Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.Mit Rücksicht auf die erste Beratung des Haushaltsgesetzentwurfs 1977 ist im Ältestenrat vereinbart worden, in dieser Sitzungswoche in Abweichung von der Geschäftsordnung nur eine Fragestunde von 90 Minuten durchzuführen. Nach § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung beschlossen werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Die Fragestunde wird heute mittag von 13.00 bis 14.30 Uhr durchgeführt.Der in der ausgedruckten Tagesordnung aufgeführte Punkt 10 — Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge, Drucksache 8/111 — ist auf Grund einer interfraktionellen Absprache abgesetzt.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen hat mit Schreiben vom 17. Februar 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wohlrabe, Dr. Häfele, Dr. Sprung, Schröder und der Fraktion der CDU/CSU betr. Einmalige Zahlungen an die DDR außerhalb laufender vertraglicher Verpflichtungen (Drucksache 8/93 [neu]) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/122 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 18. Februar 1977 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Sprung, Franke, Dr. Häfele, Haase , Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und der Fraktion der CDU/CSU betr. Auswirkungen der geplanten Abschmelzung der Rücklagen der Rentenversicherungsträger auf den Kapitalmarkt (Drucksache 8/92) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/127 verteilt.Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 24. Februar 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Sprung, Baron von Wrangel, Dr. Dregger, Röhner, Dr. von Bismarck, Hösl, Dr. Jobst, Frau Tübler, Dr. Kunz , Dr. Starke (Franken), Niegel, Sauer (Salzgitter), Dr. Köhler (Wolfsburg), Handlos, Frau Benedix, Dr. Waffenschmidt, Böhm (Melsungen), Regenspurger, Schröder (Lüneburg), Dr. Waigel, Dr. Unland, Eymer (Lübeck) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zonenrandförderung in der 8. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (Drucksache 8/107 [neu]) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/131 verteilt.Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 23. Februar 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Dr. Häfele, Dr. Althammer und der Fraktion der CDU/CSU betr. Investive Ausgaben des Bundes beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/135 verteilt.Die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat am 16. Februar 1977 gemäß den §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol denGeschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1975/76
übersandt. Der Bericht wird als Drucksache 8/136 verteilt. Überweisung von EG-VorlagenDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rates über finanzielle Maßnahmen der Gemeinschaft zur Förderung des Kohleeinsatzes für die Stromerzeugung
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Haushaltsausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1848/76 zur Festlegung allgemeiner Einfuhrbestimmungen für Wein, Traubensaft und Traubenmost (Drucksache 8/91)überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im RatAuf Wunsch des federführenden Ausschusses hat der Präsident des Deutschen Bundestages die nachstehenden EG-Vorlagen der 7. Wahlperiode erneut überwiesen:Verordnung des Rates über eine Abgabe auf bestimmte Fette (Drucksache 7/5845)überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenRichtlinie des Rates über die Qualitätsanforderungen an Muschelzuchtgewässer
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenÜberweisung einer ZollvorlageDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:Aufhebbare verkündete Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Drucksache 8/102)überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 26. Mai 1977Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen— Drucksache 8/11 —
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722 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenBericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 8/87 —Berichterstatter: Abgeordneter von der Heydt Freiherr von Massenbach
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung des Berichts wird nicht verlangt.Wir kommen zur zweiten Beratung und Schlußabstimmung über Art. 1, 2, 3 und 4 sowie Einleitung und Überschrift. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung— Drucksache 8/10 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 8/90 —Berichterstatter: Abgeordneter Horstmeier
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung des Schriftlichen Berichts wird nicht gewünscht. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.Wir kommen zur zweiten Beratung und Schlußabstimmung über Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Meine Damen und Herren, es ist noch über den Ausschußantrag auf Drucksache 8/90 zu entscheiden, in dem der Ausschuß bittet, die Empfehlung Nr. 149 betreffend die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen. — Ich gehe davon aus, daß das Haus damit einverstanden ist. Damit ist auch dieser Punkt abgeschlossen.Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. überplanmäßige Haushaltsausgabe im Haushaltsjahr 1976 bei Kap. 09 02 Tit. 698 02— Drucksachen 7/5952, 8/96 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SperlingIch wäre Ihnen dankbar, wenn Sie damit einverstanden wären, daß ich gleichzeitig die Punkte 5, 6 und 7 der Tagesordnung aufrufe, da es sich ebenfalls um Anträge des Haushaltsausschusses handelt. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Ich rufe dann auch die Punkte 5, 6 und 7 der Tagesordnung auf:5. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. überplanmäßige Haushaltsausgabe im Haushaltsjahr 1976 bei Kap. 09 02 Tit. 697 04— Drucksachen 8/15, 8/97 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sperling6. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. außerplanmäßige Ausgaben bei Kap. i i 11 — Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz und gleichartige Leistungen —Titel apl. 681 51 — Mobilitätshilfen —Titel apl. 681 52 — Eingliederungshilfen —— Drucksachen 8/16, 8/98 —Berichterstatter: AbgeordneterPrinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein7. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 896 02 — Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zum Europäischen Entwicklungsfonds der Europäischen Gemeinschaften —— Drucksachen 8/23, 8/99 —Berichterstatter: Abgeordneter EstersIch danke zunächst den Herren Berichterstattern für die vorgelegten Berichte und frage, ob einer der Berichterstatter das Wort wünscht. — Ich danke. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache begehrt wird. — Das ist nicht der Fall.Kann ich davon ausgehen, daß das Haus mit einer gemeinsamen Abstimmung einverstanden ist? — Wer den Vorschlägen der Berichterstatter zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Meine Damen und Herren, das Haus hat einmütig den Anträgen auf den Drucksachen 8/96, 8/97, 8/98 und 8/99 zugestimmt; keine Gegenstimmen, keine Stimmenthaltungen.Ich rufe nunmehr Punkt 8 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften— Drucksache 8/108 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Ausschuß für WirtschaftHaushaltsausschuß gemäß § 96 GO
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 723
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenMeine Damen und Herren, ich frage, ob zur Begründung der Vorlage das Wort begehrt wird. — Das ist nicht der Fall. Ich frage weiter, ob das Wort in der Aussprache verlangt wird. — Auch das ist nicht der Fall.Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Rechtsausschuß — federführend -- und dem Ausschuß für Wirtschaft — mitberatend — sowie dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 9 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sacken- und grundbuchrechtlicher Vorschriften sowie von Vorschriften der Zivilprozeßordnung, des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und der Kostenordnung— Drucksache 8/89 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: RechtsausschußZur Begründung der Vorlage hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär de With das Wort. Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf hat zum Ziel, das Verfahren bei der Beleihung von Grundstücken zu verenfachen Damit soll eine wesentliche Entlastung der Grundbuchämter erreicht und deren Arbeit beschleunigt werden. Aber auch für die beteiligten Wirtschaftskreise wird das vorgeschlagene Gesetz erhebliche Vorteile bringen.Schwerpunkt des Entwurfs ist eine Neuregelung der Vorschriften über die sogenannte Löschungsvormerkung in § 1179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erlischt ein Grundpfandrecht, z. B. eine Hypothek, nicht dadurch, daß es dem Eigentümer des belasteten Grundstücks zusteht oder zufällt. Eine solche Vereinigung von Grundstückseigentum und Hypothek in einer Hand kann u. a. dadurch eintreten, daß die gesicherte Forderung nicht entstanden oder zurückgezahlt worden ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch läßt es nun zu, daß sich der Eigentümer schuldrechtlich verpflichtet, eine solche Hypothek aufzuheben, wenn sie ihm zufällt, und daß zur Sicherung dieses Anspruchs gegen Dritte eine Löschungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen wird. Die nachrangigen Gläubiger können sich durch solche Löschungsvormerkungen ihr Interesse an einem Aufrücken im Range für den Fall sichern, daß die erwähnte Vereinigung von Recht und Eigentum eintritt. Es ist heute weitgehend üblich, daß sich Grundpfandrechtsgläubiger bei der Beleihung von Grundstücken solche Löschungsvormerkungen bei allen vorrangigen und gleichrangigen Grundpfandrechten eintragen lassen. Das belastet die Grundbuchämter erheblich und macht im übrigen die Grundbücher auch leicht unübersichtlich.Die Vormerkungen müssen nach geltendem Recht vom Grundbuchamt ferner auch auf den Briefen über die betroffenen vor- und gleichrangigen Grundpfandrechte — soweit diese Rechte Briefrechte sind — vermerkt werden. Die dazu notwendige Einreichung der Briefe beim Grundbuchamt und ihre Rücksendung bringen nicht nur für das Grundbuchamt, sondern auch für die Kreditwirtschaft erheblichen Aufwand mit sich. Auch für den Grundstückseigentümer in seiner Eigenschaft als Kreditnehmer entstehen hierdurch Nachteile, weil sich die Eintragung und damit vielfach auch die Auszahlung des Kredits verzögert.Die erwähnten Erschwernisse und Nachteile mögen nun nicht besonders wesentlich erscheinen, wenn man nur den einzelnen Fall im Auge hat. Sie erhalten aber ihr Gewicht durch die große Zahl der Beleihungen. Auf Grund von Zahlenmaterial, das im Jahre 1970 in einigen Bundesländern aus anderem Anlaß zusammengestellt worden ist, dürfte es nicht unrealistisch sein, für 1970 und das Bundesgebiet insgesamt die Zahl der Eintragungen von Löschungsvormerkungen mit über eine Million anzunehmen.Bei dieser Sachlage ist es nicht erstaunlich, daß von der gerichtlichen und kreditwirtschaftlichen Praxis dringend eine Änderung des geltenden Rechts gewünscht wird, welche die mit der Löschungsvormerkung verbundenen Erschwernisse beseitigt. Die Justizminister der Bundesländer haben auf der Justizministerkonferenz vom 13. bis 15. Oktober 1975 die Bundesregierung gebeten, einen entsprechenden Gesetzentwurf einzubringen. Die Bundesregierung will mit dem nunmehr vorgelegten Gesetzentwurf diesem Anliegen Rechnung tragen.Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, in Zukunft einen Löschungsanspruch, wie er bisher rechtsgeschäftlich vereinbart wurde, den Grundpfandrechtsgläubigern kraft Gesetzes zu geben. Dieser Löschungsanspruch soll dabei auf Grund einer gesetzlichen Fiktion so gesichert sein, als wenn eine Löschungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen worden wäre. Die Eintragung von Löschungsvormerkungen zugunsten von Grundpfandrechtsgläubigern und die Hin- und Herbewegungen von Grundpfandrechtsbriefen zu diesem Zweck werden deshalb entbehrlich. Soweit die Beteiligten im Einzelfall den Löschungsanspruch nicht wollen, kann dieser nach der vorgeschlagenen Regelung ausgeschlossen werden.Außer einer Änderung der Vorschriften über die Löschungsvormerkung sieht der Entwurf eine Vereinfachung der Hypothekenbriefe und der Grundschuldbriefe vor. Nach geltendem Recht ist es so, daß in diesen Briefen weitgehend die für den Berechtigten interessanten Eintragungen aus dem Grundbuch wiederzugeben sind, z. B. auch die näheren Angaben des Grundbuchs über das belastete Grundstück und eine kurze Bezeichnung der vorlangigen und gleichrangigen Eintragungen. Auch hierdurch entsteht für die Grundbuchämter angesichts der großen Zahl der Grundpfandrechte, die als Briefrechte bestellt werden, ein erheblicher Arbeitsaufwand.
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724 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Parl. Staatssekretär Dr. de WithDer Entwurf sieht deshalb eine Regelung vor, nach der der Inhalt der Briefe entscheidend verkürzt und im wesentlichen auf die Angaben über das verbriefte Recht selbst beschränkt wird. Damit werden die mit der Herstellung der Grundpfandrechtsbriefe verbundenen Schwierigkeiten weitgehend beseitigt, während andererseits das Institut des Briefrechts erhalten bleibt. Der Verzicht auf die weitergehenden, lediglich der näheren Auskunft über das Recht dienenden Angaben kann den Gläubigern zugemutet werden, weil sie jederzeit eine Abschrift aus dem Grundbuch anfordern können. Bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Grundbuchordnung hätte die Erteilung solcher Abschriften in der Regel noch mehr Schreibaufwand bedeutet als die Aufnahme der entsprechenden Angaben in die Grundpfandrechtsbriefe. Heute ist dagegen die Herstellung von Abschriften angesichts der modernen Ablichtungstechnik erheblich einfacher. Der Entwurf zieht im Grunde auch hier nur die Konsequenz aus einer veränderten tatsächlichen Situation.In diesem Zusammenhang möchte ich nicht versäumen, namens der Bundesregierung auf ein vordringliches Problem hinzuweisen. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 29. Oktober 1976 entschieden, daß der Konkursverwalter die Erfüllung des durch eine Vormerkung gesicherten Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks ablehnen kann, wenn der zugrunde liegende Vertrag den Veräußerer auch zur Erstellung eines Bauwerks auf dem Grundstück verpflichtet und mit dem Bauwerk noch nicht begonnen worden ist. Die Entscheidung kann für die Erwerber von Eigenheimen und Eigentumswohnungen große Schwierigkeiten mit sich bringen und generell für die Bauwirtschaft erhebliche Probleme aufwerfen. Die Schwierigkeiten und Probleme werden kaum ohne ein Eingreifen des Gesetzgebers gelöst werden können.Das Bundesministerium der Justiz hat daher die Landesjustizverwaltungen sowie die beteiligten Bundesressorts, Bundesnotar- und -rechtsanwaltskammer und die interessierten Verbände für den 7. März 1977 zu einer Besprechung der anstehenden Fragen eingeladen. Als Lösung kommt eine Ergänzung der Konkursordnung und der Vergleichsordnung in Betracht. Es könnte sich empfehlen, dieses Problem, dessen Lösung die Bundesregierung als eilbedürftig ansieht, im Rahmen des vorliegenden Entwurfes mitzuberaten.Im Interesse der Praxis wäre es erwünscht, wenn der Entwurf möglichst bald Gesetz werden könnte. Namens der Bundesregierung möchte ich das Hohe Haus daher um baldmögliche Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes bitten.
Meine Damen und Herren, damit ist die Vorlage begründet.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eyrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf, den der Herr Parlamentarische Staatssekretär soeben begründet hat, nehmen wir Abschied von einer Regelung, die anfänglich nur den Studenten, aber auf Grund der wachsenden Bautätigkeit, der verschiedenen Beleihungsformen und ihrer Absicherung und der damit verbundenen Häufigkeit der Löschungsvormerkung zunehmend auch der Praxis nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet hat.Ein Wort zu der Frage, die in der ersten Besprechung des Rechtsausschusses einen nicht unerheblichen Raum eingenommen hat: Wir waren uns darüber im klaren, daß die Flut der Gesetze, die in den vergangenen Jahren dieses Hohe Haus beschäftigt hat, in Zukunft nicht weiter so verstärkt werden sollte. Dieses Gesetz erweckt in einzelnen Bestimmungen den Verdacht - und ich möchte ihn aussprechen —, daß auch hier in Einzelteilen über das Ziel hinausgegangen worden ist. Aber das wird bei den Einzelberatungen zu besprechen sein.Eine Neuregelung des Rechts der Löschungsvormerkung ist im übrigen schon im Jahre 1963 — damals im Zusammenhang mit dem Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Grundbuchwesens -erwogen worden; die Bedenken gegen eine damals vom Bundesminister der Justiz vorgelegte Lösung haben aber schließlich überwogen, und das Vorhaben wurde nicht verwirklicht.Indessen haben sich — und das ist unbestritten — in den vergangenen Jahren Engpässe bei der Bearbeitung von Löschungsvormerkungen insbesondere bei den Grundbuchämtern ergeben, die eine Änderung der bestehenden Vorschriften nahelegen. Der vorgelegte Entwurf, dem der Bundesrat zugestimmt hat, nachdem auch seine Anregungen berücksichtigt wurden, scheint geeignet zu sein, auf der einen Seite den Beteiligten die notwendige Sicherheit weiter zu gewährleisten und andererseits die Grundbuchämter und auch die Kreditinstitute von zeitraubender Arbeit zu entlasten.Ich möchte nicht näher auf Einzelheiten eingehen, aber sagen, daß dem Praktiker bekannt ist, daß sich durch das bisherige Verfahren oft auch die Auszahlung des Kredites verzögern konnte, wenn die Eintragung der Vormerkung nicht alsbald erfolgte. — Im einzelnen Stellung zu nehmen, würde jetzt zu weit führen. Wir werden an dem Gesetzentwurf mitarbeiten und durch Vorschläge konstruktiv Stellung nehmen.Noch ein Wort zu der auch vom Herrn Parlamentarischen Staatssekretär angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Oktober 1976: Zwar ist die vom Bundesgerichtshof entschiedene Frage nicht Gegenstand des vorliegenden Entwurfs, aber sie sollte zum Anlaß genommen werden, zusammen mit den anderen Bestimmungen auch eine Neuregelung des Rechts der Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung ins Auge zu fassen. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes ist nicht unerhebliche Unsicherheit in der Praxis entstanden, und manche Äußerungen sind ge-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 725
Dr. Eyricheignet, beim unbefangenen Betrachter den Eindruck zu erwecken, als sei die Auflassungsvormerkung ihrer Sicherheitsfunktion schlechthin beraubt. Daß das so nicht zutrifft, wissen wir. Andererseits ist im Fall des Konkurses tatsächlich die bisher allgemein angenommene Sicherheitsfunktion offensichtlich nicht mehr gewährleistet, und das hat nicht nur rechtliche Konsequenzen.Es ist hinreichend bekannt, daß sich kaum jemand finden wird, einem Bauträger die notwendige Kapitalbasis zu geben, wenn er bei dessen Konkurs nicht hinreichend gesichert ist. Daß das dann auch Auswirkungen auf die Bautätigkeit haben wird, die ohnehin nicht mehr den gewünschten Umfang hat, ist nicht von der Hand zu weisen.Wir sind deshalb der Meinung, daß im Wege einer — wohl vorgesehenen — Formulierungshilfe die aufgetretene Lücke und die damit verbundene Unsicherheit beseitigt werden sollten. Eine solche Regelung würde gerade bei denen das notwendige Vertrauen wiederherstellen, die oft Jahre gespart haben und die ein Risiko solchen Ausmaßes zu tragen nicht in der Lage sind. Eine solche Regelung ist im Interesse der Rechtssicherheit notwendig. Auch daran werden wir mitarbeiten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu dem vorliegenden Gesetzentwurf vier Bemerkungen.
Erstens. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält diesen Gesetzentwurf im Grunde für richtig. Sie wird ihn unterstützen.
Zweitens. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist darüber hinaus der Auffassung, daß die durch die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes zutage getretene Lücke beim Schutz des Grundstückskäufers durch die Auslegung hinsichtlich der Wirkung der Vormerkung im Falle des Konkurses des Bauträgers schnellstens geschlossen werden muß.
Drittens. Wir begrüßen, daß die Opposition bei dem ersten Gesetz, das vom Bundesjustizministerium vorgelegt wird, hier im Deutschen Bundestag erklärt, daß sie an diesem Gesetz konstruktiv mitarbeiten werde.
— Ich will keine Vergangenheitsbewältigung betreiben; wir wollen unser Verhältnis nicht unnötig belasten.
Ich glaube, selbst wenn Sie recht hätten, wäre es vernünftig, daß wir diese hier zutage getretene Haltung heute begrüßen. Warum sollen wir unnötige Gegensätze zwischen uns produzieren?
Ich muß allerdings etwas zu dem hier erneut eingeführten Begriff der Gesetzesflut sagen. Es ist zwischen uns wohl unstreitig, daß die im Justizbereich in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegten Gesetzentwürfe notwendig waren. Sie haben ihnen zum größten Teil zugestimmt. Soweit Sie ihnen nicht zuzustimmen vermochten, waren Sie nicht der Auffassung, daß kein Regelungsbedürfnis besteht, sondern Sie waren der Auffassung, daß die gesetzgeberischen Regelungen anders aussehen müßten, als wir das für notwendig erachtet haben. Gleichwohl stimme ich Ihnen zu, daß die Zahl der Gesetze, insbesondere auch im Justizbereich, in der letzten Legislaturperiode ganz erheblich war. Das hängt — meine sehr geehrten Damen und Herren, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das hier sage — auch damit zusammen, daß diese regelungsbedürftigen Materien von Ihnen, als Sie die Regierungsverantwortung trugen, nicht geregelt worden sind und wir einen Nachholbedarf, der entstanden war, aufzufüllen hatten.
— Herr Vogel, das paßt Ihnen nicht.
— Zum Beispiel im Bereich des Eherechts, im Bereich des Adoptionsrechts, im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ich könnte diese Beispiele noch eine Zeitlang fortsetzen.
Lassen Sie mich eine abschließende vierte Bemerkung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf machen. Wir werden dafür eintreten, daß die Beratung dieses Gesetzentwurfes zügig durchgeführt wird und die zweite und dritte Lesung möglichst noch vor der Sommerpause stattfinden kann. Das schließt die Regelung der Probleme, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Wert der Vormerkung im Falle des Konkurses ergeben, ein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es macht den Eindruck, als ginge es um ein wirklich absolut uninteressantes Gesetz aus dem tiefsten Keller des Grundbuchamtes, mit dem man hier die Kollegen der anderen Bereiche am frühen Morgen langweilt. Ich finde, es ist ein enorm bedeutsames Gesetz, und zwar deshalb, weil hier seit langer Zeit zum erstenmal, soweit ich das übersehen kann, ausschließlich zum Zwecke der Rationalisierung, zum Zwecke der eleganteren Abwicklung einer gerichtlichen Tätigkeit ein Gesetz gemacht worden ist. Dafür möchten wir dem Bundesjustizminister sehr herzlich danken.
