Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich dem Abgeordneten Peiter, der am 22. Januar seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, meine herzlichsten Glückwünsche zum Ausdruck bringen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Die Fragen für die Fragestunden der Sitzungswoche vom 17. Januar 1977, die gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 6. Sitzung schriftlich beantwortet wurden, sind als Drucksache 8/33 verteilt. Die dazu erteilten Antworten sind als Anlagen der Stenographischen Berichte der 8., 9. und 10. Sitzung abgedruckt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 8/66 —
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll das in der vergangenen Wahlperiode praktizierte Verfahren, in jeder Sitzungswoche zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchzuführen, in Abänderung der Richtlinien für die Fragestunde fortgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Es gibt keine gegenteilige Meinung; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mit der Frage 1 des Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß die Bundesregierung im Jahr 1978 lediglich wieder eine 1%ige Wohnungsstichprobe und erst im Jahr 1981 in Verbindung mit einer Volkszählung eine Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung durchzuführen beabsichtigt, und wie vereinbart gegebenenfalls die Bundesregierung diese Absicht mit der auch von ihr beklagten unzureichenden Datenbasis auf diesem Gebiet als Grundlage einer sachgerechten Raumordnungs-, Wohnungs- und Städtebaupolitik?
Zur Beantwortung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Haack das Wort.
Herr Kollege Schneider, die von Ihnen genannten Pressemeldungen treffen zu. Die Bundesregierung ist bei der Durchführung bundesweiter Statistiken nicht zuletzt auf die Länder und auf die Kapazität der Statistischen Landesämter angewiesen.
Außerdem haben die Länder den größten Teil der Kosten solcher Statistiken zu tragen.
Die Bundesregierung ist zur Zeit dabei, das Programm der Bundesstatistiken insgesamt zu überprüfen und mit den Ländern abzustimmen. Mit Rücksicht auf die Haushaltslage bei Bund und Ländern wurde hierbei eine Übereinstimmung dahin gehend erzielt, zeitlich vordringlich eine 1-v. H.-Wohnungsstichprobe durchzuführen, und zwar im Jahre 1978, und erst in Verbindung mit der für 1981 geplanten Volkszählung eine vollständige Erhebung aller Gebäude und Wohnungen im Sinne des seinerzeit bereits für 1975 entwickelten Konzepts vorzusehen.
Die Bundesregierung bedauert es, aus finanziellen Gründen genötigt zu sein, die Erhebung der notwendigen Daten zeitlich zu strecken. Sie glaubte jedoch nicht, auf einem Vorhaben bestehen zu können, das die Länder mit Kosten von mehreren hundert Millionen DM belastet hätte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schneider.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung bewußt, daß für eine zureichende Datenerhebung ein Vielfaches der Kosten, die für die Volks- und Wohnungszählung erforderlich sind, aufzuwenden ist und daß Fehlinvestitionen in großem Umfang zu befürchten sind, weil die Daten bei der Raumordnung und beim Wohnungsbau nicht stimmen und weil sämtliche Investitionsdaten auf schwankendem Boden stehen?Dr. Haack, Pari. Staatssekretär: Ich würde es nicht ganz so wie Sie sehen, aber ich gebe zu, Herr Kollege Schneider, daß es aus Gründen des Städtebaus, des Wohnungsbaus und der Raumordnung durchaus notwendig wäre, diese Daten schon früher zu bekommen. Das war ja auch der Grund dafür, daß die Bundesregierung bereits im Jahre 1974 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hatte, den sie aber dem Bundestag nicht zuleiten konnte, weil es dann um diese finanziellen Probleme gegangen ist. Die Länder haben uns gesagt, daß sie bei einem solchen Vorhaben, nur dann mitmachen, wenn sie
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428 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Parl. Staatssekretär Dr. Haackpro Kopf der Bevölkerung 3 DM vom Bund erstattet bekommen.Aus finanziellen Gründen mußten wir daher leider von diesem aus fachlichen Gründen notwendigen Vorhaben absehen. Insofern ging es um eine Interessenabwägung zwischen den finanziellen und den fachlichen Gründen. Wir hoffen aber, daß wir durch die Wohnungsstichprobe und dann durch die von mir genannte Zählung 1981 die notwendigen Daten bekommen können.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Die letzten Daten liegen jetzt zehn Jahre zurück. Die demographische Entwicklung ist rückläufig; wir haben davon auszugehen, daß wir etwa im Jahre 1985 nur mehr 58 oder gar 57 Millionen Einwohner haben. Das sind grobe Schätzungen. Will denn die Bundesregierung angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung dennoch auf dieses Vorhaben verzichten, und hat sie bereits konkrete Verhandlungen mit den Ländern aufgenommen, um diese Schwierigkeiten zu überwinden?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Ich kann nicht leugnen, daß es hier gewisse Schwierigkeiten gibt, darf aber noch einmal darauf hinweisen, aus welchen Gründen wir von diesem Gesetzentwurf Abstand genommen haben. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß wir aus dem Jahre 1972 eine 1-v. H.-Wohnungsstichprobe haben, die natürlich nicht so umfassend ist, uns aber immerhin einige Daten gibt.
Was Sie hier grundsätzlich — etwa zur Bevölkerungsentwicklung — gesagt haben, müssen wir unserer praktischen Politik sowieso — auch ohne genaue Daten — zugrunde legen. Aber ich gebe Ihnen zu, daß es aus fachlichen Gründen des Städtebaus, des Wohnungsbaus und der Raumordnung hier gewisse Probleme gibt, wenn diese Daten nicht rechtzeitig vorliegen. Wir mußten uns jedoch leider diesen finanziellen Notwendigkeiten beugen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den von ihr selber bei der Beratung des Bundesraumordnungsprogramms laufend beklagten Zustand, nicht über eine hinreichende Datenbasis zu verfügen, und wie will die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode überhaupt an die Fortschreibung des Programms herangehen, wenn sie nicht über Daten verfügt?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Ich sagte eben schon, daß es gewisse Probleme mit sich bringt. Sie wissen aber auf der anderen Seite, daß im wesentlichen die Länder für den Wohnungsbau zuständig sind, teilweise auch für den Städtebau, auch für die Raumordnung. Wenn die Länder der Auffassung sind, daß sie ihre Aufgaben auf diesem Gebiet mangels gesicherter Daten nicht mehr erfüllen können, haben sie jederzeit die Möglichkeit, über den Bundesrat eine bestimmte Gesetzesinitiative in dieser Richtung zu entfalten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung bei dieser folgenschweren Verschiebung ihrer beabsichtigten Erhebung nicht von sich aus das Parlament unterrichtet, nachdem das Parlament das Vorlaufgesetz für diese statistische Erhebung doch seinerseits schon verabschiedet hatte?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Im zuständigen Bundestagsausschuß ist damals im Jahre 1975 auf diese Problematik hingewiesen worden. Soweit ich das im Kopf habe, sind auch hier im Bundestag in den letzten Jahren bestimmte Fragen in dieser Richtung gestellt und beantwortet worden. Insofern sind jedenfalls die Kollegen, die sich unmittelbar mit dieser Materie befassen, davon informiert.
Ich rufe Frage 2 des Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung — gegebenenfalls in welchem Umfang — in das in der Regierungserklärung angekündigte langfristige Investitionsprogramm zum Infrastrukturausbau auch Wohnungsbaumaßnahmen einzubeziehen, in welchem Umfang ist sie insbesondere bereit, das Regionalprogramm zur Wohnungsbauförderung über das Jahr 1977 hinaus fortzusetzen?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat im Jahreswirtschaftsbericht 1977 darauf hingewiesen, daß in dem geplanten mehrjährigen Investitionsprogramm zukunftweisende Projekte aus verschiedenen Schwerpunktbereichen wie z. B. Wasserwirtschaft, Verkehrssicherheit, Wohnumwelt und Energieversorgung berücksichtigt werden sollen. Eine Festlegung auf einzelne Maßnahmen in diesem Programm ist erst nach der für den 11. Februar 1977 vorgesehenen Beratung mit den Bundesländern zu erwarten. Deshalb, Herr Kollege Schneider, kann ich Ihnen leider noch keine ausreichende Antwort geben.
Mit Rücksicht auf die Beschäftigungslage in der Bauwirtschaft hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche beschlossen, das Regionalprogramm auch 1977 in voller Höhe fortzuführen. Es können deshalb bei einem Bewilligungsrahmen von über 2 Milliarden DM über 42 000 Wohnungen gefördert werden. Die Bundesregierung sieht in der ungekürzten Fortführung dieses allein vom Bund finanzierten Wohnungsbauprogramms, des Regionalprogramms 1977, zugleich einen wertvollen Beitrag zur Eigentums- und Vermögensbildung im Wohnungsbau. Über eine gegebenenfalls modifizierte Fortsetzung des Programms auch nach 1977 wird im Rahmen der Haushaltsberatungen 1978 zu entscheiden sein. Ich darf darauf hinweisen, daß dieses Regionalprogramm von Anfang an bis 1977 befristet gewesen ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 429
Herr Staatssekretär, ist bei den anstehenden Überlegungen daran gedacht, in das langfristige Investitionsprogramm auch Maßnahmen der Stadterhaltung und Stadterneuerung einzubeziehen, die nach der Regierungserklärung in dieser Legislaturperiode Schwerpunkt der Wohnungs- und Städtebaupolitik sein sollen, und wie vereinbart die Bundesregierung damit die nach der gegenwärtigen Finanzplanung vorgesehene drastische Reduzierung der Städtebauförderungsmittel?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Ich kann die Frage, ob auch Probleme der Stadterhaltung, die in der Regierungserklärung angekündigt sind, in diesem mittelfristigen Investitionsprogramm enthalten sein werden, voll mit Ja beantworten. Ich darf noch einmal auf den entsprechenden Passus im Jahreswirtschaftsbericht hinweisen. Zur Verbesserung der Wohnumwelt gehört ja gerade eine wesentliche Verbesserung unserer Stadtstruktur. Daher werden auf jeden Fall solche Maßnahmen enthalten sein. Zweifelhaft ist noch, ob auch Maßnahmen des Wohnungsbaus im engeren Sinne in diesem Investitionsprogramm vorhanden sein werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Schneider.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat vor vier Jahren in Aussicht gestellt, daß in unserem Lande jährlich etwa 250 000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau erstellt werden. Wenn das Regionalprogramm nicht über den 31. Dezember 1977 hinaus fortgeführt wird, ist damit zu erwarten, daß das Bauvolumen im sozialen Wohnungsbau auf etwa 25 000 bis 30 000 Wohnungen absinkt. Ist die Bundesregierung angesichts dieser Sachlage nicht der Auffassung, daß wegen der Vorlaufwirkung der Planungen bereits jetzt Gewißheit darüber herrschen muß, ob weitergebaut werden kann oder nicht?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Da die ursprüngliche Planung für das Regionalprogramm nur bis 1977 ging, ist es eine schwerwiegende finanzielle Entscheidung, dieses Programm ab 1978 neu fortzuführen. Diese Entscheidung kann nicht so schnell getroffen werden. Wir haben uns deshalb besonders in den letzten Monaten dafür eingesetzt, daß das Regionalprogramm wenigstens im laufenden Jahr 1977 voll gefahren wird. Ich glaube, daß das, wie ich vorhin schon gesagt habe, sowohl für die Baukonjunktur als auch für die Eigentums- und Vermögensbildung wesentlich sein wird.
