Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, für den aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidenden Abgeordneten Offergeld schlägt die Fraktion der SPD den Abgeordneten Wende als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Westeuropäischen Union vor. — Das Haus ist mit diesem Vorschlag einverstanden. Damit ist der Herr Abgeordnete Wende als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Westeuropäischen Union gewählt.
Für den aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidenden Abgeordneten Dr. Barzel schlägt die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Dr. Schäuble als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Westeuropäischen Union vor. — Das Haus ist auch mit diesem Vorschlag einverstanden; dann ist so beschlossen. Der Abgeordnete Dr. Schäuble ist damit in die Beratende Versammlung des Europarates und der Westeuropäischen Union gewählt.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden:
Betr.: Tagung der Versammlung der Westeuropäischen
Union vom 3. bis 6. Dezember 1974 in Paris
— Drucksache 7/3338 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Verteidigungsausschuß, Ausschuß für Forschung und Technologie
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments über die Annahme des Entwurfs eines Vertrags zur Einführung allgemeiner Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments
— Drucksache 7/3366 —
zuständig: Innenausschuß , Auswärtiger Ausschuß, Rechtsausschuß, Haushaltsausschuß
Betr.: Übereinkommen Nr. 137 und Empfehlung Nr. 145 der Internationalen Arbeitsorganisation über die sozialen Auswirkungen neuer Umschlagmethoden in Häfen
— Drucksache 7/3445 —
zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung , Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 7. April 1975 die Kleine An-
frage der Abgeordneten Dr. Narjes, Dr. Müller-Hermann, Russe, Dr. Luda, Dr. Unland, Dr. Warnke und der Fraktion der CDU/ CSU betr. multilaterale Handelsverhandlungen — Drucksache 7/3404 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3453 verteilt.
Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
— Drucksache 7/2873
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/3475 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl
b) Bericht und Antrag des Innenausschusses
— Drucksache 7/3371 —
Berichterstatter: Abgeordneter Berger
Abgeordneter Wittmann
Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? — Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Dann eröffne ich die Aussprache.
Herr Abgeordneter Dr. Miltner, bitte, Sie haben das Wort in der allgemeinen Aussprache, und Sie begründen gleich den Antrag? — Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Wahlrecht ist der Prüfstein der Demokratie. Seine Ausgestaltung entscheidet darüber, ob die Stimmabgabe des Bürgers letztlich zu der politischen demokratischen Herrschaft führt. Die Geschichte ist reich an Beispielen, wie durch Manipulation des Wahlrechts die Demokratie pervertiert werden kann. Darum ist es eine der vornehmsten Aufgaben des Parlaments, das Wahlrecht so auszugestalten, daß der Wille des Volkes am besten zum Ausdruck kommt. Daß diese Aufgabe nur erfüllt werden kann, wenn alle Demokraten an der Erhaltung einer lebendigen Demokratie interessiert sind, liegt auf der Hand. In diesem gemeinsamen Willen muß sich die Demokratie bewähren, und aus diesem Grunde werden auch die
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11334 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. MiltnerBeratungen zum Bundeswahlrecht daran gemessen, ob die notwendigen Übereinstimmungen bestehen, die dazu gehören, um auch die notwendigen Änderungen des Bundeswahlrechts zuzulassen. Unter diesem entscheidenden Gesichtspunkt sind die Beratungen zum Bundeswahlrecht zu prüfen und einige sehr kritische Feststellungen zu treffen.Die vom Herrn Bundespräsidenten ernannte unabhängige Wahlkreiskommission hat gemäß § 3 des Bundeswahlgesetzes wohlbegründete Vorschläge zur Änderung der Anzahl der Wahlkreise in den einzelnen Bundesländern auf Grund der Bevölkerungsentwicklung gemacht. Hierzu heißt es in dem Bericht der Wahlkreiskommission — ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin —:Die für die Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Abgabe von Wahlkreisen entspricht den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen. Gegenwärtig steht fest, daß die Entwicklung der deutschen Bevölkerung in Hamburg und Nordrhein-Westfalen relativ stark hinter der Entwicklung der deutschen Bevölkerung im gesamten Wahlgebiet zurückgeblieben ist. Eine Umkehr des Trends ist nach Auffassung der Kommission nicht zu erkennen.Aus dem Bericht der Wahlkreiskommission ist auch zu entnehmen, daß gerade die Änderung der Zahl der Wahlkreise nach eingehender Erörterung an Hand der bedeutsamen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes — im 16. Band — und auch unter Abwägung der Gesichtspunkte, die von den Landesregierungen Hamburg und Nordrhein-Westfalen vorgebracht worden sind, beschlossen wurde.Obwohl also die Kommission die Notwendigkeit der Verschiebung der Wahlkreise ausdrücklich festgestellt hat, hat die Koalition dazu ein glattes Nein gesagt.
Sie hat aber nur fadenscheinige Argumente gegen die Feststellung der Kommission vorbringen können. Im wesentlichen sind es zwei Argumente, nämlich: erstens bleibe die Veränderung der Bevölkerungsentwicklung noch gerade unterhalb der Schwelle, wo verfassungsrechtlich eine Änderung der Wahlkreise absolut zwingend werde; und zweitens solle die Neugliederung des Bundesgebietes abgewartet werden, dann könne für 1980 angeblich alles geregelt werden.Man muß sich bei dieser Haltung fragen, welchen Wert ein Bericht der Wahlkreiskommission überhaupt noch hat, wenn die Vorschläge einfach ignoriert werden. Wer sich so unbekümmert über die Vorschläge hinwegsetzt, hat den Boden einer sachlichen Auseinandersetzung in dieser entscheidenden Frage verlassen.In Wirklichkeit drückt sich hier die sozialliberale Koalition aus Furcht vor innerparteilichen Personalstreitigkeiten vor einer notwendigen Anpassung. Besonders das zweite Argument — man solle die Neugliederung des Bundesgebietes abwarten; dann müsse ohnehin eine neue Wahlkreiseinteilung imgroßen Stil vorgenommen werden — ist angesichts der Diskussion um Art. 29 des Grundgesetzes an den Haaren herbeigezogen. Wir alle wissen, daß eine Einigung auf irgendein konkretes Neugliederungskonzept noch in den Sternen steht; und zwar gehen die Gegensätze bekanntlich quer durch alle parteipolitischen Fronten.Der Bundesinnenminister zieht die Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes in eine Kannvorschrift in Erwägung, womit die Neugliederung erst recht auf unbestimmte Zeit verschoben würde. Damit wird die Berufung auf die kommende Neugliederung überdeutlich als bloßer Vorwand sichtbar. Selbst wenn sich heute schon eine Einigung in der Neugliederungsfrage abzeichnete — was, wie gesagt, beileibe nicht der Fall ist —, könnte sie nicht bis 1978 abgeschlossen werden, um etwa schon für die Bundestagswahl 1980 wirksam werden zu können.Die Hilflosigkeit bei dieser Argumentation wird deutlich, wenn man sich an die Worte des Kollegen Wittmann in der ersten Lesung erinnert, der sagte: Sie werden sich wundern, wie die Dinge im nächsten Jahr laufen. — Wir sind gespannt, wie die Dinge 1975 stehen. Ich fürchte, wir müssen uns nur wundern, wie die Dinge überhaupt nicht laufen. Es kann nur festgestellt werden, daß die Koalition aus durchsichtigen egoistischen parteipolitischen Gründen nicht bereit war und ist, die Vorschläge der unabhängigen Wahlkreiskommission, die von der CDU/CSU übernommen worden sind, zu akzeptieren.