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726 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
KleinertEs ist uns in dieser reinen Form noch nicht vorgekommen, daß, nachdem die verstaubten Akten aus den Fächern in die Hängeregale gekommen und diese Verliese etwas mehr durchlüftet worden sind, in denen sich die armen Beschäftigten der Grundbuchämter seit Jahrzehnten plagen mußten, nun auch der Gesetzgeber von sich aus hilft, diese Dinge etwas zu erleichtern.Es ist geradezu verblüffend, wie wir in allen Fraktionen auf das gleiche Problem, nämlich die Entscheidung vom 29. Oktober 1976, gestoßen sind. Das „Handelsblatt" hat dazu die Bemerkung gemacht, daß es, gelinde gesagt, sehr schwer verständlich sei, warum nach einer jahrzehntelangen anderen Praxis plötzlich dieses Urteil gekommen ist, noch dazu in Anbetracht einer wirtschaftlichen Situation, die geradezu danach schreit, daß hier für die Kaufinteressenten das Äußerste an Sicherung gegeben und nicht das, was an Sicherung vorhanden war, auch noch abgebaut wird. Hier tut sich wirklich ein Problem auf.Ich möchte aus diesem Anlaß am Anfang der Legislaturperiode auch von hier aus einmal sagen: Wenn sich Herr von Kenne, der Präsident des Deutschen Richterbundes, in der letzten Woche darüber beschwert hat, daß der Gesetzgeber den Richtern zuviel überlasse und sie in die gestaltende Aufgabe hineindränge, die Sache des Gesetzgebers sei, so bitte ich die Richterschaft doch, bei gleicher Gelegenheit darüber nachzudenken, an welchen Stellen sie sich ohne jede Not selber dort hineingedrängt hat, wo der Gesetzgeber entweder handeln müßte oder — wissend oder nichtwissend — nicht gehandelt hat und Hinweise genügen würden, nicht aber die Ersatzgesetzgeberfunktion des Richters. Darüber müssen wir, glaube ich, von beiden Seiten nachdenken. Den Vorwurf mag ich so, wie er letzte Woche von dort erhoben worden ist, nicht einseitig hinnehmen.Das hat etwa mit dem contra legem begründeten Urteil des Bundesgerichtshofs im sogenannten Herrenreiter-Fall begonnen. Von da hat es sich über eine Reihe von Urteilen fortgesetzt, die so nicht notwendig waren. Und wir erleben es zur Zeit — nach der zweiten Novellierung der Kündigungsschutzgesetze — immer noch bei einer Reihe von jüngeren und fortschrittlichen Richtern, die meinen, sie müßten exakt contra legem eine Fülle von Unterlagen verlangen, wo wir schließlich im Wege der Novellierung hergegangen sind und gesagt haben: Soviel müssen es sein, aber mehr auch nicht. Es setzt sich weiter fort. Dieses Verhältnis von Gesetzgebung zu Rechtsprechung mag bei dieser Gelegenheit einmal durchdacht werden.Herr Eyrich, wir sind mit Ihnen einig — und da sind wir alle drei einig —: Vielleicht fällt uns zu dem einen oder anderen Punkt noch etwas Nützliches ein. Im Grunde glaube ich, daß hier zwischen den verschiedenen Möglichkeiten der Lösung des Problems im wesentlichen der richtige Weg gefunden worden ist. Wir bedanken uns noch einmal dafür.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung.
Ich schlage Ihnen vor, die Vorlage an den Rechtsausschuß zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Sitzung bis zur Aufnahme der Haushaltsberatung um 11 Uhr unterbrechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, möchte ich mitteilen, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung im Anschluß an die Haushaltsrede die Fragestunde stattfinden wird.
Ich rufe nunmehr Punkt 11 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977
— Drucksache 8/100 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
b) Beratung des Finanzplans des Bundes 1976 bis 1980
— Drucksache 8/101 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Bundeshaushalt 1977 erst heute in erster Lesung im Deutschen Bundestag behandelt wird, findet ihre Erklärung darin, daß die neue Bundesregierung auf Grund unserer Verfassungslage erst kurz vor Weihnachten gebildet werden konnte.Dies hat dazu geführt, daß stärker noch als in früheren Jahren im Vorfeld der Aufstellung des Bundeshaushalts und auch vor der ersten Lesung des Bundeshaushalts 1977 im Deutschen Bundestag eine ganze Reihe von Wünschen und Forderungen an diesen Etat bekanntgemacht worden sind. Ich habe natürlich jede Sympathie dafür, wenn gefordert wird, wir müßten die Leistungen in der Entwicklungshilfe wesentlich verstärken. Mich braucht niemand von der Notwendigkeit der Entwicklungshilfe zugunsten der dritten und der vierten Welt zu überzeugen. Und selbstverständlich fühle ich auch meine soziale Verpflichtung denjenigen gegenüber, die, ob jung oder alt, nur mit Hilfe von öffentlichen Mitteln eine Berufsausbildung anstreben können, in schwierigen Zeitläufen ohne Not und Elend weiterleben können, oder aber im Alter auf die Hilfe des Staates angewiesen sind. Ich weiß auch um die Bedeutung der Verteidigungskraft der Bundeswehr
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 727
Bundesminister Dr. Apelfür die Sicherung unserer Gesellschaftsordnung und die Zukunft des westlichen Bündnisses. Ich bestreite nicht, daß wir gegenüber der westlichen Integration hohe, auch finanzielle Verpflichtungen haben. Und selbstverständlich ist es für den Finanzminister angenehmer, Steuererleichterungen zu verkünden, als Steuererhöhungen zu fordern.Doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegensatz zu vielen, ist der Finanzminister zur Gesamtschau verpflichtet. Er ist es, der am Ende die Verantwortung dafür zu tragen hat, daß sich Einnahmen und Ausgaben seines Budgets decken, daß sich die Nettokreditaufnahme der öffentlichen Hände in den Grenzen hält, die gesamtwirtschaftlich geboten sind. Dabei darf der Finanzminister nicht der Gefahr verfallen, den jeweiligen Haushaltsentwurf nur nach fiskalischen Gesichtspunkten zu betrachten. Auch der Bundeshaushalt 1977 steht unter der Notwendigkeit, sich einzubetten in die aktuelle wirtschafts- und finanzpolitische Situation unseres Landes.Die Betrachtung der Ausrichtung des Bundeshaushalts 1977 an gesamtwirtschaftlichen Daten kann sich eben nicht nur auf unser eigenes Land beschränken. Die Bundesrepublik Deutschland spielt eine so entscheidende Rolle im weltwirtschaftlichen Konzert, daß sie, und damit auch ihre öffentlichen Finanzen, die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Welt mitbestimmt. Sicherlich wird die morgige Debatte zum Bundeshaushalt 1977 und die anschließende Beratung dieses Entwurfs in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, inbesondere im Haushaltsausschuß, zu mancher kritischen Frage Anlaß geben.Schließlich — und wie sollte es anders sein — ist jeder Haushaltsentwurf stets ein Kompromiß divergierender politischer Forderungen. Dieser Kompromiß ist gelungen. Und er macht deutlich, daß die Bundesregierung auch weiterhin der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen zentrale Bedeutung beimißt.Obwohl wir auf eine Einnahmeverbesserung des Bundes über eine Anhebung der Mehrwertsteuer verzichten mußten, konnten wir die Nettokreditaufnahme gegenüber dem jetzt abgeschlossenen Haushaltsjahr 1976 zurückführen. Wir sind dabei, was unsere Forderung an die Bundesländer nach einem höheren Anteil an der Mehrwertsteuer anbelangt, sehr vorsichtig vorgegangen.Dieser Haushaltsentwurf, wie er Ihnen heute vorliegt, mit dem Zurückdrängen der konsumtiven Ausgaben ist allerdings eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß wir in den öffentlichen Finanzen Platz schaffen für das mehrjährige Programm für Zukunftsinvestitionen, das wir in Arbeit haben und das wir zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft und zur Stabilisierung der Beschäftigung in unserem Lande für notwendig halten. Insofern ist dieser Haushaltsentwurf der erste Schritt. Die Bundesregierung hat die Absicht, Ihnen rechtzeitig ihre Vorstellungen über ihr Infrastrukturprogramm vorzulegen, so daß die den Bund betreffenden haushaltsrelevanten Konsequenzen noch in den Bundeshaushalt 1977 übernommen werden können.Ich bin bereits auf den Haushalt 1976 kurz eingegangen. Lassen Sie mich jedoch einige allgemeinere Bemerkungen machen. Wir hören immer wieder den Vorwurf, die Bundesregierung, und hier insbesondere der Bundesfinanzminister hätten in den letzten Jahren deutlich gemacht, daß die Haushaltsansätze so gestaltet seien, daß sich am Ende des Haushaltsjahres gegenüber dem Haushaltsentwurf doch beträchtliche Verschiebungen ergeben. Daraus wird sehr oft und sicherlich sehr leichtfertig gefolgert, daß der Bundesfinanzminister in einem hohen Maße Reserven in seinem Haushalt habe. Ich kann vor diesem gefährlichen Irrglauben nur warnen.Lassen Sie mich einige Bemerkungen zur Einnahmeseite machen. Zunächst zum Procedere. Vor der Einbringung des Entwurfs des Bundeshaushaltsplans werden die Steuern geschätzt. Um den neuesten Erkenntnisstand unserer konjunkturellen Erwartungen und damit die Entwicklung der Steuereinnahmen zu berücksichtigen, findet — und so auch in diesem Jahre — vor der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushaltsplans im Deutschen Bundestag nochmals eine Steuerschätzung statt. Als sachverständiges Gremium beschäftigt sich damit der Arbeitskreis „Steuerschätzungen". Ihm gehören neben dem federführenden Bundesfinanzministerium das Bundeswirtschaftsministerium, die Deutsche Bundesbank, das Statistische Bundesamt, der Sachverständigenrat, alle elf Länderfinanzministerien, die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände und die fünf führenden Wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute unseres Landes an. Die Ergebnisse, die dieser Arbeitskreis erarbeitet, werden unverändert in den jeweiligen Entwurf des Bundeshaushalts übernommen. Auch für die Länder stellen die Schätzergebnisse, die normalerweise regionalisiert werden, eine umfassend geschaffene und genutzte Orientierungshilfe dar.Aus diesem Procedere, meine Damen und Herren, wird deutlich, daß die Treffsicherheit der Steuerschätzungen vor allem von der unterstellten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den gesamtwirtschaftlichen Daten und von der erwarteten konjunkturellen Entwicklung abhängt.Natürlich wird auch die Ausgabenseite des Bundeshaushalts spürbar von der jeweiligen konjunkturellen Lage berührt. Wenn wir im Jahre 1976 1,5 Milliarden DM weniger an die Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen hatten, als noch zur Mitte des Jahres von diesem Deutschen Bundestag veranschlagt, so spiegelt sich in dieser Ersparnis eben die sehr Viel bessere konjunkturelle Entwicklung des Jahres 1976 wider, die besser war, als selbst von uns erwartet.Auch die hohen Ersparnisse bei den Zinslasten des Bundes von rund 800 Millionen DM in 1976 haben mit der Entwicklung der konjunkturellen Lage etwas zu tun; denn natürlich ist neben einer geringeren Verschuldung des Bundes der im letzten Jahr zu verzeichnende Rückgang des Zinsniveaus verbunden mit der immer noch zurückhaltenden Nachfrage der Privaten nach Krediten. In dieser Ersparnis von über 800 Millionen DM Zinsausgaben beim
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Bundesminister Dr. ApelBund im letzten Jahre kommt allerdings auch die Tatsache zum Tragen, daß das Bundesfinanzministerium sehr vorsichtig und flexibel immer dann, wenn die Marktverhältnisse günstig waren, seinen Kreditbedarf so schonend wie möglich und so preisgünstig wie möglich gedeckt hat.Ich komme damit zum Ergebnis, daß es in konjunkturell unruhigen Zeitläufen weder für die Steuerschätzung noch für die Vorausschau der Ausgaben einfach ist, so treffsicher zu sein, wie das in konjunkturell stabilen Zeiten möglich ist. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß selbst in konjunkturell ruhigen Zeiten Minderausgaben eine Erscheinung sind, die wir immer wieder festgestellt haben. Und wenn ein Bundeshaushalt ein Ausgabevolumen von über 160 Milliarden DM hat und am Ende des Jahres 1976 neben der globalen Minderausgabe von 2,5 Milliarden DM lediglich 2,3 Milliarden DM übrig bleiben, dann sind das 1,4 v. H. des Gesamtvolumens des Haushalts. Allein diese Relationen, meine sehr verehrten Damen und Herren, machen deutlich, daß hier nicht die vielen Milliarden ruhen, die eingesetzt werden könnten, um die Finanzsorgen von Bund, Ländern und Gemeinden zu beenden.Abgesehen von der relativ geringen Größenordnung der Abweichungen halte ich besonders deren positive Vorzeichen für wichtig: Wir sind nicht hinter den prognostizierten Daten zurückgeblieben, wir haben sie übertroffen. Oder anders ausgedrückt: Der Bundeshaushalt 1976 war vorsichtig geplant. Er war, meine Damen und Herren, genau das Gegenteil von dem, was mir der Bundestagsabgeordnete Dr. Strauß am 5. November 1975 hier im Deutschen Bundestag vorgehalten hat.
Herr Strauß hat damals gesagt — und zitiere mit der Genehmigung des Präsidenten aus dem Protokoll des Deutschen Bundestages Dr. Strauß —:Sie haben irreale Annahmen über den zukünftigen Wirtschaftsverlauf zugrunde gelegt, darauf Ihre Rechnung der staatlichen Einnahmen und möglichen Ausgaben geplant und haben hier ein Luftschloß errichtet. Wie glauben Sie denn zu 5 % Wachstum zu kommen!Meine Damen und Herren, wir stellen heute mit Befriedigung fest, daß wir zu 5,6 % Wachstum gekommen sind.
Der Haushalt 1976 war also kein Luftschloß; er hatte ein solides Fundament.Dem Haushalt 1977 haben wir — entgegen Äußerungen aus der Opposition — ein ebenso solides Fundament gegeben. Wir haben die gesamtwirtschaftlichen Annahmen mit Sachverstand gesetzt und, so gut es geht, in Steuereinnahmen und Haushaltsausgaben umgesetzt, in Ausgaben, die ihrerseits den gesamtwirtschaftlichen Anforderungen gerecht werden.In diesem Zusammenhang wird allerdings angesichts sehr hoher Arbeitslosigkeit an die öffentlichen Haushalte immer noch die Forderung gestellt, sie sollten expansiver ausgelegt werden, wir sollten stärker als bisher die beschäftigungspolitischen Aspekte der Ausgabenpolitik des Bundes beachten. Nun muß ich in diesem Zusammenhang — auch, meine Damen und Herren, angesichts einer weltweit beginnenden Debatte — darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung nicht erst jetzt mit dem Programm für Zukunftsinvestitionen einen Beitrag zur Sicherung der Beschäftigung in unserem Lande und in der Welt leistet. Wir haben bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem in anderen Ländern der westlichen Welt noch restriktive Haushaltspolitik betrieben wurde, Konjunkturpolitik über die öffentlichen Haushalte gemacht.Wenn wir uns heute mit einer ersten Schätzung die Gesamtwirkungen aller Konjunkturprogramme vom Februar 1974 bis zum August 1975 anschauen, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß wir mit einem Gesamtvolumen an öffentlichen Ausgaben oder — insbesondere bei der Investitionszulage —Einnahmeverzichten in Höhe von 17 Milliarden DM eine direkte Nachfragewirkung von über 30 Milliarden DM erzielt haben und daß es sich dabei ganz überwiegend um Investitionsgüternachfrage handelt. Diese 30 Milliarden DM Investitionsnachfrage lösen weitere Nachfrage aus; insgesamt ergibt die Nachfragewirkung der Konjunkturprogramme eine Größenordnung von mindestens 50 Milliarden DM.Wir können heute auch erste Schätzungen darüber anstellen, wie die Auswirkungen auf die Beschäftigung waren. Und wir kommen zu dem Ergebnis, daß alle Maßnahmen der Jahre 1974 bis 1976 zusammen rund 700 000 Arbeitsplätze gesichert haben.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen machen deutlich, daß Infrastrukturprogramme und staatliche Konjunkturpolitik ihren Sinn haben. Wir müssen aber auch sehen, daß diese Politik Grenzen hat.Die Struktur der Arbeitslosigkeit in unserem Lande, ein hoher Anteil von arbeitslosen Angestellten, von teilzeitbeschäftigten Frauen — wiederum im wesentlichen aus dem Bereich der Verwaltungsberufe oder des Einzelhandels — und ein hoher Anteil der Ungelernten an der Arbeitslosigkeit machen deutlich, daß Finanzpolitik allein die Probleme der Arbeitslosigkeit in unserem Lande nicht lösen kann.
Wir haben aber mit unserer Finanzpolitik einen wesentlichen Beitrag geleistet, und wir werden auch weiter die öffentlichen Finanzen einsetzen, um einen Beitrag zur Rückgewinnung der Vollbeschäftigung zu leisten.
Dabei darf allerdings nicht übersehen werden — und dies ist ein ganz wichtiger Punkt —, daß öffentliche Investitionen nur zu 16% — ich wiederhole: zu 16 % — Sachinvestitionen des Bundes sind. Wenn sich Länder und Gemeinden prozyklisch ver-
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Bundesminister Dr. Apelhalten und die Sanierung der eigenen Teilhaushalte über gesamtwirtschaftliche Überlegungen stellen, können Anstrengungen des Bundes nicht den Rückgang der Investitionen ausgleichen, der bei den anderen Gebietskörperschaften eintritt.Im übrigen bleibt es auch weiterhin die Aufgabe des Bundesfinanzministers, der Haushaltkonsolidierung sein Augenmerk zu geben. Der Sachverständigenrat hat in seinem Jahresgutachten 1976/77 die Erfolge der Haushaltkonsolidierung ausdrücklich als Beitrag zum Aufschwung gewürdigt. Die öffentlichen Hände dürfen nicht über eine unkontrollierte Schuldenausweitung auf Grund ihrer eigenen Zinsrobustheit die Zinsen auf den Kapitalmärkten steigen lassen und damit der Privatwirtschaft den Mut zur Investition nehmen. Ein Prozent Zinssteigerung in unserem Lande bedeutet für den privaten Sektor fast fünf Milliarden DM Kostensteigerung. Damit werden die Grenzen sichtbar, die wir bei unserer eigenen Finanz- und Konjunkturpolitik zu beachten haben. Eine Umkehrung des Zinstrends in der Bundesrepublik hätte im übrigen nicht nur Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande. Deutlich steigende Zinsen müßten — ich spreche im Konjunktiv — dazu führen, daß stärker als gewollt ausländisches Geld auf die deutschen Märkte dringt. Massive Devisenzuflüsse in die Bundesrepublik könnten natürlich nur innerhalb des europäischen Währungsverbundes — wir nennen diesen Währungsverbund auch oft die Währungsschlange — zu Liquiditätsausweitung bei uns und zu Spannungen innerhalb des Währungsverbunds führen.Weltweit würde eine derartige Entwicklung vor allem die Wechselkursrelationen beeinflussen, also einer forcierten D-Mark-Aufwertung den Weg bereiten. Aber auch das kann nicht im Interesse unserer Konjunkturpolitik sein. Eine forcierte D-MarkAufwertung kann aber eigentlich auch nicht im Interesse unserer Partner sein, auch wenn wir neuerdings immer wieder Ratschläge hören, die starken Währungen möchten doch im Interesse einer Ankurbelung der Weltkonjunktur aufgewertet werden. Denn wir haben zwischenzeitlich wohl gelernt, daß Aufwertungen — das bedeutet ja wohl für andere Währungen in einem floatierenden System deren Abwertung — kein Mittel der Konjunkturpolitik sind,
sondern nur Inflationsgefahren bei den sich abwertenden Währungen verstärken. Wir gerieten dann in die Gefahr — das ist ein wichtiger Punkt —, daß auf Grund notwendig werdender Interventionen der Notenbanken der Länder, die in die Gefahr der Abwertung kommen, zur Stützung des eigenen Kursniveaus die Devisenreserven verlorengehen, die wir gerade erst in den letzten Wochen mühsam über internationale Stützungsaktionen bereitgestellt haben.So schließt sich dann wieder der Kreislauf: Die Haushaltspolitik des Bundes, die Entwicklung des Defizits des Bundeshaushaltes, hat nicht nur Konsequenzen für die binnenwirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande, sondern wirkt über denZinssatz, über denkbare Wechselkursveränderungen, über sich in Bewegung setzende Geld- und Devisenströme direkt und indirekt in andere Länder hinein, kann ihnen Wechselkursprobleme und Interventionsnotwendigkeiten bescheren und kann, wenn wir nicht aufpassen, den weltweit zu verzeichnenden Zinssenkungstrend zum Ende bringen.Bei aller Notwendigkeit, der antizyklischen Fiskalpolitik ihre Bedeutung zu geben, darf die Bedeutung der Geldpolitik für den weltweiten Aufschwung nicht übersehen werden. Meine Überzeugung ist, daß für einen ungehinderten Aufschwung das Zinsniveau und die Hoffnung auf weiterhin stabile, ja, eigentlich leicht sinkende Zinsen bei fortschreitender Preisstabilisierung ein wichtiges Element der wirtschaftlichen Erwartungen und damit des konjunkturellen Aufstiegs sind.Wir werden im übrigen in den Debatten der nächsten Wochen und Monate national wie international deutlich zu machen haben, daß unsere Politik der Konjunkturstabilisierung, die ja nicht zuletzt und vor allem eine Politik der antizyklischen Finanzpolitik in Gestalt öffentlicher Investitions- und Konjunkturmaßnahmen ist, dazu geführt hat, daß selbst in dem schwierigen Rezessionsjahr 1975 bei einem dramatischen Verfall der deutschen Exporte die Einfuhren in unser Land real zugenommen haben. Auch 1976 sind die Einfuhren in unser Land stärker gestiegen als die Ausfuhren. Unsere Konjunktur- und Finanzpolitik hat in den letzten Jahren erfolgreich die weltweite Erholung abgestützt, übrigens ohne das Ziel der Preisstabilität aus dem Auge zu verlieren. Im Gegenteil: Bei uns — wie auch in den USA und Japan — waren die Erfolge zu mehr Preisstabilität die Grundlage für die eigene Konjunkturbelebung und über verstärkte Importe zugleich auch für den Aufschwung der Nachbarn.Die OECD, die Organisation der westlichen Industrienationen, hat vor einigen Monaten einen sehr interessanten Überblick über die Nettokreditaufnahme des öffentlichen Sektors — bei uns gehören dazu der Bund, die Länder, die Gemeinden und die Sozialversicherungen — im internationalen Vergleich veröffentlicht.Diese Zahlen, meine Damen und Herren, machen für die Bundesrepublik Deutschland deutlich, wie schnell wir aus der Weltwirtschaftsrezession die finanzpolitisch richtigen Konsequenzen gezogen haben. Im Jahre 1973 bringen es die öffentlichen Hände in unserem Lande fertig, in einem beträchtlichen Maße Steuereinnahmen zur Dämpfung der damals überhitzten Konjunktur nicht auszugeben. Wir legen Steuereinnahmen in einer Größenordnung still, die 1,5 % des damaligen Bruttosozialprodukts der Bundesrepublik Deutschland entsprechen. 1974, mit dem Beginn der Weltwirtschaftsrezession, dreht sich dann der Wind. Der öffentliche Sektor macht Schulden. Es kommt zu einer Nettokreditaufnahme in einer Größenordnung von 1,2 % unseres damaligen Bruttosozialprodukts. 1975, im schwersten Jahr der Rezession, springt dieser Nettofinanzierungssaldo hoch auf 5,9 % des Bruttosozialprodukts. Diese Entwicklung finden wir natürlich auch in anderen europäischen Ländern wieder. 1976730 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977Bundesminister Dr. Apelbelief sich die Neuverschuldung aller öffentlichen Hände in der Bundesrepublik auf 4,2 % unseres Bruttosozialprodukts. Bei den USA belief sie sich lediglich auf 2,7 % des Bruttosozialprodukts der USA.Die OECD schätzt für 1977 eine Nettokreditaufnahme des öffentlichen Sektors in der Bundesrepublik in einer Höhe von 4,0 % unseres Bruttosozialprodukts dieses Jahres. In den USA werden es nur 2,5 % sein. In diese Berechnungen sind im übrigen die Konsequenzen des beabsichtigten Carter-Programms und unseres Infrastrukturprogramms noch nicht eingerechnet. Mit anderen Worten heißt das aber, daß unsere antizyklische Konjunkturpolitik, die Inanspruchnahme der öffentlichen Finanzen zur Stabilisierung und Ankurbelung der konjunkturellen Entwicklung, viel weiter fortgeschritten ist als bei unseren Partnerländern und damit auch Grenzen erreicht. Wir müssen dies in der öffentlichen Debatte deutlich machen, damit nicht einseitig Forderungen an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet werden, die wir nicht erfüllen können, wollen wir nicht die bereits von mir angesprochene Zinsspirale auslösen.Wir können im übrigen feststellen — dies mag für viele eine Beruhigung sein —, daß die kumulierte Schuldenlast, das, was in den letzten Jahrzehnten an Schulden aller öffentlichen Hände in der Bundesrepublik Deutschland gemacht wurde, auch heute noch im internationalen Vergleich, wieder bezogen auf das jeweilige Bruttosozialprodukt, sehr viel niedriger als bei den meisten Ländern in der OECD ist.
