich mir die Begründung zu Ihren Fragen, meine Damen und Herren von der Opposition, auch sehr aufmerksam durchgelesen. Dabei habe ich mit großem Bedauern feststellen müssen: Die Opposition — und hier vornehmlich Herr Kroll-Schlüter — hat nur die Sommerpause nutzen wollen, um Schlagzeilen zu produzieren.

(Beifall bei der SPD — Dr. Hammans [CDU/ CSU]: Eine Unverschämtheit!)

Mit dieser Anfrage wurde lediglich hinlänglich Bekanntes wiederholt. Die Opposition beschreibt nur längst bekannte Tatbestände, und — das kommt noch hinzu — die Behauptungen stützen sich auf Zahlenangaben der Regierung oder auf Untersuchungen, die vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit mitfinanziert oder erarbeitet worden sind. Aber, so meine ich: Warum soll die Opposition nicht das wiederholen, was andere schon längst festgestellt haben? Nur, so meine ich: Wenn Sie sich schon zu einer Großen Anfrage entschließen, meine Damen und Herren, dann sollten Sie nicht nur an der Oberfläche bleiben. Sie könnten ruhig etwas qualifizierter, ruhig etwas fundierter fragen.

(Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ CSU] : Das gilt für Ihre Rede genauso!)

Eine Frage, die sich alle, die sich ernsthaft mit dem Problem befaßt haben, gestellt haben, fehlt bei der Opposition. Die wichtigste Frage zum Problem des Alkohol- und Drogenmißbrauchs bei Kindern und Jugendlichen wird von der Opposition nicht gestellt, nämlich die Frage nach den Ursachen. Warum wohl hat die Opposition die Frage nach den Ursachen nicht gestellt? Warum will sie von der Bundesregierung dazu überhaupt keine fundierte Antwort hören?

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Sagen Sie einmal, wann kommen Sie eigentlich zum The ma?)

Warum will sie nur eine Bestandsaufnahme? Ich möchte es Ihnen sagen, meine Damen und Herren: weil sie dann nämlich leichter spekulieren und bequemer abstruse Behauptungen, wie es heute vormittag hier schon geschehen ist, in die Welt setzen kann.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Welche zum Beispiel? Nennen Sie einmal eine!)

Davon konnten wir in den letzten Wochen und Monaten gerade von Ihnen zur Genüge lesen und hören.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Zum Beispiel? Bringen Sie einmal ein Beispiel! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

So ein Unsinn wie das, was in den zahlreichen Interviews des Herrn Kollegen Kroll-Schlüter nachzulesen ist und was man von ihm hörte,

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Was denn?)

ist mir in dieser Frage anderwärts noch nie vorgekommen.

(Kroll-Schlüter ]CDU/CSU[: Nennen Sie mal ein Beispiel!)

Dem, der allen Ernstes behauptet, Alkoholmißbrauch bei Jugendlichen sei in der mangelnden Orientierung junger Menschen begründet, der der Bevölkerung weismachen will, unser Staat sei anonym und bürokratisiert und treibe deshalb die Kinder zur Schnapsflasche,

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Das kommt vom Bundeskanzler!)

der Alkohol als Folge des Sozialstaates darstellt, geht es, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, wirklich nicht um die Probleme von_ Kindern und Jugendlichen, auch nicht um die Probleme des Alkohol- und Drogenmißbrauchs. Das ist die bei Ihnen übliche Art der Schwarzmalerei. Ihnen geht es nur um eine Verzerrung des tatsächlichen Zustandes, um eine Dramatisierung, um ein Aufbauschen der wirklichen Situation.

(Beifall bei der SPD — Wehner [SPD]: Die Schnapsideen der CDU!)

— Danke schön, Herr Kollege Wehner, das wollte ich noch bringen. — Wer nämlich so redet wie Sie, Herr Kollege Kroll-Schlüter, kann dann auch die Parolen des letzten Wahlkampfes wieder hervorholen. Aber es ist einfach zu billig, die Alternative in den Raum zu stellen: Freiheit oder Alkohol.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Sie haben Herrn Wehner nicht richtig verstanden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Die Bundesregierung hat mit der umfangreichen Antwort auf die Anfrage eine sorgfältige Analyse vorgelegt. Aus dieser Antwort ergibt sich, daß das Alkoholismusproblem anders gelagert ist als die Drogenwelle, die uns alle noch vor einigen Monaten und Jahren besorgt gemacht hat.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Sie reden nicht zum Thema, sondern zum 11. 11.!)

Der Anteil der Alkoholgefährdeten nimmt zu. 4 % der Bevölkerung über 14 Jahre sind als gefährdet anzusehen. Der Mißbrauch alkoholischer Getränke ist also ernst zu nehmen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Na bitte!)

Aber das Problem ist nicht der Elendsalkoholismus, wie Sie vielfach behaupten,

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wo? Nirgends!) sondern der Wohlstandsalkoholismus.


(Immer [Altenkirchen] [SPD] : Sehr gut! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Eindeutig falsch!)

Wissenschaftler haben festgestellt, daß es heute leider eine breitere Trinkerbasis gibt. Das bedeutet,



Amling
daß heute mehr Menschen häufiger und mengenmäßig mehr trinken. Trotzdem sollte man aus der steigenden Alkoholmenge nicht schließen, daß mehr Menschen Mißbrauch mit Alkohol treiben.
Leider läßt sich auch eine Vorverlagerung des Trinkbeginns bei Kindern und Jugendlichen um etwa zwei Jahre feststellen. Dennoch sei noch einmal gesagt, was heute schon vorgetragen worden ist: Den höchsten Anteil an Gefährdeten stellt die sogenannte soziale Mittelschicht, gefolgt von den oberen sozialen Schichten. In den unteren sozialen Schichten sind viel weniger Alkoholgefährdete zu finden.
Hauptursache für Alkoholismus ist der gefällige Zwang des Trinkens, wobei vor allen Dingen die Älteren den Jugendlichen ein schlechtes Beispiel geben. Ich meine, daß ein Zusammenhang zwischen Alkoholmißbrauch und der Zunahme des Drogenkonsums bei jungen Menschen nicht festzustellen ist, wie vorhin auch von der Frau Ministerin vorgetragen wurde. Insgesamt hat sich die Alkoholsituation stabilisiert. Es ist also Gott sei Dank kein weiteres Ansteigen zu verzeichnen, so daß man im Vergleich mit anderen europäischen Ländern vielleicht sogar von einem leichten Erfolg sprechen kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte aber auch noch etwas zu der Form sagen, wie die Opposition das Alkoholproblem bisher behandelt hat. Ich möchte das am Beispiel der Werbung für Alkohol aufzeigen. Herr Kollege Kroll-Schlüter hat in diesem Sommer auf einer Pressekonferenz die Große Anfrage der Opposition erläutert. Dabei sagte er zu den anwesenden Journalisten auch, daß die Verhaltensregeln des Deutschen Werberates zur Werbung für alkoholische Getränke geprüft werden sollten. Warum wird hier so formuliert? Warum sagt man: Man sollte die Werbung überprüfen? Ich will es Ihnen sagen. In der Öffentlichkeit soll auch hier der Eindruck entstehen, die CDU/CSU, der Tugendwächter Nummer eins in diesem Lande, bewahre die Jugend vor falschen Leitbildern, die durch die falsche Werbung entstehen könnten. Aber es soll nur der Eindruck entstehen. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, klar und deutlich fragen, ob Sie an eine Einschränkung der Werbung für Alkohol denken, ja oder nein.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist denn Ihre eigene Aussage zu diesem Punkt?)

Doppelzüngige Argumentationen von Ihnen kennen wir zur Genüge. Sie sagen in der Öffentlichkeit etwas anderes als hier im Hause, als in den Ausschüssen, als hinter verschlossenen Türen. Das ist nicht seriös, das ist Heuchelei.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

Ich meine, man sollte auch den Werberat klar und deutlich auf seine Verantwortung aufmerksam machen, damit zukünftig der Schutz Jugendlicher vor Werbeansprachen deutlich verstärkt wird. Erstens. Die Beschränkung der Werbung mit Vorbildern muß ausgeweitet werden. Zweitens. Man darf sich nicht
nur auf ein Verbot der Werbung mit Leistungssportlern beschränken. Drittens darf der Genuß von Alkohol in der Werbung nicht als Voraussetzung für gesellschaftlichen Erfolg dargestellt werden. Viertens sollte der Deutsche Werberat endlich etwas gegen die Werbung unternehmen, die versucht, die Wirkung des Alkohols zu verharmlosen.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann natürlich verstehen, daß Sie Bedenken haben, wenn es darum geht, gerade die Werbung für Alkohol einzuschränken, wenn ich mir in Ihrem Kreis so einige Leute anschaue. Wir Sozialdemokraten haben von Herrn Eckes keine Wahlspenden und Wahlhilfen bekommen,

(Beifall bei der SPD)

und ich meine, der Brauereibesitzer Zwicknagel wird über seinen Schwiegersohn Franz Josef Strauß auch zu verhindern versuchen, daß wir auf diesem Gebiete Erfolge haben.

(Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805605000
Herr Kollege, bitte, kommen Sie zum Ende Ihrer Rede.

Max Amling (SPD):
Rede ID: ID0805605100
Ich komme zum Ende und fasse zusammen, daß wir von der sozialdemokratischen Fraktion sehr wohl die Bemühungen der Bundesregierung und hier der Gesundheitsministerin beobachten. Wir haben sehr wohl gesehen, daß man dort die Probleme erkannt hat. Wir werden der Regierung selbstverständlich bei ihrem Bemühen helfen, diese Probleme zu beseitigen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805605200
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Verhülsdonk.

Roswitha Verhülsdonk (CDU):
Rede ID: ID0805605300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Wort an den Herrn Kollegen Amling. Sie haben unterstellt, wir hätten mit diesem ernsten Thema die Sommerpausen ausfüllen wollen. Ich muß sagen, was Sie hier heute beigetragen haben, langt nicht einmal, um in der Sauregurkenzeit einen Zeitungsartikel darüber zu schreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Immer [Altenkirchen] [SPD] : Seit wann arbeiten Sie für die Presse?)

Eher sollte man eine Büttenrede daraus machen.
Zur Sache. Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage nach Entwicklung und Ursachen der Kinder- und Jugendkriminalität füllt zwar viele Seiten, sie ist mit umfangreichem statistischen Material gespickt, jedoch dient dieses und seine kümmerliche Kommentierung mehr zur Verschleierung als zur Erhellung der wahren Situation. Von Frau Minister Huber haben wir heute so gut wie nichts gehört. Wahrscheinlich fühlt sie sich ressortmäßig nicht zu ständig.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)




Frau Verhülsdonk
Es ist bemerkenswert, wie die Bundesregierung vorgeht. Kriminalstatistiken seien überhaupt nicht sehr aussagekräftig, wird zunächst wortreich erläutert und begründet. Dann aber bedient sich die Bundesregierung selbst zurechtfrisierter und schwer nachprüfbarer Statistiken, um damit folgendes zu beweisen: Die Zunahme der Kinder- und Jugendkriminalität war zwar in den Jahren 1963 bis 1972 erschreckend, aber unter der heutigen Regierung bessert sich die Lage zusehends, ja, „sie hat sich seit 1972 sogar tendenziell umgekehrt". So sagt die Bundesregierung. Bei Kindern und Jugendlichen habe sich die Zahl der Tatverdächtigen deutlich vermindert, bei Heranwachsenden sei sie gleichgeblieben. Wo es tatsächlich Steigerungsraten gebe, etwa bei schweren Diebstahlsdelikten von Kindern und Jugendlichen, da müsse man die überproportionale Zunahme von Tatverdächtigen dieser Altersgruppe gerechterweise in Bezug setzen zur Gesamtwohnbevölkerung, und dann sei das eben auch nicht mehr so schlimm. Zwar werden Ausnahmen negativer Entwicklung im Bereich der Gewaltkriminalität eingeräumt, aber ansonsten stellt die Bundesregierung beruhigend fest, daß kriminelle Aktivitäten junger Menschen zu einem großen Teil nur entwicklungsbedingt seien und damit vorübergehender Natur.
Bezüglich der Ursachen sagt sie folgendes: Diese seien nicht monokausal erklärbar, aber im wesentlichen kämen sie doch aus der Familie, die ja neuerdings immer der Buhmann ist, wobei natürlich Überforderung in der Schule und Versagenserlebnisse auch noch eine Rolle spielten, wie die an materiellen Statussymbolen orientierte Erwachsenenwelt. Mit solcher Argumentation wird die tatsächliche Situation verschleiert und verharmlost.
Was ist entgegenzuhalten? Erstens. Das zur Beweisführung vorgelegte statistische Material ist bei genauer Prüfung höchst undurchsichtig und gegenüber den offiziellen Kriminalstatistiken bewußt verfremdet. Kolonnenweise sind offensichtlich die Zahlen aus den Jahren 1975 und 1976 miteinander vertauscht.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Nur einmal vertauscht!)

Das nennt Frau Huber hier korrekte Beantwortung, wie wir eben hörten. Man muß annehmen, das Ding hat Methode, denn wenn man die Zahlen miteinander vertauscht, kommt man zu der „Tendenzumkehr", von der die Rede ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Trotz dieses Zahlendilemmas ist eines nicht zu leugnen, daß nämlich die verbrecherische Energie von Kindern und Jugendlichen zugenommen hat, und zwar vor allem bei den Gewaltdelikten. Die Bundesregierung verschweigt die steigende Brutalität der Tatbegehung ebenso wie die wachsende Tendenz zur Bandenbildung bei Kindern und Jugendlichen und die Ansätze zum organisierten Verbrechertum.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805605400
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Roswitha Verhülsdonk (CDU):
Rede ID: ID0805605500
Nein, bitte nicht, ich habe nur zehn Minuten.
Sie verweist auf Mehrfachzählungen von Tatverdächtigen. Diesen Mehrfachzählungen entsprechen eben auch mehrere Delikte derselben Person oft in kurzen Zeitabständen. Das bedeutet: Trotz enormer polizeilicher Intervention sind Tatverdächtige oft nicht festzusetzen und straffällige Kinder und Jugendliche nicht so unterzubringen, daß sie nicht aufs neue straffällig werden. Ich hätte gern gehört, was man dagegen tun will.
Drittens. Die Tatsache, daß es heute eine besondere Spielart krimineller Aggression gibt, die man als Krawallkriminalität bezeichnet, wird von der Bundesregierung überhaupt nicht erwähnt. Dieser neuen kriminellen Spielart, die sich als reine Angriffs- und Schädigungskriminalität ohne bestimmte Zielrichtung darstellt, und ihren Ursachen wäre aber unbedingt Aufmerksamkeit zu widmen gewesen. Wenn im Hinblick sowohl auf die Stärkung der Erziehungskraft der Familie wie auf erzieherische Einwirkungen in Schulen und auf wahrheitsgemäße Information der Öffentlichkeit über dieses Problem nicht bald präventive Maßnahmen ergriffen werden, werden wir in einigen Jahren feststellen müssen, daß sich aus diesen Gruppierungen der kriminelle Nachwuchs von morgen und möglicherweise Hilfstruppen für die terroristische Szene rekrutieren.
Viertens. Kein Wort wird verloren über die auffällig steigende Beteiligung von Mädchen an gravierenden Deliktsarten. Ich nenne nur vorsätzliche Tötung, Sexualdelikte, Roheitsdelikte, Straftaten gegen die persönliche Freiheit, Raub, räuberische Erpressung und räuberische Angriffe auf Kraftfahrer. Wäre nicht auch dazu ein Wort vonnöten gewesen?
Immerhin fällt auf, daß junge Mädchen und Frauen zunehmend eine erhebliche Rolle bei terroristischen Gewalttaten spielen. Wo liegen nach Meinung der Bundesregierung die Gründe für eine solche offenkundige Mentalitätsveränderung beim weiblichen Geschlecht?
Von der Gesamtzahl weiblicher Tatverdächtiger bei Gewaltdelikten gehören 46 bis 50 % der Altersgruppe der weiblichen Kinder bis zu den jugendlichen Heranwachsenden an. Bei schwerem Diebstahl und bei Diebstahl von Schußwaffen sind Kinder, Jugendliche und Heranwachsende mit fast 60% beteiligt; darunter sind erstaunlich viele weibliche Kinder und jugendliche Mädchen. Diesselbe Altersgruppe begeht 90 % der Moped- und Kraftfahrzeugdiebstähle. Auch hier ist das weibliche Geschlecht auffallend aktiv geworden.

(Immer [Altenkirchen] [SPD] : Emanzipiert!)

Auch bei den Rauschgiftdelikten sind die weiblichen Tatverdächtigen nicht mehr unterrepräsentiert: Es sind immerhin 18,6 % weibliche Täter. Überhaupt muß festgestellt werden, daß Minderjährige und junge Erwachsene unter 25 Jahren vier Fünftel aller einschlägigen Delikte begehen.
Wenn es stimmt, was wissenschaftlich bewiesen sein soll, daß 80 % aller Gewohnheits- und Gewaltverbrecher bereits in früher Kindheit kriminell will.-



Frau Verhülsdonk
den, sollte man die vorliegenden Daten der Bundeskriminalstatistik wesentlich sorgfältiger analysieren und wesentlich ernster nehmen, statt sie, wie es die Bundesregierung versucht, zu verharmlosen und zu bagatellisieren.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Ja, in der Tat! — Beifall bei der CDU/CSU)

Wegen der Kürze der Zeit möchte ich mich nun noch der Antwort auf die Frage zuwenden, welche Konsequenzen zu ziehen sind. Ich kann nur einige nennen.
Erstens. Die geistigen Ursachen der sozialen Desorientierung und Fehlentwicklung vieler Kinder und Jugendlicher sind sorgfältig zu untersuchen.