Bei der Wahlkreiseinteilung innerhalb der Länder hat sich der Innenausschuß bisher einmütig davon leiten lassen, daß Veränderungen in der Wahlkreiseinteilung in einem Bundesland vorgenommen werden, wenn sich die dortigen demokratischen Parteien auf einen entsprechenden Vorschlag geeinigt haben. Das hat bisher auf der Basis einer fairen Zusammenarbeit immer funktioniert.Die Wahlkreiskommission hat auch diesmal ihre Vorschläge unterbreitet. Die SPD im Lande Baden-Württemberg z. B. hat sich aber einer vernünftigen Anpassung der Wahlkreise an die neuen Gebietsstrukturen ohne ersichtlichen Grund widersetzt, genauer gesagt: ohne ersichtlichen triftigen Grund;
denn auch hier ist es ein offenes Geheimnis, daß die SDP im Lande wegen interner Personalquerelen, mit denen sie nicht fertig wird, die Anpassung schlichtweg blockiert. Das Land Baden-Württemberg hat ja eine durchgreifende Gebietsreform vorgenommen, so daß eine Anpassung der Wahlkreise notwendig wurde. Es ist nun ein starkes Stück, daß mit den Stimmen der SPD ein neues Landtagswahlrecht in zweiter Lesung verabschiedet wurde, daß aber jegliche Änderung der Bundestagswahlkreise in diesem Lande verhindert wird. Es wäre im Grundsatz möglich gewesen, je zwei Landtagswahlkreise zu einem Bundestagswahlkreis zusammenzufassen. Eine Verständigung mit der SPD war aber im Lande nicht
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11335
Dr. MiltnerI möglich, und so müssen wir jetzt mit dem grotesken Fall leben, daß der Wahlkreis unseres Kollegen Dr. Prassler Gebietsteile in sieben Landkreisen und vier Regierungsbezirken hat.
Mit Recht hat mein Kollege Biechele im Innenausschuß die sich aus dem Verhalten der SPD ergebenden Konsequenzen für Baden-Württemberg als abenteuerlich bezeichnet.Durch die Weigerung der SPD in Baden-Württemberg konnte der Innenausschuß seine selbstgewählten Grundsätze bei der Wahlkreiseinteilung nicht zum Maßstab seines Handelns machen. Es entstand sogar die Frage, ob der bewährte langjährige Grundsatz des Innenausschusses, nur solche Änderungen der Wahlkreise zu beschließen, über die zwischen den in den Landtagen vertretenen Parteien Einvernehmen besteht, in Zukunft überhaupt noch beibehalten werden kann. Durch die engstirnige und unverständliche Haltung der SPD in Baden-Württemberg wird hier der parlamentarischen Demokratie Schaden zugefügt. Diese Weigerung ist unverantwortlich und für den Bürger auch nicht zumutbar.
Dieser Fall zwingt uns tatsächlich, die grundsätzliche Verfahrensweise des Ausschusses zu überdenken, falls sich die Parteien in den Landtagen nicht einigen können. Denn die letzte Verantwortung trägt auch hier der Deutsche Bundestag.Meine Damen und Herren, auch unseren Vorschlag das Wahlrecht der Deutschen im Ausland zu regeln, hat hier im Bundestag die Koalition aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Ich möchte diesen unseren Antrag — also den Antrag, der das Wahlrecht der Deutschen im Ausland betrifft — heute noch einmal begründen. Nach ihm sollen das Wahlrecht alle Bediensteten des öffentlichen Dienstes, die im Ausland leben, erhalten. Ebenso sollen unbefristet alle Deutschen, die in EG-Staaten leben, das Wahlrecht haben, und schließlich sollen die Deutschen, die in Staaten außerhalb der EWG leben, das Wahlrecht noch fünf Jahre nach ihrem Wegzug aus dem Bundesgebiet behalten. Diese von uns vertretene Regelung geht auf Vorschläge zurück, die das Bundesinnenministerium im Auftrage der Bundesregierung und auch des Bundestages gemacht hat.Am 9. Juni 1972 hat der Bundestag in einer Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, eine befriedigende Lösung dieser Frage zu unterbreiten. Die Bundesregierung hat dann hierzu folgendes erklärt — ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin —:Die Bundesregierung hält ebenso wie der Deutsche Bundestag die gegenwärtige Regelung des Wahlrechts der im Ausland lebenden Deutschen zum Deutschen Bundestag für unbefriedigend.Wir sind in der Stelung dieses Antrages auch durch einen Beschluß des 24. Ordentlichen Bundesparteitages der FDP vom 12. bis 14. November 1973 in Wiesbaden bestärkt worden. Dort hat auf Antrag des Bundesvorstandes der FDP der Bundesparteitag folgendes beschlossen:Der Bundesparteitag fordert für alle Deutschen, die in den europäischen Gebieten der Staaten der Europäischen Gemeinschaften wohnen, das aktive Wahlrecht zum Deutschen Bundestag. Er bittet den Bundesinnenminister, eine entsprechende Initiative zu ergreifen, und um deren Unterstützung durch die Bundestagsfraktion.Die Begründung hierzu lautet:Die immer enger werdende politische, rechtliche, wirtschaftliche und soziale Verflechtung der Staaten der Europäischen Gemeinschaften mit dem Ziel, vor Ablauf dieses Jahrzehnts die Gesamtheit der Beziehungen in eine Europäische Union umzuwandeln , verbietet es, zwischen Deutschen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und Deutschen mit Wohnsitz in den genannten Gebieten zu unterscheiden.Wir sind der Meinung, daß wir guten Grund haben, von der Regierungskoalition die Zustimmung zu diesem Antrag zu erbitten, und wir möchten Sie daher bitten, unserem Antrag hier zuzustimmen.Aus der Vorgeschichte zum Wahlrecht der Deutschen durfte man also und darf man noch erwarten, daß die Bundesregierung und die Koalition eine Regelung für das Bundestagswahlrecht 1976 anstreben. Der Bundesinnenminister hat, wie schon gesagt, seine Vorschläge im Juni 1973 unterbreitet, und wir haben in diesem Hause schon am 22. Mai 1974 darüber diskutiert. Der Sinneswandel — ich kann nur sagen: es ist ein Vorwand, man solle auf ein europäisches Bürgerrecht warten — kann leider von mir nicht anerkannt werden. Es ist — auch hier — ein starkes Stück, wie leichtfertig man eigene frühere Positionen über Bord wirft und plötzlich die Entwicklung in Europa zu einem Bürgerrecht abwarten will. Jedermann hier im Hause weiß, daß schon das Wahlrecht zum Europäischen Parlament, für das unser CDU/CSU-Gesetzentwurf seit längerer Zeit vorliegt, leider sehr schleppend weiterkommt. Erst recht ist die Verwirklichung eines Wahlrechts aller in einer Europäischen Union vereinigten Bürger zum nationalen Parlament ihres jeweiligen Wohnsitzlandes beim gegenwärtigen Stand der europäischen Entwicklung überhaupt nicht abzusehen. Sagen Sie mir doch einmal, wann Sie z. B. mit der Zustimmung Englands oder Frankreichs zu einem Wahlrecht der dort lebenden Deutschen und anderer Europäer zum englischen oder französischen Parlament rechnen! Bis dieses Ziel — unser gemeinsames Ziel — erreicht ist, kann aber den deutschen Staatsbürgern, die im Ausland wohnen, nach unserer Auffassung das Wahlrecht zum deutschen Parlament nicht vorenthalten werden. Wir stellen zunächst mit großem Bedauern fest, daß bisher die Koalition entgegen ihren früheren Zielvorstellungen die berechtigte Forde-