Ich erspare mir hier die Darstellung dieser Zahlen, weil ich das Ministerium gebeten habe, Ihnen die Zahlen der OECD morgen in den „Finanznachrichten" vorzulegen, damit wir sie gegebenenfalls mit in die Debatte einbeziehen können.Der Bundeshaushalt der Bundesrepublik Deutschland wirkt aber auch in einem anderen Sinne massiv stabilisierend im internationalen Rahmen. Hier meine ich insbesondere die Steuermittel, die wir an die Europäische Gemeinschaft geben. Die Gelder, die nach Brüssel fließen, können im Inland nicht noch einmal ausgegeben werden. Das, was wir jährlich an die EG geben, ist dem Volumen nach durchaus mit einem Konjunkturprogramm zu vergleichen. Es sind im Jahre 1977 immerhin 8,9 Milliarden DM, von denen nur die Hälfte in die Bundesrepublik zurückfließt und nur ein verschwindender Teil in den Bundeshaushalt. Diese Mittel sind eine echte Hilfe für unsere europäischen Nachbarn. Sie stehen damit für nationale Maßnahmen nicht mehr zur Verfügung.Schließlich kann, um diese internationale Betrachtung abzuschließen, ja wohl nicht übersehen werden, daß die entscheidende konjunkturelle Entwicklung der Weltwirtschaft davon abhängt, ob es einzelnen Ländern gelingt, ihre Stabilisierungspolitik — im wesentlichen Preisstabilisierungspolitik — fortzusetzen, ohne in der Zwischenzeit über einen Verfall der eigenen Währungen oder ein Abfließen der Devisenreserven zu einer protektionistischen Politik der Einschränkung des Welthandels gezwungen zu sein. Hier hat die Bundesregierung in den letzten Wochen wie bereits in den vorangegangenen Jahren eine führende Rolle zur Aufrechterhaltung des freien Welthandels gespielt. Ich denke an alle die internationalen Stützungsaktionen zur Bereitstellung von Zahlungsbilanzhilfen. Ob es Hilfen im Bereich des Internationalen Weltwährungsfonds für die Länder waren, die ihre Ölrechnung nicht bezahlen konnten oder Stützungsaktionen für einzelne Länder über den internationalen Währungsfonds — ich denke hier insbesondere an die vor einigen Wochen abgeschlossene Stützungsaktion zugunsten Großbritanniens — oder Stützungsaktionen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft — ich denke hier insbesondere an den mittelfristigen Währungsbeistand und die Europaanleihe — oder die Stützung auf bilateralem Wege — hier denke ich besonders an unseren Zahlungsbilanzkredit an Italien —, immer wieder hat die Bundesrepublik Deutschland und in diesem Falle die Bundesbank in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung eine herausragende Rolle gespielt.
Wir müssen also, wenn wir die Bundesfinanzen und ihre Rolle für die Weltkonjunktur richtig einschätzen wollen, die richtigen Relationen beachten. Bei einem Bruttosozialprodukt im Jahre 1976 von 1139 Milliarden DM belief sich der Export der Bundesrepublik Deutschland auf 256 Milliarden DM. Mit anderen Worten: Jeder fünfte deutsche Arbeitsplatz hängt am Export. Damit wird deutlich, wie wesentlich für die Zukunft unseres Landes die Entwicklung des Welthandels ist. Unsere Finanzpolitik, unsere Währungspolitik und unsere Konjunkturpolitik müssen sich deshalb weltweit bewähren. Von diesem unserem Außenhandels gingen 46 % in die Länder der Europäischen Gemeinschaft. Das zeigt erneut, daß auch die Verpflichtungen für die Europäische Gemeinschaft aus dem Bundeshaushalt Teil der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft und unseres persönlichen Wohlergehens sind. In diesem weltweiten Kontext kann und muß die nationale Finanzpolitik ihre Aufgabe übernehmen. Dabei trägt sie eine hohe weltweite Verantwortung, weil sie weit über die Grenzen unseres Landes hinaus Wirkungen auslöst.Es bedarf nationaler wie internationaler Anstrengungen, um in diesem Jahre die von uns prognostizierten Wachstumsraten zu erreichen. Die neuesten Daten stimmen uns allerdings sehr optimistisch, daß wir diese Raten glatt erreichen. Das ist der Grund dafür, weswegen die Bundesregierung Ihnen so bald wie möglich ihr Infrastrukturprogramm vorlegen wird. Wir befinden uns zur Zeit mit den Ländern in Verhandlungen darüber. Noch in dieser Woche, und zwar am Freitag, werden sich die Wirtschafts- und Finanzminister von Bund und Ländern treffen, um über Einzelheiten zu beraten. Für mich ist diese Sitzung ein ermutigendes Zeichen dafür, daß es gemeinsame Verantwortung gibt. Wichtig scheint mir aber auch zu sein, daß neben dem reinen Bundesprogramm, das ausschließlich vom Bund verantwortet und finanziert wird, und neben dem Programm gemeinsamer Finanzierung von Investitio-
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Bundesminister Dr. Apelnen, die im wesentlichen im Bereich von Ländern und Gemeinden stattfinden, auch Investitionen einbezogen werden, die ausschließlich von den Ländern und den Gemeinden finanziert werden,
Investitionen, die durchgeplant sind und die möglichst noch in diesem Jahre — auch angesichts einer durchaus befriedigenden Kapitalmarktlage — angegangen werden sollten. Es kommt im übrigen nicht allein darauf an, Programme zu schreiben, die in den nächsten Jahren riesige Milliardenbeträge beinhalten und damit beeindrucken. Es kommt vor allem darauf an, daß so viel wie möglich an öffentlichen Aufträgen in der ersten Phase herausgeht und daß wir soweit wie möglich vor der Sommerpause zur Beschlußfassung kommen.
— Nein, Herr Leicht, das liegt nicht bei uns. Es liegt im wesentlichen daran, ob die Länder in dieser Geschwindigkeit mitziehen.
— Dies ist falsch. Wir sind fertig. Wir befürchten nur, hochverehrter Herr Kollege Dr. Barzel, daß die Länder aus anderen Überlegungen auf Zeitgewinn abzielen. Wir werden dies am Freitag sehen.
— Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mich täusche; ich bin von Natur aus ein Optimist.
Die Bundesregierung macht mit dieser Anstrengung im übrigen deutlich, daß sie den öffentlichen Investitionen eine bedeutsame Rolle beimißt. Wir sehen es mit Bedauern, daß insbesondere bei Ländern und Gemeinden — in einem sehr viel geringeren Maße beim Bund — der Anteil der öffentlichen Investitionen an den Gesamtausgaben der Gebietskörperschaften zurückgegangen ist. Nun hat es allerdings keinen Zweck, darüber in einen fruchtlosen Streit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einzutreten, wer wohl dafür die Verantwortung trüge. Es muß gemeinsame Anstrengung sein, diesen Trend zu beenden, denn die Investitionen haben natürlich für die Beschäftigung in unserem Lande eine große Bedeutung. Wenn die Investitionsgüternachfrage zurückgeht, können auch die Arbeitsplätze nicht gesichert sein. Deswegen muß auch der Staat seine Investitionsgüternachfrage hochhalten.Allerdings sind in diesem Zusammenhang drei einschränkende Bemerkungen zu machen.Erstens. Es hat überhaupt keinen Zweck, übersehen zu wollen, daß in unserem Lande die öffentliche Infrastruktur keineswegs mehr unterentwikkelt ist. Die stürmischen Wachstumsraten im Bereich des Schulbaus, des Krankenhausbaus, auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus gehören nach der Beendigung der Wiederaufbauphase unseresLandes der Vergangenheit an. Dennoch gibt es natürlich — und das wird unser Infrastrukturprogramm deutlich machen — genügend öffentliche Investitionsvorhaben; sie liegen dann allerdings in anderen Bereichen.Zweitens. Es hat keinen Zweck, die öffentlichen Investitionen zu bejahen, sich anschließend aber über die zwangsläufigen Folgekosten bei der Einstellung der Lehrer, der Krankenschwestern und der Altenpfleger zu beklagen.
Insofern muß in einer weit entwickelten Volkswirtschaft zwangsläufig der Anteil der Personalkosten als Folgekosten öffentlicher Investitionen beträchtlich sein.Drittens. Die Definition des Begriffs „öffentliche Investition" ist merkwürdig. Er ist ursprünglich einmal mit der Überlegung gebildet worden, daß Investitionen der öffentlichen Hand Ausgaben sein sollen, mit denen heute gekaufte Güter oder geleistete Auszahlungen Produktionssteigerungen oder Leistungsverbesserungen für die künftige Entwicklung unserer Volkswirtschaft erwarten lassen.
Ob dies heute noch ein vernünftiger Maßstab ist, Herr Leicht, daran läßt sich zweifeln, insbesondere dann, wenn wir uns einzelne Beispiele anschauen.So kann doch, meine Damen und Herren, trotz der immer wieder nachdrücklich geäußerten Zweifel der Opposition überhaupt nicht bezweifelt werden, daß die Investitionszulagen, die wir zusammen mit unserem Konjunkturprogramm vom August 1975 beschlossen haben, in einem hohen Maße die Investitionskonjunktur in unserem Lande stabilisiert haben. Aber diese Art von Zulagen geht in die Rechnung der Ausgaben der öffentlichen Hände für Investitionen überhaupt nicht ein, weil sie ja Einnahmeverkürzungen sind, sich also auf der Einnahmeseite abspielen.Es kann ferner nicht übersehen werden, daß von den Ausgaben für die militärische Beschaffung, Materialerhaltung, Wehrforschung, Bau militärischer Anlagen — ich denke hier insbesondere an Kasernen — in einem hohen Maße Auftragsvolumen für die Investitionsgüterindustrie ausgelöst wird. Alle diese Ausgaben sind nun aber wiederum nach der bisherigen Definition konsumtive Ausgaben.Es leuchtet mir auch nicht ein, daß der Teil der Ausgaben für die Ausbildungsförderung nach BAföG, der als verlorener Zuschuß gegeben wird, konsumtive Ausgabe ist, während ein Darlehen an einen Schüler oder einen Studenten ein investive Ausgabe ist.Natürlich steht eine Debatte über eine Neufestlegung des Investitionsbegriffs im öffentlichen Haushalt stets unter dem Verdacht, der Finanzminister wolle sich über eine Manipulation des Investitionsbegriffs die Möglichkeiten einer Umgehung des Art. 115 des Grundgesetzes verschaffen. Herr Kollege Dr. Althammer, dieses ist nicht meine Absicht. Ich halte die Grenze des Art. 115, nach der in wirtschaftlichen Normallagen die Nettokreditauf-
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Bundesminister Dr. Apelnahme des Bundes begrenzt ist, für eine wichtige Hilfe für den Finanzminister. Im übrigen sei hinzugefügt, daß es meine Absicht ist, die Neuverschuldung des Bundeshaushaltes in den vor uns liegenden Jahren deutlich unterhalb der Grenze des Art. 115 zu halten.In jedem Falle habe ich den unabhängigen Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium gebeten, sich der Problematik des Investitionsbegriffs anzunehmen. Wir wollen ein deutlicheres Bild über die Wirkungen öffentlicher Ausgaben im Bereich der investiven und konsumtiven Ausgaben bekommen. Wenn dieses Gutachten vorliegt, werden wir sicherlich in eine Sachdebatte über die Frage eintreten. In jedem Falle werden wir daraus keineswegs automatisch sofort haushaltswirtschaftliche Konsequenzen ableiten.Die Debatte zum Bundeshaushalt 1977 wird sicherlich erneut bestimmt sein von der Höhe der Nettokreditaufnahme des Bundes zur Finanzierung des Bundeshaushalts 1977. Die in unserem Entwurf festgestellte notwendige Kreditaufnahme des Bundes könnte durch das von mir annoncierte Infrastrukturprogramm ohne Verletzung des Art. 115 — denn es sind ja investive Ausgaben — sogar noch leicht höher werden. Ich habe bereits in meinen internationalen Betrachtungen darauf aufmerksam gemacht, daß wir, wenn es nach der Meinung einzelner wichtiger Partner im internationalen Dialog über die Weltkonjunktur ginge, aufgefordert wären, die Kreditaufnahme des Bundes noch sehr viel stärker anzuheben.Diese Forderung steht in einem diametralen Gegensatz zu den Anklagen und Vorwürfen, die in unserem Lande von seiten der Opposition zur Haushaltsfinanzierung vorgetragen werden. Ich will die Debatte der letzten Jahre, meine Damen und Herren von der Opposition, von mir aus nicht fortsetzen. Aber eines kann man wohl sicherlich mit gutem Recht feststellen: Alle wirtschaftswissenschaftlichen Institute und auch die Deutsche Bundesbank — insbesondere angesichts der erreichten Ergebnisse des Wirtschaftswachstum in 1976 und der massiven Erhöhung der Einfuhren in unser Land — haben deutlich gemacht, daß unsere Haushaltspolitik mit der Bereitschaft zu hohen Nettofinanzierungssalden in den Bundeshaushalten 1975, 1976 und 1977 die Voraussetzung dafür waren und sind, daß der wirtschaftliche Aufstieg in unserem Lande früher eingesetzt hat, als selbst von uns erwartet.
Insofern hat es eigentlich in den letzten Jahren keine Alternative zu unserer Haushaltspolitik gegeben.
Das haben im übrigen auch immer wieder die Debatten des Deutschen Bundestages gezeigt.
— Herr Kollege Barzel, wenn Sie Zweifel daran haben, muß ich Sie fragen, ob es denn denkbar ist, gleichzeitig Leistungsverbesserungen in Milliardenhöhe zu fordern, wie es in den letzten Wochen insbesondere im Bereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und der Entwicklungshilfe geschehen ist, die Höhe der Neuverschuldung des Bundes zu beklagen, gleichzeitig für massive Steuersenkungen einzutreten, Einnahmeverbesserungen über eine Mehrwertsteuererhöhung aber abzulehnen. Ich führe diese Debatte heute nicht weiter; sie führt uns zu nichts.Was wir uns wünschen — hier kann ich sicherlich auch für die Koalitionsfraktionen sprechen — ist, daß wir möglichst bald die Alternative der Opposition zu unserer klaren Position kennenlernen.
Unsere klare Position ist ablesbar aus unserer Politik der letzten Jahre. Sie findet aber auch ihre Fortsetzung in den steuer- und finanzpolitischen Aussagen der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976.Spätestens bei der Debatte unseres Steuerpakets, das das Bundeskabinett am 23. März verabschieden wird — heute haben wir bereits die 7 b-Regelung und die Aussetzung der Grunderwerbsteuer für gewisse Tatbestände im Kabinett beschlossen —, erwarte ich von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, eine einheitliche Position, die Sie debattefähig macht.
Das wird für Sie nicht leicht sein, denn zur Zeit sprechen Sie mit vielen Zungen Gegensätzliches und Widersprüchliches. Doch leisten müssen Sie diesen Prozeß einheitlicher Willensbildung, wollen Sie Ihrer staatspolitischen Verantwortung als Opposition im Deutschen Bundestag gerecht werden.
Mit der ersten Lesung des Bundeshaushalts 1977 steht auch der von der Bundesregierung vorgelegte Finanzplan für die Jahre 1978/79/80 zur Debatte. In diesem Finanzplan haben wir unsere Einnahmeerwartungen aus dem Steuerpaket wie die erwarteten Einnahmeverluste auf Grund von Leistungsverbesserungen und Steuersenkungen eingerechnet. Die Opposition kann sich also auch aus diesem Grunde der Debatte der nächsten Tage und Wochen durch Darstellung ihrer eigenen Position schwerlich entziehen.Ich bitte die Opposition im übrigen um eins, Herr Kollege Schröder: Sollte von ihr die Debatte über Einnahmeverbesserungen für die öffentlichen Hände und damit verbundene Steuersenkungen und Leistungsverbesserungen für unsere Bürger dennoch verweigert werden, dann bitte nicht mit dem Vorwand und der pauschalen Aufforderung an den Bund, er könne doch seine Probleme dadurch lösen, daß er noch mehr spare. Auch diese Debatte haben wir im Deutschen Bundestag immer wieder geführt. Diese Debatte hat in dieser abstrakten Form keinen Sinn.
Wir haben im Finanzministerium in diesen Tagendie von der Koalition im Herbst 1975 beschlossenenMaßnahmen zur Verbesserung der Haushaltsstruk-
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Bundesminister Dr. Apeltur — Kernpunkt unserer damaligen Aktion war das Haushaltsstrukturgesetz — in ihren fiskalischen Auswirkungen noch einmal nachgerechnet. Wir kommen zum Ergebnis, daß gegenüber dem Finanzplan 1974/78 6,6 Milliarden DM eingespart wurden, daß uns die Haushaltsstrukturgesetze für 1977 8,5 Milliarden DM Haushaltsverbesserungen gegeben haben, daß daneben Maßnahmen, die keiner gesetzlichen Fundierung bedurften, über 3 Milliarden DM Einsparungen möglich machten, daß schließlich die Tabak- und Branntweinsteuererhöhung 1,3 Milliarden DM in die Bundeskasse bringt.Insgesamt hat also diese große Anstrengung der sozialliberalen Koalition — ich unterstreiche: ein Jahr vor den Bundestagswahlen — den Bundeshaushalt 1977 um 20 Milliarden DM entlastet.
Diese Zahl macht deutlich, wo wir mit den Bundesfinanzen heute wären, wenn wir diese große, von der Opposition abgelehnte Anstrengung nicht unternommen hätten.
— Aber ich bitte Sie, Sie haben es in weiten Teilen abgelehnt und in anderen Teilen kastriert. So ist es gewesen.
Im übrigen wirken die damaligen Maßnahmen auch in den nächsten Jahren fort.Wer heute, meine Damen und Herren, den Bund auffordern will, noch mehr zu sparen, der muß sagen, wo das sein soll. Er muß konkrete Vorschläge machen und dabei aufzeigen, auf welche Gruppe der Bürger sich die vorgeschlagene Sparmaßnahme auswirken würde.Mein Bemühen wird sich im übrigen fortsetzen, den Bundeshaushalt auf Schadstellen durchzusehen, die Einnahmeverbesserungen oder Ausgabekürzungen möglich machen. Herr Kollege Ertl und ich haben eine kleine Sachverständigenkommission eingesetzt, die möglichst bald — die Kommission hat bereits einmal getagt, hier ist also kein Verschiebebahnhof geplant — die Steuerbelastung der deutschen Landwirtschaft überprüfen soll.
Manches spricht dafür, daß hier Steuertatbestände neu zugeschnitten werden müssen. Sicherlich sind Herr Kollege Ertl und ich in Einzelfragen im Zweifelsfalle nuanciert unterschiedlicher Meinung. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie darüber lachen, kann ich nur sagen, der Unterschied zwischen der Koalition und Ihnen ist, daß wir den Mut haben, diese und andere Fragen anzupacken,
während Sie, hier insbesondere der Kollege Dr. Ritz,doch die schärfsten Kritiker waren, als ein entsprechendes Vorhaben aus den Koalitionsvereinbarungen der sozialliberalen Koalition öffentlich wurde.
— Herr Kollege Dr. Ritz, Ihre Stellungnahmen waren im übrigen — das war für mich interessant — viel aggressiver als selbst die Stellungnahmen des Deutschen Bauernverbandes.
Ich habe mich bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes 1977, was die Einnahmenseite anbelangt, sehr davor gehütet, Beträge einzusetzen, die ich in den nun beginnenden Verhandlungen über die Umsatzsteuerneuverteilung von den Ländern erwarte und fordere. Eingesetzt haben wir allerdings die 1,5 Milliarden DM, um die wir seit dem 1. Januar 1977 jährlich die Länder und Gemeinden dadurch entlasten, daß wir von diesem Datum an das Kindergeld für die öffentlichen Bediensteten von Ländern und Gemeinden auf die Bundeskasse übernehmen. Über diese Forderung kann es allerdings keinen Streit geben. Darüber hinaus weisen die Zahlen des Bundes aus, daß wir weitere 6,5 Milliarden DM Forderungen an die Länder haben, die im Streit stehen. Ihnen, meine Damen und Herren, sind die Forderungen des Bundes bekannt. Sie tragen sie sicherlich als Bundespolitiker voll mit; denn Sie haben ein Interesse daran, daß die finanzielle Dispositionsmasse des Bundes erhalten bleibt.Wir kennen die Gegenrechnungen der Länder noch nicht. Als einen ernsten Debattenbeitrag kann ich die Äußerungen einzelner Ministerpräsidenten, hier insbesondere des Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern, nicht werten —
— nein, ich wünsche, daß er noch sehr lange bleibt; das ist völlig richtig —,
in denen sie entgegen allen vorliegenden Rechnungen einen höheren Anteil für die Länder am Finanzvolumen unseres Landes fordern. Meine Damen und Herren, Bemerkungen dieser Art sind nicht einmal taktisches Vorgeplänkel beginnender Verhandlungen.Wir leben in einem föderativ gegliederten Gemeinwesen. Aufgaben wie Einnahmen und Ausgaben sind nicht so klar gegliedert, daß die Verteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern einfach wäre. Man könnte sicherlich heute Betrachtungen darüber anstellen, ob die Finanzreform von 1969, ,die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern nicht weiter kompliziert hat. Es werden auch immer wieder Überlegungen darüber angestellt, ob wir nicht zu einer grundsätzlichen Remedur der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern kommen sollten, zu einer klaren Aufgabentrennung und damit auch zu einer klaren Trennung der finanziellen Basis und der finanziellen Zuweisung.