Die Tatsache, daß die Bundesregierung dieses Regionalprogramm trotz der finanziellen Enge im Bundeshaushalt — es handelt sich dabei ausschließlich um ein Bundesprogramm — entgegen der ursprünglich geplanten Kürzung voll durchführt, zeigt, welche Bedeutung wir dem Wohnungsbau in dieser Richtung beimessen. Es ist nur zu hoffen, daß sich auch die Bundesländer, die leider planen, im Jahre 1977 ihre Programme im Wohnungsbau drastisch zurückzuführen, an diesem Beispiel des Bundes orientieren.
Ich glaube, diese Entscheidung über das Regionalprogramm 1977 hat deutlich gemacht, daß wir auch in Zukunft in dieser Richtung weitergehen werden. Für die Planungen auch der Bauwirtschaft genügt es zunächst, wenn wir sagen, daß das Programm 1977 voll gefahren wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, von welchen Fertigstellungszahlen hinsichtlich des Wohnungsbaues, darunter auch des sozialen Wohnungsbaues, per 31. Dezember 1976 wird die Bundesregierung ausgehen, um Überlegungen in Richtung Investitionsprogramm anzustellen?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Dafür müssen wir die Zahlen noch im einzelnen abwarten. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir gerade auch im Investitionszuschußgesetz im Dezember 1974 noch einen entsprechenden Anstoß gegeben haben. Wir hoffen, daß die Zahlen im Jahre 1976 sowohl im ersten als auch im zweiten Förderungsweg einigermaßen befriedigend sein werden. Aber wir müssen eben dann auch über das Jahr 1977 hinaus planen, weil jetzt schon erkennbar ist, daß wir, wenn wir nicht konsequent — das gilt für Bund und Länder — den Wohnungsbau fördern, unter Umständen in Schwierigkeiten, in eine Wohnungsverknappung in den Jahren 1978, 1979, 1980 kommen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung die Fortgeltung des Regionalprogramms über das Jahr 1977 hinaus nicht vorsieht, und wie denkt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang über die Weiterführung des sogenannten Intensivprogramms für die besonders förderungswürdigen einkommensschwachen Bevölkerungsschichten?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Ich bin ein Anhänger der Politik der kleinen Schritte auf allen Gebieten, auch auf dem des Wohnungsbaus, und bin froh, daß wir wenigstens im Jahre 1977 das erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben. Wir werden das auch im Jahre 1978 vernünftig regeln können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Todenhöfer.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß das bisherige Regionalprogramm insbesondere jährliche Bauinvestitionen von 5 bis 6 Milliarden DM bewirkt und dadurch Arbeitsplätze für mehr als 100 000 Beschäftigte geschaffen hat, und welche Konsequenzen gerade in diesem Sektor wird die Bundesregierung daraus ziehen?
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430 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Gerade das, was Sie hier über die Bedeutung des Regionalprogramms für die Baukonjunktur gesagt haben, hat dazu geführt, daß die Bundesregierung in der vergangenen Woche bei den Haushaltsberatungen 1977 davon Abstand genommen hat, wie ursprünglich geplant, das Regionalprogramm 1977 um ein Drittel zu kürzen, sondern beschlossen hat, es voll zu fahren, weil wir wissen, daß es von ganz entscheidender Bedeutung für die Baukonjunktur, für die Sicherung der Arbeitsplätze ist. Ich hoffe, daß wir in dieser Richtung auch die Entwicklung ab 1977 weiterverfolgen können.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Frage 3 des Abgeordneten Dr. Todenhöfer:
Wird sich die Bundesregierung in den internationalen Gremien, in denen der Nord-Süd-Dialog geführt wird, oder anderswo dafür einsetzen, eine Vermittlungskommisson im Nord-Süd-Konflikt zu ernennen, und unterstützt die Bundesregierung ggf. in diesem Zusammenhang den Vorschlag McNamaras, den Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale, Willy Brandt, zum Vorsitzenden einer solchen Vermittlungskommission zu ernennen, oder — wenn nein — wird die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung zu diesem Vorschlag dem Präsidenten der Weltbank anläßlich des bevorstehenden Besuches des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Frau Schlei, bei der Weltbank zum Ausdruck bringen?
Herr Kollege Todenhöfer, die Bundesregierung hat den Vorschlag NcNamaras mit Interesse zur Kenntnis genommen. Sie begrüßt alle Schritte, die zu einer harmonischen Entwicklung des Nord-Süd-Verhältnisses beitragen können, und betrachtet es als Ehre für die Bundesrepublik Deutschland, wenn ein deutscher Politiker als Vorsitzender einer derartigen Kommission vorgeschlagen wird.
Eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie sagten, die Bundesregierung habe das „mit Interesse zur Kenntnis genommen". Ist Ihnen ein Rundfunkinterview des zuständigen Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Frau Schlei, bekannt, in dem sie diesen Vorschlag begrüßt hat, und ist diese Äußerung von Frau Schlei, wenn sie zutrifft, mit dem Koalitionspartner FDP abgestimmt?
Brück, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, Herr Kollege Todenhöfer, daß kein Unterschied zwischen den Formulierungen „mit Interesse aufgenommen" und „begrüßt" besteht. Im übrigen ist diese Antwort innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Todenhöfer.
Halten Sie diese Äußerung, daß Sie es als eine Ehre ansehen, daß hier ein Deutscher vorgeschlagen worden ist und dieser Willy Brandt heißt, für mit der Tatsache vereinbar, daß Willy Brandt, Parteivorsitzender und Vorsitzender der Sozialistischen Internationale, in Mexiko und Venezuela bei seinen dortigen Besuchen gesagt hat, daß er, wenn er noch Bundeskanzler wäre, die von der Bundesregierung abgelehnte Charta der Rechte und Pflichten der Staaten, in der auch die neue Weltwirtschaftsordnung aufgeführt ist, gebilligt hätte und es nicht zu einer deutschen Ablehnung gekommen wäre?
Brück, Parl. Staatssekretär: Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Präsident der Sozialistischen Internationale genießt ein weltweites hohes Ansehen, was nicht zuletzt auch dadurch zum Ausdruck gekommen ist, daß er den Friedensnobelpreis erhalten hat. Von daher begrüße ich, daß er für diese Position vorgeschlagen wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Köhler.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wäre es, wenn man der Auffassung ist, daß die Diskussion über globale Zielsetzungen der Entwicklungshilfe weltweit intensiviert werden muß — das ist eine Auffassung, die ich in dieser Form übrigens nicht sofort unterschreiben würde —, nicht äußerst naheliegend, daß die Bundesregierung, statt neue Institutionen zu begrüßen, die hierfür vorhandenen Institutionen der UNO aktiviert und dort konstruktive Beiträge leistet?
Brück, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung, Herr Kollege Köhler, nutzt die vorhandenen Institutionen. Aber ich will noch einmal unterstreichen, daß wir diesen Vorschlag des Präsidenten der Weltbank, McNamara, mit Interesse begrüßt haben. Ich glaube, Sie werden meine Ansicht teilen, daß Herr McNamara in Fragen der internationalen Entwicklungspolitik ein kompetenter Mann ist.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Luster.
Darf ich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, als neues Mitglied des Hauses zu meinem Verständnis der deutschen Sprache fragen, ob es wirklich identisch ist, wenn man sagt: etwas mit Interesse zur Kenntnis zu nehmen, etwas zu begrüßen oder, wie Sie zuletzt gesagt haben, etwas mit Interesse zu begrüßen?
Brück, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß es Aufgabe dieses Hohen Hauses ist, jetzt noch einmal die deutsche Sprache auszulegen. Ich habe Ihnen meine Auslegung gesagt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, würde es die Bundesregierung für besonders sinnvoll halten, daß infolge des Vorschlags von Herrn McNa-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 431
Petersenmara neben den vielen Institutionen, die es bereits gibt, eine neue Institution ohne parlamentarische Verantwortung entstehen würde, die dann doch wohl auch Kompetenzschwierigkeiten, Einengungen, Konfusionen und, ich weiß nicht, was alles, bringen würde?Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Petersen, McNamara hat sicherlich nicht daran gedacht, daß hier eine Institution entstehen sollte, die Beschlüsse zu fassen habe, sondern daran, daß hier eine Institution entstehen sollte, in der Politiker, die ein weltweites Ansehen genießen, ihren Rat geben sollten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Todenhöfer auf:
Ist der Bundesregierung die auf dem 13. Kongreß vom 26. bis 28. November 1976 in Genf von der Sozialistischen Internationale angenommene Resolution bekannt, worin u. a. die Auffassung vertreten wird, der automatische Ablauf des Marktmechanismus sei nicht geeignet, die Voraussetzungen für Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen, und das offensichtliche Versagen des internationalen .Kapitalismus" erfordere eine völlig neue Art des Ansatzes bei den internationalen Wirtschaftsproblemen, der nur ein „sozialistischer" Ansatz sein könne, und wenn ja, hat sich die Bundesregierung dazu eine Meinung gebildet und welche Auffassung vertritt sie ggf. dazu?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Todenhöfer, die Resolution ist der Bundesregierung bekannt. Sie sieht keinen Anlaß, Resolutionen von internationalen Parteizusammenschlüssen zu kommentieren.
Eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß es das kapitalistische, ungeplante, marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem objektiv versäumt habe, angemessene wirtschaftliche Lösungen zu erarbeiten, und daß der automatische Ablauf des Marktmechanismus nicht geeignet sei, die Voraussetzung für Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen, daß das offensichtliche Versagen des internationalen Kapitalismus eine völlig neue Art des Ansatzes bei internationalen Wirtschaftsproblemen erfordere und daß dieser neue Ansatz nur ein sozialistischer sein könne?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Todenhöfer, da Sie jetzt aus der Entschließung der Sozialistischen Internationale zitiert haben, möchte ich aus grundsätzlichen Überlegungen bei meiner Haltung bleiben, daß es nicht Aufgabe der Bundesregierung sein kann, Beschlüsse internationaler Parteizusammenschlüsse zu kommentieren. Ich will hinzufügen: Als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands habe ich dazu natürlich eine Meinung.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Todenhöfer.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es Ihre Pflicht ist, Ihre Meinung zu diesen Beschlüssen dem
Parlament zur Kenntnis zu geben, nachdem Sie es gerade mit Interesse begrüßt haben, daß derjenige, unter dessen Vorsitz die Beschlüsse zustande gekommen sind, als Vorsitzender einer Nord-SüdVermittlungskommission vorgeschlagen worden ist? Und sind Sie zweitens der Auffassung, daß die Industrieländer zur Erfüllung der Aufgaben, die die neue Weltwirtschaftsordnung stellen werde, darauf vorbereitet sein müßten, direkt in Wirtschaftsabläufe einzugreifen, und daß es hierzu u. a. erforderlich sei, daß der Staat mittels öffentlichen Eigentums oder öffentlicher Kontrolle umfassend in Wirtschaftsunternehmen eingreife?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Todenhöfer, ich will wiederholen: Ich glaube nicht, daß es Aufgabe eines Parlamentarischen Staatssekretärs ist, im Plenum des Deutschen Bundestages dazu Stellung zu nehmen. Ich würde mich auch weigern, zu Entscheidungen der Union der christlich-demokratischen Parteien Europas Stellung zu nehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler .
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, könnten Sie mir deutlich machen, warum Sie diese Position hier beziehen, nachdem die Bundesregierung bei anderen, durchaus vergleichbaren Entschließungen auch vergleichbarer Gremien — ich denke zum Beispiel an die Zusammenarbeit zwischen sozialdemokratischen Parteien und kommunistischen Parteien in Europa, die Helsingör-Beratungen, wenn Sie sich erinnern wollen — sehr wohl dazu Stellung genommen und hier im Hause Kommentare gegeben hat?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Köhler, damals hat der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Helsingör seine Meinung dazu gesagt.
Eine Zusatzfrage von Herrn Jäger .
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß es eine Frage der Erhaltung der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung ist, die sich in ihrer Regierungserklärung vor diesem Hause zur marktwirtschaftlichen Ordnung bekannt hat, jetzt zu Auffassungen Stellung zu nehmen, die von Kräften kommen, die diese Bundesregierung tragen und ganz andere politische Zielsetzungen in die Welt setzen?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich will noch einmal meine Haltung, die wirklich auf grundsätzlichen Überlegungen beruht, zum Ausdruck bringen, daß ich nicht bereit bin, hier zu Entscheidungen internationaler Parteizusammenschlüsse meine Meinung zu sagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Petersen.
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432 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Sachaussage dieser Resolution — unabhängig davon, wer sie getroffen hat — wichtig genug ist, daß dieses Haus über die Stellungnahme der Bundesregierung und eines Parlamentarischen Staatssekretärs, der in dieser Bundesregierung Verantwortung trägt, informiert werden sollte?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Petersen, ich teile diese Auffassung nicht. Denn sonst hätte ich ja nicht die Antwort gegeben, die ich dem Herrn Kollegen Todenhöfer zuerst gegeben habe.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, da Sie hier ja nicht als Parlamentarischer Staatssekretär, sondern namens der Bundesregierung dem Parlament Auskünfte erteilen, frage ich Sie, ob ich davon ausgehen darf, daß Ihre Haltung — die Bundesregierung hält es nicht für notwendig, diesen Vorgang im Parlament zu diskutieren — so ausgelegt werden kann, daß die ganzen Beschlüsse von der Bundesregierung für bedeutungslos gehalten werden?
Brück, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß Sie aus meiner Äußerung irgendeine Kommentierung dieser Beschlüsse heraushören konnten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von der Heydt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die Begründung, daß Sie grundsätzliche Gründe haben, diesem Hohen Hause eigentlich nicht angemessen ist und daß Sie, wenn Sie sich schon so kurz fassen wollen, doch wenigstens Ihre grundsätzliche Stellungnahme etwas deutlicher machen müßten?
Brück, Parl. Staatssekretär: Ich möchte auf die Antwort verweisen, die ich dem Kollegen Petersen gegeben habe.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf.
Wenn mir die Bundesregierung bei der Beantwortung so viel Zeit läßt, bin ich selbstverständlich so höflich, auch dem Hause bekanntzugeben, wer von der Bundesregierung antwortet. Diesmal ist es mir gelungen. Zur Beantwortung der Fragen zu diesem Geschäftsbereich steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hauff zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 102 des Herrn Dr. Hubrig auf:
Trifft es zu, daß es — wie in „Der Spiegel" vom 10. Januar 1977 dargelegt — bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln für Forschung und Entwicklung durch das Bundesforschungsministerium Mißstände gibt, und wenn ja, was hat die Bundesregierung unternommen, um derartige Mißstände zu beseitigen?
Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Hubrig, der Artikel im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" enthält eine Vielzahl von kritischen Bemerkungen zu zahlreichen Vorhaben des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, die alle sorgfältig geprüft wurden. Diese Prüfung hat ergeben, daß das Archiv des Nachrichtenmagazins verschiedene, an anderer Stelle geäußerte Kritik zusammengestellt, aber die in den meisten Fällen in den gleichen Publikationen veröffentlichten Richtigstellungen durch den Bundesminister für Forschung und Technologie nicht berücksichtigt hat.
Um dies nachzutragen, müßten nunmehr zu jedem einzelnen Vorhaben ein paar Sätze gesagt werden. Weil dies bei der Zahl der Vorhaben leider nicht in einer Fragestunde zu erledigen ist, darf ich Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, anbieten — wie schon dem Berichterstatter für den Haushalt des Bundesministeriums für Forschung und Technologie —, eine Zusammenstellung der Anmerkungen zu diesen einzelnen Vorwürfen zukommen zu lassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hubrig.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, nachdem Sie den ergänzenden Hinweis gegeben haben, daß das Material überreicht wird, möchte ich Sie fragen: Sind Sie nicht doch der Meinung, daß es bei dieser Sachlage besser gewesen wäre, wenn das Ministerium oder der Minister in Form eines Leserbriefs oder in einer öffentlichen Stellungnahme zu den dort erhobenen Vorwürfen detailliert Stellung genommen hätte?
Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hubrig, der Bundesminister für Forschung und Technologie hat sich an das Nachrichtenmagazin gewandt und ihm sämtliche Informationen zukommen lassen.
Ich rufe die Frage 103 des Abgeordneten Dr. Hubrig auf:
Auf wie viele Empfänger verteilen sich die Forschungszuwendungen des Bundesforschungsministers in der Wirtschaft im Jahr 1975, gestaffelt nach Größenklasse der Zuwendung, und welche Verwaltungskapazität ist zur Verteilung dieser Forschungsgelder erforderlich?
Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär: Zunächst zum ersten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege.
Zur Frage, wie sich die Empfänger nach Größenklassen der Zuwendungen einteilen lassen, möchte ich Ihnen folgende Zahlenangaben mitteilen: 1975 erhielten 467 Unternehmen der Wirtschaft Mittel des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Sie gehen aus dem BMFT-Förderungskatalog 1975 hervor, der ja auch den Mitgliedern dieses Hauses zugegangen ist. Die Verteilung der Förderungsbeträge im Jahre 1975 geschah wie folgt: Förderungsbeträge größer als 5 Millionen DM flossen an 42 Unternehmen; 84 Unternehmen erhielten zwischen 1 und 5 Millionen DM; 50 Unternehmen erhielten zwischen 0,5 und 1 Million DM; Mittel von weniger als 0,5 Millionen DM flossen an 291 Unternehmen.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 433
Parl. Staatssekretär Dr. Hauff
Der zweite Teil Ihrer Frage beschäftigt sich mit der Verwaltungskapazität zur Verteilung der Forschungsgelder. Lassen Sie mich dazu folgendes ausführen: Weil das Ministerium für Forschung und Technologie nicht nur die Aufgabe hat, Forschungszuwendungen zu verwalten, wäre es schon deshalb falsch, das Personal des Ministeriums und der Projektträger zu addieren und in Relation zum Förderungsvolumen zu setzen. Ein möglicher Ansatz wäre, sowohl beim Aufwand als auch bei den Ergebnissen der Arbeit zwischen den rein projektbezogenen und den für die Allgemeinheit bedeutsamen Faktoren zu trennen. Das ist jedoch sinnvoll nicht möglich.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Hubrig.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Ihnen ist aus dieser Veröffentlichung des „Spiegel" bekannt, daß unter dem Rubrum „Humanisierung des Arbeitslebens" 94 Projekte genannt werden, die von 40 Personen betreut werden; das ist nur ein Beispiel. Meinen Sie nicht, daß das in bezug auf die Verwaltungskapazität ein Mißverhältnis ist?
Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hubrig, vielleicht muß ich doch noch ein bißchen präzisieren, was ich in meiner ersten Antwort ausgeführt habe. Gerade das von Ihnen angeführte Beispiel zeigt, daß eine rein quantitative Relation von Förderungsvolumen oder Zahl der Zuwendungsempfänger zum Personal irreführend ist. Das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" weist die größten Steigerungsraten auf. Es handelt sich dabei um eine Vielzahl von Projekten, die sehr sorgfältig betreut werden müssen, um Fehlschläge zu vermeiden und eine wirklich effiziente und zielgerichtete Verwendung der Mittel zu gewährleisten. Die Arbeit an diesem Programm und an seiner Implementierung ist ein ganz wesentliches Element gerade in diesem Bereich. Deswegen bestand dort ein Personalbedarf, der der Natur der Sache nach größer ist als in anderen bereits fest eingespielten Förderungsbereichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hoffie.
Herr Staatssekretär, wie hat sich innerhalb der vorhin genannten Finanzkategorien in den zurückliegenden Jahren das Verhältnis der staatlichen Forschungsförderung gegenüber der Großindustrie einerseits und den kleineren und mittleren Unternehmen andererseits entwickelt, und welche Haltung nimmt das Haus, auch für die vorhersehbare Zukunft, in dieser Frage grundsätzlich ein?
Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hoffie, es ist so, daß der Anteil der Großunternehmen an den Projektfördermitteln des Bundesministeriums für Forschung und Technologie in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist und daß wir ein sehr starkes Wachstum bei den Projekten zu
verzeichnen haben, die wir im Bereich der mittleren und kleineren Unternehmungen durchführen. Das war beabsichtigt und ist auch ein fester Grundsatz der Forschungs- und Technologiepolitik der neuen Bundesregierung. Das war der Grund, warum der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vor diesem Hohen Hause darauf hingewiesen hat, daß die Bundesregierung beabsichtigte, ein in sich geschlossenes Förderungsprogramm im Bereich Forschung und Technologie für mittlere und kleinere Unternehmungen zu erarbeiten und dann dem Parlament vorzulegen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, können Sie Ausführungen über das Ergebnis der Erfolgskontrollen machen? Finden diese kontinuierlich statt? Oder in welchen Abständen?
Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ey, bei der Erfolgskontrolle verbietet sich jedes schematische Vorgehen. Großprojekte müssen ganz anders überprüft werden als Einzelprojekte; der Erfolg einer projektorientierten Förderungspolitik muß ganz anders kontrolliert werden als etwa der Erfolg institutioneller Förderung im Bereich der Großforschung. Aber insgesamt gesehen, haben wir hier ein System entwickelt, das wir auch dem zuständigen Fachausschuß vorgelegt und dort mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestages diskutiert haben.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zunächst die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Miltner. Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann die Frage 6 des Abgeordneten Milz. Auch hier hat der Fragesteller um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Friedmann auf:
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Mehraufwendungen, die Eigentümern und Bauherren von Gebäuden und Wohnungen in Lärmschutzbereichen in der Umgebung von Flugplätzen durch das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm und die dazu ergangenen Verordnungen entstehen und die zum Beispiel in Schutzzone 2 für ein Einfamilienhaus 30 000 bis 50 000 DM zu Lasten des Eigentümers oder Bauherrn ausmachen, gemäß dem Verursacherprinzip in vollem Umfang vom Betreiber des Flughafens zu übernehmen sind und insbesondere auch Schutzzone 2 in eine Entschädigungsregelung Eingang finden sollte, und wird sie gegebenenfalls eine entsprechende Initiative ergreifen?
