Protokoll:
7174

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 174

  • date_rangeDatum: 23. Mai 1975

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 10:36 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 174. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Inhalt: Erklärung zum Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes . . . . . . . . . 12179 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 12179 D Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 12180 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Mitteilung der Kommission an den Rat über die weitere Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik — Drucksachen 7/1472, 7/3564 — Mursch (Soltau-Harburg) CDU/CSU . . 12180 D Seefeld SPD 12184 B Geldner FDP 12186 C Wehner SPD 12187 D Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . 12188 A Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter — Drucksache 7/3550 — Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 12189 C Dürr SPD . . . . . . . . . . . . 12191 D Kleinert FDP . . . . . . . . . . 12192 C Nächste Sitzung 12194 C Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12195* A Anlage 2 Wiederherstellung des Präferenzgefälles zugunsten des Zonenrandgebiets; Verlängerung der Frist zur Gewährung der konjunkturpolitischen Investitionszulage für Investoren des Zonenrandgebiets MdlAnfr A48 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU MdlAnfr A49 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 12195* D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Anlage 3 Überdeckung der Titelblätter der „Informationsschriften" der Bundesministerien und des Bundespresseamtes durch Aufkleber von Vereinen, Verbänden und Parteien SchrAnfr B3 15.05.75 Drs 07/3630 Schröder (Lüneburg) CDU/CSU SchrAntw StellvCh Dr. Liebrecht BPA . . 12196* A Anlage 4 Entlassungen beim Sender „Freies Europa" in München SchrAnfr B4 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU SchrAntw StMin Moersch AA . . . . . 12196* B Anlage 5 Zahl der aktiven Sympathisanten der Linksterroristen und Zahl der überprüften „Personen aus dem Umfeld der Terroristen" SchrAnfr B5 15.05.75 Drs 07/3630 Niegel CDU/CSU SchrAnfr B6 15.05.75 Drs 07/3630 Niegel CDU/CSU SchrAntw BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer BMI 12196* B Anlage 6 Vergiftung des Ginsheimer Altrheins im Landkreis Groß-Gerau SchrAnfr B7 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 12196* D Anlage 7 Forderungen der DDR für die künftige Nutzung der Eckertalsperre SchrAnfr B8 15.05.75 Drs 07/3630 Gierenstein CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 12197* A Anlage 8 Stand der Gesetzgebung zur Beseitigung der Nachteile der Heimkehrer in der Rentenversicherung; Abschluß des Kriegsgefangenengesetzes SchrAnfr B9 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 12197* B Anlage 9 Zahl der angeklagten NS-Verbrecher nach dem Inkrafttreten des Abkommens vom 2. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich SchrAnfr B10 15.05.75 Drs 07/3630 Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 12198*A Anlage 10 Besetzung leitender Posten bei Landesbanken mit hohen Beamten, insbesondere Berufung des Staatsrats Klaus Franzen als Stellvertreter des Vorstands der Bremer Landesbank SchrAnfr B11 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Graf Lambsdorff FDP SchrAntw PStSekr Haehser BMF . . . . 12198*B Anlage 11 Forderung des bayerischen Städteverbandes nach Ausweitung des Entscheidungsspielraums der Städte und Gemeinden bei der Vorbereitung künftiger Konjunkturprogramme auch durch Erweiterung des Förderkataloges SchrAnfr B12 15.05.75 Drs 07/3630 Zebisch SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 12198* C Anlage 12 Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der Industrie- und Handelskammer Braunschweig zur Sicherung einer ausgeglicheneren Beschäftigung; Konditionen für die Förderung der Neueinrichtung und Erweiterung von Betrieben im Zonenrandgebiet SchrAnfr B13 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU SchrAnfr B14 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Jahn (Braunschweig) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 12199*A Anlage 13 Vertreter der Prognose eines gegenwärtigen konjunkturellen Aufschwungs SchrAnfr B15 15.05.75 Drs 07/3630 Höcherl CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 12199* B Anlage 14 Rechtfertigung des Besuchs des Bundeswirtschaftsministers in Libyen angesichts der Unterstützung der Urheber von Terroranschlägen auf Deutschland durch die libysche Regierung SchrAnfr B16 15.05.75 Drs 07/3630 Gierenstein CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Schlecht BMWi . . . 12199* D Anlage 15 Beurteilung staatlicher Förderungsmaßnah- men für ein britisches Automobil- und Landmaschinenunternehmen angesichts der Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 III internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen SchrAnfr B17 15.05.75 Drs 07/3630 Ey CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . . 12199* D Anlage 16 Berücksichtigung des Dispositionsspielraumes der Ölmühlenindustrie beim Rapseinkauf in den Verhandlungen über Qualitätsraps in Brüssel; Verunsicherung des Milchmarktes und Anstieg der Magermilchpulver-Interventionsmengen durch Beschlüsse des Ministerrats der Kommission der EG SchrAnfr B18 15.05.75 Drs 07/3630 Eigen CDU/CSU SchrAnfr B19 15.05.75 Drs 07/3630 Eigen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Logemann BML . . . 12200* A Anlage 17 Minderung bisher gewährter Versorgungsbezüge durch die Neufassung der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG SchrAnfr B20 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Wernitz SPD SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 12200* C Anlage 18 Anzahl der Sozialhilfe beziehenden Volljuristen SchrAnfr B21 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Wolters BMJFG . . 12200* D Anlage 19 Zweigleisiger Ausbau und Elektrifizierung der Bundesbahnstrecke Nürnberg—Furth im Walde SchrAnfr B22 15.05.75 Drs 07/3630 Zebisch SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 12201*A Anlage 20 Ausschilderung der Verkehrssender an Bundesautobahnen und Bundesstraßen anläßlich der Einteilung des Bundesgebietes in Verkehrsbereiche SchrAnfr B23 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Evers CDU/CSU SchrAnfr B24 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Evers CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 12201 * B Anlage 21 Transportkosten für humanitäre Hilfssendungen auf dem Luftwege; Möglichkeiten der Kostenverringerung durch internationale Vereinbarungen über den Einsatz von Transportmaschinen SchrAnfr B25 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Schmitt-Vockenhausen SPD SchrAntw PStSekr Haar BMV 12201 * C Anlage 22 Instandsetzung der Eisenbahnbrücke bei Hackelstein zur Aufrechterhaltung des Zugverkehrs Passau—Waldkirchen—Freyung SchrAnfr B26 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Fuchs CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 12201 * D Anlage 23 Bau einer Gemeindeverbindungsstraße in Oberstdorf auf einer der möglichen Trassen der B 19 SchrAnfr B27 15.05.75 Drs 07/3630 Kiechle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV 12202* A Anlage 24 Vorschläge der Verkehrswacht Ansbach zur Verbesserung des Schutzes der Fußgänger auf nächtlichen Straßen SchrAnfr B28 15.05.75 Drs 07/3630 Spranger CDU/CSU SchrAnfr B29 15.05.75 Drs 07/3630 Spranger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 12202* B Anlage 25 Neubau der Bundesautobahn zwischen Salzgitter-Salder und Westerlinde; Baubeginn und Fertigstellung der Umgehung Bad Gandersheim im Zuge der B 64 SchrAnfr B30 15.05.75 Drs 07/3630 Sauer (Salzgitter) CDU/CSU SchrAnfr B31 15.05.75 Drs 07/3630 Sauer (Salzgitter) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMV . . . . . 12203* A Anlage 26 Schaffung eines einheitlichen Telefonnetzes und Erstellung eines amtlichen Telefonbuches für Hamm SchrAnfr B32 15.05.75 Drs 07/3630 Krampe CDU/CSU SchrAnfr B33 15.05.75 Drs 07/3630 Krampe CDU/CSU SchrAntw PStSekr Haar BMP . . . . . 12203* B IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Anlage 27 Erstattung von und Vorschüsse für Aufwendungen von Schallschutzmaßnahmen nach § 9 Abs. 4 des Fluglärmgesetzes; Preisrückgang bei Schallnutzelementen für Wohngebäude SchrAnfr B34 15.05.75 Drs 07/3630 Milz CDU/CSU SchrAnfr B35 15.05.75 Drs 07/3630 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 12203*D Anlage 28 Informationen für Krankenhäuser und Ärzte über Antragsformulierungen an DDR-Behörden für Ausreisegenehmigungen zu Krankenbesuchen in der Bundesrepublik Deutschland SchrAnfr B36 15.05.75 Drs 07/3630 Amling SPD SchrAntw PStSekr Herold BMB . . . . 12204*A Anlage 29 Inbesitznahme von Vermögenswerten in der DDR und Ost-Berlin durch Bundesbürger; Möglichkeiten für Ersatzleistungen der Bundesregierung anstelle einer Realentschädigung SchrAnfr B37 15.05.75 Drs 07/3630 Röhner CDU/CSU SchrAnfr B38 15.05.75 Drs 07/3630 Röhner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Herold BMB . . . . 12204* B Anlage 30 Gesamtzahl, Funktion und Herkunft der Berater des Bundesministeriums für Forschung und Technologie SchrAnfr B39 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU SchrAnfr B40 15.05.75 Drs 07/3630 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU SchrAntw BMin Matthöfer BMFT . . . . 12205* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 12179 174. Sitzung Bonn, den 23. Mai 1975 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 23. 5. Adams * 23. 5. Dr. Aigner * 23. 5. Dr. Artzinger * 23. 5. Dr. Barzel 23. 5. Behrendt * 23. 5. Berger 23. 5. Dr. Birrenbach 23. 5. Blumenfeld 23. 5. Frau von Bothmer 23. 5. Buchstaller 23. 5. Dr. Burgbacher * 23. 5. Dr. Corterier 23. 5. Damm 23. 5. van Delden 23. 5. Dr. Dregger 6. 6. Egert 23. 5. Dr. Eyrich 23. 5. Frau Eilers (Bielefeld) 23. 5. Dr. Enders 23. 5. Engelsberger 23. 5. Dr. Eppler 23. 5. Dr. Erhard 23. 5. Dr. Evers 23. 5. Fellermaier * 23. 5. Flämig *23. 5. Frehsee * 23. 5. Dr. Früh * 23. 5. Gerlach (Emsland) * 23. 5. Dr. Geßner 23. 5. Gewandt 23. 5. Frau Grützmann 23. 5. Handlos 23. 5. von Hassel 23. 5. Hauck 23. 5. Heyen 23. 5. Hölscher 23. 5. Frau Huber 23. 5. Dr. Hupka 23. 5. Kater 31.5. Dr. Kempfler 23. 5. Dr. h. c. Kiesinger 23. 5. Dr. Klepsch 23. 5. Krall 23. 5. Krampe 24. 5. Dr. Kreile 23. 5. Kroll-Schlüter 23. 5. Dr. Graf Lambsdorff 23. 5. Lange * 23. 5. Lautenschlager * 23. 5. Lücker * 24. 5. Mattick 23. 5. Maucher 23. 5: Memmel * 23. 5. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Metzger 23. 5. Müller (Mülheim) * 23. 5. Dr. Müller (München) " 23. 5. Dr. Müller-Emmert 23. 5. Neumann 23. 5. Frau Dr. Orth * 23. 5. Frau Pack 23. 5. Pawelczyk 23. 5. Picard 23. 5. Porzner 23. 5. Rappe (Hildesheim) 23. 5. Richter 23. 5. Frau Dr. Riedel-Martiny 23. 5. Dr. Ritgen 21. 6. Dr. Schäuble 23. 5. Dr. Schellenberg 23. 5. Schirmer 23. 5. Schmidt (Kempten) 23. 5. Schmidt (München) * 23. 5. von Schoeler 23. 5. Frau Schroeder (Detmold) 23. 5. Dr. Schulz (Berlin) 6. 6. Dr. Schulze-Vorberg 23. 5. Dr. Schwencke ** 23. 5. Dr. Schwörer * 23. 5. Springorum * 23. 5. Dr. Starke (Franken) * 23. 5. Strauß 23. 5. Suck * 23. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 23. 5. Dr. Waigel 23. 5. Walkhoff * 23. 5. Weber (Heidelberg) 23. 5. Wende 23. 5. Wohlrabe 23. 5. Zywietz 7. 6. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen A 48 und 49) : Ist die Bundesregierung bereit, das Präferenzgefälle bei der Förderung des Zonenrandgebiets zu anderen Gebieten entgegen den Vorstellungen des 4. Rahmenplans wiederherzustellen? Ist die Bundesregierung bereit, die Frist für die Gewährung der konjunkturpolitischen Investitionszulage zur Förderung von Investitionen im Zonenrandgebiet für Investoren des Zonenrandgebiets zu verlängern? Zu Frage A 48: Die Bundesregierung sieht dazu keinen Anlaß. Denn auch im 4. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist - wie bisher - die bevorzugte Förderung des Zonenrandgebietes verankert. 12196' Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Zu Frage A 49: Bereits während der Beratung des Konjunkturprogramms bestand in den gesetzgebenden Körperschaften Übereinstimmung darüber, daß die konjunkturpolitische Investitionszulage nicht regional differenziert werden sollte. Die Bundesregierung hält an dieser Auffassung fest. Da sie eine allgemeine Verlängerung der Frist für die Bestellung bzw. den Beginn der Herstellung der begünstigten Investitionsgüter nicht für zweckmäßig hält, ist auch eine Verlängerung für Investitionen im Zonenrandgebiet nicht beabsichtigt. Anlage 3 Antwort des Stellvertretenden Chefs des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Dr. Liebrecht auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 3) : Hält es die Bundesregierung für richtig, daß die sogenannten „Informationsschriften" und Broschüren der einzelnen Bundesministerien und des Bundespresseamts auf den Titelblättern mit Aufklebern von Verbänden, Organisationen und Parteien jeglicher Art partiell überdeckt werden und damit bei den Bürgern der Eindruck entsteht, als ob diese Institutionen die Herausgeber der entsprechenden Schriften sind? Der Bundesregierung sind Fälle, in denen Parteien, Organisationen oder Verbände durch Aufkleber auf Informationsschriften der Bundesregierung den Eindruck erweckt haben, daß sie selbst Herausgeber der Schriften seien, nicht bekannt. Durch Anheften von Visitenkarten oder partielles Verdecken durch Aufkleber ist die Gefahr, daß die Bundesregierung als Herausgeber der Informationsschriften nicht mehr erkennbar ist, auch nicht gegeben. Anlage 4 Antwort des Staatsministes Moersch auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 4) : Sind Entlassungen bei dem Sender „Freies Europa" in München auf ausländische Interventionen zurückzuführen? Die Bundesregierung ist über Pläne und Erwägungen der amerikanischen Verwaltung des Senders „Freies Europa", auf die sich die Pressemeldungen über geplante Entlassungen beziehen, nicht unterrichtet. Anlage 5 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Niegel (CDU/ CSU) (Drucksache 7/3660 Fragen B 5 und 6) : Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl der aktiven Sympathisanten der Linksterroristen unter Berücksichtigung der Tatsache, daß bei der gewalttätigen Sympathiedemonstration in Berlin im November vergangenen Jahres nach Presseberichten 10 000 Personen teilnahmen? Wie groß ist die Zahl der überprüften „Personen aus dem weiteren Umfeld der Terroristen", von denen nach Mitteilung des Bundesinnenministers über 10 % angeben, ihre Personalausweise verloren zu haben? Zu Frage B 5: Nach Auffassung der Bundesregierung gehören zu den Sympathisanten solche Personen, die vorbereitende, unterstützende oder begünstigende Aktivitäten — wenn auch nur gelegentlich — entfalten. Da Sie in Ihrer Frage den Begriff der „aktiven Sympathisanten" verwenden, gehe ich davon aus, daß Sie den gleichen Personenkreis meinen. Dieser Kreis der gelegentlichen Unterstützer oder Begünstiger von anarchistischen Gewalttätern wird auf 200 bis 300 Köpfe geschätzt. Die Tatsache, daß im November 1974 ca. 10 000 Menschen an einer Demonstration in Berlin nach dem Tode von Holger Meins teilgenommen haben, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Motive für die Teilnahme an solchen Ad-hoc-Veranstaltungen können vielfältig sein. Die bloße Beteiligung an ihnen rechtfertigt ebenso wenig wie gelegentliche, rein verbale Bekundungen von Verständnis für die angeblich politischen Ziele von Terroristen die Bewertung, es handele sich um einen Sympathisanten in dem vorstehend dargestellten Sinne. Zu Frage B 6: Es trifft zu, daß die Polizeibehörden des Bundes und der Länder Überprüfungen bestimmter Personen aus dem weiteren Umfeld der Terroristen durchgeführt haben und daß dabei über 10 % angetroffen worden sind, die angeblich ihre Personalausweise verloren hatten. Ich darf Sie jedoch um Ihr Verständnis dafür bitten, daß ich Ihnen die Zahl der überprüften Personen aus polizeitaktischen Gründen nicht mitteilen kann. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. SchmittVockenhausen (SPD) (Drucksache 7/3630 Frage B 7) : Trifft es zu, daß der im Gebiet des Landkreises Groß-Gerau gelegene Ginsheimer Altrhein das „giftigste Gewässer" der Bundesrepublik Deutschland ist, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, gegebenenfalls zugunsten der Bevölkerung Abhilfe für die betroffene Bevölkerung zu schaffen? Es ist mir bekannt, daß der Ginsheimer Altrhein zu den stark verunreinigten Gewässern gehört und bei seinen Bodenschlämmen hohe Konzentrationen an Schwermetallen festgestellt wurden. Stark verunreinigte Bodenschlämme sind im übrigen aber nicht unbedingt ein Kriterium für den gegenwärtigen Zustand, da sie von lange zurückliegenden Gewässerverunreinigungen herrühren können. Aus der Presse ist mir bekannt, daß der Landrat des Kreises Groß-Gerau in dieser Sache eine An- frage an den in Hessen für den Gewässerschutz zuständigen Minister für Landwirtschaft und Umwelt gerichtet hat. Dieser hat gegenüber der zuständigen Oberen Wasserbehörde, dem Regierungspräsidenten in Darmstadt, veranlaßt, daß alle erforderlichen Untersuchungen kurzfristig durchgeführt und die notwendigen Maßnahmen zur Sanierung möglichst bald abgeschlossen werden. Dabei hat sich allerdings bereits gezeigt, daß Schwermetalle im Flußwasser des Ginsheimer Altrheins nicht meßbar sind, derzeit also — wenn überhaupt — nur in sehr niedrigen Konzentrationen vorkommen. Bei Untersuchung der dortigen Bodenschlämme ist im übrigen festgestellt worden, daß die Schwermetalle nur schwer löslich sind, eine sachgemäße Deponierung der Schlämme also als unbedenklich anzusehen ist. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gierenstein (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 8) : Treffen Meldungen zu, Ost-Berlin fordere für die künftige Nutzung der Eckertalsperre die jährliche Zahlung einer „siebenstelligen Summe"? Die Meldungen treffen nicht zu. Die Behauptungen, auf die sich die Frage bezieht, sind in Zeitungsartikeln — „Die Welt" vom 13. 5. 1975 und „FAZ" vom 14. 5. 1975 — aufgestellt worden. Sie enthielten Spekulationen über die in der Grenzkommission geführten Erörterungen und eine Reihe weiterer unrichtiger Darstellungen. Auch spekulative Meldungen dieser Art können kein Anlaß dafür sein, die in unserem eigenen Interesse gebotene Vertraulichkeit der Gespräche und Verhandlungen mit der DDR nicht mehr zu wahren. In einer Presseunterrichtung, die vom Bundesministerium des Innern und vom Niedersächsischen Ministerium des Innern gemeinsam am 7. Mai 1975 auch den o. a. Presseorganen zugeleitet wurde, sind die Informationen zusammengefaßt, die zum Fragenkomplex der Eckertalsperre und dem verwandten Problem der Wasserversorgung der Stadt Duderstadt zum damaligen Zeitpunkt gegeben werden konnten. Eine Ergänzung ergibt sich aus der vereinbarten Mitteilung der Grenzkommission vom 15. Mai 1975. Abschließend darf ich auf die wiederholte Bereitschaft der Bundesregierung hinweisen, die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages in vertraulicher Sitzung auch über die Einzelheiten der Gespräche in der Grenzkommission zu unterrichten, deren öffentliche Behandlung den Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht zuträglich sein könnte. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 9) : Unterstützt die Bundesregierung die seit 1973 vorliegenden Gesetzentwürfe zur Beseitigung der Nachteile der Heimkehrer in der gesetzlichen Rentenversicherung und für einen gerechten Abschluß des Kriegsgefangenengesetzes, und wenn ja, worin liegen die Hindernisse für eine Verwirklichung bzw. bis wann ist mit dem Inkrafttreten zu rechnen? Ihre Frage beantworte ich — hinsichtlich der ersten Teilfrage (Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung) im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung — wie folgt: Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht über die Beseitigung etwaiger Nachteile in der Rentenversicherung bei Personen mit langen Zeiten des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft (BT-Drucksache 7/3054) dargelegt, in welcher Beziehung diesen Personen Nachteile in der Rentenversicherung entstehen können. Sie hat in diesem Bericht auch aufgezeigt, in welchen Fällen und wie derartige Nachteile vermieden werden könnten. Darauf darf ich verweisen. Ob und in welchem Umfang die zur Vermeidung von möglichen Nachteilen aufgezeigten Maßnahmen verwirklicht werden können, hängt vorwiegend von den finanziellen Möglichkeiten der Rentenversicherungen ab, die, wie Sie Herr Kollege, wissen, nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung sehr begrenzt sind. Der vorliegende Gesetzentwurf, der z. B. eine Herabsetzung der Altersgrenze speziell für Heimkehrer anstrebt, überfordert zweifellos diese finanziellen Möglichkeiten. Die Maßnahmen, die verwirklicht werden können, bedürfen daher einer sehr sorgfältigen Prüfung. Hinsichtlich des Abschlusses der Kriegsgefangenenentschädigung muß ich Ihnen bei allem Verständnis für die Belange der Heimkehrer folgendes mitteilen: Das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz kann nicht unabhängig von den übrigen Kriegsfolgegesetzen einschließlich der Gesetzgebung auf dem Gebiet der Wiedergutmachung, den hierzu insgesamt erhobenen Forderungen, deren finanziellen Auswirkungen und den dem Staate sonst obliegenden Aufgaben und Verpflichtungen gesehen werden. Aus diesem Grunde hatte der Innenausschuß des Deutschen Bundestages die Bundesregierung um einen Bericht ersucht. Die Bundesregierung hat darin zum Ausdruck gebracht, daß die finanzielle Leistungsfähigkeit unseres Volkes eine alle befriedigende Abschlußgesetzgebung im Bereich der Kriegsfolgengesetze nicht zuläßt. Die Bundesregierung hielt es deshalb für geboten, die Grenzen des Möglichen aufzuzeigen, damit nicht weiterhin Hoffnungen auf Befriedigung unerfüllbarer Forderungen genährt werden. Dabei ist besonders darauf hingewiesen worden, daß die Bundesrepublik Deutschland bis Ende 1973 für die Kriegsfolgengesetze nach bisherigem Recht Leistungen von rd. 220 Milliarden DM aufgebracht hat; sie wird darüber hinaus künftig schätzungsweise noch mindestens mit 174 Milliarden DM belastet werden. Diese Belastungen können, auch angesichts der stabilitätspolitischen Erfordernisse, nicht mehr erheblich größer werden. Die Auffassung der Bundesregierung hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 17. Mai 1974 noch einmal bekräftigt. 