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734 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Bundesminister Dr. ApelDiese Debatte ist sicherlich sehr interessant, und ich halte sie auch für nutzbringend. Doch wir müssen in diesen Jahren mit den verfassungsmäßig vorgegebenen Tatbeständen leben. Wir müssen sicherlich auch in Zukunft gemeinsam Aufgaben anpacken und gemeinsam finanzieren. Das Programm für Zukunftsinvestitionen wird dazu einen erneuten Beweis liefern. Wenn das aber so ist und zu drei Ebenen der Staatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland — Bund, Länder und Gemeinden — schon heute sehr spürbar die vierte Ebene, nämlich die Europäischen Gemeinschaften kommen, die uns eine Reihe von finanziellen Problemen aufgeben, dann ist es um so wichtiger, daß wir die Kooperation ernst nehmen, daß wir bei aller Notwendigkeit, die Finanzen der eigenen Gebietskörperschaft in Ordnung zu halten, nicht übersehen, daß das Teilwesen nur blühen kann, wenn es dem Gesamtwesen gut geht.Unabhängig von den strittigen Forderungen des Bundes an die Länder bei der Umsatzsteuerneuverteilung kann heute objektiv festgestellt werden, daß sich der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen von 1970 bis 1976 von 54,2% auf 48,9 %, also um 5,3 Steuerpunkte vermindert hat. Das hat dazu geführt, daß der Bund im Jahre 1976 16 % seiner Ausgaben durch Kredite, Länder und Gemeinden dagegen nur 9 % ihrer Ausgaben durch Kredite decken mußten. Diese Entwicklung darf und kann sich nicht fortsetzen.
Diese Entwicklung kann und darf sich nicht fortsetzen im Interesse der gleichmäßigen Entwicklung des Gemeinwesens Bundesrepublik Deutschland, im Interesse der wirtschafts- und finanzpolitischen Aufgaben des Bundeshaushalts zur Herbeiführung eines hohen Beschäftigungsniveaus und der Entwicklung des Wachstumspotentials unserer Volkswirtschaft.Diese Entwicklung muß aber auch gestoppt werden, da der Bundeshaushalt in den vor uns liegenden Jahren in dynamischer Weise zur Finanzierung der internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik herangezogen werden wird. Es kann ja wohl nicht angehen, daß diese internationalen Aufgaben des Staates, die alle Geld kosten, als Aufgaben angesehen werden, die die Länder nichts angehen, die die Länder nicht berühren. Verteidigung, Finanzierung der Europäischen Gemeinschaft, Ausweitung der Entwicklungshilfe, Finanzierung der UNO — dieses sind Aufgaben, die der Zentralhaushalt wahrnimmt für alle 60 Millionen Bundesbürger, ob sie nun in Bayern oder in Schleswig-Holstein leben. Deshalb müssen alle Gebietskörperschaften bereit sein, einen ihrer finanziellen Leistungskraft gemäßen Anteil an diesen unabweisbaren internationalen Verpflichtungen 2u tragen.
Die Kreditmarktbelastung durch die öffentlichen Hände wird in 1977 auf dem Niveau von 1976 verharren. Das liegt im wesentlichen daran, daß wir das Haushaltsjahr 1976 betraten mit gut 9 Milliarden DM Vorratskrediten, die der Bund in 1975 für 1976 aufgenommen hatte. Um diese etwa 9 Milliarden DM geht zwar die Nettokreditaufnahme aller öffentlichen Hände in diesem Jahr zurück; da wir aber in 1976 fast keine Vorratskredite für 1977 aufgenommen haben, bleibt die effektive Belastung des Kapitalmarkts in etwa die gleiche.Wir sind dennoch optimistisch, daß wir, ohne den Zinssenkungstrend zu stören, die Haushalte finanzieren können, obwohl in diesem Jahre auch Wertpapierverkäufe der Rentenversicherungsträger hinzukommen.
Aber schon 1978 wird die Kapitalmarktbeanspruchung durch die öffentlichen Hände deutlich zurückgehen. Sie wird sich in den folgenden Jahren weiter stark abflachen, wenn wir a) Einnahmeverbesserungen für die öffentlichen Hände bekommen und b) bei der bisherigen vorsichtigen Haushaltsführung bleiben.Das ist auch deshalb notwendig, weil im Jahre 1980 die Zinsbelastung des Bundes fast 15 Milliarden DM betragen wird. Es kann nicht die Aufgabe der Finanzpolitik dieser Jahre sein, diese Zahlen aus dem Bewußtsein zu verdrängen. Von uns ist in diesen Jahren keine Brüningsche Finanzpolitik gefordert, ganz im Gegenteil. Aber von uns ist gefordert, auch an morgen zu denken, und deswegen muß sichergestellt sein, daß die Belastungen künftiger Bundeshaushalte durch die gegenwärtige unabweisbare Politik akzeptabel bleiben. Und auch aus diesem Grunde muß der Bundesfinanzminister an die Länder appellieren, um von ihnen einen höheren Anteil am Steueraufkommen als bisher zu fordern.Wir werden sicherlich in den nächsten Wochen und Monaten noch genügend Möglichkeiten finden, um über Einzelaspekte des Bundeshaushalts zu debattieren. Dennoch möchte ich darauf aufmerksam machen, daß, obwohl wir bei der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1976 den Finanzplan für die Haushalte 1977 und 1978 bereits sehr eng geschneidert hatten, es uns möglich war, noch einmal darüber hinaus die Gesamtausgaben für 1977 um 1,4 Milliarden DM und für 1978 um 0,6 Milliarden DM zu senken. Diese Einsparungen wurden im konsumtiven Bereich vorgenommen. Wir haben dagegen die Investitionsausgaben gegenüber dem bisherigen Finanzplan erhöht. Der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben liegt jetzt in allen Jahren des Finanzplans um etwa einen halben Prozentpunkt über den entsprechenden Zahlen des bisherigen Finanzplans. Unter Berücksichtigung des noch nicht verabschiedeten mehrjährigen Programms für Zukunftsinvestitionen, das im Haushalt 1977 und im Finanzplan zwangsläufig noch nicht berücksichtigt wurde, wird sich die Investitionsquote im Bundeshaushalt weiter verbessern. Wir haben im übrigen trotz aller Sparsamkeit die in der Regierungserklärung angekündigten Leistungsverbesserungen beim Kindergeld, bei der Ausbildungsförderung und beim Wohngeld im Finanzplan berücksichtigt.Der Sozialhaushalt nimmt auch im Haushaltsjahr 1977 wieder eine zentrale Stelle — oder, genauer gesagt: die zentrale Stelle — ein. Mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben des Bundeshaushalts entfallen auf den Bereich der Sozialleistungen. Wir leisten
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Bundesminister Dr. Apelgemäß der entsprechenden gesetzlichen Zuschußformel in diesem Jahr wie bereits im letzten Jahr voll an die Rentenversicherung. Im Finanzplanungszeitraum tilgen wir planmäßig gestundete Bundeszuschüsse. Darüber hinaus haben wir uns bereit erklärt, 2,8 Milliarden DM verbriefter Forderungen der Rentenversicherungsträger vorzeitig zu tilgen.Die Bundesanstalt für Arbeit benötigt im Haushaltsjahr 1977 nur noch 350 Millionen DM an kurzfristiger Liquiditätshilfe, um die Liquiditätslücke zum Jahresanfang zu schließen. Im weiteren Jahresverlauf können diese Beträge wieder an den Bundeshaushalt zurückgezahlt werden.
— Mit Sicherheit. — Im Gegensatz zu 1976, wo der Bund noch 3 Milliarden DM an Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit gezahlt hat, sind danach im Jahre 1977 auf Grund der allgemeinen Besserung der Arbeitsmarktsituation und der Finanzlage der Bundesanstalt keine Zuschüsse an die Bundesanstalt erforderlich.Der zweitgrößte Block nach den Sozialausgaben sind die Ausgaben im Bereich der Verteidigung. Allerdings wachsen die Ausgaben für die Verteidigung seit mehreren Jahren unterproportional. Wenn der Verteidigungsminister die Bundeswehr dennoch auf einem so anerkannt hohen internationalen Leistungsniveau hat halten können, so ist das keineswegs ein Zeichen dafür, daß in diesem Etat viel Luft ist, sondern dafür, daß der Minister wie die gesamte Bundeswehr kostenbewußt denken und kostenbewußt handeln.
Der Bund gibt zur Zeit, meine Damen und Herren, jede sechste Mark für Personalkosten aus. Das ist im Vergleich zu den Ländern und auch zu vielen Gemeinden nur ungefähr ein Viertel dessen, was diese Gebietskörperschaften an Personalkosten zu tragen haben. Der Bund hat seit 1972 dafür gesorgt, daß bei ihm die Personalvermehrung nicht stattgefunden hat. Im Gegenteil: Wir können für diesen Zeitraum feststellen, daß es sogar zu einer leichten Abnahme des Personalbestandes beim Bund gekommen ist. Wir haben die Politik des stationären Personalsolls, der Ablehnung der Personalvermehrung, auch für das Haushaltsjahr 1977 fortgesetzt. Wir schlagen dem Deutschen Bundestag vor, für 1977 zusätzliche Stellen nur für den dringlichsten Bedarf bereitzustellen. Hier gehen die 400 neuen Stellen zu einem hohen Prozentsatz in den Bereich der inneren Sicherheit. Wir schlagen dem Deutschen Bundestag gleichzeitig Maßnahmen vor, wie die Stellenvermehrung um 400 Personen an anderen Stellen in gleicher Wertigkeit wieder eingespart werden kann. Ich sehe keinen Grund, daß der Bund in den vor uns liegenden Haushaltsjahren mit dieser Politik nicht fortfährt, auch wenn sie für einzelne Ressorts — dazu gehören auch das Finanzministerium und das Verteidigungsministerium — große Probleme mit sich bringt.Bei den Ländern sieht die Entwicklung der öffentlich Bediensteten anders aus. Unrichtig ist allerdings das Argument, das immer wieder in der öffentlichen Debatte verwandt wird, nach dem der Bund durch seine Gesetzgebung ursächlich für die Personalvermehrung bei den Ländern Verantwortung trägt. Da jeder zweite öffentlich Bedienstete bei den Ländern im Bildungsbereich tätig ist, wird bereits deutlich, daß hier die Autonomie der Länder selbst wirkt. Ähnliches gilt für die anderen Bereiche, insbesondere das Gesundheitswesen und die innere Sicherheit.Ich werfe den Ländern diese Personalvermehrung keineswegs vor. Die föderative Struktur wie auch die Eigenverantwortlichkeit der Länder stellen es in ihr Belieben, die Entscheidungen zu fällen, die sie für richtig halten. Im übrigen — das muß j a wohl hinzugefügt werden — sind öffentlich Bedienstete im Bereich der Gesundheit, der Bildung, der Polizei oder anderswo ja kein Selbstzweck, sondern sie arbeiten im Interesse der Bürger.
Wichtig ist für mich als Bundesfinanzminister nur, daß die Länder das auch so sehen, Tatsachen nicht verdrehen und aus ihren Problemen der Personalwirtschaft kein Argument gegen den Bund und die Forderung des Bundes auf Finanzausgleich schmieden können.Lassen Sie mich einige Bemerkungen zum Haushalt des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit machen. Der Anteil der deutschen Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt bleibt im Zeitraum des Finanzplans, also bis 1980, konstant bei etwa 0,3 % unseres Bruttosozialprodukts. Dennoch sind unsere Leistungen respektabel. Wir liegen als Geberland seit langem, was die absoluten Beträge anbelangt, in der Welt an dritter Stelle. Auch der Anteil unserer Entwicklungshilfe, gemessen am Bruttosozialprodukt, ist immer noch viel höher als der entsprechende Anteil von Japan oder von den USA. Zwar haben einige EG-Partner, gemessen an ihrem jeweiligen Bruttosozialprodukt, einen höheren Anteil an der Entwicklungshilfe als wir — das weiß ich —; aber die Entwicklungshilfe Frankreichs geht zu 40% in Gebiete, die zu Frankreich gehören und sich als französische Überseegebiete bzw. Provinzen bezeichnen, 80 % der britischen Entwicklungshilfe gehen in die Länder des Commonwealth.Im übrigen sind wir der aus unserer Regierungserklärung abgeleiteten Verpflichtung, der Entwicklungshilfe einen höheren Stellenwert zu geben, durchaus gerecht geworden. Im Einzelplan 23 stehen für das Haushaltsjahr 1977, also zur Verwendung für die Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren, Verpflichtungsermächtigungen in einer Größenordnung von 5,8 Milliarden DM. Verpflichtungsermächtigungen in einer Größenordnung von 5,8 Milliarden DM für die Entwicklungshilfe hat es seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland in keinem Haushaltsjahr gegeben. Im übrigen haben wir als Konsequenz der massiven Anhebung der Zahl der Verpflichtungsermächtigungen — und sie zählen für den Entwicklungshilfeminister ja noch mehr als die Baransätze — die Baransätze für die mittelfristige Finanzplanung ab 1978 um insgesamt 1,5 Milliarden DM aufgestockt.
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736 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Bundesminister Dr. ApelWenn wir unsere Entwicklungshilfe im Vergleich mit anderen Ländern sehen wollen, müssen wir im übrigen hinzufügen, daß wir unsere Entwicklungshilfe zu fast 100 % — im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern — lieferungebunden geben. Es gibt nicht viele Länder in der Welt, die Entwicklungshilfe in dieser Großzügigkeit leisten. Wir haben also überhaupt keinen Grund, uns im Bereich der Entwicklungshilfe verschämt zu verbergen. Allerdings stehe ich jeder Anregung offen gegenüber, unseren Anteil zugunsten der Dritten Welt zu erhöhen.
— Herr Kollege Dr. Holtz, ich werde allerdings Widerstand leisten, wenn es lediglich darum geht, einseitig Forderungen an den Bundeshaushalt anzumelden, um die Entwicklungshilfe auszuweiten, ohne dabei deutlich zu machen, wie eine erhöhte Entwicklungshilfe finanziert werden kann.
Dies muß sich dann sehr konkret darstellen. Es kann nicht angehen, die Einsparung dem Bundesfinanzminister dadurch überlassen zu wollen, daß man eine Aufstockung der Entwicklungshilfe über eine Erhöhung der globalen Minderausgabe finanziert.Lassen Sie mich zu einem letzten Bereich des Bundeshaushalts 1977 kommen. Meine Damen und Herren, Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, daß es nicht Aufgabe dieser Einbringungsrede sein kann, alle einzelnen Etatposten hier vorzuführen und zu kommentieren. Im Bereich des Verkehrsministers spielen die Zuschüsse des Bundes an die Deutsche Bundesbahn eine zentrale Rolle.
Der Bund hat in den letzten Jahren etwa 9 bis 91/2 Milliarden DM jährlich an die Bundesbahn geleistet. Das ist in etwa so viel, wie wir für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklungshilfe zusammen ausgeben. Ich sage das ohne Vorwurf und halte das auch den Bediensteten der Deutschen Bundesbahn keineswegs vor. Im übrigen ist ja ein sehr wesentlicher, ja, der wesentlichste Teil dieser Leistungen des Bundes an seine Eisenbahn gesetzlich abgesichert. Hier hat die Eisenbahn auf Grund von Leistungen, die sie wegen Bundesgesetzgebung oder auf Grund von politischen Forderungen des Bundes erbringt, Anspruch auf Ausgleich der Kosten.Dennoch wird die Bundesbahn zunehmend zu einem Haushaltsrisiko. Die Bundesbahn hat im Jahre 1976 über die verschiedenen Ansätze des Haushalts 9,5 Milliarden DM erhalten; 1977 steigt diese Summe auf 10,3 Milliarden DM. Sie soll nach dem Ihnen vorliegenden Finanzplan bis 1980 auf 11,7 Milliarden DM steigen. Dennoch werden die Forderungen der Bundesbahn an den Bundeshaushalt nicht voll erfüllt. Es bleiben 2 bis 3 Milliarden DM jährlich zwischen der Bundesbahn und dem Bundeshaushalt im Streit. Der Bundeshaushalt kann diese Summen nicht hergeben. Aus diesem Grunde: wird es sehr wesentlich darauf ankommen, daß es uns in dieser Legislaturperiode gelingt, die Dynamik der Bundesleistungen für die Bahn zu bremsen.
— Herr Kollege Dr. Althammer, hier wird sich dann erneut der kooperative Föderalismus zu bewähren haben. Es kann ja wohl nicht angehen, daß Länder und Gemeinden sagen: Wir wollen die Eisenbahn in der jetzigen Leistungsdarbietung und in der jetzigen Trassenführung nach dem Motto erhalten: wir haben das Vergnügen, der Bund hat das Defizit. Hier müssen alle gemeinsam, Bund, Länder und Gemeinden, mithelfen.
Meine Damen und Herren, ich erspare mir eingehende Bemerkungen zur Finanzproblematik, die aus der europäischen Integration entspringt. Ich habe auf die positiven Aspekte dieser Ausgaben bereits hingewiesen. Sie müssen aber wissen, daß sich die deutschen Leistungen von 1971 bis 1976 jährlich um etwa 30 % gesteigert haben. Sie wissen, daß wir der größte Nettozahler der EG sind. Die deutschen Leistungen für den EG-Haushalt entsprechen zwischenzeitlich 5 % des Haushaltsvolumens des Bundes. Wir sehen eine Entwicklung vor uns, die dazu führt, daß immer höhere Mehrwertsteuerabführungen nach Brüssel die Finanzmasse des Bundes zunehmend einschränken. Wir stellen fest, daß 73% der EG-Ausgaben in den Agrarmarkt fließen und damit andere Bereiche, die ich für wichtig erachte, zu kurz kommen.Hier wird also eine weitere Problematik des Bundeshaushalts sichtbar. Er muß sich auf der einen Seite mit den Ländern um die viel zu knappen Steuereinnahmen streiten. Auf der anderen Seite sind wir als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft zu schnell steigenden Zahlungen verpflichtet, die die Finanzmasse für Bundesaktivitäten weiter erheblich einschränken.Lassen Sie mich zusammenfassen. Dieser Haushaltsentwurf, der nun in die parlamentarische Beratung geht, macht die politischen Zielsetzungen dieser Bundesregierung sichtbar.Wir wollen erstens das Unsrige dazu tun, um das Gefühl sozialer Geborgenheit, das soziale Netz in unserem Lande zu stabilisieren und zu halten.
Aus diesem Grunde verbessern wir bei aller Haushaltsenge noch in diesem Jahr die Leistungen zugunsten von Schülern und Studenten aus einkommensschwachen Familien. Deshalb hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Wohngeld ab 1. Januar 1978 aufstocken wird. Aus diesem Grunde werden wir unabhängig von der Anhebung der Mehrwertsteuer den § 7 b zur Eigentumsbildung auf Althausbesitz ausweiten. Und aus diesem Grunde leisten wir unsere vollen, uneingeschränkten Zuschüsse im Bereich der Renten- und Sozialversicherung.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 737
Bundesminister Dr. ApelWir wollen zweitens mit diesem Bundeshaushalt den investiven Anteil an den Ausgaben des Bundes steigern. Wir haben das erreicht, obwohl wir das Gesamtausgabevolumen des Haushaltes 1977 gegenüber dem Finanzplan um 1,4 Milliarden DM abgesenkt haben.Wir werden drittens darüber hinaus die öffentlichen Investitionen durch das in Arbeit befindliche mittelfristige Programm für Zukunftsinvestitionen weiter verstärken.Viertens schließlich leisten wir mit diesem Bundeshaushalt einen Beitrag zum weiteren Abbau der Nettokreditaufnahme des Bundes unter sehr schwierigen Bedingungen. Wir werden den Weg zur Haushaltkonsolidierung fortsetzen.Dieser Bundeshaushalt stellt unser finanzpolitisches Konzept für das Jahr 1977 vor. Unser Finanzplan enthält unsere Perspektive bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Sie, meine Damen und Herren, haben nun über die Vorlage zu befinden. Die Bundesregierung steht Ihnen bei Ihrer Arbeit jederzeit zur Verfügung.Fritz Erler hat am 15. September 1949 —damals als junger Abgeordneter — zur Aufgabe einer konstruktiven Opposition gesagt — wörtliches Zitat —: „Schlechtes kritisieren, Gutes unterstützen."
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in der Finanzpolitik dieser Rolle gerecht werden könnten,
indem Sie uns Ihre Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit und der Finanzpolitik geben, dann allerdings hätten wir in den nächsten Monaten einen fruchtbaren Dialog vor uns, der unserem Lande nur nützen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Aussprache über das Haushaltsgesetz beginnt morgen um 9 Uhr. Die Fragestunde findet sofort anschließend statt.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache 8/129 —
Ich rufe den Geschäftsbericht des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Der Abgeordnete Gansel hat um schriftliche Beantwortung der Frage 146 gebeten. Die Anlage wird als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi zur Verfügung.
Frage 147 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg:
Trifft es zu, daß die „DDR"-Machthaber den sowjetischen Sektor Berlins unter Schaffung eines zusätzlichen Bezirks erweitern wollen, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß dadurch die Vier-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten für Berlin als Ganzes verletzt würden?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Herr Kollege, die Bundesregierung kann zu Ihrer hypothetischen Frage nicht Stellung nehmen. Die Informationen zu diesem Thema, auf die Sie sich vermutlich beziehen, sprechen bisher nur von Plänen. Ich bitte, mir deshalb zu verzeihen, wenn ich hier nicht über ein zukünftig mögliches Ereignis spekulieren kann.