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11336 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. Miltnerrung auf Anerkennung eines Wahlrechts der Deutschen im Ausland ablehnt.Die drei vorgenannten Punkte — also Verschiebung der Wahlkreise im Bundesgebiet, Wahlrecht der Deutschen im Ausland, Wahlkreiseinteilung — machen es der CDU/CSU-Bundestagsfraktion schwer, die unvollständigen Änderungen des Bundeswahlrechts mit zu beschließen.Aber demgegenüber kann ich es als positiv werten, daß unser Antrag zur Sicherstellung korrekter Wahlergebnisse dank der sachlichen Mitarbeit der Koalitionsfraktionen im Innenausschuß weitgehend Erfolg hatte. Die CDU/CSU-Fraktion hatte am 31. Juli 1974 mit ihrem Antrag auf die auffällige Häufung von Zähl- und Auswertungsfehlern bei den Landtags- und Kommunalwahlen in Niedersachsen reagiert. In der Erkenntnis, daß das elementare demokratische Bürgerrecht auf Wahl mit der absolut korrekten Ermittlung des Wahlergebnisses steht und fällt, haben wir unseren Antrag insbesondere auf fünf Punkte abgestellt. Sicherheit muß bei der Ermittlung der Wahlergebnisse vor Schnelligkeit gehen. Kontrollen und Gegenkontrollen beim Wahlvorgang müssen verschärft werden. Vor der Feststellung des amtlichen Endergebnisses soll zumindest auf Antrag eine zweite Stimmenauszählung stattfinden. Die Gefahr doppelter Stimmabgabe bei mehrfachem Wohnsitz muß ausgeschlossen werden. Schließlich: der Einsatz von Computern und Wahlmaschinen muß gründlich überprüft werden.Die Notwendigkeit unseres damaligen Antrages wurde durch einen eingehenden Bericht der Bundesregierung zu diesen Fragen bestätigt. Die Beratung führte zu einigen Änderungen des Bundeswahlrechts, insbesondere was den Wohnsitz betrifft.Der Entschließungsantrag, über den wir heute befinden, enthält darüber hinaus die Aufforderung an die Bundesregierung, mehrere Änderungen der Bundeswahlordnung vorzunehmen, die sich alle auf die Sicherheit korrekter Wahlergebnisse beziehen. Wir begrüßen ferner auch die Anregung an den Bundesinnenminister, daß er auf eine intensive Unterrichtung der Wahlvorstände über ihre Rechte und Pflichten hinwirkt.Wir stellen daher fest, daß auf der Grundlage unseres Antrags, der durch eine gründliche Formulierungshilfe des Bundesinnenministeriums unterstützt wurde, im Innenausschuß ein einmütiges Ergebnis erreicht werden konnte. Unsere Kritik aber an den vorher genannten drei Punkten — Änderung der Anzahl der Wahlkreise in den einzelnen Bundesländern, der Wahlkreiseinteilung und schließlich des Wahlrechts der im Ausland lebenden Deutschen — bleibt nach wie vor bestehen.Wir stimmen den Änderungen des Bundeswahlgesetzes, zu denen sich auch die Koalition durchgerungen hat, und auch dem Entschließungsantrag zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Wittmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die fristgerechte Vorlage des Gesetzentwurfes und die dadurch gegebene Möglichkeit der frühzeitigen Verabschiedung der Änderung des Bundeswahlgesetzes. Damit können alle Stellen die Bundestagswahl 1976 sorgfältig vorbereiten. Die Neufassung des § 22 Abs. 2, wonach der Beginn der Einjahresfrist für die Bestellung der Vertreterversammlung nicht an den Wahltag gebunden, sondern an den Beginn des letzten Vierteljahres der Wahlperiode vorverlegt wird, erlaubt den Parteien eine frühzeitige Delegiertenwahl bzw. Kandidatenaufstellung. Im konkreten bedeutet das, daß die Vertreter für die Vertreterversammlung und die Bewerber, d. h. die Kandidaten, bereits ab 14. September 1975 gewählt werden dürfen. Die 7. Wahlperiode endet nämlich am 13. Dezember 1976.Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden ferner zahlreiche Vorschriften des Bundeswahlgesetzes, die in der Praxis bei der Anwendung des Gesetzes zu Schwierigkeiten führten, durch Neuformulierungen ersetzt bzw. ergänzt.Bei der Wahlkreisneueinteilung wurde sichergestellt, daß in keinem Wahlkreis die vom Bundesverfassungsgericht angestrebte Toleranzgrenze von 331/3% überschritten wird.Bei dieser Gelegenheit muß ich nochmals an die Aussprache zu dem Bericht der Wahlkreiskommission für die 7. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vom 22. Mai 1974 erinnern — Kollege Dr. Miltner ging ja auf diese Diskussion ein —, bei der wir erstens beschlossen haben, von einer Umverteilung der Wahlkreise auf die einzelnen Länder abzusehen. Ich rufe nochmals die Gründe dafür in Erinnerung. Die Umverteilung ist erst für die Bundestagswahl 1980 vorzunehmen. Wir trafen diese Entscheidung, weil wir der Meinung waren, daß bis dorthin die Gebiets- und Verwaltungsreform in allen Ländern weitgehend abgeschlossen sein wird und weil auch zur Frage der Neugliederung des Bundesgebietes bis 1978, so meinen wir, der Meinungsbildungsprozeß abgeschlossen sein wird. Das heißt, ob dazu noch in irgendeiner Richtung eine Entscheidung fällt, wird sich auf jeden Fall bis dahin ergeben. Wir sind überzeugt, daß dann im ganzen Bundesgebiet eine Wahlkreiseinteilung vorgenommen werden kann, die für mehrere Wahlperioden Bestand hat, und zwar auch im Interesse der gewachsenen Beziehungen zwischen den Bürgern und den Abgeordneten.Um Zeit für eine gute Arbeit zu bekommen, braucht die Wahlkreiskommission ihren Bericht künftig erst nach eineinhalb Jahren zu erstatten.Wir haben damals zweitens beschlossen, bei der Veränderung der Wahlkreisgrenzen Maßnahmen der Gebiets- und Verwaltungsreform in den Ländern zu berücksichtigen, soweit sie bis zum 1. Juli 1974 abgeschlossen waren. Die Abgrenzung der einzelnen Wahlkreis ist von den Landesregierungen mit den in den Volksvertretungen der Länder vertretenen Parteien einvernehmlich vorzunehmen. Kollege Dr. Miltner, Baden-Württemberg hat Klage darüber ge-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11337
Wittmann
führt, daß dieses Einvernehmen nicht hergestellt werden konnte. Dann ist aber die Frage zu prüfen, ob die Landesregierung alles dafür getan hat. Einvernehmen heißt nach unseren Vorstellungen, daß beide Seiten die Verpflichtung haben, eine Einigung zu suchen.
Kollege Miltner, mir ist bekannt, daß die SPD den Versuch unternommen hat, die Mängel bei einigen kleinen Wahlkreisen, wo noch einzelne Orte in andere Wahlkreise hineinragen, dadurch zu beseitigen, daß man dort eine Arrondierung vornehmen wollte. Aber die baden-württembergische Landesregierung wollte alles oder nichts haben. So geht es auch nicht.
Der Innenausschuß hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er bisher nur solche Änderungen der bestehenden Wahlkreisgrenzen gebilligt hat, für die ihm nachgewiesen werden konnte, daß dieses Einvernehmen zwischen den Parteien erzielt worden sei. Leider konnte diesmal eine einvernehmliche Regelung nicht in allen Ländern erreicht werden. Ich habe dieses Problem bereits angesprochen. Ich darf dazu folgende Feststellung treffen: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist nach wie vor der Meinung, daß nach diesem Grundsatz auch weiterhin verfahren werden sollte, um Wahlarithmetik und Wahlmanipulation von vornherein auszuschließen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ?
Bitte schön!
Herr Kollege Wittmann, sind Sie nicht der Meinung, daß es einen Mißbrauch dieses Einmütigkeitsprinzips bedeutet, wenn in einer derart krassen Weise, wie es in Baden-Württemberg der Fall ist, die jetzt geltende Wahlkreiseinteilung von den Grenzen der Verwaltungs-und Gemeindereform abweicht und dadurch ausnahmslos alle Parteien vor außergewöhnlich schwierige Fragen gestellt werden?