12198* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Das schließt nicht aus, auftretende Härten zu mildern. Ich verweise insofern auf die Entschließung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 27. März 1974, wodurch die Bundesregierung u. a. ersucht wird, über die Erfahrungen mit und die Leistungen aus der Heimkehrerstiftung (§§ 44 ff. KgfEG) zu berichten. Ich gehe davon aus, daß die in parlamentarischer Beratung befindliche 6. Novelle zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (Initiativantrag) diese Erfahrungen berücksichtigen wird. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 10): Wieviel Anklagen sind nach dem Wirksamwerden des Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der französischen Republik über die deutsche Gerichtsbarkeit für die Verfolgung bestimmter Verbrechen erhoben worden? Mir ist bislang kein Fall bekanntgeworden, in dem es aufgrund des am 15. April 1975 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die deutsche Gerichtsbarkeit für die Verfolgung bestimmter Verbrechen vom 2. Februar 1971 zur Anklageerhebung gekommen ist. Zuständig wären in den in Betracht kommenden Fällen die Staatsanwaltschaften der Länder. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff (FDP) (Drucksache 7/3630 Frage B 11) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß trotz der Bedenken des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen hohe Beamte ohne eine besondere Qualifikation für ein derartiges Amt in die Leitung von Landesbanken wechseln, insbesondere den Fall des Bremer Staatsrats Klaus Franzen, der nach Pressemeldungen sein Amt als Leiter der Staatskanzlei verläßt, um das Amt des „Stellvertreters des Vorstands" der Bremer Landesbank zu übernehmen, das erst auf Grund der Intervention des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen neu geschaffen wurde, weil dieses Franzen auf Grund der fehlenden Bankenerfahrung nicht als stimmberechtigtes Vollmitglied im Vorstand sehen wollte? Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen schreitet ein, wenn ein Kreditinstitut eine fachlich ungeeignete Person zum Geschäftsleiter bestellen will oder bestellt hat. Das gilt sowohl für private wie öffentlich-rechtliche Kreditinstitute. Die Verantwortung für die fachliche Qualität eines Mitarbeiters in einem Kreditinstitut, der nicht Geschäftsleiter ist, obliegt allein der oder den anstellenden Personen. In dem von Ihnen angesprochenen Fall erfolgte keine Ernennung zum Geschäftsleiter im Sinne von § i Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen, so daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen insoweit kein Prüfungsrecht hat. Anlage 11 Antwort des Parl. Statssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/3630 Frage B 12) : Wird die Bundesregierung die Forderung des bayerischen Städteverbands berücksichtigen und bei der Vorbereitung künftiger Konjunkturprogramme den Entscheidungsspielraum der Städte und Gemeinden gegenüber den bisherigen Programmen dadurch ausweiten, daß zum Beispiel der Förderkatalog weiter gefaßt wird, um gemeindliche Prioritäten zu berücksichtigen, daß weiter ein Vorbereitungszeitraum von mindestens sechs Wochen gewährleistet wird und schließlich bereits in den Haushalten der Gemeinden vorgesehene Maßnahmen gefördert werden können, um zu vermeiden, daß Prioritätenverschiebungen auf Grund öffentlicher Förderungen ohne sachlichen Grund vorgenommen werden? Die Bundesregierung hat einvernehmlich mit den Ländern bereits in den beiden Sonderprogrammen vom Februar und September 1974 den Förderungskatalog bei den kommunalen Infrastrukturprojekten so flexibel gehalten, daß sowohl den konjunkturpolitischen Erfordernissen als auch den Wünschen der Gemeinden hinsichtlich ihrer vorrangigen Aufgabenerfüllung ausreichend Rechnung getragen werden konnte. Bei den in dem Förderungskatalog aufgeführten Maßnahmen handelte es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung solcher Vorhaben, die den Förderungszwecken beider Programme in besonderem Maße entsprachen. Entsprechend den jeweiligen konjunkturpolitischen Notwendigkeiten können grundsätzlich bei eventuellen künftigen Konjunkturprogrammen durchaus auch andere Förderungsmaßnahmen in Betracht kommen. Zur Frage des Vorbereitungszeitraums ist zu beachten, daß bei einem auf möglichst kurzfristige Wirksamkeit angelegten Konjunkturprogramm auch für den Kommunalbereich die Kriterien einer hinreichenden Vorplanung, der Ausschreibungsreife und der kurzfristigen Auftragsvergabe erfüllt sein müssen. Deshalb sind auch die Gemeinden entsprechend § 11 StWG gehalten, bei einer die Ziele des § i gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit die Planungen geeigneter Investitionsvorhaben so zu beschleunigen, daß mit ihrer Durchführung kurzfristig begonnen werden kann. Aus konjunkturpolitischen Gründen hält es die Bundesregierung auch für erforderlich, daß es sich bei den im Rahmen von Konjunkturprogrammen zu fördernden Vorhaben in jedem Falle um zusätzliche Maßnahmen, d. h. zusätzlich zu den in den Haushaltsplänen vorgesehene Ausgaben, handelt. Nur dadurch kann sichergestellt werden, daß die konjunkturell erforderlichen zusätzlichen Beschäftigungsimpulse auch tatsächlich ausgelöst werden. Dieser Zwecksetzung würde eine Verwendung im Sinne einer reinen Haushaltsfinanzierung nicht entsprechen. Das bedeutet allerdings nicht, daß damit eine Prioritätsverschiebung ohne sachlichen Grund verbunden sein muß. Die einzelne Gemeinde ent- scheidet letztlich selbst darüber, für welche Projekte im Rahmen solcher Förderungsprogramme Mittel beantragt werden sollen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 13 und 14) : Da in der Zeit von 1962 bis 1974 die Zahl der Industriebetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammer Braunschweig von 665 auf 551 und die in ihnen Beschäftigten von 125 300 auf 114 900 zurückging, frage ich die Bundesregierung, ob sie bereit ist, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge neue Wege zu gehen durch Verlegung ganzer Fertigungen in diesen Raum — wie es die Industrie- und Handelskammer Braunschweig vorschlägt um der Wirtschaft dieses Raums eine ausgeglichenere Beschäftigung zu sichern? Ist die Bundesregierung bereit, im Zonenrandgebiet bei der Objektförderung sowohl der Neueinrichtung von Betrieben als auch der Erweiterung bestehender Betriebe die gleichen Konditionen zur Anwendung zu bringen? Die Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung der Bewerber und der Wirtschaftlichkeit des Einsatzes öffentlicher Mittel. Auflagen der öffentlichen Hand gegenüber Bewerbern um öffentliche Aufträge, ihre Fertigungen an einen bestimmten Standort zu verlagern, wären ein unzulässiger staatlicher Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen. Im übrigen hat die Bundesregierung für das Zonenrandgebiet — damit auch für den Braunschweiger Wirtschaftsraum — das zum Ausgleich der ihm durch die Teilung Deutschlands entstandenen Nach-. teile in besonderer Weise der Förderung bedarf, Richtlinien für eine angemessene, bevorzugte Berücksichtigung von Bewerbern aus diesem Gebiet erlassen. Die Bevorzugungsregelungen sind so beschaffen, daß Bewerber aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin den öffentlichen Auftrag auch dann noch erhalten, wenn ihr Angebotspreis bis zu einem gewissen, noch vertretbaren Prozentsatz über dem von Konkurrenten aus dem übrigen Bundesgebiet liegt. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn auf die Ausschreibungen ihrer Vergabestellen in zunehmendem Maße Angebote von Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet eingehen und dadurch noch mehr Aufträge als bisher in diesen Raum gelangen würden. Die regionale Wirtschaftsförderung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Nach den in den Rahmenplänen dieser Gemeinschaftsaufgabe festgelegten Regelungen über Voraussetzungen, Art und Intensität der Förderung gelten für die Neuerrichtung und Erweiterung von Betrieben die gleichen Konditionen. Die Bedingung „Schaffung einer angemessenen Anzahl neuer Arbeitsplätze", an die der Erweiterungstatbestand gebunden wird, hat den Zweck, die Erweiterungsinvestitionen von den reinen Ersatzinvestitionen abzugrenzen. Die Förderung von reinen Ersatzinvestitionen kann nicht Gegenstand der Wirtschaftsförderung aus öffentlichen Mitteln sein. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Höcherl (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 15) : Wer in der Bundesrepublik Deutschland vertritt noch die Auffassung, daß wir uns schon im Aufschwung befinden und wenn ja, mit welcher Begründung? Aufgrund des derzeitigen statistischen Datenbildes und der erkennbaren Entwicklungslinien vertrete ich die Auffassung, daß sich die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland in einer konjunkturrellen Übergangsphase befindet. Die rezessiven Tendenzen klingen offenbar ab, die Lage hat sich konsolidiert, und die Impulse aus den konjunkturund fiskalpolitischen Maßnahmen lassen bei den aufgelockerten monetären Rahmenbedingungen erwarten, daß sich zusammen mit den wirtschaftsimmanenten Kräften im weiteren Verlauf eine aufwärts gerichtete Tendenz der Gesamtwirtschaft durchsetzt. Die weitere Entwicklung wird allerdings nicht zuletzt auch von der Auslandsnachfrage mitbestimmt werden. Nach der Beurteilung durch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute (Gemeinschaftsdiagnose vom 25. April 1975) dürften die expansiven Impulse der Finanz- und Geldpolitik vollauf ausreichen, um einen neuen Aufschwung herbeizuführen. In diesem Zusammenhang darf ich auch auf meine Antwort vom 15. Mai 1975 an Herrn Abgeordneten Niegel hinweisen, der danach gefragt hatte, was ich unter dem Begriff Übergangsphase verstehe. Anlage 14 Antwort des Staatssekretärs Dr. Schlecht auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gierenstein (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 16) : Wie rechtfertigt die Bundesregierung den Besuch von Bundesminister Dr. Friderichs in Libyen angesichts der Unterstützung, die die Urheber von Terroranschlägen auf Deutsche durch die libysche Regierung erfahren haben? Die Bundesregierung verurteilt seit jeher die Androhung und Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Sie hat deshalb alle Staaten aufgerufen, bei der Bekämpfung des Terrorismus zusammenzuarbeiten. Einer solchen Zusammenarbeit wäre ein Abbau von Beziehungen nicht förderlich; Einflußmöglichkeiten sind im Gegenteil am ehesten dann gegeben, wenn man mit den Staaten im Gespräch bleibt. Diese Politik der Bundesregierung hat sicherlich wesentlich dazu beigetragen, daß auch im Falle Libyen entgegen früherer Praxis in jüngster Zeit terroristischen Gewalttätern die Zuflucht verweigert wurde. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Ey (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 17) : Wie beurteilt die Bundesregierung die beabsichtigten ungewöhnlich hohen staatlichen Förderungsmaßnahmen für ein großes britisches Automobil- und Landmaschinenunternehmen, besonders auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im internationalen Markt? 12200* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Die Bundesregierung beobachtet aufmerksam die Aktivitäten anderer europäischer Länder im Automobilbereich. Sie hat auch ihrerseits durch regionalpolitische Maßnahmen dazu beigetragen, die erforderlichen Anpassungen der deutschen Automobilindustrie an die veränderten Marktverhältnisse zu erleichtern. Sie erwartet nicht, daß die von Ihnen angesprochenen Maßnahmen zugunsten eines britischen Automobil- und Landmaschinenherstellers die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie in unzumutbarer Weise beeinträchtigen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 18 und 19) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Ölmühlenindustrie spätestens zwei Monate vor der neuen Ernte wissen muß, zu welchen Bedingungen sie Raps kaufen kann, und wird sie diese Tatsache bei den Verhandlungen in Brüssel um den Qualitätsraps berücksichtigen? Welche Beschlüsse von Ministerrat und Kommission der EG haben nach Meinung der Bundesregierung dazu geführt, daß der Milchmarkt der EG völlig verunsichert worden ist und die Magermilchpulver-Interventionsmengen stark ansteigen? Zu Frage B 18: Die Bundesregierung kennt die Bedingungen, die auf die Vermarktung von Raps auf der Grundlage der gemeinsamen Marktorganisation für Fette einwirken. Sie hat daher bereits am 29. April 1975 beantragt, den Mindestgehalt an Ö1 der Standardqualität des Rapses herabzusetzen und einen Qualitätsaufschlag für erucasäurearmen Raps einzuführen oder in anderer Weise sicherzustellen, daß die erfolgte Umstellung auf Qualitätsraps nicht gefährdet wird. Die Kommission wird in Kürze eine Entscheidung herbeiführen. Zu Frage B 19: Die von Ihnen behauptete „völlige Verunsicherung" des Milchmarktes der EG kann ich nicht feststellen. Vielmehr zeigt der EG-Milchmarkt trotz der saisonalen Zunahme der Milcherzeugung eine beachtliche Stabilität. Diese ist allerdings nur auf die Anwendung der Marktordnungsinstrumente der Intervention bei Butter und Magermilchpulver zurückzuführen. Das steigende Milchangebot stößt nämlich auf einen Markt, in dem die Nachfrage bei gestiegenen Preisen, schwacher Gesamtkonjunktur und stagnierendem Bevölkerungszuwachs insgesamt kein Wachstum mehr aufweist und auch die Verfütterung von Magermilch abnimmt. Hinzu kommt, daß infolge einer wieder zunehmenden Milchproduktion in Drittländern die Absatzmöglichkeiten für Milchprodukte aus der Gemeinschaft auf dem Weltmarkt geringer geworden sind. Daher haben in den letzten Monaten die Interventionen besonders bei Magermilchpulver stark zugenommen. In den zunehmenden Beständen dokumentiert sich ein steigendes strukturelles Ungleichgewicht zwischen Produktion und Absatzmöglichkeiten, für das kurzfristig keine Lösungsmöglichkeiten in Sicht sind. Dies bereitet mir ebenso wie die für den Herbst vom Ministerrat der EG beschlossene weitere Butterpreiserhöhung erhebliche Sorge. Ich bin daher der Auffassung, daß der EG-Ministerrat sich baldmöglich mit Maßnahmen für eine Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage befassen muß. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wernitz (SPD) (Drucksache 7/3630 Frage B 20) : Trifft es zu, daß durch die Verordnung zur Durchführung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes in der Neufassung vom 23. Dezember 1974 in zahlreichen Fällen eine erhebliche Minderung bisher gewährter Versorgungsbezüge eintritt? Sie sprechen mit Ihrer Frage eine Änderungsverordnung zu der für die Einkommensermittlung nach dem Bundesversorgungsgesetz maßgebenden Verordnung zur Durchführung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes an. Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, daß diese Verordnung in zahlreichen Fällen eine erhebliche Minderung von Versorgungsbezügen herbeigeführt habe. Vielmehr dürften sich die am 1. Januar 1974 wirksam gewordenen Rechtsänderungen insgesamt zugunsten der Versorgungsberechtigten ausgewirkt haben, was nicht zuletzt auch daraus hervorgeht, daß für die Änderungsverordnung jährlich rund 4 Millionen DM an Bundesmitteln zusätzlich eingeplant werden mußten. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß sich bei einzelnen Einkunftsarten in bestimmten Fällen vom 1. Januar 1974 an höhere Ansätze ergeben. Dies wäre jedoch nicht primär durch die erwähnte Änderungsverordnung, sondern durch die gleichzeitig wirksam gewordenen Änderungen von bewertungsund steuerrechtlichen Vorschriften bedingt. Eine generelle Aussage über die Ursachen für einen höheren Einkommensansatz ist nicht möglich. Dazu könnte nur etwas auf Grund einer Nachprüfung im Einzelfall gesagt werden. Anlage 18 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 21) : Wie viele Volljuristen beziehen in der Bundesrepublik Deutschland Sozialhilfe? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 12201* Ihre Frage läßt sich anhand der vorliegenden Unterlagen leider nicht ausreichend beantworten. Die Sozialhilfestatistik des Statistischen Bundesamtes enthält keine Angaben über Berufsgruppen unter den Sozialhilfeempfängern. Soweit festgestellt werden konnte, handelt es sich bei einem Teil der Empfänger von Sozialhilfe um in Not geratene Rechtsanwälte. Die Bundesrechtsanwaltskammer ist jedoch nicht in der Lage, über ihre Gesamtzahl Angaben zu machen. Beispielsweise sind bei einer gemeinsamen überregionalen Hilfskasse von 8 Rechtsanwaltskammern, die etwa 10 500 zugelassene Rechtsanwälte umfaßt, 43 Rechtsanwälte registriert, die Sozialhilfe beziehen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/3630 Frage B 22) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten dafür, daß die Deutsche Bundesbahn die Bahnlinie Nürnberg—Furth im Wald in absehbarer Zeit zweigleisig ausbaut und elektrifiziert? Die Strecke Nürnberg—Furth i. Wald weist noch erhebliche Kapazitätsreserven auf. Der zweigleisige Ausbau des eingleisigen Abschnitts Amberg—Furth i. Wald ist daher nicht erforderlich. Eine Elektrifizierung ist in absehbarer Zeit von der Deutschen Bundesbahn nicht vorgesehen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Evers (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 23 und 24) : Macht die Einteilung des Bundesgebiets in Verkehrsbereiche zum Empfang der Verkehrssender eine Neubeschilderung der entsprechenden Hinweistafeln an Bundesautobahnen und Bundesstraßen erforderlich, und wer trägt die Kosten, wenn anstelle der bisherigen Schilder neue Hinweisschilder angebracht werden? Was ist der Grund dafür, daß die alten Hinweisschilder nicht durch ergänzende Hinweise mit dem entsprechenden Buchstaben vervollständigt werden, sondern daß neu angefertigte Schilder angebracht werden, und wie hoch ist der Aufwand für diese neue Schilderaktion auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen? Die Einführung des Verkehrsrundfunk-Kennungssystems durch die ARD und die dadurch erforderliche Einteilung des Bundesgebiets in Verkehrsbereiche zum 25. Juni 1974 macht keine Neubeschilderung erforderlich. Das Bundesverkehrsministerium hat vielmehr die Länder mit Schreiben vom 25. Juli 1974 gebeten, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits aufgestellten Hinweiszeichen auf Verkehrsfunksender durch Klebefolien mit den Angaben für den jeweiligen Verkehrsbereich zu ergänzen und für neu aufzustellende Hinweiszeichen die Angabe des Verkehrsbereiches vorzusehen. Nach den hier vorliegenden Mitteilungen der Länder wurde grundsätzlich entsprechend dieser Empfehlung verfahren. Ob in Einzelfällen bereits aufgestellte Hinweiszeichen durch neue Schilder ersetzt wurden und welche Kosten dafür entstanden sind, ist nicht bekannt, da die Aufstellung der Zeichen in die alleinige Zuständigkeit der Länder fällt. Die Kosten für die Beschaffung, Anbringung und Unterhaltung der amtlichen Verkehrszeichen hat nach § 5 b Straßenverkehrsgesetz der Straßenbaulastträger, für Bundesfernstraßen also der Bund, zu übernehmen. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/3630 Frage B 25) : Ist es richtig, daß die Transportkosten für humanitäre Hilfesendungen auf dem Luftweg oft das Vielfache des Werts der Sendung betragen, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, durch internationale Vereinbarungen (Luftpool) durch den Einsatz von wirklichen Transportmaschinen statt der aushilfsweisen Benutzung von Passagiermaschinen diese Kosten zu verringern? Humanitäre Hilfssendungen werden in dringlichen Fällen auf Anforderung der entsprechenden diplomatischen Vertretungen grundsätzlich mit Frachtflugzeugen durchgeführt, wenn es sich um größere Sammeltransporte der Bundesregierung oder der nationalen Hilfsorganisationen handelt. Passagierflugzeuge wurden bisher nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen. Es ist vorgekommen, daß die Kosten für den Lufttransport den Wert der beförderten Güter überstiegen haben, so z. B. bei Transporten nach Vietnam. Sobald die Situation es zuläßt, wird daher dazu übergegangen, zwecks Kostenersparnis die Hilfsgüter auf dem Seewege zu transportieren. Bemühungen um eine internationale Poolbildung für Lufttransporte erscheinen dagegen wegen der unterschiedlichen Interessenlage der Absenderstaaten und im Hinblick darauf, daß stets schnelle Entscheidungen zu treffen sind, nicht erfolgversprechend. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Fuchs (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 26) : Ist sichergestellt, daß durch eine rechtzeitige Instandsetzung der Eisenbahnbrücke über die Donau bei Hacklstein der Zugverkehr auf der Strecke Passau—Waldkirchen—Freyung nicht von der Einstellung bedroht wird? Das Brückenbauwerk über die Donau bei Hackelstein befindet sich noch in einem betriebssicheren Zustand. Auch wurden in den letzten Jahren kleinere Instandsetzungsarbeiten an diesem Bauwerk von der Deutschen Bundesbahn (DB) durchgeführt. Mit erheblichen Investitionen für diese Brücke muß nach Mitteilung der DB im Jahre 1977 gerechnet werden, da zu diesem Zeitpunkt die Arbeiten für eine evtl. 12202* Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 Erneuerung bzw. Teilerneuerung aufgenommen werden müssen. Zur Zeit wird jedoch von der DB wegen des verhältnismäßig niedrigen Verkehrsaufkommens eine betriebswirtschaftliche Überprüfung der Strecke Passau–Freyung durchgeführt. Das Ergebnis wird bis zum Zeitpunkt der notwendigen Erneuerung der Brücke vorliegen. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Frage B 27): Ist die Bundesregierung bereit, der Gemeinde Oberstdorf den Bau einer Gemeindeverbindungsstraße auf einer der möglichen Trassen der B 19 - Breitachbrücke-Walsertal — ohne vorhergehendes Raumordnungsverfahren zu gestatten, und wenn ja, auf welcher der beiden Varianten? Die zuständigen Behörden des Freistaates Bayern werden demnächst das nach Landesrecht vorgeschriebene Raumordnungsverfahren für die Verlegung der B 19 im Raum Oberstdorf einleiten; danach soll die Ortsumgehung Oberstdorf westlich des Ortsteiles Jauchen verlaufen. Andere Trassenvarianten für die Ortsumgehung im Zuge der B 19 werden zur Zeit nicht mehr verfolgt. Einer Gestattung der Bundesregierung zu gemeindlichen Planungen bedarf es grundsätzlich nicht. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 28 und 29) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß ab 1958 der Verkehrswacht Ansbach eine Vielzahl von Vorschlägen zur Verbesserung des Schutzes für Fußgänger auf nächtlichen Straßen durch Tragen von reflektierenden Gegenständen verschiedenen Bundesministerien unterbreitet und daß diese Vorschläge mit großem Erfolg zwischenzeitlich wohl in anderen Ländern, z. B. in Skandinavien, nicht aber in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht wurden? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Selbstschutz des Fußgängers auf nächtlichen Straßen unverzüglich verbessert werden muß, um die Zahl der bei Verkehrsunfällen auf nächtlichen Straßen getöteten Fußgänger zu verringern, und wird die Bundesregierung deshalo bereit sein, die Vorschläge der Ansbacher Verkehrswacht unverzüglich in gesetzliche Regelungen aufzunehmen? 1. Es ist immer wieder angeregt worden, Fußgänger bei Dunkelheit durch rückstrahlende oder selbstleuchtende Mittel kenntlich zu machen. Auch ich betrachte die Sicherung der Fußgänger als eine dringende Aufgabe. Vor längerer Zeit wurde deshalb die Frage geprüft, ob die Verwendung der zahlreichen — bereits auf dem Markt befindlichen — verschiedenartigen Einrichtungen zur Sicherung der Fußgänger (Taschenlampen, lichtreflektierende Prismen, Clips, Warnrückstrahler, Pendelblitze, Armbinden, Gürtel, Schärpen, Aufkleber für Schulranzen, Aufkleber an Schuhsohlen, Stöcken, Handtaschen usw.) Unfälle verhütet. Da dies der Fall ist, wird von mir in regelmäßigen Abständen — in der Regel bei Beginn der dunklen Jahreszeit — die Benutzung dieser Sicherungsmittel empfohlen. 2. Der Bundesminister für Verkehr ist Schirmherr der Deutschen Verkehrswacht (DVW), deren Arbeit aus Mitteln des Kapitels 12 12 des Bundeshaushalts über den Deutschen Verkehrssicherheitsrat e. V. auch finanziell gefördert wird. Im Rahmen der vielschichtigen Arbeit der DVW wurden im Bereich Ansbach Anfang der 60er Jahre von der dortigen Verkehrswacht im Großversuch Maßnahmen zum Schutze der Fußgänger bei Nacht durchgeführt. Allerdings haben diese Versuche und spätere Folgeversuche leider ergeben, daß die kostenlos verteilten Leuchtgegenstände nach kurzer Zeit von den Versuchspersonen — vermutlich aus Gleichgültigkeit — nicht mehr getragen wurden. Der Einzelhandel ist m. W. wegen der geringen Nachfrage nur selten bereit, diese Sicherungsmittel überhaupt in das Verkaufssortiment zu übernehmen. 3. Es ist in meinem Hause auch schon geprüft worden, ob man durch Rechtsverordnung die Fußgänger verpflichten sollte, bei Nacht lichtreflektierende Gegenstände zu tragen. Das würde bedeuten, daß alle Fußgänger zunächst derartige Gegenstände erwerben müßten, obwohl sich nur ein Bruchteil von ihnen nachts auf unbeleuchteten Landstraßen bewegt. Außerdem müßte der Rechtspflicht eine Bußgeldvorschrift entsprechen, d. h., der Fußgänger, der der Vorschrift nicht genügt, würde mit einer Geldbuße belegt. Das wäre keineswegs in allen Fällen gerechtfertigt. Mit Sicherheit würde es häufig zu ärgerlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen, wenn die Sicherungsmittel vergessen oder in Verlust geraten sind. 4. Im übrigen bestehen auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung einer solchen Rechtspflicht. Ich bin daher zu der Überzeugung gelangt, daß es sich hierbei um einen Bereich handelt, den man mit Erfolg nicht gesetzlich reglementieren kann. Die Entscheidung, ob der Fußgänger insoweit etwas zu seinem eigenen Schutz unternehmen will, muß ihm überlassen werden, da vor allem er selbst betroffen ist und der Schutz von seiner eigenen Entscheidung abhängt. 5. Es ist mir nicht bekannt, ob die Anregungen der Verkehrswacht Ansbach in anderen Ländern, z. B. Skandinavien, verwirklicht wurden. 6. Die verkehrserzieherischen Bemühungen seitens der Bundesregierung, der Bundeländer und des DVR werden fortgesetzt, um die Fußgänger zu veranlassen, freiwillig die bezeichneten lichtreflektierenden Gegenstände zu benutzen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Fieitag, den 23. Mai 1975 12203* Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Sauer (Salzgitter) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 30 und 31) : Wann beabsichtigt die Bundesregierung, mit dem Neubau der Bundesautobahn zwischen den Anschlußstellen beim Stadtteil Salzgitter-Salder und Westerlinde zu beginnen, und in welchem Zeitraum wird dieses Vorhaben fertiggestellt sein? Wann beabsichtigt die Bundesregierung, mit dem Bau der Umgehungsstraße für die Stadt Bad Gandersheim, B 64, zu beginnen, und in welchem Zeitraum wird dieses Ausbauteilstück fertiggestellt sein? Zur Zeit laufen beim Bundesminister für Verkehr die Arbeiten an der Überprüfung und Fortschreibung des Bedarfsplanes zum Ausbauplan für die Bundesfernstraßen in den Jahren 1971-1985. Im Rahmen dieser Überprüfung werden rd. 2 000 Ausbau- und Neubaumaßnahmen der bisherigen Ausbaudringlichkeit I und rd. 500 Änderungswünsche der Länder hinsichtlich ihrer Dringlichkeit nach bundeseinheitlichen Bewertungskriterien bewertet. Die Dringlichkeit der Einzelmaßnahmen soll danach aufgrund des sich aus dieser Bewertung ergebenden Nutzen-Kosten-Verhältnisses festgelegt werden. Ergebnisse diese Bewertung, die die Grundlage für die Einstellung in den Fünfjahresplan 1976-1980 und den Baubeginn innerhalb dieses Mehrjahresprogrammes bilden, liegen zur Zeit noch nicht vor, so daß über den Baubeginn der o. g. Einzelmaßnahmen, ihre Dotierung und Fertigstellung zur Zeit keine Angaben gemacht werden können. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Krampe (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 32 und 33) : Wann ist mit der Schaffung eines einheitlichen Telefonnetzes für Hamm bzw. mit einer Umstellung auf den Nandienst zu rechnen? Wann kann mit der Erstellung eines amtlichen und örtlichen Telefonbuchs für Hamm gerechnet werden? Zu Frage B 32: Mit der Schaffung eines Fernsprechnetzes für das gesamte Stadtgebiet von Hamm, also auch für die durch die kommunale Neugliederung hinzugekommenen Stadtteile, kann leider nicht gerechnet werden. Weil die Schwierigkeiten, die starre Ortsnetzgrenzen insbesondere bei der kommunalen Neuordnung bereiten, durch die Umstrukturierung des Kabelnetzes mit einem vernünftigen Aufwand nicht beseitigt werden können, ist am 1. Juli 1971 die Einführung des großraumorientierten Nahverkehrstarifs beschlossen worden. Die Deutsche Bundespost ist dabei, die technischen Voraussetzungen für die Einführung des Nandienstes zu schaffen. Die erforderlichen technischen Entwicklungsarbeiten sind weitgehend abgeschlossen; die fünfstelligen Ortsnetzkennzahlen sind zum großen Teil schon auf vier Stellen verkürzt. Wegen der umfangreichen technischen Arbeiten und der erheblichen Investitionen, die geleistet werden müssen, kann die Umstellung nicht kurzfristig vorgenommen werden. Die Reihenfolge ist abhängig von den technischen Gegebenheiten in den einzelnen Netzbereichen. Umstellungstermine für einzelne Bereiche können z. Z. noch nicht angegeben werden. Die Deutsche Bundespost wird jedoch alles tun, um die Voraussetzungen für die Einführung des Nahverkehrstarifs so bald wie möglich zu schaffen. Zu Frage B 33: Die Städte Bockum-Hövel und die Gemeinden Pelkum, Rhynern und Uentrop haben gegen die kommunale Neuordnung im Raum Hamm Verfassungsbeschwerde eingereicht. Solange darüber nicht entschieden ist, können die Dienststellen der Deutschen Bundespost den Wünschen der Stadt Hamm nicht nachkommen. Im übrigen sind die Teilnehmer aller vorgenannten Städte und Gemeinden im Amtlichen Fernsprechbuch 31, Bereiche Dortmund und Hamm, also in einem Amtlichen Fernsprechbuch, aufgeführt. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 34 und 35): Wann kann mit einem einheitlichen Antragsverfahren für die Erstattung von Schallschutzmaßnahmen bei Wohngebäuden nach § 9 Abs. 4 des Fluglärmgesetzes gerechnet werden, und wann können Anwohnern in der Schallschutzzone 1 Vorschüsse für Aufwendungen von Schallschutzmaßnahmen gewährt werden? Welche baulichen Schallschutzelemente für Schallschutzmaßnahmen bei Wohngebäuden nach dem Fluglärmgesetz haben inzwischen einen Preisrückgang erfahren? Zu Frage B 34: Nach § 10 des Fluglärmgesetzes liegt das Verfahren bei der Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen in den Händen der nach Landesrecht zuständigen Behörden. Die Aufgaben, die sich für die Länder beim Vollzug des Fluglärmgesetzes ergeben, sind nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mit den zuständigen obersten Landesbehörden erörtert worden. Dabei brachten die Vertreter der obersten Landesbehörden zum Ausdruck, daß sie eine bundeseinheitliche Regelung des Erstattungsverfahrens nicht für erforderlich halten. Die Bundesregierung hat daher vorerst davon abgesehen, in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfte, die Einzelheiten des Erstattungsverfahrens festzulegen. § 12 des Fluglärmgesetzes verpflichtet die Flugplatzhalter zur Erstattung von — gemachten — Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen, 12204* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 nicht jedoch zur Gewährung von Vorschüssen. Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, den Flugplatzhaltern eine solche Verpflichtung aufzuerlegen. Das Gesetz schließt andererseits nicht aus, daß die zuständige Behörde schon vor dem Einbau des baulichen Schallschutzes im Einzelfall die Voraussetzungen für eine Erstattung prüft und das Ergebnis der Prüfung dem Antragsteller mitteilt. Zu Frage B 35: Es ist anzunehmen, daß eine größere Nachfrage und eine stärkere Konkurrenz bereits eine preisdämpfende Wirkung auch bei baulichen Schallschutzelementen gehabt haben. Sofern die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Untersuchung über die Kosten des baulichen Schallschutzes nähere Aussagen über die Preisentwicklung einzelner Schallschutzelemente erlaubt, wird sich die Bundesregierung in ihrem bis September 1975 vorzulegenden Bericht hierzu äußern. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Amling (SPD) (Drucksache 7/3630 Frage B 36) : Werden Informationen von der Bundesregierung an Krankenhäuser und Ärzte ausgegeben, die darüber Auskunft erteilen, wie ein Antrag an DDR-Behörden formuliert sein muß, damit mit Aussicht auf Erfolg die Verwandten, im Fall von lebensgefährlichen Erkrankungen ihrer Angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland, die DDR zu einem Krankenbesuch in die Bundesrepublik Deutschland verlassen dürfen, und wenn ja, in welcher Form werden die Informationen bekanntgegeben? Nachdem die Regierung der DDR durch die Anordnung vom 17. 10. 1972 die Möglichkeit eröffnet hatte, daß auch solche DDR-Bewohner, die noch nicht das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, anläßlich dringender Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet und nach Berlin (West) reisen können, habe ich mit Schreiben vom 30. 11. 1972 an den Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die Einzelheiten dargelegt, wie das amtsärztlich bestätigte Attest des behandelnden Arztes beschaffen sein muß, um einem DDR-Bewohner die Reise zu einem lebensgefährlich erkrankten nahen Angehörigen im Bundesgebiet oder in Berlin (West) zu ermöglichen. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Rundschreiben vom 8. 1. 1973 die obersten Landesgesundheitsbehörden entsprechend informiert. Unabhängig von dieser generellen Information erhalten auch in Einzelfällen Anfragende von mir selbstverständlich jede gewünschte Auskunft. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 37 und 38) : Was hat die Bundesregierung bisher unternommen bzw. was gedenkt sie noch zu tun, um Bürgern der Bundesrepublik Deutschland zu deren in Ost-Berlin oder in der DDR festgehaltenen Vermögenswerten (Immobilienbesitz oder Sperrkonten) zu verhelfen? Ist für den Fall, daß eine Realentschädigung im Rahmen des Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs mit der DDR nicht zu erreichen ist, auch an Ersatzleistungen seitens der Bundesregierung gedacht? Zu Frage B 37: Der Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland und der Minister der Finanzen der DDR haben am 25. April 1974 neben der „Unterhaltsvereinbarung" eine Vereinbarung über den Transfer aus Guthaben in bestimmten Fällen („Sperrguthabenvereinbarung") geschlossen. Aufgrund dieser Vereinbarung sind erstmalig — wenn auch vorläufig nur unter bestimmten Voraussetzungen und in der Regel monatlich in der Höhe von 200,— DM — Transfermöglichkeiten aus Sperrguthaben bei Bankinstituten der DDR in die Bundesrepublik Deutschland eröffnet. Im Rahmen der Verhandlungen über den Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR konnten die vielschichtigen und komplizierten Vermögensprobleme wegen der unterschiedlichen Rechtspositionen beider Seiten nicht gelöst werden, was in einem Protokollvermerk zum Grundlagenvertrag seinen Ausdruck gefunden hat. Auch im Rahmen der Verhandlungen über den nichtkommerziellen Zahlungsverkehr war eine umfassende Lösung dieses Problems nicht möglich. Bei den erwähnten beiden zur Regelung der unter sozialen Gesichtspunkten dringlichsten Fragen getroffenen Teilvereinbarungen handelt es sich um einen ersten Schritt, der bereits zahlreichen betroffenen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR eine spürbare materielle Erleichterung bringt. Die Bundesregierung ist bei den weiteren Verhandlungen mit der DDR darum bemüht, den Rahmen der „Sperrguthabenvereinbarung" zu erweitern und mehrere Bereiche des nichtkommerziellen Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs zu regeln. Immobilien in der DDR können mit Genehmigung der zuständigen Behörden verkauft werden. Die Möglichkeiten, den Verkaufserlös in die Bundesrepublik Deutschland zu transferieren, bestehen zur Zeit nur im Rahmen der „Sperrguthabenvereinbarung" . Zu Frage B 38: Soweit Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland (insbesondere Flüchtlingen) der Zugang zu ihren Vermögenswerten in der DDR verschlossen ist, haben sie unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, in der DDR erlittene Vermögensschäden nach Maßgabe der Vorschriften des Lastenausgleichs- und Beweissicherungs-/FeststellungsGesetzes geltend zu machen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 12205* Anlage 30 Antwort des Bundesministers Matthöfer auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/3630 Fragen B 39 und 40) : Wie hoch ist die Gesamtzahl der Berater des Bundesministeriums für Forschung und Technologie unter Zugrundelegung des Beratungsplans 1974, wie viele Berater fungieren davon in Dauergremien, wie viele in Ad-hoc-Gremien? Wie verteilt sich die Gesamtzahl der Berater auf die Herkunftsbereiche Hochschule, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Industrie, Verbände, Verwaltung, Gewerkschaft? Zu Frage B 39: Unter Zugrundelegung des Beratungsplans 1974 vom Mai 1974 beträgt die Gesamtzahl der Mitglieder der Beratungsgremien 907. Hiervon fungierten 53 in Dauergremien und 854 in Ad-hoc-Gremien. Die tatsächlichen Zahlen können sich aus Gründen der notwendigen Flexibilität der Beratung, der Auflösung alter und der Konstituierung neuer Gremien, sowie des Wechsels in den Personen der Berater gegenüber dem Plan verändern. Neben den Mitgliedern der Beratungsgremien werden fallweise Gutachter oder Unternehmen als Sachverständige herangezogen und gegebenenfalls auch um schriftliche Gutachten gebeten. Zu Frage B 40: Die Gesamtzahl der Mitglieder ,der Beratungsgremien des Beratungsplans 1974 verteilt sich auf folgende Herkunfts- bzw. Wirkungsbereiche: Hochschule 374 außer-universitäre Forschungseinrichtungen 207 Industrie 171 Verbände 43 Verwaltung 90 Gewerkschaften 7 sonstige Bereiche bzw. nicht zuordenbar 15 Da die Berater „ad personam" berufen werden, kann eine Zuordnung nur unter Vorbehalt, und soweit sie überhaupt bekannt ist, geschehen.
Gesamtes Protokol
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir einige wenige Worte zum heutigen Tage. Den 23. Mai sollten wir in diesem Jahr und auch künftig nicht vorübergehen lassen, ohne der Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu gedenken und unser Bekenntnis zu diesem Staat abzulegen, der die demokratische Kontinuität in Deutschland verkörpert.
Gerade in diesen Tagen haben wir das Wort vom sozialen Rechtsstaat und von rechtsstaatlichen Maßnahmen oft gehört und gebraucht. Darin kam auch die Sorge zum Ausdruck, wir könnten einer schweren Belastung nicht gewachsen sein, mit neu auftretenden Widersprüchen unserer Zeit nicht fertig werden und vielleicht nicht fähig sein, die geeigneten Mittel und Wege zu ihrer Lösung und Überwindung zu finden.
Rundfunk, Fernsehen, Presse und wir alle beschäftigen uns seit geraumer Zeit mit den Unrechtstaten von Menschen aus unserer Gesellschaft, ausgestattet mit Intelligenz und Privilegien, in Frieden und Sicherheit aufgewachsen und doch ausgezogen, um in Verblendung und Haß alles zu zerstören, was auf der Grundlage unserer Verfassung vom 23. Mai 1949 geschaffen worden ist, nämlich ein freies Gemeinwesen, das die Würde des Menschen achtet und ihm die Möglichkeit zu individueller Entfaltung gibt.
Niemand hat es im Gedenken an den 23. Mai nötig, unseren Staat und unsere gesellschaftliche Ordnung zu verherrlichen. Aber unser Staat hat es verdient, daß wir gerade an diesem Tage seine Leistungen würdigen. Wir selbst sind diese Gesellschaft, und wir sind es, die dem Staat Aufgaben übertragen und seiner Macht Grenzen setzen. Wir haben neue ethische und sittliche Maßstäbe gesetzt, wie sie in den Grund- und Menschenrechten unserer Verfassung niedergelegt sind. Und entgegen all denen, die das als Phrase und nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend ironisieren, sage ich, daß wir in unserem Land nicht nur das Recht und die Möglichkeit haben, als Bürger zu wählen und uns frei zu entwickeln, sondern vor allem auch die Möglichkeit, als Menschen zu leben. Allerdings, die Freiheit des Staatsbürgers in der Demokratie besteht zwar darin, mitentscheiden zu können, nicht aber darin, sich
den gemeinsamen Gesetzen und Pflichten entziehen zu dürfen.
Das seit der Jubiläumsfeier vergangene Jahr hat erneut gezeigt, wie notwendig es ist, daß die Bürger bereit sind, sich mit ihrem Staat zu identifizieren und für ihn einzutreten. Es hat aber auch gezeigt, daß sich in den Stunden besonderer Gefährdung die demokratischen Kräfte der verschiedenen politischen Richtungen auf dem Boden der Verfassung zusammenfinden können.
Mit Genugtuung ist festzustellen, daß wir mit einer breiten Zustimmung zu diesem Staat in seiner demokratischen, rechtsstaatlichen und bundesstaatlichen Prägung rechnen können. Während gerade in den schweren Stunden der Weimarer Republik eine immer breiter werdende Schicht ihre Loyalität zum bestehenden Staat aufgab und dein Parlamentarismus ablehnend gegenüberstand, wird bei uns ganz fraglos diesem Staat Vertrauen entgegengebracht und von ihm Sicherheit erwartet. Heute ist die repräsentative parlamentarische Demokratie in unserem Volk — von kleinen Randgruppen abgesehen — voll anerkannt.
Damit sollten wir uns aber nicht bescheiden. Wir brauchen Männer und Frauen, die jederzeit bereit sind, für unsere Demokratie einzustehen. Es wäre gut, wenn der jährliche Geburtstag unserer Verfassung dazu dienen könnte, unseren Bürgern und gerade auch den jungen Menschen das Bewußtsein zu vermitteln, einem Staat mit einer Verfassungsordnung anzugehören, dem man seine volle Zustimmung geben kann und dem man sich aus Überzeugung verpflichtet fühlt. Diese Verpflichtung schließt unseren Willen ein, auch für die Zukunft unsere nationale Einheit anzustreben und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. — Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall auf allen Seiten)

