Protokoll:
8016

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 16

  • date_rangeDatum: 3. März 1977

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:56 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/16 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 16. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Inhalt: Verzicht des Abg. Lorenz auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 793 A Eintritt des Abg. Dr. Pfennig in den Deutschen Bundestag 793 A Erweiterung der Tagesordnung 793 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 793 B Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977) — Drucksache 8/100 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1976 bis 1980 — Drucksache 8/101 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Neue Eckwerte zum Jahreswirtschaftsbericht — Drucksache 8/133 — Dr. Althammer CDU/CSU . . . . . . 793 D Westphal SPD 802 D Hoppe FDP 808 D Leicht CDU/CSU . . . . . . . . . 813 C Löffler SPD 819 D, 873 B Gärtner FDP . . . . . . 824 B, 874 B Dr. Apel, Bundesminister BMF . . . . 829 A Dr. Häfele CDU/CSU . . . . . . . 837 C Dr. Böhme (Freiburg) SPD . . . . . 843 D Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 846 B Haase (Kassel) CDU/CSU . . . . . . 850 C Esters SPD 853 C Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 855 B Dr. Dollinger CDU/CSU 859 A Dr. Sperling SPD 860 B Grobecker SPD . . . . . . . . . 863 B Wohlrabe CDU/CSU . . . . . . . . 865 A Blank SPD 868 A Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 870 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 874 C Simpfendörfer SPD 876 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes — Drucksache 8/151 — . . . . . . . . 828 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Nächste Sitzung 878 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 879* A Anlage 2 Kohleeinsatz in Kernkraftwerken im Jahr 1977 sowie Kapazität und Modernisierung der Steinkohlekraftwerke MdlAnfr A17 25.02.77 Drs 08/129 Wolfram (Recklinghausen) SPD MdlAnfr A18 25.02.77 Drs 08/129 Wolfram (Recklinghausen) SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 879* C Anlage 3 Registrierung und Wirksamkeit von Gammaglobulin-Präparaten und Hyper-Immunseren sowie anderen Arzneimitteln MdlAnfr A42 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Hammans CDU/CSU MdlAnfr A43 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Hammans CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 880* B Anlage 4 Stellungnahme der Bundesländer zum Bericht der Sachverständigenkommission über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland sowie Einschränkung der Kampagne „Menschen wie wir" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über psychisch Kranke und Behinderte MdlAnfr A44 25.02.77 Drs 08/129 Eimer (Fürth) FDP MdlAnfr A45 25.02.77 Drs 08/129 Eimer (Fürth) FDP SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 881* A Anlage 5 Kindergeld und Krankenversicherungsschutz für arbeitsunfähig erkrankte Kinder MdlAnfr A46 25.02.77 Drs 08/129 Kroll-Schlüter CDU/CSU MdlAnfr A47 25.02.77 Drs 08/129 Kroll-Schlüter CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 881* C Anlage 6 Anstieg der Zahl der Rauschgifttoten und Rauschgiftdelikte im Jahr 1976 MdlAnfr A48 25.02.77 Drs 08/129 Frau Schleicher CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 881* D Anlage 7 Heranziehung der Studenten zu ausbildungsfremden Arbeitsleistungen während der Ableistung des praktischen Jahres im Medizinstudium MdlAnfr A49 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Neumeister CDU/CSU MdlAnfr A50 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Neumeister CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 882* A Anlage 8 Aufklärung werdender Mütter über die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf die Gesundheit ihres Kindes MdlAnfr A51 25.01. 77 Drs 08/129 Dr. Geßner SPD SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 882* B Anlage 9 Einbringung des Gesetzentwurfs über den nichtärztlichen Psychotherapeuten angesichts der Weigerung der Ersatz- und der Ortskrankenkassen, Honorarforderungen von Psychologen zu erstatten MdlAnfr A52 25.02.77 Drs 08/129 Frau Erler SPD MdlAnfr A53 25.02.77 Drs 08/129 Frau Erler SPD SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 882* D Anlage 10 Weiterzahlung des Kindergeldes gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes an ersatzweise freiwillig sozialen Dienst ableistende Zivildienstpflichtige MdlAnfr A54 25.02.77 Drs 08/129 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 883* A Anlage 11 Kritik des Diakonischen Werks am Heim-und am Kostendämpfungsgesetz MdlAnfr A55 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Dollinger CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 883* B Anlage 12 Erfassung und Überprüfung aller Hauswasserversorgungsanlagen durch die Gesundheitsämter in Rheinland-Pfalz auf Grund der Trinkwasserverordnung vom 31. Januar 1975 MdlAnfr A56 25.02.77 Drs 08/129 Immer (Altenkirchen) SPD SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 883* D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 III Anlage 13 Bedeutung und Förderung energiesparender Wärmepumpen MdlAnfr A67 25.02.77 Drs 08/129 Picard CDU/CSU MdlAnfr A68 25.02.77 Drs 08/129 Picard CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . 884* A Anlage 14 Auslastung der vom Bundesministerium für Forschung und Technologie finanzierten Plattform Nordsee; Abneigung der Kraftwerkserbauer und -betreiber gegen den Hochtemperaturreaktor MdlAnfr A69 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Steger SPD MdlAnfrA70 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Steger SPD SchrAntw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . 884* D Anlage 15 Nutzung des Kernkraftwerks bei Kalkar nach der Fertigstellung MdlAnfr A71 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Jens (Voerde) SPD MdlAnfr A72 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Jens (Voerde) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . 885* C Anlage 16 Aufgaben des Weltraumlabors und Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt an Unternehmen und Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen dieses Projekts MdlAnfr A73 25.02.77 Drs 08/129 Stahl (Kempen) SPD MdlAnfr A74 25.02.77 Drs 08/129 Stahl (Kempen) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . 886* B Anlage 17 Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am schnellen Brüter „Superphénix" in Creys Malville in Frankreich angesichts von Initiativen zur Einstellung der Bauarbeiten für dieses Projekt MdlAnfr A75 25.02.77 Drs 08/129 Schäfer (Offenburg) SPD MdlAnfr A76 25.02.77 Drs 08/129 Schäfer (Offenburg) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . 886* C Anlage 18 Verstoß gegen das Datenschutzgesetz durch den Werbebrief von Burschenschaften an Erstsemester-Studenten an der Universität Hohenheim MdlAnfr A77 25.02.77 Drs 08/129 Wüster SPD SchrAntw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . . 886* D Anlage 19 Mißbrauch des Bundesausbildungsförderungsgesetzes durch Inanspruchnahme der Studienförderung mit fingierten Studienanmeldungen von Abiturienten MdlAnfr A78 25.02.77 Drs 08/129 Lattmann SPD SchrAntw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . . 887* B Anlage 20 Berufschancen der juristischen Absolventen in den nächsten Jahren MdlAnfr A79 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Langner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . . 887* C Anlage 21 Äußerung von Bundesminister Rohde über die Höhe des monatlichen Förderungsbetrages der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderten Studenten MdlAnfr A80 25.02.77 Drs 08/129 Frau Karwatzki CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . . 888* B Anlage 22 Reaktion der Bundesregierung auf das Verlangen der DDR nach einer verbrieften Grenzvereinbarung MdlAnfr A81 25.0237 Drs 08/129 Schmöle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 888* C Anlage 23 Schutz der Grenzbevölkerung, insbesondere an der deutsch-schweizerischen Grenze, vor immissionsträchtigen Anlagen im benachbarten Ausland MdlAnfr A82 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Nothhelfer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 888* D Anlage 24 Interventionen der Bundesregierung gegen die Grundwasserversalzung im Oberrheintal durch die staatlichen französischen Kali-Minen bei Mülhausen im Interesse der Trinkwasserversorgung MdlAnfr A83 25.02.77 Drs 08/129 Josten CDU/CSU IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 MdlAnfr A84 25.02.77 Drs 08/129 Josten CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 889* C Anlage 25 Uberprüfung des Flugverkehrs über dem Kernkraftwerk Biblis im Spätsommer 1976 MdlAnfr A85 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU MdlAnfr A86 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 890* D Anlage 26 Auffassung des Bundesministers Dr. Ehrenberg über das Berufsbeamtentum MdlAnfr A87 25.02.77 Drs 08/129 Berger CDU/CSU MdlAnfr A88 25.02.77 Drs 08/129 Berger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 891* A Anlage 27 Forderung des Bundesinnenministers nach Einführung plebiszitärer Verfahren für den Bau von Kernenergieanlagen und andere schwerwiegende Entscheidungen MdlAnfr A89 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 891* C Anlage 28 Konsequenzen aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel über die Mitwirkung der Verfassungsschutzämter bei der Einstellung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst MdlAnfr A90 25.02.77 Drs 08/129 Broll CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 891* D Anlage 29 Kapazität der in Remerschen/Luxemburg und Cattenom/Frankreich geplanten Kernkraftwerke, Wärmebelastung der Mosel durch den Kühlwasserbedarf und Gefährdung der Anlagen durch das Munitionsdepot in Eft-Hellendorf sowie Abstimmung der Standorte für Kernkraftwerke innerhalb der EG MdlAnfr A91 25.02.77 Drs 08/129 Müller (Wadern) CDU/CSU MdlAnfr A92 25.02.77 Drs 08/129 Müller (Wadern) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 892* A Anlage 30 Verbot von Fluorkohlenwasserstoffen angesichts ihrer Schädlichkeit für die Ozonschicht der Erde MdlAnfr A93 25.02.77 Drs 08/129 Hoffie FDP MdlAnfr A94 25.02.77 Drs 08/129 Hoffie FDP SchrAntw PStSekr Baum BMI 893* A Anlage 31 Auszeichnung von behinderten Sportlern mit dem Silbernen Lorbeerblatt MdlAnfr A95 25.02.77 Drs 08/129 Scheffler SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 894* A Anlage 32 Ausrichtung von Förderungsmaßnahmen auf die Renovierung und den Ausbau vorhandener Sportanlagen MdlAnfr A96 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Nöbel SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 894* B Anlage 33 Dynamisierung der Entschädigung für Mehrarbeitsstunden gemäß § 36 a des Bundesbesoldungsgesetzes MdlAnfr A97 25.02.77 Drs 08/129 Jungmann SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI 895* B Anlage 34 Beobachtung iranischer Studentengruppen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie Aktivitäten des SAVAK in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A98 25.02.77 Drs 08/129 Hansen SPD MdlAnfr A99 25.02.77 Drs 08/129 Hansen SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI 895* C Anlage 35 Wirksamkeit des Rheinschutzabkommens für die Verhinderung einer weiteren Versalzung des großen Trinkwasserreservoirs am Oberrhein MdlAnfr A100 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Böhme (Freiburg) SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI 895* D Anlage 36 Mißbrauch des diplomatischen Status durch tschechoslowakische Botschaftsangehörige Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 V für Spionagetätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A101 25.02.77 Drs 08/129 Gerlach (Obernau) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 896* B Anlage 37 Beteiligung der Bundesregierung an der Standortentscheidung für eine Entsorgungsanlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in Niedersachsen MdlAnfr A102 25.0237 Drs 08/129 Dr. Riesenhuber CDU/CSU MdlAnfr A103 25.0237 Drs 08/129 Dr. Riesenhuber CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 896* C Anlage 38 Auffassung des Bundesministers Dr. Ehrenberg über die Beteiligung der Beamten an dem Arbeitsmarktrisiko der gewerblichen Arbeitnehmer MdlAnfr A104 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Miltner CDU/CSU MdlAnfr A105 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Miltner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 896* D Anlage 39 Verwendung der Abkürzung „BRD" durch die Landeszentrale für politische Bildung von Nordrhein-Westfalen sowie Sicherstellung der korrekten Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland in allen amtlichen Verlautbarungen des Bundes und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten MdlAnfr A106 25.02.77 Drs 08/129 Milz CDU/CSU MdlAnfr A107 25.02.77 Drs 08/129 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 897* A Anlage 40 Bedeutung der Mietspiegel für die Mietenentwicklung in den Gemeinden MdlAnfr A108 25.0237 Drs 08/129 Dr. Schneider CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 897* D Anlage 41 Orientierung öffentlicher Versorgungsunternehmen an den Kriterien des Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen zum Verbraucherschutz MdlAnfr A109 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Penner SPD MdlAnfr A110 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Penner SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 898* B Anlage 42 Verbot von Spielautomaten mit der Simulierung einer tödlichen Autojagd auf Fußgänger MdlAnfr A111 25.02.77 Drs 08/129 Rapp (Göppingen) SPD MdlAnfr A112 25.02.77 Drs 08/129 Rapp (Göppingen) SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 899* A Anlage 43 Verletzung von Strafvorschriften durch Verbreitung von Anleitungen zur Vorbereitung von Gewaltdemonstrationen MdlAnfr A113 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 899* C Anlage 44 Vorstellungen des polnischen Justizministers über die Anpassung von Rechtsbestimmungen und juristischen Interpretationen in der Bundesrepublik Deutschland an den Warschauer Vertrag MdlAnfr A114 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Hupka CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 900* B Anlage 45 Strafverfolgung namentlich bekannter Mörder von Deutschen in Polen; Wiedergutmachung gemäß Art. 103 StGB für den „Stern"-Artikel vom 10. Februar 1977 über Papst Paul VI. MdlAnfr A115 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Czaja CDU/CSU MdlAnfr A116 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 900* D Anlage 46 Sicherheitsbedingungen auf dem Nürburgring bei internationalen Veranstaltungen MdlAnfr A121 25.02.77 Drs 08/129 Büchner (Speyer) SPD MdlAnfr A122 25.02.77 Drs 08/129 Büchner (Speyer) SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 901* A Anlage 47 Schutz der deutschen Grenzbevölkerung vor Immissionen des Großflughafens ZürichKloten durch künftige Ausbaumaßnahmen VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 MdlAnfr A123 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Nothhelfer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 901* B Anlage 48 Benachteiligung mittelständischer Brauereien durch günstige Beförderungstarife der Deutschen Bundesbahn für Großbrauereien MdlAnfr A124 25.02.77 Drs 08/129 Glos CDU/CSU MdlAnfr A125 25.02.77 Drs 08/129 Glos CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 901* C Anlage 49 Festsetzung der Immissionswerte für den Schallschutz auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Behinderung von Straßenbauvorhaben mangels entsprechender Regelungen MdlAnfr A126 25.02.77 Drs 08/129 Braun CDU/CSU MdlAnfr A127 25.02.77 Drs 08/129 Braun CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 901* D Anlage 50 Anhörung der Bundestagsabgeordneten vor der Entscheidung der Staatssekretärskonferenz über die Trassenführung von Bundesbahnstrecken durch ihren Wahlkreis MdlAnfr A128 25.02.77 Drs 08/129 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 902* A Anlage 51 Ursachen für die Verschiebung der Inbetriebnahme der EUROCONTROL-Zentrale in Karlsruhe MdlAnfr A129 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Corterier SPD MdlAnfr A130 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Corterier SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 902* B Anlage 52 Verlagerung des Massengütertransports von der Straße auf die Schiene sowie Versuche mit dem Containertransport von Kies und Sand MdlAnfr A131 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Hartenstein SPD MdlAnfr A132 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Hartenstein SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 902* B Anlage 53 Intervention gegen die Agententätigkeit tschechoslowakischer Diplomaten und Auslandskorrespondenten in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A164 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Becher (Pullach) CDU/CSU MdlAnfr A165 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Becher (Pullach) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 902` D Anlage 54 Vergabe des gleichen Gutachtens an die Prognos AG durch das Bundeskanzleramt, die niedersächsische Staatskanzlei und den Hauptvorstand der IG Chemie SchrAnfr B3 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Riesenhuber CDU/CSU SchrAnfr B4 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Riesenhuber CDU/CSU SchrAntw StMin Wischnewski BK . . . 903* A Anlage 55 Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes beim Verbot totalitärer Parteien durch die Alliierte Kommandantur in Berlin SchrAnfr B20 25.0237 Drs 08/129 Gerlach (Obernau) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 903* C Anlage 56 Zunahme der Zahl nebenberuflicher Waffenhändler SchrAnfr B21 25.02.77 Drs 08/129 Pieroth CDU/CSU SchrAnfr B22 25.02.77 Drs 08/129 Pieroth CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 903* C Anlage 57 Entwicklung der deutsch-sowjetischen Sportbeziehungen sowie Beteiligung erfahrener deutscher Unternehmen an den Baumaßnahmen für die XXII. Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau und Tallinn SchrAnfr B23 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Müller-Emmert SPD SchrAnfr B24 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Müller-Emmert SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI 904* C Anlage 58 Asylgewährung an 1976 über die Zonen- und Sektorengrenze ins Bundesgebiet geflohene Ausländer sowie Gefährdung der Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 VII inneren Sicherheit durch auf diesem Wege einreisende Terroristen SchrAnfr B25 25.02.77 Drs 08/129 Regenspurger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 905* C Anlage 59 Umsiedlung der Ortschaft Niederbolheim nach Festlegung des Lärmschutzbereichs für den Militärflugplatz Nörvenich SchrAnfr B26 25.02.77 Drs 08/129 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 905* D Anlage 60 Darstellung eines Verstoßes gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung des für das ZDF arbeitenden Journalisten Vladimir Vesely in einer Sendung des Staatlichen Tschechoslowakischen Fernsehens SchrAnfr B27 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Miltner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 906* A Anlage 61 Öffnung des Grenzübergangs „Kleine Wacht" bei Aachen für auf niederländischem Hoheitsgebiet wohnende deutsche Schulkinder SchrAnfr B28 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Stercken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 906* B Anlage 62 Berücksichtigung der Diplome von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien gemäß § 36 Abs. 3 und 4 der Bundeslaufbahnverordnung SchrAnfr B29 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU SchrAnfr B30 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 906* C Anlage 63 Finanzausstattung des Technischen Hilfswerks in den Jahren 1977 und 1978 SchrAnfr B31 25.02.77 Drs 08/129 Seiters CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 907* A Anlage 64 Bau von Kernkraftwerken in Remerschen (Luxemburg) und Cattenom (Frankreich) sowie Rechtsmittel deutscher Staatsbürger gegen diese Vorhaben SchrAnfr B32 25.02.77 Drs 08/129 Müller (Wadern) CDU/CSU SchrAnfr B33 25.02.77 Drs 08/129 Müller (Wadern) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 90T B Anlage 65 Änderung der Kantinenrichtlinien des Bundes zur Gewährung eines Essenszuschusses an Kanalarbeiter und andere wegen ihrer Arbeitskleidung aus hygienischen Gründen von der Gemeinschaftsverpflegung ausgeschlossene Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes SchrAnfr B34 25.02.77 Drs 08/129 Gansel SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 907* D Anlage 66 Modifizierung des Moratoriums für Strukturverbesserung im öffentlichen Dienst unter besonderer Berücksichtigung des Polizeivollzugsdienstes SchrAnfr B35 25.02.77 Drs 08/129 Gansel SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI . . . . . 908* A Anlage 67 Verringerung der Salzlast des Rheins über die Bestimmungen des Chlorid-Abkommens hinaus zum Schutz des Grundwasserbeckens am Oberrhein für die Trinkwasserversorgung SchrAnfr B36 25.02.77 Drs 08/129 Schäfer (Offenburg) SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI 908* B Anlage 68 Folgerungen aus der niederländischen Studie über die Entstehung von Gaswolken und die Auswirkungen auf Industrie- und Hafengebiete SchrAnfr B37 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Walz CDU/CSU SchrAnfr B38 25.02. 77 Drs 08/129 Frau Dr. Walz CDU/CSU SchrAnfr B39 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Walz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 908* D Anlage 69 Für den Verantwortungsbereich des Bundesjustizministers bedeutsame deutsch-polnische Vereinbarungen seit dem 7. Dezember 1970 SchrAnfr B43 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 909* A VIII Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Anlage 70 Sicherheitsverwahrung für Delinquenten mit einer Tendenz zu Tötungsdelikten SchrAnfr B44 25.02.77 Drs 08/129 Rainer CDU/CSU SchrAnfr B45 25.02.77 Drs 08/129 Rainer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 909* C Anlage 71 Forderung des polnischen Justizministers nach Änderung des Status der Vertriebenen und nach Anerkennung der zwangsweise an Deutsche jenseits von Oder und Neiße verliehenen polnischen Staatsangehörigkeit SchAnfr B46 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAnfr B47 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 910* A Anlage 72 Änderung der achtjährigen Berlin-Bindung bei Schiffsbauten SchrAnfr B48 28.02.77 Drs 08/129 Seiters CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 910* C Anlage 73 Besteuerung von Kraftfahrzeugen aus der DDR und den übrigen Ostblockstaaten bei der Straßenbenutzung im Bundesgebiet SchrAnfr B49 25.02.77 Drs 08/129 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 910* D Anlage 74 Verlegung der Bundesvermögensabteilung Saarbrücken zur Oberfinanzdirektion Koblenz SchrAnfr B50 25.02.77 Drs 08/129 Peter SPD SchrAnfr B51 25.02.77 Drs 08/129 Peter SPD SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 911* B Anlage 75 Stundung oder Erlaß der Steuerschuld bei einer Überforderung durch ertragsunabhängige Steuern SchrAnfr B52 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Kreile CDU/CSU SchrAnfr B53 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Kreile CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 912* A Anlage 76 Steuerentlastung der Arbeitnehmereinkommen angesichts der steuerfreien Sozialhilfeleistungen in vergleichbarer Höhe SchrAnfr B54 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Kreile CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 912* D Anlage 77 Förderung des Autobahnbaus im westlichen Mittelfranken durch Sondermittel zur Belebung der Investitionstätigkeit SchrAnfr B55 25.02.77 Drs 08/129 Spranger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 913* A Anlage 78 Konjunkturförderung in der Region Schweinfurt und anderen Gebieten mit überdurchschnittlicher Arbeitslosenquote SchrAnfr B56 25.02.77 Drs 08/129 Glos CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 913* B Anlage 79 Anpassung der Eingangsentlastung der Lohnsummensteuer an die der Gewerbeertragsteuer SchrAnfr B57 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Zeitel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 913* D Anlage 80 Steuerliche Absetzung von Paketen und Päckchen in die DDR und die Vertreibungsgebiete SchrAnfr B58 25.02.77 Drs 08/129 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 914* A Anlage 81 Festsetzung des Ausbeutesatzes für Kernobst auf 3,8 v. H. für die Abfindungsbrennereien in Baden-Württemberg SchrAnfr B59 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Laufs CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 914* C Anlage 82 Abbau des Ölschiefervorkommens und Ausbau der Infrastruktur im Raum Braunschweig SchrAnfr B60 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU SchrAnfr B61 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 914* D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 IX Anlage 83 Zahl der Arbeitsplätze im Kernanlagenbau und bei seinen Zulieferern sowie Auswirkungen eines Baustopps für Kernkraftwerke auf die Exportchancen deutscher Hersteller SchrAnfr B66 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Ahrens SPD SchrAnfr B67 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Ahrens SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 915* D Anlage 84 Konsequenzen aus der französischen Studie über den Bedarf an verschiedenen Bohrinseltypen in den einzelnen geographischen Lagen SchrAnfr B73 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Walz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . 916* B Anlage 85 Lieferung von 75 000 Tonnen steuerlich subventionierter Butter in die Sowjetunion SchrAnfr B76 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Dollinger CDU/CSU SchrAntw BMin Ertl BML 916* C Anlage 86 Höhe der den Sozialversicherungsträgern dadurch entstehenden Beitragsmindereinnahmen, daß über 63 Jahre alte Arbeitnehmer nicht oder nur zum Teil beitragspflichtig sind SchrAnfr B77 25.02.77 Drs 08/129 Eimer (Fürth) FDP SchrAnfr B78 25.02.77 Drs 08/129 Eimer (Fürth) FDP SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 917* A Anlage 87 Vorlage der Wahlordnung gemäß § 39 des Mitbestimmungsgesetzes, insbesondere Regelung der Schlichtung im Fall von Zuordnungsschwierigkeiten auf den Wählerlisten SchrAnfr B79 25.02.77 Drs 08/129 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 917* D Anlage 88 Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach dem Schwerbehindertengesetz in den Bundesländern SchrAnfr B80 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Hartenstein SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 918* A Anlage 89 Verminderung der Zahl der Arbeitsplätze und Rückgang der Zahl der Arbeitslosen von 1973 bis 1976; Zunahme der Zahl der Berufsanfänger in den kommenden Jahren; Abbau der Arbeitslosigkeit bis 1979 auf 600 000 Arbeitslose; Vorlage eines Programms zur Erreichung einer 8%igen jährlichen Investitionsrate SchrAnfr B81 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Schwörer CDU/CSU SchrAnfr B82 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Schwörer CDU/CSU SchrAnfr B83 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Schwörer CDU/CSU SchrAnfr B84 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Schwörer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 918* C Anlage 90 Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse über gesundheitliche Gefährdungen durch PVC-Materiale und Vinylchloridgase in gesetzgeberische Maßnahmen SchrAnfr B85 25.02.77 Drs 08/129 Schreiber SPD SchrAnfr B86 25.02.77 Drs 08/129 Schreiber SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 919* B Anlage 91 Konkursanmeldungen zur Sicherung des Konkursausfallgeld für die Belegschaft SchrAnfr B87 25.02.77 Drs 08/129 Glos CDU/CSU SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . . 919* D Anlage 92 Einführung der erweiterten Mitbestimmung bei Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts SchrAnfr B89 25.02.77 Drs 08/129 Meinike (Oberhausen) SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI 920* B Anlage 93 Neubau von 69 Wohnungen für Familien von Angehörigen der US-Armee im Truppenübungsgelände statt in der Gemeinde Wildflecken SchrAnfr B90 25.02.77 Drs 08/129 Biehle CDU/CSU SchrAnfr B91 25.02.77 Drs 08/129 Biehle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 920* C X Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Anlage 94 Bau einer Behelfsüberquerung des Mains durch die Bundeswehr in Würzburg SchrAnfr B92 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Bötsch CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 920* D Anlage 95 Fluglärmbelästigung der Ortschaft Niederbolheim durch den NATO-Flugplatz Nörvenich SchrAnfr B93 25.02.77 Drs 08/129 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 921* B Anlage 96 Alternativen zur Erweiterung des Standortübungsplatzes Lerchenfeld, insbesondere Übernahme des Truppenübungsplatzes Münsingen in die deutsche Zuständigkeit SchrAnfr B94 25.02.77 Drs 08/129 Werner CDU/CSU SchrAnfr B95 25.02.77 Drs 08/129 Werner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 921* C Anlage 97 Errichtung der kooperativen Gesamthochschule bis 1979 und der integrierten Gesamthochschule bis 1984 an der Hochschule der Bundeswehr in Hamburg; Vermittlung gesellschaftswissenschaftlicher Grundlagen im Rahmen des Studiums des Offiziers/OA sowie Wahrung des akademischen Prinzips der Selbstverantwortung SchrAnfr B96 25.02.77 Drs 08/129 Pawelczyk SPD SchrAnfr B97 25.02.77 Drs 08/129 Pawelczyk SPD SchrAnfr B98 25.02.77 Drs 08/129 Pawelczyk SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 921* D Anlage 98 Selbstmordrate in der Bundeswehr SchrAnfr B99 25.02.77 Drs 08/129 Fiebig SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 922* D Anlage 99 Flüge von Bundeswehrmaschinen ohne Abstimmung mit der Flugsicherung auf den von Verkehrsflugzeugen benutzten Luftstraßen SchrAnfr B100 25.02.77 Drs 08/129 Spitzmüller FDP SchrAnfr B101 25.02.77 Drs 08/129 Spitzmüller FDP SchrAntw PStSekr Dr. von Bülow BMVg 923* A Anlage 100 Unterbindung der weiteren Verwendung des Medikamentes Diaethylstilboestrol (DES) SchrAnfr B102 25.02.77 Drs 08/129 Schmidt (Kempten) FDP SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 924* A Anlage 101 Angabe einer Schlüsselnummer an Stelle des Preises auf Arzneimittelpackungen SchrAnfr B103 25.02.77 Drs 08/129 Hasinger CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 924* D Anlage 102 Anerkennung von Grippeimpfungen als öffentlich empfohlene Impfungen und Entschädigung etwa auftretender Impfschäden SchrAnfr B104 25.02.77 Drs 08/129 Burger CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 925* A Anlage 103 Gesundheitsschädliche Wirkung von Sprays, PCB-Stoffen und des Farbstoffs Amaranth SchrAnfr B105 25.02.77 Drs 08/129 Lenzer CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 925* B Anlage 104 Fahrpreisermäßigungen für Besitzer des Seniorenpasses in Linienbussen von Bahn und Post SchrAnfr B106 25.02.77 Drs 08/129 Frau Will-Feld CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 926* B Anlage 105 Verkehrsplanungen im Raume DüsseldorfNeuss—Meerbusch SchrAnfr B107 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Husch CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 926* B Anlage 106 Stärkung der Wettbewerbsposition der deutschen Güterfernverkehrsteilnehmer SchrAnfr B108 25.02.77 Drs 08/129 Schröder (Luneburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 926* C Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 XI Anlage 107 Ausschöpfung des Ausbildungsplatzangebots bei Bundesbahn und Bundespost SchrAnfr B109 25.02.77 Drs 08/129 Zebisch SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 926* D Anlage 108 Neuregelung der Abstände für die Bebauung an Wasserstraßen SchrAnfr B110 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Steger SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 927* D Anlage 109 Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers bei der Bewertung von Verkehrsverstößen, insbesondere bei der Tilgung von Strafpunkten in der „Verkehrssünderkartei" SchrAnfr B111 25.0277 Drs 08/129 Menzel SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 927* D Anlage 110 Kosten der Beigabe von Geschiebe in den Rhein an der Staustufe Iffezheim und Folgen dieses Naturgroßversuches SchrAnfr B112 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAnfr B113 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 928* B Anlage 111 Verantwortlichkeit für die Fehlinvestition von ca. 30 Millionen DM bei der Verkehrsplanänderung des sogenannten Angerbogen-Projekts in Duisburg-Süd SchrAnfr B114 25.02.77 Drs 08/129 Breidbach CDU/CSU SchrAnfr B115 25.02.77 Drs 08/129 Breidbach CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 928* D Anlage 112 Zweckentfremdung von Bundesmitteln bei Fehlplanungen am sogenannten Angerbogen-Projekt SchrAnfr B116 25.02.77 Drs 08/129 Frau Karwatzki CDU/CSU SchrAnfr B113 25.02.77 Drs 08/129 Frau Karwatzki CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 929* A Anlage 113 Sicherheitsmaßnahmen im Bereich des Driftsether Dammes an der Bundesautobahn A 27 Bremerhaven—Cuxhaven SchrAnfr B118 25.02.77 Drs 08/129 Dr. von Geldern CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 929* B Anlage 114 Ersatzlose Streichung der Parallelautobahn A 43 im Abschnitt Leverkusen—Schwelm/ Gevelsberg SchrAnfr B119 25.02.77 Drs 08/129 Braun CDU/CSU SchrAnfr B120 25.02.77 Drs 08/129 Braun CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 929* D Anlage 115 Vermeidung des Überfliegens von Äthylene gewinnenden Raffinerien im Bereich des Flughafens Frankfurt SchrAnfr B121 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 929* D Anlage 116 Entlastung von Ortsdurchfahrten der B 12 und B 18 im Allgäu SchrAnfr B122 25.02.77 Drs 08/129 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAnfr B123 25.02.77 Drs 08/129 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 930* B Anlage 117 Aufschub des Baus einer Staustufe Neuburgweier bis 1980 durch Geschiebezugabe; Auswirkungen der Inbetriebnahme der neuen Staustufe Iffezheim auf die betroffenen Gemeinden SchrAnfr B124 25.02.77 Drs 08/129 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAnfr B125 25.0237 Drs 08/129 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 930* C Anlage 118 Aufgabe der Pläne zur Errichtung einer Versuchsanlage für Verkehrstechnik im Donauried SchrAnfr B126 25.02.77 Drs 08/129 Lemmrich CDU/CSU SchrAnfr B127 25.02.77 Drs 08/129 Lemmrich CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 931* A XII Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Anlage 119 Hilfe für die Oberweser-Passagierschiffahrt SchrAnfr B128 25.02.77 Drs 08/129 Walther SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 931* B Anlage 120 Anschnallpflicht für Autofahrer SchrAnfr B129 25.02.77 Drs 08/129 Seefeld SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 931* D Anlage 121 Erhaltung von 500 Arbeitsplätzen der Deutschen Bundesbahn im Bereich Weiden SchrAnfr B130 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 932* A Anlage 122 Streckenstillegungen im Regierungsbezirk Kassel SchrAnfr B131 25.02.77 Drs 08/129 Böhm (Melsungen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 932* B Anlage 123 Hochwasserfreier Ausbau der B 42 im Raum Neuwied SchrAnfr B132 25.02.77 Drs 08/129 Immer (Altenkirchen) SPD SchrAntw PStSekr Wrede BMV . . . . 932* B Anlage 124 Steuerliche Behandlung von Wohnbesitzwohnungen SchrAnfr B137 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Schneider CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Haack BMBau . . . 932* C Anlage 125 Gleichstellung von Mobilheimen mit Wohnwagen, insbesondere Aufstellung auf Campingplätzen ohne Baugenehmigung SchrAnfr B138 25.02.77 Drs 08/129 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Haack BMBau . . . 933* A Anlage 126 Nichterwähnung deutscher Hersteller im ESA-Dokument IPS (76) 80; zukünftige Nutzung der Forschungsplattform Nordsee SchrAnfr B141 25.02.77 Drs 08/129 Lenzer CDU/CSU SchrAnfr B142 25.02.77 Drs 08/129 Lenzer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . 933* B Anlage 127 Benachteiligung kontinuierlich ausbildender Betriebe durch niedrigere Zuschüsse aus der Berufsbildungsabgabe SchrAnfr B143 25.02.77 Drs 08/129 Hartmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . . 933* D Anlage 128 Regelungen für Fachwechsler im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes SchrAnfr B144 25.02.77 Drs 08/129 Dr. George CDU/CSU SchrAnfr B145 25.02.77 Drs 08/129 Dr. George CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . . 934* B Anlage 129 Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze bei Bundesbahn und Bundespost SchrAnfr B146 25.02.77 Drs 08/129 Zebisch SPD SchrAntw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . . 935* A Anlage 130 Mängel beim Bau der von der Bundesregierung geförderten Straße Taiz—Sanaa und Störung des Vertrauens der Republik Jemen in das Leistungsvermögen deutscher Firmen SchrAnfr B147 25.02.77 Drs 08/129 Höffkes CDU/CSU SchrAnfr B148 25.02.77 Drs 08/129 Höffkes CDU/CSU SchrAnfr B149 25.02.77 Drs 08/129 Höffkes CDU/CSU SchrAnfr B150 25.02.77 Drs 08/129 Höffkes CDU/CSU SchrAntw PStSekr Brück BMZ . . . . . 935* B Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 793 16. Sitzung Bonn, den 3. März 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung In der 14. Sitzung, Seite IV, ist unter Anlage 2 statt „Erfüllung des Kooperationsabkommens über die friedliche Nutzung der Kernenergie gegenüber Brasilien" zu lesen: „Schadenersatz der Deutschen Bundespost für in der Sowjetunion beschlagnahmte Postsendungen". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 3. 3. Dr. Ahrens *** 3. 3. Dr. Aigner * 3. 3. Alber * 3. 3. Dr. Becher (Pullach) 3. 3. Blumenfeld * 3. 3. Böhm (Melsungen) 3. 3. Buchstaller 3. 3. Damm 3. 3. Dr. Dregger 3. 3. Fellermaier * 3. 3. Flämig * 3. 3. Dr. Früh * 3. 3. Haase (Fürth) *** 3. 3. Hösl 3. 3. Hoffmann (Saarbrücken) * 3. 3. Dr. Jaeger *** 3. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) * 3. 3. Katzer 3. 3. Dr. Kiesinger 3. 3. Dr. Klepsch *** 3. 3. Klinker * 3. 3. Kunz (Berlin) * 3. 3. Dr. Kunz (Weiden) 3. 3. Lange * 3. 3. Lemmrich 3. 3. Lenzer *** 3. 3. Lücker * 3. 3. Dr. Mertes (Gerolstein) 3. 3. Möhring *** 3. 3. Dr. Müller 3. 3. Müller (Bayreuth) 3. 3. Müller (Mülheim) * 3. 3. Müller (Wadern) * 3. 3. Dr. Müller-Hermann * 3. 3. 011esch *** 3. 3. Pawelczyk *** 3. 3. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 3. 3. Schmidt (München) * 3. 3. Schreiber * 3. 3. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 3. 3. Schwabe * 3. 3. Dr. Schwenke (Nienburg) ** 3. 3. Dr. Schwörer * 3. 3. Seefeld * 3. 3. Sieglerschmidt 3. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 3. 3. Spillecke * 3. 3. Dr. Starke (Franken) * 3. 3. Dr. Staudt 25. 3. Strauß 3. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Walther 25. 3. Frau Dr. Walz * 3. 3. Dr. Warnke 3. 3. Wawrzik * 3. 3. Windelen 3. 3. Dr. Wörner *** 3. 3. Würtz * 3. 3. Zeyer * 3. 3. Zywietz * 3. 3. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen) (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 17 und 18) : Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der Elektrizitätswirtschaft und dem Steinkohlenbergbau über den KohleeinSatz in Kraftwerken im Jahr 1977, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sicherzustellen, daß die in der Novelle zum Dritten Verstromungsgesetz für die Jahre 1976 und 1977 vorgesehenen Einsatzmengen erreicht werden? Wieviel Steinkohlenkraftwerke erzeugen zur Zeit Strom, wie ist ihr Alter und wieviel Kraftwerke müßten eigentlich in absehbarer Zeit durch neue, moderne und vor allem umweltfreundlichere Kraftwerke ersetzt werden? Zu Frage A 17: Die Gespräche über den Steinkohleneinsatz in den Kraftwerken für das Jahr 1977 zwischen der Elektrizitätswirtschaft und dem Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus sind noch nicht abgeschlossen. Eine weiteres Gespräch zwischen den Beteiligten hat am 1. März 1977 stattgefunden. Der gegenwärtige Stand der Gespräche ist folgender: Die öffentliche Elektrizitätswirtschaft hatte sich zunächst bereit erklärt, gegenüber dem Steinkohlenbergbau unter der Voraussetzung eines Stromverbrauchszuwachses von 7 % für 1977 eine inländische Steinkohlenmenge von 20 Millionen t SKE abzunehmen. Hinzuzurechnen sind die Abnahmen der industriellen Stromerzeuger, sofern sie nicht der öffentlichen Versorgung dienen, und die der Deutschen Bundesbahn mit zusammen etwa 6 Millionen t SKE. Möglicherweise wird der tatsächliche Steinkohleneinsatz in 1977 noch darüber liegen; die gesamte Kraftwirtschaft hat nämlich bei ihren Meldungen an das BAW eine Einsatzzahl von 27 bis 28 Millionen t SKE genannt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 2. März 1977 über diese Fragen des Steinkohleneinsatzes ein weiteres Gespräch mit der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft geführt, das in der nächsten Woche fortgesetzt werden soll. Bei diesem neuen Gespräch wird auch über den Einsatz im Jahre 1977 weiter verhandelt werden. Zu Frage A 18: In der Bundesrepublik Deutschland werden z. Z. in der öffentlichen Versorgung 95 Steinkohle- und 880* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Steinkohlemischfeuerungsanlagen, bei der Industrie — einschließlich Deutsche Bundesbahn — 100 Kraftwerke mit einer Leistung größer als 1 MW zur Stromerzeugung eingesetzt. Außerdem gibt es bei der Industrie eine Anzahl Kraftwerksanlagen mit einer Leistung kleiner als 1 MW, deren Gesamtzahl statistisch nicht erfaßt ist. Im Jahre 1975 betrug die Leistung dieser Steinkohlenkraftwerke einschließlich der Mischfeuerungsanlage in der Bundesrepublik Deutschland 28 435 MW. Im Jahre 1976 wurde diese Leistung im wesentlichen durch die beiden großen Steinkohlenblöcke Wilhelmshaven und Weiher erhöht. Aussagen zur Altersstruktur der deutschen Steinkohlenkraftwerke wurden von verschiedenen Institutionen anhand des Betriebsbeginns dieser Anlagen gemacht. Derartige Angaben sind jedoch nur bedingt aussagekräftig, da spätere Erneuerungen und Ersatzinvestionen nicht berücksichtigt werden. Der Bundeswirtschaftsminister hat zur Klärung dieses Sachverhalts im Dezember 1976 dem Technischen Überwachungsverein Rheinland Auftrag für eine Pilotstudie erteilt. Wegen der überaus schwierigen Materie liegt noch kein Zwischenergebnis vor. Im übrigen verweise ich auf BT-Drucksache 7/5487 vom 25. Juni 1976, in der näher auf die Frage der Altersstruktur eingegangen wurde. Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hammans (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 42 und 43): Welche Gammaglobulin-Präparate und Hyper-Immunseren sind zur Zeit vorn Bundesgesundheitsamt entsprechend der Arzneimittelprüfrichtlinie registriert, und für welche der angegebenen Indikationen wurde der Nachweis der Wirksamkeit entsprechend der Prüfrichtlinie durch übereinstimmende, einwandfrei randomisierte, stratifizierte, drop-out-freie kontrollierte klinische Versuche unter besonderer Berücksichtigung der eventuellen Vortäuschung eines Therapieerfolgs durch einen Aufschubeffekt erbracht, und wo sind diese Ergebnisse publiziert? Sind der Bundesregierung Arzneimittel bekannt, deren Erfolgswahrscheinlichkeit nach der Methodenlehre der klinischen Statistiken definiert und durch übereinstimmende Publikationen verifiziert werden konnte, wie es im Gutachten Ehmke/Westermann grundsätzlich für alle Arzneimittel gefordert wurde, und inwieweit decken sich die Vertrauensbereiche bei wiederholter Prüfung, und wo sind diese Erfolgswahrscheinlichkeiten veröffentlicht? Zu Frage A 42: Vom Bundesamt für Sera und Impfstoffe in Frankfurt/Main sind folgende Immunglobulinen zugelassen worden: An allgemeinen Immunglobulinen, für die keine Wirksamkeit gegen einen bestimmten Erreger zahlenmäßig deklariert wird, Intraglobin f Rhodiglobin Immunglobulin human i. v. Als spezielle Immunglobuline „Anti-d " : Rhesoneutral Rhesogam Rhogam Hyprho-d. Der Wirksamkeitsbeweis hierfür ist in der DFG-Studie „Forschungsbericht Rhesusfaktor negativ", erschienen im Harold Boldt Verlag KG., Boppard 1973, aufgeführt. Als Tetanus Immunglobuline: Hyper-Tet Tetanobulin Tetanus Immunglobulin Human. Die Wirksamkeit ist durch jahrzehntelange Erfahrungen gesichert. Als Tollwut-Immunglobulin Human: Hyperab. Die Wirksamkeit ergibt sich aus dem Vergleich des Präparates mit dem WHO-Standard. Alle Immunglobuline — außer dem letztgenannten Tollwut-Immunglobulin — sind gegen Viruskrankheiten — wie Hepatitis B, Masern, Mumps, Pocken, Röteln, Zeckenencephalitis, Varizellen — noch nicht zugelassen, weil einwandfreie, randomisierte, stratifizierte, drop-out-freie kontrollierte klinische Versuche unter besonderer Berücksichtigung der eventuellen Vortäuschung eines Therapieerfolges durch einen Aufschubeffekt noch nicht vorliegen. Zur Frage A 43: Eine grundsätzliche Forderung des Inhalts, daß die Erfolgswahrscheinlichkeit aller Arzneimittel nach der Methodenlehre der klinischen Statistik definiert und durch übereinstimmende Publikationen verifiziert werden muß, ist in dem Gutachten Ehmke/ Westermann nicht aufgestellt. Das Gutachten enthält zurückhaltendere Formulierungen: Jeder Nachweis der Wirksamkeit am Menschen sei statistischer Art, jede Prüfmethode müsse wissenschaftlich sein, die Prüfergebnisse müßten — frei von Lehrmeinungen — beweisbar unter definierten Bedingungen reproduzierbar und damit nachprüfbar sein. Diese wissenschaftlichen Forderungen liegen dem Arzneimittelgesetz 1976 prinzipiell zugrunde. Das wird am deutlichsten an der gesetzlichen Forderung des Wirksamkeitsnachweises als Voraussetzung der Zulassung neuer Arzneimittel. Eine wesentliche Voraussetzung ist danach die hinreichende Begründung der therapeutischen Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis. Ob die Wirksamkeit eines Arzneimittels hinreichend begründet ist, läßt sich nur auf der Grundlage statistischer Ergebnisse beantworten, die im Einzelfall differenziert beurteilt werden müssen. In der jüngsten Vergangenheit hat das Bundesgesundheitsamt, um einige Beispiele zu nennen, folgende Arzneimittel auf Grund der vor der Registrie- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 881* rung vorgelegten Dokumentation als hinreichend wirksam angesehen: Nomifensin, Mianserin, Bunitrolol. Diese Wirksamkeitsbewertung erfolgte auf Grund der Richtlinie über die Prüfung von Arzneimitteln aus dem Jahre 1971. Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Eimer (Fürth) (FDP) (Drucksache 8/129 Fragen A 44 und 45): Welche Bundesländer haben bisher ihre Stellungnahme zum Bericht der Sachverständigenkommission über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland abgegeben, und von welchen Ländern steht diese Stellungnahme noch aus, die Voraussetzung für die überfällige Stellungnahme der Bundesregierung ist, da die Ergebnisse der Psychiatrie-Enquete — geschätzte Kosten 2 Milliarden DM — auf Erhebungen des Jahrs 1973 basieren und daher ständig an Aussagewert verlieren? Mit welcher Begründung wird die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durchgeführte Kampagne „Menschen wie wir" zur Aufklärung und Information der Bevölkerung über psychisch Kranke und Behinderte gerade jetzt eingeschränkt, zu einem Zeitpunkt, da vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit versichert wird, daß die Lage der Psychiatrie eine vordringliche gesundheitspolitische sei? Zu Frage A 44: Die Stellungnahme der Bundesländer zum Bericht der Sachverständigenkommission über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland mußte bei der nahezu ausschließlichen Zuständigkeit der Länder langfristig terminiert werden. Der Grund dafür ist in der besonderen Schwierigkeit zu sehen, einen derart weitreichenden, die gesundheitliche Versorgung in einem Teilgebiet der Medizin weitgehend neu ordnenden und damit überaus kostenträchtigen Vorschlag sachgerecht zu beurteilen. Die Bundesländer sind gebeten, ihre Stellungnahmen in der ersten Hälfte dieses Jahres abzugeben. Bislang liegt dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit noch keine Stellungnahme vor. Die für die Enquete benutzte Haupterhebung aus dem Jahre 1973 hat Orientierungsdaten geliefert, die der Erarbeitung eines gegliederten Systems der Versorgung psychisch kranker Menschen in den verschiedenen Bereichen — wie Jugendpsychiatrie, Suchtkranke — und auf verschiedenen Ebenen dienten. Insofern trifft Ihre Annahme nicht zu, daß die Aussagen der Enquete an Wert durch Zeitablauf verlören. Im weiteren möchte ich auf die Antwort verweisen, die auf eine gleichgezielte Frage des Abgeordneten Picard in der Fragestunde am 3. Februar 1977 gegeben worden ist. Zu Frage 45: Die Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „Menschen wie wir" ist nicht eingeschränkt worden. Sie ist auf mehrere Jahre mit sich ergänzender Aufgabenstellung angelegt. Der Mittelbedarf für 1977 beträgt 1,36 Millionen DM. Die Kampagne wird mit neuen Medien und etwas veränderter Zielrichtung im Haushaltsjahr 1977 voll weitergeführt. Anlage 5 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kroll-Schlüter (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 46 und 47): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Gesetzesbestimmungen des § 2 Abs. 4 a BKGG und des § 204 RVO widersprüchlich sind, da einerseits Eltern für gesunde, aber arbeitslose Kinder, die keine Arbeitslosenunterstützung beziehen, Kindergeld nach § 2 Abs. 4 a BKGG und zusätzlich eine Familienhilfe nach § 205 RVO erhalten, andererseits aber — sofern das Kind arbeitsunfähig krank wird — sowohl das Kindergeld entzogen wird als auch der Krankenversicherungsschutz des § 205 RVO entfällt und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es sachgerechter ist, gerade bei arbeitsunfähig erkrankten Kindern den Krankenversicherungsschutz nach § 205 RVO zu gewährleisten, und beabsichtigt sie gegebenenfalls diesen Widerspruch auszuräumen? Nach § 2 Abs. 4 a des Bundeskindergeldgesetzes wird seit dem 1. September 1976 Kindergeld auch für Kinder gezahlt, die das 18., aber noch nicht das 23. Lebensjahr vollendet haben, keinen Ausbildungs-und keinen Arbeitsplatz haben, weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe beziehen und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Seit demselben Zeitpunkt sind diese Kinder nach § 205 Abs. 3 Satz 5 der Reichsversicherungsordnung in die Familienkrankenhilfe einbezogen. Nach ihrem wohlverstandenen Sinn erfassen diese Vorschriften auch solche Kinder, die während des Kindergeldbezuges nach § 2 Abs. 4 a des Bundeskindergeldgesetzes krank werden und dadurch der Arbeitsvermittlung vorübergehend nicht zur Verfügung stehen. Der von Ihnen vermutete Widerspruch besteht somit nicht. Die Bundesregierung wird die mit der Durchführung des Bundeskindergeldgesetzes betrauten Stellen in Kürze durch ein Rundschreiben auf diese Rechtslage besonders hinweisen, um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Anlage 6 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Schleicher (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 48): Trifft es zu, daß die Zahl der durch Einnahme von Rauschgift ums Leben Gekommenen 1976 im Bundesgebiet um 137 auf 325 und daß die Zahl der Rauschgiftdelikte um fast 10 % gestiegen ist, und zu welchen Maßnahmen gibt dies — bejahendenfalls — der Bundesregierung Anlaß? Ihre Annahme trifft zu. Die Bundesregierung verfolgt diese Entwicklung mit Besorgnis. Die mit der Bekämpfung des Drogenmißbrauchs befaßten Behörden in der Bundesrepublik haben ihre Bemühungen weiter intensiviert. Da nationale Maßnahmen zur Eindämmung des Zustroms illegaler Drogen allein jedoch nicht ausreichen, hat die Bundesregierung auf internationaler Ebene bei den Vereinten Nationen, bei Interpol und im Rahmen der spezifischen Kooperation der EG-Länder zur Bekämpfung des Drogenmißbrauchs alle Möglichkeiten zu gemeinsamen Maßnahmen genutzt. Die Bundesregierung wird 1977 — vorbe- 882* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 haltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestages — erneut einen Beitrag in Höhe von DM 500 000,— an den Sonderfonds der Vereinten Nationen zahlen und damit die Einschränkung des Anbaus von Schlafmohn, von indischem Hanf und anderer Pflanzen unterstützen. Besonderes Gewicht wird auf die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Polizei- und Zollkräfte gelegt, um den Schmuggel sowie den illegalen Handel mit diesen Drogen noch stärker zu unterbinden. Die Aufgriffserfolge und Festnahmen belegen, daß diese Maßnahmen wirksam sind. Anlage 7 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 49 und 50) : Sind der Bundesregierung die Probleme in der Durchführung des inzwischen angelaufenen praktischen Jahrs im Medizinstudium bekannt, wonach z. B. in Gießen und Köln die Studenten in solchem Umfang zu Arbeitsleistungen herangezogen werden, daß ohne die Studenten die stationäre Versorgung der Patienten leiden oder gar zusammenbrechen würde, und welche Folgerungen wird sie daraus gegebenenfalls ziehen? Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der zur Zeit von ihr vorbereiteten Änderung der Approbationsordnung für Ärzte wirksame Vorkehrungen gegen einen solchen rechtswidrigen Einsatz der Studenten im praktischen Jahr zu treffen, oder will sie, angesichts dieser von sachkundiger Seite vorausgesagten Entwicklung, sich jetzt auch ihrerseits für eine angemessene tarifvertragliche Absicherung der betroffenen Studenten einsetzen soweit diese tatsächlich zu ausbildungsfremden Arbeitsleistungen herangezogen werden? Zu Frage A 49: Der Bundesregierung ist hierüber nichts bekannt. Auch in den Ländern sind solche Feststellungen nicht getroffen worden. Zu Frage A 50: § 3 Absatz 4 Satz 5 der Approbationsordnung für Ärzte sagt ausdrücklich, daß der Studierende nicht zu Tätigkeiten herangezogen werden darf, die seine Ausbildung nicht fördern. Die Frage betrifft die Durchführung der Approbationsordnung, für die die Länder zuständig sind. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung für eine Änderung der Vorschriften über die Durchführung der praktischen Ausbildung im letzten Jahr des Medizinstudiums. Sie vertritt nach wie vor die Auffassung, daß eine tarifvertragliche Absicherung der Studierenden während dieser Ausbildungsphase außer Betracht bleiben muß. Es handelt sich bei dieser Ausbildung um einen Teil des Medizinstudiums. Hieran muß festgehalten werden, um eine wirkliche Ausbildung am Krankenbett zu erreichen und den in den EG-Richtlinien für Ärzte festgelegten Anforderungen zu genügen. Anlage 8 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Geßner (SPD) (Drucksache 8/129 Frage A 51): Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch den Konsum von alkoholischen Getränken werdende Mütter die Gesundheit ihres künftigen Kindes aufs Spiel setzen, mit der Folge, daß den Krankenkassen und Sozialämtern daraus finanzielle Belastungen in erheblichem Umfang entstehen, und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, beispielsweise durch Verstärkung ihrer Öffentlichkeitsarbeit, werdende Mütter stärker als bisher vor dieser Gefahr zu warnen? Eine allein durch den chronischen Mißbrauch alkoholischer Getränke während der Schwangerschaft bedingte Störung der gesunden Entwicklung des heranwachsenden Kindes ist erst seit relativ kurzer Zeit bekannt. Eine fachliche Bewertung der Schwere dieser Befunde und der sich durch sie ergebenden Konsequenzen steht noch aus. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat versucht, sich durch eine Umfrage bei genetischen Instituten einen Überblick über die Häufigkeit des „Alkoholsyndroms" zu verschaffen. Dies ist jedoch nur unvollständig gelungen, da sehr unterschiedlich registriert wird. Es ist vorgesehen, zunächst mit einer Expertise den Sachverhalt weiter zu erschließen. Ergebnisse daraus werden zum Ende des Jahres erwartet. Unabhängig von der weiterhin noch ungeklärten Situation über Häufigkeit und Schwere der Entwicklungsstörungen wird diese Tatsache im Rahmen der laufenden Programme zur gesundheitlichen Aufklärung über die Gefahren des Mißbrauchs alkoholischer Getränke herausgestellt werden. Anlage 9 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Erler (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 52 und 53) : Warum verzögern sich die Vorarbeiten für den Gesetzentwurf des nichtärztlichen Psychotherapeuten bis Ende 1978 (Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Zander in der Fragestunde am 2. Februar 1977)? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß durch die Entscheidung des „Verbands der Angestelltenkrankenkassen" vom August 1976, in Anlehnung an die „Allgemeinen Ortskrankenkassen" unter Hinweis auf die ausstehende Gesetzesregelung Kosten für Psychotherapie — soweit von Psychologen durchgeführt — nicht mehr zu erstatten, eine ernstliche Lücke in der psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung entstanden ist, so daß die Einbringung eines Gesetzentwurfs nun keinen Aufschub mehr duldet? ZuFrage A52: Bei dem Entwurf eines Gesetzes über den Beruf des nichtärztlichen Psychotherapeuten handelt es sich um ein besonders schwieriges Gesetzesvorhaben, in dessen Rahmen zahlreiche Fragen, die wie die Abgrenzung des Tätigkeitsbereichs, die Zusammenarbeit mit den Ärzten, Fragen der Ausbildung sowie die Konzeption für die Übergangsregelungen, noch der Klärung bedürfen. Es wird erwartet, daß die derzeit durchgeführte Auswertung der Materialien und die Ergebnisse eines parallel zu den Arbeiten des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit laufenden Forschungsvorhabens wesentlich zur Klärung dieser Fragen beitragen. Angesichts der Schwierigkeit des Gesetzesvorhabens kann mit einem früheren Zeitpunkt der Gesetzesvorlagen als angegeben nicht gerechnet werden. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 883* Zu Frage A 53: Der Bundesregierung ist, unabhängig von dem von Ihnen angesprochenen Problem, die Dringlichkeit des Gesetzesvorhabens bewußt und hat dies immer wieder zum Ausdruck gebracht. Auch die Länder und die Verbände halten eine bundesgesetzliche Regelung für notwendig. Die Bundesregierung ist bemüht, das Vorhaben zügig voranzutreiben. Anlage 10 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 54) : Ist die Bundesregierung bereit zu überprüfen, ob das Bundeskindergeldgesetz dahin gehend geändert werden kann, daß für die Personen, die an Stelle des Zivildienstes einen freiwilligen, sozialen Dienst etwa bei der Aktion Sühnezeichen o. ä. Organisationen ableisten, eine entsprechende Weiterzahlung des Kindergeldes gemäß der jetzigen Regelung des § 3 Satz 2 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes erfolgt, und sieht die Bundesregierung die bisherige gesetzliche Regelung, die Kindergeldzahlung für diesen Personenkreis auszuschließen, obwohl der freiwillige, soziale Dienst dem Zivildienst gleichgestellt ist, als gerechte Lösung an, oder stellt diese gesetzliche Regelung nicht vielmehr eine Erschwerung der anerkennenswerten Tätigkeiten entsprechender Organisationen dar? Die Bundesregierung ist bereit, die von Ihnen gewünschte Überprüfung vorzunehmen. Erst danach ist eine Äußerung darüber möglich, ob die geltende Kindergeldregelung in der von Ihnen genannten Richtung erweitert werden muß. Dies wird u. a. davon abhängen, ob die wirtschaftliche Lage der Dienstleistenden, um die es Ihnen geht, der wirtschaftlichen Lage der Kinder gleichzusetzen ist, die ein freiwilliges soziales Jahr leisten und kindergeldrechtlich berücksichtigt werden. Die Prüfung kann sich nicht nur auf die kindergeldrechtliche Seite beschränken; sie muß vielmehr auch andere Leistungsbereiche einschließen, in denen an die typischerweise bestehende wirtschaftliche Abhängigkeit der Kinder angeknüpft wird, z. B. das Recht der Waisenbezüge und des sozialversicherungsrechtlichen Familienausgleichs. Ich werde Sie von dem Ergebnis der Überprüfung unterrichten. Anlage 11 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Dollinger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 55) : Wie nimmt die Bundesregierung zu der vom Präsidenten des Diakonischen Werks erhobenen Kritik am Heimgesetz, insbesondere hinsichtlich des Entwurfs eines Kostendämpfungsgesetzes, Stellung, und zu welchen Maßnahmen gibt ihr diese Anlaß? Ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage auf ein Interview bezieht, daß der Präsident des Diakonischen Werks am 25. Februar 1977 der Deutschen Zeitung gewährt hat. Gegenstand dieses Interviews sind die Auswirkungen des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines Kostendämpfungsgesetzes im Gesundheitswesen auf kirchliche Krankenhäuser. Unter dieses Gesetz fallen jedoch keine Einrichtungen nach dem Heimgesetz. Soweit in dem Interview Kritik am Heimgesetz geübt wurde, zielt sie pauschalierend in die Richtung, daß der Staat im Wege von Anforderungen und Verfahrensvorschriften in den Bereich der freien Wohfahrtspflege eindringe. Die Bundesregierung hält eine solche Kritik für nicht gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß der Deutsche Bundestag im Interesse eines verbesserten Schutzes der Heimbewohner das Heimgesetz einstimmig verabschiedet hat. Anlage 12 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 56): Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, daß die Gesundheitsämter in Rheinland-Pfalz auf Grund der Trinkwasserverordnung vom 31. Januar 1975 eine Erfassung aller einzelnen Hauswasserversorgungsanlagen ohne Rücksicht auf das Hauptquellgebiet vornimmt und gegenüber den Eigentümern bekundet, daß in Zukunft eine jährliche Überprüfung mit einem Mindestkostenaufwand von 800 bis höchstens 1 000 DM durchgeführt werden müsse, und ist die Bundesregierung in der Lage und bereit, darauf hinzuwirken, daß die Untersuchungen und Kosten derart in Grenzen gehalten werden, damit nicht Kosten für den Eigentümer entstehen, die die Anschlußkosten für eine öffentliche Wasserversorgung bei weitem übersteigen? Nach § 6 der Trinkwasser-Verordnung vom 31. Januar 1975 unterliegen Eigenversorgungsanlagen, aus denen Trinkwasser oder aus denen Brauchwasser für Lebensmittelbetriebe entnommen wird, den Vorschriften dieser Verordnung. Als Eigenversorgungsanlage ist jede Anlage zu verstehen, die aus einer eigenen Quelle bzw. Brunnen Wasser fördert. Das gilt für alle Eigenversorgungsanlagen, auch wenn diese einem gemeinsamen Hauptquellgebiet entspringen. Bei den vorgeschriebenen Untersuchungen kommt es auf die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse an, die aus den mannigfaltigsten Gründen stark differieren können. Ich erwähne hier nur die Existenz von Sickergruben oder Tierweiden im Einzugsbereich von Eigenversorgungsanlagen. Die Erfassung aller einzelnen Hauswasserversorgungsanlagen in Rheinland-Pfalz entspricht also den Intentionen der Verordnung. Die Kosten für die Untersuchungen treten in der Regel nicht alljährlich auf, weil — wie im zweiten Teil Ihrer Frage vorgeschlagen — der Verordnungsgeber in der TrinkwasserVerordnung bereits Ausnahmeregelungen getroffen hat. Danach kann die zuständige Behörde zulassen, daß die physikalischen, physikalisch-chemischen und chemischen Untersuchungen in größeren als jährlichen Abständen vorgenommen werden, wenn die Konzentrationen der untersuchten Stoffe die Hälfte der in der Verordnung angegebenen Grenzwerte nicht überschreiten. Bei kleineren Anlagen kann der Untersuchungsabstand bis auf fünf Jahre verlängert werden. Es ist also dafür Sorge getragen, daß nicht häufiger untersucht wird, als es aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich ist. 884* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Picard (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 67 und 68): Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung Wärmepumpem als Möglichkeiten zur Energieeinsparung bei, und wie gedenkt sie gegebenenfalls die Verwendung von Wärmepumpen zu fördern? Welche Gründe spielen nach Kenntnis der Bundesregierung dabei eine Rolle, daß Wärmepumpen bis jetzt nur sehr zögernd als kosten- und energiesparende Ergänzung zu den traditionellen Heizanlagen — besonders im Wohnungsbau — Verwendung finden, obwohl jüngst ein großes deutsches Elektrizitätswerk die inzwischen von einigen Unternehmen zur Serienreife entwickelte Wärmepumpe nachdrücklich empfohlen und als „Geburtsstunde für ein möglicherweise revolutionäres Heizsystem" bezeichnet hat? Zu Frage 67: Mit Hilfe von Wärmepumpen kann die in der Umgebung enthaltene Wärmeenergie niedriger Temperatur oder die Abwärme auf ein für die Nutzung zur Raumheizung oder Warmwasserbereitung ausreichendes Temperaturniveau gehoben werden. Der Bedarf an Niedertemperaturwärme erreicht nahezu 50 % des gesamten Endenergieverbrauchs. Die Energie-Einsparungsmöglichkeiten durch Wärmepumpen ergeben sich daraus, daß nur 20-40 % der dargebotenen Heizenergie in Form von elektrischer oder sonstiger Antriebsenergie aufzuwenden sind. Vom Bundesministerium für Forschung und Technologie wird daher die Entwicklung und Erprobung von Wärmepumpen schwerpunktmäßig gefördert. Große Bedeutung wird der Entwicklung noch nicht marktreifer, fossil betriebener Wärmepumpen beigemessen, deren Energie-Nutzungsgrad besonders günstig ist. Bei der Erprobung der Wärmepumpen wird geprüft, wie die Umgebungswärme am günstigsten gewonnen werden kann und welche Auswirkungen auf die Umwelt dadurch zu erwarten sind. Die Offentlichkeit wird über das Ergebnis dieser Arbeiten sowie über die Grundlagen der Wärmepumpentechnik durch die Bundesregierung informiert. Die Bundesregierung begünstigt außerdem nach § 4 a des Investitionszulagengesetzes und im Rahmen der üblichen Wohnungsbauförderung die Errichtung von Wärmepumpenanlagen. Die Bundesregierung prüft außerdem gegenwärtig, ob Wärmepumpen mit Ölantrieb steuerlich dadurch begünstigt werden können, daß das dafür benötigte Dieselöl nicht mit Mineralsteuer, sondern nur mit Heizölsteuer belastet wird. Zu Frage A 68: Für die verhältnismäßig zögernde Einführung der Wärmepumpen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung mehrere Gründe: — Die für die breite Einführung dieser neuen Heiztechnik erforderlichen Voraussetzungen sind bisher nur in unvollkommener Weise gegeben: — Die Öffentlichkeit ist über Möglichkeiten und Grenzen der Wärmepumpen noch nicht ausreichend informiert. — Es gibt zu wenig Architekten und beratende Ingenieure, die eine Wärmepumpenanlage planen können. — Das Installationshandwerk verfügt noch nicht über ausreichende Erfahrungen auf dem Gebiete des Einbaus und der Wartung von Wärmepumpen. — Auch in der Industrie sind die Kapazitäten für eine Massenfertigung von Wärmepumpen noch nicht aufgebaut. — Wärmepumpen erfordern wesentlich höhere Investitionen als konventionelle Anlagen. Das gilt besonders für den nachträglichen Einbau in bestehende Gebäude. — Bei den bisher am stärksten verbreiteten elektrisch betriebenen Wärmepumpen mit Außenluft als Wärmequelle ergibt sich bei Vollbeheizung das Problem hoher Anschlußwerte und demzufolge hoher Grundgebühren. Die Alternative einer „bivalenten" Heizung mit einem konventionellen Heizsystem als Reserve für kalte Tage erfordert zusätzliche Investitionen. — Es liegen bisher noch keine ausreichenden Erfahrungswerte über die Wirtschaftlichkeit und die Umwelteinflüsse von Wärmepumpen vor. Befürchtungen über schädliche Nebenwirkungen führten in einigen Fällen zu einer restriktiven Genehmigungspraxis für Grundwasser-Wärmepumpen. Die Bundesregierung ist bestrebt, die einer breiten Einführung der Wärmepumpen entgegenstehenden Widerstände durch die unter A 67 angegebenen Maßnahmen zu verringern. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 69 und 70) : Treffen Presseberichte zu, wonach die vom Bundesministerium für Forschung und Technologie finanzierte Plattform Nordsee nur etwa zur Hälfte ausgelastet ist und, wenn ja, welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, um eine sinnvolle Auslastung zu gewährleisten? Worauf führt die Bundesregierung die offenkundig werdende Abneigung der Kraftwerkserbauer und Kraftwerksbetreiber gegen den Hochtemperaturreaktor zurück, und welche Mittel will die Bundesregierung einsetzen, um sicherzustellen, daß ohne Erhöhung der öffentlichen Fördermittel die Entwicklung dieser Reaktorlinie ohne Zeitverzögerung erfolgt? Zu Frage A 69: Die 40 Seemeilen nordwestlich von Helgoland errichtete Forschungsplattform ist seit September 1975 in Betrieb und bisher im Mittel zu etwa 50 bis 60 % ausgelastet. Sie wird genutzt von der meerestechnischen Industrie für Untersuchungen zum Belastungsverhalten derartiger Bauwerke in der offenen See sowie zur Durchführung von Erprobungen neu entwickelter Meßinstumente und von Bojen. Ferner führen Institute von Technischen Universitäten ingenieurwissenschaftliche Grundlagenuntersuchungen Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 885* durch z. T. in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen des Bundes (z. B. Bundesanstalt für Wasserbau). Nach dem Abschluß der meßtechnischen Ausrüstung in diesem Jahr sollen langjährig angesetzte Forschungsarbeiten begonnen werden. Es handelt sich dabei um naturwissenschaftliche wie ingenieurwissenschaftliche Untersuchungen, die nur von einer im Meer feststehenden Arbeitsplattform aus durchgeführt werden können. An diesen Arbeiten beteiligen sich die Universitäten Aachen, Bochum, Braunschweig, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kiel und München neben Firmen der meerestechnischen Industrie und Forschungsinstitutionen. Darüber hinaus beabsichtigen andere Bundesressorts die Forschungsplattform ab März/April dieses Jahres zu benutzen. Nach dem heutigen Stand der Einsatzplanung wird ab Mitte März dieses Jahres eine volle Auslastung der Forschungsplattform erreicht werden. Zu Frage A 70: Es ist nach Einschätzung der Bundesregierung nicht gerechtfertigt, von einer Abneigung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) sowie der beteiligten Reaktorhersteller gegen den Hochtemperaturreaktor (HTR) zu sprechen. Beide Gruppierungen erkennen nach wie vor die besondere Bedeutung dieses Reaktorsystems an und würden seine weitere Entwicklung und Markteinführung begrüßen. Es ist jedoch unverkennbar, daß sowohl Betreiber wie Hersteller im Hinblick auf die Langfristigkeit und die hohen wirtschaftlichen Risiken nur ein begrenztes finanzielles Engagement bei der Entwicklung und Einführung dieser neuen Technologie einzugehen bereit sind. Die Zurückhaltung gegenüber neuen Entwicklungen dürfte — vor allem auf der Betreiberseite — durch die derzeitige generelle Diskussion um die Kernenergie eher verstärkt worden sein. Eine erhebliche Verzögerung bei der Markteinführung des HTR-Systems ist 1975 durch die Stornierung bzw. Rückgabe aller kommerziellen Aufträge für HTR-Kraftwerke in den USA eingetreten. Dies hat wegen der bestehenden engen wissenschaftlichen und industriellen Zusammenarbeit auch erhebliche Rückschläge für die deutsche HTR-Entwicklung ausgelöst. In dieser vorgegebenen Situation bemüht sich die Bundesregierung auf dem HTR-Gebiet, durch Straffung der Aktivitäten und durch anhaltende Bemühungen um eine breite internationale Zusammenarbeit bei der HTR-Weiterentwicklung die erforderlichen Aufwendungen der deutschen öffentlichen Hand möglichst niedrig zu halten. Hinsichtlich der Kostenbelastungen in den nächsten Jahren muß darauf hingewiesen werden, daß nur sehr begrenzt Möglichkeiten bestehen, beim Bau des Prototyp-HTR-Kraftwerks THTR-300 den Anfall von Mehrkosten zu vermeiden, die überwiegend durch Genehmigungsauflagen bedingt sind. Im übrigen wird daran gearbeitet, die HTR-Arbeiten auf ein möglichst einheitliches technisches Grundkonzept für das nukleare Wärmeerzeugungssystem auszurichten, das hinsichtlich der Anwendung für Stromerzeugung oder Prozeßwärme flexibel ist und mit möglichst geringem Zusatzaufwand jeweils für die eine oder andere Anwendungsform weiterentwickelt werden kann. Die Ingenieurkapazitäten der an der HTR-Entwicklung beteiligten Stellen (Hersteller und Kernforschungszentren) sollen organisatorisch noch enger als bisher zusammengeführt werden, um die Effektivität der Entwicklungsarbeiten weiter zu steigern. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jens (Voerde) (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 71 und 72): Wird die Bundesregierung das in Bau befindliche Kernkraftwerk bei Kalkar, den sogenannten schnellen Brüter, auch während des Baus auf seinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen laufend überprüfen, und wie beurteilt sie z. Z. die Effektivität des Projekts im Vergleich zu anderen Elektrizitätskraftwerken? Ist es richtig, daß der sogenannte schnelle Brüter bei Kalkar nach Fertigstellung gar nicht „brüten" kann, sondern mehr spaltbares Material verbrauchen wird als er selbst produziert? Zu Frage A 71: Die Bundesregierung fördert gemeinsam mit den Regierungen der Niederlande und Belgiens das Projekt SNR-300. Der Sinn dieses Prototypreaktors ist es, die Möglichkeit der Realisierung des Prinzips im großtechnischen Maßstab zu demonstrieren, nicht jedoch das kommerzielle Verhalten eines solchen Kraftwerkes. Das ist allein schon deshalb nicht möglich, weil eine erste Anlage dieser Art, vor allem im Hinblick auf die Sicherheit im Zuge der Genehmigung mit außerordentlichen Belastungen belegt wird, weil die industrielle Infrastruktur zur kommerziellen Errichtung einer solchen Anlage noch nicht vorhanden ist und weil viele der einzelnen Komponenten dieser Anlage noch mit hohen Entwicklungskosten belastet sind. Es ist evident, daß eine in Einzelfertigung gebaute, neuartige technische Anlage nicht von vornherein ihre Wirtschaftlichkeit demonstrieren kann. Zu Frage A 72: Schnelle Brutreaktoren werden in allen großen Industrieländern mit hohen Aufwendungen entwikkelt, weil sie eine im Vergleich zu den heute marktreifen Leichtwasserreaktoren ca. 60fach bessere Ausnutzung der verfügbaren Kernbrennstoffe ermöglichen. Das äußert sich auch darin, daß sie während des Betriebes nichtspaltbares Uran 238 in spaltbares Plutonium umwandeln, und zwar in einer Menge, die der des von der Anlage selbst benötigten Brennstoffes entspricht oder sie übersteigt. In welchem Verhältnis die Strom- und Spaltstoffproduktion bei Brutreaktoren zueinander steht — ob also jeweils mehr Strom oder mehr Spaltstoff produziert wird —ist in gewissen Grenzen von der Auslegung des Reaktorkerns abhängig. Der SNR-300 ist so konstruiert, daß er bei geeigneter Beladung mit Brenn-und Brutelementen „brüten", also mehr als die ein- 886e Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 gesetzte Spaltstoffmenge erzeugen kann. Er wird dies jedoch in seiner ersten Betriebsphase nicht tun, weil dies aus Kostengründen (höhere Betriebseinnahmen durch höhere Stromausbeute) und aus Mangel an Bedarf an Plutonium, welches aus dem Betrieb von Leichtwasserreaktoren zunächst ausreichend vorhanden ist, nicht gewünscht wird. Diese Beladungsstrategie für den Prototypreaktor SNR300, die vorübergehend bewirkt, daß die sogenannte Brutrate bei eins liegt, hat in den vergangenen Jahren durch Mißverständnisse dieser Maßnahme Diskussionen ausgelöst. Die Änderung in der Zusammensetzung des Reaktorkerns, der übrigens im jährlichen Rhythmus gewechselt wird, besteht darin, daß man eine bestimmte Anzahl sogenannter Brutelemente durch Brennelemente ersetzt. Der Effekt dieser Maßnahme besteht darin, daß das Kraftwerk von Anfang an in der Lage ist, eine höhere Menge Elektrizität zu erzeugen, deren Verkauf den Versuchsbetrieb dieses vorwiegend mit öffentlichen Mitteln errichteten Kraftwerkes verbilligen kann. Bei Verringerung der Anzahl der Brutelemente wird folgerichtig die Menge des erbrüteten Plutoniums und damit die sogenannte Brutrate verringert. Die Konstruktion des Reaktors erlaubt es, die beschriebene Änderung jederzeit bei einer Neubeladung des Reaktors wieder rückgängig zu machen und damit den Brutfaktor heraufzusetzen. Auch bei einer Brutrate um eins ist die Brennstoffausnutzung dieses Reaktortyps erheblich besser als die von Leichtwasserreaktoren. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Stahl (Kempen) (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 73 und 74): Welche Aufgaben soll das im Rahmen der europäischen Weltraumforschung geförderte Weltraumlabor erfüllen? Welcher Anteil der bisher für das Projekt Weltraumlabor aufgewandten Mittel aus dem Bundeshaushalt fließt an Unternehmen und Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland? Das bemannte Weltraumlabor Spacelab ist aufgrund seiner technischen Konzeption geeignet, für Aufgaben der Biomedizin, der Atmosphären-, Sonnen- und Plasmaphysik, der Astronomie, der Erdbeobachtung, der Werkstofforschung und Verfahrenstechnik sowie ganz allgemein der technologischen Grundlagenforschung und Anwendung eingesetzt zu werden. Für den ersten Spacelab-Einsatz 1980, der gemeinsam von NASA und ESA durchgeführt wird, sind insgesamt 77 solcher Experimente vorgesehen, von denen Europa 61 übernehmen wird. Aus der Werkstofforschung und Verfahrenstechnik, für die mit Spacelab die besonderen Bedingungen des Weltraums systematisch erschlossen werden können, liegen allein 39 Experimente vor. Dies unterstreicht auch die anwendungsbezogenen Einsatzmöglichkeiten des neuen Systems. Sie werden auch den Schwerpunkt für die weiteren Einsätze darstellen, deren Vorbereitung angelaufen ist. Im übrigen sei hierzu noch auf das Weltraumprogramm der Bundesregierung 1976-1979 hingewiesen. Zu Frage A 74: Bei einem deutschen Beitragsanteil von 53,34 % an einer Gesamtsumme von 396 Millionen RE (Preisstand 1975, 1 RE = 3,05 DM) werden von den gesamten Industrieaufträgen in Höhe von 270 Millionen RE voraussichtlich 51 % an deutsche Unternehmen zurückfließen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 75 und 76): In welchem Umfang ist die Bundesrepublik Deutschland am Projekt schneller Brüter „Superphénix" in Creys Malville (Frankreich) mit direkter und indirekter staatlicher Finanzierung von Forschung, Entwicklung und industrieller Durchführung beteiligt? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Generalräte der französischen Departements Savoie und Isère von der Zentralregierung die Einstellung der Bauarbeiten am schnellen Brüter — Projekt „Superphénix" in Creys Malville gefordert haben, und daß der französischen Nationalversammlung ein Resolutionsentwurf vorliegt, der die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Befassung mit den technischen und Umweltrisiken dieses Projekts vorsieht, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Zu Frage A 75: Die Bundesregierung beabsichtigt, für eine Beteiligung am Projekt Super Phénix 55 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Zu Frage A 76: Der Bundesregierung sind die in Ihrer Frage genannten Vorgänge bekannt. Ich bitte um Ihr Verständnis, daß die Bundesregierung zu innenpolitischen Erörterungen dieser Art im Nachbarland keine Stellungnahme abgeben kann. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wüster (SPD) (Drucksache 8/129 Frage A 77) : Treffen Pressemitteilungen zu, nach denen Erstsemester-Studenten an der württembergischen Universität Hohenheim fast gleichzeitig mit dem ZVS-Bescheid einen Werbebrief der Hohenheimer Burschenschaften „Hohenheimia" und „Württembergia" erhielten, und sieht die Bundesregierung in diesem Vorgang einen Bruch des Datenschutzgesetzes und, bejahendenfalls, sind die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen worden? Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat das Land Baden-Württemberg und die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen um Auskunft über den von Ihnen angesprochenen Sachverhalt gebeten. Wir werden Sie schriftlich informieren, sobald uns entsprechende Auskünfte vorliegen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 887* Hinsichtlich der Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes weise ich allerdings vorbehaltlich der Antwort auf die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Datenschutzproblem gegeben ist, bereits jetzt darauf hin, daß die Mehrzahl der Bestimmungen dieses Gesetzes erst am 1. Januar 1978 in Kraft treten wird. Darüber hinaus ist das Datenschutzgesetz des Bundes nach § 7 Abs. 2 von den Ländern nur insoweit anzuwenden, als sie Bundesrecht ausführen. Das ist jedoch bei der Tätigkeit der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen nicht der Fall. Ich möchte ergänzend noch darauf hinweisen, daß die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes in § 7 Abs. 2 ausdrücklich unter den weiteren Vorbehalt gestellt wird, daß der Datenschutz nicht durch Landesrecht geregelt ist. Da ein entsprechendes Datenschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg in Vorbereitung ist, müßten zukünftig ähnliche Fälle gegebenenfalls an einem solchen Landesgesetz gemessen werden. Im übrigen wird die Bundesregierung grundsätzlich in ihrem Verantwortungsbereich Personaldaten für die Werbung von privatrechtlich konstituierten Vereinigungen nicht zur Verfügung stellen. Dies gilt auch für studentische Verbindungen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lattmann (SPD) (Drucksache 8/129 Frage A 78): Ist der Bundesregierung bekannt, daß Mißbrauch des Bundesausbildungsförderungsgesetzes unter anderem auf folgende Weise praktiziert wird, daß manche Abiturienten, die gar nicht die Absicht haben zu studieren, sich für ein Studium anmelden, auf Antrag für ein Jahr bis zu 500 DM und mehr monatlich Studienförderung beziehen, obwohl sie inzwischen berufstätig sind, und erst zum Zeitpunkt der Neuanträge nach zwölf Monaten aus der Förderung herausfallen, und was gedenkt die Bundesregierung gegen diese Mißbrauchsmöglichkeiten im Rahmen der bevorstehenden Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu unternehmen? Fälle des in der Frage beschriebenen Mißbrauchs sind der Bundesregierung nicht bekannt; sie sind allerdings auch nicht völlig auszuschließen. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß der Anspruch eines Studenten auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz u. a. vom Nachweis der ordentlichen Immatrikulation an einer Hochschule abhängig ist. Bei der Antragstellung werden die Einkünfte des Auszubildenden abgefragt, er wird gleichzeitig darüber informiert, daß er Änderungen seiner Einkommenssituation unverzüglich dem Amt für Ausbildungsförderung anzeigen muß. Macht ein Auszubildender bei der Antragsstellung über sein Einkommen bewußt falsche Angaben, um in den Genuß einer höheren Ausbildungsförderung zu kommen oder unterläßt er zu diesem Zweck eine Änderungsmitteilung gegenüber dem Amt für Ausbildungsförderung, wenn er während des Bewilligungszeitraums etwa aus einer Berufstätigkeit Einkünfte erzielt, so ist damit der Betrugstatbestand i. S. des § 263 Strafgesetzbuch erfüllt. Ich weise darauf hin, daß bei Bekanntwerden eines derartigen Falles die gezahlte Ausbildungsförderung nach § 20 Abs. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz zurückgefordert wird. Die Bundesregierung ist danach der Auffassung, daß die im Rahmen der Rechtsordnung insgesamt gegebenen Sanktionen einen ausreichenden vorbeugenden Schutz gegen die in der Frage angesprochene Mißbrauchsmöglichkeit gewährleisten. Die Bundesregierung wird jedem bekanntwerdenden Fall nachgehen und darauf hinwirken, daß durch Einschaltung der zuständigen Staatsanwaltschaft und durch Rückforderung von zuviel gezahlter Ausbildungsförderung die gegebenen Instrumente genutzt werden. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Langner (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 79): Hält die Bundesregierung die Schätzungen des Ausschusses für Juristenausbildung der Konferenz der Justizminister und -senatoren der Länder für richtig, wonach in den nächsten Jahren bis zu fünfzig Prozent der juristischen Absolventen ohne Berufschance sein werden? 1. Der Ausschuß der Juristenkonferenz für die Reform der Juristenausbildung (Reformausschuß) hat Ende 1976 eine Trendschätzung über die voraussichtliche Entwicklung des Angebots und Bedarfs an Juristen im Staatsdienst vorgelegt. Gegenüber vorangegangenen ähnlichen Untersuchungen berücksichtigt diese Schätzung eine inzwischen eingetretene erhebliche Zunahme der Zahl der Studienanfänger im Fach Rechtswissenschaft. Während die Studienanfängerzahlen insgesamt (1. Hochschulsemester) im Zeitraum von 1970 bis 1975 um 34 % zunahm, erhöhte sich die Zahl der Studienanfänger der Rechtswissenschaft (1. Fachsemester) von 5 508 im Jahr 1970 auf 11 795 im Jahr 1974, d. h. um gut 100 0/o. Im Jahre 1975 ging diese Zahl jedoch um 500 zurück und hat sich seither kaum verändert. Die starke Zunahme der Studienanfängerzahlen wirkt sich naturgemäß auf der Angebotsseite aus und würde bei gleichbleibendem bzw. sich nur geringfügig verändernden Bedarf mittelfristig in den traditionellen Juristenberufen zu einer wesentlichen Veränderung der Beschäftigungschancen für Juristen führen. Die in der Fragestellung implizierte Behauptung, wonach „in den nächsten Jahren" bis zu 50 % der juristischen Absolventen ohne Berufschancen sein werden, ist in dieser Form nicht haltbar und wurde auch von dem Reformausschuß nicht so aufgestellt. Nach der mittleren Variante der Berechnungen des Ausschusses wird bis zum Jahre 1980 nur ein unwesentlicher Angebotsüberhang bestehen. Bei den weiter in der Zukunft liegenden Jahren ab 1980 zeichnet sich dagegen lt. Annahme des 888* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Reformausschusses ein möglicher Angebotsüberhang ab. 2. Bedarfsprognosen können aus einer Reihe von Gründen nicht als absolut verläßliche Voraussagen gewertet werden; sie beruhen auf für die Vergangenheit festgestellten Trends, orientieren sich an herkömmlichen Berufsbildern und können die Möglichkeit neuer Beschäftigungsbereiche in Tätigkeiten außerhalb des Staatsdienstes, die bei der großen Flexibilität der Juristen aufgrund der multivalent angelegten Studiengänge eher möglich sind, nur beschränkt berücksichtigen. Daher können längerfristige Bedarfsprognosen die voraussichtliche Entwicklung nur innerhalb relativ großer Bandbreiten angeben, wie beispielsweise die von der HIS-GmbH im Jahre 1975 vorgelegte Untersuchung, die bei einer Schwankungsbreite der voraussichtlichen Entwicklung von 85 000 — bezogen auf die im Jahr 1990 benötigten Juristen — sowohl die Möglichkeit eines Angebotsüberschusses als auch eines Angebotsdefizits offenläßt. 3. Unter Berücksichtigung der prognostischen Unsicherheit kann man im Einvernehmen mit dem Ausschuß für die Reform der Juristenausbildung folgende Aussagen treffen: — gut qualifizierte Juristen werden auch in der Zukunft gute Berufsaussichten haben — dagegen muß Hochschulberechtigten, die ein Studium der Rechtswissenschaft nur als Ausweichfach oder als eine mögliche Studienalternative beginnen wollen, geraten werden, ihre Eignung und Neigung für dieses Studium und für den angestrebten juristischen Beruf sorgfältig zu prüfen. Diese Ansichten werden von der Bundesregierung geteilt. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Karwatzki (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 80) : Treffen die Pressemeldungen zu, nach denen Bundesminister Rohde behauptet hat, daß ein nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderter Student bei Vollförderung durch zusätzliche Hilfen (z. B. Familienheimfahrten) auf einen Förderungsbetrag von monatlich insgesamt 670 DM kommen würde, und wenn ja, auf welchen Berechnungen beruht diese Aussage, und wie groß ist der Prozentsatz der geförderten Studenten, die in den Genuß dieses Betrags von monatlich 670 DM kommen? Es trifft zu, daß vom Bildungsministerium auf Fragen von der Presse nach den öffentlichen Förderungen insgesamt auf die Tatsache hingewiesen wurde, daß Auszubildende, die den Höchstbetrag nach dem BAföG erhalten, nach den gesetzlichen Vorschriften auf Leistungen von insgesamt 670 DM monatlich kommen können. Dem Bedarfssatz von 580 DM für den auswärts untergebrachten Studenten sind im Falle des Vorliegens der individuellen Voraussetzungen hinzuzurechnen: — 12 DM für die Aufwendungen zur Krankenversicherung, — bis zu 45 DM bei höheren Mietaufwendungen, — ein nach den individuellen Aufwendungen festzusetzender Erstattungsbetrag für Fahrten sowie Lern- und Arbeitsmittel, — zumindest ein Betrag von 50 DM nach dem Bundeskindergeldgesetz, der nach dem 18. Lebensjahr mit Rücksicht auf die Ausbildung weiter gewährt wird. Bei wievielen Auszubildenden die Gesamtleistung der öffentlichen Hand 670 DM im Monat erreicht oder überschreitet, läßt sich vor Inkrafttreten der Änderung des Gesetzes, die zu dieser Leistungshöhe führt, nicht darlegen. Anhaltspunkte hierfür lassen sich aber aus den statistischen Angaben für das Jahr 1975 entnehmen. Damals wurden von den geförderten Studenten rd. 20 v. H. voll gefördert und erhielten daneben namhafte zusätzliche Leistungen nach der Härteverordnung sowie Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schmöle (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 81) : Will die Bundesregierung dem Verlangen der DDR nach einer verbrieften Grenzvereinbarung entgegenkommen? Die Frage bezieht sich offensichtlich auf ein Interview, das bereits am 10. Februar Gegenstand eingehender Erörterungen im Deutschen Bundestag gewesen ist. Schon am 28. September 1976 ist durch meinen Kollegen Dr. Schmude auf Fragen von Herrn Kollegen Spranger klargestellt worden: Es ist „nicht die Aufgabe der Grenzkommission, einen Grenzvertrag zu erarbeiten". vgl. Drucksache 7/5825, S. 7 ff. (S. 9). Die Bundesregierung wird sich bei der Entscheidung darüber, wie die Arbeiten der Grenzkommission abgeschlossen und die Ergebnisse von den Regierungen der beiden deutschen Staaten bestätigt werden sollen, auf die Rechtsgrundsätze stützen, die hier bereits wiederholt dargelegt worden sind. Zuletzt ist dies ausführlich durch meinen Kollegen von Schoeler in der Antwort auf vier Fragen des Kollegen Dr. Mertes am 21. Januar 1977 geschehen (Sitzungsprotokoll vom 21. Januar 1977, S. 390). Ich darf den Schlußsatz zitieren: „In jedem Fall muß der nichtkonstitutive Charakter der Grenzfeststellung unberührt bleiben." Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Nothhelfer (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 82) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 889* Hält die Bundesregierung die Bevölkerung der deutschen Grenzgebiete, insbesondere des deutsch-schweizerischen Grenzgebiets, rechtlich für ausreichend geschützt gegen immisssionsträchtige Anlagen, die im benachbarten Ausland unmittelbar an die Grenze gebaut werden und — verneinendenfalls — welche konkreten Verbesserungsmöglichkeiten erwägt sie? Mit Ihrer Frage berühren Sie komplexe und sehr umstrittene Probleme des internationalen Nachbarrechts. Schwierigkeiten ergeben sich vor allem deshalb, weil die Durchsetzungskraft raumbezogener öffentlich-rechtlicher Normen mit der Hoheitsgewalt endet, d. h. grundsätzlich an der Grenze des jeweiligen Staates. Der Problematik der grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung wird seit der Verabschiedung der Stockholmer UN-Deklaration über die Umwelt des Menschen im Jahre 1972 in der internationalen Zusammenarbeit große Aufmerksamkeit gewidmet. Prinzip 21 dieser Deklaration besagt, daß Vorkehrungen getroffen werden sollen, damit Aktivitäten auf dem Gebiet eines Staates keinen Umweltschaden in einem anderen Staat verursachen. Im Umweltprogramm der Europäischen Gemeinschaften erkennen die Mitgliedstaaten an, daß über wichtige Maßnahmen, wie z. B. die Errichtung von Industrieanlagen im Grenzbereich, die betroffenen Staaten Konsultationen durchzuführen und ihre Maßnahmen aufeinander abzustimmen haben. Auch im Rahmen der O. E. C. D. werden z. Z. konkrete Beteiligungsverfahren ausgearbeitet. Die Bemühungen der Europäischen Gemeinschaften um eine Harmonisierung der Umweltschutzanforderungen in den Mitgliedstaaten werden längerfristig dazu führen, daß bei allen potentiell umweltbelastenden Anlagen in der Gemeinschaft gleiche oder jedenfalls annähernd gleiche Vorsorgemaßnahmen getroffen werden müssen. Bilaterale Raumordnungskommissionen, nach denen potentiell umweltbelastende Anlagen, die unmittelbar an der Grenze gebaut werden, grundsätzlich gegenseitig abzustimmen sind, bestehen außer mit den Niederlanden, Belgien und Osterreich auch mit der Schweiz. Die deutsch-schweizerische Raumordnungskommission hat u. a. Empfehlungen zu den Energieplanungen im gemeinsamen Grenzraum beschlossen. Gegenwärtig befaßt sie sich mit Fragen des Fluglärms im gemeinsamen Grenzraum. Für das Grenzgebiet am Oberrhein wurde im November 1975 eine deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission für nachbarschaftliche Zusammenarbeit eingesetzt. In ihrem Rahmen befaßt sich eine Arbeitsgruppe Umwelt schwerpunktmäßig mit der Erfassung insbesondere von Luftverschmutzungen und ihren Quellen im Vertragsgebiet, um Umweltschutzerfordernisse bei Planungen und Entwicklungen im Grenzgebiet zu berücksichtigen. Die Bundesregierung beabsichtigt schließlich, ein Abkommen über die gegenseitige Beteiligung bei der Ansiedlung von Kernanlagen abzuschließen. Das Strahlenschutzrecht der Schweiz entspricht den Euratom-Normen; hier ist also eine Rechtsvereinheitlichung bereits weitgehend erreicht. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Josten (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 83 und 84): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, nachdem jetzt durch eine langjährige Untersuchung des Rheinwassers bekannt wurde, daß die Hauptverursacher der Grundwasserversalzung im Oberrheintal die staatlichen französischen Kali-Minen bei Mülhausen sind? Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung getroffen, damit das Rheinwasser auch zukünftig für Millionen von Bürgern als Trinkwasser verwendet werden kann? Zu Frage A 83: Mit der Versalzung des Grundwassers im Oberrheintal hat sich vor kurzem eine Arbeitsgruppe beim Europarat befaßt. Danach ist es in der Tat so, daß aus Abwässern der elsässischen Kaliindustrie im Raum Mülhausen salzhaltiges Wasser in den Untergrund versickert ist. Ausgangspunkt der Versickerung waren die undichten Pufferbecken auf der Insel Fessenheim. Hierdurch hat sich in tieferen Grundwasserschichten eine, wenn auch noch örtlich begrenzte, Grundwasserzone mit beträchtlich erhöhtem Salzgehalt gebildet, die die Trinkwasserqualität beeinträchtigt hat, ohne allerdings eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit darzustellen. Dies hat die Bundesregierung veranlaßt, von der französischen Seite die Außerbetriebnahme der Speicherbecken für Salzsole (Pufferbecken) zu fordern. Dies ist inzwischen geschehen. Es trifft also nicht zu, daß — wie in der Offentlichkeit in den letzten Tagen behauptet worden ist — Frankreich das soeben abgeschlossene Chlorid-Abkommen unterlaufen hätte. Nach dem Chlorid-Übereinkommen ist Frankreich verpflichtet, die Ableitung von Chlorid-Ionen in den Rhein bis zum 1. Januar 1980 schrittweise um 60 kg/s zu verringern. Bis zu diesem Zeitpunkt wird auch in Zeiten geringer Wasserführung die Chlorid-Belastung des Rheins spürbar verringert sein. In einer Übergangszeit bis etwa 1980 können als Folge der Stillegung der Pufferbecken weiterhin geringfügig erhöhte Chlorid-Konzentrationen im Rhein vorübergehend vorkommen. Sie sind nach Ansicht der Bundesregierung jedoch im Interesse des Grundwasserschutzes im Oberrheingebiet vertretbar. Zu Frage A 84: Die Güte des Rheinwassers im Hinblick auf seine vielfältigen Nutzungen, auch und gerade zur Trinkwasserversorgung für 8 Millionen Bürger — davon für 3 Millionen aus dem Bodensee — zu verbessern, ist Ziel der nationalen und internationalen Maßnahmen der Bundesregierung. Die Bundesregierung geht dabei ebenso wie der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen davon aus, daß die Rheinsanierung in erster Linie eine deutsche Aufgabe ist. In diesem Sinne hat sie seit Jahren hohe Aufwendungen zum Schutz des Rheines aufgebracht und durch Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz flankierend für verstärkte Sanierungsmaßnahmen gesorgt. Die Gesamtinvesti- 890* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 tionen der Kommunen und der Industrie im Einzugsgebiet des Rheins belaufen sich inzwischen für Abwasseranlagen auf rd. 20 Mrd. DM, davon für Kläranlagen auf annähernd 10 Mrd. DM. Zusätzlich zu diesen nationalen Maßnahmen sind internationale Vereinbarungen getroffen worden: Ohne das Problem der Chlorid-Belastung, also der Salzfracht im Rhein, schmälern zu wollen, sieht die Bundesregierung die eigentliche Gefahr in der chemischen Verunreinigung des Rheins. Die erfolgreiche Verabschiedung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Eindämmung der Ableitung gefährlicher Stoffe am 8. Dezember 1975 durch den Umweltministerrat in Brüssel und das am 3. Dezember 1976 unterzeichnete Chemieübereinkommen der Rheinanliegerstaaten sind wesentliche Schritte zur Lösung dieses für den Schutz des Rheins vitaleren Problems. Nach dem Chemieübereinkommen dürfen gefährliche Stoffe nur nach vorheriger Genehmigung und unter Beachtung einheitlicher Auflagen in den Rhein abgeleitet werden. Für die Ableitung besonders schädlicher Stoffe einer sogenannten schwarzen Liste in die Flüsse des Rheineinzugsgebiets werden Emissionsgrenzwerte für Abwässer aus Industrie und Kommunen erarbeitet und strenge Reinigungsanforderungen nach dem Stand der Technik festgesetzt. Über die Ableitung von relativ weniger gefährlichen Stoffen einer sogenannten grauen Liste stellt jede Regierung innerhalb von 2 Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens Programme zur Reduzierung der Belastung des Rheins auf, die vor ihrer Festlegung international zu harmonisieren sind. Das Chemieübereinkommen entspricht damit der Konzeption der genannten EG-Richtlinie zur Eindämmung der Ableitung gefährlicher Stoffe, so daß wirksame Maßnahmen zur Verringerung der chemischen Belastung des Rheins nach einheitlichen europäischen Anforderungen getroffen sind. Zu den positiven Auswirkungen des Chlorid-Übereinkommens auf das Grundwasservorkommen im Oberrheintal und auf den Zustand des Rheins habe ich in meiner Antwort auf Ihre erste Frage bereits hingewiesen. In einer ersten Stufe werden in Kürze 20 kg/s Chlorid-Ionen mit einem Kostenaufwand von 132 Millionen Francs in tiefe Speichergesteine verpreßt und damit täglich 1 730 Tonnen Chloride vom Rhein ferngehalten. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich mit 30 % an den Investitionskosten, weil Salzeinleitungen auf deutschem Gebiet nicht mit vergleichbarem finanziellen Aufwand verringert werden können. Über die technische Durchführung und Finanzierung der weiteren Stufen, die schließlich bis 1980 zu einer Verpressung von 60 kg/s Chlorid-Ionen führen werden, wird auf der Grundlage eines von Frankreich demnächst vorzulegenden Gesamtkonzeptes entschieden werden. Die Bundesregierung wird in Ergänzung zu diesen Regelungen im Rahmen des vorgesehenen Programms für Zukunftsinvestitionen in den Jahren 1977 bis 1980 in beachtlichem Umfang Mittel zur Sanierung des Rheins zur Verfügung stellen. In Fortsetzung des Sanierungsprogramms Rhein/Bodensee — die Bundesregierung hat in den letzten 5 Jahren hierfür 150 Millionen DM an Zuschüssen bereitgestellt — sollen erheblich höhere Bundesmittel als bisher für Abwasseranlagen bereitgestellt werden; die Förderung soll auch auf Schwerpunkte an den Nebenflüssen des Rheins ausgedehnt werden. Die Höhe der Bundeszuschüsse hängt noch von der angemessenen Beteiligung der Länder ab, mit denen Verhandlungen inzwischen aufgenommen wurden. Der Zustand des Rheins hat sich nach Inbetriebnahme einiger Kläranlagen-Großprojekte, wie dem der BASF und der Städte Düsseldorf, Köln, Koblenz und Mainz sowie der Emschermündungskläranlage, in mancher Hinsicht bereits verbessert. Die Bundesregierung sieht in dem Zusammenwirken einer verstärkten Förderung von Abwasseranlagen und den neuen nationalen Regelungen und internationalen Vereinbarungen eine echte Chance dafür, daß der Zustand des Rheins in absehbarer Zeit auch den Anforderungen aus der Sicht der Trinkwasserversorgung noch besser gerecht wird. Sie hofft, daß entsprechende Anstrengungen in gleichem Maß auch von den anderen Rheinanliegerstaaten unternommen werden. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 85 und 86) : Trifft es zu, daß im Spätsommer 1976 der Flugverkehr über dem Kernkraftwerk Biblis überprüft worden ist, und wenn ja, welches Ergebnis hatte diese Überprüfung? Sind der Bundesregierung von anderer Seite Mitteilungen über Überfliegungen des Kernkraftwerkes Biblis zugegangen, und entsprechen diese Meldungen den eigenen Feststellungen der Bundesregierung? Aufgrund einer Vereinbarung zwischen BMVg und BMI hat die Bundesluftwaffe einen Meßtrupp an den Standort Biblis entsandt, um dort in der Zeit vom 4. bis 29. Oktober 1976 mit entsprechendem technischen Gerät den Flugverkehr im Tiefflugbereich quantitativ zu erfassen und zu dokumentieren. Die Messungen hatten folgendes Ergebnis: Über das Kernkraftwerk selbst flogen 31 Luftfahrzeuge, davon 18 Strahlflugzeuge, 3 Militärhubschrauber sowie 10 Zivil- oder Polizei-Luftfahrzeuge. Weitere 46 Luftfahrzeuge flogen in einem Abstand bis zu 500 m am Kernkraftwerk vorbei, darunter 19 Strahlflugzeuge, 16 Propellerflugzeuge und 11 Hubschrauber. Darüber hinaus bis zu einem Halbmesser von 5 km wurden 203 Luftfahrzeuge (112 Strahlflugzeuge, 64 Propellermaschinen, 27 Hubschrauber) im Tiefflugbereich registriert (150 m— 450 m). Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 891* Auch der Betreiber des Kernkraftwerks Biblis führt seit Mitte 1974 systematisch Beobachtungen des Flugverkehrs von schnellen Militärmaschinen über dieser Anlage durch. Die Angaben stimmen mit obengenannten nicht voll überein. Sie liegen z. Z. darüber. Dies ist auf die vom Betreiber angewandte Beobachtungsmethode zurückzuführen, die rein visueller Art ist und deshalb stark subjektiv bestimmt ist. Eine meßtechnische Überprüfung durch den Betreiber hat stattgefunden. Ungeachtet der geringen Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes auf vitale Stellen eines Kernkraftwerks ist der BMI mit dem BMVg in Verhandlungen über mögliche Maßnahmen zu einer effektiven Verringerung des militärischen Flugverkehrs bzw. einer Tiefflugsperre im Bereich des Kernkraftwerks Biblis. Er folgt dabei dem Grundsatz, daß ein wenn auch geringes Restrisiko nach Möglichkeit und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit der Mittel weiter vermindert werden soll. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Berger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 87 und 88) : Teilt die Bundesregierung die vom Bundesarbeitsminister, Dr. Ehrenberg, in der Sendung „Im Brennpunkt" am 2. Februar 1977 geäußerte Ansicht, daß man in der Bundesrepublik Deutschland „aus schlechten Gründen" vor rd. 30 Jahren das Berufsbeamtentum „in die Verfassung dieses Landes geschrieben" hat, und geben die seit 1949 vorliegenden Erfahrungen nach Meinung der Bundesregierung Anlaß zu dieser negativen Beurteilung des Berufsbeamtentums? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit ihre auch in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommene Auffassung über das Berufsbeamtentum in der Offentlichkeit nicht unglaubwürdig wird, wenn in Einzelfällen ein Bundesminister eine abweichende Meinung äußert? Die Bundesregierung hat ihre Position in dieser wichtigen staatspolitischen Grundsatzfrage verbindlich festgelegt. So enthält das am 19. Mai 1976 beschlossene Aktionsprogramm zur Dienstrechtsreform die klare, jeden Zweifel ausschließende Feststellung, daß bei allen Reformmaßnahmen die verfassungsrechtlich gewährleistete gesetzliche Regelung, der Funktionsvorbehalt des Artikels 33 Abs. 4 GG und die inhaltliche Bindung des Beamtenrechts an die Grundsätze des Artikels 33 Abs. 5 GG unberührt bleiben. In der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976, die Grundlage der Regierungspolitik für die 8. Legislaturperiode ist, wird diese eindeutige Aussage, worauf Sie in Ihrer Frage auch hinweisen, ausdrücklich bekräftigt. Danach erfolgen Reformen des öffentlichen Dienstes im Rahmen des schon genannten Aktionsprogramms und auf den gesicherten Grundlagen der Verfassung. Zu diesen gesicherten Grundlagen gehört unstreitig insbesondere die verfassungsrechtlich garantierte Institution des Berufsbeamtentums. Herr Minister Ehrenberg hat seine Äußerung in einem Zusammenhang getan, der allein die mögliche Beteiligung der Beamten am allgemeinen Arbeitsplatzrisiko betraf. Er hat sich nicht etwa für die Abschaffung des Berufsbeamtentums ausgesprochen. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 89): Macht sich die Bundesregierung die Forderung des Bundesinnenministers nach Einführung plebiszitärer Verfahren bei schwerwiegenden Entscheidungen, wie über die Kernenergie, zu eigen (vgl. „Neue Westfälische", Ausgabe Bielefeld, vom 14. Februar 1977), wenn ja, warum ist dann eine so grundlegende Änderung des Grundgesetzes nicht im Entwurf eines Arbeitsprogramms des Bundesjustizministeriums für die 8. Wahlperiode enthalten? Prof. Maihofer hat sich in den Veranstaltungen, über die in dem von Ihnen zitierten Artikel berichtet worden ist, nicht für die Einführung plebiszitärer Verfahren ausgesprochen, die eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich machten. Ihm ging es im Gegenteil darum, deutlich zu machen, daß das Parlament als repräsentatives Verfassungsorgan mit dem höchsten Grad demokratischer Legitimation stärker in den Entscheidungsprozeß über grundlegende Fragen, etwa über die Wahl des Standortes von Kernkraftwerken, einbezogen werden sollte. Damit würde nicht nur größere Transparenz geschaffen, sondern zugleich die Legitimationsbasis für solche Entscheidungen verbreitert und die Funktion des Parlaments als des eigentlichen Integrationsfaktors im repräsentativen demokratischen System erweitert. Zum andern muß — auch dies war Gegenstand der Ausführungen von Prof. Maihofer — dafür gesorgt werden, daß bei der Entscheidung im Einzelfall die Interessen der Bürger durch frühzeitige Information und Beteiligung gewahrt werden. Dies kann durch verstärkte Bürgeranhörungen, aber auch, wo möglich und notwendig, durch eine Erweiterung bestehender Einspruchsmöglichkeiten geschehen. Für bestimmte Bereiche ist daher die Beteiligung von Verbänden in Verwaltungsverfahren und die Verbandsklage vorgesehen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 90) : Welche gesetzgeberischen oder andere Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 13. Januar 1977, Az. IV E 497/76, daß die Mitwirkung der Ämter für Verfassungsschutz bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst nicht Rechtens sei, in dem Bemühen ziehen, daß nur verfassungstreue Bewerber in den öffentlichen Dienst eingestellt werden? 892* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Die Bundesregierung ist unterrichtet, daß das Land Hessen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 13. Januar 1977 Berufung eingelegt hat, über die der Verwaltungsgerichtshof Kassel noch nicht entschieden hat. Bei diesem Verfahrensstand hält es die Bundesregierung nicht für angezeigt, zu der Auffassung des Gerichts erster Instanz ihrerseits öffentlich Stellung zu nehmen. Sie hält im gegenwärtigen Zeitpunkt gesetzgeberische Initiativen oder andere Maßnahmen nicht für veranlaßt. Der rechtskräftige Abschluß des Verwaltungsstreitverfahrens wird abzuwarten sein. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Müller (Wadern) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 91 und 92) : Welche Kernkraftkapazität soll in Remerschen bzw. Cattenom errichtet werden, und hat die Bundesregierung Unterlagen darüber, welche Einwirkungen von diesen Kernkraftwerken auf die Bevölkerung im grenznahen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgehen, und wie beurteilt sie in diesem Zusammenhang insbesondere die Kühlwasserkapazität, die sich bei Einhaltung deutscher Aufheizungsgrenzwerte für die Mosel ergeben und die Gefährdung im Zusammenhang mit dem Munitionsdepot in EftHellendorf? Was hat die Bundesregierung unternommen, um innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eine Harmonisierung der Standorte für Kraftwerke, insbesondere für Kernkraftwerke, zu erlangen, und wie weit sind insbesondere die Verhandlungen mit Luxemburg bzw. Frankreich in dieser Richtung gediehen? Zu Frage A 91: Die vorgesehenen Ausbaukapazitäten betragen: — für Kernkraftwerk Remerschen (Luxemburg) zunächst 1 200 MWe (Endphase 2 400 MWe) — für Kernkraftwerk Cattenom (Frankreich) zunächst 2 X 900 MWe (Gesamtplanung 4 500 MWe) Hinsichtlich des Kernkraftwerks Remerschen hat die Regierung des Großherzogtums Luxemburg gegenüber der Bundesregierung verbindlich ihre Absicht erklärt, die für deutsche Kernkraftwerke geltenden gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Sicherheit, Strahlenschutz und Umweltbelastung voll zu übernehmen. Sie hat der Bundesregierung alle Antragsunterlagen des Antragstellers und alle Gutachten zur Kenntnis gegeben. Es ist sichergestellt, daß die zu errichtende Anlage, die weitgehend baugleich mit dem deutschen Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich ausgeführt wird, so ausgelegt ist, daß alle z. Z. in der Bundesrepublik in Betracht zu ziehenden Störfälle sicher beherrscht werden und daß alle sicherheitstechnisch wichtigen Einrichtungen des Kraftwerks hinreichend gegen Einwirkungen von außen geschützt sind. Der Planungsstand der Anlage Cattenom läßt noch keine abschließende Aussage über diese Anlage zu. Die Bundesregierung wird über die französische Planung laufend im Rahmen der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen und des Strahlenschutzes informiert. Insbesondere ist vorgesehen, wichtige Si- cherheitseigenschaften der Anlage und mögliche Beeinträchtigungen der Umgebung des Standorts im Vergleich mit deutschen Anlagen zu erörtern. Bei der Beurteilung der möglichen äußeren Einwirkungen auf Kernkraftwerke werden Munitionsdepots in der Umgebung des Standorts grundsätzlich sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Frankreich bei der Auslegung der Anlage berücksichtigt. Bezüglich der speziellen Gefährdung des Kernkraftwerkes Remerschen im Zusammenhang mit dem Munitionsdepot in Eft-Hellendorf werden die möglichen Einwirkungen auf die Anlage bei der Auslegung des Kraftwerkes berücksichtigt. Die Fragen der Aufwärmung der Mosel werden in den Internationalen Kommissionen zum Schutz der Mosel und der Saar gegen Verunreinigung behandelt. Die Beratungen über einen Wärmelastplan, der die Begrenzung der Wärmeeinleitungen zum Ziel hat, wie sie auch von deutscher Seite akzeptiert werden können, sind im Gange. Für die Kraftwerke Cattenom und Remerschen sind Kühltürme vorgesehen. Die großen Verdunstungsmengen durch den Betrieb der Naßkühltürme sind allerdings — gegenüber der Aufwärmung — wegen der geringen Wasserführung der Mosel das größere Problem. Durch geeignete Maßnahmen, z. B. durch den im franz. Einzugsgebiet der Mosel geplanten Bau eines Wasserspeichers, muß eine ausreichende Wasserführung der Mosel auch zu Niedrigwasserzeiten gewährleistet werden. Zu Frage A 92: Die Bundesregierung erörtert seit längerer Zeit Standortfragen mit Nachbarstaaten in einer Reihe bi- und trilateraler Gremien: — Deutsch-Niederländische Raumordnungskommission — Deutsch-Österreichische Raumordnungskommission — Deutsch-Schweizerische Raumordnungskommission — Commission Tripartite (Bundesrepublik Deutschland/Frankreich/Schweiz) — Mosel-Saar Kommission (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Luxemburg) — Internationale Kommission zur Reinhaltung des Rheins (Rheinanlieger) — Deutsch-Französische Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen — Deutsch-Schweizerische Gespräche über Fragen der Sicherheit und des Strahlenschutzes Neben den formalisierten Kontakten bestehen im Bereich Reaktorsicherheit und Strahlenschutz Kontakte zu den zuständigen Behörden der Nachbarstaaten — Niederlande — Dänemark — Luxemburg Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 893* Bei allen Kontakten werden die betroffenen Behörden der Länder der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Die bestehenden Kontakte konnten zwar nach Lage der Dinge nicht mehr zu einer gemeinsamen Vorsorgeplanung von Standorten für Kernkraftwerke führen, jedoch werden Fragen von gemeinsamen Interessen aus den Bereichen Raumordnung, Umweltschutz, Sicherheit und Strahlenschutz erörtert und Abstimmungen bei Interessenkonflikten angestrebt. Bezüglich der Deutsch-Luxemburgischen Gemeinschaftsanlage Remerschen verweise ich auf die Beantwortung der Frage A 91. Bezüglich der Verhandlungen mit Frankreich fand anläßlich des deutsch-französischen Gipfelgesprächs ein Meinungsaustausch zwischen dem Bundeskanzler und dem französischen Staatspräsidenten und gleichzeitig auf der Ebene der Außenminister zur Frage der Standortplanung in grenznahem Raum statt. Dabei wurde beschlossen, künftig Fragen der Energie- und Standortplanung in einer zu schaffenden bilateralen Regierungskommission zu behandeln. