Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes — Drucksache 7/2205 —, der in der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages an den Rechtsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Innenausschuß überwiesen worden ist, auch dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und nach § 96 der Geschäftsordnung überwiesen worden. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Mai 1976 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 nicht gestellt:
Gesetz zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung
Neunzehntes Gesetz über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976
Gesetz zur Änderung des Entwidckungshelfer-Gesetzes
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 4. Dezember 1965 zur Errichtung der Asiatischen Entwicklungsbank
Gesetz zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
Gesetz über die Personalstruktur des Bundesgrenzschutzes
Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat ferner eine Stellungnahme beschlossen, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.
In seiner Sitzung am 14. Mai 1976 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich der nachstehenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:
Drittes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes
Berufsbildungsgesetz
Seine Schreiben werden als Drucksachen 7/5194, 7/5195, 7/5196 und 7/5197 verteilt.
In seiner Sitzung ein 14. Mai 1976 hat der Bundesrat beschlossen, zu der Fünfunddreißigsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung — Drucksache 7/4994 — Stellung zu nehmen. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/5202 verteilt.
Dem Berufsbildungsgesetz hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung nicht zugestimmt. Sein Beschluß mit Begründung ist als Drucksache 7/5197 verteilt.
Wir kommen zum einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache 7/5188 —
Ich rufe zunächst die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf:
Trifft es zu, daß ein Generalstaatsanwalt des Landes Baden-Württemberg das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen als obsolet und seine Anwendung für unzulässig erklärt hat, und wenn ja, wird die Bundesregierung diese Erklärung zum Anlaß nehmen, festzustellen, ob das genannte Bundesgesetz im Land Baden-Württemberg dem geltenden Recht gemäß ausgeführt wird?
Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung. — Bitte.
Nach meiner Kenntnis hat kein Generalstaatsanwalt, also auch kein Generalstaatsanwalt in Baden-Württemberg, bisher das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen für obsolet gehalten. Im Zusammenhang mit den Anträgen nach § 15 des Rechtshilfegesetzes, wonach ein in der DDR Verurteilter hier die Erklärung der Unzulässigkeit der Vollstreckung aus dem DDR-Urteil beantragen kann, vertrat allerdings ein baden-württembergischer Generalstaatsanwalt im Jahre 1973 zunächst die Ansicht, diese Anträge seien mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Nachdem festgestellt worden war, daß kein anderer Generalstaatsanwalt diese Rechtsansicht teilt, alle anderen Generalstaatsanwälte vielmehr das Rechtsschutzinteresse für Anträge nach § 15 des genannten Gesetzes bejahen, hat der betreffende Generalstaatsanwalt nicht länger an seiner Ansicht festgehalten. Die Fortgeltung des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen ist unter den Gerichten, Generalstaatsanwälten und Justizverwaltungen unumstritten.Es besteht deshalb kein Anlaß für die Bundesregierung, tätig zu werden.
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17250 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976
Zusatz-
frage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung das Gesetz als einen wichtigen Bestandteil der deutschlandpolitischen Grundauffassung der Bundesrepublik ansieht, weil es mit Gesetzeskraft zum Ausdruck bringt, daß für uns die Entscheidungen der Gerichte der DDR Entscheidungen deutscher und nicht ausländischer Gerichte sind?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich darf Ihnen antworten, daß mit der angesprochenen Vorschrift die strikte Anwendung des Rechtsstaatsgrundsatzes nach dem Grundgesetz sichergestellt ist und daß im übrigen das Rechtshilfegesetz den Meinungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht, dem sich die Bundesregierung selbstverständlich voll anschließt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Glotz zur Verfügung.
Die Frage 2 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Enders eingebracht:
Mit welchem Erfolg wurden die für den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses zur Verfügung gestellten Bundesmittel eingesetzt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Enders, Förderungsmaßnahmen für den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses fallen, wie Sie wissen, in die Zuständigkeit der Länder. Angesichts der Probleme, die daraus entstehen, daß eine Minderung von Beschäftigungsrisiken für Jugendliche schwierig ist, und die in vielen Fällen auch durch das Fehlen eines Hauptschulabschlusses bedingt sind, begrüßt die Bundesregierung alle Maßnahmen der Bundesländer, die in diesem Bereich getroffen werden.
Im Hinblick auf die besondere Bedeutung dieser Frage für die Bildungsplanung fördert das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft Modellversuche zur Entwicklung und Erprobung vor allem übertragbarer Lehrpläne und Arbeitsmaterialien, die kurzfristig und langfristig den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses ermöglichen. Darunter fallen auch Vorhaben im schulischen Bereich, in der Berufsausbildung und in der Weiterbildung. Im Schulbereich werden Modellversuche gefördert, die es erlauben, an Sonderschulen durch den Besuch eines 10. Schuljahrs den Hauptschulabschluß zu erreichen. Erste übertragbare Ergebnisse werden 1976, weitere dann im Jahr 1977 zu erwarten sein.
Das Nachholen des Hauptschulabschlusses ist zugleich ein Ziel in einigen der rund 40 von uns geförderten Modellversuche zum Berufsgrundbildungsjahr. Über den Erfolg und die Kosten können gegenwärtig noch keine genauen Angaben gemacht werden, da eine Auswertung dieser Versuche nach dem Beschluß der zuständigen Bund-Länder-Rommission jetzt erst anläuft. Im Bereich der Weiterbildung fördert unser Ministerium einen Modellversuch des Deutschen Volkshochschulverbands, der die Entwicklung und Erprobung von sogenannten Kompaktkursen, also Vollzeitkursen von relativ kurzer Dauer zur Vorbereitung von Erwerbslosen auf die externe Prüfung zum Nachholen des Hauptschulabschlusses, zur Aufgabe hat. Elf Modellkurse sind bereits in verschiedenen 1975 von Erwerbslosigkeit besonders betroffenen Städten und Kreisen angelaufen. Ergebnisse werden etwa bis 1976 erwartet. Die entwickelten Lehrpläne und Arbeitsmaterialien werden dann allen Einrichtungen der Weiterbildung zur Verfügung stehen. Sie dürften auch jenseits der besonderen Problematik Erwerbsloser von fachlicher und methodischer Bedeutung für die Weiterbildung sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie groß ist die Zahl der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß in unserem Lande und zu welchem Prozentsatz führen Fortbildungsmöglichkeiten zum Nachholen des Hauptschulabschlusses? Liegen darüber Zahlen vor?
Dr. Glotz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Zahlen liegen sicher vor. Sie wissen, daß das etwa 17 % der Schulentlassenen sind. Die absoluten Zahlen kann ich Ihnen jetzt nicht sagen; ich will sie Ihnen aber gern schriftlich mitteilen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie einen Weg, die Schulen darauf hinzuweisen, daß es günstig wäre, dort in größerem Maße als bisher den Hauptschulabschluß zu vermitteln, damit dies später nicht mit immensen Mitteln nachgeholt werden muß?Dr. Glotz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Enders, ich glaube, daß dies nur durch eine entsprechende Schulpolitik erreicht werden kann, die sich gerade auf die Hauptschule richtet und dafür sorgt, daß die Hauptschule nicht zu einer Restschule herabsinkt. Nur wenn wir eine solche Politik betreiben, was auch stärkere Finanzmittel gerade für die Ausstattung von Hauptschulen bedeutet, können wir irgendeine Gewähr haben, daß sich die Qualifikationsschere nicht weiter öffnet, die es zur Zeit gibt, nämlich daß wir immer mehr höhere Abschlüsse, wie das Abitur, produzieren, daß wir aber die Zahl der jungen Leute, die nicht einmal zu einem qualifizierten Hauptschulabschluß kommen, nicht verringern können. Diese Qualifikationsschere ist sehr schlimm. Ich glaube, nicht durch gutes Zureden bei den Lehrern und in den Schulen ist dies zu verän-
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Parl. Staatssekretär Dr. Glotzdern, sondern nur durch eine staatliche Politik — in diesem Fall der Länder zugunsten der Hauptschulen und damit zugunsten der 75 % junger Leute, die nach wie vor diesen Bildungsweg durchlaufen.
Herr Abgeordneter Nordlohne zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, müßte nicht in diesen gesamten Aspekt, den Sie angesprochen haben, auch das Problem der Zunahme der Sonderschüler mit einbezogen werden?
Dr. Glotz, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich gehört auch der Bereich der Sonderschule mit hinein. Ich stimme Ihnen da voll zu. Wir haben das Problem, daß sich in den letzten Jahren sozusagen die Begriffe etwas erweitert haben und daß die Zahl derer, die heute in Sonderschulen geschickt werden, auch auf Grund der Tatsache zunimmt, daß man beispielsweise gegenüber Lernschwäche sensibler geworden ist, als dies früher der Fall war. Aber selbstverständlich gehört die besondere Sorge um den Bereich der Sonderschule genauso in die Politik, die ich gerade im Hinblick auf die Hauptschulen angedeutet habe.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Wie steht die Bundesregierung zu Meldungen aus Ärztekreisen über eine angeblich in einigen Jahren drohende Überfüllung des Arztberufs?
Können beide Fragen gemeinsam beantwortet werden? —
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Welche Gründe stehen einer bevorzugten Zulassung solche Bewerber zum Medizinstudium entgegen, die sich für eine spätere Tätigkeit in ärztlich unterversorgten Gebieten verpflichten?
Dr. Glotz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ahrens, zur ersten Frage. Der Bundesregierung sind Hinweise aus Kreisen der Ärzteschaft auf Überfüllung des Arztberufes bekannt. Es trifft zu, daß die Zahl der Ärzte in der Bundesrepublik in den letzten Jahren gestiegen und daß auch in den kommenden Jahren auf Grund der Zulassungszahlen an den Fakultäten mit einem weiteren Ansteigen zu rechnen ist. Anhaltspunkte dafür, daß mit einer Überfüllung des Arztberufes gerechnet werden müßte, liegen allerdings nicht vor. Im übrigen läßt sich die künftige Entwicklung in diesem Bereich nur schwer absehen, da die Nachfrage nach ärztlichen Leistungen auch von der medizinischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung abhängt.
Damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage. In § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Hochschulrahmengesetzes ist eine Sonderquote an Studienplätzen für solche Bewerber vorgesehen, die sich auf Grund besonderer Vorschriften verpflichtet haben oder verpflichten würden, ihren späteren Beruf in Bereichen des öffentlichen Bedarfs auszuüben. Diese Rahmenregelung muß nun durch Rechtsverordnungen ausgefüllt werden, für deren Erlaß zunächst die Länder zuständig sind. Dabei könnte auch eine Sonderquote für Studienbewerber vorgesehen werden, die sich für eine mehrjährige Tätigkeit als Arzt in unterversorgten Gebieten verpflichten. Hierauf weist die Begründung zum Regierungsentwurf des Hochschulrahmengesetzes ausdrücklich hin. Die Einführung einer derartigen Landarztsonderquote wird allerdings innerhalb der Bundesregierung noch diskutiert. Es gibt hier auch Gegenargumente, die sich insbesondere auf die Hoffnung stützen, daß auf Grund der steigenden Zahlen der Studienanfänger in der Medizin das Problem der Unterversorgung auch ohne eine solche Sonderquote gelöst werden könnte.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dann liegen also den zitierten Warnungen vor dem Studium der Medizin verläßliche Bedarfsrechnungen, die auch die fachspezifische Differenzierung zwischen den angehenden Medizinern berücksichtigen, offenbar nicht zugrunde?