Herr Kollege Jäger, ich habe bereits gesagt, daß Einvernehmen das Bemühen beider Seiten bedeutet. Ich gebe zu, daß wir die baden-württembergische Lösung nicht als befriedigend empfinden. Wir sind aber davon überzeugt, daß bei der nächsten Wahlkreiseinteilung eine für alle Teile befriedigende Lösung gefunden wird. Man darf auch nicht vergessen, daß Baden-Württemberg möglicherweise einen oder zwei Wahlkreise dazubekommt, und dann wird sich dort eine saubere Wahlkreiseinteilung für 1980 finden lassen.Drittens haben wir damals beschlossen, das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nicht auf nicht im Bundesgebiet wohnende Deutsche auszudehnen. Meine Damen und Herren, wir haben uns das sehr genau überlegt. Ich darf daran erinnern, daß diesem Beschluß eingehende Beratungen vorausgegangen waren, ging es doch auch um die Erledigung der Entschließung des Deutschen Bundestages aus der 6. Wahlperiode vom 9. Juni 1972, Drucksache VI/3482. Das Bundesinnenministerium hatte zu diesem Fragenkomplex drei Modelle angeboten, und zwar ein Kombinationsmodell, das nun als Antrag der CDU/CSU wieder auf dem Tisch liegt, ein Fristenmodell und ein Gruppenmodell. Dazu lag uns weiter ein Sondergutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vor. Die drei Modelle berücksichtigten leider zu wenig die europäische Entwicklung. Wir denken hier an die Direktwahl zum Europäischen Parlament, die ja ab 1978 vorgesehen ist, oder an die vorgesehene Freizügigkeit in der Ausübung des Wahlrechts beim weiteren Ausbau der Europäischen Gemeinschaft. Für die außerhalb der Europäischen Gemeinschaft lebenden Deutschen ergab sich — auch in Ihrem Antrag kommt das wieder zum Ausdruck — sowieso nur ein einmaliges Wahlrecht, weil innerhalb von fünf Jahren nur einmal die Möglichkeit zur Wahl besteht. Das heißt, es gibt nur eine einmalige Wahlchance für einen Deutschen im Ausland außerhalb der Europäischen Gemeinschaft.Hinzu kamen die besonderen Probleme der Wahlausübung. Ich erinnere an die Diskussion im Innenausschuß und daran, daß es uns Schwierigkeiten bereitet hätte, wenn z. B. ein Berliner im Ausland lebt und heute sein Wahlrecht ausüben wollte; denn er kann nur das Wahlrecht am Wohnsitz des Ortes ausüben, von dem er ins Ausland ging und als Berliner kann er eben in Berlin sein Wahlrecht nicht ausüben. Ich wollte damit nur sagen: Es gab eine Vielzahl von Schwierigkeiten und Probleme. Hinzu kamen noch die völkerrechtlichen Bedenken, die insbesondere der Wissenschaftliche Dienst darstellte.Aus all diesen Gründen konnten wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht für eine Ausweitung des Wahlrechts entscheiden. Wir haben das im Mai 1974 sehr deutlich gemacht. Ich habe deshalb wenig Verständnis dafür, daß die CDU/CSU-Fraktion nun nochmals versucht, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, daß wir Ihren Änderungsantrag ablehnen werden. Wir werden dem Entschließungsantrag und dem Gesetzentwurf zustimmen.Zum Schluß möchte ich noch daran erinnern, daß nun auch die Begriffsbestimmungen von Wohnung und Hauptwohnsitz im Bundeswahlgesetz und in der Wahlordnung zweifelsfrei geregelt werden konnten. Die SPD-Fraktion geht davon aus, daß Wahlmanipulationen in dieser Richtung in Zukunft ausgeschlossen sind.Die SPD-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.
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11338 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Miltner hat recht, wenn er sagt, daß die Behandlung des Wahlrechts ein Prüfstein für die Frage ist, wie ernst man es mit der Demokratie und ihren Grundsätzen nimmt. Darum habe ich es bedauert, Herr Kollege Miltner, daß Sie hier doch sehr emotional geprägte Worte gewählt haben; denn Sie erwecken damit den Eindruck, als hätten wir im Innenausschuß versucht, von Mehrheiten Gebrauch zu machen, also Regelungen gegen die Opposition mit Gewalt durchzusetzen. Genau das ist eigentlich nicht geschehen, sondern das Gegenteil davon. Die Schwierigkeiten, die Sie schildern insbesondere bei der Frage der Wahlkreiseinteilung —, beruhen doch darauf, daß wir uns im Innenausschuß einmütig darauf verständigt haben, die Wahlkreise nicht mit Mehrheiten zurechtzuschneiden — jedenfalls so lange nicht, als wir nicht verfassungsrechtlich dazu gezwungen sind —, sondern uns, soweit das irgend möglich ist, an das zu halten, was von den in den Landtagen jeweils vertretenen drei Parteien übereinstimmend verabredet wird.
Wir haben im Innenausschuß in vier Sitzungen in aller Sorgfalt den Bericht der Wahlkreiskommission behandelt. Aber die Tatsache, ,daß es eine Wahlkreiskommission gibt, bedeutet ja nicht, daß diese an die Stelle des Gesetzgebers tritt. Man muß das, was sie sagt, natürlich ernst nehmen und sorgfältig behandeln. Dies ist geschehen. Die erste Entscheidung, die wir getroffen haben und die vor einiger Zeit hier begründet und dargestellt worden ist, war, daß wir im gegenwärtigen Zeitpunkt, also praktisch ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, nicht anfangen sollten, Wahlkreise zwischen den Ländern zu verschieben, zu einem Zeitpunkt, zu dem man noch nicht sehen kann, in welchem Umfang sich die Wanderungsbewegung der Bevölkerung fortsetzen wird. Es war also zu prüfen, ob wir eine Lösung finden können, die über das Jahr 1976, ja, über das Jahr 1980 hinaus reicht im Interesse der Kontinuität der Wahlkreise, an der wir doch alle gemeinsam interessiert sein müssen.
Wenn man diese Grundentscheidung trifft, die Zahl der Wahlkreise, die auf ,die einzelnen Bundesländer entfallen, nicht zu verändern, ist die Möglichkeit, Grenzen zu finden, die sowohl dem Zahlenverhältnis der Bevölkerung als auch Gemeinde-und Gebietsgrenzen und Landtagswahlkreisgrenzen entsprechen, relativ eng geworden.
Auf der Grundlage der Verabredung der Einmütigkeit ist nicht nur in Baden-Württemberg ein mühsamer Einigungsprozeß versucht worden, sondern genauso in einer ganzen Reihe anderer Bundesländer, also in Nordrhein-Westfalen, in Hessen, in Niedersachsen und in Hamburg. Dabei war es in Hamburg Ihre Partei, die sich einer Veränderung widersetzt hat, obwohl eine solche in Hamburg verfassungsrechtlich geboten war, weil dort die Toleranzgrenze von 331/3 % Abweichung vom Durchschnitt der Wahlbevölkerung überschritten war. Dort hat sich Ihre Partei z. B. widersetzt.
Ich habe es leicht, zu sagen, es wäre besser gewesen, wenn man sich etwas großräumiger hätte verständigen können. Ich habe es deswegen leicht, weil uns das Problem nicht so trifft. Nur müssen Sie dann hier im Plenum natürlich auch vortragen, daß dies ein Problem ist, das nicht nur in der Sozialdemokratischen Partei Schwierigkeiten macht, sondern in Ihrer Partei genauso Schwierigkeiten gemacht und selbst dort zur Verweigerung von Veränderungen geführt hat, wo sie verfassungsrechtlich geboten gewesen wären.