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hoffie (FDP) (Drucksache 8/129 Fragen A 93 und 94) : Wie beurteilt die Bundesregierung die bisher bekanntgewordenen Ergebnisse der international geführten Forschungsarbeiten zur Frage der Schädlichkeit von Fluorkohlenwasserstoffen (FKW) für die Ozonschicht der Erde, und teilt sie die in fast allen diesen Studien aufgezeigte Schlußfolgerung, daß die große Sorge um die FKW legitim ist und wegen deren für die gesamte Biosphäre bedrohlichen Schädlichkeit umgehend ernsthafte Maßnahmen gegen die Verwendung dieser Stoffe (z. B. bei Spraydosen, Kühlsystemen) ergriffen werden müssen? Ist die Bundesregierung bereit, national einen Plan zum schrittweisen Verbot der Verwendung von FKW zu erarbeiten und — um die Effektivität einer solchen Maßnahme überhaupt zu gewährleisten — auch international mit den uns z. B. in der EG, Nato, OECD verbundenen Ländern, auch im Rahmen der Vereinten Nationen, auf die sukzessive Beschränkung der Verwendung von FKW bis hin zu deren generellem Verbot hinzuwirken? Zu Frage A 93: Nach den heute vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen besteht sowohl in den Vereinigten Staaten wie innerhalb der EG-Mitgliedsländer als den wichtigsten Hersteller- und Verbraucherländern von Fluorkohlenwasserstoffen (FKW) Übereinstimmung darüber, daß die weitere Verwendung von FKW langfristig zu einer Schädigung der Ozonschicht führen kann. Zur Zeit wird davon ausgegangen, daß eine unveränderte FKW-Emission zu einer Ozon-Reduzierung von lediglich 0,07 % pro Jahr führen wird. Große Unsicherheiten bestehen jedoch noch über das genaue Ausmaß der Schädigung und über die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt. Zur Verminderung dieser Unsicherheiten wird voraussichtlich ein Zeitraum von etwa 2 Jahren benötigt, innerhalb dessen die notwendigen weiteren wissenschaftlichen Arbeiten durchgeführt werden sollen. Hieran wird sich auch die Bundesregierung beteiligen, die bereits 1975 ein umfangreiches Forschungsprogramm begonnen und bis 1979 ca. 5,5 Millionen DM hierfür ausgeben wird. Zur Koordinierung der internationalen Forschungsaktivitäten haben die Vereinten Nationen (UNEP) zu einem Expertentreffen in der Zeit vom 1. bis 9. März 1977 nach Washington eingeladen. Im Rahmen einer Besprechung von Sachverständigen bei der EG-Kommission herrschte in Übereinstimmung mit den Schlußfolgerungen in der Studie der National Academy of Science in Washington zu diesem Punkt die weit überwiegende Auffassung vor, zum jetzigen Zeitpunkt keine überstürzenden Maßnahmen im Hinblick auf Verwendungsbeschränkungen für FKW in Spraydosen, Kühlsystemen usw. zu ergreifen. Vielmehr wird die weitere Marktentwicklung beobachtet. Dies zeigt, daß die Produktion an FKW 1974/1975 sowohl weltweit wie auch in der Bundesrepublik Deutschland um etwa 15 % zurückgegangen ist. Dies ist u. a. auf den vermehrten Einsatz von Ersatzprodukten (z. B. Pumpensprüher, Kohlendioxid) zurückzuführen. Zu Frage A 94: Da die Beeinflussung der Stratosphäre durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe mit ihren möglichen Folgewirkungen für die menschliche Gesundheit ein weltweites Problem darstellt, kann diesem auch nur durch weltweit koordinierte Maßnahmen begegnet werden. Daher haben die USA als größtes Hersteller- und Verbraucherland die übrigen Industrieländer, u. a. auch die Bundesrepublik Deutschland, für Ende April 1977 zu einer Konferenz eingeladen, bei der Notwendigkeiten und Möglichkeiten für Verwendungsbeschränkungen diskutiert werden sollen. Es wird dann gegebenenfalls Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel sein, einheitliche Vorschriften für alle Mitgliedsländer vorzubereiten. Hieran würde sich die Bundesregierung aktiv beteiligen. Die Bundesregierung ist in der günstigen Lage, in § 35 BImSchG eine Verordnungsermächtigung zu haben, auf deren Grundlage sofort eine Rechtsverordnung über das Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen erlassen werden könnte. Wenn es sich als notwendig erweisen sollte, wird die Bundesregierung nicht zögern, die Einschränkung des Verbrauchs von FKW oder ein Verbot ins Auge zu fassen. Darüber hinaus erwägen wir z. Z. im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, das Verbraucherbewußtsein auf diesem Sektor z. B. durch besondere Kennzeichnung auf den Spraydosen zu wecken und die Verbraucher in die Lage zu versetzen, festzustellen, welche Spraydosen mit umweltfreundlichen Ersatzstoffen arbeiten. Auch die Rückkehr zum Pumpensprüher könnte teilweise eine Alternative sein. Wie in einem Bericht der OECD vom 7. Februar 1977, den ich gerne zur Verfügung stellen werde, zu entnehmen ist, bestehen z. Z. in keinem OECD-Mitgliedsland Vorschriften über Verwendungsbeschränkungen. Die jüngste Pressemeldung über ein Spraydosenverbot im US-Bundesstaat Oregon 894• Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 konnte bisher nicht bestätigt werden. Ich bin jedoch gerne bereit, dieser Frage nachzugehen und Sie baldmöglichst über das Ergebnis meiner Bemühungen zu informieren. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Scheffler (SPD) (Drucksache 8/129 Frage A 95) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Einbeziehung von Behindertensportlern in den Kreis der Sportler, die mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet werden können, eine gerechte Anerkennung von sportlichen Leistungen behinderter Mitbürger wäre, und wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, im Zusammenwirken mit dem Deutschen Sportbund und dem Deutschen Behindertensportverband den Herrn Bundespräsidenten zu ersuchen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß in Zukunft auch Behindertensportler mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet werden können? Die Bundesregierung stellt derzeit Überlegungen für eine besondere Auszeichnung von Leistungen im Behindertensport an. Die beteiligten Sportverbände, der DSB und der Deutsche Behindertensportverband, haben sich allerdings dagegen ausgesprochen, das Silberne Lorbeerblatt als solche Auszeichnung auszugestalten. Die Verbände führen vor allem 2 Gründe an: a) Die unterschiedliche Zielsetzung der Auszeichnung von Sportlern allgemein und behinderten Sportlern: Das Silberne Lorbeerblatt dient zur Auszeichnung absoluter sportlicher Höchstleistungen. Besondere Leistungen von Behindertensportlern sollen — dem Zweck der Auszeichnung nach —im Grunde aber nicht wegen einer erbrachten Höchstleistung an sich, sondern wegen der auf hervorragende Weise dokumentierten Fähigkeit verliehen werden, körperliche Behinderungen zu überwinden. b) Es wäre bedenklich, wenn durch die Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes ein breit wirkender Anreiz zu sportlichen Höchstleistungen von Behinderten entstehen würde, weil nicht auszuschließen ist, daß im Einzelfall das Streben nach einer besonderen sportlichen Leistung zur Steigerung von vorhandenen oder zu neuen körperlichen Behinderungen führt. Deshalb wird zu überlegen sein, ob für behinderte Sportler eine andere Form der Auszeichnung vorgesehen werden soll. Diese Überlegungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Nöbel (SPD) (Drucksache 8/129 Frage A 96) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß nach der insgesamt hohen Zahl neugebauter Sportstätten in der Bundesrepublik Deutschland der Schwerpunkt der Förderung in den nächsten Jahren vorwiegend in der Renovierung und dem Ausbau der vorhandenen Anlagen liegen muß, was vor allem auch für die Sportvereine mit vereinseigenen Anlagen von großer Bedeutung ist, und ist die Bundesregierung bereit, die Bundesländer auf die Notwendigkeit von verstärkten Förderungsmaßnahmen zur Renovierung und zum Ausbau von Sportanlagen hinzuweisen und sich gegebenenfalls — auch unter Berücksichtigung der Bedeutung solcher Maßnahmen für das mittelständische Baugewerbe — an Förderungsmaßnahmen dieser Art zu beteiligen? Nach Artikel 30 des Grundgesetzes ist die Sportförderung und die Förderung des Sportstättenbaus grundsätzlich Angelegenheit der Länder. Für den Bund besteht lediglich in beschränktem Umfang eine Finanzierungskompetenz für den Sportstättenbau. Eine Zuständigkeit für den Bund besteht insbesondere — bei der Finanzierung von Sportanlagen für den Hochleistungssport — bei der Finanzierung von Sportstätten im Zonenrandgebiet. Daneben hat sich der Bund an der Finanzierung des allgemeinen Sportstättenbaues im Rahmen des sogenannten „Goldenen Plans" beteiligt. Dieser ist mit Ablauf des Jahres 1974 aufgrund der Vereinbarungen im Rahmen der Finanzreform im Jahre 1969 leider ausgelaufen. Die Bundesregierung kann Maßnahmen jetzt nur im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Zuständigkeit für den Sportstättenbau treffen. Eine Beantwortung der Anfrage kann deshalb nur insoweit erfolgen, als eine Zuständigkeit des Bundes für den Bau von Sportstätten begründet ist. a) Im Bereich des Hochleistungssports hat die Bundesregierung die Errichtung von 26 Bundesleistungszentren finanziell gefördert. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, daß damit das Programm zur Errichtung von Bundesleistungszentren im wesentlichen abgeschlossen sei. Sie wird deshalb ihre Förderungsmaßnahmen in diesem Bereich auf Maßnahmen — der Bauunterhaltung — der Erweiterung — der Modernisierung von Bundesleistungszentren konzentrieren. b) Bei der Errichtung von Landesleistungszentren, d. h. von Sportanlagen für den Hochleistungssport auf regionaler Ebene, befindet sich die Bundesregierung derzeit in der Abstimmung mit den Ländern, in welchem Umfang Landesleistungszentren in den einzelnen Bundesländern noch errichtet werden sollen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine finanzielle Beteiligung des Bundes an der Errichtung von Landesleistungszentren nur noch in beschränktem Umfang stattfinden solle. Eine pauschale Feststellung, daß der Bedarf von neuen Anlagen abgedeckt sei, kann nicht getroffen werden. So besteht beispielsweise ein erheblicher Bedarf nach wie vor im Bereich der Kunsteisanlagen (Eislauf, Eiskunstlauf). Es Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 895' wird die Bundesregierung auch weiterhin mit Zuschüssen an die Länder darauf einwirken, daß neue Anlagen entstehen. Da es sich in diesem Fall aber um Anlagen handelt, die überwiegend im Interesse der Länder errichtet werden, ist die Frage des Unterhalts und der Renovierung Angelegenheit der Länder bzw. der Gemeinden. c) Im Rahmen der Förderung des Hochleistungssports auf örtlicher Ebene (Ausbau von Stützpunkten) wird sich die Bundesregierung von Fall zu Fall am Ausbau vorhandener Sportanlagen beteiligen. d) Beim Sportstättenbau im Zonenrandgebiet ist der Bedarf neuer Sportanlagen noch nicht voll abgedeckt. Dies ergibt sich aus den jährlichen Anmeldungen der Zonenrandländer auf Zuteilung von Bundesmitteln zur Förderung des Sportstättenbaues im Zonenrandgebiet. Die Beteiligung des Bundes an Einrichtungen dieser Art beträgt in der Regel 20 Prozent der zuschußfähigen Kosten. Die Durchführung von Erhaltungs- und Renovierungsmaßnahmen obliegt dem Eigentümer bzw. dem Träger der Anlagen. Aus den bereits dargestellten verfassungsrechtlichen Gründen vermag die Bundesregierung gegenüber den Bundesländern eine Erklärung des des Inhalts nicht abzugeben, daß im Bereich des Sportstättenbaues der Renovierung vorhandener Anlagen gegenüber der Errichtung neuer Anlagen der Vorzug zu geben sei. Aus denselben Gründen kann die Bundesregierung auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Maßnahmen für das mittelständische Baugewerbe sich nicht an der Renovierung und am Ausbau von Sportanlagen für den Breitensport beteiligen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jungmann (SPD) (Drucksache 8/129 Frage A 97): Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die nach § 36 a des Bundesbesoldungsgesetzes und der dazu ergangenen Rechtsverordnung vom 26. April 1972 zu zahlenden Entschädigung für Mehrarbeitsstunden dynamisiert und der allgemeinen Einkommensentwicklung angepaßt werden soll, und wenn ja, wann ist mit der Änderung der Rechtsverordnung von seiten der Bundesregierung zu rechnen? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte an die allgemeine Besoldungsentwicklung anzupassen sind. Der Entwurf einer Änderungsverordnung ist in Vorbereitung; er wird zusammen mit dem Entwurf eines Sechsten Besoldungserhöhungsgesetzes vorgelegt werden. Ich mache jedoch darauf aufmerksam, daß die Änderungsverordnung der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Die Mehrheit der Länder hat sich in den letzten beiden Jahren aus finanziellen Gründen nicht in der Lage gesehen, den jeweiligen Anpassungsvorschlag des Bundes zu unterstützen. Die Bundesregierung rechnet jedoch damit, daß die Länder in diesem Jahr zu einer Anpassung bereit sind. Ein entsprechender Beschluß der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder liegt bereits vor. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 98 und 99): Wessen Erkenntnisse legt das Bundesamt für Verfassungsschutz der Entscheidung zur Beobachtung bestimmter iranischer Studentengruppen in der Bundesrepublik zugrunde? Hält die Bundesregierung alle Aktivitäten des SAVAK in der Bundesrepublik Deutschland mit den Prinzipien einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung für vereinbar? Zu Frage A 98: Das Bundesamt für Verfassungsschutz legt der Beobachtung eigene Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende Bestrebungen zugrunde. Bezugs- und Anknüpfungspunkt dabei ist nicht eine mögliche Tätigkeit gegen den Iran, sondern sind allein Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit des Bundes gerichtet sind. Zu Frage A 99: Ich habe bereits am 23. Juni 1976 in der 252. Sitzung des Deutschen Bundestages auf die Frage des Herrn Kollegen Coppik ausgeführt, daß sich im Bundesgebiet keine konkreten Anhaltspunkte für Verstöße gegen unsere Rechtsordnung durch Angehörige des iranischen Nachrichtendienstes ergeben haben, denen im einzelnen nachgegangen werden könnte. Sollten nachweislich Tätigkeiten festgestellt werden, die mit unserer Rechtsordnung unvereinbar sind oder die den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen, wird die Bundesregierung — wie in anderen Fällen geschehen — unverzüglich die notwendigen Schritte einleiten. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) (Drucksache 8/129 Frage A 100) : Sind der Bundesregierung beim Abschluß des Rheinabkommens über Maßnahmen zur Verringerung der Salzbelastung des Rheins (Chlorid-Übereinkommen) die Ergebnisse des geologischen Landesamts Baden-Württemberg bekannt gewesen, wonach das Grundwasserbecken am Oberrhein bereits heute so stark versalzen ist, daß das Wasser teilweise nicht mehr als Trinkwasser verwendet werden kann, und wenn ja, hält die Bundesregierung die Maßnahmen nach dem Chlorid-Übereinkommen für ausreichend, um eine weitere Versalzung des großen Trinkwasserreservoirs am Oberrhein abzuwenden? 896* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Die Bundesregierung hat schon während der Verhandlungen über das Chloridübereinkommen im Rahmen der Internationalen Rheinschutzkommission stets darauf gedrungen, daß die von der französischen Kaliindustrie bei Fessenheim betriebenen Speicherbecken für Salzsole stillgelegt werden. Diese Becken wurden damals schon als Gefahr für das Grundwasser im Oberrheintal angesehen. Die Untersuchungsergebnisse des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg im Rahmen einer Arbeitsgruppe beim Europarat bestätigen diese Befürchtungen für eine örtlich begrenzte Grundwasserzone. Die Stillegung der undichten Solebecken und die von Frankreich im Chloridübereinkommen eingegangene Verpflichtung, in Stufen bis zu 60 kg Chloridionen je Sekunde in tiefe Speichergesteine einzubringen, dürfte die akute Gefährdung für das Grundwasser durch die französische Kaliindustrie beseitigen. Aus der Sicht der Bundesregierung sind die nach dem Chloridübereinkommen zu treffenden Maßnahmen ein ausreichender Schutz des großen Grundwasserkörpers im Oberrheingraben vor Versalzung. Auf die umfassende Darstellung der Gewässerschutzmaßnahmen im Rheineinzugsgebiet in der Antwort auf die Fragen des Herrn Kollegen Josten (A 83, 84) darf im übrigen hingewiesen werden. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 101) : Was hat die Bundesregierung gegen die Spionagetätigkeit des Prager Regimes auf deutschem Boden unternommen, und wird sie insbesondere diejenigen, die ihren diplomatischen Status dazu mißbraucht haben, unverzüglich ausweisen? Sie können versichert sein, daß die für die Spionageabwehr zuständigen Behörden Hinweisen auf Aktivitäten tschechoslowakischer Nachrichtendienste mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und mit derselben Intensität nachgehen, wie bei der Bekämpfung der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten oder auf ihrem Territorium unerlaubt unternommenen Tätigkeiten anderer gegnerischer und fremder Geheimdienste. Dies gilt auch für den in der Offentlichkeit bekanntgewordenen Bericht des tschechoslowakischen Journalisten Simko, auf die Sie sich offenbar beziehen wollen. Die Bundesregierung prüft alle in diesem Zusammenhang verfügbaren Informationen sehr sorgfältig. Sofern als Ergebnis dieser Prüfung festzustellen sein sollte, daß Mitarbeiter amtlicher Vertretungen anderer Staaten in der Bundesrepublik Deutschland Tätigkeiten nachgehen, die mit ihrem Status nicht zu vereinbaren sind, wird die Bundesregierung hierauf in der gleichen Weise reagieren, wie sie frühere Bundesregierungen — auch von der CDU/CSU geführte — für angemessen und zweckmäßig gehalten haben. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Riesenhuber (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 102 und 103) : Trifft es zu, daß die Bundesregierung den Bund entgegen der in der Fachzeitschrift ,,atomwirtschaft" (Nr. 2 1977, Seite 65) geäußerten Ansicht nicht für verpflichtet hält, im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Wiederaufbereitungsanlage und der Endlagerung radioaktiver Abfälle in Niedersachsen den Standort (Entsorgungsanlage) selbst zu bestimmen und die Genehmigung selbst oder durch eine Bundesanstalt zu beantragen, und wenn ja, wie begründet die Bundesregierung ihre Ansicht? Ist die Bundesregierung bereit, gegebenenfalls den Standort für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland über eine Bundesanstalt oder ein bundeseigenes Unternehmen selbst zu bestimmen und damit zu gewährleisten, daß die Bundesregierung voll in die Verantwortung für die Festlegung eines Standorts für das Entsorgungszentrum mit einbezogen wird? Zu Frage A 102: Bei der Verwirklichung des Entsorgungskonzeptes für Kernkraftwerke (Einrichtung eines Entsorgungszentrums) bestehen insbesondere für die Standortauswahl enge Verflechtungen zwischen der dem Bund als eigene Aufgabe obliegenden Sicherstellung der Endlagerung radioaktiver Abfälle, den vom betroffenen Lande im Wege der Bundesauftragsverwaltung durchzuführenden Genehmigungsverfahren (insbesondere für die Wiederaufarbeitungsanlage) und dem Planfeststellungsverfahren für das Endlager für radioaktive Abfälle sowie verschiedenen in landeseigener Verwaltung wahrzunehmenden Aufgaben (insbesondere Fragen der Raumordnung, der regionalen Struktur, des Wasserhaushaltes und der Landschaftspflege). Dies erfordert ein enges kooperatives Vorgehen zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen; demgemäß ist ein einseitiges Handeln sowohl auf seiten des Bundes als auch auf seiten des Landes Niedersachsen ausgeschlossen. Die notwendigen Verwaltungsverfahren für einen unter Berücksichtigung der berührten Belange geeigneten Standort werden von der Industrie und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig, durch die gesetzlich vorgesehenen Anträge eingeleitet, sobald die erforderlichen Klärungen abgeschlossen sind. Zu Frage A 103: Die Bundesregierung wird aufgrund ihrer energiepolitischen und atomrechtlichen Verantwortung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln auf eine baldige Klärung der Standortfrage hinwirken. Der Bund wird sich bei seinen Entscheidungen durch den Grundsatz leiten lassen, daß die Entsorgung in nationaler Verantwortung unter Wahrung der Unabhängigkeit der Bundesrepublik gelöst werden muß. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Miltner (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 104 und 105) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 897* Teilt die Bundesregierung die in der DFS-Sendung „Im Brennpunkt" am 2. Februar 1977 zum Ausdruck gekommene Meinung des Bundesministers Dr. Ehrenberg, daß die Beamten an dem Arbeitsmarktrisiko der gewerblichen Arbeitnehmer zu beteiligen seien, oder stimmt sie mit Bundesminister Dr. Maihofer überein, der bei den Beteiligungsgesprächen für die Besoldungsgespräche 1977 am 14. Februar eine Sonderbelastung der Beamten ablehnte, und womit begründet sie ihre Auffassung? Hält die Bundesregierung eine Sondersteuer oder einen Beitrag zur Arbeitslosen- oder Rentenversicherung, aus dem den Beamten keine Ansprüche gegen die Versicherungsträger erwachsen können, für zulässig? Es ist nicht möglich — dafür bitte ich um Ihr Verständnis —, zu dem grundsätzlichen verfassungsrechtlichen sowie beamten- und sozialpolitischen Thema Ihrer Fragen im Rahmen einer Fragestunde abschließend und mit der gebotenen Gründlichkeit Stellung zu nehmen. Ich muß mich daher auf den Hinweis beschränken, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für den Bereich der Sozialversicherung eine sachgerechte Verknüpfung zwischen den Begünstigungen und Belastungen bestehen muß. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 106 und 107): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Landeszentrale für politische Bildung eine Informationsbroschüre mit dem Titel „Wo ist was" herausgegeben hat, in der die Bundesrepublik Deutschland nur mit der Abkürzung „BRD" genannt ist, während Staaten wie Dänemark, Polen und Ungarn mit dem vollen Namen abgedruckt sind und wenn ja, wird die Bundesregierung diesen Sachverhalt in den gemeinsamen Konferenzen mit den Ländern aufgreifen, um zu einer einheitlichen, dem Grundgesetz entsprechenden, Bezeichnung unseres Staates zu kommen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, daß zukünftig in allen amtlichen Verlautbarungen des Bundes und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer ganzen Bezeichnung erscheint oder höchstens mit der Abkürzung BR Deutschland? Zu Frage A 106: Die Regierungschefs des Bundes und der Länder haben sich bereits am 31. Mai 1974 dafür ausgesprochen, daß im amtlichen Sprachgebrauch für unseren Staat die volle Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland" verwendet werden sollte. Darauf hat die Bundesregierung bei der Beantwortung von Bundestagsanfragen schon mehrfach hingewiesen. Im einzelnen nehme ich insbesondere auf die Antworten Bezug, die in den Stenographischen Berichten über die 165. und 177. Sitzung des 7. Deutschen Bundestages (S. 11575 bzw. S. 12414 und 12415) und über die 12. Sitzung des 8. Deutschen Bundestages (S. 553) abgedruckt sind. Dem Besprechungsergebnis vom 31. Mai 1974 im Landesbereich Geltung zu verschaffen, fällt in die Zuständigkeit und Verantwortung der einzelnen Bundesländer. Zu Frage A 107: Für das Bundesministerium des Innern und seinen nachgeordneten Geschäftsbereich sind interne Anordnungen ergangen, vom Gebrauch der Abkürzung „BRD" abzusehen. Den anderen Bundesressorts hat mein Haus empfohlen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit entsprechend zu verfahren. Im übrigen verweise ich auf die Antwort, die Herr Kollege Dr. Schmude in der Fragestunde des 7. Deutschen Bundestages am 11. Juni 1975 auf Ihre damalige Frage gegeben hat. Soweit in Sendungen der Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland das Kürzel „BRD" verwendet wird, sollte nicht übersehen werden, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten des Bundes und der Länder in ihrer Programmgestaltung autonom und von staatlicher Einflußnahme freizuhalten sind. Das notwendige Korrelat dieser Autonomie der Rundfunkanstalten ist die Selbstverantwortung, die durch die Organe der Rundfunkanstalten wahrgenommen wird. Die Bundesregierung geht jedoch davon aus und wird hierin durch zahlreiche Anfragen und Zuschriften bestärkt, daß die Praxis der staatlichen Organe, unseren Staat korrekt als „Bundesrepublik Deutschland" zu bezeichnen, auch hier wie in der Bevölkerung Auswirkungen zeigt. Ich darf hierzu auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen Nordlohne Bezug nehmen, die als Anlage 32 zum Stenographischen Bericht über die 12. Sitzung dieses Hohen Hauses am 4. Februar 1977 abgedruckt ist. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 108) : Wie beurteilt die Bundesregierung auf Grund der ihr bisher vorliegenden Erfahrungen die Bedeutung und Wirkung der in den Gemeinden aufgestellten Mietpreisspiegel für die Mietenentwicklung in den Gemeinden, trifft es insbesondere zu, daß die Mietpreisspiegel vielfach wegen ihrer großen Spannweite nicht geeignet sind, den ihnen zugedachten gesetzlichen Zweck zu erfüllen, und daß sie daher auch nicht bei gerichtlichen Auseinandersetzungen als prozessuale Beweismittel anerkannt werden? Nach der Entschließung des 7. Deutschen Bundestages vom 17. Oktober 1974 soll die Bundesregierung nach Ablauf von vier Jahren seit dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum den gesetzgebenden Körperschaften über die Auswirkungen dieses Gesetzes berichten. Die bisher vorliegenden Materialien — es handelt sich im wesentlichen um veröffentlichte gerichtliche Entscheidungen und juristische Abhandlungen — reichen nach Auffassung der Bundesregierung nicht aus, auch nur vorläufige Schlußfolgerungen zu ziehen. Wegen der Frage der Spannweite in Mietpreisspiegeln allgemein darf ich auf den Bericht der Bundesregierung vom Mai 1976 betreffend die Ermöglichung einer vermehrten Aufstellung von Mietspiegeln durch die Gemeinden — Bundestags-Drucksache 7/5160 — und die diesem Bericht beigefügten „Hinweise für die Aufstellung von Mietspiegeln" verweisen. In diesen Hinweisen ist im einzelnen 898e Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 dargestellt, daß und warum die Mietangaben in Mietspiegeln gewisse Spannbreiten ausweisen müssen, wie die Spannbreiten zu wählen sind und welche Möglichkeiten bestehen, zu große Spannbreiten zu vermeiden und bei Verwendung solcher Spannbreiten durch zusätzliche Erläuterungen zum Mietspiegel dessen Anwendbarkeit zu erleichtern. Nach Auffassung der Bundesregierung ist bei Anwendung dieser Grundsätze die Aufstellung zweckentsprechender und geeigneter Mietspiegel gewährleistet. Enthält der Mietspiegel eine Mietpreisspanne, wird dadurch allerdings für den Vermieter die Begründungspflicht erweitert; er muß nämlich neben der Bezugnahme auf den Mietspiegel darlegen, inwieweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung besonderer, im Grobraster des Mietspiegels nicht erfaßter Merkmale der von ihm konkret geforderte Betrag innerhalb der Spanne gerechtfertigt ist. Dazu wird er aber bei einer Aufstellung des Mietspiegels entsprechend den erwähnten Hinweisen aufgrund der dem Mietspiegel beigegebenen Erläuterungen in der Lage sein. Zur prozessualen Verwendung von Mietspiegeln ist darauf hinzuweisen, daß nach der gesetzlichen Ausgestaltung auch einem gemäß § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe ordnungsgemäß aufgestellten Mietspiegel an sich keine Beweiskraft für die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben zukommt. Die Richtigkeit insbesondere des Zahlenwerks oder einzelner Teile davon kann also von einer interessierten Partei bestritten werden. Daraus ergibt sich gegebenenfalls für das Gericht die Notwendigkeit, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Diese Notwendigkeit kann sich natürlich auch ergeben, wenn zwischen den Parteien Streit über die Einordnung der Wohnung innerhalb der von der Tabelle ausgewiesenen Spannbre besteht. Der Wert der Miettabelle als solcher, deren Hauptzweck in der Ermöglichung und Erleichterung einer vorprozessualen Einigung der Mietvertragsparteien sowie für den Vermieter darüber hinaus in der Erleichterung der Begründungslast für sein Erhöhungsverlangen als Voraussetzung einer gerichtlichen Durchsetzung des Zustimmungsanspruchs besteht, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Penner (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 109 und 110) : Ist der Bundesregierung bekannt, ob sich die Erwartungen des Rechtsausschusses bei der Verabschiedung des Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) erfüllt haben, daß auch öffentliche Versorgungsunternehmen bei der Gestaltung ihrer Rechtsnormen sich an den Kriterien des AGB zum Verbraucherschutz orientieren? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, auf öffentliche Versorgungsunternehmen in diesem Sinne einzuwirken? Der Bundesminister der Justiz hat anläßlich der Verkündung des AGB-Gesetzes am 15. Dezember 1976 die einzelnen Bundesminister sowie die Präsidenten des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages sowie des Deutschen Städte- und Gemeindebundes schriftlich und unter Hinweis auf die jeweils in Betracht kommenden Bestimmungen aufgefordert, sich in ihren Geschäftsbereichen für eine baldige Angleichung der von den öffentlichen Händen verwendeten AGB und sonstigen für öffentliche Leistungen an den Bürger maßgeblichen Bedingungen an die Maßstäbe des AGB-Gesetzes einzusetzen. Dabei wurde u. a. auch auf Regelungen im Bereich der Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Strom und Gas, im Bereich von Post und Bahn sowie auf Mustersatzungen der Gemeinden hingewiesen, die dem im AGB-Gesetz statuierten Grundsatz eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Leistungsträger und Benutzer teilweise noch nicht entsprechen. Die Initiative des Bundesministers der Justiz, der in keiner der betreffenden Angelegenheiten selbst federführend ist, hat überwiegend ein positives Echo gefunden. So bereitet der Bundesminister für Wirtschaft schon seit einiger Zeit in Zusammenarbeit mit Vertretern der Verbraucher und der Energieversorgungswirtschaft eine Verordnung vor, durch die die Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Strom und Gas den heutigen technischen und rechtlichen Gegebenheiten und insbesondere auch den Erfordernissen eines angemessenen Verbraucherschutzes angepaßt werden sollen. Ferner ist beabsichtigt, eine sich an die Maßstäbe des AGB-Gesetzes anlehnende Regelung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Fernwärme und Wasser ebenfalls im Verordnungswege innerhalb der durch das AGB-Gesetz gesetzten Dreijahresfrist (§ 28 Abs. 3) folgen zu lassen. Der Bundesminister des Innern hat die Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer gebeten, die Anpassung der Mustersatzungen für die Gemeinden an die Maßstäbe des AGB-Gesetzes als Beratungspunkt für die nächste Sitzung des Arbeitskreises III „Kommunale Angelegenheiten" vorzumerken. Eine Reihe weiterer Bundesministerien, die insbesondere im Zusammenhang mit der Vergabe von Leistungen mit vorformulierten Vergabebedingungen arbeiten, hat sich vorbehaltlos zur Überprüfung und erforderlichenfalls Anpassung ihrer Vergabebedingungen an die Standards des AGB-Gesetzes bereit erklärt. Auch der Deutsche Landkreistag hat dem Bundesminister der Justiz zugesagt, die Bestrebungen zur Angleichung der kommunalen Benutzungs- und Anschlußbedingungen an die Maßstäbe des AGB-Gesetzes zu unterstützen. Insgesamt geben die bisherigen Reaktionen der vom Bundesminister der Justiz angesprochenen Stellen Anlaß zu der Hoffnung, daß öffentlich-rechtliche AGB in absehbarer Zeit mit den Maßstäben des AGB-Gesetzes in Einklang gebracht werden, soweit die Besonderheiten der betreffenden Leistungs- und Versorgungsverhältnisse dies ermöglichen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 899* Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Rapp (Göppingen) (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 111 und 112) Reichen nach Ansicht der Bundesregierung die gesetzlichen Möglichkeiten aus, das Aufstellen von Spielautomaten in Spielhallen, Gaststätten usw. zu unterbinden, bei denen das Totfahren von Fußgängern mit dem Auto simuliert und als Spielerfolg gewertet wird („Menschen wie Hasen jagen und zur Strecke bringen") ? Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß Automaten dieser Art, die in den USA angeblich hohe Gewinne einspielen, in die Bundesrepublik eingeführt werden sollen, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Das öffentliche Aufstellen von Spielautomaten, die das Überfahren von Fußgängern mit einem Auto zum Gegenstand des Spiels und Erfolges machen, wäre als eine Belästigung der Allgemeinheit anzusehen, die nach § 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße bedroht ist. Das Anbieten einer Spieleinrichtung, deren Regeln darin bestehen, daß simulierend „Menschen wie Hasen zu jagen und zur Strecke zu bringen sind", muß als eine „grob ungehörige Handlung" im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden. Wer das Leben des Menschen in dieser Weise auch nur zum Gegenstand des Spiels machen läßt, mißachtet Grundwerte der Gemeinschaftsordnung. Ein derartiges Verhalten ist auch, wie der genannte Tatbestand weiter voraussetzt, geeignet, die Allgemeinheit zu belästigen oder sogar zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß eine Spieleinrichtung der geschilderten Art von der Allgemeinheit als höchst abstößig, ja widerwärtig empfunden wird. Auch die Eignung einer Gefährdung der Allgemeinheit muß wohl bejaht werden, da das Angebot zu einer derartigen Spielbetätigung bei einzelnen Spielern eine versteckte Neigung erwecken oder fördern kann, sich auch im tatsächlichen Verkehrsgeschehen zumindest aggressiv zu verhalten. Schließlich ist auch die Eignung einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung zu bejahen. Ein Spiel, welches simulierend das Verbrechen zum Erfolg des Spieltriebes macht, widerspricht so sehr den Grundwerten der Gemeinschaftsordnung, daß das öffentliche Aufstellen solcher Einrichtungen diese Grundwerte geradezu öffentlich mißachtet. Im Rahmen der Gefahrenabwehr obliegt es den zuständigen Behörden, die Begehung von Straftaten und auch von Ordnungswidrigkeiten zu verhindern. Zwar steht die Entscheidung, ob der Tatbestand der Belästigung der Allgemeinheit verwirklicht ist, letztlich den Gerichten zu. Sollten sie den Tatbestand des § 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nicht als erfüllt ansehen, so könnte in dem Aufstellen derartiger Automaten zumindest ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Sinne des Polizeirechts gesehen werden, der die Ordnungsbehörden auf Grund der polizeilichen Generalklausel zum Einschreiten berechtigen würde. Nach herkömmlicher Definition umfaßt die öffentliche Ordnung die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Beachtung nach der jeweils herrschenden Auffassung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander der Menschen angesehen wird. Die Bundesregierung geht aus den dargelegten Gründen davon aus, daß die zuständigen Behörden einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung annehmen werden, falls derartige Spielautomaten öffentlich aufgestellt werden sollten. Anhaltspunkte dafür, daß derartige Automaten in der Bundesrepublik eingeführt werden sollen, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Nach Auskunft des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie ist auch dem Verband und seinen Mitgliedsfirmen nicht bekannt, daß derartige Spielautomaten in die Bundesrepublik eingeführt worden sind. Dabei kann nach Ansicht des Verbandes davon ausgegangen werden, daß eine solche Einfuhr dem Verband oder seinen Mitgliedsfirmen mit Sicherheit nicht verborgen geblieben wäre. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 113) : Inwieweit werden Strafvorschriften dadurch verletzt, daß zur Vorbereitung von Gewaltdemonstrationen entsprechende Anleitungen verbreitet, Geräte (z. B. sogenannte Krähenfüße, Aludrachen, Wurfhaken, Molotowcocktails) hergestellt sowie einige Personen für Gewalthandlungen (z. B. Schweißer, Angreifer) bestimmt werden, und gedenkt die Bundesregierung verneinendenfalls, alsbald Gesetzesentwürfe vorzulegen, die derartige Handlungen unter Strafe stellen? Ihre Frage, die die Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen für gewalttätige Demonstrationen betrifft, beantworte ich im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern wie folgt: 1. Das Strafgesetzbuch enthält eine Reihe von Vorschriften, die, je nach den Umständen des Einzelfalles, zur Anwendung kommen können: Nach der im vergangenen Jahr in das Strafgesetzbuch eingeführten Strafvorschrift des § 130 a ist die Anleitung zu den in § 126 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 genannten Taten mit Strafe bedroht. Insbesondere ist an Anleitungen zu den in § 125 a StGB genannten besonders schweren Fällen des Landfriedensbruchs zu denken. Daneben bedroht das Waffengesetz die Anleitung zur Herstellung von Molotowcocktails mit Strafe. Keiner näheren Ausführung bedarf es, daß das Strafgesetzbuch außerdem die Aufforderung zu Straftaten sowie den Versuch der Anstiftung zu einem Verbrechen und die Verabredung zu einem Verbrechen mit Strafe bedroht. 2. Nach dem Waffengesetz ist die Herstellung von Stahlruten, Totschlägern, Schlagringen oder Molotowcocktails mit Strafe bedroht. Dem Herstellen stehen sonstige Vorbereitungshandlungen wie das Bearbeiten, Instandsetzen, Erwerben oder Besitzen gleich. 3. Der Umgang mit Krähenfüßen, Alu-Drachen oder Wurfhaken ist dann mit Strafe bedroht, wenn sie im Zusammenhang mit einem Straftatbestand 900* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 verwandt werden: In Frage kommen Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Körperverletzung. 4. Das Steigenlassen eines Drachens kann darüber hinaus den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr erfüllen, wenn die Sicherheit von Flugkörpern, z. B. von Hubschraubern, gefährdet wird. Weiter stellt das Steigenlassen über eine Höhe von 100 Metern eine Ordnungswidrigkeit nach dem Luftverkehrsgesetz dar. Die Herstellung und der Besitz von Krähenfüßen sowie von Alu-Drachen und Wurfhaken sind nicht strafbar. Solche Handlungen können auch schwerlich mit Strafe bedroht werden. Bei den Alu-Drachen und Wurfhaken handelt es sich um Gegenstände, die ihrer Art nach für sportliche oder technische Zweck verwendet werden. Als Krähenfüße werden u. a. vorgefertigte Elemente zur Verbindung von Armierungsstahl verwendet. Sie sind unter der Bezeichnung „Krähenfüße" nicht eindeutig bestimmbar und deshalb einem Verbot nicht zugänglich. Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß nach den Polizeigesetzen der Länder eine Sicherstellung im allgemeinen zulässig ist, wenn dies erforderlich ist, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, oder eine bereits eingetretene Störung zu beseitigen. Unter diesen Umständen hält die Bundesregierung gesetzliche Maßnahmen nicht für erforderlich. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 114) : Warum und in welcher Weise sollen entsprechend den Wünschen des polnischen Justizministers Professor Dr. Bafia Rechtsbestimmungen und juristische Interpretationen in der Bundesrepublik Deutschland „an den Buchstaben und den Geist des Vertrags vom 7. Dezember 1970" angepaßt werden? Die Frage bezieht sich offenbar auf eine Passage in der „Gemeinsamen Erklärung" vom 11. Februar 1977 anläßlich des Besuchs des Justizministers der Volksrepublik Polen, Professor Dr. Jerzy Bafia, in der Bundesrepublik Deutschland vom 7. bis 11. Februar 1977. Diese Passage lautet jedoch anders, als in der Frage unterstellt wird. Wörtlich lautet sie vielmehr wie folgt: Minister Prof. Dr. Bafia wies auf die Notwendigkeit hin, die Rechtsbestimmungen und juristische Interpretation an den Buchstaben und den Geist des Vertrages vom 7. Dezember 1970 anzupassen gemäß dem allgemein anerkannten Prinzip des übergeordneten Charakters des internationalen Rechtes und betonte die Bedeutung dieses Problems für den weiteren Fortschritt im Normalisierungsprozeß der gegenseitigen Beziehungen. Bundesminister Dr. Vogel unterstrich den Gedanken der Berücksichtigung international anerkannter Prinzipien, wie sie beispielsweise auch in der Schlußakte von Helsinki ihren Niederschlag gefunden haben, bei der nationalen Rechtssetzung und Rechtspraxis. Er wies darauf hin, daß die Bundesrepublik Deutschland dabei an ihre Verfassung und die Gesamtheit ihrer vertraglichen Verpflichtungen gebunden sei. Wie sich aus dieser Formulierung ergibt, ist der in bezug genommene Passus als zusammenfassende Wiedergabe von Darlegungen von Minister Prof. Dr. Bafia ausgestaltet. Die in der Frage unterstellte Schlußfolgerung kann aus diesem Text nicht abgeleitet werden. Anschließend an die Auffassung von Minister Prof. Dr. Bafia ist die Auffassung von Bundesminister Dr. Vogel wiedergegeben, die ebenfalls ersichtlich als einseitige Darstellung ausgestaltet ist. Nichts gibt bei diesen Ausführungen den geringsten Anhalt für die in der Frage anklingende Unterstellung, Bundesminister Dr. Vogel könnte sich die in Rede stehende Auffassung des polnischen Justizministers etwa zu eigen gemacht haben. Das ist in der Tat auch nicht der Fall. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 115 und 116): Liegt der Antwort der Bundesregierung, wonach die Strafverfolgung namentlich bekannter Täter, denen mehrhundertfache Mordtaten an Deutschen nachgewiesen wurden und die sich im Jurisdiktionsbereich polnischer Gerichte befinden, „nicht sinnvoll sein dürfte", eine „sinnlose Sache" und „außenpolitisch nicht sinnvoll" sei (Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages S. 657), eine Feststellung zur tatsächlichen Lage in der Justiz und in der Außenpolitik der Volksrepublik Polen oder der Bundesrepublik Deutschland zugrunde, nach dem die Verfolgung von NS-Mordtaten keineswegs sinnlos ist? Welche Maßnahmen der Wiedergutmachung hält die Bundesregierung unter Berücksichtigung des Artikels 103 des Strafgesetzbuches zu dem das Staatsoberhaupt des Vatikans, Paul VI., beleidigenden Artikel im Stern vom 10. Februar 1977 für angemessen, nachdem in diesem Artikel das Staatsoberhaupt einer in engem Vertragsverhältnis zu Deutschland stehenden Macht, deren moralische Bedeutung weltweit bekannt ist, in einer Weise behandelt wird, die an die Angriffe gegen das Papsttum und die katholische Kirche aus der Zeit des Nationalsozialismus erinnert? Zu Frage A 115: Meiner Antwort in der Fragestunde vom 10. Februar 1977 lag eine Feststellung über die Rechtslage in Polen zugrunde, die es entbehrlich erscheinen läßt, Untersuchungen über die Lage der polnischen Justiz oder der polnischen Außenpolitik anzustellen. Zu Frage A 116: Die Frage hebt offensichtlich auf Strafverfolgungsmaßnahmen ab, wenn von Maßnahmen der Wiedergutmachung gesprochen wird. Die Strafverfolgung nach § 103 des Strafgesetzbuches (Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts) setzt u. a. ein Strafverlangen der ausländischen Regierung voraus. Ein solches liegt bisher nicht vor. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 901* Für eine ebenfalls mögliche Strafverfolgung nach § 195 ff. StGB ist gleichfalls ein Strafantrag des Beleidigten erforderlich. Dieser ist bisher ebenfalls nicht gestellt worden. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Büchner (Speyer) (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 121 und 122) : Wir beurteilt die Bundesregierung die Sicherheitsbedingungen — insbesondere für Formel-I-Veranstaltungen — auf dem Nürburgring und die damit verbundenen Voraussetzungen, daß diese Rennstrecke auch langfristig in die internationale Veranstaltungsreihe des Motorsports einbezogen bleibt? Welche Gründe sind nach Auffassung der Bundesregierung dafür maßgebend, daß der Nürburgring auch nach den umfassenden Baumaßnahmen unter Sicherheitsaspekten immer wieder im Zentrum der Kritik von Rennsportlern und der Fachpresse steht, und welche Folgerungen zieht sie daraus? Die Sicherheitsbedingungen des Nürburgrings sind den jeweils neuesten Forderungen der internationalen Sicherheitsorganisation (CSI) laufend angepaßt worden. Alle Maßnahmen haben dabei sowohl dem technischen Fortschritt der Rennfahrzeuge als auch der topographischen Lage des Nürburgrings unter anderem durch Verbreiterung der Strecke, durch Anlage von Sicherheitsstreifen, durch Fangzäune und Leitplanken Rechnung getragen. Die Standpunkte, die die Fachpresse sowie die Rennfahrer zum Nürburgring, insbesondere unter Sicherheitsaspekten, einnehmen, sind zwar unterschiedlich, aber überwiegend positiv. Negative Äußerungen aus dem Kreise der Veranstalter und Rennfahrer, die sich nicht mit der Formel I befassen, sind nicht bekannt. Maßgebend für die Kritik ist, daß hinsichtlich der angestrebten immer höheren Geschwindigkeiten der Nürburgring wegen seiner topographischen Gestaltung für Rennen der Formel I höhere Anforderungen an das fahrerische Können und insbesondere an die eingesetzten Fahrzeuge stellt als FlachKurz- und Rundstrecken. Die jeweilige Entscheidung, ob und wo der Große Preis in der Bundesrepublik Deutschland ausgetragen wird, hängt im übrigen allein davon ab, ob und zu welchen Bedingungen sich der hierfür allein zuständige Veranstalter AvD mit der Vereinigung der Konstrukteure und Fahrer einigt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen für 1977 steht — im Gegensatz zu den in letzter Zeit verbreiteten Pressemitteilungen — noch aus. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Nothhelfer (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 123) : Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen der deutschschweizerischen Vertragsverhandlungen über den Großflughafen Zürich/Kloten auch sicherzustellen, daß künftige Ausbaumaßnahmen dieses Flughafens von vornherein so durchgeführt werden, daß nicht schon von der Anlage der Start- und Landebahnen her der überwiegende Teil der Immissionen ins deutsche Grenzgebiet exportiert wird, und weiter sicherzustellen, daß die bereits bestehenden Nord-Süd-Pisten in Zukunft nicht so benutzt werden, daß zur Schonung des Großraums Zürich die deutsche Grenzbevölkerung weit mehr als flugtechnisch unbedingt notwendig belästigt wird? In den Gesprächen mit der schweizerischen Luftfahrtverwaltung über die Nutzung deutschen Luftraumes für die Abwicklung der An- und Abflüge des Flughafens Zürich-Kloten verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Beeinträchtigung der deutschen Bevölkerung im Raume Hochrhein/Südschwarzwald durch Fluglärm und Triebwerksabgase des Züricher Flugbetriebes auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 124 und 125): In welchem Umfang wurden seit 1969 von der Deutschen Bundesbahn und ihr zugeordneten Institutionen Verträge mit mittelständischen Brauereien durch Abschlüsse mit Großbrauereien ersetzt, bzw. bei neuen Geschäftsbeziehungen mittelständische Brauereien nicht berücksichtigt, und was hat die Bundesregierung getan bzw. gedenkt sie zu unternehmen, um die Deutsche Bundesbahn zu einer Vergabepolitik zu veranlassen, die mit den Ausführungen des Bundeskanzlers in der Regierungserklärung und sonstigen Bekundungen der Bundesregierung an die Adresse des Mittelstands übereinstimmt? Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn ihre aus der allgemeinen Beförderungspflicht erwachsenden Verpflichtungen dadurch verletzt, daß sie Großbrauereien bevorzugt und mittelständische Brauereien mit der Begründung benachteiligt, sie müsse das größere Verkehrsaufkommen seitens der Großbrauereien honorieren, und was hat die Bundesregierung gegebenenfalls unternommen, um derartige Praktiken abzustellen, insbesondere im Hinblick auf die Versicherungen, die sie im Zusammenhang mit der Benachteiligung der mittelständischen Brauereien durch die zentrale Beschaffungsorganisation für die Bundeswehrkantinen abgegeben hat? Die Deutsche Bundesbahn ist nach dem Willen der gesetzgebenden Körperschaften wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen. Angaben darüber, in welchem Umfang seit 1969 die Deutsche Bundesbahn Verträge mit mittelständischen Brauereien durch Abschlüsse mit Großbrauereien ersetzt hat, liegen mir nicht vor. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Braun (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 126 und 127) : Wann wird die Bundesregierung entscheiden, ob die Festsetzung der Immissionswerte bei der Regelung des Schallschutzes aufgrund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Rahmen einer Verordnung oder durch eine gesetzliche Regelung erfolgt? Ist der Bundesregierung bekannt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Straßenbauvorhaben nicht durchgeführt oder begonnen werden konnten, weil eine Schallschutzregelung fehlt? 902* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Zu Frage A 126: Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung am 16. Dezember 1976 bekundet, daß die Bundesregierung ihre Arbeit auch auf die Bekämpfung des Verkehrslärms konzentrieren wird. Die zuständigen Ressorts prüfen z. Z. die Einzelheiten der notwendigen normativen Regelungen. Zu Frage A 127: Ja, dies ist der Bundesregierung bekannt. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage A 128) : Muß aus der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Anfrage vom 4. Februar 1977 (Drucksache 8/86, Nr. 56) der Schluß gezogen werden, daß es die Bundesregierung ablehnt, dafür einzutreten, daß die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zum Schicksal der durch ihren Wahlkreis führenden Strecken der Deutschen Bundesbahn angehört werden, ehe die Staatssekretärskonferenz ihren endgültigen Entwurf für das künftige Streckennetz fertigstellt, oder welche Haltung nimmt die Bundesregierung verneinendenfalls in dieser Frage ein? Sobald konkrete Vorschläge zu einzelnen Strekkenabschnitten vorliegen, erhalten die Mitglieder des Deutschen Bundestages selbstverständlich die entsprechenden Informationen. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Corterier (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 129 und 130) : Welche technischen Ursachen sind dafür maßgebend, daß die Inbetriebnahme der Flugsicherungszentrale Eurocontrol in Karlsruhe verschoben wurde? Trifft eine Meldung der Tageszeitung „Die Welt" vom 18. Februar 1977, Seite 2, zu, daß wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesverkehrsministerium und dem Bundesverteidigungsministerium über den zwischen sich kreuzenden Verkehrs- und Militärflugzeugen einzuhaltenden Sicherheitsabstand eventuell weitere Verzögerungen bei der Inbetriebnahme der Karlsruher Zentrale zu befürchten sind? Die technischen und betrieblichen Schwierigkeiten konnten in der Zwischenzeit behoben werden. Die Zentrale Karlsruhe ging in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 1977 in Betrieb. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen A 131 und 132): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Transport von Massengütern (z. B. von Kies oder Sand) stärker von der Straße auf die Schiene zu verlagern? Sind in der Vergangenheit entsprechende Versuche mit Containertransporten gemacht worden, wenn ja, welche Ergebnisse haben sie erbracht, und wäre die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, bei bestimmten Großprojekten (z. B. Autobahn- oder Bundesfernstraßenbau) weitere Modellversuche mit Containertransport auf der Schiene zu finanzieren? Zu Frage A 131: Im Bundesfernstraßenbau werden für die Baustofftransporte in allen geeigneten Fällen die in Frage kommenden Transportarten (Straße bzw. Schiene) alternativ ausgeschrieben und dem Wettbewerb unterstellt. Einzelheiten hierzu sind im übrigen in einem Rundschreiben vom 21. Juni 1974 geregelt, das vom Bundesminister für Verkehr im Einvernehmen mit den obersten Straßenbaubehörden der Länder aufgestellt wurde. Zu Frage A 132: Die Deutsche Bundesbahn führt derzeit Untersuchungen über die notwendig werdenden Investitionen für Umschlageinrichtung und Beschaffung offener Container durch. In diesem Rahmen laufen auch Gespräche mit den interessierten Verladern und Wirtschaftsverbänden. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen A 164 und 165) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegen Diplomaten und Auslandskorrespondenten zu treffen, die sich nach Angaben des nach England geflüchteten Mitglieds der tchechoslowakischen Botschaft in Bonn, Swetosar Simko, als Einrichter von Sabotagetrupps und anderer gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichteter Aktionen betätigen? Hält die Bundesregierung die Akkreditierung des Personals der tschechoslowakischen Botschaft in Bonn für tragbar, wenn sich nach Angaben des nach England geflüchteten Swetosar Simko 17 Mitglieder dieser Botschaft allein mit Spionage betätigen und der Chef dieser Botschaft, Jiri Götz, nach den Angaben Josef Froliks, eines ehemaligen Majors des Prager Geheimdienstes, selbst Mitglied dieses Geheimdienstes war bzw. ist? Zu Frage A 164: Wie ich bereits zur Frage des Herrn Kollegen Gerlach — Frage 101 — ausgeführt habe, prüft die Bundesregierung alle im Zusammenhang mit dem Bericht des tschechoslowakischen Journalisten Simko verfügbaren Informationen sehr sorgfältig. Sofern dabei festgestellt wird, daß Mitarbeiter amtlicher Vertretungen anderer Staaten im Bundesgebiet Tätigkeiten nachgehen, die mit ihrem Status nicht vereinbar sind, wird die Bundesregierung in der angemessenen Weise reagieren. Zu Frage A 165: Im Zusammenhang mit einem Bericht der Zeitung „Die Welt" vom 22. Juli 1976 hat die Bundesregierung am gleichen Tage durch einen Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärt, daß ihr keine Anhaltspunkte für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit des Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 903' Botschafters der CSSR in der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Jiri Götz, vorliegen. Sie kann dies heute nur wiederholen. Zum ersten Teil der Frage darf ich auf meine Antwort auf die Frage Nr. 164 verweisen Anlage 54 Antwort des Staatsministers Wischnewski auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Riesenhuber (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 3 und 4) : Trifft die Meldung des „Handelsblatts" vom 1. Februar 1977 zu, daß das Bundeskanzleramt, die niedersächsisdie Staatskanzlei und der Hauptvorstand der IG Chemie der Prognos AG ein Gutachten über die Risiken und Chancen unterschiedlicher Steuerungsinstrumente zur Lösung von Strukturkrisen in Auftrag gegeben hatten, und wenn ja, zu welchen Preisen und zu welchem Termin ist die Auftragsvergabe erfolgt? Seit wann ist es üblich, daß staatliche Stellen gemeinsam mit Gewerkschaften ein Gutachten bestellen, wie erfolgte im genannten Fall die Auftragserteilung, und welche Kosten sind bei den Beteiligten entstanden? Zu Frage B 3: Die Prognos AG, Basel hat im Auftrag des Bundeskanzleramtes, der Staatskanzlei Niedersachsen und des Hauptvorstandes der IG Chemie ein Gutachten mit folgendem Titel erstellt: Politische, soziale sowie wirtschaftliche Risiken und Chancen unterschiedlicher Steuerungsinstrumente zur Lösung der Probleme von Strukturkrisen und längerfristiger Arbeitslosigkeit. Das Gutachten ist seitens des Bundeskanzleramtes am 27. April 1976 in Auftrag gegeben worden. Die Gesamtkosten betrugen DM 240 000,—. Zu Frage B 4: Die Bundesregierung hat — wie im übrigen auch Landesregierungen — bei gleichgerichteten Interessen des öfteren mit anderen Institutionen in Forschungsprojekten kooperiert. Ich verweise z. B. auf eine Studie über „Management-Politik in Europa", welche 1971 ebenfalls von der Prognos AG im Auftrag der Rudolf-Poensgen-Stiftung, der Fritz-Thyssen-Stiftung, des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundeskanzleramtes erarbeitet wurde. Angesichts der komplexen, staatliche und nichtstaatliche Institutionen betreffenden Fragestellung des von Ihnen angesprochenen Gutachtens hat sich die gemeinsame Auftragsvergabe als sinnvoll erwiesen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß eine gemeinsame Auftragsvergabe für den einzelnen Auftraggeber eine erhebliche Kostenersparnis bedeutet. Im konkreten Fall betrugen die anteiligen Kosten für das Bundeskanzleramt DM 90 000,—. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 20) : Wird die Bundesregierung den drei Schutzmächten empfehlen, im Falle von Verboten totalitärer Parteien oder von deren Veranstaltungen durch die Alliierte Kommandantur in Berlin den Gleichheitsgrundsatz zu beachten und keine Unterschiede zwischen Rechts- und Linkstotalitären zu machen? Die Frage des Verbots extremistischer Parteien in Berlin stellt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Vielmehr haben sich die drei Schutzmächte darauf beschränkt, jeweils bevorstehende Parteitagsveranstaltungen des Landesverbandes Berlin der NPD zu verbieten. Bei dem Verbot von Veranstaltungen extremistischer Parteien handeln die drei Westmächte in Berlin in Ausübung ihrer obersten Gewalt und innerhalb des ihnen ausschließlich vorbehaltenen Bereichs der Sicherheit. Anlage 56 Antwort des Parl .Staatssekretärs Baum auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 21 und 22): Trifft es zu, daß das neue Waffenrecht dazu geführt oder mindestens nicht verhindert hat, daß die Zahl der nebenberuflichen Waffenhändler nicht unerheblich gewachsen ist? Wie beurteilt die Bundesregierung mögliche Gefahren durch den Waffenbesitz zahlreicher unausgebildeter Kleinhändler, und was beabsichtigt sie gegebenenfalls gegen solche Gefahren zu unternehmen? Es trifft nicht zu, daß das neue Waffenrecht dazu geführt hat, daß die Zahl der nebenberuflichen Waffenhändler nicht unerheblich gewachsen ist. Hierbei gehe ich davon aus, daß Ihre Frage Personen betrifft, die den Waffenhandel nicht gewerbsmäßig, sondern zu dem Zweck betreiben, aufgrund der Waffenhandelserlaubnis sich selbst oder einem begrenzten Personenkreis (z. B. Mitgliedern einer schießsportlichen oder jagdlichen Vereinigung) Schußwaffen oder Munition zu verschaffen. Nach mir vorliegenden Feststellungen der Industrie- und Handelskammern, die nach dem Waffenrecht für die Abnahme der Waffenhandelsprüfung zuständig sind, hat dieses Problem nach dem Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes von 1972 wegen der Verschärfung der Vorschriften über den privaten Erwerb von Schußwaffen und Munition zunächst eine gewisse Rolle gespielt; es hat inzwischen jedoch keine nennenswerte Bedeutung mehr. Dieses positive Ergebnis ist im wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen: 1. Die Prüfungsausschüsse der Industrie- und Handelskammern stellen bei der Prüfung zum Nachweis der Fachkunde für den Waffenhandel verhältnismäßig strenge Anforderungen an die Bewerber. Im Jahre 1976 haben 45 °/o, im Jahre 1975 sogar mehr als die Hälfte der Prüfungs- 904* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 teilnehmer die Fachkundeprüfung nicht bestanden. 2. Die für den Vollzug des Waffengesetzes zuständigen Erlaubnisbehörden der Länder sind in Nr. 8.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz ausdrücklich angewiesen worden, im Erlaubnisverfahren zu prüfen, ob der Antragsteller das Gewerbe, für das er die Erlaubnis beantragt, tatsächlich betreiben will. Diese Frage ist in der Regel zu verneinen, wenn der Antragsteller nicht über die für die Ausübung des Gewerbes erforderlichen Betriebs- oder Geschäftsräume verfügt. Die im Waffengesetz für den Zugang zum Waffenhandel vorgesehenen persönlichen Anforderungen und die dem Waffenhändler auferlegten Pflichten für die Ausübung seines Gewerbes erscheinen ausreichend, um die Allgemeinheit vor den sich aus dem Waffenhandel ergebenden Gefahren zu schützen. Weitere Beschränkungen, die allein auf eine zahlenmäßige Begrenzung der Waffenhändler abzielen, insbesondere eine Bedürfnisprüfung, wären mit Art. 12 des Grundgesetzes (Berufs- und Gewerbefreiheit) nicht vereinbar. Die zweite Frage geht davon aus, daß zahlreiche unausgebildete Kleinhändler — gemeint ist offensichtlich auf legalem Wege — in den Besitz von Schußwaffen gelangen. Dies ist jedoch bei Einhaltung der waffenrechtlichen Vorschriften nicht möglich. Nach § 7 des Waffengesetzes darf die Erlaubnis zum Waffenhandel nur erteilt werden, wenn der Antragsteller und die mit der Leitung des Betriebes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle beauftragten Personen die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit und Fachkunde besitzen. Die Fachkunde für den Waffenhandel ist entweder durch eine Prüfung vor der zuständigen Industrie- und Handelskammer oder durch eine dreijährige praktische Tätigkeit oder Ausbildung im Handel mit Schußwaffen nachzuweisen. Bei Erfüllung dieser persönlichen Anforderungen sowie dem Vorhandensein der erforderlichen Geschäftsräume geht die Bundesregierung in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber davon aus, daß für die Allgemeinheit aus dem Waffenbesitz auch von Kleinhändlern keine unzumutbaren Gefahren entstehen. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß der Gesetzgeber bei Erlaß des Waffengesetzes das Erlöschen der vor dem 1. Januar 1973 erteilten Waffenherstellungs- und Waffenhandelserlaubnisse mit dem Ziel angeordnet hat, die Zuverlässigkeit und Fachkunde der Erlaubnisinhaber erneut zu überprüfen. Diese Überprüfung und die erforderliche Umstellung auf neue Erlaubnisse sind von den zuständigen Landesbehörden inzwischen vorgenommen worden. Dabei ist eine gewisse Anzahl von Erlaubnissen nicht wieder erneuert worden. Unter den dargelegten Umständen hält die Bundesregierung keine weiteren Maßnahmen im Bereich des Waffenhandels für erforderlich. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen B 23 und 24): Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der deutschsowjetischen Sportbeziehungen, und welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für geeignet, um eine Ausweitung dieser Beziehungen zu erreichen? In welchem Umfang besteht eine Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung bzw. Institutionen und Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland, die die Verwertung der Erfahrung und Erkenntnis der XX. Olympischen Spiele 1972 in München und Kiel bzw. eine Beteiligung deutscher Unternehmen an den Baumaßnahmen für die XXII. Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau und Tallinn zum Ziel haben? Zu Frage B 23: Die Bundesregierung hat mit der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken am 19. Mai 1973 ein Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit abgeschlossen, in dem die Vertragsparteien vereinbarten, die Zusammenarbeit und den Austausch auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen zu ermutigen. Die Ausfüllung dieser Vereinbarung erfolgt durch die Organisationen des Sports in der UdSSR und in der Bundesrepublik Deutschland. Die Sportbeziehungen zur Sowjetunion, die sich seither stetig und in beide Richtungen ausgewogen entwickelt haben, werden von der Bundesregierung positiv beurteilt. Der Deutsche Sportbund, dem genaue zahlenmäßige Angaben nicht zur Verfügung stehen, rechnet mit jährlich ca. 130 bis 160 Begegnungen auf dem gesamten Sportsektor. Als Anhaltspunkt kann dienen, daß die Deutsche Botschaft in Moskau 1973 1 003, 1974 1 401 und im Jahre 1975 1 290 sowjetischen Sportlern und Sportfunktionären Einreisesichtvermerke erteilt hat. Von 1973 bis 1976 förderte das Auswärtige Amt aus den Mitteln des Kulturfonds 38 bilaterale Sportveranstaltungen mit der Sowjetunion auf mittlerer und unterer Ebene, von denen 20 in der Bundesrepublik Deutschland und 18 in der Sowjetunion stattfanden. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt damit, wie auch der sowjetische Sportminister Pawlow während seines gerade zu Ende gegangenen sechstätigen Besuchs mehrfach erklärt hat, unter allen westlichen Ländern mit Abstand den ersten Platz im Sportverkehr mit der Sowjetunion ein. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die sportliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion in naher Zukunft noch erweitert werden kann. Nach dem Verlauf der Verhandlungen, die in der Zeit vom 23. Februar bis 1. März 1977 zwischen dem sowjetischen Sportminister und dem Präsidenten des Deutschen Sportbundes in der Bundesrepublik Deutschland geführt wurden, kann nach Angaben des DSB erwartet werden, daß die jahrelangen Verhandlungen zum Abschluß einer Vereinbarung über die sportliche Zusammenarbeit zwischen den Organisationen des Sports bei der für Ende März 1977 in Moskau vorgesehenen nächsten Verhandlungsrunde durch die Unterzeichnung eines bereits ausgearbei- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 905* teten Protokolls über die Aufstellung von Jahresplänen zu einem erfolgreichen Abschluß kommen. Die Bundesregierung wird die auf eine Ausweitung der deutschsowjetischen Sportbeziehungen gerichteten Bemühungen des Deutschen Sportbundes auch künftig voll unterstützen und zur Förderung der Sportbegegnungen besondere finanzielle Zuwendungen aus dem Kulturfonds des Auswärtigen Amtes zur Verfügung stellen. Zu Frage B 24: Bereits bei der im Jahre 1974 erfolgten Wahl Moskaus zum Austragungsort der XXII. Olympischen Spiele 1980 hat der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland und ehemalige Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, Herr Willi Daume, dem sowjetischen Sportminister Pawlow angeboten, die Erfahrungen und Erkenntnisse der Mitarbeiter des Organisationskomitees für die XX. Olympischen Spiele 1972 in München den Moskauer Organisatoren zugänglich zu machen und in jeder gewünschten Weise Beratung und personelle Hilfe bei der Planung und Organisation der Olympischen Spiele 1980 in Moskau zu gewähren. Aufgrund dieses Angebots hat sich inzwischen ein intensiver Erfahrungsaustausch auf verschiedenen Gebieten entwickelt. Die Bundesregierung gewährt dem Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland für die Finanzierung des Aufenthalts sowjetischer Delegationen in der Bundesrepublik Deutschland und zur Entsendung deutscher Fachleute in die Sowjetunion Mittel aus dem Kulturfonds des Auswärtigen Amtes. Informationsgespräche sind auch auf staatlicher Ebene mit Herren des Bundesministeriums des Innern und den zuständigen Stellen in Bayern, z. B. dem Polizeipräsidenten in München (Ordnungsbeauftragter bei den Olympischen Spielen 1972 in München) geführt worden. Darüber hinaus hat die deutsch-sowjetische Kornmission für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit im Juni 1975 beschlossen, Beauftragte für die deutsch-sowjetische Kooperation im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1980 in Moskau einzusetzen. Der Bundesminister für Wirtschaft hat Herrn Daume hierzu berufen. Von sowjetischer Seite ist der 1. Stellvertretende Vorsitzende des sowjetischen Organisationskomitees, Herr W. G. Smirnow, eingesetzt worden. Die Beauftragten sind inzwischen wiederholt zusammengetroffen. Sie haben u. a. die Beratung durch deutsche Fachleute auf den verschiedensten Gebieten vereinbart und die Beteiligung deutscher Unternehmen an mehreren Projekten in Moskau (Ausbau des Flughafens Scheremetjewo, Hotelbauten u. a.) eingeleitet. Die auch mit Großfirmen in Berlin (West) hergestellten Geschäftskontakte haben teilweise zu konkreten Firmengesprächen geführt, bei denen Aufträge in Aussicht stehen bzw. bereits Vorverträge abgeschlossen worden sind. Ein deutscher Sportartikelhersteller schloß inzwischen einen Vertrag als offizieller Ausrüster der Spiele. Die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Verantwortlichen der Olympischen Spiele 1972 in München und den Moskauer Organisatoren für die Olympischen Spiele 1980 war auch Gesprächsthema bei dem Treffen des NOK-Präsidenten Daume mit dem sowjetischen Sportminister Pawlow anläßlich dessen Deutschland-Aufenthalts am 25. Februar 1977 in Dortmund. Nach einer Erklärung des NOK-Präsidenten Daume sind beide Seiten mit dieser Zusammenarbeit sehr zufrieden. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Regenspurger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 25) : Wie viele (absolut und prozentual) von den Ausländern, die 1976 über die Zonen- und Sektorengrenze ins Bundesgebiet gelangt sind, haben die Asylgewährung als politischer Flüchtling beantragt und erhalten, und wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, daß auf diese Weise Terroristen und Angehörige von Zusammenschlüssen ins Bundesgebiet gelangen, deren Tätigkeit gegen Verfassung und Strafgesetze gerichtet ist, bzw. wie begegnet sie dieser Gefahr? Im Jahre 1976 sind bei den Übergangsstellen an der Grenze zur DDR 752 833 ins Bundesgebiet einreisende Ausländer gezählt worden; dabei konnte nicht unterschieden werden, ob sie aus Berlin (West), Berlin (Ost) oder aus der DDR kamen. In Berlin (West) unterliegt der Verkehr über die Sektorengrenzen innerhalb Berlins aufgrund des Viermächte-Status Groß-Berlins keiner polizeilichen Kontrolle. Bei dieser Sachlage kann die Zahl der von Berlin (Ost) nach Berlin (West) reisenden Ausländer nicht genau erfaßt werden. Unter den 752 833 Ausländern waren 1976 — soweit festgestellt werden konnte — 3 847 Asylbewerber, was etwa 0,5 % entspricht. Die Zahl der abgeschlossenen Asylverfahren und damit die Zahl der Personen, die Asyl erhalten haben, kann ohne aufwendige und zeitraubende Erhebungen nicht festgestellt werden. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr, wie sie in der Fragestellung beschrieben ist, haben sich bisher jedenfalls nicht ergeben. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 26) : Ist die Bundesregierung bereit, das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 in der Weise zu ändern, daß nach der Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den militärischen Flugplatz Nörvenich vom 28. Oktober 1974 eine globale Umsiedlung der Ortschaft Niederbolheim erreicht werden kann? Die Frage, ob neben Beschränkungen der baulichen Nutzung und Aufwendungsersatz für baulichen Schallschutz auch Umsiedlungsmaßnahmen 906* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 im Fluglärmgesetz vorgesehen werden sollten, hat bei der Beratung des Gesetzes in den parlamentarischen Gremien eine wesentliche Rolle gespielt. Nach eingehender Erörterung hat der Gesetzgeber — nicht zuletzt im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen — davon abgesehen. Die Bundesregierung wird im Rahmen des Immissionsschutzberichts, der Ende dieses Jahres vorgelegt werden wird, über ihre Erfahrungen mit dem Fluglärmgesetz berichten. Sie wird in dem Bericht auch zu der Frage Stellung nehmen, ob das Fluglärmgesetz verbessert werden sollte. Sie wird dabei die Probleme, die sich für die Bewohner der Ortschaft Niederbolheim aus der erheblichen Belastung durch Fluglärm ergeben haben, in ihre Überlegungen einbeziehen. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Miltner (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 27) : Ist der Bundesregierung der Inhalt einer vierteiligen Sendung des Staatlichen Tschechoslowakischen Fernsehens vom 6., 7., 8. und 9. Januar 1977 bekannt, in der u. a. offen eingestanden wird, daß sich ein Offizier der tschechoslowakischen Kontraspionage — die Skizze der Wohnung des für das ZDF arbeitenden Journalisten Vladimir Vesely beschaffen und — Kopien von in dieser Wohnung befindlichen Schriftstücken anfertigen und schicken ließ, und ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, gegen diesen Verstoß der Unverletzlichkeit der Wohnung und die Art der öffentlichen Darstellung etwas zu unternehmen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß das Tschechoslowakische Fernsehen eine Sendung zu diesem Thema ausgestrahlt hat. Der von Ihnen dargelegte Sachverhalt wird z. Z. von der zuständigen Polizeibehörde geprüft. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Stercken (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 28) : Beabsichtigt die Bundesregierung, durch Verhandlungen mit der königlich niederländischen Regierung eine Übereinkunft darüber zu schließen, daß für die vielen auf niederländischem Hoheitsgebiet wohnenden deutschen Schulkinder wenigstens morgens und mittags der Grenzübergang „Kleine Wacht" — zwischen dem Ortsteil Aachen Vaalserquartier und der niederländischen Gemeinde Vaals — geöffnet wird, um den Kindern den erheblichen Umweg über die verkehrsgefährdete Bundesstraße zu ersparen? Die Bundesregierung hält es für zweckmäßig, daß die in der niederländischen Gemeinde Vaals wohnenden deutschen Schulkinder den Grenzübergang Kleine Wacht zum Besuch der im Ortsteil Aachen Vaalserquartier gelegenen Schule benutzen können. Sie wird mit den beteiligten Stellen, insbesondere der königlich niederländischen Regierung, in Verbindung treten, um alsbald die erforderliche Übereinkunft über die Modalitäten der Regelung für den Grenzübertritt herbeizuführen. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 29 und 30): In welchem Umfang hat die Regelung in § 36 Abs. 3 und 4 der Bundeslaufbahnverordnung über die Berücksichtigung des Nachweises besonderer fachlicher Kenntnisse durch das Diplom einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie zu praktischen Ergebnissen geführt, und hält die Bundesregierung damit eine ausreichende Berücksichtigung der durch diese Form der freiwilligen Fortbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten für gewährleistet? Bestehen Absprachen zwischen Bund und Ländern über ein gleichartiges Vorgehen in dieser Frage, oder in welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung, auf ein abgestimmtes Vorgehen hinzuwirken? Zu Frage B 29: Nach § 36 Abs. 3 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) sind Beamte, die ihre fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch Fortbildung nachweislich gesteigert haben, zu fördern; vor allem ist Ihnen nach Möglichkeit Gelegenheit zu geben, ihre Fachkenntnisse in höher bewerteten Dienstgeschäften anzuwenden und hierbei ihre besondere fachliche Eignung nachzuweisen. Als ein solcher Nachweis besonderer fachlicher Kenntnisse wird in § 36 Abs. 4 BLV ausdrücklich das Diplom einer Verwaltungs-und Wirtschaftsakademie genannt. Bei Beförderungen und bei der Zulassung zum Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn ist von der zuständigen Behörde im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des Beamten zu entscheiden. Die laufbahnund damit besoldungsmäßige Förderung setzt mithin auch bei Inhabern des Diploms einer Wirtschafts-und Verwaltungsakademie eine gesteigerte Leistung und praktische Bewährung voraus. Der Umfang praktischer Ergebnisse der Regelungen in § 36 Abs. 3 und 4 BLV, fußend auf der Feststellung eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen Diplomerwerb und Verbesserung der laufbahnmäßigen Position, läßt sich deshalb in Zahlen nicht bestimmen. Der Bundesregierung ist jedoch bekannt, daß in zahlreichen Fällen Leistungssteigerungen von Beamten, die ein Diplom einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie erworben hatten, die obersten Dienstbehörden dazu veranlaßt haben, beim Bundespersonalausschuß Abkürzungen der in der BLV vorgeschriebenen sogenannten Mindestbewährungszeit vor der Verleihung herausgehobener Ämter zu beantragen. Der Bundespersonalausschuß hat solche Fortbildungsbemühungen in zahlreichen Einzelentscheidungen positiv gewürdigt. Die Bundesregierung hält die Regelungen des § 36 Abs. 3 und 4 BLV, die einen Anreiz für die berufliche Fortbildung der Beamten darstellen, für sach- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 907* gerecht. Die angemessene Berücksichtigung der durch die Fortbildung gesteigerten Qualifikation wird durch eine an Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung orientierte Personalsteuerung gewährleistet. Zu Frage B 30: Besondere Absprachen zwischen dem Bund und den Ländern in dieser Frage sind nicht getroffen worden und auch nicht geboten. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Laufbahnrechts sind durch Fortbildung erreichte Qualifikationssteigerungen der Beamten stets im Rahmen fördernder Personalentscheidungen positiv zu würdigen. Diese Einzelfallentscheidungen entziehen sich einer generalisierenden Absprache. Das Laufbahnrecht der meisten Länder enthält im übrigen Regelungen, die denen des § 36 Abs. 3 und 4 BLV entsprechen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Seiters (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 31) : Welche Mittel stehen dem Technischen Hilfswerk 1977 voraussichtlich im einzelnen zur Verfügung, und ist damit zu rechnen, daß in den Jahren 1977 und 1978 eine finanzielle Besserstellung gegenüber den Jahren 1975 und 1976 erfolgt? Nach dem vom Bundeskabinett am 26. Januar 1977 verabschiedeten Haushaltsentwurf 1977 sind für das Technische Hilfswerk (THW) im Einzelplan 36 — Zivile Verteidigung — insgesamt 19 710 000,— DM vorgesehen. Das ist gegenüber dem Haushaltsansatz für 1976 von 16 150 000,— DM eine Steigerung von 3 560 000,— DM oder rd. 22 %. Die Finanzplanung für 1978 sieht eine weitere Erhöhung der Haushaltsmittel um 1 370 000,— DM (= 7 %) auf 21 080 000,—DM vor und liegt damit rd. 30 °/o über dem Ansatz des Haushalts 1976. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Müller (W adern) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 32 und 33) : Welche Auffassung hat die Bundesregierung zu dem Bau von Kernkraftwerken in Remerschen (Luxemburg) und Cattenom (Frankreich) an der deutsch-luxemburgischen bzw. deutschfranzösischen Grenze, und in welchem Umfang ist sie von den beteiligten Regierungen unterrichtet, und welche Folgerungen hat sie hieraus für die Standortplanung der Bundesrepublik Deutschland gezogen? Haben deutsche Staatsbürger im Fall der geplanten Kernkraftwerke in Remerschen bzw. Cattenom analog zum deutschen Recht die Möglichkeit einer Verwaltungsklage, und ist die Bundesregierung bereit, gegebenenfalls Rechtshilfe diesen deutschen Staatsbürgern zu leisten? Zu Frage B 32: Die Bundesregierung hat in der Frage der Kernkraftwerke Remerschen und Cattenom engen Kontakt zu den luxemburgischen und französischen Behörden. Sie wirkt im Rahmen dieser Kontakte auf einen höchstmöglichen Sidierheitsstandard aller nahe der deutschen Grenze gelegenen Kernkraftwerke hin. Wie bereits in der Antwort auf Ihre Mündliche Frage A 91 für die Fragestunde am 2. März 1977 angeführt, wird die Anlage Remerschen voll den deutschen Sicherheits-, Strahlenschutz- und Umweltanforderungen entsprechen. Bezüglich des Kraftwerksprojekts Cattenom finden hierzu Beratungen im Rahmen der deutsch-französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen und des Strahlenschutzes (DFK) statt. Aufgrund des derzeitigen Planungsstandes kann hier noch kein endgültiges Urteil gefällt werden. Die Bundesregierung wird jedoch auch hier ihre Möglichkeiten nutzen, um jede unzulässige Gefährdung der im grenznahen Raum lebenden deutschen Bevölkerung auszuschließen. Hinsichtlich der Folgerungen für die Standortplanung in der Bundesrepublik Deutschland an der Mosel wird die Vorbelastung der Umwelt durch die Anlagen Remerschen und Cattenom bei möglichen künftigen Projekten derart berücksichtigt werden, daß die in Deutschland festgelegten Grenzwerte nicht überschritten werden. Zu Frage B 33: Die Tatsache, daß sich Anlagen, die in einem Staat genehmigt werden, auch im Gebiet benachbarter Staaten auswirken können, hat zu Überlegungen geführt, wie der Rechtsschutz für die in dem Nachbarstaat betroffenen Personen gewährleistet werden kann. Das Problem stellt sich insbesondere bei Staaten, deren Rechtsordnungen vom sogenannten Territorialprinzip ausgehen, nach dem raumbezogene Verwaltungsmaßnahmen grundsätzlich nur innerhalb der Staatsgrenzen Rechtswirkungen entfalten, wie dies z. B. bei Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Über diese Problematik finden seit längerem internationale Erörterungen, insbesondere im Rahmen der OECD statt, deren Ziel die Vereinbarung zwischenstaatlicher Empfehlungen ist. Die Bundesregierung wird dabei alle Regelungen unterstützen, die auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zu einer Stärkung der Rechtsposition Deutscher führen. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 34) : Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen ihrer Bemühungen um eine Reform des öffentlichen Dienstes die Bundeskantinenrichtlinie so zu ändern, daß die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die aus hygienischen Gründen in ihrer Arbeitskleidung keine Lokalitäten betreten dürfen, wie z. B. Kanalarbeiter, und deshalb keinen Zuschuß für warme Mahlzeiten erhalten, in Zukunft nicht mehr unterprivilegiert werden? 908* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Nach den Kantinenrichtlinien des Bundes können vollbeschäftigte Bundesbedienstete mit durchgehender Arbeitszeit an jedem Arbeitstag eine verbilligte Hauptmahlzeit erhalten. Die Berechtigung zur Teilnahme an dieser Hauptmahlzeit hat der Bedienstete gegenüber der Kantine durch Vorlage einer Essenmarke nachzuweisen. Entsprechendes gilt bei Einnahme einer Hauptmahlzeit in Vertragsgaststätten. Die Kantinenrichtlinien enthalten keinerlei Vorschriften, wonach dem von Ihnen genannten Personenkreis die Teilnahme am Kantinenessen untersagt ist. Soweit in der Praxis in Einzelfällen aus hygienischen oder anderen Gründen anders verfahren wird — mir sind solche Fälle nicht bekannt , sollten die zuständigen Dienststellen Möglichkeiten finden, auch diesen Bediensteten Gelegenheit zur Einnahme einer verbilligten Hauptmahlzeit zu geben. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 35) : Wie beabsichtigt die Bundesregierung, das Moratorium für Strukturverbesserung im öffentlichen Dienst zu modifizieren, und ist sie bereit, den Verbesserungen für den Polizeivollzugsdienst dabei eine besondere Priorität einzuräumen? Das auf zwei Jahre befristete sogenannte „Moratorium" der Regierungen in Bund und Ländern ist am 31. Dezember 1976 ausgelaufen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben vorgeschlagen, die Geltungsdauer des Moratoriums übergangsweise bis zum 30. April 1977 zu verlängern und während dieser Übergangsfrist eine neue Verabredung auszuarbeiten. Die Bundesregierung hat hierüber noch nicht entschieden. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 36): Strebt die Bundesregierung weitergehende Schutzmaßnahmen an als sie im Rheinabkommen über Maßnahmen zur Verringerung des Salzaufkommens des Rheins (Chlorid-Abkommen) vorgesehen sind, um die, wie im Gutachten des Geologischen Landesamts Baden-Württemberg über die Versalzung des Grundwasserbekkens am Oberrhein festgestellte, Versalzung des Grundwassers und damit die Gefahr in der Trinkwasserversorgung zu verringern, und ist die Bundesregierung bereit, die Untersuchungsergebnisse des Geologischen Landesamts in der Commission Tripartie zur Sprache zu bringen? Ich darf Bezug nehmen auf die Beantwortung der beiden Mündlichen Fragen der Kollegen Josten (A 83/84) und Dr. Böhme (A 100) in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 2. März 1977. Danach weist das Gutachten des Geologischen Landesamtes im Grundwasser des Oberrheingrabens örtlich stark erhöhte Chloridkonzentrationen nach. Die Ursache hierfür ist hauptsächlich in den von der französischen Kaliindustrie bei Fessenheim betriebenen undichten Pufferbecken für Salzsole zu sehen. Diese Becken sind inzwischen stillgelegt, nachdem die Bundesregierung schon während der Verhandlungen über das Chloridübereinkommen hierauf gedrängt hatte. Die Bundesregierung sieht in dem am 3. Dezember 1976 in Bonn unterzeichneten Chloridabkommen einen wichtigen Schritt zur Verringerung der Chlorid-Belastung des Rheins. Danach ist Frankreich verpflichtet, die Ableitung von Chlorid-Ionen in den Rhein bis zum 1. Januar 1980 schrittweise um 60 kg/s zu verringern. Die Salzsole wird in Speichergesteine in Tiefen von 1 500 bis 2 000 Metern verpreßt. Diese Maßnahmen dürften ausreichen, die akute Gefährdung für das Grundwasser durch die französische Kaliindustrie zu beseitigen und die Chlorid-Belastung des Rheins spürbar zu verringern. Da die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung sich schließlich auch weiterhin intensiv mit dem Schutz der Grundwasservorkommen am Oberrhein befassen wird, ist nicht beabsichtigt, diese Frage auch in der Kommission Tripartite zur Sprache zu bringen, die nachbarschaftliche Probleme nur insoweit behandelt, als sie von anderen kompetenten Institutionen nicht wahrgenommen werden. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Walz (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 37, 38 und 39) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß das niederländische Sozialministerium im Jahr 1974 eine Reichskommission für Sicherheitsfragen auf dem LNG-Sektor eingesetzt hat mit dem Auftrag, eine Risikoanalyse durchzuführen und die ihrerseits die TNO (Technische Naturwissenschaftliche Untersuchungen) mit der Erstellung einer Studie über die Entstehungsmöglichkeiten einer Gaswolke und die zu erwartenden Auswirkungen auf Industrie-und Hafengebiete sowie deren Bekämpfung beauftragte, die inzwischen abgeschlossen sein soll, und wenn ja, wird sich die Bundesregierung die Ergebnisse der Studie zunutze machen? Welche Ergebnisse dieser Untersuchung sind der Bundesregierung inzwischen bekannt, und welche Folgerungen zieht sie gegebenenfalls daraus? Ist die Bundesregierung in der Lage, mitzuteilen, wann der Abschlußbericht vorgelegt werden soll? Zu Frage B 37: Der Bundesregierung ist bekannt, daß das niederländische Institut TNO eine Studie über das genannte Thema in engem Kontakt mit ausländischen, auch deutschen Stellen (u. a. Physik. Technische Bundesanstalt) erstellt hat. Diese Studie ist von dem Institut allerdings erst vor wenigen Tagen dem Niederländischen Sozialministerium vorgelegt worden. Dieses wurde vom Bundesinnenministerium inzwischen um Übersendung einer Berichtsausfertitung gebeten. Sofern die Schlußfolgerungen in der Studie für eine Übernahme geeignet erscheinen, wird sich die Bundesregierung die Ergebnisse der Studie zunutze machen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 909* Zu Frage B 38: Die bisher vorgelegten Zwischenberichte sind sehr allgemein und lassen konkrete Schlußfolgerungen noch nicht zu. Zu Frage B 39: Die Publikation des TNO-Berichts ist für das Jahr 1977 vorgesehen. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 43) : Welche seit dem 7. Dezember 1970 mit der Volksrepublik Polen getroffenen Vereinbarungen haben Bedeutung für den Verantwortungsbereich des Bundesjustizministers? Ihre Frage bezieht sich offenbar auf einen Passus der „Gemeinsamen Erklärung" vom 11. Februar 1977 (Bulletin S. 123 f.) anläßlich des Besuchs des Justizministers der Volksrepublik Polen, Professor Dr. Jerzy Bafia, in der Bundesrepublik Deutschland vom 7. bis 11. Februar 1977. Dieser Passus hat folgenden Wortlaut: „Beide Minister machten Ausführungen zu der Frage, welche Bedeutung der Vertrag vom 7. Dezember 1970 und die seitdem getroffenen Vereinbarungen für den Verantwortungsbereich der Justizminister besitzen." Dieses Zitat zeigt deutlich, daß die Frage den Teil der Erklärung, der sich auf die im Gefolge des Vertrages vom 7. Dezember 1970 abgeschlossenen Vereinbarungen 'bezieht, aus dem gedanklichen Zusammenhang herausnimmt. Mit den im Gefolge des Warschauer Vertrages geschlossenen Vereinbarungen sind erkennbar die deutsch-polnischen Vereinbarungen vom 9. Oktober 1975 gemeint. Das sind vor allem — das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung und die Vereinbarung über die pauschale Abgeltung von Rentenansprüchen sowie das Abkommen über die Gewährung eines Finanzkredits, — das Ausreiseprotokoll. Es bedarf wohl keiner näheren Ausführungen, daß diese in einem faktischen, politischen und auch rechtlichen Zusammenhang stehenden Vereinbarungen beispielsweise zu vermehrten Rechtshilfeersuchen und familienrechtlichen Fragestellungen führen, die den Verantwortungsbereich der Justizminister berühren. Schließlich darf ich auf die „Gemeinsame Erklärung" des Bundeskanzlers und des Ersten Sekretärs ,des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei vom 11. Juni 1976 (Bulletin S. 670) hinweisen, die eine Vielzahl zweiseitiger Vorhaben ankündigt, deren rechtliche Aspekte gegebenenfalls von den Justizministerien mitzuprüfen sind. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Rainer (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 44 und 45) : Gibt es beim Menschen Merkmale, die auf eine Tendenz zu Tötungsdelikten schließen lassen, ohne daß nach geltendem Recht durch Sicherungsverwahrung Vorsorge getroffen werden kann, und zu welchen Überlegungen gibt dies — bejahendenfalls — der Bundesregierung Anlaß? Trifft es zu, daß die geltende Höchstgrenze der Verwahrungszeit in den meisten Fallen nicht ausreicht, um eine innere Wandlung des Delinquenten herbeizuführen, und zu welchen Überlegungen gibt dies — bejahendenfalls — der Bundesregierung Anlaß? Zu Frage B 44: Es ist nur in einer begrenzten Zahl von Fällen möglich, bei einem Menschen eine Disposition festzustellen, die dafür spricht, daß er später ein Tötungsdelikt begehen wird. Diese Fälle sind im geltenden Recht berücksichtigt. Schuldunfähige oder vermindert schuldfähige Täter können in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Straftäter, bei dem eine Disposition zu Tötungsdelikten erkennbar ist, untergebracht werden. Bei anderen gefährlichen Täter kann Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Sicherungsverwahrung kann — unter bestimmten weiteren Voraussetzungen — verhängt werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, daß er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Zu diesen Straftaten gehören auch die Tötungsdelikte. Eine Erweiterung der genannten Vorschriften auf andere Straftäter würde gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen. Schließlich darf die von Ihnen angeschnittene Problematik nicht nur unter strafrechtlichen Aspekten gesehen werden. So können beispielsweise Geisteskranke, die eine gegenwärtige Gefahr für andere Menschen darstellen — was bei einer Neigung zu Tötungsdelikten der Fall ist — nach Landesrecht untergebracht werden, auch wenn sie keine Straftaten begangen haben. Die Unterbringungsvoraussetzungen sind in den einzelnen Ländern jeweils etwas anders gefaßt. Ihre Änderung wäre Sache des jeweiligen Landes. Zu Frage B 45: Ihre zweite Frage dürfte sich in erster Linie auf die Sicherungsverwahrung und auf den Strafvollzug beziehen. Die Dauer der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung darf 10 Jahre nicht übersteigen. Die bisherigen Erfahrungen mit dieser Beschränkung geben keinen Anlaß, gegenwärtig eine Änderung des Gesetzes vorzuschlagen. 910* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Ob es gelingt, einen Straftäter im Vollzug der Freiheitsstrafe zu befähigen, nach der Entlassung straffrei zu bleiben, hängt von zahlreichen Faktoren im Einzelfall ab, wie z. B. von der Persönlichkeit des Täters, seiner Einstellung zur Tat, seiner Einsichtsfähigkeit, seinen sozialen Bindungen und auch von den personellen und sonstigen Möglichkeiten der Vollzugsanstalt, dem einzelnen Gefangenen die notwendigen Hilfen zu geben. Nach den bisherigen Erfahrungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die in den Strafnormen vorgesehenen Strafrahmen generell den Anforderungen der Resozialisierung nicht entsprächen. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 46 und 47) : Hat der polnische Justizminister bei den Bonner Gesprächen die Änderung des Status der Vertriebenen auf Grund des Bundesvertriebenengesetzes der Bundesrepublik Deutschland gefordert (vgl. Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 12. Februar 1977), obwohl nach der UNO-Charta eine Gesetzgebung, die nicht gegen die Menschenrechte verstößt, „ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates" gehört, und wenn ja, wie beabsichtigt die Bundesregierung, dieser dann nach dem Völkerrecht vorliegenden Einmischung in die inneren Angelegenheiten zu begegnen? Beabsichtigt die Bundesregierung, die nach 1945 vorgenommene Verleihung der polnischen Staatsangehörigkeit an deutsche Staatsangehörige in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße auf angebliche Forderung des polnischen Justizministers (vgl. „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 12. Februar 1977) ausdrücklich anzuerkennen, obwohl die Schranken des Völkerrechts die staatliche Freiheit bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit durch eine Verwaltungsmacht eingrenzen, obwohl die Verleihung sehr oft unter mittelbarem oder unmittelbarem Zwang erfolgte (vgl. Dokumentation des Deutschen Roten Kreuzes „Gesucht wird...") und der Heimatstaat im Sinne des verfassungsmäßigen Schutzes deutscher Staatsangehöriger der Wirksamkeit solcher „Verleihungen" anzufechten hätte? Zu beiden Fragen ergibt sich die Antwort aus der gemeinsamen Erklärung, die nach dem Besuch des Justizministers der Volksrepublik Polen, Prof. Dr. Jerzy Bafia, in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht wurde (vgl. Bulletin vom 15. Februar 1977 Seite 123). Darin wird folgendes mitgeteilt: „Beide Minister machten Ausführungen zu der Frage, welche Bedeutung der Vertrag vom 7. Dezember 1970 und die seitdem getroffenen Vereinbarungen für den Verantwortungsbereich der Justizminister besitzen. Minister Prof. Dr. Bafia wies auf die Notwendigkeit hin, die Rechtsbestimmungen und juristische Interpretation an den Buchstaben und den Geist des Vertrages vom 7. Dezember 1970 anzupassen gemäß dem allgemein anerkannten Prinzip des übergeordneten Charakters des internationalen Rechtes und betonte die Bedeutung dieses Problems für den weiteren Fortschritt im Normalisierungsprozeß der gegenseitigen Beziehungen. Bundesminister Dr. Vogel unterstrich den Gedanken der Berücksichtigung international anerkannter Prinzipien, wie sie beispielsweise auch in der Schlußakte von Helsinki ihren Niederschlag gefunden haben, bei der nationalen Rechtssetzung und Rechtspraxis. Er wies darauf hin, daß die Bundesrepublik Deutschland dabei an ihre Verfassung und die Gesamtheit ihrer vertraglichen Verpflichtungen gebunden sei." Ein nach Abschluß eines zwischenstaatlichen Gesprächs erarbeitetes Kommuniqué enthält eine Zusammenstellung der Punkte, die nach Auffassung der Gesprächspartner als wesentlich betrachtet werden. Ich sehe keinen Anlaß, dieser Darstellung der gemeinsamen Erklärung etwas hinzuzufügen. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Seiters (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 48) : Gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen, die Berlin-Bindung bei Schiffsbauten, die nach den jetzigen Bestimmungen acht Jahre beträgt, in der Zukunft zu verändern, insbesondere zu verkürzen? Die Inanspruchnahme der 75 %igen Abschreibungsvergünstigung des § 14 BerlinFG und der Investitionszulagenbegünstigung des § 19 BerlinFG war ursprünglich für Schiffe wie für alle anderen beweglichen Anlagegüter davon abhängig, daß diese mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer Berliner Betriebsstätte verblieben. Diese dreijährige Berlin-Bindung hat sich jedoch für Schiffe als zu kurz herausgestellt, denn sie führte dazu, daß unter Ausnutzung dieser Vergünstigungen in einem nicht vertretbaren Ausmaß Binnenschiffe mit der Absicht angeschafft oder hergestellt wurden, sie nach Ablauf der dreijährigen Berlinbindung zur Erzielung einer besseren Rentabilität im übrigen Bundesgebiet und im EG-Raum einzusetzen. Dadurch drohten Überkapazitäten zu entstehen, die sich auf die gesamte deutsche Binnenschiffahrt nachteilig auswirken würden. Um dieser Gefahr zu begegnen, ist auf Vorschlag des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages die Mindestfrist für das Verbleiben von Schiffen in Berliner Betriebstätten durch das Steueränderungsgesetz 1973 vom 26. Juni 1973 (BGB1 I S. 676) auf acht Jahre verlängert worden (Vgl. hierzu den Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1973 zu Artikel 1 a Nummern 3 und 4 — Drucksache 7/592 —). Die Gründe für die Einführung einer Verbleibensfrist von acht Jahren für Schiffe gelten unverändert weiter. Die Bundesregierurng ist deshalb der Auffassung, daß eine Änderung, insbesondere eine Kürzung dieser Frist nicht in Betracht kommen kann. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 49) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 911* Wann beabsichtigt die Bundesregierung, Kraftfahrzeuge aus der DDR und den übrigen Ostblockstaaten bei Benutzung der Verkehrsstraßen der Bundesrepublik Deutschland der Kfz-Besteuerung zu unterwerfen? Kraftfahrzeuge, die im Ausland zugelassen sind, werden bei vorübergehendem Aufenthalt im Bundesgebiet beim Grenzübergang zur Kraftfahrzeugsteuer herangezogen. Dies galt schon bisher auch für die Fahrzeuge aus Ostblockstaaten. Nur wenn ausländische Fahrzeuge über die DDR ins Bundesgebiet gelangten oder auf dem Rückweg aus dem Bundesgebiet über die DDR, wurde die Steuer nicht erhoben, weil die Grenzkontrollstellen an der Grenze zur DDR nicht zu Erhebung der Steuer befugt waren. Seit dem 1. Oktober 1976 werden aufgrund einer entsprechenden Regelung in der Verordnung vom 27. August 1976 zur Änderung d er Kraftfahrzeugsteuerdurchführungsverordnung (BGB1 I S. 2389) auch an der Grenze zur DDR ausländische Fahrzeuge — und mit ihnen Fahrzeuge aus den Ostblockstaaten — von den Grenzkontrollstellen zur Kraftfahrzeugsteuer herangezogen. Zur Einbeziehung der DDR-Fahrzeuge in die Besteuerung bedarf es eines Gesetzes. Die Frage ist im Rahmen einer von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorbereiteten größeren Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes zu entscheiden. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe müssen sowohl von der Konferenz der Landesfinanzminister als auch vom Bundeskabinett gebilligt werden. Ich bitte um Verständnis, daß ich diesen Entscheidungen nicht vorgreifen kann. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Peter (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen B 50 und 51) : Hält der Bundesfinanzminister an seiner Entscheidung fest, die Aufgaben der Bundesvermögensabteilung Saarbrücken der Oberfinanzdirektion Koblenz zu übertragen, und wenn ja, liegt dieser Entscheidung eine Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung vom 30. April 1971 zugrunde, wonach Aufgaben der Bundesverwaltung nur aus Gründen der Verbesserung und Erleichterung ihres Vollzugs — demnach nicht aus fiskalischen Gründen wie Stelleneinsparungen etc. — einer anderen Oberfinanzdirektion übertragen werden können, und ist bei dieser Prüfung auch berücksichtigt worden, welche Schwierigkeiten aus der Auflösung der Bundesvermögensabteilung in Saarbrücken im Vollzuge derjenigen Aufgaben eintreten können, an denen die saarländische Landesregierung zu beteiligen ist? Hat der Bundesfinanzminister geprüft, ob eine gegebenenfalls durch Zusammenlegung von Abteilungen der Bundesfinanzverwaltung zu erwartende Straffung des Aufgabenvollzugs nicht auch durch Zusammenlegung der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung mit der Bundesvermögensabteilung bei einer Oberfinanzdirektion erreicht werden kann, und wenn nein, hält es der Bundesfinanzminister nicht für zweckmäßig, einen Gesetzentwurf für eine Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes des Inhalts einzubringen, daß bei Bundesländern mit nur einer Oberfinanzdirektion die Zusammenlegung von Abteilungen der Bundesfinanzverwaltung innerhalb der Oberfinanzdirektion des jeweiligen Bundeslandes vorzusehen ist? Auf Ihre erste Frage teile ich Ihnen mit, daß der Bundesminister der Finanzen an seiner Absicht festhält, die Aufgaben der Bundesvermögensabteilung der Oberfinanzdirektion Saarbrücken der Oberfinanzdirektion Koblenz zu übertragen. Das Vorhaben muß nach den Bestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes noch mit der bereits unterrichteten Personalvertretung erörtert werden. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) wurden vor Einleitung des Vorhabens eingehend mit positivem Ergebnis geprüft. Die Beispiele bereits vollzogener Zusammenlegungen (Düsseldorf/Köln und Freiburg/Karlsruhe) haben gezeigt, daß der Vollzug der Aufgaben durch Bildung einer großen Bundesvermögensabteilung bei einer Oberfinanzdirektion wesentlich verbessert und erleichtert wird. Mit weniger Personal lassen sich die Funktionen der Bundesvermögensabteilung als Mittelinstanz sowohl gegenüber den Ministerien als auch gegenüber den nachgeordneten Behörden besser wahrnehmen. Dies wird insbesondere durch folgende Feststellungen belegt: — Grundsätzliche und allgemeine Angelegenheiten können in einer vereinigten Bundesvermögensabteilung für einen größeren Bereich und damit rationeller bearbeitet werden. — Es entfällt der Zwang, sehr unterschiedliche Aufgabengebiete bei einem Sachbearbeiter bzw. in einem Referat zusammenzufassen. - Durch eine Zusammenlegung wird die notwendige Flexibilität erreicht, um schwerpunktmäßig anfallende und meist eilige Aufgaben mit dem vorhandenen Personal kurzfristig erledigen sowie Personalausfälle ohne allzu große Schwierigkeiten auffangen zu können. — Eine vereinigte Bundesvermögensabteilung verfügt über einen größeren Spielraum beim Einsatz der Haushaltsmittel. Die Mittelbewirtschaftung wird dadurch einfacher. — Größere Abteilungen verfügen wegen ihres umfangreicheren nachgeordneten Bereichs über mehr Erfahrungen und einen besseren Überblick. Die Prüfung der Auswirkungen der Zusammenlegung auf die unmittelbaren dienstlichen Kontakte der Bundesvermögensabteilung in Saarbrücken zur saarländischen Landesregierung hat ergeben, daß keine Verschlechterung zu befürchten ist. Die dienstlichen Kontakte sind selten und lassen sich auch von der OFD Koblenz aus weiterführen. Für die Zusammenarbeit mit sonstigen Landesbehörden verbleibt als Ortsbehörde in Saarbrücken das Bundesvermögensamt. Ihre weitere Frage nach einer Straffung des Aufgabenvollzuges gegebenenfalls auch durch Zusammenlegung der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung mit der Bundesvermögensabteilung bei einer Oberfinanzdirektion ist vom Gesetzgeber seinerzeit beim Erlaß des Finanzverwaltungsgesetzes geprüft und durch die Regelung des § 8 FVG mit der Bestätigung selbständiger Abteilungen negativ beantwortet worden. Eine Änderung dieser zuletzt durch das Finanzanpassungsgesetz vom 31. August 1971 (BGB1 I S. 390) neu gefaßten gesetzlichen Zuständigkeitsregelung ist auch aus heutiger Sicht nicht zweckmäßig, da die Aufgabenstruktur der beiden Dienstzweige der Bundesfinanzverwaltung zu unterschiedlich ist. Bei einer Zusammenfassung der Bundesab- 912* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 teilungen einer OFD würden die im Abschnitt I dieses Schreibens dargestellten Rationalisierungseffekte nicht eintreten. Während die Zollverwaltung hoheitlich oder ordnend im hergebrachten Sinne des Verwaltungsrechts tätig wird, unterliegt das Handeln der Bundesvermögensverwaltung fast ausschließlich privatrechtlichen Normen. Für die Fachbereiche der beiden Abteilungen ergeben sich demnach sehr wenig sachliche Berührungspunkte. Die Bediensteten der beiden Dienstzweige werden unterschiedlich ausgebildet und sind im jeweils anderen Fachbereich nicht ohne weiteres einsetzbar. Eine entsprechende Gesetzesänderung könnte mithin nicht zu dem gewünschten Erfolg führen. Das Beispiel der Bundeswehrverwaltung, die ebenfalls nicht in jedem Bundesland eine Wehrbereichsverwaltung eingerichtet hat, zeigt darüber hinaus, daß die Organisation der Bundesverwaltung in der Mittelinstanz sich nicht notwendigerweise an der Zahl der vorhandenen Bundesländer ausrichten muß. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Kreile (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 52 und 53) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, bei einer Überforderung durch ertragsunabhängige Steuern biete sich das Instrument der Stundung oder des Erlasses an, um offensichtliche Unbilligkeiten im Einzelfall abzuwenden („Handelsblatt" vom 8. Februar 1977), und wird die Bundesregierung bejahendenfalls im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder dafür Sorge tragen, daß von diesem Instrument häufiger als bisher Gebrauch gemacht wird? Wieviel Fälle sind der Bundesregierung bisher bekanntgeworden, in denen Steuern gestundet oder erlassen worden sind, um eine Überforderung durch ertragsunabhängige Steuern abzuwenden? Zu Frage B 52: Die Vorschriften der Abgabenordnung über die Stundung und den Erlaß von Steuern sind auch auf die ertragsunabhängigen Steuern anzuwenden. Billigkeitsmaßnahmen aus sachlichen Gründen kommen bei diesen Steuern jedoch grundsätzlich nicht schon dann in Betracht, wenn sie nicht mehr aus dem Ertrag des Vermögens bestritten werden können. Dies gilt z. B. für die Fälle, in denen Steuerpflichtige Bauerwartungsland horten oder über wertvolle Sammlungen von Gemälden oder anderen Kunstgegenständen verfügen. Andererseits sieht aber § 33 des Grundsteuergesetzes für bestimmte Grundstücke bei wesentlicher Ertragsminderung einen Erlaß der Steuer vor. Im übrigen sind Billigkeitsmaßnahmen aus sachlichen Gründen bei allen Steuern nur insoweit durch die Vorschriften der Abgabenordnung gedeckt, als nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber, hätte er die zu entscheidende Frage geregelt, sie im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Billigkeitsmaßnahmen wegen persönlicher Unbilligkeit dürften in der Regel bei den ertragsunabhängigen Steuern ausscheiden, weil davon ausgegangen werden kann, daß der Steuerpflichtige über entsprechendes Vermögen verfügt und ihm daher zuzumuten ist, die Mittel zur Bezahlung der Steuern aus dem Vermögen zu entnehmen oder durch Aufnahme eines Kredits zu beschaffen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn durch die Erhebung der Steuern die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, indem ihm die Vermögenssubstanz entzogen wird, die er für seinen Lebensunterhalt oder für die Erhaltung eines Betriebes benötigt. Zu Frage B 53: Das Bundesfinanzministerium hat hinsichtlich der ertragsunabhängigen Steuern, die den Ländern bzw. den Gemeinde zufließen und daher nicht im Auftrag des Bundes verwaltet werden (Art. 108 Abs. 3 GG), kein Mitwirkungsrecht; es wird auch nicht bei Billigkeitsmaßnahmen eingeschaltet. Die Länder können allgemeine Weisungen über Billigkeitsmaßnahmen ohne Zustimmung des Bundesfinanzministers treffen. Fälle, in denen diese Steuern gestundet oder erlassen worden sind, sind der Bundesregierung daher nicht bekannt. Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kreile (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 54) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die steuerfreien Sozialhilfeleistungen (einschließlich Mietbeihilfen, Krankenkassen-Beitrag und Beihilfen von Fall zu Fall), derzeit bei einem Alleinstehenden bis zu 809 DM monatlich, bei einem Verheirateten mit zwei Kindern bis zu 2036 DM monatlich betragen können und daß bei Bleichhohem Bruttolohn ein unverheirateter Arbeitnehmer monatlich über 70 DM, ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern monatlich fast 240 DM Lohnsteuer zu zahlen hat, und was gedenkt die Bundesregierung gegen diese Steuerbelastung zu tun? Die Bundesregierung ist sich der von Ihnen angesprochenen Problematik bewußt. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 auf die Bedeutung der staatlichen Geldleistungen für die Einkommenslage der privaten Haushalte hingewiesen. Er hat angekündigt, daß eine Transfer-Enquête-Kommission den Einfluß staatlicher Transfereinkommen auf die insgesamt verfügbaren Einkommen verschiedener Haushalte ermitteln und Vorschläge zu einer sachgerechten Abstimmung zwischen staatlichen Geldleistungen und Belastungen mit Steuern und Abgaben machen soll. Die Einkommensteuerreform hat 1975 zu einer erheblichen Steuerentlastung gerade der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen geführt und damit die Problematik wesentlich abgemildert. Die Bundesregierung bereitet ein Steueränderungsgesetz 1977 vor, das in Kürze den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet wird. Es enthält weitere Steuerentlastungen, die auch den Arbeitnehmern zugute kommen werden. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 913* Anlage 77 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 55) : In welchem Umfang wird die Bundesregierung zur Belebung der Investitionstätigkeit im Bundesgebiet finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, und kann im westmittelfränkischen Raum damit gerechnet werden, daß derartige Mittel, insbesondere auch im Rahmen des Autobahnbaus, als Sonderleistungen des Bundes zur Verfügung gestellt werden? Das in Ihrer Anfrage offensichtlich angesprochene mehrjährige öffentliche Investitionsprogramm zur wachstums- und umweltpolitischen Vorsorge („Programm für Zukunftsinvestitionen") wird voraussichtlich ein Gesamtvolumen von 10 bis 12 Milliarden DM umfassen; dies hat die Bundesregierung bereits mehrfach erkennen lassen. Im Hinblick auf die endgültige Aufnahme einzelner Projekte, das Volumen einzelner Programmpunkte, die regionale Streuung u. ä. können noch keine konkreten Angaben gemacht werden, da sich das Programm gegenwärtig im Stadium der Konkretisierung und der Festlegung sachlicher Prioritäten befindet. Ziel des Programms ist eine längerfristige Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur, die zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sorgfältig vorbereitet und abgestimmt werden muß, da es zum Teil gemeinsam finanziert werden soll. Es handelt sich dabei im Verkehrsbereich im wesentlichen um Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. Der Bund wird mit den Länderwirtschafts- und -finanzministern am 4. März 1977 in Verhandlungen über die Programmpunkte eintreten, nachdem erste vorklärende Gespräche zwischen dem BMF/BMWi und den beteiligten Ressorts über die Vorschläge zur Aufstellung des Programms „Zukunftsinvestitionen" stattgefunden haben. Angesichts des Planungsstadiums und der noch offenen Probleme bitte ich daher um Ihr Verständnis, daß ich Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine detaillierteren Auskünfte geben kann. Sollten Sie nach Verabschiedung des Programms weitere Fragen haben, bin ich gerne zu ihrer Beantwortung bereit. Anlage 78 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 56) : Gedenkt die Bundesregierung, unverzüglich und unbürokratisch Konjunkturförderungsmittel für solche Regionen bereitzustellen, die eine überdurchschnittliche hohe Arbeitslosenquote aufweisen, wie z. B. die Region Schweinfurt, wo die Quote laut einer Meldung des „Schweinfurter Tagblattes" vom 8. Februar 1977 bei 9,3 % liegt? Von seiten der Bundesregierung ist stets darauf hingewiesen worden, daß das „Programm für Zukunftsinvestitionen" auf eine längerfristige Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur, insbesondere auch in strukturschwachen Gebieten, abzielt und somit kein Konjunkturprogramm darstellt, das nur auf kurzfristige Beschäftigungswirkungen hin angelegt ist. Gleichwohl ist bereits im „Jahreswirtschaftsbericht 1977 der Bundesregierung" zum Ausdruck gebracht worden, daß von dem mehrjährigen öffentlichen Investitionsprogramm zur wachstums- und umweltpolitischen Vorsorge positive Wirkungen auf die künftige Beschäftigungsentwicklung erwartet werden. Insbesondere ist im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage beabsichtigt, bereits in der ersten Phase des Programms nachhaltige Auftrags- und Beschäftigungseffekte auszulösen. Da das Programm zum Teil von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam finanziert werden soll, sind u. a. Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Gebietskörperschaften notwendig. Die dabei zu beachtenden verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Fragen erfordern naturgemäß einen gewissen Zeitbedarf. Konkrete Angaben über Einzelprcjekte des Programms und ihre regionale Streuung können gegenwärtig noch nicht gemacht werden, da sich das Programm im Stadium der Konkretisierung und der Festlegung sachlicher Prioritäten befindet. Sollten Sie nach Verabschiedung des Programms weitere Fragen haben, bin ich gerne zu ihrer Beantwortung bereit. Anlage 79 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Zeitel (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 57): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Eingangsentlastung der Lohnsummensteuer, die in ihrer derzeitigen Form insbesondere Klein- und Mittelbetriebe, Handwerk und sonstige Gewerbetreibende benachteiligt, derjenigen der Gewerbeertragsteuer anzugleichen? Die Bundesregierung teilt Ihre Ansicht, daß bei der Lohnsummensteuer entsprechend der Regelung bei der Gewerbeertragsteuer eine Eingangsentlastung vorgesehen werden sollte. Nach der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976 ist im Zusammenhang mit der beabsichtigten Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 1978 auch eine Ermäßigung der Gewerbesteuerbelastung mit Schwerpunkt bei den ertragsunabhängigen Teilen dieser Steuer in Aussicht genommen. Die Bundesregierung bereitet derzeit eine Änderung des Gewerbesteuergesetzes vor, wonach der geltende Freibetrag bei der Lohnsummensteuer in Höhe von 9 000 DM auf 60 000 DM angehoben werden soll. Die bisher auf 24 000 DM festgesetzte Höchstgrenze für die Inanspruchnahme des Freibetrags soll ersatzlos entfallen. Eine ähnliche Maßnahme ist bei der Gewerbekapitalsteuer geplant, wo die derzeitige Freigrenze von 6 000 DM in einen Freibetrag umgewandelt und auf 60 000 DM erhöht werden soll. Auch der Freibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften bei der Gewerbeertragsteuer, der bereits mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 1975 von 7 200 DM auf 15 000 DM angehoben worden ist, soll nochmals, und zwar auf 24 000 DM, erhöht werden. Mit Rücksicht darauf sollen die Stufen mit ermäßigten Steuermeßzahlen künftig entfallen. Das Bundeskabinett wird voraussichtlich am 16. März 1977 über die vorgesehenen Änderungen des Gewerbesteuergesetzes entscheiden. Die beabsichtigte Entlastung bei der Gewerbesteuer kann jedoch nicht für sich allein betrachtet werden. Sie ist nur bei einer gleichzeitigen Anhebung der Umsatzsteuersätze zu verwirklichen. Anlage 80 Antwort des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 58) : Hält die Bundesregierung daran fest, daß die bei der Einkommen- und Lohnsteuer geltend zu machenden Pauschale für Pakete und Päckchen in die DDR und die Vertreibungsgebiete keine Höchstgrenze darstellen, sondern darüber hinaus ein einzelner Nachweis möglich ist (wenn der Betrag der Pauschale überschritten wird) und daß keine Prüfung der Bedürftigkeit des Empfängers vorgenommen wird? Aufwendungen für Unterhaltsleistungen an Verwandte und sonstige Angehörige in der DDR, in Berlin (Ost) oder in den ost- und südosteuropäischen Vertreibungsgebieten werden als außergewöhnliche Belastung nach § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift wird die Einkommensteuer (Lohnsteuer) dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch 3 000 DM im Kalenderjahr, für jede unterhaltene Person einkommensmindernd abgezogen werden. Die Aufwendungen müssen grundsätzlich nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. Durch Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, von denen nach der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland die Einkommensteuer verwaltet wird, sind aus Vereinfachungsgründen pauschal für jedes versandte Paket ein Betrag von 30 DM und für jedes versandte Päckchen ein Betrag von 20 DM zugelassen worden. Erwachsen einem Steuerpflichtigen tatsächlich höhere Aufwendungen, die er nachweisen oder zumindest glaubhaft machen kann, so kann er sie über die Pauschbeträge hinaus geltend machen. Nach Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder, die der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 25. März 1966 — Bundessteuerbl. Teil III S. 534) entsprechen, ist die Bedürftigkeit der bezeichneten Personen nicht zu prüfen, es sei denn, daß der Unterhaltsempfänger Einkünfte in der Bundesrepublik hat. Anlage 81 Antwort des Pari. Staatssekretärs Offergeld auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Laufs (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 59): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die baden-württembergischen Hauptzollämter gemäß §§ 124 und 125 BO im Jahr 1976 für die Abfindungsbrennereien mit 3,8 v. H. den höchsten Ausbeutesatz für Kernobst in der Bundesrepublik Deutschland festgesetzt haben, und wie rechtfertigt die Bundesregierung diesen Höchstsatz gegenüber anderswo bis 2,0 v. H. (I 122 BO) herab festgelegten Sätzen, und welche Steuerbelastung haben die Stoffbesitzer in Baden-Württemberg 1977 zu erwarten? Es trifft zu, daß die Hauptzollämter in Baden-Württemberg für die Verarbeitung von Kernobst in Abfindungsbrennereien einen besonderen Ausbeutesatz von 3,8 1 Weingeist (1W) je 100 1 Maische festgesetzt haben. Die Festsetzung eines besonderen Ausbeutesatzes wurde erforderlich, weil die tatsächlich erzielten durchschnittlichen Ausbeuten beträchtlich über dem regelmäßigen Ausbeutesatz nach § 122 BO von 2 1W je 100 1 Maische lagen. Die Ausbeuteermittlungen für die Kernobsternten der Jahre 1970 bis 1975 haben ergeben, daß die Abfindungsbrennereien im Bundesgebiet bei der Verarbeitung von Kernobst und Kernobstmost eine Durchschnittsausbeute von 5,1 1W erzielen. Die in Baden-Württemberg erzielten Ausbeuten liegen dabei über dem Bundesdurchschnitt. Das Brennen unter Abfindung ist ein besonderes Verfahren der pauschalen Besteuerung, bei dem die Branntweinsteuer unter Verzicht auf den amtlichen Verschluß der Brennereianlage bereits vor Gewinnung des Branntweins aus der zur Verarbeitung angemeldeten Rohstoffmenge und den amtlichen Ausbeutesätzen berechnet wird. Die diesem System zugrunde liegenden amtlichen Ausbeutesätze müssen sich deshalb nach den tatsächlich erzielbaren Ausbeuten richten. Da Überausbeuten nicht zur Versteuerung herangezogen werden können, würden Abfindungsbrenner und Stoffbesitzer bei einem zu niedrigen amtlichen Ausbeutesatz ungerechtfertigte zusätzliche Steuervorteile erzielen. Dies ist 1973 vom Bundesrechnungshof beanstandet worden. Nach den ersten, noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen liegt die tatsächliche Ausbeute bei der Verarbeitung von Kernobst und Kernobstmost der Ernte 1976 in Baden-Württemberg durchschnittlich bei 5,6 1W. Die endgültigen Ergebnisse der amtlichen Ausbeuteermittlungen werden im Mai 1977 vorliegen. Anlage 82 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 60 und 61): Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse aus der deutschen Forschung zur wirtschaftlichen Nutzung des Ölschiefers vor, die den Abbau vorhandener Ölschiefervorkommen, z. B. im Raum Braunschweig, möglich machen könnten, nachdem ähnliche Forschungen in den USA bisher zu keinem Ergebnis geführt haben, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 915* Ist damit zu rechnen, daß auf Grund vorliegender Erkenntnisse die Planungen für die Infrastruktur dieses Raums abgeschlossen und mit den für erforderlich gehaltenen Baumaßnahmen begonnen wird? Zu Frage B 60: Die Bundesregierung fördert im Rahmen des Energieforschungsprogramms seit 1957 Projekte der Ölschieferforschung in der Bundesrepublik. Die Zuschüsse beliefen sich bis Ende 1976 auf insgesamt 5,7 Millionen DM. Eines der größten Vorhaben ist das von den Braunschweigischen Kohlen-Bergwerken (BKB) in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe durchgeführte Programm über die „wirtschaftliche Gewinnung und Verwertung von Posidonienschiefer des Untersuchungsgebietes Schandelah". Die bisherigen Forschungen haben ergeben: — Die Vorräte an Ölschiefer im Raum Schandelah betragen nach letzten Schätzungen 2 Milliarden t; die darin enthaltenen Ölvorräte belaufen sich auf rd. 100 Millionen t. Diese Vorräte sind damit um ca. 25 Millionen t größer als die Summe aller derzeit gewinnbaren Erdölreserven der Bundesrepublik Deutschland; ein Abbau der Vorkommen würde also die gewinnbaren Ölvorräte der Bundesrepublik mehr als verdoppeln. - In den Schiefern sind außerdem Wertmetalle (Vanadium, Molybdän, Kupfer, Kobalt, Nickel, Uran, Thorium, seltene Erden) von über 1 Million (Metallgehalt) enthalten; ihre Gewinnung kann zur Sicherung der Versorgung der Bundesrepublik mit mineralischen Rohstoffen beitragen. An der Extraktion der Wertmetalle wird gearbeitet. — Lagerstättenkundliche und bodenphysikalische Untersuchungen ergaben keine nachteiligen Fakten für eine Gewinnung der Schiefer im Tagebau. - Von hydrogeologischer Seite sind nach dem vorliegenden Kenntnisstand keine gravierenden Probleme für den Abbau und die Ablagerung der Rückstände zu erwarten. — Eine Rekultivierung abgebauter Flächen wirft keine fachlichen Probleme auf. — Der von der BKB in Zusammenarbeit mit der Veba-Chemie AG und der Lurgi durchgeführte erste Schwelversuch mit 20 t Ölschiefer verlief erfolgreich und erbrachte rd. 1 t staubarmes Ö1. — Außerdem zeichnen sich Möglichkeiten ab, die Rückstände aus der Schieferschwelung als Baumaterial zu nutzen, wie es bereits seit längerer Zeit in ähnlicher Weise in Dotternhausen (Baden-Württemberg) praktiziert wird. Aufgrund dieser Ergebnisse hält es die Bundesregierung im Rahmen ihrer Bemühungen um die Energiesicherung und die Verringerung der Importabhängigkeit bei Erdöl für geboten, die Untersuchungen zur Beurteilung der wirtschaftlichen und technischen Realisierbarkeit des Vorhabens fortzusetzen. Sie wird hierin auch durch die in den USA erzielten Ergebnisse bestärkt: Dort werden zur Zeit 5 große Versuchsanlagen zur Verarbeitung von Ölschiefer betrieben, darunter eine von der staatlichen Energy Research and Development Administration (ERDA). Retortenversuche mit bis zu 1 000 t Ölschieferdurchsatz pro Tag sind erfolgreich abgeschlossen. Die Versuche lassen den Schluß zu, daß dort 01 aus Ölschiefer auf der Basis der derzeitigen Ölpreise wirtschaftlich gewonnen werden kann. Zu Frage B 61: Die Planung der Infrastruktur des angesprochenen Raumes fällt primär in die Zuständigkeit der niedersächsischen Landesregierung. Nach unseren Informationen sind die Probleme, die sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn nach Wolfsburg ergeben haben, soweit behoben, daß aus diesem Grunde der Durchführung dieses Vorhabens keine Hinderungsgründe entgegenstehen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die Antwort der niedersächsischen Landesregierung vom 6. Oktober 1976 (Landtags-Drucksache 1843) auf eine Anfrage des Abgeordneten Reinemann, die ich auszugsweise als Anlage beifüge. Anlage Auszug aus der Antwort der niedersächsischen Landesregierung vom 6. Oktober 1976 auf die Anfrage des Abgeordneten Reinemann (Landtags-Drucksache 1843) ... Nachdem die Braunschweigischen KohlenBergwerke als Konzessionsnehmer beim Bergamt einen entsprechenden Rahmenbetriebsplan vorgelegt haben, hat der Präsident des niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig auf Anregung der Bergbehörde ein Raumordnungsverfahren gemäß § 14 NROG eingeleitet. In diesem Verfahren soll festgestellt werden, ob die bergbaulichen Planungen mit den Zielen der Landesplanung und Raumordnung vereinbar sind. Dabei werden auch die planerischen Belange der umliegenden Gemeinden berücksichtigt werden. Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse hat es den Anschein, daß der Abbau des Vorkommens mit den Planungen der Gemeinde Lehre in Einklang gebracht werden kann. ... Nach Auffassung der Landesregierung muß zunächst das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens abgewartet werden, weil gerade dieses Verfahren dazu berufen ist, die raumbeanspruchenden Planungen aufeinander abzustimmen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, daß dem Vorkommen im Hinblick auf sein Ölinhalt auf längere Sicht nicht nur regionale Bedeutung beizumessen ist . . . Anlage 83 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen B 66 und 67): 916* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Über wieviel Arbeitsplätze verfügt die Kernkraftwerke bauende Industrie in der Bundesrepublik Deutschland für Inlands- und Auslandsaufträge einschließlich der Arbeitsplätze bei den Vorlieferanten? In welcher Weise würde sich nach Meinung der Bundesregierung ein — wenn auch nur vorübergehender — Baustopp für Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland auf die Exportchancen der deutschen Kernkraftwerkshersteller auswirken? Zu Frage B 66: Nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin, von Mitte 1976 werden in der Kernkraftwerke bauenden Industrie gegenwärtig fast 20 000 Erwerbstätige unmittelbar beschäftigt. Die Zahl der Personen, die in den Sektoren mit direkten Vorleistungen beschäftigt sind, wird auf über 30 000 und in den Wirtschaftszweigen, die indirekt vom Kernkraftwerksbau abhängig sind, auf weitere fast 30 000 geschätzt. Werden die im privaten Verbrauch zusätzlich induzierten Effekte mit berücksichtigt, so dürfte der Beschäftigungseffekt insgesamt gegenwärtig etwa 115 000 bis 120 000 Personen umfassen. Der Brennstoffkreislauf ist bei dieser Betrachtung nicht mit einbezogen (nach Angaben der Industrie etwa 5 000 Personen). Zu Frage B 67: Ein Baustopp für Kernkraftwerke kann zur Freisetzung und Abwanderung von zum Teil hochqualifizierten Kräften und zu einer Beeinträchtigung der Weiterentwicklung der Kernkraftwerkstechnik führen. Mit zunehmender Dauer eines Baustopps würde der im Exportgeschäft wichtige Bezug auf InlandReferenzanlagen immer weniger dem Stand der internationalen Technik entsprechen. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß auch ein nur vorübergehender Baustopp für Kernkraftwerke von Exportkunden zum Anlaß genommen wird, um Zweifel an der Bonität der angebotenen Kernkraftwerkstechnik zu hegen. Die Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit der in der Bundesrepublik Deutschland beheimateten Kernkraftwerksindustrie ist offensichtlich. Anlage 84 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Walz (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 73): Welche forschungs-, wirtschafts- und finanzpolitischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der vom französischen Petroleuminstitut ausgearbeiteten zweibändigen Studie The World Market for Offshore Mobile Drilling Rigs — the present position and prospects, 1978-1985", die eine Analyse des kurzfristigen und langfristigen Bedarfs der verschiedenen Bohrinseltypen in den einzelnen geographischen Lagen enthält? Die von Ihnen genannte Studie ist eine von vielen Studien, die gegenwärtig weltweit zu diesem Fragenkreis erstellt werden. Ihre Ergebnisse sind in erster Linie für die deutsche meerestechnische Industrie sowie für die Rohöl- und Gaswirtschaft von Interesse. Die Studie ist im Industriebereich bekannt. Eine Ausrichtung der im Rahmen des Gesamtprogramms Meeresforschung und Meerestechnik geförderten Entwicklungsarbeiten, zu denen auch schwimmende Bohreinrichtungen gehören, an den Markterfordernisse ist vorgenommen; hierbei bestehen insbesondere laufende Kontakte zur Deutschen Erdölversorgungsgesellschaft mbH — DEMINEX, die bekanntlich zahlreiche Offshore-Aktivitäten hat. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß die deutschen Belange berücksichtigt werden. Anlage 85 Antwort des Bundesministers Ertl auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Dollinger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 76) : Trifft es zu, daß französische Exportfirmen die Lieferung von 75 000 Tonnen Butter in die Sowjetunion vorbereiten, was die europäischen Steuerzahler zusätzliche 450 Millionen DM Exportsubventionen kosten würde, und was hat — bejahendenfalls — die Bundesregierung dagegen unternommen. Vorab möchte ich darauf hinweisen, daß die Kompetenz der Verwaltung des Marktes und damit für die Festsetzung der Erstattung bei der EG-Kommission liegt. Deshalb hat die Bundesregierung, als in der vorletzten Februarwoche bekannt wurde, daß in der Gemeinschaft ansässige Exporteure über die Ausfuhr größerer Mengen Butter (etwa 75 000 t) in Drittländer verhandelt haben, unverzüglich fernmündlich Kontakte mit Kommissar Gundelach aufgenommen. Dabei ist er gebeten worden, Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, daß vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor über die Angelegenheit beraten worden ist. Ein Fernschreiben mit gleicher Zielrichtung habe ich am 18. Februar 1977 an Kommissar Gundelach abgesandt. Am 24. Februar hat der Vertreter der Bundesregierung in der Sitzung der Marktdirektoren die Kommission aufgefordert, wegen der politischen Bedeutung eines Exports in dieser Größenordnung eine Erörterung im Rat herbeizuführen und bis dahin die Exporterstattungen auszusetzen. Die Kommission hat daraufhin die Vorfixierungsmöglichkeiten für Exporterstattungen bei Butter für die Zeit vom 28. Februar bis 2. März 1977 einschließlich ausgesetzt, um Zeit für weitere Überlegungen zu gewinnen. Inzwischen hat sich herausgestellt, was der Bundesregierung noch nicht bekannt war, daß bereits in der Vorwoche, das heißt vor Aussetzung der Vorausfixierung, 36 000 t Butter für die Ausfuhr in dritte Länder vorausfixiert worden waren. Die Kommission hatte in den zwischenzeitlich erfolgten Verhandlungen zugesagt, geeignete Anschlußregelungen zu ergreifen. Sie berät heute darüber. Neben dieser Sachverhaltsdarstellung darf ich auf folgendes Grundsätzliche hinweisen: Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß bei der derzeitigen Situation auf dem Butter- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 917* markt auch in Zukunft Exporte zu Weltmarktkonditionen erforderlich sein werden. Sie berücksichtigt dabei auch, daß verschiedene Länder in der Gemeinschaft zu den klassischen Exportländern für Milchprodukte gehören, denen dieser Export aus Gründen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und aus Gründen ihrer Zahlungsbilanz nicht verwehrt werden kann. Dieser Sachverhalt hat seinen Niederschlag auch im geltenden Gemeinschaftsrecht gefunden. Die Bundesregierung hat aber kein Verständnis dafür, daß die Gemeinschaftsmittel vorrangig für Exporte zur Verfügung gestellt werden. Sie betont vielmehr, daß mit Hilfe der Gemeinschaftsmittel ein Gleichgewicht zwischen den Absatzmaßnahmen im Export und im Inneren ermöglicht werden muß. Dies ist — neben den Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Marktsituation auf dem Milchsektor gefordert werden — in allen Gesprächen gegenüber der Kommission vertreten worden. Anlage 86 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Eimer (Fürth) (FDP) (Drucksache 8/129 Fragen B 77 und 78): Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Arbeitnehmer älter als 63 Jahre und wie viele älter als 65 Jahre sind? Kann die Bundesregierung die Höhe der Beitragseinnahmen beziffern, die der Rentenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit dadurch entstehen, daß diese Arbeitnehmer nicht oder nur zum Teil beitragspflichtig sind? Zu Frage B 77: Nach den Mikrozensusergebnissen des Statistischen Bundesamtes vom Mai 1975, den aktuellsten verfügbaren Daten, befanden sich unter den beschäftigten Arbeitern und Angestellten 372 000, die 63 bzw. 191 000, die 65 Jahre und älter waren. Zu Frage B 78: Exakte Angaben über Beitragsmindereinnahmen, welche sich aufgrund besonderer Vorschriften zur Beitragspflicht älterer Arbeitnehmer in der Sozialversicherung ergeben, können mangels geeigneter Feststellungen bei den Versicherungsträgern von der Bundesregierung derzeit nicht gemacht werden. Es ist zu beachten, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung derartige Beitragsmindereinnahmen nicht eintreten, da es hier keine an eine Altersgrenze gebundene Beitragsbefreiung gibt. Jede versicherungspflichtige Beschäftigung begründet grundsätzlich eine Beitragspflicht. Hinsichtlich der Bundesanstalt für Arbeit sind gemäß § 169 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz Arbeitnehmer beitragsfrei, die das 63. Lebensjahr vollendet haben. Von dieser Regelung wird die Leistungsgewährung nicht berührt. Die Beitragsmindereinnahmen für diesen Personenkreis können nur annähernd geschätzt werden, da Unterlagen zur Schichtung der Arbeitsentgelte oder Angaben zum Durchschnittsentgelt dieser älteren Arbeitnehmer nicht verfügbar sind. Unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsentgelts der Versicherten im Jahre 1975 von 21 808 DM und im Jahre 1976 von 23 400 DM und wegen des Umstands, daß ältere Arbeitnehmer durchschnittlich in geringerem Maße Einkommen aus Erwerbstätigkeit (Teilzeit-, Aushilfstätigkeit) beziehen, wären die Beitragsmindereinnahmen bei der Bundesanstalt für Arbeit derzeit auf rund 190 bis 210 Millionen DM jährlich zu beziffern. Um die Beitragsmindereinnahmen der Rentenversicherung abschätzen zu können, sind Aufschlüsse über das Zusammentreffen von Renteneinkommen mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei den genannten Arbeitnehmergruppen erforderlich. Aus der amtlichen Statistik sind diese Informationen nicht zu erhalten. Nach Auskunft des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger ist es jedoch unter Umständen möglich, mittels der Unterlagen der Rentenversicherungsträger diese Beitragsmindereinnahmen einzugrenzen. Diese Feststellungen können leider nicht in dem zu Verfügung stehenden Zeitraum getroffen werden. Ich werde mich bemühen, möglichst rasch diese Informationen zu erhalten und werde Sie umgehend unterrichten. Anlage 87 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 79): Wann gedenkt die Bundesregierung, die Wahlordnung gemäß § 39 des Mitbestimmungsgesetzes vorzulegen, und wird diese Wahlordnung eine Schlichtungsstelle für den Fall von Zuordnungsschwierigkeiten auf den Wählerlisten enthalten? Die Arbeiten an den umfangreichen und rechtstechnisch nicht einfachen drei Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz sind noch nicht abgeschlossen, so daß ich Ihnen heute noch nicht den genauen Termin für den Erlaß dieser Rechtsverordnungen angeben kann. Die Bundesregierung ist jedoch bemüht, die Wahlordnungen so rechtzeitig zu erlassen, daß die Masse der unter das Mitbestimmungsgesetz fallenden Unternehmen, die das Gesetz erst im Jahre 1978 erstmalig anwenden wird, die Aufsichtsratswahlen bereits auf Grund der Wahlordnungen durchführen kann. Ob die Wahlordnungen zur vorgerichtlichen Klärung von Schwierigkeiten im Wahlvorstand über die Eingruppierung der Arbeitnehmer in die Wählerlisten eine Schlichttungs- oder Schiedsstelle enthalten werden, kann ich ebenfalls noch nicht beantworten. Die Entscheidung hierüber hat das Bundeskabinett bei der Verabschiedung der Wahlordnungen zu treffen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich dieser Entscheidung nicht vorgreifen kann. 918e Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3, März 1977 Anlage 88 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 80) : Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, ob und in welchem Maß die Bundesländer ihrer Beschäftigungspflicht nach dem Schwerbehindertengesetz nachkommen, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung gegebenenfalls, die im Schwerbehindertengesetz vorgesehene Beschäftigungsquote in allen Bundesländern zu erreichen? Über den Umfang, in dem die Bundesländer im Bereich des öffentlichen Dienstes die Beschäftigungspflicht nach dem Schwerbehindertengesetz erfüllen, liegt mir ein Bericht der Bundesanstalt für Arbeit vor, der auf einer vorläufigen Auswertung der Anzeigen gemäß § 10 des Schwerbehindertengesetzes für das Jahr 1975 beruht. Danach sind die die Bundesländer der ihnen obliegenden Beschäftigungspflicht am Stichtag 1. Oktober 1975 wie folgt nachgekommen: Schleswig-Holstein 3,0 vom Hundert Hamburg 3,7 vom Hundert Niedersachsen 6,4 vom Hundert (nur Ministerien und Staatskanzlei, ohne nachgeordnete Dienststellen) Bremen 4,6 vom Hundert Nordrhein-Westfalen 3,9 vom Hundert Hessen 3,7 vom Hundert Rheinland-Pfalz 4,7 vom Hundert Saarland 3,2 vom Hundert Baden-Württemberg 3,0 vom Hundert Bayern 3,6 vom Hundert Berlin 6,3 vom Hundert. Zahlen für das Jahr 1976 stehen mir noch nicht zur Verfügung. Die Anzeigen der Arbeitgeber für diesen Zeitraum werden derzeit eingeholt; sie sind bis zum 31. März 1977 an die Arbeitsämter zu erstatten. Das Ergebnis der Auswertung dieser Anzeigen kann frühestens Ende 1977 erwartet werden. Die Bundesregierung hält es angesichts der unbefriedigenden Beschäftigungssituation der Schwerbehinderten für vordringlich, auf die Erfüllung der Beschäftigungspflicht im öffentlichen Dienst hinzuwirken. Sie geht davon aus, daß die Länder und Kommunen diese Bemühungen aus eigener Verantwortung nachhaltig unterstützen. Die Ergebnisse der vorläufigen Auswertung der Anzeigen für das Jahr 1975 haben dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und dem Bundesminister des Innern Veranlassung gegeben, gemeinsam die Gründe für die unzureichende Erfüllung der Beschäftigungspflicht im öffentlichen Dienst zu analysieren und nach Wegen zur Abhilfe zu suchen. Die Ergebnisse der Untersuchung werden den Bundesländern und den kommunalen Spitzenverbänden zusammen mit konkreten Vorschlägen und Anregungen so bald wie möglich unterbreitet werden. Anlage 89 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schwörer (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 81, 82, 83 und 84) : Kann die Bundesregierung bestätigen, daß sich die Zahl der Arbeitsplätze von 1973 bis 1976 ständig vermindert hat und daß der zeitweise Rückgang der Zahl der Arbeitslosen ausschließlich auf der Abwanderung von Ausländern und auf dem Ausscheiden sonstiger Personen aus dem Erwerbsleben beruht? Trifft es zu, daß die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland stärker zurückgegangen ist als die der Arbeitslosen und daß wir 1976 eine halbe Million weniger Arbeitsplätze hatten als 1973? Welche Konsequenzen will die Bundesregierung daraus ziehen, daß in den kommenden Jahren die Zahl der Personen, die das Rentenalter erreichen, Jahr für Jahr um mindestens 100 000 geringer ist als die Zahl der jungen Menschen, die ins Berufsleben eintreten? Kann die Bundesregierung angesichts der labilen konjunkturellen Lage und der dadurch verringerten Wachstumserwartung und angesichts großer struktureller Schwierigkeiten weiterhin an ihrer Projektion festhalten, die Arbeitslosigkeit bis 1979 auf 600 000 Arbeitslose abzubauen, und wann wird sie ein Programm vorlegen, um die vom Bundeswirtschaftsminister für Notwendigkeit angesehene jährliche 8%ige Investitionsrate auch wirklich zu erreichen? Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft beantworte ich Ihre Fragen wie folgt: Die Zahl der abhängig Beschäftigten, die der Zahl der von Arbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze entspricht, ist zwischen 1973 und 1976 schätzungsweise um 1,31 Millionen auf 21,25 Millionen zurückgegangen. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der Arbeitslosen um 787 000 auf 1,06 Millionen (Jahresdurchschnitt 1976) erhöht. Die Abnahme der Beschäftigtenzahl war im genannten Zeitraum deshalb größer als die Zunahme der Arbeitslosenzahl, weil die Zahl der deutschen und der ausländischen Erwerbspersonen insgesamt rückläufig war. Dabei ist der Rückgang der ausländischen Erwerbsbevölkerung hauptsächlich eine Folge des Anwerbestopps für ausländische Arbeitnehmer aus Nicht-EG-Staaten vom November 1973. Die Konsolidierungspolitik im Bereich der Ausländerbeschäftigung wurde von der Bundesregierung mit dem Ziele eingeleitet, die soziale Infrastruktur und den Arbeitsmarkt — auch im Interesse der in der Bundesrepublik arbeitenden Ausländer — zu entlasten. Im Verlaufe des Jahres 1976 hat sich die Arbeitsmarktlage gebessert. So liegen seit Mai 1976 die monatlichen Arbeitslosenzahlen unter und die der offenen Stellen über dem jeweiligen Vorjahresstand. Die Zahl der abhängig Beschäftigten und damit der besetzten Arbeitsplätze lag im November 1976 um schätzungsweise knapp 250 000 über dem Stand von Februar 1976. Die deutsche Erwerbspersonenzahl wird — überwiegend demographisch bedingt — bis 1980 um rund 350 000 und bis 1985 um weitere 450 000 zunehmen. Wenngleich die hieraus resultierende Belastung für den Arbeitsmarkt durch einen weiteren Rückgang der Ausländerbeschäftigung teilweise kompensiert werden dürfte, ist vor allem die Schaffung zusätzlicher Dauerarbeitsplätze notwendig, um die aus der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit und der zunehmenden Erwerbsbevölkerung resultierenden Beschäftigungsprobleme nachhaltig zu verringern. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 919' Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung bleibt deshalb darauf abgestellt, unter Beachtung der Stabilitätserfordernisse private und öffentliche Erweiterungsinvestitionen im notwendigen Umfange zu ermöglichen. Insbesondere das in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976 angekündigte und derzeit in Vorbereitung befindliche mehrjährige öffentliche Investitionsprogramm zur wachstums- und umweltpolitischen Vorsorge wird diesem Ziele dienen. Die wirtschafts- und finanzpolitischen Bemühungen der Bundesregierung zur Beschäftigungssicherung werden wirksam von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zur vorübergehenden Unterbringung von Arbeitslosen, zur Eingliederung von schwer vermittelbaren Personen und zur Steigerung der beruflichen wie der regionalen Mobilität der Erwerbspersonen flankiert. Die bildungspolitischen Bemühungen der Bundesregierung sind an der Aufgabe orientiert, den nunmehr in das Erwerbsleben tretenden geburtenstarken Jahrgängen in engem Zusammenwirken mit Wirtschaft und Bundesländern ein ausreichendes Angebot an betrieblichen und schulischen Ausbildungsmöglichkeiten zu sichern. Die Entwicklung der Zahl der registrierten Arbeitslosen ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben der Konjunkturentwicklung spielt auch die Beteiligung der Bevölkerung am Erwerbsleben (Veränderung der Erwerbsquote) sowie die Veränderung der Zahl der ausländischen Arbeitnehmer eine erhebliche Rolle. Nach dem derzeitigen Informationsstand können — bei allen Unsicherheiten im einzelnen — die Eckdaten der Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bis zum Jahre 1980 (Bundestags-Drucksache 8/101) aufrechterhalten werden. Die Rahmenbedingungen für eine Wirtschaftspolitik, welche die in der Projektion angestrebte Wirtschaftsentwicklung unterstützt, hat die Bundesregierung in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 1977 (Bundestags-Drucksache 8/72) ausführlich dargelegt. Anlage 90 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneter Schreiber (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen B 85 und 86): Sind der Bundesregierung wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen, z. B. in Schweden und in den USA, über die direkt und indirekt (längerfristig) auftretenden gesundheitlichen Gefährdungen durch PVC-Materiale und Vinylchloridgase am Arbeitsplatz und im Haushalt bekannt, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Haben gegebenenfalls die Erkenntnisse und Erfahrungen auf diesem Gebiet in den angeführten Ländern zu gesetzgeberischen Maßnahmen geführt, und wenn ja, inwieweit wird die Bundesregierung ebenfalls gesetzgeberisch tätig werden? Der Bundesregierung ist aus verschiedenen Veröffentlichungen bekannt, daß im europäischen und nichteuropäischen Ausland Ende der sechziger Jahre bei Beschäftigten in der VC- und PVC-Herstellung berufsbedingte Erkrankungen, nämlich Fälle von Akroosteolyse (Zerstörungsprozeß in den Knochen der Fingerendglieder) und Raynaudsches Syndrom (Durchblutungsstörungen an den Händen), aufgetreten sind. Zu Beginn des Jahres 1972 wurde die Akroosteolyse auch in der Bundesrepublik Deutschland nachgewiesen. Im Jahr 1974 traten erstmals — insbesondere in den USA — in vereinzelten Fällen bösartige Erkrankungen an der Leber (Angiosarkome) bei. Personen auf, die am Arbeitsplatz besonders VC-Gas-exponiert waren. In bezug auf Gegenstände im Haushalt ist aus internationalen Untersuchungsberichten bekannt, der Rest-VC-Gehalt im PVC möglichst gering sein sollte, sofern derartige Bedarfsgegenstände mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Nachdem der Zusammenhang zwischen den genannten Erkrankungen und der Einwirkung von Vinylchlorid-Gas bei der VC/PVC-Herstellung erkannt worden war, wurden unverzüglich Gegenmaßnahmen zur Risikominderung an den Arbeitsplätzen ergriffen. In der Bundesrepublik Deutschland sind die wichtigsten Schutzmaßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden beim Umgang mit VC in den von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie unter Mitwirkung von Vertretern der Gewerbeaufsicht erarbeiteten „Vinylchlorid-Richtlinien" zusammengefaßt. Nach diesen Richtlinien müssen die Luftverhältnisse in den Betrieben ständig überprüft und die Produktionsstätten entsprechend belüftet werden. Außerdem sind beim Reinigen der Druckbehälter besondere Sicherheitsmaßnahmen notwendig. Ferner sind laufende Überwachungsuntersuchungen vorgeschrieben. Zur Unterrichtung über weitere Einzelheiten zu diesem Fragenkreis weise ich auf den Unfallverhütungsbericht 1976 der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 7/4668, Seiten 77 bis 81) hin. Hinsichtlich des Haushaltsbereiches ist noch zu ergänzen, daß in den USA zur Zeit eine gesetzliche Regelung über Bedarfsgegenstände aus PVC, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, vorbereitet wird. Schweden hat einen Höchstgehalt an VC in Lebensmitteln, die mit dem Kunststoff PVC in Berührung kommen, gesetzlich festgelegt. Die Bundesregierung wird die von der EG-Kommission dem Rat bereits als Vorschlag vorgelegte Richtlinie über Vinylchlorid enthaltende Materialien und Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, unverzüglich in deutsches Recht umsetzen. Anlage 91 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 87): ist der Bundesregierung bekannt, daß viele unersetzliche Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen dadurch verlorengehen, daß in Krisen geratene Unternehmen gezwungen sind, Sanierungsverhandlungen zwecks Erhaltung von Arbeitsplätzen abzubrechen und Konkurs anzumelden, um so die Erlangung des Konkursausfallgelds für die Belegschaft zu gewährleisten, und was denkt die Bundesregierung bejahendenfalls dagegen zu tun? 920S Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Der Bundesregierung sind bisher keine Fälle bekanntgeworden, in denen Sanierungsverhandlungen abgebrochen und Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt werden mußte, um den Arbeitnehmern den Anspruch auf Konkursausfallgeld zu ermöglichen. Sie würde jedoch auch keine Möglichkeit sehen, solche Schwierigkeiten durch eine entsprechende Änderung der Vorschriften über das Konkursausfallgeld zu vermeiden. Ein Anspruch auf Konkursausfallgeld besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer das ihm zustehende Arbeitsentgelt nicht oder nicht rechtzeitig erhält, weil der Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden ist. Die Zahlungsunfähigkeit steht aber in den weitaus überwiegenden Fällen erst dann zweifelsfrei fest, wenn das Konkursgericht dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens stattgegeben oder ihn mangels Masse abgewiesen hat. Konkursausfallgeld kann dagegen nicht bereits dann gezahlt werden, wenn der Betrieb Sanierungsverhandlungen führt. In diesem Fall würde das Konkursausfallgeld der Vorfinanzierung von Ansprüchen der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers, also bei bloßen Zahlungsverzögerungen, dienen. Das entspricht nicht dem ausschließlichen Ziel der Konkursausfallversicherung, die Arbeitnehmer gegen das Risiko eines endgültigen Lohnausfalls zu sichern. Anlage 92 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Meinike (Oberhausen) (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 89): Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit und die Möglichkeiten, auch bei Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, soweit ihre Aufgabe überwiegend wirtschaftlichen Zwecken gewidmet ist (z. B. Kreditanstalt für Wiederaufbau), die erweiterte Mitbestimmung einzuführen, und was gedenkt sie gegebenenfalls zu unternehmen? Wirtschaftliche Unternehmen in der Rechtsform von Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich auf andere Zwecke ausgerichtet als Unternehmen in einer privatrechtlichen Rechtsform. Sie sind Teil der öffentlichen Verwaltung und haben auf diese Weise der Versorgung der Bürger zu dienen. Die für die Mitbestimmung in privatrechtlichen Unternehmen maßgeblichen Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit sind so bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen nicht festzustellen. In öffentlich-rechtlichen Unternehmen sind die Verwaltungsräte durchweg mit Mitgliedern besetzt, die demokratisch legitimiert sind, der parlamentarischen Verantwortlichkeit unterliegen oder als Sachverständige von Organen oder Institutionen bestellt werden, die ihrerseits der parlamentarischen Verantwortlichkeit unterliegen. Die Bundesregierung sieht z. Z. keine Notwendigkeit, hier eine erweiterte Mitbestimmung nach den Grundsätzen des Mitbestimmungsgesetzes einzuführen. Anlage 93 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biehle (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 90 und 91): Trifft es zu, daß die Bundesregierung im Zuge des Austauschprogramms ihre Zustimmung für den Neubau von 69 Wohnungen für Familien von Angehörigen der US-Armee im Truppenübungsplatzgelände in Wildflecken gegeben hat und nicht, wie von zivilen Stellen erbeten, im Gemeindebereich von Wildflekken, und welches waren gegebenenfalls die Gründe dafür? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Gemeinde Wildflecken im Hinblick auf die geplanten Wohnbaumaßnahmen finanziell aufwendige Erschließungen vorgenommen und auch Gelände außerhalb des Truppenübungsplatzes zur Verfügung gestellt hat, um die mit Steuergeldern erbauten Erschließungsanlagen (Kanal, Wasser, Straße usw.) auch sinnvoll auszulasten, und will man diesem Umstand noch Rechnung tragen? Zu Frage B 90: Es trifft zu, daß die Bundesregierung im Zuge des US-Ersatzwohnungsbaus ihre Zustimmung für den Neubau von 69 Wohnungen für Familien von Angehörigen der US-Armee auf dem Truppenübungsplatzgelände in Wildflecken gegeben hat. Für diese Entscheidung waren zwei Gründe maßgebend: a) Die von der Oberfinanzdirektion Nürnberg durchgeführten Untersuchungen der wirtschaftlichsten Lösung haben ergeben, daß eine Bebauung des Grundstückes an der Reußendorfer Straße wegen zusätzlich erforderlicher Versorgungseinrichtungen, Kanal- und Straßenarbeiten gegenüber einer Errichtung auf dem Truppenübungsplatzgelände Mehrkosten in Höhe von rd. 436 000 DM für den Bund verursachen würde. b) Die US-Streitkräfte haben sich mit einer Bebauung außerhalb des Truppenübungsplatzgeländes nicht einverstanden erklärt, weil eine Betreuung der dort Wohnenden und die Unterhaltung der Gebäude für sie unwirtschaftlich ist, da sämtliche Betreuungs- und Versorgungseinrichtungen sich auf dem Truppenübungsplatzgelände befinden. Zu Frage B 91: Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Gemeinde Wildflecken Erschließungsmaßnahmen für den Bau von 72 Bundesdarlehenswohnungen an der Reußendorfer Straße durchgeführt hat, für die u. a. eine Bundesfinanzhilfe gewährt worden ist (Zuschuß von 168 000 DM und ein Darlehen in Höhe von 400 000 DM mit einem Zins- und Tilgungssatz von je 3 %) . Darüber hinaus ist der Gemeinde eine Zusage über den Bau weiterer Wohnungen nicht gegeben worden. Der Bund hat aus diesem Grund auch die Erweiterung der Versorgungsanlagen nicht gefordert. Anlage 94 Antwort des Pari. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Bötsch (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 92) : Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 921* Treffen Pressemeldungen zu, daß in der Stadt Würzburg zwischen der Feggrube und Heidingsfeld eine Behelfsüberquerung des Mains von der Bundeswehr geplant ist, und ist der Bundesregierung bekannt, daß durch eine solche Maßnahme eines der wenigen stadtnahen Erholungsgebiete der Stadt Würzburg in erheblichem Umfang betroffen würde? In der Verteidigungsplanung der NATO sind in bestimmten Bereichen der großen Flüsse für militärische, aber auch für zivile Zwecke Ersatzübergangsstellen vorgesehen, weil im Verteidigungsfall mit dem Ausfall von Brücken gerechnet werden muß. Eine solche Ersatzübergangsstelle, die im wesentlichen aus einer etwa 10 m breiten Rampe als Uferbefestigung der beiden Uferböschungen und je einer Verbindungsstraße zur nächsten Hauptstraße besteht, soll auch in Würzburg-Heidingsfeld, etwa bei Fluß-Km 255,47 gebaut werden. Insoweit treffen die Pressemeldungen zu. Ihre Befürchtung, durch die Ersatzübergangsstelle werde eines der wenigen stadtnahen Erholungsgebiete in erheblichem Umfange betroffen, ist jedoch unbegründet. Durch die o. g. Tiefbaumaßnahmen wird das Erholungsgebiet nicht beeinträchtigt. Nach Abschluß der Baumaßnahmen werden die Ufer wieder begrünt und bepflanzt, so daß der gesamte Uferbereich der Offentlichkeit uneingeschränkt zur Verfügung steht. Die beiden Straßen zu den Mainufern werden als öffentliche Straßen u. a. auch als Zufahrt zum geplanten Sportgelände an der Feggrube genutzt werden können. Anlage 95 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 93) : Ist die Bundesregierung bereit, zu veranlassen, eine Ortsbesichtigung der Ortschaft Niederbolheim vornehmen zu lassen, um sich so ein genaues Bild über die Beeinträchtigungen durch die Fluglärmbelästigung des NATO-Flugplatzes Nörvenich zu verschaffen, wenn nein, warum nicht? Mit Schreiben vom 26. November 1976 und 13. Januar 1977 wurden Ihnen die Gründe dargelegt, die einer globalen Umsiedlung der Ortschaft Niederbolheim entgegenstehen. Anläßlich Ihres Besuches am 7. Februar 1977 beim IP-Stab wurden diese Gründe nochmals eingehend erörtert. Aufgrund der Rechtslage verspricht sich die Bundesregierung von einer Ortsbesichtigung keine neuen Erkenntnisse. Dies schließt jedoch ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einem weiteren Gespräch „vor Ort" beim JaboG 31, wie das am 7. Februar 1977 von Ihrer Besuchergruppe gewünscht wurde, nicht aus. Anlage 96 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Werner (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 94 und 95) : Ist die Bundesregierung bzw. das Bundesverteidigungsministerium angesichts der Schwierigkeiten, die sich aus der geplanten Erweiterung des Standortübungsplatzes Lerchenfeld (Alb-DonauKreis) ergeben, bereit, Verhandlungen mit der französischen Regierung mit dem Ziel aufzunehmen, den Truppenübungsplatz Münsingen in die deutsche Zuständigkeit zu übernehmen und die Brigade 28 gegebenenfalls von ihrem derzeitigen Standort nach Münsingen zu verlegen? Hat das Bundesverteidigungsministerium bei der Ausarbeitung der Pläne über die Erweiterung des Lerchenfelds umfassend nach Alternativstandorten für die Brigade 28 bzw. Teile davon gesucht und gründlich geprüft, ob die Truppenübungsplätze Grafenwöhr und Münsingen (letzterer insbesondere nach Abzug von französischen Einheiten aus dem Raum Tübingen-Horb) stärker für Ausbildung und Übungen auch von kleineren Einheiten der genannten Brigade benützt werden können? Die Frage einer Übernahme des TrÜbP1 Münsingen stellt sich für das Bundesministerium der Verteidigung gegenwärtig nicht, weil durch die dann notwendige Mitbenutzung durch die französischen Streitkräfte die derzeitige Nutzung durch das Heer nicht nennenswert zu verbessern wäre. Durch das Fehlen eines Standortübungsplatzes (StOÜbP1) in Münsingen sind die dort stationierten Verbände ohnehin schon auf den TrÜbP1 angewiesen. Eine weitergehende Nutzung des TrÜbP1 als StOÜbP1 ist wegen der geringen Zahl von TrÜbP1 nicht zu vertreten. Unabhängig davon ist die Verlegung der Dornstädter Teile der Brig 28 nach Münsingen nicht möglich, da dieser Standort überbelegt ist und Zubauten in absehbarer Zeit nicht zu realisieren sind. Vor Aufstellung der Brig 28 — und das gleiche galt schon zuvor für das PzRgt 200 — wurden Alternativstandorte gesucht, aber nicht gefunden. Das Problem liegt in erster Linie am Mangel an für Kettenfahrzeuge geeigneten Standorten/Standortübungsplätzen im gesamten Heeresbereich. Zur Mitbenutzung der TrÜbP1 Grafenwöhr und Münsingen durch Einheiten der Brig 28 ist festzustellen, daß diese Plätze im Rahmen von Mitbenutzungsvereinbarungen von Heereseinheiten generell intensiv genutzt werden und die Brig 28 adäquat beteiligt ist. In Münsingen stehen der Brig 28 nach Absprache mit der dortigen Kommandantur kleinere Flächen für Ausbildungsvorhaben zur Verfügung, die normalerweise auf StOÜbP1 durchzuführen sind. Diese Flächen zu vergrößern, ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich, es sei denn, es würde auf dem TrUbP1 nicht scharf geschossen. Anlage 97 Antwort des Parl. Staatssekretär Dr. von Bülow auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pawelczyk (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen B 96, 97 und 98) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um den Bestimmungen des Verwaltungsabkommens zwischen dem Bundesverteidigungsminister und der Behörde für 922* Deutscher -Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Wissenschaft und Kunst der Freien und Hansestadt Hamburg vom 25. Juni 1976 entsprechend die kooperative Gesamthochschule bis spätestens 1979 und die integrierte Gesamthochschule bis spätestens 1984 in Hamburg zu errichten? Ist die Bundesregierung weiterhin der Ansicht, daß alle Maßnahmen unterstützt und gefördert werden müssen, die dem Konzept eines Studiums an den Hochschulen der Bundeswehr dienen, wie es in dem Gutachten der Bildungskommission an den Bundesverteidigungsminister 1971 — Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr — niedergelegt worden ist, wo es heißt, daß im Rahmen des Studiums des Offiziers/OA gesellschaftswissenschaftliche Grundlagen und Erkenntnisse vermittelt werden müssen, und daß dies der Vorbereitung auf den Beruf des Offiziers ebenso wie dem Verständnis für den Zusammenhang des jeweiligen Studiengangs mit den übergreifenden sozialen Gegebenheiten und Entwicklungen dient? Hält die Bundesregierung nach wie vor an der einhelligen Meinung des Gründungsausschusses der Hochschule der Bundeswehr Hamburg fest, wonach eine denkbare Konfrontation zwischen dem akademischen Prinzip der Selbstverantwortung und dem militärischen Prinzip von Befehl und Gehorsam auf den Ebenen der Hochschulorganisation sowie der Studiengestaltung eindeutig zugunsten der akademischen Freiheitsgrenze zu lösen sei? Zu Frage B 96: Die Gesamthochschule Hamburg wird nicht von der Bundesrepublik Deutschland, sondern von der Freien und Hansestadt Hamburg errichtet. Rechtliche Grundlage für die Errichtung einer Gesamthochschule Hamburg auf der Basis des Hochschulrahmengesetzes wird das neue Hamburgische Hochschulgesetz sein, das nach den Planungen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg etwa 1979 in Kraft treten soll. Die Beteiligung des Bundesministers der Verteidigung und der Hochschule der Bundeswehr Hamburg an der Fortentwicklung des Hochschulgesetzes ist durch das von Ihnen erwähnte Verwaltungsabkommen vom 25. Juni 1976 sichergestellt. Weitere Maßnahmen sind erst nach Inkrafttreten des Gesetzes möglich. Zu Frage B 97: Das Studium an den Hochschulen der Bundeswehr ist nach dem Vorschlag im Gutachten der Bildungskommission des Bundesministeriums der Verteidigung vom 18. Mai 1971 ein auf curricularer Grundlage beruhendes dreijähriges wissenschaftliches Fachstudium mit erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Bestandteilen. Durch die Einbeziehung von erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Elementen in die einzelnen Fachstudiengänge soll der Bezug zum späteren Tätigkeitsfeld als Offizier ebenso wie im Zivilberuf hergestellt werden. An diesem Ziel wird festgehalten. Das Konzept des Studiums wird bis zum Abschluß der Aufbauphase schrittweise realisiert. Zu Frage B 98: Aufgrund des Beschlusses der Bundesregierung vom 6. September 1972 wurden mit Zustimmung des Deutschen Bundestages Hochschulen der Bundeswehr in Hamburg und München für ein Studium im Rahmen der Offizierausbildung errichtet. Sie sind als wissenschaftliche Hochschulen von der Freien Hansestadt Hamburg und vom Freistaat Bayern anerkannt worden. Nach den Rahmenbestimmungen gelten für Organisation und Studienbetrieb der Hochschulen der Bundeswehr die Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes. Danach ist eine Konfrontation zwischen dem akademischen Prinzip der Selbstverantwortung und dem militärischen Prinzip von Befehl und Gehorsam nicht denkbar. Anlage 98 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Fiebig (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 99) : Ist die Selbstmordrate in der Bundeswehr höher als in der übrigen Bevölkerung, wenn ja, welche vorbeugenden Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen? Die Selbsttötungsrate ist in besonderem Maße geschlechts- und altersabhängig. Zu einem Vergleich mit den Streitkräften sind daher von der Gesamtbevölkerung nur die vergleichbaren Altersgruppen der übrigen männlichen Bevölkerung heranzuziehen: Selbsttötungsraten bei Soldaten und männlichen Einwohnern insgesamt sowie bei 20-25- und 20-60jährigen (auf 100 000 der zugehörigen Ist-Stärke) insgesamt 20-25jährige 20-60jährige Jahre I männliche Soldaten männliche Soldaten I männliche Soldaten Einwohner I Einwohner Einwohner 1957/60 17,8 25,8 16,1 22,8 . . 1956/65 16,4 26,4 14,8 24,5 . 1966/70 15,6 28,2 13,1 26,2 14,3 35,9 1971/75 18,8 (27,4) ') 16,6 (28,9) 1) 16,9 (34,4) 1) 1) = vorläufige Ziffer (ohne 1975) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 923* Die Gegenüberstellung weist aus, daß die Selbsttötungsrate bei den Soldaten der Bundeswehr bisher stets niedriger lag als bei den übrigen männlichen Einwohnern der Bundesrepublik. Anlage 99 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Bülow auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Spitzmüller (FDP) (Drucksache 8/129 Fragen B 100 und 101): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sicherzustellen, daß sich Vorfälle, wie ani 23. Februar 1977 im Luftraum über Landshut, nicht wiederholen, wo im kontrollierten Luftraum beinahe eine australische Verkehrsmaschine mit drei Militärmaschinen der Deutschen Bundeswehr kollidiert wäre? Treffen Meldungen zu — und was wird die Bundesregierung gegebenenfalls in diesem Bereich unternehmen —, daß bestimmte Flüge der Luftwaffe ohne Abstimmung mit der Flugsicherung auch im kontrollierten Luftraum durchgeführt werden dürfen, also auf den von Verkehrsflugzeugen benutzten Luftstraßen, und stimmt es, daß die Leitstellen der Luftstreitkräfte nicht über die nötigen Geräte verfügen, um die von der zivilen Flugsicherung übermittelten Daten zu verarbeiten und ihre eigenen Flugzeuge entsprechend einzuweisen? Zu Frage B 100: Die Bemühungen um die Sicherung des Deutschen Luftraumes mit dem vorrangigen Ziel, einen Zusammenstoß nach menschlichem Ermessen auszuschließen, sind ein ständiges Anliegen der verantwortlichen Ministerien. Durch die im Februar letzten Jahres vorgelegte „Konzeption der Bundesminister für Verkehr und der Verteidigung für die Erhöhung der Sicherheit im Luftraum und die Organisation der Flugsicherung in der Bundesrepublik Deutschland" wurden Maßnahmen festgelegt, deren bisherige Verwirklichung den fraglichen Luftraum spürbar sicherer gemacht haben. Besonders augenfällig ist dabei die drastische Reduzierung der Fastzusammenstöße mit Beteiligung von Militärmaschinen im Luftraum oberhalb 3 000 m. In diesem Luftraum sind Flüge nach Sichtflugregeln verboten. Neben dem von der Flugsicherung geführten Luftverkehr werden Luftverteidigungsflüge in diesem Raum gemäß einer Vereinbarung zwischen BMV und BMVg vom 21. Dezember 1970 durchgeführt. Der bei dem Vorfall vom 23. Februar 1977 im Raum München beteiligte Luftverteidigungsflug wird zur Zeit bei einer Institution der Bundesanstalt der Flugsicherung (BFS) — dem Air Miss Commitee — untersucht. Soweit beim BMVg aus den bisherigen Unterlagen ersichtlich ist, war eine Gefährdung der Linienmaschine nicht gegeben. Um sicherzustellen, daß auch weiterhin kritische Situationen im Luftraum reduziert und möglichst ausgeschlossen werden, müssen mit Nachdruck die Maßnahmen aus der Konzeption realisiert werden. Im Zusammenhang mit Luftverteidigungsflügen können die sehr aufwendigen technischen Maßnahmen nur langfristig abgeschlossen werden. Unabhängig davon hat die Luftwaffe aber bereits einseitig sofort realisierbare Sicherheitsmaßnahmen befohlen und eingeführt. Wesentlichster Teil dieser Maßnahmen ist die ständige Abstrahlung einer bestimmten Kennung mittels Transponder, mit der jedes militärische Luftfahrzeug ständig nach Position, Höhe und Zugehörigkeit den Flugsicherungsstellen kenntlich gemacht werde kann. Weitere Maßnahmen der Luftwaffe sind die Einführung eines Sicherheitspuffers bei der Anwendung von Vertikalstaffelung und die befohlene Erprobung von Koordinationsverbindungen zwischen Luftverteidigungs- und Flugsicherungsstellen. Alle Maßnahmen zusammengenommen lassen derzeit größtmögliche Sicherheit erwarten und erscheinen geeignet — bei uneingeschränkter Verwendung der angebotenen Daten durch die Flugsicherung — mögliche Risiken auszuschließen. Zu Frage B 101: Die Festlegung kontrollierten Luftraums besagt zunächst noch nicht, daß alle Flüge, die in diesem Raum durchgeführt werden, mit der Flugsicherung abgestimmt werden müssen. So darf sich jedes Sportflugzeug — Sichtflugbedingungen vorausgesetzt — bis 3 000 m ohne Kontakt mit bzw. Genehmigung durch Flugsicherungsstellen frei bewegen. Über Höhen von 3 000 m gelten die Bestimmungen für das Beschränkungsgebiet ED-R9; d. h., Flüge in diesem Bereich werden nach Instrumentenflugregeln durchgeführt und bedürfen einer Genehmigung durch die Flugsicherungsstellen. Flüge im Rahmen der NATO-Luftverteidigung erfolgen unter ständiger Radarkontrolle durch Luftverteidigungsstellen aufgrund der Vereinbarung BMV-BMVg vom 21. Dezember 1970. Eine Überwachung des Luftverteidigungsverkehrs durch zivile Flugsicherungsstellen kann aufgrund deren Aufgaben und wegen des Auftrags der Luftverteidigung nicht realisiert werden. Diese Flüge erfolgen jedoch mit Auflagen, die eine sichere Abwicklung unter den heutigen technischen und betrieblichen Gegebenheiten gewährleisten. Die Radarleitstellen der Luftverteidigung arbeiten mit eigenständigem Gerät zur Darstellung der gesamten Luftlage. Ein Rechnerverbund von Luftverteidigungsstellen und Flugsicherungsstellen wird angestrebt, ist jedoch aufgrund des finanziellen und technischen Projektumfanges noch nicht vorhanden. Heute werden von den Flugsicherungsstellen bestimmte Flugplandaten von zivilen Instrumentenflügen mittels Fernschreiber an Luftverteidigungsstellen übermittelt. Diese Daten sind nur zur Identifizierung verwertbar. Verbesserungen hinsichtlich der Aktualität von Flugdaten wurden dadurch erreicht, daß die Luftwaffe den Flugsicherungsstellen die Position, Höhe und die kontrollierende Radarstelle der Luftverteidigung aller Luftverteidigungsflüge mittels Sekundärradar anzeigt und somit einwandfreie Identifizierung ermöglicht. Bei konsequenter Nutzung dieser Daten durch die Flugsicherung können so rechtzeitig Kontrollanweisungen gegeben werden, daß gefährliche Situationen vermieden werden. Die Besatzungen der am 23. Februar 1977 über Landshut beteiligten F-4F-Flugzeuge hatten das Se- 924* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 kundärradar auf die befohlene Kodierung eingestellt. Da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, ist noch keine Aussage darüber möglich, ob die Münchner Flugsicherungsstelle von diesen Daten Gebrauch gemacht hat, um durch Kontrollanweisung an den Jumbo oder durch Koordination mit der führenden Luftverteidigungsstelle eine vermeintlich drohende Gefahr rechtzeitig abzuwenden. Anlage 100 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schmidt (Kempten) (FDP) (Drucksache 8/129 Frage B 102): Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegen die weitere Verwendung von Diaethylstilböstrol (DES) zu unternehmen, nachdem auf Grund einer Mitteilung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft dieses im Handel unter Verschreibung befindliche Medikament als Krebs- und Mißbildungen auslösend erkannt worden ist? Am 16. Februar 1977 fand beim Bundesgesundheitsamt im Institut für Arzneimittel eine Sachverständigensitzung statt, auf der die Anwendung von Diäthylstilböstrol unter Berücksichtigung der vermeidbaren unerwünschten Wirkungen diskutiert wurde. Aufgrund der Aussagen der Sachverständigen kommt das Bundesgesundheitsamt zu folgenden Empfehlungen: 1. Wegen der möglichen Risiken soll die systemische Anwendung von Diäthylstilböstrol bzw. Fosfestrol auf die Behandlung von hormonabhängigen Tumoren, insbesondere Prostatacarcinom beschränkt werden. Diese Therapie sollte von Leberfunktionsprüfungen begleitet werden. Von der systemischen Anwendung von Diäthylstilböstrol bei anderen Indikationen wird abgeraten. 2. Für die externe Anwendung von Diäthylstilböstrol und verwandten Stoffen gibt es keine vertretbaren Indikationen mehr, vielmehr kann Diäthylstilböstrol als Inhaltstoff ausnahmslos durch andere Wirkstoffe vom Typ der Steroidöstrogene ersetzt werden. 3. Bei der vaginalen Anwendung sollte ebenfalls eine Umstellung von Diäthylstilböstrol auf Östrogene mit Steroidstruktur angestrebt werden. Solange solche Präparate noch verfügbar sind sollten die Indikationen eingeschränkt werden auf Kraurosis vulvae (krankhafte Veränderungen an den Schamlippen) sowie Colpitis senilis (Scheidenschleimhautentzündung). Als Kontraindikation gilt die Schwangerschaft. Diese Empfehlungen werden ausgesprochen auf der Basis von Tierexperimenten, die kanzerogene Eigenschaften des Diäthylstilböstrols erkennen ließen, sowie der aus dem Ausland bekanntgewordenen Tatsache, daß junge Frauen, deren Mütter während der Schwangerschaft hohe Dosen von Diäthylstilböstrol erhalten hatten, Veränderungen an der Vaginalschleimhaut sowie bestimmte Anomalien des Zervixepithels gezeigt hatten. Die Bedeutung dieser Befunde für eine mögliche Krebsentstehung beim Menschen ist noch unklar. In der Bundesrepublik sind bisher keine Fälle von Krebs bekanntgeworden, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der therapeutischen Anwendung von Diäthylstilböstrol stehen. Die getroffenen Maßnahmen sind deshalb als vorbeugend anzusehen. Durch sie soll ein mögliches Risiko für Patienten verhindert werden. Die dem Diäthylstilböstrol chemisch nahe verwandten Stoffe mit hormoneller Wirkung bedürfen der weiteren Prüfung. Patienten, die mit diesen Stoffen behandelt werden, sollten regelmäßig überwacht und über mögliche Risiken aufgeklärt werden. Ostrogene Hormone gleich welcher Struktur sollten generell nur unter sorgfältiger ärztlicher Indikationsstellung angewendet werden. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß die von Ihnen genannte Mitteilung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft im Deutschen Ärzteblatt Nr. 3 vom 20. Januar 1977 in Absprache mit dem Bundesgesundheitsamt erfolgte. Sie sollte die Ärzte zur besonderen Vorsicht bei der Anwendung dieser bei bestimmten Krankheiten bisher unersetzbaren Präparate bewegen. Anlage 101 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hasinger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 103) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Beeinträchtigung der Transparenz, die für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung dadurch eintritt, daß bei Arzneimitteln häufig nicht mehr der Preis, sondern nur noch eine Schlüsselnummer auf der Packung angegeben wird, und welche Folgerungen zieht sie gegebenenfalls daraus? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß Arzneimittel, die in der Apotheke auf Rezept abgegeben werden, an Stelle der Preisangabe eine Schlüsselnummer tragen. Bei der von Ihnen erwähnten „Schlüsselnummer" könnte es sich ggfs. um die Registrier-Nummer handeln, die vom Bundesgesundheitsamt bei der Eintragung in das Spezialitätenregister erteilt wird. Evtl. könnte diese „Schlüsselnummer" auch eine Produktionsnummer des Herstellers sein, die jedoch nichts mit dem Preis des Arzneimittels zu tun hat. Auch für Arzneimittel gilt die Verordnung über Preisangaben vom 10. März 1973 (BGBl. I S. 461). Nach dieser Verordnung sind Waren, die sichtbar ausgestellt werden und Waren, die vom Verbraucher unmittelbar entnommen werden können, durch Preisschilder oder Beschriftung der Waren selbst auszuzeichnen. Waren, die nicht sichtbar im Verkaufsraum zum Verkauf bereitgehalten werden, können auch dadurch ausgezeichnet werden, daß die Behältnisse oder Regale, in denen sich die Wa- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 925* ren befinden, beschriftet werden oder daß Preisverzeichnisse angebracht oder zur Einsichtnahme aufgelegt werden. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Preisangabe besteht für Waren, für die auf Grund von Rechtsvorschriften eine Werbung untersagt wird. Auf dem Arzneimittelsektor entfällt somit die Preisauszeichnungspflicht für verschreibungspflichtige Arzneimittel sowie für Arzneimittel, die zur Beseitigung der Schlaflosigkeit bestimmt sind. Anlage 102 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Burger (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 104) : Zählen Grippeimpfungen noch zu den gemäß j 51 Abs. 1 Nr. 3 des Bundesseuchengesetzes als von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlenen Impfungen, und werden etwa auftretende Impfschäden entschädigt? Die Gruppeimpfung ist in allen Bundesländern öffentlich empfohlen, in Rheinland-Pfalz allerdings nur für Risikopersonen und bestimmte Schlüsselberufe. Dementsprechend werden etwaige Impfschäden nach § 51 des Bundesseuchengesetzes entschädigt. Anlage 103 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 105): Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen oder sind beabsichtigt, um der eventuell gesundheitsschädlichen Wirkung von Sprays (Ozonvernichtung), PCB-Stoffen und dem Farbstoff Amaranth Rechnung zu tragen? Die Belastung mit den genannten Umweltchemikalien (Fluorchlorkohlenwasserstoffe, Polychlorierte Biphenyle u. a.) sind der Bundesregierung seit langem bekannt. Deshalb sind Maßnahmen zur Verminderung der Belastung bereits im Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 sowie erneut im Umweltbericht 76 der Bundesregierung, insbesondere im Kapitel „Umweltchemikalien", behandelt worden. In dem vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit im März 1976 herausgegebenen Bericht der interministeriellen Projektgruppe „Umweltchemikalien" mit dem Titel „Umweltchemikalien, Probleme — Situation — Maßnahmen" sind die von der Bundesregierung auf dem Gebiet der Umweltchemikalien bis dahin durchgeführten umfangreichen gesetzgeberischen Maßnahmen u. a. auf den Seiten 10-32, die FKW- und PCB-Problematik auf den Seiten 62-64 dargestellt. Zur Frage der möglichen Gesundheitsgefährdung durch FKW (Spraytreibgase) habe ich am 20. Juni 1975 sowie am 9. April 1976 Bundestagsanfragen beantwortet, worauf ich verweisen möchte (vgl. Stenographische Berichte der 182. und der 236. Sitzung des Deutschen Bundestages — 7. Wahlperiode). Die laufenden Forschungsmaßnahmen, die in einem großen Umfang von der Bundesregierung und in den USA eingeleitet worden sind, werden weitere Aufklärung über das Ausmaß der Wirkung der FKW auf die Stratosphäre erbringen. Nähere Einzelheiten bitte ich auch der Antwort des Bundesministers des Innern auf die mündlichen Fragen des Herrn Abgeordneten Hoffie zu diesem Thema anläßlich der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 2. März 1977 zu entnehmen. Wegen der aus der weltweiten Anwendung von PCB resultierenden Umweltbelastung haben die in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vertretenen Staaten bereits am 13. Februar 1973 eine Empfehlung über die Einschränkung der Verwendung und des Verbrauchs von PCB angenommen. Die Bundesregierung hat die Erstellung dieser Empfehlung tatkräftig unterstützt. Die Europäischen Gemeinschaften haben die OECD-Empfehlung übernommen und inhaltlich zum Gegenstand a) einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen vom 27. Juli 1976 (Amtsblatt der EG Nr. L 262 vom 27. Sept. 1976, S. 201) sowie b) einer Richtlinie des Rates über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und Terphenyle vom 6. April 1976 (Amtsblatt der EG Nr. L 108 vom 26. April 1976, S. 41) gemacht. Die Bundesregierung wird diese Richtlinien innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraums in nationales Recht umsetzen. Abgesehen davon ist für die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, daß auf der Grundlage einer freiwilligen Selbstbeschränkung der Industrie die Anwendung dieser Stoffe in allen „offenen Systemen", wie in Farben, Kunststoffen, Weichmachern, Papier, Imprägniermitteln praktisch bereits seit Jahren eingestellt worden ist. Der Farbstoff Amaranth ist auf Grund der Farbstoff-Richtlinie der EG unter der Nummer E 123 in den EG-Mitgliedstaaten, so auch in der Bundesrepublik Deutschland, zum Färben von Lebensmitteln zulässig. In den USA ist dieser Farbstoff von der FDA (Food and Drug Administration) auf Grund von Fütterungsversuchen, die die FDA selbst durchgeführt hat, am 23. Januar 1976 verboten worden. Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuß der EG, dem von deutscher Seite Prof. Franck vom Bundesgesundheitsamt und Prof. Marquardt angehören, hat sich am 27. Februar 1976 nach gründlicher Prüfung der amerikanischen Unterlagen mit der Frage befaßt, ob im Lichte der amerikanischen Berichte 926* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1973 seine Stellungnahme vom Juni 1975, wonach Amaranth weiter als Lebensmittelfarbstoff benutzt werden könne, aufrecht zu erhalten sei. Der Ausschuß bejahte dies; er erkannte den temporären ADI-Wert (täglich akzeptable Dosis) von 0,75 mg Farbstoff/kg Körpergewicht an und forderte bis zum 31. Dezember 1978 weitere Langzeit- und Reproduktions-Versuche. Nach der ausführlichen Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes vom 1. Juni 1976 über Amaranth sind Maßnahmen im Sinne einer Anwendungsbeschränkung derzeit nicht erforderlich. Ebenso hat die Farbstoff-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Vorsitzender Prof. Schmähl, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg) keinen Anlaß gesehen, auf Grund der amerikanischen Untersuchungen zu empfehlen, Amaranth nicht weiter als Lebensmittelfarbstoff zu verwenden. Aufgrund obiger Stellungnahmen ist die Bundesregierung der Auffassung, daß hinsichtlich Amaranth derzeit keine Maßnahmen erforderlich sind. Anlage 104 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Will-Feld (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 106) : Trifft es zu, daß Fahrpreisermäßigungen für Besitzer des Seniorenpasses für Strecken der Deutschen Bundesbahn nicht in Linienbussen der Deutschen Bundespost oder der freien Unternehmer, die im Auftrag der Deutschen Bundesbahn — jedoch nicht im Schienenersatzverkehr — fahren, gewährt werden, und wenn ja, denkt die Bundesregierung daran, auch hier die entsprechende Ermäßigung für diesen Personenkreis einzuführen? Es trifft zu, daß Fahrpreiserhöhungen für Besitzer des Seniorenpasses nicht in Linienbussen der Deutschen Bundespost oder freier Unternehmer, die im Auftrag der Deutschen Bundesbahn (DB) — jedoch nicht im Schienenersatzverkehr — fahren, gewährt werden. Bei dem Sonderangebot „Senioren-Paß" handelt es sich nicht um eine sozialpolitische Maßnahme, sondern um ein kommerzielles Angebot der DB, welches ausschließlich den Zweck hat, vorhandene Kapazitäten im Schienenverkehr zu füllen. Anlage 105 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Hüsch (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 107): Welche Vorstellungen hat der Bundesverkehrsminister über die im Bau befindliche Rheinbrücke Flehe-Uedesheim hinaus zur Beendigung der täglichen mehrstündigen Verkehrsstaue im Raume Düsseldorf—Neuss—Meerbusch hinsichtlich Planung, Ausführung, Finanzierung und zeitlichem Ablauf? Für den weiträumigen Ost-West-Verkehr im Bereich Düsseldorf—Neuss—Meerbusch sieht der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen je eine Rheinbrücke im Zuge der A 46 bei Flehe und der A 44 bei Kaiserswerth vor. Mit der Fertigstellung der im Bau befindlichen Rheinbrücke Flehe voraussichtlich im Jahre 1980 wird bereits eine wesentliche Verbesserung der Verkehrssituation erreicht. Der Rheinübergang im Zuge der A 44 (Dringlichkeitsstufe Ib) wird nach den derzeitigen finanziellen Perspektiven voraussichtlich nicht vor 1985 in Angriff genommen werden können. Anlage 106 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 108) : Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um die Zusage von Bundesminister Gscheidle auf dem Jahreskongreß des Bundesverbands des deutschen Güterfernverkehrs zu verwirklichen, „daß man ein Instrumentarium suchen werde, das geeignet sei, die Wettbewerbsposition der deutschen Verkehrsunternehmen zu stärken"? Die Bundesregierung wird in bilateralen Verhandlungen mit den Staaten, die dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe angehören, versuchen, zu geeigneten Vereinbarungen zu kommen, um die Wettbewerbsstellung der deutschen Verkehrsunternehmen zu stärken. Notfalls kann die Bundesregierung in enger Abstimmung mit den gleichfalls betroffenen westlichen Nachbarstaaten von den Möglichkeiten des Außenwirtschaftsgesetzes Gebrauch machen, um schwerwiegenden Wettbewerbsverfälschungen durch die Verkehrsunternehmen der Staatshandelsländer zu begegnen. Anlage 107 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 109) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung haben als sie auf dem Ausbildungsstellenmarkt anbieten, und wird sie Maßnahmen ergreifen, die die Ausnutzung aller Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundesbahn und bei der Bundespost ermöglichen? Die Nachwuchsplanung und Ausbildung im Bereich der Deutschen Bundesbahn (DB) fällt in die Zuständigkeit des Vorstandes der DB. Der Bedarf an Auszubildenden muß an der Verpflichtung der DB zur sparsamsten Wirtschaftsführung nach kaufmännischen Grundsätzen (§ 28 Bundesbahngesetz) ausgerichtet bleiben. Da sich die DB gegenwärtig in einer einschneidenden Phase der Rationalisierung und damit verbundenen Personal- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 927* abbaus befindet, kann das nicht ohne Auswirkungen auf die Nachwuchsplanung sein. Eine Ausbildung über den dadurch verminderten Eigenbedarf ist deshalb nur vertretbar, wenn der DB die hierfür notwendigen Kosten erstattet werden. Für den Bereich der DB werden z. Z. in Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz 961 Ausbildungsplätze nicht genutzt. Angesichts der schwierigen Situation für Jugendliche, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Bundesminister für Verkehr schon im Jahre 1975 den Vorstand der DB gebeten, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die im Bereich der DB nicht genutzten Ausbildungskapazitäten anderen Ausbildungsträgern gegen Kostenerstattung zur Verfügung zu stellen. Diese Anregung hat der Vorstand der DB voll unterstützt und die Bundesbahndirektionen angewiesen, zur Vermittlung der freien Ausbildungsplätze Verbindung mit den Landesregierungen, Arbeitsämtern und Handwerksorganisationen aufzunehmen. Was den Bereich der Deutschen Bundespost (DBP) anbetrifft, so gilt folgendes: Im Hinblick auf die immer dringender werdende Notwendigkeit, bildungs- und arbeitsmarktpolitisch vernünftige Übergänge vom Ausbildungssystem in das Beschäftigungssystem zu gewährleisten, hat sich die DBP entschlossen, ihr Ausbildungsangebot insoweit umzuschichten, daß sie verstärkt Ausbildungsmöglichkeiten im Postbereich anbietet. Sie wird daher 1977 Ausbildungsmöglichkeiten für 3 025 Nachwuchskräfte für den einfachen Postdienst anbieten, was gegenüber 1976 (1 988) eine Steigerung um mehr als 50 % bedeutet. Daneben wird sie für den mittleren Postdienst 500 Nachwuchskräfte (1976 =0) und für den gehobenen Postdienst 131 Nachwuchskräfte (1976 = 104) einstellen. Alle diese Kräfte haben die Möglichkeit, nach erfolgreich beendeter Ausbildung ihren Arbeitsplatz bei der DBP zu finden. Die vorhandene Ausbildungskapazität von rund 200 Ausbildungsplätzen im Elektromechanikerhandwerk wird auch 1977, ebenso wie in den Vorjahren, voll genutzt. Im Fernmeldehandwerk hat die Deutsche Bundespost auch 1977 keinen Eigenbedarf an Nachwuchskräften. Gleichwohl stellt die DBP 4 000 Ausbildungsmöglichkeiten im Fernmeldehandwerk, einem hochqualifizierten und recht mobilen Berufsbild, zur Verfügung. Diese Maßnahme belastet den Haushalt des Unternehmens auf eine dreijährige Ausbildung bezogen mit rund 350 Millionen DM. Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß diese 4 000 Auszubildenden, ebenso wie die in den Jahren 1975 und 1976 bereits ohne Eigenbedarf eingestellten Auszubildenden, grundsätzlich keine Aussicht haben, von der DBP in ein ihrer Ausbildung entsprechendes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Soweit in Ausbildungsstätten für das Fernmeldehandwerk noch freie räumliche und personelle Kapazitäten vorhanden sind, werden diese auch 1977 anderen Ausbildungsträgern zur Nutzung gegen Kostenerstattung angeboten werden. Diese Maßnahme hat sich 1975 und 1976 außerordentlich gut bewährt und andere Ausbildungsträger (Arbeitsämter, Berufsfortbildungswerke der Gewerkschaften, Kirchen u. ä.) in die Lage versetzt, besonders benachteiligte Jugendliche in berufsvorbereitende und berufsfördernde Maßnahmen mit hohem Sozialisierungswert einzubeziehen. Die Bemühungen zur Nutzung freier Ausbildungskapazitäten werden verstärkt fortgesetzt. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß durch diese Nutzung freier Kapazitäten und durch eigene Ausbildungsmaßnahmen die Ausbildungsmöglichkeiten im Fernmeldehandwerk voll genutzt werden. Insgesamt erhöht die Deutsche Bundespost damit 1977 ihr Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten um ca. 12 v. H. und leistet damit einen beachtlichen Beitrag zur Linderung der Ausbildungsnot und Jugendarbeitslosigkeit. Sie wird auch weiterhin in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen ihren Beitrag zum Abbau des Mangels an Ausbildungsmöglichkneiten beisteuern und alle entsprechenden Maßnahmen unterstützen. Anlage 108 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 110): Beabsichtigt die Bundesregierung eine Neuregelung der Abstände für die Bebauung an Wasserstraßen, die möglicherweise durch neuere Entwicklungen (Schubverkehr, Nutzung als Naherholungsbereich) notwendig werden könnten? Es gibt keine bundesrechtlichen Baubeschränkungen an Bundeswasserstraßen. Es ist daher Sache der nach Bundesbaugesetz zuständigen Planungsträger (Gemeinden), aus örtlichen Erfordernissen Einzelregelungen über die Abstände für die Bebauung an Wasserstraßen zu treffen. Die heutige Entwicklung des Binnenschiffsverkehrs (Größe der Schiffsgefäße, Fahrgeschwindigkeiten, Motorleistungen) gibt z. Z. auch keine Veranlassung, den Fragenkreis bundesrechtlich zu regeln. Bei dieser Entscheidung sind sowohl die Erfordernisse der Binnenschiffahrt selbst als auch ihre Einflüsse auf die Umwelt einbezogen worden. Anlage 109 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abg. Menzel (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 111) : 928' Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Teilt die Bundesregierung die Auffassung des ADAC, daß die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers bei der Bewertung von Verkehrsverstößen durch den Drang nach Vereinheitlichung (System der Vergabe von Strafpunkten) zu kurz komme, und ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, auf eine Änderung der entsprechenden Vorschriften hinzuwirken, damit künftig die Tilgung von Strafpunkten in der „Verkehrssünderkartei" nicht schon unterbleibt, wenn kurz vor Ablauf der Zweijahresfrist nur ein einziger Punkt wegen einer verkehrsrechtlichen Bagatellsache hinzukommt? Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Die Verwaltungsbehörde hat beim Entzug der Fahrerlaubnis alle Gesichtspunkte und Tatsachen im Hinblick auf die Eignung des Kraftfahrers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu würdigen. Dies gilt auch für die Anwendung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 15 b Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (Punktsystem). § 1 Abs. 1 dieser Vorschrift bestimmt, daß auch die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem aufgrund einer „eingehenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Fahrerlaubnisinhabers" erfolgt. In diesem Rahmen wird das Punktsystem praktiziert, welches — im Interesse der Gleichbehandlung gleichartiger Tatbestände — auch dafür sorgt, daß z. B. ein leichtes Verkehrsdelikt überall als leichter Verstoß gewertet bzw. bepunktet wird. Eine Änderung der Zwei-Jahresfrist für die Tilgung von Verkehrsverstößen sowie der Regelung über die Tilgungshemmung, falls während dieser Zeit neue Verstöße hinzukommen, ist derzeit nicht beabsichtigt. Die Frist ist ohnehin schon relativ knapp bemessen und bezweckt gerade — im Interesse der Würdigung der Gesamtpersönlichkeit — die Beurteilung des Betroffenen hinsichtlich seines Verhaltens über einen gewissen Zeitraum. Im übrigen ist die Eintragung von verkehrsrechtlichen Bagatellsachen im Verkehrszentralregister unzulässig: geringfügige Ordnungswidrigkeiten fallen in den Verwarnungs- und Bußgeldbereich bis 40,— DM (§ 56 Ordnungswidrigkeitengesetz, § 27 Straßenverkehrsgesetz) ; sie werden nicht in das Verkehrszentralregister eingetragen (§ 28 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz). Anlage 110 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 112 und 113): Auf welche Höhe werden sich die Kosten belaufen, die durch die Beigabe von Geschiebe in den Rhein an der Staustufe Iffezheim, wodurch eine schädliche Erosion der Rheinsohle verhindert werden soll, entstehen, und mit welchen weiteren Nebenkosten ist im Rahmen des Naturgroßversuchs zu rechnen? Durch welche Maßnahmen soll sichergestellt werden, daß das Anlegen weiterer Kiesentnahmestellen in Verbindung mit der Geschiebebeigabe die Rheinebene nicht verunstaltet und der Grundwasserhaushalt nicht nachteilig beeinflußt wird? Zu Frage B 112: Die Kosten einer Geschiebezugabe im Unterwasser der Staustufe Iffezheim hängen weitgehend von den Abflüssen und damit von der Stärke der Erosionswirkung des Rheins ab. Neben den veränderlichen Kosten für Lieferung und Einbau des Kieses entstehen noch Kosten für Kontroll- und Verkehrssicherungsarbeiten (Nebenkosten). Bei einer zeitlich bis 1980 begrenzten Geschiebezugabe, bei welcher der Kiesbedarf von den oberrheinischen Kieswerken gedeckt werden kann, ist mit Gesamtkosten von — durchschnittlich 5,0 Millionen DM/Jahr, — maximal 6,5 Millionen DM/Jahr zu rechnen, wovon jeweils etwa 1,5 Millionen DM/ Jahr auf Nebenkosten entfallen. Zu Frage B 113: Durch eine kontinuierliche Zugabe von Geschiebe wird weitgehend ein Absinken des Rheinwasserspiegels und damit des Grundwasserspiegels verhindert. Außerdem ist vorsorglich vorgesehen, wie in der Stauhaltung Iffezheim den Altrheinzug als Stützgewässer auszubauen. Eine nachteilige Beeinflussung des Grundwasserhaushalts ist somit nicht zu befürchten. Bei einer zeitlich begrenzten Geschiebezugabe ist es nicht notwendig, neue Kiesentnahmestellen anzulegen. Im Falle einer Geschiebezugabe als Dauerlösung müßten dagegen Entnahmestellen erschlossen werden, so daß dann gewisse Eingriffe in die Landschaft der Rheinebene nicht zu vermeiden wären. Deshalb sind für die Anwendung einer Geschiebezugabe als langfristige Lösung zur Verhinderung der Erosion noch eingehende Untersuchungen in volkswirtschaftlicher und landespflegerischer Hinsicht notwendig. Diese Untersuchungen werden in Abstimmung mit den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie mit der betroffenen Region durchgeführt. Anlage 111 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 114 und 115) : Wie wird sich der Bundesminister für Verkehr gegen den vom Duisburger Oberstadtdirektor, Caumanns, öffentlich erhobenen Vorwurf — der Bundesminister für Verkehr trage die Schuld und somit logischerweise auch die Verantwortung für die „Fehlplanung" des Angerbogen-Projekts — zur Wehr setzen? Wie erklärt sich der Bundesminister für Verkehr die Behauptung des Oberstadtdirektors von Duisburg, Laumanns, in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" und in der „Rheinischen Post", Lokalteil Duisburg, vom 23. November 1976, wonach durch Verkehrsplanänderung des sog. Angerbogen-Projekts dem Bundesminister für Verkehr eine Fehlinvestition von ca. 30 Millionen DM entstanden sei, und welche Folgerungen zieht sie daraus? Wie in der Antwort auf Ihre im Dezember 1976 eingereichte Frage bereits im einzelnen erläutert, kann gar keine Rede davon sein, der Bundesminister für Verkehr sei für Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Angerbogen-Projekt verantwortlich. Insofern hat der Bundesminister für Verkehr auch überhaupt keinen Anlaß, eine Erklärung zu den angeblichen Äußerungen des Oberstadtdirektors der Stadt Duisburg abzugeben. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 929* Anlage 112 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schrift- lichen Fragen der Abgeordneten Frau Karwatzki (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen 116 und 117): Hat die Bundesregierung das sogenannte Angerbogen-Projekt in Duisburg-Süd gefördert, und wenn ja, teilt sie die Auffassung, daß es sich dabei um eine Fehlplanung in der Größenordnung von ca. 30 Millionen DM handelt, und welche Folgerungen wird sie gegebenenfalls daraus ziehen? Trifft es zu, daß bei der Durchführung des genannten Projektes durch nachweisbare Fehlplanungen Bundesmittel zweckentfremdet verwandt worden sind, und wenn ja, beabsichtigt die Bundesregierung, bisher geleistete Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt für das Angerbogen-Projekt zurückzufordern? Die Bundesregierung hat dem Land Nordrhein-Westfalen für das Stadtbahnprojekt DuisburgHuckingen (Angerbogen) in den Jahren 1971 bis 1973 Bundesfinanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) in Höhe von rd. 13 Millionen DM gewährt. Das entspricht einem zuwendungsfähigen Bauvolumen von 23 Millionen DM. Die Maßnahme ist in der Prioritätenliste des Landes für den Stadtbahnausbau als „sehr dringlich erforderlich" eingestuft und erfüllte somit die Förderungsvoraussetzungen nach § 3 GVFG. Mit Rücksicht auf ein geplantes Neubaugebiet wurde die Strecke mit 2 Haltestellen abschnittweise in Hochlage geführt. Die Anerkennung der Mehrkosten für diese Hochlage wurde 1970 davon abhängig gemacht, daß das Neubaugebiet innerhalb von 3 bis 5 Jahren begonnen wird. Dies ist bislang nicht geschehen. Die Länder verwalten die GVFG-Mittel in eigener Zuständigkeit. Die Entscheidung darüber, ob bei dem Projekt Duisburg—Huckingen etwa eine fehlerhafte Mittelverwendung vorliegt und ob gewährte Zuwendungen zurückzufordern sind, obliegt somit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Diese hat bisher die Frage einer Fehlplanung verneint, weil das Siedlungsprojekt Angerbogen nicht aufgegeben worden ist. Anlage 113 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. von Geldern (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 118): Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß ein öffentliches Interesse daran besteht, daß im Zuge des Ausbaus der Bundesautobahn A 27 Bremen—Cuxhaven im Bereich des Driftsether Dammes alles getan werden muß, um voraussehbare Gefahren von den Verkehrsteilnehmern abzuwenden, nachdem durch den schweren Verkehrsunfall auf der Bundesautobahn-Umgehung Bremerhaven deutlich geworden ist, daß die bisherigen viehwehrenden Maßnahmen nicht ausreichend sind und daß es nicht angehen kann, die jeweiligen Anlieger allein für die Herstellung der notwendigen Zäune verantwortlich zu machen und dieses unkontrolliert zu lassen, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung in diesem Sinne treffen? Die Bundesregierung ist mit Ihnen der Auffassung, daß voraussehbare Gefahren, die durch das Ausbrechen von Weidetieren entstehen können, abzuwenden sind. Die erforderlichen Maßnahmen haben jedoch die Tierhalter zu treffen. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der Bundesgerichtshof haben in grundlegenden Entscheidungen hervorgehoben, daß es nicht Aufgabe des Trägers der Straßenbaulast ist viehabwehrende Zäune entlang der Bundesfernstraßen zu errichten. Dabei wird darauf verwiesen, daß für die Gefahr des Ausbrechens von Vieh nicht der Betrieb der Straße ursächlich ist, es sich vielmehr um Einwirkungen handelt, die von Nachbargrundstücken auf die Straße ausgehen. Die Kosten der Einzäunung hat der Träger der Straßenbaulast dann zu entschädigen, wenn das Weidegebiet eines Eigentümers als Folge der Inanspruchnahme von Gelände für den Straßenbau durchschnitten wird. In diesem Fall sind die Aufwendungen ausschließlich durch die Landinanspruchnahme bedingt; sie wären sonst dem Eigentümer von Weidegrundstücken nicht entstanden. Den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr werde ich in seiner Eigenschaft als oberste Landesstraßenbaubehörde bitten, über die zuständigen Behörden Einfluß auf Tierhalter zu nehmen, wenn Mängel in der Einzäunung von Weiden in dem von Ihnen genannten Bereich der A 27 bekannt werden. Anlage 114 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Braun (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 119 und 120) : Wird die Bundesregierung dafür eintreten, daß bei der weiteren Bedarfsplanung für Bundesfernstraßen die Parallelautobahn A 43 (früher B 51 n/A 160) zur Ruhrtangente A 1 im Abschnitt Leverkusen—Schwelm/Gevelsberg ersatzlos gestrichen wird? Wird die Bundesregierung auf baldige Entscheidung hinwirken, nachdem Ende 1972 das Verfahren nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes auf Landesebene durch den Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen angehalten wurde, damit die betroffenen Gemeinden — wie Burscheid, Wermelskirchen und Radevormwald — realistische Flächennutzungspläne aufstellen können? Die A 43 ist im gesetzlich verbindlichen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in der Dringlichkeitsstufe I b ausgewiesen. Auf die Maßnahme kann daher nicht verzichtet werden. Da die Finanzierung des Vorhabens aus heutiger Sicht jedoch voraussichtlich erst nach 1985 möglich sein wird, bleibt noch genügend Zeit, die Planung auf Orts- und Landesebene ausreifen zu lassen. Anlage 115 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 121): Stehen dem Verkehrsflughafen Frankfurt/Main entsprechende ,,navigatorische" Anlagen zur Verfügung, um sicherzustellen, daß im Bereich des Flughafens Raffinerien, die im großen Umfang Äthylene gewinnen, nicht überflogen und damit besondere zusätzliche Gefahren vermieden werden? 930* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Dem Flughafen Frankfurt/Main stehen wie an jedem internationalen Großflughafen dieser Art eine Vielzahl von Navigationsanlagen für den An-und Abflug sowie für den Landevorgang zur Verfügung. Am Flughafen Frankfurt/Main sind gegenwärtig insbesondere folgende Systeme installiert: — 4 UKW-Drehfunkfeuer (VOR) — 3 Instrumentenlandesysteme (ILS) — optische Landehilfen (VASIS und Anflugbefeuerung) Darüber hinaus werden die An- und Abflüge mit Hilfe des Flughafenrundsichtradars (ASR) überwacht und gelenkt. Hier ist allerdings wegen der fehlenden Zustimmung der örtlich zuständigen Stellen der aus Flugsicherungsgründen dringend notwendige Ersatz der auf der Nordseite des Flughafens bestehenden Anlage durch einen Neubau auf der Südseite bislang nicht möglich. Der Aufbau eines zusätzlichen, vierten Instrumentenlandesystems für Anflüge aus westlicher Richtung auf die Südbahn des Flughafens ist seitens des Bundes gesichert. Eine Realisierung kann erst nach einer positiven Entscheidung über den Flughafenausbau erfolgen. Optische Landehilfen für diese Anflüge sind in Vorbereitung. Unabhängig davon wird bei ordnungsgemäßer Flugdurchführung durch die Flugzeugführer bereits durch die vorhandenen Anlagen und die darauf aufbauenden An- und Abflugverfahren sichergestellt, daß die CALTEX-Raffinerie in Raunheim nicht überflogen wird. Anlage 116 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 122 und 123) : Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Land Baden-Württtemberg und den betroffenen Gemeinden ergreifen, um für die Zeit nach der vorgesehenen Inbetriebnahme des Abschnitts Memmingen-Ferthofen der A 96 etwa 1980 (s. Antwort der Bundesregierung vom 30. Juni 1976 auf meine Anfrage Drucksache 7/5482 Teil B Frage 49) und vor der Fertigstellung des Streckenabschnitts Ferthofen—BAB-Kreuz Esseratsweiler derselben A 96, mit dessen Bau 1979 begonnen werden soll (s. oben genannte Antwort der Bundesregierung), die zu erwartende über das jetzt feststellbare Ausmaß weit hinausgehende Belastung der Ortsdurchfahrten der B 18 in den Gemeinden Aichstetten (einsdiließlidh Altmannshofen), Leutkirch (einschließlich Niederhofen) und Wangen im Allgäu seitens des Durchgangsverkehrs zu vermeiden und die zu erwartenden Gefahren von der betroffenen Bevölkerung abzuwehren? Bedeutet die Antwort der Bundesregierung vom 1. Februar 1977 auf meine Anfrage, Drucksache 8/66 Teil B Frage 94, daß die Bundesregierung dem Problem der drohenden Verstopfung der Ortsdurchfahrt Isny der B 12 nach einer Fertigstellung der A 98 zwischen Kempten und Weitnau kein Gewicht beimißt, oder welche Maßnahmen plant die Bundesregierung verneinendenfalls, um die der Stadt Isny drohenden Verkehrsgefahren abzuwenden? Für das Interesse der betroffenen Bevölkerung an den Bundesstraßen 18 und 12 im Raum LeuthkirchWangen—Isny an einer Verbesserung der Verkehrsverhältnisse habe ich Verständnis. Dieses Ziel wird seitens der Straßenbauverwaltung durch den Neubau der Autobahn A 96 und 98 in diesen Bereichen verfolgt. Eine möglichst baldige Fertigstellung dieser beiden Autobahnstrecken wird nach wie vor angestrebt. Einer Beschleunigung der entsprechenden Maßnahmen sind jedoch durch die gesetzlichen Festlegungen des Bedarfsplans und die erforderliche Zeit für die Bauvorbereitungen — wie bereits früher dargelegt — Grenzen gesetzt. Zwischenzeitliche Verbesserungen werden — soweit erforderlich, örtlich begrenzt möglich und wirtschaftlich vertretbar — von der Landesstraßenbauverwaltung im Auftrag des Bundes in eigener Zuständigkeit geprüft und durchgeführt. Dem Bundesminister für Verkehr, der daran nicht zu beteiligen ist, liegen die für eine Auskunft über einzelne Maßnahmen erforderlichen Unterlagen nicht vor. Ich teile nicht die Auffassung, daß durch den abschnittsweisen Neubau der genannten Autobahnstrecken etwa besondere Verkehrsgefahren für die betroffene Bevölkerung drohen. Linienführungen und Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen 18 und 12, die den Ortskundigen bekannt und den Weitfahrenden in den Straßenkarten erkennbar sind, bilden keinen Anreiz für zusätzlichen Durchgangsverkehr nach Fertigstellung nur von Teilstrecken der jeweiligen Autobahn. Anlage 117 Antwort des Pari. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius (SPD) (Drucksache 8/129 Fragen B 124 und 125) : Kann die Bundesregierung die Ergebnisse eines „untersuchungsbegleitenden Arbeitskreises" von Experten des Bundes, des Landes Baden-Württemberg und der Region über den Aufschub des Baus einer Staustufe Neuburgweier bis 1980 durch Geschiebezugabe veröffentlichen, nachdem die letzte Sitzung dieses Expertengremiums am 17. Januar 1977 stattgefunden hat und bereits Verhandlungen mit dem französischen Vertragspartner über eine Aussetzung des Baubeginns einer Staustufe bis 1980 angekündigt wurden? Welche Garantien kann die Bundesregierung gemeinsam mit der Landesregierung dafür übernehmen, daß die mit der Inbetriebnahme der neuen Staustufe Iffezheim einsetzende Erosion durch Geschiebezugabe risikolos für die betroffenen Gemeinden, wie z. B. Rastatt, aufgehalten werden kann, bis der für 1980 erwartete Abschluß der wissenschaftlichen Untersuchungen eine endgültige Entscheidung über den Bau weiterer Staustufen oder bauliche Alternativen ermöglicht? Zu Frage B 124: Der „Untersuchungsbegleitende Arbeitskreis" hat am 24. Februar 1977 den Bericht mit seinen Empfehlungen verabschiedet. Der Bericht wird alsbald dem Bundesministerium für Verkehr und den beteiligten Länderministerien von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vorgelegt und anschließend veröffentlicht werden. Zu Frage B 125: Durch eine kontinuierliche Zugabe von Geschiebe als zeitlich begrenzte provisorische Maßnahme bis 1980 im Unterwasser der Staustufe Iffezheim wird weitgehend ein Absinken des Rheinwasserspiegels und damit des Grundwasserspiegels verhindert. Außerdem ist vorsorglich vorgesehen, wie in der Stauhaltung Iffezheim den Altrheinzug in diesem Bereich als Stützgewässer auszubauen. Auf diese Weise wird erreicht, daß durch die Erosion keine nachteiligen Auswirkungen für die betroffenen Gemeinden entstehen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 931* Anlage 118 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lemmerich (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 126 und 127) : Wann wird die Bundesregierung den Baustab für die Errichtung der Versuchsanlage für Verkehrstechnik im Donauried, der in Augsburg seinen Sitz hat, auflösen? Sind damit die Pläne aufgegeben, eine Versuchsanlage für spurgeführte Verkehrstechniken zu bauen und zu betreiben? Zu Frage B 126: Es ist beabsichtigt, die Errichtung der Versuchsanlage für Verkehrstechniken im Donauried im Interesse einer Konzentration forschungspolitischer Maßnahmen vom Bundesminister für Verkehr an den Bundesminister für Forschung und Technologie zu übergeben. Über den Zeitpunkt einer Kündigung der zwischen dem BMV und der Deutschen Bundesbahn bestehenden „Vereinbarung über Planung und Bau einer Versuchsanlage zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr" ist noch nicht entschieden worden. Zu Frage B 127: Unabhängig von einer Verlagerung der Zuständigkeiten zwischen Bundesverkehrsministerium und Bundesministerium für Forschung und Technologie, über die z. Z. verhandelt wird, besteht Einigkeit zwischen den Ressorts, daß von den Ergebnissen langfristig orientierter bahntechnologischer Forschung und Entwicklung wesentliche Impulse für die Lösung technisch-wirtschaftlicher Probleme im Verkehrsbereich zu erwarten sind und in diesem Rahmen die geplante Versuchsanlage für Verkehrstechniken von großer Bedeutung ist. Die Bundesregierung hält das Donauried als Standort für diese Anlage nach wie vor für geeignet. Aufgrund der vorgesehenen Konzentration langfristig orientierter bahntechnologischer Forschung und Entwicklung beim Bundesministerium für Forschung und Technologie wurde im Regierungsentwurf des Haushalts 1977 auf eine Veranschlagung von Haushaltsmitteln für die Versuchsanlage im EP 12 verzichtet. Wegen der angespannten Haushaltslage konnten auch im EP 30 keine Finanzmittel bereitgestellt werden. Anlage 119 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Walther (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 128) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten besonderer Hilfe für die nahezu in jedem Sommer notleidende, für den Fremdenverkehr wichtige Oberweser-Passagierschffahrt, z. B. durch wirtschaftliche Hilfen, durch Oberweserkanalisierung oder durch den Einbau von Staustufen, wodurch z. B. auch eine Entlastung des Edersees möglich würde? Der Bundesminister für Verkehr sieht keine Möglichkeit, die Personenschiffahrt auf der Oberweser zu unterstützen. Bei der Aufstellung des Entwurfs für das koordinierte Investitionsprogramm für die Bundesverkehrswege bis zum Jahre 1985 (Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes) konnte im Hinblick auf die in den nächsten Jahren zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel und wegen der Prioritäten anderer Wasserstraßen des Bundes der Ausbau der Oberweser zwischen Hann.-Münden und Minden nicht berücksichtigt werden. In den Sommermonaten wird bereits der Schiffahrt auf der Oberweser durch die Abgabe von Zuschußwasser aus der Edertalsperre geholfen. Diese Hilfe ist jedoch nur in begrenztem Umfang möglich, da einerseits der Wasservorrat der Edertalsperre gerade in Trockenjahren ebenfalls gering ist und andererseits die Fremdenverkehrsverbände im Bereich der Edertalsperre auf eine ausreichend gefüllte Talsperre drängen. Anlage 120 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 129): Wie beurteilt die Bundesregierung die vom ADAC getroffene Feststellung, es würden sich weniger Autofahrer als früher mit Sicherheitsgurten anschnallen und deshalb sei eine Zunahme von Unfällen mit Todesausgang zu befürchten, und beabsichtigt die Bundesregierung, ihre Kampagnen für das Anlegen der Sicherheitsgurte zu verstärken, und plant sie Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Anschnallpflicht? Die vom ADAC getroffene Feststellung auf die Sie sich beziehen, wird von den Untersuchungen bestätigt, die von der Bundesanstalt für Straßenwesen über das Gurtanlegeverhalten von Fahrern regelmäßig durchgeführt werden. Der im Rückgang der Anlegequote zum Ausdruck kommende Verzicht der Kraftfahrer auf die Schutzwirkung des Sicherheitsgurtes hat zur Folge, daß ein dem Rückgang der Anlegequote entsprechender Teil der Unfälle erheblich schwerere Auswirkungen hat. Die Befürchtung des ADAC, daß Unfälle mit tödlichem Ausgang zunehmen, trifft insoweit zu. Die Bundesregierung wird dieser ungünstigen Entwicklung mit einer Aufklärungsaktion im Jahre 1977 entgegentreten und — dabei an die bereits durchgeführte Gurtaktion anknüpfend — erneut für die Bereitschaft werben, den Sicherheitsgurt anzulegen. Die Bundesregierung hat bislang davon abgesehen, das Nichtanlegen vorgeschriebener Sicherheitsgurte mit einem Bußgeld zu ahnden. Sie kann diesen Standpunkt jedoch nur dann aufrechterhalten, wenn ihr der Kraftfahrer zu erkennen gibt, daß er das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigt, im eigenem Interesse sicherheitsbewußt zu handeln. Die Antwort der Kraftfahrer auf die geplante Aufklärungsaktion wird hierüber Aufschluß geben. 932* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Anlage 121 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 130) : Um welche konkreten Maßnahmen handelt es sich, die nach einer Pressemeldung in der Zeitung „Der neue Tag", Weiden, vom 22. Februar 1977 von der Deutschen Bundesbahn im Bereich Weiden „sofort abgestoppt" werden, und welche neuen Überlegungen hat die Bundesbahndirektion Frankfurt für diesen Bereich, um die dort gefährdeten 500 Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern? Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn (DB) sind ihr im Bereich Weiden keine konkreten Maßnahmen bekannt, die „sofort abgestoppt" werden. In mehreren Gesprächen mit Vertretern des öffentlichen Lebens aus dem Raum Weiden und in zahlreichen Stellungnahmen hat die DB immer wieder die Notwendigkeit von Rationalisierungsmaßnahmen zu verdeutlichen versucht. Sie hat dabei keinen Zweifel daran gelassen, daß sich die Zahl der Mitarbeiter bei den Dienststellen in Weiden längerfristig vermindern wird. Gleichwohl wird sich die DB in einem von ihr noch vertretbaren Rahmen bemühen, Arbeitsplätze im Bereich Weiden zu erhalten. Die Befürchtung, 500 Arbeitsplätze im Bereich Weiden seien gefährdet, wird von der DB nicht geteilt. Anlage 122 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 131) : Welches Ergebnis hatte die Uberprüfung der Streckenstillegungsabsichten der Deutschen Bundesbahn im ländlichen Raum des hessischen Regierungsbezirks Kassel, und welche Strecken sollen zu welchem Zeitpunkt nunmehr stillgelegt werden? Der ländliche Raum des Regierungsbezirks Kassel gehörte nicht zu den sieben Testräumen und Strecken, die von der Staatssekretärs-Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Entscheidungsverfahrens untersucht worden sind. Selbst diese Testuntersuchungen haben noch keine endgültigen Ergebnisse für die Räume gebracht, sondern Informationen und methodische Erkenntnisse geliefert, die auch auf andere Netzteile übertragen werden sollen, Entscheidungen über Beibehaltung oder Stilllegungen von Strecken konnten und können bisher noch nicht getroffen werden. Anlage 123 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 132) : Wann wird mit dem schon vor mehr als zehn Jahren geplanten hochwasserfreien Ausbau der B 42 im Raum Neuwied begonnen, die bei der derzeitigen Trassenführung immer wieder durch Hochwasser des Rheins überflutet wird mit der Folge, daß der Verkehr nur unter sehr schwierigen Bedingungen umgeleitet werden kann? Bei der Planung für den hochwasserfreien Ausbau der B 42 auf dem Abschnitt Frahr-Irlich haben sich sehr große Schwierigkeiten ergeben. Durch Einsprüche im Planfeststellungsverfahren ist eine Neubearbeitung des Projektes und dadurch auch ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren erforderlich geworden. Nach vorangegangenen langwierigen Verhandlungen mit den Betroffenen werden diese Arbeiten zur Zeit durchgeführt. Um mit den Bauarbeiten beginnen zu können, sobald die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, werden — soweit möglich — schon jetzt die Gebäude erworben die wegen des Ausbaues der B 42 abgebrochen werden müssen. Anlage 124 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 137) : Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung inzwischen im Zusammenwirken mit den zuständigen Fachressorts der Länder die Frage der steuerlichen Behandlung der Wohnbesitzwohnungen überprüft, in welcher Weise hat sich bisher die Tatsache auf die Errichtung von Wohnbesitzwohnungen ausgewirkt, daß ihre steuerliche Behandlung immer noch ungeklärt ist, obwohl das am 1. April 1976 in Kraft getretene Gesetz gerade darauf abzielte, den Wohnbesitzberechtigten die bisher nur den Eigentümern zugutekommenden steuerlichen Vergünstigungen zukommen zu lassen? Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zur Inanspruchnahme der degressiven Gebäude-Abschreibung nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes, an die die Finanzverwaltung gebunden ist, hat leider die Finanzierung im sozialen Wohnungsbau mittels sog. geschlossener Immobilienfonds im allgemeinen und für den Bereich der Wohnbesitzwohnungen im besonderen für die Zukunft erschwert. Für bereits begonnene Fondsobjekte wurde diesen Schwierigkeiten durch eine auf die Fertigstellung der Wohnungen bezogene und auf die Veranlagungszeiträume bis spätestens zum 31. Dezember 1978 befristete Übergangsregelung Rechnung getragen. Damit steht die erforderliche Zeit zur Verfügung, die steuerrechtliche Problematik für den gesamten Bereich der geschlossenen Immobilienfonds eingehend zu überprüfen und befriedigende Lösungen zu finden. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Errichtung neuer Wohnbesitzwohnungen gegenwärtig durch die zu klärenden Rechtsfragen beeinträchtigt wird. Für die steuerliche Begünstigung von Wohnbesitzwohnungen kommt es auch auf die Ausgestaltung der vorgesehenen Vertragsmuster an. Die hierfür zuständigen Länder streben einheitliche Musterverträge an. Es handelt sich hierbei um ein umfassendes Vertragswerk, das gegenwärtig von einer Kommission aus Vertretern der Länder und des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau erarbeitet wird. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 933' Anlage 125 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 138) : Ist die Bundesregierung bereit, sogenannte Mobilheime den Wohnwagen gleichzustellen und darauf hinzuwirken, daß Mobilheime zum Zwecke der Naherholung auf Campingplätzen bzw. Naherholungsplätzen ohne Baugenehmigung aufgestellt werden dürfen? Die Frage, ob und welche baulichen Anlagen der Genehmigungspflicht unterliegen, ist in den Landesbauordnungen geregelt. Die Gesetzgebungskompetenz steht insoweit allein den Ländern zu. Die Zulässigkeit baulicher Anlagen auf Campingplätzen regeln die von den Ländern erlassenen sogenannten Campingplatzverordnungen. Hiernach sind allgemein auf Campingplätzen nur Zelte sowie Wohnwagen und die dazugehörigen Kraftfahrzeuge zulässig. Anlagen, die wie Mobilheime längere Zeit ortsfest genutzt werden, sind auf Campingplätzen unzulässig. Aufgrund der mit Mobilheimen verbundenen Nutzung müssen an deren Standplätze nach ihrer Lage und Ausstattung andere, auch höhere Anforderungen als an Campingplätze gestellt werden. Soweit es erforderlich ist, weisen die Gemeinden in Bauleitplänen aufgrund des Bundesbaugesetzes Wochenendplatzgebiete als Sondergebiete aus. Hier ist nach den getroffenen Festsetzungen die Aufstellung von Mobilheimen zulässig. In der Novelle zur Baunutzungsverordnung, die z. Z. vorbereitet wird, ist vorgesehen, Wochenendplatzgebiete als Sondergebiete nunmehr ausdrücklich zu erwähnen. Mobilheime dürfen auch in Wochenendhausgebieten aufgestellt werden, wenn sie den für diese Gebiete getroffenen Festsetzungen entsprechen. Anlage 126 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 141 und 142) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß im ESA-Dokument IPC (76) 80 vom 15. Oktober 1976 kein deutscher Hersteller von elektronischen Bauelementen die entsprechende Qualifikation erreicht, und welche Maßnahmen hat sie dazu ergriffen? Welche Pläne hat die Bundesregierung hinsichtlich der zukünftigen Nutzung der Forschungsplattform Nordsee, die einmal als zentrale Station eines Umweltmeßnetzes geplant war? Zu Frage B 141: Die Liste der Bauteile im Anhang zur Sitzungsunterlage IPC (76) 80 des Industriepolitik-Ausschusses der Europäischen Weltraumorganisation ESA beinhaltet lediglich Bauteile, die bis zum 15. Oktober 1976 für die Verwendung in Raumfahrtprojekten noch nicht qualifiziert waren. Es handelt sich ausschließlich um Bauteile nichtdeutscher Hersteller. Die Bauteile deutscher Hersteller sind dagegen längst qualifiziert und in vielen deutschen (HELIOS, SYMPHONIE usw.) und europäischen Raumfahrtprojekten erfolgreich eingesetzt worden und für den Einsatz, insbesondere beim SPACELAB, vorgesehen. Zu Frage B 142: Die auf der Position 54° 42' 9,3" Nord, 7° 10' 7,4"E errichtete Forschungsplattform NORDSEE ist schwerpunktmäßig nicht als zentrale Station eines Umweltnetzes geplant worden, sondern für Untersuchungen folgender Art: 1. Erprobungsstation für Testaufgaben bei technischen Komponenten und Systemen unter natürlichen maritimen Bedingungen; 2. ingenieurwissenschaftliche Forschungsarbeiten zum Belastungsverhalten von Offshore-Bauwerken in der offenen See; 3. naturwissenschaftliche Forschungsarbeiten zu speziellen Problemen der Ozeanographie und Meteorologie. Mit der Inbetriebnahme der Plattform im September 1975 sind die Forschungsarbeiten angelaufen; sie werden durchgeführt von der meerestechnischen Industrie und von Technischen Universitäten, zum Teil im Zusammenwirken mit Forschungseinrichtungen des Bundes. Der Abschluß der meßtechnischen Ausrüstung in diesem Jahr soll die Durchführung von langjährig angesetzten Untersuchungsarbeiten in erweitertem Umfang ermöglichen. Insbesondere wird die Forschungsplattform NORDSEE auch für die Belange anderer Bundesministerien eingesetzt. Die naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Vorhaben werden durchgeführt von den Universitäten Aachen, Bochum, Braunschweig, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kiel und München neben Firmen der meerestechnischen Industrie und Forschungsinstitutionen des Bundes und der Länder. Diese Arbeiten können nur von einer im Meer feststehenden Arbeitsplattform aus vorgenommen werden. Die bisher angemeldeten Forschungsaktivitäten führen zu einer vollen Auslastung der Forschungsplattform NORDSEE ab Mitte März dieses Jahres. Anlage 127 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hartmann (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Frage B 143): Teilt die Bundesregierung die Auffassung (s. Veröffentlichung im Handelsblatt Nr. 17 vom 25. Januar 1977 „Höhere Ausbildungsabgabe ist programmiert — kontinuierlich ausbildende Betriebe werden durch niedrigere Zuschüsse bestraft"), daß die Erhebung der Berufsausbildungsabgabe und die unterschiedlichen Relationen für die Staffelung der Zuschüsse für zusätzliche und wieder besetzte Ausbildungsplätze nach Maßgabe des Berufsbildungsberichts im Hinblick auf die zu erwartende Benachteiligung der Ausbildungsbetriebe, die schon bisher kontinuierlich und in starkem Umfang ausgebildet haben, mit der Zielsetzung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes nicht vereinbar ist, und — wenn ja — was gedenkt sie dagegen zu tun? 934* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Weder durch eine Erhebung der Berufsausbildungsabgabe noch durch unterschiedliche Relationen für die Staffelung von Zuschüssen für zusätzliche und wiederbesetzte Ausbildungsplätze werden kontinuierlich und in starkem Umfang ausbildende Betriebe benachteiligt. Durch die Berufsausbildungsabgabe würden die Mittel erhoben werden, die erforderlich sind, um den Ausbildungsbetrieben einen Beitrag zu den Ausbildungskosten zu leisten. Betriebe, die in einem angemessenen Umfang ausbilden, werden dementsprechend nicht belastet, sondern entlastet werden, wenn die Finanzierung nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz durchgeführt wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß durch den vorgesehenen Freibetrag von DM 400 000 ca. 90 % aller Betriebe von der Abgabepflicht gänzlich befreit werden, und daß gerade in diesem Bereich besonders intensiv ausgebildet wird. Die bisher im Entwurf des Berufsbildungsberichts genannten Relationen (1 : 5 und 1 : 3) sind nur Vorschläge, die z. Z. von den beteiligten Gruppen im Hauptausschuß des Bundesinstituts für Berufsbildung diskutiert werden. Dabei ist heute noch offen, welche Relation endgültig festgelegt wird. Eine höhere Dotierung zusätzlicher Ausbildungsplätze ist jedoch erforderlich, da diese Plätze Kosten verursachen, die bei einer Wiederbesetzung bestehender Ausbildungsplätze nicht anfallen. Diesem Tatbestand muß eine kostenorientierte Ausbildungsplatzförderung Rechnung tragen. Hinzu kommt, daß in diesem Fall durch die Höhe des Zuschusses ein Anreiz für den Betrieb geschaffen werden muß, seine bisherigen Ausbildungsanstrengungen zu steigern. Anlage 128 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. George (CDU/ CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 144 und 145) : Hält die Bundesregierung die im Haushaltsstrukturgesetz getroffene Regelung für Fachwechsler im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes noch für sinnvoll? Ist die Bundesregierung bereit, die ursprüngliche Gesetzesform wieder herzustellen, insbesondere vor dem Hintergrund, daß es sinnvoll ist, daß Studenten in Fächern mit schlechten Berufsaussichten in Fächer mit besseren Berufschancen wechseln? Zu Frage B 144: Durch das Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 (Bundesgesetzbl. I S. 3091) wurde in § 17 Abs. 3 Nr. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bestimmt, daß für eine andere Ausbildung nach einem Fachrichtungswechsel oder nach dem Abbruch der Ausbildung Ausbildungsförderung ausschließlich als Darlehen geleistet wird, wenn der Abbruch der Ausbildung oder der Wechsel der Fachrichtung nach dem Ende des zweiten Studiensemesters erfolgt. Diese Regelung entspricht der allgemeinen hochschulpolitischen Zielsetzung, daß sich die Auszubildenden möglichst frühzeitig über ihr endgültiges Studienfach schlüssig werden. Allerdings bleibt ein Wechsel der Fachrichtung nach wie vor möglich, wenn ein wichtiger Grund gemäß § 7 Abs. 3 BAföG geltend gemacht werden kann. Jede Hinauszögerung des Fachrichtungswechsels würde zu einer unnötigen, weil vermeidbaren Inanspruchnahme von individueller Ausbildungsförderung und institutionellen Aufwendungen für eine Ausbildung, die der Auszubildende häufig nicht abschließen will. Ziel der im Haushaltsstrukturgesetz geregelten Darlehensförderung bei einem Fachrichtungswechsel nach dem Ende des zweiten Studiensemesters ist es, den Auszubildenden zu einer möglichst frühzeitigen Entscheidung über einen erwogenen Fachrichtungswechsel und damit zu einer sinnvollen Inanspruchnahme der staatlichen Ausbildungsförderung zu motivieren. Zu Frage B 145: Nach § 7 Abs. 3 BAföG wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung nur geleistet, wenn der Auszubildende aus wichtigem Grund die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat. An dieser Bestimmung hat sich durch das Haushaltsstrukturgesetz nichts geändert. Auszubildende, die zunächst eine Fachrichtung mit schlechten Berufsaussichten gewählt hatten, können nach einem Wechsel in eine Fachrichtung mit besseren Berufsaussichten danach nur gefördert werden, wenn bessere Berufsaussichten als wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden. Die Bundesregierung hat mit Zustimmung des Bundesrates in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG vom 25. August 1976 (Gemeinsames Ministerialblatt 1976 S. 385) eine wesentliche Verschlechterung der künftigen beruflichen Arbeits-und Verdienstmöglichkeiten nicht als wichtigen Grund für einen Fachrichtungswechsel im Sinne § 7 Abs. 3 BAföG anerkannt. Hierbei hat sie sich maßgeblich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1976 (Az.: BVerwG V C 29.75) gestützt. In der Entscheidung wird zur Frage des Fachrichtungswechsels aus arbeitsmarktorientierten Gründen u. a. folgendes ausgeführt: „Negative Tendenzen wirtschaftlicher Prosperität, konjunkturbedingte Schwankungen beruflicher Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten und Kapazitätseinschränkungen auf dem Arbeitsmarkt können gewiß tiefgreifende Auswirkungen auf die Ausbildungskonzeption schlechthin und die Entschließungsfreiheit der Auszubildenden haben. Aber erst eine nachvollziehbare konkrete und eindeutig individuell geprägte Verknüpfung mit einem bestimmten Ausbildungsverhältnis würde es rechtfertigen, für einen Fachrichtungswechsel die Bejahung eines wichtigen Grundes im Sinne von § 7 Abs. 3 BAföG in Betracht zu ziehen — es sei denn, die wirtschaftlichen Auswirkungen würden einen Strukturwandel für den in Betracht kommenden Berufszweig nach sich ziehen, der alsbald ein tatsächliches Austrocknen dieses Berufsfeldes bewirken würde." Die Bundesregierung erwägt daher keine Änderung der gesetzlichen Regelung. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 935e Anlage 129 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 8/129 Frage B 146) : Ist die Bundesregierung, gegebenenfalls im Rahmen eines weiteren Sonderprogramms, grundsätzlich bereit, der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost gezielte Zuwendungen dafür zu geben, daß sie über ihren eigenen Personalbedarf hinaus unter Ausnutzung aller Ausbildungskapazitäten zusätzliche Berufsausbildungsverhältnisse eingehen können? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß auch die bei Bahn und Post vorhandenen Ausbildungskapazitäten voll ausgeschöpft werden müssen, weil alle an der Berufsausbildung Beteiligten zur Sicherung der Ausbildungschancen der jungen Generation beitragen müssen. Über die bei Bahn und Post dazu ergriffenen Maßnahmen hat Sie der Bundesminister für Verkehr unterrichtet. Zur Sicherung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebots enthält das Ausbildungsplatzförderungsgesetz eine Finanzierungsregelung, die. finanzielle Hilfen bei der Begründung von neuen Ausbildungsverhältnissen vorsieht. Zur Zeit wird im Hauptausschuß des Bundesinstituts für Berufsbildung von allen an der Berufsausbildung beteiligten Gruppen anhand des Entwurfs des Berufsbildungsberichts nach § 5 des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes gemeinsam geprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Berufsausbildungsfinanzierung erfüllt sind. Wenn die Bundesregierung auf der Grundlage des Berufsbildungsberichts nach § 2 des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes eine Inkraftsetzung der Ausbildungsfinanzierung beschließt, werden die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost — wie alle übrigen Ausbildenden -- finanzielle Hilfen erhalten, wenn sie neue Ausbildungsverhältnisse begründen. Die Frage, ob darüber hinaus ein Sonderprogramm durchgeführt werden muß, stellt sich zur Zeit nicht. Anlage 130 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Höffkes (CDU/CSU) (Drucksache 8/129 Fragen B 147, 148, 149 und 150) : Trifft es zu, daß in der Arabischen Republik Jemen eine von der Bundesregierung geförderte ca. 250 km lange Straße von Taiz nach Sanaa bereits bei der Einweihung 1975 so erhebliche Mängel aufwies, daß zu Reparaturzwecken weitere Millionenbeträge nachbewilligt werden mußten und auch die Nacharbeiten zu keinem zufriedenstellenden Erfolg geführt haben sollen? Ist der Bundesrepublik bejahendenfalls ein finanzieller Schaden entstanden, gegebenenfalls in welcher Höhe, und sind Regreßansprüche mit Erfolg geltend gemacht worden? Was hat bzw. gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um gleichartige Vorfälle zukünftig auszuschließen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei einer ca. 50 Millionen umfassenden Ausschreibung der Arabischen Republik Jemen Anbieter aus der Bundesrepublik nicht zum Zuge kamen, obwohl Preise anderer europäischer und nahöstlicher Konkurrenten unterboten worden sein sollen, weil die Republik Jemen das Vertrauen in Leistungen aus der Bundesrepublik durch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Straßenbau Taiz-Sanaa verloren haben soll, bejahendenfalls was hat oder gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das Vertrauen der Republik Jemen in das Leistungsvermögen deutscher Firmen wiederherzustellen oder zu stärken? Zu Frage B 147: Es ist zutreffend, daß sich an der Straße seit 1975 Schäden gezeigt haben, die ca. 5 % der Gesamtstraßenfläche betreffen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) kam zu der Auffassung, daß die aufgetretenen Mängel auf folgende Ursachen zurückzuführen sind: Planungsfehler des deutschen Consultants, Ausführungsmängel der mit der Durchführung beauftragten deutsch-britischen Arbeitsgemeinschaft, außergewöhnliche Regenfälle sowie ---von der Regierung der arabischen Republik Jemen geduldete und zu vertretende — überhöhte LkwAchslasten. Im Rahmen der insgesamt bereitgestellten Kapital-hilfemittel wurde die jemenitische Regierung in die Lage versetzt, zusätzliche Arbeiten zur Verbesserung der Straße (Auslegung für stärkeren Verkehr) durchzuführen und Reparaturen vorzufinanzieren. Diese Arbeiten werden voraussichtlich im Sommer 1977 abgeschlossen sein. Es ist daher nicht zutreffend, daß die „Nacharbeiten zu keinem zufriedenstellenden Erfolg geführt haben sollen". Zu Frage B 148: Bauherr der Straße ist die jemenitische Regierung. Sie hat die Straße aus Darlehen finanziert, die von der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt wurden. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den ausführenden Firmen bestehen keine Rechtsbeziehungen. Aufgrund der Regierungsvereinbarungen und der Darlehensverträge sind keine Regreßansprüche gegenüber der Bundesrepublik Deutschland entstanden. Die jemenitische Regierung hat die ihr als Auftraggeber und Bauherr gegen die beteiligten Firmen zustehenden Regreßansprüche diesen gegenüber geltend gemacht. Entsprechende Verhandlungen oder vertraglich vorgesehene Schiedsverfahren wurden von ihr eingeleitet. Im Rahmen der vertrauensvollen Entwicklungszusammenarbeit haben die Bundesregierung und die Kreditanstalt für Wiederaufbau ihre guten Dienste bei der Aufklärung des Sachverhalts, der Ermittlung der Schadensursachen und der Rechtsfolgen zur Verfügung gestellt. Zu Frage B 149: Mangelhafte Leistungen deutscher und ausländischer Firmen bei der Ausführung von Aufträgen anderer Regierungen können von der Bundesregierung prinzipiell nicht ausgeschlossen werden. Soweit es sich um Projekte handelt, die aus Krediten finanziert werden, die von der Bundesrepublik im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden, bleibt die Bundesregierung ständig bemüht, durch intensive Projektprüfung, internationale Ausschreibung zur Gewinnung qualifizierter Firmen, Einschaltung erfahrener Consultants und laufende 936* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1977 Fortschrittskontrollen im Rahmen der Kapitalhilferichtlinien derartige Mängel zu minimieren. Zu Frage B 150: Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, daß bei einer ca. 50 Millionen umfassenden Ausschreibung der Arabischen Republik Jemen deutsche Anbieter wegen der genannten Mängel beim Straßenbau Sanaa—Taiz nicht zum Zuge gekommen sein sollen. Die Bundesregierung hat die gute und vertrauensvolle bilaterale Zusammenarbeit mit der Arabischen Republik Jemen trotz der aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Straße Sanaa—Taiz intensiviert und weiter ausgebaut. Nach Auffassung der Bundesregierung liegt es im ureigenen Interesse deutscher Firmen, den guten Ruf der deutschen Wirtschaft durch einwandfreie Leistungen in den Entwicklungsländern zu erhalten und zu festigen.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801600000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich darf zunächst mitteilen: Für den Abgeordneten Lorenz, der mit Wirkung vom 23. Februar 1977 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet hat, ist am 24. Februar 1977 der Abgeordnete Dr. Pfennig in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße das neue Mitglied und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Punkte ergänzt werden:
1. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Neue
Eckwerte zum Jahreswirtschaftsbericht (Drucksache 8/133)

Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Haushaltsausschuß
2. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Drucksache 8/151)
Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Das Haus ist einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist so beschlossen.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 16. Februar 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schröder (Lüneburg), Ey, Dr. Köhler (Wolfsburg), Sauer (Salzgitter), Dr. Gruhl und Genossen betr. Naturschutz, bier: Errichtung eines Nationalparks „Lüneburger Heide" (Drucksache 8/104) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/147 verteilt.
Wir treten dann in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 11 auf:
a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977)

— Drucksache 8/100 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
b) Beratung des Finanzplans des Bundes 1976 bis 1980
— Drucksache 8/101 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Ferner rufe ich den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU Neue Eckwerte zum Jahreswirtschaftsbericht
— Drucksache 8/133 —
Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Haushaltsausschuß
Hier ist eine verbundene Debatte vereinbart worden. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801600100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wäre es nicht eine Serie von schweren Pannen und kaum faßbaren Fehlleistungen gewesen, so hätte sich beinahe die Vermutung einstellen können, die Bundesregierung habe den Auftakt zu einer neuen Legislaturperiode nach einem besonders ausgeklügelten und raffinierten taktischen Konzept inszeniert. Denn was immer nun kommen wird, kann sich, von Katastrophen einmal abgesehen, von den Wirren und Turbulenzen des Beginns eigentlich nur angenehm und vorteilhaft unterscheiden,

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: ein schöner Satz!)

und schon normales und reibungsloses Verwalten wird sich vor solchem Hintergrund wie ein Muster hoher Regierungskunst ausnehmen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

Dieses Zitat von Jürgen Kellermeier vom Westdeutschen Rundfunk hat wohl der Bundesfinanzminister im Auge gehabt, als er glaubte in seiner Etatrede diesen Bundeshaushalt und die mittelfristige Finanzplanung als eine solche besondere Leistung würdigen und von der deutschen Öffentlichkeit noch zusätzliches Lob dafür erwarten zu können. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine genaue Sicht auf diesen Etat kann nicht verbergen, daß sich der Bundeshaushalt 1977 als ein Dokument der Zerrüttung der Staatsfinanzen darstellt.

(Zuruf von der SPD: Starke Worte!)




Dr. Althammer
Es gab seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland keine Bundesregierung, die eine so lange Anlaufzeit . gehabt und die dann einen so schlechten Start gehabt hat wie das zweite Kabinett Helmut Schmidt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das begann mit der Rentenmisere und setzt sich fort in der Deutschlandpolitik; es führt über die Querelen •um die Gesundheitspolitik schließlich zur Darstellung der Finanzsituation des Bundeshaushalts 1977 und der mittelfristigen Finanzplanung. Und seit gestern nachmittag hat diese Bundesregierung ein neues Problem auf dem Tisch. Ihr ist nämlich vom höchsten Verfassungsgericht bescheinigt worden, daß sie in einem ganz gravierenden Punkt die Verfassung gebrochen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Barzel [CDU/CSU] : Sehr wahr! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich werde auf diesen Komplex zum Ende meiner Rede noch zu sprechen kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Versuch, den Verfall unserer finanziellen Basis aufzuhalten und zu bewältigen, ist genauso kläglich gescheitert wie der Sanierungsversuch bei der Alterssicherung für 14 Millionen Rentner. Es gab noch keine Koalition, die vor dem Wahltag und bis zum Beginn der Parlamentsarbeit soviel Möglichkeiten hatte, überzeugende Lösungsvorschläge vorzulegen, und die dann ein so klägliches und unfertiges Ergebnis vorgelegt hat.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Seit nahezu einem halben Jahr arbeitet diese Bundesregierung am Bundeshaushalt 1977. Sie verlangt nun vom Parlament, daß der Bundestag innerhalb von sechs Sitzungswochen, also genau gesagt, innerhalb von 18 Sitzungstagen, 26 Einzelpläne und ein Gesamthaushaltsvolumen von 172 Milliarden DM durch dieses Hohe Haus peitschen soll.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Unerhört! — Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist leider kein Einzelfall. — Herr Kollege Wehner, Sie sollten nicht lachen, wenn eine solche Beanstandung kommt, denn dasselbe erleben wir jetzt beim Rentendebakel. Ich glaube, es ist ein trauriges Armutszeugnis, wenn sowohl der Bundeskanzler wie der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion nur Gelächter dafür haben, wenn sich dieses Parlament darüber beschwert, daß hier in wenigen Wochen gravierende Dinge erledigt werden sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das spricht Bände für das Demokratieverständnis, das Sie haben und das Ihnen das Bundesverfassungsgericht jetzt bestätigt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sie liegen vollkommen daneben! — Wehner [SPD] : Bewahren Sie Ihren Finger für bessere Pointen, Herr Althammer! — Schmidt [Hamburg] [SPD] : Wir haben doch gar nicht über Sie gelacht, aber wir sind auch bereit, über Sie zu lachen, Herr Althammer! — Heiterkeit bei der SPD)

— Herr Bundeskanzler, ich glaube, die Situation ist nicht so, daß Sie hier im Hause über irgend jemand lachen könnten. Ich glaube, Sie haben nichts mehr zu lachen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie nicht einmal in dieser Situation und wenn Sie nicht einmal einen Tag nach diesem Verfassungsgerichtsurteil den Mut haben, diese Dinge ernsthaft zu überlegen, dann zeigt das doch, wie weit Sie gekommen sind.

(Lachen bei der SPD — Wehner [SPD] : Sie wissen aber auch alles!)

Lassen Sie mich einige Anmerkungen zum Haushaltsabschluß 1976 machen,

(Wehner [SPD] : Sehr gut!)

den der Bundesfinanzminister gestern hier behandelt hat. Der Bundesfinanzminister rühmt sich, daß wir 1976 einen guten Abschluß gehabt hätten, und er verweist voller Stolz darauf, daß der Etat sogar noch um 2 Milliarden DM unter dem Ansatz von 164 Milliarden DM geblieben sei. Was der Herr Bundesfinanzminister dabei verschweigt, ist die Tatsache, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu diesem Ergebnis den entscheidenden Beitrag geleistet hat, indem sie nämlich vor dem Bundesverfassungsgericht einen Mißbrauch angeprangert und zur Klage gebracht hat, der in den letzten Jahren und besonders in der Zeit, in der Helmut Schmidt Bundesfinanzminister war, ein ungeheuerliches Ausmaß angenommen hatte, nämlich die Gewohnheit, daß zum Jahresende immer die Reste, die im Haushalt verblieben waren, schnell am Parlament vorbei noch unter das Volk gebracht wurden.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Das ist sogar soweit gegangen, daß die Verwaltung des Bundesfinanzministeriums schon bei der Aufstellung des Etats sogenannte „Weihnachtswunschlisten" angelegt hat und denjenigen, die bei den Etatansätzen nicht berücksichtigt werden konnten, erklärte, es gebe ja noch die Möglichkeit, die Dinge durch aus- und überplanmäßige Ausgaben zum Jahresende in Ordnung zu bringen.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

1973 waren es bescheidene 5 Milliarden DM, die auf diese Weise am Bundeshaushalt vorbei ohne Bewilligung des Parlaments zum Jahresende in einer Nacht- und Nebelaktion noch unter das Volk geschüttet wurden.

(Wehner [SPD]: „Verpraßt worden sind", wollten Sie eigentlich lieber sagen! — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Er spricht von Brandt!)

— Mein sehr verehrter Fraktionsvorsitzender Wehner, Sie sollten sich wirklich wieder einmal überlegen, warum wir alle hier sitzen.

(Wehner [SPD]: Ja, ja!)




Dr. Althammer
Doch wohl deshalb, weil wir die Interessen des Bürgers und des Steuerzahlers zu vertreten haben und nicht deshalb, daß wir solche Nacht- und Nebelaktionen dieser Bundesregierung unbeanstandet hinnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Wie das Politbüro beschließt!)

Es ist auch bedauerlich, daß sich die beiden anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses nicht bereit gefunden haben, diese Frage, wo nun das Mittelbewilligungsrecht des Parlaments ende, vor dem Verfassungsgericht nachprüfen zu lassen. Ich glaube, es ist an der Zeit, sich in diesem Lande und besonders in diesem Parlament wieder einmal grundsätzliche Gedanken über die Aufgabe und die Funktion der Volksvertretung zu machen.
Wir haben mit unserer Verfassungsklage immerhin erreicht, daß 1975 und 1976 Milliardenbeträge nicht noch schnell zum Jahresende ausgegeben wurden. Und erfreulicherweise können wir somit feststellen, daß auch die Nettoneuverschuldung entsprechend herabgesetzt werden konnte. Sehr verehrter Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie nicht das Bundesverfassungsgericht im Nacken gehabt hätten, wäre kein solcher Rest im Bundeshaushalt 1976 übriggeblieben.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: So ist es!)

Wir alle, meine ich, können uns nur darüber freuen, daß diese Unsitte der Schlußverteilung von Haushaltsresten damit, wie wir hoffen, endgültig der Vergangenheit angehört.

(Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Weihnachtsgeschenke!)

Sie werden ja am 25. Mai noch einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen. Ich glaube, alle, die die mündliche Verhandlung verfolgen konnten, sind davon überzeugt, daß dieses Urteil voraussichtlich nicht weniger hart für die Bundesregierung ausfallen wird als das Urteil, das gestern verkündet worden ist.
Lassen Sie mich einige grundsätzliche Bemerkungen zum Bundeshaushalt 1977 machen.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört! — Heiterkeit bei der SPD)

— Wir stellen fest, Herr Kollege Wehner, daß Sie auch über eine Steigerungsrate von 10 Milliarden DM, die Sie in diesem Haushalt vorgesehen haben, offensichtlich nur lachen können. Ich weiß nicht, wie lange dieser bei Ihnen ja meistens schon politisch motivierte Humor reichen wird. Vielleicht haben Sie einen besonderen Grund, heute vormittag eine lächelnde Maske zur Schau zu tragen.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Er hat einen anderen Nebenmann!)

Wir meinen, daß dieser Humor Ihnen sehr schnell vergehen wird. Jedenfalls ist die CDU/CSU nicht bereit, eine derartige Ausweitung des Bundeshaushalts 1977 hinzunehmen.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Wir werden, wie wir das auch in den vergangenen Jahren getan haben, nach einer genauen Durchforstung dieses Etats unsere Einsparungsvorschläge machen. Dabei weise ich darauf hin, in welcher zeitlichen Schwierigkeit . das Parlament in _diesem Jahr steht, wenn es den Haushalt noch bis zur Jahresmitte verabschieden will. Ohne hier schon in die Einzelheiten gehen zu können, möchte ich pauschal sagen, daß es möglich sein müßte, die Mehrausgabe um rund 50 °/o, also die Hälfte, d. h. um etwa fünf Milliarden DM, herunterzusetzen. Dabei hat auch eine sogenannte globale Minderausgabe

(Bundesfinanzminister Dr. Apel: Aha!)

eine sehr wichtige Funktion, die für die Sparsamkeit der Verwaltung, Herr Kollege Apel, von entscheidender Bedeutung ist.
Denn was bedeutet es, wenn wir schon in den vergangenen Jahren sehr wesentliche globale Minderausgaben eingesetzt haben und dies sicherlich auch in diesem Jahr wieder tun werden? Das bedeutet doch, daß Sie, Herr Finanzminister, und Ihre Mitarbeiter gezwungen sind, mit den Mitteln auf sparsamste Weise zu verfahren, um diese Minderausgabe bis zum Jahresschluß herauszuwirtschaften. Das ist die Hausaufgabe, die man Ihnen stellen muß, wenn Sie schon von sich aus nicht bereit und in der Lage sind, die Steigerungsrate in einem angemessenen Rahmen zu halten.
Wir werden natürlich auch im Rahmen dieser Auseinandersetzung darüber zu diskutieren haben, welche Möglichkeiten eine Opposition hat, hier ihren konstruktiven Beitrag zu leisten. Herr Finanzminister, es hat uns gar nicht gewundert, daß Sie gestern wieder die alte tibetanische Gebetsmühle gedreht und erklärt haben, diese Opposition habe keine Alternativen, sie habe keine Gegenvorschläge. Ich habe hier eine zwölfseitige Zusammenstellung der Gegenvorschläge der CDU/CSU zur Finanz- und Haushaltssituation seit dem Jahre 1970 bei mir, und ich würde Ihnen diese sehr gerne zustellen, damit Sie endlich einmal mit dieser alten Legende aufhören, daß diese CDU/CSU keine Alternativen vorlegt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich erleben wir immer wieder das gleiche, daß unsere Vorschläge zunächst abgelehnt werden, daß sie für absurd erklärt werden. Am Jahresende stellen wir dann fest, daß wir mit unseren Vorschlägen genau richtig gelegen haben. Herr Minister Apel, es wäre eine Anstandspflicht, auch von diesem Platz aus sich einmal dafür zu entschuldigen, daß Sie die Opposition wegen dieser Gegenvorschläge immer wieder in dieser Weise apostrophiert haben, wenn Sie zum Jahresende feststellen müssen, daß unsere Vorschläge genau richtig waren und daß das Ergebnis unseren Überlegungen mehr Rechnung getragen hat als dem, was Sie vorher prognostiziert hatten.
Der entscheidende Punkt bei der Auseinandersetzung über den Bundeshaushalt 1977 und insbesondere über die mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahre 1981 ist natürlich die Frage der Steuererhöhungen. Auch hier hat der Bundesfinanzminister



Dr. Althammer
gestern gemeint, die CDU/CSU habe keine eindeutige Linie. Wir werden Sie da enttäuschen müssen, Herr Bundesfinanzminister. Die CDU/CSU ist sich in dieser Frage völlig klar und einig. Wir haben ja auch in der vergangenen Diskussion schon ein Beispiel dafür, wer in dieser Frage seine Auffassung ändert.
Wir sollten uns daran erinnern, daß die Bundesregierung noch bis zum Sommer des vorigen Jahres erklärt hat, der Bundeshaushalt 1977 würde nicht ohne eine Steuererhöhung spätestens vom 1. 7. 1977 an zu finanzieren sein. Ich darf Ihnen nur zwei Zitate zu diesem Punkte noch einmal in Erinnerung rufen. Der Bundeskanzler hat am 13. September 1975 in Köln anläßlich der Eröffnung der ANUGA erklärt:
Was er nicht kann
— er meinte damit den Deutschen Bundestag —
und auch nicht tun wird, ist, grundsätzlich auf diese Steuererhöhungen zu verzichten. Das muß sein; denn die öffentliche Hand muß 1977 mit weniger Kredit auskommen.
Also schon für 1977. Und was ist geschehen? Wir haben die Mehrwertsteuer nicht erhöht und sind trotzdem mit weniger Kredit ausgekommen. Bundesfinanzminister Apel hat am 8. April 1976 eine Wette dafür angeboten, daß die Mehrwertsteuer schon 1977 erhöht werde. Herr Finanzminister, Sie haben Glück gehabt, daß diese Wette niemand angenommen hat.

(Leicht [CDU/CSU] : Doch, ich habe sie angenommen!)

— Herr Kollege Leicht, dann werden wir ja hören, um was es bei der Wette geht, und ich wünsche Ihnen nur, daß Sie dann wirklich einen erklecklichen Wettgewinn haben werden.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Der Bundesfinanzminister hat am 20. 8. 1976 erklärt: „Das Geld muß in die Kasse, oder die soziale Demontage droht." Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Geld ist für 1977 nicht in der Kasse, und die soziale Demontage hat an einem ganz anderen Punkte eingesetzt, nämlich bei den Rentnern.
Die gleiche Bundesregierung, die damals Steuererhöhungen für unvermeidbar hielt, übrigens einträchtig unterstützt — leider, möchte ich sagen — von SPD und FDP, behauptet heute, daß der Haus- halt 1977 auch ohne diese Steuererhöhung ausgeglichen sei. Da müssen wir doch fragen, wer eigentlich dieser Bundesregierung noch glauben will, wenn sie derart ihren Standpunkt und ihre Behauptungen von Monat zu Monat ändert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Behauptung, daß es ohne Steuererhöhung 1977 nicht geht, ist der gleiche Betrug am Bürger, den wir in der Rentendiskussion erlebt haben.

(Oho-Rufe bei der SPD)

Jetzt beginnt das gleiche Spiel wieder für das Jahr 1978. Am Anfang erklärte die Bundesregierung,
sie brauche die vollen 12 Milliarden DM zum Ausgleich ihres Haushalts. Als dann die Opposition, die schon 1977 den Bürger vor solchen Steuererhöhungen bewahrt hat, erklärte, sie sei unter gar keinen Umständen bereit, hier mitzutun, und nachdem die Bundesregierung offenbar erkennen mußte, daß die CDU/CSU auch das letztlich vielleicht über den Bundesrat verhindern werde, kam eine neue Alternative. Da hieß es plötzlich, es würde auch ausreichen, wenn man etwa die Hälfte dieser 12 Milliarden für die Defizitdeckung verwendete, und die andere Hälfte — über die Größenordnungen ist übrigens noch Streit; einmal hört man von 6 Milliarden, dann steht in der Mittelfristigen Finanzplanung wieder, daß 7,1 Milliarden dem Bundeshaushalt zur Verfügung ständen — also soll dem' Bürger in Form von Steuererleichterungen wieder zugute kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dieser Roßtäuschertrick, daß man jetzt plötzlich von Steuererleichterungen redet, wo man 12 Milliarden DM vom Bürger haben will, wird nicht gelingen. Wir lassen uns nicht darauf ein, daß angesichts der schon vorhandenen Abgabenlast, die unsere Bürger im Lande zu tragen haben, hier noch einmal eine so große weitere Last auferlegt wird.
Natürlich wird hier behauptet, daß die Gesamtverschuldung des öffentlichen Haushaltes, insbesondere die Verschuldung des Bundeshaushaltes, eine solche Maßnahme notwendig mache.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Hier sind wir von der CDU/CSU grundsätzlich anderer Auffassung, und wenn Sie so wollen, haben Sie hier auch eine grundsätzliche Alternative der CDU/ CSU. Wir sind der Meinung, daß der Bundeshaushalt und sicher auch die Gesamtetats, Länder und Gemeinden, von der Ausgabenseite her korrigiert werden müssen, weil dieses strukturelle Ungleichgewicht nur von dem Punkte her ernsthaft und echt beseitigt werden kann. Wir' lassen uns auch nicht von Lockungen und Drohungen einschüchtern, die etwa dahin gehen, daß man sagt, wenn ihr der Steuererhöhung nicht zustimmt, dann gibt's auch kein Kindergeld.
Auch das ist so eine üble Sache aus der Trickkiste dieser Bundesregierung, daß man im einen Fall — siehe BAföG — nicht die Auffassung vertritt, daß hier erst die Steuer erhöht werden muß, daß man dann auch noch sagt, ohne Rücksicht darauf, ob die Steuererhöhung kommt oder nicht kommt, werde man in der § 7 b-Sache, also Altbauerneuerung, etwas tun. Und an dem einen zentralen Punkt, wo man offenbar der Überzeugung ist, daß dies ein besonderes Anliegen der CDU/CSU sei, will man sozusagen die Kindergelderhöhung als Geisel dafür nehmen, daß die CDU/CSU der Steuererhöhung zustimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

Das ist ein ganz übler Trick, den wir nicht bereit sind mitzumachen.

(Wehner [SPD] : Der wievielte, den Sie aufzählen?)





Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801600200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Blank?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801600300
Bitte schön.

Bertram Blank (SPD):
Rede ID: ID0801600400
Herr Kollege Althammer, dürfen wir Sie denn so verstehen, daß die CDU/CSU hier ankündigt, daß sie keine Kindergelderhöhung wünscht und daß sie keine Steuererleichterungen wünscht?

(Beifall bei der SPD)


Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801600500
Herr Kollege Blank, wenn es Ihnen noch nicht klar geworden sein soll — ich glaube, den anderen ist es klar geworden -, dann heißt dies, daß wir auf jeden Fall, und zwar ohne Steuererhöhung, darauf bestehen, daß das Kindergeld endlich angepaßt wird, weil das eine der wichtigsten sozialen Maßnahmen ist, vor der wir stehen.

(Wehner [SPD] : Wie die Partnerrente und das Erziehungsgeld!)

— Herr Kollege Wehner, ich gehe gern auf diesen Zwischenruf ein.

(Wehner [SPD] : Gehen Sie mal ein!)

Die CDU/CSU hat — und das hat noch keine Opposition vorher getan — wiederholt in der Fraktion den Beschluß gefaßt, daß sie keine ausgabewirksamen Anträge stellen wird.

(Dr. Schäfer wir gemacht!)

Aber daß wir weiter denken, das können Sie uns nicht verbieten.

(Wehner [SPD] : Das Denken möchte ich Ihnen auch nicht verbieten!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801600600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801600700
Bitte sehr.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801600800
Herr Kollege Althammer, gehört es zu diesem Weiterdenken, daß Sie vielleicht verstehen könnten, daß eine Streichung bei den Sachausgaben nicht dasselbe ist wie die Erhöhung des Kindergeldes; denn das bedeutet nämlich Erhöhung der Sachausgaben, in diesem Falle um 1,8 Milliarden DM?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801600900
Herr Kollege Westphal, wenn Sie ein bißchen gewartet hätten! Ich werde im zweiten Teil meiner Rede genau auf diesen Punkt, nämlich die Streichungen auf der Ausgabenseite noch eingehen. Das ist doch der zentrale Punkt, um den es überhaupt geht, und man sollte endlich begreifen, daß es notwendig ist, auf der Ausgabenseite wieder eine Manövriermasse freizumachen. Ich werde auf diesen Punkt noch zu sprechen kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind auch deshalb mit allem Nachdruck gegen eine weitere Steuererhöhung, weil wir feststellen müssen, daß ja ohnehin, ohne daß die Regierung auch nur einen Paragraphen ändert, Jahr um Jahr die Steuerbelastung der Bürger in ganz extremem Ausmaß steigt. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel dokumentieren, an einem Beispiel, das den Arbeitnehmer ganz besonders trifft: der Lohnsteuer. Wir haben — ohne jede Steuererhöhung — 1975 ein Lohnsteueraufkommen von 71,2 Milliarden DM gehabt, 1976 schnellte dieses Aufkommen schon auf 80,7 Milliarden DM, für 1977 erwartet die Bundesregierung in ihrem Etat 92 Milliarden DM allein aus der Lohnsteuer. Das heißt — und diese Steigerungsrate, Herr Finanzminister, hätten Sie der Offentlichkeit auch einmal bekanntgeben können —, daß in einem Jahr die Lohnsteuer um 14 °/o steigt.
Weil dies so ist, sind wir nicht bereit, weiter auf diesem Weg voranzuschreiten. Im übrigen ist es ja sehr interessant, daß z. B. das Bräuer-Institut nachgerechnet hat, daß die besonders leistungswillige Gruppe unserer Arbeitnehmer durch diese unsozialen Steuererhöhungsmaßnahmen ganz massiv, ganz nachdrücklich getroffen wird. Dies führt dann dazu, daß unsere Bürger eben nicht mehr bereit sind, diese laufenden Mehrbelastungen hinzunehmen, und daß insbesondere die Leistungsbereitschaft und der Leistungswille unserer Bürger ganz entscheidend getroffen werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801601000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blank?
Dr. Althammer (CDU/CSU) Ich will es hier zwar zu keiner Fragestunde kommen lassen, Herr Präsident, aber bitte.

Bertram Blank (SPD):
Rede ID: ID0801601100
Herr Kollege Althammer, sind Sie bereit, zu bestätigen, daß die Steigerung der Lohnsteuer, die ja bekannt ist, gleichwohl noch eine halbe Milliarde DM unter dem liegt, was der Arbeitskreis Steuerschätzung seinerzeit mit den Länder-Finanzministern festgestellt hat?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801601200
Herr Kollege Blank, ich weiß nicht, ob es unsere Arbeitnehmer besonders tröstet,

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: So ist es!)

wenn Sie dies feststellen. Tatsache ist, daß sie im Durchschnitt in diesem Jahr höchstens mit einer Lohnsteigerung von 7 % rechnen können, daß aber ihre Lohnsteuer um das Doppelte, um 14 %, steigt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir von der CDU/CSU beziehen in dieser Frage eine ganz klare Gegenposition. Wir möchten nicht mehr Abgabenbelastungen, nicht mehr Staat, sondern wir setzen uns dafür ein und möchten unseren Einfluß dahin geltend machen, daß der Bürger mehr Freiheit — mehr Freiheit auch im finanziellen Bereich — und die Möglichkeit hat, die wichtigen



Dr. Althammer
Aufgaben, vor denen wir wirtschaftspolitisch heute
stehen, durch seinen Beitrag bewältigen zu helfen.

(Wehner [SPD] : Wie sieht das in Zahlen aus?)

Ich möchte Ihnen das jetzt einmal an einem sehr entscheidenden Beispiel — auch Ihnen, Herr Kollege Wehner — vor Augen führen, nämlich an Hand der Frage der Arbeitslosigkeit und des Abbaus der Arbeitslosigkeit.
Der Herr Bundeskanzler hat in dieser zentralen und entscheidenden Frage sein Rezept inzwischen offenbar gefunden. Ich beziehe mich auf eine Mitteilung des Presseamtes vom 17. Januar 1977, in der nur ein einziges Zitat einer Rede aufgeführt ist, die der Herr Bundeskanzler in Inzell am selben Tag gehalten hat. Der Herr Bundeskanzler erklärte dort — ich darf zitieren, Herr Präsident —:
Ich will hier einmal mit Anerkennung, innerem Respekt erinnern an eine Bemerkung, die ansonsten so viel Anerkennung nicht gefunden hat — weder bei den eigenen Kollegen noch bei den gegenüberstehenden Tarifpartnern —, die der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes vor zehn oder 14 Tagen gemacht hat, was das Thema angeht, daß, wenn nicht genug Arbeit da sei im Augenblick, man dann vielleicht für alle ein bißchen weniger Arbeit sich auch vorstellen könnte, allerdings auch
— und das war das Bemerkenswerte —
ein bißchen weniger Lohn, damit andere auch einen Teil der Arbeit abkriegen und auch einen Teil Lohn abkriegen.

(Schmidt [Hamburg] [SPD] : Lesen Sie einmal weiter! Lesen Sie einmal weiter!)

— Herr Bundeskanzler, dieses Zitat ist von Ihrer Pressestelle veröffentlicht; das gebe ich hier wieder.

(Wehner [SPD] : Warum lesen Sie denn nur ein Stück vor?)

— Weil das Bundespresseamt nur dieses Stück veröffentlicht hat, Herr Wehner. Offenbar wurde das für so gravierend erachtet, — —

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Schmidt [Hamburg] [SPD] : Das Bundespresseamt hat die ganze Rede veröffentlicht!)

— Das mag ja sein. Aber, Herr Bundeskanzler, Sie können mir nicht verwehren, daß ich diese entscheidende Passage hier zitiere.

(Dr. Wulff [CDU/CSU]: Kanzlerworte! — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Seine billigen Sprüche sind die teuersten! — Erneuter Zuruf des Abg. Schmidt [Hamburg] [SPD])

— Wenn Sie erklären, das Rezept bestünde darin, daß die Arbeitnehmer nicht nur auf Arbeit, sondern auch auf Lohn verzichten sollen, dann muß ich fragen, woher diese Bundesregierung überhaupt noch den traurigen Mut nimmt, von Brüningschen Notverordnungen zu reden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Soweit ist ja noch nicht einmal Herr Brüning gegangen wie jetzt diese Bundesregierung, die, nachdem sie die Rentner geschröpft hat, nun auch noch die im aktiven Arbeitsleben Stehenden in dieser Weise zur Kasse bitten will.
Ich möchte mich jetzt aber mit ernster zu nehmenden Projekten zum Abbau der Arbeitslosigkeit beschäftigen. Der Bundesfinanzminister hat gestern sehr ausführlich darüber gesprochen, daß die Arbeitslosigkeit durch ein neues Investitionsprogramm abgebaut werden soll.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801601300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801601400
Bitte schön.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0801601500
Herr Kollege Althammer, halten Sie Ihre Bemerkungen, die Sie soeben an die Adresse des Bundeskanzlers gerichtet haben, tatsächlich für einen Beitrag, der dem Problem und der sehr ernsten Fragestellung gerecht wird, ob Arbeitszeitverkürzung bei teilweisem Lohnverzicht nicht eventuell ein Mittel zum Abbau von Arbeitslosigkeit sein könnte, und stimmen Sie mir zu, daß diese Anregung, die ja zum Teil auch aus dem Munde von Spitzenfunktionären der `Gewerkschaft gekommen ist, vielleicht einer ernsthafteren Nachprüfung wert wäre, als Sie sie vorgenommen haben?

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801601600
Herr Kollege Lambsdorff, wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie oder einer Ihrer Kollegen, die ja nach mir sprechen, die Frage beantworten würden, ob Ihre Fraktion, ob die FDP dafür ist, daß nicht nur Arbeitszeit, sondern auch der Lohn verkürzt wird. Das würde uns sehr interessieren.

(Wehner [SPD] : Und Sie?)

- Das sage ich Ihnen ganz deutlich: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen wenden, daß der Lohn der im Arbeitsleben Stehenden verkürzt wird. Wir halten das nicht für eine gute und richtige Lösung des Problems.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Er ruft zum Klassenkampf auf!)

Lassen Sie mich auf die Frage zurückkommen, ob die Form des neuen Investitionsprogramms, mit dem die Bundesregierung jetzt an das Problem herangehen will, geeignet ist, den optimalen Beitrag zu leisten. Die Bundesregierung hat ja schon eine Reihe von Investitionsprogrammen durch das Parlament verabschieden lassen. Der Bundesfinanzminister hat gestern die Zahl von 17 Milliarden DM genannt, die bisher in solche Programme investiert worden seien. Herr Bundesfinanzminister, Sie werden nicht feststellen können, daß dadurch heute auch nur ein Arbeitsloser weniger auf der Straße steht, sondern ganz im Gegenteil: Trotz dieser vielen Programme



Dr. Althammer
mit diesem Gesamtvolumen ist die Arbeitslosigkeit
jetzt im Januar erneut gewachsen.

(Wehner [SPD]: Wollen Sie das nicht vor das Verfassungsgericht bringen, damit es darüber auch noch entscheidet?)

— Herr Kollege Wehner, ich werde zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes noch kommen,

(Wehner [SPD] : Nein, dieses Problem!)

und was ich Ihnen zu dieser Frage zu sagen habe, wird Ihnen keine Freude machen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Da haben Sie recht! Ich rate Ihnen nur, auch diese Frage vor das Verfassungsgericht zu bringen! — Dr. Jenninger [CDU/ CSU] : Abschaffen, Herr Wehner! — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Politbüro genügt!)

Die CDU/CSU ist der Meinung, daß allein dies — jetzt mit einem neuen Konjunkturprogramm zu versuchen, der Arbeitslosigkeit beizukommen — nicht optimal geeignet ist, dieses Problem zu lösen. Ich möchte Ihnen die Bedenken kurz an Hand von sechs Punkten vortragen.
Erstens. In vielen Fällen entsteht nur ein optischer Effekt, so als ob weitere Arbeitsplätze geschaffen würden, während in Wirklichkeit nur Investitionsprogramme, die ohnehin durchgeführt worden wären, in ein solches Sonderprogramm einbezogen werden. Wir haben bei der Durchsicht dieses neuen Programms, das jetzt im Entstehen ist, sehr kritisch die Frage zu stellen, ob es wirklich zur Arbeitsplatzbeschaffung optimal geeignet ist oder ob hier nicht eine Fülle von Projekten durchgeführt wird, die möglicherweise sehr finanz- und kapitalintensiv sind, die aber nicht die vielen neuen Arbeitsplätze bringen, die wir brauchen.

(Wehner [SPD] : Investitionslenkung! Das wollen Sie sagen!)

Zweitens. In vielen Fällen — besonders dann, wenn es nicht nur solche umgepolten Programme sind — werden Steuergelder falsch und unrentabel eingesetzt; denn diejenigen, die diese Programme regional durchführen müßten, würden ohne die Verlockung der Bundes- und Landeszuschüsse in dieser Weise nicht investieren. Vielmehr sind sie nur bereit, eine solche zum Teil fragwürdige Investition zu machen, weil eben die goldene Kugel, also der Zuschuß des Bundes, winkt.
Drittens. Die Programme sind in vielen Fällen zu starr und zu eng abgezirkelt. Sie laufen zu langsam an und werden noch weiterfinanziert, wenn das örtliche Bedürfnis längst nicht mehr vorhanden ist. Dieses Bedenken, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesfinanzminister, besteht besonders auch gegen dieses neue Programm. Wir halten es für eine bare Illusion, daß Sie schon in diesem anlaufenden Jahr in einem finanziellen Ausmaß investieren und damit Arbeitsplätze schaffen können, wie Sie das gerne möchten. Es hat sich vielmehr immer wieder gezeigt, daß einfach die Bürokratie nicht in der Lage ist, diese Dinge so schnell effektiv zu machen.
Vielleicht kommen die Programme erst in einer Phase zum Tragen, in der es nicht mehr so vor- dringlich wäre wie gegenwärtig. Das hat sich ja auch in einer Fülle von Einzelbeispielen gezeigt. Denken Sie z. B. daran, daß noch heute in Wolfsburg ein Programm weiterfinanziert wird, das damals ausdrücklich — mit Recht — mit der besonderen Schwierigkeit im Volkswagenwerk begründet worden ist, die, wie wir alle wissen, nun Gott sei Dank längst behoben ist.
Viertens. Der Staat will, um einen möglichst schnellen Erfolg zu erreichen, hier sehr oft in der Form des sogenannten Windhundverfahrens denjenigen begünstigen, der am schnellsten mit seinem Projekt aufwarten kann. Ob das dann auch immer das beste Objekt ist und ob damit nicht Ungerechtigkeiten gegenüber anderen, die sehr viel vernünftigere Dinge finanzieren wollen, eintreten, ist eben auch eine Frage, die wir zu stellen haben.
Fünftens. Mit der Ankündigung solcher Investitionsprogramme schaffen Sie einen Erwartungseffekt, der dazu führt, daß zunächst einmal nicht investiert wird, weil sich jeder, der jetzt investieren will, natürlich die Frage stellt, ob er nicht, wenn er noch einige Wochen zuwartet, in den Genuß solcher Staatszuschüsse kommt, die er nicht erhielte, wenn er sofort investierte. Damit haben Sie genau den umgekehrten Effekt, nämlich daß mit Investitionen zugewartet wird, die wir im Augenblick bitter notwendig hätten, statt daß so schnell wie möglich soviel wie möglich investiert wird.
Sechstens. Ein ganz entscheidender Punkt, auf den der Bundesfinanzminister gestern in seiner Rede Gott sei Dank auch eingegangen ist, betrifft die Frage der finanziellen Dauerlasten, die aus solchen Investitionsprogrammen entstehen. Es ist ja nicht damit getan,' daß man so schnell wie möglich neue Krankenhäuser, neue Schulen usw. baut, sondern man muß sich auch die Zeit nehmen, um durchzurechnen, welche finanziellen Dauerlasten dadurch entstehen. Wenn hier die Gefahr besteht, daß unter Umständen falsch investiert wird, daß Kapital in Bahnen gelenkt wird, wo es nicht so optimal wirkt, dann sind natürlich diese Fehlleitungen von Dauerfolgelasten um so schlimmer, weil hier ja Geldmittel gebunden werden, die anderweitig eingesetzt werden könnten, wenn sie nicht durch sehr massive Folgelasten blockiert würden.
Das sind die Gründe, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum wir in den Wein der euphorischen Erwartungen, die der Herr Bundesfinanzminister gestern in das neu angekündigte Programm gesetzt hat, etwas Wasser schütten müssen.
Wir von der CDU/CSU haben uns auch sehr ernsthaft überlegt, ob nicht ein ganz anderer Weg viel erfolgversprechender wäre als der, den Staat dadurch einzuschalten, daß zunächst einmal dauernd neue Finanzmittel hereingeholt werden, die dann wiederum in dieser unvollkommenen Weise über die Bürokratie ausgegeben werden, nämlich der Weg, mit dem die CDU/CSU in einer ganz schweren Situation — in den Jahren 1949 und danach — so große Erfolge gehabt hat: die Privatinitiative sehr viel stärker zur Lösung dieses Problems zu mobili-



Dr. Althammer
sieren. Das kann z. B. dadurch geschehen, daß man gezielte Steuererleichterungen beschließt, die Investitionen anregen und Arbeitsplätze schaffen. Überlegen Sie sich bitte einmal, was hier bei Investitionshaushalten an Finanzvolumen bewegt wurde und wird, nämlich bisher 17 Milliarden und jetzt noch einmal 10 bis 12 Milliarden, also fast 29 Milliarden DM, und zwar, wie wir alle wissen, mit einem Strohfeuereffekt: momentan vielleicht eine gewisse Ankurbelung, die aber keinen Dauereffekt hat.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wenn wir diese Gelder wenigstens zum Teil hätten verwenden können, um der Privatwirtschaft steuerliche Anreize zu geben, wären wir, glaube ich, sehr viel weiter gekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich weiß natürlich, daß diese Gedanken bei den Sozialisten keine Freude hervorrufen und keinen Beifall finden.

(Löffler [SPD] : Das mußte ja kommen, Herr Althammer, sonst haben. Sie ja nichts zu sagen!)

— Natürlich! Ich wundere mich aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die FDP bisher bereit war, diesen Weg der permanenten Steuererhöhungen, diesen Weg von immer mehr staatlich gelenkter Wirtschaft mitzugehen, und daß sie nicht bereit war, wenigstens auf unsere Konzeption einzuschwenken.

(Wehner [SPD] : Hereinzufallen!)

Erinnern wir uns, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die FDP hat 1966 wegen einer Steuererhöhungsmaßnahme von 1 Milliarde DM —

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Nicht einmal!)

um diesen Betrag sollten damals die Branntwein-und die Tabaksteuer erhöht werden — das Kabinett Erhard verlassen und damit den Regierungssturz herbeigeführt. Und heute ist sie Seite an Seite mit der SPD, wenn es darum geht, hier Steuererhöhungen von 12 Milliarden zu vertreten!

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Die macht alles! — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Aber Herr Althammer! Das war doch der letzte Punkt!)

Ich darf mich der Ausgabenseite des Etats 1977 und der mittelfristigen Finanzplanung zuwenden. Hier ist zweifellos — das hat auch der Bundesfinanzminister angesprochen — das Problem der exorbitanten Staatsverschuldung das entscheidende, das schwierigste Problem, vor dem wir stehen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat in einer Analyse vom 6. Januar 1977 in nackten Zahlen das bestätigt, was ich eingangs gesagt habe, daß sich nämlich hier die Zerrüttung unserer Staatsfinanzen mit der allergrößten Deutlichkeit zeigt. Dieses Institut, das bestimmt nicht im Verdacht steht, der CDU/CSU nahezustehen, hat festgestellt, daß wir dann, wenn das Finanzierungsdefizit innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung, also bis zum Jahre 1980, abgebaut werden soll, die Hälfte der
Zuwachsraten unseres Staatseinkommens beim Bund allein für Zins- und Tilgungsverpflichtungen verwenden müssen, und die andere Hälfte, so sagt das Institut, ist voll von den Steigerungsraten bei den Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst beansprucht. Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren: wenn auf diesem Sektor nichts Entscheidendes geschieht, bleibt für neue Aufgaben nichts übrig. Das ist das strukturelle Ungleichgewicht in unserem Haushalt, von dem ich spreche.
Es ist ja sehr merkwürdig, wie sich die Bundesregierung zum Problem der Staatsverschuldung einläßt. Für den Gebrauch in der Innenpolitik wird immer wieder behauptet, diese Staatsverschuldung sei ja gar nicht so schlimm, und dann kommen all die vielen Entschuldigungen, die wir schon oft genug gehört haben. Wenn aber die gleiche Bundesregierung gegenüber dem Ausland, z. B. gegenüber den Amerikanern, argumentiert, sieht das Verschuldungsproblem schon wieder ganz anders aus. Den USA z. B. hat diese Bundesregierung gesagt, die Verschuldungsrate in der Bundesrepublik steige in diesem Jahr doppelt so stark und sei auch schon im vergangenen Jahr doppelt so hoch gewesen, als dies z. B. im amerikanischen Staatshaushalt der Fall gewesen sei.
Damit sind wir genau beim entscheidenden Punkt. Das Besorgniserregende an der Schuldenentwicklung ist dieses in wenigen Jahren — ab 1974 — zu beobachtende ungeheure Hochschnellen. Was hier innerhalb von drei Jahren geschehen ist, ist gegenüber allem, was in allen anderen Industriestaaten passiert, völlig unvergleichlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)

Es ist ganz interessant, einmal nachzulesen, was Herr Wannenmacher in einem Aufsatz in der „Deutschen Zeitung" vom 4. Februar gerade zu dieser rasanten Entwicklung der Neuverschuldung gesagt hat.
Jetzt kommt der nächste gravierende Punkt. In den vergangenen Jahren hat sich die Bundesregierung immer damit entschuldigt, daß sie gesagt hat: Wir müssen so hohe Schulden machen, um die Rezession zu bekämpfen. Nun sagt sie aber in ihrem Wirtschaftsbericht und in ihren Eckdaten: Im Jahre 1977 und in den folgenden Jahren haben wir keine Rezessionsbekämpfung mehr. Das hätte bedeutet, daß dann keine so hohen Steigerungsraten bei der Verschuldung zu erwarten gewesen wären. Wenn Sie sich den Bundeshaushalt 1977 ansehen, sehen Sie ohne Rezessionsbekämpfung eine Neuverschuldung von 23 Milliarden DM allein beim Bund in diesem einen einzigen Jahr, und diese Kette setzt sich in den nächsten Jahren fort, wobei die Abbauraten, die uns die Regierung hier auf den Tisch legt, unseres Erachtens viel zu optimistisch sind. Daß wir ohne Inflationsbekämpfung so hohe Verschuldungsraten haben, zeigt, daß ein strukturelles Defizit des Bundeshaushalts vorliegt, das unserer Überzeugung nach nur auf der Ausgabenseite bekämpft werden kann. Darum wenden wir uns auch so sehr dagegen, daß man nun versucht, mit der Spritze der dauernden Steuererhöhungen diesen Patienten, der sich



Dr. Althammer
leicht daran gewöhnen kann, in einer Weise süchtig zu machen, die schließlich, wenn das wohltuende Gift vorbei ist, wieder zu einer viel schlimmeren Malaise führt. Wir von der CDU/CSU sind dafür, daß diese Regierung, die die Verantwortung in diesem Lande hat, endlich einmal damit Ernst macht, daß eine Entziehungskur auf der Ausgabenseite einsetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

— Ich komme jetzt zu diesem Punkt. Es ist natürlich klar, daß die Situation nicht so ist, daß etwa im Bundeshaushalt 1977 10 Milliarden DM oder noch mehr Milliarden DM wie Ostereier verborgen wären, die Bundesregierung und die Koalition blind daran vorbeiliefen und die Opposition nur ins Nest greifen müßte und dann diese Wundereier herausziehen könnte. So primitiv ist die Sache natürlich nicht.
Ich habe Ihnen vorher schon gesagt, daß wir genauso, wie wir in den letzten Jahren sehr intensiv und — wenn Sie ein bißchen ehrlich wären, müßten Sie das anerkennend sagen — auch mit Erfolg die Durchforstung der Etats durchgeführt haben, auch diesmal versuchen werden, zu wesentlichen Einsparungen zu kommen.

(Blank [SPD] : Sie haben noch nie 5 Milliarden DM herausgeholt!)

— Herr Kollege Blank, wir sind uns völlig darüber im klaren, daß mit solchen Einzeleinsparungen im jeweiligen Einzeletat das Problem des Ungleichgewichtes des Bundeshaushaltes nicht zu beseitigen ist, sondern hier wäre der Ort, wo die Regierung, die das Wort Reform fast zu einem Schimpfwort gemacht hat, weil sie es so mißbraucht hat, wirklich mit echten Haushaltsreformen ansetzen müßte. Die Ansatzpunkte sind genannt und in diesem Fall erfreulicherweise auch von der FDP unterstützt worden. Wir haben gesagt: Nicht nur der Bund, nicht nur die Länder, sondern insbesondere auch die Kommunen müßten sich von öffentlichen Aufgaben entlasten, die von privater Seite wirksamer und mit besserem Erfolg wahrgenommen werden könnten.
Dies ist der entscheidende Punkt, auf den es ankommt, nämlich daß wir hier langfristig und mittelfristig Reformen durchführen. Das gleiche gilt für den Personalsektor. Wir müssen hier dazu kommen, daß wir langfristig die Leistungsreserven, die im Personalsektor der öffentlichen Hand enthalten sind, endlich mobilisieren. Davon wird seit der Regierungszeit von Willy Brandt gesprochen, aber geschehen ist auf diesem Sektor nichts. Hier müßte die Regierung ansetzen, wenn sie den Haushalt endlich und endgültig in Ordnung bringen wollte.
Ich habe eingangs meiner Rede angekündigt, daß ich noch einige Anmerkungen zu dem gestern ergangenen Verfassungsgerichtsurteil machen werde.

(Wehner [SPD] : Das ist sozusagen eine Fußnote zu Ihrer Redezeit!)

— Herr Fraktionsvorsitzender Wehner, diese Sache hat mit dem Bundeshaushalt sehr viel zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : 100 Millionen DM!)

Wir haben im letzten Jahr eine Auseinandersetzung
über die Verschwendung von Steuergeldern gehabt,

(Zurufe von der SPD: In Bayern! In BadenWürttemberg! — Weitere Zurufe von der SPD)

über den Mißbrauch, den die Regierung gerade im Bundestagswahlkampf 1976 betrieben hat.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie machen die Sache durch Ihr Geschrei natürlich nicht besser. Tatsache ist, daß das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß nicht nur Steuergelder von der Regierung verfassungswidrig zu Wahlkampfzwecken mißbraucht worden sind, sondern daß diese Bundesregierung auch gegen Art. 20, 21 und 38 des Grundgesetzes verstoßen hat.

(Dr. Waigel [CDU/CSU] : Abtreten!)

Wenn Sie diese Grundgesetzartikel nachlesen, stellen Sie fest, daß dies die Fundamentalnormen unserer Verfassung sind. Dort geht es nämlich um die Legitimation einer Regierung durch den Wähler, durch den Bürger in freien Wahlen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unser Grundgesetz will sicherstellen, daß der Wähler seine Entscheidung unbeeinflußt treffen kann. Das oberste Gericht hat festgestellt, daß bei der Bundestagswahl 1976 diese freie und unbeeinflußte Entscheidung nicht stattgefunden hat, weil die Bundesregierung in verfassungswidriger Weise in den Wahlkampf eingegriffen hat.

(Wehner [SPD] : „eingegriffen hat" ist gut, ja!)

Der Bundeskanzler hat zweimal, am 16. Mai 1974 und am 15. Dezember 1976, geschworen, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen. Jetzt stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß er und seine Regierung die Verfassung gerade in dem Punkt gebrochen haben, wo es um die fundamentale Ausübung der Rechte unserer Bürger geht.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Legitimation dieser Bundesregierung auf Grund dieser Wahl in Frage gestellt.

(Friedrich [Würzburg] [SPD] : Auch die bayerische Staatsregierung!)

Der Herr Bundeskanzler muß sich die Frage stellen, ob er angesichts dieser Entscheidung des obersten Verfassungsgerichts die Basis für die Weiterarbeit seines Kabinetts überhaupt noch als gegeben ansieht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Was Herr Zimmermann begründen wird in bezug auf den Eid!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich müssen sich dieses Urteil nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Landesregierungen und die Parteien hinter die Ohren schreiben. Ich sage Ihnen aus meiner persönlichen Erfahrung dieses Wahlkampfes: Jeder ist gut beraten, wenn er mit dieser Materialschlacht, die diese Bundesregierung



Dr. Althammer
im Wahlkampf inszeniert hat, so schnell wie möglich Schluß macht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Bürger haben kein Verständnis mehr dafür, daß man ihnen dauernd etwas von den finanziellen Schwierigkeiten des Staates sagt, daß man ihnen dauernd neue Steuern und Abgaben zumutet, während man gleichzeitig Millionen und aber Millionen in èinem Wahlkampf verpulvert, und das noch in Form von Steuergeldern, die für diesen Zweck überhaupt nicht vorgesehen sind.
Wir haben hier im vergangenen Jahr z. B. die Debatte beim Haushaltssicherungsgesetz geführt, das auch der Herr Bundesfinanzminister angesprochen hat. Bei diesem Haushaltssicherungsgesetz sind z. B. die Renten für die Kriegshinterbliebenen um 18 Millionen DM gekürzt worden. Die CDU/CSU hat diese Kürzung abgelehnt und einen Deckungsvorschlag aus den Propagandamitteln der Bundesregierung gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich stelle heute die Frage, ob die Bundesregierung nicht besser beraten gewesen wäre, den Kriegshinterbliebenen diese Unterstützungen zu belassen und statt dessen ihre Propagandaausgaben entsprechend einzuschränken.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Wohlrabe [CDU/CSU] )

Der entscheidende Punkt dabei ist aber, daß das Ergebnis der Bundestagswahl am 3. Oktober 1976 so knapp ausgefallen ist. Wir haben heute die Frage zu stellen, ob es diesen Bundeskanzler und diese Bundesregierung überhaupt gäbe, wenn hier keine Verfassungsverstöße vorgenommen worden wären, wenn z. B. nicht von dieser Regierung Annoncen des damaligen Arbeitsministers Walter Arendt zu Lasten der Steuergelder in allen Zeitungen gestanden hätten, in denen er erklärt hatte : „Eure Renten sind sicher". Hätten die 14 Millionen Rentner in dieser Form gewählt, wenn sie nicht bei der Wahl in der Weise beeinflußt worden wären?

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Falsches Zeugnis gegeben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Damit ist die Legitimationsfrage für diese Regierung gestellt. Herr Bundeskanzler, Sie sollten sich wirklich ernsthaft die Frage stellen, ob nach diesem Urteil die Vertrauensbasis für eine weitere Arbeit ihres Kabinetts überhaupt noch gegeben ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie werden ja im Mai dieses Jahres ein weiteres Urteil zu erwarten haben, und ich weiß nicht, Herr Bundeskanzler, ob Sie so lange warten sollen, bis Ihr Fraktionsvorsitzender wieder einmal irgendwo in einer ausländischen Hauptstadt sich über Badewassertemperaturen seines Kanzlers unterhält,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

oder ob es nicht besser wäre, Sie würden sich selber
rechtzeitig die Frage stellen, wann und aus welchen
Gründen Sie Ihren Abgang von dieser Position wählen sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eines jedenfalls werden wir nicht zulassen, nämlich daß die Regierung und ihre eilfertigen Publizisten diese Sache, die eine Angelegenheit der Regierung ist, in einen allgemeinen Vertrauensschwund der Politiker und des Parlaments, in eine Staatsverdrossenheit ummünzen. Diese Regierung und diese Regierungskoalition haben mit dem Vertrauen der Bürger gespielt, und sie haben das Vertrauen der Bürger verspielt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In einer Demokratie steht in einem solchen Falle die parlamentarische und demokratische Opposition bereit, die Vertrauensbasis wiederherzustellen.

(Zurufe von der SPD)

Wir von der CDU/CSU, die wir in einer der schwersten Stunden unseres Volkes nach 1948/1949 die Verantwortung übernommen haben,

(Zurufe von der SPD)

die wir diese Verantwortung getragen haben, mit Erfolg, wie, glaube ich, heute jedermann sagen muß, wir sind bereit, wenn diese Vertrauensbasis nicht mehr gegeben ist, wenn die Legitimation dieser Regierung durch eine Verfassungsgerichtsentscheidung in Frage gestellt ist, hier in die Bresche zu springen und die Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Dann springen Sie mal!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801601700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801601800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun, lieber Herr Althammer, nach diesem pathetischen Schreckensgemälde am Schluß Ihrer Rede möchte ich vorschlagen, daß wir wieder auf den Teppich der Sachdebatte über den Haushalt zurückkommen

(Beifall bei der SPD)

und daß wir die Frage des neuen Verfassungsgerichtsurteils in sauberer Ordnung selbstverständlich an der richtigen Stelle beantworten und auf sie eingehen. Einer meiner Kollegen ist darauf vorbereitet, über diese nicht einfache Frage, die sich aus dem gestrigen Urteil ergeben hat, hier zu uns zu sprechen.
Ich aber möchte gern auf das eingehen, was mit der Tagesordnung und dem Haushalt zu tun hat. Der Bundesminister der Finanzen hat gestern dem Parlament in nüchtern-eindrucksvoller Weise den Entwurf des Haushaltsplans 1977 und mit ihm verbunden die finanzpolitische Perspektive der Bundesregierung bis an das Ende der Legislaturperiode vorgetragen. Wir Sozialdemokraten wollen heute deutlich machen, daß wir zu den Grundzügen dieses Konzepts ja sagen. Das gilt für den Inhalt, für den Umfang und auch für seine Begründung. Dies heißt, daß wir vor Eintritt in die Einzelberatungen des Haushalts, die sicher viele Veränderungen in Einzelpositionen und auch manche Einsparungen brin-



Westphal
gen werden, unsererseits hier aussagen können und wollen: dieser Haushaltsplanentwurf und die Finanzplanung bis zum Jahre 1980 entsprechen dem, was aus heutiger Sicht für unser Land notwendig und möglich ist. Sie berücksichtigen in klar erkennbarer Weise die Einbettung in die weltwirtschaftlichen Entwicklungen und übersetzen die Regierungserklärung des Bundeskanzlers in die nüchterne Sprache der Zahlen.
Die Bundesregierung hat als ihre vorrangige wirtschaftliche Aufgabe der 8. Legislaturperiode die Arbeit zur Wiederherstellung und zur Sicherung der Vollbeschäftigung bezeichnet. Sie will dieses Ziel ansteuern, ohne den erreichten Grad an Stabilität zu gefährden. Wir haben uns zu fragen, ob der vorgelegte Haushaltsplan, den der Finanzminister unter das Motto „Bundeshaushalt 1977 — Sicheres Fundament für den Aufschwung" stellte, und die Finanzplanung dieser Politik in Richtung auf Vollbeschäftigung dienen. Der Bundesfinanzminister hat gestern, ich finde, überzeugend verdeutlicht, in welchem Ausmaß weltweite Abhängigkeiten einerseits und deutsche Bemühungen um international koordiniertes Handeln andererseits Einfluß auf nationale Regierungsentscheidungen haben. Und er hat klargestellt, daß staatliche Maßnahmen für das Geschehen in unserer Volkswirtschaft Anstoßwirkungen haben und helfende Unterstützung geben. Aber gemessen am Bruttosozialprodukt als Summe aller wirtschaftlichen Aktivitäten ist und bleibt der staatliche Handlungsraum nur ein Teilbereich. In dieser Eingrenzung gesehen stellen wir folgendes fest.
Erstens. Bezogen auf den Stand der konjunkturellen Entwicklung, deren positive Trendwende im Jahre 1975 lag und deren in verschiedenen Wirtschaftsbereichen unterschiedlichen Aufwärtstrend wir insgesamt verstetigen wollen, sehen wir das Volumen des Bundeshaushalts 1977 mit seinen 171,8 Milliarden DM und seinem Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 % im Ist-Soll-Vergleich als konjunkturangemessen an. Der Haushaltsentwurf 1977 trägt der Zielsetzung der Politik, die der Bundeskanzler am 16. Dezember 1976 mit der Forderung nach Vollbeschäftigung bei Erhaltung der Stabilität gekennzeichnet hat, voll Rechnung. Er entspricht der Abschlußphase der bisherigen antizyklischen, konjunkturstützenden Finanz- und Haushaltspolitik; er unterstützt Wachstumsvorsorge und Sicherung der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung; er setzt verstärkt die Bemühungen der sozialliberalen Koalition um eine mittelfristige Konsolidierung des Haushalts fort.
Hier, meine Damen und Herren, möchte ich gerade auch in Beantwortung dessen, was Herr Dr. Althammer zu dieser Frage gesagt hat, hinzufügen, daß wir nach unserer Ansicht in dieser Richtung bereits einen Schritt weiter wären, wenn zur Finanzierung des Ausgabevolumens schon im Jahre 1977 die Mittel hätten eingesetzt werden können, die wir aus der angestrebten Umsatzsteuererhöhung erwarten. Die Verantwortung für die Verhinderung dieser Verbesserung der Einnahmesituation des Bundes und der Länder haben die CDU/CSU-geführten Bundesländer und neben ihnen die Opposition hier in diesem Hause zu tragen.
Dieser Haushalt trägt nicht nur wachstums- und beschäftigungspolitischen Notwendigkeiten Rechnung — ich verweise z. B. auf die Veranschlagung der 400 Millionen DM für das arbeitsmarktpolitische Programm zur Beschäftigungssicherung vom November 1976 —, sondern mit ihm werden erfreulicherweise auch zugleich erste Früchte unserer bisherigen konjunkturpolitischen Bemühungen geerntet. Z. B. benötigt die Bundesanstalt für Arbeit im Etatjahr 1977 keine Zuschüsse des Bundes mehr, während 1976 noch 3 Milliarden DM erforderlich waren; z. B. erfährt die Finanzierungsseite des Bundeshaushalts erste Besserung durch die sich aus der Konjunkturerholung ergebenden Steuermehreinnahmen, die für 1977 auf Grund der letzten Steuerschätzung vom Dezember 1976 gegenüber der bisherigen Planung ein Plus von 3,8 Milliarden DM erbringen, allerdings — so muß man hinzufügen — einschließlich 1,2 Milliarden DM als einmaligem Effekt aus der Körperschaftsteuerreform. Diese, sagen wir ruhig, wohlschmeckenden Früchte im Bundeshaushalt 1977 eröffnen ihrerseits auch die Möglichkeit zum beginnenden Abbau der rezessionsbedingten hohen Finanzierungsdefzite.
Zweitens. Um auch staatlicherseits zu den arbeitsplatzbeschaffenden und arbeitsplatzstabilisierenden Bemühungen beizutragen, soll die Investitionsquote im Staatshaushalt so hoch wie möglich sein. Gegenüber den ungünstigen Zahlen des Jahres 1976, denen allerdings eine starke Steigerung der Investitionen im Jahre 1975 vorausgegangen war, ist das Wachsen der Investitionsausgaben im Haushaltsentwurf 1977
um 7,1 % positiv zu bewerten.
Drittens. Gerade im Blick auf das am Anfang dargestellte Ziel, durch die Haushalts- und .Finanzpolitik die Bestrebungen zu stützen, die zur Wiedererreichung von Vollbeschäftigung führen, begrüßen wir Sozialdemokraten die Absicht der Bundesregierung, das Programm Zukunftsinvestitionen nach den Absprachen mit den Ländern und unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände in die Beratungen so bald wie möglich zu verabschieden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

so daß dieses Programm nicht nur umgehend in die Haushaltsberatungen einbezogen werden kann, sondern auch so bald wie möglich — d. h. für uns: zum Sommer dieses Jahres, Herr Althammer — zu wirken beginnt.
Um diese Bestrebungen der Regierung in besonderer Weise zu stützen, haben die Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuß schon am 9. Februar dieses Jahres den Beschluß herbeigeführt, daß die im Bundeshaushaltsplan enthaltenen Mittel für Investitionsausgaben bereits dann voll eingesetzt werden und ausgegeben werden dürfen, wenn darüber im Ausschuß Beschluß gefaßt worden ist. Es braucht also nicht gewartet zu werden, bis der Haushalt insgesamt in zweiter und dritter Lesung verabschiedet und Gesetz geworden ist.
Die Konzentration der vom Bund, den Ländern und Gemeinden vorgeschlagenen Maßnahmen zum Ausbau der öffentlichen Infrastruktur in zum Teil neuen und bisher weniger berücksichtigten Bereichen und der damit verbundene Versuch, zu einer



Westphal
sinnvollen regionalen Verteilung zu gelangen, machen bereits jetzt deutlich, daß dieses über mehrere Jahre ausgelegte Förderungsprogramm nicht einfach nur im Sinne einer Verstetigung des konjunkturellen Aufstiegs wirken soll und wirken wird, sondern tatsächlich die' erforderliche Verbesserung von wirtschaftlichen Grundstrukturen mit sich bringt, die aus sich heraus Anregung und Erleichterung für wirtschaftliches Handeln der privaten Unternehmen bringt, so daß der erwünschte Multiplikatoreffekt erreicht wird, der in sich steigerndem Maße private Investitionen auslöst, die über Rationalisierung und Modernisierung hinausführen und die dringend erforderlichen zusätzlichen Dauerarbeitsplätze bewirken können.
Der Bundesfinanzminister hat gesagt, daß er hoffnungsvoll auf die Bereitschaft der Bundesländer und der Gemeinden blickt, das Programm Zukunftsinvestitionen mitzutragen. Dies heißt nicht nur, daß die anderen Gebietskörperschaften ihren Anteil für diejenigen Teile des Programms, die Mischfinanzierung darstellen, in ihre Haushalte einstellen, sondern auch, daß der Fianzminister darauf hofft, die Länder für eigene, in gleicher Richtung wirkende Teile des Programms Zukunftsinvestitionen gewinnen zu können, die aus Ländermitteln finanziert werden. Wir möchten dieser vom Finanzminister ausgedrückten Hoffnung die Mahnung und auch die dringende Bitte anfügen, sich diesen gemeinsamen Bemühungen um eine Verbesserung unserer gesamten Wirtschaftsstruktur und damit der Voraussetzung für neue Arbeitsplätze nicht zu verschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FPD)

Meine Damen und Herren, wir stimmen zu, daß die komplizierten Formen der Mischfinanzierung nur einen Teil des Gesamtprogramms Zukunftsinvestitionen darstellen können. Aber gerade dies macht auch deutlich, daß die in eigener Verantwortung der Länder durchgeführten Programmteile ohne diese Komplizierung dringend erforderlich sind. Dabei wissen wir, daß die Länder und Gemeinden — gleich dem Bund — außerordentlich stark daran interessiert sind, im Zuge der Konsolidierungsbemühungen aller öffentlichen Haushalte die hohen Grade der Verschuldung, die sich gerade aus der antizyklischen Haushalts- und Konjunkturpolitik der vergangenen Jahre ergeben haben, zügig abzubauen. Herr Dr. Althammer, vielleicht darf ich hier die Überlegung einschieben, daß das von Ihnen zitierte Institut, das gesagt haben soll, man müsse sehr schnell von den Schulden herunter, tatsächlich genau das Gegenteil zum Ausdruck gebracht hat. Vielleicht prüfen Sie dies einmal und lesen nach, was das Gutachten des DIW vom 20. Januar 1977 zu diesem Thema sagt.
Aber auch uns geht es selbstverständlich darum, in einem zügigen Prozeß die hohe Verschuldung abzubauen. Eine nüchterne Prüfung der Zahlen im Vergleich zwischen den verschiedenen Ebenen der öffentlichen Haushalte zeigt aber, daß, insgesamt gesehen, dieser Konsolidierungsvorgang, insbesondere die Rückführung der Nettoneuverschuldung, bei Ländern und Gemeinden relativ schneller vorangeht, als dies beim Bund möglich sei. Der Bundesfinanzminister hat in dieser Hinsicht vor einer prozyklischen Verhaltensweise der anderen Gebietskörperschaften gewarnt. Wir möchten dazu ergänzend zum Ausdruck bringen, daß diese schwierige, längerfristige Operation des gleichzeitigen Schuldenabbaus einerseits und der mit neuen Kreditmitteln finanzierten Zukunftsinvestitionen in die öffentliche Infrastruktur andererseits dann am besten gelingen kann, wenn Bund und Länder zu einem aufeinander abgestimmten Verhalten kommen. Das Wort von der gleichen Schrittgeschwindigkeit bei dem Prozeß des Abbaus der Rezessionsverschuldung in Bund, Ländern und Gemeinden, kürzlich von Herrn Finanzminister Halstenberg aus Nordrhein-Westfalen wohl erstmalig verwendet, könnte ein sinnvolles Leitmotiv für alle Beteiligten sein, zumal wenn der Bund mit Rücksicht auf seine Größe auch eine etwas größere Schrittlänge erzielen könnte.
Es liegt uns allerdings daran, hier zu unterstreichen, daß man mit den Entscheidungen über das Programm für Investitionen, die die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur betreffen, nicht warten kann, bis die letzte Runde der gegenwärtig angelaufenen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Steuerneuverteilung eingeläutet wird. Es mhg für die eine oder andere Landesregierung verlockend sein, die Länderanteile für dieses Investitionsprogramm auch noch in das sowieso schon sehr umfangreiche und schwierige Paket der zu entscheidenden Steuerneuverteilungsfragen hineinzutun. Dem muß im Interesse der Sache, d. h. im Interesse der Schaffung von Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze deutlich widersprochen werden. Gerade diejenigen, die oft leichtfertig vom noch fehlenden Vertrauen von Investoren sprechen, werden uns zustimmen müssen, wenn wir sagen, daß solches Vertrauen nicht als Auswirkung von Pokerergebnissen in der Steuerneuverteilungsdebatte entstehen kann. Ein klares Ja zu den gemeinsamen Investitionsanstrengungen aller Ebenen und die umgehende Nennung der Beträge, die das Programm länderseits bis zu dem vom Bund angestrebten Gesamtumfang von etwa 12 Milliarden DM auffüllen und eventuell darüber hinaus ergänzen, wird der beste Beitrag zur Schaffung des gewünschten Vertrauens sein.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801601900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schröder?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801602000
Aber bitte, Herr Präsident.

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801602100
Herr Kollege Westphal, können Sie dem Hause einmal erklären, wie die Kommunen mit diesem Problem eigentlich fertig werden sollen angesichts der Tatsache, daß nach den Feststellungen, die der Deutsche Städtetag in diesen getroffen hat, allen Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1976 nur noch Investitionsmittel aus den laufenden Einnahmen in Höhe von 200 Millionen DM zur Verfügung standen?




Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801602200
Ich kenne diese Rechnung nicht. Man müßte sie prüfen, Herr Schröder. Klar ist doch wohl, daß mit einem solchen Programm, wie es hier vorgeschlagen wird, allen Ebenen unseres Landes im Hinblick auf die Verbesserung der Infrastruktur der öffentlichen Einrichtungen geholfen wird. Einer der Überlegungsfaktoren ist, das große Problem der Folgekosten in die inhaltliche Entscheidung über die Programme einzubeziehen. Auch die Kommunen, die sich gerade in dem schwierigen Prozeß des Herabführens der Schulden vergleichsweise wesentlich schneller zu einer besseren Situation hin entwickeln als der Bund — die Zahlen liegen vor —, müssen sehen, daß es zwar gilt, den Prozeß, wie ich ihn vorhin geschildert habe, fortzusetzen, daß aber gleichzeitig die Bereitschaft vorhanden sein muß, sich in richtiger Dosierung neuzuverschulden, um die notwendigen Schritte machen und insgesamt damit Wirkungen erzielen zu können, die durch Verbesserung der Infrastruktur auch private Investitionen zusätzlich auslösen.
Meine Damen und Herren, Sie erkennen aus dem bisher Gesagten, daß wir Sozialdemokraten in dieser Kombination des konjunkturgerechten Haushalts, der so hoch wie möglich angesetzten Investitionsquote im Bundeshaushalt, ergänzt durch das Programm der Zukunftsinvestitionen, von dem wir eben sprachen, und des gleichzeitig fortgesetzten Konsolidierungsvorganges durch deutliche Zurückführung der Nettoverschuldung im Zusammenwirken von Bund und Ländern und auch Gemeinden die bejahende Antwort auf die Frage sehen, ob diese Haushalts- und Finanzpolitik des Bundes unseren Haupterfordernissen Rechnung trägt, nämlich alle Anstrengungen zu unternehmen, die Beschäftigtenzahl zu erhöhen und auf der Grundlage einer verbesserten Infrastruktur wirtschaftliche Leistungen anzuregen, die auf Dauer Arbeitsplätze neu erbringen. Dies ist insbesondere deshalb gerade in dieser Zeit so wichtig, weil die wachsende Zahl der die Schulen verlassenden jungen Menschen Zukunftsaussichten im Berufsleben haben muß und wir uns dafür verantwortlich fühlen.
Der Bundesfinanzminister hat in seiner Haushaltsrede auch deutlich gemacht, daß die Zusammensetzung des heute arbeitslosen Personenkreises uns vor Sonderaufgaben stellt, die durch den normalen Gang von Investitionsförderung nicht in jedem Bereich gemeistert werden können. Deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß dieser Bundeshaushaltsplanentwurf auch die Mittel enthält, die für gezielte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erforderlich sind, um gerade jugendlichen und weiblichen Arbeitsplatzsuchenden, älteren und behinderten Arbeitnehmern in besonderer Weise zu helfen. Schließlich gehört zu den Instrumenten dieser unserer Politik auch das geschaffene Ausbildungsplatzförderungsgesetz, das uns helfen kann, die erforderlich werdende größere Zahl zusätzlicher Ausbildungsplätze zu erreichen.
Diese Haushalts- und Finanzpolitik ist in ihrer Gesamtheit auch so bemessen, daß nicht befürchtet werden muß, der bisher abwärts geneigte Trend der Zinskostenentwicklung würde sich umkehren. Auch in dieser Hinsicht brauchen wir Stabilität. Dies setzt
uns Grenzen im Hinblick auf den Umfang der Kreditfinanzierung, auch bei strukturorientierten Investitionsprogrammen. Wir sind sicher, daß das vorgelegte Zahlenwerk und die mittelfristige Finanzplanung der wichtigen Vorgabe für den Erfolg unserer Politik gerecht werden, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Bund den Sozialversicherungsträgern bei der erforderlichen Verbesserung ihrer Liquiditätslage in der vom Finanzminister geschilderten Weise unter die Arme greifen wird.
Mir gibt die soeben gemachte Bemerkung doch einen Anlaß, Herrn Dr. Althammer an dieser Stelle eine kurze, aber deutliche Erwiderung zu geben im Hinblick auf eine Debatte, die wir in der nächsten Parlamentswoche führen werden. Herr Dr. Althammer, wenn Sie so einfach dahinsagen, diese Bundesregierung habe die Rentner geschröpft, dann kann ich hier nur feststellen, davon kann nicht die Rede sein.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Am 1. 7. dieses Jahres werden die Renten erhöht, und zwar um den vorgesehenen Satz von 9,9 %. Da ist nichts von Schröpfen. Über alles andere, Herr Dr. Althammer, reden wir gerne und freundschaftlich in der Debatte, die über diese Frage stattfinden wird. Wir sind ja sehr interessiert, wie denn die „Schröpfungsvorschläge" der Union zu demselben Thema aussehen. Einiges lesen wir ¡a täglich.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801602300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801602400
Na gut, ich muß sie wohl gestat ten.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801602500
Herr Kollege Westphal, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Rentner auf Grund der vorliegenden Gesetze über den 1. Juli 1977 hinaus Rechtsansprüche erworben haben, die Sie nun durch Gesetzesänderung reduzieren, womit Sie auch die Position der Rentner, d. h. die Leistungen, die diese künftig zu erwarten haben, entsprechend reduzieren?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801602600
Selbstverständlich werden durch gesetzliche Regelungen Rechtsansprüche geändert, geschaffen oder auch einmal zurückgenommen. Auf diesen Gebieten sind wir ja ständig tätig.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Das ist sozusagen die Aufgabe eines Parlaments. Ich habe den Eindruck, Herr Dr. Althammer, daß bei Ihren Diskussionen, die noch dubios und noch nicht voll durchschaubar sind — aber Sie haben ja für Mitte März angekündigt, mit der Entwicklung Ihrer Vorstellungen fertig zu werden —, eben auch das Problem ansteht, langfristig eine Sanierung in diesem Bereich, eine Sicherstellung der Sozialversicherung in ihrer Gesamtheit herbeizuführen. Dazu sind Gesetzesänderungen notwendig.
Sie haben hier die Formulierung „Rentner geschröpft" gebraucht. Dem kann ich mit aller Eindeu-



Westphal
tigkeit und der Wahrheit entsprechend widersprechen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren,, jetzt bin ich bei der Opposition. Sie haben gemerkt, daß ich in meinem bisherigen Redeverlauf gar nicht auf sie eingegangen bin, und das läßt sich leicht erklären.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801602700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Urbaniak?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801602800
Ja, bitte.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID0801602900
Herr Kollege Westphal, können Sie mir bestätigen, daß wir trotz der Vorlage der Kostendämpfungsgesetze in der Zukunft bei einem sehr hohen Rentenniveau bleiben, wie wir es in der Vergangenheit im Grunde nicht erreicht haben?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801603000
Herr Urbaniak, das bestätige ich Ihnen gern, und es bleibt dabei. Wir alle wissen, daß wir nichts Unrechtes und nichts Falsches, sondern etwas Richtiges sagen, wenn wir darauf hinweisen, daß die Anhebung der Renten in den vergangenen vier Jahren jedes Jahr 11 % oder etwas mehr als 11 % betrug. Das war ja wohl eine Leistung.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Althammer [CDU/CSU] : Das hat im Gesetz gestanden!)

Meine Damen und Herren, ich habe die Opposition bis jetzt ausgelassen. Ich habe zur Sache Haushalt sprechen und bestätigen können, daß wir hinter dem Konzept der Bundesregierung stehen. Ich will auch erklären, worin der Grund dafür liegt, daß ich das Behandeln der Ansichten der Opposition sozusagen erst jetzt in die Rede einbringe. Das liegt einfach daran, daß wir noch nicht wissen, welche Alternativen von der CDU/CSU unserem Konzept eingegengesetzt werden.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Bessere!)