Dr. Glotz, Parl. Staatssekretär: Jedenfalls keine Bedarfsrechnungen, die es der Bundesregierung nahelegen könnten, zu sagen: Wir werden demnächst sozusagen vor einer Überfüllung des Arztberufes stehen. Wir haben am 31. Dezember 1974 — dies entnehme ich meinen Unterlagen, Herr Kollege Ahrens — in der Bundesrepublik über eine Arztdichte von einem Arzt auf 541 Einwohner verfügt. Anzeichen dafür, daß wir schon in Kürze eine Arztdichte von einem Arzt auf etwa 350 Einwohner erreichen, wie sie von Fachleuten für notwendig gehalten wird, gibt es zur Zeit wirklich noch nicht. Das heißt: diese Schlüsse, die Sie in Ihrer Frage angedeutet haben, sind unseres Erachtens zur Zeit nicht zu ziehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, solchen allzu pauschalen Warnungen, die offenbar nicht der Sorge um eine angemessene ärztliche Versorgung der Bevölkerung entspringen, mit begründeten Angaben zu begegnen, falls solche Warnungen wiederholt werden sollten?Dr. Glotz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ahrens, das würde dann notwendig werden. Die Bundesregierung hat in all ihren Verlautbarungen etwa zur Auslastung der Universitäten und gerade auch der medizinischen Fakultäten immer klar den Standpunkt vertreten, daß ein Studium der Medizin nach wie vor sinnvoll ist. Sie werden nie auch nur andeutungsweise gespürt haben, daß die Bundesregierung einer Auffassung in der Richtung vertritt, wir brauchten keine zusätzlichen Ärzte mehr. Ich kann mir also durchaus vorstellen, daß die Bundesregierung dann, wenn weitere öffentliche Äuße-
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Parl. Staatssekretär Dr. Glotzrungen solcher Art gemacht werden, diesen ihren Standpunkt noch einmal deutlich macht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wird die Bundesregierung gegebenenfalls bei den Landesregierungen vorstellig werden, um eine Sonderquote für Studienbewerber, die in ärztlich unterversorgten Gebieten tätig werden wollen, durchzusetzen?
Dr. Glotz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ahrens, ich habe versucht, dies in meiner zweiten Antwort zu sagen. Die Diskussion hierüber ist auch innerhalb der Bundesregierung noch im Gange. Es wird durchaus auch die Auffassung vertreten, dieses Problem erledige sich durch die steigende Zahl der Ärzte. Darüber, daß die Zahl der Ärzte steigt, besteht gar kein Zweifel. Selbstverständlich wird aber auch die andere Auffassung vertreten, daß wir das Problem „Landarzt" ohne eine solche Sonderquote nicht lösen können. Sie wissen, daß es darüber auch innerhalb der Ärzteschaft Diskussionen gibt, wobei die Frage „Dirigismus, ja oder nein?" im Vordergrund steht. Diese Diskussionen sind nicht endgültig abgeschlossen. Ich möchte zu diesem Zeitpunkt hier auch keine endgültige Auffassung der Bundesregierung vortragen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, stehen den zu erwartenden höheren ärztlichen Zulassungsziffern seit Beginn der Rezession deutlich sinkende Krankmeldungsziffern gegenüber bzw. wie beurteilt die Bundesregierung die Situation?
Herr Kollege Ey, ich bedaure, daß ich bei dieser Frage den in den Richtlinien für die Fragestunde geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit den beiden Ausgangsfragen nicht sehen kann.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Dr. Haack zur Verfügung. Die Frage 99 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Jahn eingebracht:
Welche Tatsachen rechtfertigen die Aussage des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau anläßlich der dritten Lesung der Novelle zum Bundesbaugesetz am 11. März 1976 im Deutschen Bundestag, daß dies die Legislaturperiode sei, „in der in der Bundesrepublik am meisten Eigenheime gebaut wurden"?
Bitte.
In der amtlichen Bautätigkeitsstatistik wird 1974 und 1975 mit einem Anteil der genehmigten Ein-und Zweifamilienhäuser von 42,3 bzw. 47,7 % an den genehmigten Wohnungen insgesamt und 1975 mit einem Anteil der fertiggestellten Erstwohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern von 38,8 % an den bezugsfertig erstellten Wohnungen insgesamt die bisher höchste Eigentumsquote im Bundesgebiet nachgewiesen. In den sechs Jahren vor 1974 — nur für diesen Zeitraum liegen uns Zahlen vor — lag die Eigentumsquote bei den Baugenehmigungen dagegen nie über 33,3 %. Soweit jetzt schon überschaubar, ist 1976 sowohl bei den Baufertigstellungen als auch bei den Baugenehmigungen mit einer ähnlichen Eigentumsquote wie 1975 zu rechnen. Im übrigen wurde 1973 mit 209 700 Eigenheimen auch absolut das höchste Fertigstellungsergebnis seit 1949 im Eigenheimbau erzielt.
Im übrigen, Herr Kollege Jahn, wird das Ausmaß der Eigentumsbildung in den letzten Jahren erst dann deutlich, wenn auch die Eigentumswohnungen mit in die Betrachtung einbezogen werden. Unter Einschluß der Eigentumswohnungen, die vor 1970 nur in geringem Umfang gebaut wurden, ergibt sich ab 1972 eine bis dahin noch nicht erreichte Eigentumsquote. Sie stieg von 47,8 % im Jahre 1972 auf 59,9 °/o im Jahre 1975. Dasselbe gilt auch für die absoluten Zahlen der Fertigstellungen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, auf Grund Ihrer Ausführungen habe ich die Frage: Hält die Bundesregierung die zitierten Ausführungen von Minister Ravens, die auf Eigenheime bezogen waren, für zutreffend oder für unzutreffend?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Ich halte sie in der Sache für zutreffend. Ich räume Ihnen allerdings ein, daß der Begriff „Eigenheime" vielleicht etwas verkürzt ist. Ich darf Sie aber darauf hinweisen, daß Herr Minister Ravens diese Äußerung auf eine Zwischenfrage während seiner Rede zur dritten Lesung des Bundesbaugesetzes gemacht hat. Mit dieser Äußerung sollte der weitere Rahmen der Eigentumsförderung gemeint sein, wie ich ihn hier gerade im Zusammenhang dargestellt habe.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zuzugestehen, daß bereits während der 4. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages, also in den Jahren 1962 bis 1965, mehr als 1 Million Wohnungen in Familienheimen neu geschaffen wurden? Wird diese Zahl in der laufenden Legislaturperiode erreicht werden oder nicht?Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Wir haben nie bestritten, daß auch in den 50er und 60er Jahren Eigenheime gebaut worden sind und daß hier von
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Parl. Staatssekretär Dr. Haackder damaligen Bundesregierung eine konsequente Eigentumsförderung betrieben wurde. Wir wenden uns nur gegen die unterschwellige Polemik, die Eigentumsbildung würde nicht konsequent fortgesetzt. Die Zahlen, die ich hier vorgetragen habe, beweisen nach meiner Auffassung deutlich, daß die Eigentumspolitik von der Bundesregierung konsequent betrieben wird.
Ich rufe die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Teilt die Bundesregierung die Befürchtungen des beim Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau berufenen Arbeitkreises „Sozialer Wohnungsbau" über die künftige Entwicklung des Wohnungsbaus, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Bundesregierung?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schneider, der Arbeitskreis, den Sie in Ihrer Frage erwähnen, ist bei seinen Überlegungen zur weiteren bau- und wohnungswirtschaftlichen Entwicklung davon ausgegangen, daß es angesichts der unübersichtlichen Wohnungsmarktlage zur Zeit kaum möglich ist, kurzfristig zu verwirklichende Vorschläge bau- und wohnungswirtschaftlicher Art zu unterbreiten. Er hat sich daher im wesentlichen darauf beschränkt, die gegenwärtige Lage an Hand der verfügbaren Unterlagen zu analysieren. Danach ist die weitere Entwicklung namentlich im Bereich des Mietwohnungsbaus problematisch, wogegen für den Eigenheimbau eine relativ konstante Entwicklung unterstellt werden kann. Beim Mietwohnungsbau bestehe Unsicherheit in der Einschätzung des noch vorhandenen Bedarfs und der zahlungskräftigen Nachfrage. Die Bedeutung der Einkommenserwartungen und der Zinsentwicklung für die Wohnungswirtschaft werde zunehmen.
Diese Lagebeurteilung deckt sich weitgehend mit entsprechenden Äußerungen der Bundesregierung.
Zur Befürchtung des Arbeitskreises, ab 1977 könnten sich nach Abbau der Halden Angebotslücken bei Mietwohnungen zeigen, ist auf die nicht zu unterschätzende Wirkung des Investitionszuschusses auf den Bau von Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau hinzuweisen. Im übrigen wird die weitere Entwicklung sorgfältig zu beobachten sein. Dabei bleibt auch zu hoffen, daß die private Investitionstätigkeit sich besser entwickelt, als der Arbeitskreis befürchtet.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie noch bereit, zu behaupten, es bahne sich eine konstante Entwicklung im Eigenheimbau an, wenn wir bedenken, daß die Bundesregierung ab 1978 für das zweite Programm keine Mark mehr in der mittelfristigen Finanzplanung vorsieht, wo doch das zweite Programm im wesentlichen Träger des Eigenheimbaus in den letzten Jahren gewesen ist?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Es kann keinen Zweifel geben, Herr Kollege Schneider, daß das
Regionalprogramm, das Sie hier erwähnen, einen wesentlichen Beitrag für diese günstige Entwicklung im Eigenheimbau in den letzten Jahren geleistet hat. Die Entscheidung, daß dieses Programm ausläuft, wurde schon vor einigen Jahren getroffen. Sie wissen ganz genau, daß es ein zusätzliches Programm war, das vor einigen Jahren beschlossen wurde und das es in dieser Form in den 60er Jahren nicht gegeben hat. Es sollte damals, als es beschlossen wurde, die Eigentumsbildung anregen. Diese Entscheidung ist für einen überblickbaren Zeitraum bis 1977 getroffen worden.
Es wird nun darauf ankommen, schon bei den Haushaltsberatungen 1977 zu überlegen, ob wir diese Art der Eigentumsförderung nicht über 1978 hinaus fortsetzen können.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung gerade im sozialen Wohnungsbau, wenn davon auszugehen ist, daß die in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Mittel ab 1978 im ersten Programm nur noch den Bau von etwa 30 000 Wohneinheiten zulassen?
Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Ich darf darauf hinweisen, Herr Kollege Dr. Schneider, daß auch dieser Arbeitskreis ja zunächst keine unmittelbaren Vorschläge gemacht, sondern eine Analyse der gegenwärtigen Situation gegeben hat. Ich habe festgestellt, daß wir diese Analyse weitgehend teilen. Die weitere Entwicklung, auch die kurzfristige Entwicklung der nächsten Jahre wird ergeben müssen, ob wir — nicht nur im Blick auf das Regionalprogramm, nach dem Sie eben gefragt haben, sondern auch im Blick auf den gesamten Wohnungsbau — die bisherigen finanziellen Überlegungen überdenken müssen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Nordlohne.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß sich die Bundesregierung in der Einschätzung der künftigen Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus absolut von der Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Deutschen Mieterbundes, der Neuen Heimat und auch des früheren Bundeswohnungsbauministers Lauritzen unterscheidet?Dr. Haack, Parl. Staatssekretär: Ich kann unterschiedliche Stellungnahmen in dieser Form nicht feststellen. Natürlich gibt es unterschiedliche Meinungsäußerungen aus dem jeweiligen Verantwortungsbereich. Auch ein Wohnungsbauminister spricht, solange er im Amt ist, unter Umständen mit anderen Akzenten als dann, wenn er dieses Amt nicht mehr hat und in einer anderen Funktion tätig ist. Das muß ganz deutlich festgestellt werden.
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Parl. Staatssekretär Dr. HaackAber wenn schon hier mehr gefordert wird, auch von der Bundesregierung — darauf darf ich jetzt hinweisen und damit auf die Frage des Herrn Kollegen Schneider zurückkommen —, dann muß festgehalten werden, daß der soziale Wohnungsbau und der Wohnungsbau überhaupt nicht nur Bundessache, sondern im wesentlichen Landessache ist, also auch von den Ländern mitfinanziert werden muß. Dann müssen auch die Länder und alle Verantwortlichen bereit sein, selber daran mitzuwirken, daß die Finanzquellen sich verbessern, und sie dürfen entsprechende Pläne der Bundesregierung nicht vereiteln.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beanwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Dr. Wolters zur Verfügung.