Zur Beantwortung hat der Parlamentarische Staatssekretär Baum das Wort.
Herr Kollege Dr. Friedmann, nach dem Fluglärmgesetz dürfen zum Schutz der Bevölkerungsgruppen im gesamten Lärmschutzbereich, also in der Schutzzone 1 und in der Schutzzone 2, grundsätzlich Wohnungen nicht errichtet werden. Von diesem Verbot macht das Gesetz für die äußere
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434 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Parl. Staatssekretär BaumZone, also die von Ihnen gemeinte Schutzzone 2, eine Ausnahme, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß bei der Errichtung von vornherein bauliche Schallschutzmaßnahmen vorgesehen werden. Die Kosten, die durch die Inanspruchnahme dieser Vergünstigung entstehen, trägt selbstverständlich der Bauherr. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, diese Regelung zu ändern.Zu den in der Frage genannten Beträgen möchte ich feststellen, daß sie meines Erachtens zu hoch gegriffen sind, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedmann.
Herr Staatssekretär, die militärischen Flugplätze dienen der westlichen Verteidigung. Sie kommen damit der Allgemeinheit zugute. Hält es die Bundesregierung für richtig, dennoch nur eine Minderheit, nämlich die Anwohner der Flugplätze, mit diesen Kosten zu belasten?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es geht hier um einen Interessenkonflikt zwischen den Anforderungen des Umweltschutzes und der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sowohl im Bereich der Militärflughäfen als auch im Bereich der Zivilflughäfen. Die Bundesregierung hatte seinerzeit dem Parlament einen Entwurf für ein Fluglärmgesetz vorgelegt. Das Parlament hat die von mir soeben vorgetragene Meinung geteilt, daß in den Bereichen, die durch den Lärm besonders belastet sind, im Interesse des Umweltschutzes keine Bauten errichtet werden dürfen, es sei denn, der Eigentümer entschließt sich, eine Umweltschutzmaßnahme zu treffen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedmann.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, wenigstens die größten Härten des Fluglärmgesetzes und der entsprechenden Verordnungen dadurch zu mildern, daß die Schutzzonengrenzen praktikabler gezogen werden, indem z. B. geschlossene Ortschaften einheitlich behandelt werden?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gern bereit, diesen Punkt nachzuprüfen. Aber die Berechnungen, die ja für jeden Flughafen angestellt werden, beruhen auf sehr präzisen Messungen. Ich habe bisher keinen Anlaß gesehen, diese Berechnungen zu bezweifeln.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Conradi auf:
Trifft die Darstellung eines Leserbriefs in der Stuttgarter Zeitung zu, nach der der zu zehn Jahren Gefängnis verurteilte chilenische Student Raul Ulloa Lagunas die Erlaubnis der chilenischen Behörden hat, sein Land zu verlassen, jedoch immer noch im Gefängnis in Temuco sitzt, weil das Bundesinnenministerium seit Mai 1976 ein Einreisevisum verweigert, obwohl die Stadt Erlangen bereit wäre, den Chilenen aufzunehmen?
Bitte.
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, die Deutsche Botschaft in Santiago hat am 30. April 1976 den chilenischen Staatsangehörigen Ulloa Lagunas im Rahmen der humanitären Hilfsaktion als Aufnahmebewerber angemeldet. Die Aufnahme durch die Bundesrepublik Deutschland ist nach einer Vereinbarung der Innenministerkonferenz von einer Sicherheitsüberprüfung abhängig, in der letztlich eine Abwägung zwischen sicherheitsrelevanten Erkenntnissen und humanitären Erwägungen stattfindet. Diese Sicherheitsüberprüfung hat sich leider im letzten Jahr auf Grund von Umständen, auf die die Bundesregierung keinen Einfluß hatte, verzögert. Inzwischen ist eine Änderung dieses unbefriedigenden Zustandes erreicht worden, so daß damit gerechnet werden kann, Herr Kollege, daß auch das von Ihnen angesprochene Verfahren in Kürze abgeschlossen werden kann.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, liegen die von Ihnen genannten widrigen Umstände darin, daß die Bundesregierung Unterlagen für die Beurteilung des Sicherheitsrisikos bei der Aufnahme eines Asylsuchenden von der dort herrschenden Regierung anfordert und diese dort herrschende Regierung die Herausgabe solcher Unterlagen an die Bundesregierung und damit die Aufnahme des Asylsuchenden hinauszögert?
Baum, Parl. Staatssekretär: Nein.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Können Sie dem Hause sagen, worin diese widrigen Umstände dann begründet liegen? Liegen sie in der Arbeitsweise des Auswärtigen Amts oder anderer deutscher Behörden begründet?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe mich bewußt so ausgedrückt, wie Sie es eben gehört haben. Ich habe Ihre Zusatzfrage mit einem klaren Nein beantwortet, weil eine Informationsbeschaffung auf diese Weise wohl nicht angängig wäre.
Aber es gibt andere Wege, die beschritten werden und die in diesem Fall zu Verzögerungen geführt haben. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß diese Sicherheitsüberprüfungen auf der Basis einer Übereinkunft zwischen dem Bund und den Ländern erfolgen. Wir halten uns strikt daran. Wir sind nicht allein Herr des Verfahrens, sondern die Länder sind diejenigen, die über die Aufnahmekontigente entscheiden.
Wir kommen zu den Fragen 9 und 10 des Abgeordneten Meinike . Der Fragesteller bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 435
Vizepräsident StücklenIch komme damit zur Frage 11 des Abgeordneten Schäfer . — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Ich bitte, die Frage schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:Teilt die Bundesregierung die von Regierungsdirektor SchmidtSinns in der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" „Aus Politik und Zeitgeschehen" vorgetragene These, daß „das Lernziel ,Gesamtdeutsches Bewußtsein" entweder „als leere Lippenbekenntnisse" oder „als Unaufrichtigkeiten, . was ein IrredentaKlima erzeugen würde" einzuordnen ist, und wie läßt sich diese These mit dem Wiedervereinigungsgebot aus dem Grundgesetz und dessen Erneuerung im Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 31. Juli 1973 vereinbaren?Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hupka, die Bundesregierung teilt nicht die von Regierungsdirektor Schmidt-Sinns in der von Ihnen zitierten Abhandlung genannte These. Sie hat wiederholt betont, daß sie sich ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung bewußt ist, in ihrer Politik auf die Erreichung der Wiederherstellung der staatlichen Einheit hinzuwirken und alles zu unterlassen, was dieses Ziel vereiteln würde.An diese Verpflichtung hält sich auch die dem Bundesminister des Innern nachgeordnete Bundeszentrale für politische Bildung. Herr Schmidt-Sinns hat seine Meinung und nicht die Meinung der Bundeszentrale für politische Bildung dargestellt. In jeder Ausgabe der Beilage zum „Parlament" findet sich auf Seite 2 folgender Hinweis:Die Veröffentlichungen in der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte" stellen keine Meinungsäußerung des Herausgebers dar. Sie dienen lediglich der Unterrichtung und Urteilsbildung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für dienlich für die Urteilsbildung der Leser dieser Beilage, wenn hier in einer ganz eigenartigen Weise gegen unser Verfassungsverständnis ein Lehr- und ein Lernziel dargestellt wird?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich halte es eigentlich immer für nützlich, wenn Zweifel, die jemand empfindet, auch öffentlich dargestellt werden. Der Artikel selbst ist im Grunde im Rahmen unserer Verfassung konzipiert. Hier stellt jemand Fragen, zweifelnde Fragen, und jedermann hat die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen, wie wir das jetzt hier beispielsweise tun. Ich sehe keine Möglichkeit und auch keine Notwendigkeit, zensierend einzugreifen.
Vizepräsident Stücklen: Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir darin zustimmen, daß ein großer Unterschied darin besteht, hier von einer „Zensur" zu sprechen — davon habe ich auch gar nicht gesprochen —, und das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland entsprechend ihrem Wiedervereinigungsgebot dargestellt zu sehen?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, auch ein Beamter ist frei, seine Meinung im Rahmen der Verfassung zu äußern und diese zu publizieren. Der Beamte hat hier davon Gebrauch gemacht. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja, bitte.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß es im Sinne des Grundvertragsurteils und seines Wortlauts verfassungsmäßige Pflicht aller Organe des Bundes und der Länder ist, das nationale Gemeinschaftsbewußtsein zu pflegen? Sind Sie nicht auch der Meinung, daß auch die Beamten an diese Pflicht auch im Sinne des Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes gebunden sind, selbst dann, wenn sie sich nicht im Auftrag äußern?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe für die Bundesregierung hier klar Position bezogen. Was die einzelnen Beamten angeht, hat sich das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit seinem Beschluß über die Extremistenfrage klar geäußert und den Spielraum aufgezeigt, den ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes hat. Hier in diesem Fall ist dieser Spielraum nicht überschritten worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung auf die Herausgeber der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" dahin einwirken, daß auch andere Auffassungen zu diesem Thema dort in ähnlich ausführlicher Weise zu Wort kommen?
Baum, Parl. Staatssekretär: Es besteht überhaupt keine Schwierigkeit, Herr Kollege, daß andere Meinungen zu Wort kommen. Sie werden, wenn Sie die Publikation laufend verfolgen, sehen, daß Meinungen aller Art dargestellt werden. Es bedarf keines Einwirkens auf die Herausgeber der Bundeszentrale, daß dies auch weiter so geschieht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer .
— Entschuldigen Sie, Sie sind tatsächlich der Abgeordnete Kühthal aus Braunschweig.
Sie haben das Wort.
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436 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Herr Staatssekretär, gibt es bei der Einstellung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst neuerdings ein Einstellungskriterium „Nationales Gemeinschaftsbewußtsein", und wie sollte das im einzelnen Fall nachgewiesen werden?
Baum, Parl. Staatssekretär: Ein Einstellungskriterium dieser Art gibt es natürlich nicht, Herr Kollege, da haben Sie völlig recht. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, hat das Verfassungsgericht klar und deutlich gesagt.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Trifft es zu, daß das SED-Regime den gewaltsamen Widerstand gegen den Bau von Kernkraftwerken durch Zurverfügungstellung erheblicher Summen und durch Entsendung von geschulten Störgruppen schürt, und was hat — bejahendenfalls — die Bundesregierung gegen derartige widerrechtliche Einmischungsversuche unternommen?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Vorsitzender, ich würde gern, wenn der Fragesteller damit einverstanden ist, beide Fragen zusammen beantworten.
Herr Abgeordneter Niegel, sind Sie einverstanden? — Gut.
Ich rufe also auch die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Trifft es zu, daß der Bundesregierung seit Anfang Januar Erkenntnisse über das Treiben des SED-Regimes vorliegen, und warum hat — bejahendenfalls — die Bundesregierung dies der Offentlichkeit bisher verschwiegen?
Baum, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung, Herr Kollege Niegel, hat zu dem in der Anfrage genannten Komplex nachrichtendienstliche Hinweise. Ich bitte indes um Ihr Verständnis dafür, daß sie Zeitpunkt und Inhalt derartiger Mitteilungen aus grundsätzlichen Erwägungen in der Offentlichkeit nicht erörtern kann. Die zuständigen deutschen Behörden sind zur Zeit bemüht, den Wirklichkeitsgehalt dieser nachrichtendienstlichen Informationen zu überprüfen. Sollten diese Hinweise im Bundesgebiet durch konkretes Beweismaterial erhärtet werden können, wird die Bundesregierung das Parlament in geeigneter Form unterrichten.