— Hamburg, Herr Kollege!
Der zweite Punkt, den Sie hier in besonderer Weise vorgetragen haben, ist die Frage des Wahlrechts für Deutsche im Ausland. Sie haben mit Recht an einen Parteitagsbeschluß erinnert, den wir in Wiesbaden gefaßt haben und den ich selber unterstützt habe. Wir sind seit vielen Jahren Anhänger einer Regelung, die den Deutschen im Ausland das Wahlrecht gibt. Wir haben das immer wieder gefordert. Aber nun sehen wir uns dem Tatbestand gegenüber, daß zahlreiche Kollegen dieses Hauses nicht wegen der unmittelbaren Wahl zum Europäischen Parlament — das ist ein ganz anderes Problem —, sondern deswegen
— natürlich, ich sage das ja auch — in dieser Frage zurückhaltend sind, weil sie fürchten, daß die Einführung eines europäischen Wahlrechts behindert würde, die Einführung der Regelung, daß EG-Angehörige überall dort, wo sie sich in Europa befinden, ein eigenes Wahlrecht haben. Ich bin kein Anhänger dieser Idee; ich glaube auch nicht, daß sie in absehbarer Zeit verwirklicht werden kann. Wenn aber zahlreiche Kollegen des Hauses der Meinung sind, daß das versucht werden muß, dann sollten doch alle, die ein eigenes lebhaftes Interesse an einem möglichst schnellen Zusammenwachsen Europas haben und die dieses Interesse immer wieder betonen und bei jeder Gelegenheit artikulieren, nun nicht fordern, hier und heute eine Regelung einzuführen, die ein solches europäisches Wahlrecht zweifellos verhindern würde. Das ist keine Frage. Das ist aber auch das einzige Argument und das einzige Motiv, das uns dazu bringt, diesen Ihren Antrag heute nicht zu akzeptieren, obwohl wir im Grundsatz Anhänger der Einführung des Wahlrechts für Deutsche im Ausland sind. Herr Kollege Wittmann hat eine Reihe von Problemen aufgeführt, die damit zusammenhängen; sie sind lösbar.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Miltner?
Ich bitte, diesen Gedanken noch zu Ende führen zu dürfen.Das Argument, das uns bewegt, ist, daß die Einführung dieses Wahlrechts die Bemühungen um ein europäisches Wahlrecht in dem von mir dargestell-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11339
Dr. Hirschten Sinn erschweren könnte. Wir wollen den Kollegen, die diese Meinung vertreten, die diesen Versuch unternehmen wollen, die faire Gelegenheit geben, das nun auszuprobieren. — Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Hirsch, sind Sie mit mir der Meinung, daß Sie sich dann widersprechen, wenn Sie noch an der Begründung Ihres Antrags auf dem Bundesparteitag festhalten? Dort heißt es: Die Wahrnehmung der Rechte der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere des Niederlassungsrechts, darf nicht zu dem Verlust fundamentaler Rechte des Heimatstaates führen.
Herr Kollege, Sie zitieren die Begründung eines Parteitagsbeschlusses, die mit dem Gedanken, den ich hier vortrage, nun wirklich nichts zu tun hat.
Sie können doch in der Sache nicht bestreiten, daß die Annahme Ihres Antrags hier und heute den Gedanken erschweren würde, ein allgemeines europäisches Wahlrecht in der Weise zu verwirklichen daß jeder EWG-Angehörige, wo auch immer er sich im Bereich der Gemeinschaft befindet, ein eigenes Wahlrecht hat. Ich möchte dazu nicht beitragen, solange eine Chance besteht, das zu machen.
— Sie bestreiten es, aber Sie befinden sich damit nicht in Übereinstimmung mit der FDP, weil ich für die FDP spreche und nicht Sie, Herr Kollege; das hat sich noch nicht geändert.
Weiter muß man zu diesem Gesetz darauf hinweisen, daß eine ganze Reihe wesentlicher Punkte, die hier im einzelnen vorgetragen worden sind, verbessert werden. Es führt zu einer echten Verbesserung unseres Wahlrechts im Sinne einer größeren Rechtssicherheit überhaupt. Es handelt sich um Bestimmungen über den Wahlvorstand, über die Listenverbindungen, über die Definition des Wohnsitzes, über die Parteibewerberaufstellung, über die Pflicht zur Einberufung der Landeswahlversammlungen zu Beginn des letzten Vierteljahres einer Legislaturperiode und dergleichen mehr.
Man darf sich trotz allem nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine Reihe wesentlicher Fragen in unserem Wahlrecht unberührt bleibt, wesentlicher Fragen, die nicht so sehr organisatorischer als vielmehr politischer Art sind. Ich denke dabei an die Beratungen, die in der Enquete-Kommission für Verfassungsreform zur Reform des Wahlrechts im Sinne einer größeren Bürgerbeteiligung überhaupt geführt worden sind. Ich denke an die Frage, wieviel Parteimitglieder an der Aufstellung der Landesreservelisten teilnehmen und damit schon im Vorfeld einer Wahl entscheiden, wer eine ganze Reihe parlamentarischer Mandate wahrnimmt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Maucher?
Aber natürlich.
Herr Kollege, wenn Sie das kritisieren, wären Sie dann bereit, die Reserveliste abzuschaffen und dem Wunsch der CDU zu entsprechen, das Wahlrecht anders zu gestalten?
Herr Kollege, Sie haben mich offenbar mißverstanden; denn hier geht es nicht um die Wahlkreiseinteilung — das Thema hatte ich abgeschlossen —, sondern um Fragen der innerparteilichen Demokratie. In der Enquete-Kommission für Verfassungsreform ist z. B. die Frage gestellt worden: Müssen denn nicht die Parteimitglieder z. B. im Wege einer innerparteilichen Briefwahl die Möglichkeit haben, sich an den Kandidatenaufstellungen zu beteiligen?
Eine andere Frage, die zu entscheiden wäre, ist: wollen wir an der starren Liste festhalten? Muß man nicht zum System der losen Liste übergehen, um dem Wähler die Möglichkeit zu geben, das zu tun, was es im bayerischen Landtagswahlrecht gibt, das Kumulieren oder das Panaschieren, also die Reihe der Listenbewerber durch unmittelbare Wählerentscheidung zu verändern?
— Ist nicht auch bei der bayerischen Landtagswahl die Möglichkeit des Kumulierens gegeben, Herr Kollege?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Ich darf Herrn Kollegen Hirsch fragen, ab er zur Kenntnis nehmen möchte, daß das in Bayern nur nach dem Kommunalwahlgesetz möglich ist und nicht nach dem Landtagswahlgesetz.
Herr Kollege, ich nehme immer zur Kenntnis, was Sie sagen. Das ist unabhängig davon, ob ich dem zustimme. Aber mir kommt es ja nur darauf an, zu sagen: Es gibt Wahlrechte — also zumindest das bayerische Kommunalwahlrecht —, in dem der Wähler in unmittelbarer Entscheidung die Reihenfolge in einer Liste verändern kann. Das ist ein Gedanke, den man sorgfältig daraufhin prüfen muß, ob es nicht richtig ist, ihn auch für Landes- und Bundestagswahlen einzuführen.