Der Abgeordnete Gerlach hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dr. Wernitz auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, durch Abstimmung zwischen Bund und Ländern die soziale Komponente heim Seniorenpaßangebot der Deutschen Bundesbahn so zu verstärken, daß besonders Bedürftige — etwa über die örtlichen Sozialämter - auch in den Genuß des Sonderangebots der Deutschen Bundesbahn kommen können?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Wernitz, nach § 75 des Bundessozialhilfegesetzes soll alten Menschen geholfen werden, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern. Ihnen soll die Möglichkeit erhalten werden, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen. Im Rahmen dieser Bestimmung ist es jetzt schon den Trägern der Sozialhilfe möglich, Hilfen zu gewähren, die alten Menschen die Verbindung mit nahestehenden Personen ermöglichen. Das kann durch die Gewährung von Fahrtkosten oder eines Zuschusses hierfür geschehen. Ob im Rahmen dieser Hilfe auch die Kosten für einen Seniorenpaß der Bundesbahn übernommen werden, läßt sich nur im Einzelfall entscheiden. Grundsätzlich ist die Ubernahme der Kosten im Einzelfall nicht ausgeschlossen. Für eine generelle Übernahme dieser Kosten sieht die Bundesregierung allerdings angesichts der finanziellen Situation der Sozialhilfeträger keine Möglichkeit.
Auf die Angebotsgestaltung der Deutschen Bundesbahn, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgt, kann die Bundesregierung keinen Einfluß nehmen. Die Sonderaktionen im Reiseverkehr werden vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn in eigener Zuständigkeit und Verantwortung ausgestaltet und eingeführt.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß es bei der Bundesbahn Überlegungen gibt bzw. auch Anregungen vorliegen, denen zufolge man im Zusammenhang mit der angesprochenen sozialen Komponente dort bereit ist, entsprechende Pakete von Seniorenpaßkarten anzubieten, um auf diese Weise eine gewisse Absatzgarantie sicherzustellen? Ist Ihnen das bekannt?
Dr. Wolters, Staatssekretär: Mir sind solche Überlegungen nicht bekannt. Ich will das aber gern prüfen und Ihnen die Antwort darauf schriftlich geben.
Nur würde das, selbst wenn es zuträfe, keine unmittelbare Auswirkung auf die Notwendigkeit haben, Einzelfallprüfungen vorzunehmen, jedenfalls soweit Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt werden können.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht sinnvoll, die von mir angesprochene Frage und auch weitere Probleme der Abgrenzung des Personenkreises — ich denke etwa an die Abgrenzung zwischen Erwerbsunfähigen und Berufsunfähigen; die Berufsunfähigen sind hier ja bekanntlich ausgeschlossen — einmal auf der Bund-Länder-Ebene zu besprechen, sei es in der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister oder in anderer geeigneter Form?
Dr. Wolters, Staatssekretär: Solche Abstimmungen, Herr Abgeordneter, nicht nur zur Abgrenzung des Personenkreises, sondern auch zum Gebrauch des Ermessensspielraums dort, wo ihn das Bundessozialhilfegesetz vorsieht, werden zwischen Bund und Ländern laufend vorgenommen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Den Fragen, die der Herr Abgeordnete Kiechle unter der Nr. 3 und der Herr Abgeordnete Eigen unter der Nr. 5 eingebracht haben, liegt derselbe Sachverhalt zugrunde. Können diese beiden Fragen zusammen beantwortet werden, Herr Staatssekretär?
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Kiechle zusammen beantworten?
Es ist so, daß die Fragen 3 und 5 und dann die Fragen 4 und 6 und auch die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Niegel jeweils denselben Sachverhalt betreffen. Ich bin aber auch damit einverstanden, daß Sie mit der Beantwortung der Fragen 3 und 4 des Abgeordneten Kiechle beginnen:
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenUm wieviel haben sich die Rinder- und Schweineimporte aus der DDR im ersten Vierteljahr 1976 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs erhöht, und welche Mengen kamen aus anderen Ostblockländern in die Bundesrepublik Deutschland?Ist die Bundesrepublik Deutschland bereit, angesichts der rapide zurückgegangenen Vieh- und Fleischexporte nach Italien diese Einfuhren entsprechend zu drosseln?Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kiechle, die Bezüge an Schlachtrindern einschließlich Kälbern und Jungrindern aus der DDR betrugen im ersten Vireteljahr 1976 rund 31 850 Stück gegenüber rund 18 250 Stück im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Schlachtschweinebezüge beliefen sich im ersten Vierteljahr 1976 auf rund 138 150 Stück gegenüber rund 59 000 Stück im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Auf Grund des relativ knappen Angebots aus eigener Produktion im ersten Vierteljahr 1976 hat sich die Zunahme der DDR-Bezüge nicht nachteilig auf die Märkte ausgewirkt. Sie waren, so möchte ich sagen, aus Versorgungsgründen sogar erwünscht.Im ersten Vierteljahr 1976 lagen in der Bundesrepublik die Preise für Schlachtrinder im Durchschnitt aller Klassen mit 341,30 DM pro 100 kg Lebendgewicht um 10 % und die Preise für Schweine der Handelsklasse C um 27 % über den vergleichbaren Vorjahrespreisen. Die Einfuhren von Rindern aus Ostblockstaaten waren im vergangenen Jahr durch den Einfuhrstopp praktisch zum Erliegen gekommen. Nach Einführung der sogenannten Koppelungsregelung, d. h. der Erteilung von Einfuhrlizenzen bei gleichzeitiger Abnahme von Interventionsware, sind im ersten Quartal 1976 etwa 1 300 Rinder aus Ostblockstaaten eingeführt worden. Die Schweineimporte aus Ostblockstaaten waren im ersten Vierteljahr 1976 mit rund 3 000 Stück gegenüber rund 20 000 Stück im vergleichbaren Vorjahreszeitraum stark rückläufig. Auf den Schlachtrindermärkten hat sich die Situation jedoch seit April insbesondere durch die Verschlechterung der Exportmöglichkeiten nach Italien ungünstig entwickelt. Diese Entwicklung wurde durch erhebliche Kürzungen der Wochenbezugsmengen von Schlachtbullen, Kälbern und Jungtieren aus der DDR Rechnung getragen. Eine völlige Aussetzung der Bezüge erscheint nicht sinnvoll, da dann mit einer Einstellung der Lieferung von Kühen aus dem süddeutschen Raum in die DDR gerechnet werden müßte. Die Bezüge an Schweinen sind bereits Anfang des Jahres sehr erheblich gekürzt worden. Wegen der derzeit angespannten Marktsituation ist in jüngster Zeit eine weitere Kürzung vorgenommen worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wie hoch sind die Mengen, die jetzt zu Beginn des zweiten Vierteljahres angesichts der von Ihnen angekündigten Kürzungen noch eingeführt worden sind?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kiechle, ich habe Zahlen genannt und möchte ungern jetzt noch weitere Zahlen nennen. Hier geht es einmal um Zufuhren für Berlin. Wir haben ja in Berlin eine besondere Situation. Ich kann Ihnen aber sagen, daß diese Einfuhren aus der DDR bezüglich Berlin bei Schlachtbullen seit Januar 1976 um 43 % gekürzt worden sind. Des weiteren sind die Bezüge bei Schlachtschweinen um 30 % gekürzt worden. Bei den Lieferungen ins übrige Bundesgebiet haben wir bei Schlachtbullen und Jungrindern eine Kürzung um 50 % und bei Schlachtschweinen um 84 % vorgenommen. Vielleicht sagt Ihnen das genug. Sonst bin ich aber auch gern bereit, Ihnen schriftlich Zahlen nachzureichen, falls Sie. dies wünschen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Beziehen sich diese Zahlen der prozentualen Kürzung auf das erste Vierteljahr 1976?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Sie beziehen sich auf den jetzigen Stand im Vergleich zu Januar 1976.
Herr Abgeordneter Gansel zu einer Zusatzfrage zu der von Herrn Abgeordneten Kiechle eingereichten Frage.
Herr Staatssekretär, welche Konsequenzen ergeben sich für die Empfänger von Rinder- und Schweineimporten aus kommunistischen Staaten, soweit sie dem öffentlichen Dienst angehören, im Hinblick auf ihre Verpflichtung, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Ich sehe leider keine Kompetenz zur Beantwortung dieser Frage.
Herr Staatssekretär, ich hatte diese Zusatzfrage schon geahnt.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Staatssekretär, angesichts der rapide, auf dem Rindfleischsektor sogar auf ein Drittel zurückgegangenen Absatzmenge, insbesondere aus dem bayerischen Agrarexport nach Italien, frage ich Sie: Welche einzelnen konkreten Maßnahmen gedenkt die Bundesrepublik zu dieser Kürzung der Osteinfuhren zusätzlich zu unternehmen, um hier Abhilfe zu schaffen?Logemann, Parl. Staatssekretär: Ich habe dazu noch weitere Fragen vorliegen. Ich werde in diesem Zusammenhang gerade auch noch auf Italien zu sprechen kommen. Aber ich darf ergänzend vielleicht noch einmal sagen: Wir haben bei Rindern und Bullen die Bezüge in Richtung Bundesrepublik gegenüber Januar um 50 % gekürzt, und bei Schlachtschweinen haben wir um mehr als 80 % gekürzt. Das ist schon eine erhebliche Veränderung.
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17256 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976
Parl. Staatssekretär LogemannZweitens müssen Sie auch beachten, daß aus Süddeutschland — das habe ich ebenfalls gesagt — in letzter Zeit Fleisch von Kühen in beachtlicher Menge in Richtung DDR geliefert wird. Wenn wir hier also volle Kürzungen vornähmen, wären die Möglichkeiten zur Ausfuhr von Kühen aus Bayern in Frage gestellt.Drittens darf nicht unerwähnt bleiben, daß etwa die Hälfte der aus der DDR nach Süddeutschland gelieferten Bullen leichtgewichtige Tiere sind, die überwiegend noch weiter gemästet werden. Ich habe selber hören können, daß bei den Landwirten durchaus Interesse besteht, solche Tiere zu kaufen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, hier in Frageform entgegenzunehmen, daß wir Bedenken haben, daß es zwar bestimmte Anwärter in Beamtenpositionen gibt, die die freiheitliche Grundordnung gefährden, aber keine kommunistischen Rindviecher, die das tun?
Meine Damen und Herren, bei der Unterscheidung von Rindviechern gibt es sehr subtile Abstufungen.
Logemann, Parl. Staatssekretär: Ich darf hinzufügen, Herr Präsident, daß wir schwarze Rindviecher haben, aber auch rotbunte.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Rinder- und Schweineimporte aus der DDR insbesondere nach Bayern stark zunehmen, und was gedenkt sie bei Marktstörungen zu unternehmen?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, es trifft nicht zu, daß die Rinder- und Schweinebezüge aus der DDR insbesondere nach Bayern im Verlaufe dieses Jahres zugenommen haben. Im Gegenteil, wie bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Kiechle bereits erwähnt, sind die wöchentlichen Bezugsmengen sehr stark reduziert worden. Eine völlige Aussetzung der Bezüge würde Konsequenzen — auch das habe ich eben schon gesagt — in Richtung Rücklieferung von Kühen aus Bayern in die DDR haben.
Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, wäre es dann nicht gut, die dortigen Berufsvertretungen davon zu informieren, daß ihre Ausführungen zu dem Problem der besonderen Situation der Fleischwirtschaft in Bayern von der Sache her falsch sind?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Darum bemühen wir uns laufend. Wir geben bekanntlich BML-Informationen heraus. Ich hoffe, daß diese in Bayern auch gründlich gelesen werden.
Meine Damen und Herren, eine der Funktionen der Fragestunde besteht ja gerade darin, der deutschen Öffentlichkeit die Auffassung der Regierung zu solchen Problemen mitzuteilen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Ihre Ausführungen richtig sind, daß der Kuhexport aus Bayern in die DDR stark zugenommen hat, dann frage ich Sie: Wie stark sind diese Zunahmen gewesen, und wie kann es angehen, daß gerade die Preise für Kühe B niedriger sind als im vorigen Jahr?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Die Zahl der aus Bayern in Richtung DDR gelieferten Kühe lag, glaube ich, in letzter Zeit wöchentlich um etwa 500 Stück. Diese Zahl ist natürlich nicht so groß, daß für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik schon ein größerer Markteinfluß erkennbar werden könnte.
— Das liegt bei Ihnen; die können Sie liefern, wie Sie wollen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß man nicht gleichzeitig die starke Zunahme des Rinder- und Schweineimports aus der DDR und die stärkere Inanspruchnahme des Swing im Interzonenhandel durch die DDR kritisieren kann, solange keine Marktstörungen auftreten?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Ich meine nicht, daß man das kritisieren kann. Wir haben einen kontinuierlichen Marktbedarf gehabt und uns bemüht, diesen Marktbedarf zu regulieren.