Herr Althammer, Sie haben von zwölf Seiten Text von Alternativvorschlägen der CDU/CSU aus dem Jahre 1970 bis irgendwann jetzt gesprochen. Wir werden das mit Interesse lesen. Zwölf Seiten in sechs Jahren, je zwei Seiten pro Jahr — das sind schon Alternativen, das muß ja schon gewichtig sein! Zu dem Thema, das wir heute hier ansprechen, hat Ihre ganze Rede nicht einen einzigen konkreten Gedanken im Hinblick auf Alternativen für morgen gebracht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Dr. Althammer, selbst dort wo es um das Programm Zukunftsinvestitionen geht, haben Sie sechs Punkte ,der Kritik vorgetragen. Dies ist, Kritik im Sinne eines Auseinandernehmen, damit nichts von dem Programm übrigbleibt. Es sind dies Punkte, über die man sicherlich nachdenken muß und die auch uns beschäftigen, wenn wir sachlich über dieses Problem nachdenken und überlegen, wie man das Programm verbessern, wirkungsvoller, schneller arbeitend machen kann. Aber ein Vorschlag, wie Sie an die Probleme herangehen können, war doch nicht da. Nichts davon, Herr Dr. Althammer!

(Wehner [SPD] : Dazu sind sie gar nicht in der Lage! — Beifall bei der SPD und der FDP)

Also auch die Rede meines Vorredners, die Rede von Herrn Dr. Althammer, hat uns diese Unions-Konzeption zu dem hier anstehenden Thema nicht geliefert. Es war nicht anders zu erwarten. Man muß zwar manchmal denken, daß dieser Saal nicht groß genug ist, um die Fülle der Behauptungen in sich aufnehmen zu können, die von der Opposition als Kritik an unserer Auffassung oder als Darstellung einer furchtbar schlimmen Situation vorgetragen wurden. Der Saal könnte aber viel, viel kleiner sein, und Sie müßten dann immer noch mit der Lupe danach suchen, wo denn Gegenvorstellungen einheitlicher, konkreter und für die gesamte Opposition geltender Art in den bisherigen Äußerungen zu finden wären.

(Beifall bei der SPD und FDP)

Das Ganze geht los mit der Behauptung, die Wirtschaftsdaten, die die Bundesregierung in ihrem Wirtschaftsbericht in Erwartung der Entwicklung des Jahres 1977 vorgetragen hat und an denen sich Haushalts- und Finanzplanung orientieren, würden nicht mehr zutreffen. Es liegt uns sogar ein Antrag vor, der die Bundesregierung auffordert, vor Beginn ,der Haushaltsberatungen neue Wirtschaftsdaten zu prognostizieren, weil einer der Abschlüsse im Bereich der freien Tarifvereinbarungen in einer großen Branche so hoch ausgefallen ist, daß der Wirtschaftsminister sich Sorgen darüber macht. Es wäre doch wohl eine völlige Verkennung des Instrumentariums, das wir für die wirtschaftliche Orientierung von Haushalts- und Finanzplanung benutzen, wenn wir diese Daten nach jedem Tarifabschluß einer Branche veränderten. Man kann fast gespannt darauf sein, Herr Dr. Althammer, ob die Opposition nach dem gestrigen auch sehr wichtigen und gerade für die öffentlichen Finanzen so bedeutsamen Abschluß zwischen den Tarifpartnern im öffentlichen Dienst wieder eine Neuberechnung der Wirtschaftsdaten von der Regierung verlangen wird. Nach jedem Tarifabschluß eine neue Berechnung der Wirtschaftsdaten! Wo kommen wir denn da hin? Das sind doch alles nur Ideen von Leuten, die Lohnleitlinien am liebsten staatlich festgelegt sehen würden, die mit der Wahrung der Tarifautonomie innerlich nicht zurecht kommen und die die Marktwirtschaft, die sie so oft im Munde führen, so hochhalten, daß sie selbst von deren Konsequenzen am liebsten nicht erreicht würden.

(Beifall bei der SPD)

Nein, meine Damen und Herren von der Opposition: Wir empfehlen der Bundesregierung, an den gegebenen Wirtschaftsdaten des Jahreswirtschaftsberichts festzuhalten und ihre Politik daran zu orientieren, wie es beim Haushalt und bei der Finanzplanung geschehen ist. Im übrigen ist für mich das Urteil des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der der Schönfärberei gewiß unverdächtig ist, doch sehr interessant. Er stellt in seinem jüngsten Bericht fest, daß keine Gefahr eines



Westphal
Umkippens der Konjunkturentwicklung gegeben ist. Der BDI zeichnet mit nur geringen Einschränkungen ein weitgehend positives Bild der konjunkturellen Lage und bescheinigt der Bundesregierung, daß die im Jahreswirtschaftsbericht 1977 enthaltene Projektion mit der wahrscheinlichen Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr nahezu übereinstimmt. Diese Äußerung stammt vom 1. März dieses Jahres, d. h., sie ist nach dem Metalltarifabschluß gemacht worden. Sie könnte Ihren Antrag und die Meinung darüber bei Ihnen vielleicht noch beeinflussen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, als zweites ist die von Herrn Leicht, dem wegen seiner fairen Führung der Verhandlungen von uns hochgeschätzten Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, vorgetragene Kritik zu nennen, dieser Entwurf des Haushaltsplans sei nicht sparsam genug. Man könne aus den Sachausgaben 5 bis 6 Milliarden DM herausstreichen. Auch Herr Dr. Althammer hat diese These hier vertreten und gleich schön sauber hinzugefügt, daß Instrument der globalen Minderausgabe sei dabei nicht zu verachten. Sicher, auch wir haben dieses Instrument immer wieder benutzt und wissen um seine Bedeutung. Aber wir wissen andererseits — ich nehme an, mein Kollege Löffler wird darauf eingehen —, daß wir es eben nicht großzügig anwenden möchten. Daher werden wir eben nicht diesen leichten Ausweg, 5 bis 6 Milliarden DM an Sachausgaben im Wege der globalen Minderausgaben zu streichen, wählen, wenngleich wir uns — wie immer — bei den Einzelberatungen von Sparsamkeit leiten lassen.

(Beifall bei der SPD)

— Ich freue mich über den Beifall meiner Kollegen aus dem Haushaltsausschuß, wenn ich sage: Wir werden uns von Sparsamkeit leiten lassen und Position für Position nüchtern durchgehen.

(Wehner [SPD] : Nüchtern!)

— Nüchtern, einverstanden! „Nüchtern" bezieht sich hier auf heutige Presseveröffentlichungen.

(Wehner [SPD]: Das meinte ich ja!)

Meine Damen und Herren, mit der erwähnten Größenordnung von 5 oder 6 Milliarden DM folgen Sie nicht nur einer Illusion, sondern auch einer falschen Zielvorstellung. Denn wer so viel aus dem Haushaltsentwurf streichen und dies nicht bei den Investitionen tun will, muß Eingriffe in Milliardenhöhe bei den sozialen Leistungen dieses Etats, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen, vornehmen. Absichten dieser Art haben wir nicht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Unser Volk hat den Wert der von uns in den vergangenen Jahren ausgebauten sozialen Sicherung erlebt. Das kann man heute so sagen. Dieser Schutz, diese Hilfen und diese Umverteilung im Sinne sozialer Gerechtigkeit müssen erhalten bleiben. Mehr noch, wir brauchen an einigen konkreten Stellen, die in der Regierungserklärung genannt und vom Finanzminister gestern wiederholt worden sind, einen Ausbau. Dieser Haushaltsplan ermöglicht die notwendigen Verbesserungen bei der Ausbildungsförderung und stellt die Finanzierung der erweiterten 7 b-Abschreibungen für eigengenutzte Altbauwohnungen sicher. Die vorgelegte Finanzplanung für die kommenden Jahre verbessert unter der Bedingung der Umsatzsteuererhöhung die Kindergeldleistungen, stockt das Wohngeld auf, vergrößert die Sonderabgabenhöchstbeträge und bahnt den Weg für gewisse Steuererleichterungen.
Die Opposition aber wird sagen müssen, durch welche gravierenden Einschnitte sie das Haushaltsvolumen bei den Sachausgaben um 5 Milliarden DM einschränken will, und wird erklären müssen, ob sie tatsächlich der Ansicht ist, daß eine so weitgehende Einschränkung der konsumtiven Ausgaben konjunkturpolitisch verantwortbar ist. Wir glauben dies nicht. Dann muß ich zu dem kommen, was ich das Steuerdebakel der Opposition nennen möchte.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Hoi!)

— Herr Wohlrabe, das kommt gleich; Sie können nachher noch einmal hoi sagen. — Ich habe mich in der Debatte über die Regierungserklärung mit der Vielfalt der unterschiedlichen Äußerungen der Herren Strauß, Gaddum, Stoltenberg und Häfele auseinandergesetzt. Niemand wird sagen können, daß in der Zwischenzeit aus der Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen auf der Seite der Opposition in dieser Hinsicht ein einheitliches Bild des Wollens und Verhaltens geworden ist; auch nicht nach dem, was Sie, Herr Dr. Althammer, heute gesagt haben. Aber jeder wird mir bestätigen müssen, daß die Menge der divergierenden Äußerungen zu dieser Thematik in der Zwischenzeit inflationsartig angewachsen ist, und Inflation bedeutet bekanntlich Wertverlust, Herr Althammer.
Sehen wir uns die gravierenden Äußerungen einmal an. Am steifsten gegen die Anhebung der Mehrwertsteuer um zwei Punkte sind noch die Herren Stoltenberg und Leicht; und ich rechne nun auch Herrn Dr. Althammer dazu. Herr Strauß hingegen — er ist nicht da; weit entfernt — folgt Gedankengängen

(Zuruf von der SPD)

— das gibt Herrn Dr. Althammer ja doch auch eine Chance, wenn Herr Strauß nicht hier ist —,

(Heiterkeit bei der SPD)

bei denen man erkennen kann, daß er die gesamten Mehreinnahmen einer solchen Erhöhung schon durch Entlastungen bei ertragsunabhängigen Steuern umverteilt hat. In seinem Umverteilungskonzept bleibt nicht einmal etwas übrig, um das Kindergeld zu erhöhen. Diese Erhöhung des Kindergelds — so meinen er und auch Herr Dr. Althammer — hätte schon 1976 erfolgen müssen und sollte aus dem wachsenden Steueraufkommen finanziert werden. Aus wachsendem Steueraufkommen bei ständigen Entlastungen und dementsprechenden Steuereinnahmen des Haushalts!
Er möchte, zusammen mit Herrn Gaddum, den Tarifsprung zwischen Proportionalzone und Progressionszone unseres Einkommensteuertarifs einebnen und übersieht dabei leider, daß dieser schöne Gedanke, dem mancher von uns auch gern folgen



Westphal
würde, den Verlust von mehrfach so viel Steuereinnahmen bedeutete, wie die Verbesserung des Kindergeldes kostet.

(Sehr wahr! bei der SPD)

Herr Kiep soll sich mit Herrn Strauß schon auf eine Umverteilung des Mehraufkommens aus der Umsatzsteuer verständigt haben. Es soll sogar eine nicht näher bezeichnete Entlastung bzw. Verbesserung für Arbeitnehmer dabei sein. Wenn diese Informationen meines zweiten Halbsatzes zutreffen, wäre das ganz erfreulich, zumal sich die Aussage inhaltlich dann auf das zubewegt, was die Bundesregierung in ihrem Steuerpaket vorzuschlagen gedenkt, in dem ja in gewissem Maße auch Entlastungen für Arbeitnehmer vorgesehen sind.
Aber Herr Kiep muß wohl übersehen haben, daß Herr Strauß auch Vorstellungen hat laut werden lassen, an Stelle des gleich hohen Kindergeldes für alle Eltern wieder Kinderfreibeträge einzuführen, die bekanntlich die unsoziale Nebenwirkung haben, daß die höheren Einkommensbezieher für ihre Kinder stärker entlastet werden als diejenigen, die geringe oder gar keine Einkünfte haben.
Dann kommt natürlich irgendwo auch noch das Argument, daß im Regierungspaket die Mehrwertsteuererhöhung mit ihrem Belastungseffekt nicht sozial sei. Auch dieses Argument paßt doch nun wirklich nicht in den Mund von Herrn Strauß; denn wieso ist es sozialer und familienfreundlicher, wenn die Mehrwertsteuer — nach Herrn Strauß — angehoben werden soll, um die Gewerbesteuer abzubauen?
Sie sehen, das ist wirklich ein Steuerdilemma der Unionsparteien, das nur noch deutlicher wird, wenn man den Versuch der ordnungspolitischen Überhöhung dieses Themas durch die Herren Barzel und Biedenkopf hinzunimmt. Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung", Herr Präsident, vom 7. Februar dieses Jahres:
Das ist typisch: Da gibt es einen dramatischen Appell zur „Beendigung der ordnungspolitischen Krise", und herauskommt im gleichen Atemzug die „Notwendigkeit einer Revision der ertragsunabhängigen Steuern".
That's all.
Da hilft auch nichts mehr, wenn Herr Kohl vor dem Wirtschaftsrat der CDU zu der Erkenntnis kommt, daß steuerliche Entlastungen nicht gleich zu privatwirtschaftlichen Investitionen führen, und seinen Wirtschaftspolitikern empfiehlt, das Denken in Alternativen zu lernen. Das einzige, was sich bei den Unionspolitikern als gemeinsame Formel durchzusetzen scheint, ist die von Herrn Strauß stammende und von Herrn Kohl übernommene Formulierung, die CDU/CSU könnte dem Vorhaben der Regierung in der Umsatzsteuerfrage nur dann zustimmen, wenn „gleichzeitig leistungsfeindliche, sozial ungerechte, investitionshemmende und wirtschaftsfremde Belastungen des Steuerrechts zumindest gemildert bzw. beseitigt werden".
Was soll dieses schön klingende, inhaltslose Wortgeklingel? Solange Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht eine gemeinsame, klare, einheitliche Antwort mit Ihren inhaltlichen Vorstellungen dazu geben, müssen wir davon ausgehen, daß die Übersetzung dieses Wortgeklingels heißt: Die höheren Einkommen und Vermögen sollen entlastet werden, die mittleren Einkommen sollen entlastet werden, die kleineren Einkommen sollen entlastet werden, die Kreditaufnahme muß reduziert werden, eine Streichung öffentlicher Ausgaben ist notwendig. Aber es wird dazu konkret nichts vorgeschlagen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Wehner [SPD] : Sehr wahr! — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sehr gut!)

Das ist das Wortgeklingel hinter diesen Sätzen.
Das aber ist nicht nur nicht möglich, sondern unsinnig.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr gut!)

Lassen Sie uns feststellen: Es gibt bisher keine Alternative zu dem ausgewogenen und, wie wir zugeben, Kompromißcharakter tragenden Vorschlag der Bundesregierung, der in der Regierungserklärung unterbreitet wurde, den wir hier in Kürze zu behandeln haben werden. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die vom Wähler bereits akzeptierte, wenn auch sicher nicht freudig begrüßte, maßvolle Anhebung der Mehrwertsteuer, die Bund und Länder für ihre Leistungen an den Bürgern dringend brauchen, zu einem beachtlichen Teil zu verwenden, um den Prozeß der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte fortzusetzen, d. h. insbesondere die rezessionsbedingte hohe Verschuldung abzubauen und andererseits einen Teil dieses erhöhten Steueraufkommens zu verwenden, um sozial sinnvolle Entlastungen zu ermöglichen und gleichzeitig eine hoffentlich anregend wirkende gewisse Entlastung bei ertragsunabhängigen Steuern in einer Weise vorzunehmen, über die das Parlament nachdenken muß.
Auch wir, meine Damen und Herren, können uns selbstverständlich theoretisch weitergehende und mehr Freude verteilende Lösungen im Hinblick auf die Steuerproblematik vorstellen. Aber die Regierungserklärung hat nüchtern festgestellt: Der Rahmen für Neues wird gering bleiben.
Damit möchte ich abschließen. Im übrigen weisen wir das Krisengeunke der Opposition, so wie es im Anfangssatz von Herrn Althammer wieder anklang, zurück und meistern mit der hier dargelegten Haushalts- und Finanzpolitik unsere auf mittlere Sicht nicht einfache Situation. Es gibt keinen Grund, meine Damen und Herren, daran zu zweifeln, daß wir auf dem richtigen Wege sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801603100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.

Hans-Günter Hoppe (FDP):
Rede ID: ID0801603200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Althammer hat versucht, den Einstieg in seine Haushaltsrede mit dem Schlagwort „Zerrüttung" zu finden, und doch blieb der Auftrittsapplaus bei seinen politischen Freunden



Hoppe
aus. Das war auch gar kein Wunder; denn bei dem Stichwort „Zerrüttung" denkt niemand an den Haushalt 1977; alle denken vielmehr an den Zustand der Opposition.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sehr gut!)

Franz Josef Strauß hat das über den „Bayernkurier" mit schönen Grüßen aus Togo gerade heute noch einmal wieder deutlich gemacht.

(Wehner [SPD] : Von den Original-Schwarzen!)

Mit der bei Herrn Kollegen Althammer im Schlußwort enthaltenen Anpreisung, die Opposition sei in der Lage, Regierungsverantwortung zu übernehmen, würde ich deshalb mit Rücksicht auf das Allgemeinbefinden. der Opposition etwas vorsichtiger sein.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Herr Hoppe! — Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0801603300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?

Hans-Günter Hoppe (FDP):
Rede ID: ID0801603400
Gern, Herr Kollege Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801603500
Darf ich Sie fragen, ob Sie bei dem Stichwort „Zerrüttung". nicht auch an Ihre Berliner Verhältnisse denken?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Hans-Günter Hoppe (FDP):
Rede ID: ID0801603600
Verehrter Herr Kollege Althammer, ich komme im Verlauf meiner Rede im Zusammenhang mit Zustandsbetrachtungen auf Spitzenpolitiker dort und auch auf den verehrten Herrn Kollegen Kohl zurück.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Der Kollege Althammer hat sich im weiteren Verlauf seiner Rede am Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Öffentlichkeitsarbeit aufzurichten versucht. Es ist verständlich, daß die Opposition die richterliche Kritik auf ihre Mühlen lenken möchte, aber, meine Damen und Herren, das Urteil ist sehr viel grundsätzlicher.

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : Das stimmt!)

Die Opposition hat das auch sehr wohl erkannt, und ein Kommentar in der Zeitung „Die Welt" vom heutigen Tage macht es noch einmal sehr deutlich. Nun ist „Die Welt" aus der Sicht der Opposition sicher kein ihr mißgünstiges Presseorgan; deshalb wird die Opposition es nicht als unfreundlichen Akt empfinden, wenn ich hier aus diesem Kommentar zitiere. Dort heißt es:
Das Karlsruher Urteil im Wahlwerbungsprozeß trifft selbstverständlich nicht nur die gegenwärtige Regierung, sondern indirekt auch ihre Vorgängerinnen, und eigentlich jede bisherige und bestehende Regierung überhaupt.

(Wehner [SPD]: Etwa ab 1966 und so! — Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Wenn also der Union nur ihre Prozeßkosten erstattet werden, wo ihr „eigentlich" der Wahlverlust erstattet werden müßte, so mag sie sich mit Sünden trösten.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Aber der Stich sitzt eben!)

Meine Damen und Herren, meine Partei hat das Urteil begrüßt. Es wird unsere Regierungen im Bund und in den Ländern wieder auf den Pfad der Tugend zurückführen, und die Parlamente können dabei gute Schrittmacherdienste leisten.

(Beifall bei der FDP — Wohlrabe [CDU/ CSU]: Das werden wir ja bei der Beratung des Etats des Presseund Informationsamtes der Bundesregierung sehen!)

— Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, Herr Kollege Wohlrabe;

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Ja, wir werden es sehen!)

in der zweiten Lesung dürfen Sie dann darauf zurückkommen.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Da rechnen wir ab! Sehr gut! Das kostet aber viel Geld bei der Inlandspropaganda! — Gegenrufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, Etatberatungen werden doch wohl immer noch als bedeutungsvolles parlamentarisches Ereignis eingestuft. Dennoch muß die kritische Frage erlaubt sein, was von dem so hoch gepriesenen Budgetrecht des Parlaments eigentlich noch übriggeblieben ist. Sicher ist die Entscheidungskompetenz des Parlaments unbestritten die Verfassungslage will es so —, aber ist die Sachkompetenz noch in allen Bereichen vorhanden? Wenn man auch das bejaht, bleibt immer noch die bittere Erkenntnis, daß der Entscheidungsspielraum durch gesetzlich oder vertraglich festgelegte Leistungspflichten und damit durch Fortsetzungsraten und Bindungsermächtigungen stark, ja, manchmal möchte man meinen, über Gebühr stark eingeengt worden ist.
Nun werden politische Grundsatzbemerkungen im Haushaltsbuch der Nation von einem Koalitionär gewiß behutsam formuliert werden müssen; unterstützende und aufbauende Kritik ist die Aufgabe. Die Opposition kann sich da ganz anders ins Zeug legen; sie darf, ja sie soll die kritischen und schwachen Stellen schonungslos aufdecken. Wer wollte leugnen, daß jeder Haushalt — auch der des Jahres 1977 — seine Probleme hat? Insofern sind die Sprecher der Opposition in einer geradezu beneidenswerten parlamentarischen Rolle.
Aber was machen sie daraus? Die Kritik am vorgelegten Zahlenwerk der Bundesregierung ist — jedenfalls bisher — nicht zum großen Wurf der Opposition geworden, der ein klar konzipiertes Alternativmodell erkennen ließe. Der Versuch dazu ist gar nicht erst gemacht worden. Die Opposition blieb in der reinen Kritik stecken, wobei zweifelhaft sein kann, ob sie wirklich so rein ist.
Ein solches Verhalten ist zwar verständlich, aber es reicht einfach nicht für den Nachweis der Befähi-



Hoppe
gung, bessere Politik machen zu können, aus. Daran hat es in den kritischen Beiträgen der Opposition in der Vergangenheit gefehlt, und daran mangelt es offenbar auch heute. Man kann sich aber in der politischen Diskussion unter Demokraten nicht damit begnügen, vorhandene Systeme und Wertordnungen zu verdammen, sondern man muß die besseren Lösungen deutlich machen. Andernfalls wird die Kritik zum Selbstzweck, und darauf sollte niemand, auch die Opposition nicht, seine Beiträge reduzieren.
Die Haushaltspolitik wird häufig sowieso als Verwirrspiel mit Zahlen abgetan, das dem Bürger undurchsichtig bleibt. Es kommt hinzu, daß das Haushaltsvolumen mit über 170 Milliarden DM tatsächlich eine Größenordnung erreicht hat, die nur noch für Fachleute überschaubar ist, weil der einzelne reale Bezüge dazu kaum noch herzustellen vermag. Die Opposition — so scheint es mir allerdings — löst diese Schwierigkeiten immer wieder in der ihr eigenen Weise. Sie greift die publikumswirksamen Themen heraus und handelt sie mit griffigen Schlagworten und mit tendenzieller Einseitigkeit ab, so daß sie dann auch die Zustimmung der staunenden Offentlichkeit erwarten darf. Diese Rosinenpolitik ist wohlfeil; brauchbare Anregungen für eine solide Haushaltspolitik sind daraus allerdings nicht zu gewinnen. Es reicht nämlich nicht, auf der Einnahmeseite lediglich zu beklagen, daß die Höhe der Verschuldung bedenkliche Grenzwerte erreicht hat, und gleichzeitig die Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Verbesserung der Steuer- und Haushaltsstruktur rundweg abzulehnen.
Die Meinungsvielfalt in der Opposition war in der Tat selten so verworren wie hier bei der Steuerdiskussion. Herr Kollege Strauß hatte deshalb nur allzu recht, als er Herrn Kohl ermuntern wollte, in seinen eigenen Reihen endlich Klarheit zu schaffen. Bis zur Beratung über das Steuerpaket bleiben der Opposition nur noch wenige Wochen, um mit sich ins reine zu kommen. Irgend jemand wird bis dahin für die Koordinierung zuständig sein.
Auf der Ausgabenseite wird von der Opposition Sparsamkeit gepredigt und die .Einsparung von 5 Milliarden DM gefordert. Gewiß ist das eine löbliche Absicht, aber die Milliardenbeträge, die der Opposition immer so leicht von den Lippen gehen, werden bei den mühevollen Streicharbeiten des Haushaltsausschusses von Einzelplan zu Einzelplan auch bei bester Absicht nicht zusammenzubringen sein. Außerdem bin ich keineswegs sicher, was tatsächlich selbst dann eingespart werden kann, wenn wir wirklich in Einzelfällen zu Ausgabenkürzungen kommen. Schließlich sind genug Mehrforderungen in der öffentlichen Diskussion, und auch alle diese Forderungen finden wieder prompt die Unterstützung der Opposition. Ich möchte uns allen einige Beispiele in Erinnerung bringen, um damit auch den kritischen Sinn für die sich jetzt anschließenden Haushaltsberatungen zu schärfen: in der Familienpolitik das von der verehrten Frau Kollegin Wex propagierte Erziehungsgeld, die Erhöhung der Beiträge für die Studenten- und Schülerförderung über die von der Bundesregierung vorgesehene finanzielle Aufstockung hinaus, wie sie von Herrn Pfeifer und anderen gefordert wird. In der Sicherheitspolitik kann es Herrn Kollegen Dregger gar nicht teuer genug sein. Für Herrn Wörner und den Bereich der Verteidigung gilt natürlich dasselbe. Anderen Abgeordneten sind die Aufwendungen für den Agrarhaushalt zu dürftig. All diese Forderungen finden jeweils punktuell den ungeteilten Zuspruch der Opposition, obwohl die Realisierung aller dieser Projekte zu jenen chaotischen Verhältnissen in unserer Finanzpolitik führen müßte, die die Opposition seit Jahr und Tag bereits als gegeben an die Wand malt. Mit dieser Methode kann man die Probleme ganz gewiß nicht lösen. Dabei gibt der von der Bundesregierung vorgelegte Haushalt 1977 Anlaß, ernsthaft darüber nachzudenken, wie. über die Konsolidierung des Haushalts der notwendige Handlungsspielraum in unserer Fiskalpolitik überhaupt erst zurückgewonnen werden kann.
Der Haushalt könnte zu einem Stück Selbstbesinnung werden, und das dann, wenn wir an jene Aufbruchstimmung anknüpfen, die noch vor einigen Monaten bei allen Parteien und in allen Fraktionen zu Hause war. Dies war die Zeit, in der am Brahmsee noch eine steife Brise wehte und das Mittel des Haushaltsstrukturgesetzes allen dringend geboten erschien, um die von den wissenschaftlichen Sachverständigen und der Bundesbank in eindringlichem Klartext aufgezeigten Schwächen unserer Fiskalpolitik zu bekämpfen und damit die mittel- und längerfristig entstehenden Gefahren abzuwenden.
Die damals eingeleiteten Gegenmaßnahmen haben gegriffen. Sie haben aber offenbar auch viel politische Energien verbraucht. Denn es macht sich vielfach eine Stimmung breit, als hätte sich bereits alles zum besten gewendet. Ich bin selbstkritisch genug, dies hier ausdrücklich so zu sagen. Ich gehöre nicht zu denen, die da glauben, man brauche sich um die Konsolidierung des Haushalts keine ernsthaften Sorgen mehr zu machen und es gebe keine Probleme der wachstumspolitischen Vorsorge, auch wenn die Relation von investiven und konsumtiven Ausgaben wirklich nicht zufriedenstellen kann.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, die wirtschaftspolitischen Eckdaten des Haushalts sind im Wirtschaftsbericht der Bundesregierung festgelegt. Sie sind für den Haushalt damit vorgegeben. Wir werden in der Aussprache über die konjunkturelle Entwicklung an der sich daraus ergebenden Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts mit ihren unmittelbaren Folgerungen für die Etatgestaltung nicht vorbeigehen können. Und doch ist das Haus mit dieser Frage in Kürze speziell befaßt, wenn es darum geht, hier den Jahreswirtschaftsbericht zu debattieren.
Ich begnüge mich heute daher mit der Feststellung, daß wir im Gegensatz zur Entwicklung des Bruttosozialprodukts im Jahr 1976, bei dem das Wachstum die Voraussagen übertraf, in diesem Jahr einen flacheren Anstiegswinkel als Grundlage für die Planung anzunehmen haben. Dies schien für die Aufstellung des Bundeshaushalts und des Finanzplans darauf hinzudeuten, daß von wesentlichen

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konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen gegenüber den bisherigen Planansätzen nicht auszugehen ist. Nach den relativ günstigen Januarergebnissen werden wir aber gemeinsam mit gewissen Erwartungen der nächsten Steuerschätzung entgegensehen können. Ob dies jedoch zu entscheidenden Korrekturen am Haushalt 1977 führt, bleibt abzuwarten. Wir sollten es gemeinsam dem weiteren Gang der Beratung überlassen.
Die Einnahmensituation bei den Steuern zwang zwecks Deckung des Ausgabenbedarfs zu einer Nettokreditaufnahme von knapp unter 23 Milliarden DM. Der Bundesfinanzminister hat deutlich gemacht, daß damit der verfassungsrechtlich zugelassene Handlungsspielraum fast völlig ausgenutzt ist. Der Nettokreditbedarf des Bundes konnte zwar gegenüber den Vorjahren leicht zurückgeführt werden, aber der große Schritt nach vorn zum Abbau des Haushaltsstrukturungleichgewichts blieb aus. Es hat keinen Zweck, der Erkenntnis ausweichen zu wollen, daß sich die Absicht, die Nettokreditaufnahme bereits kurzfristig stark zurückzuführen, leider nicht hat erfüllen lassen. Auch wenn wir die Fortdauer des nicht befriedigenden Zustandes des Haushalts 1977 nicht ändern können, muß uns dieses Problem ernsthaft weiter beschäftigen:
Ohne auf die Probleme des Kapitalmarkts jetzt in diesem Zusammenhang einzugehen, wird nämlich deutlich, daß sich allein von der Zinsbelastung her eine weitere Kreditexpansion verbietet. Die Zinsausgaben des Bundes steigen nämlich von 4 Milliarden' DM im Jahre 1974 auf über 15 Milliarden DM im Jahre 1980 — vorausgesetzt, daß die verhältnismäßig günstigen Zinsen gleichbleiben. Natürlich ist das die Folge der notwendigen und erfolgreichen Bemühungen der Bundesregierung wie des Parlaments zur Überwindung der Rezession der vergangenen Jahre. Sicher war diese Finanzoperation unausweichlich. Aber damit kann sich der Haushaltspolitiker noch nicht begnügen, und er kann sich auch nicht mit der Anerkennung trösten, die diese Maßnahme überall gefunden hat — vielleicht nicht bei der Opposition, aber sonst bei den Fachleuten im Inland und auch in der internationalen Fachwelt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben das Haushaltsstrukturgesetz mit getragen!)

Es ist doch dann von allen, so glaube ich, gleichwohl mit Sorge zu sehen, daß bei einer solchen Vorbelastung des Haushalts die Gefahr besteht, den Haushalt auf der Ausgabenseite so weit festzulegen, daß uns die Hände gebunden sind und wir nicht mehr die Fähigkeit haben, die auf den Staat und den Haushalt zukommenden politischen Aufgaben der Zukunft zu erfüllen. Hieraus wird deutlich, warum der Bundesfinanzminister in seiner Haushaltsrede wiederholt sehr betont auf die notwendige Konsolidierung der öffentlichen Finanzen hingewiesen hat. Wer uns weismachen will, daß dieses Ziel allein mit dem Mittel der radikalen Drosselung der Ausgaben erreicht werden kann, wirkt doch vor dem Hintergrund der Haushaltswirtschaft wie ein finanzpolitischer Scharlatan.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Ausgabenseite gibt die Reserve für eine grundlegende finanzpolitische Strukturoperation, wie die Erfahrungen der Vergangenheit eigentlich für jeden gezeigt haben sollten, einfach nicht her. Was hier im ersten Zugriff möglich war, ist geschehen. Der Bundesfinanzminister hat zutreffend auf die Entlastungen des Haushalts 1977 hingewiesen, die durch die Eingriffe des Haushaltsstrukturgesetzes herbeigeführt worden sind. Für die Fraktion der Freien Demokraten und für die Koalition darf ich in Anspruch nehmen, daß wir im vergangenen Jahr mit einschneidenden Beschlüssen zum Personaletat unseren aktiven Beitrag zur Konsolidierung geleistet haben. Wir haben nicht nur von der Sanierung der Finanzen geredet, wir haben auch danach gehandelt.
Bei der Opposition sind Wort und Tat dagegen keineswegs so deckungsgleich, wie das in der Offentlichkeit immer gern dargestellt wird. Sie haben zum vergangenen Haushalt — wir können nach dieser Auf-, Vor-, Nach- und Gegenrechnung, Herr Kollege Althammer, das Thema endgültig zu den Akten legen; aber ich muß doch noch einmal darauf verweisen — Einsparungen in Höhe von zweistelligen Milliardenbeträgen angekündigt. Wäre der Haushaltsausschuß aber allen Ihren dann während der Beratung gestellten Anträgen gefolgt, hätte dies Mehrausgaben von rund 250 Millionen zur Folge gehabt. Die Opposition kann sich ein solches Spiel natürlich leisten. Sie ist ja nicht in der Verantwortung. Aber sie sollte sich dann endlich auch abgewöhnen, anderen ständig den leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern vorzuwerfen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Auf der Ausgabenseite steht die Diskussion über die Personalkosten nach wie vor im Vordergrund, in dieser Stunde aktualisiert durch den Tarifabschluß im öffentlichen Dienst. Es hat keinen Zweck mehr, die Diskussion durch einen parlamentarischen Annex verlängern zu wollen. Und doch bleibt trotz positiver Grundstimmung ein fataler Beigeschmack. Die Fürsorge und Vorsorge des Staates für seine Staatsdiener wurden im Vergleich zum Arbeitnehmer der freien Wirtschaft früher in der plastischen Kurzform ausgedrückt: Die Decke des Staates ist kurz, aber sie wärmt kolossal. Heute, meine Damen und Herren, hat man den Eindruck, daß an diesem guten Prinzip jedenfalls manchmal „herumgeklunckert" wird. Die warme Decke soll offenbar mit einem Einstieg ins 14. Monatsgehalt auf Überlänge gebracht werden. Hier wird der doch weiß Gott gerade in dieser Zeit wichtige Faktor der Sicherheit des Arbeitsplatzes manchmal nur noch ein wenig in Kurzfassung in die Betrachtung des öffentlichen Dienstbereichs einbezogen. Wir können deshalb immer nur mahnen und immer wieder nur appellieren, die Kirche im Dorf zu lassen und auf dem Teppich der Vernunft zu bleiben.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Funcke)

Wenn ich weiter davon ausgehe, daß auf der Ausgabenseite die Bereiche Soziales und Gesundheit, innere und äußere Sicherheit, Wissenschaft und Technologie, Europapolitik und Entwicklungshilfe und



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nicht zuletzt der gesamte Investitionsbereich nicht für Kürzungen zugänglich sein werden, dann zeigt sich daran schon, welche begrenzten Möglichkeiten wir haben, die konsumtiven Ausgaben tatsächlich wirkungsvoll zu beschneiden. Dennoch werden wir uns dieser Aufgabe mit allem Ernst stellen. Wir werden dabei nicht in eine Überdimensionierung der globalen Minderausgabe ausweichen. Ein Parlament, das nichts anderes an Kürzungen zustande bringt, als der Regierung für den Haushaltsvollzug eine pauschale Verfügungsbeschränkung aufzuzwingen, opfert nämlich auch noch den letzten Rest der parlamentarischen Einflußnahme und Gestaltungsmöglichkeit im Haushaltsrecht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir werden uns deshalb mit den konsumtiven Ausgaben von Position zu Position befassen. Die Beratungszeit dafür ist knapp, die Arbeitslast wird erdrückend sein. Doch muß ich zu dem Protest gegen das Arbeitstempo und die Belastung, den der verehrte Herr Kollege Althammer hier für die Opposition angemeldet hat, anmerken — und ich freue mich, das feststellen zu dürfen —, daß dennoch der Arbeitsplan des Haushaltsausschusses einvernehmlich aufgestellt und verabredet werden konnte.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Bei den Beratungen müssen wir zu konkretisierten Einsparungen kommen. Auch wenn dem Bundesfinanzminister darin zu folgen ist, daß die, konsumtiven. Ausgaben im Entwurf der Bundesregierung gegenüber der Finanzplanung um 1,4 Milliarden DM niedriger veranschlagt worden sind, bin ich andererseits nicht so sicher, daß wir bereits damit den Platz für das mehrjährige Programm für Zukunftsinvestitionen schaffen konnten. Wenn ich es richtig begreife, werden wir das zusätzlich in den Haushalt einzufügende Investitionsprogramm doch wohl nur mit zusätzlich am Kapitalmarkt aufzunehmenden Mitteln finanzieren können.
Der Bundesregierung ist allerdings Erfolg bei ihren Bemühungen zu wünschen, sich mit den Ländern möglichst kurzfristig über das Infrastrukturprogramm zu einigen, damit die öffentlichen Aufträge noch in diesem Jahr für Wirtschaft und Beschäftigte wirksam werden können. Wer die erste Reaktion der Länder nicht einfach ignoriert, sollte die Chancen hierfür allerdings zurückhaltend beurteilen. Es hat schließlich Stimmen gegeben, die die Beteiligung der Länder nur mit dem Vorbehalt in Aussicht gestellt haben, daß der Bund erst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen müsse, daß den Ländern ein größerer Anteil am Steueraufkommen und damit für die Finanzierung ihres Programmteils zugestanden wird. Unter einem solchen Vorbehalt wäre die positive Absichtserklärung der Länder dann allerdings nicht sehr viel wert.
Das Investitionsprogramm darf aber nicht zum Streitobjekt werden, an dem die Auseinandersetzungen über die Neufestsetzung des Anteils der Länder am Steueraufkommen ausgefochten werden sollen. Es bleibt dringend zu wünschen, daß man bei diesem so wichtigen Programm schnell zur Sache
kommt und daß es nicht in einem langwierigen Hin und Her zerredet wird.
Die Diskussion zwischen Bund und Ländern über die Steuerneuaufteilung wird allerdings das Thema der nächsten Monate sein, ob es uns gefällt oder nicht. Dabei wird man erfahrungsgemäß alle im Augenblick zur Entscheidung anstehenden Fragen mit finanzieller Auswirkung, die beide Seiten berühren, zu einem Gesamtpaket schnüren und dann nach einer Lösung suchen. Für die Funktionsfähigkeit des föderalistischen Staates ist es wichtig und bedeutsam, daß die Lösung in einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Bundes und der Länder gesucht wird. Es gibt auf Länderebene gewisse Anzeichen dafür, daß sich der Meinungsstreit darüber künftig wieder stärker an der Sache orientiert und daß die parteipolitische Konfrontation vermieden wird. Wir müssen darauf bauen können, daß sich alle an den finanzpolitischen Entscheidungen beteiligten Verfassungsorgane des Bundes am gesamtstaatlichen Interesse orientieren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das gemeinsame und aufeinander abgestimmte Handeln von Bund, Ländern und Gemeinden ist für den konjunktur- und arbeitsmarktpolitischen Aspekt nämlich von durchschlagender Bedeutung; denn neben dem Bund verfügen Länder und Gemeinden mit ihren Haushalten über ein erhebliches Finanzpotential und entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten gerade auf diesem Gebiet. So ist es also der öffentliche Gesamthaushalt, der über das konjunkturwirksame Verhalten überhaupt erst Aufschluß gibt.
Ein Beispiel für die unterschiedliche Gewichtung sind die Aufwendungen im Bereich der öffentlichen Bauausgaben. Während im Tiefbau der Bundesanteil ca. 28 % beträgt, ist der Anteil der Länder und der Gemeinden 72 %. Im Hochbau ist der Vergleich noch krasser. Für den Bund stehen hier nämlich lediglich 6 °/o, für die Länder 23 % und für die Gemeinden 71 °/o der Dispositionsmasse zur Verfügung. An diesem Beispiel ist leicht zu erklären, daß der Bund allein nur über ein sehr begrenztes Steuerungsinstrumentarium verfügt.
Die gestrige Rede des Bundesfinanzministers hat einige zusätzliche Bereiche aufgezeigt, die für den Haushalt als kritisch anzusehen sind und unabwägbare Risiken für ihn, beinhalten. Die Deutsche Bundesbahn ist ein solches erkennbares Haushaltsrisiko, das noch nicht zu beziffern ist. Im Haushalt 1977 wird das Problem zwar deutlich, seine Lösung jedoch noch nicht mitgeliefert. Die notwendige Sanierung muß erst noch eingeleitet werden. Das vorliegende Programm kann deshalb nur ein Anfang sein.
Zu einem vernünftigen Konzept gehört aber, wie wir meinen, daß sich die Deutsche Bundesbahn dann aus Geschäftsbereichen zurückzieht, die hoffnungslos defizitär sind und in denen die Bahn weniger als 5 % des Marktanteils für sich in der eigenen Verantwortung hat. Die Bundesbahn sollte hier stärker als bisher die Zusammenarbeit mit der gewerblichen Wirtschaft suchen. Dort, wo das bereits geschieht, sind die Erfahrungen durchweg positiv. Keinesfalls aber kann man eine sinnvolle Tarif-



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I gestaltung darauf abstellen, einen Verdrängungswettbewerb mit Dumpingpreisen auf Staatskosten zu betreiben. Ein negatives Beispiel, das keine Schule machen sollte, ist der Versuch der Deutschen Bundesbahn, mit solchen Tarifen im Massengutverkehr der Binnenschiffahrt Konkurrenz zu machen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird die Haushaltsexperten des Parlaments bei ihren Anstrengungen, das Unternehmen Deutsche Bundesbahn wieder flottzumachen, auf ihrer Seite haben.
Bei seinen Ausführungen über die enorme öffentliche Investitionstätigkeit der letzten Jahre hat der Bundesfinanzminister auf die stürmischen Wachstumsraten im Bereich des Sozialen Wohnungsbaus hingewiesen. Nach seiner Darstellung handelt es sich im wesentlichen um erfolgreich abgeschlossene Leistungen der Vergangenheit. So sehr das richtig ist, müssen wir uns doch schon heute im klaren sein und darauf einstellen, daß die Form der Finanzierung und der Einsatz der Mittel für die Mietpreisgestaltung in Zukunft große Probleme aufwerfen. Das Thema Finanzierung des Sozialen Wohnungsbaus und soziale Miete ist nicht nur für die Länder und Gemeinden von großer Bedeutung.
Die Bundesregierung hat mit ihrem Entwurf des Haushaltsplanes 1977 eine tragfähige Grundlage für die Haushaltspolitik dieses Jahres und der kommenden Jahre gelegt. Der Haushaltsplan ist gewiß ohne Glanzlichter, aber in der Tat ein Fundament für die Fortsetzung einer soliden und erfolgreichen Arbeit dieser Bundesregierung. Bei allen finanz-
und wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten der Gegenwart kann der Haushaltsentwurf 1977 als geglückte Gratwanderung betrachtet werden. Die notwendige und grundlegende Konsolidierung, die uns allen den wieder gewünschten Bewegungsspielraum für finanzpolitische Entscheidungen bringt, werden wir allerdings wohl erst in einer Phase des konjunkturellen Aufschwungs erreichen. Hoffentlich haben uns dann die jetzigen Erfahrungen gelehrt, auch in einem solchen Augenblick auf allzu schnelle Zugriffe zu verzichten, wenn sich die öffentlichen Kassen allmählich wieder füllen. Wir würden nämlich die Chance der Gesundung der öffentlichen Finanzen unweigerlich verspielen, wenn wir dann nicht die Möglichkeit nutzten, die Staatsverschuldung drastisch abzubauen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Häfele [CDU/CSU]: Einverstanden!)

Der Haushalt 1977 ist unter den gegebenen Umständen ein sachgerechter und konstruktiver Beitrag zur Lösung der anstehenden Aufgaben und kann darüber hinaus ein Instrument für eine positive Entwicklung unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik sein.
Der erste Haushalt der 8. Legislaturperiode wird jetzt in die anschließenden Beratungen des Haushaltsausschusses gehen. Über das Arbeitsklima in diesem Ausschuß ist in der Vergangenheit immer wieder Erfreuliches berichtet worden. Das ist eine gute Ausgangsbasis für parlamentarische Arbeit. Aber es wäre für die Bewältigung der jetzigen Pro-
bleme noch wichtiger, wenn es diesmal gelingen könnte, endlich ein Stück gemeinsame Verantwortung auch in der Sache sichtbar zu machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801603700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801603800
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für Ihre Verhältnisse, Herr Bundesfinanzminister, haben Sie sich gestern um viel Sachlichkeit bemüht. Sie haben auch manches Richtige gesagt, was wir unterstreichen. Aber Sie haben auch vieles verzerrt dargestellt, was wir wenigstens teilweise richtigstellen müssen, und Sie haben entscheidende Probleme überhaupt nicht angesprochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Ihre Polemik, Herr Finanzminister, in Richtung auf die Opposition war in Ihrer Haushaltsrede deplaziert. Der Versuch, der Opposition Termine vorzuschreiben, ist, wie ich meine, eine Anmaßung. Die Opposition bestimmt noch immer selbst, wann, wo und wozu sie ihre Vorschläge vorlegt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Beklagenswert falsch ist Ihre Behauptung, die Opposition habe die Maßnahmen zur Ausgabeneinschränkung abgelehnt. Das war — ich sage das mit Nachdruck — wenig hilfreich. Sie sollten das aus der Welt schaffen. Offenbar wollten Sie mit dieser Polemik eine Verbeugung vor der starken Gruppe der Linken in Ihrer Fraktion machen,

(Lachen bei der SPD)

an die weite Passagen — meine Herren, ich sehe gerade einige — Ihrer Rede addressiert waren. Die Opposition brauchten Sie z. B. nicht davon zu überzeugen, daß die Bundesrepublik Deutschland in Anbetracht Ihrer weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen bei ihrer Finanzpolitik auch den weltwirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen hat. Wir haben immer darauf hingewiesen, daß es nicht nur Einflüsse von außen nach innen gibt, sondern daß in gleicher Weise auf das Ausland ausstrahlt, wie wir als zweitgrößtes Handelsland unsere Finanzpolitik gestalten. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, daß der Finanzminister sich gestern diesen Standpunkt, soweit ersichtlich, erstmals in der Öffentlichkeit zu eigen gemacht hat. Wir hoffen, daß jetzt die gefährliche und törichte Behauptung, nur das böse Ausland sei an Inflation und Arbeitslosigkeit schuld, endgültig vom Tisch ist. Dann können wir künftig viel sachlicher miteinander diskutieren.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Die Zahl der Arbeitslosen hat bei uns nach den jetzt vorliegenden Ermittlungen — heute morgen sind gerade die neuesten gekommen; die Zahlen sind gegenüber dem Januar etwas zurückgegangen, was wir begrüßen müssen —

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)




Leicht
der Bundesanstalt für Arbeit in den Monaten Januar und Februar aber immer noch die Grenze von 1 Million um mehr als 200 000 überschritten.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Damit hat diese Bundesregierung bereits im dritten Winter über 1 Million arbeitsloser Mitbürger entscheidend zu verantworten. Ich glaube, daß es richtig ist, was die stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Frau Weber über das Wochenende gesagt hat, daß wir neben diesen über 1,2 Millionen Arbeitslosen weitere 500 000, die sie als stille Arbeitsreserve bezeichnet hat, haben. In einer Zeitung lautet die Überschrift: „DGB: Mehr Arbeitslose, als offiziell gemeldet." 1 Million Arbeitslose reißen immerhin — insoweit ist das für die Haushaltsdebatte sehr entscheidend — in den öffentlichen Kassen ein Loch von insgesamt 20 Milliarden DM jährlich, — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801603900
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801604000
Wenn ich meinen Satz vollendet habe, gern. — Nämlich 10 Milliarden DM an Zuwendungen und weitere 10 Milliarden DM an Mindereinnahmen an Steuern und Beiträgen.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0801604100
Herr Kollege Leicht, sehen Sie sich in der Lage, auch noch einige andere Äußerungen vom Wochenende von Frau Weber hier zu wiederholen, die sie an die Adresse der Wirtschaftspolitik Ihrer Partei und an die Person Ihres Generalsekretärs gerichtet hat?

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801604200
Graf Lambsdorff, dann müßte ich allerdings auch noch viel mehr Ausführungen über das machen, was an die Adresse der Regierung und an den Bundeskanzler gerichtet gewesen ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich komme zurück auf die Frage: Was bedeuten eine Million Arbeitslose an Verlusten an Beiträgen und Steuern auf der einen und an Zuwendungen auf der anderen Seite? Hier ist doch ein wesentlicher Grund dafür zu suchen, daß sich auch die Rentenfinanzen in einem so desolaten Zustand befinden. Wenn der Bundesfinanzminister in seiner gestrigen Rede ausdrücklich betont, dank der Konjunkturprogramme der Bundesregierung seien rund 700 000 Arbeitsplätze gesichert worden, so ist dies angesichts einer Arbeitslosigkeit von über 1 Million kein Grund für die Bundesregierung, sich zu rühmen. Es ist vielmehr die verdammte Pflicht und Schuldigkeit einer Bundesregierung, in einer rezessiven Phase antizyklische Finanzpolitik zu betreiben und Beschäftigungsrisiken so gering wie möglich zu halten. Hätten Sie sich in den Jahren 1970 bis 1973, in der Phase der Hochkonjunktur also, nicht in einem Ausmaß prozyklisch verhalten, das wider jegliche finanzpolitische Vernunft war, wäre ein Großteil der
heutigen Arbeitslosigkeit mit all ihren Folgen insbesondere im Sozialbereich vermieden worden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerade hier wird offenbar, daß die Bundesregierung, wenn es zu ihrem Nutzen. ist, nicht vor Manipulationen und Täuschungen zurückschreckt; selbst der Bundesfinanzminister hat gestern von Manipulationen gesprochen. Bis zur letzten Bundestagswahl gab es, so der Herr Bundeskanzler, bei den Rentenversicherungen nur ein Problemchen. Nach der Wahl konnte auch die Regierung nicht mehr verschweigen, wie zerrüttet die Finanzen der Sozialversicherung mittlerweile sind. Der bisher zuständige Minister resignierte und trat zurück. Es ist geradezu ein Paradoxon, daß der neue Bundesarbeitsminister aus marktwirtschaftlichen Erwägungen heraus, nämlich wegen zu hoher Belastungen, echte Beitragserhöhungen ablehnt, selbst aber versteckte Beitragserhöhungen vorschlägt und gleichzeitig die vielbeschworene Selbstverwaltung im Sozialversicherungsbereich durch mehr Staat ersetzen will. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, reden von dem einen und realisieren das andere.
Der Herr Bundeskanzler hat mehrfach auf die Notwendigkeit öffentlicher wie privater Investitionen richtigerweise hingewiesen, weil nur so das Schicksal der Arbeitslosigkeit für Hunderttausende unserer Mitmenschen dauerhaft gelöst und ein gewichtiger Teil der Finanzkrise im Sozialversicherungsbereich beseitigt werden kann.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr gut!)

In diesem Zusammenhang möchte ich das von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, in Ihrer gestrigen Rede angekündigte langfristige Infrastrukturprogramm grundsätzlich begrüßen. Es ist aber zu bedauern, daß die Bundesregierung in dieser Sache nicht zu Stuhle kommt und so die Unsicherheit in unserem Lande nur noch vergrößert wird. Wir müssen uns aber auch darüber im klaren sein, daß ein solches Infrastrukturprogramm allenfalls Anstöße vermitteln kann. Zu einer nachhaltigen Belebung ,der privaten Investitionstätigkeit bedarf es aber einer dauerhaften Ertragssteigerung der deutschen Wirtschaft. Voraussetzung hierfür ist, daß wir erstens den Abbau leistungs- und wachstumshemmender Steuerbestimmungen forcieren und zweitens das verlorengegangene Vertrauen der Wirtschaft wiederherstellen, ihr also wieder das Gefühl zurückgeben, daß sich ihre Investitionen in der Zukunft wieder in höheren Erträgen niederschlagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Anstatt aber die hierfür notwendigen Perspektiven zu vermitteln, trägt die Bundesregierung zu einer weiteren Verunsicherung von Bürgern und Wirtschaft bei.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Die widersprüchlichen Äußerungen der verschiedenen Regierungsmitglieder — das muß hier einmal gesagt werden — hinsichtlich der Tarifabschlüsse im Metallbereich sind geradezu ein Paradebeispiel dafür: Der Bundeswirtschaftsminister hält sie zu-



Leicht
nächst für zu hoch. Der Bundesfinanzminister begrüßt sie, revidiert aber später seine Aussage mit dem Hinweis, ihm habe der Überblick gefehlt.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Ein nicht seltener Vorgang! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Ist ja nicht zu fassen!)

Dann wieder erklärt Staatssekretär Schlecht vom Wirtschaftsministerium den Abschluß mit dem Lohneckwert des Jahreswirtschaftsberichts für vereinbar. Und jetzt nimmt der Bundeswirtschaftsminister, wenn ich es richtig verstanden habe, in seiner Rede in Frankfurt seine erste Äußerung wieder halb zurück

(Bundesminister Dr. Friderichs: Nein!)

und führt aus, daß zu niedrige Abschlüsse gefährlich seien. Man muß doch die Frage stellen, welchen Sinn Lohneckwerte unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gleiche, meine Damen und Herren, gilt für das ewige Hin und Her mit der Mehrwertsteuer. Das von der Bundesregierung jetzt unter dem Druck der Opposition mit geringfügigen Steuerentlastungen versehene Mehrwertsteuererhöhungspaket, so möchte ich es einmal nennen, ist unter den gegebenen Voraussetzungen -- unter den gegebenen wirtschaftlichen Voraussetzungen! — stabilitätspolitisch falsch, konjunkturpolitisch schädlich, in höchstem Maße unsozial und haushaltspolitisch sogar entbehrlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es richtig!)

Noch im letzten Jahr haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, im Chor mit dem Herrn Bundeskanzler verkündet, die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 1977 sei unentbehrlich, da der diesjährige Bundeshaushalt ansonsten nicht finanzierbar sei. Gestern aber behaupteten Sie in Ihrer Rede von dem gleichen Haushalt, er sei solide finanziert und stelle ein sicheres Fundament für den Aufschwung dar. Dies sind zwei völlig gegensätzliche Aussagen. — Zur Frage der Mehrwertsteuerfolgen wird Herr Kollege Häfele nachher einen eigenen Beitrag leisten.
Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, bin ich der Auffassung, daß der letztjährige Haushaltsabschluß symptomatisch dafür ist, daß bei einer Realisierung der dem jeweiligen Bundeshaushalt zugrunde liegenden Eckwerte immer zwischen 3 bis 6 Milliarden DM Minderausgaben bzw. Mehreinnahmen herausgewirtschaftet werden können. Ich brauche Sie nicht damit zu belästigen, Ihnen die Zahlen ab 1973 vorzulesen. Sie kennen sie so gut wie ich. Zum Jahre 1976 hat der Herr Kollege Dr. Althammer heute morgen das Nötige gesagt.
Was die Investitionen des Bundes anlangt — um in einer Grundsatzaussprache, die diese erste Lesung ja bedeuten soll, auf einen anderen wesentlichen Gesichtspunkt zu sprechen zu kommen —, so muß man objektiv feststellen, daß sich diese auf einer steilen Talfahrt befinden. Trotz immer höherer Schulden geht der Anteil der investiven Ausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes von Jahr zu Jahr stärker zurück. Er belief sich bis 1973 noch auf über 18 % 1976 waren es einschließlich der Konjunkturprogramme nur noch 14,4 °/o, wie mir der Parlamentarische Staatssekretär des Finanzministers dieser Tage auf eine Anfrage von mir mitgeteilt hat. Nach dem Finanzplan soll es dann Jahr für Jahr immer weniger werden: 12,10/o im. Endjahr 1980. Selbst wenn sich die Investitionsquote durch das von Ihnen angekündigte Infrastrukturprogramm, wie Sie gestern feststellten, um 0,5 % erhöhen sollte, so läge sie .damit immer noch, meine Damen und Herren, rund 5 % unter der Quote des Jahres 1971.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Damit ich nicht mißverstanden werde: Investitionen schlechthin sind für die CDU/CSU kein Wert an sich, keine heilige Kuh, wie man so schön sagt. Es war nicht die Opposition, sondern es war die SPD/FDP-Koalition, die früher erklärt hat, daß sich die Verwirklichung der von ihr versprochenen Reformen vor allem in einer immer höheren Investitionsquote zeigt.
Sozialistischen Neidkomplexen entsprang die Klage über die früher angeblich vorhandene öffentliche Armut bei privatem Reichtum. Gemessen an diesen Maßstäben müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, meine Damen und Herren von der Regierung, daß Sie über immer mehr Schulden und immer schlechtere Haushaltsstruktur öffentliche Armut produzieren, an der Sie dann den Bürger durch immer neue Beitrags- und Steuererhöhungen teilhaben lassen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: ÖffentlicheVerschwendung!)

Die Opposition war und ist für einen bedarfs-
und sachgerechten Straßenbau, für neue Schulen, wo ein dauerhafter Bedarf besteht, für Klärwerke und Kanalisation, wo noch nicht vorhanden. Hier wäre übrigens der Ansatzpunkt: Die Gemeinden könnten diese Vorhaben morgen ausschreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber Investitionen waren für uns noch nie ein Fetisch. Es ist leider wahr, daß als Folge einer übersteigerten Reformeuphorie in den vergangenen Jahren viele öffentliche Investitionen Fehlinvestitionen waren. Ich denke z. B. an Auswüchse im Krankenhauswesen, wo in vielen Fällen mit Sicherheit des Guten zu viel getan worden ist und wo man heute Folgekosten für leere Betten zahlen muß.

(Dr. Graf Lambsdorff [FDP] : Bei den Ländern!)

— Ich werde gleich etwas zu den Ländern sagen.
Sie haben gestern, Herr Bundesfinanzminister — da bin ich bei einem weiteren Thema, das in der Grundsatzaussprache eine Rolle spielt —, einige kritische Anmerkungen zu den rückläufigen Investitionen bei Ländern und Gemeinden gemacht und die hohen Personalkosten der Länder in Relation zu dem Personalkostenanteil des Bundes gesetzt. Dazu zwei Bemerkungen. Erstens. Es wäre eine unwahre Unterstellung, würde man behaupten — ich sage nicht, daß Sie das getan haben —, die Länder und Gemeinden hätten ohne jeden bundespolitischen



Leicht
Einfluß ihren Personalbestand und damit auch ihre Personalkosten ausgedehnt.

(Dr. Mark [CDU/CSU] : Sie haben sich beispielhaft verhalten!)

Vielmehr sind, Graf Lambsdorff, rund 80 °/o der Länderhaushalte nicht anders als Funktionen der Bundespolitik. Die restlichen 20 °/o sind die Folgen der vom Bund und seiner Politik erweckten Erwartungen.

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : So ist es!)

So muß man die Dinge sehen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang kurz etwas sagen, weil sich darüber vielleicht sehr schnell — so hoffe ich jedenfalls — eine einheitliche Meinung bildet. Denken wir an die Gesetzgebung, die wir in Bonn gemacht haben. Ich habe die Bundesregierung gefragt — wir haben jetzt eine detailliertere Kleine Anfrage eingebracht —, wie viele Bundesgesetze in Kraft sind. Mir wurde geantwortet: rund 1 300 im Augenblick. Die wirken sich doch alle bis hinunter in die Gemeinden und bis hin zum Bürger aus.

(Wolfram [Recklinghausen] . [SPD] : Wie vielen haben Sie zugestimmt?)

— Jetzt lassen Sie mich doch meinen Gedanken zu Ende führen. Ich will Sie ja dazu gewinnen, daß wir in Zukunft in einer Legislaturperiode statt 518 nur 50 Gesetze — und die anständig — verabschieden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : So, daß sie die Leute verstehen!)

In diesem Zusammenhang muß ich im Interesse unserer Gemeinden auch noch schnell den Satz hinzufügen: Bei ihnen hat sich die Bundesgesetzgebung in der Weise ausgeweitet, daß heute von ihnen ein Betrag von 10 Milliarden DM für Sozialhilfeleistungen gefordert wird.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Ist das das, was wir uns unter Gesetzgebung vorstellen?
Zweitens. Sie wissen sehr genau, Herr Bundesfinanzminister, daß die Investitionsbereitschaft der Gemeinden nach wie vor groß ist, daß aber viele Kommunen ihre Etats eben wegen eines zu hohen Schuldenanteils nicht mehr ausdehnen können, weil sie ansonsten ihre Haushalte nicht genehmigt bekommen. Das scheint im übrigen der neue Bundesarbeitsminister nicht zu wissen, wenn er den Gemeinden den Ratschlag gibt, sie sollen sich kräftig verschulden.
Die ständige Verschlechterung der Struktur des Bundeshaushalts ist beschäftigungs- und wachstumspolitisch schädlich, zumal sie nicht durch private Investitionen kompensiert wird. Sie macht zudem die Beeinflussung der konjunkturellen Entwicklung durch eine konjunkturgerechte Steuerung der öffentlichen Ausgaben, wie sie das Stabilitätsgesetz vorsieht, weitgehend unmöglich. Wenn wir jetzt immer mehr Schulden machen — nicht um für die Zukunft vorzusorgen, sondern nur um Gehälter, Löhne, Renten und sonstige laufende Ausgaben auf
Pump zu bezahlen —, dann bedeutet das, daß wir unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder gefährden, ja — man verzeihe mir den derben Ausdruck — die Zukunft regelrecht auffressen.
Die Bundesregierung rühmt sich, in diesem Jahr erstmals seit 1974 die Nettokreditaufnahme unterhalb der Summe der Investitionsausgaben gehalten und damit die Verschuldungsobergrenze des Grundgesetzes wieder knapp eingehalten zu haben. Hinter diese Aussage müssen aber ganz dicke Fragezeichen gesetzt werden. Nach den Zahlen des Bundesfinanzministers beläuft sich die Neuverschuldung netto auf 22 Milliarden 801 Millionen DM, die Summe der Investitionsausgaben auf 22 Milliarden 951 Millionen DM. Die amtliche Verschuldungszahl liegt damit um ganze 150 Millionen DM oder knapp 1 °/o unter der Summe der Investitionsausgaben.
Dieser sogenannte Erfolg, für sich allein schon bescheiden genug, ist indessen nur durch mehr oder weniger fragwürdige — in diesem Zusammenhang haben Sie das Wort auch gebraucht, Herr Finanzminister — Manipulationen bei der Berechnung der Investitionsausgaben wie bei der Berechnung der Neuverschuldung herbeigeführt. Deren Aufhellung macht es leider erforderlich, in vier Punkten in das Dickicht der Buchungstechnik des Haushalts einzusteigen.
Erstens. Zu den investiven Ausgaben, deren Summe nach der Verfassung die Obergrenze der Verschuldung bildet, rechnet der Gruppierungsplan neben Baumaßnahmen, Investitionszuschüssen an andere Investitionsträger auch Darlehen schlechthin. Man ging dabei offenbar davon aus, daß Darlehen ausschließlich für investive Zwecke gewährt werden. Das trifft aber nicht mehr zu, seit z. B. auch im Rahmen des sogenannten BAföG und für die Sicherstellung der Arbeitslosenversicherung Darlehen gewährt werden. In diesem Jahr betragen diese beiden Positionen insgesamt 730 Millionen DM. Rechnet man diese Darlehen aus der Summe der investiven Ausgaben heraus, so liegt die Nettokreditaufnahme schon nicht mehr bei 150 Millionen DM unter, sondern bei 600 Millionen DM über der Summe der investiven Ausgaben. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich gestern über die zum Teil merkwürdige Definition des Begriffs „Investitionen der öffentlichen Hände" geäußert. Ich stimme diesen Ausführungen weitgehend zu. Nur ändert das nichts an der von mir beklagten Manipulation insofern, als für die Vergleichbarkeit das bisher praktizierte Verfahren herangezogen werden muß. Wir unterstützen Sie in Ihrem Bemühen, hier die Begriffe in Zukunft klarer voneinander abzugrenzen und damit dann neue Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen.
Zweitens. Im Haushalt 1977 ist wieder eine globale Kürzung — wenn wir davon sprechen, fangen
Sie zu protestieren an, wenn Sie das selber tun, ist das „gute Politik" — in Höhe von 1,8 Milliarden DM vorgeschrieben. Diese muß zu einem ganz erheblichen Teil bei den Investitionen verwirklicht werden, da diese Ausgaben am ehesten ohne Gesetzesänderung beeinflußbar sind. Durch die globale Minderausgabe werden Sie also die investiven Ausga-



Leicht
ben um bestimmt mehr als 150 Millionen DM kürzen müssen.
Dritter Punkt: Der Bund zahlt nach dem Wirtschaftsplan insgesamt rund 1,5 Milliarden an Investitionszuschüssen an die Bundesbahn. Die Bundesbahn selbst aber braucht zur Finanzierung ihrer Investitionen den Kapitalmarkt — wie es so schön im Finanzplan zu lesen ist — nur in Höhe von 993 Millionen zu strapazieren. Andererseits zwingt der Bund die Bundesbahn, den größeren Teil ihres Defizits von insgesamt 2,1 Milliarden am Kapitalmarkt zu finanzieren und somit also Verluste durch Schulden auszugleichen. Will man nicht der Manipulation durch das Hin- und Herschieben von Schuldenaufnahmen zwischen Bundeshaushalt und Bundesbahn Tür und Tor öffnen, müssen auch diejenigen Schulden, die die Bundesbahn zur Finanzierung ihres Jahresverlusts macht, bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bundesverschuldung angemessen berücksichtigt werden.
Das vierte Beispiel betrifft die Tilgung der Schuldbuchforderungen an die Rentenversicherungen von 1,8 Milliarden. Ist der Finanzbericht, den Sie herausgegeben haben, richtig, dürfen die jetzigen Barzahlungen auf die Schuldbuchforderungen nicht als bloße Tilgungsleistung von der Summe der Bruttokreditaufnahme abgesetzt werden. Die Nettokreditaufnahme beträgt dann 22,8 Milliarden plus 1,8 Milliarden und ist damit höher als die Investitionszahlen des Finanzministers.
Diese vier Fälle zusammen machen, vorsichtig gerechnet, über 4 Milliarden aus. Ohne diese 4 Milliarden müßte der Bundesfinanzminister seine Aussage, er habe erstmals seit 1974 einen Haushalt vorgelegt, bei dem die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen über der der Neuschulden liege, revidieren. Wir behalten uns vor, den Rechnungshof um gutachtliche Stellungnahme zu dieser grundsätzlichen Frage zu bitten; das gebietet einfach der Respekt vor der Verfassung.
Die Verschuldungsobergrenze nach dem Grundgesetz hat aber nicht nur rechtliche Bedeutung. Bundesbankpräsident Klasen, der bisher der Regierung in Finanzschwierigkeiten durchweg hilfreich beigestanden hat, sagte noch vorige Woche: Das Haushaltsdefizit des Bundesfinanzministers hat die Grenzen des Erträglichen erreicht. — Noch jede große Inflation, meine Damen und Herren, hatte ihren Anfang in einer zu hohen Verschuldung. Auch die CDU/CSU ist nicht dafür, den Haushalt ganz ohne Kredite zu finanzieren. Es geht aber um Höhe und Tempo der Staatsverschuldung; es geht letztlich darum, inwieweit es einer Regierung und einem Parlament erlaubt ist, die Generationen der jetzt noch Unmündigen zu belasten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Zinsen — also ohne Tilgungsleistungen, die Sie gestern in Ihrer Rede auch angesprochen haben — mußten Sie in der Vergangenheit weniger als 3 % des Steueraufkommens verwenden. 1969 waren es 2,8 %, 1973 waren es 2,9 %. Diese Zinsquote hat sich innerhalb von nur vier Jahren mehr
als verdoppelt. Sie beläuft sich nach dem neuen Finanzplan für 1977 bereits auf 6,4 %. 1980 sollen schon fast 8 Pfennige von jeder Steuermark, die der Bund kassiert, nur für Zinsen aufgewendet werden. Zins- und Tilgungsleistungen zusammen sollen 1980 mit 36 Milliarden DM fast ebenso hoch wie die gesamten Ausgaben des Verteidigungshaushalts sein. Das Aufkommen aus der Mehrwertsteuererhöhung, das der Bundesfinanzminister erwartet, wird — wenn er es überhaupt bekommt — durch den Anstieg der Zinsausgaben seit 1973 mehr als aufgezehrt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Abgesehen davon stellt die Nettoneuverschuldung des Bundes 1977 ein erhebliches Inflationspotential dar. Der Bund muß sich in diesem Jahr mit rund 6 Milliarden stärker an den Kapitalmarkt halten als 1976, weil er für 1976 Schulden auf Vorrat gemacht hatte. Das wird nicht kritisiert; im Gegenteil, das war richtig. Fällt diese erhöhte Kapitalmarktbeanspruchung durch den Bund — darüber muß man sich Gedanken machen — zusammen mit der Rücklagenauflösung der Rentenversicherungsträger, mit erhöhter Kreditnachfrage der Bundesbahn und mit einem zusätzlichen Kreditbedarf der privaten Wirtschaft, so werden Zinssteigerungen mit all ihren schädlichen Folgen für Stabilität und Wachstum, wie ich befürchte, unvermeidlich sein.
In diesen Zusammenhang gehört ein kritisches Wort zur Geldpolitik der Bundesbank. Schon die Ausweitung der Geldmenge in den vergangenen beiden Jahren um 10 % bzw. 9,2 % stellte ein erhebliches Inflationspotential dar. Daß es bisher nicht virulent wurde, lag an einer Reihe von Faktoren im konjunkturellen und gesellschaftspolitischen Bereich. Die Einhaltung der 8%igen Geldmengenausweitung im Jahre 1977 ist meiner Meinung nach nur dann erreichbar, wenn die Bundesbank die Erhöhung der Geldmenge für den Rest des Jahres auf 5 % bis 6 % begrenzt. Wird dieser Kurs eingehalten, so treten bei der von mir vorhin geschilderten Kreditnachfragekonstellation — öffentliche Hand, Rentenversicherung, Bundesbahn und Privatwirtschaft — auf dem Kapitalmarkt Spannungen auf. Hieran wird deutlich, wie problematisch der erhöhte Zugriff des Bundes auf den Kapitalmarkt in diesem Jahr werden kann.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801604300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801604400
Ja, bitte.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0801604500
Herr Kollege Leicht, sind Sie sich im klaren darüber, daß eine Forderung, schon heute im März für den Rest des Jahres den Geldmengenzuwachs auf 5 % bis 6 % zu beschränken, durchaus kontraktive Wirkungen haben. könnte, und berücksichtigen Sie bei dieser Forderung die Frage der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, die man für den Rest des Jahres heute doch noch nicht endgültig vorhersagen kann?




Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801604600
Ich habe nur festgestellt, daß die Geldmengenausweitung eine Rolle spielt. Ich habe festgestellt, daß die Begrenzung auf 8 % von der Bundesbank nicht eingehalten worden ist, sondern daß die Ausweitung in den ersten beiden Monaten stärker war

(Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!)

und daß sich, wenn man über das ganze Jahr das Ziel von 8 % erreichen will, daraus die Prozentsätze ergeben, die ich Ihnen genannt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801604700
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801604800
Ja.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801604900
Herr Kollege Leicht, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß gerade die Erfahrungen aus dem Vorjahr wegen des zu schnellen Geldumlaufes im letzten Teil des Jahres uns dazu veranlassen müßten, bei der Festsetzung der Geldmenge vorsichtiger zu sein?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801605000
Ich kann diese Frage bejahen.
Eine Begrenzung öffentlicher Ausgaben und eine Verbesserung der Haushaltsstruktur zugunsten öffentlicher Investitionen scheint mir auch deswegen besonders wichtig zu sein, weil der diesjährige Bundeshaushalt — das ist gestern in den Ausführungen des Bundesfinanzministers nicht ganz so deutlich geworden — erhebliche Risiken beinhaltet. Dazu habe ich einige Fragen, auf die wir gern eine Antwort hätten.
Erstens. Haben Sie im Bundeshaushalt die rund sechsprozentigen Lohn- und Gehaltsverbesserungen im öffentlichen Dienst einschließlich Bundesbahn eingeplant? Zweitens. Sind Sie nach den Umfragen von Ifo und Commerzbank wirklich sicher, daß die Arbeitslosigkeit auf 850 000 Arbeitslose im Jahresdurchschnitt zurückgeht? Allein eine Nichterreichung Ihrer Zielgröße bei der Arbeitslosigkeit macht neue Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit erforderlich. Die latenten Risiken bei der Bundesbahn und den Europäischen Gemeinschaften sind ja hinlänglich bekannt, und Sie haben gestern in Ihrer Rede, Herr Finanzminister, die EG-Beiträge kritisch gewürdigt. Ich stimme Ihnen da weitgehend zu. Wer zu Europa ja sagt, der muß auch zu entsprechenden Zahlungsverpflichtungen ja sagen. Aber es muß in Zukunft stärker als bisher darauf geachtet werden, daß die der Europäischen Gemeinschaft von allen Mitgliedsstaaten zufließenden Mittel auch sachgerecht verausgabt und auch sachgerechter geschätzt werden. Im Haushalt 1976 wurden die Abführungen nach Brüssel um insgesamt 40 % höher veranschlagt, als später der Bedarf war. Auch hier sollte man auf mehr Sorgfalt drängen. Sie können hier auf unsere Mithilfe rechnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Schuldenwirtschaft, der Rückgang des Investitionsanteils und die rapide Strukturverschlechterung unseres Haushalts sind nur e i n Ausdruck der Tatsache, wie in unserem Staat seit Jahren von der Hand in den Mund gelebt worden ist und weiter gelebt wird. Hierzu gehört auch die leichtfertige, in jeder Phase konjunkturwidrige Personalpolitik seit der Regierungsübernahme durch SPD und FDP im Bund. Als die Arbeitsplätze knapp waren und eine Million zusätzliche ausländische Arbeitskräfte angeworben wurden, bewilligte sich der Staat immer neue Stellen und stellte immer weiter Personal ein. Damit wurde damals die Überbeschäftigung .verschärft. Erst als das Pendel umschlug und an die Stelle von Überbeschäftigung Arbeitslosigkeit trat, entdeckte auch der Staat die Kunst des Sparens. Jetzt auf einmal zeigte sich, daß man in Wirklichkeit so viele Beamte, Angestellte und Arbeiter, wie man immer behauptet hatte, gar nicht brauchte, und jetzt auf einmal wird das Personal vermindert und damit die Arbeitslosigkeit verstärkt. Sie, Herr Bundesfinanzminister, rühmen sich auch noch solch wirrsinniger und absolut konjunkturwidriger Beschäftigungspolitik.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Auch ich weiß, daß man den Personalhaushalt nicht antizyklisch steuern und etwa bei Arbeitslosigkeit zusätzliches Personal einstellen und es in der Hochkonjunktur wieder entlassen kann. Das will auch die Opposition nicht. Die weitere Aufblähung der Bürokratie ist für uns kein Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Aber wir hätten es heute leichter — und darauf kommt es an —, wenn die Regierung nicht in der Vergangenheit so viel falsch gemacht hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801605100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Grobecker?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801605200
Ich will jetzt meine Rede zu Ende halten. Ich habe schon viele Zwischenfragen zugelassen. Jetzt habe ich nur noch kurze Zeit.
Die prozyklische Beschäftigungspolitik der Jahre nach 1969 rächt sich jetzt in doppelter Weise. Der Bund hat erstens kein Geld, um die öffentlichen Investitionen in hinreichender Weise ohne zusätzliche Kredite aufzustocken. Zweitens ist der Staat angesichts der Finanzenge gezwungen, gerade in der Zeit hoher Beschäftigungslosigkeit den Personalstand zu verringern und damit zur Arbeitslosigkeit beizutragen. Es ist klarzustellen: Dafür trägt diese Regierung die Verantwortung.
Die Regierung verspricht jetzt, daß sich die Arbeitslosigkeit in Zukunft von Jahr zu Jahr trotzdem verringern wird. Aber der Finanzplan, der Spiegelbild der Ziele und Absichten der Regierung sein sollte, schweigt sich über die Wege und Probleme aus. Für die nächsten Jahre erhöht sich Jahr für Jahr das Angebot an deutschen Arbeitskräften, drängen Jahr für Jahr mindestens 50 000 Berufsan-



Leicht
fänger mehr auf den Arbeitsmarkt, als vorhandene Beschäftigte wegen Erreichung der Altersgrenze oder aus ähnlichen Gründen aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden. Aber kein Wort wird darüber verloren, wie neben dem vorhandenen Millionenheer von Arbeitslosen auch diese zusätzlichen 50 000 jährlich in Arbeit und Brot gebracht werden sollen. Schon heute findet nach einer im „Spiegel" veröffentlichten Statistik, die ich selber nicht nachprüfen konnte, die Hälfte aller Akademiker gleich nach dem Examen keinen Arbeitsplatz. Jeder fünfte ist fast ein ganzes Jahr auf Stellungssuche. 12 % aller Hochschulabsolventen warten bis zu zwei Jahren auf die erste Anstellung. Die Berufsaussichten sind also in der Zukunft noch schlechter. Mit der Frage, welche Konsequenzen aus dieser absehbaren Entwicklung vom Staat gezogen werden müssen, setzt sich der vorgelegte Finanzplan aber nicht auseinander.
Aus diesen und ähnlichen Gründen hat die Opposition die jetzt vorgelegte Haushalts- und Finanzplanung als Planung ohne Perspektive bezeichnet. Das ist keine gestaltende Planung der Zukunft, die in der Konfrontation zwischen Machbarem und Wünschenswerten Prioritäten setzt, sondern ist mehr und mehr Flickwerk; ein Loch wird aufgerissen, um ein anderes zu stopfen. Wenn Sie dann immer neue Steuer- und Beitragserhöhungen als letzten Ausweg einkalkulieren, verstärken Sie die Kosteninflation und tragen damit wieder zu mehr Arbeitslosigkeit bei.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Als wir schon vor Jahren vor der drohenden Gefahr einer Finanzkrise von Staat und Gesellschaft warnten, wurden ich und meine Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, verlacht und als Panikmacher verhöhnt. Heute dürfte in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden, auch Ihnen das Lachen vergangen sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die CDU/CSU ist bereit, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der Krise Herr zu werden — nicht zur Erhaltung der SPD/FDP-Koalition als Dauererscheinung, sondern im Interesse unseres Gemeinwesens und unserer Bürger. Das ist auch die Rolle, ein Teil der Rolle der Opposition. Aber wir können nur dann helfen, wenn wir erstens gewiß sein können, daß nicht jede Oppsoitionsalternative verketzert und dazu benutzt wird, bei den jeweils Betroffenen Stimmung zu machen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

wenn zweitens der Herr Bundesfinanzminister bereit ist, die ständigen Manipulationen und Fehldarstellungen aufzugeben und nicht über die wahre Verantwortlichkeit hinwegzutäuschen, und wenn drittens die Bundesregierung zukünftig wirklichkeitsnahe Zahlen über die wirtschaftliche Entwicklung vorlegt.
Der Jahreswirtschaftsbericht, auf dem Haushaltsund Finanzplan aufgebaut sind, ist nach den eigenen Aussagen des Bundeswirtschaftsministers überholt. Um der Regierung die Realisierung dieser Forderung zu erleichtern, hat die Opposition jetzt einen Antrag vorgelegt, mit dem die Korrektur der Wirtschaftsprognosen gefordert ist.
Der Bundesfinanzminister hat seine gestrige Rede mit einem Zitat unseres verstorbenen Kollegen Erler beendet. Ich möchte diese Aussage Fritz Erlers —„Schlechtes kritisieren, Gutes unterstützen" — auf das Parlament in seiner Gesamtheit ausgedehnt wissen,

(Sehr gut!. bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

zumal nicht nur die Opposition, sondern auch die Koalitionsfraktionen über diesen Bundeshaushalt 1977 beschließen müssen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801605300
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801605400
Es tut mir leid, ich komme zum letzten Satz, Graf Lambsdorff.
Daher gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß wir bei den Beratungen im Haushaltsausschuß diesen Haushaltsplan einer kritischen Würdigung — Herr Kollege Hoppe, hier sind wir uns einig — seitens aller Fraktionen mit dem Ziel unterziehen, die öffentlichen Ausgaben in stärkerem Maße als bisher zu begrenzen und somit Wirtschaft und Bürgern zu mehr Spielraum und freier Entscheidungsmöglichkeit zu verhelfen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801605500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801605600
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Haushaltsplan wird die Politik in der knappen Sprache der Zahlen wiedergegeben. Allgemein ist bekannt, daß es in der Politik ohne Kompromisse nicht geht. Das gilt in einem verstärkten Maße für die Haushaltspolitik, in einem verstärkten Maße deshalb, weil gerade in der Haushaltspolitik die verschiedenen Faktoren und Bestandteile von Kompromissen besonders zahlreich vorhanden sind. Da gibt es die Ansprüche der verschiedenen Gruppen in unserer Gesellschaft, die Aufgaben, die der Staat für seine Menschen erfüllen muß und die ständig mehr werden, die Verpflichtung — unser aller Verpflichtung —, die Lebensverhältnisse unserer Bürger zu sichern und einander anzugleichen, wo sie noch weit auseinander-liegen. Da gibt es die Erwartungen der Wirtschaft, und da gibt es die Signalwirkungen auf die Wirtschaft. Da muß von den Notwendigkeiten geredet werden, die sich aus unserer exponierten geographischen Lage ergeben. Da müssen unsere Verpflichtungen berücksichtigt werden, die wir als eine der größten Exportnationen weltweit zu erfüllen haben. Da stehen wir ständig in dem Spannungsverhältnis zwischen der Forderung nach mehr Sparsamkeit und unserem Engagement, dem Engagement des Staates im sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Da muß das Erfordernis der finanzpolitischen Solidität er-



Löffler
füllt werden. Das alles auf einen Nenner zu bringen, ist nicht ganz leicht.
Der Bundesfinanzminister hat gestern einen Haushaltsplan vorgelegt, der, gemessen an unserer wirtschaftlichen und finanziellen Situation, ein ausgewogenes Zahlenwerk darstellt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der Haushaltsplanentwurf 1977 ist ein guter, sachgerechter Kompromiß. Das politisch Notwendige in unserer Zeit und das finanziell Mögliche sind auf einen Nenner gebracht worden.
Dabei will ich insbesondere gegenüber dem Kollegen Leicht gern einräumen, daß es eine Reihe von sachlichen Gründen gibt, die dafür sprechen, an der einen oder anderen Stelle Veränderungen zu wünschen, da nicht alle Vorstellungen voll erfüllt sind. Aber, lieber Herr Kollege Leicht, das ist etwas völlig Normales. Ich kenne weder aus meiner eigenen Erfahrung noch aus der Literatur einen einzelnen Haushaltsplan, der sofort und voll alle Wünsche befriedigt und deshalb die ungeteilte Zustimmung gefunden hätte. Die geplagten Familienväter in diesem Hause wissen, daß selbst zu der privaten Haushaltswirtschaft, die sehr viel kleiner ist, nicht alle Mitglieder der Familie ihre Zustimmung geben.

(Leicht [CDU/CSU] : Das kann auch nicht sein, weil schon die Grundlage verschieden ist!)

— Darauf kommen wir noch, Herr Kollege Leicht. Hier macht dieser Haushalt selbstverständlich keine Ausnahme.
Aber, nebenbei gesagt, ist es ja auch nicht die Methode von Haushaltspolitikern, einen Haushalt daran zu messen, ob alle Vorstellungen und Wünsche erfüllt sind. Ich hätte auch sagen können, es ist nicht die Methode von soliden Haushaltspolitikern. Aber ich habe mir das erspart, weil ich bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehe, daß der Umgang mit Zahlen eigentlich jeden solide machen soll. Ich darf mir vielleicht die etwas ironische Bemerkung erlauben, daß sich heute vormittag zwei bedeutende Haushaltspolitiker beider Fraktionen bei ihrer Redezeit schwer verkalkuliert haben. Dabei klappte es schon nicht so ganz mit dem Umgang mit Zahlen.

(Leicht [CDU/CSU] : Bei mir klappte es!)

— Bei Ihnen hat es geklappt, Herr Kollege Leicht, ja.
Es muß aber auch in diesem Zusammenhang einmal gesagt werden, daß nicht erfüllte Wünsche nicht immer unbedingt als Opfer dargestellt werden können. Leider ist diese Einstellung ziemlich weit verbreitet, und zwar häufig in erster Linie bei denen, die sich ansonsten hinstellen und andere auffordern, Opfer zu bringen.
Die Opposition, insbesondere der Herr Kollege Leicht durch seine Veröffentlichungen vor dieser Haushaltsdebatte, will den Eindruck erwecken, als stehe dieser Haushalt auf dem brüchigen Fundament falscher wirtschaftlicher Grunddaten für dieses Jahr. Darüber wird ja in dieser Debatte wahrscheinlich noch eingehender zu reden sein. Mein Kollege
Dr. Sperling wird sich dazu noch äußern. Der Vorwurf ist, nebenbei gesagt, nicht neu, Herr Leicht. Er war bisher immer falsch, und es spricht nichts dafür, daß er diesmal richtig ist. Das Vertrauen in den Haushaltsplan 1977 kann 'dadurch nicht erschüttert werden.
Im übrigen, meine Damen und Herren von der Opposition

(Leicht [CDU/CSU] : Das habe ich auch nicht gesagt! Ich habe mich auf den Wirtschaftsminister berufen!)

— der Herr Wirtschaftsminister wird sich auch noch dazu äußern, nehme ich an —, habe ich manchmal das Empfinden, die Opposition verwechselt offensichtlich den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung mit den Volkswirtschaftsplänen staatlich gelenkter Wirtschaftssysteme. Dann allerdings müßten wir sofort revidieren. Aber in unserem Wirtschaftssystem sind genügend ausgleichende Kräfte vorhanden, es ist anpassungsfähig genug, als daß wir nun gebannt auf die Angaben hinter dem Kormma starren müßten. Ich hätte beinahe in Abwandlung eines Wortes eines sächsischen Königs gesagt: Sie sind mir schöne Liberale in der Wirtschaftspolitik.
Mit dein Haushalt ist auch der Finanzplan bis 1980 vorgelegt worden. Damit wird die finanzpolitische Linie in dieser Legislaturperiode vorgezeichnet, aber nicht festgeklopft. Zwei Feststellungen kann man zu diesem Finanzplan machen, und sie sind auch besonders hervorzuheben.
Erste Feststellung: Die Nettokreditaufnahme wird heruntergefahren. So wie geplant wird das durchgeführt. Zweitens: Die Investitionsausgaben werden höher angesetzt als im vorigen Finanzplan. Mit anderen Worten, bei von Jahr zu Jahr weniger Schulden werden mehr Sachwerte für die Gesellschaft hingestellt, als das bisher vorgesehen ist. Das geschieht unter nicht ganz leichten Bedingungen. Um so höher ist dieser finanzpolitische Kurs zu bewerten.
Herr Kollege Leicht meinte nun, daß ein Trick darin verborgen sei, daß die Nettokreditaufnahme nicht unter der Investitionsquote liegen würde. Nun, Herr Kollege Leicht, wie das mit den Pophezeiungen und Prognosen der Opposition zu haushaltspolitischen Problemen aussieht, das wäre ein Kapitel, das man einmal sehr gründlich erörtern könnte. Ich glaube, daß die Prognosefähigkeit der Opposition dabei nicht allzu gut wegkäme.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie sollten sich Ihre eigenen Prognosen anschauen!)

— Ich komme auf Sie auch noch, Herr Kohl.
Meine Damen und Herren, Finanzminister sind ja nicht darauf aus, bei Freund oder Gegner Dank zu ernten. Sie bekommen ihn ja auch meistens nicht. Sie sind auch meistens von der gesamten Statur her gar nicht dazu geeignet, daß man ihnen einen Dank ausspricht. Ich bin aber doch bei diesem Haushaltsplan



Löffler
versucht, unserem Finanzminister wenigstens ein leises Dankeschön ins Ohr zu flüstern.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Leicht [CDU/CSU] : Aber ganz leise! — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sie sollten so flüstern, daß es niemand hört! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich habe mir heute früh die Reden der Oppositionsredner angehört und habe mir bei der Rede des Kollegen Althammer die Frage gestellt, welches Datum er eigentlich schreibt. Argumente und Stil ließen darauf schließen, daß er sich noch im September 1976 befindet, nämlich auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes. Kollege Althammer, wir haben jetzt aber März 1977, und da sollte Polemik möglichst klein und Sachlichkeit groß geschrieben werden. Das sind wir auch unserem Volke schuldig, Herr Kollege Althammer,

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Das sagen Sie mal Ihrem Finanzminister!)

dessen Interessen wir hier zu vertreten haben.
Ich will auf die Rede des Kollegen Leicht nicht näher eingehen, schon um nicht den unangenehmen und fatalen Eindruck zu erwecken, als ob ich Dinge unterschiedlich beurteile und Keile in die Opposition treiben will. Ich nehme an, daß ich auf die Rede des Kollegen Leicht noch nachher eingehen kann. Bei Ihnen aber, Herr Kollege Althammer, drängt sich doch die Vermutung auf, daß die Opposition, was die Finanzpolitik angeht — und Sie waren ja schließlich der erste Sprecher der Opposition —, beim Stil des Wahlkampfes bleiben will.

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Ja, ich will jetzt einmal etwas zum Stil sagen. Wie sah dieser Stil im Wahlkampf aus?

(Zuruf der Abg. Frau Berger [Berlin] [CDU/ CSU])

Wenn der erste Mann von der Union, Herr Dr. Kohl, gefragt wurde, welche finanzpolitische Linie er denn als Kanzler vorzeichnen wolle, dann sagte er, zunächst müsse einmal Kassensturz gemacht werden. Der selbsternannte Finanzministerkandidat, Herr Dr. Strauß, drückte das gleiche quasi etwas wissenschaftlicher und sachkompetenter aus, indem er von einer Bilanz sprach, von Bilanzanalyse und von Bilanzkonsequenzen. Eigentlich gibt es zwischen beiden Äußerungen keinen Unterschied. Herr Dr. Strauß mußte natürlich dem Kanzlerkandidat und der deutschen Offentlichkeit beweisen, daß er es besser kann als die Nr. 1 der Union. Beiden Äußerungen ist aber eines gemeinsam, nämlich die fahrlässige leichtfertige Unterstellung hinsichtlich des Zustandes der Staatsfinanzen und des staatlichen Finanzwesens, um Unsicherheit draußen zu verbreiten.
Ich will jetzt nicht weiter auf das eingehen, was Herr Dr. Kohl gesagt hat. Nach seinen eigenen Bekundungen ist er ein politischer Generalist, und da würde ich sagen, da schaut man nicht so genau hin. Das sieht bei Herrn Dr. Strauß aber anders aus. Der war Finanzminister und wollte es auch wieder werden. Er kann uns doch nicht weismachen, daß er die notwendigen Angaben für eine Bilanz nicht aus dem meterhohen Stapel von Material, das uns jährlich über die Staatsfinanzen zur Verfügung gestellt wird, herausfinden konnte,

(Zuruf der Abg. Frau Berger [Berlin] [CDU/ CSU])

es sei denn, er stellt seine eigene Qualifikation als möglicher Finanzminister in Abrede.

(Beifall bei der SPD)

Nein, die Begriffe Kassensturz und Bilanz wurden von Ihnen immer wie Schwerter gehandhabt,

(Anhaltende Zurufe der Abg. Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU])

und man hat sich allen Ernstes gefragt, liebe Frau Kollegin Berger: Wen wollen Sie eigentlich damit hauen? Herr Althammer sprach wieder von den zerrütteten Staatsfinanzen, aber den Ansatz zu einer Bilanz hat er nicht gemacht. Herr Kollege Leicht hingegen hat eine ganze Reihe von kritischen Fragen gestellt, er hat eine Reihe von Punkten aufgeführt, die vielleicht zu einer Bilanz gehören. Aber zur Bilanz, Herr Kollege Leicht, sind auch Sie nicht gekommen.

(Leicht [CDU/CSU] : Dazu komme ich erst in der dritten Lesung!)

Aber da ich weiß, daß Sie, Herr Kollege Leicht, ein sehr versierter Haushaltspolitiker sind, habe ich fast das Empfinden, daß Sie aus gutem Grunde nicht zu der Bilanz kommen wollten: weil diese Bilanz nämlich gar nicht so schlecht aussieht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Bekanntlich ist eine Bilanz die kontenmäßige Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva. Es ist ein Verdienst des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, uns in einer Ausarbeitung, die vor einigen Wochen veröffentlicht worden ist, sehr gute und deutliche Hinweise für solch eine Bilanz gegeben zu haben.

(Leicht [CDU/CSU] : Herr Klasen auch!)

Danach sieht es so aus: Unser Staat, Gebietskörperschaften und Sozialversicherung zusammen, hat Außenstände, Forderungen, in Höhe von insgesamt 272 Milliarden DM. Dem stehen die Verpflichtungen gegenüber, die sich auf 259 Milliarden DM belaufen. Das ergibt — Kollegin Berger, Sie rechnen sicherlich mit — einen Aktivsaldo von 13 Milliarden DM.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801605700
Herr Kollege Löffler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Althammer?

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801605800
Aber selbstverständlich.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801605900
Herr Kollege Löffler, würden Sie uns auch noch verraten, wie Sie diesen Aktivsaldo jetzt so schnell wie möglich in Geld ummünzen können, um Ihr Haushaltsdefizit zu dekken.




Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801606000
Auf diesen Punkt wollte ich gerade kommen, Herr Kollege Althammer. Sie werden es gleich hören.
Jetzt kommen nämlich die Fragen, die für die Haushaltspolitik und auch für den Staatshaushalt insgesamt von großer Bedeutung sind: Von den 272 Milliarden DM Außenständen erhalten wir jährlich etwa 8,3 Milliarden DM Zinsen. Das entspricht einer Verzinsung von 3 %. Für unsere Verpflichtungen, für die Forderungen, die andere uns gegenüber haben und die etwas niedriger sind, zahlen wir jährlich 13,9 Milliarden DM Zinsen, also rund 6 %. Rechne ich die Zinseinnahmen der Sozialversicherung heraus, bleiben wir auf Zinseinnahmen von 2,7 Milliarden DM hängen. Das entspricht einer Kapitalverzinsung von ca. 1,3 %.
Nun will ich Ihnen einmal sagen, wie das im Einzelfall aussieht; das können Sie im Haushaltsplan nachlesen. Im Einzelplan 10, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Kap. 10 02, sind die Zinseinnahmen ausgewiesen. Wenn Sie das saldieren, kommen Sie auf eine Summe von 26 334 000 DM.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Ach halten Sie sich doch zurück, Mensch!

(Große Heiterkeit)

Die Forderungen aus diesem Kapitel belaufen sich aber auf 2,7 Milliarden DM. In diesem Bereich, wo der Staat besonders geholfen hat, Herr Kollege Schmitz, haben wir also eine Verzinsung von nicht einmal 1 %. Würde aber der Staat den gleichen Zinssatz fordern, den er selber zahlen muß, würden wir ca. 8 Milliarden DM Zinseinnahmen mehr haben und stünden natürlich auch finanziell anders da. Das ist eine klare Bilanz, Herr Kollege Leicht.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801606100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Löffler SPD): Bitte, Herr Kollege Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801606200
Herr Kollege Löffler, Sie müßten, damit keine falschen Eindrücke entstehen — nicht nur bei den Kollegen hier, sondern insbesondere bei den Bürgern, die uns zuhören —, schon etwas darüber sagen, wie sich die Forderungen in Höhe von 272 Milliarden DM zusammensetzen.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801606300
Lieber Herr Kollege Leicht, ich habe eigentlich nicht die Absicht gehabt, das heute zu tun. Vielleicht muß man das bei anderer Gelegenheit nachholen. Ich sage aber etwas darüber, keine Sorge! Ich wollte nämlich gerade loslegen und sagen: Muß ich erst aufzählen, wohin das Geld geflossen ist? In Agrarstruktur, Wirtschaftsstruktur, Wohnungsbau, Verkehrsbauten, in allgemeine Infrastruktur und in andere wesentliche Bereiche unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft! Mit anderen Worten, Herr Kollege Leicht: Diese Mittel, die der Staat mit einem niedrigen Zins zur Verfügung stellt, sind entscheidende wirtschaftliche und soziale Stützpfeiler unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Diese Mittel helfen, das Leben aller Bürger unseres Landes angenehmer und sicherer zu gestalten, helfen, Arbeitsplätze zu sichern oder neue zu schaffen, helfen, zurückgebliebene Strukturen anzupassen. Man kann doch von seiten der Opposition nicht so tun, als ob dieses Geld zum Fenster hinausgeworfen würde.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der Staat kann nicht wie ein Geldverleihinstitut nach bankkaufmännischen Gesichtspunkten handeln, sondern er muß nach politischen Notwendigkeiten handeln, um die Lebensverhältnisse der Menschen zu sichern.

(Zuruf des Abg. Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU])

— Und wer mit offenen Augen durch Europa fährt, Herr Kollege Schmitz, der erkennt doch, welche mustergültigen Leistungen wir im Auf- und Ausbau unseres Landes vollbracht haben, Leistungen, an denen Sie doch beteiligt sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sie müssen sich doch jetzt nicht finanzpolitisch davon distanzieren wollen.
Aber die Opposition will das nicht sehen. Die Opposition fordert mehr Sparsamkeit. Der Finanzminister hat gestern einiges zum Problem der Sparsamkeit gesagt. Er hat aufgefordert, in dieser allgemeinen Form nicht mehr über Sparsamkeit zu reden, da das wenig Sinn hat. Deshalb will ich auch nur ganz wenige Bemerkungen dazu machen.

(Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU] : Das ist für euch ein Fremdwort!)

— Lieber Herr Schröder, nun sagen Sie doch gleich, Sozialisten können nicht mit Geld umgehen. Hauen Sie doch die ganze Masche ab.

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch Ihr Stil, Herr Kollege Schröder, das ist doch haargenau Ihr Stil der Sachlichkeit, zu der Herr Leicht soeben aufgerufen hat.
Es gibt ein sehr interessantes Wort über die Sparsamkeit. Es stammt vom Theodor Fontane. Fontane hat einmal gesagt: „Eine richtige Sparsamkeit vergißt nie, daß nicht immer gespart werden kann. Wer immer sparen will, der ist verloren." Fast habe ich das Empfinden, als ob Theodor Fontane die Krise unseres Staates und unserer Gesellschaft Anfang der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts vorweggenommen habe. Jedenfalls steht fest, wir haben es in unserer leidvollen Geschichte schon einmal erlebt, daß eine freiheitliche Gesellschaft mit zugrunde gespart worden ist. Unsere Arbeitslosen beurteilen uns doch z. B. danach, welch einen Beitrag die Regierung, das Parlament leistet, um sie wieder in gesicherte Arbeit zu bringen. Dazu ist eine verantwortungsvolle Schuldaufnahme unerläßlich.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801606400
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Haase?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801606500
Verehrter Herr Kollege Löffler, ich entnehme Ihrer Bemerkung von vor-



Löffler
hin, wir hätten uns schon einmal zu Tode gespart, daß Sie auf die Brüningschen Notverordnungen abzielen. Ich möchte doch, um diese ein für allemal hier aus der Diskussion herauszubringen, daran erinnern, daß diese Brüningschen Notverordnungen

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801606600
Herr Kollege, Sie dürfen nicht erinnern. Sie müssen fragen.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801606700
Darf ich Sie fragen, — —

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801606800
Ja, Sie dürfen fragen, Herr Kollege Haase.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801606900
Darf ich fragen, ob Sie sich daran erinnern, daß diese Notverordnungen, die sicher als problematisch zu beurteilen sind, damals auch von Ihrer Partei, zumindest partiell, mitgetragen worden sind — um das ein für allemal festzustellen.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801607000
Lieber Herr Kollege Haase, wenn Sie nun glauben, daß ich in der Auseinandersetzung mit der heutigen Opposition auf die Brüningschen Notverordnungen zurückgreifen muß, dann irren Sie sich. Sie bieten so viel Material, daß wir das in der Auseinandersetzung mit Ihnen gar nicht alles verwenden können.

(Beifall bei der SPD)

Aber bei dem Beitrag, den der Staat zu leisten hat, sind wir uns natürlich bewußt — da stimme ich mit dem Kollegen Leicht überein —, daß wir nur einen Beitrag leisten können, der etwa die gleiche Funktion hat, die ein Anlasser beim Automobil haben kann. Wir können nur so wie der Anlasser versuchen, Kräfte in der Wirtschaft freizusetzen, die sich nachher aus sich heraus entwickeln und die eine lange Strecke Fahrt gewährleisten.

(Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU] : Löffler, nie wieder nehme ich Dich in meinem Auto mit nach Spandau!)

— Das tut mir allerdings von Herzen leid, liebe Frau Kollegin Berger. Das wird mich zu einem Tränenausbruch reizen.
Der Finanzminister hat gestern in seiner Rede durch Zahlen belegt, welche Wirkungen die bisherigen Programme der Regierung hatten. Ich bitte, das nachzulesen. Und, Herr Kollege Leicht, wenn Sie sagen, die 700 000 sind nicht genug, so stimmen wir da miteinander überein. Aber dann sollten Sie der Regierung auch auf dem jetzigen Wege folgen.
Aber lassen Sie mich mal den Begriff der Sparsamkeit unter mehr mathematischen Gesichtspunkten betrachten. Ein bekannter wissenschaftstheoretischer Lehrsatz lautet: Das Ganze ist die Summe seiner Teile. Die Mütter und Väter im Saal, die schulpflichtige Kinder haben, die jetzt Mengenlehre in der Schule haben, mußten sich mit diesem Satz schon abplagen.
Das Ganze ist die gesamte Ausgabenfinanzmasse des Haushaltes. Die Teile sind seine Einzelpläne und die Einzelmaßnahmen, die finanziell in diesen Einzelplänen festgelegt sind. Wer jetzt das Ganze vermindern will, Herr Kollege Leicht, durch so eine kräftige globale Minderausgabe, wie Sie sie vorschlagen, der kommt wohl nicht darum herum, auch zwangsläufig zu sagen, wie nun die Teile — sprich: Einzelmaßnahmen — sich verringern sollen. Wer — auch solche Kollegen gibt's ja in Ihrer Fraktion, ich denke da z. B. an die agrarpolitisch interessierten Kollegen in der Fraktion, von denen man noch nie einen Kürzungsvorschlag gehört hat — etwas bei den Teilen zulegen will, der muß sich auch dazu äußern, wie er dann das Ganze erhöhen will. Ich habe manchmal das Empfinden, die Finanzpolitik der CDU/CSU-Fraktion rüttelt verzweifelt an den Grundfesten dieses Lehrsatzes. Ich sage, sie rüttelt vergebens. Herodot sagt: Kein Zwang geht über die Unmöglichkeit. Auch nicht der manische Zwang der Opposition, bei jeder Gelegenheit der Regierung etwas am Zeuge flicken zu wollen, auch wenn es gar nicht geboten und nötig erscheint.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich habe hier einmal aufgelistet — das ist auch ein ganz schönes Paket — die finanzpolitischen Forderungen der Opposition oder einzelner Oppositionssprecher aus der vorigen Legislaturperiode. Da werden einmal Einnahmeminderungen gefordert und mal Ausgabenerhöhungen, zum Teil in zweistelliger Milliardenhöhe. Aber stets fehlte der zweite Teil, nämlich a) wie eine Verringerung des Ganzen sich auf die Teile auswirken soll, und b) wie eine Vermehrung bei den Teilen durch eine entsprechende Erhöhung beim Ganzen nun zu geschehen hat. Dieser Teil fehlte immer, und der fehlt auch bei Ihnen wieder, Herr Kollege Leicht. Das sagen Sie: „Das, lieber Finanzminister, hast du zu machen."
Herr Kollege Leicht hat angekündigt, daß er 5 bis 6 Milliarden DM einsparen will. Herr Kollege Leicht, ich bin sehr gespannt auf die Beratungen im Haushaltsausschuß.
Natürlich haben wir uns über Fragen der Personalwirtschaft zu unterhalten. Sie wissen genausogut wie ich, daß wir dabei auch sehr kritisch dran sind. Nur, Herr Kollege Leicht, wenn Sie vorhin sagten, jetzt streiche der Bund Stellen, und das sei doch antizyklisch, dann frage ich mich: Wie wollen Sie das eigentlich vertreten im Hinblick darauf, daß Sie im vorigen Jahr die Streichung von 4 000 Stellen haben wollten?

(Leicht [CDU/CSU] : Das habe ich nicht gesagt!)

Lassen Sie mich jetzt auch mal ein. kritisches Wort sagen; da hat — nebenbei gesagt — das ganze Haus Gelegenheit zu buhen. Hier spreche ich jetzt einmal als alter Beamter. Ich will Ihnen mal das eine sagen: Auch wir im Parlament sollten einmal darauf achten, daß wir mit Anfragen, Forderungen und Arbeitsaufträgen an die Regierung den Personalstand nicht unnütz in die Höhe heben. Wir fragen mitunter Dinge, deren Beantwortung mehrere Tage mehrere



Löffler
Beamte beschäftigen muß. Das muß auch nicht immer sein. Vielleicht setzt man sich mal mit der Regierung in Verbindung und fragt: Wie lange dauert das eigentlich?
Wenn ich jetzt mal Ihre Finanzpolitik insgesamt ins Populäre umsetzen soll, dann könnte ich folgendes Bild wählen. Da gibt es einen Ehemann, der fordert von seiner Frau: „Statt Hackfleisch will ich jetzt stets Steaks essen, und statt gewöhnlicher Oberhemden möchte ich nur noch Seidenhemden tragen." Wenn die Frau fragt: „Wie soll ich das finanzieren?", sagt er: „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, du kriegst von mir jeden Monat 100 DM weniger Kostgeld."

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Das, meine verehrten Damen und Herren, kann keine Alternative sein, ist nicht einmal der Ansatz einer Alternative.
Der Finanzminister hat gestern gefordert, daß die Opposition sich bemühen soll, was die Finanzpolitik angeht, debattefähig zu werden. Ich schließe mich dem an. Ich möchte jetzt gar nicht noch darauf eingehen, welche widersprüchlichen Aussagen im einzelnen von Sprechern der Opposition zur Finanzpolitik in den letzten Tagen und Wochen gemacht worden sind.
Ich fasse zusammen. Erstens. Der Haushaltsplan 1977 ist unter den gegebenen wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen ein solides Finanzwerk.