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11340 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. HirschWir werden also die Diskussion um eine moderne und sachgerechte Gestaltung unseres Wahlrechts nicht endgültig abschließen, sie auch nicht endgültig abschließen können, sondern sie in dem Sinne, wie sie von der Enquete-Kommission behandelt worden ist, in absehbarer Zeit — nehme ich an — fortsetzen müssen. Wir werden dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmen.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Baum.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluß dieser Debatte einige kurze Bemerkungen machen.Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Stück Rechts- und Gesetzespflege im eigentlichen Sinne des Wortes; denn das Bundeswahlgesetz hat sich bewährt und ebenso wie seine Vorgänger aus den Jahren 1949 und 1953 wesentlich zur Festigung unserer parlamentarischen Demokratie beigetragen. Ich bin der Meinung, daß keine grundlegende strukturelle Änderung oder Reform notwendig ist. Soweit Klärungen einzelner Rechtsfragen angezeigt sind, die sich bei der Wahlpraxis ergeben haben, werden sie hier vorgenommen. Auch die seit den niedersächsischen Landtags- und Kommunalwahlen im vergangenen Jahr verstärkte Diskussion um die Sicherstellung korrekter Wahlergebnisse hat nicht zur Notwendigeit einer grundlegenden Änderung des Wahlgesetzes geführt.Der demokratische Willensbildungsprozeß durch Wahlen hängt entscheidend von der absolut objektiven und korrekten Ermittlung des Wahlergebnisses ab. Jeder Fehler bei der Stimmzählung, mag er auch am Wahlergebnis nichts ändern, ist geeignet, das Vertrauen des Bürgers zu erschüttern. Deshalb muß das Vertrauen des Bürgers in das Funktionieren des repräsentativen Willensbildungsprozesses mit allen zu Gebote stehenden Mitteln erhalten und gestärkt werden.Menschen sind aber keine Automaten. Keine wie immer geartete rechtliche Regelung wird Fehlleistungen einzelner Wahlhelfer ausschließen können. Der nach jeder Bundestagswahl durchgeführte Erfahrungsaustausch zwischen Bundeswahlleiter und Landeswahlleitern sowie die im Rahmen von Wahlprüfungsverfahren erhobenen Beanstandungen haben jedoch gezeigt, daß die für die Bundestagswahlen geltenden Regelungen die Korrektheit der Wahlergebnisse gewährleisten. Soweit Beobachtungen bei Landtags- und Kommunalwahlen aus der jüngeren Vergangenheit einzelne Verbesserungen am Wahlverfahren bei der Bundestagswahl angezeigt erscheinen lassen, werden diese erfolgen. Die Bundesregierung begrüßt deshalb den vom Innenausschuß vorgelegten Entschließungsantrag. Sie wird den in Betracht kommenden Punkten, soweit sie nicht schon im vorliegenden Gesetzentwurf Berücksichtigung gefunden haben, wie z. B. durch Präzisierung der Auslegungsregelung für die Bewertung der einzelnen Stimmen als gültig oder ungültig, bei der Novellierung der Bundeswahlordnung und bei der Neufassung der Wahlgeräteverordnung Rechnung tragen. Beide Rechtsverordnungen werden noch rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl erlassen werden.Bei dieser Gelegenheit seien zwei für die Sicherstellung korrekter Wahlergebnisse wesentliche Punkte noch hervorgehoben. Einmal scheint es notwendig, die Mitglieder der Wahlvorstände intensiver zu schulen, und zweitens, überhaupt genügend Mitglieder zu finden, was in den Großstädten schwierig ist. Wir müssen einiges tun — wie ich meine, alle Parteien —, um zu gewährleisten, daß die Wahlvorstände besetzt werden und daß auch bei der Auszählung genügend Personen anwesend sind, diese demokratische Aufgabe also stärker im Bewußtsein der Bevölkerung lebt.Was die vom Gesetzentwurf unternommene Fortschreibung der Wahlkreiseinteilung angeht, so hat sich, wie meine Vorredner schon gesagt haben, grundsätzlich die von diesem Hause bestätigte Praxis des Innenausschusses bewährt, wonach jede Änderung einer Wahlkreiseinteilung im Interesse der Objektivität und Parteineutralität nach Möglichkeit von allen parlamentarisch vertretenen Parteien getragen werden sollte. Die vorgeschlagene Wahlkreiseinteilung, die an der Verteilung der Wahlkreise auf die Länder keine Änderung vornimmt und etwa für Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen lediglich eine modifizierte Status-quo-Lösung bringt, läßt dem Gesetzgeber — und darin stimme ich mit den Vorrednern überein — allerdings die Aufgabe zurück, vor der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eine vollständige Neueinteilung der Bundestagswahlkreise vorzunehmen. Im Hinblick auf diese Aufgabe und angesichts der Erfahrungen mit der jetzigen Wahlkreiseinteilung, bei der sich in Baden-Württemberg — wie schon gesagt wurde — ein Konsens der dortigen Parteien nicht erreichen ließ, werden wir gemeinsam überlegen müssen, wie auf Bundesebene ein gewisser Zwang auf die Länder ausgeübt werden kann.Herr Kollege Miltner, hier im Zusammenhang mit Baden-Württemberg einen einseitigen Vorwurf gegen eine Partei zu erheben erscheint mir nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht gerechtfertigt zu sein.
Mir erscheint es besonders bemerkenswert, daß die vorgelegten Vorschläge in den Ausschußberatungen ganz überwiegend die Zustimmung aller Parteien gefunden haben, daß also weitgehende Einmütigkeit erzielt worden ist. Sie, Herr Kollege Miltner, haben hier und heute allerdings leider wieder die Gelegenheit zu Angriffen gesucht und dabei schon eine gewisse Absage hinsichtlich der Neugliederung des Bundesgebietes ausgesprochen. Ich bedauere das sehr. Es ist nämlich notwendig, daß auf diesem Gebiet weitgehende Einmütigkeit besteht. Das Wahlrecht ist materielles Verfassungsrecht und sollte immer von einem möglichst breiten Konsens aller demokratischen Parteien getragen sein.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11341
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache und rufe Art. 1 Nr. 1 bis 4 auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 5 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3466 vor. Der Antrag ist bereits begründet, so daß wir gleich zur Abstimmung kommen können. Wer diesem Antrag der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer Art. 1 Nr. 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich nunmehr um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit gegen einige Stimmen von der CDU/CSU angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 6 bis 30, Art. 2 bis 7, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig in zweiter Beratung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe die
dritte Beratung
auf. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! -- Enthaltungen? — Gegen vier Gegenstimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir müssen noch über weitere Ausschußanträge abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag unter Nr. 2 der Drucksache 7/3371 auf Seite 6 sowie dem Antrag unter Nr. 3, nämlich den Antrag Drucksache 7/2435 für erledigt zu erklären, und dem Antrag unter Nr. 4, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen. Ich danke Ihnen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung
— Drucksache 7/2315 —
Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/3310
Berichterstatter: Abgeordneter Eilers
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. In der Aussprache wird das Wort ebenfalls nicht gewünscht. Dann schließe ich die Aussprache.