Keine weitere Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:Wie gedenkt die Bundesregierung die Milch- und Fleischwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland — insbesondere Bayerns — vor Marktverlusten in Italien zu schützen, die durch die neuen nicht EG-konformen Importrestriktionen der italienischen Regierung entstehen, und wird die Bundesregierung ihre Maßnahmen mit der französischen Regierung abstimmen?Herr Staatssekretär.Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, zuerst möchte ich ein Mißverständnis ausräumen: Die EG-Kommission hat die italienische Regierung unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts zur Anwendung der Bardepotregelung ermächtigt. Von
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976 17257
Parl. Staatssekretär Logemannnicht EG-konformen Importrestriktionen seitens Italiens kann keine Rede sein.Der Agrarrat hat sich auf seiner Sitzung am 17./18. Mai 1976 eingehend mit der italienischen Bardepotpflicht beschäftigt. Er war sich darin einig, daß die schwierige Situation in Italien keine andere Möglichkeit zuließ. Für die italienischen Maßnahmen muß daher, auch im Gemeinschaftsinteresse, Verständnis aufgebracht werden.Da von der Bardepotpflicht alle Lieferländer und alle Warenbereiche in gleicher Weise erfaßt werden, entstehen keine einseitigen Wettbewerbsnachteile für Deutschland. In den ersten Wochen nach Anwendung des Bardepots ist ein Rückgang der deutschen Exporte vor allem auf dem Milch- und Fleischsektor eingetreten. Da dies aber auch durch andere Faktoren mit beeinflußt worden ist, muß zunächst die weitere Entwicklung abgewartet werden. Die Bundesregierung wird die bestehenden Möglichkeiten der Marktentlastung, z. B. verstärkte Interventionen in Süddeutschland, bei Rindfleisch nutzen.Nach den Erfahrungen mit dem Bardepot 1974 kann damit gerechnet werden, daß sich die Exportsituation nach Überwindung der gegenwärtigen Übergangsschwierigkeiten angesichts des Nahrungsmittelbedarfs und der voraussichtlichen Marktpreisentwicklung in Italien wieder normalisieren wird.
Eine Zusatzfrage.
Wenn die Kommission der italienischen Regierung für die Einführung des Bardepots eine besondere Ermächtigung geben muß, beweist das dann nicht, daß diese Maßnahme normalerweise nicht EG-konform ist?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Doch, diese Maßnahme war ja von Italien angemeldet und ist von der Kommission als EG-konform gebilligt worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, liegt die Problematik nicht vor allen Dingen darin, daß die französische Regierung, wie ihr Landwirtschaftsminister Bonnet in der Nationalversammlung schon jetzt festgestellt hat, der französischen Fleisch- und Milchwirtschaft solche Hilfen geben wird, daß der Export von Frankreich nach Italien nicht abbricht, während die deutsche Regierung erklärt hat, sie sei nicht zu solchen Maßnahmen bereit, und unser Export nach Italien deshalb, wie Sie selbst sagen, leidet? Wie stehen Sie dazu?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, dazu darf ich noch einmal folgendes sagen. Wir haben ja gestern in Brüssel eine Beratung gehabt. Dabei sind folgende Punkte festgehalten worden.
Erstens. Wir haben uns im Agrarrat dafür eingesetzt, daß keine nationalen Hilfsmaßnahmen ergriffen werden, die zu einer einseitigen Begünstigung der eigenen Exportwirtschaft führen, andere Mitgliedstaaten aber zwangsläufig beeinträchtigen würden.
Zweitens. Wir haben uns außerdem für eine Übergangsregelung eingesetzt, nach der alle Lieferungen, die vor dem 6. Mai 1976 erfolgt sind, die aber nunmehr zur Zahlung anstehen, von der Bardepotpflicht ausgenommen werden. Die Kommission hat die Prüfung dieser Frage zugesagt.
Drittens. Im Agrarrat ist die Kommission aufgefordert worden, den Warenverkehr und die Entwicklung der Märkte für die einzelnen Agrarprodukte aufmerksam zu beobachten und darüber baldmöglichst zu berichten, damit gegebenenfalls Sonderregelungen für die am stärksten betroffenen Erzeugnisse erlassen werden.
Viertens. Im Agrarrat bestand auch Einvernehmen darüber, daß der innergemeinschaftliche Warenverkehr gegenüber Importen aus den Drittländern, bei denen infolge des niedrigen Preises ein geringerer Bardepotbetrag anfällt, nicht benachteiligt wird. Dazu wird die Kommission eine entsprechende Regelung treffen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz.
Herr Staatssekretär, unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des Ministerrates gestern und vorgestern darf ich Sie fragen, ob dabei die Ausführungen des französischen Landwirtschaftsministers Bonnet in der Nationalversammlung, Frankreich werde durch besondere Übernahmegarantien dafür sorgen, daß der Export weiterfließt, eine Rolle gespielt haben und wie die französische Regierung daraufhin reagiert hat.
Logemann, Parl. Staatssekretär: Die eben von mir angeführten Punkte sind ja gemeinschaftlich vereinbart worden. Ich bin nicht der Meinung, daß Frankreich hier aus der Reihe tanzen wird. Wenn das geschehen sollte, müßten wir uns natürlich sofort melden.
Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Bemerkungen dazu machen. Erstens ist festzustellen, daß durch diese Maßnahmen in Italien der Lira-Kurs um rund 10 % gestiegen ist. Ich finde, wir sollten das auch für den deutschen Agrarexport als einen Schritt in Richtung Stabilisierung der italienischen Verhältnisse sehen.
Zweitens ist mir durch Minister Ertl mitgeteilt worden, daß Italien in dieser Maßnahme nur eine kurzfristige Maßnahme sieht; sie wird also nicht von langer Dauer sein.
Drittens noch eine letzte Bemerkung: Es ist ja auch 1974 nicht zu den großen Einbrüchen gekommen, die wir anfänglich befürchtet hatten. Es war allerdings bei Kälbern und bei Rindfleisch schlimm, aber die Milcherzeugnisse sind damals nicht so be-
Parl. Staatssekretär Logemann
troffen gewesen. Ich bin der Meinung, daß wir nun vielleicht auch in diesem Jahr mit ähnlichen Entwicklungen rechnen können.
Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß sich die Bundesregierung eingesetzt hat, und angesichts Ihrer Ankündigung, daß sie prüfen wird, möchte ich fragen: Wird sie auch — bezogen auf die gegenüber 1974 doch sehr andersartigen Verhältnisse der Abwertungen und Aufwertungen zwischen den Tauschländern Frankreich /Italien und Deutschland /Italien — im Falle sehr starker Auswirkungen, deren Andeutungen wir ja schon haben, konkret etwa Maßnahmen wie Ausfallbürgschaften gegenüber denen ergreifen, die dieses Bardepot letztlich zu tragen haben, nämlich gegenüber der exportierenden Wirtschaft?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kiechle, ich glaube, die Frage stellt sich so nicht. Das wären ja nationale Maßnahmen, die zu verhindern wir vereinbart haben. Aber ich meine, die Bundesregierung ist immer dann sofort initiativ geworden, wenn es wirklich um Benachteiligungen ging. Ich erinnere daran, daß ja der Vorschlag, die Auszahlung des Grenzausgleichs der abwertenden Mitgliedstaaten durch die Lieferländer durchführen zu lassen, auch von uns eingebracht worden war und auch angenommen wurde. Wir erhoffen uns schon dadurch gewisse Erleichterungen für cien Export.
Ich rufe Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Ritgen auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die deutschen Gemüsekonservenfabriken vor den Wettbewerbsvorteilen anderer EG-Länder zu schützen und dadurch eine fortschreitende drastische Einschränkung des Feldgemüsebaus aufzuhalten bzw. umzukehren?
Herr Staatssekretär.
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Ritgen, der Bundesregierung sind Wettbewerbsvorteile anderer Mitgliedstaaten, die sich im Sinne nachweisbarer Verstöße gegen die Vorschriften der gemeinsamen Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse ausgewirkt hätten, nicht bekannt. Sofern solche Verstöße nachgewiesen werden können, wird die Bundesregierung in Brüssel mit Nachdruck auf Unterlassung und Beseitigung drängen. Ich weise im übrigen darauf hin, daß die Möglichkeit besteht, die Gemüsekonservenindustrie im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" durch Investitionsbeihilfen zu unterstützen.
Die Einschränkung im Feldgemüseanbau hat sich in den letzten Jahren spürbar verlangsamt. Bei einzelnen Feldgemüsearten ist sogar ein Anstieg der Anbaufläche für den Konservenbereich zu verzeichnen.
Bei der Betrachtung des Gesamtproblems darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß ein gewisser Rückgang im Gemüseanbau auch darauf zurückzuführen ist, daß der Feldgemüseanbau mit anderen Kulturen — wie Zuckerrüben und Getreide — konkurriert, die für den Landwirt günstigere Erlöse erbringen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Wie verträgt sich die Tatsache, daß in dieser Situation schon sehr viele deutsche Konservenfabriken zugemacht haben oder nicht mehr leistungsfähig sind, mit der Entscheidung der Kommission in Brüssel, daß für zwei neu zu errichtende Werke in Arnsdorf und in Dingolfing erhebliche Fördermittel von seiten der EG bereitgestellt werden?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Ritgen, ich hätte Ihnen gern — auch mehr in positivem Sinne — eine umfangreichere Antwort gegeben. Ich weiß durchaus, daß es hier bei uns Schwierigkeiten und auch einen Rückgang in der Produktion von Konserven gegeben hat. Aber berücksichtigen Sie bitte auch, daß dieser Rückgang etwas unterschiedlich verlaufen ist. Ich habe hier Zahlen, die ausweisen, daß wir z. B. bei Frühjahrsspinat 1969 einen Anteil von 889 ha hatten, 1972 von 826 ha und 1975 von 933 ha haben, bei frühen Möhren z. B. 1969 870 ha, 1972 814 ha und im Jahre 1975 1 070 ha. Sehr stark ist der Rückgang und da sind wir empfindlich getroffen — bei Frischerbsen von 7 783 ha auf 4 693 ha. Ich könnte mir also vorstellen, daß in gewissen Bereichen durchaus noch gute Chancen für eine Weiterentwicklung und für Investitionen für unsere Konservenindustrie gegeben sind.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß der Wettbewerb im europäischen Raum gerade auf dem Sektor Erbsen und Buschbohnen besonders stark ist und dadurch die Anbauflächen in der Bundesrepublik stärker als bei anderen Gemüsesorten zurückgegangen sind?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Ritgen, bei Frischerbsen stimme ich Ihnen zu das habe ich gesagt —, bei Buschbohnen haben wir folgende Zahlen: 5 890 ha im Jahre 1969 und 5 234 ha seit 1975. Da kann ich Ihnen also nicht ganz zustimmen.
Bitte, Herr Abgeordneter Eigen!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einer Meinung, daß gerade bei Erbsenkonserven und Buschbohnenkonserven der Wettbewerb gegenüber Frankreich die entscheidende Rolle spielt und daß die Abwertung des französischen Franc und das interprofessionelle Abkommen in Frankreich,
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Eigendas staatlich sanktioniert wird, eine wesentliche Wettbewerbsverzerrung zugunsten der französischen Konservenwirtschaft ist?Logemann, Parl. Staatssekretär: Ja, der wesentliche Nachteil liegt auch darin, daß die Einbeziehung von Verarbeitungserzeugnissen aus Obst und Gemüse in den Grenzausgleich nicht möglich ist, weil es in diesem Bereich keine in Rechnungseinheiten ausgedrückten Preise gibt. Das brauche ich Ihnen aber nicht zu sagen.
Herr Dr. Ritz, ist damit auch Ihre Zusatzfrage beantwortet?
: Herr Präsident, ich wollte nur noch herzlich darum bitten, die Zahlen, die Sie zur Entwicklung der Gemüseanbauflächen gegeben haben, doch möglichst umfassend für alle Gemüsearten schriftlich mitzuteilen, damit man einen Überblick hat, und wenn möglich, Herr Staatssekretär, bitte auch für die Entwicklung in Frankreich im gleichen Zeitraum.
Logemann, Parl. Staatssekretär: Das werde ich gerne tun.