(Zuruf des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])

— Sie kommen eben nicht nur aus familiären Erziehungsfehlern, Herr Kollege Immer — das glauben sicher ja auch Sie —, sondern Ideologien, verworrene Freiheitsvorstellungen und permissive Tendenzen, die in Schulen, in Jugendgruppen und im gesellschaftlichen Bereich gepredigt und gelebt werden, machen es den Familien sehr schwer, erfolgreich dagegen anzusteuern.

(Beifall bei der CDU/CSU — Immer [Altenkirchen] [SPD] : Die höchste Steigerung ist in Rheinland-Pfalz zu verzeichnen!)

— Herr Immer, darüber unterhalten wir uns vielleicht hinterher; jetzt habe ich nämlich sehr wenig Zeit.

(Immer [Altenkirchen] [SPD] : Es ist aber wahr!)

Zweitens. Im Bereich der Polizei — ich weiß, das ist Ländersache; aber die Bundesregierung müßte es wenigstens dringend empfehlen — müssen Jugendfachdienststellen mit speziell vor- und ausgebildeten Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten eingerichtet werden, die, wie es früher die weibliche Kriminalpolizei intensiv tat, mit Jugendbehörden zusammenarbeiten — nicht nur bei repressiven Maßnahmen, sondern vor allem präventiv bei ersten Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen. Der Aufgabenkatalog könnte sein: Streifentätigkeit, Fahndung nach vermißten Kindern und Jugendlichen, Jugendschutz, ständiger Erfahrungs- und Informationsaustausch mit Jugendbehörden, Schulen und karitativen Verbänden, Beobachtungen der Erscheinungsformen und Ursachen der Jugendkriminalität und -verwahrlosung, ständige Analyse der Kriminalentwicklung. Das wäre ein Beitrag, der in viele Erscheinungen, die ich genannt habe, Licht bringen würde.
Drittens. Neben Erziehungshilfen müssen vor allem die Resozialisierungsmaßnahmen verstärkt werden; denn gerade bei jugendlichen Ersttätern ist die Chance der Nacherziehung relativ am größten.
Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen. Das Thema der Kinder- und Jugendkriminalität darf mit dieser oberflächlichen und beschönigenden Antwort der Bundesregierung nicht wieder bis zu einer neuen
parlamentarischen Initiative der Opposition zu den Akten gelegt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bund und Länder dürfen nicht länger reagieren, sie müssen agieren. Aktivierung von Jugendschutz und Jugendhilfe ist längst überfällig ebenso wie Reformen im Jugendstrafvollzug, angefangen vom Wochenendkarzer bis zur Langzeitstrafe.

(Beifall bei der CDU/CSU] Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Baum. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur einige kurze Bemerkungen zu dem, was meine Vorrednerin gesagt hat. Es ist natürlich keineswegs so, Frau Kollegin, daß wir Ihnen irgendetwas vorenthalten oder etwas verfälscht hätten. Wir haben Ihre Fragen vollständig beantwortet, allerdings nur Ihre Fragen. Die Fragen, die Sie im Bereich der Mädchenkriminalität, also der weiblichen Kriminalität, hier aufgeworfen haben, haben Sie uns nicht gestellt. Also beschweren Sie sich nicht, daß wir Ihnen keine Auskunft auf Fragen geben, die Sie selber nicht gestellt haben! (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf der Abg. Frau Verhülsdonk [CDU/CSU])

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805605600
Gerhart Rudolf Baum (FDP):
Rede ID: ID0805605700
Es ist in der Tat richtig, Frau Kollegin, daß in der Drucksache ein Druckfehler passiert ist. Zwei Tabellen sind miteinander vertauscht worden.

(Frau Verhülsdonk [CDU/CSU] : Das ist sehr entscheidend!)

Statt 1975 ist 1976 gedruckt worden und umgekehrt. Aber das ist ein Fehler, den man ohne weiteres aufklären kann. Dahinter steht doch nicht der böse Wille zur Verfälschung oder eine Verharmlosungsabsicht der Bundesregierung.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Das hätte uns die Frau Minister längst sagen können! — Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Das ist ein Frage des Trends!)

— Wenn Sie es nicht gewußt haben, sage ich es Ihnen hier. Ich mache Ihnen daraus keinen Vorwurf. Aber daraus können Sie auch uns keinen Vorwurf machen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir haben hier schon gehört, daß sich die früher zunehmende Entwicklung im Bereich der Kinder-und Jugendkriminalität seit 1972 nicht mehr fortgesetzt hat, daß sie sich in der Tendenz sogar umgekehrt hat, daß nämlich der Anteil der Jugendlichen an der Gesamtkriminalität abgenommen und der Anteil der Erwachsenen zugenommen hat. Ich vermag das nicht so negativ zu deuten wie Sie, Frau Kollegin. Ich wäre höchst besorgt, wenn es umgekehrt gewesen wäre. Ich möchte hier auch einen gewissen Erfolg der Tätigkeit von Bund und Ländern bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität sehen.
Ich möchte nichts verharmlosen. In der Antwort ist nichts verharmlost. Sie haben darauf hingewie-



Parl. Staatssekretär Baum
sen, Frau Kollegin, daß wir keineswegs über besorgniserregende Erscheinungen auf dem Feld der Gewaltkriminalität hinweggegangen sind. Das haben wir offen auf den Tisch gelegt. In einigen Großstädten der Bundesrepublik gibt es — darauf möchte ich hinweisen — Jugendbeamte der Polizei, die bereits außerordentlich erfreulich gewirkt haben.
Noch ein letztes Wort zur Entwicklung der Rauschgiftkriminalität. Es ist in der Tat so, daß die Entwicklung der Rauschgiftkriminalität insgesamt im Jahr 1976 aus polizeilicher Sicht besorgniserregend verlaufen ist; das ist bekannt. Die Zahl der festgestellten Rauschgiftdelikte ist erheblich gestiegen, insbesondere im Bereich des Rauschgifthandels und des Rauschgiftschmuggels. Dabei stellt das Heroin ein besonderes Problem dar. Im vergangenen Jahr sind 337 vorwiegend junge Menschen infolge der Einnahme von Rauschgiften, insbesondere Heroin, zu Tode gekommen. Das zeigt in der Tat den Ernst der Situation. Kein Mensch wird über sie leichtfertig hinweggehen können.
Aber ich muß noch einmal auf folgendes hinweisen. Was Herr Kollege Spitzmüller vorhin schon gesagt hat, ist richtig. Ein erfreulicher Aspekt ist, daß seit einigen Jahren ein Rückgang des Anteils von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden an der Gesamtzahl von Rauschgifttätern festgestellt worden ist. Ihr Anteil an der Gesamtäterzahl liegt nunmehr unter dem von 1969. Auch das muß hervorgehoben werden, wenn man über diese Seite der Kriminalität redet.
Der Polizei sind gegenwärtig insgesamt rund 25 000 Konsumenten harter Drogen bekannt.
Ich möchte auch auf die erheblichen Erfolge bei der Rauschgiftfahndung verweisen. Am 30. Oktober wurden in Mainz 2,3 t Haschisch gefunden, und es gab andere Erfolge.
Frau Kollegin, ich habe mich nur gemeldet, um den Eindruck zu zerstreuen, als wolle die Bundesregierung etwas nicht offen auf den Tisch legen. Wir haben keinen Anlaß, irgend etwas zu verschweigen. Wir wollen aber auch das Positive nicht verschwiegen wissen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805605800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heyenn.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0805605900
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ein Wort zu meiner Vorrednerin sagen, die meinte, hier einen Zahlenverdreher hochspielen zu müssen. Hätte sie den Text der Antworten der Bundesregierung auf die Fragen der Opposition gelesen, wäre ihr ohne weiteres aufgefallen, daß das ein einfacher Verdreher ist und daß keine Absicht dahintersteckte.
Meine Damen und Herren, ich muß allerdings, wenn hier gesagt wird, daß die Zahlen höchst undurchsichtig seien, und beinahe der Vorwurf erhoben wird, es würde mit den Zahlen manipuliert,

(Frau Verhülsdonk [CDU/CSU] : Ja!)

auch darauf hinweisen, daß eine Zahl von der Opposition verständlicherweise nicht erwähnt worden ist. Von 1967 bis 1976 — zehn Jahre Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung — stieg der Verbrauch an reinem Weingeist um 26 %. In dem Jahrzehnt davor, von 1957 bis 1966 — da haben ja wohl Christdemokraten die Regierungsverantwortung getragen — gab es einen Anstieg um sage und schreibe 62 %.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang zu fragen, welche Ideologie, welche verfehlte Familienpolitik, denn dieser Entwicklung zugrunde gelegen hat.
Meine Damen und Herren, wenn hier die Frage angesprochen wird, was Sie getan hätten, um die Sommerpause auszufüllen, dann muß ich sagen: Sie haben die Sommerpause ausgefüllt, aber mit falschen Zahlen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Auch Sie haben das Thema leider nicht erkannt!)