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:

(Berichtszeitraum Präsident Frau Renger Oktober 1974 bis März 1975, im Anschluß an den Bericht vom 16. Oktober 1974, Drucksache 7/2662)




— Drucksache 7/3575 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Haushaltsausschuß
Betr.: Vierter Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für den Zeitraum 1975 bis 1978
— Drucksache 7/3601 —
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen, Haushaltsausschuß
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Entwurf des Berichtigungs- und Nachtragshaushaltsplans Nr. 1 der Europäischen Gemeinschaften für das Haushaltsjahr 1975
- Drucksache 7/3621 —
zuständig: Haushaltsausschuß (ferderführend), Ausschuß für Wirtschaft
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die 29. Generalversammlung der Vereinten Nationen
— Drucksache 7/3637 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 22. Mai 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wörner, Handlos, Damm, Dr. Dregger, Biehle, Dr. Kraske, Rommerskirchen, de Terra, Pfeifer, Löher, Eilers (Wilhelmshaven), Dr. Wallmann, Lenzer, Graf Stauffenberg und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Hochschulen der Bundeswehr — Drucksache 7/3573 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3676 verteilt.
Überwelsung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Richtlinie (EWG) des Rates
betreffend die biologischen Normen von Blei und die Überwachung der Gefährdung der Bevölkerung durch Blei betreffend die Qualitätsnormen für den Bleigehalt in der Luft
— Drucksache 7/3623 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Ausschuß für
Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung des Orientierungspreises für Seehecht für das Fischwirtschaftsjahr 1975
— Drucksache 7/3633 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Rates betreffend die Beteiligung des Sozialfonds an strukturellen Anpassungsmaßnahmen
— Drucksache 7/3634 —
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Einbeziehung von Frühkartoffeln in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse
— Drucksache 7/3635 --
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates über die Regelung für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse und Verarbeitungserzeugnisse mit Ursprung in den Staaten Afrikas, der Karibischen See und des Pazifischen Ozeans (oder den überseeischen Ländern und Gebieten)
— Drucksache 7/3636 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Rates (EWG) betreffend das Programm von
Modellvorhaben und Studien zur Bekämpfung der Armut
— Drucksache 7/3645 —
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Rates (EWG) über gemeinsame und koordinierte Programme in den Bereichen Tierleukosen, Tierzuchtabfälle, Rindfleischerzeugung, Erzeugung von pflanzlichem Eiweiß
— Drucksache 7/3646 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Sanierung der Erzeugung von Unterglasgartenbauerzeugnissen
— Drucksache 7/3659 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Mitteilung der Kommission an den Rat über die weitere Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik
— Drucksachen 7/1472, 7/3564 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Mursch (Soltau-Harburg)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mursch als Berichterstatter.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Drucksache 7/3564 sind Ihnen ein Bericht über die weitere Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaften und ein Entschließungsantrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zur Entscheidung vorgelegt worden. Ausgangspunkt hierfür war die „Mitteilung der Kommission an den Rat über die weitere Entwicklung der Verkehrspolitik vom 24. Oktober 1973".
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat sich zu diesem Schritt veranlaßt gesehen, weil es bisher nicht gelungen ist, den Vertrag von Rom durch Festlegung der Prinzipien der gemeinsamen Verkehrspolitik auszufüllen. Der in der Brüsseler Kommission für die Verkehrspolitik zuständige Kommissar, Vizepräsident Scarascia Mugnozza, hat dies vor dem Europäischen Parlament folgendermaßen formuliert — ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin —:
Ohne die Bedeutung der bereits erzielten Fortschritte herabsetzen zu wollen — vor allem wenn man diese im Verhältnis zu den bestehenden Schwierigkeiten betrachtet —, muß man allerdings offen und objektiv zugeben, daß die Ziele der gemeinsamen Verkehrspolitik zum größten Teil noch nicht verwirklicht worden sind.
Diese Feststellung ist richtig. Die in großem Maße vorhandenen Wettbewerbsverzerrungen und Verkehrsbeschränkungen sind aber mit dem Wesen und der Existenz eines gemeinsamen Marktes nicht vereinbar. Ein gemeinsames Verkehrssystem — dies



Mursch (Soltau-Harburg)

besteht aus einem gemeinsamen Verkehrsmarkt und einer gemeinsamen Verkehrsinfrastruktur — ist jedoch ein unentbehrlicher Bestandteil einer Wirtschaftsunion in Europa.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Es ist die Aufgabe der Verkehrspolitik, dieses gemeinsame Verkehrssystem zu schaffen.
Die Brüsseler Kommission, das Europäische Parlament und seine Vorgängerin, die Gemeinsame Versammlung der EGKS, haben seit langem und immer wieder auf die Beschleunigung der Arbeiten auf dem Gebiet der Verkehrspolitik gedrängt. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang nur an die bekannten „Kapteyn-Berichte" aus den Jahren 1957 und 1961 erinnern. Auf Grund dieser Berichte sind dann zwar eine Reihe von Einzelmaßnahmen getroffen worden, aber diese Einzelmaßnahmen verdienen nicht die Bezeichnung „Gemeinsame Verkehrspolitik". Vielmehr handelt es sich um eine „Politik der kleinen Schritte", die in der Praxis dazu führt, daß bei jedem kleinen Schritt, der gemacht werden soll, eine Grundsatzdebatte entsteht, und weil man sich über die Grundsätze nicht einig ist, kommt man auch in den kleinen Schritten nicht voran. Die europäische Politik der kleinen Schritte ist gescheitert. Zum Erfolg führen kann jetzt nur der umgekehrte Weg. Um eine gemeinsame Verkehrspolitik aus einem Guß zu erreichen, muß man sich zunächst über die Grundsätze und Prinzipien einig werden; denn nur dann kann ein Gesetzgebungswerk nach einem modernen Gesamtplan aus einem Guß für alle Verkehrsarten und für die Infrastruktur entstehen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Die „Mitteilung der Kommission" spiegelt das anzuerkennende Bemühen der Brüsseler Kommission wider, auf dem Gebiet der Verkehrspolitik einen neuen Anlauf zu nehmen. Denn wir stehen heute in der Tat an einem Kreuzweg der europäischen Verkehrspolitik. Die „Mitteilung der Kommission" hat allerdings — das möchte ich unterstreichen — keinerlei Verbindlichkeit. Sie bringt lediglich das zum Ausdruck, was die Kommission sich unter einer gemeinsamen Verkehrspolitik vorstellt. Es kommt also jetzt darauf an, daß man hier endlich zu konkreten Beschlüssen kommt, und zwar zu Beschlüssen, die der Ministerrat zu fassen hat, um der Mitteilung der Kommission diese Unverbindlichkeit zu nehmen.

(Sick [CDU/CSU] : Ein direkt gewähltes Parlament brauchen wir!)