Ich glaube, das ist sehr verdienstvoll.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung bzw. ist sie bereit zu ergreifen, daß für die Landwirtschaft ein reibungsloser Export ihrer Erzeugnisse mich Italien, insbesondere auf dem Vieh- und Fleischsektor sowie bei Milch und Milcherzeugnissen, gegeben ist?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, darf ich beide Fragen zusammen beantworten?
Ich habe nichts dagegen.
Dann rufe ich auch noch die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dafür zu sorgen, deß hinsichtlich des italienischen Exports der deutschen Landwirtschaft die vor dem G. Mai 1976 durchgeführten Warentransaktionen von der Depotbelastung freigestellt werden, die in der entsprechenden Verordnung der europäischen Kommission gebotenen Möglichkeit genutzt wird, daß die von der Bardepotregelung besonders hart betroffenen Produktgruppen von der Importbeschränkung herausgenommen werden und für die deutschen Agrarexporte eine Exportsicherung eingeführt wird, die der Regelung in anderen EG-Staaten entspricht?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Zur Frage der Auswirkungen der Bardepotregelung auf den Export von Vieh und Fleisch sowie von Milch und Milcherzeugnissen darf ich auf meine Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Eigen verweisen.
Die Bundesregierung hat sich im Agrarministerrat dafür eingesetzt, daß Lieferungen nach Italien vom Bardepot freigestellt werden, die vor dem 6. Mai 1976 erfolgt sind, für die aber die depotflichtige Zahlung des Kaufpreises erst nach dem 6. Mai vorgenommen wird. Die Kommission hat die Prüfung dieser Frage zugesagt. Außerdem ist die Kommission gebeten worden, den Warenverkehr und die Entwicklung der Märkte für die einzelnen Agrarprodukte aufmerksam zu beobachten und darüber baldmöglichst zu berichten, damit gegebenenfalls gemeinschaftliche Sonderregelungen für die am stärksten betroffenen Erzeugnisse geschaffen werden.
Bitte, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, als sogenannte kurzfristige Maßnahme die Einfuhr- und Vorratsstellen für Vieh und Fleisch anzuweisen, daß insbesondere im süddeutschen Raum stärkere Aufkäufe durchgeführt werden, wobei auch die private Lagerhaltung, die Zerlegung und die Konservierung neu eingeführt werden können?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, das hatte ich vorhin schon angedeutet. Wir werden uns bemühen, gerade im süddeutschen Raum stärker zu intervenieren, weil wir wissen, daß hier jetzt ein bestimmter Stau vorhanden ist, den wir auszugleichen versuchen müssen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist seitens der Bundesregierung als längerfristige Maßnahme auch beabsichtigt, z. B. hart betroffene Produktgruppen mit Blick auf Italien von der Bardepotregelung auszunehmen und ähnliche Exportsicherungen einzuführen, wie es in anderen Staaten der Fall ist, um gleiche Wettbewerbschancen herzustellen?
Logemann, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin schon ausgeführt, daß eine Vereinbarung getroffen worden ist, daß keine nationalen Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden sollen. Ich habe im übrigen betont, daß wir davon ausgehen, daß diese italienische Maßnahme nicht längerfristig wirksam werden wird, sondern daß wir Informationen haben, daß es sich um eine kurzfristige Maßnahme handeln wird.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung. Der Herr Abgeordnete Pohlmann hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 10 und 11 gebeten. Auch der Herr Abgeordnete Dr. Klein hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 12 und 13 gebeten. Die Antworten auf die genannten vier Fragen werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe Frage 14 des Herrn Abgeordneten Geiger auf. — Der Herr Abgeordnete Geiger ist nicht im
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17260 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenSaal; die Frage wird daher schriftlich beantwortet.Die Antwort wird ebenfalls als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Mahne auf. — Der Herr Abgeordnete ist offensichtlich nicht im Saal, so daß auch diese Frage schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Der Herr Abgeordnete Ziegler hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage 16, der Herr Abgeordnete Immer um schriftliche Beantwortung seiner Frage 17 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Schmidt steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die erste Frage — Frage 18 — ist von dem Herrn Abgeordneten Reiser eingebracht worden:Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Überfliegen der Insel Helgoland durch Düsenjäger in niedriger Höhe zum Schutz der Bevölkerung und der zahlreichen Touristen zu unterbinden, nachdem in letzter Zeit dadurch Fensterscheiben zu Bruch gingen und Felsstürze auf diese Lufttätigkeit zurückgeführt werden?Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Reiser, das Überfliegen der Insel Helgoland im Tiefflug, d. h. in einer Höhe von 150 bis 450 m, ist untersagt. Die Insel ist in den Tiefflugkarten als Schutzzone gekennzeichnet und muß durch tieffliegende Bundeswehr- und NATO-Strahlflugzeuge in einem Radius von 3 Nautischen Meilen, d. h. etwa 6 km, umflogen werden.
Die Bundesregierung hält es nach dem derzeitigen Stand der technischen Erkenntnisse für nicht möglich, daß tieffliegende Strahlflugzeuge im Unterschallflug Glasbrüche und Felsstürze verursachen. Überschalltiefflüge sind im NATO-Ausbildungsprogramm nicht enthalten und werden auch nicht durchgeführt. Bundeswehr und NATO-Luftstreitkräfte führen Überschallflüge nur in größeren Höhen, und zwar über Land in 12 000 m, über See in 7 000 m Höhe, und unter Radarüberwachung durch.
Die Bundesregierung nimmt jedoch Ihre Frage gerne zum Anlaß, zu prüfen, ob Überschallflüge im Nordseeraum — Mindesthöhe dabei 7 000 m — so durchgeführt werden können, daß Helgoland von den Auswirkungen der Überschalldruckwellen, die gelegentlich auch Schäden, wie Fenster- und Putzschäden, verursachen können, verschont bleibt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es denn für ausgeschlossen, daß hier ein Fehler bei solchen Bürgern vorliegt, die in der letzten Zeit das Überfliegen von Helgoland durch Düsenmaschinen in niedriger Höhe registriert haben wollen, wobei sie sich natürlich im Hinblick auf die Überflughöhe getäuscht haben können?
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Es kann sich nur um Flüge in der Nähe von Helgoland handeln. Helgoland ist bei Tiefflügen ausgespart. Knalle können nur dann auftreten, wenn man in den Überschall hineingeht. Die tieffliegenden Maschinen fliegen nicht mit Überschallgeschwindigkeit, keine Maschine.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Die Bürger dort haben derartige Flüge in der letzten Zeit bis zu zwanzigmal am Tag registriert. Dem Finanzministerium in Kiel liegen für die Monate Januar bis April Schadensmeldungen in dieser Angelegenheit in Höhe von 5 599 DM vor. Können Sie mir sagen, ob eine Verbindung damit hergestellt werden kann?
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Ja, natürlich! Ich habe das schon gesagt. Es handelt sich nicht um tieffliegende Maschinen, sondern um Maschinen, die über 7 000 m Höhe fliegen und die durchaus beim Durchstoßen der Schallgrenze einen Knall verursachen, der auch Schäden hervorrufen kann. Deswegen hat die Bundesregierung erklärt, daß sie prüfen will, ob man das, etwa durch ein Umfliegen, verhindern kann.
Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, in diesem Zusammenhang auch noch einmal das zu prüfen, was sich hier im Raum Bonn bezüglich tieffliegender Flugzeuge ereignet? Denn es ist wiederholt vorgekommen, daß im Raum Bonn-Süd, Bad Godesberg bis zum Siebengebirge im Tiefflug die Schallmauer durchbrochen wurde.
Frau Kollegin, so verständlich der Wunsch ist, solche Fragen auch noch mit Bezug auf andere Gegenden anzubringen, so bitte ich um Verständnis, daß ich eine derartige Zusatzfrage nicht zulassen kann.
Herr Abgeordneter Nordlohne, ich bitte Sie daher um Beachtung der Richtlinien. Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liegen Ihrem Hause in dem Zusammenhang, der hier zur Erörterung steht, Beschwerden der Bewohner vor?Schmidt, Parl. Staatssekretär: Es liegt eine Beschwerde des Bürgermeisters der Insel Helgoland vor.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976 17261
Ich rufe die Frage 19 der Frau Abgeordneten Pack auf:
Trifft es zu, daß — wie im „Spiegel" Nr. 19/1976 vermeldet — beim Bundesverteidigungsministerium eine Fragebogenaktion angelaufen ist, und wenn ja, wie erklärt die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen ihrer Beteuerung, die Intimsphäre des Bürgers schützen zu wollen, mit dieser Aktion?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Verehrte Frau Kollegin, in der Bundeswehr sind im April und Mai 1976 durch Fragebogen Daten für eine Wirkungsanalyse der politischen Bildung in der Bundeswehr erhoben worden. Diese sozialwissenschaftliche Untersuchung geht auf eine Anregung des vom Bundesministerium der Verteidigung berufenen Beirates für Innere Führung zurück und wird durch den Psychologischen Dienst der Bundeswehr fachlich betreut. Die Bundesregierung legt Wert auf die Feststellung, daß durch die Fragebogenaktion in keiner Weise in die Intimsphäre der Befragten eingegriffen wird. Die streng vertrauliche Behandlung der individuellen Befragungsergebnisse ist bei derartigen Erhebungen eine selbstverständliche Voraussetzung. Befragungen dieser Art haben nicht das Ziel, Ergebnisse von Einzelpersonen herauszufinden. Von Interesse ist ausschließlich das Meinungsbild unterschiedlicher Gruppen. Der konkrete Fragenkatalog der genannten Analyse läßt — das sei ergänzt — eine Identifizierung von Einzelpersonen nachweislich nicht zu. Zudem ist vorgesehen, das Datenmaterial nach der statistischen Auswertung zu vernichten.
Die Teilnahme der Einheitsführer und der Soldaten erfolgte erstens auf der Grundlage der Freiwilligkeit und zweitens auf der Grundlage der absoluten Anonymität. Beides sind die entscheidenden Voraussetzungen für verwertbare Ergebnisse.
Zusatzfrage.
Wann und wo sind von der Bundesregierung ähnliche Aktionen beobachtet bzw. veranlaßt worden?
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Wir haben in den vergangenen Jahren — das kann ich auch als ehemaliger Vorsitzender des Verteidigungsausschusses sagen — in dieser Form, in der Form absoluter Anonymität, auf allen Gebieten Befragungen durchgeführt, wie solche Befragungen in Ländern und wahrscheinlich sogar in Gemeinden sowie auf der Bundesebene auch von anderen Ministerien durchgeführt werden.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Stahl auf:
Ist die Bundesregierung bereit, mit den Kultusministern der Länder gemeinsam eine großzügigere Regelung anzustreben, daß für Abgänger der höheren Fachoberschulen FOS 12, die am 1. Juli zum Wehrdienst eingezogen werden, Abschlußprüfungen und Zeugnisübergaben wenigstens einige Tage vor dem Einzugstermin vorgenommen werden?
Herr Staatssekretär, ich kann im Augenblick nicht übersehen, ob eventuell eine gemeinsame Beantwortung der beiden Fragen des Abgeordneten Stahl möglich ist.
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Verehrter Herr Kollege Stahl, ich beantworte die Fragen einzeln.
Bereits im Mai 1973 hatte sich das Bundesministerium der Verteidigung auf der Ebene der Kultusministerkonferenz mit den Bundesländern prinzipiell dahin verständigt, daß die Aufnahme des Studiums an Fachhochschulen durch gediente Studienbewerber ohne besondere zeitliche Verzögerungen ermöglicht werden muß. Die Aufnahme des Studiums an Fachhochschulen zum Wintersemester des Jahres setzt voraus, daß die Absolventen der Fachoberschulen zum Antritt ihres Grundwehrdienstes am 1. Juli des Vorjahres zur Verfügung stehen.
Gestützt auf diese Verständigung haben seither alle Bundesländer, deren Ferientermine später lagen als der Einberufungstermin, durch vorzeitige Entlassung der Fachoberschulabsolventen die Einberufung zum 1. Juli und damit einen Übergang zum späteren Studium ohne Verzögerung ermöglicht. Allein das Bundesland Nordrhein-Westfalen sah sich in den Jahren bis einschließlich 1975 hierzu nicht in der Lage.