Eine Zusatzfrage.
Treffen dann folglich die Meldungen in den Presseorganen „Frankfurter Allgemeine Zeitung" und „Der Spiegel" zu, daß die östliche Seite die Demonstrationen bei uns mit Geld unterstützt bzw. auch ausgebildete Störtrupps zu solchen Demonstrationen hier bei uns hinschickt?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben jetzt Ihre Frage praktisch wiederholt, und ich müßte meine Antwort jetzt in genau der Weise geben, wie ich sie soeben vorgelesen habe. Ich möchte mich auf diesen Hinweis beschränken.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Welche Vorkehrungen trifft die Bundesregierung, daß bei möglichen Demonstrationen nicht wiederum solche Störtrupps, mit östlichen Geldern finanziert, auftreten?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie versuchen wieder, zu unterstellen, daß ich eine bestimmte Antwort gegeben hätte. Das habe ich nicht getan. — Im übrigen wird die Bundesregierung selbstverständlich weiterhin alle Vorkehrungen treffen, um gewaltsame Maßnahmen — wo immer sie auch vorkommen mögen — zu verhindern.
Eine dritte Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, veranlassen die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse, von denen Sie sprachen, Sie nicht dazu, zumindest die Landesregierung von Schleswig-Holstein und auch unsere Fraktionsspitze
über solche Möglichkeiten zu informieren?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat bisher keine Veranlassung gesehen, eine besondere Information in die Wege zu leiten. Ich habe Ihnen soeben ausgeführt, wann dies notwendig werden könnte.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts der Brisanz des Themas Kernenergieerzeugung nicht für dringend geboten, daß der Offentlichkeit zur Versachlichung der Diskussion auch Hintergründe möglicher Unruhen, insbesondere der von Herrn Niegel genannten Art, unverzüglich bekannt gemacht werden?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung wird keinerlei Informationen zurückhalten. Aber ich verweise auf die Antwort, die ich gegeben habe. Im Moment kann sie keine weiteren Hinweise geben als die, die ich gegeben habe. Das bedeutet nicht, daß sie in irgendeiner Weise etwas verdecken will oder Hinweise zurückhalten wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.
Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Abschluß ihrer Überprüfungen, und wann glaubt die Bundesregierung das Parlament benachrichtigen zu können?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es liegt in der Art der Materie, daß ich Ihnen leider keinen festen Zeitpunkt nennen kann.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 437
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die Äußerung des Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission der DDR, des Ministers Gerhard Schürer, der angekündigt hat, daß Ost-Berlin solche Situationen bei uns ausnützen und mit Geld sowie mit Störtrupps unterstützen werde, ernstgenommen und auch entsprechend gegengearbeitet?
Baum, Parl. Staatssekretär: Was die Bundesregierung unternommen hat, Herr Kollege, habe ich Ihnen dargelegt.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Wie viele Betriebsgruppen der DKP und der SDAJ und wie viele Betriebszeitungen dieser beiden Organisationen gibt es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung derzeit in der Bundesrepublik Deutschland, und wie viele Betriebsräte in deutschen Betrieben gehören der DKP bzw. der SDAJ an?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, nach den der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnissen hatten Ende 1976 die Deutsche Kommunistische Partei zirka 300 Betriebsgruppen und zirka 400 Betriebszeitungen und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend — SDAJ — 6 Betriebsgruppen und zirka 130 Betriebszeitungen. Absolute Zahlen der Mandate in Betriebsräten für DKP und SDAJ können nicht genannt werden. An der Gesamtzahl von zirka 200 000 Betriebsratsmandaten haben die DKP und ihre Nebenorganisationen im Durchschnitt einen sehr geringen Anteil — noch unter einem halben Prozent —, wie Hochrechnungen auf Grund von repräsentativen Erhebungen ergeben haben. Je nach Art, Beschäftigtenzahl und Standort des Betriebes liegt der Anteil der Kommunisten an den Betriebsratsmandaten aber auch höher.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung diese Angaben — insbesondere was den Umfang des Eindringens dieser Organisationen in die gewählten Selbstvertretungsorgane der Arbeitnehmer betrifft — in ihrem nächsten Verfassungsschutzbericht noch präzisieren?
Baum, Parl. Staatssekretär: Ja. Herr Kollege, die Bundesregierung wird sich bemühen, in ihrem Verfassungsschutzbericht neueste Zahlen mitzuteilen. Ich kann Ihnen aber schon heute sagen, daß nach den bisherigen Erkenntnissen eine steigende Tendenz nicht erkennbar ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rühtal.
Mein Name ist Kühbacher! —Herr Staatssekretär, würden Sie in der letzten Fragestellung eine Aufforderung dazu sehen — —
Einen Moment, Herr Abgeordneter. Es liegt nicht im Interesse des amtierenden Präsidenten, den Abgeordneten nicht mit seinem vollen richtigen Namen zu nennen. Wenn mir aber von der Fraktionsgeschäftsführung — so war es für mich nur lesbar — „Rühtal" mitgeteilt wird, so ist der Präsident einfach nicht in der Lage, dies zu tun. Sollte es aber „Kuhtal" heißen, dann bin ich gern bereit, dies zu korrigieren. Herr Abgeordneter Kuhtal, Sie werden jetzt endgültig mit dem richtigen Namen genannt.
Herr Präsident, mein Name ist Kühbacher — wie der Ort Kühbach im Bayerischen Wald, nur mit „er" am Ende. Ich komme aber aus Niedersachsen.
Herr Staatssekretär, könnten Sie die vorhergehende Frage des Abgeordneten Jäger dahin gehend auslegen, daß es sinnvoll sei, wenn die Bundesregierung bei der nächsten Umfrage alle Betriebsräte über ihre Parteizugehörigkeit befragt?
Baum, Parl. Staatssekretär: Nein, das halte ich nicht für sinnvoll, Herr Kollege. Wir sehen im übrigen anerkennenswerte Bestrebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Mitgliedsorganisationen, auf diesem Felde aktiv tätig zu werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Wird die Bundesregierung bei der Überprüfung der bisherigen Erlasse an die Finanzverwaltung auf ihre Übereinstimmung mit der neuen Abgabenordnung sicherstellen, daß das im Erlaß an die Oberfinanzpräsidenten vom 2. August 1949 der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets III S. 1171 23/49 festgelegte Bankgeheimnis nicht zuungunsten der Sparer eingeschränkt wird?
Die Antwort gibt Herr Parlamentarischer Staatssekretär Offergeld.
Herr Kollege, der sogenannte Bankenerlaß wird zur Zeit — wie alle übrigen Verwaltungsanweisungen zum Abgabenrecht — auf seine Vereinbarkeit mit der neuen Abgabenordnung überprüft. Diese Überprüfung, die an der verfassungsmäßigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht ausgerichtet ist, ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung wird sich bemühen, eine allen Interessen gerecht werdende Lösung zu finden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß sich dieser Erlaß, was den Umfang der Auskunftspflicht der Sparkassen und Banken angeht, an den Freibeträgen orientieren wird, die für Zinserträge aus Sparvermögen in den Steuergesetzen festgelegt worden sind, und können Sie etwa der Größenordnung nach die Sparvermögen beschreiben, deren Zinserträge dann der Auskunftspflicht nicht unterliegen?
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438 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das kann ich nicht. Die Prüfung und das Ergebnis der Prüfung werden sich einerseits am Interesse des Staates am Steueraufkommen, zum anderen aber auch selbstverständlich am besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Bankkunden zu orientieren haben. Die von Ihnen erbetene Zahl habe ich nicht präsent; ich kann Ihnen aber selbstverständlich den Betrag der Höhe der Sparbeträge, die auf den Banken der Bundesrepublik liegen, nachreichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung darauf Bedacht nehmen, bei dieser Verwaltungsanweisung, soweit das geht, sicherzustellen, daß sich nicht Inhaber großer Sparvermögen der Steuerpflicht bezüglich der Zinserträge dadurch entziehen können, daß sie auf Nummernkonten ins Ausland abwandern, während die Inhaber kleinerer und mittlerer Sparvermögen der Steuerpflicht hinsichtlich ihrer Zinserträge unterliegen?
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Dr. Emmerlich, soweit das möglich ist. Aber ich kann mir im Augenblick kaum eine Regelung vorstellen, die die Auskunftspflichten der Kreditinstitute unterschiedlich regelt, je nachdem um welche Beträge es sich handelt. Das ist wohl kaum denkbar, zumal dann auch die Möglichkeit bestünde, ein größeres Guthaben in verschiedene kleine aufzuteilen. Das ist mir praktisch kaum vorstellbar.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter von der Heydt, bitte schön.
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe vorher gesagt, daß die Bundesregierung derzeit gemeinsam mit den Bundesländern — das ist eine Aufgabe, die gemeinsam mit den Bundesländern zu regeln ist — alle Erlasse auf ihre Vereinbarkeit mit der neuen Abgabeordnung überprüft, die wir hier einstimmig, soweit ich mich erinnere, verabschiedet haben. Dies ist eine selbstverständliche Aufgabe. Über das Ergebnis dieser Überprüfung kann ich Ihnen im Augenblick noch nichts sagen. Ich habe vorher meiner Antwort hinzugefügt, daß wir selbstverständlich das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Kreditinstitut und seinem Kunden dabei im Auge zu halten haben.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß die Nichtbekanntgabe eines Termins für das Inkrafttreten der Ausdehnung des § 7 b EStG auf Altbauten sowie des entsprechenden Wegfalls der Grunderwerbsteuer den Grundstücksmarkt lähmt, ja sogar in diesem Bereich zum Erliegen bringt, und wird die
Bundesregierung nunmehr rasch den Termin des Inkrafttretens bekanntgeben?
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Häfele, die Ankündigung des Bundeskanzlers, die Abschreibungsvergünstigung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes auf Altbauten auszudehnen und den Erwerb von der Grunderwerbsteuer freizustellen, ist in der Offentlichkeit sehr positiv aufgenommen worden. An entsprechenden Gesetzentwürfen wird mit Nachdruck gearbeitet. Die Fachbeamten haben schon die ersten Gespräche mit den Bundesländern und den anderen Bundesressorts geführt. Die Bundesregieruung strebt an, die Neuregelung rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres wirksam werden zu lassen.
Über den von der Bundesregierung vorzuschlagenden Inhalt der Neuregelung im einzelnen wird die Öffentlichkeit so rasch wie möglich unterrichtet werden. Letztlich hängt die Entscheidung über den Gesetzentwurf insgesamt und die Möglichkeit, ihn rückwirkend in Kraft zu setzen, von den gesetzgebenden Körperschaften ab. Ich meine, entscheidend ist daher für Kaufinteressenten und für Anbieter am Grundstücksmarkt nicht die Absichtserklärung der Bundesregierung, sondern eine möglichst schnelle Verabschiedung und Verkündung dieser Gesetzesänderung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Häfele.