— Genau!
Der Ministerrat hat die Mitteilung der Kommission dem Europäischen Parlament zur Stellungnahme zugeleitet. Sie ist dann vom Europäischen Parlament dem Ausschuß für Regionalpolitik und Verkehr des Europäischen Parlaments zugeleitet worden. Dieser Ausschuß hat die Mitteilung in zahlreichen Sitzungen über ein Jahr lang beraten, und zwar so gründlich, daß zu der umfassenden Mitteilung der Kornmission Satz für Satz Stellung genommen wurde, und zwar mit konkreten Vorschlägen zur weiteren Gestaltung. Der Ausschuß für Regionalpolitik und Verkehr ist hierbei — das möchte ich nachdrücklich
unterstreichen — über die Vorstellungen der Kommission in ihrer Mitteilung weit hinausgegangen und hat dem Europäischen Parlament einen ganz konkreten Entschließungsantrag, der sehr umfangreich war — es waren über 100 Druckseiten — zugeleitet. Dieser Entschließungsantrag des Ausschusses ist im Europäischen Parlament von allen Fraktionen mit Ausnahme der Kommunisten einmütig gebilligt worden. Die Kommunisten bringen damit indirekt zum Ausdruck, daß wir anderen auf dem richtigen Wege sind.
In der Entschließung wird die unverzügliche Einführung einer zusammenhängenden gemeinsamen Verkehrspolitik ebenso gefordert wie die Anwendung von Artikel 84 Absatz 2 des EWG-Vertrages, um auch die Seeschiffahrt und die Luftfahrt so weit wie notwendig — ich unterstreiche: nur so weit wie notwendig — in diese zusammenhängende Verkehrspolitik einzubeziehen. Für diese Einbeziehung sollen im wesentlichen folgende Prinzipien und Verfahren gelten:
1. Die Verkehrspolitik muß systemkonform sein, d. h. sie muß in das allgemeine System der Wirtschaftspolitik eingepaßt sein. Selbstverständlich werden hierbei gewisse Besonderheiten des Verkehrs Berücksichtigung finden müssen.
2. Die Verkehrspolitik muß durch Herstellung einer möglichst großen Freizügigkeit für den Austausch von Personen, Gütern und Nachrichten zu den Voraussetzungen beitragen, die für eine Wirtschaftsunion unerläßlich sind.
3. Die Verkehrspolitik muß auf die Erreichung der Ziele der gemeinsamen Regionalpolitik — ich erinnere nur an die Schaffung des Europäischen Regionalfonds, der mit großen Geburtswehen geschaffen worden ist — ausgerichtet sein, was insbesondere auf tarifarischem und infrastrukturellem Gebiet geschehen kann.
4. Die Verkehrspolitik muß den Verkehrsmarkt als eine Einheit betrachten und die europäischen Verkehrswege als ein einheitliches zusammenhängendes Netz mit ausreichender Verkehrsinfrastruktur für alle Räume, Kollege Köhler, der Gemeinschaft gestalten.
5. Der Wettbewerb zwischen den Verkehrsarten und innerhalb der Verkehrsarten zwischen den einzelnen Unternehmen soll der Motor des Fortschritts sein. Eingriffe, die die Kapazität und die Preise betreffen, sollen nur dann in Betracht kommen, wenn es gilt, Auswüchse — und hier ist in erster Linie an einen ruinösen Wettbewerb zu denken — zu verhindern.
6. Der Verkehrsnutzer muß — eines der Grundprinzipien — die freie Wahl des Verkehrsmittels haben, und zwar sowohl für Personen wie auch für Güter.
7. Alle künstlichen Kostenverzerrungen müssen beseitigt werden, weil sie den Wettbewerb beeinflussen. Insbesondere müssen die steuerlichen, sozialen und technischen Vorschriften von allen diskriminierenden Elementen befreit werden.



Mursch (Soltau-Harburg)

8. Grundsätzlich soll auch im Verkehr das Rentabilitätsprinzip gelten, d. h. die Verkehrsunternehmen sollen ihre Kosten erwirtschaften. Sozialpolitische, regionalpolitische und andere übergeordnete Gesichtspunkte werden jedoch Ausnahmen erforderlich machen, aber solche Ausnahmen müssen nach den Vorschlägen des Europäischen Parlaments mit Vorschlägen über die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln verbunden sein.

(Sick [CDU/CSU] : Wir brauchen die Politische Union!)

Das Europäische Parlament ist sich natürlich dessen bewußt gewesen, daß ein gemeinsames Verkehrssystem nicht in kurzer Zeit eingeführt werden kann und daß es einer Übergangsperiode bedarf. Es schlägt deshalb vor, die Durchführung in zwei Phasen stattfinden zu lassen. Die erste Phase erstreckt sich bis Ende des Jahres 1976, wird aber, Herr Kollege Seefeld, wegen des späteren Ingangkommens möglicherweise etwas gestreckt werden. Die zweite Phase soll 1977 beginnen und spätestens 1983 zu Ende gehen — oder auch früher, wenn es früher zu einer Währungs- und Wirtschaftsunion in Westeuropa kommen sollte, was aber — in dieser Hinsicht dürften wir uns einig sein — bei dem bisherigen Stand der Dinge wohl nicht zu erwarten ist.
In der Entschließung fordert das Europäische Parlament konkret, zu welchen Zeitpunkten der Ministerrat diejenigen Beschlüsse fassen sollte, die in der ersten Phase durchzuführen sind. Hierbei handelt es sich in erster Linie um solche Fragen — wie z. B. die Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen und Gewichte für Lastkraftwagen —, die schon seit langem auf dem Schreibtisch des Ministerrates schmoren und zu denen das Europäische Parlament bereits häufig Stellung genommen hat. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, für die zweite Phase kann selbstverständlich noch kein ins einzelne gehendes Aktionsprogramm vorgelegt werden. Es ist aber möglich, den Endzustand zu beschreiben, der bis zum Jahre 1983 erreicht werden soll. Nach Ablauf der zweiten Phase soll nach dem Beschluß des Europäischen Parlaments ein gemeinsamer Verkehrsmarkt bestehen, der durch folgende Charakteristika gekennzeichnet ist.
1. Für die Verkehrsunternehmen muß Niederlassungsfreiheit im ganzen Bereich der Gemeinschaft bestehen.
2. Für die in der Verkehrswirtschaft beschäftigten Menschen muß vollkommene Freizügigkeit bestehen. Wo für die Berufsausübung Prüfungen oder Diplome notwendig sind, müssen diese nach den gleichen Grundsätzen gestaltet und gegenseitig anerkannt sein.
3. Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs in den Ländern der Gemeinschaft muß vollendet sein.
4. Die Beschränkungen, denen die Seeschiffahrt zwischen den Häfen eines Mitgliedstaates durch Schiffe unter der Flagge anderer Mitgliedstaaten unterliegt, müssen aufgehoben werden, d. h. der sogenannte Kabotage-Vorbehalt muß fallen.
5. Eine gemeinsame Luftverkehrspolitik muß die Multilateralisierung der Verhandlungen über Landerechte und Flugliniengestaltung herbeiführen.
6. Die Zusammenarbeit der Eisenbahnen soll insbesondere durch Schaffung einer Dachorganisation der neun Staatsbahnen gefördert werden. Hierbei sollen eine weitgehende Harmonisierung der Tarife und Beförderungsbedingungen, eine Beseitigung des Frachtenbruchs an der Grenze, eine technische Harmonisierung, eine gemeinsame Planung der Materialbeschaffung, die Abschaffung aller Behinderungen beim Grenzübergang und manches andere mehr herbeigeführt werden.
Hinsichtlich der Infrastrukturpolitik muß am Ende der zweiten Phase, also im Jahre 1983, ein gemeinsames System der Abgeltung der Wegekosten bestehen. Wir wissen alle, wie schwierig diese Problematik ist. Ziel muß sein, daß am Ende der zweiten Stufe ein gemeinsames Verkehrssystem besteht und damit das Gebäude der gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik fertiggestellt ist.
Meine Damen und Herren, der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages hat die Leitgedanken der Mitteilung der Kommission und der Entschließung des Europäischen Parlaments einmütig gebilligt; er unterstützt sie. Der Verkehrsausschuß schlägt diesem Hohen Hause vor, den Ihnen vorliegenden entsprechenden Entschließungsantrag anzunehmen. In ihm wird die Bundesregierung darüber hinaus ersucht, im Ministerrat darauf hinzuwirken, Herr Minister Gscheidle, daß auch dieser sich die Leitgedanken zu eigen macht und die darauf beruhenden Vorschläge der Kommission zügig verabschiedet.
So weit mein ergänzender Bericht als Berichterstatter dieses Hohen Hauses.
Im Namen der Fraktion der CDU/CSU möchte ich hierzu folgendes erklären. Meine Fraktion wird dem Entschließungsantrag zustimmen. Sie ist der Auffassung, daß die Zeit zum Entscheiden und zum Handeln überreif ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies gilt insbesondere für den Ministerrat, der nun die Verantwortung dafür hat, daß die europäische Verkehrspolitik durch Festlegung richtungweisender Grundsätze einen neuen Schwung erhält. Es ist, meine Damen und Herren, ein unerträglicher Zustand, daß sich auf dem Schreibtisch des Ministerrats die Verordnungsentwürfe der Brüsseler Kommission und die Stellungnahmen des Europäischen Parlaments türmen und so gut wie nichts entschieden wird. Meine Damen und Herren, es ist ein unerträglicher Zustand, daß man sich in Einzelfragen zerredet, aber keine Grundsatzentscheidungen fällt. Wer Europa will, muß auch eine gemeinsame Verkehrspolitik wollen. Ohne sie ist eine Wirtschaftsunion überhaupt nicht denkbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wissen, daß alle deutschen Bundesregierungen sich seit über 15 Jahren bemüht haben, Fortschritte zu erreichen. Vielleicht — ich sage: vielleicht — ist jetzt hier und da eine gewisse Resignation eingetreten. Wenn dem so ist, ist es um so not-



Mursch (Soltau-Harburg)

wendiger, daß durch die vorgeschlagene Entschließung des Deutschen Bundestages ein neuer, kräftiger Impuls gegeben wird. In den Gremien des Europäischen Parlaments haben wir einmütig, Herr Kollege Seefeld und ich, einen nachdrücklichen Appell an die anderen Parlamente der Gemeinschaft gerichtet, damit auch dort Entschließungen gefaßt werden, wie sie Ihnen heute zur Entscheidung vorliegen. Diese Entschließung soll den Regierungsvertretern im Ministerrat, Herr Minister Gscheidle, Mut machen, endlich Entschlußkraft zu zeigen und Entscheidungen — im Wege des Kompromisses selbstverständlich — herbeizuführen.
Meine Fraktion begrüßt es, daß das Europäische Parlament in so gründlicher und so nachdrücklicher Weise sich der gemeinsamen Verkehrspolitik angenommen hat. Sie begrüßt es insbesondere, daß dies nicht, wie das häufig so üblich ist, mit allgemeinen Formulierungen geschehen ist, sondern daß ganz konkrete Grundsätze aufgestellt worden sind und daß die Verwirklichung dieser Grundsätze in einem exakten Zeitplan gefordert wird.

(Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CSU/CSU]: Die Grundsätze stammen ja auch von Mursch!)

Danke schön, Herr Kollege Schulte!
Wir haben mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß das Europäische Parlament darauf bestanden hat, selbst mit einer Delegation mit dem Präsidenten des Ministerrats der Verkehrsminister zu sprechen — das ist im Augenbilck der irische Verkehrsminister; wir werden in der ersten Juniwoche in Dublin sein , um diesem Präsidenten des Ministerrats zu sagen, was die Völker der Gemeinschaft erwarten, nämlich endlich echte Fortschritte und Entscheidungen.
Die Verkehrspolitik, meine Damen und Herren, ist nicht ein Nebengebiet der europäischen Politik, das etwa nur ein paar Spezialisten angeht; man könnte das meinen, wenn man sich in diesem Saal umschaut. Rat und Kommission müssen nach soviel verlorener Zeit die gemeinsame Verkehrspolitik jetzt in Gang setzen, wenn sie verhindern wollen, daß die große Enttäuschung über die mangelnden Fortschritte der europäischen Politik auch auf diesem Gebiet zu zunehmender Abwendung von dem Gedanken der europäischen Zusammenarbeit überhaupt führt.

(Richtig! bei der CDU/CSU)

Die Betroffenen schließlich, meine Damen und Herren, müssen wissen, wohin die Reise geht. Die europäische Einigung erfordert selbstverständlich von allen bestimmte Opfer, aber diese Opfer sind nur zumutbar, wenn erkennbar wird, wie das Ziel, nämlich die politische und wirtschaftliche Union Europas, aussehen wird und in welchen konkreten Stufen dieses Ziel erreicht werden soll. Für eine verfahrene Sache, als welche sich gegenwärtig z. B. die gemeinsame Verkehrspolitik darstellt, wird niemand bereit sein Opfer zu bringen.
Es ist deshalb die wichtigste Aufgabe des Ministerrats und der Kommission, das Vertrauen in
das Zustandekommen der gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik wiederherzustellen. Es muß auf jeden Fall verhindert werden, daß die „Mitteilung der Kommission" und die Entschließung des Europäischen Parlaments wieder zerredet werden, wie dies mit dem Memorandum von 1961 geschehen ist; auch dieses wurde zerredet. Es muß verhindert werden, daß der Rat diese Vorschläge und Forderungen wie üblich in der Schublade verschwinden läßt.
Wir würden es als eine Katastrophe für die europäische Politik ansehen, wenn man es auch in diesem Jahre wiederum versäumt, die Zielrichtung zu fixieren, und zum Gerangel um Fahrtenschreiber, Rückleuchten für Fahrräder, Harmonisierung von Hupen und ähnlichen Kleinkram zurückkehrt, aber die großen Fragen, nämlich die Preispolitik, den Zugang zum Markt, die Kapazitätspolitik einschließlich der Lenkung der Kapazität durch Infrastrukturplanung, und die wirklich wichtigen Probleme der Harmonisierung, nämlich der Kraftfahrzeug- und der Mineralölsteuer, und die Frage der Maße und Gewichte offenläßt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In dem Entschließungsantrag des Verkehrsausschusses dieses Hohen Hauses wird, wie bereits erwähnt, gefordert, daß sich die Bundesregierung im Ministerrat, wie ebenfalls bereits erwähnt, bemüht, daß die Vorschläge der Kommission und die Beschlüsse des Europäischen Parlaments nun auch verwirklicht werden. Die Fraktion der CDU/CSU ist der Auffassung, daß gerade dieser Punkt von entscheidender Bedeutung ist. Es scheint uns notwendig zu sein, daß auch der Ministerrat zu diesen Vorschlägen und zu der Entschließung des Parlaments ebenso ausführlich, sorgfältig und verbindlich Stellung nimmt, wie es das Europäische Parlament getan hat. Der Rat, meine Damen und Herren, sollte hierfür auch nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen als das Parlament. Das heißt also: Wir erwarten, Herr Minister Gscheidle, daß der Ministerrat bis zum Oktober 1975, also zwei Jahre nach der Mitteilung der Kommission und ein Jahr nach der Stellungnahme des Europäischen Parlaments, endlich verbindlich, wie ich es gesagt habe, erklärt, wohin die Reise gehen soll. Insbesondere von Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, erwarten wir, daß Sie sich persönlich dieser Frage mit besonderem Nachdruck annehmen und im Ministerrat darauf drängen, daß hier nun endlich konkrete Beschlüsse gefaßt werden. Seien Sie versichert — Herr Kollege Seefeld und ich sind uns da einig —: Wir werden, wenn dies bis zum Herbst nicht geschehen ist, im Europäischen Parlament Monat für Monat Initiativen ergreifen, und zwar so lange, bis der Rat endlich zu der Einsicht kommt, daß wir, die Vertreter der Völker Europas, nicht bereit sind, dies länger hinzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Rat muß jetzt erklären, daß etwa bis zum Jahre 1983 eine gemeinsame Verkehrspolitik da sein wird, durch die die Verantwortung für die Preisentwicklung auf den Verkehrsmärkten, für die Kapazitätsregelung und für die Infrastrukturplanung



Mursch (Soltau-Harburg)

zu einer gemeinsamen Verantwortung der Mitgliedstaaten, zu einer gemeinsamen Verantwortung der Gemeinschaftsinstitutionen wird.
Der Rat, meine Damen und Herren, muß jetzt erklären, daß bis zu diesem Zeitpunkt die Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuern harmonisiert sein werden;
er muß jetzt erklären, daß ein nach gemeinsamen Grundsätzen angewendetes System der Abgeltung der Wegekosten eingeführt sein wird;
er muß jetzt erklären, daß ein zwischen den Verkehrsarten wettbewerbsneutral ausgewogenes System der Sozialharmonisierung bestehen wird;
er muß jetzt erklären, daß die wichtigsten technischen Vorschriften für den Verkehr — in erster Linie die höchstzulässigen Abmessungen und Gewichte der Lastkraftwagen — vereinheitlicht sein werden.
Meine Damen und Herren, wenn auch der jetzt versuchte neue Anlauf zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik keine wesentlichen Fortschritte bringen sollte, kommt auf die Gemeinschaft aus diesem Winkel eine nicht zu übersehende Gefahr zu. Wenn die zuständigen Fachminister wiederum kein Resultat zustande bringen, dann gehören nach Auffassung meiner Fraktion die Fragen der Verkehrspolitik auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen des Europäischen Rates, also der früheren Gipfelkonferenz.
Meine Damen und Herren, alle Fraktionen des Europäischen Parlaments — mit Ausnahme der Kommunisten; ich sagte dies bereits — haben der neuen umfassenden Konzeption zugestimmt. Das Europäische Parlament vertritt die Völker der Gemeinschaft. Die Völker der Gemeinschaft aber wollen endlich Fortschritte und Entscheidungen. Hierzu soll die Entschließung beitragen, die diesem Hohen Hause heute vorliegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717400100
Das Wort in der Aussprache hat der Herr Abgeordnete Seefeld.