Graf Stauffenberg, bitte, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, nachdem über diese Pläne relativ kontinuierlich berichtet worden ist und es so aussieht, als ob mehr dahintersteckt: Hat die Bundesregierung Verbindung mit den drei Westmächten aufgenommen, um in dieser Frage möglicherweise präventiv tätig werden zu können?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat natürlich immer Verbindungen zu den drei Westmächten. Aber ich bitte Sie noch einmal, einzusehen, daß ich hier nicht über zukünftige Ereignisse spekulieren kann.
Bitte, zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ich habe vorhin nicht nach zukünftigen Maßnahmen, sondern nach Maßnahmen in der Vergangenheit gefragt, nämlich präventiven Maßnahmen durch entsprechende Verbindungen mit den Westmächten.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe gesagt, daß diese Verbindungen selbstverständlich bestehen, daß ich aber über ein zukünftiges Ereignis hier nicht spekulieren kann und werde.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatsminister, bedeutet Ihre Antwort an den Kollegen Graf Stauffenberg, daß die Bundesregierung bisher keinerlei Nachrichten, Meldungen oder Mitteilungen über derartige Absichten der DDR-Regierung besitzt?Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das bedeutet sie selbstverständlich nicht. Ich habe mich eben gerade darauf bezogen, daß es Berichte über Pläne gibt, aber gesagt, daß ich nicht bereit bin zu spekulieren.
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738 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Ich rufe die Frage 148 des Herrn Abgeordneten Schmitz auf. — Ich sehe nicht, daß der Herr Abgeordnete im Raum ist. Die Frage wird deshalb schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 149. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 150 des Herrn Abgeordneten Gobrecht auf:
Hält die Bundesregierung das auch für Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geltende gesetzliche Verbot des Eigentumserwerbs von Grundstücken in Dänemark für ein Hindernis bei der Gewährleistung des in den Römischen Verträgen verankerten Rechts auf Niederlassungsfreiheit?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ein gesetzliches Verbot des Erwerbs des Eigentums an Grundstücken in Dänemark für Angehörige der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist der Bundesregierung, Herr Kollege, nicht bekannt. Laut Bekanntmachung des dänischen Justizministeriums Nr. 593 vom 20. Dezember 1972 hat die dänische Regierung vielmehr im Zuge des Beitritts ihres Landes zur Gemeinschaft das Gesetz Nr. 344 vom 23. Dezember 1959 über den Erwerb von Häusern und Grundstücken durch Staatsangehörige der übrigen Mitgliedstaaten angepaßt. Diese können seither in Dänemark für gewerbliche Zwecke Grundstücke und Häuser ohne eine Genehmigung des Justizministeriums erwerben. Im land- und forstwirtschaftlichen Bereich ist eine solche Genehmigung allerdings offenbar nach wie vor erforderlich.
Die Bundesregierung ist sich der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Niederlassungsrecht und zum freien Dienstleistungsverkehr mit der Folge der unmittelbaren Anwendbarkeit der Art. 52 und 59 bewußt. Sie hofft, daß mit dem zunehmenden Zusammenwachsen aller Mitgliedstaaten in der Gemeinschaft die der vollen Freizügigkeit im Sinne der Verträge noch entgegenstehenden Hindernisse ausgeräumt werden können.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Ich rufe die Frage 151 des Herrn Abgeordneten Gobrecht auf:
Ist die Bundesregierung bereit, mit der dänischen Regierung in Gespräche darüber einzutreten, daß der dänische Justizminister in Zukunft jedenfalls gegenüber Angehörigen von EG-Mitgliedstaaten von seinem Recht verstärkt Gebrauch macht, Ausnahmen von dem gesetzlichen Verbot des Grundstückserwerbs zu genehmigen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Vor einigen Wochen ist zum gleichen Thema im Europäischen Parlament eine schriftliche Anfrage an die Kommission gerichtet worden, die als die Hüterin der Verträge wohl in erster Linie zuständig ist und deren Antwort noch aussteht.
Außerdem hat die Kommission kürzlich alle Mitgliedstaaten darauf hingewiesen, daß diese nach ihrer Auffassung grundsätzlich verpflichtet sind, Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten, die sich in ihrem Hoheitsgebiet niederlassen möchten, keine
Rechts- oder Verwaltungsvorschriften entgegenzuhalten, die eine unterschiedliche Behandlung von Ausländern im Vergleich zu eigenen Staatsangehörigen bewirken. Die Bundesregierung wird zunächst die Ergebnisse dieser Schritte abwarten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 152 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Trifft es zu, daß die Prager Regierung die künftige Erteilung von Visa für Journalisten von einer beschönigenden Berichterstattung über die gegenwärtigen Verhältnisse in der Tschechoslowakei abhängig macht, und was unternimmt gegebenenfalls die Bundesregierung gegen derartige Praktiken?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, der Bundesregierung sind keine offiziellen Äußerungen der tschechoslawischen Seite bekannt, die den in Ihrer Frage dargelegten Sachverhalt bestätigen würden.
Zusatzfrage, Graf Stauffenberg.
Herr Staatsminister, bedeutet die Einschränkung, daß keine „offiziellen Stellungnahmen" bekannt sind, daß die Bundesregierung doch damit rechnet, daß die entsprechenden Meldungen in der Tagespresse tatsächlich zutreffend sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es trifft zu, Herr Kollege, daß die zuständigen tschechoslowakischen Behörden in einigen Fällen die Erteilung von Einreisevisa für deutsche Journalisten verweigert haben. Gründe für die Verweigerung sind in diesen Fällen nicht genannt worden.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, was hat die Bundesregierung unternommen, um solchen Praktiken vorzubeugen, die befürchten lassen, daß Journalisten eben nicht frei berichten können?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat in diesen Fällen interveniert, allerdings nicht mit Erfolg.
Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, steht nicht dieses Verhalten der tschechoslowakischen Regierung im Widerspruch zur Schlußakte von Helsinki, in der ausdrücklich ein freier Informationsaustausch vereinbart worden ist?Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Frage ist grundsätzlich zu bejahen. Allerdings muß gesehen
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 739
Staatsminister Dr. von Dohnanyiwerden, daß in jedem einzelnen Fall ein Einreisevisum zu erteilen ist.
Ich rufe Frage 153 des Herrn Abgeordneten Lintner auf. — Er ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 154 des Herrn Abgeordneten Niegel — Herr Niegel ist im Saal —:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ausweisung der Vertreter der Gesellschaft für Menschenrechte, die im jugoslawischen Justizministerium eine Petition zugunsten zweier unrechtmäßig verurteilter Jugoslawen übergeben wollten, und hat die Bundesregierung der jugoslawischen Regierung unmißverständlich klargemacht, daß von guten deutsch-jugoslawischen Beziehungen so lange nicht die Rede sein kann, wie in Jugoslawien unter Verletzung der Vereinbarung von Helsinki die Menschenrechte nicht beachtet werden?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die drei Mitglieder der Gesellschaft für Menschenrechte wurden nicht unmittelbar nach Bekanntwerden ihrer Absicht aus Jugoslawien ausgewiesen. Sie hatten zunächst Gelegenheit, die Öffentlichkeit auf ihr Petitum aufmerksam zu machen. Die jugoslawische Regierung hat die später erfolgte Ausweisung damit begründet, daß die Aktivität der drei Deutschen nicht mit dem Reisezweck von Touristen zu vereinbaren gewesen sei.
Was die weltweite Beachtung der Menschenrechte angeht, so hat die Bundesregierung wiederholt öffentlich dargelegt, daß sie für die Verwirklichung der Menschenrechte in allen Ländern der Welt eintritt. Nach Auffassung der Bundesregierung ist das Eintreten für die Verwirklichung der Menschenrechte ein legitimes Anliegen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Niegel Herr Staatsminister, in der amtlichen Verlautbarung von Radio Belgrad heißt es abschließend:
Angesichts des allgemein akzeptierten internationalen Standpunktes und der Praxis der Bestrafung von Kriegsverbrechern erwarten wir zu Recht
— also die Jugoslawen —
eine positive Reaktion der Behörden der Bundesrepublik Deutschland, erklärte der Pressesprecher des Bundessekretariats. für Auswärtiges, Mirko Kalevic.
Wie hat darauf die Bundesregierung reagiert?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, mir ist diese von Ihnen hier eben verlesene Verlautbarung nicht bekannt.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
In der gleichen Verlautbarung, Herr Staatsminister, heißt es, daß der Konsularvertreter der Bundesrepublik Deutschland in das Bundessekretariat des Auswärtigen gerufen und ihm das eröffnet wurde. Wie hat daraufhin unser Vertreter reagiert, und welche Anweisung hat er dazu vom Auswärtigen Amt bekommen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie sind sich darüber im klaren, daß der Vorgang, so wie er abgelaufen ist, natürlich nicht mit unserer Auffassung von dem Recht, für die Menschenrechte einzutreten, übereinstimmt. Dieses hatte ich auch gesagt. Zu dieser Feststellung ist es auch an entsprechender Stelle gekommen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, Sie hatten in der Antwort an den Kollegen Niegel gesagt, die Betreffenden seien nicht unmittelbar ausgewiesen worden. Können Sie uns einmal den Unterschied zwischen „unmittelbar" und „mittelbar ausweisen" klarmachen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, in meiner Antwort hatte ich ja festgestellt, daß die Betreffenden zunächst Gelegenheit hatten, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, und zwar in der Öffentlichkeit. Dies war Gegenstand dieser Passage meiner Antwort.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg.
Herr Staatsminister, wären Sie bereit, die erste Zusatzfrage des Herrn Kollegen Niegel, die Sie aus Ihrer direkten Kenntnis nicht haben beantworten können, schriftlich zu beantworten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Aber sicherlich, Herr Kollege, wenn Sie danach fragen.
Keine weiteren Zusatzfragen.Die Fragen 155, 156, 157 und 158 sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 159 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:Wird die Bundesregierung die Bemühungen des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Carter, unterstützen, durch ein öffentliches Eintreten für die Bürgerrechtskämpfer in der UdSSR und in anderen kommunistisch beherrschten Staaten der Bürgerrechtsbewegung Rückhalt und Hilfe zu verschaffen, und an welche konkreten Schritte denkt die Bundesregierung bejahendenfalls?Bitte, Herr Staatsminister.Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hat wiederholt zu der von Ihnen gestellten Frage Stellung genommen. Sie verfolgt seit Jahren eine Politik, die darauf gerichtet ist, die Achtung vor den Menschenrechten in allen Regionen der
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740 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Staatsminister Dr. von DohnanyiWelt zu fördern. Die Bundesregierung versucht, mit angemessenen, auf den Einzelfall abgestimmten Mitteln zu einer Stärkung der Menschenrechte beizutragen. Dazu können unter Umständen auch Kontaktaufnahmen zu Persönlichkeiten gehören, die wegen ihres Eintretens für die Menschenrechte verfolgt worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatsminister, bedeutet diese Ihre Antwort, daß die Bundesregierung dem Beispiel des amerikanischen Präsidenten nicht zu folgen gedenkt, sich auch öffentlich hinter das Anliegen der Bürgerrechtskämpfer zu stellen, was ja z. B. dadurch zum Ausdruck gebracht werden könnte, daß prominente Mitglieder dieser Bewegung von führenden Mitgliedern der Bundesregierung zu Gesprächen empfangen werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Ihnen ist sicherlich bekannt, daß die Bundesregierung hat wissen lassen, daß der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Herr Wischnewski, bereit wäre, z. B. Herrn Amalrik zu empfangen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, bedeutet diese Antwort auf den zweiten Teil meiner Zusatzfrage, daß der erste Teil meiner Zusatzfrage, nämlich ob die Bundesregierung grundsätzlich auch bereit ist, dieser Bewegung durch öffentliche Aktionen Unterstützung zuteil werden zu lassen, von Ihnen positiv beantwortet wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung — ich sagte das — ist immer für die Stärkung der Menschenrechte eingetreten. Ich möchte unterstreichen, daß die ja nicht von allen Teilen des Hauses getragene Schlußakte von Helsinki zu dieser Stärkung der Menschenrechte erheblich beigetragen hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatsminister, ist es richtig, daß die Bundesregierung außer dem Verhalten des Präsidenten Carter auch das Verhalten des kanadischen Ministerpräsidenten Trudeau und das Verhalten des französischen Staatspräsidenten Gicard d'Estaing als ein Verhalten zur Unterstützung von Bürgerrechtskämpfern wertet und ihre eigenen Motivationen an vielen anderen ausländischen Beispielen mit überprüfen kann?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Sperling, es steht der Bundesregierung nicht zu, von dieser Stelle aus ein Urteil über die Position abzugeben, die von den verschiedenen Herren Regierungschefs bezogen worden ist. Ich möchte noch einmal unterstreichen, daß wir die Politik zur Stärkung der Menschenrechte auf den Einzelfall abstellen und daß eine solche Politik bisher erhebliche Erfolge vorweisen kann. Ich bin gerne bereit, an anderer Stelle diese Erfolge einmal im einzelnen darzulegen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, besteht nicht — bei aller Wertschätzung von Herrn Staatssekretär Wischnewski, der Herrn Amalrik empfangen wird — ein gewisser Unterschied zu dem Verhalten des amerikanischen Präsidenten, der Herrn Bukowski empfangen hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß es uns darauf ankommt, im Einzelfall zu entscheiden. Nur durch ein Abstellen auf den Einzelfall und die einzelne Situation wird es möglich sein, die Menschenrechte in der Welt konkret zu stärken. Deklarationen als solche nutzen wenig.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, betrachten Sie also im Sinne der Frage ein öffentliches Eintreten durch Demarchen im konkreten Einzelfall nicht als ein angemessenes Verhalten bei schweren Menschenrechtsverletzungen, auch wenn sie Bürgerrechtskämpfer in der UdSSR betreffen, und sind Sie nicht der Meinung, daß die Bundesregierung — auch angesichts der nach der Schlußakte von Helsinki in Kraft getretenen und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtenden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen — eigentlich zur Einforderung dieser Menschenrechte verpflichtet ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe den ersten Teil Ihrer Frage akustisch nicht genau verstanden. Könnten Sie das noch einmal wiederholen?
Ich wollte Sie fragen, ob Sie im Sinne der Frage des Abgeordneten Jäger nach dem öffentlichen Auftreten der Bundesregierung für die Bürgerrechtskämpfer der UdSSR öffentliche Demarchen für ein unangemessenes Mittel halten, nachdem Sie nur von „angemessenen Mitteln" sprachen, die die Bundesregierung anwenden will.Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, ich dachte, ich hätte das klargemacht. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, es kommt darauf an, wie der Einzelfall gelagert ist. Uns geht es um die Wahrung und Stärkung der Menschenrechte im Einzelfall, und uns geht es nicht um
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 741
Staatsminister Dr. von DohnanyiDeklarationen. Wir müssen sehen, Herr Kollege Czaja, wie im Einzelfall — zu einer bestimmten Situation oder generell — den Menschenrechten zur Stärkung verholfen werden kann. Diese Politik verfolgt die Bundesregierung seit 1969. Daran kann gar kein Zweifel bestehen. Herr Kollege, die Ergebnisse sprechen ja auch für diese Politik. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß manches, was hierzu geführt hat, nicht immer von allen Seiten des Hauses getragen worden ist.
Ich lasse jetzt noch zwei Zusatzfragen zu von Graf Stauffenberg und Herrn Lagershausen.
Herr Staatsminister, abgesehen davon, daß es sich bei der Schlußakte von Helsinki um eine große Deklaration handelt, wären Sie bereit, dem Hause zu sagen, welche Personen, Gruppen oder gar Fraktionen oder Fraktionsteile sich nicht hinter den Korb III der Schlußakte von Helsinki gestellt haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Korb I, Korb II, Korb III der Schlußakte von Helsinki sind untrennbar. Sie sind gleichwertig nebeneinander zu betrachten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lagershausen.
Herr Staatsminister, hielten Sie ein eventuelles Schreiben des Deutschen Bundeskanzlers an die Regierung der UdSSR, die mit ihm gemeinsam die Schlußakte von Helsinki unterschrieben hat, des Inhalts, daß der Herr Bundeskanzler sein Bedauern und seine Besorgnis über das Verhalten der Regierung der UdSSR gegenüber den Bürgerrechtskämpfern zum Ausdruck bringt, für eine angemessene Reaktion der Bundesregierung?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir werden Gelegenheit haben, in der Vorbereitung der Konferenz von Belgrad über diese Fragen zu sprechen und dieses Problem auch an dieser Stelle in angemessener Form zu diskutieren.
Ich rufe Frage 160 des Herrn- Abgeordneten Dr. Wittmann auf:
Was unternimmt die Bundesregierung, um zu erreichen, daß die tschechoslowakische Regierung die Ausreise von Deutschen großzügiger handhabt?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Frage der Ausreisen aus der CSSR auf der Grundlage des Briefwechsels über humanitäre Fragen wird in Gesprächen zwischen den Regierungen wie in Gesprächen zwischen den beiden Rote-Kreuz-Gesellschaften behandelt. Zur Zeit geht es darum, eine offenbar bestehende Diskrepanz zwischen der Zahl der beim
DRK vorliegenden Ausreisewünsche und der Zahl der bei den tschechoslowakischen Behörden gestellten Ausreiseanträge zu klären. Hierfür ist bei den Gesprächen zwischen den beiden Rote-Kreuz-Gesellschaften, die im Januar 1977 in Prag stattfanden, ein Verfahren vereinbart worden. Die Bundesregierung ihrerseits steht in Kontakt mit der tschechoslowakischen Regierung, um auf eine möglichst baldige Klärung der Sachlage hinzuwirken.
Zusatzfrage, Herr Dr. Wittmann.
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung auch Schritte unternehmen, um ihrerseits zu verifizieren, welche Ausreisewünsche, die der Liste des Roten Kreuzes zugrunde liegen, tatsächlich fortbestehen, oder ob solche Ausreisewünsche aus Gründen, die nicht in der Person des Antragstellers liegen, zurückgenommen werden mußten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich verweise noch einmal auf den Beginn meiner Antwort. Auf Grund des Briefwechsels über humanitäre Fragen wird dies zunächst von den Rote-KreuzGesellschaften behandelt. Diese haben im Januar dieses Jahres noch einmal über diese Frage beraten. Wir müssen nun das Ergebnis des Verfahrens abwarten, das von den beiden Rote-Kreuz-Gesellschaften vereinbart wurde.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, erschwert es nicht die Lösung der Problematik, daß es dem Deutschen Roten Kreuz unmöglich ist, unmittelbar mit denen, die ausreisen wollen, durch Korrespondenz Kontakt aufzunehmen, daß dieser also immer nur zwischen Deutschem Roten Kreuz und Tschechoslowakischen Roten Kreuz geschieht und natürlich das Tschechoslowakische Rote Kreuz in der Tschechoslowakei eine andere Rolle spielt als bei uns das Deutsche Rote Kreuz?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das vereinbarte Verfahren 'kann zu einer Aufklärung der Diskrepanzen führen. Ich wiederhole, wir werden jetzt die Ergebnisse dieses im Januar 1977 vereinbarten Verfahrens abwarten.
Herr Dr. Wittmann hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, werden Sie in Zukunft laufend die Ihnen vom Roten Kreuz übermittelten Ergebnisse in die zwischenstaatlichen Verhandlungen einbeziehen?Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Wir werden das nicht nur tun, Herr Kollege, sondern wir haben es auch in der Vergangenheit so gehandhabt.
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742 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Zusatzfrage, Herr Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, muß die Bundesregierung als Vertreterin des Völkerrechtssubjekts Bundesrepublik Deutschland nicht unabhängig vom Deutschen Roten Kreuz, insbesondere nachdem seit den vertraglichen Abmachungen doch viele Monate, ja Jahre vergangen sind, darauf drängen, daß diese völkerrechtlichen Verpflichtungen von der Tschechoslowakei bezüglich der Menschen auch eingelöst werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben auf diesen Punkt gedrängt, und zwar auf den verschiedenen Ebenen, auf denen Kontakte und Konsultationen stattgefunden haben. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Der Briefwechsel bezieht sich in erster Linie auf die Verhandlungen zwischen den beiden Rote-Kreuz-Gesellschaften. Diese hatten sich zuletzt im Januar dieses Jahres getroffen. Ich möchte zunächst, Herr Kollege, abwarten, welches Ergebnis das dort vereinbarte Verfahren erbringt.
Ich rufe die Frage 161 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie vereinbart die Bundesregierung die Aufforderung an die
Ministerpräsidenten der Länder, an einer Erfüllung der deutschpolnischen Schulbuchempfehlungen mitzuwirken , mit der Feststellung eines Mitautors dieser Empfehlungen, "daß hier Zwänge vorliegen, daß außerwissenschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen — wer wollte das bestreiten?" ("Frankfurter Allgemeine Zeitung" 31. Januar 1977, Professor Gotthold Rhode), wodurch die Fragwürdigkeit des Wahrheitsgehalts der deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen klargestelllt worden ist?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Zur Beantwortung Ihrer Frage möchte ich die von Ihnen zitierte Passage aus dem Artikel von Prof. Rhode, der in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 31. Januar 1977 veröffentlicht worden ist, zunächst in dem Zusammenhang verlesen, in dem sie geschrieben wurde, Herr Kollege. Dort heißt es:
Daß das Ribbentrop-Molotow-Abkommen nicht vorkommt — ebensowenig wie die Abkommen von Teheran und Jalta —, liegt an der die polnische Seite verpflichtenden Beschränkung auf die Bilateralität, die eine Voraussetzung für die Verhandlungen über die neueste Zeit darstellte. Daß hier Zwänge vorliegen,
— und jetzt komme ich auf dieses Zitat —
daß außerwissenschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen — wer wollte das bestreiten?
Ihre Schlußfolgerung, Herr Kollege, daß hierdurch die Fragwürdigkeit des Wahrheitsgehalts der deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen klargestellt worden sei, vermag ich nicht zu teilen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, Sie haben mir die Freundlichkeit erwiesen, das ganze
Zitat vorzulesen. Gerade durch dieses Zitat wird erneut deutlich, in welcher Einseitigkeit diese deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen abgefaßt sind.
Wollen Sie bitte eine Frage stellen, Herr Kollege!
Darum die Frage, warum diese Empfehlungen von der Bundesregierung besonders begrüßt werden und warum darauf hingewirkt, daß sie Schulbuchtexte werden, wenn die Wahrheit nicht ganz gesagt wird, wenn z. B. nicht gesagt wird, was in Wahrheit zum zweiten Weltkrieg geführt hat: das •Komplott von Hitler und Stalin?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die unter Mitarbeit des Georg-Eckert-Instituts erstellten Schulbuchempfehlungen sind von großer Bedeutung für die deutsch-polnischen Beziehungen.