(Wohlrabe [CDU/CSU]: Bravo!)

— Ich freue mich, Herr Kollege Wohlrabe, daß Sie dem zustimmen. Ich werde das in Berlin zu verkünden wissen, daß Sie finanzpolitisch auf unserer Linie liegen. Zweitens. Dieser Haushaltsplan verdient unser Vertrauen, weil das finanziell Mögliche und das politisch Notwendige auf einen Nenner gebracht worden sind. Drittens. Die Opposition verfügt noch immer nicht über eine verhandlungsfähige Alternative,

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Na, na, na! Was hat denn der Kollege Leicht vorhin getan! Das war doch wohl wirklich etwas!)

sondern sie bietet im wesentlichen ein Sammelsurium von finanzpolitischen Maßnahmen an, die sich teilweise widersprechen.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Wer das Gespenst des Staatsbankrotts an die Wand malt, verkennt die tatsächliche Lage einer allgemeinen Staatsbilanz, die immer noch einen Aktivsaldo aufweist, womit der Beweis erbracht wird, daß die Finanzpolitik, die Haushaltspolitik der Regierung auf einer soliden Grundlage steht.
.(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801607100
Das Wort hat der Abgeordnete Gärtner.

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0801607200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zwei Vorbemerkungen zu den
Ausführungen des Kollegen Althammer. Ich würde ihm raten, daß er die Bemerkungen, die er heute morgen im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsarbeit hier gemacht hat, möglichst rasch nach Bayern schickt, damit einer der Kollegen aus der CSU-Fraktion dies im Bayerischen Landtag bei den Beratungen des Haushalts dort vortragen kann. Weiter möchte ich noch eine Vorbemerkung zu dem hier gefallenen Wort vom Roßtäuschertrick im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuererhöhung, dem Steuererleichterungspaket, machen. Dies scheint dann wohl auch für die grundsätzliche Zustimmung des saarländischen Ministerpräsidenten zu diesem Paket wie auch für den niedersächsischen Finanzminister Kiep zu gelten, der diesem — im Grundsatz jedenfalls — ebenfalls zugestimmt hat.
Die Debatte über den Haushaltsplanentwurf — so ist das jedenfalls in vielen Büchern, die Politik zum Gegenstand haben, nachzulesen —, soll immer die
Sternstunde der parlamentarischen Opposition und auch so etwas wie eine Generalabrechnung mit der Regierung sein. Aber das scheint wohl nur dann stattzufinden, wenn der General da ist. Wenn der General nicht da ist, wird auch nicht richtig abgerechnet.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Niemand, meine Damen und Herren, bestreitet, daß in diesem Land insgesamt wie auch in den Bundesländern, die christdemokratisch geführt werden, noch Verbesserungen möglich, ja notwendig sind. Aber dies alles ist ja nicht so einfach. So ist z. B. die Arbeitslosenquote auch in den Bundesländern hoch, die christdemokratisch geführt werden. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, reden immer vom fehlenden Vertrauen der Wirtschaft, von klimatischen Verwerfungen — und an alle dem sind die Sozialliberalen schuld — ob in Bayern, in Rheinland-Pfalz oder in Schleswig-Holstein. Ich frage mich nur, wofür denn die konservativ geführten Landesregierungen eigentlich zuständig sind, wenn sie für all das, was schlecht ist, nicht zuständig sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801607300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0801607400
Aber gern, Herr Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801607500
Herr Kollege, wollen Sie bestreiten, daß für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Bundesrepublik, also die Bundesregierung, zuständig ist?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0801607600
Herr Kollege Althammer, auf diese wirtschaftlichen Rahmendaten werde ich noch zurückkommen, insbesondere auch wegen der unterschiedlichen Betrachtungsweise dieser wirtschaftlichen Rahmendaten — auch im internationalen Bezugsrahmen — von Ihnen und von Herrn Leicht. — Die wenigen Glanzlichter in den landespolitischen



Gärtner
Erfolgsskalen stecken sich allerdings diese Nord-und Südlichter, wie das ja in Ihrer Parteiumgangssprache heißt, selbst auf, während alles Schlechte, wie gesagt, von Bonn kommt. Das ist für Sie offensichtlich alles sehr einfach. Sie lehnen hier zwar Jahr für Jahr den Bundeshaushalt und Sonderprogramme, wie etwa das soeben diskutierte, ab, um aber dann, wenn es um bestimmte Projekte und Beteiligungen geht, möglichst kräftig zuzulangen. Das hat ja heute morgen auch schon eine Rolle gespielt. Ich fand es bezeichnend, daß der. Kollege Althammer in diesem Zusammenhang im Grunde vom Verprassen von Steuergeldern gesprochen und Herr Kollege Leicht entdeckt hat, daß das, wenn man das richtig mache, eine vernünftige Sache gebe.
Ein weiteres: Sie haben heute morgen das Windhundverfahren angegriffen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß das Windhundverfahren bei den Investitionsprogrammen notwendig war. Wenn man damals Investitionsprogramme als Konjunkturprogramme verstand — und so war das ja —, dann. mußte, um möglichst schnell einen Effekt zu erzielen, dieses Verfahren gewählt werden.

(Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Sehr richtig!)

Daß wir damit insgesamt nicht zufrieden sind und daß es da auch zu Fehlern kommen kann, ist eine ganz andere Sache. Aber wer mit Konjunkturprogrammen etwas Anständiges machen will, muß es möglichst schnell machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Aber, wie gesagt, wir werden in diesem Bereich ja noch erleben — nämlich wenn wir das Programm für Zukunftsinvestitionen während der Haushaltsberatungen bekommen —, daß die Projektlisten insgesamt von Bayern bis Schleswig-Holstein reichen. Dort, wo christdemokratische Ministerpräsidenten regieren, sind wahrscheinlich die größten Ansätze vorgesehen, weil dort auch in aller Regel die größten Problemgebiete liegen.

(Zuruf des Abg. Dr. Waigel. [CDU/CSU])

— Herr Waigel, nun machen Sie mal langsam, es kommt nämlich noch etwas. Dann können Sie klatschen.
Aber vielleicht erinnern Sie sich einmal an Franz Josef Strauß — auch wenn er heute in viel schöneren Gegenden ist —, der 1972, fast auf den Tag genau vor fünf Jahren, unter dem Eindruck einer Haushaltsdebatte, die hier stattgefunden hat — ich weiß nicht, ob es in derselben Besetzung war, aber immerhin hat sie hier stattgefunden —, im RheinRuhr-Club sinngemäß gesagt hat, daß man auf dem Weg in die Stagflation sei, wenn die Bereitschaft der öffentlichen Hand erlahme, immer wieder zum Ausgleich für die privatwirtschaftliche Übernachfrage auf öffentliche Vorhaben, deren Vordringlichkeit niemand bestreite, zu verzichten. Sie werden sich vielleicht daran halten; ich weiß es nicht. Aber wenn Sie sich daran halten, werden Sie auf jeden Fall gleichzeitig beklagen, daß die Verschuldung durch staatliche Investitionsprogramme ins Unermeßliche steigt. Sie beklagen im übrigen auch eine steigende Staatsquote, die Sie mit verursachen, nämlich durch die breite Zustimmung zu fast allen Geldleistungsgesetzen, ob hier als Opposition oder dort, wo Sie in den Ländern die Regierung stellen.
Wenn Herr Kollege Althammer davon spricht, daß man auf der Aufgabenseite eine Entziehungskur machen solle

(Zuruf von der CDU/CSU: Ausgabenseite!)

— auf der Ausgabenseite, Entschuldigung; Aufgabenseite ist im übrigen nicht völlig falsch; denn man kann es auch so verstehen, daß Landespolitik eine Aufgabe ist, an der man natürlich gelegentlich etwas streichen oder zu der man etwas hinzutun kann —, dann frage ich mich immer, wo diese Entziehungskur bei den christdemokratisch geführten Ländern stattfindet, wann Sie damit anfangen. Dort wird nämlich in diesem Bereich im Grunde nie gestrichen, sondern man muß sagen, daß da fast immer noch zugelangt wird.
Wenn ich beispielsweise Podiumsdiskussionen mit christdemokratischen Kollegen führe, ist das immer eine prima Sache. Wenn es um die Bundespolitik geht, wo sie keine Zuständigkeit haben, sind diese Kollegen immer die ersten, die finanziellen Forderungen, die von den Zuhörern gestellt werden, zustimmen. Warum auch nicht? Sie brauchen sie ja nicht mitzutragen, sie tragen sie dann ja auch in aller Regel nicht mit. Insofern sind sie relativ ehrlich, hätte ich beinahe gesagt. Auf jeden Fall ist das ganz seltsam. Vielleicht bitten Sie einmal Ihre Kollegen, wenn sie in die Länder hinausgeschickt werden, dort ein bißchen ehrlicher zu argumentieren. Unter Umständen wird in Bayern aber im nächsten Jahr einiges besser. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll dort ja der rechte Mann zum Ministerpräsidenten gemacht werden. Diesen Ministerpräsidenten möchte ich dann einmal sehen, wenn er den nächsten Haushalt vertreten muß, der ja auch mit einer nicht gerade geringen Verschuldungsrate gesegnet ist. Darauf darf man ja wohl gespannt sein. Sie können nicht immer alles und jedes der Bundesregierung in die Schuhe schieben.
Der Haushaltsentwurf 1977 der Bundesregierung ist, wie ich finde, ein vernünftiges Mittel zur weiteren Konsolidierung und wird auch den anstehenden Problemen gerecht. Er zeigt darüber hinaus den Weg für eine vernünftige Weiterentwicklung in unserem Lande auf. Sie haben im übrigen, meine Damen und Herren von der Opposition — damit komme ich noch einmal auf eine Zwischenbemerkung zurück —, meines Erachtens ein etwas zu einfaches Weltbild. Ich will Sie, Herr Kollege Leicht, jetzt ausnehmen, weil Sie heute morgen dafür genau das Gegenteil geliefert haben, aber bisher ein einsamer Rufer in Ihrer Wüste sind. Sie ignorieren nämlich hartnäckig die weltwirtschaftlichen Abhängigkeiten, die weltwirtschaftlichen Zusammenhänge. Sie ignorieren auch veränderte internationale Rahmenbedingungen für die Bundesrepublik Deutschland, weil Sie, wenn Sie das alles zugäben, alle Ihre kritischen Angriffe in diesem Hause eigentlich einstellen müßten.



Gärtner
Die Rohstoffabhängigkeit z. B. ist doch keine Erfindung dieser sozialliberalen Koalition. Das ist z. B. etwas, mit dem wir immer leben müssen. Gerade wegen dieser Abhängigkeiten ist allerdings eine aktive internationale Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland notwendig. Der Entwurf 1977 bietet dafür meines Erachtens eine vernünftige Grundlage. Diese Grundlage wird man ausbauen müssen; denn gerade Maßnahmen in diesem erwähnten Bereich sind zugleich Grundlagen für eine langfristige Exportsicherungspolitik.
Ich will jetzt keine einzelnen Bereiche besonders hervorheben, nur zu drei Bereichen noch kurz Stellung nehmen. Ein Bereich hängt mit dem gerade erwähnten Problem zusammen, nämlich die Steigerung des Bürgschaftsrahmens. Wir haben uns damit in einer Sitzung des Haushaltsausschusses schon in ersten Ansätzen beschäftigt. Die Vertreter der Opposition haben das sehr kritisch getan. Ich hatte allerdings den Eindruck, daß man den Blick für die Wirklichkeit ein bißchen verstellt hatte; denn in der Diskussion wurde zu sehr übersehen, was dieser Bürgschaftsrahmen eigentlich sichert. Er sichert nämlich Arbeitsplätze in unserem Lande. Vor allem eines wird sowohl draußen als auch offensichtlich in der damaligen Debatte übersehen, nämlich daß mit diesem Bürgschaftsrahmen auch und gerade im mittelständischen Bereich Arbeitsplätze abgesichert werden.

(Zuruf. des. Abg. Schröder [Lüneburg] [CDU/ CSU])

Die kritischen Anmerkungen, die damals gekommen sind — auch von Ihnen, Herr Schröder —, stammen zum Teil auch von denen, die bereits im Rahmen des Bürgschaftsrahmens vergangener und vorvergangener Jahre ihren Exportbereich gesichert haben. Sie sagen aber, das sei alles zuviel. Diesen Punkt muß man mitbetrachten, wenn man in diesem Zusammenhang kritische Stimmen wie z. B. die von Herrn Wolff von Amerongen zitiert.
Streitig kann meines Erachtens vernünftigerweise nicht das Instrument sein; diskutieren kann man über die Risiken in den verschiedenen Ländern, für welche die Projekte verbürgt werden. Dabei darf man aber auch nicht gleich blind werden. Sie haben in der damaligen Debatte die Ostgeschäfte sehr, sehr kritisch beurteilt, obwohl gerade in diesem Bereich z. B. bezüglich der Zahlungspünktlichkeit keine Kritik geübt werden kann. Sie haben die Geschäfte insgesamt als riskant betrachtet; aber bei einem Staat wie beispielsweise Südafrika haben Sie wohl keine Bedenken, wenn es darum geht, dessen langfristige Zahlungsfähigkeit anzunehmen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Diskutieren sollte man wirklich die Frage, wie bei der Ausfüllung des Bürgschaftsrahmens die Beteiligung des Parlaments gesichert und verstärkt werden kann. Nach dem, was Sie heute morgen vorgetragen haben, wird im Auschuß, so meine ich, sowohl genügend Gelegenheit als auch genügend Zeit dazu sein.
Personalkosten sind ja immer diejenigen Kosten, die die jeweilige Opposition gern aufs Korn nimmt.
Nur: In den christdemokratisch geführten Bundesländern hat die jeweilige Opposition es wirklich leichter; dort sind die Personalkosten tatsächlich in den letzten Jahren um ein Vielfaches gestiegen, und sie sind wirklich zu hoch. Wenn es darum geht, auszurechnen, wie hoch der Anteil der Personalkosten an den öffentlichen Haushalten in den einzelnen Bundesländern ist, kommt man zu dem Ergebnis, daß Baden-Württemberg und Bayern an der Spitze stehen. Die Bundesregierung hat von sich aus einen ersten und weiteren eigenen Schritt zur weiteren Eindämmung der Personalkosten getan. Ich bin allerdings sicher, daß man in diesem Bereich noch etwas tun kann, insbesondere in dem Bereich, in dem der Haushaltsausschuß in den letzten Jahren bei den Stellen bestimmte Qualifikationsvermerke angebracht hat.
Noch wichtiger aber erscheint mir — darauf ist der Kollege Westphal eingegangen, und das haben auch Sie, Herr Leicht, angesprochen —, daß wir bei der Umsetzung von politischen Programmen in Gesetze und Verordnungen die Personalfolgekosten stärker in den Griff bekommen sollten.

(Zustimmung bei der FDP)

Eine Möglichkeit besteht darin, bei den vorgesehenen Maßnahmen die entstehenden Personalkosten bei Bund, Ländern und Gemeinden anzugeben. Gesetze, die auf dem Deckblatt ausweisen, daß keine Kosten entstehen, sollte man sehr kritisch prüfen; denn die auf dem Deckblatt nicht ausgewiesenen Kosten schlagen meistens bei den Ländern und Gemeinden durch. Das ist völlig klar.

(Leicht [CDU/CSU] : Sehr gut! — Zuruf des Abg. Dr. Althammer [CDU/CSU])

— Herr Kollege Althammer, wenn Sie jetzt schon lachen, müssen Sie sich einmal ansehen, wie der Personalkostenanteil beispielsweise in den vergleichbaren Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg aussieht: Nordrhein-Westfalen 38 %, Baden-Württemberg über 43 %. Dies ist so, obwohl beide Länder nach demselben System „bedient" werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801607700
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer? — Bitte.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801607800
Herr Kollege, wären Sie vielleicht so freundlich, sich zu erkundigen, wie z. B. die Hochschulkapazitäten in diesen Ländern aussehen? Da liegt nämlich mit eine Antwort auf diese Frage.

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0801607900
Entschuldigung, neben dem, was Sie hier so täglich in Bonn machen, sollten Sie sich auch einmal den Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen und die Anstrengung ansehen, welche die sozialliberale Koalition gerade auf dem Gebiet des Hochschulsektors gemacht hat. Sie haben sich leider das falsche Pferd ausgesucht!

(Beifall bei der FDP und der SPD)




Gärtner
Manch einer wird allerdings bei der Diskussion um die Personalkosten einwenden, daß man diese bei Bund und Ländern nicht so richtig ausrechnen könne. Aber ich erinnere mich sehr genau daran, wie z. B. bei der Kindergeldreform die Länder ohne Rücksicht darauf, wer dort regierte, genau ausrechnen konnten, welche Belastungen personalmäßig Auf die Länder zukämen. So ist denn auch anschließend die Sache auf die Arbeitsämter abgeschoben worden.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Punkt herausgreifen, nämlich die Förderung des Mittelstands im Rahmen des Haushaltsplans und die dazugehörigen sonstigen Maßnahmen. Es wundert mich eigentlich, daß dies heute morgen nicht angesprochen wurde, denn es ist ja sonst das Leib- und Magenthema. Der Kollege Biedenkopf hat es in der Debatte um die Regierungserklärung angesprochen. Leider ist der Herr Kollege Biedenkopf nicht anwesend; ich möchte ihn trotzdem ansprechen.

(Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU] : Er ist eine Sekunde herausgegangen, kommt aber gleich wieder!)

— Er wird es vielleicht hören, daß jetzt gerade über ihn gesprochen wird. Es wird heute über viele Kollegen gesprochen, die nicht da sind, Frau Kollegin Berger.

(Leicht [CDU/CSU]: Leider!)

Der Kollege Biedenkopf, der ja wohl als hervorragender Vertreter der deutschen mittelständischen Wirtschaft gelten kann, hat in dieser" Debatte am 20. Januar, wie er sagte, Tränen der Rührung in den Augen gehabt, als er über die Mittelstandspolitik der sozialliberalen Koalition sprach und insbesondere das Handwerk im Auge hatte. Diese Tränen haben wohl auch den Blick für die Wirklichkeit verstellt. Vielleicht kann der Kollege Biedenkopf jedoch einmal in den Einzelplan 09 sehen und vielleicht auch nachlesen, was hier vor rund einem Jahr bei der Aussprache über den Mittelstandsbericht gesagt worden ist. Da hat der Kollege Wurbs ganz deutlich gemacht, was diese Koalition im Bereich der Mittelstandspolitik im einzelnen geleistet hat.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : 20 000 Pleiten, Herr Kollege!)

— Ach, wissen Sie, Herr Kollege Haase, die Sache mit den Pleiten kriegen Sie gleich zurück. Darauf habe ich mich — Sie werden sich kaum überrascht zeigen — auch vorbereitet, weil das immer der übliche Einwand ist, der da kommt.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das war die größte Leistung!)

Die Bilanz ist, was die öffentlichen Leistungen angeht, insgesamt, so meine ich, eindrucksvoll. Im Einzelplan 09 z. B. — Sie können ihn ja auch einmal nachlesen, Herr Haase — kann man, ohne die ERP-Mittel und die Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau besonders aufzuzählen, Maßnahmen zur Förderung des Handwerks finden; sie sollen vom Rechnungs-Ist 1975 von 30,9 Millionen auf 37
Millionen im Soll 1977 ansteigen. Und Sie finden z. B. Maßnahmen zur Förderung von Beratungen in kleineren und mittleren Unternehmen; sie werden vom Rechnungs-Ist 1975 von 1,8 auf fast 3 Millionen ansteigen usw. Dies alles sind Maßnahmen, die der Kollege Biedenkopf in der damaligen Debatte völlig ignorierte. Er konnte das damals offensichtlich nicht wissen, weil er erstens den Haushaltsplan noch nicht kannte und zweitens wahrscheinlich die alten Debatten nicht nachgelesen hat, als er hier am 3. Oktober eingezogen ist.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Es kommt auf die Erfassung der Wirklichkeit an!)

— Auch Sie werden gleich damit bedient werden, wenn es um die Insolvenzen geht. Das sage ich ja. Machen Sie mal langsam!
Ich darf Ihnen vielleicht einmal in aller Bescheidenheit raten, die Untersuchungen der Prognos AG in Basel über die Lage der kleineren und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, die vor einem Jahr veröffentlicht worden sind, zu lesen.

(Sehr gut! bei der FDP)

Und dem Herrn Kollegen Biedenkopf möchte ich empfehlen, zwecks Einübung in die nordrhein-westfälische Landespolitik einmal das Spezialgutachten, mit dem der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister ebenfalls die Prognos AG beauftragt hat, zu lesen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zur Situation der Kernkraftwerke!)

— Bitte? Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen. Vielleicht können Sie das hier einmal an irgendeiner Stelle in einem zusammenhängenden Beitrag darlegen; dann wird man darauf reagieren können.
In beiden Gutachten bestätigen die Verfasser die Effizienz der sozialliberalen Mittelstandspolitik im Bund und im Lande Nordrhein-Westfalen. Die Wirksamtkeit und Qualität der Mittelstandspolitik unter sozialliberalen Koalitionen, insbesondere unter liberalen Wirtschaftsministern, wird ja im übrigen auch von den Betroffenen bestätigt, nur nicht in den letzten vier Wochen vor Wahlterminen. Das ist ein ganz interessanter Klagezyklus; da könnten Sie auch einmal überlegen, woher das alles kommt.
Wer jetzt — wie Sie es eben getan haben — die Insolvenzen heranzieht, muß auch ein bißchen vorsichtig sein, wenn er ordnungspolitisch immer so fest auf dem Boden der Marktwirtschaft steht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft hat über Insolvenzgefahren festgestellt, daß die Spitze der Firmensterblichkeit in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeitspanne vom zweiten bis zum vierten Lebensjahr eines Unternehmens liegt; das trifft für rund ein Viertel der Unternehmen zu. Ich überlasse es Ihnen, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Die nächste Spitze liegt bei Unternehmen, die über 20 Jahre alt sind; das sind also insbesondere solche, die bereits



Gärtner
vor der Währungsreform gegründet worden sind. Bei ihnen liegt die Quote bei 21 %.
Dann muß man noch eine empirische Analyse des Instituts für Mittelstandsforschung, veröffentlicht am 21. Januar 1977, nachlesen. Da kann man zu den Ursachen von Insolvenzen in Erwerbsunternehmen — in Erwerbsunternehmen, Herr Kollege Haase; nicht alles, was in der Insolvenzstatistik rechts unten beim Saldo ausgewiesen ist, sind Insolvenzen im Erwerbsbereich, sondern da sind auch die privaten dabei,

(Beifall bei der FDP)

und das muß man alles auseinanderhalten,

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Wenn's an das Privatvermögen der Handwerksmeister geht!)

aber es macht im Wahlkampf ja nicht so viel Spaß, wenn man differenziert — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801608000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0801608100
Ja, gerne.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID0801608200
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, ob Ihnen die „Wirtschaftswoche" Nr. 10 vom 25. Februar bekannt ist,

(Gärtner [FDP] : Nein!)

— ja, weil Sie hier alles aufzählen —, wo Wolfgang Kartte über Wettbewerbspolitik für den Mittelstand geschrieben hat und wo er sagt:
Mehr als 90 % aller Pleiten spielen sich im Mittelstand ab. Kleine und mittlere Firmen sind dem rauhen Klima des Wettbewerbs stärker ausgesetzt.

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0801608300
Herr. Kartte wird sicherlich recht gehabt haben. Das Problem ist nur: Wenn man auf die Ursachen zurückgeht, wird das möglicherweise ganz anders. Ich darf Ihnen einmal die Ursachen zitieren. Da gibt es z. B. in diesem Bereich nach den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung — das ist also nicht irgend etwas aus der Luft Gegriffenes —, die einen sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte berücksichtigenden Untersuchungsansatz hat, die Aussage — und ich darf diesen Satz mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —, daß die Betriebsführung als Institution die wichtigste Entstehungsquelle für Insolvenzursachen ist.

(Schröder [Luneburg] [CDU/CSU] : Das ist aber ganz neu! Bisher war das doch immer die Weltwirtschaftskrise! — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ja, die Ölscheichs!)

— Herr Schröder, wir haben uns schon darüber unterhalten, wer bei Ihnen immer ganz neu auftritt. Ich halte es für nicht angebracht, daß ausgerechnet Sie, der Sie weitgereist sind, wie ich mir sagen ließ, die Weltwirtschaftskrise in diesem Zusammenhang erwähnen.
75,4 % der Betriebe wiesen erhebliche Schwachstellen auf. Die schwerwiegendsten Mängel, die den
Betrieb in der Existenz gefährden, lagen der Untersuchung zufolge in der Person des mittelständischen Unternehmers bzw. der Führungsperson. Mangelhafte Unternehmerqualifikationen, ungenügende Fachkenntnisse und ungenügender Informationsstand erwiesen sich in diesem Bereich als häufiges Kriterium. Das mag hart klingen, aber wenn es einmal in einer solchen Untersuchung festgestellt ist, steckt, wie ich glaube, schon eine Menge an Wahrheit dahinter. Hier kann man ordnungspolitisch nicht nur über Wettbewerb theoretisieren. Da Sie z. B. jahrelang die Kartellnovelle aufgehalten haben — ich möchte das einmal darauf abstellen, Sie haben sie ja im Grunde dauernd torpediert —, können Sie sich nicht darüber beschweren, daß diese Situation entstanden ist.

(Schröder [Luneburg] [CDU/CSU] : Fragen Sie einmal Graf Lambsdorff, wer torpediert hat!)

— Entschuldigen Sie, Herr Schröder, ich kenne Herrn Lambsdorff gut genug, um ihm das nicht zuzutrauen.
Insolvenzen sind gewiß auch nicht das Salz in der Suppe der Marktwirtschaft. Aber wer die Insolvenzen nur einem staatlichen Fehlverhalten zuschreibt,
muß sich stärker mit der Wirklichkeit befassen. (Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Haushaltspolitik des Bundes für alles verantwortlich zu machen ist eben leichter. Meine Damen und Herren won der Opposition, schwierig ist es für Sie auch nicht, wie im letzten Wahlkampf vom Norden bis in den tiefen Süden allen Gruppen in diesem Lande Steuererleichterungen zu versprechen — bei gleichzeitiger Zurückführung der Defizite der öffentlichen Haushalte. Dies ist meines Erachtens mehr Magie als Politik, und wir werden in den kommenden Beratungen leicht feststellen, ob sich die Opposition weiter der Magie verschreibt oder sich zu konkreten politischen Alternativen verständigen kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0801608400
Ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause. Das Haus tritt um 14 Uhr wieder zusammen.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.47 bis 14 Uhr) Vizepräsident Frau Renger: Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Meine Damen und Herren, bevor wir in der Debatte fortfahren, rufe ich den Zusatzpunkt 2 zur Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß)

— Drucksache 8/51 —



Vizepräsident Frau Renger
Die Drucksache 8/151 liegt Ihnen vor. Wer diesem interfraktionellen Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir fahren in der verbundenen Aussprache über Punkt 11 der Tagesordnung — Haushaltsgesetz 1977 und Finanzplan des Bundes 1976 bis 1980 — und über den Zusatzpunkt 1 — neue Eckwerte zum Jahreswirtschaftsbericht — fort.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801608500
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zu einer Reihe von Bemerkungen komme, zu denen insbesondere die Opposition Anlaß gegeben hat, einige Bemerkungen zu dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts machen. Es scheint am zweckmäßigsten zu sein, dies ohne Aufgeregtheit zu tun und sich einfach an dem Text des Urteils selbst zu orientieren und daran dann einige Konsequenzen anzuschließen.
Ich glaube, das geht am besten, indem ich hier einzelne Passagen verlese. Die erste Passage — wörtliches Zitat —:
Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist in Grenzen nicht nur verfassungsmäßig zulässig, sondern auch notwendig.
Das heißt also, wenn ich diesen Satz kommentieren darf: Hier wird sehr deutlich, daß die Bundesregierung auch im Haushalt 1977 Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit vorsieht und ihre Öffentlichkeitsarbeit genauso betreiben wird wie der Deutsche Bundestag, wie die Landesregierungen, — so heißt es in diesem Urteil — die gesetzgebenden Körperschaf ten.
Lassen Sie mich hier ein zweites wörtliches Zitat einführen:
Ebenso wie die Verfassungsorgane der Länder ihre Öffentlichkeitsarbeit auf den Aufgaben-und Kompetenzbereich des jeweiligen Landes zu beschränken haben, muß sich die Bundesregierung, soweit sie nicht zuständig ist, jedes Eingriffs in den Länderbereich enthalten. Diese wechselseitige Schranke ist stets zu beachten.
Hier komme ich zu einer wesentlichen Schlußfolgerung. Hier wird nämlich deutlich, daß sich dieses Urteil eben nicht nur an den Bundesgesetzgeber, an die Bundesregierung wendet, sondern auch an die Landesregierungen, die damit aufgefordert sind, sich z. B. nicht mit Mitteln für die Öffentlichkeitsarbeit in die Bundespolitik einzuschalten.
Ich habe hier eine Anzeige der bayerischen Staatsregierung, die unmittelbar vor dem 3. Oktober lanciert worden ist.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Wo haben Sie denn Ihre Anzeigen?)

Ich will hier nur in aller Ruhe und Gelassenheit sagen: Solche Anzeigen sind nach dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts dann ebenfalls nicht mehr zulässig.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Verursacher war aber die Bundesregierung! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Es geht um Ihre Anzeige!)

— Ich werde daraus gleich allgemeinere Schlußfolgerungen ziehen.
Damit komme ich zu einem dritten Bereich. Hier führe ich wieder ein wörtliches Zitat aus eben diesem Urteil ein:
Die Grenzen zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und verfassungwidrigem Hineinwirken in den Wahlkampf waren bisher umstritten.
In dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird das erstmals näher präzisiert. Diese Grenzen sind nicht nur bei der Bundestagswahl 1976, sondern auch schon zuvor in zunehmendem Maße von den Regierungen von Bund und Ländern überschritten worden.
Damit wird deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß dies wohl die bedeutsamste Passage ist: daß also, wenn hier Kritik zu üben ist, diese zwar natürlich auch an der Bundesregierung zu üben ist, aber ebenso an allen Regierungen dieser zweiten deutschen Republik und auch an den Regierungen aller deutschen Länder.

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : Das wird nicht bestritten!)

Dies heißt, daß wir von diesem Urteil alle betroffen sind.
Ich kann für ,die Bundesregierung erklären, daß wir selbstverständlich diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts akzeptieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre sonst noch schöner!)

Im übrigen wird die Bundesregierung umgehend mit allen Bundesländern Kontakt aufnehmen, um mit ihnen gemeinsam zu beraten, wie die Öffentlichkeitsarbeit von Bund und Ländern aussehen muß, damit sie den vom Bundesverfassungsgericht sehr eng gezogenen Grenzen gerecht wird. Soviel hierzu. Damit haben Sie die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Problemkreis.
Ich möchte nun zu der aktuellen Haushaltsdebatte des heutigen Morgens zurückkommen. Die beiden Sprecher der Opposition, insbesondere Sie, Herr Kollege Leicht, haben gesagt, ich hätte gestern eine polemische Rede gehalten.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

— Wenn Sie sagen „sehr richtig", dann müssen Sie auch den Beweis dafür erbringen. Ich hatte eher das Gefühl, daß es eine sehr nüchterne Rede war.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Ritz [CDU/CSU])

Denn ich hatte mir vorgenommen — und ich will auch möglichst dabei bleiben —, Haushaltsdebatten nicht mit Vokabeln wie „Roßtäuscherei" und „Wählerbetrug" zu belegen, wie Sie das getan



Bundesminister Dr. Apel
haben, Herr Althammer. Was sollen eigentlich diese Argumente? Der deutsche Wähler will von uns Sachargumente hören,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

er will von uns wissen, was wir wollen. Deswegen habe ich gestern eben bewußt keine Polemik gemacht.
Eines habe ich allerdings getan, Herr Kollege Leicht: Ihnen keine Termine vorgeschrieben. Aber ich habe Sie gebeten, an Ihre staatspolitische Verantwortung appelliert, sich doch bitte darum zu bemühen, entweder zu dem ganzen Komplex — Einnahmeverbesserungen, Haushaltspolitik — eine einheitliche Position zu finden, oder aber, wenn dies nicht geht, nicht in eine allgemeine Aufforderung auszuweichen, wie Sie es heute erneut getan haben, man möge doch mehr sparen. Darum bitte ich Sie weiterhin — es hat doch keinen Zweck, wenn wir Verbalinjurien, gegenseitige Vorwürfe austauschen —: Hier muß eine Konzeption — und unsere Konzeption ist die Konzeption der Koalitionsparteien — einer anderen, einer teilweise anderen gegenübergestellt werden, damit der Dialog einen Sinn hat.
Aber wenigstens sollten wir in dieser Debatte in sich logisch geschlossen argumentieren. Mir ist aufgefallen, daß dies heute morgen bei der Opposition nicht der Fall war. Ich möchte Ihnen dafür vier Beispiele geben. Beispiel Nummer eins. Herr Althammer sagte, wir müßten massiv sparen. Er hat zwölf Seiten in der Hand gehabt, auf denen seine Sparvorschläge stehen. Er hat sie nun leider wieder mitgenommen. Ganz gerne hätten wir ja einmal hineingeguckt. Immerhin war es schon ein Vorschlag. Bei der letzten Spardebatte hat Herr Althammer hier einen Stapel Bücher auf den Tisch gelegt, aus denen wir uns die Sparvorschläge heraussuchen sollten. Es wäre natürlich sehr schön, wenn Sie — nicht heute, aber doch bei Gelegenheit — diese zwölf Seiten einmal aufblätterten, damit man einmal sehen kann, worum es sich im einzelnen handelt.

(Zustimmung bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801608600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801608700
Aber selbstverständlich.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801608800
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Ihnen entgangen ist, daß ich bei diesen zwölf Seiten ausdrücklich erklärt habe, daß dies die bereits unterbreiteten Sparvorschläge und Alternativen von 1970 bis 1976 sind? Ich werde sie gerne Ihrem Staatssekretär überreichen. Ich sage dies nur, damit Sie hinterher nicht enttäuscht sind.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801608900
Enttäuscht wäre ich sicherlich, nachdem ich das jetzt gehört
habe. Darauf hat ja der Herr Kollege Löffler schon etwas gesagt. Er hat gesagt: Da haben wir schon einmal den dicken Saldenstrich darunter gezogen, und am Ende war es insgesamt teurer geworden. Wenn es das ist, dann haben Sie allerdings Ihre Sparvorschläge noch vor sich. Dann werden Sie uns noch sagen müssen, wo die 5 Milliarden DM herkommen sollen, die Sie einsparen wollen.
Eines muß ich ja sagen: Natürlich ist die globale Minderausgabe ein legitimes Instrument der Haushaltspolitik. Aber wenn Sie 5 Milliarden DM globale Minderausgabe einsetzen wollten — ich spreche hier im Konjunktiv —, dann allerdings begeben Sie sich jedes Gestaltungsrechts. Dann geben Sie im Endeffekt Ihre Verantwortung, die Sie als Haushaltsgesetzgeber haben — auch die Opposition —, an die Regierung zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Deutsche Bundestag sich politisch in dieser Weise entmannen möchte.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber nun kommt das eigentliche Problem. Sie, Herr Kollege Leicht, sagen: Bitte schön, massiv sparen! Gleichzeitig sagen Sie, Herr Kollege Leicht — ich glaube, ich habe das Zitat richtig aufgeschrieben —, eine antizyklische Haushaltspolitik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei so wörtlich — „unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit". Das haben Sie so gesagt. Meine Damen und Herren, dann bitte ich aber auch darum, hieraus wirklich einen Kontext zu machen. Man kann doch — ich komme darauf zurück — nicht auf der einen Seite sagen: sparen, sparen, sparen, und uns auf der anderen Seite sagen, antizyklische Haushaltspolitik sei notwendig. Wenn Sie, Herr Kollege Häfele, sagen, antizyklische Haushaltspolitik gehe nur in die Richtung investiver Ausgaben,

(Leicht [CDU/CSU] : Nicht nur, aber mehr!) dann bin ich eben nicht Ihrer Meinung.


(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Ein Anteil!)

Antizyklische Haushaltspolitik heißt in der Rezession z. B. auch, das Netz sozialer Sicherheit zu erhalten, hieß z. B. auch, der Bundesanstalt für Arbeit im letzten Jahr 3 Milliarden DM zu geben, damit die Arbeitslosenunterstützung bezahlt werden kann. Antizyklische Haushaltspolitik heißt notfalls auch Subventionen für bedrohte Industriezweige, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Aus diesem Grund haben wir im letzten Jahr z. B. der Werftindustrie, wenn auch bescheiden, geholfen.

(Abg. Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Noch einen Satz, dann bin ich sofort am Ende. Antizyklische Haushaltspolitik heißt natürlich auch öffentliche Investitionen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801609000
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schröder (Lüneburg) ?




Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801609100
Herr Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß der Wissenschaftliche Beirat Ihres eigenen Hauses nichts anderes zum Ausdruck gebracht hat als der Kollege Leicht, als er nämlich in seiner Stellungnahme zwischen einem konjunkturell und einem strukturell bedingten Defizit unterschied? Und wenn Sie dem zustimmen, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Ihre eigene Finanzpolitik, und wie können Sie dann Herrn Leicht einen Widerspruch vorwerfen?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801609200
Herrn Leicht und Herrn Althammer werfe ich in jedem Fall erst einmal vor — beide Herren sind sicherlich keine Ökonomen, auf jeden Fall nicht die wirtschaftspolitischen Sprecher der Opposition —, daß sie uns Rezepte angeben, bei denen wir uns allerdings, wenn wir sie befolgten — sie werden nicht befolgt, weil Sie gar keine Sparvorschläge machen, meine Damen und Herren —, wirklich fragen müßten: Wo soll denn eigentlich das Wachstum 1977 herkommen, wenn nun auch noch die öffentliche Hände ihre Ausgaben rigoros zusammenstreichen?

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch das Problem: Wo soll denn eigentlich Wachstum herkommen, wenn wir in einer unklugen und unvernünftigen Art und Weise nun noch rigoros zusammenstreichen?
Im übrigen, um auf Ihre Frage einzugehen: Dies ist ja nicht eines der letzten Gutachten, sondern es ist schon 18 oder 24 Monate alt. Ich habe damals mit Unterstützung meiner politischen Freunde von der FDP und der SPD eine Antwort darauf gegeben, indem wir hier — ich habe gestern die Zahlen vorgeführt — 20 Milliarden DM Ausgabeprojektion für das Jahr 1977 über Haushaltsstrukturgesetze und ähnliches weggebracht haben. Das, was jetzt nachbleibt, ist in einem hohen Maße, nicht vollständig, ein Strukturdefizit auf Grund von drei Jahren Weltrezession, und zu dessen Beseitigung brauchen wir Einnahmeverbesserungen.
Nun habe ich gestern gesagt — ich will das hier gern wiederholen —: Ich werde mir den Bundeshaushalt weiterhin kritisch angucken. Ich habe gestern ein Beispiel gebracht, nämlich die Besteuerung der deutschen Landwirtschaft. Die Koalitionsfraktionen haben sich Ihren Wünschen auch in einem zweiten Punkt widersetzt, beim Bundesausbildungsförderungsgesetz, beim BAföG, in einer unvernünftigen Weise konsumtive Ausgaben zusätzlich über das hinaus zu produzieren, was allerdings sachlich im Hinblick auf die Einkommenssituation der Schüler und Studenten geboten ist. Ich gebe Ihnen gern zwei Zitate. Die Herren Pfeifer und Fuchs schrieben am 5. Januar 1977 im „Deutschland-Union-Dienst :
Auch für die Schüler und Studenten beginnt die 8. Legislaturperiode mit einem Tiefschlag.
Die Herren Ritz und Kiechle meinten am 6. Januar
1977 hinsichtlich meiner Vorstellung, einmal nachzuprüfen, ob nicht die Steuertatbestände bei der Landwirtschaft neu zugeschnitten werden müßten:
Finanzminister Apel und Landwirtschaftsminister Ertl wollen nunmehr die Bauern durch Anziehen der Steuerschraube schröpfen. Das ist ein weiteres großes Täuschungsmanöver von SPD und FDP.

(Abg. Dr. Ritz [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Augenblick, Herr Kollege Ritz! Dazu muß ich nun sagen: Hier werden große Parolen verkündigt, man wolle die konsumtiven Ausgaben zusammenstreichen. Wenn es dann im Detail ernst wird, dann greifen Sie, Herr Kollege Ritz, zu solchen starken Worten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801609300
Zwischenfrage, Herr Dr. Ritz.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801609400
Bitte schön.

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0801609500
Herr Kollege Apel, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß wir der von Ihnen gewünschten Prüfung zugestimmt haben, sich aber die jetzt von Ihnen zitierte Passage darauf bezog, daß in der Offentlichkeit aus dieser Prüfung die Schlußfolgerung gezogen worden ist, daß es hier darum ging, der Landwirtschaft 2 bis 3 Milliarden DM zusätzlich abzuknöpfen,

(Zuruf des Abg. Löffler [SPD] sowie weitere Zurufe von der SPD)

und daß hier doch ein entscheidender Unterschied zwischen dem besteht, was die Prüfung betrifft, und dem, was damit an Spekulationen verknüpft worden ist?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801609600
Dann muß ich dazu sagen, Herr Kollege Dr. Ritz, daß Sie einfach mißinterpretiert haben — ich will das einmal so wertneutral sagen —, was in der Koalitionsvereinbarung und, wie ich denke, wohl auch in der Regierungserklärung steht, nämlich daß wir prüfen wollen — natürlich nicht zum Selbstzweck.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Das steht in der Regierungserklärung nicht drin!)

— Dann in der Koalitionsvereinbarung. Die Prüfung hat begonnen. Sie können sich ja nicht erst einen Pappkameraden in der Größenordnung von 2 bis 3 Milliarden DM hinstellen, dann darauf schießen und, wenn ich das kritisiere, sagen: So war es nicht gemeint.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Den habe ich doch nicht hingestellt!)

Dies ist keine seriöse Politik, Herr Kollege Ritz.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Ritz [CDU/CSU] : Die 2 bis 3 Milliarden kommen doch nicht von mir, die stammen doch aus Ihrem Haus! Das wissen Sie doch genau!)

In jedem Falle geht es so nicht. Ich möchte Sie bei
dieser Gelegenheit auf einen weiteren Widerspruch



Bundesminister Dr. Apel
hinweisen: Sie können doch nicht die konsumtiven Ausgaben zusammenstreichen, aber dennoch das Kindergeld anheben, was wir im übrigen auch wollen, allerdings aus den Mehrerträgen der Mehrwertsteueranhebung; denn natürlich ist Kindergeld eine konsumtive Ausgabe in einer Größenordnung von 1,8 Milliarden DM pro Jahr, so wie von uns vorgesehen.
Ich bitte Sie also — und damit bin ich schon beim zweiten Punkt —, auch hier in sich schlüssig zu argumentieren. Wenn Sie die konsumtiven Ausgaben zusammenstreichen wollen, dann bitte nicht bei BAföG mehr versprechen, als leistbar ist, dann bitte nicht beim Kindergeld anders argumentieren als wir und dann bitte auch hinsichtlich der deutschen Landwirtschaft die Dinge so betrachten, wie ich sie dargestellt habe.
Ich bitte Sie im übrigen auch darum, in einem dritten Bereich in sich logisch zu argumentieren. Sie sagen, Herr Kollege Leicht, ich hätte nun endlich die internationale Perspektive unserer Politik entdeckt.

(Leicht [CDU/CSU]: Auf einer Seite! Das haben Sie wieder nicht richtig gelesen!)

Das ist doch aber wirklich merkwürdig, was Sie da sagen. Wer hat denn in diesem Hause über viele Jahre immer wieder von der „hausgemachten Rezession" gesprochen, davon, daß es eine weltweite Rezession gar nicht gebe? Sie waren es doch.

(Beifall bei der SPD und FDP — Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

für die die Politik in Aachen oder in Mainz aufhörte, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Im übrigen dürfen wir doch auch nicht übersehen — und hier bin ich Ihnen für Ihre Bernerkungen sehr dankbar, Herr Kollege Leicht —, daß wir in diesem Jahre 8,7 Millarden DM nach Brüssel geben und daß dieses wiederum die internationale Komponente unserer Politik ist. Dies schlägt sich natürlich auch in der Nettokreditaufnahme nieder. Wenn Sie mich im übrigen in dieser Weise auffordern, wenn Sie sogar von meiner „verdammten Pflicht und Schuldigkeit" sprechen — lassen wir das „verdammte" einmal weg, denn wir Christen sollen nicht fluchen; sprechen wir lieber von meiner Pflicht und Schuldigkeit, die ich im übrigen akzeptiere —, dann bitte ich Sie, lieber Herr Kollege Leicht, auch die Konsequenzen zu akzeptieren, nämlich eine hohe Nettokreditaufnahme und natürlich für die Zukunft auch Zinsbelastungen. Wir werden den Bürgern, die uns ihr Geld geliehen haben, dieses Geld nicht nur zurückzahlen, sondern sie bekommen darauf auch anständige Zinsen. Wer A sagt, muß natürlich auch B sagen, Herr Kollege Leicht.

(Leicht [CDU/CSU] : Mit den Zinsen wäre ich vorsichtig! Sie sind Nationalökonom und verdrehen hier die Dinge!)

— Das ist ein bißchen zu einfach. Wenn Sie meinen, daß ich etwas verdrehe, dann stellen Sie eine Zwischenfrage, damit Sie mir nachweisen können, daß ich etwas verdrehe.

(Zuruf des Abg. Leicht [CDU/CSU])

Bitte, stellen Sie mir eine Zwischenfrage. Wenn Sie dieses nicht wollen, dann sagen Sie nicht, ich verdrehte die Dinge.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Abg. Dr. Althammer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Schönen Dank für die Hilfe.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801609700
Herr Dr. Althammer übernimmt das.

(Leicht [CDU/CSU]: Ich kann selbst fragen!)


Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801609800
Ja, bitte schön.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801609900
Herr Bundesminister, wenn Sie uns schon so schön auffordern, möchte ich Sie fragen, ob dies nun ehrlich ist, daß Sie — ich übertreibe jetzt einmal — den Bürger darum bitten, daß er danke schön dafür sagen soll, daß er Zinsen bekommt, obwohl Sie doch genau wissen, daß er zunächst Steuern dafür bezahlen muß, damit man Guthaben überhaupt verzinsen kann.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801610000
Ich weiß nicht, was das soll. Der Bürger könnte sich nach dieser finanzpolitischen Debatte selbst danke schön dafür sagen, daß er verhindert hat, daß Sie die Verantwortung in der Finanzpolitik übernehmen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Althammer [CDU/CSU] : Etwas Billigeres ist Ihnen nicht eingefallen!)

Im übrigen weiß ich gar nicht, was das soll. Wir sagen dem Bürger immer wieder: Wir müssen diese antizyklische Finanzpolitik machen, damit wir in die Nähe einer hohen Beschäftigung zurückkehren. Dafür nehmen wir Schulden auf. Die verzinsen wir anständig. Die Preisstabilisierung in unserem Lande setzt sich fort. Der positive Zinssatz ist hoch. Das weiß der Bürger doch alles. Von Zerrüttung kann doch da überhaupt nicht die Rede sein.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Kollege Leicht, wenn Sie mich schon auffordern, international zu argumentieren, so will ich etwas in die Debatte einführen, was ich gestern nicht darlegen wollte, weil eine Stunde und 20 Minuten schon lang genug waren. Das können Sie heute in den „Finanznachrichten" nachlesen, einer Statistik der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit der westlichen Industrienationen. Dort können Sie sehen, daß wir, Bund und Länder, obwohl wir die hohe Nettoverschuldung haben, im internationalen Vergleich immer noch sehr beruhigend dastehen. Die letzte Statistik ist von Ende 1975. In der Reihe der Staaten, die dort aufgeführt sind, gibt es nur wenige Länder — genauer gesagt: drei —, die eine niedrigere Verschuldensrate, bezogen auf das jeweilige Bruttosozialprodukt, haben als wir. Natürlich hat die Schweiz eine höhere Verschuldensrate, natürlich haben Großbritannien, die USA, die Niederlande, Norwegen, Italien eine höhere Verschuldensrate. Luxemburg liegt mit uns



Bundesminister Dr. Apel
in etwa gleich, Belgien viel höher als wir. Ich bitte Sie also sehr herzlich! Natürlich mache ich mir als Haushaltsminister Sorgen um die Verschuldung. Ich habe das gestern hier offen ausgebreitet. Aber lassen Sie uns bitte nicht den Eindruck erwecken, als seien die öffentlichen Finanzen in diesem Lande ruiniert oder zerrüttet! Anders, als daß bei uns alles in Ordnung ist, ist es ja wohl nicht zu verstehen, wenn die ganze Welt auf dieses Land blickt, ihre Forderungen an dieses Land richtet und uns in einem gewissen Sinne sogar überschätzt, was unsere Leistungsfähigkeit für die Weltwirtschaft anlangt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801610100
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herr Abgeordneten Leicht?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801610200
Ich habe heute morgen Ähnliches zu der Frage Verzinsung gesagt wie Sie; ich verstehe deshalb nicht, daß Sie mich da kritisieren. Aber meine Frage: Halten Sie das, was die OECD hier zur Verschuldung sagt, für absolut vergleichbar angesichts der Tatsache, daß wir zwei Inflationen gehabt haben, die den Staat von Schulden befreit haben, daß aber etwa die Amerikaner heute noch in ihren Haushalten Schulden aus dem zweiten Sezessionskrieg mitschleppen?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801610300
Ich gebe Ihnen zu, daß der Vergleich, der hier von der OECD vorgelegt wird, in bezug auf zwei Länder mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Das sind einmal die USA, und es ist zum zweiten England, weil beide Länder in einem hohen Maße noch Schulden aus dem zweiten Weltkrieg mit sich herumschleppen. Bei den anderen Ländern aber ist der Vergleich durchaus zulässig. Aber ich gebe Ihnen zu: Jeder internationale Vergleich ist mit einer gewissen VorSicht zu nehmen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU) — Jetzt sind wir auf einer Linie, wie ich sehe.

Lassen Sie mich zu einem letzten Punkt kommen. Ihre beiden Redner, glaube ich, haben gesagt — und da bitte ich dann wieder um konsistente Argumentation —: Da sehen wir es doch, wir haben es ja immer gesagt: Die Mehrwertsteuererhöhung war für 1977 überhaupt nicht notwendig. Wenige Sätze später aber sagen Sie: Die Nettokreditaufnahme ist unerträglich hoch; der Bundesfinanzminister manipuliert sogar in bezug auf Art. 115 des Grundgesetzes; in Wirklichkeit ist er mit seiner Nettokreditaufnahme über die dort gezogene Grenze hinweggegangen. — Ich bitte Sie auch hier um eine klare, intellektuell eindeutige Position. Entweder ist die Nettokreditaufnahme des Jahres 1977 in etwa so in Ordnung — für mich ist sie zu hoch; ich hätte sie lieber niedriger —, oder sie ist zu hoch — und das haben Sie ja in der zweiten Hälfte Ihrer Intervention gesagt. Dann aber hätten wir auch für 1977 bereits die Mehrwertsteueranhebung gebraucht. Entweder — oder!

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801610400
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801610500
Einen Satz noch dazu, damit Sie den gleich einbeziehen können: Es hat keinen Zweck, als große Oppositionspartei an einem Vormittag Debattenreden nach dem Motto zu halten: Für jeden ' etwas. Das fällt auf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801610600
Herr Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801610700
Herr Minister, wenn Sie schon davon ausgehen, daß offenbar nach Ihrer Meinung die Mehrwertsteuererhöhung zur Absenkung der Verschuldung beitragen sollte, dann muß ich Sie fragen, warum Sie dann in der mittelfristigen Finanzplanung für 1978, wo nach Ihrer Meinung die Steuererhöhung zum Zug kommen soll, eine Steigerungsrate von 7,2 % haben? Das läßt doch nur den Schluß zu, daß Sie eben mehr ausgeben wollen.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801610800
Ich komme auf diese Frage noch zurück; denn sie ist ja etwas weiter zu ziehen. Sie hätten ja eigentlich fragen müssen: Wieso sind Sie als Finanzminister bereit und in der Lage, einen Teil der Mehrwertsteuereinnahmen im Jahre 1978 für Leistungsverbesserungen bzw. Steuersenkungen einzusetzen? Dies hätte doch eigentlich Ihre Frage sein müssen; auf diese Frage habe ich gewartet. Das wäre die Frage gewesen, die bei mir unter Ziffer 4 kommt. Ich will aber eines vorweg sagen: Die Steigerungsrate für 1978 von 7 und soundso viel Prozent ist durch die Verbesserung des Kindergeldes bedingt.

(Leicht [CDU/CSU] : Nein!)

— Aber ich bitte Sie, die 1,8 Milliarden DM Kindergeld müssen natürlich erst in den Haushalt eingestellt werden und werden dann über die Arbeitsverwaltung ausgezahlt. Das wirkt auf den Prozentsatz.
Aber, Herr Kollege Leicht, ich wollte gern noch eine Bemerkung zu Ihnen machen. Eines hat mich wirklich gefreut. Sie haben sich ja darüber ausgebreitet, daß wir wohl in der Gefahr seien, die. Summe, die wir für Investitionen ausgeben und die durch den Art. 115 des Grundgesetzes limitiert ist — Schuldenaufnahme —, zu manipulieren. Nun will ich die Einzelheiten gar nicht untersuchen. Nur habe ich mit großem Vergnügen festgestellt, daß wir zur Definition und zur Errechnung der Investitionsausgaben im Bundeshaushalt — diese sind ja für die Höhe der Nettokreditaufnahme wichtig — exakt die Grundsätze anwenden, die Sie 1969 als Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium mit Herrn Strauß zusammen beschlossen haben. Also Sie können doch nicht Ihre eigenen Grundsätze, die Sie damals beschlossen und verabschiedet haben, mir heute als Manipulationstatbestand vorwerfen. Das geht doch nicht.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801610900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leicht? — Bitte.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801611000
Herr Minister, ich muß jetzt weiter fragen: Verdrehen Sie nicht die Tatsachen, wenn Sie so etwas behaupten? Denn ich habe heute morgen in meiner Rede nicht das gesagt, was Sie hier feststellen. Sie legen den Leuten dauernd andere Worte in den Mund, als sie gesagt haben.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801611100
Nein, Herr Kollege Leicht, wir wollen uns direkt einmal darüber unterhalten. Sie haben doch gesagt: Betreffend Darlehen, z..B. bei BAföG, habe ich, Leicht, die Frage, ob das eine investive Ausgabe ist. — Herr Kollege Leicht, Sie haben 1969 festgelegt, daß Darlehen investive Ausgaben sind. Ich habe Ihnen gestern in meiner Einbringungsrede zum Haushalt gesagt, daß ich dieses gern überprüfen möchte, da ich Zweifel daran habe, ob das, was der Herr Staatssekretär Leicht damals verabschiedet hat, heute noch einen Sinn gibt.

(Leicht [CDU/CSU] : Das habe ich selber ja auch gesagt!)

— Na, gut. Dann machen Sie bitte hier keinen Manipulationsvorwurf. Wir wollen die damals von Ihnen verabschiedeten Grundsätze jetzt überprüfen. Lassen wir es dabei und gucken uns die Dinge an, wenn das Gutachten vorliegt. Aber, bitte, keine Vorwürfe!

(Beifall bei der SPD — Leicht [CDU/CSU]: Genauso habe ich es gesagt!)

Ich komme jetzt zum dritten Punkt: Landesfinanzen. Sie sagen, Herr Kollege Leicht, die Gemeinden
— ich fange mit den Gemeinden an — seien in großen Schwierigkeiten, um die Komplementärmittel aufzubringen, die aufgebracht werden müssen, um im Rahmen dieses Infrastrukturprogramms Mitfinanzierung möglich zu machen. Das mag im Einzelfalle so sein. Nur eines sagen mir meine Zahlen sehr deutlich: daß seit 1966 die Einnahmen 'der Gemeinden sich sehr viel stärker entwickelt haben — jährlich um 10,4 % — als die Einnahmen beim Bund, nämlich diese nur um 7,6 %. Ich bin für eine Föderation und für einen föderalen Staat. Dann muß man aber auch die Gemeindefinanzen dorthin zuordnen, wo sie hingehören, nämlich in den Länderbereich. Dafür ist nun der Bund bei Gott nicht zuständig. Ich kann nicht den Vorwurf akzeptieren, daß ich indirekt oder direkt auch noch für die Gemeindefinanzen zu sorgen habe. Dieses ist die Aufgabe der Länder, und so muß es auch wirklich bleiben.
Sie haben im übrigen eine zweite Frage gestellt, ob wir in der Lage sind, die Kosten der Lohnrunde im Haushalt ohne Nachforderungen unterzubringen. Wir sind dazu in der Lage.

(Beifall — Zuruf des Abg. Leicht [CDU/CSU])

— Ich habe Ihnen meine Antwort gegeben. Es ist abgedeckt. Es war Vorsorge getroffen, um diesen Tarifabschluß zu bedienen.
Herr Leicht, Sie haben dann über die Personalausgaben der Länder geredet, und Sie haben erneut gesagt, was ich von Herrn Stoltenberg schon mehrfach gehört habe, nämlich die Personalausgaben der Länder seien in einem hohen Maße ursächlich durch Bundespolitik. Aber, Herr Kollege Leicht, Sie wissen das doch besser. Ich habe gestern gesagt, daß jeder zweite öffentliche Bedienstete bei den Ländern als Lehrer oder im Bildungsbereich tätig ist. Nun wissen Sie doch ganz genau, daß wir in diesem Bereich fast überhaupt keine Kompetenz haben. Wir beklagen das; in der Regierungserklärung ist dazu etwas gesagt worden. Nun können Sie mir oder der Bundesregierung wirklich nicht vorwerfen, daß die Vergrößerung der Zahl der Lehrer, die ich als Vater von schulpflichtigen Kindern ausdrücklich begrüße, etwas mit Bundesgesetzgebung zu tun hat. Oder nehmen Sie das Gesundheitswesen. Wo liegt hier eigentlich die Verantwortung? Lassen Sie uns doch dieses Spiel nicht fortsetzen! Lassen Sie uns doch zu dem Ergebnis kommen, daß das einzig Richtige ist, daß die Haushalts- und Finanzdecke bei Bund, Ländern und Gemeinden zu kurz ist, daß über Ver- schiebebahnhöfe nicht eine Mark mehr in die Kassen kommt und daß es daraus nur eine Konsequenz gibt, nämlich Einnahmeverbesserung, so unbequem das politisch auch sein mag. Alles andere hat doch keinen Wert.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Nun haben Sie erneut die Rückläufigkeit der Investitionen beim Bund beklagt. Zugegeben — ich habe das bereits vor einigen Wochen dargestellt —, im Jahre 1966 hat der Bund 15,5 oto seiner Ausgaben für Investitionen getätigt; es waren im letzten Jahr 14,4 %. Das ist ein Rückgang in dieser Dekade um 8 %. Aber bei den Ländern sind in der gleichen Dekade die investiven Nettoausgaben um 35 % zurückgegangen und bei den. Gemeinden um 40 °/o. Das ist das, was ich gestern gesagt habe. Es hat keinen Zweck, wenn der Bund antizyklisch Infrastrukturprogramme beschließt, wenn Länder und Gemeinden — nicht alle — prozyklisch reagieren; dann kommt unter dem Strich für die Beschäftigung weniger heraus.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Ich komme zu meinem vierten Punkt. Herr Althammer hat Bemerkungen zu unserem Infrastrukturprogramm gemacht. Sie haben, wenn ich richtig mitgeschrieben habe, in fünf Punkten

(Dr. Althammer [CDU/CSU]: Sechs!)

— dann muß mir einer entgangen sein, oder ich habe zwei zusammengezogen — gesagt, Sie sähen hier Probleme. Sie sehen z. B. Probleme, daß das Ganze zu langsam verwirklicht wird. Aber, Herr Kollege Dr. Althammer, dieses Argument können Sie doch nicht an meine Adresse richten. Ich höre für die morgige Sitzung der Landeswirtschafts- und -finanzminister mit Herrn Friderichs und mir von zwei Ländern, daß die sagen, sie wollten dieses Infrastrukturprogramm erst dann verabschieden, wenn das zusammen mit der Umsatzsteuerneuverteilung geschieht. Da dieses beides Länder sind, die Ihnen politisch näherstehen — ich will die Länder hier nicht öffentlich vorführen, das gehört sich nicht,



Bundesminister Dr. Apel
aber ich sage Ihnen persönlich gern die Namen —, nehmen Sie doch bitte Einfluß auf die Landeswirtschafts- und -finanzminister, damit die Befürchtung, die Sie hier aussprechen, nicht eintritt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir wollen das schnell machen. Wir wollen diesen Verschiebehahnhof nicht.
Sie sagen ferner, es gebe eine Umfinanzierungsproblematik. Was Herr Kollege Dr. Althammer damit meint, ist klar. Es wird irgendwo eine Investition getätigt bei einer Gemeinde, die sowieso auf dem Programm stand, und nun tritt an die Stelle der — sagen wir mal — hundertprozentigen Landes-, und Gemeindefinanzierung der Bund mit einer Mitfinanzierungsquote von X %. Auch mich beunruhigt dieses. Nur, Herr Kollege Dr. Althammer, die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes, um dieses zu verhindern, sind doch nicht zuletzt deswegen geringer geworden, weil die bayerische Landesregierung die Direkteinwirkung des Bundes auf Gemeindeinvestitionen über eine entsprechende Klage beim Bundesverfassungsgericht reduziert hat. Das können Sie doch nicht mir dann aufs Butterbrot schmieren wollen. Ich bitte Sie! So können wir doch miteinander nicht umgehen, insbesondere dann nicht, wenn ich jemand bin, der die Tatsachen ziemlich genau kennt. Das hat doch keinen Zweck!
Insgesamt kann ich nur sagen, ich habe dieses Infrastrukturprogramm und auch meine gestrigen Ausführungen dazu nicht mit euphorischem Glanz versehen. Aber eins liegt doch wohl klar auf der Hand Wenn nicht alle öffentlichen Hände — Bund, Länder und Gemeinden das Maximale tun, um die Arbeitslosigkeit über öffentliche Investitionen zu bekämpfen, dann machen wir uns vor der Geschichte dieses Landes schuldig und werden dann auch sehr bald die Folgen zu spüren haben — nicht nur bei den öffentlichen Finanzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Deswegen bitte ich Sie sehr herzlich, Ihre Skepsis im Herzen zu bewahren — es ist im wesentlichen eine Skepsis, die sich an die anderen Gebietskörperschaften richtet — und uns am Ende bei der Verwirklichung des Programms zu helfen.
Nun haben Sie angedeutet — so habe ich das wenigstens verstanden —, Sie wollten insbesondere bei der Unternehmensbesteuerung etwas tun, daß Sie also sagen — ich habe Sie da doch wohl richtig verstanden? —, hier müssen wir Steuern senken. Keine Sorge. Ich beginne diese Debatte jetzt nicht von neuem. Wir haben sie in diesem Saale oft genug geführt. Aber ich darf Ihnen vielleicht einmal vorführen, wie nüchtern sich die Zahlen darstellen.
Für den Unternehmensbereich hat es im Jahre 1976 — das können Sie im Subventionsbericht nachlesen — Steuervergünstigungen in einer Größenordnung von 8,2 Milliarden DM gegeben. Die Investitionszulage, von der ich gestern gesprochen habe, hat der Wirtschaft und damit uns allen 7 Milliarden DM gebracht. Wir haben im letzten
Jahre den Verlustrücktrag eingeführt. Wir haben trotz der Steuerreform und auch trotz höherer Belastungen die Unternehmen durch die Steuerreform unterm Strich insgesamt um rund 1 Milliarde DM entlastet. Und wir haben, wiederum gekoppelt an die Mehrwertsteuererhöhung, weitere Entlastungen vor. Hören Sie doch also bitte endlich mit dieser Legende auf! In einem allerdings stimme ich Ihnen zu: Wir sind in der Gefahr, daß die Lohnsteuer zu stark Träger der Finanzierung der öffentlichen Ausgaben wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Dies ist richtig. Aus diesem Grund wollen wir eben auch — und damit bin ich im Endeffekt schon bei meinem letzten Punkt — einen Teil der Mehrerträge der Mehrwertsteuer hier einsetzen. Und da kann man füglich darüber streiten, ob wir das richtige Augenmaß gehabt haben. Ich bitt' Sie, alles ist politischer Kompromiß. Da werden die einen die Dinge nuanciert anders betrachten als die anderen. So ist das in einer Koalition. Nur, der Unterschied auch hier wieder ist der, daß es am Ende ein Ergebnis gegeben hat, zu dem wir alle zusammen stehen, während bei Ihnen eine 12-Ton-Sinfonie zu dieser Frage aufgeführt wird. Damit kann ich nun allerdings wirklich nichts anfangen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801611200
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leicht?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801611300
Ja sicher, bitte schön.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801611400
Herr Minister Apel, sind Sie nicht dabei, die Verfassung umzudrehen? Haben Sie als Regierung nicht die Pflicht — egal nun, ob Koalition oder allein —, diesem Hause einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, oder meinen Sie, die Opposition müsse im selben Augenblick wie die Regierung auch einen vorlegen?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801611500
Nein, Herr Kollege Leicht, ich will Sie bei Gott nicht überfordern. Nachdem ich heute morgen die Debatte erlebt habe, kann ich das auch gar nicht.

(Dr. Stavenhagen [CDU/CSU] : Was soll denn das! Sie machen doch den Haushalt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Gut, okay, ohne Polemik. Das wird von mir zurückgenommen. Alles klar, kein Problem. — Aber eines darf ich doch wohl in aller Bescheidenheit sagen: Wenn Sie dauernd so hochtrabende Vokabeln wie Zerrüttung der Staatsfinanzen, Staatsbankrott, Gefährdung unserer Zukunft im Munde führen und sogar behaupten, wir zahlten in diesem Jahr Rentenzuschüsse und andere konsumtive Ausgaben, Löhne, aus der Nettokreditaufnahme — Sie wissen, daß das nicht stimmt —,

(Zuruf des Abg. Leicht [CDU/CSU])




Bundesminister Dr. Apel
dann müssen Sie allerdings auch sagen, was Sie denn tun würden, wenn Sie noch immer Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium wären.

(Beifall bei der SPD — Leicht [CDU/CSU] : Das kann ich erst nach genauer Prüfung im Haushaltsausschuß sagen!)

Denn wenn das anders wäre, meine Damen und Herren, hätten doch Debatten dieser Art wirklich keinen Sinn.

(Leicht [CDU/CSU] : Sie wissen, daß zum Haushalt drei Lesungen anstehen!)

Nun wollte ich gerne noch, bevor ich zur Frage der Mehrwertsteuer komme, eine Bemerkung machen. Hier muß ein Mißverständnis vorgelegen haben. Sie sagen, das Geldmengenziel müßte für 1977 nach unten geschrieben werden — ich nehme an, daß ich Sie so richtig verstanden habe —, und zwar um 5 bis 6 °/o.

(Leicht [CDU/CSU] : Wenn man 8 % halten will, muß dies geschehen! So habe ich es gesagt! Sehen Sie, Sie lesen nicht richtig!)

— Schön, aber mein Argument wird deswegen nicht schlechter.

(Leicht [CDU/CSU] : Lassen Sie einmal hören!)

Worum ich Sie sehr herzlich bitte, ist, mir hinsichtlich folgender Auffassung zu folgen: Geldmengenziel ist kein Ziel an sich. Geldmengenziel ist ein Ziel, um das Wachstum der Volkswirtschaft nicht zu behindern und Preissteigerungsmöglichkeiten zu kappen.

(Leicht [CDU/CSU] : Genau! Einverstanden!)

— Na schön. Aber dann drehen wir doch solche Argumente nicht so hin. Sie können doch feststellen, daß das Wachstum im letzten Jahr real 5,6 % betrug und die Preissteigerungsrate kräftig zurückgegangen ist. Was soll denn eigentlich diese Debatte?

(Leicht [CDU/CSU] : Ich habe von diesem Jahr gesprochen, Herr Finanzminister! Auch dies haben Sie nicht richtig gelesen!)

Nun möchte ich ganz gerne — das ist mein letzter Punkt — ein paar Bemerkungen machen zu dem von Ihnen angesprochenen Hickhack, wie Sie das nennen

(Leicht [CDU/CSU] : Das habe ich nie gesagt!)

— dann war es Kollege Dr. Althammer —, zur Frage der Mehrwertsteuer. Diese Debatte kann man ja am besten eröffnen, indem man einfach Zitate aneinanderreiht.

(Dr. Althammer [CDU/CSU]: Von Ihnen!) Herr Kollege Gaddum am 22. Dezember 1976:


(Zuruf von der CDU/CSU: Fangen Sie doch mit 1975 an!)

„Steuerentlastungen sind auch ohne Mehrwertsteuererhöhung finanzierbar."

(Löffler [SPD] : So, so!)

Herr Kollege, wie das angesichts des düsteren Gemäldes, das gemalt worden ist, finanziert werden soll, ist eine andere Frage.
Herr Kollege Stoltenberg einen Tag später, am 23. Dezember 1976, in der „Wirtschaftswoche":
Vor einer von der Bundesregierung nun für den 1. Januar 1978 geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer sind alle Einsparungsmöglichkeiten zu nutzen.
Herr Strauß im Deutschen Bundestag am 17. Dezember 1976:
Die Fraktion der CDU/CSU kann, wie ich glaube, sehr wohl dafür gewonnen werden, einer Mehrwertsteuererhöhung zuzustimmen, wenn sie ...
Dann kommt eine Reihe von Kautelen.
Herr Zimmermann dann am 23. Januar 1977 — inzwischen hatte Herr Häfele einmal von einem unwürdigen Schacher gesprochen, den Sie nicht mitmachen würden —:

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

„Mit uns kann man über eine Mehrwertsteuererhöhung reden."
Schließlich sollte man sich noch an Herrn Kiep erinnern — der im übrigen, glaube ich, auch von Herrn Kollegen Löffler bereits zitiert worden ist —, der am 4. Februar 1977 in der „Zeit" wörtlich gesagt hat:
Ich habe vor der Wahl, nach der Wahl und in den niedersächsischen Koalitionsverhandlungen den Standpunkt vertreten, daß ein Steuerprogramm notwendig ist, um die Investitionstätigkeit der Wirtschaft in Gang zu bringen. Dieses Programm könnte auch zum Teil durch eine Mehrwertsteuererhöhung finanziert werden.
Wenn man sich das alles vor Augen führt, dann muß ich sagen: Der „Bayernkurier" — ich gebe ihm selten und nur sehr ungern recht —

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Das ist ja Ihr Fehler!)

vom heutigen Datum — wir haben ihn heute bekommen — hat natürlich völlig recht, wenn er schreibt, daß man die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Opposition stellen müsse.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801611600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801611700
Bitte schön.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0801611800
Herr Bundesfinanzmister, stimmen Sie mir darin zu, daß die Koalition die Mehrwertsteuererhöhung ebenso wie die Verteilung des Aufkommens unterschiedlich begründet hat und daß das demzufolge auch Auswirkungen auf die Argumentation der Opposition haben muß?

(Beifall bei der CDU/CSU)





Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0801611900
Auf unsere Position komme ich sofort zu sprechen. Aber obwohl Sie nach dem Sitz, den Sie einnehmen, augenscheinlich nicht zur CSU gehören, darf ich vielleicht noch einen Satz aus dem „Bayernkurier" hinzufügen. Dort steht nämlich:
Ein anderes Beispiel über die Glaubwürdigkeit der Opposition ist die Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Der Absatz über die Mehrwertsteuer endet mit der Bemerkung — wörtlich —:
Es liegt auf der Hand, daß auch dies
— nämlich die Debatte der Mehrwertsteueranhebung —
untrennbar zum Kapitel oppositioneller Glaubwürdigkeit gehört.
Wie gesagt, das ist wahrscheinlich das erste und das letzte Mal, daß ich dem „Bayernkurier" ausdrücklich zustimme.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Vorsicht!)

— Eben, Vorsicht. Man soll nie den Tag vor dem Abend loben. Zugegeben.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Sonst kommt wieder so ein Pferd dahergal-oppiert!)

Nun lassen Sie mich einige Bemerkungen zu unserer Position machen, weil Sie eben auch danach gefragt haben. Sie haben gefragt: Wie ist es denn mit eurer Position? Unsere Position ist ziemlich deutlich.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU] : „Ziemlich"!)

Sie bestand darin, daß wir vor der Bundestagswahl gesagt haben — insofern kann ich eigentlich nicht ganz begreifen', Herr Kollege Dr. Althammer, wieso in dieser Frage ein Wählerbetrug gelegen haben soll; ganz im Gegenteil —: Wir brauchen die Mehrwertsteueranhebung, und zwar tunlichst bald; deshalb wollen wir sie zum 1. Januar 1977 wirksam werden lassen. Heute, am Beginn der Legislaturperiode, sagen wir: Wir brauchen sie weiterhin, jetzt zum 1. Januar 1978, weil es einen früheren Termin nicht gibt.
Aber es wäre natürlich illusionär und auch gesellschafts- und wirtschaftspolitisch nicht zu verantworten, wenn wir nicht bereit wären — so schmerzlich das auch für den Finanzminister ist —, deutlich zu machen, daß aus den Mehrerträgen ein Teil auch bereitgestellt wird für unabweisbare Bedürfnisse. Sie selbst sind doch wohl der Meinung, daß das Kindergeld erhöht werden sollte, Sie selbst sind doch sicherlich auch der Meinung, daß es vernünftig ist, die Vorsorgehöchstbeträge anzuheben. Wir alle haben uns den geschiedenen Vätern gegenüber in der einen oder in der anderen Weise im Wahlkampf verpflichtet.
Jetzt breche ich die Aufzählung auch schon ab. Insofern ist diese Position in sich geschlossen.
Zum Abschluß: Ich würde mir wünschen, daß Sie
— wenn nicht heute, dann aber in den nächsten Wochen und Monaten — wirklich zu einem tatsächlichen und valablen Gesprächspartner werden. Ich sage das nicht, um Vorwürfe zu erheben, sondern weil ich der Meinung bin, daß „Parlament" „Rede und Gegenrede" heißt, aber nicht „Rede und Verdächtigung". Ich bitte Sie darum, die Verdächtigungen in den Schrank zu packen und uns endlich zu sagen, wo Ihre Position ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Leicht [CDU/CSU] : Sie haben verdächtigt, nicht wir!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801612000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0801612100
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, Sie haben soeben in Ihrem Beitrag verschiedene Randbemerkungen gemacht, aber zu einer Frage nicht Stellung genommen, wozu Sie mein Kollege Albert Leicht heute morgen aufgefordert hat. Sie haben nämlich gestern in Ihrer Etatrede die Behauptung aufgestellt, die CDU/CSU-Opposition habe sich den Sparbemühungen beim Haushaltsstrukturgesetz im Sommer 1975 widersetzt. Dieses ist nicht wahr!

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Blank [SPD])

Heute morgen hat Ihnen der Kollege Leicht eine Brücke zu bauen versucht. Sie erschweren sich selbst das Handwerk, wenn Sie so etwas behaupten — ein Handwerk, das Sie in den nächsten Jahren womöglich bitter notwendig haben, um die Finanzen zu sanieren, auch mit Unterstützung dieser Opposition.

(Leicht [CDU/CSU] : Ohne unsere Unterstützung geht es gar nicht!)

Wie war es denn? Herr Westphal, ich will es Ihnen darlegen.
Wir haben damals genau unterschieden zwischen dem sogenannten Sparteil des Haushaltsstrukturgesetzes und dem Abgabenerhöhungsteil, den Sie schließlich abgetrennt haben und ohne Zustimmung des Bundesrats verwirklichen konnten. Aber diesen Sparteil haben wir sowohl im Bundesrat als auch hier im Bundestag mitgetragen. Anstatt uns hier zu ehren und zu loben, machen Sie uns Vorwürfe und verkünden die Unwahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801612200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0801612300
Bitte sehr.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801612400
Herr Abgeordneter Häfele, wollen Sie ernsthaft bestreiten, daß die Opposition hier in diesem Hause bei der zweiten und dritten Lesung des Haushaltsstrukturgesetzes gegen das Gesetz in namentlicher Abstimmung gestimmt hat?

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0801612500
Ich bin Ihnen dankbar für diese Frage, Herr Westphal. Sie wissen ganz genau, wie es hier war. Von 44 Artikeln dieses Haushalts-



Dr. Häfele
Strukturgesetzes haben wir hier in zweiter und dritter Beratung 40 Artikeln zugestimmt und haben gesagt: Ändert die vier restlichen, dann können wir dem Ganzen zustimmen.
Als dann schließlich im Vermittlungsausschuß ein Kompromiß zustande gekommen und der Abgabenerhöhungsteil abgetrennt war, haben wir, herauskommend aus dem Vermittlungsausschuß, eben diesem Gesetz schließlich zugestimmt. Wir haben es mitgetragen draußen vor unserem Volk. Das sollten Sie honorieren und hier nicht die Unwahrheit sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein zweiter Punkt zu Ihrer Intervention, Herr Bundesfinanzminister. Sie spielen hier im Hohen Hause immer die Rolle des Bundeskassenwarts und tun so: Das sind die Länder, das sind die Gemeinden, das sind die anderen öffentlichen Körperschaften; wenn ich gesündigt habe, haben die noch mehr gesündigt, das interessiert mich nicht, ich bin nur für die Bundeskasse verantwortlich.
Ich glaube, damit werden Sie der Verantwortung als Bundesfinanzminister dieser Republik nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie jetzt bedauern — natürlich mit Recht; auch wir bedauern das —, daß sowohl bei den Ländern wie auch bei den Gemeinden der investive Anteil in den letzten Jahren immer mehr zurückgegangen ist und der konsumtive, vor allem der Personalkostenanteil immer mehr gewachsen ist, muß hier doch einmal die Verantwortlichkeit klargelegt werden: Wer hat denn im Jahre 1969 in diesem Lande den Reformrausch fabriziert? Wer hat das hier gemacht?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer hat im Jahre 1970 in den Bildungsgesamtbericht der Bundesregierung hineingeschrieben, daß 50 % eines Jahrganges das Abitur zu machen hätten?

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

Und wenn die Länder das dann nicht schnell genug gemacht haben, sind Sie durchs Land gegangen und haben gesagt: die sind bildungsfeindlich, die sind nicht so reformerisch wie wir. Das ist doch der Tatbestand in diesem Land!

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

Nun, meine Damen und Herren, zurück zum Bundeshaushaltsplan 1977. — Jede neugebildete Regierung hat eine große Chance. Es ist die Chance des Neubeginns. Dies gilt besonders auch für die öffentlichen Finanzen, also für den ersten Haushaltsplan und die erste Finanzplanung, die eine Regierung vorlegt. Diese Chance des Neubeginns hat die Bundesregierung am Beginn dieser Legislaturperiode nicht wahrgenommen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

Vielmehr sind der Haushaltsplan und der Finanzplan nichts anderes als eine buchhalterische Fortschreibung bisheriger Zahlen, so besorgniserregend diese bisher schon waren, nichts anderes als ein akrobatischer Versuch der Vermeidung der Verfassungswidrigkeit nach Art. 115 des Grundgesetzes infolge Ansteigens der Schuldenlast, nichts anderes als eine unzulässige Selbstbescheidung des Bundesfinanzministers auf die Rolle des reinen Bundeskassenwarts, obwohl daneben die anderen öffentlichen Körperschaften teilweise in einer noch viel tieferen Finanzkrise als der Bund selbst stecken,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und schließlich nichts anderes als der Verbrämungsversuch, die tiefreichende Finanzkrise in unserem Lande als eine vernünftige Wirtschaftspolitik darzustellen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Auf jeden Fall ist die erste mittelfristige Finanzplanung nicht die redliche Bestandsaufnahme für den öffentlichen Gesamthaushalt — und darauf kommt es an —, welche überfällig geworden ist.
Dabei haben wir, meine Damen und Herren, doch in den letzten Monaten in unserem Lande mit zusammengebrochenen Versprechungen — etwa in der Rentenpolitik — Erfahrungen gemacht. Wäre dies nicht in Deutschland der Zeitpunkt für eine grundlegende Besinnung, für eine grundlegende Besinnung darauf, was der Staat, was die Gemeinschaft überhaupt noch leisten kann und was der Staat, was die Gemeinschaft eben nicht mehr leisten kann?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wird nicht von dieser Regierung wiederum, wird
nicht erneut mehr versprochen, als sie schließlich
in den nächsten Jahren tatsächlich einhalten kann?

(Löffler [SPD] : Was versprechen Sie denn alles?)

Ist nicht inzwischen in unserem Volk der Hunger nach der Wahrheit so groß, daß hier die Chance zu einer aufrichtigen Sanierung — auch mit Unterstützung dieser Opposition, die sie oft genug angeboten hat — hätte wahrgenommen werden können?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen die doch gar nicht!)

Diese Chance hat die Bundesregierung nicht wahrgenommen. Sie hat die Kraft dazu nicht aufgebracht. Sie setzt vielmehr die Irrwege der vergangenen Jahre fort, die notgedrungen in der Sackgasse werden enden müssen.
Für die CDU/CSU — und damit haben Sie unsere klare Position, Herr Bundesfinanzminister — scheidet auf jeden Fall die Fortsetzung zweier Irrwege aus, erstens des Irrwegs, immer mehr Staatsverschuldung zu produzieren, und zweitens des Irrwegs, mit immer mehr Abgabenbelastung den Versuch der Sanierung zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum ersten: Die Fortsetzung der Verschuldungspolitik ist der Weg, der schließlich zur galoppierenden Inflation — mit allen verheerenden Folgen für alle in unserem Land — führt. Dazu muß man sich — und ich rede hier vom Gesamthaushalt, vom öffentlichen Gesamtbereich, und dafür und nicht bloß für die Bundeskasse tragen Sie die Verant-

,

Dr. Häfele
wortung - einmal vergegenwärtigen, um welche Zahlen es sich bei der Verschuldung inzwischen handelt. Ende 1973 belief sich die öffentliche Gesamtverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland — also alle öffentlichen Hände zusammengenommen — noch auf 163 Milliarden DM. In nur drei Jahren hat sich dieser Schuldenstand ungefähr verdoppelt auf 300 Milliarden DM; dies sind 300 000 Millionen Mark. Darin sind Bahn und Post mit 30 Milliarden bzw. 38 Milliarden DM Schulden noch gar nicht enthalten. Ende 1977 werden die öffentlichen Hände einen Schuldenstand von 350 Milliarden DM haben; wenn man Bahn und Post noch dazurechnet, sind es weit über 400 Milliarden DM. Dies heißt, daß mindestens 25 Milliarden DM — einschließlich Bahn und Post sogar über 30 Milliarden DM — allein für den Zinsendienst in unserem Land angesichts dieser Staatsverschuldung aufgebracht werden müssen. Das ist der Tatbestand.
Bedenklich ist, daß sich vor allem der Anstieg der konsumtiven Ausgaben in allen öffentlichen Körperschaften in den letzten Jahren fortgesetzt hat. Dies war nicht, sosehr Sie sich auch dessen rühmen, Herr Bundesfinanzminister, das klassische „Defizitspending" in den letzten Jahren, indem man bewußt etwa investive, wachstumsfördernde Dinge steigert, solange die private Nachfrage in der Krise ausfällt, sondern das war nichts anderes, als daß Sie wiederkehrende, gesetzlich verbriefte Leistungen, in erster Linie Personalkosten, mit diesen Schulden finanziert haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genauso war es!)

Dies war die Folge der Fehler, die diese Koalition nach 1969 gemacht hat. Als zunächst von 1970 bis 1974 die heimlichen Steuererhöhungen im Übermaß hereinsprudelten, haben Sie unsere Warnungen nicht ernst genommen, sondern so getan, als wenn Sie ordentlich finanzieren würden. Als dieses dann unter unserem Druck durch die sogenannte Steuerreform, die nur einen Teil dieser heimlichen Steuererhöhungen wieder zurückgegeben hat, plötzlich wieder beendet werden mußte, sah die Wirklichkeit so aus, wie sie vorher immer schon erkennbar war.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Folge ist, daß wir auch in normalen Jahren eine enorme Neuverschuldung haben. Sie sagen und können das inzwischen nachweisen: Letztes Jahr haben Sie ein volkswirtschaftliches Wachstum von 5,6 % gehabt, dieses Jahr erwarten Sie amtlich 5 %. Das sind völlig normale Jahre. Wenn wir durchschnittlich mehr als 4 % Wachstum haben, so sind das sogar gute Jahre, und trotzdem setzen Sie die Neuverschuldung bis an den Rand oder womöglich über den Rand der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit hinaus fort. In Ihrer Etatrede sagten Sie gestern, Herr Bundesfinanzminister: Unser Schuldenstand ist, international gesehen, niedrig. Lesen Sie einmal den neuesten vorliegenden Bundesbankbericht vom Februar! Darin steht, daß der Marsch ins Defizit in Deutschland in den letzten Jahren ausgeprägter als in vergleichbaren Ländern gewesen ist. Es geht nicht nur um den Schuldenstand, sondern das Verhängnisvolle war gerade die Entwicklung der letzten Jahre,
und es gibt kein vergleichbares Land, wo der Marsch in die Verschuldung so ungestüm war wie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In den kommenden Jahren kommt es darauf an, daß die wachstumsfördernden Teile Schritt für Schritt wieder größer werden und auch vernünftige öffentliche Zukunftsinvestitionen wieder gesteigert werden. Statt dessen haben Sie erreicht, daß die Beweglichkeit der öffentlichen Haushalte immer kleiner geworden ist, und zwar wegen des Schuldendienstes, der in den nächsten Jahren zunehmen wird. Es ist ein gespenstischer Ausblick, wenn wir in den kommenden Jahren wirklich wieder eine echte Rezession bekommen würden. Es ist überhaupt keine Chance für eine Reserve in irgendeinem öffentlichen Haushalt vorhanden, um auch nur ein zweites Mal annähernd so etwas zu tun, was wir in den letzten Jahren getan haben. Das ist ein gespenstischer Ausblick in unserer Lage.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nein, geordnete öffentliche Finanzen sind eine der wichtigsten Rahmenbedingungen für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung. So lange, wie Sie eine solche Verschuldungspolitik fortsetzen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß das Vertrauen in unserem Land für eine gedeihliche Wirtschaftsentwicklung nicht wieder einkehren wird. Öffentliche Verschuldung in diesem Ausmaß und Vertrauen sind nicht möglich.
Das Zweite: Die CDU/CSU macht den Irrweg nicht mit, mit immer mehr Abgabenbelastung die Dinge lösen zu wollen. Dabei meinen wir die Summe sämtlicher öffentlicher Abgaben. Hier haben wir inzwischen in Deutschland die Grenzen des Erträglichen erreicht, ja teilweise sogar schon überschritten. Bei den arbeitenden Bürgern ist es immer mehr so, daß sie leistungs- und aufstiegshemmend besteuert oder mit anderen Abgaben belastet werden. Bei den Betrieben ist es so, daß die überzogene Besteuerung und sonstige Belastungen Investitionen verhindern, was auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze hemmt. Das ist das Ergebnis einer Politik, die beim SPDSteuer-Parteitag 1971 amtlich eröffnet wurde und durch Ihren aufrichtigsten Mann mit dem Siegel versehen wurde: Wir wollen die Belastbarkeit der Wirtschaft ausprobieren. 1977 setzen Sie den Weg immer stärkerer Abgabenbelastungen fort. 4 Milliarden DM Steuermehrbelastungen gibt es allein in diesem Jahr. — Herr Bundesfinanzminister, da sollten Sie nicht lachen. Sie wissen ganz genau, was in den kommenden Monaten an Abgabenmehrbelastung auf unsere Bürger, unsere Wirtschaft zukommt. Das ist kein Grund für Sie, hier hämisch zu lachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie heben die Beitragsbemessungsgrenzen an. Der Rentensanierungsversuch Ihrer Regierung wird die Krankenkassenbeiträge steigen lassen, wird zu einer Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge führen.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ein Skandal ist das!)




Dr. Häfele
Daneben sind die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer in diesem Jahr um ,rund 2 Milliarden DM gestiegen, von der Tabak- und Branntweinsteuererhöhung gar nicht zu reden. Wir haben also 4 Milliarden DM Steuermehrbelastungen und daneben die Belastungen durch geänderte Beiträge.
Die heimlichen Steuererhöhungen setzen sich sprunghaft fort. Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, daß bei einem Lohnanstieg von brutto 6 % — das ist ungefähr das, was jetzt für den öffentlichen Dienst ausgehandelt wurde — Millionen unserer Arbeitnehmer davon weniger als die Hälfte netto auf die Hand erhalten und daß ungezählte sogar weniger als 30 oder 20 % dieses Bruttomehrbetrags bekommen. Das ist die Lage in unserem Land.
Gestern ist eine neue Untersuchung des Ifo-Instituts bekanntgeworden. Lesen Sie diese Untersuchung einmal genau nach! Sie sagt aus, wohin die Entwicklung in den nächsten Jahren mit der Abgabenbelastung vor allem der tragenden Mittelschichten treibt, der Facharbeiter, der Werkzeugmacher, der Maschinenschlosser, der Maurer. Fragen Sie die draußen mal, wenn sie ihren Lohnzettel kriegen, was ihnen von einer Erhöhung um 6 oder 7 % auf der Hand bleibt. Es sind kaum mehr als 1 oder 2 %.

(Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Den Rest frißt die Inflation! — Dr. Riedl [München] [CDU/CSU] : Da spricht die Regierung von Schwarzmalerei!)

Meine Damen und Herren, wenn es so weit ist, daß sich derjenige, der aufsteigen will, der arbeiten will und kann, immer mehr als der Dumme vorkommt, dann ist die Axt an die Wurzel unserer Sozialen Marktwirtschaft gelegt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit komme ich zu unserer Haltung in der Mehrwertsteuerfrage. Sie sollen heute ganz genau Bescheid bekommen, Herr Bundesfinanzminister. Wir haben schon einen Teilerfolg erreicht: Der CDU/CSU ist es gelungen, den Plan der SPD/FDP-Koalition abzuwenden, die Mehrwertsteuer schon im Jahr 1977 anzuheben Wir haben auch schon einen weiteren Teilerfolg erreicht: Inzwischen haben Sie davon Abstand genommen, für das kommende Jahr 100 °/o einer Mehrwertsteuererhöhung für fiskalische Zwekke zu vervespern; Sie wollen, wie Sie sagen, die Hälfte einer Erhöhung in Form von Entlastungen wieder zurückgeben. Diese Teilerfolge sind schon einmal da. Aber, Herr Bundesfinanzminister, es kommen noch andere Erfolge.
Sie haben inzwischen zwar nur die Hälfte zum Stopfen von Haushaltslöchern vorgesehen. Das ist ein Fortschritt. Aber auch hierzu sagt die CDU/CSU ein klares Nein. Wir machen dieses Geschäft in der Tat nicht mit, Herr Bundesfinanzminister, Ihnen mit Hilfe von ohnedies überfälligen Reparaturen an der mißglückten Steuerreform noch 6 Milliarden DM zum Stopfen von Haushaltslöchern in die Hand zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Hauptgründe für unser Nein zu diesem Steuererhöhungsplan der Bundesregierung sind, kurz gesagt, die folgenden.
Erstens. Die Mehrwertsteuererhöhung, wie sie die Regierung vor hat, ist wirtschaftspolitisch falsch. Die Preis-Lohn-Spirale wird auf eine gefährliche Weise verschärft. Rein rechnerisch wird sie zwar nur Preissteigerungen von 1,5 % nach sich ziehen, in Wirklichkeit können diese aber sogar mehr als 2 % betragen.
In dem neuesten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank ist nachzulesen, wie sich die Branntwein- und die Tabaksteuererhöhung ab 1. Januar dieses Jahres auf die Preissteigerungsrate ausgewirkt hat. Die Bundesbank sagt, daß allein wegen dieser Erhöhung um „nur" 1,3 Milliarden DM die Preissteigerungsrate im Januar von 3,6 auf 4,1 %, also um 0,5 Prozentpunkte, angewachsen ist. Wenn man dies auf die Mehrwertsteuererhöhung fortschreibt, die nämlich 12,5 Milliarden DM mehr erbringt, dann müßten die Preise am 1. Januar nächsten Jahres um 5 % steigen. Eine Berechnung der Deutschen Bundesbank! Wir wollen alle hoffen, daß es nicht so ist. Aber damit ist mindestens bewiesen, daß die Annahme, daß das preisniveauneutral beschlossen werden könnte oder daß nur eine Preissteigerung von 1,5 % die Folge wäre, völlig irreal ist, völlig an der Wirklichkeit unserer Lage vorbeigeht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielmehr besteht die große Gefahr, daß die Preise steigen werden und als Folge davon die Löhne steigen werden; denn die Tarifpartner werden dies natürlich in die Kalkulation nehmen. Die Kosten unserer Betriebe werden steigen. Die ohnedies schon vorhandene Investitionsschwäche wird noch verschlimmert mit der Folge, daß zusätzliche Arbeitsplätze nicht geschaffen oder gar Arbeitsplätze vernichtet werden.
Zweitens. Die Mehrwertsteuererhöhung, die die Regierung vorhat, dient nicht der Sanierung der öffentlichen Haushalte. Nur nominell und scheinbar wird der Kreditbedarf verringert. In Wirklichkeit erfassen die Preissteigerungen natürlich auch die öffentlichen Ausgaben. Vor allem die Gemeinden sind die Hauptleidtragenden jeder Mehrwertsteuererhöhung.
Dann muß man vor allem natürlich über kurz oder lang auch noch die Sekundärwirkungen mit einbeziehen. Die Folgewirkung auf die Lohnentwicklung — wir haben die Gehaltsrunden gerade eben erlebt — ist, daß das selbstverständlich bei den Gehaltsrunden mit in die Verhandlungen eingeht, so daß gerade im öffentlichen Bereich eine Personalkostensteigerung ebenfalls die Folge sein wird. Es ist nicht irreal, anzunehmen, daß von diesen rund 12,5 Milliarden die Hälfte eben rein nominelles, scheinbares Wachstum ist; sie wird in Wirklichkeit durch diese Kostensteigerung aufgezehrt werden, vor allem auch im personellen Bereich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nein, der bessere Weg ist der, den die Bundesregierung letztes Jahr in ihrer mittelfristigen Finanz-



Dr. Häfele
planung selbst aufgezeigt hat. Die letztjährige mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung unterscheidet sich von der neu vorgelegten. Die Steigerungsquoten waren wesentlich geringer für die kommenden Jahre angesetzt, als Sie sie jetzt ansetzen. Wenn wir die Steigerungsquoten nähmen, die Sie letztes Jahr beschlossen haben — bis 1979 —, dann würden Sie sich in der Gesamtsaldierung sogar wesentlich besser stellen als mit einer Mehrwertsteuererhöhung, weil Sie ja die Preissteigerungen mit einrechnen müssen. 3 % hatten Sie letztes Jahr für das Jahr 1977 als Steigerungsquote vorgesehen, jetzt 6,3 %; für 1978 7 %, jetzt 7,5 %, für 1979 5,4 %, jetzt 6 %. Nein, das ist nur scheinbar ein Weg. Das ist nicht ein redlicher Weg, der. Ihnen wirklich weiterhelfen kann.
Drittens. Das Steuerpaket der Bundesregierung ist kein Steuerentlastungsprogramm, sondern ist ein Steuererhöhungsplan. Es ist ein Köder, wie einer gesagt hat, mit Haken, und dabei ist der Haken doppelt so groß wie der Köder. Lassen Sie mich das an Hand des Beispiels Kindergeld nachweisen. Sie sagen, Sie würden einen Teil als Kindergeld. wieder zurückgeben. Nehmen wir mal die VierPersonen-Familie, die ja inzwischen in Deutschland schon überdurchschnittlich groß geworden ist, also eine Familie mit einem Zweitkindergeld. Für das zweite Kind geben Sie 10 DM scheinbar mehr. In Wirklichkeit nehmen Sie dieser Familie 30, 40 oder gar mehr Mark mit der anderen Hand wieder weg. Das Ganze nennen Sie eine „Entlastung" oder eine zusätzliche Bereicherung einer kinderreichen Familie. So geht die Rechnung nicht auf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist völlig ausgeschlossen, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie das Wohngeld anheben, daß Sie die Ausbildungsförderung anheben, daß Sie für die öffentlichen Bediensteten mehr zahlen und ausgerechnet beim Kindergeld, wo wirklich ein soziales Ärgernis in unserem Land besteht, sagen: Aber das geht nur, indem man den Familien vorher das Doppelte dessen wegnimmt, was man ihnen nachher gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genauso ausgeschlossen ist es, einen ganz kleinen Teil der heimlichen Steuererhöhungen, wie sie sich seit der Steuerreform weiterentwickelt haben, in Form von höheren Sonderausgabensätzen wieder zurückzugeben, wie Sie sagen, aber auf der anderen Seite eine Vielfaches den Leuten vorher wegzunehmen. Sie geben 7 bis 9 Mark für erhöhte Sonderausgaben zurück — so etwa wirkt 'es sich aus —, und 30 bis 40 oder gar mehr Mark nehmen Sie der Familie vorher weg.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Schließlich Ihre Vermögensteuerentlastung! Bei der Vermögensteuer, deren Anhebung wir für den größten wirtschaftspolitischen Fehler bei der sogenannten Steuerreform gehalten haben, ist eine Reparatur der Steuerreform längst fällig.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Es ist völlig ausgeschlossen, daß man für Reparaturarbeiten die Mehrwertsteuer benützt, die nur für
echte Reformen zur Verfügung stehen darf. Im übrigen entlasten Sie hier auch nicht die Betriebe. Graf Lambsdorff, glauben Sie im Ernst an eine Entlastung, wenn Sie die Preise um 1,5 bis 2 oder mehr Prozent steigern und wenn Sie infolgedessen die Lohnkosten um etwa 8 Milliarden steigern? Rechnen Sie mal aus: 550 Milliarden Lohn- und Gehaltssumme nur 1,5 % mehr, dann kommen Sie auf 8 Milliarden Kosten Personalkostensteigerung. Das zeigt, daß Sie der Wirtschaft 8 Milliarden mehr Lasten aufbürden und dann 2 Milliarden wieder zurückgeben. Dann sagen Sie: Dadurch ist die Investitionsfähigkeit unserer mittelständigen Betriebe besser. — Diese Rechnung geht genausowenig auf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nein, es bleibt bei dem Urteil, das der Bundesfinanzminister im August 1974 über sein eigenes Programm selber gesprochen hat. Ich darf es wörtlich zitieren. Herr Minister Apel, Sie haben damals gesagt:
Wir denken nicht daran, dem Bürger mit der einen Hand etwas zu geben und mit der anderen zu nehmen.

(Leicht [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Das wäre nicht nur unsozial, das wäre unseriös.
Viertens. Wir halten die Mehrwertsteuererhöhung für den grundsätzlich falschen Weg, der nür den sowieso schon vorhandenen Irrweg fortsetzt, immer mehr Staat in Deutschland auszubreiten. Die Haltung der CDU/CSU ist die gleiche wie vor der Bundestagswahl: wir halten den Weg für grundsätzlich falsch, hier immer mehr Abgabenbelastung, immer mehr Staat zu produzieren.
Inzwischen hat auch der Herr Bundeskanzler entdeckt, daß es in unserem Land ein Problem gibt: Staat, Bürokratie, Gängelung des Bürgers, ein Unwohlsein wegen dieser immer mehr überhandnehmenden Bürokratie. Er beklagte diese undurchsichtige, anonyme Bürokratie. Er sagte: Wir müssen dafür sorgen, daß nicht die Freiheit, die Liberalität gefährdet werden. Dann zitierte er die Formulare, sprach von der Überforderung des Bürgers; er zitierte die Strom- und Gasrechnungen und die Mietabrechnungen. Wir haben ihn bei der Aussprache über die Regierungserklärung erlebt. Hier war er der klassische Ombudsmann, der sich für das einfache Volk darüber beklagt, was diese böse Regierung in den letzten Jahren alles getan hat.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Löffler [SPD] : Das ist aber sehr vereinfachend gesagt!)

In Wirklichkeit, wenn man die Sache genau untersucht, muß man doch fragen: Was ist denn die Wurzel dieser Fehlentwicklung? An der Spitze dieser Fehlentwicklung stand das Langzeitprogramm der SPD, das Anfang der 70er Jahre entworfen wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vorsitzender der Langzeitkommission war Herr Helmut Schmidt. Er hat damals in einer Rede gesagt —
das ist seine Gemeinwohlvorstellung —: „Der öffent-



Dr. Häfele
liche Anteil am Sozialprodukt muß wachsen, wenn das öffentliche Wohl wachsen soll."

(Beifall bei der SPD)

Und das kommt dann am Schluß heraus! Nein, das ist kein Ombudsmann, der sich vor die kleinen Leute stellen darf; das ist allenfalls ein In-sich-Ombudsmann oder, noch besser, ein Dorfrichter Adam, der jetzt beginnt, über sich selbst Gericht zu sitzen.

(Beifall und Zurufe von der CDU/CSU)

Nein, so einfach ist es nicht, wie der Kanzler es mit seiner Darstellungskunst hier darzulegen versucht hat. Sie sollten dieses Problem ernst nehmen.

(Löffler [SPD] : Das nehmen wir auch ernst, aber Sie nehmen es nicht ernst!)

Hier muß das Übel an der Wurzel gepackt werden. Das sind die Folgen von immer mehr Staat, von immer mehr Gesetzen, von immer mehr Bürokratie, von immer mehr Gängelung, immer mehr öffentlich Bedienstete und immer mehr Abgaben. Deshalb wollen wir diesen Abgabenstaat stoppen. Wir wollen das Übel an der Wurzel packen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie weit wir inzwischen in Deutschland schon gekommen sind, sehen Sie, wenn Sie einmal in unsere mittelständischen Betriebe gehen. Sie werden von morgens bis abends gegängelt: durch Vorschriften, durch Richtlinien, durch Belastungen, so daß sie zu einer schöpferischen Tätigkeit, zu Initiativen überhaupt nicht mehr kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Ist das in Ihrem Land so?)

Oder fragen Sie die freien und gemeinnützigen Träger von sozialen Einrichtungen, denen allmählich vor lauter Gängelung die Lust vergeht, überhaupt noch weiterzumachen, obwohl wir sie dringend nötig haben.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Oder nehmen wir Ihr neuestes Produkt von mehr Staat: die Berufsbildungsabgabe. Typisch mehr Staat!

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Ich hoffe, daß die FDP das inzwischen gemerkt hat. Sie sollten diese Abgabe ersatzlos kassieren und die ausbildungshemmenden Vorschriften abbauen, damit wieder mehr Lust und Initiative, mehr Leute auszubilden, entsteht. Das ist der andere Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen in unserem Land eine grundsätzliche Wende: weniger Staat. Voraussetzung dafür ist, daß wir dem Wuchern des Abgabenstaates immer mehr entgegentreten. Unser Weg — das ist die Alternative — ist: wir müssen wieder Spielraum und Ermunterung für diejenigen schaffen, welche mehr arbeiten wollen und können, die etwas leisten wollen und können, die aufsteigen wollen und können. Wir müssen wieder Spielraum und Ermunterung für diejenigen schaffen, die etwas unternehmen wollen, die Initiative entfalten wollen, die investieren wollen. Wir sind davon überzeugt, daß wir die Probleme unseres Landes

(Löffler [SPD] Über welches Land reden Sie denn?)

— über das Problem von über einer Million Arbeitslosen z. B., das Problem Jugendarbeitslosigkeit —

(Beifall bei der CDU/CSU)

in den kommenden Jahren um so eher lösen werden, je weniger wir Leistung und Aufstieg bestrafen, je mehr wir Leistung und Aufstieg als Motoren des Fortschritts zum Nutzen aller einsetzen. Nur so werden wir auch die sozialen Probleme in unserem Lande lösen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Aber nicht mit dieser Regierung! — Wehner [SPD]: Aber mit Herrn Häfele!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801612600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Löffler?

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0801612700
Bitte sehr.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801612800
Bitte, Herr Abgeordneter Löffler.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801612900
Herr Kollege Häfele, wären Sie bitte einmal so nett, uns auf Grund Ihrer Ausführungen der letzten fünf Minuten darzulegen, was die Bürokratie in diesem Staate mit der Arbeitslosigkeit zu tun hat?

(Lachen bei der CDU/CSU)


Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0801613000
Das will ich Ihnen ganz genau sagen. Der Staatsanteil in unserem Lande belief sich, als Sie angefangen haben, auf 37 °/o. Inzwischen ist er auf 471)/0 angestiegen. Jede zweite Mark wird durch irgendeine öffentliche Kasse verwaltet. Das ist Einschränkung der freien Verfügbarkeit der Bürger, der Wirtschaft und der Gesellschaft,

(Beifall bei der CDU/CSU)

das ist mehr Staat, das ist mehr Bürokratie, das ist mehr Schwerfälligkeit, dies ist Erschlaffen von dynamischen Kräften.

(Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

Das ist die tiefere Ursache für unsere Wirtschaftskrise, die Sie verbockt haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Genau dieses Erschlaffen der dynamischen Kräfte in unserem Land in Verbindung mit der Politik des In-die-vollen-Gehens nach 1970, das sind die tieferen Ursachen für unsere Fehlentwicklung.
Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir in der Steuerpolitik alles tun, damit sich Arbeit und Leistung wieder lohnen und Investitionen wieder erleichtert werden. Das ist der Sinn einer zukunftsgerechten Steuerpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Dr. Häfele
Dies ist auch der Schlüssel zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und von neuen Chancen für die Jugend. Wenn dies nicht gelingt, können Sie von Staats wegen versuchen, was Sie wollen, Sie werden immer nur den Mangel verwalten, und am Schluß sind alle gleich mangelbehaftet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb — und das ist unser Kurs in der Steuerpolitik werden wir — Akt 1 — dieser Steuererhöhung entgegentreten, wir werden sie ablehnen. Akt 2 — wir werden Vorschläge machen für eine sofortige Reparatur wenigstens der drängendsten Fehler der Steuerreform, wobei wir vor allem án die Kinderreichen zu denken haben. Drittens werden wir Vorschläge für einen dauerhaften Abbau der Überbesteuerung machen, und zwar der leistungshemmenden auf seiten der arbeitenden Bürger und der investitionsfeindlichen auf seiten der mittelständischen Betriebe. Das ist eine zukunftsträchtige Steuerpolitik und nicht Ihr Steuererhöhungsplan, den Sie hier vertreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich fasse zusammen: Die Sanierung der öffentlichen Finanzen ist die wichtigste finanzpolitische Aufgabe in den kommenden Jahren. Es führt kein Weg an Sparbeschlüssen vorbei, und zwar auf Jahre hinaus in allen öffentlichen Haushalten. Unser Fraktionsvorsitzender Helmut Kohl hat schon am 17. September 1975 hier in diesem Hause von der Bundesratsbank her ein umfassendes Angebot an die Koalition gemacht.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Wenn sie ihrer Führungsrolle gerecht wird, wenn sie vorangeht,

(Leicht [CDU/CSU] : Aber nicht durch solche Reden des Finanzministers!)

dann werden wir es nicht daran fehlen lassen, unseren Teil der Verantwortung zu tragen, wenn die Regierung mit dem Sparen wirklich ernst macht. Dieses Angebot haben sowohl Helmut Kohl wie auch Franz Josef Strauß in der Aussprache über die Regierungserklärung ausdrücklich wiederholt. Warum ergreift die Bundesregierung eigentlich diese Chance nicht? Warum werden Sie Ihrer Führungspflicht nicht gerecht und leiten die unvermeidlichen Sparbeschlüsse ein; und zwar nicht, indem sie da und dort etwas wegstreichen, sondern für eine umfassende Sanierung des gesamten öffentlichen Haushalts? Wenn Sie den Weg der grundlegenden Sanierung gehen — dieses Wort haben Sie —, wird sich die CDU/CSU aus der Verantwortung für das Ganze heraus nicht widersetzen. Wir haben dies bewiesen, als wir beim Haushaltsstrukturgesetz 1975 den Sparteil mitgetragen haben. Herr Wehner, wir haben uns völlig anders verhalten als Sie als Opposition 1965/66, wo Sie bei vergleichsweise niedlichen Problemen gesagt haben: Wir waschen doch nicht die schmutzige Wäsche fremder Leute. Wo kommen wir da hin? Das lehnen wir ab.
Wir haben den Sparteil mitgetragen — das ist eben der Unterschied — und darüber hinaus angeboten, diesen Weg mit Ihnen mitzugehen, wenn Sie ihn fortsetzen. Wir sind um unserer gemeinsamen Zukunft willen bereit, auch unbeliebte Maßnahmen mitzutragen. Aber wir können nicht die Hand zu Scheinlösungen, zu Viertellösungen, zu falschen Lösungen oder zu kurzatmigem Weiterwursteln reichen, und genau das tun Sie, Herr Bundesfinanzminister, und die Bundesregierung, im Grunde lavieren Sie finanzpolitisch bloß weiter. Das ist keine Sanierung, die Sie anbieten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist für diese Legislaturperiode nicht zu spät. Wenn Sie Ihrer Führungspflicht gerecht werden, werden wir von der CDU/CSU unsere Mitverantwortung tragen. Es ist keine fortschrittliche Politik, auf Kosten kommender Generationen leben oder gar genießen zu wollen. Oder soll die Jugend einmal für die Fehler dieser Generation büßen müssen? Anstatt Zinsen zu zahlen — und das tun wir zur Zeit in erster Linie — für Vergangenes oder Gegenwärtiges, müssen wir allenfalls Zinsen für Zukunftsinvestitionen, für Zukünftiges zahlen oder müssen Erleichterungen herbeiführen, etwa um Ausbildungsplätze zu schaffen, um Arbeitsplätze zu schaffen oder schaffen zu lassen — durch Erleichterungen auf steuerlichem Gebiet. Ich nenne auch die Felder Energie und Umweltschutz. Da liegen die Zukunftsprobleme. Statt dessen zahlen wir Zinsen für Gegenwartskonsum oder gar für Vergangenes.
Es ist auch keine fortschrittliche Politik, immer mehr diejenigen mit Abgaben bestrafen zu wollen, die arbeiten wollen und arbeiten können. Das führt zu keiner Lösung für das Gemeinwohl.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch die Regierungskoalition muß erkennen, daß es in unserem Lande längst nicht mehr nur um parteitaktisches Kalkül geht. Es geht in der Finanzpolitik inzwischen trotz aller Beschönigungen um die Grundlagen unseres Staates. Es geht wahrhaftig ums Ganze. Deshalb hat die Regierung zu handeln. Wir werden ihr folgen, wenn sie es richtig macht, aber nicht, wenn sie es falsch macht.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Wer soll eigentlich Fraktionsvorsitzender werden? Häfele statt Kohl?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801613100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Böhme.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0801613200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundesminister Apel hat gestern und vorhin in seinem Beitrag wieder das bekannte Steuerpaket der Bundesregierung vorgetragen und gefragt, welche Alternativen die Opposition auf diesem Gebiet hat. Mit Recht hat der Minister festgestellt, daß es diese Alternativen nicht gibt. Man konnte gespannt sein, ob die Redner der Opposition in der heutigen Debatte eine konkrete Antwort auf diese offene Frage erteilen würden. Dies war leider nicht der Fall, sondern die Redner ergingen sich samt und sonders in allgemeinen Ausführungen. Wie so etwas geht und funktioniert, hat der letzte Sprecher der CDU/CSU, Herr Kollege



Dr. Böhme (Freiburg)

Häfele, soeben in seiner unnachahmlichen Art demonstriert, indem er einen steuerpolitischen Rundschlag durchgeführt hat, indem er sozusagen ins Volle greift, weil es ums Ganze geht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man aber den Pulverdampf der Polemik aus dieser Rede vorbeiziehen läßt, lieber Herr Kollege Häfele, stellt man fest, daß Sie im Grunde das gleiche gesagt haben, was Sie schon einmal an diesem Tisch gesagt haben: am 13. Mai 1976, als es in. der Debatte dieses Hauses um die Erhöhung der Mehrwertsteuer ging.

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : Ich danke für dieses Kompliment!)

Damals habe ich das verstanden, Herr Häfele; denn es war ja kurz vor dem Wahlkampf. Aber inzwischen ist der Wahlkampf vorbei, und ich stelle fest: Sie haben nichts dazugelernt, Sie sind stehengeblieben.
Der Ansatz Ihrer Philippika und Ihrer großen Darstellung, um was es eigentlich geht — Grundsatzfrage usw. —, war ja die Mehrwertsteuererhöhung. Wenn das aber eine so grundsätzliche Frage ist, würde ich Ihnen doch empfehlen, in Ihrer Fraktion bei denen anzufangen, die gar nicht prinzipiell gegegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben doch vorhin aus vielen Zitaten des Finanzminister gehört, daß es eine ganze Reihe von Äußerungen von Spitzenpolitikern Ihrer Partei gibt, die sich sehr wohl ein bedingtes Nein zur Anhebung der Mehrwertsteuer vorstellen können. Dies ist eigentlich der entscheidende Punkt: Bis heute gibt es bei der Opposition keinen verbindlichen Standpunkt, welchen Kurs die CDU/CSU in der Steuerpolitik fahren wird. Das, was Sie, Herr Häfele, hier vorgetragen haben, war Ihr Spezialkurs, es ist aber nach allem, was hier zu hören war, nicht der Kurs der gesamten CDU/CSU.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Es gibt — das ist vorhin in Zitaten nachgewiesen worden — zur wichtigen Frage der Mehrwertsteuererhöhung so viele Varianten, wie finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU auftreten. Es gibt das radikale Nein zur Mehrwertsteuererhöhung — Grundsatzfrage —, es gibt das bedingte Nein — bei gleichzeitiger Entlastung in anderen Bereichen, dann aber wieder unterschiedliche Überlegungen, wie diese Entlastungen aussehen sollten — und schließlich Forderungen zur Steuerentlastung ohne Mehrwertsteuererhöhung. Dies ist die Position des Kollegen Häfele, die eigentlich sehr pikant und fast makaber ist. Denn dieser gleiche Kollege Häfele, der sich hier hingestellt und prinzipiell gegen die Mehrwertsteuererhöhung mit den tollsten Argumenten gewettert hat, hat dazu einen Aufsatz geschrieben. Das ist noch gar nicht lange her. Der Aufsatz datiert vom Januar 1974. Das Heft heißt „Die politische Meinung". Da hat der Herr Häfele die politische Meinung zur Mehrwertsteuererhöhung vertreten, die ich jetzt noch einmal verlese: „Schon aus Gründen der EG-Harmonisierung wird keine verantwortliche
Finanzpolitik an der Erhöhung der Mehrwertsteuer vorbeikommen.

(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

Dies entspricht einer inneren Notwendigkeit." Das
sind die Worte des Kollegen Häfele, die damals in
diesem Aufsatz hier zum Ausdruck gekommen sind.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Sehen Sie denn den Unterschied nicht?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801613300
Bitte, Herr Abgeordneter Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0801613400
Darf ich Ihnen danken, Herr Kollege Böhme, daß Sie mich zitiert haben und auch die Worte „aus Gründen der EG-Harmonisierung" angeführt haben. Sind Sie bereit, die Gewerbesteuer abzuschaffen? Dann können wir sofort miteinander ins Gespräch kommen. Das ist EG-Harmonisierung.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0801613500
Das ist nicht der Punkt. Herr Häfele, wir haben schon einmal darüber gesprochen. Die gleiche Frage haben Sie — ich habe zu Ihrer Rede vom 13. Mai das Protokoll noch einmal nachgelesen — damals meiner Vorgängerin und Kollegin .Huber gestellt. Was Sie hier sagen, steht nicht in dem Aufsatz, kein Wort davon. Es bleibt dabei, daß Sie vor drei Jahren einen völlig anderen Standpunkt bezogen haben als heute.

(Beifall bei der SPD — Dr. Häfele [CDU/ CSU] : EG-Harmonisierung! Das haben Sie doch selbst zitiert! — Leicht [CDU/CSU] : Das war weder pikant noch makaber!)

Die Wirkung dieses Taktierens ist klar. Das trifft alle, die wir in diesem Hause versammelt sind. In einer Zeit, in der es darum geht, die Konjunktur anzukurbeln, Investitionen zu fördern und die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, ist die Opposition mit ihrem Gewicht im Bundesrat ein Faktor der Unsicherheit und der Ungewißheit in unserem Lande.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die ständig das Wort vom Vertrauensklima im Munde führen, tun in Wirklichkeit alles, um in der Wirtschaft Verunsicherung und Unklarheit zu schüren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer regiert hier eigentlich?)

Die Opposition ist auch unglaubwürdig, und ihre Rolle wird zur Obstruktion, wenn sie nur und ständig Kritik anmeldet, ohne selbst zur Sache zu kommen und ohne Alternativen auf den Tisch zu legen. Dies gilt vor allem für das immer wieder vorgetragene Kolossalgemälde von der ständig steigenden Steuer- und Abgabenlast mit dem Vorwurf der Überbesteuerung unserer Wirtschaft, daß nämlich die Wirtschaft im „Würgegriff der Steuern" zu ersticken droht und was der griffigen Vokabeln mehr sind
Richtig ist — Herr Häfele, da stimme ich Ihnen voll zu —, daß das Lohnsteueraufkommen stark gestiegen ist. Dies ist gerade für uns Sozialdemokra-



Dr. Böhme (Freiburg)

ten eine große Sorge. Da brauchen wir keine Belehrung von Ihrer Seite. Arbeitnehmer haben gläserne Taschen. Das Problem des Ansteigens der Lohnsteuer wird für uns. Sozialdemokraten in der Steuerpolitik der Zukunft die entscheidende Frage überhaupt sein.

(Beifall bei der SPD)

Aber was heißt das, Herr Häfele? Das heißt zunächst, daß aufgezeigt wird, in welcher Weise sich das Steueraufkommen insgesamt in der Belastungswirkung verändert hat. Der Anteil der indirekten Steuern am Gesamtsteueraufkommen ist gefallen, während der Anteil der direkten Steuern am Gesamtsteueraufkommen gestiegen ist. Das Anwachsen der direkten Steuern geht fast ausschließlich auf das Konto der Lohnsteuer. Oder im Klartext und in Zahlen: der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen ist von 1960 bis 1976, also in sechzehn Jahren — 1960 waren Sie noch in der Regierung —, von 12 % auf 31 % angestiegen. Im gleichen Zeitraum fiel der Anteil der Gewinnsteuern von 34 % auf 25 % ab. Dies bedeutet, daß die Lohnsteuerzahler im Verhältnis zur Unternehmerseite eine relativ stärkere Belastung erfahren haben. Wenn aber dieser Ausgangspunkt richtig ist und die Frage künftiger Steuerentlastung ernsthaft gestellt wird, kann das Ergebnis nur sein, daß für Steuererleichterungen im Unternehmensbereich über das hinaus, was jetzt im Steuerpaket der Bundesregierung geschnürt ist, und insbesondere für undifferenzierte Steuergeschenke, die für große und kleine Betriebe in gleicher Weise wirken würden, kein Raum mehr ist.
In diesem Zusammenhang ein Wort zur Steuerbelastung insgesamt. Tatsache ist, daß die Steuerlastquote in 1976 mit 23,4 % nicht höher lag als 1952 mit 23,5 %. Interessant sind auch die Relationen zu anderen vergleichbaren Ländern. Danach lag die Bundesrepublik Deutschland 1975 unter dem internationalen Durchschnitt. Viele Staaten weisen eine höhere Steuerlastquote aus, z. B. Luxemburg 33,7 %, die Niederlande 28,8 %, Belgien 25,5 %, Kanada 30,3 %. Ich weiß sehr wohl, wie problematisch solche internationalen Vergleiche sind und wie kritisch der Begriff der Steuerlastquote zu werten ist. Aber da er als Vergleichsmaßstab immer herangezogen wird, auch in der Rede von Herrn Häfele, muß ich dazu einige Worte sagen. Die Bundesrepublik liegt also im internationalen Vergleich am unteren Ende, was die Steuerlastquote angeht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht bei den Gesamtabgaben!)

— Doch, das stimmt auch für die Gesamtabgaben. Richtig ist aber — das will ich gar nicht wegreden —, daß die Sozialversicherungsquote gestiegen ist. Aber an dieser Schraube hat die CDU/CSU kräftig mitgedreht. Es gab wohl kein Sozialgesetz, bei dem Sie als Oppositionspartei nicht Ideen genug hatten, um noch ein Teil draufzulegen. Das heißt, im Grunde sind von Ihrer Seite auf diesem Gebiet keine Sparvorschläge gekommen.
Aber ich komme zurück zur Steuerbelastung. Hier hat das Ifo-Institut in seiner letzten Analyse über das Steueraufkommen 1977 festgestellt — die Zahl wurde auch von .Herrn Häfele eben genannt —, daß
1977 „nur" noch 48,3 Pfennig durchschnittlich von jeder zusätzlich verdienten Mark an öffentlichen
Abgaben einbehalten werden. Herr Strauß, der gestern sozusagen steuerpolitische Grüße vor seiner Abreise nach Afrika für diese Debatte hier in einem Artikel in der „Welt" hinterlassen hat, ging somit bei seiner Schilderung von falschen Zahlen aus. Im übrigen kommt es weniger auf die Belastung der „letzten Mark" — also die Grenzbelastung — an, sondern auf die durchschnittliche Belastung des Einkommens mit Steuern und Sozialabgaben. Im Jahr 1976 — diese Zahl ist interessant — betrug diese Durchschnittsbelastung der Arbeitnehmereinkommen mit Lohn- und Kirchensteuer sowie Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung laut Angaben des Ifo-Instituts knapp 30 %, wobei noch das Kindergeld mit rund 2 % in Abzug zu bringen ist. Ich sage dies nicht, um die Steuerbelastung der Lohnsteuerzahler zu verniedlichen. Aber ich wende mich dagegen, daß mit falschen Zahlen in der Öffentlichkeit argumentiert wird, die Zahlen verzerrt bewertet werden und damit in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck hervorgerufen wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dies gilt auch für die jetzt neu vorgebrachte Behauptung, die zusätzliche Belastung der Wirtschaft summiere sich von 1969 bis 1976 zu einem Gesamtbetrag von nahezu 87 Milliarden DM, davon Steuermehrbelastungen allein in Höhe von 37 Milliarden DM. Diese Zahlenangaben von Herrn Strauß gestern in seinem Artikel in der „Welt" gehen auf eine Veröffentlichung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zurück. Dabei wird jedoch die Steuerentlastung im gleichen Zeitraum verschwiegen. Diese Entlastungen betragen im gleichen Zeitraum allein gut 20 Milliarden DM, erreichen also eine beträchtliche Größenordnung. Ich meine, wenn Mehrbelastungen der Wirtschaft über einen längeren Zeitraum hinweg kumuliert herausgestellt werden, so dürfen die Entlastungen im gleichen Zeitraum nicht unterschlagen werden.
Entscheidend aber bei dieser Debatte um zusätzliche Steuerent- oder -belastungen im Unternehmensbereich ist ein Vergleich des Ansteigens vom Brutto- und Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Auch hier beziehe ich mich auf eine Untersuchung des Ifo-Instituts vom November letzten Jahres. Danach ist die jährliche Wachstumsrate für Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen zwischen 1968/69 und 1974/75 brutto wie netto nahezu gleich. Dies bedeutet, daß die steuerliche Belastung der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen relativ kaum zugenommen hat.
Ergebnis dieser Überlegung: Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig, und dieser Aufgabe entzieht sich die Opposition völlig. Eine Antwort auf die hier gestellten Fragen gibt im Steuerbereich das Steuerpaket der Bundesregierung, wonach die Mehrwertsteuer erhöht und zeitgleich gezielte Entlastungen vorgenommen werden: Erstens Entlastungen im Arbeitnehmerbereich, Herr Häfele, durch Heraufsetzung der Sonderausgabenhöchst-



Dr. Böhme (Freiburg)

beträge und durch die Erhöhung des Kindergeldes. Zweitens Entlastungen für mittelständische Betriebe durch Ermäßigung der Gewerbesteuerbelastung mit Schwerpunkt bei den ertragsunabhängigen Teilen dieser Steuer. Drittens Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern. Ferner: Impulse für die Stadterneuerung, für die Erhaltung älterer Wohngebiete, für die Verbesserung der Voraussetzungen, Wohnungseigentum zu erwerben und zwar durch die Neuregelung von § 7 b des Einkommensteuergesetzes und der Grunderwerbsteuer. Die vorgesehenen steuerlichen Regelungen sind in der Regierungserklärung angekündigt worden und werden diesem Hohen Hause in Kürze als Gesetzesvorlage zugeleitet werden. Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien nennen mit ihrem Steuerpaket Roß und Reiter.
Keine Antworten gab es bisher bei der Opposition. Das „Handelsblatt", bestimmt keine Zeitung, die uns, der SPD, besonders verbunden ist, hat heute mit Recht konstatiert: „Die Union bietet ein Bild der Zerrissenheit." Diese Schwierigkeiten der CDU/CSU sind allerdings verständlich, da in der Vergangenheit allen Gruppen in unserer Gesellschaft bei jeder Gelegenheit Steuergeschenke in Milliardenhöhe versprochen worden sind. Heute zappelt die CDU/CSU im Netz ihrer eigenen Versprechungen. Hoffentlich geht ihr nicht die Luft aus, wenn der Fischzug an Land kommt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801613600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0801613700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte gern auf die gestrige Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers zurückkommen.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU] : Es lohnt sich nicht!)

Das einzige, was mir an ihr nicht gefiel, war die Überschrift: Sicheres Fundament für den Aufschwung. Aber ich denke, wir können uns unschwer einigen: Wir jedenfalls sagen ja zu diesem Haushalt als einem sicheren Fundament. Die Eckwerte des Jahreswirtschaftsberichts und des Sachverständigengutachtens liegen dem zugrunde. Wir werden das bei der Debatte des Jahreswirtschaftsberichts miteinander diskutieren. Bis dahin, Herr Kollege Leicht, hat die CDU/CSU-Fraktion genügend Zeit, um ihren heutigen Antrag auf der Basis des gestrigen Abschlusses im öffentlichen Dienst noch einmal zu revidieren. Ich bin nur gespannt, ob Sie jetzt nach jedem einzelnen Tarifabschluß eine Revision von Eckwerten verlangen werden. Dann jedenfalls .halten wir uns hier am Rechnen.
Meine Damen und Herren, das Stichwort „Aufschwung" ist das einzige, das mir etwas mißverständlich zu sein scheint. Ich hätte es lieber gesehen, wenn die Überschrift gelautet hätte: „Sicheres Fundament für die stetige Erholung unserer Volkswirtschaft im Rahmen der weltwirtschaftlichen Entwicklung", und zwar weil ich meine, daß wir zwar dasselbe wollen, aber uns hüten sollten, falsche Erwartungen zu wecken. Mit dem Stichwort „Aufschwung" könnte ein Erwartungshorizont verbunden sein, der an dem ausgerichtet ist, was wir in den 60er Jahren nach der Erholung von Rezessionen gewohnt waren — deswegen ist auch verständlich, daß dieser Ausdruck nach wie vor benutzt wird —, was sich aber wahrscheinlich so nicht mehr vollziehen wird, weil der weltwirtschaftliche Gesamtrahmen nicht mehr der gleiche ist.
Im übrigen halte ich das, was ich gestern vom Herrn Bundesfinanzminister gehört habe, für — dies ist mein persönliches Urteil — die beste Rede zur Einbringung eines Haushalts, die ich bisher in diesem Hause gehört habe.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Sie gab eine abgewogene Darstellung unserer Situation. Es ist weder beschönigt noch schwarzgemalt worden. Und es ist eines geschehen, was ich für sehr wesentlich halte: Es ist der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1977 in die internationalen Zusammenhänge hineingestellt worden. Herr Kollege Leicht, Sie haben das dankenswerterweise nicht nur gesehen, sondern auch angesprochen. In den Ausführungen des Kollegen Althammer klang davon nicht ein Wort an. Dies kann ich nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen.
Allerdings, Herr Leicht, haben Sie gesagt, der Bundesfinanzminister habe zum ersten Mal zugegeben oder zu erkennen gegeben, daß es auch Einflüsse und Einwirkungen der Bundesrepublik von innen, so haben Sie gesagt, nach außen gebe. Dies, Herr Leicht, ist nicht zutreffend. Darf ich Sie daran erinnern: In diesem Hause, an dieser Stelle haben wir über die Wirkungen diskutiert, die bundesrepublikanische wirtschaftspolitische Entscheidungen nach außen haben; nach Rambouillet, nach Puerto Rico, nach der Weltwährungskonferenz in Manila, nach dem „Schlangen"-Austritt der Franzosen. Immer wieder ist hier diskutiert und besprochen worden, welche Wirkungen die Entscheidungen, die wir treffen, auf weltwirtschaftliche Zusammenhänge haben.

(Leicht [CDU/CSU] : Ja, das bestreite ich nicht!)

— Danke sehr. Ich wollte Sie gerade fragen, ob
Sie das einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Ebensowenig stimmt doch Ihr wiederholt vorgebrachter Vorwurf — auch das hören wir ja leider wirklich wie eine Gebetsmühle —, wir stünden auf dem Standpunkt und verteidigten uns damit, nur das böse Ausland sei schuld an Inflation und Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik. Ich finde das Nachkarten aus alten Debatten höchst langweilig und wenig anregend. Herr Leicht, seit 1973, seit der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht, an der sich damals unser verstorbener Kollege Klaus Dieter Arndt, Altbundeskanzler Professor Erhard und ich für meine Fraktion beteiligten, haben wir immer wieder gesagt: Selbstverständlich ist ein Teil der Entwicklung auch hausgemacht. Gestritten haben wir um den Prozentsatz dieser Beteiligung. Wir sind



Graf Lambsdorff
doch längst davon herunter — wenn wir das überhaupt je gedacht haben —, zu behaupten, alles komme nur von außen, wir hätten alles fabelhaft gemacht. Wer wollte so töricht sein, so etwas von sich zu behaupten?

(Zurufe von der CDU/CSU: Der Finanzminister! — Das hat der Kanzler gesagt!)

Aber, Herr Leicht, wenn Sie und Ihre Fraktion die internationalen Zusammenhänge der Haushaltssituation der Bundesrepublik im Jahre 1977 und natürlich auch in Zukunft anerkennen, wird sowohl Ihr Dilemma wie auch das Dilemma der Bundesregierung — das liegt allerdings zwei Jahre zurück und ist gelöst — deutlich sichtbar. Herr Kollege Althammer hat heute gesagt: Wir werden eine Ausweitung des Haushalts, des Budgets der Bundesrepublik nicht hinnehmen. Das ist eine plakative Formel; wahrscheinlich gehört das in eine solche Debatte. Am Schluß werden selbstverständlich die notwendigen unvermeidlichen Ausweitungen, um die wir angesichts der Gesamtentwicklung gar nicht herumkommen, auch von Ihnen hingenommen werden.
Aber viel entscheidender ist doch folgendes. Wenn auch die Bundesregierung nicht mehr Defizit, nicht mehr Staatsverschuldung in diesem Jahre will — Herr Kollege Häfele, das hat der Bundesfinanzminister in der Debatte dieser Tage mehrfach bestätigt; insofern sind wir mit Ihnen völlig einig —, dann können wir diese Position international, im Kreise unserer Partner in der Welt gegenwärtig nur durchhalten, weil wir darauf verweisen können, daß wir das Unsrige in Sachen Staatsverschuldung, in Sachen deficit spending, in Sachen Bekämpfung der Rezession durch Einsatz öffentlicher Mittel doch längst getan haben. Wir haben das getan und können deshalb darauf verweisen, weil wir eben 1975 und 1976 nicht auf die Einwände der Opposition zu diesem Thema gehört haben.
Wir sehen uns in der internationalen Diskussion, Herr Häfele und auch Herr Kollege Leicht, einem Vorwurf, mindestens aber der Aufforderung ausgesetzt, wir sollten zusammen mit den beiden anderen starken Volkswirtschaften der Welt die Lokomotive anheizen, die die Weltwirtschaft wieder in Schwung bringt. Und wir sollen sie anheizen, Herr Häfele, durch mehr Verschuldung, durch mehr deficit spending des Staates, also durch etwas, was Sie beklagen. Wir können das nur deswegen von uns weisen — darin sind wir uns hoffentlich einig —, weil wir darauf verweisen können — ich wiederhole es —: Das haben wir zu einer Zeit getan, als ihr, unsere Partner draußen, euch noch sehr zurückhaltend gezeigt habt. Aber dann dürfen Sie, Herr Häfele, uns nicht den Marsch in die Verschuldung vorwerfen, dann können Sie uns auch nicht vorhalten, daß der Staatsanteil auf 47 % gestiegen ist — eine unbestreitbar faktisch richtige Feststellung

(Abg. Dr. Häfele [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— lassen Sie mich bitte den Satz zu Ende sprechen—,
sondern dann müssen Sie doch anerkennen, daß
jede Mark Konjunkturprogramm, jede Mark Arbeitsbeschaffungsprogramm, jede Mark Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit in diesen Staatsanteil eingegangen ist und daß es die klare Folge jeder wirtschaftlichen Rezession ist, daß der Staatsanteil steigt und die Steuerlastquote wegen schlechter werdender Erträge sinkt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0801613800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0801613900
Bitte schön.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0801614000
Haben Sie zur Kenntnis genommen, Graf Lambsdorff, daß die Opposition die Bundesregierung in ihrer Haltung unterstützt, die internationalen Versuche abzuwehren, mit immer mehr Verschuldung — übrigens womöglich auch mit mehr internationaler Inflation — für einen vermeintlichen Aufschwung zu sorgen?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0801614100
Herr Häfele, ich habe ja gerade gesagt, daß wir darin einig sind. Aber darf ich Sie noch einmal bitten einzusehen, daß wir diese Position nur deswegen nach außen hin erfolgreich vertreten können, weil wir in den beiden vorigen Haushaltsjahren Verschuldungen vorgenommen haben, und zwar gegen Ihren Widerspruch. Wären wir damals Ihrem Rate gefolgt, würde uns Ihre jetzige Zustimmung nichts helfen; der Druck von außen würde unerträglich.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben die Pflichten, die uns von draußen auferlegt werden, auf die wir angesprochen werden — wir drücken uns nicht um unsere wirtschaftiche Verantwortung herum; wir wissen, daß wir uns darum nicht herummogeln können —, an vielen Fronten erfüllt. Es ist Unsinn, uns das vorzuwerfen, was man eine Beggar-myneighbour-Politik nennt. Wir haben hier bei uns Konjunkturprogramme mit Rezessionsbekämpfung verabschiedet und durchgeführt. Noch einmal: Die Folge war eine hohe und schnelle Verschuldung. Diese hohe und schnelle Verschuldung, Herr Kollege Häfele, wollen wir jetzt konsolidieren, und zu dieser Konsolidierung wollen wir die Mehrwertsteuererhöhung einsetzen, jedenfalls einen größeren Teil der Mehrwertsteuererhöhung.

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : Mehr Inflation!)

Wenn ich Ihren Ausführungen zur Mehrwertsteuer folge und das logisch bis zum Ende durchdenke, Herr Häfele, müßten Sie konsequenterweise für die völlige' Abschaffung der Mehrwertsteuer plädieren, weil sie ohnehin keinen Erfolg haben kann, den Staat eher noch belastet und die Lohnentwicklung antreibt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Im übrigen, meine Damen und Herren, schlage ich vor, daß wir hier untereinander eine Diskussion führen, die von den politischen Gegebenheiten in der Bundesrepublik im März 1977 ausgeht. Was Sie,



Graf Lambsdorff
Herr Häfele und Herr Althammer, heute zum Thema Mehrwertsteuer hier aufgeführt haben, sind doch Schattengefechte. Sie wissen ebensogut wie ich, daß die Antwort des Bundesrates nicht so ausfällt, wie Sie sie haben wollen. Glauben Sie wirklich, daß neue Länder-Koalitionen zustande gekommen sind in Kenntnis dieser Probleme nicht anderer Probleme —, ohne daß diese Probleme in diesem Zeitpunkt so abgehandelt worden sind, daß es darauf eine Antwort geben wird? Das wissen .Sie ebensogut wie ich. Sie wissen, wie diese Antwort aussehen wird.
Wir müssen im Zusammenhang mit der Verschuldung auch folgende Frage stellen. Herr Häfele, wie sähe denn die Situation — der Bundesfinanzminister hat gestern mit Zahlen aufgewartet; ich will nur die rhetorische Frage stellen, die sich, wie ich glaube, von selbst beantwortet —, auf dem Arbeitsmarkt bei uns ohne jedes Konjunkturprogramm in den Jahren 1975 und 1976 aus?

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Im übrigen: Wir haben in gleichem Kontext und zur gleichen Zeit auch — dies war wahrlich nicht immer einfach — die Pflichten der Bundesrepublik als eines weltwirtschaftlich und volkswirtschaftlich starken Landes nach außen hin erfüllt. Die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland haben nichts unternommen gegen einen ständig steigenden Aufwertungstrend der Deutschen Mark, der in den letzten 18 Monaten erneut — im gewogenen Durchschnitt — 10 % gegenüber unseren wichtigsten Handelsländern ausmachte. Bundesbank und Bundesregierung haben kein schmutziges Floaten, keine Beeinflussung der Kurse durchgeführt — mit der einen Ausnahme, die ich nicht bestreite, nämlich daß wir die Position in der Schlange gegenüber Frankreich reichlich lange verteidigt haben. Dies hat die Bundesbank getan. Dazu gibt es eine sehr persönliche Meinung von mir; sie ist nicht die Auffassung der Bundesregierung.
Noch einmal darf ich sagen, Herr Leicht: Was Sie zur Geldmengenpolitik gesagt haben, kann so nicht stehenbleiben. Der Bundesfinanzminister hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß wir ja doch wahrlich - ich komme gleich darauf zurück, daß ich das Ziel für bedeutsam halte — das Ziel nicht zu einem politischen Ziel an sich erklären können. Wenn wir am Ende des Jahres 1976 feststellen, daß mit dieser Geldmengenpolitik und anderen Maßnahmen ein Wirtschaftswachstum von real 5,6 % und eine Preissteigerungsrate von nur noch 4 % erzielt wurden, dann hat es doch keinen Sinn, an der Tatsache herumzukritisieren, daß das ursprünglich gesetzte Geldmengenziel um 1,2 Prozentpunkte überschritten worden ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Dasselbe gilt auch für das Jahr 1977. Für 1977 läßt sich heute noch nicht absehen, wie am Ende des Jahres der Geldmengenzuwachs aussehen wird. Er läßt sich auch deswegen nicht absehen — ich komme auf das zurück, was ich Sie in meiner Zwischenfrage gefragt habe, Herr Leicht —, weil wir die Umlaufgeschwindigkeit, die ja von der konjunkturellen Entwicklung abhängt, heute noch nicht kennen.
Ich meine, wir haben allen Anlaß, nach erfolgreicher Geldmengenpolitik, die wir jetzt zwei Jahre durchgeführt haben, mit einigem Vertrauen auf die weitere Handhabung dieses zugegebenermaßen wichtigen — ja, ich sage: unerläßlichen — Instruments durch die Bundesbank zu sehen.
Meine Damen und Herren, es werden draußen — auch im Zusammenhang mit unserer wirtschaftlichen Situation — Forderungen gestellt. Merkwürdigerweise klingt auch die Forderung nach einer Aufwertung der Deutschen Mark immer wieder auf. Man kann sich nur fragen, wie das im Floating eigentlich gemacht werden soll. Außerdem scheint es mir deswegen nicht sehr sinnvoll, weil wir anschließend, wenn wir massiv aufwerteten - sofern wir es überhaupt könnten —, um neue Kredite gebeten würden, um das Absacken von Währungen anderer Länder zu verhindern, deren Ölrechnungen auf diese Weise natürlich sehr viel teurer würden. Ich glaube, daß dies kein in sich logisches und vernünftiges Argument, keine vernünftige Forderung ist. Bundesregierung und Bundesbank tun gut daran, sich darauf nicht einzulassen.
Wir werden aufgefordert, ein größeres Defizit in unserer Leistungsbilanz herzustellen. Ich frage mich: Wie macht man das eigentlich künstlich? Das kann man doch nur auf die Weise erreichen, daß unsere Partner draußen, unsere Handelspartner, insbesondere die großen und bedeutsamen, ihre Chancen wahrnehmen, die ihnen die Kostenentwicklung, die Preisentwicklung und auch die Inflationsentwicklung der deutschen Wirtschaft und die Entwicklung unserer Währung bieten.
Man halte sich vor Augen, wie :dies die Wirtschaft der Vereinigten Staaten z. B. im letzten Quartal 1976 erfolgreich getan hat. Dort haben wir plötzlich eine Umkehr der Handelsbilanz; wir haben einen Importüberschuß aus den USA hierher. Man kann nur mit Betrübnis konstatieren, daß ein großer Teil unserer europäischen Partner dies nicht — hoffentlich kann man sagen: noch nicht — zuwege gebracht hat.
Aber so ganz leicht wollen wir es ihnen natürlich — dies gebe ich zu — auch nicht machen, denn daß wir als ein rohstoffarmes Land die Leistungsbilanz für Gastarbeiterzahlungen, für Tourismuszahlungen und ähnliches dringlich brauchen, kann doch wohl keinem Zweifel unterliegen; wir haben hier einfach mit Vorsicht zu operieren.
Um den dritten Punkt zu erwähnen: Wir und diese Bundesregierung haben international unsere Pflicht auch dadurch getan, daß wir uns an nahezu allen übernationalen Kreditaktionen, die in den letzten zwei Jahren erforderlich waren, beteiligt haben, direkt an die Adresse Italiens, in mehreren Aktionen der Europäischen Gemeinschaft, über den Internationalen Währungsfonds für ölpreisgeschädigte Länder und nicht zuletzt — ebenfalls über den Internationalen Währungsfonds — an die Adresse Großbritanniens.



Graf Lambsdorff
Hier möchte ich ein kritisches Wort anmerken. Die Bundesrepublik und die Bundesregierung machen die unangenehme Erfahrung eines jeden Bankiers. Der zukünftige Geldgeber wird hofiert; sobald er Geld gegeben hat und Gläubiger geworden ist, wird er eher kritisiert und ist gar nicht mehr so gerne gesehen. Das ist nicht so ganz einfach, ist aber eine Entwicklung, der wir uns nicht entziehen können. Nur muß ich sagen, daß ich wenig Verständnis etwa für Kritik aus Großbritannien an deutscher Wirtschaftspolitik — ausgerechnet im Rahmen der OECD — aufbringe.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Der Haushalt des Jahres 1977 wird internationaler Verpflichtung gerecht. Mein Kollege Gärtner hat heute schon darauf hingewiesen, daß der Bürgschaftsrahmen — ich habe es merkwürdig gefunden, daß das seitens der Koalition geschehen mußte, denn das ist ja eine risikoträchtige Angelegenheit — erheblich ausgeweitet worden ist. Ich bin dem Bundesfinanzminister dafür dankbar, daß er in einer Erklärung vor einigen Tagen darauf hingewiesen hat, daß Bürgschaften, auch wenn es damit jahrelang und jahrzehntelang gutgegangen ist, selbstverständlich dennoch ein Risiko beinhalten. Wäre das nicht so, bräuchte man sie nämlich nicht; es würde auch kein Mensch eine Bürgschaftsprovision dafür zahlen, die der Bundesfinanzminister erfreulicherweise als Einnahmeposten buchen konnte.
Aber dieser Bürgschaftsrahmen ist nach außen wichtig, weil sonst viele unserer Partnerländer, insbesondere Entwicklungsländer, nicht belieferungsfähig wären. Und er ist nach innen wichtig, weil er unsere Exportindustrie — auch die mittelständische, Herr Kollege Schröder, die ich in diesem Bereich durchaus gern noch stärker beteiligt sähe — nach außen lieferfähig macht. Ohne diesen Bürgschaftsrahmen könnte man jedenfalls das politische Risiko — dazu gehört auch das Zahlungsbilanzrisiko — den Lieferanten aus Deutschland wohl kaum zumuten.
Korrespondierend allerdings scheint mir wichtig, daß wir die Situation bei den Einfuhren in die Bundesrepublik untersuchen und prüfen, wo Verbesserungen notwendig sind, und zwar wiederum für die Dritte und die Vierte Welt, die ihre Produkte doch auf unseren Märkten absetzen müssen. Wir können uns nicht in die Welt stellen und sagen, wir sind für freien Welthandel, und die Schranken herunterlassen, wenn bei uns etwas geliefert werden soll. So einfach geht es nicht; diese Position ist nicht glaubwürdig. Zum zweiten gilt das aber auch wieder nach außen, weil die Belebung des Welthandels durch Importe natürlich Rückstrahlungswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland hat.
Auch in diesem Zusammenhang muß man diesen Bundeshaushalt sehen, und in diesem Zusammenhang möchte ich ihm jedenfalls das Attest einer wohlausgewogenen Finanz- und Haushaltspolitik im Namen der FDP-Fraktion erteilen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Herr Häfele, lassen Sie mich einige Worte zu dem sagen, was Sie im allgemeinen Teil Ihrer politischen Ausführungen hier haben anklingen lassen.

(Zuruf von der SPD: Es waren polemische Ausführungen!)

— Ja, auch polemisch; aber das macht nichts, denn man kann vielleicht auch versuchen, aus der Polemik den Kern herauszuholen. Ich hoffe, daß sich einer finden läßt.

(Franke [CDU/CSU] : Wenn das Polemik war, dann setzen Sie das fort!)

— Aber Herr Franke, Sie werden doch von mir nicht erwarten, daß ich auf Polemik unpolemisch antworte. Wie käme ich dazu? Ich würde Sie enttäuschen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Franke [CDU/CSU] : Das ist Ihr gutes Recht, das will ich gar nicht bestreiten!)

Es ist richtig und wir stimmen Ihnen darin zu, daß die Situation, insgesamt gesehen, angesichts völlig veränderter Daten innen und außen in der Bundesrepublik in den kommenden Jahren nicht einfacher, sondern schwieriger werden wird. Wir stimmen Ihnen auch darin zu, daß es eine der Voraussetzungen für die Lösung dieser Probleme ist, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Ich habe keinen Zweifel — ich teile diese Auffassung mit meinen Freunden; wir haben das auch selbstkritisch offen ausgesprochen —, daß Entscheidungen und Ereignisse der Jahre 1976 und 1977, Art und Thematik des Wahlkampfes, Rentenfragen und gleichzeitige Diätenverabschiedung, Energiedebatte, die diffus geführt wird, daß all das nicht dazu beigetragen hat — um es sehr vorsichtig auszudrücken —, das Vertrauen des Wählers und des Bürgers in die Einrichtungen der parlamentarischen Demokratie zu verstärken.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wenn wir das wieder herstellen wollen — ich fürchte, dies wird ein etwas längerer Prozeß sein, bei dem wir uns anstrengen und Mühe geben müssen, und zwar alle miteinander, die wir hier sind; ich weiß, daß auf allen Seiten des Hauses hierzu öffentliche Erklärungen abgegeben worden sind —, dann müssen mindestens zwei Erfordernisse berücksichtigt werden, wobei es wahrscheinlich noch einige mehr geben wird.
Erstens: Wir sollten versuchen, so ehrlich wie möglich zu argumentieren und so ehrlich wie möglich zu sein, um die Tatsachen so, wie wir sie sehen
— diese Einschränkung muß jeder machen, denn Ehrlichkeit und Wahrheit sind subjektive Begriffe[CDU/CSU] : Genau!)
auf den Tisch zu legen, und wir sollten nicht mit Steinen aus dem Glashaus werfen, wie das etwa zum Thema des gestrigen Urteils dès Bundesverfassungsgerichts zur Wahlwerbung heute teilweise geschehen ist, sondern wir sollten sehen, daß wir allesamt in diesem Glashaus sitzen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist von uns gesagt worden!)




Graf Lambsdorff
— Gut. Dann will ich dieses schöne Plakat aus Bayern aus dem Wahlkampf 1976 nicht noch vorzeigen. Hier sind wir allesamt und allzumal Sünder — wenn ich das in dieser Ihnen gemäßen Form sagen darf.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es gibt aber kleine und große Sünder!)

Zweitens. Die politischen Gruppierungen in diesem Land sollten sich darum bemühen, eindeutige Antworten auf die Probleme, wie sie heute vorliegen, zu geben. Damit meine ich: so geschlossene und, einheitliche Antworten wie nur irgend möglich. Es kann den Bürger nur verwirren, wenn er aus den Reihen einer Organisation für jedes Problem zwei oder mehr Antworten serviert bekommt.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Sehr gut!)

— Diese Bemerkung richtet sich auch an Ihre Adresse, Herr Haase. Was wir zur Rentenpolitik bisher von Ihnen gehört haben, sind eine Vielzahl und Vielfalt von Vorschlägen. Ich behaupte gar nicht, daß das, was die Regierung vorschlägt, bis zum letzten eine Patentlösung sein muß; aber es ist der Versuch, eine einheitliche Antwort zu geben, und wir können uns nicht damit zufriedengeben, daß Sie zwei oder drei Antworten zu diesem Thema und zu den Krankenversicherungskosten geben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir können uns auch nicht damit zufriedengeben, daß Sie uns in der Steuerfrage — der Bundesfinanzminister hat das heute hier zitiert — mehrere Antworten geben.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Sie dürfen wahrlich nicht von Hickhack sprechen, wenn Sie sich nicht den Vorwurf einhandeln wollen, daß Sie selber hier CDU/CSU-Gehacktes, aber reichlich ungenießbar, anliefern, in dem sich niemand zurechtfinden kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Franke [CDU/CSU] : Aber Herr Lambsdorff, von Flickschusterei sprechen Sie doch selber!)

— Herr Franke, dieses Stadium, in dem der Kollege Schmidt — subjektiv wahrscheinlich gar nicht einmal unberechtigt — das Stichwort der Flickschusterei in die Debatte eingeführt hat, ist beendet. Es gibt verbindliche, auf Koalitionsbeschlüssen und Kabinettsentscheidungen beruhende Vorschläge, die zur Diskussion stehen. Heute kann jeder wissen und sehen, was diese Koalition und diese Regierung in diesen Fragen wollen. Leider kann keiner sehen, was CDU und CSU — es würde schon genügen, wenn es wenigstens CDU wäre — einheitlich wollen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, der Haushalt 1977 festigt bei mir die Überzeugung, daß die Bundesregierung diese Situation erkannt hat, daß der Bundesfinanzminister versucht, im finanziellen Rahmen mit dem Haushalt die politische Antwort auf die Fragen zu geben, die sich uns heute stellen, und daß er diese Antwort solide, ehrlich und ausgewogen gibt. Hierfür bedankt sich die FDP-Fraktion beim Bundesfinanzminister.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801614200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Haase (Kassel).

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801614300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herrén! Der Herr Bundesfinanzminister hat zu Beginn seiner heutigen Ausführungen auf das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen und dargelegt, daß auch nach dem Urteil regierungsamtliche Informationspolitik möglich und nötig sei. Herr Bundesminister, das haben wir nie bestritten, und darum ist es in Karlsruhe überhaupt nicht gegangen. Das war alles völlig unumstritten. Gegenstand unserer Klage, Herr Apel, war der Mißbrauch, der von Ihrer Regierung mit dem Institut der Informationspolitik betrieben worden ist.
Herr Finanzminister, Sie bemühen bei Ihrer Argumentation ein Inserat der bayerischen Staatsregierung. Ich will das gar nicht verteidigen, obwohl Sie mit Ihren Informationskampagnen natürlich auch die Länderregierungen herausgefordert haben. Aber statt mit Ihren Argumenten, Herr Bundesfinanzminister, außer Landes zu gehen, sollten Sie nach diesem Urteil besser in sich gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nach diesem für Sie so niederschmetternden Ausgang der Angelegenheit sollten Sie einmal selbstkritisch prüfen, Herr Apel, welchen Anteil der Beihilfe Sie an diesem rechtswidrigen Unternehmen gehabt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben als Finanzminister, der mit dem Steuergeld doch in erster Linie treuhänderisch umgehen müßte, die schweren Verstöße gegen das Grundgesetz, die das Verfassungsgericht jetzt festgestellt hat, erst ermöglicht, Herr Apel. Sie haben das doch dadurch ermöglicht, daß Sie die 100 Millionen DM, die die Bundesregierung in den Wahlkampfauseinandersetzungen eingesetzt hat, Ihren Hofpropagandisten ausgeliefert haben.
Es war — aus der Sicht des Urteils von gestern kann man das heute schon sagen — an jenem denkwürdigen 24. Juni 1976 — wir debattierten hier, woran sich noch jeder erinnern wird, über die Wahlkampfführung der Bundesregierung in dem damals beginnenden Bundestagswahlkampf —, als uns unser sehr verehrter Herr Kollege Hoppe ermunterte, unsere Klagen doch in Karlsruhe vorzutragen.

(Zuruf des Abg. Hoppe [FDP])

— Sie können es im Protokoll nachlesen, lieber Herr Hoppe. Angesichts der von der CDU/CSU festgestellten schweren Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Finanzierung der Regierungswerbung aus Steuermitteln sollte die Opposition nach Ihrer Ansicht, Herr Kollege Hoppe, nicht so viel im Hohen Hause lamentieren, sondern in Karlsruhe Beweis führen. Nun, lieber Herr Hoppe, wir haben Ihre Anregung aufgegriffen. Wir sind nach Karls-



Haase (Kassel)

ruhe gegangen. Wir haben Beweis geführt und ein Urteil erstritten, das wohl tiefgreifende Rückwirkungen auf das Verhältnis der politischen Parteien zu den staatlichen Organen und das Verhalten der öffentlichen Hand im politischen Tageskampf nach sich ziehen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist nicht nur die Aktualität, die mich veranlaßt, diese Angelegenheit hier noch einmal aufzugreifen, sondern es sind die gravierenden Auswirkungen auch auf den Bundesetat, die dieses Urteil zwangsweise mit sich bringt. Denn eines kann man doch schon jetzt mit Fug und Recht sagen: das Urteil wird uns eine Fülle von Einsparungsmöglichkeiten schon in diesem Etat eröffnen. Die Rate der Einsparungen kann bei gutem Willen auf allen Seiten bei über 100 Millionen liegen. Herr Bundesfinanzminister, ich würde anregen, daß — als erster Akt im Zuge der tätigen Reue — Sie und Ihre Mitarbeiter uns jetzt im Haushaltsausschuß beim Suchen jener propagandistischen Schwachstellen behilflich sind, die in Zukunft im Etat überflüssig werden, weil das Verfassungsgericht diesen Ausgaben einen Riegel vorgeschoben hat.

(Beifall bei der CDU/CSU) Bitte, gehen Sie mit gutem Beispiel voran.

Mit seiner Entscheidung in der Klage der Christlich-Demokratischen Union gegen die Bundesregierung wegen Verletzung der Chancengleichheit der Parteien im Bundestagswahlkampf 1976 und wegen der Vergeudung von Steuermitteln hat das Gericht der Klage der Union in vollem Umfang stattgegeben. Das ist doch wohl unbestritten, auch angesichts der Entscheidung, ,daß der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten sind. Nunmehr ist für jedermann in dieser Republik kundig — ich sage das mit einer gewissen Genugtuung, denn ich habe sieben Jahre lang als Berichterstatter des Presseamtes von diesem Platz aus darauf hingewiesen, welcher unredlichen Mittel Sie sich im Rahmen Ihrer Volksaufklärung und Propaganda bedienen —, es ist jetzt für jedermann deutlich sichtbar, daß die amtierende Bundesregierung, in erster Linie der Bundeskanzler Schmidt, aber auch sein Finanzminister Apel - er ist ja von mir soeben schon der Beihilfe bezichtigt worden — sich schwerster Verstöße gegen das Grundgesetz schuldig gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, Sie haben sich in der Vergangenheit bei der Verteidigung Ihrer regierungsamtlichen Parteipropaganda auf ein Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahre 1966 zur Parteienfinanzierung berufen, in dem seinerzeit festgestellt worden war, daß Öffentlichkeitsarbeit der Regierung unbedenklich sei, soweit sie, auf ihre Organtätigkeit bezogen, der Offentlichkeit Maßnahmen und Vorhaben darlege und erläutere. Sie haben daraus förmlich eine Informationspflicht hergeleitet. Ich erinnere mich immer noch der werten Bemühungen des Kollegen Esters, uns darzulegen, welche Wohltaten das doch seien, wenn man dem mündigen
Bürger vermitteln müsse, was diese Regierung an Gutem aus dem Füllhorn ihrer Reformen auf das Land ausgeschüttet habe.
Nun kann man aber rückschauend mit Fug und Recht sagen: Sie haben letztes Jahr — ich will mich auf das letzte Jahr beschränken —, um Ihr politisches Überleben zu retten, dieses Land mit einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Kampagne zur Volksaufklärung und Propaganda überzogen, die ihresgleichen sucht. Trotz schlechter Wirtschaftslage,

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : So ist es!)

trotz trostloser Situation der Staatsfinanzen, trotz Abzügen bei Witwen, Waisen, Kriegsbeschädigten und Soldaten — wir haben es ja im Detail auch heute wieder gehört — haben Sie in die öffentlichen Kassen gegriffen mit dem Ziel, Ihre Wiederwahl zu sichern und sich die Staatsmacht zu erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist in unserer bundesrepublikanischen Geschichte wohl einmalig, wie diese Regierung — man muß schon sagen, mit aller Zurückhaltung — schamlos öffentliche Einrichtungen und Gelder für parteipolitische Zwecke mißbrauchte.

(Zurufe von der SPD)

— Ja, schamlos. Ich bin an manche Ausführungen erinnert, die der Kollege Wehner vor 1966 hier im Hause gemacht hat; er hatte sicher auch Anlaß, die Regierung zu schelten. Aber wir sind nun mal in 1977. Man kann sagen „Ihre billigen Sprüche", --

(Abg. Wehner [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage — Lachen bei. der CDU/ CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801614400
Herr Abgeordneter Haase, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801614500
Aber bitte sehr, Herr Kollege Wehner, gern.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0801614600
Sehr verehrter Herr Kollege Haase, ohne die Chancengleichheit verletzen zu wollen — deswegen will ich nicht, daß Sie unmittelbar antworten —, frage ich Sie, ob Sie bereit wären,. diesem Bundestag einmal aus der großen Kenntnis eines Berichterstatters auch im Nachschlagen in diesem Bereich die Sonderorganisationen früherer Bundesregierungen in Gestalt der „Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise", jener reich dotierten Organisation, die noch einen Vorgänger vor dieser Bundesrepublik hatte, und der „Mobilwerbung" hier darzulegen? Diese Frage stelle ich Ihnen, ob Sie dazu bereit wären.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Ablenkungsmanöver!)


Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801614700
Herr Kollege Wehner, ich kenne die Klagen, die Sie seinerzeit geführt haben, im Detail. Ich gebe Ihnen gern zu und greife ,das Wort des Grafen Lambsdorff auf: Wir sind hier alle



Haase (Kassel)

allzumal Sünder. Nur, im Augenblick stehen Ihre Taten hier zu Gericht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und der FDP — Möllemann [FDP] : Herr Haase sitzt im Glashaus, er merkt es nur noch nicht!)

Herr Wehner, noch ein Zweites. Wenn wir ein Resümee aus diesem Urteil ziehen — es gilt ja nicht nur für die gegenwärtige Regierung, sondern es gilt auch für zukünftige Regierungen und ebenfalls für die Länderregierungen —: Wir sollten froh darüber sein, daß wir zukünftig mit dieser aus zusätzlichen Steuermitteln bezahlten amtlichen Parteipropaganda nicht mehr behelligt werden. Wir sollten froh darüber sein, daß dieses Urteil so enge Grenzen zieht.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801614800
Herr Abgeordneter Haase, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Sperling?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801614900
Sicher, Herr Präsident! Aber ich habe doch nur ein Viertelstündchen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Ich

werde Ihnen das — —

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801615000
Lieber Herr Kollege Sperling, bitte.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0801615100
Vielen Dank! Herr Kollege Haase, ist Ihnen klar, daß nicht nur die Taten der Bundesregierung des letzten Jahres zu Gericht stehen, sondern auch die Taten aller Landesregierungen im gleichen Zeitraum, und sind Sie der Ansicht, daß die bayerische Staatsregierung „schamlos" gehandelt hat?

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Schamlos waren Ihre Genossen! Die haben brutal in die Kasse gefaßt! .— Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801615200
Lieber Herr Kollege Sperling, was konnten denn die armen Landesregierungen anders tun, die von der Bundesregierung permanent herausgefordert worden sind?

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD und der FDP)

Das sind doch nur die Reaktionen darauf gewesen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801615300
Herr Abgeordneter Haase, es haben sich inzwischen noch zwei Kollegen zu Zwischenfragen gemeldet. Sie haben soeben angedeutet, daß Sie — —

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801615400
Bitte, wir kommen sonst in die Nacht. Graf Lambsdorff, lassen Sie es, bitte!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801615500
Also erledigt.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0801615600
Meine Damen und Herren, Sie hatten wunderbare Texte. Wissen Sie, die billigen Sprüche, die Sie in Inseraten im Lande kolportierten, waren für die deutschen Bürger die teuersten, die es je gab. '

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Solche Leistungen verdienten wahrlich Vertrauen. Ich denke hier besonders — keine Angst, es kommt nur ein einziges Beispiel; aber das sollten wir uns noch einmal zu Gemüte führen — an das Lob, das Herr Bölling an jenem denkwürdigen 24. Juni in der Fragestunde, die der Aktuellen Stunde vorausging, der Druckschrift zur sozialen Sicherheit spendete. Sie kostete damals 2 Millionen DM. Zu dieser Schrift, die den inzwischen unrühmlich davongeschlichenen Walter Arendt

(Urbaniak [SPD] : Unerhört!)

in den höchsten Tönen als Rentnerfreund herausstellte, sagte Herr Bölling, sind eine Fülle positiver Zuschriften eingegangen. Da können Sie einmal sehen, meine Damen und Herren: mit „Rentnerfreund" haben Sie die Leute unter Vorspiegelung unredlicher Tatsachen eingefangen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Verfassungsgericht hat Ihnen das ja auch bescheinigt. Das ist nur ein einziges Beispiel, das rückschauend deutlich macht, daß Sie sich nicht nur Eigenlob gespendet und sich selbst auf die Schulter geklopft haben, sondern auch durch unredliche Darstellungen der Sachverhalte die Bürger in unserem Lande getäuscht haben.
Aber nicht genug damit, meine Damen und Herren: Sie benutzten im gleichen Zuge öffentliche Mittel, um die Opposition auch noch zu diffamieren. Leider! CDU und CSU wurden als „Schwarzmaler" gebrandmarkt,

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Und als „Panikmacher" !)

als wir es wagten, auf die Problematik der Arendtschen Rentenrechnerei hinzuweisen. Dafür, daß wir unserer demokratischen Oppositionspflicht nachkamen und auf das sich abzeichnende Rentenfiasko hinwiesen, wurden wir mit regierungsamtlichen Mitteln herabgesetzt und einer unchristlichen Handlungsweise geziehen. Jedermann hat doch das noch in der Erinnerung. Inzwischen weiß jeder in diesem Lande, wer unredlich handelte und wer unchristliches Verhalten in diesem Wahlkampf an den Tag gelegt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Opposition hat der Regierung in der Vergangenheit immer eine vernünftige Informationspolitik zugebilligt — ohne jeden Zweifel. Wir haben uns immer nur dann gewehrt, wenn sich die Regierung in Vorwahlkämpfen und Wahlkämpfen praktisch mit politischen Parteien identifizierte und sich gleichsam dem Publikum zur Wiederwahl stellte.



Haase (Kassel)

Nun, damit wird es wohl ein Ende haben. Ein parteiergreifendes Einwirken von Staatsorganen in die Wahl wird es künftig nicht mehr geben. Es wird auch zu Ende sein mit der die offene staatsfreie Willensbildung des Volkes verfälschenden beeinflussenden Werbung der Bundesregierung zwischen den Wahlen oder in wahlfreien Jahren.
Meine Damen und Herren, ein ganz wichtiger Punkt: Auch mit dem Einsatz von Sachleistungen des Staatsapparates im politischen Tageskampf muß es nunmehr ein Ende haben. Das bequeme Jetten im Flugzeug mit dem Balkenkreuz von einer Partei-und Wahlveranstaltung zur anderen wird in Zukunft auch nicht nur mehr als Akt der Veruntreuung von Steuergeldern angesehen werden, sondern erscheint unzulässig, da es gleichfalls eine grobe Verletzung der Chancengleichheit bewirkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unserem verehrten Herrn Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als stellvertretendem SPD-Vorsitzenden wird von uns natürlich auch in Zukunft der Jet gegönnt, nur nicht mehr der mit dem Balkenkreuz, wenn er parteiamtlich unterwegs ist. Ich kenne im Augenblick nicht die Embleme der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, aber die mögen Sie an das Flugzeug malen. Mit dem Geld Ihrer Partei kann Herr Schmidt jetten von der Maas bis an die Memel, aber nicht mehr im Bundeswehr-Jet.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wir malen ein Häschen drauf!)

Abschließend, meine Damen und Herren: Wir blasen keine Fanfaren der Selbstgerechtigkeit, wie Herr Bölling gestern befürchtete, keineswegs. Das habe ich Ihnen auch schon deutlich gemacht. Ich wiederhole das noch einmal. Wir sind ja hier allzumal Sünder, der eine mehr, der andere weniger, Sie im Augenblick ganz besonders.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, positiv zu werten ist, daß uns angesichts der Weiterungen dieses Urteils auch für die Landesregierungen und selbstverständlich auch für die Kommunen in Zukunft eine Wahlkampfführung der öffentlichen Organe erspart bleiben wird. Auch die Kommunen, die sich ja, wie uns immer wieder versichert wird, in finanziell so klammen Verhältnissen befinden, sind aufgerufen aufzuhören, unredlich zu werden; denn die können das zum Teil auch ganz gut. Gehen Sie einmal nach Frankfurt. Da können Sie im Augenblick erleben, was eine pfiffige Stadtverwaltung unter sozialdemokratischer Führung an öffentlichen Mitteln im Wahlkampf einsetzt. Auch die Adventsabende für die lieben Alten zu Ostern kurz vor der Wahl sollten tunlichst unterbleiben. Da fließt nämlich auch eine Menge unnützer Gelder hin.
Wir werden manche Ersparnisse erzielen können und den Bürger in Zukunft vor dem Ärgernis regierungsamtlicher Werbung bewahren. Eine gründliche Durchforstung des vorliegenden Etats nach nunmehr überflüssigen Werbeansätzen kündigt die Opposition schon heute an. Ich bin dem Berichterstatter für den Etat des Presseamtes, unserem Freund Wohlrabe, sehr verbunden, daß er dem Presseamt bereits heute ein Schreiben hat zugehen lassen, in dem er es auffordert, von sich aus erste Kürzungsvorschläge unter dem Gesichtspunkt des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu erarbeiten.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das gilt nicht nur für diesen Etat, sondern auch für die anderen Einzelhaushalte. Wir werden bei gutem Willen ein Fülle von Kürzungen anbringen können, und es wird sich sicher ein schönes Sümmchen zum Wohle unserer Bürger einsparen lassen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Zum Wohle, ja!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801615700
Das
Wort hat der Abgeordnete Esters.

Helmut Esters (SPD):
Rede ID: ID0801615800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haase, es hat in der letzten Zeit schon einmal ein Verfassungsgerichtsurteil gegeben, wo zunächst eine ganze Menge von Kollegen hurra schrie, aber erst sehr .viel später merkte, daß sie dies auf dem falschen Fuße getan hatten. Denn in dem Moment, wo man in die nähere Prüfung eintrat, wich die Begeisterung sehr schnell, und alles sah danach ganz anders aus, als man es sich ursprünglich gedacht hatte.
Ich will aber drei Sätze aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitieren, damit wir klar sehen, wer hier verurteilt worden ist und weshalb.
Erstens Seite 51:
Die Grenzen zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und verfassungswidrigem Hineinwirken in den Wahlkampf waren bisher umstritten. Ihr Verlauf wird in dieser Entscheidung erstmals näher präzisiert. Diese Grenzen sind nicht nur bei der Bundestagswahl 1976, sondern auch schon zuvor in zunehmendem Maße von den Regierungen in Bund und Ländern überschritten worden.
Zweitens Seite 27:
Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist in Grenzen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig.
Der dritte Satz bezieht sich dann darauf, daß Bund und Länder in dieser Frage anders fahren müssen.
Herr Kollege Haase, durch die Zwischenfrage von Herrn Wehner sind Sie ja schon darauf aufmerksam gemacht worden: Es sollte sich hier als Ankläger tunlichst nur hinstellen, wer dies mit reiner Weste tun könnte. Ein fest eingespielter Apparat mit 2 000 Beschäftigten bei der ADK — Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise —: Ganze Wagenkolonnen waren in der Mobilwerbung eingesetzt. Dies alles ist abgeschafft worden. Und, Herr Kollege Haase, die Bayerische Staatsregierung — da bin ich ganz sicher — wird ihre helle Freude an diesem Urteil haben.

(Beifall bei der SPD)




Esters
Denn so wie der Kollege Wohlrabe Herrn Bölling gebeten hat, einiges wegzutun, wird wohl die Bayerische Staatsregierung — von sich aus, verständlicherweise, Herr Kollege Althammer — Wert darauf legen, die 1977 erstmals im Etat ausgebrachten 1,2 Millionen DM — wohlgemerkt, nur- Verteilungskosten für eine Boulevardzeitung mit einer Auflage von 3 Millionen

(Hört! Hört! bei der SPD)

als Beilage für die bayerischen Tageszeitungen — zur Streichung anzubieten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801615900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801616000
Herr Kollege Esters, nachdem nun schon wiederholt die Mobilwerbung und die ADK angesprochen sind, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß diese Organisation überparteilich war

(Lachen bei der SPD und der FDP)

und daß in ihr, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, erfreulicherweise sehr viele Sozialdemokraten mitgearbeitet haben.

Helmut Esters (SPD):
Rede ID: ID0801616100
Herr Kollege Dr. Althammer, ich glaube, Sie haben dem Lachen meiner Fraktionskollegen entnehmen können, daß dies sicher eine ganz neue Erkenntnis ist. Wenn es so gewesen wäre, hätten Sie da einen hervorragenden Trick angewandt. Denn in der Perfektion, mit der Sie in dieser Phase mit Steuergeldern umgegangen sind, sind Sie nach wie vor unübertroffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will aber noch einiges zu dem sagen, was in dem Urteil steht, und zu der Frage, zu welchen Konsequenzen es führt. Das Verfassungsgericht hat zum erstenmal Grundsätze für die Grenzziehung zwischen zulässiger und nicht zulässiger Öffentlichkeitsarbeit aufgestellt, und zwar für die Verfassungsorgane in Bund und Ländern. Grundsätzlich ist Öffentlichkeitsarbeit zulässig. Dies ist ausdrücklich klargestellt worden.
Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit wird erst in Frage gestellt, wenn es um Einflußnahmen auf den Wahlkampf geht. Als Indizien sind in dem Urteil — ich nehme an, Herr Kollege Haase, Sie haben dies auch gelesen — genannt: Massierung von Anzeigen, Broschüren und Faltblättern, Identifizieren von Staatsorganen mit Parteien, appellartige Ansprache der Wähler, reklamehafte Aufmachung der Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, Verteilung von Broschüren und Faltblättern über Parteien und nahestehende Organisationen, positive Leistungsbilanzen am Ende der Legislaturperiode.
Der Bundesregierung kann man hier sicherlich zugute halten, daß sie einer Praxis gefolgt ist, ohne die Negativwirkungen zu übernehmen, die frühere Bundesregierungen begründet haben und an die sich bis jetzt auch die Landesregierungen gehalten haben. Durch die ausdrückliche Einbeziehung der Länder in
das Urteil ist die Chancengleichheit, was die Reaktion auf Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit mancher Länder anbelangt, wiederhergestellt worden. Danach wird es auch z. B. nicht mehr möglich sein, daß der Kollege Kohl oder der neue Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz Maßnahmen als Leistungen der Landesregierung für Dinge in Anspruch nimmt, die der Bund geleistet hat, sprich: Autobahnbau.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dies haben wir ja in den Serien von Anzeigen seinerzeit gehabt.
Wenn in dem Urteil verschiedentlich davon gesprochen wird, daß hier zu viel mit Bildern argumentiert werde, muß man natürlich immer mal wieder in die alten Unterlagen sehen. Die Anzeigen — Herrn Althammer habe ich sie schon mal gezeigt — enthalten natürlich sehr viel Information für den Bürger. Saarbrücker Zeitung: „Der Ministerpräsident" . Zwei Worte!

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Wir sind doch hier nicht im Saarländischen Landtag! Wir reden hier über die Schandtaten der Bundesregierung!)

— Einen Moment! Ich will hier nur sagen, wie die Konsequenzen in diesem Fall für Bund und Länder aussehen, Herr Kollege Wohlrabe. Sie können sich beruhigen, wir werden damit ja gemeinsam zu tun haben. S

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801616200
Herr Abgeordneter Esters, Sie gestatten wohl die Zwischenfrage des Abgeordneten Schröder.

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801616300
Herr Kollege, ich möchte in Anknüpfung an eine Bemerkung des Kollegen Graf Lambsdorff, hier keine Schlachten von gestern auszuführen, fragen: Welche konkreten Schlußfolgerungen gedenkt die sozialdemokratische Haushaltsgruppe bezüglich der Haushaltstitel „Öffentlichkeitsarbeit" aus dem Urteil von Karlsruhe zu ziehen?

Helmut Esters (SPD):
Rede ID: ID0801616400
Herr Kollege Schröder, die Sozialdemokraten und Freien Demokraten im Haushaltsausschuß haben diese Fragen bereits behandelt und beraten, bevor wir wußten, wie das Urteil aus Karlsruhe aussehen würde.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Bei dem, was wir dort beschlossen haben, können wir guten Gewissens bleiben.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801616500
Sie gestatten wohl eine weitere Zwischenfrage.

Klaus Hartmann (CSU):
Rede ID: ID0801616600
Herr Kollege, wären Sie um der Wahrheit willen bereit, bevor Sie weiter nach dem Motto „Haltet den Dieb!" argumentieren, einzuräumen, daß die Aussage, nicht erst die jetzige Bundesregierung habe Verstöße der gerügten Art begangen, sondern neben zahlreichen Landesregie-



Hartmann
rungen auch frühere Bundesregierungen, weder in den Leitsätzen noch in den Gründen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts drinsteht, sondern lediglich — ich setze dies in Anführungsstriche — in dem Sondervotum der Richter Geiger und Hirsch?

Helmut Esters (SPD):
Rede ID: ID0801616700
Das stimmt nicht. Das steht in dem Begründungsteil des Urteils selbst drin. Ich kann es Ihnen gern zur Verfügung stellen.
Ich will aber auch noch sagen, worauf wir uns hier demnächst einzulassen haben. Die Kriterien für die Abgrenzung von zulässiger und unzulässiger Öffentlichkeitsarbeit sind in der Begründung des Urteils ausschließlich an Wahlkampfzeiten orientiert.
Meiner Meinung nach wird dabei nicht genügend berücksichtigt, daß in der Bundesrepublik Deutschland laufend Landtagswahlkämpfe stattfinden. Hier wird es Probleme geben. Deswegen bin ich dankbar für die Ankündigung des Bundesfinanzministers, daß es hier zu Absprachen mit den Länderregierungen kommen soll.
Die notwendige und vom Gericht nicht bestrittene Informationstätigkeit einer Regierung könnte unvertretbar stark beeinträchtigt werden, wenn man daran denkt, daß die Leistungsbilanzen am Ende einer Legislaturperiode — dies gilt auch als grundsätzliches Problem — nicht mehr gegeben werden dürfen. Und schließlich wird man sehen müssen, daß der Beginn der eigentlich relevanten Wahlkampfzeiten wenig genau präzisiert worden ist.
Ich wollte diese Bemerkungen nur dazu machen, damit Sie schon jetzt wissen, daß ein frühzeitiges Triumphieren unter Umständen Sie oder Ihre Parteifreunde, die anderswo mit diesem Urteil zu tun haben, in eine ganz andere Richtung bringen wird, als Sie es zur Zeit gern hätten. Im übrigen, Herr Kollege Haase, wir werden das, was wir für notwendig halten, an Konsequenzen hieraus zu ziehen, tun; dies nach genauer Prüfung dessen, was in dem Urteil steht. Nach erstem Durchsehen, glaube ich, können die Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuß bei den Beschlüssen bleiben, die sie intern bereits gefaßt haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801616800
Das Wort
hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801616900
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen, meine Herren! Ich wollte mich nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschäftigen, sondern zu anderen Problemen der Haushaltspolitik und des gesamtwirtschaftlichen Bereichs zurückkehren. Nur, Herr Abgeordneter, weil Sie eben etwas gesagt haben, was im Urteil stehe und was nicht, erlaube ich mir, aus dem Urteil wörtlich zu zitieren. Es heißt dort in der mir vorliegenden Fassung auf Seite 51 unter VI:
Die Grenzen zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und verfassungswidrigem Hineinwirken in den Wahlkampf waren bisher umstritten. Ihr Verlauf wird in dieser Entscheidung erstmals näher präzisiert.
Dann geht es wörtlich weiter im Urteil:
Diese Grenzen sind nicht nur bei der Bundestagswahl 1976, sondern auch schon zuvor in zunehmendem Maße von den Regierungen in Bund und Ländern überschritten worden.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : 1972! Vollkommen richtig!)

An der • verfassungsrechtlichen Beurteilung konnte sich dadurch nichts ändern.
Dies ist von den Mitgliedern des Senats des Bundesverfassungsgerichts unterschrieben. Ich wollte nur haben, daß im Protokoll steht, was das Gericht wirklich gesagt hat.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Die Bundesregierung 1972!)

— Herr Abgeordneter, es heißt Regierungen in Bund und Ländern. Sie können es also nicht eingrenzen.
Aber, meine Damen und Herren, ich wollte zurückkommen auf Debattenbeiträge, die Vertreter der Oppositionsparteien heute vormittag gehalten haben, und zwar erstens auf den Bereich abweichender Äußerungen von mir zur Frage der Einkommenspolitik in diesem Jahr oder anders ausgedrückt, Herr Abgeordneter, zur Tarifpolitik. Weil ich dieser Frage, so lange die Tarifverträge für dieses Jahr noch nicht abgeschlossen sind, eine erhebliche Bedeutung beimesse und weil ich Mißinterpretationen zuvorkommen wollte, habe ich mich damit bei der Eröffnung der Frankfurter Frühjahrsmesse bewußt und — ich glaube — einigermaßen exakt befaßt. Ich möchte Ihnen gerne sagen, was ich dort ausgeführt habe:
Die einkommenspolitischen Entscheidungen der Tarifvertragsparteien bleiben dabei
— davor hatte ich dargelegt: Wachstums-, Beschäftigungsziele —
eine Gratwanderung zwischen Kostenwirksamkeit auf der einen und Nachfrageeffekt auf der anderen Seite. Wenn in letzter Zeit hin und wieder der Nachfrageaspekt steigender Löhne und Gehälter einseitig in den Vordergrund gerückt worden ist, so ist dazu anzumerken: Die Lohnkosten sind nun einmal der bedeutendste inländische Kostenfaktor. Immerhin werden in einer Lohnrunde zusätzliche Kosten produziert, die, um eine Größenordnung zu nennen, grob die Hälfte der Aufwendungen für Ausrüstungsinvestitionen ausmachen. Für das einzelne Unternehmen sind diese Kosten unmittelbar zu spüren und haben damit erhebliches Gewicht bei allen Entscheidungen. Nicht nur die jeweilige Höhe, auch die Erwartungen über zukünftige Entwicklungen sind mitbestimmend dafür, inwieweit investiert und rentabel produziert werden kann.
So weit werden wir uns vielleicht auch einigen können. Aber ich habe, weil in letzter Zeit einige Propheten aufgetreten sind, die, überspitzt gesagt, so taten, als ob Tarifvertragsabschlüsse bei Null ideale Wachstumsvoraussetzungen seien, folgendes hinzugefügt, nämlich:



Bundesminister Dr. Friderichs
Auf der anderen Seite spielen auch Absatzerwartungen, für die eine Endnachfrage vorhanden sein muß, eine Rolle. Deshalb kann, wenn es um die Gesamtwirtschaft geht, auch der Nachfrageaspekt bei der Entwicklung der Einkommen nicht unberücksichtigt bleiben. Die These: Je geringer der Lohnansstieg, desto besser für den Konjunkturaufschwung, ist ebenso falsch wie die These, allein der Nachfrageaspekt sei das Entscheidende.
Ich habe weiter hinzugefügt:
Das einseitige Hervorheben der Nachfragewirkung bedeutet ein Münchhausen-Rezept, und zwar mit der Besonderheit, daß der Schopf, an dem man sich aus dem Sumpf ziehen will, am Ende sich als Toupet erweist.
Denn das ist das Problem, wenn Sie nur die eine Seite sehen. Ich habe versucht, darzulegen, daß dann, wenn die Lohnerhöhungen nur in die Preissteigerungen gehen, real nichts bewirkt wird, daß sie aber dann, wenn sie über Preissteigerungen nicht abgewälzt werden können, in die Rentabilität gehen und damit Investitionsprobleme auftreten können. Das ist das Problem, wenn die Gratwanderung nicht sauber durchgeführt wird.
Weil sich ein Redner, ein Vertreter der deutschen Industrie, auf derselben Veranstaltung vorher mit dem Metallabschluß auseinandergesetzt und ihn wieder mit 6,9 % benannt hat, habe ich — und dies zitiere ich nun wörtlich — hinzugefügt:
Deshalb habe ich den Metallabschluß kritisiert.
Ich habe weiter hinzugefügt:
Ich wollte nicht, daß er Modell für die anderen Abschlüsse würde. Allerdings waren insoweit die Überschriften in der Presse zum Teil nicht korrekt. Denn in den Überschriften stand: 6,9 %; darunter meine Kritik.
Ich habe hinzugefügt:
Meine Kritik richtet sich allerdings gegen die tatsächliche Höhe des Vereinbarten. Und die tatsächliche Höhe liegt nach, meinen Berechnungen bei zirka 81/2 %. Dies
— so habe ich gesagt —
ist vom Jahreswirtschaftsbericht nicht mehr abgedeckt, weil diese Steigerung außerhalb der Möglichkeiten liegt, wenn wir die für die Beschäftigung und das Wachstum angestrebten Ziele in diesem Jahr erreichen wollen.
Dieser Bemerkung habe ich nichts hinzuzufügen. Mir ging es um eine Präzisierung, weil ich dringend bitte, mitten in schwierigen tarifpolitischen Auseinandersetzungen nicht durch überflüssige, nur an Parteiegoismen aufgehängte öffentliche Polemik eine richtige Entwicklung zu gefährden. Darum bitte ich auch hier und heute.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Hat das auch der Bundesfinanzminister begriffen?)

Nun ein Wort zu Ihrer Forderung, meine Damen und Herren von der Opposition, die mich überrascht
hat, nämlich auf Grund eines Tarifabschlusses die Eckwerte des Jahreswirtschaftsberichts zu korrigieren. Wir werden darüber, so glaube ich, im Detail besser dann sprechen, wenn wir Ende März die entsprechende Debatte haben. Aber was ist denn das, was im Jahreswirtschaftsbericht steht? Meine Damen und Herren, das ist eine Zielprojektion. Das heißt, es ist das, was die Regierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln — Steuerpolitik, Wirtschaftspolitik, unterstützt durch die Bundesbank — an ökonomischen Zielen erreichen will. Aber es ist auf keinen Fall eine Prognose. Wenn also Ihre Aufforderung, die Eckdaten zu revidieren, von uns ernst genommen werden sollte, dann müßten wir wegen eines Abschlusses, der sich nicht in der Zielprojektion bewegt, danach die eigenen Ziele der tatsächlichen Entwicklung anpassen. Genau dies ist nicht die Aufgabe, die das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz der Regierung gestellt hat. Das wäre möglicherweise der Fall, wenn wir eine Prognoseaufgabe hätten. Die haben wir aber nicht. Wir haben eine Projektionsaufgabe. Tun Sie mir doch den Gefallen: Lassen Sie uns endlich einmal miteinander den Unterschied zwischen Projektion und Prognose klären. Das sind zwei verschiedene Dinge.

(Beifall bei der FDP)

Abgesehen davon: Nie — auch nicht, als Sie den Bundeskanzler stellten — sind die Eckwerte des Jahreswirtschaftsberichts später korrigiert worden, auch nicht, Herr Abgeordneter, in Zeiten, in denen die Eckwerte um beachtliche Prozentsätze verfehlt worden sind, z. B. beim Wachstum. Nur ein einziges Mal hat die Regierung mitten im Jahr festgestellt, daß die Eckwerte auf Grund der tatsächlichen Entwicklung nicht erreicht würden. Das war, glaube ich, im Jahre 1970. Abgesehen davon ist es ja auch sehr riskant, auf Grund eines einzigen Abschlusses so etwas zu verlangen. Unser Bestreben muß doch sein, durch die anderen Abschlüsse, die noch folgen, die Voraussetzung zu schaffen; daß die Zahlen, die im Jahreswirtschaftsbericht stehen, möglichst erreicht werden, nämlich eine Steigerung der Lohn- und Gehaltssumme pro Beschäftigten von 7,5 °/o; nicht zu verwechseln mit dem Tarifabschluß. Und das, was der Kollege Maihofer in den letzten Tagen erreicht hat, ist ein Beitrag dazu, daß trotz des von mir kritisierten Abschlusses diese Projektion eben nicht unrealistisch geworden ist. Aber darüber sollten wir Ende dieses Monats miteinander sprechen.
Lassen Sie mich noch zu einem einzigen Punkt ein Wort sagen. Ich bin ein bißchen erschrocken, unter wie stark fiskalischen Gesichtspunkten die Haushaltsdebatte heute vormittag geführt worden ist. Eigentlich ist der Haushalt in unserem Gemeinwesen doch nicht nur eine Fiskalfrage, sondern er ist auch ein wichtiges Datum in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Auch er ist doch ein Eckwert. Wenn Sie, Herr Abgeordneter, das wahrmachen, was Sie heute morgen vorgeschlagen haben, nämlich den Haushalt in seiner Zuwachsrate von 10 Milliarden um 5 Milliarden DM verändern

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

— habe ich Herrn Althammer falsch verstanden? —,

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Nein!)




Bundesminister Dr. Friderichs
dann müssen Sie nach Ihrer Theorie auch einen Eckwert korrigieren; denn wenn die öffentliche Gesamtnachfrage durch Reduzierung des Haushaltsvolumens um 5 Milliarden DM anders wächst als in unserer Projektion, müssen Sie konsequenterweise das Wachstumsziel verändern. Sie werden es dann nämlich nicht erreichen. Herr Althammer, Sie wissen genauso gut wie ich: 5 Milliarden DM öffentliche Gesamtnachfrage sind rund 1/2 Prozent des Bruttosozialprodukts. Das können Sie doch nicht bestreiten. Das ist eine sehr einfache Rechnung.

(Abg. Dr. Althammer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Bitte schön.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801617000
Herr Minister, sind Sie bereit zuzugeben, daß es sehr darauf ankommt, wie diese Kürzungen ausfallen, und daß man nicht schlicht umrechnen und behaupten kann, das bringe eine entsprechende Reduzierung der Gesamtnachfrage mit sich?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801617100
Es ist überhaupt keine Frage, Herr Abgeordneter, daß das Wie auch entscheidend ist. Aber nach der normalen, einfachen Rechnung ist es wirklich so, daß 5 Milliarden DM nicht vorhandener öffentlicher Gesamtnachfrage das Bruttosozialprodukt mit ungefähr einem halben Prozentsatz tangieren. Das können wir Ihnen auf Grund der Primär- und Sekundärwirkungen dieser öffentlichen Ausgaben sehr leicht nachweisen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801617200
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leicht?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801617300
Bitte schön.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801617400
Herr Minister Friderichs, Sie kennen sicherlich die Veröffentlichung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen vom heutigen Tage.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801617500
Vom heutigen Tage?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801617600
Vom heutigen Tage.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801617700
Nein, die kenne ich nicht. Ich habe sie nicht gelesen.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0801617800
Aber trotzdem darf ich wenigstens einen Satz daraus vorlesen, weil er gerade hierhin paßt, und Sie fragen, wie Sie dazu stehen: Sodann sei eine Finanzpolitik nötig — und wir haben es ja mit der Finanzpolitik zu tun —, die den Ausweg nicht zuerst in Steuererhöhungen und zusätzlichen Belastungen suche, sondern den Wildwuchs öffentlicher Ausgaben beschneide. Die Frage stelle ich nur deshalb, weil vorher die jetzige Situation unter Umständen ewas schiecher beurteilt wird, als andere Institute sie sehen.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801617900
Wobei ich mich zur Zeit mit dem Haushalt 1977 befasse, von dem mir nicht bekannt ist, daß er Steuererhöhungen enthält, wenn ich von Branntwein- und Tabaksteuer absehe, die — was ich zugebe — ihre Wirkung haben.
Aber ich wollte hierbei auf etwas anderes eingehen. In diesem Parlament gibt es sicher keine Divergenz der Meinungen, daß es gelingen muß, den öffentlichen Gesamthaushalt weiterhin mittelfristig zu konsolidieren, d. h., die Nettokreditaufnahme aller Gebietskörperschaften unter das derzeitige Maß herabzudrücken, auch nicht zwischen dem Finanzminister und uns. Das ist auch sein Ziel.
Aber, meine Damen und Herren, auf der anderen Seite muß man auch einmal fragen: Wie hoch soll eigentlich aus gesamtwirtschaftlichen Gründen der öffentliche Gesamthaushalt sein, und wie soll seine Finanzierung erfolgen? Lassen Sie mich dazu nur zwei, drei Bemerkungen machen. Wir haben 1977 eine Ersparnisbildung der privaten Haushalte von gut 100 Milliarden DM. Das öffentliche Defizit einschließlich der Sozialversicherung beträgt rund 55 Milliarden DM. Von der privaten Ersparnisbildung geht noch ein kleiner Teil als Kapitalexport nach draußen.
Ich bin ökonomisch davon überzeugt, daß der verbleibende Rest der privaten Ersparnisbildung voll ausreicht — ich betone: voll ausreicht — zur Finanzierung der privaten Investitionstätigkeit. Das ist doch die entscheidende Frage: ob ich die private Ersparnisbildung zu stark in Anspruch nehme zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben und dadurch die private Investitionstätigkeit gefährde oder ob ich Mittel, die ansonsten eben nicht in Anspruch genommen werden, benutze, um eine Gesamtnachfrage zu produzieren, die ich ermöglichen will, weil ich mir nun einmal ein Wachstumsziel von 5 % gesetzt habe, das ich wiederum unter anderem aus beschäftigungspolitischen Gründen erreichen möchte.
Ich glaube, das sind Fragen, über die wir ein bißchen mehr sprechen müssen als nur über ein Urteil, dem ich mit keinem Wort ausweichen will. Zudem kommt auch die Selbstfinanzierungsquote der privaten Wirtschaft mit ins Spiel, die ich doch auch im Ansatz bringen muß. Oder wollen Sie wirklich sagen: Lieber ein bißchen schneller konsolidiert und ein bißchen weniger Wachstum und ein bißchen mehr Probleme im Beschäftigungsbereich?
Anders ausgedrückt: Dieselbe Gratwanderung, Herr Leicht, die wir bei der Feststellung „Löhne sind Nachfrage und Kosten" machen, müssen wir im Grunde genommen auch bei der Frage machen „Konsolidierung und öffentliche Gesamtnachfrage".
Ich glaube, daß der Haushalt in seiner jetzigen Steigerungsrate genau diese Gratwanderung versucht, nämlich mittelfristig das Konsolidierungsziel nicht aus den Augen zu verlieren, aber auch seiner Verpflichtung gerecht zu werden, die öffentliche Ge-



Bundesminister Dr. Friderichs
samtnachfrage zu ermöglichen, die Sie ganz einfach brauchen, wenn Sie nicht vermeidbare Probleme selbst erzeugen wollen. Das ist doch die Frage, die an eine Regierung gestellt wird.
Deswegen können Sie es sich nicht so leicht machen, einfach nur zu sagen: Kürzen wir einmal um 5 Milliarden DM. Sie müssen wissen, daß Sie dann dafür andere Daten verändern müssen, wenn Sie dasselbe Ziel erreichen wollen, und Sie müssen eben sagen, welche Daten Sie damit meinen.
Ich glaube, daß das Defizit der öffentlichen Haushalte einschließlich der Sozialversicherung im Jahre 1977 — und darüber reden wir — gesamtwirtschaftlich nicht nur vertretbar ist, sondern ich bin sogar der Meinung, daß das öffentliche Defizit im Januar 1977 in der Größenordnung, wie es sich in diesem Haushaltsplan niederschlägt, aus gesamtwirtschaftlichen Gründen schlicht und einfach erforderlich ist, nämlich um die Gesamtnachfrage auf das Niveau zu bringen, auf dem wir sie haben wollen, wenn wir das Wachstumsziel erreichen wollen. Das ist doch die Gretchenfrage.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn Sie nein sagen — natürlich gibt es keine ökonomische Theorie oder Alternative —, dann müssen wir uns darüber unterhalten, wie Sie sonst die 5 % erreichen wollen, die ich will. Wir sind uns doch wohl darüber einig, das sich, wenn wir wesentlich unter 4,5 % bleiben, im Beschäftigungsbereich wenig oder gar gar nichts verändert. Daß dies auch ein Ziel ist, wenn wir diese Ordnung halten wollen, dürfte keine Frage sein.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801618000
Herr
Bundeswirtschaftsminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801618100
Wenn es sein muß, bitte.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0801618200
Herr Minister, können Sie sich nicht dennoch vorstellen, daß bei zielgerichteten Streichungen im Haushalt die öffentliche Nachfrage durch private Nachfrage ersetzt wird, zumal die Sparquote in letzter Zeit rückläufig war?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0801618300
Wenn wir dieser Meinung so sicher wären, hätten wir wahrscheinlich die private Nachfrage etwas anders eingesetzt; aber hier zeigt sich doch, Herr Abgeordneter — ganz unabhängig von der Frage, ob Sie den Menschen mehr Geld lassen oder weniger Geld lassen; ich meine das jetzt im Hinblick auf die Steuerpolitik —, daß auf Grund des erreichten Lebensstandards die früheren Nachfragestrukturen nicht mehr gelten. Es ist doch kein Geheimnis, daß von jeder Mark, die netto mehr verdient wird — lassen Sie brutto ganz weg —, eben nicht mehr automatisch die früheren Kanäle gespeist werden, nämlich produktionswirksame Bereiche der Konsumgüterindustrie. Wir haben doch vor zwei Jahren gespürt, daß die Sparquote in ihrer Elastizität weitgehend emotional bestimmt ist. Wir
haben ebenso zur Kenntnis nehmen müssen, daß vom zusätzlichen Verdienst ein relativ hoher Anteil zum Beispiel in den Bereich Freizeitgestaltung/ Reisen geht, was bei uns angesichts der Fremdenverkehrsbilanz und Reisebilanz der deutschen Staatsbürger de facto Export bedeutet. Das heißt: es gibt eben nicht automatisch 5 Milliarden DM private Nachfrage. Wenn das so wäre, könnten Sie theoretisch vergleichsweise leicht umbuchen. Weil es nicht so ist, können Sie das nicht so einfach machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Oder anders ausgedrückt: Wer 5 Milliarden DM streicht, muß eine Antwort darauf geben, wie er die Gesamtnachfrage strukturieren will — wenn er nicht zugeben will, was er damit sonst hinsichtlich Wachstum und Beschäftigung anrichtet. Ich betone noch einmal, alles dies steht unter der Voraussetzung: Anpeilen einer mittelfristigen Konsolidierung.
Jetzt sage ich etwas, was mit dem Finanzminister nicht abgestimmt ist und mehr in sein Ressort gehört. Meine Damen und Herren, wir müssen dazu kommen, statt Vergangenheit zu bewältigen, hier wirklich einmal eine zukunftsorientierte Debatte zu führen. Ich hoffe für den 24. März darauf. Wir haben uns voriges Jahr einen Vormittag gestritten, ob wir ein Wachstum von 4 bis 5 % oder nur von 31/2 % erreichen. Hinterher hatten wir 5,6 %. Das war doch die Wirtschaftsdebatte des vorigen Jahres! Es ist abenteuerlich — Sie können das nachlesen —, worüber wir uns gestritten haben. Weil wir beide unrecht hatten, mußten wir uns beide nach oben korrigieren. Das war der feine Unterschied.
Meine Damen und Herren, es erhebt sich die Frage: Welche Bedingungen muß ich eigentlich in einem Land wie der Bundesrepublik mit ihrem jetzigen Kostenniveau, mit 25 % Export des Bruttosozialproduktes und all den anderen Rahmenbedingungen haben, um auf Dauer das Ziel zu erreichen? Ich stelle das heute nur als Frage; ich bin aber gern bereit, bei der Debatte des Jahreswirtschaftsberichtes darüber zu sprechen, ob wir aus gesamtwirtschaftlichen Gründen — ich betone: aus gesamtwirtschaftlichen Gründen! — unabhängig von der erforderlichen Konsolidierung auf Dauer ein höheres öffentliches Defizit brauchen, als wir es in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Kriege hatten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war ja fast Null!)

— Bitte, das sind Fragen, über die wir sprechen müssen, nämlich ob wir mit dem öffentlichen Defizit in Höhe der beiden ersten Nachkriegsjahrzehnte, mit einer sehr starken Nachfrageentwicklung aus ganz anderen Bereichen hinkommen, mein Ziel zu erreichen, nämlich bis 1985 ein Wachstum irgendwo um die 4 % zu haben, möglichst bis 1980 5 % und danach deutlich weniger. Denn es hängt auch mit der Entwicklung der Geburten und der Schulentlaßjahrgänge zusammen, welches Wachstum erforderlich ist, um ökonomische Ziele insgesamt erreichen zu können. Das ist die Frage.



Bundesminister Dr. Friderichs
Ich will nur eine Zahl in den Raum stellen. Unterhalten wir uns doch einmal darüber, ob nicht vielleicht dauerhaft — na — 2 bis 21/2 % der richtige Satz sind. Man muß ja einmal gegenrechnen, wie man sonst in der Lage sein will, die anderen Ziele, für die wir doch eintreten, zu erreichen.
Meine Damen und Herren, auch der Bundeshaushalt ist nicht nur ein Rechenwerk, sondern er ist doch letztlich Bestandteil einer Politik, die wir für die Bürger in diesem Lande machen. Ich bitte sehr herzlich darum: Lassen Sie uns um diese in die Zukunft reichenden Fragen hier ringen. Es können ja Alternativen auf den Tisch gelegt werden. Vergessen wir die Vergangenheitsbewältigung. Der Wahlkampf des letzten Jahres ist vorbei. Bis zum nächsten haben wir Gott sei Dank vier Jahre Zeit.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801618400
Meine
Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dollinger.

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0801618500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister in seinem Beitrag soeben einmal den Zusammenhang zwischen Haushalt und wirtschaftlicher Entwicklung angedeutet hat. Ich stimme Ihnen gern zu, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß wir heute diese Debatte nicht ausweiten sollten; denn das wird der Gegenstand der Aussprache sein, die wir am 24. März durchzuführen haben. Ich möchte mich auf wenige Bemerkungen beschränken.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben zum Thema Tarifpolitik auf Ihre Aussagen und auf die Abschlüsse hingewiesen. Es gibt gar keinen Zweifel darüber, daß hier eine Entwicklung vorhanden ist, die nach wie vor mit großer Sorge und mit großem Ernst gesehen werden muß. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß bei den Abschlüssen im Metallbereich die Überschriften „6,9 %" lauteten, während es in Wirklichkeit 8,5 % gewesen sind. Ich stelle hier einmal die Frage: Haben wir nicht bei den Abschlüssen von gestern, die sich bei dem Tarif selbst in einem vernünftigen Rahmen halten, durch die Tatsache, daß hier zum erstenmal Urlaubsgeld eingeführt wird, einen völlig neuen Weg beschritten, der in Zukunft neben der Tarifgestaltung weitere Belastungen bedeutet.
Die Zielprojektionen, die hier vorhanden sind, sind von der Regierung selbst manchmal in Zweifel gezogen worden. Wenn man den Jahreswirtschaftsbericht liest, so kann man gerade zum Thema der Projektion scherzhaft sagen: hier zeigt sich eigentlich im Bericht selbst ein gewisser Januskopf. Ich darf mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, zitieren. Es heißt dort in Ziffer 1:
Offensichtlich belasten vor allem die Inflations-und Rezessionserfahrungen die Zukunftserwartungen und Dispositionen in der Wirtschaft.
In Ziffer 6 heißt es:
Die Bundesregierung ist sich der Unsicherheit aller prognostischen Aussagen, die sich durch die starken strukturellen Veränderungen der letzten Jahre eher noch vergrößert haben dürfte, bewußt.
Ich bitte zu sehen: Wenn in diesem Ausmaß Abschlüsse erfolgen, ist es, wie ich glaube, von der Opposition nicht irgendwie ein Widerspruch an sich, sondern Verantwortungsbewußtsein, wenn sie die Frage stellt: Kann unter diesen Aspekten die bisherige Projektion, die Zielsetzung noch aufrechterhalten werden oder nicht? Ein Wort der Warnung zur rechten Zeit ist immer besser, als wenn man schweigt und dann sagt: Nun ist es leider zu spät.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe etwas den Eindruck, daß diese Eckwerte keine kantigen Steine sind, sondern hier ist der Stein sehr abgerundet; man kann elegant vorbeirutschen, und es läuft noch einmal weiter.
Ich darf eine zweite Bemerkung machen. Fritz Schäffer hat als Finanzminister einmal gesagt: Der Haushalt ist das Schicksalsbuch der Nation. Es kann gar keinen Zweifel darüber geben, daß auch dieser Haushalt sehr deutlich zeigt, welche Gesamtentwicklung bei uns vor sich geht. Die Entwicklung dieses Haushaltes hängt auf das engste mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Hier stellt sich die Frage: Haben wir nun eine bessere Chance für die Zukunft, oder, anders ausgedrückt: inwieweit werden die Zukunftserwartungen, auch die des Jahreswirtschaftsberichts, durch den Haushalt gefördert oder in Frage gestellt? Ich habe keinen Zweifel daran, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß die Unsicherheit durch diesen Haushalt nicht abgebaut worden ist.
Sie haben von den öffentlichen Haushalten und der Bedeutung der Defizite gesprochen. Ich möchte hier einmal sehr deutlich die Frage stellen, ob wir besser nicht immer von öffentlichen Haushalten und von Defiziten im Interesse der Belebung der Wirtschaft sprechen sollten. Sollten wir nicht vielmehr fragen: Was müssen wir tun, damit der Staat nicht mit Hilfe von Defiziten versucht, die Wirtschaft zu beleben? Ist es nicht viel richtiger, dafür zu sorgen, daß die private Wirtschaft durch ihre Investitionen und die Verbraucher durch die Ausgabe ihrer Gelder die Wirtschaft beleben?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich darf noch einmal Bezug auf den Bericht nehmen, den Kollege Leicht vorhin in einer Zwischenfrage erwähnt hat. In der dpa-Meldung von heute heißt es:
Die Fortsetzung der Konjunkturerholung in der Bundesrepublik läßt auf sich warten, stellte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen fest. In seinem am Donnerstag veröffentlichten Konjunkturbericht heißt es, in einigen Zweigen sei der Aufschwung erlahmt, in anderen in sich zusammengefallen.
Bei Grundstoffen in der Industrie für Produktions- und Verbrauchsgüter sei die Nachfrage



Dr. Dollinger
schwach geblieben. In der Bauwirtschaft liege sie tiefer als in der Rezession. Die Produktion nehme kaum noch zu. Neue Belastungen für das Kosten- und Preisniveau, dessen Stabilisierung ohnehin ins Stocken geraten sei, ständen bevor. Dies alles spricht dafür, daß die Wirtschaft nicht wieder über eine stabile Konstitution verfügt,
so meint das Institut. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich glaube, eine solche Betrachtungsweise sollte uns allen zu denken geben. Denn wie wird die Entwicklung des Haushalts und wie werden Ihre Zielvorstellungen aussehen, wenn sich dieser Trend in den letzten Monaten, den das Institut hier ausdrückt, fortsetzen wird?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeswirtschaftsminister, sicher hat es eine Regierung bei einer Koalition nicht leicht, alles durchzusetzen. Aber ich möchte hier doch mit aller Deutlichkeit sagen: Wenn es Ihnen gelingen würde, Vorstellungen, die Sie immer wieder vertreten haben, auch in bezug auf steuerliche Entlastungen für Investitionen, durchzusetzen, und die Wirtschaft nicht durch die Gefahr neuer steuerlicher Belastungen mit steigenden Kosten zu rechnen hätte, dann wäre manches anders. Diese Unsicherheit von der Wirtschaft und vom Verbraucher zu nehmen, scheint mir ein entscheidender Punkt zu sein, wenn der Haushalt in Zukunft mit weniger Defiziten auskommen und die Wirtschaft mit einem entsprechenden Wachstum vorankommen sollen. Aber es liegt doch an der Bundesregierung, hier für einen Wandel zu sorgen.
Lassen Sie mich noch das Folgende sagen. Sie haben am Anfang Ihrer Betrachtung noch einmal von dem Karlsruher Urteil gesprochen. Das hat mich, wie ich sagen muß, etwas merkwürdig berührt. Das Urteil von Karlsruhe sollte jedem Mitglied der Bundesregierung peinlich sein, darüber hinaus vielleicht auch dem ganzen Parlament. Die Selbstgefälligkeit, mit der über diesen Punkt hinweggegangen wird, ist letzten Endes die gleiche, mit der man über die Bedenken und Sorgen der Opposition in bezug auf Haushaltsfragen und wirtschaftliche Fragen hinweggeht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insofern bleiben sich die Regierung und ihre Vertreter absolut treu.
Ich hoffe, daß wir am 24. März zu einer umfassenden Aussprache kommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Das hoffen auch wir!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801618600
Das
Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0801618700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Wirtschaftsminister Friderichs für die Ausführungen, die er gemacht hat, ausdrücklich danken. Ich habe gesehen, daß in den Gesichtern der Angehörigen der Opposition Nachdenklichkeit entstand.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Sie sitzen doch hinten!)

— Nicht bei allen! Bei Ihnen habe ich es nicht sehen können; Sie drehen das Gesicht ohnehin leicht weg, Herr Wohlrabe. — Bei Ihnen entstand Nachdenklichkeit, die es Ihnen zumindest erspart, von mir jetzt den Vorwurf zu erhalten, Sie seien einsichtsunfähig. Ich glaube, bei Ihnen gibt es eine ganze Reihe von Kollegen, die gegenüber dem, was Herr Friderichs gesagt hat, in der Tat einsichtsbereit sein könnten. Ich glaube auch, daß Sie dies Herrn Friderichs aus politischen Interessenhintergründen weitaus eher abnehmen, als wenn es irgendein Sozialdemokrat sagen würde. Nur, Herr Friderichs, mache ich es mir nicht ganz so einfach. Nach dem, was Sie hier eben ausgeführt haben, habe ich den Eindruck, daß der Fundus der sozialliberalen Koalitionsgemeinsamkeiten eher im Wachsen ist. Ich weiß nicht, ob dies andere vielleicht sehr ungern hören.
Der Haushalt, der vorgelegt wurde, ist eine Philosophie, in Zahlen ausgesprochen. Herr Althammer, nach den Worten, die Sie heute zum Auftakt der Haushaltsdebatte verwendet haben, muß ich sagen: Was Sie angeboten haben, ist schlitzohrige Taktiererei, in Zahlenlosigkeit gepackt.

(Beifall bei der SPD)

Denn das, was auch von Herrn Häfele gesagt wurde, zeigt, daß bei Ihnen eine Seuche grassiert, die Generalistenseuche, eingeschleppt von Kohl,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

merkwürdigerweise aufgenommen von dem früheren Erbsenzähler Althammer und voll durchgehalten von Herrn Häfele. Dies überrascht mich sehr; denn eigentlich hätte ich von Ihnen, Herr Althammer, nach allem, was ich im Haushaltsausschuß mit Ihnen erleben durfte — ich habe manches von Ihnen gelernt —, erwartet, daß Sie nicht den Auftakt einer Haushaltsdebatte damit beginnen, daß Sie sagen: Nun wollen wir mal gleich eine globale Minderausgabe ankündigen. Das ist doch völlig unmöglich. Das kann man vielleicht am Ende einer Haushaltsdebatte machen, nach den Beratungen im Haushaltsausschuß, in einer Art Bereinigungssitzung vielleicht, weil man den Eindruck hat — auf Grund einer bestimmten Lageentwicklung oder weil die Zeit nicht gereicht hat —, man habe doch noch Luft im Haushalt gelassen. Aber wir Parlamentarier begeben uns doch aller Rechte, wenn wir gleich zu Anfang sagen: Da ist sicher Luft im Haushalt drin; sie wollen wir erst gar nicht suchen; wir machen sozusagen ein großes Loch hinein und lassen die Luft durch eine globale Minderausgabe heraus. — Das verführt die Regierung doch nur dazu — das hätten wir wohl zu erwarten, wenn Sie regierten —, daß gesagt würde: Dann machen wir überall was darauf, bieten den Parlamentariern die Möglichkeit an, sich mit der Tugend der Sparsamkeit zu kränzen, bieten Ihnen an: Wir buttern 10 Milliarden mehr hinein, sie sollen ruhig 8 Milliarden globale Minderausgaben beschließen. Dann haben wir einerseits die Tugend der Sparsamkeit gezeigt, und andererseits hat die Regierung genau das Geld, das sie haben will. Diese fiese Tour wollen wir also gar nicht zulassen. Wir machen das nicht mit.

(Beifall bei der SPD)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801618800
Herr Abgeordneter Dr. Sperling, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0801618900
Herr Kollege Sperling, darf ich Sie fragen, ob Sie gerade den Plenarsaal verlassen hatten, als ich ausführlich dargelegt habe, daß wir mühsam Position um Position durchgehen wollen, und dabei beklagt habe, daß wir leider so wenig Zeit für die gründliche Einzelprüfung haben.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0801619000
Herr Althammer, ich war die ganze Zeit im Saal. Ich habe Ihre Rede sogar noch mal nachgelesen, um mich zu vergewissern, daß das mit der Ankündigung der globalen Minderausgabe hier in der Sitzung stimmte. Ich hatte es gehört, aber ich hatte eigentlich meinen Ohren nicht getraut, daß ausgerechnet Sie das bringen. Ich will Ihnen auch das noch sagen: ich empfinde dies, so wie Sie es gemacht haben, nicht nur als schlitzohrig und unlauter — Herr Präsident, wenn ich hinzufüge „abgrundtief verlogen", bekomme ich dann eine Rüge? — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801619100
Herr Kollege, ich bin hier nicht für Belehrungen zuständig. Ich empfehle Ihnen aber, nachdem der Tag so gut verlaufen ist, sich das sorgfältig zu überlegen.