„Von 1975 auf 1976 weist die Kriminalstatistik eine Zunahme von 17,8 °/o in der Rauschgiftkriminalität bei Kindern und Jugendlichen aus." Das haben Sie, Herr Kollege Kroll-Schlüter, am 14. Juli im Pressedienst Ihrer Fraktion geschrieben. Ich habe das hier. Dann muß man einmal in die Statistik des Bundeskriminalamtes hineinschauen. Da heißt es, daß erstmals rund 4 000 beim Zoll angefallene Delikte in die Statistik hineingenommen wurden und daß sich eine echte Steigerung nicht von 17,8 °/o, sondern. von 4,4 % ergeben hat.
Aber es kommt noch schlimmer, Herr Kollege. Sie schreiben, diese Steigerung von 17,8 % sei bei den Jugendlichen aufgetreten. Bei den Jugendlichen haben wir einen Rückgang von 5,7 % zu verzeichnen.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Ich muß also eindeutig sagen: Sie haben in der Sommerpause versucht, Politik zu machen, und dabei dann noch die Zahlen der Bundesregierung und des Bundeskriminalamtes in schamloser Weise verdreht.

(Beifall bei der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/ CSU] : Das ist eindeutig falsch!)

Ich muß ganz ehrlich sagen: Ich halte das für dreist. Was hier von der CDU/CSU geleistet worden ist, das ist Venebelung. Ich meine, ein großer Teil der Vorwürfe gegen die Bundesregierung, die bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Drogenmißbrauchs seien nicht effektiv, fallen in sich zusammen.
Ich will nicht verharmlosen. Doch der stetige Rückgang des Anteils Jugendlicher an Rauschgiftdelikten, der sich auch 1976 fortgesetzt hat, beweist, daß die intensiven, auf vielen Ebenen ansetzenden Maßnahmen der Bundesregierung auch Erfolge gezeitigt haben. Mein Kollege Spitzmüller ist auf die Situation in der Rauschgiftszene eingegangen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Die Zahlen sind doch gestiegen!)

Ich möchte nur eines hinzufügen: Unter Fachleuten ist unumstritten, daß sich der Gesamtumfang des



Heyenn
Drogenmarktes in den vergangenen sieben, acht Jahren kaum ausgeweitet hat.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das ist doch eindeutig falsch!)

Fachleute wissen, daß bei einer Zunahme des Mißbrauchs von Heroin, bei einer Stagnation des Mißbrauchs anderer Rauschmittel und bei einem Rückgang des Mißbrauchs von Haschisch vermehrte Fahndungserfolge der Polizei, für die ich an dieser Stelle auch einmal danken möchte,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

den Eindruck in der Offentlichkeit erwecken, den Sie hier versuchen zu verstärken.
Bei der Jugendkriminalität insgesamt gibt es von 1975 auf 1976 ansteigende Zahlen, und zwar eine Zunahme der tatverdächtigten Kinder und Jugendlichen von über 10 %. Das ist auf den ersten Blick besorgniserregend. Auf den zweiten Blick — das möchte ich betonen — erweist es sich jedoch als unverantwortlich und der Sache wenig dienlich, hier zu dramatisieren, wie es in Teilen der öffentlichen Meinung geschehen ist; denn es ist nicht auszuschließen, ja sogar wahrscheinlich, daß diese gestiegenen Zahlen auch Ausfluß verbesserter polizeilicher Arbeitstechniken sind, verstärkter polizeilicher Tätigkeit insgesamt. Täter im kindlichen und jugendlichen Alter — darüber sind wir uns sicherlich einig, Frau Kollegin — werden übrigens häufiger als ältere gefaßt, weil es ihnen Gott sei Dank an krimineller Erfahrung mangelt.
Sie hätten bei Ihren Ausführungen zur Gesamtkriminalität aber auch sagen sollen, daß mehr als 70 % aller Straftaten von Kindern und Jugendlichen Diebstähle sind. Obwohl diese Zahlen leicht rückläufig sind, ist hier die Bereitschaft zur Anzeige, insbesondere bei Ladendiebstählen, gestiegen. Dabei sind weit mehr als die Hälfte aller Ladendiebstähle Bagatellfälle, bei denen die entwendeten Gegenstände unter 25 DM wert waren. Beim Diebstahl, so heißt es in der Statistik, ohne erschwerende Umstände in oder aus. Warenhäusern, Verkaufsräumen und Selbstbedienungsläden waren vor der Tat nur drei von zehn Tätern kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Ich möchte hierzu sagen — das wissen wir eigentlich alle —, daß fast alle Kinder einmal versuchen zu erproben, wo ihre Rechte aufhören und wo die Rechte anderer beginnen. Früher haben sie in Nachbars Garten Äpfel gestohlen; heute gibt es den Garten nicht mehr, und heute findet das im Selbstbedienungsladen statt. Warum muß dort in Form von Süßigkeitsfallen in Augen- und Griffhöhe der Kinder beinahe dazu verleitet werden?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Früher war eine belehrende Ermahnung die Folge, heute ist eine Anzeige die Folge.
Man kann die Zahlen von 1975 zu 1976 im übrigen nicht isoliert sehen. In den Jahren 1963 bis 1972 ist die Jugendkriminalität zwar angestiegen, danach wurde sie jedoch rückläufig, obwohl der Bevölkerungsanteil Jugendlicher weiter angestiegen ist. Dabei hat sich dann auch der Anteil Jugendlicher an den Tatverdächtigen seit 1972 verringert; das ergibt
die Häufigkeitsziffer. In diesen Zusammenhang ist diese Steigerung zu stellen.
Natürlich werden wir — da gebe ich Ihnen völlig recht — die teilweise erheblichen Steigerungen im Bereich der Gewaltkriminalität sehr sorgfältig beobachten müssen; aber wir dürfen auch nicht verkennen — das hat die Bundesregierung sehr ausführlich dargelegt —, welche Unsicherheitsfaktoren die Statistiken beinhalten; denn es werden dort nur die aufgeklärten Taten und nicht die Gesamtanzahl der Taten festgehalten.
Ich begrüße im übrigen die differenzierte Antwort der Bundesregierung zu den Ursachen der Kinder-und Jugendkriminalität. Ich muß hier auch einiges wiederholen, weil ich es für immens wichtig halte. Es ist interessant, daß das Fehlen eines Elternteils weniger schädlich als disharmonische oder unglückliche Verhältnisse in der Familie zu sein scheint. Mangelnde emotionale Bindung, insbesondere im frühen Kindesalter, negative Erfahrungen mit und in Familien, Nachbarschaft, Schule und in der weiteren Umgebung begünstigen das Entstehen von Kriminalität bei Jugendlichen und bei Kindern.
Die CDU-Forderung, mit jungen Menschen mehr nach dem Grundprinzip „Fördern durch Fordern" zu verfahren, wird durch die Bundesregierung in überzeugender Weise widerlegt. Eine Überforderung durch die Schule — ich darf das Stichwort Leistungsdruck hier einfügen —, insbesondere die falsche Reaktion auf Versagenserlebnisse bei gleichen Anforderungen und unterschiedliche Lernfähigkeit wirken kriminalitätsfördernd. Die Änderung der Lebensverhältnisse, also die Abnahme menschlicher Kontakte durch Verstädterung und häufigen Wohnortwechsel konnten wir alle nicht verhindern; es gibt hier keine Patentrezepte. Allgemeinverbindliche Wertvorstellungen sind in unserer pluralistischen Gesellschaft schwieriger zu gestalten. Das führt natürlich zu Unsicherheit und zu Orientierungsschwierigkeiten. Doch mir ist das noch lieber als von oben angeordnete, für alle verbindliche Wertvorstellungen.