Es kommt darauf an, in den Beziehungen zwischen den beiden Völkern durch Klärung und Aufklärung positiv zu wirken. Deswegen, Herr Kollege, unterstreichen wir die Notwendigkeit, diese Empfehlungen zu beraten und sie auch zu übernehmen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.
Halten Sie es auch für empfehlenswert, wenn der polnische Delegationsführer es als eine besondere Leistung herausstellt, daß man es erreicht habe, in den Schulbuchempfehlungen über die Organisationen der Heimatvertriebenen zu schreiben, sie seien, soweit sie das Recht auf .die Heimat in Anspruch nehmen — ich zitiere —, „ein Zentrum des Revisionismus" ?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es gibt sicherlich Stellen, die von der polnischen Seite besonders unterstrichen werden. Aber ich will noch einmal darauf hinweisen, daß die Erarbeitung von Schulbuchempfehlungen im Rahmen der deutschpolnischen Beziehungen einen wesentlichen Bestandteil der Aussöhnung zwischen den Völkern darstellen kann, und aus diesem Grund unterstreichen wir die Notwendigkeit der Zusammenarbeit auf diesem Felde.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kühbacher.
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, daß es in der Bundesrepublik Deutschland Kreise gibt, die an Schulbuchvereinbarungen zwischen zwei Staaten grundsätzlich nicht interessiert sind? Und meine zweite Frage an die Bundesregierung, — —
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 743
Sie haben nur eine Frage, verehrter Herr Kollege.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich weiß nicht, ob jemand grundsätzlich nicht interessiert ist. Aber es gibt Hinweise, daß es Kreise gibt, die an der Durchsetzung deutsch-polnischer Schulbuchempfehlungen nicht interessiert sind. Das kann ich wohl unterstreichen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger .
Herr Staatsminister, nachdem Sie soeben durch die Wiederholung des Zitats von Prof. Rhode selber zu erkennen gegeben haben, daß in diesen Schulbuchempfehlungen wesentliche Teile der geschichtlichen Vergangenheit zwischen dem deutschen und polnischen Volk unrichtig und verkürzt dargestellt werden, frage ich Sie: Wie halten Sie unter solchen Umständen eine derartige Empfehlung für wichtig für das deutschpolnische Verhältnis; das doch nur zu einem guten werden kann, wenn beiderseits die geschichtliche Wahrheit anerkannt und bewältigt wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie haben, auch durch den Ansatz des Zitates des Kollegen Hupka, einen Teil aus diesen Empfehlungen ausgewählt. Es kommt aber darauf an, diese Empfehlungen im Zusammenhang zu sehen und zu erkennen, daß insgesamt der Weg der Aussöhnung zwischen den beiden Völkern durch eine entsprechende Arbeit an den Schulbüchern wesentlich unterstützt werden kann. Die Frage von Herrn Hupka bezog sich ja auch auf den Wunsch des Bundeskanzlers, daß sich alle Länder an dieser Arbeit beteiligen.
Meine Damen und Herren, ich lasse noch zwei Fragen zu, die von Herrn Dr. Wittmann und von Herrn Lagershausen, die sich inzwischen zuerst gemeldet haben. — Bitte, Herr Dr. Wittmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatsminister, ist es nicht insgesamt ungewöhnlich und im Hinblick auf die Freiheit der Lehre bedenklich, daß Schulbuchempfehlungen erarbeitet und den Ländern und beteiligten Schulbuchverfassern praktisch aufoktroyiert werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es geht hier nicht um ein Aufoktroyieren. Es geht um Empfehlungen, und es geht um Beratungen, wie man diese Empfehlungen am besten umsetzt. Wer sich einer solchen Beratung verweigert und damit den Empfehlungen voll entzieht, der läßt mindestens Zweifel daran entstehen, ob er interessiert ist, die deutsch-polnische Aussöhnung, so wie wir sie uns jedenfalls vorstellen, wirklich vorantreiben zu wollen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Lagershausen.
Herr Staatsminister, darf ich der Antwort, die Sie dem Kollegen Hupka gegeben haben, entnehmen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß es für die Verbesserung der Beziehungen zwischen zwei Völkern dienlich ist, wenn von der einen Seite verlangt wird, auf die Darstellung der historischen Wahrheit zu verzichten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Dies ist nicht so, Herr Kollege. Es geht darum, schrittweise zur Aussöhnung beizutragen. Es handelt sich um Empfehlungen und um die Bitte des Bundeskanzlers, sich an dieser Arbeit zu beteiligen. Und ich wiederhole: wer sich dieser Arbeit entzieht, läßt begründete Zweifel daran entstehen, ob ihm die deutsch-polnische Aussöhnung am Herzen liegt.
Ich rufe die Frage 162 des Herrn Abgeordneten Rainer auf. Ist Herr Abgeordneter Rainer im Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 163 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatsminister, damit ist Ihr Geschäftsbereich erledigt. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers der Finanzen auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haehser steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die vom Bundesernährungsministerium und Bundesfinanzministerium eingesetzte Sachverständigenkommission zur Begutachtung der Besteuerung der Landwirtschaft überflüssig sei und daß die Besteuerung der Landwirtschaft schon vorweg im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beraten werden könne , und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Frau Präsidentin, ich würde gerne Ihre Zustimmung haben, die beiden Fragen, da sie in einem engen Zusammenhang stehen, gemeinsam zu beantworten.
Ja. Dann rufe ich auch die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup auf:Weiche Unterlagen hält die Bundesregierung dafür geeignet, derartige Fachausschußberatungen schon vor einem Ergebnis des Gutachtens der Sachverständigenkommission durchzuführen, und durch welche wissenschaftlichen Untersuchungen oder Unterlagen der Finanzbehörden können diese als qualifiziert betrachtet werden?
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744 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß die von ihr eingesetzte wissenschaftliche Kommission zur Begutachtung der Einkommensbesteuerung in der Landwirtschaft überflüssig wäre. Das ersehen Sie bitte schon daraus, daß die Bundesregierung diese Kommission eingesetzt hat. Die Bundesregierung will vielmehr das bereits in anderen Bereichen praktizierte Verfahren einer wissenschaftlichen Beratung durch unabhängige Fachleute auch bei diesem Fragenkomplex anwenden. Die zur Zeit vorhandenen Unterlagen reichen nicht aus, um alle Fragen im Zusammenhang mit der Einkommensbesteuerung der. Landwirtschaft zu klären.Andere Gremien sind nicht gehindert, die Problematik vor Beendigung der Arbeiten der wissenschaftlichen Kommission zu erörtern. Für derartige Beratungen durch andere Gremien stehen insbesondere die Subventionsberichte und die Agrarberichte der Bundesregierung, die Einkommensteuerstatistik der Finanzverwaltung und darauf aufbauende Berechnungen aus dem Bundesernährungsministerium und dem Bundesfinanzministerium zur Verfügung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Meyer zu Bentrup.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie mit den ersten Ergebnissen dieses Gutachtens der Sachverständigenkommission?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Wir rechnen damit, Herr Kollege, daß wir dieses Gutachten im Herbst dieses Jahres zur Verfügung haben. Man kann davon ausgehen, daß vorher schon erste Ergebnisse vorliegen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist die Tatsache, daß die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe laufend zurückgeht, nicht schon genug an Aussage über die Belastbarkeit dieses Wirtschaftszweiges?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nein.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen Nr. 3 und 4 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann auf:
Wie ist der Stand der Arbeiten an einer europäischen Alkoholmarktordnung?
Haehser, Parl. 'Staatssekretär: Herr Kollege, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hatte 1972 einen ersten Entwurf einer gemeinsamen Marktorganisation für Alkohol landwirtschaftlichen
Ursprungs vorgelegt. Seine Beratung ist 1973 eingestellt worden. Der neue Entwurf vom Dezember 1976 versucht, den Bedenken der Mitgliedstaaten gegen den ersten Entwurf und den zwischenzeitlich geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen. Im Januar ist in der beim Rat gebildeten „Arbeitsgruppe Alkohol" mit dem Gedankenaustausch darüber begonnen worden. Vom 9. März 1977 ab soll jede Woche eine Sitzung der Arbeitsgruppe stattfinden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist daran gedacht, es beim Branntweinmonopol oder einer irgendwie gearteten Ersatzinstitution zu belassen, so daß für den Kleinbrenner weiterhin bei bestimmten Branntweinsorten eine Abnahmegarantie besteht?
• Haehser, Parl. Staatssekretär: Wenn ich es recht sehe, Herr Kollege Dr. Friedmann, gehören diese Fragen eigentlich zu Ihrer nächsten Frage, die ich, wenn die Frau Präsidentin es erlaubt, nunmehr beantworten würde.
Wenn der Herr Abgeordnete es gestattet. — Dann rufe ich Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann auf:Welche Konzeption ist darin für die Verschlußbrennereien und die Landwirtschaftlichen Obstabfindungsbrennereien vorgesehen?Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Verschlußbrennereien würden vor allem von folgenden Regelungen des Entwurfs betroffen werden:Neutraler Alkohol kann danach ebenso wie Branntwein, alkoholisches Getränk also, das die typischen Merkmale des Rohstoffes aufweist, unbegrenzt erzeugt werden und ist wie dieser ablieferungsfrei. Im Rahmen einer Garantiemenge, die sich nach der Erzeugung in den letzten fünf Betriebsjahren und außerdem nach den Absatzmöglichkeiten in den Bereichen Genußmittel, Pharmazie und Gärungsessig richtet, kann Alkohol zu einem kostendeckenden Preis — genannt Richtpreis — an eine Interventionsstelle abgeliefert werden. Melassealkohol ist von dieser Absatzgarantie jedoch ausgeschlossen. Für jede Art Alkohol wird jeweils ein einheitlicher Richtpreis festgesetzt. Für Alkohol aus kleineren Brennereien werden erhöhte Richtpreise festgesetzt, die während einer Übergangszeit von höchstens zehn Jahren schrittweise abgebaut werden.Die ungleichen Aussichten von Alkohol unterschiedlichen Preisniveaus im Wettbewerb werden durch Prämien bzw. Ausgleichsabgaben ausgeglichen. Ausgleichsprämien sind auch für begrenzte Mengen bestimmter Branntweine vorgesehen, sofern ihre Wettbewerbsstellung durch die Festsetzung des Verkaufspreises der Interventionsstelle für Trinkalkohol beeinträchtigt werden kann.Auch für Branntwein, der in Obstabfindungsbrennereien hergestellt wird, ist während einer Über-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 745
Parl. Staatssekretär Haehsergangszeit die Gewährung einer Ausgleichsprämie vorgesehen. Über die Möglichkeit, Destillate aus Abfindungsbrennereien auch künftig abliefern zu können, gibt der Kommissionsentwurf keine Auskunft.Nun will ich hier, Herr Kollege Dr. Friedmann, nicht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abheben. Aber im Rahmen der Grenzen, die gesetzt sind, bewegt sich meine Möglichkeit, Ihre vorhin gestellte Zusatzfrage zu beantworten.
Zusatzfrage, Herr Dr. Friedmann.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene nachdrücklich darauf hinzuwirken, daß die landwirtschaftlichen Obstabfindungsbrennereien, die für viele Betriebe von existentieller Bedeutung sind, erhalten bleiben?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will diese Frage damit beantworten, daß ich Ihnen sage: Die Tatsache, daß es bisher noch nicht zu einer europäischen Einigung über die Problematik gekommen ist, deutet darauf hin, daß gerade die Bundesregierung die Interessen der von Ihnen angesprochenen Gruppen berücksichtigen will.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, wie ist denn sichergestellt, daß eine europäische Alkoholmarktordnung nicht einen Kostenkater mit sich bringt?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir wollen dies sicherstellen, indem wir umfangreiche Verhandlungen mit allen Beteiligten führen. Sie dürfen sicher sein, daß die Angelegenheit, um die es hier geht, in guten Händen ist, so daß sich Ihre Bedenken höchstwahrscheinlich nicht vergrößern werden.
Die Fragen 8 und 9 sind in dieser Woche wegen der Haushaltsberatungen nicht zulässig.
Die Frage 10 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Voigt auf:
Ist der Bundesregierung eine Umfrage der Commerzbank bekannt, daß 1977 48 Prozent gegenüber 1976 „nur" 46 Prozent aller
Unternehmen einen weiteren Abbau ihres Personalbestandes und nur 12 Prozent Neueinstellungen planen, und hält die Bundesregierung diese auch durch die dpa verbreiteten Umfrageergebnisse für zutreffend?
Herr Kollege, der Bundesregierung ist die Umfrage der Commerzbank bekannt. Anteilszahlen von Unternehmen, die Personalabbau- oder -einstellung planen, sagen nichts über den Umfang personalwirtschaftlicher Maßnahmen aus.
Die zitierte Umfrage gibt nur die Zahlen der Unternehmen gewichtet nach der Beschäftigtenzahl, nicht jedoch die der Beschäftigten wieder. Ein steigender Anteil von Firmen, die Personalabbau planen, muß nicht bedeuten, daß sich die Abnahme der Beschäftigung insgesamt verstärkt oder überhaupt fortsetzt. Über die Personalentwicklung sagt die Umfrage also nichts aus.
Darüber hinaus ist der Repräsentationsgrad von 213 Unternehmen so gering, daß hieraus keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Entwicklung einer Branche oder gar der gesamten Volkswirtschaft gezogen werden können. Wie der Sachverständigenrat und die Institute in ihren Vorausschätzungen geht die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht davon aus, daß es im Jahresdurchschnitt 1977 per saldo erstmals seit 1973 wieder zu einer Zunahme der Beschäftigtenzahl kommen wird. Diese Auffassung wird durch den Verlauf der Beschäftigung im vergangenen Jahr bestätigt. Gegen Jahresende kam es hier saisonbereinigt bereits wieder zu einer Zunahme der Beschäftigung.
Die aus einer gestiegenen Nachfrage in den letzten Monaten zu erwartende Produktionszunahme im weiteren Verlauf dieses Jahres dürfte dazu führen, daß diese leichte Zunahme der Beschäftigung anhält, so daß im Jahresdurchschnitt 1977 mehr Menschen als im Vorjahr beschäftigt und auch weniger Personen arbeitslos sein werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voigt.
Spricht nicht einiges dafür, nachdem auch das Ifo-Institut in den letzten Tagen mitgeteilt hat, die Produktionsausweitung sei mit dem vorhandenen Personal möglich, daß die Annahmen des Jahreswirtschaftsberichts in dieser Frage irrig sind? Falls sich dies im Laufe des Jahres bewahrheiten sollte, ist dann die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß dies nicht nur bei den Konjunkturprogrammen, sondern auch bei den Programmen bezüglich der Zukunftsinvestitionen verstärkt berücksichtigt werden müßte?Grüner, Parl. Staatssekretär: Wir haben in unseren Annahmen im Jahreswirtschaftsbericht selbstverständlich auch berücksichtigt, daß ein erheblicher Teil zunehmender Produktion mit den vorhandenen Kapazitäten bewerkstelligt werden kann. Aber auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache gehen wir von den Annahmen aus, die ich eben dargestellt habe. Sollten sich die Erwartungen und die Annahmen nicht erfüllen, sind ganz selbstverständlich auch
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746 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Parl. Staatssekretär Grünerneue Überlegungen notwendig. Diese werden dann auch innerhalb der Bundesregierung angestellt werden.Es gibt allerdings im Augenblick keine Anzeichen dafür, daß diese Annahmen, die ich hier dargelegt habe, revisionsbedürftig wären.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht, daß hier ein Strukturproblem dergestalt existiert, daß die Einstellungen im Bereich der Produktion erfolgen, also im Facharbeiterbereich, während die Hauptwelle der Freisetzung im Angestelltenbereich eintritt, so daß es trotz eventuell zunehmender Beschäftigung weiterhin Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt gibt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Mit diesen Ungleichgewichten müssen wir rechnen. Ihre Bemerkung ist durchaus zutreffend. Meine Antwort hat sich auch auf die angefragte Gesamtbeschäftigtenzahl bezogen.
Ich rufe nun die Frage 11 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf:
Sieht die Bundesregierung die Forderung aus ihrem Zweiten Bericht zur Verbraucherpolitik vom 20. Oktober 1975 nach einer verstärkten Tätigkeit der Verbraucherzentralen auf dem Gebiet der Rechtsberatung durch die gegenwärtige Praxis bei der Erteilung von Rechtsberatungserlaubnissen in den einzelnen Bundesländern als erfüllt an?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Mehrzahl der elf Verbraucherzentralen hat in ihr Beratungsangebot mittlerweile auch die Hilfe in Reklamationsfällen einbezogen, wofür ganz offensichtlich ein großes Bedürfnis besteht. Drei Verbraucherzentralen haben eine Erlaubnis zur Rechtsberatung erhalten. Bei fünf Verbraucherzentralen werden Rechtsfragen durch zugelassene Rechtsanwälte behandelt, so daß sie einer Erlaubnis nicht bedürfen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Herr Staatssekretär, bezog sich Ihre Antwort auf die Frage 11 oder auf die Fragen 11 und 12?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, ich habe nur die Frage 11 beantwortet.
Ich darf dann meine Frage wiederholen, ob die Bundesregierung ihre Anregung aus dem Zweiten Bericht zur Verbraucherpolitik als erfüllt ansieht. Mir geht es auch um die Wertung dieser Tatsachen, die Sie vorgetragen haben, weil meine weiteren Fragen daran anknüpfen.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundesregierung ist der Meinung, daß sich die Entwicklung auf dem richtigen Wege befindet.
Ich darf dann zurückfragen, Herr Staatssekretär, ob insbesondere der Bundeswirtschaftsminister entsprechend der Empfehlung des Rechnungshofes vom 2. November 1976 den Weg einer generellen Erlaubniserteilung zur Rechtsberatung für die Verbraucherzentralen beschreiten will.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Wir sind der Meinung, daß das im Rahmen einer vor allem auf das Tatsächliche konzentrierten Beratung der Verbraucher eine Notwendigkeit ist.
Ich rufe die Frage 12 der Frau Abgeordneten Däubler-Gmelin auf:
In welchen Fällen ist Verbraucherzentralen die Rechtsberatungserlaubnis verwehrt bzw. wieder entzogen worden, und welche Maßnahmen hält die Bundesregierung gegebenenfalls für notwendig, um ihre Forderung aus dem Zweiten Bericht zur Verbraucherpolitik durchzusetzen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Den Verbraucherzentralen ist bisher keine Rechtsberatungserlaubnis verwehrt oder wieder entzogen worden. Für die Verbraucherzentralen in Berlin und in NordrheinWestfalen sind die Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Die Entscheidung obliegt den zuständigen Landesbehörden. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Genehmigung erteilt wird, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Eine zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände angestellte Untersuchung, 'für welche Teilbereiche Erlaubnisse zur Rechtsberatung erteilt werden sollen, dauert zur Zeit noch an.
Herr Staatssekretär, ich darf die Frage anschließen, ob sich gegebenenfalls, falls Verbraucherzentralen in der Zukunft nur durch Unterstützung von Anwälten Rechtsberatung erteilen können, das Bundesministerium für Wirtschaft dafür einsetzen wird, daß finanzielle Mittel zur Bezuschussung, speziell für diesen Punkt, eingestellt werden.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Wenn dieser Fall eintreten sollte, würden wir darüber selbstverständlich eine Entscheidung zu treffen haben. Unsere Tendenz ist es, den einzelnen Verbraucherzentralen die Entscheidung zu überlassen, wie sie die Rechtsberatung verwirklichen wollen; es gibt da ja unterschiedliche Modelle. Auf Grund der Entwicklung dieser unterschiedlichen Modelle wollen wir auch eine gewisse Erfahrungsübersicht gewinnen.
Eine letzte Frage, Frau Kollegin.
Gehe ich recht in der Annahme, daß die Bundesregierung bemüht sein wird, angemessene Kriterien zur Sach- und Rechtsberatung zu finden, und daß eine Unterteilung nach sozialen und Einkommenskriterien nicht dazu gehören wird?Grüner, Parl. Staatssekretär: Wir glauben, daß es nicht möglich sein wird, obwohl hier die Zuständig-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 747
Parl. Staatssekretär Grünerkeit der Landesbehörde gegeben ist, eine solche Unterteilung vorzunehmen, weil die Erfahrung deutlich zeigt, daß sich die Bedürfnisse der Nachfragenden insbesondere auf den tatsächlichen Bereich beziehen.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Peter auf:
Hat der Bundeswirtschaftsminister anläßlich der letzten Konsultationen mit der französischen Regierung über den weiteren Export von Saarkohle nach Frankreich verhandelt, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Frage der Saarkohlelieferungen nach Frankreich ist bei den deutsch-französischen Konsultationen am 3. und 4. Februar 1977 nicht angesprochen worden. Die Verhandlungen über die Fortsetzung der Lieferungen in 1977 zwischen den kommerziellen Partnern laufen. Falls der weitere Verlauf der Verhandlungen es erforderlich macht, wird die Bundesregierung in dieser Angelegenheit die bereits aufgenommenen Gespräche mit der französischen Regierung fortsetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, gedenkt die Bundesregierung diese Verhandlungen auch vor dem Hintergrund zu führen, daß im anderen Falle im Saarbergbau Kurzarbeit möglicherweise nicht zu vermeiden ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Diese Problematik ist uns voll gegenwärtig.
Eine zweite Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung die Absicht, über die Geltungsdauer des Saarvertrages hinaus ein Übereinkommen mit Frankreich anzustreben, das einerseits den Kohleabbau von Frankreich aus auf saarländischem Gebiet und andererseits den Export von Saarkohle nach Frankreich einschließt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, daß ich zu dieser sehr weitgehenden Frage hier keine Stellungnahme abgeben will, weil die von Ihnen hier angesprochene Frage in Ihrer schriftlichen Frage nicht zu erkennen war. Daher konnte ich mich auch nicht entsprechend gründlich auf diese Frage vorbereiten.
— Selbstverständlich gern.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten von der Heydt Freiherr von Massenbach auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen des von ihr in Aussicht genommenen Investitionsförderungsprogramms vorzusehen, das Investitionszulagengesetz auch auf Leasing-Unternehmen auszudehnen, die Objekte im, Zonenrandgebiet und anderen förderungsbedürftigen Gebieten finanzieren, in diesen Gebieten jedoch nicht ihren Geschäftssitz haben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das vorgesehene mehrjährige Investitionsprogramm zur wachstums-
und umweltpolitischen Vorsorge zielt darauf ab, die öffentliche Infrastruktur weiter auszubauen. Eine Förderung privater Investitionen soll nur in eng begrenzten Fällen vorgesehen werden, wenn das betreffende Projekt eindeutig im öffentlichen Interesse liegt. Eine Begünstigung privater Investitionen durch steuerliche Maßnahmen, nämlich durch die Investitionszulage, ist bei diesem mittelfristig orientierten Programm nicht beabsichtigt.