(Allseitige Heiterkeit — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine gute Antwort!)


Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0801619200
Gut, ich unterlasse also diese Qualifizierung und begnüge mich mit „unlauter" und „schlitzohrig".

(Heiterkeit bei der SPD)

Das, was Sie mit der angekündigten globalen Minderausgabe machen wollen, sieht doch so aus. Sie sagen: Bundesregierung, wir zwingen dich dazu, irgendwo Ausgaben zu kürzen; irgendwem wird dies wehtun; wir lassen uns den Mantel der Sparsamkeit umhängen, und die Bundesregierung soll den Ärger mit denjenigen haben, die nun bei diesem allgemeinen und globalen Beschluß die Betroffenen sind.
So kann ich mir eine Opposition, die werdende Regierung sein will, überhaupt nicht vorstellen. Das ist eine Bankrotterklärung zum Auftakt der Haushaltsdebatte, die Sie geliefert haben, Herr Althammer. Das ist nicht in Ordnung. Ich würde mich freuen, wenn diese Worte von der globalen Minderausgabe von Ihnen zurückgenommen würden. Dann würden Sie etwas glaubhafter.

(Beifall bei der SPD)

Dann könnten Sie gleich noch etwas Weiteres zurücknehmen: diesen hübschen Antrag, den Sie eingereicht haben und den wir hier in verbundener Debatte mit behandeln. Ich könnte Ihnen spaßeshalber empfehlen — ernsthaft kann ich Ihnen das nicht empfehlen, wohl aber spaßeshalber —, ihn nach dem nächsten Tarifabschluß wieder einzubringen. Rechnen Sie das einmal aus! Ich will Ihnen auch
vorführen, wie das mit diesem Antrag ist. Deswegen, weil der Tarifabschluß Metall über bestimmte Daten hinausgegangen ist, sollte der Jahreswirtschaftsbericht geändert werden. Der Tarifabschluß Metall, von der Regierung in der effektiven Wirkung auf 8 bis 9 % eingeschätzt — Herr Dollinger hat sich vorhin freundlicherweise auf 8,5 % real festgelegt —, betrifft 4 Millionen Arbeitnehmer. Der Tarifabschluß im öffentlichen Dienst — in den Zeitungen steht: 6,3 %; wenn man berücksichtigt, daß der Abschluß für 13 Monate gilt und ihn auf das Jahr umrechnet, ergeben sich knapp 6 % — betrifft 4,4 Millionen Arbeitnehmer. Beide Erhöhungen zusammen bleiben unter 15 %. Geteilt durch zwei — weil, grob gerechnet, etwa gleich viel Arbeitnehmer betroffen sind — ergibt sich eine Durchschnittssteigerung von 7 ½ %
Der Wert liegt genau in der Zielprojektion des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung. Es wäre also vernünftig, wenn Sie — auch im Interesse der Sparsamkeit von Bürokratie, gegen die Herr Häfele so gewettert hat, auch hier im Parlament —, den Antrag zunächst einmal zurückzögen und sich überlegten, ob Sie irgendwelche Bürokraten und Parlamentarier im Haushaltsausschuß mit diesem Antrag noch befassen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Man sollte nicht nur starke Worte machen, sondern auch kleine Einsichten daraus ziehen.
So viel zu diesen beiden Dingen, die Sie nach meiner Ansicht zurücknehmen sollten.

(Zuruf von der CDU/CSU: So weit, so schlecht!)

Dem Finanzminister möchte ich sagen, daß wir den Haushalt für eine hervorragende Grundlage für ein Durchfieseln in den einzelnen Positionen halten. Nach allem, was Herr Friderichs gesagt hat, ist die Verbesserung des Haushalts unter dem Gesichtspunkt möglich: Wie läßt sich der Beschäftigungseffekt der öffentlichen Ausgaben steigern? Ich würde mich freuen, wenn die Kollegen von der CDU/CSU die Worte von Herrn Althammer bezüglich der globalen Minderausgabe nicht wahrmachten, sondern zunächst einmal fragten: Wie läßt sich der Beschäftigungseffekt dessen, was im Haushalt an Geldern eingeplant ist, steigern? Wenn dies möglich ist, sollten wir uns alle auch gemeinsam Mühe geben, dies zu tun.
Dabei sollten wir uns nicht von der irrsinnigen Aufteilung leiten lassen — ich glaube, auch mit dem Kollegen Leicht wird man darüber sprechen können —, ob irgend etwas investive oder konsumtive Ausgaben sind. Nach allem, was Herr Friderichs hier vorgetragen hat — jetzt möchte ich Ihnen ein paar Zahlen zum Haushalt nennen; wir reden ja schließlich über den Haushalt, und das ist ein Zahlenwerk —, wollen wir uns einmal ein paar Zahlen darin anschauen.
Die Rentenversicherungen werden mit 23,4 Milliarden DM bezuschußt. Diese Mittel gehen unmittelbar in das Portemonnaie von Staatsbürgern; sie behält kein Beamter sozusagen für irgendwelche eigenen dunklen Zwecke, sondern sie landen im Geldbeutel von Staatsbürgern. Für landwirtschaft-



Dr. Sperling
liche Sozialpolitik — mit derselben Wirkung: im Geldbeutel von Landwirten landend — sind 2,96 Milliarden DM vorgesehen, für Kindergeld — es geht ebenfalls direkt in die Taschen der Bürger —14 Milliarden DM.

(Zuruf des Abg. Dr. Langner [CDU/CSU])

— Zum Kindergeld, weil der Kollege Langner einen Zwischenruf machte, lohnt es, daran zu erinnern, daß die frühere Regelung mit den Steuerfreibeträgen denjenigen, die das Kindergeld nicht nötig hatten,

(Dr. Langner [CDU/CSU] : Das ist nicht der Punkt!)

hohe Beträge, und denjenigen, die es am nötigsten hatten, nichts gab. Dies haben wir geändert.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt ist das Kindergeld für alle gleich. Wir nehmen es in Kauf, daß eine paar Millionäre auch etwas kriegen. Früher hatten sie sogar mehr davon, jetzt haben sie weniger davon. Dies ist in der Tat vernünftig. Nach dem, was Herr Minister Friderichs gesagt hat, ist nämlich die kaufkräftige Nachfrage dorthin gelangt, wo die Bedürfnisse liegen und wo dieses Geld dann auch ausgegeben wird. Deswegen ist es richtig, die konsumtiven Ausgaben im Staatshaushalt so einzusetzen, daß sie in der Tat zur Belebung der Nachfrage beitragen. Dort, wo die Bedürfnisse liegen, muß das Geld hin. Es sollte nicht dort lagern, wo die Bedürfnislosen ihre Bankkonten haben.

(Zustimmung bei der SPD — Dr. Langner [CDU/CSU] : Der Punkt ist, wo es vorher einkassiert wird!)

Für Wohngeld sind 800 Millionen DM vorgesehen, für Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge 11,7 Milliarden DM — es lohnt, sich diese Zahlen ins Gedächtnis zu rufen, damit Sie nachher nicht wieder mit Ihrem dämlichen, Entschuldigung, mit Ihrem Globalismus herumfunktionieren können —, für Wiedergutmachung und Rückerstattung 1,28 Milliarden DM, für Arbeitsmarktpolitik 1,4 Milliarden DM, für Sparprämien und Wohnungsbauprämien 5,3 Milliarden DM und schließlich für Ausbildungsförderung 2 Milliarden DM.
Wenn Sie dies alles zusammenzählen — es sind alles Gelder aus dem Bundeshaushalt des Jahres 1977, die in diesem Jahr im Geldbeutel der Bürger landen werden —,

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Was behält denn der Staat für sich?)

dann kommen Sie auf mehr als 65 Milliarden DM.

(Dr. Stavenhagen [CDU/CSU] : Wo kommt denn das Geld her?)

Ich nenne dies den direkten Bürgeranteil am Staatshaushalt, der unmittelbar kaufkräftige Nachfrage wird und damit die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes hervorragend stützt.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist auch in den vergangenen Jahren mit gleichen Anteilen am Staatshaushalt geschehen, und es
ist auch Kredit aufgenommen worden, um das durchzuhalten. Das alles hat dazu geführt, daß dank der mutigen Staatsverschuldung durch die Bundesregierung Massenkaufkraft vorhanden blieb, und diese Massenkaufkraft führte dazu, daß das Beschäftigungsniveau hoch blieb.
Nun sagen Sie: Ihr hättet lieber sparsam sein sollen. Dies klingt wie die Geschichte von dem Hausbesitzer, dem ein Sturm das Dach abgedeckt hat, der daraufhin zur Bank gegangen ist und einen Kredit aufgenommen hat. Das Dach ist wieder zu, die Familie hat im Winter nicht gefroren und ist nicht naß geworden. Dann kommt der liebe Nachbar zu Besuch und fragt: Wieso, hier hat keiner gefroren, keiner ist naß geworden, warum hast du dich denn verschuldet?
Wir haben diese Politik gemacht, damit die Bevölkerung dieses Landes die Stürme der Wirtschaftskrise in der Welt möglichst unbeschadet übersteht,

(Beifall bei der SPD)

und dies war sehr sinnvoll. Jetzt zu sagen: Ihr hättet sparsam sein sollen, bedeutet nichts anderes als: Ihr hättet die Bevölkerung im Regen stehen lassen sollen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dies ist zutiefst unehrlich. Deswegen sollten Sie möglichst lange auf den Bänken sitzen bleiben, auf denen Sie zur Zeit sitzen. Für einsichtsfähig halte ich Sie inzwischen, aber noch nicht für einsichtig. Was Sie bisher in der Haushaltsdebatte ausgeführt haben, zeigt entweder Mangel an Einsicht oder Mangel an Wahrheitsliebe oder Mangel an Aufrichtigkeit oder all dies zusammen. Erst wenn Sie für Ihre Sparprogramme Zahlen nennen, wird deutlich, Herr Kollege Schröder, was eigentlich eine Bevölkerung zu erwarten hätte, wenn diese Opposition Regierungspartei würde. Nur dann kann man der Bevölkerung sagen, das sei eine mögliche Alternative, denn unwissend eine andere Regierung zu wählen, die im Ungewissen läßt, was sie eigentlich tun will, und die sich nicht über die Wirkungen ihres ungewissen Tuns äußert, kann man wirklich niemandem anempfehlen.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Kommen wir zu Jochen Steffen, der gesagt hat, ihr sollt in die Opposition!)

— Das wollen wir gar nicht. Wenn die Opposition, die wir jetzt haben, so miserabel ist, wäre es wirklich ein Fehler, wenn wir versuchten, schlechter zu sein als diese, und wenn wir in die Opposition gingen. Wir sind besser als Sie; deswegen sollten wir weiter regieren — entgegen Jochen Steffen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Der Haushalt, der vorgelegt wurde, ist gut. Er ist
— das werden die Beratungen erweisen — in der Diskussion zwischen Haushaltspolitikern und Haushaltssachbearbeitern der Ministerien wahrscheinlich sogar verbesserungsfähig. Er muß verbessert werden, und zwar durch das Einarbeiten des Investitionsprogramms, das hoffentlich im Laufe dieses Monats von der Bundesregierung beschlossen werden wird, zumindest in den Teilen, für die die Bun-



Dr. Sperling
desregierung selbst die Verantwortung tragen kann. Auf Grund dieses Investitionsprogramms, das, wie ich hoffe, bis Ende Juni in den Haushaltsentwurf eingearbeitet sein wird, wird sich eine Reihe von Mehrausgaben einstellen. Wir erwarten, daß sich die Bundesregierung nicht durch Ressortegoismus, aber auch nicht durch Länderegoismus dazu verleiten läßt, dieses Investitionsprogramm zu verkleckern. Es darf nicht darum gehen, bisher nicht ganz befriedigte Ressortinteressen oder nicht ganz befriefriedigte Länderinteressen durch dieses Zusatzprogramm zu befriedigen. Wir erwarten vielmehr, daß es tatsächlich für zukunftsbezogene Investitionen zur Verfügung steht, die dafür sorgen, daß die Bundesrepublik ein belebenswertes Land bleibt: Trinkwasserreservoirs schützen, Landschaft schützen, für die Sauberkeit unserer Flüsse sorgen. Dann muß es auch einmal zumutbar sein, daß Bayern und Schleswig-Holstein, weil sie nicht am Rhein liegen, nicht ganz den Anteil bekommen, den die am Rhein gelegenen Länder bekommen. Dafür werden sie aber sicher bei der Beseitigung von schienengleichen Straßenübergängen unter Umständen etwas bevorzugt werden können.
Wir können aber nicht die Vergangenheit und die Gegenwart dadurch fortschreiben, daß wir schlicht einen prozentualen Anteil für jedes mögliche Interessengrüppchen oder für jede mögliche Interessengruppierung, sei es ein Ressort oder sei es ein Land, zulassen. Die Zukunft heißt vielmehr Veränderung gegenüber dem, was in der Vergangenheit war. Deswegen wollen wir auch nicht, daß dieses Programm so angelegt wird, daß man bei bestimmten Vorhaben bloß die Finanzierungsquelle austauscht, wie das leider bei manchen Konjunkturprogrammen geschehen ist. Wir wollen auch, daß der Beschäftigungseffekt groß ist, so daß dieses Investitionsprogramm der allgemeinen Philosophie dient, die dieser Haushalt bereits in Zahlen ausdrückt, die aber noch nachdrücklicher verfochten werden kann.
Ich möchte den Finanzminister zu der Vorlage und zu der Art und Weise, wie sie hier vertreten worden ist, beglückwünschen und glaube an gute und nützliche Zusammenarbeit mit ihm.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801619300
Das Wort
hat der Herr Abgeordnete Grobecker.

Claus Grobecker (SPD):
Rede ID: ID0801619400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Debatte hier nicht unnötig verlängern, ich will nur zwei oder drei Gedanken aufgreifen, die heute morgen bei Herrn Althammer und heute nachmittag bei Herrn Häfele eine Rolle gespielt haben, weil ich finde — da hat Herr Lambsdorff völlig recht —, daß wir hier ehrlich debattieren müssen, wenn wir schon in die Sache einsteigen. In diesem Sinne meine ich, es geht nicht, daß wir z. B. das Lohnsteueraufkommen, das Herr Althammer heute morgen kritisiert hat, nur so behandeln, als seien wir sozusagen mit einer Schraube dabei, es dauernd in die Höhe zu treiben. Ich finde, wir müssen da ehrlich bleiben. Ich will nicht sagen, daß Sie das falsch dargestellt haben. Aus Ihrer Lage gesehen, ist die Darstellung vielleicht richtig. Ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß das Gesamtaufkommen natürlich nicht deswegen gestiegen ist, weil wir an der Schraube gedreht haben, sondern deswegen, weil es eine ganze Reihe anderer Faktoren gibt. Mir ist bei diesem Anstieg sehr mulmig, und ich finde es gut, daß der Herr Finanzminister soeben noch einmal klargestellt hat, daß es auch ihm so geht. Wir können nicht den gesamten Haushalt zu 50 % aus Lohnsteueraufkommen finanzieren. Wir müssen da am Ball bleiben und darüber nachdenken.
Das bedeutet aber natürlich auch, daß wir uns nicht die Steuern verwehren, die wir einnehmen müssen, um möglicherweise etwas machen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch der entscheidende Punkt. Sie können nicht immer nur sagen, Sie wollen dies nicht und Sie wollen jenes nicht. Sie wissen wie ich, daß es eigentlich nur zwei Steuerarten gibt, über die wir hier beschließen können: Tabak- und Branntweinsteuer. Alle anderen Steuerarten müssen in den Bundesrat, bei ihnen muß also ein Kompromiß mit Ihnen geschlossen werden. Das ist für uns keine schöne Lage. Deshalb finde ich, wir sollten hier ehrlich debattieren.
Ich sage ganz offen, daß uns nicht wohl bei diesem Anstieg des Lohnsteueraufkommens ist. Aber es gibt eine Reihe von Gründen, die eben dazu beigetragen haben, daß das Lohnsteueraufkommen so hoch ist.
Erster Punkt: Es gibt gar keinen Zweifel — das wissen Sie auch, und das hätte Herr Althammer sagen müssen —, daß wir heute viel mehr Lohnsteuerpflichtige haben als vor zwei, drei Jahren, etwa im Jahre 1975, als die Rezession ihren Tiefpunkt erreicht hatte. Wir haben heute mehr Lohnsteuerpflichtige, wir haben weniger Kurzarbeit, und es werden teilweise längst wieder Überstunden gemacht. Das treibt natürlich die Lohnsteuerquote in die Höhe. Das ist ein ganz klarer Fall. Ich finde, das muß man berücksichtigen.
Der zweite Punkt: Hier geht es um einen buchungstechnischen Vorgang. Sie wissen ja alle — ich werfe Ihnen das nicht vor; das betrifft ja auch die Länder, die von uns regiert werden —, daß es uns alle Länder verweigert haben, bei der Steuerreform den Weg über die Finanzämter zu gehen, d. h. das Kindergeld in die Lohnsteuertabelle einzurechnen. Das bedeutet, daß wir etwa 15 Milliarden DM mehr Lohnsteueraufkommen haben, das wir als Kindergeld wieder weggeben. Das muß man doch berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben also nicht die Lohnsteuer für den einzelnen Steuerzahler hochgeschraubt, sondern das Gesamtaufkommen ist gestiegen, und dabei spielen diese Faktoren eine Rolle.
Dritter Punkt: Die durchschnittliche Abgabenbelastung hatte im Jahre 1974 mit 28 %, davon 16 %



Grobecker
Steuern, den Höhepunkt erreicht. Dann kam die Steuerreform, und im Jahre 1975 hatten wir eine Gesamtbelastung von 25 %, davon 13 % Steuern. Und jetzt, im Jahre 1976, stellen wir fest, daß die Belastung wieder nach oben geht. Das muß verhindert werden, und ich fände es gut, wenn man darüber ehrlich debattierte. Ich finde es aber falsch — und das kommt Ihnen, Herr Althammer, auch nicht zu—, daß Sie sich sozusagen wie ein selbsternannter Arbeitnehmervertreter hier hinstellen und beklagen, daß die Lohnsteuer so hoch ist, wenn Sie uns andere Steuerarten verweigern, die wir eigentlich bräuchten.
Mehr als zwei Drittel aller Arbeitnehmer sind eben noch in der Proportionalzone, sind nicht in der Progressionszone. Das bitte ich zu berücksichtigen. Aus dem, was Herr Althammer gesagt hat, läßt sich auch schließen, daß er eben keine Ahnung hat, was ein Facharbeiter eigentlich verdient, wie hoch die Löhne sind. Sie sind eben nicht so hoch, daß man in die Progressionszone kommt.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich möchte noch einen anderen Gedanken aufgreifen, der hier natürlich auch wieder eine Rolle gespielt hat — warum auch nicht? —: den hohen Staatsanteil. Herr Kollege Sperling hat das soeben klargemacht. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Natürlich spielen hier die Transferleistungen, die soeben von Herrn Sperling aufgezählt worden sind, sozusagen Umverteilungsleistungen, eine große Rolle. Wenn Sie meinen, der Staatsanteil müsse geringer sein, müssen Sie auch sagen, ob Sie an das Kindergeld oder an das BAföG herangehen wollen. Diese Debatten haben wir häufig genug geführt; ich will sie nicht wieder aufnehmen. Aber irgendwann müssen Sie das wirklich sagen. Denken Sie nur daran, daß in den Jahren 1974 und 1975 das allgemeine Einkommen natürlich nicht in dem Maße gestiegen ist, weil wir eine Wirtschaftsflaute hatten, und daß sich, weil wir dieser Entwicklung mit Konjunkturprogrammen entgegenwirken mußten, der Staatsanteil logischerweise gesteigert hat. Er mußte in die Höhe gehen. Daß der Höhepunkt mit 47 % längst überschritten ist, wissen Sie auch, Herr Häfele; Sie verschweigen nur, daß die Rate inzwischen längst tiefer liegt.
Ich habe da auch einen unverdächtigen Zeugen, Samuelson, der in einem Aufsatz — es ist schon ein bißchen her, deshalb kann man das ruhig sagen —, als hätte er zu Ihnen gesprochen, sagt:
Beachten Sie, daß in ökonomischen Mischsystemen wie Schweden, Frankreich und Bundesrepublik der verhältnismäßig größte Teil für Staatsaufgaben aufgewendet wird. Gerade dies sind die Staaten, die in den letzten Jahrzehnten das höchste Wirtschaftswachstum und den größten wirtschaftlichen Fortschritt erzielt haben. Im Gegensatz zu den Staaten mit geringem Staatsanteil hat sich der moderne Wohlfahrtsstaat sowohl menschlich als auch zahlungskräftig erwiesen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich finde schon, wir können ihm dies abnehmen. Wir gehören zu diesen Staaten mit hohem Staatsanteil und mit verhältnismäßig hoher Zahlungsbilanz.
Und nun dem, was Herr Häfele betreffend die Bürokratisierung und Entwicklung der Personalausgaben sagte. Ich bin nicht der Meinung, daß das, was seit 1970 in wichtigen gesellschaftspolitischen Bereichen, wie z. B. im Bildungs- und Krankenhauswesen, zusätzlich an Personal eingestellt worden ist, das Ergebnis gesellschaftspolitischer Euphorie des Jahres 1969 ist, sondern dringend notwendig war. Ich möchte Sie aber darauf hinweisen, daß die Zuwachsrate des Personalbestandes der Länder im Bildungsbereich seit dem Amtsantritt der sozialliberalen Bundesregierung keine wesentliche Veränderung gegenüber dem Zeitraum vorher erfahren hat. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate des Personalbestandes im Bildungsbereich der Länder betrug von 1960 bis 1970 — Große Koalition —5,4 % und von 1970 bis 1976 — kleine Koalition —5,5 %. Herr Häfele, wollen Sie bitte noch zur Kenntnis nehmen, daß Lehrer erst drei bis fünf Jahre nach der Entscheidung über ihren Beruf und für ihren Beruf eingestellt werden. Ich darf Sie ebenso daran erinnern, daß bis 1969 z. B. Ihr Parteifreund Stoltenberg Bundesbildungsminister war und diese Steigerungsraten somit in seine Amtszeit gefallen sind. Ihm wollen Sie doch ganz sicher keine Reformeuphorie unterstellen. Die These von der zunehmenden Bürokratisierung seit dem Beginn der sozialliberalen Koalition wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Auch darüber sprechen wir ja jedes Jahr. Ich erinnere daran, daß wir im letzten Jahr, was den Bundeshaushalt angeht, erhebliche Stellen gestrichen haben. Die Zahlen zeigen ganz deutlich eine stetige Personalentwicklung bei Bund, Ländern und Gemeinden seit 1960, nicht erst, seitdem wir für die Bundespolitik verantwortlich zeichnen. Die Zahl der Beschäftigten der Gebietskörperschaften stieg von 1960 bis 1969 mit einer durchschnittlichen jährlichen Zuwachsrate von 2,9 %. Ich will Sie damit nicht langweilen. Das muß aber ins Protokoll, weil Sie gesagt haben, wir hätten damit herumgeaast. Von 1969 bis 1976 stieg diese Zahl um 3 %. Das ist eine unwesentliche Abweichung gegenüber der Zeit vorher. Die Entwicklung verlief allerdings bei den Gebietskörperschaften sehr unterschiedlich; bei den Ländern war die Zunahme stärker als beim Bund. Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Ich finde, Sie können sie sich besorgen. Sie sind ja ein verantwortungsvoller Politiker.
Mir lag daran, Ihnen in diesen drei Punkten zu widersprechen, weil wir, wie gesagt — der Kollege Sperling hat darauf hingewiesen —, was diesen Haushalt angeht, in der ersten Lesung eben nicht nur Schaumschlägerei betreiben sollten. Wir müssen ja später auch wieder im Haushaltsausschuß zusammensitzen und Punkt für Punkt, Kornma für Komma diesen Haushalt beraten. Ich finde, daß es nicht gut ist, wenn Sie hier die Eröffnung, die erste Lesung zum Anlaß nehmen, auf die gleiche Pauke zu schlagen wie im Jahre 1976, obwohl sich ganz eindeutig erwiesen hat, daß wir damals



Grobecker
richtiger gelegen haben. Das sehen wir am Abschluß 1976.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801619500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0801619600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesem untauglichen Versuch einer Doppelverteidigung dieses Bundeshaushalts möchte ich mich einem abgeschlossenen Themenbereich zuwenden. In der gestrigen Haushaltsrede verwies der Bundesfinanzminister auf die Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland an die EG. Er tat dies ohne Kritik. Es sind im Jahre 1977 nach seinen Worten 8,9 Milliarden DM; immerhin eine Summe, die zur Stärkung der Kooperation des freien Europas ganz erheblich beiträgt. An diesem Maßstab müssen Osthandel, Ostkredite und Verschuldung der RGW-Staaten bei der westlichen Welt und unser Beitrag dazu gesehen werden. Hierbei stellen sich drei Fragen. Erstens: Ist ökonomisch gesehen die wachsende Verschuldung der Ostblockstaaten und der DDR gegenüber der Bundesrepublik unter Berücksichtigung der Gesamtverschuldung dieser Länder gegenüber westlichen Partnern überhaupt noch vertretbar?
Zweitens. Helfen wir nicht durch diese stillschweigende Kreditgewährung kräftig bei der gegen uns gerichteten militärischen Aufrüstung des Ostens mit?
Drittens. Sollten Osthandel und wachsende Verschuldung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nicht stärker als bisher als politisches Faustpfand in den Verhandlungen mit der Sowjetunion und den übrigen Ostblockstaaten und der DDR genutzt werden?
Zu diesen drei Fragen möchte ich einen Beitrag leisten.
Schon im vergangenen Sommer und Herbst hat die CDU/CSU, vereint mit der Deutschen Bundesbank und mit renommierten Wirtschaftsforschungsinstituten mit Nachdruck auf die Gefahren der ständigen Ausweitung des deutschen Osthandels und seiner Finanzierung hingewiesen. Dies geschah zu einer Zeit, in der ständig neue Angriffe Moskaus auf den Status Berlins, das Nichteinhalten der Vereinbarungen von Helsinki in Verbindung mit den massiven Rüstungsanstrengungen des Ostblocks eine fühlbare Abkühlung des politischen Klimas, ja, eine östliche Apartheidpolitik signalisieren.
Vor der Bundestagswahl wurden die Warnungen der CDU/CSU vor der immer stärker steigenden Verschuldung der Ostblockstaaten als unverantwortliche Panikmache, als Spiel mit den Arbeitsplätzen abgetan. Heute, nach den Wahlen — die Situation ist wieder ruhiger geworden —, also ein knappes halbes Jahr später, hört und liest man vieles anders. „Der Osthandel stößt an seine Grenzen — Verschuldung verhindert Ausweitung", so ist z. B. eine längere Erklärung des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, Wolff von Amerongen, in der Presse vom 8. Februar 1977 überschrieben. Ähnlieh skeptisch und besorgt äußerte sich die Deutsche Bundesbank vor dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages erst vor einigen Wochen, und besorgte Stimmen gibt es sogar neuerdings im Regierungslager. Die neuesten Zahlen — man kann hier nur Schätzwerte annehmen, da es bisher keine exakt zusammengetragenen Zahlen gibt —, also auf Grund ungenauer Statistiken, sind die: Ende dieses Jahres werden die Ostblockländer bei ihren Handelspartnern bereits mit weit mehr als 100 Milliarden DM in der Kreide stehen. Damit wird jede dritte Warenlieferung aus dem Westen von den östlichen Importeuren mit Schuldscheinen bezahlt. In der Gläubigerliste steht die Bundesrepublik ganz oben an. Die Gesamtschulden der Ostblockstaaten gegenüber der Bundesrepublik werden sich Ende dieses Jahres auf weit mehr als 20 Milliarden DM belaufen. Das ist viermal so viel wie Ende des Jahres 1971.
Weit besorgniserregender als die absolute Höhe der Verschuldung der Ostblockstaaten gegenüber der Bundesrepublik und der westlichen Welt ist das rasante Tempo, mit dem sie seit Beginn der 70er Jahre explosionsartig zugenommen hat.

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Richtig!)

Wenn die Neuverschuldung im bisherigen Tempo weitergeht — das ist die Frage, die sich auch für diesen Bundeshaushalt stellt —, käme nach Berechnungen von Experten allein die Bundesrepublik Ende 1980 auf ein Kreditvolumen von rund 100 Milliarden DM. Gegenüber der gesamten westlichen Welt würde dann die Verschuldung bei rund 400 Milliarden DM liegen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Aus diesem Grunde halten es derzeit eine Reihe großer internationaler Banken für äußerst risikoreich, den Staatshandelsländern weitere Kredite einzuräumen; sind doch ihre Zinszahlungen bereits auf 15 bis 20 % der Devisenbeträge angestiegen, welche die Ostblockländer durch Westimporte einnehmen. So erreichen Schuldrückzahlungen aus Polen bereits 25 % der polnischen Exporteinnahmen. Bei der Sowjetunion sind es mehr als 20 % und bei Ungarn rund 15 %. Nach neuesten Erkenntnissen des Bundesministeriums der Finanzen hat sich der Anteil der Staatshandelsländer am Wirtschaftsvolumen des Bundes in den letzten fünf Jahren —wir haben dies alles gestern in den Zeitungen lesen können — von 15 °/o auf mehr als 20 % vergrößert; das sind immerhin rund 40 Milliarden DM.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

In diesem Zusammenhang hält Wolff von Amerongen die vielfach im Wahlkampf — ich will dazu ein Wort sagen, weil dies damals in der Polemik eine erhebliche Rolle spielte — und auch noch danach gebrauchte Schätzung der Bundesregierung, daß durch den Osthandel rund 500 000 Arbeitsplätze gesichert würden, für viel zu hoch. Nach überschlägigen Berechnungen des Hamburger Instituts für Wirtschaftsforschung seien es allenfalls 250- bis 300 000 Arbeitsplätze.

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)




Wohlrabe
Aber auch das ist aus unserer Sicht eine schiefe Rechnung; wird doch durch kreditfinanzierte Exporte in die Ostblockstaaten das Beschäftigungsproblem von heute nur auf die Zukunft verschoben. In einigen Jahren werden die osteuropäischen Staaten mit ihren Produkten, die mit den jetzt importierten Maschinen gefertigt werden, wieder auf den deutschen Markt und auf den westlichen Konkurrenzmarkt von uns zurückdrängen. Sie sind dazu gezwungen, um ihre Kredite zurückzahlen zu können und ihre Handelsbilanzen freundlicher zu gestalten. Das Hamburger Institut, das ich soeben schon erwähnte, sagt dazu — ich zitiere und bitte die Bundesregierung, diesen Sachverhalt in ihre Überlegungen hinsichtlich der Hermes-Deckungskredite einzubeziehen —:
Je stärker die osteuropäischen Länder bei uns verschuldet sind und je stärker sie ihre Produktionsstruktur im Hinblick auf den deutschen Markt in den nächsten Jahren verändern können, um so spürbarer werden die osteuropäischen Exportaktivitäten für die deutsche Wirtschaft ausfallen.

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : So ist es!)

Dies, meine Damen und Herren, ist die ökonomische Seite dieses Problems, die niemand wegdiskutieren kann.
Mindestens ebenso problematisch sind der allgemeinpolitische und der militärische Aspekt dieser Entwicklung. Die Bundesregierung sollte sich angesichts Schießbefehls, Einreisebehinderungen, sowjetischer Berlin-Offensiven, ständiger Verstöße der Führung der UdSSR und der DDR gegen das Viermächteabkommen und andere Vereinbarungen darüber im klaren sein, daß die DDR wie auch andere Ostblockstaaten ohne die auf Kredit gewährten Leistungen und Lieferungen aus der Bundesrepublik nicht in der Lage wären, ihre ehrgeizigen Fünfjahrespläne auch nur annähernd zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So tragen wir mit unseren harten DM-Devisen letztendlich dazu bei, daß es den Ostblockstaaten immer wieder gelingt, Unzulänglichkeiten ihrer Planwirtschaften wenigstens notdürftig zu überbrücken und zu verschleiern, während diese in ihren Ländern gleichzeitig kräftig die Werbetrommel gegen die von „Wirtschaftskrise zu Wirtschaftskrise taumelnden kapitalistischen Länder" rühren.
Anders als bei uns ist es im kommunistischen Machtbereich so, daß jede Maßnahme von Staat und Gesellschaft als eine Einheit gesehen wird. Man kann nicht einfach die wirtschaftlichen Beziehungen von den übrigen politischen Tatsachen und Entwicklungen trennen. Der Bundesregierung muß in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, der Vorwurf gemacht werden, daß sie die politische Bedeutung wirtschaftlicher Macht und wirtschaftlicher Beziehungen eben nicht wie die Ostblockstaaten einer außenpolitischen Strategie zielstrebig unterordnet. Die Bundesregierung muß sich angesichts der Entwicklung des kreditfinanzierten Osthandels fragen lassen, wie die Interessen der Bundesrepublik Deutschland liegen, wo sie liegen. Wenn es so ist, daß Außenhandel heute zum Teil mit staatlichen Mitteln gefördert bzw. staatlich verbürgt wird, und wenn für solche Maßnahmen nur ein begrenztes Volumen zur Verfügung steht, dann müssen die Mittel dort eingesetzt werden, wo sie am dringlichsten sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die CDU/CSU lauten diese Prioritäten: Abbau des sozialen Gefälles in Europa und Stärkung der industriellen Position der Verbündeten in Europa aus sozialen und militärischen Gründen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Angesichts der gigantischen militärischen Aufrüstung der Sowjetunion und ihrer Satelliten mit Zielrichtung auf Westeuropa muß daran erinnert werden, daß jede wirtschaftliche und finanzielle Leistung, welche die Bundesregierung an diese Länder erbringt, dort die innenpolitische Szene entspannt, Mängel zentral verwalteter Wirtschaftssysteme überkleistert und nicht virulent werden läßt. Jede Mark, die in diese einseitig auf militärische Ziele ausgerichtete, zentral gelenkte Produktionsmaschinerie fließt, setzt zwangsläufig immer wieder Ressourcen frei, die für die militärische Aufrüstung dort ganz entscheidend genutzt werden können.

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Wenn dem aber so ist, wenn darüber hier im Hause Einigkeit besteht, dann muß auch die Frage erlaubt sein, ob dies so weitergehen kann. Wenn, meine Damen und Herren, heute noch nicht einmal Klarheit darüber zu gewinnen ist, wie hoch die Ostblockstaaten im Westen verschuldet sind — niemand kann die Zahl exakt nennen —,

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Jawohl, so ist es!)

so sollte als erster Schritt zumindest eine Pause in dieser verhängnisvollen Entwicklung eintreten. Ein zweiter Schritt — dies ist eine Forderung der CDU/CSU, die ich hier gern erneuern möchte — sollte die Errichtung einer Evidenzzentrale für Osthandel und Ostkredite bei der EG oder der OECD sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies ist unsere zentrale Forderung zur Sichtbarmachung der Zahlen, um die es geht. Wir wollen nicht mehr aneinander vorbeireden und von falschen Zahlen ausgehen. Diese Zentrale könnte endlich genaue Daten in diesem problematischen Bereich liefern. Die Bundesregierung wird von der CDU/CSU in dieser ersten Lesung aufgefordert, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln darauf hinzuwirken, nicht nur im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im Interesse aller westlichen Länder in Europa und überhaupt der westlichen Welt.
Ein weiterer nicht problemfreier Bereich sind die Leistungen an die DDR. Ich will dazu in Kürze ein Wort sagen, auch deshalb, weil der Vorsitzende des Haushaltsausschusses gerade in den letzten Tagen — klar auf Grund der Zahlen, die jedermann



Wohlrabe
aus dem Etat ablesen kann — der Öffentlichkeit eine neue Aufstellung überreicht hat. Daraus geht hervor, daß wir an die DDR im letzten Haushaltsjahr genau 665 Millionen DM in bar geleistet haben. Es handelt sich um 400 Millionen DM Transitpauschale, 20 Millionen DM für Maßnahmen zur Verbesserung des Straßenverkehrs von und nach West-Berlin, 51 Millionen DM zur Verbesserung des Eisenbahnverkehrs von und nach Berlin, 25 Millionen DM Erstattung von Leistungen Berlins bei Reisen in die DDR und nach Ost-Berlin, 131 Millionen DM für Sondermaßnahmen des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen, 30 Millionen DM an Zahlungen der Bundespost im innerdeutschen Postverkehr und 8 Millionen DM Erstattung an Visagebühren und Steuerausgleichsabgaben im Binnenschiffahrtsverkehr.
In diesem Betrag — ich füge das hinzu — sind nicht enthalten die Vergünstigungen durch den zinslosen Bundesbankkredit — Swing —, zur Zeit 850 Millionen DM. Es sind nicht enthalten die Umsatzsteuervergünstigungen für die DDR, und es sind nicht enthalten die bundesverbürgten Kredite der Privatwirtschaft, die nach gestriger Auskunft — das spielt ja gerade heute in der Presse eine erhebliche Rolle und ist in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen nachzulesen — erneut um 200 Millionen DM auf nunmehr rund 2,6 Milliarden DM angestiegen sind. Alles in allem also — ich fasse das einmal zusammen — eine Finanzierungshilfe für die DDR — dem Bürger draußen kaum bekannt — ohne die Honekker seine ehrgeizigen Fünfjahrespläne überhaupt nicht verwirklichen könnte — wir tragen ganz erheblich dazu bei —, eine Summe, die, seit 1970 zusammengerechnet, seit Antritt der sozialliberalen Koalition, rund 5 Milliarden an Mitteln aus dem Bundeshaushalt ausmacht. Ein Betrag aber auch, der den Gegenleistungen aus der DDR in keiner Weise entspricht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Über eventuelle wirtschaftliche Sanktionen — ein ein sehr sensibles Thema; ich spreche es an —, die in Fällen von Vertragsverletzungen seitens der DDR durch die Bundesregierung verhängt werden könnten, gab es bereits während des Bundestagswahlkampfes und auch wieder in den letzten Tagen heftige Auseinandersetzungen zwischen der Bundesregierung und der CDU/CSU. Dazu stelle ich für uns folgendes fest. Auch wir, die CDU/CSU, müssen und werden geschlossene Verträge und Vereinbarungen einhalten. Das gilt auch für die finanziellen Vereinbarungen. Ich sage das mit aller Deutlichkeit, weil uns die Koalitionsparteien häufig anderes unterschoben und unterstellt haben. Gegenmaßnahmen sind jedoch möglich — ich spreche das bewußt an, auch im Hinblick auf meinen Nachredner für den Fall, daß er das Thema aufnehmen sollte —, wo die DDR immer mehr und vor allem immer neue Leistungen von uns haben will.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Klartext heißt das: Wenn die willkürlichen Vertragsbrüche der DDR anhalten und vereinbartes politisches Entgegenkommen im humanitären Bereich zurückgenommen und von Ost-Berlin laufend sabotiert wird, dann muß mit zusätzlichen finanziellen Leistungen seitens der Bundesregierung endlich Schluß sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Methode der DDR ist immer dieselbe: Sie verstößt einseitig gegen das Viermächteabkommen bzw. gegen die Vereinbarungen zwischen beiden Staaten in Deutschland und läßt sich die Zurücknahme dieser einseitigen Schikanen jeweils ganz kräftig — natürlich erst nach Monaten — durch entsprechendes finanzielles Entgegenkommen der um ein gutes ostpolitisches Klima bemühten Bundesregierung honorieren. Wir haben das alles in den vergangenen Jahren schon mehrfach erlebt. Ein solches ebenso durchsichtiges wie aber auch unverschämtes Manöver läuft zur Zeit mit der Erhebung von zusätzlich 10 DM Straßenbenutzungsgebühr nach Ost-Berlin ab, d. h., wenn heute jemand nach Ost-Berlin fahren will — sei er Westdeutscher oder West-Berliner —, muß er rund 20 DM zahlen. Das ist der „Eintrittspreis". Ich frage die Bundesregierung unter Bezugnahme auf einen Artikel aus der „Welt am Sonntag", in dem Minister Franke sagte „Wir nehmen die neue Schikane nicht tatenlos hin" : Was will die Bundesregierung denn tun? Vielleicht kann man hier eine Antwort bekommen; denn dieser Wegelagererzoll, der den Bürgern ja neben den vereinbarten Beträgen abgepreßt wird, muß endlich einmal eine Reaktion der Bundesregierung hervorrufen, die mehr ist als Worte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir, die CDU/CSU, haben dazu am Ende der letzten Wahlperiode einen klaren Vorschlag im Zusammenhang mit der Lkw-Steuer gemacht. Ich lese mit Freude, daß der Bundesfinanzminister heute offensichtlich geneigter zu sein scheint, das KfzSteuergesetz zu ändern, um eine Lkw-Besteuerung auch für Lkws aus der DDR zu erreichen. Dies ist doch eine sinnvolle Position, über die man sprechen kann. Wir hätten uns aber mehr gefreut, wenn Sie unseren Vorschlag, den Sie früher verteufelt haben, auch vor der Wahl aufgenommen hätten. Die Drucksache ist einsehbar; der Antrag ist hier im Hause eingebracht worden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Seit Monaten bemühen sich die DDR-Unterhändler um die massive Erhöhung des der DDR eingeräumten Kreditrahmens. Nach den Vorstellungen der DDR-Führung soll völlig außerhalb der sonstigen finanziellen Leistungen und Vergünstigungen nochmals rund 1 Milliarde DM zugelegt werden.
Ich erkläre für die CDU/CSU dazu folgendes: Die CDU/CSU ist für einen Stopp neuer finanzieller Leistungen, solange die DDR nicht bereit ist, vertragskonform zu handeln. Die Ausgewogenheit von Leistungen und Gegenleistungen muß endlich gegeben sein. Es geht einfach nicht an, daß Milliardensummen ohne Zweckbindung in die Kassen der DDR fließen. Es geht nicht an, daß die DDR immer wieder einseitig gegen vertragliche Vereinbarungen verstößt und trotzdem der Zahlungs- und Vergünstigungsrahmen seitens der Bundesregierung immer mehr erweitert wird. In einer Zeit, meine Damen



Wohlrabe
und Herren, die dem Bürger der Bundesrepublik Opfer zur Erhaltung des Lebensstandards und des sozialen Sicherungssystems abverlangt, muß in der Deutschlandpolitik, muß insbesondere im Verhalten und im Aushandeln der Verträge zwischen Ost und West eine Leistung eine echte Gegenleistung bewirken. Solange dies nicht der Fall ist, dürfen neue Zusagen in keiner Hinsicht an die östliche. Seite ergehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0801619700
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Blank.

Bertram Blank (SPD):
Rede ID: ID0801619800
Meine Damen und Herren! Ich denke, wir haben hier die dritte Variante dessen mitbekommen, was die Opposition für Entspannungspolitik hält. Die erste Variante war die Diskussion in der Generalsdebatte, als Herr Zimmermann ein furchtbares Gemälde des Schreckens über die anwachsende Bedrohung durch die UdSSR und ihre Verbündeten und darüber gezeichnet hat, daß demgegenüber die Leistungen der Bundesrepublik oder auch der NATO als außerordentlich schwächlich anzusehen seien.
Die zweite Variante kam dann in dem Diskussionsbeitrag über Williamsburg von Herrn Kollegen Damm und Herrn Kollegen Handlos. Insbesondere hier wurde noch einmal deutlich gemacht, wie furchtbar die Dinge und wie schwächlich die Bemühungen der Bundesrepublik und des Westens überhaupt seien, dem zu begegnen.
Heute haben wir gewissermaßen die wirtschaftspolitische Variante desselben Themas gehört. Es hat mich gewundert, daß es so lange gedauert hat, bis es gebracht wurde; denn es scheint ja nun wirklich zum eisernen Bestandteil der Diskussion zu gehören.
Tatsache ist — um das wirtschaftspolitische Thema auch wirtschaftspolitisch aufzufassen —, daß die Sowjetunion im Jahre 1976 per 24. November des vergangenen Jahres Gewährleistungen in Höhe von 9,675 Milliarden DM empfangen hat. Tatsache ist, daß auch die übrigen Staaten, die sogenannten Staatshandelsländer, ganz erhebliche Gewährleistungsleistungen empfangen haben.

(Zuruf des Abg. Wohlrabe [CDU/CSU])

— Das kann ich bestätigen. Nur: Die Folgerungen, die Sie daraus ziehen, Herr Wohlrabe, ziehe ich daraus nicht.
Zum Thema: Der Haushalt 1977 wird übrigens auf dem Gewährleistungssektor noch eine weitere Ausweitung erfahren. Es ist zu vermuten, Herr Wohlrabe, daß auch im Zusammenhang mit dem Ostgeschäft weitere Ausdehnungen erfolgen. Daran werden Sie die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses kaum hindern können; denn die Bedenken, die Sie zunächst aus wirtschaftspolitischer Sicht gebracht haben — Konkurrenz, die wir uns züchten, oder aber Schuldner, der uns nicht zurückzahlen kann, was er bekommen hat; das sind
ja die beiden wirtschaftspolitischen Argumente, die Sie gebracht haben —, ziehen nach unserem Dafürhalten keineswegs.
Zunächst einmal können Sie nicht so einfach über das Argument der Arbeitsplätze, die dadurch gesichert werden, hinweggehen. Das geht einfach nicht. Bedenken Sie, daß nach einer Untersuchung des Deutschen Industrieinstitutes etwa pro 100 Millionen DM zusätzlicher Leistungen 2 165 Arbeitsplätze für das gesamte Jahr gesichert werden. Diesen Zusammenhang muß man sehen. Das ist eine ganz wichtige Geschichte.
Derjenige, der etwa der Industrie in der Bundesrepublik verschreibt, sie möge da Enthaltsamkeit zeigen, muß allerdings auch sagen, wie sich das auf den Arbeitsmarkt auswirkt.

(Zustimmung bei der SPD)

Im übrigen glaube ich, daß nicht einmal Herr Wolff von Amerongen gern das gehört hätte, was Sie hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der SPD — Wohlrabe [CDU/ CSU] : Das hat er aber gesagt!)

Zweiter Punkt. — Das Risiko des Handels mit den Staatshandelsländern haben Sie ebenso finster gemalt, wie etwa Herr Zimmermann die Tatarenmeldungen über die militärische Bedrohung gebracht hat. Bislang gibt es dafür keinen vernünftigen Anlaß; denn Tatsache ist — das wissen Sie noch aus Ihrer Zeit im Haushaltsausschuß —, daß es außerordentlich solide Schuldner und solide Zahler gibt: das sind die Staatshandelsländer. Das können Sie doch überhaupt nicht bestreiten, Herr Jenninger.
Um einmal ein Beispiel zu nehmen: Sie wissen, daß die UdSSR über erhebliche Goldvorräte verfügt, daß die UdSSR über die rohstoffreichsten Gebiete der Welt verfügt. Deshalb ist anzunehmen, daß eine hockindustrialisierte Wirtschaft wie die der Bundesrepublik damit einen Handelspartner hat, mit dem man genau das austauschen kann, was wir brauchen, und umgekehrt der andere Partner das, was er braucht.
Nun kommen Sie allerdings nicht mit einer wirtschaftspolitischen Begründung, Herr Wohlrabe, sondern Sie kommen mit der Gefährdungsbegründung als Variante drei, wie ich es eben genannt habe.

(Widerspruch des Abg. Wohlrabe [CDU/ CSU])

— Ja, aber sicher! — Es ist sicherlich richtig, daß Sie bei der Lieferung von ganz erheblichen Mengen großer Lkw argumentieren können: Die kann man auch militärisch nutzen. — Es gibt fast nichts, was man nicht militärisch nutzen kann. Nur: Wenn Sie diese Forderung ernst nehmen wollen, bedeutet das nicht nur, daß Sie nicht sagen dürfen: wir wollen aus den Gründen aktueller Schwierigkeiten oder Behinderungen, die wir etwa gegenüber der DDR zu rügen haben, einen Stopp oder eine Drohung mit einem Stopp, sondern das bedeutet konsequenterweise: überhaupt keinen Handel mit Staatshandelsländern. Das müssen Sie doch endlich einmal sehen.



Blank
Ich glaube, das werden Sie gar nicht wollen und gar nicht tun. Insofern ist die Argumentation, die Sie gebracht haben, genauso zu qualifizieren wie etwa die Argumentation Ihres Fraktionskollegen und Verteidigungsexperten Dr. Wörner.
Ich greife damit einen Punkt auf, der genau in diesen Bereich gehört, nämlich die Verteidigungspolitik. Sie wissen, daß sich Dr. Wörner seit langem große Sorgen über die nach seiner Auffassung zu geringen Zuwächse im Verteidigungshaushalt macht. Nun haben wir das im Haushaltsausschuß, wenn ich das richtig sehe, quer durch die Fronten ab und an unterschiedlich gesehen. Ich bin gespannt, wie Sie sich in diesem Jahr verhalten. Deshalb habe ich in der letzten Debatte auch versucht, Herrn Damm zu einer Äußerung zu bringen, wie ernst er es denn eigentlich meint, wenn er sagt: Es geschieht zuwenig. Er hat gesagt: Nein, von uns sind keine zusätzlichen Anträge zu erwarten. — Vielleicht bringt die Herr Kollege Haase.
Herr Kollege Wörner hat einen noch abenteuerlicheren Weg beschritten. In München lebt es sich leichter, Herr Riedl; vielleicht ist man dort etwas munterer. — Herr Wörner hat etwa gesagt, man müsse die Verteidigungsaufwendungen am Zuwachs des Bruttosozialproduktes messen. Das hört sich gut an. Komischerweise haben die Verteidigungsexperten auch heftig Beifall geklatscht; wahrscheinlich weil Strategen so schlecht rechnen können.
Ich habe es einmal nachgerechnet. Ich bin von der Basis 1967 — zehn Jahre zurück — ausgegangen. Damals haben wir einen Verteidigungshaushalt von — wenn ich mich recht erinnere — 19,7 Milliarden DM gehabt. Wenn man den Zuwachs des Verteidigungsetats am Zuwachs des Bruttosozialprodukts in der Bundesrepublik bemessen hätte, müßten wir statt der in diesem Jahr veranschlagten rund 32 Milliarden DM — raten Sie mal — 50 Milliarden DM haben. Wenn man diese Rechnung für vier Jahre fortsetzt, sind das schon 64 Milliarden DM statt 34 Milliarden DM.

(Leicht [CDU/CSU] : Für eine Milchmädchenrechnung bin ich nicht zu haben!)

— Dies ist in der Tat eine Milchmädchenrechnung,
Herr Kollege Leicht. Sagen Sie es bitte Ihrem Kollegen Wörner! In diesem Punkt sind wir uns einig.

(Zuruf des Abg. Leicht [CDU/CSU])

Es ist schlimm, daß solche Äußerungen in Verhandlungen gemacht wurden, in denen unsere Freunde beteiligt waren. Es war eine internationale Verhandlung. Diese haben dann wahrscheinlich mit Hinblick auf uns gesagt, daß diejenigen NATO-Partner, deren Wirtschaft so wesentlich besser als die eigene aussehe — es war übrigens der britische Verteidigungsminister, der diesen Vorschlag machte —, sich wohl stärker engagieren müßten. Wenn dann eine Erklärung wie diejenige des Kollegen Wörner hinzukommt, muß der Eindruck entstehen, daß immerhin ein erheblicher Teil dieses Hauses bereit ist, auf solche Vorschläge einzugehen. Da machen wir nicht mit.
Ich sage es auch einmal in aller Öffentlichkeit und auch nach draußen: Wir fordern unseren jungen Leuten einen 15monatigen Dienst ab. Andere unserer Freunde tun das nicht und glauben, mit unserer Freunde tun das nicht und glauben, mit zeren Wehrpflichtzeiten zurechtzukommen. Wir tun das nicht zum Spaß und auch nicht deshalb, weil wir glauben, daß diese jungen Leute 15 Monate ordentlich gedrillt werden müßten, sondern weil wir der Meinung sind, daß bei dem, was wir finanziell leisten können, die Aufwendungen bei einer entsprechenden Wehrpflichtarmee wesentlich besser investiert sind. Wenn das so ist — das muß man ganz klar sagen —, sind finanzielle Ausweitungen nach oben in solchen Vorstellungen, wie sie etwa Herr Wörner geäußert hat — diese sind sicherlich absurd; darin sind wir einer Meinung, Herr Leicht —, wie sie aber auch andere als Erwartung geäußert haben, nicht zu verwirklichen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

An diesem Punkt möchte ich noch einmal auf eine Überlegung eingehen, die die Haushaltsgruppe von SPD und FDP jüngst in Helgoland angestellt hat. Wir sind der Meinung, daß wir in den Beratungen zum Verteidigungshaushalt sehr genau untersuchen müssen, ob die Anforderungen berechtigt sind. Wir haben auch deutlich gemacht, daß wir bei allen unseren Überlegungen — Herr Jenninger, da müßten Sie als ehemaliges Mitglied des Haushaltsausschusses eigentlich zustimmen — z. B. vom letztmöglichen Preisstand ausgehen. Das scheint eine solide Überlegung zu sein. Weiter wollen wir ganz genau wissen, wann das vorhandene Material, das ausgesondert werden soll, wirklich ausgesondert wird, damit wir solche Geschichten, Herr Haase, die wir erlebt haben, daß plötzlich 50 Starfighter, die auch schon nicht mehr so aktuell sind, neu beschafft werden, nicht noch einmal erleben. Ich glaube, darin sind wir einig.

(V o r s i t z: Vizepräsident Stücklen)

Schließlich sind wir der Meinung, daß wir ganz genau wissen müssen, ob die Ansätze, die in der mittelfristigen Finanzplanung aufgenommen sind, wirklich ausreichen, um die Rüstungsplanung, wie sie beschlossen worden ist, worüber es bereits entsprechende Kenntnisnahmen gibt, wirklich abzudecken. Wir werden nach diesen Grundsätzen auch in den Dingen verfahren, die nicht rein nationaler, sondern internationaler Art sind, z. B. NATO-Fragen. Wir sind der Meinung, daß wir uns hier überhaupt nichts vormachen lassen sollten, sondern daß wir sehr nüchtern prüfen müssen, erstens, was politisch notwendig ist, und zweitens, was bezahlt werden kann. Ich sage das in aller Deutlichkeit, und diejenigen, die sich mit den Dingen befassen, wissen auch exakt, was ich meine. Wir werden insbesondere nicht etwa den Vorstellungen folgen, die wiederum Ihr Fraktionsfreund, Herr Leicht, geäußert hat. Ich muß Herrn Wörner in diesem Zusammenhang leider noch einmal zitieren, der gesagt hat, es gebe ein Kopplungsgeschäft der luftgestützten Radarstationen, der sogenannten AWACS, die jetzt in der Presse erwähnt werden, mit Panzern. Ich halte das



Blank
für blühenden Unsinn und sage das hier auch ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Ihnen zuliebe, Herr Kollege Riedl, zitiere ich Herrn Potyka von der „Süddeutschen Zeitung", der gesagt hat:
Mit starken Worten und einem riskantem Junktim zum Panzergeschäft kann man sich aus dem AWACS-Dilemma nicht befreien. Wörner und Damm sollten davor warnen, anstatt die Bundesrepublik in ein zweifelhaftes Gegengeschäft hineinzureden.
So schrieb Potyka in der „Süddeutschen Zeitung" von gestern.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

So Potyka in der „Süddeutschen Zeitung" von gestern.
Meine Damen und Herren, ich habe die Gelegenheit genommen, den militärwirtschaftspolitischen Exkurs des Kollegen Wohlrabe

(Zuruf des Abg. Wohlrabe [CDU/CSU])

— melden Sie sich doch, wenn Sie eine Frage stellen wollen, Herr Wohlrabe — kurz dazu zu benutzen, zu zeigen, daß man auch bei den haushaltspolitischen Fragen, die sich aus Einzelplan 14 und den übrigen Verteidigungsleistungen ergeben, durchaus in sorgfältige Prüfungen hineingehen muß. Ich werde als neuer Berichterstatter frohgemut, Seite an Seite mit Herrn Haase die Dinge untersuchen und daraufhin abklopfen, ob sie so notwendig und nützlich sind. Ich hoffe, daß sich hier eine vernünftige Zusammenarbeit ergibt. Nach dem Eindruck, den ich hier gewonnen habe, ist nicht zu befürchten, daß die Vorstellungen des Herrn Wörner tragfähig werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801619900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schröder (Lüneburg).

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801620000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Ende dieser Debatte, die nur noch durch eine kurze EG-Auseinandersetzung angereichert werden soll, noch einmal auf einige mehr grundsätzliche Aspekte der Auseinandersetzung des heutigen Tages zurückkommen, die in den Debattenbeiträgen hier immer wieder angeschnitten worden sind.
Da ist zunächst einmal das Thema der Alternativen. Eine große Rolle hat die Frage des Staatsanteils am Bruttosozialprodukt gespielt. Als letztes möchte ich dann auf einige Strukturprobleme dieses Haushalts, auf die Fragen der Investitionen, der gesamtfinanziellen Situation in unserem Staat und der Schuldenlasten eingehen.
Was die Alternativen anlangt — das war ja so etwas wie eine tibetanische Gebetsmühle, die uns von den Vertretern der Koalition hier immer wieder abgefragt worden ist —, so halte ich diese Frage, lieber Kollege Haase, zwar für absolut und in jeder
Hinsicht berechtigt; nur setzt eine Alternative ja voraus, meine Damen und Herren, daß ein Konzept da ist, mit dem man sich auseinandersetzen kann und dem man eine Alternative gegenüberstellt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da müssen wir doch einmal fragen: Was ist denn eigentlich das finanzpolitische Konzept und das haushaltspolitische Konzept dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren? Ich vermag ein solches nicht zu erkennen,

(Zuruf des Abg. Simpfendörfer [SPD])

es sei denn, daß man das Treibenlassen, Herr Kollege Simpfendörfer, und die vage Hoffnung darauf, daß mehr Steuereinnahmen in die Kassen fließen und, wenn das nicht gelingt, man die Steuern erhöht, als ein finanzpolitisches Konzept bezeichnet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, zu so etwas kann man keine Alternative haben.
Aber wir haben ein eigenes Konzept.

(Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

Dieses eigene Konzept, meine Damen und Herren und lieber Kollege Löffler, hat einige unverrückbare Eckdaten.
Eckdatum 1 ist, daß sich die Haushalte, insbesondere der Bundeshaushalt, in ihren jährlichen Zuwachsraten an den realen Wachstumsraten aes Bruttosozialprodukts zu orientieren haben. Dagegen haben Sie sich seit Jahren versündigt, und dagegen versündigen Sie sich 1977 und in den Folgejahren der mittelfristigen Finanzplanung.
Eckdatum 2 ist, daß demgemäß die Steigerungsraten für die einzelnen — und zwar für alle — Ausgabepositionen niedriger sein müssen als in den vergangenen Haushalten.
Eckdatum 3 ist, daß eine Umschichtung vom Konsum hin zu den investiven Leistungen zu erfolgen hat.
Was das Eckdatum 4 betrifft, so haben wir Jahr für Jahr — Herr Kollege Leicht wird es bestätigen — sehr konkrete Anträge vorgelegt, die Sie abgeschmettert haben. Das ist natürlich auch so eine Frage der Redlichkeit, nachdem man Alternativen abgeschmettert hat, diese Frage immer wieder von neuem zu stellen. Eckdatum 4 ist der Abbau des völlig überzogenen Stellenplans des Bundes. Nur dadurch kann der Personalkostenanstieg gedämpft werden.
Was schließlich die Vorlage einzelner Anträge anlangt — die haben wir Jahr für Jahr gestellt. Aber, meine Damen und Herren, Sie werden von uns doch wohl nicht im Ernst verlangen, daß wir Ihnen im Vorwege sagen, daß wir in den Zuwachsraten der Ausgaben da und dort ein bißchen niedriger gehen wollen, damit Sie draußen, so wie wir es jetzt bei der von Ihnen verschuldeten Rentenmisere erleben, wieder einmal Ihre alte Leier der sozialen Demontage spielen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)





Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801620100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0801620200
Herr Kollege Schröder, soll dieses erste Eckdatum, von dem Sie gesprochen haben und das Sie als Konzeption ausgegeben haben — Sie sprachen davon, daß Sie das Haushaltswachstum am realen Bruttosozialprodukt orientieren wollen —, bedeuten, daß Sie in Zukunft in einem Krisenjahr den öffentlichen Haushalt eben nicht benutzen wollen, um konjunkturell gegenzusteuern, sondern dort ein Minuswachstum einordnen wollen?

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801620300
Herr Kollege Westphal, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Frage. Zum ersten. Ich habe hier nicht über Konjunktursonderprogramme gesprochen. Die schließe ich nicht aus. Aber — zweitens — lassen Sie mich mit aller Klarheit sagen: jenen Irrglauben, der sich auch heute wie ein roter Faden durch alle Ihre Reden zog, daß man nämlich durch staatliche Konjunktursonderprogramme, daß man mit einigen Milliarden zusätzlicher staatlicher Ausgaben die Konjunktur wieder auf Vordermann bringen könne, echtes, reales wirtschaftliches Wachstum bewirken und damit die Arbeitslosigkeit beseitigen könne, diesen sozialistischen Irrglauben teile ich in der Tat nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801620400
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801620500
Nein.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen weiteren Punkt ansprechen, der hier insbesondere schon in den Ausführungen des Kollegen Grobecker angesprochen wurde, nämlich den Glauben, daß ein Anstieg des Staatsanteils — das steht ja in engem Zusammenhang mit der Frage, die Sie gestellt haben — am Bruttosozialprodukt zu einer Verbesserung der Lebensqualität unserer Bürger beitragen würde. Das ist doch im Grunde genommen Ihre Ideologie, wenn ich das richtig formuliere. Und ich sage das dem Kollegen Grobecker als Antwort: wir wollen in der Tat keinen weiteren Anstieg des Staatsanteils am Bruttosozialprodukt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn nicht dies ist für uns die kardinale Frage, sondern für uns ist die kardinale Frage: Wieviel wollen wir, will der Staat, wollen Sie insbesondere eigentlich auf Dauer den Bürgern noch von ihren selbstverdienten Einkommen aus den Taschen ziehen, um schließlich einen Punkt zu erreichen, den wir meiner Meinung nach in weiten Kreisen schon erreicht haben? Denn über 40 % — nach einer Feststellung des Ifo-Instituts aus diesen Tagen geht die Zahl voraussichtlich in diesem Jahr schon auf 50 % — aller Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland befinden sich jetzt schon in den Progressionszonen der Lohnsteuer und der Einkommensteuer.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Da frage ich Sie: wie weit wollen Sie denn eigentlich die Steuer- und Sozialabgabenlast noch ausweiten, ohne daß der Leistungswille des einzelnen Arbeitnehmers in unserem Lande und ohne daß die Leistungsfähigkeit unserer Betriebe und Unternehmer dabei über die Wupper geht?

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang fällt mir eine Berner-kung ausgerechnet eines sogenannten Liberalen ein. In der Jungfernrede des Kollegen Gärtner, glaube ich, wurde heute morgen der für mich wirklich aus sogenannter liberaler Sicht phänomenale Versuch unternommen, jene traurige Reformbilanz von 60 000 Konkursen und etlichen hunderttausend freiwilligen Betriebsstillegungen in diesem Lande seit 1969 auf die angebliche Unfähigkeit unserer Händler, Handwerker und Unternehmer abzuschieben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Das ist doch geradezu grotesk, diese mittelständischen Existenzen zunächst einmal durch eine ständig ansteigende Kosten-, Abgaben- und Steuerlast an den Rand des existentiell Möglichen zu drücken und sie anschließend auch noch der Unfähigkeit zu bezichtigen. Daß so etwas aus liberalem Munde kommt, ist doch schon reichlich verblüffend.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich kann nur hoffen, daß diese Ausführungen in den Zeitungen des Handels und des Handwerks ausführlich wiedergegeben werden.
Lassen Sie mich drittens vor dem Hintergrund der Fragestellung: was ist denn eigentlich das Konzept, zu dem man eine Alternative vorlegen kann?, zu den Grundfragen dieses Konzeptes kommen, nämlich der Entwicklung der Investitionen. Denn anders kann man ja auch das, was Sie im Orientierungsrahmen 1985 geäußert haben — Ausweitung des sogenannten staatlichen Korridors —, nicht interpretieren und nicht deuten. Das hat doch wohl nur einen Sinn, wenn damit eine Vermehrung produktiver Leistungen des Staates und damit eine Ausweitung der investiven Anteile am Haushalt gemeint sind.
Die Bilanz in dieser Hinsicht ist mehr als traurig, und sie geht noch über das hinaus, was der Kollege Leicht heute morgen hier vorgetragen hat. Nicht nur, daß der Investitionsanteil am Bundeshaushalt über die Jahre bis zu diesem Haushalt 1977 gesunken ist und in der mittelfristigen Vorausschau bis 1980 auf 12 % im Jahre 1980 weiter sinken wird; nein, meine Damen und Herren, dort, wo vor allen Dingen die staatlichen Investitionen erbracht werden, in den Ländern und den Gemeinden, haben wir einen besorgniserregenden Rückgang zu verzeichnen. Die Kommunen haben vor 20 Jahren, Herr Kollege Westphal, noch 50 % ihrer Ausgaben für Investitionen verwenden können; in diesem Jahr sind es nur noch knapp 25 %. Dies ist nicht auf eine fehlerhafte Finanz- und Ausgaben-



Schröder (Lüneburg)

politik der Kommunen zurückzuführen; nein, die Kommunen haben auszubaden, was hier in Bonn angerichtet wird,

(Beifall bei der CDU/CSU)

die Kommunen sind diejenigen, die die sogenannten Reformgesetze auszuführen haben, die daraufhin ihre Personalzahlen und die Personalausgaben steigern müssen. Die Kommunen, Herr Kollege Westphal, sind vor allen Dingen das Opfer Ihrer inflationären Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier geht es — deshalb erwähne ich es, Herr Kollege Westphal; das ist nicht zum Lachen — an die Grundsubstanz der staatlichen Investitionen schlechthin. Dies können Sie auch nicht durch ein kleines oder etwas größeres, mittelgroßes zusätzliches Konjunkturprogramm des Bundes korrigieren. Wenn Sie die Finanzkraft der Kommunen so weit schwächen — der Städtetag hat ja in der letzten Woche eine Stellungnahme beschlossen, aus der hervorgeht, daß die Kommunen durch die jetzt angekündigten Maßnahmen dieser Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Haushalt und den sogenannten Steuermaßnahmen allein in einem Haushaltsjahr mit zusätzlich 3 Milliarden DM belastet werden —, dann bringen Sie die Investitionsfähigkeit der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland auf den Nullpunkt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Was das für die gesamte Leistungsfähigkeit der öffentlichen Investitionen heißt, brauche ich, glaube ich, in diesem Kreise wohl nicht deutlich zu machen. Damit schwächen Sie mittel- und langfristig die Investitionsfähigkeit der öffentlichen Hände in einem viel größeren Ausmaß, als jedes kurzfristige Konjunkturprogramm es jemals korrigieren kann.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Zum Schluß noch eine grundsätzliche Bemerkung zum Konzept, daß ich nicht sehe, es sei denn, wie gesagt, Treibenlassen in der Hoffnung, die Dinge würden sich von allein bessern. Der Bundesfinanzminister hat hier geradezu noch mit einem gewissen Stolz in der Brust darauf aufmerksam gemacht, daß die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr etwas niedriger geworden sei und daß in der mittelfristigen Finanzplanung bis 1980 ein weiterer Rückgang — allerdings vorausgesetzt, daß gewisse wirtschaftspolitische Eckdaten auch tatsächlich realisiert werden, was ich ein wenig bezweifle; aber gut, unterstellen wir das einmal — zu verzeichnen sei. Aber, meine Damen und Herren, über das Konzept und die traurige Hinterlassenschaft der völlig verfehlten Finanz- und Haushaltspolitik der letzten Jahre möchten Sie natürlich nicht mehr so gerne reden. Ich kann verstehen, wenn sich Graf Lambsdorff hinstellt und fragt: Was sollen wir noch Schlachten von gestern schlagen? Sie mögen an Ihre Missetaten, Ihre Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre nicht erinnert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur, die Haushalts- und Finanzpolitik dieses Jahres und der vor uns liegenden Jahre ist gar nicht zu verstehen, wenn man nicht die Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre mit in die Betrachtung einbezieht.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Für diese Fehlentscheidungen, lieber Graf Lambsdorff, werden wir noch arg zu büßen haben.
Lassen Sie mich das einmal an einigen Zahlen verdeutlichen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801620600
Herr Abgeordneter, wollen Sie eine Zwischenfrage des Grafen Lambsdorff zulassen?

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801620700
Dem Grafen kann ich nichts verweigern.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0801620800
Herr Kollege Schröder, auf diese letzte Erklärung werde ich zu passender Zeit zurückkommen. Vielen Dank! Im übrigen möchte ich Sie fragen, ob ich Sie vielleicht daran erinnern darf, daß zwischen den von Ihnen kritisierten Entscheidungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik eine sehr wesentliche, nämlich zustimmende Entscheidung des Wählers gelegen hat.

(Lachen bei der CDU/CSU— Wohlrabe [CDU/CSU] : Durch Täuschung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801620900
Lieber Graf Lambsdorff, ich schätze Sie wirklich als einen der gescheitesten Kollegen aus den Reihen der Koalition. Aber daß Sie an diesem Abend angesichts der gestrigen Entscheidung von Karlsruhe noch ein solches Eigentor schießen würden, hat mich ein bißchen verwundert.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801621000
Herr Abgeordneter, wollen Sie noch eine Zwischenfrage zulassen?

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0801621100
Nein, jetzt nicht mehr.
Ich möchte nicht mehr ganz so ernst werden wie mein Kollege Haase und das hier alles noch einmal wiederholen, will aber dennoch einen Satz mit allem Ernst und mit aller Deutlichkeit sagen: Wenn diese massive Irreführung des Wählers nicht gewesen wäre, dann wäre — davon, Graf Lambsdorff, bin ich hundertprozentig überzeugt — das Ergebnis am 3. Oktober ein völlig anderes gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich aber auf die konzeptionellen Fragen zurückkommen, auf das, was uns in den nächsten Jahren belasten wird. Meine Damen und Herren, allein in diesem Jahr wird die Schuldenlast jener gigantischen Verschuldungspolitik von 1969 bis 1975 im Zuge des sozial-liberalen Reformrausches um eine Milliarde höher liegen, als wir an neuen Schulden aufnehmen. In diesem Jahr muß der Bund 22,8 Milli-



Schröder (Lüneburg)

arden DM Schulden neu aufnehmen, er muß aber 23,8 Milliarden DM aufwenden, um Schulden zu tilgen und Zinszahlungen zu leisten. Im nächsten Jahr werden wir für Zins- und Tilgungsleistungen 27,6 Milliarden DM aufwenden müssen, 1979 36,4 Milliarden DM

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Mehr als der Verteidigungsetat!)

und 1980 35,9 Milliarden DM. Das ist in den Jahren 1970 und 1980 mehr, als Sie nach der jetzigen mittelfristigen Finanzvorschau für die Verteidigung in diesem Land aufwenden wollen. Das, Herr Minister Apel, ist das Ergebnis einer katastrophalen Verschuldungspolitik, die uns noch über Jahre hinaus belasten wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn ich diese grundsätzlichen Überlegungen zusammenfasse, muß ich allerdings zu dem Ergebnis kommen, daß von einem Konzept, daß von einer Konsolidierung überhaupt noch keine Rede sein kann. Wir befinden uns noch tief in den Folgen eines verhängnisvollen Umgangs mit den Geldern unserer Steuerzahler, mit den Ausgaben des Bundes in den Jahren 1969 bis 1975. Wir alle werden diese Last bis 1980 und noch darüber hinaus zu tragen haben. Wie man sich da an die Brust schlagen kann, es sei schon alles zum besseren gekehrt, ist mir schleierhaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801621200
Das Wort hat der Abgeordnete Löffler.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ersatzreserve II! — Wohlrabe [CDU/CSU]: Wo sind denn deine Redner? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0801621300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich bis zu der letzten Rede davon ausgegangen, daß Gemeinsamkeit in der Politik nur über den Weg der Vernunft erreicht werden kann.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Mein früherer Beruf hat es eigentlich so mit sich gebracht, daß ich mich nicht irremachen lasse in dem Glauben, daß der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist.
Der Herr Kollege Schröder hat eben der Koalition vorgeworfen, daß sie kein Konzept vorgelegt habe. Wir haben uns in einer langen Debatte bemüht, ehrlich und offen auch mit gewissen kritischen Aspekten all die Schwierigkeiten darzulegen und unser Konzept aufzuzeigen, wie wir unser Land und unsere Gesellschaft auch mit Hilfe des Haushalts über eine schwierige wirtschaftliche Phase hinwegbringen wollen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat darauf hingewiesen, daß man einen Haushaltsplan eben nicht nur eng fiskalisch sehen kann. Die Opposition hat viel Kritik geübt. Das ist richtig. Sie muß auch Kritik üben. Sie hat auch eine ganze Menge Polemik angebracht. Darüber wollen wir auch nicht streiten. Teilweise war sie ja auch so wirkungsvoll vorgetragen, fast bühnenreif, daß man sich den nächsten Kinobesuch sparen kann. Im wesentlichen haben Sie aber nur sehr punktuelle, eingegrenzte Kritik geübt. Sie haben keinen großen Rahmen gezogen, Sie haben Ihre Kritik nicht in eine Gesamtschau eingeschlossen.
Dann ist der Herr Kollege Schröder — und das ist eigentlich das Konzept der Opposition — mit der Krümelbürste durch die Debatte gegangen und hat all die Ladenhüter noch einmal serviert, die die Opposition für schick und besonders wirkungsträchtig hält.
Da wird dann z. B. gesagt: „Sie treiben die inflationäre Politik hoch." Schauen Sie sich doch einmal an, wie die Verhältnisse in Europa aussehen! Kennen Sie denn noch mehr europäische Länder, die soviel Stabilität in schwieriger Zeit gehalten haben wie die Bundesrepublik Deutschland?

(Beifall bei der SPD)

Und natürlich: Wir sind nur deshalb verhältnismäßig gut über die Runden gekommen, weil wir das alles haben treiben lassen. — So der Kollege Schröder, um uns dann im nächsten Satz vorzuwerfen, wir seien eingeengte Bürokraten, die das gesamte gesellschaftliche Leben mit einem Netz von Verordnungen überziehen wollen. Herr Kollege Schröder, wenn sich Ihre Fraktion schon nicht einigen kann, Sie selber müssen doch wenigstens in sich einig werden: Lassen wir nun treiben, oder wollen wir die Gesellschaft gängeln? Da müssen Sie doch für sich irgendeine Entscheidung treffen können.
Oder wenn Sie dann von Missetaten und Fehlentscheidungen sprechen, welche Länder meinen Sie damit eigentlich?

(Wohlrabe [CDU/CSU]: Die Verschuldungspolitik ist doch nicht zu bestreiten!)

Nein, Herr Kollege Schröder, es kam auch Ihre grundsätzliche Philosophie hier zum Ausdruck. Sie haben ja auch das deutsche Volk soeben für unmündig erklärt und waren der Meinung, daß ein paar Druckschriften und Broschüren die Entscheidung des Volkes ganz anders gestaltet hätten.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Es ist doch nur 1 % Mehrheit!)

Ich muß sagen: Ich glaube so stark an die politische Vernunft des deutschen Volkes, daß ich nicht glauben kann, daß einige Druckschriften das Wahlergebnis verändert haben.

(Beifall bei der SPD — Wohlrabe [CDU/ CSU] : Da habt ihr das Geld also verschleudert?)

Wenn Sie dieser Meinung sind, dann steckt dahinter im Grunde genommen eine menschenverachtende Philosophie, und die lehnen wir grundsätzlich ab.

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

Dann wird davon gesprochen, wir hätten einen völlig überhöhten Stellenplan. Gucken Sie sich doch einmal die tatsächlichen Zahlen an, Herr Kollege Schröder! Ich kann mir Ihre Aussage nur so er-



Löffler
klären, daß Sie grundsätzlich nur Ihre eigenen Reden nachlesen, die Sie vielleicht einmal vor vielen Jahren gehalten haben. Sonst müßten Sie als Mitglied des Haushaltsausschusses doch wissen, daß wir gemeinsame Anstrengungen unternommen haben und, wie ich hoffe, auch weiterhin unternehmen werden, um den Stellenplan abzubauen.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Wir werden Sie daran erinnern!)

Als der Kollege Grobecker einige Ausführungen über den Staatsanteil machte, haben Sie ihm vorgeworfen, daß seine Auffassung ein Irrglaube sei. Das war von Ihrer Seite besonders interessant. Der Kollege Grobecker hat nämlich ein Zitat von Paul Samuelson gebracht — bekanntlich Nobelpreisträger für Nationalökonomie. Er ist in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen dahintergekommen, daß sich in den Staaten, in denen der Staatsanteil verhältnismäßig hoch ist, besonders viel soziale und wirtschaftliche Stabilität in dieser Welt ergeben hat. Aber ich gehe davon aus, daß der Nationalökonom Schröder natürlich mit Sicherheit höher zu bewerten ist als der Nobelpreisträger Paul Samuelson.
Herr Schröder, was Sie hier geboten haben, war insofern ein erschreckendes Bild, als man beinahe glauben muß, daß die Opposition tatsächlich nicht in der Lage ist, eine Gesamtschau zu entwickeln. Ohne Gesamtschau kriege ich jedoch auch kein Konzept. Aber ich würde sagen: Wir wollen uns alle gemeinsam bemühen, daß Sie unsere Gesamtschau, unser Konzept, verstehen, weil Sie sich dann nämlich selber die formalen Voraussetzungen dafür erarbeiten können, zu einem eigenen Konzept zu kommen. Ich glaube nämlich, daß die Diskussionen hier im Deutschen Bundestag dann auch von der Sache her etwas fruchtbarer würden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801621400
Das Wort hat der Abgeordnete Gärtner.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt eine mittelstandsfreundliche Rede!)


Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0801621500
Der Abgeordnete Schröder hat mir vorgeworfen, so etwas wie eine liberale Verirrung begangen zu haben. Ich darf dazu folgendes feststellen. Ich habe nicht liberal, ich habe nicht konservativ, nicht christdemokratisch, nicht sozialdemokratisch argumentiert, sondern wissenschaftlich. Dabei habe ich diese Ausgabe hier benutzt und das auch als Zitat ausgewiesen. Ich werde jetzt, damit Herr Schröder Gelegenheit hat, das nachzukontrollieren, ihm das mit freundlichen Grüßen überreichen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Sie bleiben also bei Ihren Behauptungen?)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801621600
Das Wort hat der Abgeordnete Carstens.

Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID0801621700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginen und Kollegen! In der letzten Runde der heutigen Haushaltsdebatte möchte ich einige Ausführungen zur Europapolitik und zum Etat der EG sowie zu seinen Auswirkungen auf unseren eigenen Haushalt machen.
Sowohl in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor einigen Wochen als auch in der Haushaltsrede des Finanzministers von gestern sind zu Europa nur völlig unzureichende Aussagen gemacht worden. Diese Tatsache scheint mir ein sicheres Indiz dafür zu sein, daß bei der Bundesregierung in Sachen Europa eine ziemliche Konzeptionslosigkeit herrscht. Diese Konzeptionslosigkeit bewirkt offensichtlich, daß die Regierung nicht in der Lage ist, eine europäische Entwicklung konkret aufzuzeigen. Sie beweist ferner, daß die Europapolitik nicht — leider nicht — an der Spitze der Prioritätenliste dieser Bundesregierung steht. Hieraus resultiert dann geradezu zwangsläufig, daß, wie Sie sagen, Herr Minister Apel, von Jahr zu Jahr zwar immer größere Summen an die EG abzuführen sind, entsprechende politische Erfolge aber nicht erzielt werden. Es stimmt doch, daß in den letzten Jahren zufriedenstellende Fortschritte bei der Integration der Europäischen Gemeinschaft ausgeblieben sind.
Nun weiß ich sehr wohl, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, daß es andere EG-Länder gibt, die sich restriktiver verhalten, als unser Land es tut. Das ist richtig. Das Verhalten anderer europäischer Regierungen befreit jedoch die Bundesregierung nicht von der Verantwortung, die sie nun einmal als Vertreterin eines wichtigen Landes beim weiteren Bau Europas hat. Es befreit sie nicht von der Verpflichtung, ständig neue Bemühungen und neue Vorstöße zugunsten Europas zu unternehmen. Es berechtigt sie nicht dazu, die Hände in den Schoß zu legen, die weitere Entwicklung abzuwarten und auf eigene Initiativen zu verzichten.
Mein Vorwurf geht konkret dahin, daß ich der Bundesregierung vorwerfe, sie verhindert europäische Integrationsbestrebungen zwar nicht, unternimmt aber viel zu wenig, um gestaltend und zukunftweisend tätig zu werden. Es genügt nun einmal nicht, die Hauptinitiative von der Brüsseler Kommission zu erwarten. Bürokratie kann politische Entscheidungen nicht ersetzen. Es reicht ebenfalls nicht aus, wenn man in bestimmten und besonderen Situationen zwar richtigerweise Devisenhilfen gibt, Bürgschaften übernimmt oder sich auch an zweckbestimmten Fonds beteiligt. Selbst angelaufene bzw. bereits abgeschlossene Verhandlungen der EG mit Drittländern über technische oder wirtschaftliche Hilfen, über Assoziierungs- oder gar Beitrittsmöglichkeiten können meinen Vorwurf gegen die Bundesregierung letztlich nicht entkräften. Ich behaupte, daß bei entsprechendem Konzept und höchster politischer Priorität in der Vergangenheit bei gleichem finanzpolitischem Einsatz für Europa mehr hätte erreicht werden können und daß auch in Zukunft mehr erreicht werden könnte. Ich denke daran, daß der Bericht von Herrn Tindemans hier besondere Anregungen gibt. Ich möchte die Bundesregierung seitens der CDU/CSU-Fraktion dazu anregen und auffordern, mutige politische Schritte in



Carstens (Emstek)

der Europapolitik zu unternehmen. Sie können unserer Unterstützung sicher sein, wenn wir dadurch dem Hauptziel eines vereinten freien Europa ein Stück näherkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun zum Haushalt der EG. Der EG-Haushalt hat inzwischen ein Volumen erreicht, das für die Gemeinschaft zunehmend konjunkturrelevant und für die nationale Haushaltsgestaltung immer bedeutsamer wird. Aus diesem Grund und angesichts der Wirtschafts- und Finanzlage unseres Landes und der anderen Mitgliedstaaten der EG müssen an die Praxis der Haushaltsveranschlagung und -führung in der EG strengere Maßstäbe angelegt werden, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Die leeren Kassen der Mitgliedstaaten zwingen diese im europäischen Bereich zu einer äußerst sparsamen und effizienten Haushaltspolitik. Sie erfordern bei neuen und bestehenden Programmen konkretere Kostenvorausschätzungen und vor allem auch eine verläßlichere, aussagefähige mittelfristige Finanzvorschau, damit sich die Mitgliedstaaten in ihrer nationalen Finanzplanung realistisch auf den Finanzbedarf der EG einstellen können. Die leeren Kassen werden aber auch eine klare Prioritätsentscheidung nötig machen.
Zu all dem hat der Finanzminister in der Haushaltsdebatte keinerlei Aussagen gemacht. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich hier, wie auch schon in der Aussprache über die Regierungserklärung im Januar, die Dinge sehr leicht gemacht. Statt einer detaillierten Analyse der zukünftigen Belastungen, ihrer abschätzbaren Risiken zu geben und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, hörten wir nur Appelle an die Verantwortung anderer, z. B. Länder und Gemeinden, weniger getragen von einer eigenen politischen Verantwortung als vielmehr von Selbstmitleid. Aber Selbstmitleid steht einem Finanzminister nicht an. Es geht auch nicht an, die steigenden EG-Zahlungsverpflichtungen so hinzustellen, als handele es sich hier um eine unabänderliche Entwicklung, der man sich nicht entgegen zu stellen, sondern die man klaglos hinzunehmen habe.
Herr Minister Dr. Apel — Sie sind ja noch anwesend; alle Achtung, Herr Minister —,

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie machten im Zusammenhang mit den EG-Ausgaben zwar auf die Problematik beim Bundeshaushalt aufmerksam, ähnlich wie in der Debatte zur Regierungserklärung. Sie sprachen von jährlichen Steigerungsraten von ca. 30 %, davon, daß wir der größte Nettozahler sind. Sie stellten auch fest, daß ca. 73 % der EG-Ausgaben in den Agrarmarkt fließen und daß die deutschen Leistungen für den EG-Haushalt 5 % des Haushaltsvolumens des Bundes entsprechen. Sie haben jedoch — das muß gesagt werden — mit keinem Wort erwähnt, ob und welche Schlüsse und Konsequenzen Sie hieraus ziehen wollen. Herr Minister, das ist Ihre Aufgabe. Vor dieser Aufgabe können Sie sich nicht drücken, was Sie ja bishang beharrlich getan haben. Da möchte ich an Sie die Frage richten: Wo bleiben eigentlich jetzt die Alternativen, die von Ihnen kommen müssen, in
bezug auf den europäischen Bereich? Sie fragen uns ja ständig nach Alternativen. Hier sind Sie gefragt, als Regierung endlich zu handeln und Alternativen aufzuzeigen.
In einer Beziehung allerdings, Herr Minister, muß ich Ihnen einen gewissen Fortschritt zum Besseren bestätigen. Sie haben gestern nicht mehr Ihre schon gewohnte Zahlmeisterallüre gezeigt, sondern waren erheblich vorsichtiger und abgewogener in den Äußerungen zu Europa. Offenbar haben Sie eingesehen, daß man die Frage der europäischen Einigung nicht nur von der Seite der EG-Finanzierung betrachten darf. Aber das bewahrt Sie nicht davor, klare und eindeutige Aussagen darüber zu machen, wie Sie mit der EG-Haushaltsproblematik fertig werden wollen. Sie wissen doch genau, daß nach den Schätzungen der Deutschen Bundesbank schon zu Beginn der achtziger Jahre die dann der EG zustehenden eigenen Einnahmen, einschließlich des geplanten einprozentigen Mehrwertsteueraufkommens, zur Finanzierung nicht mehr ausreichen. Was folgern Sie daraus? Was wollen Sie tun? Das sind Fragen, die Sie beantworten müssen. Dazu muß die Bundesregierung Stellung nehmen, nicht erst in einigen Jahren, sondern jetzt bald. Die Zeit drängt. Ich denke hierbei nicht zuerst an Einsparungen und Kürzungen, sondern vor allem daran, daß klare Perspektiven deutlich gemacht und Prioritäten aufgezeigt werden.
Meine Damen und Herren, abschließend noch einige Worte zur Haushaltswahrheit und -klarheit in unserem Bundeshaushalt.
Obwohl der Anteil der Bundesrepublik Deutschland am EG-Haushalt für 1977 über 8 Milliarden DM betragen wird — Sie haben es in Ihrer Haushaltsrede gestern gesagt —, werden Sie bei Durchsicht keine Ausweisung im Bundeshaushalt finden. Herr Minister Apel, ich halte Ihr Verhalten, den EG-Anteil lediglich im Anhang zum Haushalt auszuweisen, nach wie vor eindeutig nicht für korrekt. Ich habe das bereits vor zwei Jahren angesprochen. Das ist nach wie vor nicht korrekt, und das hat mit einem seriösen Haushaltsgebaren nichts zu tun. Solange die Finanzbeiträge der EG-Mitgliedsstaaten noch nach einem Bruttosozialproduktschlüssel festgelegt werden, solange also nicht von echten eigenen Einnahmen der EG über die Mehrwertsteuereinnahmen gesprochen werden kann, ist eine volle Etatisierung vorzunehmen. Alles andere ist einfach nicht in Ordnung und muß abgelehnt werden.
Zusätzlich ist dabei zu berücksichtigen, daß die jeweiligen Soll-Ansätze unverantwortlich weit von den späteren Ist-Ergebnissen abweichen. Dazu hat bereits der Herr Kollege Leicht heute morgen in seiner Rede Stellung bezogen. Aus seiner Stellungnahme ging hervor, daß in der Ubersicht über den vorläufigen Abschluß des Bundeshaushalts von 1976 steht, daß der EG-Anteil an der Umsatzsteuer mit zirka 4 Milliarden DM veranschlagt war, die EG aber nur gut 2,8 Milliarden DM benötigte, so daß der Differenzbetrag den Bundesanteil an den Steuern vom Umsatz um 1,14 Milliarden DM erhöht hat. Das ist eine Abweichung von zirka 40 %. Meine Damen



Carstens (Emstek)

und Herren, das ist eine geradezu abenteuerliche Abweichung.
Was ist denn nun dort geschehen, was haben wir danach für die Zukunft zu berücksichtigen? Gestatten Sie mir, daß ich kurz auf einige Zahlen eingehe. Die Bundesregierung war bei der Festsetzung der Soll-Ansätze vom endgültigen Haushalt der EG für das Jahr 1976 ausgegangen. Der Haushalt der EG betrug in etwa 7,6 Milliarden Rechnungseinheiten. Das ist, wenn man unseren Anteil ausrechnet, in etwa auch das, was wir in D-Mark zu zahlen haben. Diese Summe von zirka 7,6 Milliarden DM wurde also im Anhang zum Bundeshaushalt aufgeführt. Interessanterweise sind im Laufe des Jahres — das ist aber in den Vorjahren durchaus auch üblich gewesen — noch mehr als 800 Millionen DM bzw. Rechnungseinheiten für Nachtragshaushalte aufgewandt worden. Obwohl also 800 Millionen und mehr Rechnungseinheiten mehr ausgegeben wurden, als zu Beginn des Jahres geplant war, hat die Bundesregierung noch mehr als 1,1 Milliarden DM übrigbehalten. Das deutet also eindeutig darauf hin, daß die Ansätze, von denen die Bundesregierung jeweils ausgeht, absolut nicht wirklichkeitsnah sind. Ich kann Ihnen versprechen, daß wir bei den Haushaltsberatungen Wert darauf legen werden, diese Einzelpositionen genauestens unter die Lupe zu nehmen.
Da wir uns gerade bei den Zahlen des EG-Haushalts aufhalten, noch ein letztes zu diesem Bereich. Man spricht oft von all den Kosten, die im Bereich Europas zusätzlich auf uns zukommen. Interessant ist, daß das Volumen der echten neuen Politiken, der Politiken, die in den letzten vier, fünf Jahren eingeführt wurden, z. B. Sozialsektor, Regionalsektor, Forschung, Energie, Transport und Entwicklungshilfe, in etwa nur so groß ist, wie das, was in der EG insgesamt für die Verwaltung, das Personal und für die Erstattung von Erhebungskosten aufgewandt wird, nämlich rund eine Milliarde Rechnungseinheiten.
Es kommt also darauf an — ich möchte Sie hier noch einmal ganz besonders ansprechen, Herr Minister —, daß Prioritäten gesetzt werden. Man kann sich nicht immer mit den Beträgen entschuldigen, die insgesamt gezahlt werden, sondern es kommt darauf an — ich wiederhole es —, das Prioritäten gesetzt werden und daß dann mit dem, was gezahlt wird, auch Effektivität auf dem Wege zur Integration Europas erreicht wird. Daß wir uns bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen besonders mit den Zahlen in Sachen EG beschäftigen wollen, scheint noch so lange von besonderer Bedeutung zu sein, bis dem Europäischen Parlament die vollen Haushaltsbefugnisse übertragen werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, daß dies bald geschieht, dafür sollten wir uns gemeinsam mit Nachdruck einsetzen. Auch das ist ein Schritt in Richtung auf eine weitere Integration der Europäischen Gemeinschaft. Diese europäische Integration sollte uns durchaus etwas wert sein. Hierbei denke ich gar nicht vorrangig an Geld, obwohl es ohne Geld sicherlich auch in Zukunft nicht gehen wird. Ich denke vielmehr daran, daß wir alle unsere Fähigkeiten und unseren guten Willen für ein vereintes Europa in Freiheit und Frieden einsetzen sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801621800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Simpfendörfer.

Hansmartin Simpfendörfer (SPD):
Rede ID: ID0801621900
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Koalition hat es nicht nötig, zum Abschluß dieser Debatte in großen Worten darzutun, was alles von ihr in den letzten Jahren an Initiativen in Richtung einer Integration Europas bzw. weiterer Fortschritte zur Integration tatsächlich verwirklicht wurde. Wir stehen jetzt am Anfang einer neuen Legislaturperiode. Trotz aller Klagen der Opposition — in der Debatte über die Regierungserklärung, heute wieder —, daß Europa angeblich kein vorrangiges Ziel dieser Koalition sei, wird sich im Laufe dieser Legislaturperiode ganz sicher erweisen, wo der Motor des Integrationsfortschritts in Europa ist und wo auf der anderen Seite die vielfältigen objektiven Hemmnisse sind, die uns hindern, mehr als die Fortschritte zu erzielen, die wir tatsächlich erreichen könnten. Es ist ja nicht so, wie ich neuerdings immer wieder aus den Reihen der Opposition höre, daß es die Sozialisten seien, die in Nationalstaaterei zurückfielen, und das es deswegen keine Fortschritte gebe; sondern das liegt an ziemlich genau kalkulierbaren, feststellbaren objektiven Tatbeständen, die uns gehindert haben, die Fortschritte etwa im Bereich der Währungspolitik, im Bereich der Wirtschaftspolitik, einer Währungs- und Wirtschaftsunion zu erzielen, die wiederum die Voraussetzungen dafür wären, daß wir im allgemeinpolitischen Bereich mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit entwickeln können.
In diesem Zusammenhang ist die europäische Wahl, die für diese Legislaturperiode in Aussicht gestellt ist, ganz sicher ein enorm wichtiges Datum, auf das wir viel Kraft und Aufmerksamkeit verwenden müssen, um deutlich zu machen, daß es nicht nur ums Geld geht, Kollege Carstens, sondern daß es uns auch um den gemeinsamen politischen Willen geht, in Europa Fortschritte zu erzielen. Trotzdem soll und muß in einer Haushaltsdebatte auch vom Geld die Rede sein.
Wenn ich lese, daß etwa der Verkauf von 10 000 Tonnen Butter aus den Kühlhäusern Europas 57 Millionen DM Aufwand an Steuermitteln kostet, daß daran der Bundeshaushalt wiederum mit 35 %, also mit ungefähr 20 Millionen DM beteiligt ist, daß davon wiederum nur 12,7 %, also ungefähr 2,4 Millionen DM an die deutsche Wirtschaft zurückfließen, dann muß es erlaubt sein, über die Zusammenhänge zu reden: wieso das so ist, und ob das wohl so bleiben muß. Daß hier ein Ärgernis besteht und daß es notwendig ist, über dieses Ärgernis und die daraus zu ziehenden Konsequenzen nachzudenken, darin sind wir uns als Opposition und als Koalition wohl einig.
Ich bin der Regierung sehr dankbar, daß sie frühzeitig versucht hat, dieses neue Buttergeschäft, das ein Ärgernis für uns alle ist, zu verhindern, und daß



Simpfendörfer
ein Beschluß gefaßt wurde, in der Zukunft zumindest mit Ostblockländern solche Geschäfte nicht mehr zu machen. Aber das bedeutet nicht, daß die Kühlhäuser jetzt leer sind und daß es nicht mehr notwendig sein wird, diese Kühlhäuser zu leeren. Infolgedessen müssen nach wie vor Anstrengungen gemacht werden — und zwar vernünftigere Anstrengungen —, um mit diesem Problem fertig zu werden.
Wenn der Finanzminister betont hat, daß die vierte Finanzierungsebene, die EG, eine wachsende Bedeutung gewinne, gilt das natürlich in zwei Richtungen. Erstens. Die Bundesländer müssen zur Kenntnis nehmen, daß wir inzwischen die berühmten 5 % des Haushaltsvolumens des Bundes für Brüssel aufwenden müssen, Herr Kollege Carstens. Die Rückflüsse kommen dem Bundeshaushalt so gut wie nicht zugute, d. h., das ist eine echte zusätzliche Belastung auf Bundesebene. Das muß Folgen für die Verhandlungen über den Umsatzsteueranteil zwischen Bund und Ländern haben.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Die Staaten in Europa und in -der Welt dürfen auch ruhig wissen, daß wir bereit und fähig sind, für die Erreichung vordringlicher Ziele einen hohen finanziellen Einsatz zu leisten. Sie müssen jedoch auch wissen, daß wir Abgeordnete im Deutschen Bundestag zu rechnen und Nutzen und Kosten zu prüfen gewohnt sind. Die Milchmarktordnung hält dieser Prüfung längst nicht mehr stand.
In diesem Zusammenhang hat Kollege von Weizsäcker am 19. Januar in der Debatte über die Regierungserklärung in diesem Hause gegen die Zahlmeisterattitüde polemisiert, die auch heute hier vom Kollegen Carstens erneut aufgegriffen wurde,

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Ich habe gesagt: Es ist nicht so!)

aber mit dem lobenden Hinweis, der Herr Finanzminister habe sich ja in der Zwischenzeit gebessert. Ich habe damals nicht das Gefühl gehabt, daß der Kollege von Weizsäcker recht hat. Er selber mag es als peinlich empfinden, daß über Geld geredet wird; wir Haushaltsleute müssen zweifellos darüber reden.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das hat er gar nicht gesagt! Haushaltsleute müssen korrekt zitieren! Daß es peinlich sei, von Geld zu reden, hat er nicht gesagt!)

— Er hat es ausdrücklich beklagt, daß über Geld geredet wird, daß man vorrechnet, wieviel wofür aufgewendet wird. Er hat gemeint, daß das in Wirklichkeit doch gar nicht die Fragestellung sei, sondern es seien viel höhere Interessen im Spiel. So ungefähr war der Duktus seiner Ausführungen. Ich meine, daß ihn nichts abhalten soll, diese Ausführungen zu machen. Nur: Haushaltsleuten muß es erlaubt sein, davon zu reden, ob der Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen steht.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Für Abgeordnete sollte das eine Pflicht sein!)

Insoweit müssen wir erhebliche Zweifel anmelden.
Wenn wir prüfen, in welchem Verhältnis die Ausgaben der EG für die Milchmarktordnung oder für
die Beseitigung von Weinüberschüssen zu den Ausgaben für die Schaffung von Erwerbsalternativen für die Milch- oder Weinbauern stehen, ist ein erschreckendes Mißverhältnis festzustellen. Ich glaube, es ist für uns alle Zeit, darauf zu drängen, daß dieses Mißverhältnis abgebaut wird.
Es gibt allerdings eine Antwort auf dieses Problem, die nicht die richtige ist. Es wird nämlich gelegentlich das Patentrezept der Plafondierung ins Spiel gebracht. Demnach sollen die Agrarmarktausgaben auf einer bestimmten Höhe eingefroren werden. Eine ,,Bilanz"-Sendung des ZDF hat im August 1976 gezeigt, daß der Kollege Dr. Strauß ein Anhänger dieser Idee ist.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sie wissen doch, daß das nicht wahr ist! Reden Sie doch den Schmarren nicht daher! Das wissen Sie doch ganz genau!)

— Liebe Herren Kollegen von der Opposition, Sie platzen heute genauso, wie damals der Kollege Dr. Ritz geplatzt ist

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Ich habe es Ihnen doch bewiesen!)

— nein, Sie haben es mir nicht bewiesen —, als es der Kollege Lothar Löffler in die Offentlichkeit brachte. Er hat keine Antwort von demjenigen erhalten, der eigentlich die Antwort hätte geben müssen. Er hat eine Antwort — wenn auch nicht in der Sache — vom Kollegen Dr. Ritz erhalten. Herr Kollege Dr. Ritz hat gesagt: „Das kann überhaupt nicht in Frage kommen; im übrigen sind wir der folgenden Auffassung." — Das war eine ausweichende Antwort. In Wirklichkeit war es so, daß nachweisbar und immer unbestritten der Kollege Dr. Strauß die Idee der Plafondierung in dieser Sendung gebracht hat. Damals hat der Präsident des Bauernverbands darauf nicht geantwortet, wie er eigentlich hätte antworten müssen; denn eine Plafondierung wäre ja der Tod der Einkommenszuwächse der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Aber er hat nicht geantwortet, weil er damals ein höheres Staatsamt im Auge hatte. Deswegen konnte er nicht gut antworten.

(Dr. Kohl [CDU/CSU] : Haben Sie das auch schon gemerkt?)

Er konnte natürlich auch nicht gut antworten auf einen Vorschlag seines künftigen Finanzministers, der in Zukunft seinen Haushalt hätte aufstellen müssen.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das ist doch nicht wahr! Sie wissen doch, daß es Alex Möller ganz genauso gemacht hat!)

Ich mußte heute erneut darauf eingehen; denn es war die einzige erkennbare Alternative auf dem agrarpolitischen Sektor, die wir im letzten Jahr zur Kenntnis nehmen konnten, eine im übrigen für die deutsche und europäische Landwirtschaft verhängnisvolle Alternative, da sie zweifellos dazu führen würde, daß sich nicht die Strukturen ändern; vielmehr würde man damit den Bauern, insbesondere den einkommensschwachen und denen ohne Erwerbsalternative, einfach den Strick um den Hals legen, Herr Kollege Dr. Jenninger.


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801622000
Herr Kollege Simpfendörfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID0801622100
Herr Kollege Simpfendörfer, wann werden Sie denn endlich einmal das zur Kenntnis nehmen, was in dem Vermerk enthalten ist, den ich Ihnen vorgelegt habe, nämlich daß in der Zeit des Bundesfinanzministers Alex Möller auch die sozialliberale Regierung diese Vorstellungen des ehemaligen Bundesfinanzministers Dr. Strauß übernommen hat?

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Helmut Schmidt hatte sie ebenfalls!)


Hansmartin Simpfendörfer (SPD):
Rede ID: ID0801622200
Nein, nein! Ich habe den Vermerk, Herr Kollege, von dem Sie sprechen, zur Kenntnis genommen. Ich hatte damals nicht genügend Material, um die Sache weiter zu verfolgen, und habe deswegen nichts mehr darauf gesagt. In der Zwischenzeit hat mir der Kollege Lothar Löffler sehr wohl ausreichendes Material zur Verfügung gestellt, aus dem einwandfrei der Schluß gezogen werden kann, daß eben die Idee von der Plafondierung, die Idee von Dr. Strauß, im Jahre 1976 erneut aufgewärmt worden war und daß niemand in diesem Hause — möglicherweise außer Dr. Strauß — bereit ist, über dieses Thema ernsthaft zu reden. Wir jedenfalls nicht!

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801622300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klein?

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID0801622400
Herr Kollege Simpfendörfer, würden Sie vor dem Hintergrund der Metapher „Tod der Landwirtschaft" die Absicht, die Subventionen um 2 bis 3 Milliarden DM zu kürzen, als einen ausgesprochenen Wiederbelebungsversuch betrachten?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Hansmartin Simpfendörfer (SPD):
Rede ID: ID0801622500
Herr Kollege Klein, ich weiß nicht, wer wann die Absicht geäußert hat, irgendwelche Subventionen um 2 bis 3 Milliarden DM zu kürzen. Wenn Sie aber meinen, daß eine Kommission tätig wird, die die möglicherweise ungerechte Besteuerung innerhalb der Landwirtschaft überprüft und Vorschläge zur Korrektur macht, dann trifft das zu. Dagegen haben Sie wahrscheinlich auch nichts. Oder doch?
Ich wollte dieses Thema noch einmal aufbringen, weil es in dem Zusammenhang möglicher Lösungsvorschläge des vor uns stehenden Problems eben ein höchst unzureichender Lösungsvorschlag ist, der
den entscheidenden Punkt, um den es geht, nämlich die Agrarstrukturen zu ändern und Erwerbsalternativen zu schaffen, ganz bestimmt nicht vorwärts-bringt. Es bedarf unserer Auffassung nach eines Bündels von Maßnahmen, die kurzfristig und langfristig in die richtige Richtung gehen, die bestehenden einseitigen Strukturen als die Ursachen der Überproduktion aufzulockern, statt sie durch die Subventionierung über die Preise ständig neu zu verfestigen und in die falsche Richtung zu entwikkeln. Deswegen meinen wir, daß eine solche zukunftsorientierte Politik durch den Minsterrat und durch die Kommission in dieser Legislaturperiode in verstärkter Weise in die Wege geleitet werden müsse.
Zum Abschluß möchte ich dem Kollegen Schröder noch etwas sagen. Er meinte, es sei ein typisches Phänomen des Sozialismus, daß man mit Hilfe eines wachsenden Staatsanteils in wirtschaftlichen Krisensituationen mangels privater Nachfrage öffentliche Nachfrage schafft; das sei seiner Meinung nach zu verurteilen. Nun habe ich mich gefragt, ob derjenige Ökonom, der diese Lehre des staatlichen Verhaltens entwickelt hat, Keynes nämlich, zu den Sozialisten zu zählen sei. Aber da er inzwischen nicht mehr da ist, kann er diese Frage mir wohl nur noch schriftlich beantworten.
Im übrigen möchte ich zum Abschluß dieser Debatte allen, die an der Aufstellung dieses Haushaltes beteiligt waren, recht herzlich danken und für die Koalition versichern, daß wir uns im Ausschuß unserer Verpflichtung zu sorgfältiger Prüfung ganz außerordentlich unterziehen werden und daß wir gerne die Vorschläge der Opposition aufnehmen und einarbeiten werden, sofern wir sie für vernünftig halten können.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0801622600
Wir sind am Ende der Aussprache zur ersten Lesung angelangt.
Auf Vorschlag des Ältestenrates sollen die Vorlagen in den Drucksachen 8/100 und 8/101 dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Ich sehe keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Die Vorlage auf Drucksache 8/133 soll dem Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen werden. — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 16. März 1977, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.