(Beifall bei der SPD)

In dieser Situation wird die Gesellschaft stärker gefordert, und wir sind wohl alle bereit, darauf zu reagieren. Es mutet im übrigen eigenartig an, daß bei der CDU der Staat, also diese sozialliberale Regierung, und nicht das schlechte Beispiel der Erwachsenenwelt mit materiellen Statussymbolen und der ständige Anreiz der Werbung zu Begehrlichkeit führen. Die von mir aufgezählten ungünstigen Faktoren in gebündelter Form oder für sich allein führen bevorzugt zu Kriminalität von Jugendlichen und von Kindern.
Der Konflikt mit dem Gesetz erfolgt um so leichter, wenn zusätzlich Alkohol hinzukommt. Ein Großteil aller Gewaltverbrechen, deren Zunahme wir beklagen, wird unter Alkoholeinfluß ausgeführt. Insbesondere haben die Trinkgewohnheiten der Eltern, das elterliche Vorbild, einen negativen Einfluß auf den Alkoholkonsum junger Menschen. Der Zusammenhang von Kriminalität und Alkoholismus ist hinreichend gesichert. Der Alkoholkonsum, wenn auch verlangsamt, steigt, mit seiner enthemmenden Wir-



Heyenn
kung und damit die Schwelle zur Kriminalität herabsetzend, weiter.
Ich möchte allerdings auch die Frage in den Raum stellen, welches Ausmaß die Kinder- und Jugendkriminalität inzwischen angenommen hätte, wäre es nicht gelungen, in Teilbereichen erhebliche Erfolge zu erzielen.
Jugendkriminalität ist nicht vorrangig ein rechtspolitisches Problem. Es kommt vielmehr darauf an, den Nährboden für den Alkohol- und Drogenmißbrauch und für die Kriminalität von Kindern zu beseitigen. Die Regierung hat hier mehr als Ansätze geleistet.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Es ist viel getan worden von dieser Bundesregierung, und es wird hart gearbeitet von dieser Bundesregierung, weil noch viel zu tun ist. Polemik hilft weder der Bundesregierung noch den jungen Menschen. Übertreibungen vernebeln den wahren Sachverhalt. Unsere Jugend, meine Damen und Herren, ist besser als ihr Ruf.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805606000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID0805606100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wollte der Rechtspolitiker zu den Fragen der Jugendkriminalität nur als Strafrechtler sprechen, so wäre dies eine fatale Sache; denn der Strafrechtler wird von Amts wegen ja erst zuständig, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, d. h., wenn der Jugendliche zum Delinquenten geworden ist.
So beschäftigt sich der Strafrechtler immer mit Vergangenem, das er zu beurteilen hat, das er zu sanktionieren hat. Die Zukunft gestaltet er immer nur insoweit, als er seine Maßnahmen so zu treffen versuchen kann, daß sie einer Rückfalltat entgegenwirken.
Man wird in diesem Zusammenhang das Wort Gustav Radbruchs verstehen müssen: „Das ferne Endziel ist nicht ein besserer Strafvollzug, sondern etwas, das besser ist als Strafvollzug."
Damit sind wir bei der Frage nach den Ursachen von Kinder- und Jugendkriminalität angelangt. Wer hier nicht nur auf der falschen Schiene seiner Hobbies fahren will, wird sich dieser Frage einmal ernsthaft zuwenden müssen. Dann muß allerdings das Streben, mehr zu wissen und mehr zu erfahren, im Vordergrund stehen und nicht das immer wieder deutlich werdende Bestreben, in dieser oder jener Einzelfrage der Bundesregierung am Zeug flicken zu wollen.
Es gibt ja nicht nur eine Ursache. Sie haben ganz sicher mit Ihrer Großen Anfrage etwas Wichtiges angeschnitten, das aber gleichzeitig nur einen Teilbereich herausnimmt. Kriminalität hat nicht eine Ursache und hat auch nicht — dies wäre vordergründig — Drogen und Alkohol zu einer Hauptvoraussetzung. Ich möchte vielmehr sagen —wobei die Verzahnung dieser Dinge bekannt ist —:
Kriminalität, Drogenmißbrauch, Alkoholmißbrauch sind drei nebeneinanderstehende Ursachen, die ihren Grund in einer Entwicklung haben, die allerdings tiefer liegt.
Dabei werden wir am sozialen Wandel unserer Gesellschaft nicht vorbeigehen können, der gekennzeichnet ist durch eine sprunghafte technisch-ökonomische Entwicklung, der gekennzeichnet ist durch Freizeit, die zum Problem geworden ist, durch die zunehmende Verstädterung und die unter diesen Bedingungen völlig geänderten Lebensverhältnisse.
Die ungefestigte, noch allen Eindrücken und Einflüssen offene Persönlichkeit eines Kindes oder eines Jugendlichen wird stärker als der Erwachsene von außen her geprägt. Wer mir entgegenhalten wollte, daß wir Verstädterung und vieles, was ich genannt habe, natürlich schon länger kennen, dem muß ich sagen, daß erstmals zu Beginn der 60er Jahre die aufgezeigte Entwicklung auf junge Menschen traf, die die teilweise gegenläufigen Anstöße der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht mehr bewußt erlebt haben.
Der technische Wandel wird etwa — ich kann das nur punktuell aufzeigen — deutlich an der Bedeutung des Fahrzeugs in unserer Gesellschaft, vom Fahrrad über das Moped und Motorrad bis hin zum Pkw. Dementsprechend hat sich auch die Kriminalität orientiert. Wir haben 1975 fast eine Million Fahrzeugdelikte zählen können, und dabei sind die zahlreichen Verkehrsdelikte noch gar nicht inbegriffen. Diese fast eine Million Delikte sind nahezu ein Drittel aller überhaupt bekanntgewordenen Straftaten.
Wir haben das Freizeitproblem, das sich früher nicht gestellt hat, weil in der agrarischen Gesellschaft, aber auch in der städtischen Industriegesellschaft Jugendliche, ja bereits Kinder sehr frühzeitig genötigt waren mitzuverdienen. Freizeit — das war kein Problem, sondern für die meisten jungen Leute ein Wunschtraum.
Wir haben heute die verlängerten Ausbildungszeiten. Früher ging die Kindheit ohne ausgeprägtes Jugendalter in die Zeit des Erwachsenseins über. Das ist heute völlig anders. Die. verlängerten Ausbildungszeiten tragen dazu bei, daß viele junge Menschen in unserem Lande nahezu künstlich realitätsfern gehalten werden. Von daher tauchen kriminalitätsbezogen auch besondere Probleme auf.
Die Zusammenballung, die Verstädterung — das ist das Zusammenleben vieler Menschen in Großstädten, aber es ist auch das Übergreifen städtischer Lebensformen auf das Land —, diese soziale Übervölkerung, die wir bei uns zu verzeichnen haben, erzeugt Streß, sie bewirkt Aggressivität, die sich gerade auch beim jungen Menschen niederschlägt; nach innen in Neurosen und Depressionen, nach außen in Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Gewalttätigkeiten aller Art, wie wir sie kennen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden flüchtiger, die Anonymität bewirkt Gleichgültigkeit zwischen den Menschen. Vor allem fehlt die soziale Kontrolle, die früher immer wirksamer war als die vorbeugende Arbeit der Polizei, nämlich die



Engelhard
informelle soziale Kontrolle durch die Familie, durch die Nachbarn, durch das überschaubare soziale Umfeld.
Dabei sind wir auf die Gastarbeiterkinder noch gar nicht eingegangen. Was uns hier an künftiger Jugendkriminalität ins Haus steht, davor kann einem schaudern. Ein Blick in die USA zeigt, was aus einer mangelhaft eingegliederten zweiten Generation von Einwanderern werden kann.
Am Beispiel des Ladendiebstahls ließe sich deutlich machen, wie sich der soziale Wandel auswirkt. 1963: 40 000 Fälle, 1975: das Sechsfache mit 240 000 Fällen. Interessant ist dabei, daß fast die Hälfte der ermittelten männlichen Täter bei diesem Delikt im Jahre 1975 unter 21 Jahren alt war. Wenn man jetzt die Frage nach dem Warum stellt, so ist es — moralisch gesehen — nicht nur die materielle Begehrlichkeit. Nein, es ist mehr: die neuen Vertriebsformen in großen Warenhäusern, Selbstbedienungsläden, auch Münzautomaten. Wer im Tante-Emma-Laden eine alte Frau bestiehlt, dem stehen moralische Hemmnisse entgegen, nämlich einen Menschen zu schädigen, den er vielleicht selbst kennt, der vielleicht mit seiner Familie bekannt ist. All das fällt bei den nur in Ballungsräumen möglichen neuen Vertriebsformen weg.
Ich muß zum Schluß kommen. Wir werden an dieser Analyse nicht vorbeigehen können. Wir werden die Erscheinungen sicherlich nicht hinnehmen wie Pest und Cholera zu einer Zeit, als man deren Erreger noch nicht kannte. Wir werden uns bemühen müssen. Durch die Analyse ist meines Erachtens — jedenfalls im Ansatz — eine wenn auch schwierige Therapie vorgegeben, der Anonymität, den kriminalitätsfördernden Bedingungen unserer sozialen Umwelt Individualität entgegenzusetzen, Erziehung im Sinne individueller Zuwendung. Das wird dann letztlich auch auf den Staat zutreffen, der sich nicht nur als die Summe aller Ansprüche seiner Bürger an ihn verstehen darf, sondern als ein Gebilde, das vor allem auch die Verantwortlichkeit aller gegenüber dem Staat umfaßt. Dies wird uns für die Zukunft vieles abnötigen. Dies ist eine schwere Aufgabe; wir werden sie nur bewältigen können, wenn wir nicht vordergründig auf der Oberfläche herumplätschern,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