Sofern jedoch mit Ihrer Frage die siebeneinhalbprozentige Investitionszulage zur regionalen Wirtschaftsförderung gemeint sein sollte, so ist gegenwärtig an eine Ausweitung auf Leasing-Unternehmen außerhalb der Fördergebiete, die wirtschaftliche Eigentümer der Investitionsgüter bleiben, nicht gedacht. Soweit die Investoren in Fördergebieten wirtschaftliches Eigentum an den im Leasing-Verfahren finanzierten Investitionsgütern erwerben, können sie auch heute schon die Investitionszulage in Anspruch nehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
von der Heydt Freiherr von Massenbach: : Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Form der LeasingFinanzierung gegenüber anderen Finanzierungsmethoden auf diese Weise schlechter gestellt wird, und könnten Sie vor diesem Hintergrund eine Begründung geben, warum hier offenbar die rein juristische Eigentumsbetrachtung im Vordergrund steht?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Weil unsere Förderung auf Regionen abgestellt ist. Die Leasing-Unternehmen sind nicht benachteiligt, wenn sie in Fördergebieten Eigentümer der von ihnen verliehenen Einrichtungen und Maschinen bleiben.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Würtz auf:Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung den vom bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr und dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Baden-Württemberg vorgelegten „Lösungsansätzen zu den Strukturproblemen der Luft- und Raumfahrtindustrie aus süddeutscher Sicht " im Hinblick auf die derzeit zu erarbeitende Fortschreibung des Grüner-Berichts" bei, und welche Berücksichtigung findet das Papier bei der Abfassung dieses Berichts?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung sieht in dem Memorandum einen Diskussionsbeitrag für die laufende Auseinandersetzung mit industriepolitischen Fragen im Luft- und Raumfahrtbereich. Es war zu erwarten, daß die Beteiligten nach dem ersten Koordinatorbericht und den Beschlüssen des Kabinetts zur Luft- und Raumfahrtindu-
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748 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Parl. Staatssekretär Grünerstrie vom Januar des vergangenen Jahres ihre Auffassungen zu den Problemen darlegen würden. Die Bundesregierung wird bei ihren Überlegungen anläßlich der Erarbeitung des zweiten Luft- und Raumfahrtberichtes alle Stellungnahmen berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgordneter Würtz.
Herr Staatssekretär, Sie haben von einem Diskussionsbeitrag gesprochen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie die Stellungnahme des bayerischen Staatsministeriums als einen für Ihre Arbeit hilfreichen Beitrag ansehen.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, vielleicht erlauben Sie, daß ich die Antwort auf Ihre Zusatzfrage mit der Antwort auf die von Ihnen ebenfalls eingebrachte Frage 16 verbinde, weil zwischen beiden Fragen ein Zusammenhang besteht. Frau Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich so verfahren.
Bitte sehr. Dann rufe ich auch die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Würtz auf:
Stimmt die Bundesregierung der Tendenz dieses Papiers —süddeutsche Luft- und Raumfahrtindustrie: positiv, norddeutsche Luft- und Raumfahrtindustrie: negativ — zu?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das Memorandum der beiden Länderministerien ist aus der Sicht der von ihnen vertretenen Regionen verfaßt. Die Bundesregierung muß naturgemäß das Ganze im Auge behalten. Die tatsächlichen Gegebenheiten sind differenziert und lassen deshalb keine Pauschalurteile zu. Im übrigen wäre es — darin werden Sie mir sicher zustimmen — für die Interessen der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie in ihrer Gesamtheit wenig förderlich, wenn die Bundesregierung hier Noten an einzelne Unternehmen oder an Betriebe in bestimmten Regionen verteilte.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie von der Fortschreibung Ihres Berichtes gesprochen haben, den Sie ja in Kürze diesem .Haus vorlegen werden, frage ich Sie, ob Sie dabei auch die schwierige Beschäftigungslage in allen Regionen der Bundesrepublik Deutschland beachten werden.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dieser Bericht steht ganz im Zeichen dieser Beschäftigungsprobleme.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Grobecker.
Herr Staatssekretär, weil die Bundesregierung das Ganze im Auge haben muß, darf ich Sie fragen, ob die Veröffentlichung dieses Memorandums zu einer Versachlichung der Debatte beigetragen hat oder ob Sie das möglicherweise anders sehen.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gegen Veröffentlichung derartiger Denkschriften, weil sie verständlicherweise stark unter regionalpolitischen Gesichtspunkten verfaßt werden und daher notwendigerweise in regionalpolitischer Sicht eine Einseitigkeit aufweisen, die der Diskussion nicht förderlich ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Scheffler.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung — wie sie in dem Memorandum vertreten wird —, daß die Firma VFW Fokker im Verlauf des letzten Jahrzehnts weder im militärischen noch im zivilen Bereich erfolgreich gewesen ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, eine solche Auffassung besteht nicht. Ich bin aber der Meinung, daß es wenig sinnvoll ist, in eine Bewertung einzutreten, und deshalb möchte ich mich auf diese Bemerkung beschränken.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gölter.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Überlegungen immer in Erinnerung, daß zu dem Komplex, der. in der Frage des Kollegen Würtz als „norddeutsche Luft- und Raumfahrtindustrie" bezeichnet wird, auch ein größeres Zweigwerk im süddeutschen Raum gehört?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist immer davon ausgegangen, daß die regionalpolitische Bewertung der einzelnen Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie im Grunde nicht zweckmäßig ist und den Problemen dieses Industriezweiges nicht Rechnung trägt, so sehr sie versteht, daß alle regionalpolitisch interessierten Abgeordneten das aus ihrer Sicht immer etwas anders beurteilen.
Die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Wolfram werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 19 des Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen, in allernächster Zeit die Produktion der Transall C 160 wiederaufzunehmen, und in welchem Umfang hat die Regierung der Republik Frankreich oder die deutsche Luftfahrtindustrie mit der Bundesregierung dieserhalb Kontakt aufgenommen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist in erster Linie Sache der im Transall-Programm zusammenarbeitenden deutschen und französischen
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 749
Parl. Staatssekretär Grüner
Firmen, die Erfolgsaussichten der Bemühungen um eine Wiederaufnahme der Transall-Serienproduktion zu beurteilen. Die Bundeswehr hat keinen Bedarf an zusätzlichen Transall-Flugzeugen.
Allerdings hat die französische Regierung ihre Absicht bekundet, gegebenenfalls 25 Flugzeuge dieses Typs ab 1978 in Auftrag zu geben. Für eine rentable Produktion wäre jedoch nach Berechnungen der Industrie eine Mindeststückzahl von insgesamt 75 Flugzeugen notwendig.
Zwischen der französischen Regierung und der Bundesregierung sind in jüngster Zeit mehrere Briefe in dieser Angelegenheit gewechselt worden. Ebenso stehen die beteiligten deutschen Flugzeugfirmen mit dem Verteidigungs- und dem Wirtschaftsressort in Kontakt. Ein Beschaffungsauftrag ist von der französischen Regierung bisher nicht erteilt worden,
Die Möglichkeit einer Unterstützung durch den Bund kann erst dann geprüft werden, wenn die Unternehmen von sich aus für die Serienwiederaufnahme entsprechende Rentabilitätsberechnungen, die im wesentlichen von nachweisbaren konkreten Absatzmöglichkeiten abhängen, vorgelegt haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gölter.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß sowohl aus dem Bereich der Luftfahrtindustrie wie aus dem politischen Bereich bereits Veröffentlichungen erfolgt sind, die genau diesen Komplex in einem Sinne interpretieren, als seien die 1 100 Arbeitsplätze im Zweigwerk Speyer von VFW Fokker bereits sicher, und wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Zeitplanung bezüglich einer Klarlegung der Entwicklung?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung sind, abgesehen von diesen 25 Flugzeugen, die die französische Regierung anzukaufen beabsichtigt, falls die Rentabilität gewährleistet ist, keine weiteren konkreten Absatzaussichten bekannt. Sie weiß allerdings, daß sich die beteiligten Industrien darum bemühen, solche Absatzaussichten nachzuweisen. Konkrete Ergebnisse dieser Bemühungen liegen leider nicht vor.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Hubrig auf:
Sind der Bundesregierung Untersuchungen bekannt über die Auswirkungen verschiedener Arten von Investitionen auf die Arbeitsplatzbeschaffung, und welche konkreten Schlußfolgerungen hat sie hieraus für ihre Investitionspolitik gezogen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung sind die Untersuchungen insbesondere des Ifo-Instituts bekannt. Diese beziehen sich jedoch im wesentlichen auf die Motive der Investitionstätigkeit. Jede durchgeführte Investition bewirkt eine Mischung von Rationalisierungs- und Kapazitätseffekten, so daß sich die Auswirkungen auf die Arbeitsplatzentwicklung im einzelnen nur schwer abschätzen lassen. Jüngste Untersuchungen des .Ifo-Instituts erbrachten das Ergebnis, daß der Arbeitsplatzverlust der letzten Jahre weniger durch einen Anstieg der Rationalisierungsinvestitionen als vielmehr durch einen starken Rückgang der Erweiterungsinvestitionen verursacht wurde.
Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung verfolgt das Ziel, generell das Investitionsklima zu verbessern und über die Förderung der Investitionsneigung die Vornahme von arbeitsplatzschaffenden Investitionen anzuregen. Dazu dient neben den in der Regierungserklärung angekündigten Steuerentlastungen insbesondere auch das mehrjährige „Programm für Zukunftsinvestitionen". Es soll bereits in seiner ersten Phase auch Beschäftigungseffekte auslösen.
Zusatzfrage? — Keine. Dann rufe ich mit Nr. 21 die nächste Frage des Abgeordneten Dr. Hubrig auf:
Trifft es zu, daß bei Konjunkturzyklen in der Bundesrepublik Deutschland festzustellen ist, daß die Freisetzung von Arbeitsplätzen bei Großunternehmen größer ist als bei kleinen und mittleren Unternehmen, und welche Schlußfolgerungen ergeben sich auf Grund dieser Zusammenhänge für die Stimulierung der Investitionstätigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsplatzbeschaffung?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung sind keine Statistiken bekannt, auf die eine solche generelle Feststellung gestützt werden könnte. Die vorliegenden statistischen Übersichten zur Arbeitsmarktsituation sind nicht nach Unternehmensgrößenklassen differenziert.
Auch die im Rahmen der Industrieberichterstattung vorgenommene Klassifizierung nach Umsatz- und Beschäftigtengrößenklassen erlaubt nach Meinung der Bundesregierung eine solche Aussage nicht. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß die Konjunkturempfindlichkeit der einzelnen Wirtschaftszweige sehr verschieden ist. Diese Tatsache dürfte vermutlich ein stärkeres Gewicht als die unterschiedliche Unternehmensgröße haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hubrig, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie meiner Meinung, daß man einmal dieser Frage nachgehen müßte, nachdem Zahlen vorliegen, die zeigen, daß in bestimmten Größenordnungen der Industrie oft Milliardeninvestitionen erfolgen, ohne daß ein Arbeitsplatz zusätzlich geschaffen wird — ich könnte ein Beispiel nennen, aber ich will es hier nicht tun —, während man doch bei der ganzen Investitionspolitik und auch bei der Frage der Investitionszulagen mehr denn je darauf abheben müßte, Arbeitsplätze sicherzustellen oder Arbeitsplätze neu zu schaffen?Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist das Ziel der Investitionsförderung durch die Bundesregierung,
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750 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Parl. Staatssekretär Grünerwie sie insbesondere in unseren Regionalprogrammen deutlich wird, die ausschließlich daran orientiert sind, neue zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Insofern besteht volle Übereinstimmung mit Ihrer Meinung. Was die Möglichkeit angeht, die Unterschiede in den Auswirkungen auf die Beschäftigung zwischen den Großbetrieben, den mittleren und den kleineren Betrieben zu ermitteln, so ist die Bundesanstalt im Augenblick dabei, die Beschäftigtenstatistik auch nach Unternehmensgrößenklassen zu differenzieren. Die Arbeiten sind nicht abgeschlossen, aber wir erhoffen uns im Sinne Ihrer ersten Frage zusätzliche Aufschlüsse, wenn die Statistik fertiggestellt ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hubrig.
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang habe ich noch eine Frage. Wenn ich es richtig sehe, so ist es immer ein Problem, festzustellen, wieviel Arbetsplätze neu geschaffen werden und wieviel Arbeitsplätze verlorengehen. Diese Relation überdeckt die Zahl der zuwachsenden Arbeitsplätze weitgehend. Es erscheint mir von eminenter Bedeutung zu sein, diese Sache zu untersuchen, weil man sonst auch in der Öffentlichkeit zu völlig falschen Eindrücken kommen kann.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist uns in der Rückschau jeweils bekannt, da wir feststellen, wie viele Arbeitsplätze uns nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich betone noch einmal, daß nach unseren Untersuchungen, nach den Untersuchungen der wissenschaftlichen Institute das Entscheidende für den Rückgang der Zahl der Arbeitsplätze der starke Rückgang der Erweiterungsinvestitionen war, und daß wir deshalb den Schlüssel für die Vollbeschäftigung bei den Erweiterungsinvestitionen sehen, so vielfältig die Motive für die Investitionen im Einzelfall auch sind und so problematisch es auch ist, auf eine Motivation allein abzustellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die Frage des Kollegen Hubrig eine gefährliche Mittelstandsideologie enthält, weil die Implikationen dieser Fragestellung doch zwangsläufig dazu führen müßten, daß man die kapitalintensiven Wachstumsbranchen zugunsten der arbeitsintensiven und damit dm weltweiten Strukturwandel besonders gefährdeten Branchen dämpfen müßte, und daß das zu einer Protektion — —
Herr' Kollege, Sie haben lediglich Gelegenheit, eine kürzere Frage zu stellen und nicht ein Referat zu halten.
Dann schließe ich damit.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Herrn Kollegen Dr. Hubrig nicht so verstanden. Wenn ich es recht aufgefaßt habe, so ging es ihm um eine Analyse der Situation und nicht um eine zweckgerichtete Politik. Es ging ihm darum, zunächst einmal eine Analyse zu machen, um vielleicht auf Grund einer zutreffenden Analyse zu entsprechenden Schlußfolgerungen zu kommen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär! Damit ist Ihr Fragenbereich beendet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Da die Abgeordnete Frau Hürland nicht im Saal ist, müssen die Fragen 22 und 23 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Der, Herr Abgeordnete Glombig, der die Fragen 24 und 25 gestellt hat, ist ebenfalls nicht im Saal.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Egert auf:
Wie hoch war das durchschnittliche Bruttoeinkommen der niedergelassenen Ärzte im Jahr 1976, und wie hoch war im Vergleich dazu das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt der Arbeitnehmer im selben Jahr?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Egert, das durchschnittliche Bruttoeinkommen der niedergelassenen Ärzte nach Abzug der Praxiskosten betrug im Jahre 1976 schätzungsweise 180 000 DM bis 190 000 DM. Dieser Wert basiert auf den Ergebnissen der Kostenstrukturerhebung 1971 des Statistischen Bundesamtes und wurde entsprechend der jeweiligen Aufwandsentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Entwicklung der Bevölkerungs- und Arztzahlen fortgeschrieben. Unterstellt wurde, daß der durchschnittliche Praxiskostenanteil mit 35,3 v. H. des Gesamtumsatzes konstant geblieben ist. Außerdem ist ein Rückgang der Privateinnahmen von 15 v. H. im Jahr 1971 auf 10 v. H. im Jahr 1976 berücksichtigt. Eine Überprüfung des so errechneten Bruttoeinkommens für 1976 wird durch die Kostenstrukturerhebung 1975, die Mitte dieses Jahres vom Statistischen Bundesamt vorgelegt wird, möglich sein. Im Vergleich dazu lag das durchschnittliche Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit je Beschäftigten bei 28 750 DM.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Egert.
Herr Staatssekretär, haben Sie eine Erkenntnis darüber, wie die Bruttoeinkommen der verschiedenen Sparten innerhalb der Ärzteschaft differieren?
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 751
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Egert, ich habe darüber eine Übersicht. Diese Frage wird gleich noch im Detail beantwortet.
Keine Zusatzfrage mehr.
Dann rufe ich die Frage 27 des Abgeordneten Egert auf:
Wie groß war der Anstieg des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der niedergelassenen Ärzte von 1963 bis 1976, und wie hoch war im Vergleich dazu der Anstieg des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts der Arbeitnehmer im selben Zeitraum?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Der durchschnittliche jährliche Anstieg des Bruttoeinkommens der niedergelassenen Ärzte betrug — nach Abzug der Praxiskosten — zwischen 1963 und 1976 10,6 v. H. Im gleichen Zeitraum stiegen die Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit je Beschäftigten jährlich um durchschnittlich 9,3 v. H. Insgesamt stiegen danach in dem genannten Zeitraum die Ärzteeinkommen um 268,8 %, während die Einkommen der unselbständig Beschäftigten um 219 % zunahmen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sund.
Herr Staatssekretär, können Sie Aufschluß auch darüber geben — unter Umständen unter Zugrundelegung von Material der Standesorganisationen —, wie sich die Arbeitszeit der Ärzte im Vergleich zu derjenigen der Arbeitnehmer entwickelt hat?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sund, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß sich die Arbeitszeit der Ärzte im Verhältnis ihres Einkommenszuwachses vergrößert hat. Statistische Erhebungen darüber gibt es nicht.
Herr Staatssekretär, sind Sie damit einverstanden, daß ich jetzt doch die Fragen des Abgeordneten Glombig aufrufe, nachdem der Fragesteller soeben in den Saal gekommen ist? — Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Glombig auf:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, in welchem Umfang die durchschnittlichen Bruttoeinkommen einzelner Fachgruppen von niedergelassenen Ärzten vom Durchschnittseinkommen aller niedergelassenen Ärzte abweichen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glombig, Angaben zu dieser Frage sind der Kostenstrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes zu entnehmen. Da die Kostenstrukturerhebung für das Jahr 1975 erst Mitte dieses Jahres vorliegen wird, können derzeit nur Einkommensrelationen aus dem Jahr 1971 herangezogen werden.
Bei einem für 1971 angenommenen durchschnittlichen Bruttoeinkommen der niedergelassenen Ärzte — nach Abzug der Praxiskosten von 113 500 DM differieren die Einkommen je nach Arztgruppe zwischen 74 000 DM bei den Hautärzten und 180 000 DM bei den Röntgenärzten. Wird der Durchschnitt aller niedergelassenen Artzgruppen gleich 100 gesetzt, so verdienen unterdurchschnittlich: die Hautärzte mit 64,9, die Kinderärzte mit 79,9, die Allgemeinärzte mit 90,7, die Neurologen mit 91,1, die Lungenärzte mit 94,9. Frauenärzte erreichen mit 99,2 knapp den Durchschnitt. Überdurchschnittlich verdienen: die Hals-; Nasen- und Ohrenärzte mit 104,5, die Chirurgen mit 106, die Internisten mit 120,1, die Orthopäden mit 120,1, die Augenärzte mit 127,6, die Röntgenärzte mit 156,4.
Inwieweit diese Einkommensrelationen in den Jahren 1972 bis 1975 konstant geblieben sind, läßt sich erst nach Vorlage der Kostenstrukturerhebung 1975 beantworten.
Die Einkommensunterschiede lassen sich insbesondere mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Arztgruppen erklären, medizinisch-technische Geräte einzusetzen. Die sogenannte Gerätemedizin erlaubt z. B. eine Umstrukturierung des ärztlichen Leistungsangebots von zeitaufwendigen — Besuche, Beratungen — zu rationalisierungsfähigen Arbeiten — Labor — und damit eine rasche Ausdehnung ärztlicher Leistungen. Den unterdurchschnittlich verdienenden Gruppen der niedergelassenen Ärzte sind in dieser Hinsicht enge Grenzen gesetzt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glombig.
Herr Staatssekretär, wann kann mit den neuesten Zahlen gerechnet werden?
Buschfort, Parl. Staatsekretär: Mitte dieses Jahres.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche Kosten als Praxiskosten aufgezählt und welche nicht aufgezählt sind?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Die Praxiskosten, die nach statistischen Werten vorliegen, werden, wie ich vorhin sagte, mit ca. 35 5 angesetzt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Können diese 35 5 bei den Kosten der Röntgenologen von Ihnen als angemessen bezeichnet werden?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Das kann ich nicht beurteilen, ob das angemessen ist. Ich habe hier den Durchschnittswert für alle Ärzte genannt. Ich weiß nicht, in welchem Umfang es hier Verschiebungen
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752 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Parl. Staatssekretär Buschfortgibt. Nur muß man auch berücksichtigen, daß der Röntgenarzt nicht ein durchschnittliches Einkommen bezieht, sondern gegenüber dem Durchschnittseinkommen — ich führte es vorhin aus — mit einem durchschnittlichen Satz von über 150 bewertet worden ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Egert.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen, daß dieser Satz für Praxiskosten auch insoweit vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Angemessenheit gesehen werden muß, als man zwischen den laufenden Praxiskosten, die sich auch beim Röntgenologen ergeben, und den einmaligen Investitionskosten die sich amortisieren müssen, unterscheiden muß, und das auch angesichts der Situation, daß die Röntgenologen in diesem System Spitzenverdiener sind?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Ja, das bestätige ich gern. Es ist zweifellos so, daß der hohe Investitionsaufwand eine bestimmte Verschiebung rechtfertigt. Ob allerdings der von mir genannte Satz angemessen ist, will ich einmal unbeantwortet lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Jäger .
Herr Staatssekretär, ich habe die Frage des Herrn Kollegen Dr. Möller folgendermaßen verstanden und möchte so auch ausdrücklich noch einmal fragen: Welche Kostengruppen und Kostenarten sind in dem Begriff der Praxiskosten enthalten, der dieser Frage und damit der Antwort der Bundesregierung zugrunde liegt?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß zunächst einmal alle Kosten erfaßt sind; denn der verbleibende Betrag ist der Betrag vor den Steuern.'