Horst Seefeld (SPD):
Rede ID: ID0717400200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt Teilbereiche in der europäischen Politik, in denen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ein Vorankommen nur schwer zu erkennen ist. Die Verkehrspolitik zählt leider dazu. Deshalb begrüßen meine Freunde und ich es, daß der Deutsche Bundestag heute die Gelegenheit wahrnimmt, auf Grund einer Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und eines dazu erarbeiteten Berichtes unseres Verkehrsausschusses das Thema gemeinschaftliche Verkehrspolitik aufzugreifen. Die Anregung dazu kommt von Kollegen unseres Hauses, die im Europäischen Parlament seit Jahren bemüht sind, Wege und Möglichkeiten zu suchen, um eine europäische Verkehrspolitik überhaupt erst einmal in Gang zu bringen; denn ohne Zweifel muß man davon ausgehen, daß es eine solche noch nicht gibt und trotz der Bemühungen vieler vermutlich auch in Kürze schwerlich geben wird.
Im Europäischen Parlament war man sich einig, nicht mehr länger nur in diesem Parlament, das sowieso nicht über geeignete Kompetenzen verfügt, um auf die Politik direkt einwirken zu können, zu klagen, sondern in den nationalen Parlamenten mit dem jeweiligen Verkehrsminister in eine Aussprache zu treten. Im Deutschen Bundestag ist das heute der Fall, und ich hoffe, anderswo geschieht das auch.
Dabei möchte ich gleich unterstreichen, daß den deutschen Verkehrsminister die kritischen Anmerkungen im Europäischen Parlament nur bedingt zu treffen brauchen; bedingt, weil er einer von neun Ministern ist, die im Rat der Verkehrsminister zu entscheiden haben. Nur bedingt aber vor allem deshalb, weil sowohl Herr Gscheidle wie auch seine Vorgänger im Amte, etwa Herr Lauritzen und Herr Leber, unterstützt von ihren jeweiligen Staatssekretären mehrere Anläufe zur Vereinheitlichung unternommen und auch Vorschläge zur Regelung einer europäischen Verkehrspolitik unterbreitet haben. Wenn trotzdem nichts oder fast nichts geschehen ist, liegen die Gründe anderswo, am wenigsten jedoch bei der deutschen Bundesregierung und bei ihrem Verkehrsminister. Das wollte ich ausdrücklich hervorheben. Christdemokratische Verkehrspolitiker in Europa teilen im übrigen diese Meinung; sie ist unbestritten.
Woran liegt es also, daß wir einen Zustand haben, von dem der für Verkehrsfragen zuständige Kommissar in der Europäischen Kommission, Scarascia Mugnozza, schon im Jahre 1973 erklärte, daß es der Gemeinschaft in den ersten zwölf Jahren ihres Bestehens nicht gelungen sei, eine gemeinsame Verkehrspolitik zustande zu bringen? Nun, dafür gibt es bestimmt mehrere Gründe, und diese sind wiederum aus der Sicht eines jeden der neun Staaten natürlich unterschiedlich motiviert. Entscheidend dürfte jedoch sein, daß seit den Anfängen unserer Gemeinschaft bis heute nicht einmal eine Entscheidung über die Grundsätze einer gemeinsamen Verkehrspolitik gefällt worden ist.
Was bisher von den Vorschlägen der Kommission über das Europäische Parlament den Ministerrat erreicht hat und dann auch dessen Zustimmung fand, ist Stückwerk. Dabei ist selbstverständlich manches an Verbesserungen herausgekommen. Doch wir können und dürfen uns ja wohl nicht mit Stückwerk zufrieden geben. Eine gemeinsame Verkehrspolitik kann nicht aus einem Flickwerk dessen bestehen, worüber man sich — weil problemlos — zu einigen bereit war. In dem vom Europäischen Parlament gebilligten Bericht seines Ausschusses für Regionalpolitik und Verkehr, der durch den Herrn Kollegen Mursch eingebracht wurde, heißt es dazu sehr deutlich: „Aus kleinen Schritten entsteht kein modernes System."
Unterstreichen möchte ich auch einen anderen Grundgedanken dazu, nämlich: Eine moderne Verkehrspolitik muß den Verkehr in den Gesamtzusammenhang der Wirtschaft einordnen, und sie muß von Prinzipien ausgehen, die für alle Verkehrs-



Seefeld
arten anwendbar sind. Das heißt, daß man keine Verkehrspolitik losgelöst von dem allgemeinen System der Wirtschaftspolitik betreiben kann. Im Gegenteil: Sie muß eingegliedert sein. Das war nun bislang wahrscheinlich nicht der Fall.
Kommission und Europäisches Parlament haben, wie gesagt, Vorstellungen dazu entwickelt, z. B. in der „Mitteilung an den Rat über die weitere Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik", um die es hier geht. Auch in Detailbereichen, die für die Gesamtkonzeption wichtig sind, gibt es inzwischen klare Vorstellungen, bei denen das Europäische Parlament — ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Mursch — mit seinen Verkehrspolitikern aus den neun EG-Ländern bisweilen sogar über die Vorschläge der Kommission noch hinausgegangen ist oder von sich aus selbst initiativ wurde und Initiativberichte vorbereitete. Ich erinnere dabei an so bedeutende Themen wie die Luftverkehrspolitik, die Seeschiffahrtspolitik, die Seehafenpolitik oder die Versuche zur einheitlichen Abgeltung der Wegekosten, um nur einige der ungelösten Probleme zu nennen und etwas zu den Vorschlägen zu sagen, die zum Teil seit Jahren beim Ministerrat liegen. Ich könnte weiter die Einführung eines einheitlichen Führerscheins, die Vorschriften über das Verbundsicherheitsglas in Kraftfahrzeugen oder das große Problem der Maße und Gewichte erwähnen. Diese Liste, verehrte Kollegen, läßt sich beliebig erweitern. Da aber im Ministerrat noch immer nach dem Einstimmigkeitsprinzip verfahren wird, wird vermutlich noch lange zu warten sein, bis Entscheidungen zu den hier genannten Problemen fallen; denn irgend jemand ist bestimmt immer gegen irgend etwas, und der Stillstand ist somit leider für weitere Zeit garantiert.
In der übernächsten Woche findet in Dublin die Zusammenkunft einer Delegation des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments mit dem irischen Verkehrsminister als dem derzeitigen Ratsvorsitzenden statt. Dabei wollen die Verkehrspolitiker dem Minister erneut ihre Sorge und ihre Bedenken vortragen; denn Ratstagungen der Verkehrsminister haben inzwischen Seltenheitswert. Meist gelingt es in der sechsmonatigen Amtszeit eines Ratsvorsitzenden nur mit Mühe und Not, gerade einmal zusammenzutreten. Das erste Halbjahr des Jahres 1975 ist fast zu Ende, und es besteht der begründete Verdacht, daß die Minister auch dieses Mal keine Ratssitzung zustande bringen. Man trifft sich wenigstens gelegentlich inoffizell bei anderen Anlässen, z. B. bei der Zusammenkunft im Rahmen der Konferenz der europäischen Verkehrsminister, der CEMT, um auch dort über EG-Fragen Meinungen auszutauschen. Sehen Sie, so bescheiden sind wir alle geworden, daß wir uns schon freuen, daß sozusagen nebenbei noch Gespräche über die Verkehrspolitik in der Europäischen Gemeinschaft stattfinden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schlimm genug!)

Irlands Verkehrsminister wird in der übernächsten Woche die Schwierigkeiten aufzeigen und — um dies vorauszusagen, braucht man kein Prophet zu sein — versprechen, seinen ganzen Einfluß im Ministerrat geltend zu machen, damit die Vorschläge der Kommission und des Europäischen Parlaments angenommen werden. Nur: Er ist nur noch einen Monat Ratsvorsitzender, in dieser Zeit findet vermutlich kein Treffen mehr statt, dann verschwindet er in der Anonymität des Ministerrats, und ein anderer übernimmt den Vorsitz. Im Juli und August ist Sommerpause, dann arbeitet sich der Neue ein, und bis das geschehen ist, sind gut und gerne zwei Drittel seiner Amtszeit um.
Ich nehme die Gelegenheit wahr, am Beispiel des Nichtfunktionierens der EG-Verkehrspolitik auch kritisch auf den Sechsmonateturnus im Ratsvorsitz ganz allgemein hinzuweisen. Ich finde, meine Damen und Herren, dieses hat sich in der Vergangenheit nicht bewährt.

(Beifall)

Verehrte Kollegen, Verkehrswege sind Bindeglieder zwischen den Bürgern. Dies ist überall so und gilt natürlich auch besonders für uns in dieser Gemeinschaft, in der wir mehr und mehr zusammenwachsen. Denn gerade an Beispielen in der Verkehrspolitik kann der Bürger auch klar erkennen, ob es vorangeht oder nicht. Wenn wir über eine Wirtschafts- und Währungsunion reden und die Harmonisierung im Verkehrsbereich schreitet nicht voran und keine Vorteile sind für den Bürger erkennbar, dann wird mancher nur schwer verstehen, warum diese Europäische Gemeinschaft für ihn gut sein soll. Was nutzt ihm z. B. die Zusage, er könne sich innerhalb der Gemeinschaft frei bewegen, wenn er jetzt bei den bevorstehenden Sommerferien an den Binnengrenzen der Gemeinschaft stundenlang mit seinem Auto Schlange stehen und überflüssige Paß- oder Zollkontrollen an Grenzstationen über sich ergehen lassen muß, dazu an solchen Grenzstationen, die zum Teil in den letzten Jahren mit Riesenaufwand erst neu erbaut oder ausgebaut worden sind. Diese Bürger werden verärgert sein, und sie werden nicht an den Fortgang in der Europäischen Gemeinschaft glauben.
Wie stehen auch jene deutschen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Gemeinschaft, welche die vorgeschriebenen Sozialvorschriften im Straßengüterverkehr begrüßen, die sie — ich sage: selbstverständlich — befolgen, zugleich aber sehen, wie die gleichen Vorschriften in anderen Ländern nicht befolgt werden und dadurch einerseits soziale und gesundheitliche Nachteile für die Arbeitnehmer in den anderen EG-Staaten und andererseits wirtschaftliche Beeinträchtigungen für die Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland entstehen? Wie kann auch an die Chancengleichheit geglaubt werden, wenn bestimmte Staaten in der Europäischen Gemeinschaft bestimmte Verkehre oder bestimmte Verkehrsarten subventionieren oder ihnen steuerliche Vergünstigungen gewähren und dadurch Ungleichheiten entstehen, weil andere das nicht tun wollen oder nicht tun können.
Gewiß, Verkehrspolitik hat nicht in jedem Staat die gleiche Bedeutung. Die Voraussetzungen, aber auch die Zielsetzungen sind nicht gleich. Gerade deshalb müssen Formeln für die Zukunft gefunden



Seefeld
werden. Die Kommission sagt in ihrer Mitteilung an den Rat, daß die Vertragsziele für den Verkehr noch nicht erreicht worden sind und deshalb die Maßnahmen der Gemeinschaft wie bisher die Hindernisse zu beseitigen haben, die der Freizügigkeit der Dienstleistungen im Verkehr entgegenstehen. Es sei auf eine Harmonisierung des Gesamtrahmens für die Tätigkeit der verschiedenen Verkehrsträger und der verschiedenen Verkehrsunternehmen hinzuwirken. Des weiteren seien die Instrumente zu schaffen, die für ein Eingreifen in das Marktgeschehen in dringenden Fällen erforderlich seien, z. B. durch Tarifsetzung und Kapazitätskontrolle. Besonders jedoch wird herausgehoben, daß im Rahmen einer engen Zusammenarbeit die heutigen Mängel zunächst zu beseitigen seien.
Die vorliegende Mitteilung der Kommission, auf deren Einzelheiten ich nicht weiter eingehen will — der Herr Berichterstatter hat dies bereits getan —, gibt die Möglichkeit für einen neuen Beginn. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme kann in den dort vorgezeichneten Stufen verfahren und danach gehandelt werden. Bei der Beratung der gleichen Vorlage im Europäischen Parlament durfte ich für meine Fraktion besonders jene Punkte herausstreichen, bei denen es um die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen geht, als da sind: Beseitigung aller künstlichen Kostenverzerrungen zwischen Unternehmen verschiedener Verkehrsarten und verschiedener Länder oder Erwirtschaftung der vollen gesamtwirtschaftlichen Kosten durch die Verkehrsunternehmen und Ausrichtung aller öffentlichen Investitionsentscheidungen auf dem Verkehrssektor oder Harmonisierung der Kraftfahrzeugsteuern oder ein System der Abgeltung der Wegekosten oder eine gemeinsame Regelung des finanziellen Verhältnisses zwischen Staaten und Eisenbahnen.
Meine Fraktion im Deutschen Bundestag ist damit einverstanden, daß diese Forderungen hier heute übernommen werden. Ich füge hinzu, daß wir die Verkehrspolitik als einen wichtigen Teilbereich der europäischen Integration betrachten. Wir werden deshalb nicht nachlassen, auf ein Mehr in der EG-Verkehrspolitik zu drängen. Dabei wissen wir uns mit Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, einig. Sie haben erst kürzlich bestätigt, daß die in der Entschließung des Europäischen Parlaments zur weiteren Entwicklung der Verkehrspolitik enthaltenen Vorstellungen, die auch in der dem Bundestag heute vorliegenden Drucksache enthalten sind, von Ihnen gebilligt werden. Herr Bundesverkehrsminister, Sie werden in der SPD-Bundestagsfraktion einen tatkräftigen Mitstreiter bei Ihren Bemühungen um eine gemeinschaftliche Verkehrspolitik haben. Lassen Sie sich bitte nicht durch den derzeitigen Stillstand beeinflussen. Ergreifen Sie, wenn möglich, selbst neue Initiativen.

(Dr. Schweitzer [SPD] : Sehr gut!)

Bedrängen Sie bitte auch Ihre Kollegen im Ministerrat. Die Europäische Gemeinschaft braucht Erfolge. Sie braucht sie aber besonders in der europäischen Verkehrspolitik.
Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt dem vorliegenden Bericht und dem Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu.

(Beifall)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717400300
Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0717400400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube feststellen zu können, daß sich im Verlauf der Debatte herauskristallisiert hat, wie wichtig eine gemeinsame europäische Verkehrspolitik wirklich ist. Ich glaube ferner feststellen zu können, daß die Verkehrspolitik in Europa deshalb so wichtig ist, weil von ihr abhängt, ob die gemeinsame Wirtschaftspolitik, aber auch die Regionalpolitik, die Sozialpolitik, die Industrie- und Umweltpolitik in Europa vorankommen oder ob auf Grund stagnierender Politik auf dem Verkehrssektor auch die Lösung aller anderen Probleme in Europa ins Stocken gerät.
Lassen Sie mich eingangs die Bedeutung gerade der Probleme der Verkehrspolitik unterstreichen. Seit den Beschlüssen der Jahre 1965 und 1967, in denen die Orientierungsrichtlinien der Minister zu den Verkehrsproblemen festgelegt worden sind, hat sich eine Menge Veränderungen abgezeichnet, nicht nur hinsichtlich der Erweiterung der Gemeinschaft, sondern auch hinsichtlich einer neuen Lenkung der Verkehrsströme usw. Die Debattenbeiträge der beiden Europa-Parlamentarier, des Kollegen Mursch und des Kollegen Seefeld, haben eindeutig gezeigt, daß das Konzept jetzt vervollständigt werden muß. Ich möchte aber noch unterstreichen, welche Bedeutung die Verkehrswirtschaft in Europa schlechthin hat. Mit dem Verkehr der Personenkraftwagen und dem Werksverkehr werden insgesamt 15 v. H. des Bruttosozialprodukts durch die Verkehrswirtschaft erbracht. Schon diese Tatsache zeigt, wie wichtig ein Fortschritt auf diesem Gebiet ist. Außerdem sind allein 1,3 Millionen Menschen in Europa bei den europäischen Eisenbahnen tätig. Auch dieser Sachverhalt zeigt, daß man voranschreiten muß, wenn man eine erfolgreiche Europapolitik betreiben will.
Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß die Kommission in einer Mitteilung an den Rat vom 24. 10. 1973 zur Schaffung eines gemeinschaftlichen Verkehrssystems bis spätestens 1983 aufgerufen hat. Ich hoffe, daß auch das Europäische Parlament mit allem Nachdruck hinter diesem Aufruf steht. Wie ich aus den bisherigen Äußerungen entnehmen konnte, wird dieses Verkehrssystem ein Meilenstein sein und sein müssen. Denn die Erweiterung der bisherigen betriebswirtschatlichen Orientierung der EG-Verkehrspolitik durch die Erarbeitung einer umfassenden gesamtwirtschaftlichen Strukturpolitik ist ebenso eine Notwendigkeit wie die Gestaltung der Verkehrswege als einheitliches Netz einer ausreichenden Verkehrsinfrastruktur für alle Räume der Gemeinschaft. Diese Aussage gilt spezifisch für die strukturschwachen Räume in Europa.

Geldner
Das trifft ebenso zu für die Herstellung eines freien gemeinsamen Verkehrsmarktes unter möglichst gesunden Bedingungen, unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Kosten und unter dem Gesichtspunkt, daß bis heute noch keine ausreichende Harmonisierung verwirklicht worden ist. Dieser bis 1983 zu schaffende gemeinsame Verkehrsmarkt erfordert eine Gleichbehandlung z. B. des grenzüberschreitenden Verkehrs im Bereich der Kabotage in der Gemeinschaft mit dem nationalen Verkehr in bezug auf Kapazitätskontrollen, beinhaltet aber auf der anderen Seite auch die Freiheit der Schiffahrt auf den Binnenwasserstraßen für alle Unternehmen der Gemeinschaft und gegebenenfalls — im Wege der Gegenseitigkeit — auch für die Drittländer.
Wir sollten auf das, was in der Gemeinschaft bisher erarbeitet wurde, aufbauen, auch wenn dies — wie es heute schon zum Ausdruck gekommen ist — relativ mager ist. Ich denke da z. B. an zusätzliche Forschungen im Bereich der Verkehrssicherheit. Auch hier muß in Zukunft auf europäischer Ebene eine Harminisierung herbeigeführt werden. Das gleiche gilt für die Initiativen in den Bereichen der Schiffahrt und der Hafenwirtschaft oder für die Harmonisierung der Arbeitsbedingungen bei der Binnenschiffahrt und den Eisenbahnen in der Gemeinschaft. Auch hier wird man, aufbauend auf den bisherigen Arbeiten im Zusammenhang mit der Regelung der Gemeinschaftskontingente für grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr, in Zukunft noch einiges tun müssen. Auch wird es notwendig sein, in der Frage der Festlegung der Maße und Gewichte für Lkw voranzukommen. Ein erster Schritt ist bereits zur Harmonisierung der Kraftfahrzeugsteuer getan worden. Ich hoffe, daß hier etwas geschieht, damit unsere nationalen Verkehrsträger in der Bundesrepublik nicht weiterhin eklatant benachteiligt sind. Ich glaube, daß auch die Bemühungen um das System für die Abgeltung der Wegekosten und den Ausbau der Infrastrukturkonsultationen genau wie die Lösung des Problems der Überwachung der Kraftfahrzeuge in Europa vorangetrieben werden müssen.
Ich begrüße es, daß das Europäische Parlament die Stellungnahme der Kommission in seiner Grundhaltung zustimmend entgegengenommen hat. Es hat dazu allerdings einige abweichende Vorstellungen entwickelt, was aber zu unterstützen ist. Dieses Europäische Parlament hat einige Akzente gesetzt. Ich darf hier vielleicht nur einige aufgreifen. So heißt es:
Der Wettbewerb ist durch regelnde Eingriffe
der Verkehrspolitik, die die Kapazität und die
Preise betreffen, vor Auswüchsen zu bewahren.
Ich glaube, daß gerade wir in der Bundesrepublik Deutschland ein Lied davon singen können, was Auswüchse manchmal bedeuten. Ich möchte noch die Notwendigkeit betonen, daß die Verkehrsunternehmen ihre vollen gesamtwirtschaftlichen Kosten erwirtschaften sollten. Das muß auch für die anderen Partner in Europa gelten.
In den Einzelbereichen gäbe es noch eine Vielzahl von Problemen zu nennen, in denen weitere Integrationsforderungen ansetzen müßten. Lassen Sie mich nur ein Wort zur Seeschiffahrt sagen. Hier geht es um die Freigabe der Kabotage. Bei der Luftfahrt geht es um die Multilateralisierung der Landerechte in Europa. Bei der Eisenbahn ist die Schaffung einer europäischen Dachorganisation erforderlich. Im Endeffekt bedarf es dann einer europäischen Straßenverkehrsordnung. Ich glaube, das sind Probleme, deren Lösung vorangetrieben werden muß, um in Zukunft — wie ich schon eingangs meiner Ausführungen sagte — eine fortschrittliche Europapolitik der Integration und des Zusammenführens zu gewährleisten.
Wir begrüßen die Aktivitäten des Europäischen Parlaments. Man sollte den Europäern und dem Europäischen Parlament noch mehr den Rücken stärken, um hier im Sinne Gesamteuropas — nicht nur im Sinne der Wirtschaftsunion — voranzukommen und damit eine europäische Verkehrspolitik zu betreiben.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern auch eine sofortige Verabschiedung der für die Jahre 1974 bis 1976 vorgesehenen Regelungen durch den Rat. Wir fordern ferner eine alsbaldige Aufstellung eines Zielkatalogs für die Zeit von 1977 bis 1983 durch den Ministerrat.
Wir Freien Demokraten begrüßen deshalb vor allem die Initiativen des Europäischen Parlaments, die im Hinblick auf eine stärkere Verbindlichkeit der grundlegenden verkehrspolitischen Zielsetzungen von uns unterstützt werden. Ich hoffe, daß der Fortgang der Arbeiten im Europäischen Parlament dazu führt, daß dieser Zielpunkt 1983 nicht nur ein Fixpunkt bleibt. Die angestrebten Maßnahmen müssen eine Realität werden, um beim Aufbau eines gemeinsamen Europa voranzukommen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717400500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0717400600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werden Sie, bitte, nicht ungeduldig. Ich möchte nur eine kurze Bemerkung im Rahmen und aus Anlaß dieser Debatte machen. Bei Gelegenheit dieser Debatte liegt mir nämlich daran, zum Ausdruck zu bringen, daß ich es als Abgeordneter des Deutschen Bundestages ebenso wie als ehemaliges Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl dankbar begrüße, wenn sich der Deutsche Bundestag nach dem heutigen konkreten Versuch einer Erörterung von Sorgen, Problemen und Notwendigkeiten auf einem lebenswichtigen Teilgebiet der Politik unserer europäischen Gemeinschaft in Zukunft häufiger zur Sache in europäischen Lebensnotwendigkeiten äußerte.