sondern erkennen, was uns an Belastungen bei der Bewältigung dieses Problems vorgegeben ist.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805606200
Das Wort hat Frau Bundesminister Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0805606300
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Ich möchte nur einige wenige Bemerkungen zu einigen Punkten machen, die in der heutigen Debatte aufgekommen sind. Zunächst möchte ich mich bei Herrn Geisenhofer für den Appell an die Länder recht herzlich bedanken, daß wir mehr Unterlagen und Zahlen bekommen. Dasselbe gilt auch für den Herrn Kollegen Braun. Wir haben vorgestern auf der Gesundheitsministerkonferenz in Berlin in dem Bericht der Bundesregierung über diese Große Anfrage berichtet und die Probleme dargestellt. Auch uns liegt daran, mit den Ländern gut zusammenzuarbeiten.
Nun möchte ich noch etwas auf den Alkoholverbrauch eingehen. Herr Geisenhofer, aber auch Frau Geier und Herr Braun haben in ihren Ausführungen erklärt, der Alkoholverbrauch sei in den letzten Jahren gestiegen. Ich möchte noch einmal deutlich sagen, daß er laut Statistik seit dem Jahre 1975 rückläufig ist. Der tägliche Konsum geht nach einer Untersuchung des Allensbacher Instituts im Vergleich des Jahres 1973 zu 1976 bei Bier von 29 auf 20 %, bei Wein von 6 auf 3 % und bei Spirituosen von 5 auf 3 % zurück. Im internationalen Vergleich liegt die Bundesrepublik in der Mitte, aber ich wiederhole: über den Alkoholismus sagt das überhaupt nichts aus. Ich stelle nochmals fest, daß die größten Steigerungsraten sowohl in bezug auf den Alkoholkonsum als auch in bezug auf den Alkoholismus im Mehrjahresvergleich bis zum Jahre 1965 zu verzeichnen gewesen sind. Mit welcher Ideologie bitte wollen Sie das nun begründen? Sie sehen, wohin man mit einer solchen Argumentation kommt.
Frau Geier beklagte die Verwirrung und Diskriminierung, die durch unsere Emanzipationsbestrebungen unter dem Schlagwort „vom Heimchen am Herd zur Karrierefrau" stattfänden. Dies ist ja eine kolossale Verwirrung hinsichtlich des Begriffs Emanzipation und der gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten.

(Zustimmung des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])

Die Bundesregierung plädiert weder für das „Heimchen am Herd" noch für das Modell Karrierefrau. Emanzipation ist nicht identisch mit Berufstätigkeit. Aber wir wollen die für die nicht einfache Lebensbewältigung durch Bildung und Ausbildung genügend ausgerüstete und für Gesellschaftsprobleme aufgeschlossene Frau. Wer anders soll denn wohl die nächste Generation, die Kinder, für diese komplexe Welt erziehen? — Das gilt auch für die Väter, nicht nur für die Mütter.

(Beifall bei der SPD)

Die These, der steigende Jugendalkoholismus sei auf Emanzipationsbestrebungen zurückzuführen, ist doch lächerlich. Emanzipation hilft doch gerade, Probleme zu lösen. Das gilt auch für die Familie. Wir schätzen die Familie in ihrem Stellenwert sehr hoch ein. Wir halten sie F r die allerwichtigste Gruppe in unserer Gesellschaft und beurteilen sie, wie wir mehrfach bekundet haben, in keiner Weise negativ. Die heute debattierte Problemstellung richtet sich sehr ernst auch an die Familie. Ich habe dargelegt, wieviel sich hier in der Privatsphäre vollzieht.
Materielle Hilfe richtet hier sehr wenig aus. Es geht nicht um die sozial schwache Familie, eben nicht um Elendskonsum; deshalb unser Modell der Stärkung der Erziehungskraft der Familie und unsere Aufklärungsbemühungen. Weder die Familie noch der Staat sind negativ zu apostrophieren. Wir



Bundesminister Frau Huber
bemühen uns um Hilfen für die Familie. Ebenso bemühen wir uns um diesen unseren freiheitlichen, sozialen Rechtsstaat, für den wir alle Anstrengungen unternehmen und den wir in schweren Zeiten mit allen Mitteln verteidigen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Zuletzt will ich eine Bemerkung zu der Forderung machen, ich sollte bitte die Richtlinien für die Schulpolitik setzen. Dies kann, finde ich, doch nur in einer für einen Bundestagsabgeordneten allerdings erstaunlichen Unkenntnis unserer Verfassung begründet sein.

(Beifall bei der SPD und der FDP — KrollSchlüter [CDU/CSU] : Das hat niemand gesagt! — Gegenruf von der SPD: Doch!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805606400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0805606500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Schluß der Debatte darf ich mit einer gewissen Befriedigung meiner Auffassung Ausdruck geben, daß der Versuch, mit der Form dieser Debatte, die wir heute gewählt haben, durch eine größere Zahl von Kurzbeiträgen die Beratung anzuregen und lebendig zu gestalten, gelungen ist.

(Beifall — Wehner [SPD] : Er sollte fortgesetzt werden!)

— Vor leider leerem Hause, Herr Wehner, haben wir das vorexerziert, und ich hoffe, daß dieses Beispiel für die künftigen Debatten nutzbar gemacht wird.

(Sehr gut! bei der SPD)

Denn zu viele allzu lange Reden sind der Lebendigkeit einer Auseinandersetzung hinderlich. Insoweit war das ein Erfolg.

(Beifall)

Meine, Damen und Herren, ich möchte kurz zusammenfassen — auch mir bleiben ja jetzt nur zehn Minuten —:

(Wehner [SPD]: Wunderbar!)

Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU ist zwar ausführlich, läßt aber allzu viele Fragen offen. Sie weicht ungelösten Problemen aus, und sie kann deshalb in dieser Form nicht befriedigen;

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Sehr treffend!) viele Materialien, aber leider wenige Impulse.


(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Frau Minister, Sie sprachen von „nur 0,2 %" Behandlungsbedürftigen. Abgesehen von der großen Dunkelziffer in diesem Bereich müssen wir dazu natürlich sagen, daß hinter diesen 0,2 % viele, viele Einzelschicksale stecken und daß wir enorme Summen für die Rehabilitation in jedem Einzelfall ausgeben müssen.
Überhaupt zu diesem Streit um Zahlen: Medien, Ärzte, die Hauptstelle und alle freien Träger schildern die Drogenszene übereinstimmend sehr viel
kritischer, als Sie, Frau Minister, die Dinge heute dargestellt haben.
Herr Kuhlwein, es ist nicht so, daß wir an die Machbarkeit aller Dinge — und womöglich noch durch den Staat — glaubten. Wir sind nicht staatsgläubig. Was wir hier und heute fordern, ist eben Hilfe zur Selbsthilfe,

(Beifall bei der CDU/CSU)

ist eben, daß jene Kräfte draußen gestärkt werden, die vor Ort die Einzelarbeit leisten. Und in Ihrem Ministerium sitzt ein Herr Kosmale, der mit der Unterstützung der freien Träger nicht so einverstanden ist, der einmal gesagt hat, die privaten Träger seien zwar weiterhin in der Sozialarbeit präsent, seien aber — so wörtlich — nur noch gesellschaftspolitische Verspätungserscheinungen. Kosmales Prognose heißt eindeutig: Im Wettlauf der Qualität gewinnt der Staat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Wir sind nicht dieser Auffassung. Gerade in diesem Bereich kann der Staat eben nicht alles leisten

(Beifall bei der CDU/CSU)

und müssen eben die freien Kräfte ihren Auftrag erfüllen.
Herr Kuhlwein, was verstehen Sie denn unter „Familienideologie"? Erziehung ist Vorbild und Liebe; das ist und bleibt eine Realität. Wer hier von Ideologie spricht, stellt die Dinge auf den Kopf.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: So ist es!)

Herr Amling, es ist parlamentarisch ungewöhnlich: Sie haben in Ihrer Rede Namen von Personen genannt, die Spenden geben. Diese Männer können sich hier nicht wehren.

(Hauck [SPD] : Herr Kosmale auch nicht! — Weitere Zurufe)

— Aber wir haben Gelegenheit, mit Kosmale zu diskutieren. Er ist ein leitender Beamter des Ministeriums, und er ist Manns genug.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Er kann in den Ausschuß kommen!)

Er hat mich auch mehrfach in der Presse angegriffen.

(Weitere Zurufe von der SPD — Frau Eilers [Bielefeld] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich sehe, daß Sie Zwischenfragen stellen wollen, möchte darauf aber nicht eingehen, um die Zeit nicht zu überschreiten.

(Frau Eilers [Bielefeld] [SPD] : Aber das Zitat ist nicht aus der Zeit des Ministeriums!)

— Nicht aus der Zeit des Ministeriums, aber er ist in diesem Ministerium, und er hat dies gesagt.

(Frau Eilers [Bielefeld] [SPD] : Er hat das vor zwölf Jahren gesagt!)