Kann die Offentlichkeit nach Ihren Worten davon ausgehen, daß bei Verabschiedung dieses Gesetzes der 1. Januar der Stichtag sein wird?
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Ja, wenn sich das Parlament hierauf verständigt; die Bundesregierung hielte das durchaus für sachgerecht. Aber, Herr Dr. Häfele, ich meine, diese Aussage allein entlastet nicht den Grundstücksmarkt, weil natürlich jeder vernünftige Notar seinen Kunden darauf aufmerksam machen wird: Festhalten kann er sich erst an der Regelung, die im Gesetzblatt steht.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Häfele.
Wird die Bundesregierung, da dieser Gesetzentwurf in diesem Haus echte Chancen hat, nunmehr diese Vorlage sehr rasch einbringen, damit draußen Klarheit besteht und der Grundstücksmarkt nicht länger gehemmt ist?
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Häfele, wir arbeiten mit allem Nachdruck an der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 439
Vizepräsident StücklenKann es zur Vermeidung von Härten nach Auffassung der Bundesregierung für die Gewährung des am 1. Januar 1977 eingeführten Ausbildungsfreibetrags nach § 52 Abs. 22 des Einkommensteuergesetzes nicht genügen, wenn die Voraussetzung der Vollendung des 18. Lebensjahrs nicht während des ganzen Kalenderjahrs, sondern nur während eines Teils des Kalenderjahrs vorliegt, und wenn nein, ist die Bundesregierung bereit, eine ähnliche Regelung vorzusehen wie z. B. beim Ehegattensplitting, bei dem lediglich darauf abgestellt wird, daß die Voraussetzungen während des Kalenderjahrs eintreten?Offergeld, Parl. Staatssekretär: Nach § 33 a Abs. 2 Ziffer 1 des Einkommensteuergesetzes können die Ausbildungsfreibeträge von 2 400 DM und 4 200 DM nur gewährt werden, wenn das Kind zu Beginn des Veranlagungszeitraums das 18. Lebensjahr vollendet hat. Diese auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses eingeführte Regelung ist der Vorschrift über die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von über 18 Jahre alten Kindern nachgebildet. Sie dient außerdem der Vereinfachung des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kann im Verwaltungswege — das klingt ja in Ihrer Frage durch — nicht bestimmt werden, die Freibeträge schon dann in voller Höhe zuzubilligen, wenn das Kind erst im Laufe des Veranlagungszeitraums 18 Jahre alt wird.Auch eine Gesetzesänderung dahin gehend, daß es für die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages genügt, wenn das Kind zu irgendeinem Zeitpunkt im Veranlagungszeitraum das 18. Lebensjahr vollendet, kann die Bundesregierung nicht befürworten. Eine solche Regelung läge außerhalb der Systematik der übrigen Vorschriften des § 33 a des Einkommensteuergesetzes über die Berücksichtigung von außergewöhnlicher Belastung in besonderen Fällen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Häfele.
Könnte es nicht sein, Herr Staatssekretär, daß diese Terminierung damals in der Hektik der Beratungen der sogenannten Steuerreform nicht genau bedacht wurde? Es war ja eine Formulierungshilfe der Bundesregierung.
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Ich weiß natürlich nicht, Herr Dr. Häfele, was alle Beteiligten im Vermittlungsausschuß seinerzeit gedacht, bedacht und berücksichtigt haben. Tatsache ist jedenfalls, daß diese Regelung der Systematik des Einkommensteuerrechts entspricht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Häfele.
Könnte nicht das Vorbild des Ehegattensplittings dazu dienen, hier eine ähnliche Regelung zu erzielen?
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Ich meine, nein. Denn der § 33 a des Einkommensteuergesetzes ist insoweit in der Systematik — auch bei anderen Freibeträgen — am Stichtagsprinzip orientiert. Zu Beginn des Veranlagungszeitraums müssen die Voraussetzungen vorliegen.
Was allenfalls denkbar wäre, Herr Dr. Häfele, ist eine zeitanteilige Gewährung des Freibetrages. Diese Frage werden wir prüfen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 19 des Abgeordneten Peiter auf:Trifft es zu, daß die Finanzämter — wie vom Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft behauptet — ausstehende Steuern im Umfang von 23 Milliarden DM vor sich herschieben, und was will die Bundesregierung gegebenenfalls tun, um den Abbau dieses Rückstandes zu ermöglichen?Ist der Abgeordnete Peiter im Saal? — Herr Abgeordneter Peiter, ich habe Ihnen zu Beginn der Plenarsitzung die Glückwünsche des Hauses zu Ihrem 60. Geburtstag ausgesprochen, den Sie am 22. Januar gefeiert haben. Diese Glückwünsche wurden mit Beifall aufgenommen. Ich möchte das wiederholen.
Zur Beantwortung der Frage Herr Parlamentarischer Staatssekretär Offergeld.Offergeld, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peiter, ich muß jetzt ein bißchen ausführlich auf diese Frage antworten.Die These vom „unrealisierten Steuerberg", wie es heißt, in Höhe von rund 23 Milliarden DM erweckt ja zunächst den Eindruck, als ob dieser Betrag kurzfristig zum Haushaltsausgleich von den für die Steuererhebung zuständigen Finanzbehörden des Bundes und der Länder realisiert werden könnte. Dies ist aber nicht der Fall.Die Steuerrückstände in Höhe von 9,9 Milliarden DM lassen sich nicht kurzfristig einziehen. Auf Stundung und Aussetzung der Vollziehung haben die Steuerpflichtigen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen gesetzlichen Anspruch. Die auf diese Beträge entfallenden 4 Milliarden DM können also ohne Gesetzesänderung nicht retalisiert werden.Die verbleibenden echten Rückstände — also Beträge, die nicht gestundet sind oder deren Vollziehung nicht ausgesetzt ist — könnten nur dann eingezogen werden, wenn ihre Einziehung ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Steuerschuldners erfolgen könnte. Dies kann aber auch — wir haben dafür viele konkrete Beispiele — zu einer Gefährdung von Arbeitsplätzen und von Betrieben führen, zumindestens in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation.Im übrigen sind sich aber die Finanzminister des Bundes und der Länder darüber einig, daß ein weiteres Anwachsen der Steuerrückstände durch personelle Verstärkung der Vollstreckungsstellen vermieden und ein Rückgang der echten Rückstände angestrebt werden müssen.Die zuständigen Finanzminister der Länder werden die Betriebsprüfung weiter ausbauen. Der von dem Vorsitzenden der Steuergewerkschaft genannte Steuerausfall wegen nicht durchgeführter Betriebsprüfungen in Höhe von 2 Milliarden DM kann ebenso wie der dazu errechnete Zinsverlust kurzfristig nicht realisiert werden. Die zeitlichen Verzögerungen bei Abschlußzahlungen werden sich durch die Automation des Festsetzungs- und Erhebungsver-
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440 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Pari. Staatssekretär Offergeldfahrens weiter verringern. Eine Verzinsung, über die bei der Reform der Abgabenordnung ausführlich beraten wurde, ist kurzfristig aus technischen Gründen — wir haben auch darüber im Hause diskutiert — nicht einzuführen.Die Zahlen über die Steuerhinterziehung mit Steuerausfällen von 1,5 Milliarden DM und über die Schwarzarbeit mit Steuerausfällen von 1,8 Milliarden DM beruhen auf nicht belegbaren Schätzungen. Die Strafsachenstatistik für 1975 weist 222 Millionen verkürzte Besitz- und Verkehrsteuern und 30 Millionen verkürzte Zölle und Verbrauchsteuer aus. Wie hoch die darüber hinausgehende Dunkelziffer ist, kann niemand exakt feststellen. Sicher ist nur, daß in der Bundesrepublik die Betriebsprüfung und die Steuerfahndung im Vergleich zu anderen Staaten besonders erfolgreich arbeiten.Ich fasse zusammen: Die genannte Zahl von 23 Milliarden DM kann also nicht kurzfristig für den Haushalt verfügbar gemacht werden. Dies wäre selbst bei einer außergewöhnlichen Personalvermehrung bei den Finanzämtern nicht möglich. Es ist aber zu erwarten, daß infolge der Rationalisierung des Besteuerungsverfahrens und durch den weiteren Ausbau des Einsatzes von Datenverarbeitungsanlagen in absehbarer Zeit günstigere Ergebnisse als bisher erzielt werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peiter.
Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn ich davon ausgehe, daß der Löwenanteil dieser Außenstände auf die Einkommensteuer entfällt und der Lohnsteuerpflichtige jeweils pünktlich zum Ersten seine Steuern bezahlt, mit mir darin einig, daß hier der Gedanke der Steuergerechtigkeit etwas stark strapaziert wird?
Offergeld, Parl. Staatssekretär: Sicherlich ist hier auch der Gedanke der Steuergerechtigkeit mit zu berücksichtigen. Deswegen habe ich gesagt, daß sich die Finanzminister bemühen werden, die echten Rückstände in der Zukunft geringer zu halten, als sie gegenwärtig sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 20 des Abgeordneten Dr. Kreile auf. Der Fragesteller bittet um schriftliche Beantwortung; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Leicht auf. Der Fragesteller bittet ebenfalls um schriftliche Beantwortung; die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und die Frage 23 des Abgeordneten Dr. Hornhues auf:
Ist es zutreffend, daß die Arbeitsplätze in der deutschen Schirmindustrie zunehmend stärker durch Billigimporte vornehmlich aus dem fernöstlichen Raum gefährdet werden, und welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls aus dieser Entwicklung zu ziehen?
Die Antwort gibt der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner.
Herr Kollege, die Produktion der deutschen Schirmindustrie, die zur Zeit ca. 3 500 Arbeitnehmer beschäftigt, hat sich im Zeitraum von 1972 bis einschließlich 1975 nach erheblicher Reduzierung in den vorangegangenen Jahren in etwa auf dem gleichen Niveau gehalten. Allerdings gab es im Jahre 1976 auf Grund eines witterungsbedingten Verbrauchsrückgangs einen erheblichen Produktionseinbruch. In den ersten neun Monaten des Jahres 1976 war die Produktion gegenüber dem Vergleichszeitraum 1975 um 47,9 % rückläufig. Demgegenüber gingen die Importe nur um 26,2 % zurück, so daß der bereits sehr hohe Anteil der Importe an der Marktversorgung weiter anstieg. Hauptlieferländer sind Taiwan mit 57 % und Hongkong mit 22 % der Gesamteinfuhren.
Schirme unterliegen nicht dem Welttextilabkommen, so daß gezielte mengenmäßige Beschränkungen gegenüber den Hauptlieferländern nicht in Betracht kommen. Die Schirmindustrie ist jedoch auf europäischer Ebene an die EG-Kommission herangetreten, um die Möglichkeiten für gemeinschaftliche Maßnahmen — wie etwa die Einführung einer gemeinschaftlichen Überwachung — zu erörtern. Die Bundesregierung wird jeden Vorschlag der EG-Kommission sorgfältig prüfen und dabei sowohl die generellen handelspolitischen Erfordernisse als auch die Situation und die Beschäftigungslage der betroffenen Sparte berücksichtigen.