(Beifall)

Ich sage das mit einem Hinweis auf zahlreiche Vorlagen aus Brüssel, die unser Parlament passieren, ohne daß Gelegenheit gegeben oder auch genommen



Wehner
wird, daß wir uns gemäß unseren parlamentarischen Pflichten zu der jeweiligen Sache äußern.

(Zustimmung bei der SPD und der FDP)

Indem wir diese Pflicht nicht ausüben, verringern wir als direkt gewählte Abgeordnete eines der Parlamente unserer Europäischen Gemeinschaft die Möglichkeit, dem Europäischen Parlament endlich ein Recht durchsetzen zu helfen, nämlich das Recht zu verbindlichen Äußerungen und Einwirkungen auf Entscheidungen, die unsere Europäische Gemeinschaft angehen.
Das meine ich zugleich als eine Aufforderung an unsere eigene Regierung.

(Beifall auf allen Seiten)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717400700
Das Wort hat Herr Bundesminister Gscheidle.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0717400800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das verkehrspolitische Memorandum war von der Europäischen Kommission als Grundlage für einen Dialog zwischen den Organen der EG unterbreitet worden. Es handelt sich also um Denkanstöße, die weiter aufgenommen werden müssen, und zwar insbesondere mit dem Ziel der Aktivierung. Der Verkehrsminister freut sich, daß er bei der heutigen Debatte das Gefühl einer breiten Unterstützung in diesem Bemühen haben darf, nicht nur in der Sicherheit einer verbalen Unterstützung, sondern auch in den sehr konkreten Anstößen, die gegeben wurden.
Die Anregungen des Fraktionsvorsitzenden der SPD werde ich in meinem Bereich, aber, da sie an die Bundesregierung gerichtet waren, sicherlich auch in den dortigen Diskussionen gern zum Anlaß nehmen, zu überlegen, wie man das durch Aufbereitung des Materials, das hier in der nationalen Gesetzgebung und für die Verhandlungsführung von Bedeutung wäre, konkretisieren kann.
Manchmal erscheint es mir in der Tat so, Herr Abgeordneter Mursch, daß die Vorzeichen für die europäische Verkehrspolitik schon einmal günstiger waren. Ich denke an das Jahr 1965 zurück. Damals formulierte die Kommission als Hauptaufgabe das Ziel, den Verkehrsunternehmern wie auch den Verkehrsnutzern die Vorteile des Wettbewerbs zuteil werden zu lassen. Wenn ich mich an meine eigene Tätigkeit im Ministerrat erinnere, dann kann ich nur bestätigen, was hier an kritischen Bemerkungen vorgetragen wurde. Natürlich hat man manchmal bei verbaler Übereinstimmung in den Grundsätzen, um ein Tagesergebnis vorweisen zu können, zuletzt nur noch — ich übertreibe — die Vereinheitlichung der Fahrradbeleuchtung erreicht. Allerdings ist nicht zu verkennen, mit welch unterschiedlichen Auffassungen man an die Ausfüllung der Ziele herangeht.
Ich will aus naheliegenden Gründen nicht gerade die heutige Debatte benutzen, einmal einiges konkret an die Wand zu zeichnen. Aber im Grundsätzlichen ist nicht zu verkennen, daß unsere Position
in diesem Spannungsfeld zwischen Harmonisierung und Liberalisierung natürlich die ungünstigere Position ist; denn eine Liberalisierung ist durch einen Beschluß an einem Tag mit verwaltungstechnisch verhältnismäßig leicht zu bewältigenden Folgen zu erreichen.
Bezüglich der Harmonisierung sind hier beispielsweise folgende Punkte angesprochen worden: die Anlastung von Wegekosten, die Frage des Abbaus der Belastung eines 32-t-Fahrzeuges in der Spanne, die Sie der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage entnehmen konnten — zwischen 6 800 und 325 DM im konkreten Fall —, die unterschiedliche Finanzierung über die Mineralölsteuer in einer Spanne von 8 bis 41 Pf pro Liter, die unterschiedlichen Regelungen der Arbeitsbedingungen. Hier sozusagen einen Harmonisierungsprozeß einzuleiten ist selbst dann, wenn im konkreten Fall eine Übereinstimmung besteht, ein langer Weg; denn die Belastungen, die hier entstanden sind, sind derart unterschiedlich, daß man nur in vielen Etappen vorgehen kann.
Ich begrüße außerordentlich die nachhaltigen Appelle gerade auch an den deutschen Verkehrsminister, dies im Rat immer wieder kreativ, immer wieder mit neuen Versuchen und Denkanstößen zu tun. Ich halte die Kritik für richtig, die an der Tatsache geübt wurde, daß verhältnismäßig wenige Ratstagungen stattfinden. Dabei kann wohl nicht übersehen werden, daß im Jahre 1975 durch das britische Referendum eine gewisse Lähmung der Ratstätigkeit eingetreten ist. Ich hoffe nur, daß sich dies nunmehr löst und daß wir wieder zu mehreren Tagungen kommen.

(Mursch [Soltau-Harburg] [CDU/CSU] : Oktober!)

Es wurde auch darauf hingewiesen, in welchem Zusammenhang die Ratstagungen mit dem Wechsel der Präsidentschaft zu sehen sind. Wir unsererseits nehmen deshalb in der Vertretung unserer Interessen in der EG jede internationale Tagung wahr, die uns Gelegenheit gibt, am Rande Dinge vorzubereiten und zu besprechen. Wir werden das bei der Verkehrsministerkonferenz in Kopenhagen tun, und wir werden das auch in bilateralen Gesprächen tun. Ich hatte in letzter Zeit mehrmals das Vergnügen, mit den Verkehrsministern der EG in bilateralen Gesprächen abzutasten, wie die unterschiedlichen Auffassungen sind, und dadurch das weitere Vorgehen vorzubereiten; in den nächsten Wochen werde ich wiederum Gelegenheit haben, dies mit drei Verkehrsministern zu tun. Aber gerade aus solchen Erklärungen wird dann immer deutlich, wie unterschiedlich doch die Auffassungen im Konkreten sind. Manche Verhandlungen im Rat leiden auch etwas unter der Perfektion, mit der die Kommission manchmal ihre Vorlagen präsentiert, und dann kommt man natürlich schon durch die Art der Formulierung der Vorlage bis in die kleinsten Details, und man verliert nach einigen Stunden fast den Bezug zu der Überschrift, unter der man an und für sich begonnen hat, die grundsätzliche Frage zunächst zu erörtern.



Bundesminister Gscheidle
Wir als Bundesrepublik haben natürlich eine besondere Situation; wir haben sie geographisch, und wir haben sie in unserer Infrastruktur. Auf unseren Straßen bewegen sich täglich im Durchschnitt 10 000 ausländische Lkw sowie 300 000 fremde Pkw und Omnibusse. Wir haben auf Grund der Mannheimer Akte die besondere Situation eines sozusagen abgabenfreien Wasserwegs; wir haben die besondere Situation, den Rhein/Main/Donau-Kanal auszubauen, und nach dieser Komplettierung unseres Binnenwassenstraßensystems wird dann die schwierige Frage der Auseinandersetzung mit den Staatshandelsländern und mit deren Vorstellungen hinsichtlich der Einstufung dieses Wasserweges auftauchen. Wir haben die schwierige Situation in der Seehafenpolitik; wir stehen, auf der Grundlage der schon in Deutschland nicht einfachen Konkurrenzsituation der Seehäfen, vor der Aufgabe, uns zunächst einmal — und dies wird ja versucht — darüber einigen zu müssen, mit welcher Konzeption und mit welchen Forderungen der Offenlegung der zur Zeit vorgenommenen direkten und indirekten Subventionen im Rahmen der Hafenpolitik der einzelnen Nationen wir dann aus einer Bestandsaufnahme zu einer internationalen, einer europäischen Praxis überleiten können.
Ich begrüße auch, daß hier in der Frage der Regionalpolitik übereinstimmend Anstöße gegeben wurden. Ich glaube, die Folgerung für die nationale Gesetzgebung ist klar: Man muß eben in den einzelnen Bereichen immer wieder den Gedanken der Regionalpolitik mit einfließen lassen. Aber es kann natürlich auch nicht übersehen werden, daß man es sich dann, wenn man zu einer integrierten Regionalpolitik Europas kommen will, auf der anderen Seite im nationalen Bereich versagen muß, übertriebenen Anforderungen an regionale Maßnahmen zu entsprechen, damit nicht durch vorheriges eigenes Handeln eine spätere übereinstimmende Planung unmöglich gemacht wird oder nicht mehr reparable Entscheidungen getroffen werden.

(Schulte [Schwäbisch Gmünd] [CDU/CSU] : Deswegen wird hier keine Raumordnung betrieben!)

— Richtig.
Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Auffassung, daß eine europäische Verkehrspolitik nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist — in Übereinstimmung mit den hier gemachten Ausführungen. Sie wird ihrerseits alles unternehmen, was sie als Sachoder politischen Beitrag zu leisten in der Lage ist, um die Ziele, die hier übereinstimmend herausgestellt wurden, zu erreichen.

(Beifall)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717400900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Ausschußantrag auf Drucksache 7/3564. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter
— Drucksache 7/3550 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Dazu hat der Herr Abgeordnete Erhard (Bad Schwalbach) das Wort.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Wird der Entwurf nicht begründet?)

— Keine Anmeldung zur Begründung.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0717401000
Frau Präsident! Potz Blitz,

(Heiterkeit)

ein bedeutender Gesetzentwurf liegt uns auf dem Tisch. Der Inhalt dieses Entwurfes, der ja auch jetzt nicht begründet wurde, erscheint winzig, unbedeutend und nur als eine Art Gesetzeskosmetik. Bei näherem Hinsehen aber entpuppt sich dieser Gesetzentwurf als ein Meilenstein, als ein Demonstrationsbeispiel für justizpolitische Fehlleistungen von Regierung und Koalition.

(Wehner [SPD] : Potz Blitz!)

Kein Wunder, daß sich die Bundesregierung schämte, den von ihr erarbeiteten Gesetzentwurf als Regierungsvorlage einzubringen.
Im Herbst des vorigen Jahres hatte der Herr Bundesjustizminister ganz verschämt dem Rechtsausschuß den Vorschlag unterbreitet, ein Gesetz mit diesem Inhalt an die Novelle für das Kostenrecht im Gerichtswesen, der Gerichtsvollzieher und der Rechtsanwälte anzuhängen: Richtertitel und Gebühren, so war das gedacht. Möglichst niemand sollte merken, was hier eigentlich nicht unbemerkt bleiben darf. Dieses heimlich gehegte Kind ist nun nach etwa acht Monaten zu sehen; wir können es heute besichtigen. Aber die Koalitionsfraktionen haben die Vaterschaft übernommen. Was ist dazu hier wohl zu bemerken?
In der Regierungserklärung 1969 kündigte der Bundeskanzler an — ich zitiere mit gewissen Weglassungen —:
Zunächst wollen wir unsere zersplitterte Rechtspflege für den rechtsuchenden Bürger durchschaubarer machen . . . Dem Bürger soll außerdem nicht nur ein gutes, sondern auch ein schnelleres Gerichtsverfahren zur Verfügung gestellt werden. Entscheidend ist, daß unsere Richter den ihnen gestellten Aufgaben gewachsen sind. Dazu müssen wir ... ihre Verantwortungsfreude ... stärken, ihre Mitwirkung in eigenen Angelegenheiten verbessern, ihnen eine ihrer verfassungsrechtlichen Stellung gemäße Besoldung geben ...
usw. — Fürwahr, große Absichten. Doch was wurde daraus?
12190 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode 174. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975
Erhard (Bad Schwalbach)

Der Bundesminister der Justiz, Herr Jahn, kündigte noch im gleichen Jahr, und zwar im Jahresbericht der Regierung 1969, zum Richterrecht als erste Maßnahme an, die Amtsbezeichnungen der Richter zu verändern, wodurch die Tätigkeit und Stellung des Richters besser gekennzeichnet werden solle. Auch im Jahresbericht der Regierung 1970 wird unter der Überschrift „Richterrecht" die Änderung der Amtsbezeichnungen hervorgehoben und im übrigen auf die Veränderung der Präsidialverfassung der Gerichte verwiesen. Richtertitel sind also nach der damaligen Vorstellung der Regierung ein wichtiges Element rechtspolitischer Reformvorstellungen.
Ende 1971 wurde dann das Gesetz zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter hier verabschiedet. Über den Bundesrat und den Vermittlungsausschuß wurde der hier abgeschaffte „Schöffe" erhalten, nachdem ihn hier die Mehrheit für nicht mehr bestandsfähig gehalten hatte. Jetzt wird im Bereich der ehrenamtlichen Richter mit diesem Gesetzentwurf auch der „Handelsrichter" wiederentdeckt und soll wieder eingeführt werden. Das ist eine Auferstehung, nicht nach drei Tagen, meine Damen und Herren, sondern nach fast genau drei Jahren.
Die Neuregelung der Richtertitel hatte der amtierende Justizminister Jahn hier im Plenum am 15. Dezember 1971 als Zeichen dafür gerühmt, daß die Richter nicht in dem hierarchischen Aufbau der Verwaltungsbehörden stünden und daß sie der
1 besonderen Stellung des Richters, die er durch das Grundgesetz erhalten habe, entspreche. Ja, er ging so weit, die Titelveränderung als wesentlichen Teil der Justizreform zu werten. Er sagte wörtlich:
Ich verstehe unter Justizreform eine umfassende Verbesserung der Rechtspflege . . .
Sie muß insbesondere auch eine Neuregelung der Stellung der in der Rechtspflege tätigen Organe einschließen, ...
Und weiter:
Die Bundesregierung hatte den Entwurf mit dem Ziel eingebracht, Autorität und Selbstverantwortung des Richters zu stärken, einen weiteren Schritt bei der Unterscheidung von Richtern und Beamten zu tun und insgesamt ... das Richterrecht zu vereinheitlichen und zu verbessern.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, durch die Veränderung des Titels, z. B. „Amtsrichter" in „Richter am Amtsgericht" oder „Finanzrichter" in „Richter am Finanzgericht", wird nach der Vorstellung der Regierung die Selbstverantwortung und die Autorität des Richters gestärkt, ja, sogar die Stellung des Richters innerhalb der Rechtspflege reformatorisch verbessert. So einfach ist das.

(Zuruf von der CDU/CSU)

In der Debatte des Bundestages hatte der Kollege Dr. Arndt für die SPD breit und leidenschaftlich seine Auffassungen über die verfassungsrechtliche Stellung des Richters und seine Aufgaben dargestellt. Über weite Strecken stimmen wir völlig mit ihm überein. Er meinte, die Änderung der Amtsbezeichnungen der Richter sei der erste Schwerpunkt dieses damals verabschiedeten Gesetzes. Wörtlich sagte er:
Wir wollen die Richter herausheben aus der Hierarchie der Beamtenbezeichnungen und wollen ihnen ... den Titel eines Richters verleihen, der ihre Funktion in dieser Verfassungsordnung kennzeichnet.
Etwas später heißt es:
Justizreform heißt in erster Linie, wenn wir dem Grundgesetz folgen, Reform der Stellung des Richters in diesem Lande, ... Es gehört damit zu Recht in die erste Etappe der Justizreform.
Zum Abschluß seiner Rede sagte er:
Ich sah es als meine Aufgabe an, ... hier darzulegen, ... daß es sich hier um eine verfassungsmäßige Grundentscheidung über das Richteramt und nicht um einen Streit um Titel handelt.
Diesen angeblichen Verfassungsauftrag, der sich in Richtertiteln widerspiegeln sollte, hat nun ausgerechnet 'das Bundesverfassungsgericht zurechtgerückt. Das Titelgesetz wurde in verschiedenen Punkten für verfassungswidrig erklärt. In einer ganzen Reihe weiterer Punkte entging das Gesetz dem Urteil „verfassungswidrig" nur durch Stimmengleichheit der Bundesverfassungsrichter. Hier hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, von dem schon mancher bösartig und falsch meinte, ihn als den „Roten Senat" apostrophieren zu müssen.

(Kleinert [FDP] : Das werden Sie auch mal wieder anders sehen!)