Ich rufe Art. 1, 2 und 3 in der Fassung des Ausschusses, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen in der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen dann zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen. Ich danke Ihnen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes
— Drucksache 7/597 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/3307 -
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 7/3305 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen
Abgeordneter Sander
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Bitte, Herr Kollege Dr. Ritgen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zum Schriftlichen Bericht über das vorliegende Saatgutverkehrsgesetz noch einige Ergänzungen mache.Das Saatgutrecht ist in zwei Gesetzen geregelt worden, und zwar 1. in dem Gesetz über den Schutz von Pflanzensorten, dem Sortenschutzgesetz, und 2. in dem Gesetz über den Verkehr mit Saatgut, kurz: Saatgutverkehrsgesetz. Diese beiden Gesetze sind im Mai 1968 in Kraft getreten. Sie bedurften einer Änderung bzw. Ergänzungen auch im Hinblick auf die Richtlinien, die von seiten der EWG in bezug auf den Saatgutverkehr herausgegeben worden sind. Die Novelle zum Sortenschutzgesetz wurde bereits im November 1974 verabschiedet und ist am 31. Dezember 1974 in Kraft getreten.Die Beratung der nunmehr vorliegenden Novelle zum Saatgutverkehrsgesetz konnte im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im vergan-
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11342 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. Ritgengenen Jahr nicht mehr abgeschlossen werden, so daß sie erst jetzt vorliegt und zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten soll.Der Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der vorliegenden Gesetzesänderung behandelt die vom Ausschuß entgegen der Regierungsvorlage beschlossenen Änderungen. Von seiten der beteiligten Wirtschaftskreise und der Anerkennungsbehörden wurden ebenfalls eine Reihe von Änderungswünschen vorgebracht. Der Ausschuß hat sich eingehend damit befaßt und sachlich vertretbare Anregungen berücksichtigt.Ausgeklammert wurde der § 74 a bezüglich der Kosten. Der Ausschuß war der Auffassung, daß die Festsetzung der Kosten des Bundessortenamtes wie bisher durch ein Gesetz erfolgen sollte und nicht durch eine Rechtsverordnung. Auch bei dem Sortenschutzgesetz, das bereits verabschiedet wurde, ist eine gesetzliche Kostenregelung vorgesehen, so daß insoweit eine übereinstimmende Handhabung möglich ist.Umstritten war auch noch § 75 bezüglich einer „Beschreibenden Sortenliste". Der Ausschuß hatte Bedenken, dem Bundessortenamt allein die Auswahl der zu beschreibenden Sorten zu überlassen. Andererseits wäre die Aufnahme sämtlicher Sorten in einen solchen Katalog viel zu umfangreich geworden. Deshalb wird vom Ausschuß vorgeschlagen, daß alle Sorten, die in der Sortenliste eingetragen sind, d. h. alle deutschen Pflanzenzüchtungen, in diese beschreibende Sortenliste aufgenommen werden. Es können aber auch Sorten aufgenommen werden, die demnächst in einem gemeinsamen Sortenkatalog der EWG erscheinen werden. Die Entscheidung über die Aufnahme in die beschreibende Sortenliste liegt dann beim Bundessortenamt.In Art. 4 des Gesetzes ist eine formalrechtliche Änderung des § 21 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgesehen. Da jedoch in diesem Gesetz die Rechte der Pflanzenzüchter gegenüber den Saatgutvermehrern nicht klar genug herausgestellt sind, wurden Überlegungen angestellt, ob im Zuge der Gesetzesänderung eine bessere Formulierung gefunden werden könnte. In dieser Frage wurden verschiedene Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundeskartellamt geführt. Das Ergebnis dieser Besprechungen war letztlich, daß es unzweckmäßig wäre, über ein anderes Gesetz, nämlich über dieses Saatgutverkehrsgesetz, eine grundsätzliche Neuformulierung des § 21 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorzunehmen, insbesondere auch deshalb, weil der § 21 im Zusammenhang mit dem § 100 dieses Gesetzes steht, der sich in Abs. 6 auch mit den Pflanzenzuchtbetrieben befaßt. Es soll nunmehr versucht werden, durch einen rechtskräftigen Bescheid des Bundeskartellamtes zu einer Klärung dahin gehend zu kommen, in welcher Weise bzw. in welchem Umfang ein Pflanzenzüchter Preisbindungen für das in seinem Auftrag erzeugte Saatgut vornehmen kann.Nach Verabschiedung des vorliegenden Saatgutverkehrsgesetzes wird noch das Kostengesetz zu be-raten sein. Dann dürfte das Gebiet der Pflanzenzüchtung, der Saatgutvermehrung und des Saatgutvertriebes in Anlehnung an die EWG-Richtlinien umfassend, aber auch befriedigend geregelt sein.Im Namen des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus, der Gesetzesvorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht.Ich rufe dann Art. 1, 2, 4 bis 7, Einleitung und Überschrift, auf. Wer ,den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In der zweiten Beratung einstimmig angenommen.Wir treten nunmehr in diedritte Beratungein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau— Drucksache 7/577 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
— Drucksache 7/3314 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Jahn Abgeordneter Krockert
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vermögens- und Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau— Drucksache 7/294 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
— Drucksache 7/3314 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Jahn Abgeordneter Krockert
c) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Mick, Dr. Schneider, Sauer , Nordlohne, Schmöle, Link, Dr. Prassler, Dr. Klein (Stolberg), Niegel und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11343
Präsident Frau Rengerzur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes— Drucksache 7/2207 —aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/3350 —Berichterstatter: Abgeordneter Simpfendörferbb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
— Drucksache 7/3314 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Jahn Abgeordneter Krockert
Wir haben eine gemeinsame Debatte verabredet. Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Ich eröffne die Aussprache.Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wohnungsbaupolitik steht vor einer grundlegenden Wende. Die Bundesregierung steht der seit langem erkennbaren Krisensituation noch hilflos gegenüber; denn die mehrmals angekündigte Gesamtkonzeption für den Wohnungsbau steht immer noch aus.
Die Wohnungshalden sprechen, wohnungspolitisch und auch volkswirtschaftlich gesehen, eine alarmierende Sprache. Die Zielsetzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, in breiten Kreisen der Bevölkerung das Eigentum breit zu streuen, ist gefährdet. Besonders die einkommensschwächeren Bewerber sind infolge der hohen Bau-, Investitions- und Kapitalkosten nicht mehr in der Lage, Eigenheime oder Eigentumswohnungen zu erwerben.Gewiß, den sozial Schwachen soll nach wie vor durch den sozialen Wohnungsbau geholfen werden. Aber — so müssen wir uns doch fragen — wie sozial ist der Wohnungsbau überhaupt noch? Insbesondere durch die Inflationspolitik der Regierung, die die Hochzinspolitik der Bundesbank auslösen mußte, sind die unsozialen Folgewirkungen auf dem Wohnungsmarkt am nachhaltigsten zu spüren. Rasante Baukostenerhöhungen haben die Mieten der neuerstellten Wohnungen explodieren lassen. Im sozialen Wohnungsbau muß die öffentliche Hand immer mehr Geld für die einzelne Wohnung aufwenden. Durch den zeitlich gestaffelten Zuschuß ist die Inflationsentwicklung dieser Mieten vorprogrammiert. Schon jetzt sind neuerbaute Sozialwohnungen zum Teil teurer als wenige Jahre zuvor erstellte freifinanzierte Wohnungen.In einer solchen Situation kann jeder, der Gesetze zur Vermögens- und Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau vorlegt, einer breiten Zustimmung gewiß sein. Die CDU/CSU — das festzustellen erfordert die Chronistenpflicht — war als erste mit einem Gesetzentwurf auf dem Plan. Wir haben unseren Gesetzentwurf zur Vermögens- und Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau bereits im6. Deutschen Bundestag eingebracht. Der Bundestag hat sich vorzeitig aufgelöst. Wir haben ihn im7. Deutschen Bundestag erneut eingebracht und im Ausschuß beraten. Dieser Gesetzentwurf soll insbesondere den einkommensschwächeren Teilen der Bevölkerung den Zugang zum privaten Eigentum an der Wohnung durch die Gewährung von Eigenkapitalhilfen eröffnen.Die Bürger draußen im Lande haben Anspruch darauf, zu wissen, warum wir in ihrem Interesse an unserer Alternative festhalten und den Gesetzentwurf der Regierung ablehnen werden, wenn unsere vier Änderungsanträge, die noch im einzelnen begründet werden, auf ein Nein von SPD und FDP stoßen.SPD und FDP verabschieden sich mit dem Regierungsentwurf von der bislang gesetzlich verankerten Zielsetzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, privates Eigentum breit zu streuen. Nach geltendem Recht — auf Vorschlag der damaligen CDU/CSU-Bundesregierung geschaffen — hat die Förderung des Wohnungsbaus das Ziel, die Wohnungsnot zu beseitigen und zugleich weite Kreise des Volkes durch Bildung von Einzeleigentum mit dem Grund und Boden zu verbinden. Diese breite Streuung privaten Eigentums ist gegen unseren Widerstand mit den Stimmen von SPD und FDP als Zielsetzung des Gesetzes ersatzlos gestrichen worden. Wenn künftig die Wohnungsnot beseitigt ist, hat das Zweite Wohnungsbaugesetz seine Schuldigkeit getan. Die breite Streuung privaten Eigentums wird als selbständiges Ziel des Wohnungsbaus von SPD und FDP nicht mehr gesetzlich anerkannt.Sie, meine Damen und Herren von der SPD und FDP, bestreiten das. Sie haben im Ausschuß die Auffassung vertreten, das sei nur eine technische Sache. Sie haben gesagt, daß „anderenfalls zu befürchten sei, daß sich die Eigentumsförderung" — ich zitiere wörtlich — „im Verhältnis zu der eigentlichen wohnungspolitischen Zielsetzung des Gesetzes verselbständige". In der Tat: Die Eigentumsförderung war — bislang unbestritten — ein selbständiges Ziel des Wohnungsbaus. Wir, die CDU/CSU, bekennen uns nach wie vor zu diesem Prinzip; denn Familienheim und Eigentumswohnung sind die beste Sicherheit für das Wohnen. Eigentum an der Wohnung gewährleistet persönliche Unabhängigkeit und zugleich einen gegen Geldentwertung geschützten Sachwert.