Ich rufe die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Reuschenbach auf. Ist der Herr Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet, und die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe Frage 26 des Abgeordneten Schmöle auf:Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Ruhrkohle AG, Dr. Bund, daß durch die Probleme beim Bau der Atomkraftwerke bis 1985 eine Bedarfslücke von 10 000 MW Strom entstehen wird und daß diese Lücke durch Kohlestrom geschlossen werden kann, wenn jetzt die Entscheidungen über den Neubau von Steinkohlekraftwerken fallen, und wenn ja, welche Konsequenzen wird sie ziehen?Grüner, Parl. Staatssekretär: Es trifft zu, daß sich der Ausbau der Kernenergie auf Grund geringerer Stromverbrauchszuwachsraten, aber auch wegen Schwierigkeiten bei der Durchführung der Genehmigungsverfahren in einem langsameren Rhythmus vollziehen wird, als ursprünglich angenommen wurde.Die Bundesregierung prüft gegenwärtig in Zusammenarbeit mit wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, mit der Elektrizitätswirtschaft und mit den übrigen betroffenen Bereichen der Wirtschaft, welche Auswirkungen weitere Verzögerungen auf den Bedarf an Kraftwerkskapazität und an Primärenergie haben würden. Da die Überlegungen noch nicht abgeschlossen sind, ist derzeit noch keine konkrete Aussage darüber möglich, welche Deckungslücke unter welchen Prämissen entstehen würde.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 441
Parl. Staatssekretär GrünerWas im übrigen den Bau zusätzlicher Kohlekraftwerkskapazität betrifft, so darf auch hier nicht übersehen werden, daß selbst die Errichtung modernster Kohlekraftwerke mit Rauchgasentschwefelung aus Umweltgründen angefochten wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmöle.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Forschungsergebnisse bekannt oder laufen Versuche, welche diese Umweltschäden vermeidbar machen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Diese Versuche sind im Gange. Ich betone aber, daß die heute bekannten modernsten Verfahren der Rauchgasentschwefelung trotzdem noch Umweltbelastungen mit sich bringen, die zu den geschilderten Schwierigkeiten führen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Ageordneter Schmöle.
Herr Staatssekretär, sieht sich denn die Bundesregierung noch in Übereinstimmung mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung, welche der Auffassung ist, daß die erwartete Atomstromlücke mit der Erweiterung von Steinkohlekraftwerken ausgeglichen werden kann?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wird in der Fortschreibung ihres Energieprogramms nach gründlicher Untersuchung der gegebenen Möglichkeiten dazu Stellung nehmen. Die Möglichkeit, etwa generell Kohlekraft an die Stelle von Kernkraft zu setzen, sieht die Bundesregierung im Augenblick nicht.
Ich rufe Frage 27 des Abgeordneten Ey auf:
Hat die Bundesregierung untersuchen lassen, in welchem Umfang der Elektrizitätsverbrauch durch die Gestaltung der Tarife beeinflußt wird, und welche politischen Folgerungen hat sie hieraus gezogen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat 1976 vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel eine „Untersuchung der kurz- und langfristigen Elastizitäten der Energienachfrage in bezug auf die Energiepreise in der Bundesrepublik Deutschland" erstellen lassen. Um jedoch detailliertere Kenntnisse über die spezifische Preiselastizität im Strombereich zu erlangen, ist beabsichtigt, in einer weiteren Studie den Einfluß der Tarifgestaltung auf die Stromnachfrage unter besonderer Berücksichtigung der Abnahmestruktur und der Stromverwendungsarten untersuchen zu lassen.
Schon jetzt ist allerdings erkennbar, daß die Preiselastizität der Stromnachfrage in der Regel relativ gering ist. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes der Stromverbrauch z. B. in einem Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Einkommen nur einen Anteil von rund 2 % an den
gesamten Verbrauchsausgaben hat. Der Spielraum der Tarifpolitik ist somit unter Energieeinsparungsgesichtspunkten schon von daher beschränkt. In viel stärkerem Maße hängt die Stromnachfrage von Faktoren wie z. B. der Preisgestaltung der Haushaltsgeräte und damit von Kaufentscheidungen ab.
Ich rufe Frage 28 des Abgeordneten Ey auf:
Gedenkt insbesondere die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, daß die Tarifgestaltung für den Elektrizitätsverbrauch in Haushalten wegführt von der Kombination Grundbetrag plus Verbrauch an Kilowattstunden zu einer mehr an dem wirklichen Verbrauch der Haushalte orientierten Preisgestaltung, um damit auch einen wirksameren Anreiz zum Einsparen von Strom zu schaffen?
Grüner, Pari. Staatssekretär: Das Abgehen vom bisherigen System der Grundpreistarife im Haushaltsbereich zugunsten eines ausschließlich verbrauchsabhängigen Mengentarifs würde die Grundlagen für eine möglichst kostenorientierte Strompreisbildung beseitigen. Eine Preisdifferenzierung, welche die einzelnen Abnehmergruppen unter Berücksichtigung der von ihnen tatsächlich verursachten Kosten belastet, wäre dann nicht mehr möglich. So würde z. B. ein Abnehmer mit geringem Verbrauch nicht in ausreichendem Maße zu den Kosten herangezogen, die mit der für ihn erforderlichen Leistungsbereitstellung verbunden sind. Abnehmer mit höherem Verbrauch würden solche mit geringerem Verbrauch subventionieren. Dies würde dem Ziel einer gerechten Tarifgestaltung zuwiderlaufen. Die Bundesregierung wird jedoch unter Energiespargesichtspunkten prüfen, welche anderen tarifrechtlichen oder administrativen Möglichkeiten geeignet sind, das Verhältnis von Grund- und Arbeitspreisen so zu gestalten, daß die verbrauchsabhängige Komponente verstärkt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Äußerung entnehmen, daß — insbesondere nach Ihrer letzten Auslassung — die Begünstigung von Mehrverbrauch im Laufe der Zeit abgebaut werden soll und somit eine Nivellierung der Energiekosten pro Einheit angestrebt wird?Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich möchte so weit im Augenblick nicht gehen, Herr Kollege, sondern darauf hinweisen, daß wir uns bemühen werden, für eine solche Entscheidung tragfähige Informationen zu haben, d. h., uns ein klareres Bild darüber zu verschaffen, was eine Änderung im Bereich der Tarife tatsächlich bewirken würde, und darauf dann die Entscheidungen aufzubauen, die wir in diesem Bereich treffen wollen. Es besteht selbstverständlich eine Grundtendenz, wenn sich das auf Grund der Informationen ermöglichen läßt, die verbrauchsabhängige Komponente zu verstärken. Wie gesagt, Voraussetzung ist aber, daß wir Klarheit haben, ob das wirklich auf dem im Augenblick diskutierten Wege erreichbar ist.
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442 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Eine weitere Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, wie hoch wird der prozentuale Zuleitungskostenanteil an der Energieeinheit veranschlagt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist sehr abhängig von der Höhe des Verbrauchs. Er ist natürlich um so höher, je geringer der Verbrauch ist, so daß ich hier nicht in der Lage bin, eine generelle Aussage zu machen. Ich werde gerne nachprüfen lassen, ob sich das etwa für bestimmte typische Haushaltsbereiche ziffernmäßig erfassen läßt, und werde Ihnen darüber dann eine schriftliche Information zukommen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung den kürzlich von einer bestimmten Stelle gemachten Vorschlag, auf eine Verstaatlichung der Leitungsnetze hinzuarbeiten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung liegen lediglich Pressemeldungen vor, von denen sie annimmt, daß sie nicht den Absichten entsprechen, die in diesen Pressebemerkungen zum Ausdruck kommen. Wir sehen jedenfalls, wenn ich einmal unterstelle, daß solche Äußerungen gemacht worden sind, in einer derartigen Maßnahme keine Möglichkeit, etwa den Energieverbrauch generell wirksamer im Sinne der Verbraucher zu gestalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ahrens.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Bundestarifordnung Elektrizität mit dem Ziel zu überprüfen, zu kostenechteren Tarifen, insbesondere im Haushaltsbereich, zu kommen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist die Absicht der Bundesregierung. Ich darf aber noch einmal darauf hinweisen, daß uns für das Ziel, das uns hier vorschwebt, noch einige Grundlagen fehlen, die wir zur Zeit erarbeiten.
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Walther auf:
Trifft es zu, daß — wie von der Interessengemeinschaft Nordhessischer Ziegelwerke behauptet — die Existenzgrundlage Nordhessischer Ziegelwerke und damit deren Arbeitsplätze dadurch in Frage gestellt wird, daß durch Billigimporte aus der DDR die Auftragslage dieser Betriebe entscheidend geschwächt wird, und sieht die Bundesregierung gegebenenfalls Möglichkeiten, eine solche Entwicklung zu verhindern?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Bezug von Ziegeleierzeugnissen im innerdeutschen Handel ist allgemein genehmigt. In der Zeit von Januar bis November 1976 wurden zwar Ziegeleierzeugnisse in
Höhe von 940 000 DM bezogen; allerdings weist die Statistik nicht aus, in welchen Bundesländern die Ziegeleierzeugnisse verwendet worden sind.
Wenn nach Ansicht der Interessengemeinschaft Nordhessischer Ziegelwerke „Waren zu solchen Preisen und solchen Mengen aus den Währungsgebieten der DM-Ost bezogen werden, daß sie eine erhebliche Schädigung für die Erzeuger gleichartiger oder zum gleichen Zweck verwendbarer Waren verursacht haben oder zu verursachen drohen" — so der Wortlaut des geltenden Prüfungserlasses —, kann sie die Einleitung eines Preisprüfungsverfahrens beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft beantragen.
Sollte als Ergebnis dieser Prüfung ein Schaden festgestellt werden, können sachdienliche Maßnahmen getroffen werden, wie z. B. Erhebung von Vorstellungen gegenüber den Behörden in der DDR, Wiedereinführung der Einzelgenehmigungspflicht und Ablehnung von Bezugsanträgen mit zu niedrigen Preisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walther.
Herr Staatssekretär, mir liegen Preisvergleiche vor. Ich frage deshalb, ob Sie mit mir der Meinung sind, daß Preise, die etwa bei 50 % der Preise der Ziegelindustrie beispielsweise in Hessen liegen, die Voraussetzung für ein solches von Ihnen hier angedeutetes Verfahren erfüllen.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin nicht in der Lage, zu dem Beispiel Stellung zu nehmen, das Sie vorgetragen haben, weil es mir unbekannt ist. Ich bin aber sicher, daß die betroffene Industrie über das Verfahren, das ich hier geschildert habe, orientiert ist und daß sie die notwendigen Schritte einleiten wird, wenn sie der Meinung ist, daß die geschilderten Voraussetzungen vorliegen. Wir haben immer wieder auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht, so daß ich annehme, daß die betroffene Industrie von den gegebenen Möglichkeiten auch Gebrauch machen wird.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Frage 30 des Abgeordneten Josten:
Wieweit sind die Bemühungen in den einzelnen EG-Ländern gediehen, ein Gesetz zum Schutz der europäischen Vogelarten auszuarbeiten?
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Gallus.