Meine Damen und Herren, unser Entschließungsantrag nennt Maßnahmen, die erforderlich und möglich sind, um die Rauschgiftsucht besser zu bekämp-



Burger
fen. Im Laufe der letzten Jahre hat das Drogenproblem in Deutschland eine Differenzierung erfahren. Ein deutlicher Trend zu harten Drogen ist feststellbar. Die Jugendlichen sind risikofreudiger geworden. Sie werden schneller aggressiv und sind oft auch rehabilitationsunwillig. Beobachtet wird auch eine soziale Umschichtung der Drogenszene. Arbeitslosigkeit, Engpässe bei der Studienzulassung und wirtschaftliche Rezession haben die pessimistische Grundhaltung vieler Jüngeren verstärkt. Sie führte auch zu einer wachsenden Suchtbereitschaft. Die zunehmende Rehabilitationsunwilligkeit behindert leider auch die Heilung. Denn es kann vor allen Dingen in diesem Bereich nur dem geholfen werden, der sich helfen lassen will.
Auch über die Frage nach den tieferen Ursachen der Drogenausbreitung hätte man heute vielleicht etwas breiter reden müssen. Herr Engelhardt, Sie haben dankenswerterweise dieses Problem sehr gründlich angesprochen. Hier gibt es leider Gottes auf zu viele Fragen noch keine Antwort. Die Suchtkrankheiten stellen nicht nur Ärzte, sondern vor allen Dingen auch die Eltern vor große Probleme. „Was haben wir bloß falsch gemacht?" fragte die Mutter eines Freiburger Mädchens, deren Kind in die Drogenszene stolperte, unlängst in der „Badischen Zeitung". Hilflosigkeit, Ohnmacht bei den Eltern gegenüber der Drogenabhängigkeit der eigenen Kinder — das ist kein Einzelfall. Wie aber kann man den Eltern helfen? Was ihnen raten, wenn Jugendliche Hilfe nicht annehmen und die Eltern erkennen müssen, daß es in einem freiheitlichen Staat fast unmöglich ist, jemanden davon abzuhalten, sich freiwillig zu ruinieren.
Das Institut für Gesundheitserziehung in Stuttgart berichtet von einer Zunahme gesundheitlicher und seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Dies ist eine neue Untersuchung. Drogenkonsum, so sagt dieses Institut, sei ein Signal für eine allgemeine Überstimulierung. Eine Überprüfung der Lebensinhalte, so wird gefordert, in Erziehung, Familie, Kindergarten und Schule sei dringend. Im Dritten Jugendbericht lesen wir, daß 49 % der Kinder verhaltensgestört seien. Die Zahl der Kinder, so heißt es dort, die wegen Schulschwierigkeiten dem Psychologen vorgestellt werden — dies schreibt der Heidelberger Psychologe Müller-Küppers — habe stark zugenommen. 1969 war es jedes zwölfte, 1966 jedes achte, 1975 jedes dritte Kind. Verhaltensstörungen bedeuten aber immer Aggressionen oder Entmutigungen oder beides.
Deshalb ist es wichtig, Eltern und Schule in den Stand zu setzen, die Grundbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zu befriedigen, damit sie zur Entfaltung ihrer Person fähig werden, auch dazu, sich selbst zu behaupten, und daß sie fähig werden, Spannungen, Belastungen und Streß zu ertragen. Eine Erziehung, die jeden Zwang verteufelt, keine Sorgen annehmen will und den Menschen am liebsten stets das machen läßt, was er will, fördert die Bereitschaft, sich mit chemischen Mitteln ein vermeintliches Glück zu beschaffen. Diese Mittel aber sind keine Problemlöser. Die Menschen werden von den Drogen betrogen.
Was können wir tun? Wir können wenigstens bekannte Mängel beseitigen. Einige Beispiele! Ein leitender Arzt eines Landeskrankenhauses sagte mir, es müßten mehr offene Heilstätten zur Verfügung gestellt werden, damit die langen Wartezeiten der Behandlungswilligen wegfielen. Er fordert, daß die Kostenfrage für Heilverfahren in spätestens vier Wochen geklärt werden, statt wie bisher in vier bis sechs Monaten. So könne man erreichen, daß ein Behandlungswilliger nach kurzer Entgiftung in einem Krankenhaus in eine offene Heilstätte verlegt werde. Der Wegfall der langen Wartezeiten wäre kostensparend. Denn viele Kranke warten heute monatelang daheim auf Heimbestellung. Sie beziehen Krankengeld. Sie trinken weiter und ruinieren ihre Gesundheit vollends.
Rentenversicherungsträger gewähren stationäre Heilbehandlung für Suchtkranke nur unter bestimmten Voraussetzungen. Da bei diesen Krankheitsformen die Beurteilung der Erfolgsprognosen besonders schwierig ist, haben die Rentenversicherungsträger ein Auswahlverfahren für Drogensüchtige erarbeitet. Die Folge: Streit der Kostenträger, lange Wartezeiten.
Oft bleibt der Kranke auch ohne Nachsorge. Für den Alkoholkranken heißt Heilung totale Abstinenz. Der heilungswillige Suchtkranke aber wird oft durch ein Gläschen unter Kollegen in Rückfallgefahr gebracht.
Mängel gibt es auch in der ambulanten Behandlung. Eine Nervenärztin, die ambulante Langzeitbehandlungen durchführt, weist darauf hin, daß sie die Patienten geistig und körperlich aufbauen müsse. Diese Behandlung dauere lange und sei teuer. Es gebe ständig Schwierigkeiten mit den Krankenkassen.
Professor Keup, ein erfahrener Arzt, fordert vor allem eine Verbesserung der Früherkennung und Frühbehandlung. Er verschweigt nicht manche ungelösten Fragen hinsichtlich der ambulanten . sowie der Art und des Ausmaßes der stationären Behandlungen. Meine Damen und Herren, wir fordern eine bessere Unterstützung der freien Aktivitäten, auch der neu sich bildenden Vereinigungen von Eltern.
Ich komme zum Schluß.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört! — Immer [Altenkirchen] [SPD] : Wird auch Zeit!)

— Sie bringen mich mit Ihren Zwischenrufen nicht durcheinander. —

(Hauck [SPD] : Die Zahl läuft weg!)

Auch wir kennen keine Patenlösungen, aber wir haben in unserem Entschließungsantrag eine Reihe von Forderungen aufgestellt, und wir haben Mängel aufgezeigt. Zu deren Beseitigung, meine Damen und Herren, sind wir alle aufgerufen.
Ich beantrage Überweisung dieses Entschließungsantrages an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend —.

(Beifall bei der CDU/CSU)





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805606600
Wir kommen nun zur letzten Wortmeldung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwenk (Stade).

Dr. Wolfgang Schwenk (SPD):
Rede ID: ID0805606700
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion schließt sich dem Antrag auf Überweisung dieses Entschließungsantrags an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend — an. Allerdings sind wir der Auffassung: So erheblich Neues bringt dieser Antrag nicht. Denn vieles von dem, was Sie dort aufgeführt haben, ist bereits Inhalt des gemeinsamen Programms von Bund und Ländern. Das bedeutet zwar nicht, daß das in Ihrem Ausschuß nicht alles noch einmal beraten werden kann, aber es sollte doch nicht der Eindruck entstehen, als ob sich die Bundesregierung nicht schon längst Gedanken darüber gemacht hätte und erst von Ihnen auf die Sprünge gebracht werden müßte. So ist es ja nun weiß Gott nicht.

(Beifall bei der SPD)

Weiter darf ich hier noch sagen: Das Bundesministerium ist von Ihnen, Herr Burger, gerügt worden, es tue nichts für die freien Träger. Offensichtlich gibt es einige Kollegen, die den Bundeshaushaltsplan nicht kennen, weil er so umfangreich ist. Ab und zu sollte man da doch einmal hineinsehen. Dann würde man feststellen, daß ein wesentlicher Teil der Mittel dieses Ministeriums dafür zur Verfügung gestellt wird, gerade die freien Träger zu unterstützen und in die Lage zu versetzen, ihre Arbeit zu leisten. Es ist also nicht richtig, wenn behauptet wird, es würde in diesem Bereich nichts getan.

(Hasinger [CDU/CSU] : Zu wenig!)