So ist das, wenn irgendeine Ideologie die rechtspolitischen Vorstellungen beeinflußt und den Blick verstellt. Wenn der Titel zum Ausdruck bringen soll, daß Richter nicht Räte im Sinne des Obrigkeitsstaates sind, sondern Richter dieses demokratischen Staates, wie das der Kollege Arndt in seiner Erklärung zum Vorschlag des Vermittlungsausschusses hier gesagt hat, dann wird Wesentliches mit Unwesentlichem verwechselt und sogar, wie geschehen, die Verfassung verletzt, als ob beispielsweise die Bezeichnungen „Regierungsrat", „Ministerialrat", „Oberverwaltungsrat" in unserem Staat zum Ausdruck brächten, daß die Träger dieser Titel Beamte im Sinne des Obrigkeitstaates wären und nicht Beamte im demokratischen Rechtsstaat.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Am besten läßt sich diese ideologische Verklemmung aus den Leitsätzen zur Justizpolitik der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen aus dem Jahre 1967 entnehmen. Sie wurden unter dem Vorsitz von Herrn Wassermann erarbeitet. Dort heißt es unter anderem:
Die Unabhängigkeit der Richter ist durch die
Verfassung geschützt, aber durch den hierar-



Erhard (Bad Schwalbach)

chischen Aufbau der Justiz und das herrschende Laufbahnprinzip beeinträchtigt. Notwendige Schritte zum Ausbau der richterlichen Unabhängigkeit sind daher der Abbau der Richterhierarchie in Amtsrecht und Besoldung.
Dann werden drei Punkte aufgeführt, mit denen man das zunächst erreichen sollte. Der erste Punkt lautet:
Die Vielfalt der richterlichen Ämter, die großen Gehaltsunterschiede zwischen den Richtern und die diesen entsprechenden Amtsbezeichnungen sind zu beseitigen.
Die nächsten Punkte brauche ich hier nicht zu erwähnen, obwohl sie für die ideologische Grundposition äußerst interessant sind. Die große Ähnlichkeit der regierungsamtlichen Erklärungen und der Äußerungen aus den Reihen der SPD mit diesen Leitsätzen ist unverkennbar.
Das damalige Gesetz begleitete der viel schreibende Bundesrichter Dr. Woesner mit einem Aufsatz — rechtspolitisch hochinteressant im „Spiegel". Dort heißt es zur Titelfrage unter anderem:
Dabei geht es nicht um zielstrebige Gleichmacherei, sondern um die Ausgangsbasis bei der Gestaltung der rechtsprechenden Gewalt.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Bei den Titeln?)

An anderer Stelle heißt es:
Die Forderung, die Kollegialgerichte durch Beseitigung der Machtstellung des Vorsitzenden
zu demokratisieren, kommt nicht von ungefähr.
An wieder anderer Stelle heißt es:
Das Gesetz fordert nun einmal aus guten Gründen, daß in den Kollegialgerichten die Richter frei von allen hierarchischen Einflüssen über Menschenschicksale entscheiden sollen, und uni das sicherzustellen, müssen die Privilegien
— also die Titel —
auch der Erfahrensten weichen.
Herr Woesner war prominentes Mitglied der ASJ und ist in den letzten Tagen durch Nichterlaß des Haftbefehls gegen den inzwischen untergetauchten Rechtsanwalt Haag bekanntgeworden.

(Wehner [SPD]: Hat das mit der Sache auch etwas zu tun?)

— Offensichtlich! Ich hatte geglaubt, Herr Wehner, Sie seien mir genau gefolgt, und ich habe mich auch kaum geirrt; sonst hätten Sie den Zwischenruf nicht gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Zusammenhänge zwischen dem kleinen Gesetzgebungsmäuschen und der verfehlten, ideologisch überfrachteten sogenannten Justizreform müssen gesehen werden. Hat sich durch die Titelveränderung denn in den letzten Jahren an unseren Gerichten etwas geändert? Sind unsere Richter entscheidungsfreudiger geworden? Ist unser Gerichtssystem für den Bürger überschaubarer geworden? Meine Damen und Herren, der Praktiker weiß doch längst, daß die Flut von Gesetzen im Justizbereich weniger Überschaubarkeit und weniger Rechtssicherheit für die Bürger gebracht hat.
Die Forderung aus der Regierungserklärung von 1969, wonach dem Bürger ein schnelleres Gerichtsverfahren zur Verfügung gestellt werden soll, ist doch hier im Bundestag erst kürzlich durch ein neues Revisionsrecht in Zivilsachen gekrönt worden. Nunmehr weiß niemand mehr, ob er Revision überhaupt wird einlegen können und, wenn er sie einlegt, ob die Sachentscheidung des Revisionsgerichts von ihm überhaupt erzwungen werden kann. Das alles ist in das weitgehende Ermessen des Gerichtes gestellt.
Die Richtertitel haben und hatten ganz offensichtlich keinen Einfluß auf die Selbstverantwortung, das Selbstbewußtsein und die Entscheidungsfreude der Richter. Sie haben auch keinen Einfluß auf die Besoldung, wie wir aus dem vorliegenden Entwurf auch deutlich ablesen können, wenn wir es nicht ohnehin schon längst gewußt hätten.
Die Titel aber so zu ändern, daß sie verfassungsgemäß sind, und darüber hinaus auch dort zu ändern, wo sie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts höchst bedenklich erscheinen, sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren unser aller Aufgabe sein. Wir werden das Unsere dazu beitragen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Potz Blitz!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717401100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0717401200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war allein die Fraktion der CDU/CSU, die darauf bestand, daß zu diesem Tagesordnungspunkt eine Aussprache stattfindet, und der Herr Kollege Erhard (Bad Schwalbach) hat — potz Blitz! — dazu eine so bedeutende Rede gehalten, daß er die Zahl der Zuhörer aus seiner Fraktion während seiner Rede von fünf auf acht zu steigern in der Lage war.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das unterstreicht die bedeutende Unterstützung des echten Anliegens der Opposition, zu diesem Tagesordnungspunkt unbedingt sprechen zu wollen.

(Dr. Hammans [CDU/CSU] : Bei Ihnen werden es gerade weniger!)

Was der Herr Kollege Erhard (Bad Schwalbach) gemacht hat, war im wesentlichen ein Nachtarocken, das an Stammtischen gängig und üblich ist, im Parlament aber nicht unbedingt die Regel sein sollte.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Beim Kollegen Erhard kamen sie rein, bei Ihnen gehen sie raus, Herr Dürr!)

Ein paar ganz wenige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Erhard.
Die Bundesregierung hat sich nicht geschämt, einen eigenen Entwurf einzubringen; aber der Mechanismus mit Referentenentwurf, Kabinettsbeschluß,



Dürr
Zuleitung an den Bundesrat für den ersten Durchgang, Rückleitungen an die Bundesregierung, Gegenäußerung der Bundesregierung, dann Zuleitung an den Bundestag und danach erste Lesung schien der Sache nicht angemessen zu sein und hätte auch viel zuviel Zeit gekostet. Denn um was geht es hier? Es geht hier um nichts anderes als um eine uns vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verordnete Korrektur, nicht in einem Zentral-, sondern in einem Nebenpunkt dieses Gesetzes. Dieses Gesetz hätte sich mit zwei Paragraphen, einer Bestimmung über das Inkrafttreten und der Berlin-Klausel begnügen können, wenn nicht inzwischen das Zweite Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuordnung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern von uns beschlossen worden wäre, was die Einfügung eines Art. 2 in diesen Gesetzentwurf erforderlich gemacht hat, der viele Zeilen beinhaltet, aber nur zur Koordination nötig ist und in der Sache nichts ändert.
Meine Damen und Herren, es ist hier nicht nötig, die Sache auf ein so hohes Podest zu stellen, wie es der Herr Kollege Erhard (Bad Schwalbach) getan hat. Aber dessen Rede war noch gar nichts gegen die des Kollegen Dr. Richard Jaeger bei der Verabschiedung des Gesetzes überhaupt, wo er in die Leier griff und Worte wie „Egalitätswahn", „Gleichmacherei, die in ein sozialistisches Konzept paßt", sprach und — potz Blitz! — selbst vor dem Wort „Revolution" nicht zurückscheute.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört! — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Also mindestens ein Teil der Rede des Kollegen Erhard scheint Ihnen gut gefallen zu haben!)

Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Erhard hat gefragt: Was hat sich an unseren Gerichten geändert? Ich möchte auf etwas hinweisen, was sich nicht bei unseren Gerichten, aber bei den Rechtsuchenden geändert hat. Herr Kollege Erhard, Sie und ich wissen als Rechtsanwälte gut genug, wie oft uns Mandanten beim Beginn des Durchsprechens einer bevorstehenden Verhandlung in Straf oder Zivilsachen etwas knieschlotternd und mit beklommenem Herzen gefragt haben: Wie redet man denn die Herren eigentlich an? Und das mit so viel Sorge in der Stimme, als ob sie meinen würden, von der richtigen Anrede hinge Gewinn oder Verlust des Prozesses sehr wesentlich ab. Wir haben ihnen im allgemeinen gar nicht die volle Wahrheit gesagt; denn wenn wir ihnen gesagt hätten: „Der in der Mitte ist der Herr Landgerichtsdirektor, auf der einen Seite sitzt die Frau Landgerichtsrätin und auf der anderen Seite ein junger Herr, der ist Gerichtsassessor", dann hätten sie das so lange memoriert, bis sie am Schluß den Vorsitzenden einer solchen Kammer mit „Herr Gerichtsassessor" angeredet hätten, was wahrscheinlich auch nicht das allervorteilhafteste gewesen wäre.

(Heiterkeit — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Also doch!)

Diese Sorge sind unsere Rechtsuchenden jetzt los. Sie wissen, wenn sie „Herr Richter" sagen oder, wenn es mehrere sind, zu dem in der Mitte „Herr Vorsitzender", dann begehen sie keinen Fauxpas,
und sie brauchen keine Angst zu haben, daß das Nachteile für sie bringt. Nachteile hat es auch bisher für sie nicht gebracht, aber allein die Tatsache, daß jemand mit weniger Angst und damit mit mehr Vertrauen an das Gericht herangeht, ist ein Vorteil, den es zu erwähnen lohnt.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Glauben Sie das selber?)

Meine Damen und Herren, wir werden diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen zügig behandeln. Ich bin einigermaßen gespannt, ob die Oppositionsfraktion auch noch bei der zweiten und dritten Lesung auf einer ausführlichen Debatte bestehen wird.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717401300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0717401400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eine gewissen Übereinstimmung in der Beurteilung des Sachverhalts und auch in der Art, zu solchen Sachverhalten dann zu solcher Stunde mit dem Kollegen Dürr Stellung zu nehmen, bereitet mir besonders Schwierigkeiten, weil der Kollege Dürr tatsächlich eine Fülle grundlegender und wegweisender Betrachtungen hier soeben schon vorgenommen hat, so wie es dem Rang dieses Problems in etwa entsprechen dürfte.
Wir haben nun dieses durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig gewordene Gesetz, weil es sich mit der Neuregelung im Besoldungsbereich überschnitten hat, etwas ausführlicher bekommen; da sieht das alles ganz gewaltig aus. Sie können z. B. feststellen, daß dort u. a. nunmehr die Vizepräsidenten der Amtsgerichte aufgeführt sind, die vorher der Reform zum Opfer gefallen waren. Das Bundesverfassungsgericht hat herausgefunden, daß es nicht angehe, die Vizepräsidenten bedeutender Amtsgerichte nicht mehr als Vizepräsidenten, sondern lediglich als Richter am Amtsgericht zu bezeichnen,

(Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller [SPD] : Hört! Hört!)

und hat uns nach längeren Untersuchungen zu dieser Frage aufgegeben, die Vizepräsidenten wieder einzuführen. Da das alles sehr abstrakt im Gesetzentwurf steht, darf ich das für die Kollegen, die aus den betroffenen Gerichtssprengeln kommen sollten, in Klartext übersetzen. Es handelt sich darum, daß die Stellung der Vizepräsidenten beim Amtsgericht Tiergarten und beim Amtsgericht Hamburg als solche im Hinblick auf den Titel wiederhergestellt ist. Weitere Gerichte sind hiervon nicht betroffen.

(Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

Am Anfang, möchte ich sagen, stand der Deutsche Richterbund und standen nicht die ASJ und nicht irgendwelche geheimnisvollen Verschwörungen gegen den Rechtsstaat oder revolutionäre Untriebe, Herr Kollege Erhard.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Habe ich das gesagt?!)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 174. Sitzung, Bonn, Freitag, den 23. Mai 1975 12193
Kleinert
Der Deutsche Richterbund hatte nämlich — das gar nicht allein und gar nicht unverständlicherweise — den klugen Gedanken gefaßt: Wenn wir die Titulaturen etwas mehr angleichen oder am besten sogar abschaffen und damit eine Assoziation etwa zu der Stellung des englischen Richters hervorrufen, dann könnten wir uns unter Umständen besoldungsmäßig in ähnliche Höhen emporschwingen. Das ist menschlich überaus verständlich, haushaltsmäßig aber einfach nicht zu verkraften. Denn wir haben viel mehr Richter als die Engländer, und von einer Abschaffung irgendwelcher Richterpositionen war bei dem Reformbestreben nicht die Rede.
Ich sage: menschlich verständlich. Wir haben den Vorgang im Erziehungs- und Bildungsbereich ja vielfach erlebt. Aus wieviel Seminaren sind nicht inzwischen stolze Hochschulen oder Universitäten, aus wieviel Seminarleitern Professoren geworden! Der Input konnte sich nach der Natur der Sache nicht wesentlich ändern; demzufolge hat sich auch der Output nicht erheblich geändert. Aber auf diesem Gebiet waren die Dinge besoldungsmäßig etwas leichter nachzuvollziehen, weil die Zahl der Betreffenden nicht so groß war wie hier in diesem Bereich, in dem die große Zahl der Richter, die an unseren Gerichten tätig sind, und zwar trefflich tätig sind, mit ihrer Besoldung angesiedelt sind.
Nun hat sich seinerzeit etwas ereignet, das die ganze Geschichte in Unordnung gebracht hat. Auch das liegt viel mehr im menschlichen als im grundsätzlich theoretischen und ideologischen Bereich. Wir haben gemeint, früheren Andeutungen des Bundesverfassungsgerichts rechtzeitig folgen zu sollen und im übrigen auch Anreize im Hinblick auf die personalpolitische Situation der Justiz geben zu sollen, und haben vom Bundestag aus die Richterbesoldung durch die Einführung der Durchstufungsregelungen nicht unerheblich verbessert. Damit war der zweite Schritt vor dem zu diesem Zweck ursprünglich ins Auge gefaßten ersten Schritt getan.
Nun stellte sich allerdings auch heraus, daß in Kreisen des Deutschen Richterbundes auf den ersten Schritt nicht mehr der Wert gelegt wurde, den man vorher darauf gelegt hatte. An dieser Stelle setzte die Humorlosigkeit in gewissen Kreisen des Deutschen Bundestages ein. Man hat gesagt: Wenn nun schon einmal von den Betroffenen diese Reform verlangt worden war, sie obendrein mit Sicherheit keinen finanziellen Aufwand mit sich bringt, dann könnte man ja einmal — u. a. aus ganz schlichten Gründen, die Herr Dürr dargestellt hat — versuchen, es so zu machen, wie es von Richterseite vorgeschlagen worden ist; vielleicht kommen wir zu einem etwas entspannteren Verhältnis zu den Titeln in diesem Bereich, wo das für die rechtsuchende Bevölkerung tatsächlich sehr wichtig ist. So ist dann seinerzeit das Gesetz zustande gekommen.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Das war eine etwas verkürzte Darstellung! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : 1969 ist doch der erste Akt der Regierung gemacht worden!)

Wir alle haben geglaubt, nachdem im Vermittlungsausschuß noch einige Korrekturen vorgenommen worden waren, es bliebe uns nun Weiteres erspart und wir könnten einmal abwarten, was sich entwickelt. Dann haben die auf den ersten vier oder fünf Seiten aufgeführten Richter der verschiedensten Gerichte allerdings das Bundesverfassungsgericht angerufen. Daraufhin haben wir ein Urteil bekommen, das in mancher Hinsicht mehr zu denken gibt als Urteile, über die man sich aus der einen oder anderen Sicht in diesen Tagen mit großem Engagement — sagen wir — unterhält. Denn wie man aus unserer Verfassung die feinsinnigen Schlüsse auf die konkrete Bezeichnung einzelner Richterpositionen ziehen konnte, die dort schließlich als Ergebnis herausgefiltert worden sind, kann derjenige, der die Verfassung als einen Inbegriff, als eine Grundlage unserer gesamten Ordnung versteht, nur sehr schwer nachvollziehen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wie man aus einer so breit und so grundsätzlich angelegten Sache wie unserer Verfassung so penible Schlüsse auf die Vizepräsidenten der Amtsgerichte Tiergarten und Hamburg ziehen kann, ist etwas, über das man in einigem Abstand vielleicht auch in Karlsruhe noch einmal nachdenken sollte.

(Wehner [SPD] : Aber auf den Unterschied kommt es doch an, Herr Kollege!)

— Es scheint so, daß es einigen sehr auf den Unterschied ankommt. Bei dem Urteil fällt im übrigen noch auf, daß im Grundsatz gefordert worden ist, es müßten anredefähige Bezeichnungen geschaffen werden.

(Heiterkeit — Wehner [SPD] : Modulationsfähige!)

Und in der Ausführung jener Gedanken ist festgestellt worden — wenn auch nur mit Mehrheit —, daß das bei dem im Vermittlungsausschuß zustande gekommenen monströsen Titel „Vorsitzender Richter am ..." und dergleichen mehr der Fall wäre. Es wäre zwar etwas mühsam, hat das Verfassungsgericht gesagt, aber es wäre noch möglich, die Herren in dieser Form anzureden. Deshalb seien eben die so geschaffenen Titel verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wir sind dankbar dafür, daß die Arbeit dadurch nicht vergrößert worden ist.
Aber — damit möchte ich zum Schluß kommen — wir bleiben der Hoffnung treu, die wir schon seinerzeit gehabt haben: daß eben doch die Kompliziertheit dieser vom Bundesverfassungsgericht nach wie vor für anredefähig gehaltenen Titel dazu führt, daß sich immer mehr Richter ganz schlicht als „Richter" und nicht mit irgendeinem anderen Titel anreden lassen, daß sie sich dabei sehr wohl und sehr geehrt fühlen und daß das Publikum zu einem so anzuredenden Richter mindestens das Vertrauen hat — mehr will ich gar nicht erwarten — wie zu den vielen Präsidenten und Vizepräsidenten, mit denen wir es früher zu tun hatten. Ich glaube, diese Hoffnung ist nicht unberechtigt. Ich meine in den letzten Jahren in zunehmenden Maße festgesellt zu haben, daß immer mehr Richter dazu übergehen, sich auch



Kleinert
„Richter" zu nennen und nicht „Vorsitzender am..."

(Beifall)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0717401500
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist vorgeschlagen, den Antrag an den Rechtsausschuß — federführend — sowie an den Innenausschuß und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend — zu überweisen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 4. Juni 1975, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.