Herr Kollege Josten, die EG-Kommission hat dem Rat Ende Dezember 1976 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Erhaltung der Vogelarten vorgelegt. Der Entwurf dieses Vorschlages wurde bereits in mehreren Sitzungen mit Regierungssach-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 443
Parl. Staatssekretär Gallusverständigen der Mitgliedstaaten beraten und konnte erheblich verbessert werden. Der Vorschlag der Kommission soll ab Anfang März von einer Arbeitsgruppe des Rates behandelt werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, so erfreulich Ihre Mitteilung ist, möchte ich Sie doch fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß Fachleute in den einzelnen EG-Staaten auf die Gefahr einer Ausrottung von mehr als 70 Vogelarten in Europa hingewiesen haben und daher eine schnelle gesetzliche Regelung dringend notwendig ist.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist, wie Sie sehen, sehr daran interessiert, daß so schnell wie möglich eine Entscheidung herbeigeführt wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Josten auf:
Welchen Beitrag leistet die Bundesregierung, um die Ausrottung vieler Vogelarten zu verhindern?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Josten, die Bundesregierung fördert auf nationaler und internationaler Ebene alle Maßnahmen zum Schutz wildlebender Vogelarten.
1. Zur Zeit wird eine Verordnung über besonders geschützte Arten wildwachsender Pflanzen und wildlebender Tiere, die sogenannte Bundesartenschutzverordnung, gemäß § 22 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 20. Dezember 1976 beraten, durch die alle gefährdeten heimischen Vogelarten bundesweit einem besonderen Artenschutz unterstellt werden.
2. Vorbereitet wird ferner eine Import- und Exportverordnung gemäß § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes, durch die der grenzüberschreitende Handel insbesondere mit wildlebenden Vogelarten einer Kontrolle unterworfen werden soll.
3. Die Bundesrepublik ist als erster EG-Staat dem Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, dem sogenannten Washingtoner Artenschutzübereinkommen, beigetreten, und wendet dieses Übereinkommen seit dem 20. Juni 1976 an. Das Übereinkommen sieht u. a. eine strenge Kontrolle des Handels mit weltweit gefährdeten Vogelarten vor.
4. Die Bundesregierung bereitet seit 1974 gemeinsam mit der Internationalen Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen den Entwurf eines Übereinkommens über die Erhaltung der ziehenden/wandernden Arten in der freilebenden Tierwelt vor. Das Übereinkommen ist in besonderer Weise dem Schutz gefährdeter Zugvogel gewidmet und soll 1978 auf einer internationalen Konferenz in der Bundesrepublik unterzeichnet werden. Im
Juli 1976 hat auf Einladung der Bundesregierung
zur Vorbereitung dieser Abschlußkonferenz ein internationales Expertentreffen in Bonn stattgefunden.
5. Schließlich beteiligt sich die Bundesregierung an den Arbeiten des Europarats für eine umfassende europäische Naturschutzkonvention, wie sie von der zweiten Umweltministerkonferenz im März 1976 in Brüssel gefordert worden ist.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in Verbindung mit den Ländern die Bemühungen des Deutschen Tierschutzbundes und vieler Tierfreunde in unserem Land um Aufklärung zu unterstützen, damit die Gefahren für unsere Vogelwelt auch bei uns mehr erkannt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Sehr wohl, Herr Kollege Josten. Es ist so, daß die jetzt in Vorbereitung befindliche Bundesartenschutzverordnung zur Zeit im Entwurf mit den Ländern beraten wird. In dem Zusammenhang werden auch die Länder von seiten der Bundesregierung über alle Vorhaben informiert. Wir hoffen, daß im Rahmen dieser Bemühungen auch die Länder von sich aus an der entsprechenden Aufklärung der Bevölkerung mitarbeiten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, ausgehend von der allgemeinen Erkenntnis, daß besonders gefährdete Vogelarten nicht über den Weg von Verordnungen und Weisungen zu erhalten sind, frage ich: Welche realen Förderungspläne hat die Bundesregierung, die das Ziel haben, den Untergang dieser Arten zu verhindern?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ey, die Bundesregierung weiß, daß der Schutz des Lebensraums der von Ausrottung bedrohten Vogelarten, der sogenannte Biotopschutz, sehr notwendig ist. Dies aber kann von Bundesseite aus nicht geregelt werden. Solche Schutzmaßnahmen sind ausschließlich Angelegenheit der Länder. Der Bund ist aber bemüht, durch Arbeiten der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie und Erarbeitung von Empfehlungen zum Biotopschutz gemeinsam mit den Ländern auch hier Hilfestellung zu leisten.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dreyer auf:Trifft es zu, daß die Anträge auf Gewährung von Rodeprämien für Obstbäume von den zuständigen Behörden nicht oder nicht in angemessener Zeit bearbeitet werden, und wenn ja, worauf ist dies zurückzuführen, und wann werden nach Ansicht der Bundesregierung die beantragten Prämien an die Antragsteller ausgezahlt?
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444 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreyer, es trifft zu, daß die für die Durchführung der Maßnahme zuständigen Länder bisher keine Genehmigung zur Rodung erteilt haben.Nach Auffassung der Bundesregierung ist die EG-Rodungsaktion im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" zu finanzieren, weil es sich um eine strukturell wirksame Maßnahme handelt. Die Bundesregierung hat wiederholt die Bereitschaft erklärt, sich an den Kosten der Rodung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe in Höhe von 60 % zu beteiligen. Nach mit den Ländern abgestimmten Grundsätzen zur Gewährung einer Rodungsprämie wurde von den Ländern das Antragsverfahren fristgerecht durchgeführt. Eine Auszahlung der Rodungsprämie konnte aber noch nicht erfolgen, weil einzelne Länder die Obstbaumrodung nicht als Gemeinschaftsaufgabe anerkennen und noch keine endgültige Entscheidung über den von ihnen aufzubringenden Finanzierungsanteil getroffen haben. Die Bundesregierung hofft, daß in der nächsten Sitzung des Planungsausschusses die Länder der Durchführung der EG-Rodungsaktion im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zustimmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dreyer.
Herr Staatssekretär, da Sie nur hoffen, daß in der nächsten Sitzung die Bundesländer zustimmen, darf ich Sie fragen: Sieht denn die Bundesregierung keine Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen und diesen Streit nicht auf dem Rücken der Betroffenen auszutragen? Ich hoffe, die Bundesregierung ist mit der Praxis so weit verbunden, um zu wissen, daß jetzt die Zeit ist, diese Rodungsaktion der Obstbäume durchzuziehen.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung erkennt das Problem sehr wohl. Sie wissen aber genauso wie wir, daß die Bundesrepublik ein föderativ aufgebauter Staat ist.
Einerseits wollen sich die Länder z. B. im Zusammenhang mit Finanzhilfen nach Art. 104 a des Grundgesetzes nicht dreinreden lassen. Andererseits muß der Bund Wert darauf legen, daß die Länder die sich daraus ergebenden Finanzlasten auch tragen. Wir werden unsere Bemühungen, die Länder zu einer positiven Stellungnahme zu bewegen, weiter verstärken. Ich glaube, wir haben schon ein wenig Erfolg erzielt, indem in der jüngsten Sitzung der Amtschefs der Länder in Berlin einige Länder bereits zu erkennen gaben, daß sie der Durchführung der EG-Rodungsaktion im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zustimmen könnten, wenn damit kein Präjudiz für die Finanzierung weiterer EG-Maßnahmen verbunden ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dreyer.
Herr Staatssekretär, auf Grund Ihrer Antwort ist mir eine grundsätzliche Frage gekommen, nämlich: Darf denn die Bundesregierung in Brüssel Zusagen machen, die im Grunde genommen auch auf dem Rücken der Bundesländer ausgetragen werden? Das scheint offensichtlich der Streitpunkt zu sein.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist gegenteiliger Meinung. Nach ihrer Auffassung sind die Rodungsprämie und die. Rodung als solche ein Teil der Gemeinschaftsaufgabe. Nach dem Gesetz über diese Gemeinschaftsaufgabe erfolgt die Finanzierung zu 60 % vom Bund und zu 40 % von den Ländern. Wir halten diesen Streit für müßig.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer .
Herr Staatssekretär, wollen Sie den Herrn Kollegen Dreyer darauf aufmerksam machen, ,daß der Art. 24 des Grundgesetzes dem Bund das Recht gibt, durch einfaches Gesetz Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf die EG zu übertragen, und daß es, wenn die EG dann Richtlinien erläßt, Angelegenheit der innerdeutschen Regelung ist, wer die Ausführungsbestimmungen macht, und daß der, der die Verwaltungszuständigkeit hat, nach unserer Verfassungsordnung die Lasten zu tragen hat?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schäfer, der Herr Kollege Dreyer hat gehört, wie Sie die Tatsache kommentiert haben.
Bei solchen Fragen, Zwischenfragen und Zusatzfragen, genügt es völlig, wenn der Angesprochene mithört; eine Antwort der Regierung ist nicht mehr zu erwarten.
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dreyer auf:Hält die Bundesregierung es gegebenenfalls mit den Regeln der Reditsstaatlichkeit für vereinbar, daß bei den betroffenen Bürgern berechtigte Hoffnungen geweckt wurden, daß sie eine Obstbaumrodeprämie binnen kurzer Zeit nach Ende der Antragstellungsfrist erhalten und sie nunmehr die Prämie entweder gar nicht oder nur mit großer Verzögerung bewilligt und ausgezahlt bekommen?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreyer, die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die Antragsteller auf Grund der Verordnung Nr. 794/76 des Rates einen Rechtsanspruch besitzen, soweit sie ordnungsgemäß einen Antrag gestellt haben und die in den Grundsätzen zur Gewährung
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Februar 1977 445
Parl. Staatssekretär Galluseiner Rodungsprämie angeführten Bedingungen erfüllen. Sofern die Länder noch rechtzeitig die Voraussetzungen für die gemeinsame Finanzierung schaffen, ist davon auszugehen, daß die Bundesmittel unverzüglich zur Verfügung stehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sund.
Herr Staatssekretär, ist damit zu rechnen, daß nach Abwicklung der Gewährung von Rodeprämien auch Wiederaufpflanzungsprämien gewährt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich verfüge nicht über den Sachverstand der EG-Kommission, um diese Frage mit Ja oder Nein beantworten zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dreyer.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, den Kollegen Sund auf die Richtlinien zu verweisen, die zur Durchführung der Rodeaktion
herausgegeben worden sind? Dann würde sich nämlich die Frage des Kollegen Sund erübrigen.
Meine Damen und Herren, es kann natürlich nicht zur Übung werden, daß man Abgeordneten der anderen Seite in Form einer Frage seine Meinung mitteilt. Dafür gibt es andere Kommunikationsmöglichkeiten, z. B. den kurzen Gang hinüber zur SPD oder umgekehrt von der SPD zur CDU/CSU. Sie werden daher Verständnis dafür haben, daß ich diese Zusatzfrage nicht zulasse.
Wir kämen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zu diesem Geschäftsbereich haben wir jedoch so viele Fragen vorliegen, daß der Vertreter des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung ohnedies auch in der nächsten Fragestunde erscheinen müßte. Ich bitte Sie daher um Ihr Einverständnis, daß wir die Fragestunde um zwei Minuten verkürzen. — Ich höre keinen Widerspruch. Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Donnerstag, den 3. Februar 1977, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.