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Glombig auf:
Ist nach Auffassung der Bundesregierung ein Behandlungsboykott niedergelassener Kassenärzte gegenüber dem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung als Verstoß gegen die kassenärztlichen Pflichten zu bewerten, der die zuständige kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags dazu verpflichtet, an Boykottmaßnahmen teilnehmende Kassenärzte zur Erfüllung ihrer kassenärztlichen Pflichten anzuhalten und wenn ja, wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß — soweit erforderlich — die im Rahmen der staatlichen Rechtsaufsicht möglichen und nötigen Maßnahmen ergriffen werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl.. Staatssekretär: Herr Kollege Glombig, die Rechtsaufsicht über die Kassenärztlichen und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen führen nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften die zuständigen Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder; diese haben im Rahmen der Rechtsaufsicht auf die Einhaltung von
Gesetz und Satzung durch die Kassenärztlichen und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu achten. Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß die Aufsichtsbehörden der Länder ihre Aufgaben erfüllen.
Sie möchte aber auch bei dieser Gelegenheit mit Nachdruck darauf hinweisen, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen in jedem Falle die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zu gewährleisten haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glombig.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, haben Ihre Recherchen bezüglich dieser Frage auch Erkenntnisse darüber vermitteln können, in welcher Weise die Kassenärztlichen Vereinigungen selbst nicht nur nicht die Ärzte anhalten, ihre Pflichten zu erfüllen, sondern auch finanziell dazu beitragen, die Kampfmaßnahmen der Ärzte zu unterstützen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glombig, uns ist eine abschließende Beurteilung dieser Frage noch nicht möglich. In den Fällen, bei denen uns — ich möchte es einmal so formulieren — nach unserer Auffassung falsche Einflußnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen bekanntgeworden sind, haben wir den zuständigen Minister des Landes, der die Aufsicht führt, von diesem Vorgang unterrichtet. Ich gehe davon aus, daß der Minister nun in eigener Zuständigkeit die Frage untersuchen wird.
Die zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glombig.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gibt es Erkenntnisse darüber, daß die Flugblattaktion und auch die Plakataktion in verschiedenen Regionen der Bundesrepublik von den Kassenärztlichen Vereinigungen und aus den Mitteln der Kassenärztlichen Vereinigungen unterstützt werden, d. h., daß die Kassenärztlichen Vereinigungen an diesen Aktionen unmittelbar beteiligt sind?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glombig, ich kann auch diese Frage nicht abschließend beantworten. Ich kann Ihnen allerdings sagen, daß uns bekannt ist, daß diese Flugblattaktionen unterschriftlich durch die Kassenärztliche Vereinigung mitgetragen wurden. Ich will hier sehr deutlich sagen, daß ich der Auffassung bin, daß es nicht die Aufgabe einer öffentlich-rechtlichen Institution ist, sich in dieser Art an solchen Kampfmaßnahmen zu beteiligen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sund.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Glombig so
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 753
Sundverstehen, daß die Bundesregierung eine entgegengesetzte Position zu der der niedersächsischen Landesregierung vertritt, die den befristeten Behandlungsboykott gegenüber Patienten für Rechtens erklärt hat?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der Boykott nicht Rechtens war.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung über eine Mißfallenskundgebung hinaus tun, falls abschließend Erkenntnisse über die Art von Praktiken der Kassenärztlichen Vereinigungen vorliegen, wie sie der Kollege Glombig eben bezeichnet hat?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Wir werden die Aufsichtsbehörden über unseren Kenntnisstand informieren. In einem Falle haben wir bereits einen Bericht angefordert. Wir gehen davon aus, daß die jeweils zuständigen Minister bzw. Senatoren der Länder Unzulänglichkeiten im Rahmen der Aufsicht abstellen.
Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu, eine Frage des Abgeordneten Müller und eine Frage des Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, können Sie Angaben machen, inwieweit bei diesen Maßnahmen die Kassenärzte ihren kassenärztlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, natürlich kann man diese Frage nur schwer beantworten. Sie wissen, daß in den einzelnen Bereichen ein Notdienst eingerichtet worden ist. Ob Schaden entstanden ist, ist sicherlich nur sehr schwer festzustellen. Aber allein die Tatsache, daß man mit dieser Maßnahme einen Referentenentwurf bekämpfen wollte, spricht eigentlich für sich.
Es wäre nicht auszudenken, wenn andere Gruppen der Bevölkerung gleiches Recht für sich in Anspruch nehmen würden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung ihrerseits tun, um die bundesdeutsche Öffentlichkeit über diese rechtlichen, politischen und sozialen Hintergründe nach den Öffentlichkeitskampagnen der Ärzte und ihrer Verbände ihrerseits gebührend und angemessen aufzuklären?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, die Bundesregierung wird auch in diesem
Fall, wie sie das auch in der Vergangenheit getan hat, den dann verabschiedeten Gesetzentwurf in aller Deutlichkeit vorstellen, d. h., wir werden die positiven Festlegungen in diesem Gesetz erklären. Wir erwarten und vertrauen darauf, daß die Bevölkerung unsere Maßnahmen verstehen wird. Wie Sie wissen, haben wir auch schon jetzt mit einer doch beachtlichen breiten Informationstätigkeit dazu beigetragen.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Sieler auf:
Wie hoch war im Jahr 1976 die Gesamtsumme der von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung an niedergelassene Zahnärzte gezahlten Honorare, und welchen Anteil haben die Honorare an niedergelassene Zahnärzte an den gesamten Leistungsaufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sieler, die Rechnungsergebnisse der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für 1976 liegen der Bundesregierung noch nicht vor. Nach einer Schätzung, der die ersten drei Quartale und ein Abstimmungsgespräch mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen zugrunde liegen, betragen die an niedergelassene Zahnärzte 1976 gezahlten Vergütungen für zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatz rund 10,2 Milliarden DM. Damit haben die Ausgaben für zahnärztliche Behandlung 1976 einen Anteil an den gesamten Leistungsaufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung von 15,8 v. H.
Die Ausgaben der Krankenkassen für zahnärztliche Behandlung ohne Zahnersatz betragen voraussichtlich 4,3 Milliarden DM.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sieler.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gibt es Vergleichswerte aus den letzten drei Jahren, und können Sie die Zahlen nennen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sieler, ich habe keinen Vergleichswert für die letzten drei Jahre. Aber ich kann sagen, daß der Anteil an den gesamten Leistungsaufwendungen der Krankenkassen 1970 noch 10,6% betragen hat und daß er 1975 bereits auf 14,3 % gestiegen ist. Das heißt, die Ausgaben sind ständig beachtlich gestiegen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.Frau Simonis Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Aufforderung einer führenden deutschen Wirtschaftszeitung, sich angesichts der steigenden Kosten im zahnmedizinischen Bereich vor Übertritt in die private Krankenkasse noch in einem „medizinischen TÜV" ein neues Gebiß anzuschaffen, auch wenn es nicht nötig ist?
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754 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Wir beurteilen diese Empfehlung natürlich negativ. Das versteht sich. Aber dieses Hin und Her zwischen privater Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung kennen wir nun schon seit einigen Wochen. Ich gehe davon aus, daß sich jeder, der gut rechnen kann, einen solchen Schritt überlegen wird, ob nun mit oder ohne „TUV"-Untersuchung.
Herr Abgeordneter Gansel, bitte.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung hinter der kollektiven Behandlungsverweigerung der niederbayerischen Zahnärzte gegenüber ihren Patienten vornehmlich materielle Motive, und betrachtet sie es dabei als mildernden oder als verschärfenden Umstand, daß dieser Behandlungsboykott ausgerechnet am Rosenmontag durchgeführt wurde?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, ich verstehe zwar noch nicht den Zusammenhang Ihrer Frage mit der Frage vom Kollegen Sieler. Aber ich bin ganz sicher, daß es bei diesen Fragen sehr stark um finanzielle Dinge geht.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Sieler auf:
Wie hoch war im Jahr 1976 die Gesamtsumme der von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung an niedergelassene Ärzte gezahlten Honorare, und welchen Anteil haben die Honorare an niedergelassene Ärzte an den gesamten Leistungsaufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sieler, die Rechnungsergebnisse der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für 1976 liegen der Bundesregierung noch nicht vor. Nach einer Schätzung, der die ersten drei Quartale und ein Abstimmungsgespräch mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen zugrunde liegen, betragen die an Kassenärztliche Vereinigungen 1976 gezahlten Vergütungen für ärztliche Behandlung rund 12,1 Milliarden DM. Damit haben die Ausgaben für ärztliche Behandlung 1976 einen Anteil an den gesamten Leistungsaufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung von 18,8 v. H.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Kratz werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Urbaniak auf:
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, da sich die Leistungs- und Kostenstrukturen der niedergelassenen Zahnärzte seit 1975 durch die Verlagerung von Zahnersatzleistungen aus der privaten in die Kassenpraxis stark verändert haben und diese Änderungen in das Jahr 1976 hineinwirken, ist es schwer, eine verläßliche Schätzung der Zahnarzteinkommen für 1976 vorzulegen. Es ist derzeit von einer geschätzten Bandbreite von 210 000 bis 225 000 DM Bruttojahreseinkommen für 1976 auszugehen. Überprüft werden kann dieser Wert erst an Hand der Kostenstrukturerhebung bis 1975 des Statistischen Bundesamtes, die Mitte des Jahres vorliegen wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß es darüber hinaus ein erhebliches oder erkennbares Einnahmegefälle zwischen den Zahnärzten in Stadt- und denen in Landregionen geben könnte?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, uns sind diese Unterschiede bekannt. Sie spiegeln nicht nur die Beziehung Stadt und Land wider, sondern sie haben auch etwas mit der Arztdichte zu tun und auch mit der Bevölkerungsstruktur. Es ist z. B. verständlich, daß Bonn eine wesentlich andere Struktur als beispielsweise Dortmund hat, allein hinsichtlich der zu behandelnden Patienten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, diese Beantwortung gibt mir die Möglichkeit, noch einmal nach den Praxiskosten zu fragen: Welche Ausgabenarten sind bei der Berechnung der Praxiskosten berücksichtigt und welche nicht? Konkret: Sind dabei die Investitions- und die Personalkosten mitberücksichtigt oder nicht?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Zahnarztbereich sind die Kosten nicht ausgewiesen worden. Ich habe deshalb in diesem Zusammenhang nur das geschätzte Bruttojahreseinkommen genannt. Ich bin aber gern bereit, Ihnen eine detaillierte Auskunft über diese Frage zukommen zu lassen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, können Sie etwas dazu sagen, wie die jährlichen Steigerungsraten der Bruttoeinkommen der Zahnärzte nach Abzug der Praxiskosten in den letzten zwei Jahren gewesen sind?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, wenn Sie sich einen Moment gedulden: Ge-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977 755
Parl. Staatssekretär Buschfortnau dies ist die nächste Frage des Kollegen Urbaniak.
Dann darf ich noch Herrn Kollegen Kleinert das Wort zu einer Zusatzfrage geben.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zur Versachlichung der Diskussion einmal die Einkommen der Beamten im höheren Dienst unter Berücksichtigung sämtlicher stiller Anteile, wie sie sich aus Beihilfe, aus der mangelnden Notwendigkeit einer Altersvorsorge und aus einigen weiteren Vergünstigungen im Bereich des öffentlichen Dienstes, den Zahnarzteinkommen gegenüberzustellen, und zwar in der Form, daß bei den Zahnärzten auch die Belastungen abgezogen werden und das wirkliche Nettoeinkommen ermittelt wird statt der geisterhaften Zahlen, mit denen hier gehandelt wird, so daß ein wirklich realer Vergleich möglich ist und es nicht zu einer Verfälschung des Bildes durch nicht gesehene Einkommensanteile hier und Abzüge dort kommt?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kleinert, ich bin gern bereit, Ihre Frage aufzunehmen und an den Innenminister weiterzuleiten; denn er ist für die Einkommen der Beamten zuständig.
Frage 33 des Abgeordneten Urbaniak:
Wie groß war der Anstieg des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der niedergelassenen Zahnärzte von 1963 bis 1976?
BuschfOrt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Urbaniak, der durchschnittliche jährliche Anstieg des Bruttoeinkommens der niedergelassenen Zahnärzte nach Abzug der Praxiskosten betrug zwischen 1963 und 1976 14,2 v. H. bis 14,5 v. H., je nachdem ob für 1976 210 000 DM oder 225 000 DM als Bruttojahreseinkommen zugrunde gelegt werden. Insgesamt stiegen daher die Bruttoeinkommen der niedergelassenen Zahnärzte in dem genannten Zeitraum um 443,6 v. H. bzw. um 482,5 v. H.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller , bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie uns die gleichen Angaben zu der Erhöhung von 1975 auf 1976 machen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe dazu keine genaue Zahl, weil, wie ich bereits vorhin ausführte, die Kostenstrukturerhebung für das Jahr 1975 erst Mitte dieses Jahres vorliegen wird. Die hier angegebenen Zahlen sind auf Grund von Hochrechnungen aus den Ergebnissen des letzten Zeitabschnitts gefunden worden, für den genaue Zahlen vorliegen.
Frau Abgeordnete
Däubler-Gmelin.
Herr Staatssekretär, haben Sie einen Anlaß zu der Annahme, daß sich die Steigerung der Zahnarzteinkommen im letzten Jahr größenordnungsmäßig wesentlich von der der vergangenen Jahre unterscheiden wird?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Ja. Die Steigerung muß sich aus drei Gründen von den früheren Steigerungen wesentlich unterscheiden: Erstens hat es eine Gesetzesänderung gegeben, die diese Steigerung beeinflußt hat, zweitens hat ein höchstrichterlicher Spruch die Steigerung beeinflußt, und drittens sind die Erwartungen der Zahnärzte selbst wohl höher gewesen, als wir angenommen haben.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, nachdem dieser stete hohe Anstieg, wie Sie vorhin dargelegt haben, auf den steilen Anstieg der Kosten für Zahnersatz zurückzuführen ist, frage ich Sie, was nach Ihrer Auffassung die jetzige — und frühere —Bundesregierung getan hat, um den 100%igen Kostenersatz für Zahnersatz einzudämmen.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es liegt — nach Reichsversicherungsordnung — nicht im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung, diese Einengung der Kosten herbeizuführen. Sie wissen, daß das eine Aufgabe der Selbstverwaltung ist und daß die Preise zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen ausgehandelt worden sind.
Im übrigen sieht der Entwurf des Gesetzes zur Kostendämpfung in der Krankenversicherung vor, daß für Zahnersatz eine Höchstgrenze festgelegt wird, die in den meisten Fällen auch schon jetzt Beachtung findet. Aber ich weiß auch, daß es einige Krankenkassenbereiche gibt, die über die im Gesetz vorgesehene 80%ige Kostenfreistellung hinausgehen und bei 90 oder auch bei 100 % liegen.
Das war die letzte Zusatzfrage.Ich rufe auf die Frage 34 des Abgeordneten Dr. Hennig:Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, daß ohne Sanierungsmaßnahmen das Rentendefizit im Jahr 1990 auf 660 Milliarden DM steigen werde, wie dies der Bundesinnenminister mitgeteilt hat ?Bitte, Herr Staatssekretär.Buschfort, Parl. Staatssekretär: Bei den Vorausberechnungen für den Rentenanpassungsbericht 1977 im Oktober 1976 mußte davon ausgegangen werden, daß der Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts und zur Änderung der Krankenversicherung der Rentner — Bundestagsdrucksache 7/3336 —, der die Entlastung der Träger der Rentenversicherung von den Überzahlungen für die Krankenversicherung der Rentner bringen sollte,
Metadaten/Kopzeile:
756 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1977
Parl. Staatssekretär Buschfortkeine Gesetzeskraft mehr erlangen würde. Bei diesen Vorausberechnungen waren ferner — in Übereinstimmung mit der im Spätherbst sich abzeichnenden wirtschaftlichen Entwicklung — nach unten korrigierte Werte über die voraussichtliche Entwicklung der Bruttoentgelte und' der Beschäftigtenzahlen einerseits und höhere Werte für die Ausgabenentwicklung der Rentenversicherung andererseits anzusetzen. Alle Faktoren zusammen ließen erstmals per Ende November 1976 in den Vorausberechnungen eine rechnerische Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben in der von Ihnen — kumuliert bis 1990 — bezeichneten Größenordnung erkennen. Die Bundesregierung hat auf dieser Grundlage die im Entwurf des 20. Rentenanpassungsgesetzes enthaltenen Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vorgeschlagen, um diese Schere in der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung zu schließen.
Keine Zusatzfrage.
Damit sind die Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf.
Die Frage 35 des Abgeordneten Gierenstein wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 36 der Frau Abgeordneten Simonis auf:
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dem AzaleenFest im Rahmen ihrer Nato-Strategie zu?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär von Bülow.
Frau Präsidentin, die Frage der Frau Kollegin Simonis steht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit den Fragen der Kollegen Jungmann und Gansel. Ich wäre Ihnen daher dankbar, wenn Sie die Fragen 37 und 38 mit aufrufen könnten.
Ich muß die Kollegen fragen, ob sie damit einverstanden sind. — Das ist der Fall. Ich rufe also auch die Fragen 37 und 38 auf:
Ist der Bericht der „Kieler Nachrichten" vom 2. Februar 1977 zutreffend, daß die ursprünglich geplante 47. Auslands- und Ausbildungsfahrt des Sdiulschiffs „Deutschland" kurzfristig zwecks Teilnahme am Azaleen-Fest der Nato in Norfolk geändert wurde, und welche anderen Nato-Staaten haben zu diesem Fest Einheiten entsandt?
Welche zusätzlichen Kosten entstehen durch die Verlängerung der Reiseroute des Schulschiffs „Deutschland" wegen der Teilnahme am Azaleen-Fest der Nato in Norfolk und den dadurch erforderlichen Rücktransport von 96 Kadetten durch eine Sondermaschine?
Jeder hat zwei Zusatzfragen.
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Simonis, entschuldigen Sie die Kürze meiner Antwort. Meine Antwort lautet: keine.
Dazu eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Simonis.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich zunächst für die kurze Antwort.
Trifft es denn zu, daß die Bundesmarine an diesem Azaleen-Fest teilgenommen hat, nachdem feststand, daß die Bundesrepublik Deutschland die Ehre haben würde, bei diesem Fest die Azaleen-Königin zu stellen?.
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Auch dies ist zutreffend. In dem Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der NATO gehören Flottenbesuche zu festlichen Veranstaltungen der Mitgliedernationen. So erwarten wir alljährlich den Besuch ausländischer Kriegsschiffe zur Kieler Woche auf Einladung der Stadt Kiel. Das Azaleen-Fest ist eine seit 1954 jährlich durchgeführte Veranstaltung der Stadt Norfolk, Sitz des Oberbefehlshabers der verbündeten Streitkräfte Atlantik — mit Abkürzung SACLANT —, zu Ehren der Bündnispartner. Die Bundesrepublik Deutschland hat für 1977 die Einladung zur Teilnahme als „most honored nation" angenommen. Die Teilnahme bietet eine gute Gelegenheit, die Bundesrepublik Deutschland angemessen und wirkungsvoll darzustellen sowie die deutsch-amerikanische Freundschaft und unsere Partnerschaft in der NATO zu demonstrieren, insbesondere im Hinblick auf die diesjährige 25-
Jahr-Feier von SACLANT. als NATO-Befehlshaber.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Simonis?
Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß der Unterschied darin besteht, daß die Teilnahme am Azaleen-Fest davon abhängig war, daß eine Deutsche die AzaleenKönigin war, im Gegensatz zu der Kieler Woche, an der ja regelmäßig Schiffe teilnehmen, auch wenn keine der dort anwesenden Nationen eine Königin stellt?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Simonis, davon können Sie nicht ausgehen. Ich nehme an, daß die Azaleen-Königin im turnusmäßigen Wechsel von allen NATO-Staaten gestellt wird. So hat z. B. im Jahre 1970 ebenfalls die Azaleen-Königin einen deutschen Namen getragen.
Eine Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, nachdem Sie den Rang angesprochen haben, den die Bundesregierung diesem Azaleen-Fest zumißt, hier der deutschen Öffentlichkeit auch zu sagen, wer die Azaleen-Königin ist?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Die Azaleenkönigin ist die Tochter eines Mitglieds dieses Hohen Hauses, wie dasselbe im Jahre 1970 der Fall gewesen ist.
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Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht mit mir der Meinung, daß die Teilnahme am Azaleen-Fest ein Ausdruck besonderer Friedfertigkeit ist?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Auch die Namensgebung dieses Festes erscheint mir besonders sympathisch. Ich glaube, wir tun gut daran, an solchen Festen von Zeit zu Zeit teilzunehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, kann, jedes deutsche Mädchen oder jede deutsche Frau Azaleen-Königin werden, oder bedarf es dazu eines Vaters, der Angehöriger dieses Hauses ist?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Nein, so eng dürfte die Wahl nicht sein. Aber daß sie nicht das gesamte Spektrum der Bevölkerung abdeckt, davon könnte man auch ausgehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, ist denn die Bundesregierung bereit, in Zukunft der Bundesmarine rechtzeitig mitzuteilen, wann das AzaleenFest stattfindet, so daß die entsprechenden Fahrten nicht als Sonderfahrten mit extra hohen Kosten gemacht werden, sondern in das normale Ausbildungsprogramm der Bundesmarine eingestellt werden können?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Sperling, genau dies war ja das Ziel der Verlängerung der bereits geplanten Studienreise nach Südamerika um 14 Tage. Um kein Sonderschiff zum Azaleen-Fest nach Norfolk schicken zu müssen, haben wir die Reise dieses Schiffes verlängert und werden dann die Rekruten mit einem normalen Routineflug der Luftwaffe nach Hause bringen.
Zwei letzte Zusatzfragen, Herr Abgeordneter Dr. Möller und Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, hätte die Bundesregierung Bedenken, wenn die Frau Kollegin Simonis Azaleen-Königin würde?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Wir würden gern entsprechende Vorschläge auch aus der Mitte dieses Hauses entgegennehmen.
Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, würden Sie befürworten, daß im Rahmen der Vertiefung des Bündnisses die bundesdeutsche Marine zusammen mit der amerikanischen Flotte im Mittelmeer am nächsten Blumenkorso in Nizza teilnähme?
Dr. von Bülow, Parl. Staatssekretär: Dies bedarf einer näheren Erörterung insbesondere mit dem Auswärtigen Amt. Sie wissen, daß das Haus des Bundesministers der Verteidigung hier nicht voll souverän handelt, wie wir uns auch bei der Teilnahme am Azaleen-Fest auf einen Ratschlag des Auswärtigen Amtes berufen können.
Herzlichen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Damit sind die Fragen Ihres Geschäftsbereichs beantwortet.
Die Fragen 65, 66 und 117 sind von den Fragestellern zurückgezogen.
Die Fragestunde ist beendet.
Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen früh, 9 Uhr ein.