Durch weitere Verhandlungen mit den Vertretern des Kultusministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, die am 27. November 1975 stattfanden, konnte erreicht werden, daß für das Jahr 1976 — Beginn der Sommerferien: 15. Juli 1976 — und für das Jahr 1977 — Beginn der Sommerferien: 7. Juli 1977 — angeordnet wurde, daß diejenigen Absolventen der Fachoberschule, die einen Einberufungsbescheid vorlegen, vorzeitig zu prüfen und spätestens zum 30. Juni — somit rechtzeitig zum Antritt ihres Grundwehrdienstes — aus der Fachoberschule zu entlassen sind. Für das Jahr 1978 sind in Nordrhein-Westfalen keine Schwierigkeiten zu erwarten, da der Ferienbeginn auf den 29. Juni 1978 festgelegt ist.
Da in allen anderen Bundesländern Schwierigkeiten bisher nicht aufgetreten sind und auch das Land Nordrhein-Westfalen die vorzeitige Prüfung und Entlassung zum 30. Juni möglich macht, werden weitere Schwierigkeiten aus dem Bereich des Übergangs von Fachoberschulen zum Grundwehrdienst nicht mehr erwartet.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meine Frage ziehlt darauf ab, daß zwischen der Abschlußprüfung hinsichtlich der Prüfungstage haben die Lehrer einen Ermessensspielraum — und der Ausgabe der Zeugnisse einerseits und dem Einberufungstermin andererseits oftmals nur ein Tag liegt, so daß sich hier auf Grund der weiten Anfahrtswege mancher Wehrdienstpflichtiger Schwierigkeiten ergeben.
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir können den Kultusministern natürlich keine Vorschriften machen. Das wollen wir auch nicht. Das ist deren Sache, Ländersache. Wir werben nur dafür, daß eine rechtzeitige Prüfungsfestlegung erfolgt,
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Parl. Staatssekretär Schmidt
damit die jungen Leute so rechtzeitig aus der Schule entlassen werden, daß zwischen Prüfung, Entlassung und der Einziehung in die Bundeswehr noch einige Tage liegen. Mehr können wir nicht tun, aber dafür sind wir ständig tätig.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Würden Sie so freundlich sein, Herr Staatssekretär, und diesen Punkt nochmals mit den Kultusministern besprechen, weil es ganz danach aussieht, daß dieses Problem in verschiedenen Gegenden verschiedener Länder sehr unterschiedlich gehandhabt wird und hier tatsächlich doch Schwierigkeiten auftreten?
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Ich bin sehr gern bereit, das wieder aufzugreifen. Wir stehen nicht nur wegen dieses Themas, sondern auch wegen anderer Themen in einem ständigen Kontakt mit den Kultusministern der Länder und haben bisher alles in einer sehr freundschaftlichen Atmosphäre regeln können.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Stahl auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine Regelung mit den Kultusministern abzusprechen, Schülern der FOS 12, die die Abschlußprüfung im ersten Anlauf nicht bestehen, denen aber nach der Härteregelung der Kultusminister auf Grund eines Erlasses die Möglichkeit eingeräumt wird, sich einer Nachprüfung binnen 14 Tagen zu unterziehen, eventuell durch Beurlaubung oder Freistellung für diese Zeit vom Wehrdienst entgegenzukommen, damit sie in ihrer künftigen beruflichen Entwicklung nicht beeinträchtigt werden?
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Die wehrpflichtigen Schüler der Fachoberschulen werden nach den Vorschriften des Wehrpflichtgesetzes bis zum Erwerb der Fachhochschulreife vom Wehrdienst zurückgestellt und deshalb erst zu einem nach der erfolgreich bestandenen Abschlußprüfung liegenden Zeitpunkt zum Grundwehrdienst einberufen. Bei Nichtbestehen im ersten Anlauf wird der etwa bereits festgelegte Einberufungstermin selbstverständlich bis zur Nachprüfung hinausgeschoben. Einer besonderen Regelung in Absprache mit den Kultusministern der Länder bedarf es deshalb nicht mehr. Allerdings muß der Wehrpflichtige den die Rückstellung begründenden Sachverhalt der Wehrersatzbehörde rechtzeitig bekanntgeben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl .
Herr Staatssekretär, die rechtzeitige Bekanntgabe ist der kritische Punkt. Wenn ein Schüler einen Tag vor dem Einzugstermin zur Bundeswehr die Mitteilung bekommt, daß er die Prüfung nicht bestanden hat, ist es für ihn nicht ohne weiteres möglich, dies sofort auch dem Wehrersatzamt mitzuteilen. Wegen dieser Schwierigkeiten kann er nicht an einer Nachprüfung teilnehmen.
Würden Sie so freundlich sein, dies nochmals mit den Ländern zu besprechen, damit zwischen der Abschlußprüfung und der Aushändigung des Zeugnisses einerseits und der Einberufung andererseits eine genügende Übergangszeit von mindestens zwei bis drei Tagen gegeben ist?
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Das ist gern aufgenommen. Im Hinblick auf die Institution der Kreiswehrersatzbehörden kann ich im übrigen sagen, daß sie sehr flexibel sind und also auch ein Anruf in dieser Richtung ausreichen würde.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl. Bitte knapp!
Herr Staatssekretär, dem zuletzt Gesagten kann man nicht ohne weiteres zustimmen. Die Erfahrungen zeigen, daß die Wehrersatzämter diese Ihre Auslegung nicht so handhaben, sondern sehr restriktiv verfahren.
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Da müßten Sie mir schon Beispiele nennen, Herr Kollege. Denn es gibt eine Anweisung, daß so verfahren werden muß. Falls nicht so verfahren wird, stehe ich jederzeit gern zur Verfügung. Ich werde ja von vielen Kolleginnen und Kollegen brieflich in anderen Fragen angesprochen. Ich stehe auch für diese Frage gern zur Verfügung.
Ich rufe als nächste die Frage 87 des Abgeordneten Pawelczyk auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, die der Präsident des Bundesrechnungshofs in seiner Eigenschaft als Beauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in seinem Bericht vom Dezember 1975 vorgelegt hat, wonach Offiziere in militärfachlicher Verwendung bis zum 60. Lebensjahr und Soldaten des Sanitäts-, Militärmusik- und militärgeographischen Dienstes sowie des logistischen Bereichs bis zum 65. Lebensjahr zu dienen haben, und wenn ja, wird sie entsprechende Folgerungen daraus ziehen?
Schmidt, Parl. Staatssekretär: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege Pawelczyk, daß die Antwort sehr kurz ist.
Der Bundesminister der Verteidigung ist grundsätzlich der Auffassung, daß die für alle Offiziere eingeführten besonderen Altersgrenzen beibehalten werden müssen. Gleichwohl werden zur Zeit im Bundesministerium der Verteidigung die Vorschläge des Präsidenten des Bundesrechnungshofes geprüft.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß der Truppe diese Information in geeigneter Weise bekanntgegeben wird?Schmidt, Parl. Staatssekretär: Das ist noch nicht geschehen. Aber das machen wir sehr gern — vielleicht in „bundeswehr-aktuell".
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Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976 17263
Damit
sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Die erste Frage — Frage 25 — wurde von dem Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim eingereicht. Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Abgeordneter Sauer , gehe ich richtig davon aus, daß die von Ihnen eingereichten Fragen 26 und 27 schriftlich beantwortet werden. sollen?
— Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die nächste Frage — Frage 28 — hat der Abgeordnete Vahlberg eingereicht. Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Nun rufe ich die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Welche Auswirkungen für die Frachlkosten der Wirtschaft, besonders in den dünner besiedelten peripheren Räumen, erwartet die Bundesregierung durch die Stillegung von Bundesbahnstrecken und -nebenstrecken in diesen Gebieten?
Bei den inzwischen angelaufenen Arbeiten zur Ermittlung des künftigen gesamtwirtschaftlich optimalen Streckennetzes der Deutschen Bundesbahn werden auch die hier in Rede stehenden Auswirkungen untersucht. Vor Abschluß der Arbeiten kann dazu jedoch noch keine Stellungnahme abgegeben werden. Im übrigen ist der Fahrplan — auch der zeitliche Fahrplan — mit den Ministerpräsidenten der Länder erörtert.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es ein Gesamtkonzept für die Verkehrsbedienung in den peripheren Räumen, insbesondere für den Güterverkehr, und wie gedenkt die Bundesregierung die aus der Stillegung von Strecken in diesen Räumen zu erwartende Verschlechterung, insbesondere im Kostengefüge der dort produzierenden Betriebe, auszugleichen, um zu verhindern, daß in diesen Räumen noch mehr Arbeitsplätze verlorengehen?
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir dürfen zunächst einmal festhalten, daß die Beförderung und Verteilung von Gütern in der Fläche durch Lkw in jedem Falle betriebswirtschaftlich günstiger erfolgen kann als durch Strecken, die ohnehin in den zurückliegenden Jahren durch die Veränderung der Verkehrsstruktur in der gesamten Entwicklung benachteiligt worden sind. Insoweit ist konzeptionell klar, um welche Veränderungen es sich handeln kann. Die Untersuchungen beginnen erst, und insoweit sind abschließende Aussagen noch nicht möglich.
Herr Kollege, Sie haben noch eine Zusatzfrage; Sie haben soeben zwei Fragen innerhalb einer Zusatzfrage gestellt.
Herr Staatssekretar, abgesehen davon, daß es sich in meiner Frage nicht um eine betriebswirtschaftliche günstige, sondern um eine kostengünstige Gleichstellung handelt, möchte ich die Frage stellen: gibt es für die derzeitigen Streckenstillegungen andere Gründe, als die, daß man möglichst schnell Fakten schaffen will, ohne ein Gesamtkonzept für die Streckenbedienung dieser Räume erarbeitet zu haben?
Haar, Parl. Staatssekretär: Es gibt überhaupt keine Streckenstillegungen mit Ausnahme derer, die im dritten Stufenprogramm aus der Großen Koalition des Jahres 1968 gemeinsam erörtert und in der Zielsetzung festgelegt worden sind.
Wir kommen zur Frage 31 des Herrn Abgeordneten Lambinus. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 der Frau Abgeordneten Pack auf:
Wie stellt sich die Ertragssituation des von der Deutschen Bundesbahn betriebenen nichtschienengebundenen Güterverkehrs im Vergleich zum schienengebundenen Güterverkehr der Deutschen Bundesbahn sowie zum privatwirtschaftlichen Straßen-güterfern- und -nahverkehr dar?
Herr Staatssekretär.
Haar, Parl. Staatssekretär: Der von der Deutschen Bundesbahn betriebene nichtschienengebundene Güterverkehr wird nach den gleichen Tarifen abgewickelt, die auch für den gewerblichen Straßengüternah- und -fernverkehr gelten. Insoweit ist hier bei der Deutschen Bundesbahn die gleiche Ertragssituation gegeben wie beim Gewerbe. Wegen des im allgemeinen höheren Frachtniveaus dieser Tarife ist die Ertragssituation des nichtschienengebundenen Güterverkehrs eine etwas günstigere als die für den schienengebundenen Güterverkehr der Deutschen Bundesbahn.
Keine Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost verschiedenen Fernmeldeämtern, z. B. auch dem im Zonenrand gelegenen Fernmeldeamt Weiden, zum 1. September 1976 für die Einstellung von Auszubildenden keine Quote zugewiesen hat?Herr Staatssekretär.
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17264 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976
Haar, Parl. Staatssekretär: Bei der Vergabe der Einstellungsquoten im Rahmen des Sonderprogramms der Bundesregierung zur Durchführung zusätzlicher berufsbildungspolitischer Maßnahmen sind, den Vorgaben der Bundesregierung folgend, die Ausbildungsplätze vorwiegend in strukturschwachen Gebieten, insbesondere im Zonenrandgebiet, angeboten worden. Bei einer Gesamteinstellungsquote von 800 wurden in Weiden in diesem Frühjahr 16 Bewerber eingestellt. Für die im Herbst vorgesehene Einstellungsquote konnten für Weiden keine Einstellungsermächtigungen vorgesehen werden. Mit der Verteilung der beiden Einstellungsquoten sollen nach Möglichkeit alle Ausbildungsstätten erhalten werden. Wenn im letzten Jahr 10 Einstellungen bei einer Kapazität von 30 Plätzen vorgenommen worden sind, dann ist durch das Sonderprogramm der Bundesregierung auch in Weiden für eine Auslastung der Kapazität gesorgt. Für die einzelnen Ausbildungsstätten müssen Mindesteinstellungsquoten vorgesehen werden, um einen ordnungsgemäßen Ausbildungsgang zu gewährleisten. Auch ist es notwendig, die Ausbildungskapazitäten einigermaßen gleichmäßig auszulasten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, mit welchem Förderungsaufwand aus dem Programm der Bundesregierung für zusätzliche bildungspolitische Maßnahmen wurden von der Bundespost dem Fernmeldeamt Weiden diese 16 von Ihnen genannten Plätze zur Verfügung gestellt?