Es soll hinsichtlich der Frage des Alkoholismus und der Kriminalität von Jugendlichen nichts beschönigt, nichts verschwiegen werden. Ich bin dem Kollegen Engelhard sehr dankbar dafür, daß er auf die schwierige Lage der Gastarbeiterkinder hingewiesen hat, die nun in ein Alter hineinwachsen, in dem sie auch ihre Lebensrechte haben wollen, die nicht verweigert werden können. Auch das wird dieses Haus noch beschäftigen müssen. Aber man wird in bezug auf die Jugend allgemein nicht sagen können, daß sie keine Aussichten, daß sie keine Orientierungspunkte, daß sie keine Hoffnungen habe und daß letztlich der Staat, wie Herr KrollSchlüter gesagt hat — das, was er gesagt hat, steht ja noch im Raum —, diese Jugend der Eigenverantwortlichkeit beraube, ihr gewissermaßen überhaupt nichts übriglasse. Das sind doch Märchen.
Es hat in der Bundesrepublik noch zu keiner Zeit so viel Geld für Maßnahmen zur Förderung der Jugend gegeben, ob Sie nun die Jugendpflege, den Sport, die Bildung und anderes betrachten. Ich darf nur auf die sich jährlich steigernden Zahlen im Bundeshaushalt hinweisen. Gerade der Sport z. B. hat hier eine wichtige Aufgabe, Jugendlichen ein Betätigungsfeld zu zeigen, auf dem sie sich üben, ihre Kräfte erproben und auch einmal austoben können.
Im Mannschaftssport ist es ja so: Wenn da einmal einer tüchtig eineinhalb Stunden Fußball gespielt hat, dann hat er seine Erlebnisse gehabt. Dann braucht er nicht zur Flasche zu greifen. Daß er hinterher einmal ein Bier trinkt, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, ist eine ganz andere Frage.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Hauck [SPD] : Er kann bayerisches Bier nehmen! Es hat nur 2 %!)

— Zur Empfehlung weitergegeben. — Jugendreisen, Ferienmaßnahmen und immer weiter steigende Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten sind gegeben. Wer mit offenen Augen durch unsere Welt geht, kann das sehen. Die Gründe für Jugendalkoholismus liegen auf anderen Gebieten.
Ich habe kürzlich etwas in einer Zeitung gelesen. Ihr Vorsitzender ist gerade nicht anwesend; er war vorhin kurz im Raum. Er schreibt ja in dieser Zeitung auch Kolumnen. In dieser Zeitung stand auf der Seite für die Jugend:
Taschengeld kurbelt die Wirtschaft an. Teens und Twens haben jährlich über 30 Milliarden zur Verfügung. Es wird ausgegeben für Schallplatten, Reisen, Freizeitartikel, Lesestoff, Tabakwaren, und schließlich werden ausgegeben für Alkohol fast 440 Millionen DM.
Dann kam noch ein Nachsatz:
Wer finanziell nicht mithalten kann, ist schnell im Aus. Bald wird die Freizeit zur Langeweile, und dann greift man zur Flasche.
Mit dieser Frage beschäftigt sich nicht nur dieses Haus. In meiner Heimatgemeinde hat kürzlich eine Podiumsdiskussion stattgefunden. Daran haben ein Familienrichter, ein höherer Offizier der Bundeswehr und ein Pastor teilgenommen. Sie haben vor allem darauf hingewiesen, daß stärker bei der Erziehung, bei der Familie anzusetzen sei. Der Familienrichter hat gesagt: Wenn Ehepartner nur ihre Steuerklassen und ihren gemeinsamen Verdienst zusammenwerfen, reicht das nicht aus. Er hat hinzugefügt, in der Familie müsse Liebe vorgelebt werden. Der Bundeswehroffizier hat erklärt: Wir müssen in der Familie wieder erziehen. Das war ein deutlicher Aufruf an die Familien, sich ihrer Aufgabe stärker bewußt zu werden, als es leider manchmal der Fall gewesen ist. Dabei können wir den Familien helfen. Über den Teil der Großen Anfrage, in dem von Elternbriefen, von Modellversuchen die Rede ist, Eltern zum Teil zusammen mit Kindern in eine neue Erziehungswelt hineinzuführen, ist hier überhaupt nicht gesprochen worden, vielleicht deshalb, weil das auf den letzten Seiten der Antwort steht. Ich halte das für sehr wichtig. Ich habe in Programmen von Volkshochschulen gesehen, daß dies jetzt sehr breit angeboten wird. Ich hoffe, daß es auch angenommen wird; denn wir wollen verstärktes Engagement bei unseren Bürgern sehen. Es wäre gut, wenn diese Dinge breit aufgegriffen würden.
Wenn in der Familie wieder gesprochen wird, wenn wieder mit den Kindern gesprochen wird und die Kinder frühzeitig in den Dialog mit den Eltern

Dr. Schwenk (Stade)

einbezogen werden, dann wird die Lage erheblich besser werden, als sie zur Zeit ist.
Wir haben, nicht nur um gestörte Familienverhältnisse zu verbessern, das Adoptionsrecht verbessert. Kinder können jetzt frühzeitiger auch von jüngeren Leuten adoptiert werden. Früher schon ist beim Nichtehelichenrecht die Halbfamilie besser weggekommen. Der Makel, ein nichteheliches Kind zu sein, spielt in dieser Gesellschaft nicht mehr die Rolle wie früher. Wir wissen, daß früher mancher daran zerbrochen ist. Wir wollen mit der Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge die Eltern dazu anhalten, das Gespräch, das Entscheidungsgespräch mit den Kindern zu suchen. Kinder sollen im Falle des Auseinanderbrechens der Familie nicht mehr gegen ihren Willen zu dem Elternteil, den sie nicht bevorzugen, gebracht werden. Wir wollen vor allem dadurch, daß das Verschuldensprinzip entfallen soll, auch verhindern, daß Pflegekinder aus der Pflegestelle gerissen werden, wenn Eltern, die lange von ihnen nichts haben wissen wollen, auf einmal ihre Liebe entdecken. Denn auch das sind Problemkinder, die der Alkohol- und Drogensucht stark ausgesetzt sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es ist geradezu ein Bonbon, daß in einem früheren Text einmal das Wort „Fremdbestimmung" gestanden hat. Dieser Bonbon wird immer wieder hervorgeholt, obwohl der Bundesjustizminister mehrfach laut und deutlich gesagt hat: Das ist irgendwie hineingekommen; es wird nicht von uns getragen. Manche glauben darauf nicht verzichten zu können. Es gilt für uns nicht mehr. Die Entwicklung ist weitergegangen. Für uns gilt die Vorlage, die wir in dieses Haus eingebracht haben. Ich wünsche mir, wenn wir zu den weiteren Beratungen kommen, daß auch Sie das einmal anders sehen, nämlich von der Seite des gefährdeten Kindes aus, nicht von der Familie her, die intakt ist; denn gegen die intakte Familie wendet sich keiner. Die Konflikte, die in der Familie zu bewältigen sind, kommen von außerhalb. Denken Sie nur an die Werbung, wieviel Schwierigkeiten Eltern mit ihren Kindern haben, zu vernünftiger Geldeinteilung zu kommen, wenn der 'Konkurrenzkampf einsetzt, wer denn mehr zur Verfügung hat. Konflikte sind überall, auch in der Familie, vorhanden, auch in der gesunden Familie. Die gesunde Familie zeichnet sich dadurch aus, daß sie den Konflikt bewältigt. Herr Hasinger, auch das ist ein Thema für diese Debatte, die Konfliktbewältigungsfähigkeit.
Die Zeit läuft schnell, daher nur noch einige Stichworte: Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat einen Forschungsauftrag vergeben, im Rahmen dessen jetzt Ergebnisse über den Schulstreß vorliegen. Wir müssen in die Forschung eintreten:
Kommt der Schulstreß nur aus der Schule, ist er nicht gesamtgesellschaftlich begründet? Müssen wir in unseren Schulen die Inhalte überprüfen? Welche Hilfen können wir geben, daß das besser bewältigt wird?
Die Bundesregierung hat viel getan, um Ausbildungsnot, Arbeitsplatznot zu bewältigen, damit auch der Letzte eingegliedert werden kann. Fortschritte sind erzielt worden. Ich kann das jetzt nicht im einzelnen aufzählen. Ich bin all denen dankbar, die in diesem Jahre dazu beigetragen haben, daß zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt worden sind, damit wir unsere Jugendlichen unterbringen können. Das bedeutet die Eingliederung, das bedeutet, allen auch ein berufliches Ziel zu geben.
Liberalität in diesem Staat bedeutet, mit der Freiheit etwas anzufangen. Es wird viel geboten. Die Bürger sollen zugreifen. Ich denke auch daran, daß viel getan worden ist, die Städte in ihrem Erscheinungsbild zu verbessern. Stadtsanierung ist nicht ein Wort geblieben, sondern zur Tat geworden. Die Lebensumwelt ist verbessert worden. Bei vielen Städten lohnt es sich jetzt, sie zu bewohnen. Auch dies ist eine Hilfe für Jugendliche, daß sie nicht in einer trostlosen Umwelt aufwachsen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dort bleibt noch viel zu tun. Aufgaben müssen auch in der Zukunft für alle bleiben. Die Richtung haben wir gewiesen. Geben Sie also bitte nicht die Schuld einer angeblich nicht arbeitenden Bundesregierung, sondern sehen Sie, was getan worden ist, und helfen
Sie mit, ein positives Engagement für diesen Staat sicherzustellen!

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0805606800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir haben noch den Entschließungsantrag des Abgeordneten Kroll-Schlüter und Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 8/1144 zu überweisen. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Ist das Hohe Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein für Mittwoch, den 23. November 1977, 13 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.