Haar, Parl. Staatssekretär: Das hängt mit den Förderungsmitteln zusammen, die im letzten Jahr beschlossen worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Abgesehen davon, Herr Staatssekretär, daß ich die Antwort auf die Frage nicht verstanden habe — —
Der Herr Staatssekretär kann das wiederholen.
Ich hatte nach dem Förderungsaufwand gefragt.
Haar, Parl. Staatssekretär: Mit welchem Förderungsaufwand das im einzelnen geschah, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen; denn wir haben die Beträge insgesamt beschlossen. Aber ich will das gern feststellen lassen und dann für Ihren Bereich mitteilen.
Eine Zusatzfrage.
Wie kann die Bundesregierung den Verdacht ausräumen, daß sie gegen die Richtlinien dieses Gesetzes verstoßen hat, indem sie einerseits zum 1. 9. 1976 in Weiden keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt, andererseits aber zur Durchführung zusätzlicher bildungspolitischer Maßnahmen erhebliche öffentliche Mittel in Anspruch nimmt?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich verstehe den Sinn Ihrer Frage nicht. Hier geht es nicht um den Verstoß gegen Richtlinien, sondern wir wollen die Ausbildungskapazitäten für alle Ausbildungsstellen bei der Bundesbahn in etwa gleich auslasten, und das geschieht durch die Ermächtigung zur Einstellung im Frühjahr. Es hat wohl die Zustimmung aller Beteiligten gefunden, daß wir hier im Vorgriff Einstellungen vorgenommen haben, während bei einem entsprechenden Bedarf in Ballungsräumen im September dieses Jahres einige mehr eingestellt werden müssen.
Damit ist auch diese Frage beantwortet.
Die Abgeordnete Frau Berger hat um schriftliche Beantwortung der von ihr eingereichten Fragen 34 und 35 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen sind damit beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Reddemann auf:
Mit welcher konkreten Zielsetzung wird die vom Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen getragene Großausstellung "Zehn Jahre aktive Deutschlandpolitik" durchgeführt?
Herr Staatssekretär Herold steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Herr Präsident, Herr Kollege Reddemann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt. Die Ausstellung „Zehn Jahre aktive Deutschlandpolitik" gehört in die Reihe der Ausstellungen, die das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen bzw. das meinem Hause nachgeordnete Gesamtdeutsche Institut seit 1968 im Rahmen ihrer Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit in vielen Orten der Bundesrepublik Deutschland ständig zeigt. Die konkrete Zielsetzung dieser Ausstellungen ist die Information der interessierten Bürger über besondere Aspekte der Deutschlandpolitik und die Entwicklung im anderen Teil Deutschlands.Die jetzige Ausstellung, die bereits vor ihrer Eröffnung ein breites Echo fand, faßt noch einmal die Entwicklung der Deutschlandpolitik in den letzten zehn Jahren zusammen. Sie zeigt Ergebnisse und weiter bestehende Probleme auf. Vor allem aber soll sie den Besuchern die Möglichkeiten vor Augen führen, die durch die Vertragspolitik der Bundesregierung mit der DDR für jeden einzelnen geschaf-
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Parl. Staatssekretär Heroldfen werden konnten, um Kontakte und Bindungen mit den Menschen im anderen deutschen Staat herzustellen oder sie, wenn möglich, zu verbessern. Es ist beabsichtigt, die Ausstellung vorerst bis Dezember 1976 zu zeigen. Wir hoffen, daß sie mit ihrem ergänzenden Informationsangebot ein Platz für Diskussionen in vielen Städten sein wird und daß viele Bürger die Gelegenheit zu dieser Information auch nutzen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Kollege Herold, ist im Interesse der Zielsetzung sichergestellt worden, daß in dieser Ausstellung exakt darüber berichtet wird, in welchem Maße die Zahl der Selbstschußanlagen erhöht wurde, daß die Zahl der Minenfelder im Grenzgebiet vervielfacht worden ist und daß Zehntausende von DDR-Bürgern zu Geheimnisträgern erklärt wurden, damit sie keinen Kontakt zur Bundesrepublik mehr halten dürfen?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reddemann, ich weiß nicht, ob Sie die Ausstellung selbst einmal besucht haben. Ich habe das getan. Wir haben dort ein breites Angebot an Informationen für den Bürger gegeben. Ich glaube, die von Ihnen gewünschten Informationen über Mauer und Stacheldraht sind auf dieser Ausstellung genauso vertreten wie die Informationen über das, was sich an Positivem nach Abschluß der Verträge entwickelt hat.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann.
Herr Kollege Herold, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Ich wünsche Mauer und Stacheldraht natürlich nicht. Ich habe ganz konkret die Frage gestellt: Werden in der Ausstellung über die Tatbestände, die ich hier aufgeführt habe, exakte Informationen gegeben? Soweit ich die Sache übersehe, ist dies nicht der Fall.
Herold, Parl. Staatssekretär: Wie Sie die Sache übersehen, weiß ich nicht. Aber ich merke schon, daß Sie die Ausstellung nicht besucht haben.
Eine Darstellung über die Grenze und die Sperrmaßnahmen wird auch gegeben.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:
Ist beabsichtigt, die Großausstellung „Zehn Jahre Deutschlandpolitik", die in vielen deutschen Groß- und Mittelstädten bis zum 31. Oktober dieses Jahres gezeigt wird, auch in Berlin zu zeigen, und wenn nicht, aus welchen Gründen?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich beantworte die Frage des Kollegen Kunz wie folgt. Trotz anderslautender Presseberichte handelt es sich hier nicht um eine Großausstellung, sondern um einen Ausstellungsstand, wie er bereits in den vergangenen Jahren ständig benutzt wurde. Die Ausstellung soll daher wie bisher vorerst in mittelgroßen Städten gezeigt werden. Sollte das Interesse an diesem Stand weiterhin so rege sein wie bisher, werden in der weiteren Planung auch noch größere Städte berücksichtigt werden.
Für Berliner Betrachter wird vieles, was hier in Bildern und Statistiken gezeigt wird, aus eigener Anschauung und Erfahrung bekannt sein. Es ist daher beabsichtigt, den Stand in Berlin später mit einigen Änderungen und Ergänzungen für längere Zeit aufzubauen — möglichst an einem Platz, an dem vor allem die vielen Besucher Berlins eine Gelegenheit zur zusätzlichen Information und Anregung finden können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bitte sagen, nach welchen Kriterien die Städte ausgesucht wurden, die das Privileg haben, diese Ausstellung zu sehen?
Herold, Parl. Staatssekretär: Hier gibt es Erfahrungen derjenigen, die seit Jahren diese Ausstellungen in unserem Auftrag durchführen. Diese Städte haben seit Jahren Ausstellungen durchgeführt, und wir haben uns auf Grund der Erfahrungen und Analysen von Fachleuten wieder für diese Städte entschieden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich weiter davon ausgehen, daß die Ausstellung selbstverständlich auch in Berlin gezeigt würde, wenn Berlin sich an den Bundestagswahlen beteiligen könnte?
Herold, Parl. Staatssekretär: Ich möchte diese Unterstellung, Herr Kollege Kunz, als politisch unfair zurückweisen.
Eine letzte Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Pieser.
Herr Staatssekretär, da Sie soeben davon sprachen, es handele sich nicht um eine Großausstellung, sondern lediglich um einen Ausstellungsstand, frage ich Sie: Womit sind dann die relativ hohen Kosten in Höhe von 700 000 DM zu erklären?Herold, Parl. Staatssekretär: Sehr verehrte Frau Kollegin Pieser, ich weiß nicht, warum Sie, die Sie Berichterstatterin für unseren Haushalt sind, auf
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17266 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976
Parl. Staatssekretär Heroldeine Summe von 700 000 DM eingehen. Sie wissen genau, daß uns nur 300 000 DM für diese Gesamtaufgabe zur Verfügung stehen. Minister Franke hat bereits vor Wochen zu diesen Beträgen eindeutig Stellung genommen. Der Betrag, der für die Ausstellung mit allem Drum und Dran ausgegeben wird, macht höchstens 150 000 DM aus.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Reddemann auf:
Liegen der Bundesregierung Informationen vor, die die Angaben des Rechtsanwalts Stroebele bestätigen, daß die DDR- Regierung die Absicht hatte, die in Stammheim inhaftierten Anarchisten gegen Häftlinge der DDR-Justiz auszutauschen, weil Ulrike Meinhof in Ost-Berlin als Mitglied der illegalen KPD besonderes Ansehen genossen habe?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reddemann, Ihre Frage beantworte ich mit Nein.
Zusatzfrage.
Herr Kollege Herold, ist der Bundesregierung bekannt, daß Ulrike Meinhof Mitglied der illegalen KPD gewesen ist?
Herold, Parl. Staatssekretär: Das ist der Bundesregierung bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Kollege Herold, wie beurteilt die Bundesregierung dann die etwas merkwürdige Reaktion aus Ost-Berlin, daß sich Ost-Berlin zunächst — wie wir glaubten: aus ideologischen Gründen — sehr reserviert gegenüber der Baader-Meinhof-Bande gezeigt hat, aber nach dem Tod von Frau Meinhof plötzlich eine völlig andere Richtung in seiner Propaganda einschlug?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reddemann, ich habe das letztere nicht unbedingt zu beurteilen. Ich möchte Ihnen sagen: Wenn Sie von einer Zurückhaltung in den Äußerungen sprechen, die von der DDR-Seite im Zusammenhang mit den Baader-Meinhof-Leuten gemacht worden sind, dann stimme ich Ihnen nicht zu; denn die Meinungen von drüben waren doch in Kommentaren und Auslassungen des ZK oder von ZK-Mitgliedern eindeutig.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Straßmeir auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die DDR-Behörden dem katholischen Weihbischof des Erzbistums Paderborn, Nordhues, die Erlaubnis zu einer Privatreise in die DDR ohne Angabe von Gründen verweigert haben?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Straßmeir, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Selbstverständlich sind uns die Pressemitteilungen über die Verweigerung der Einreise des katholischen Weihbischofs des Erzbistums Paderborn, Dr. Nordhues, in die DDR bekannt. Mitteilungen von kirchlicher Seite oder seitens des Bischofs persönlich sind uns nicht zugegangen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Straßmeir.
Herr Staatssekretär, halten Sie es, wenn Sie diese Pressemeldungen für relevant halten, nicht für erforderlich, auch einmal Ihrerseits Kontakte herzustellen, um die Vorgänge im Zusammenhang mit der Zurückweisung aufzuhellen?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kolle Straßmeir, ich werde in der Beantwortung der anderen Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt wurden, auf Ihre Frage zurückkommen.
Wollen Sie jetzt noch eine Zusatzfrage stellen? — Nein. Dann rufe ich die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Straßmeir auf:
Sieht die Bundesregierung bei der Verweigerung einen Zusammenhang damit, daß Weihbischof Nordhues bis zum Jahr 1961 im Kirchenbezirk Magdeburg tätig war, der kirchenrechtlich zum Erzbistum Paderborn gehört?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Straßmeir, mir ist bekannt, daß Bischof Nordhues von 1957 bis 1961 Regens in Huysburg bei Halberstadt war. Ob dies in einem Zusammenhang mit der Einreiseverweigerung steht, kann auf jeden Fall nur vermutet werden.
Bei der sich logisch anschließenden Frage, ob die jetzige Tätigkeit von Bischhof Nordhues ausschlaggebend für die Einreiseverweigerung war, bin ich ebenfalls auf Vermutungen angewiesen. Das Verhalten zuständiger Stellen in der DDR deutet allerdings darauf hin, daß man dort auch nach der Einsetzung eines apostolischen Administrators in Magdeburg offensichtlich privaten Besuchsabsichten von kirchlichen Würdenträgern amtliche Absichten unterstellt.
Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesreigerung überhaupt Schritte unternommen, um im Kontakt mit dem bischöflichen Ordinariat einerseits oder mit den Behörden der DDR andererseits eine Begründung für die Zurückweisung zu erlangen?Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Straßmeir, es ist nicht notwendig — auf Grund der Verträge —, daß die DDR eine Begründung für eine Ablehnung gibt. In den anderen Fällen, die ich nachher im Zusammenhang mit der Frage des Abgeordneten Kunz nennen werde, haben wir eine Änderung der Entscheidungen versucht. Wir haben sie in den entsprechenden Gremien auch behandelt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976 17267
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung nicht die Auffassung, daß es sich bei dieser Zurückweisung des Bischofs um einen Fall handelt — sowohl rechtlicher wie auch kirchenpolitischer Natur —, der über das Individualinteresse des Bürgers Nordhues hinausgeht?
Herold, Parl. Staatssekretär: Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen: es ist hier nicht von einer Zurückweisung die Rede, sondern man muß von einer Ablehnung einer Aufenthaltsgenehmigung sprechen.
Wir haben in anderen Fällen versucht, unsere Möglichkeiten doch auszuschöpfen. Es wurde uns in den entsprechenden Gesprächen kein Entgegenkommen gezeigt.
Ich rufe die nächste Frage, Frage Nr. 41, des Abgeordneten Kunz auf:
Welche Fälle der Verweigerung der Besuchserlaubnis für kirchliche Würdenträger durch die DDR haben sich nach Abschluß des Grundlagenvertrags ereignet?
Herr Staatssekretär.
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kunz, die Bundesregierung ist bei der Registrierung derartiger Fälle auf die Informationen der Betroffenen angewiesen. Da nicht davon ausgegangen werden kann, daß jeder Fall der Bundesregierung vorgelegt wird, können Aufstellungen nicht vollständig sein. Mir sind folgende Einreiseverweigerungen bekannt. Erstens. Generalsuperintendent Hans Martin Helbich. Dazu habe ich in der Fragestunde am 25. September 1974 Ausführungen gemacht. Zweitens. Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt. Hierzu habe ich in den Fragestunden am 7. November 1974 und am 18. April 1975 Ausführungen gemacht. Drittens. Bischof Heinrich Janssen, der ebenfalls keine Einreiseerlaubnis bekommen hat. Ich habe dazu am 11. Juni 1975 Stellung genommen. Das sind die uns bekannten Fälle.
Sie Nahen keine weitere Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Böhm.
Herr Staatssekretär, da Sie soeben gesagt haben, daß Ihnen nicht alle solche Fälle bekannt werden, frage ich: würden Sie mir darin zustimmen, daß es richtig wäre, die umfangreichen Mittel für Öffentlichkeitsarbeit, die Ihrem Hause zur Verfügung stehen, dafür einzusetzen, die Bürger unseres Landes aufzufordern, alle solche Schwierigkeiten der Bundesregierung mitzuteilen?
Herr Abgeordneter Böhm, ich lasse diese Zusatzfrage nicht zu.
Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß in der Frage der Einreiseerlaubnis für kirchliche Amtsträger seit den Beschlüssen von Helsinki im letzten Sommer eine neue Situation dadurch entstanden ist, daß in Ziffer 1 Buchstabe d des dritten Korbes die Unterzeichnerstaaten dieser Vereinbarung sich ausdrücklich verpflichtet haben, daß die Vertreter religiöser Bekenntnisse, Institutionen und Organisationen zu Treffen untereinander und zu Kontakten ihre Länder bereisen können?
Herold, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Auffassung, daß es eine moralische Verpflichtung gibt; es gibt aber keinen Rechtsanspruch.
Ich rufe die nächste Frage, Frage 42, der Abgeordneten Frau Pieser auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um Weihbischof Nordhues wie jedem anderen Bundesbürger die Einreise in der DDR zu ermöglichen?
Herr Staatssekretär.
Herold, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Pieser, jeder Fall von Einreiseverweigerung, der der Bundesregierung vorgelegt wird, wird geprüft, und alle gegebenen Möglichkeiten werden genutzt, um Abhilfe zu schaffen. Bischof Nordhues hat sich bisher nicht an die Bundesregierung gewandt. Dieser Fall wird aber unabhängig davon im nächsten Gespräch mitbehandelt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die nächste Frage, Frage 43, des Abgeordneten Jäger auf:Auf welche der Einzelpunkte im III. Korb der Schlußakte von Helsinki bezieht sich die Aussage der Bundesregierung in ihrer Antwort auf meine schriftliche Anfrage vom 27. April 1976, daß die Bundesregierung „in der Vergangenheit . . ., gestützt auf die bilateralen Vereinbarungen mit der DDR, jede sich ihr bietende Möglichkeit" benutzt habe, „um zu Verbesserungen für die Menschen in beiden deutschen Staaten zu gelangen", oder bedeutet diese Antwort, daß sich die Bundesregierung in den Gesprächen mit der DDR über menschliche Erleichterungen überhaupt nicht auf die Schlußakte von Helsinki stützt, weil diese Vereinbarungen nicht bilateral zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR abgeschlossen sind?Herr Staatssekretär.Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident! Herr Kollege Jäger, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Aussage der Bundesregierung vom 27. April 1976 bezieht sich im besonderen, aber nicht ausschließlich auf die Einzelpunkte „menschliche Kontakte", „Information", „Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Kultur" und hierbei vor allem auf die Problemkreise „Kontakte und regelmäßige Begegnungen auf der Grundlage familiärer Bindungen", „Familienzusammenführung", „Reisen aus persönlichen und beruflichen Gründen", „Verbesserungen der Bedingungen für den Tourismus", „Sport", „Erweiterung der Kontakte", „Verbesserung der Verbreitung von, des Zugangs zu und des Austauschs von Informationen", „Erweiterung der Beziehungen", „Austausch und Verbreitung von Publikationen", „Kontakte und Zusammenarbeit".
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17268 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976
Parl. Staatssekretär HeroldIndessen ist — das ist Ihnen bekannt — die Schlußakte von Helsinki kein multilateraler Vertrag völkerrechtlichen Charakters, sondern eine politischmoralische Absichtserklärung, die, obwohl sie wichtige Grundsätze des staatlichen Zusammenlebens der Völker Europas ethisch verankert, keine einklagbaren Verpflichtungen der Unterzeichnerstaaten begründet. Aus diesem Grunde legt die Bundesregierung besonderen Wert auf die Feststellung, daß bei der Regelung der besonderen Beziehungen, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bestehen, der zwischen den beiden deutschen Staaten abgeschlossene Grundlagenvertrag die Basis für die Ausfüllung des rechtlichen Rahmens ist.Die Realisierung der Grundsätze der Schlußakte von Helsinki wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die Bundesregierung ist dabei der Auffassung, daß hinter die in Helsinki formulierten Prinzipien nicht zurückgegangen werden sollte. Dies gilt auch unbeschadet der besonderen Vereinbarungen und Bemühungen im innerdeutschen Bereich.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in welchen der von Ihnen aufgeführten Punkte des dritten Korbes der Schlußakte von Helsinki hat die DDR in den Gesprächen, über die Sie berichten, erkennen lassen, daß sie bereit wäre, menschliche Erleichterungen über den im Grundlagenvertrag beschlossenen Rahmen hinaus zu gewähren, wie sie in Helsinki vorgesehen worden sind?
Herold, Parl. Staatssekretär: Ich habe bereits bei Ihrer letzten Frage gesagt, daß es sich hier um Absichtserklärungen handelt. Diese Feststellung habe ich Ihnen gegenüber in diesem Hause schon mindestens zwanzig- bis dreißigmal gemacht. Aber das schadet ja nichts; man kann es ja immer noch einmal betonen. Unsere Basis sind der Grundlagenvertrag und die Folgeverträge. Sie können wohl nicht bestreiten, daß im Zusammenhang mit diesem Vertrag hinsichtlich der Absichtserklärungen im Korb 3 der Abmachungen von Helsinki doch große Fortschritte gemacht worden sind.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär. da die Bundesregierung die Bedeutung dieses Korbes 3 als gewichtige politisch-moralische Erklärung immer wieder hervorhebt, möchte ich Sie fragen: Muß ich aus der Antwort, die Sie mir gerade soeben gegeben haben, schließen, daß die DDR bisher keinerlei Bereitschaft gezeigt hat, auf die dort vereinbarten Erleichterungen einzugehen, soweit sie über das hinausgehen, was in den Zusatzprotokollen zum Grundlagenvertrag steht?
Herold, Parl. Staatssekretär: Das können Sie keinesfalls daraus schließen; denn Sie wissen, daß die
Verhandlungen gerade im Bereich der Kontaktaufnahme, des zusätzlichen Ausbaus der Verkehrswege usw. über das hinausgehen, was wir im Grundlagenvertrag verabredet haben.
Ich lasse noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka zu, bevor ich dann wegen des Zeitablaufs der Fragestunde die weitere Frage des Herrn Abgeordneten Jäger aufrufe.
Herr Staatssekretär, nachdem die KSZE-Schlußakte vor zehn Monaten unterzeichnet worden ist, möchte ich fragen, ob die Bundesregierung nun irgendwelche Erfahrungen besitzt, ob die DDR-Regierung überhaupt die Absicht hat, diese moralisch-politischen Erklärungen etwa bezüglich der Familienzusammenführung im Korb 3 der KSZE zu befolgen.
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hupka, wenn ich mir die Ergebnisse dieses Jahres im Zusammenhang mit Familienzusammenführung usw. anschaue, dann muß ich sagen, daß daraus zu erkennen ist, daß die DDR sie auch ernst nimmt.
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Bedeutet die Aussage der Bundesregierung in ihrer Antwort auf meine in Frage 43 bezeichnete schriftliche Anfrage, „daß es erst im Jahr 1977 in Belgrad möglich sein wird, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen", daß die seit der Schlußakte von Helsinki von der Bundesregierung gegebenenfalls unternommenen Anstrengungen, die menschlichen Erleichterungen in Korb III dieser Schlußakte in die Wirklichkeit umzusetzen, gegenwärtig für eine erste Zwischenbilanz noch nicht ausreichen?
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich beantworte Ihre Frage mit Nein. Diesen Schluß können Sie daraus nicht ziehen. Die Teilnehmer der KSZE sind übereingekommen, daß im Jahre 1977 in Belgrad ein erster Zwischenbericht über die Verwirklichung der KSZE erstattet werden soll. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, diesen Dingen vorzugreifen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie nun in der Beantwortung der vorangegangenen Frage nicht einen einzigen Punkt bezeichnen konnten, in dem es auch nur
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Zusatzfrage ganz konkret, ohne weitere Erläuterungen, stellten.
Ich versuche, das zu tun, Herr Präsident.Nachdem keine klare Haltung der DDR im Sinne einer Zusage erkennbar ist, frage ich Sie: Wie kann die Bundesregierung diese Bilanz im Augen-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Mai 1976 17269
Jäger
blick anders bezeichnen, als ich es hier mit meiner Fragestellung getan habe?Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich bedaure außerordentlich, daß Sie mir Fragen von nur allgemeiner Art stellen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die nächste Fragestunde dazu benutzen, mir Fragen konkret zu stellen. Dann werde ich Ihnen die entsprechenden Bilanzen hier vor dem Hohen Hause vorlegen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie mich um konkrete Fragen bitten, möchte ich von Ihnen gern wissen, wann die Bundesregierung eine erste Zwischenbilanz dieser zahlreichen Gespräche mit der DDR vorlegen wird, aus denen sich ergibt, in welchen Punkten der KSZE- Schlußakte — Korb 3 — die DDR bereit ist, jetzt auf die von ihr darin unterschriebenen Verpflichtungen konkret einzugehen.
Herold, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, es ist vereinbart, daß 1977 in Belgrad eine sogenannte Zwischenbilanz in Form eines Zwischenberichts erfolgt. Wie ich Ihnen auch schon sagen durfte und jetzt zum x-ten Male wiederhole, bereitet die Bundesregierung diese Konferenz sorgfältig vor. Das Material wird aus allen Bereichen zusammengestellt.
Herr Abgeordneter Straßmeir, wollen Sie Ihre Zusatzfrage noch stellen? — Nicht mehr. Danke.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Die Fragen 58, 72 und 73 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die übrigen nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende unserer Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 20. Mai 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.