Meine Damen und Herren von der Koalition, was verstehen Sie denn unter der, wie Sie es bezeichnen, „eigentlichen wohnungspolitischen Zielsetzung" des Wohnungsbaugesetzes?
Die Antwort haben Sie selbst gegeben. Auf unsereGroße Anfrage zum Städtebau und zur Städtebaupolitik — welche gesetzlichen Sicherungen die Bun-
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11344 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. Jahn
desregierung zu schaffen beabsichtige, damit auch im Rahmen größerer städtebaulicher Projekte die einkommensschwächeren Bevölkerungskreise an der Eigentumsbildung angemessen beteiligt werden — hat die Bundesregierung in der Drucksache 7/962 wie folgt geantwortet:Die Frage berücksichtigt zu wenig die heutigen Probleme des Städtebaus sowie die drängenden Fragen der sozialen Sicherung im Bereich des Wohnens. Es geht nicht nur darum, den einkommensschwächeren Bevölkerungskreisen mit der traditionellen Form des Eigentums an der Wohnung die Möglichkeit einer Vermögensbildung zu eröffnen, sondern auch um die Gewährleistung der sozialen Sicherung des Wohnens. Beide Zielrichtungen liegen der Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung zugrunde.Mit dieser Politik relativieren Sie das Ziel der breiten Streuung privaten Eigentums, indem Sie gleichrangig ein anderes Ziel für erstrebenswert halten, nämlich das der sogenannten „Sicherung des Wohnens". Dabei verkennen Sie, daß die Sicherung des Wohnens bereits heute gewährleistet ist, insbesondere durch die Bildung von privatem Wohnungseigentum, aber auch für die leider immer noch zu große Zahl der Mieter durch das gemeinsam beschlossen e neue Wohnraumkündigungsschutzgesetz. Neue Wege zur Sicherung des Wohnens, die Sie beschreiten wollen, müssen also andere Motive haben.Meine Damen und Herren, machen wir uns doch einmal auf den Weg und fragen wir uns, wie es mit) der breiten Streuung privaten Eigentums in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich aussieht. Wem gehört in der Bundesrepublik Deutschland der Grund und Boden? Eine unter diesem Thema von Professor Duwendag vorgelegte Untersuchung, 1974 erstellt, kommt zu dem Ergebnis, daß der private Grundstücksbesitz in der Bundesrepublik ständig und mit zunehmender Geschwindigkeit zurückgeht. Gestiegen sei seit 1937 der Grundeigentumsanteil der öffentlichen Körperschaften um 34 % und der der Wohnungs- und Siedlungsunternehmen um 453 %; dagegen sei der Grundeigentumsanteil der Einzelpersonen um 15 % gesunken. Gehörten den natürlichen Personen — ohne Gemeinschaftseigentümer — 1937 noch 70 % der Fläche des heutigen Bundesgebietes, seien es gegenwärtig nur noch 59 %.Man mag gegen die Exaktheit dieser Zahlen einwenden, was man will. Jedenfalls wird eines deutlich: Von der Öffentlichkeit unbemerkt zeigt sich eine Entwicklung, die dem Ziel einer breitgestreuten Eigentums- und Vermögensbildung auf dem Bodensektor zuwiderläuft. Die Korrektur dieses Trends stellt eine zentrale Aufgabe der staatlichen Eigentums- und Vermögenspolitik dar.
Herr Minister Ravens, was tun Sie dafür, daß dieser Trend gestoppt wird?
Soweit ersichtlich: nichts! Ihre Partei hat im Gegen-teil Regeln für den Umgang mit öffentlichem Bodenaufgestellt, die diesen Trend nur noch begünstigen. So sind auf dem Parteitag der SPD 1973 folgende Beschlüsse gefaßt worden — ich zitiere —:Für das Bundeseigentum an Boden ist gesetzlich festzulegen, daß ein Verkauf an Private grundsätzlich ausscheidet. Statt dessen ist die Vergabe von „Nutzungseigentum" zu wählen... Die Länderparlamente werden aufgefordert, für das Bodeneigentum der Länder Bleichlautende Regelungen zu beschließen.Für die Kommunen muß gelten, daß Boden nur in unabweisbaren Fällen verkauft werden darf. Auch hier ist die Abgabe von Nutzungseigentum grundsätzlich vorzuziehen. Sobald die Maßnahmen zur Verbesserung des kommunalen Bodenerwerbs und zur Verbesserung der kommunalen Finanzsituation in Kraft getreten sind, ist der Verkauf kommunalen Bodens nicht mehr zu rechtfertigen. Dann darf kein kommunales Bodeneigentum mehr verkauft werden.Herr Minister, haben Sie sich einmal überlegt, wohin die weitere Ausdehnung des Vorkaufsrechts der Gemeinden führt, wenn anschließend so verfahren wird, wie SPD-Parteitags-Beschlüsse es wollen? Kein Quadratmeter Grund und Boden, der im Eigentum der öffentlichen Hand steht, soll künftig an einen Privatmann veräußert werden! Herr Minister, dieser Beschluß Ihrer Partei ist ein Plädoyer nicht für, sondern gegen eine breite Streuung privaten Eigentums an Grund und Boden.
Im kürzlich erschienenen Orientierungsrahmen 85 der SPD heißt es:Die Gemeinden müssen die Entscheidung über die Nutzung ihres gesamten Bodens erhalten. Dieses Ziel kann durch Verbesserung des Planungsrechts und — für bestimmte Gebiete — durch eine Aufspaltung des Eigentums an Boden in ein Verfügungs- und Nutzungseigentum oder durch die Schaffung eines neuen ausgeweiteten flexibleren Erbbaurechts erreicht werden.Dasselbe im kommunalpolitischen Grundsatzprogramm der SPD, das im Oktober 1974 in Nürnberg beschlossen wurde und im Sommer dieses Jahres, wenn ich recht informiert bin, in Mannheim endgültig verabschiedet werden soll! Dort steht sinngemäß dasselbe; es heißt da am Schluß:Ob dieses Ziel . . . erreicht werden kann, ist eine Frage der Praktikabilität und nicht zuletzt der politischen Durchsetzbarkeit.Was heißt das, meine Damen und Herren? Sie von der SPD sagen: Wir machen dies, wenn wir die Mehrheit haben. Doch zur Zeit heißt das Motto — was Sie, Herr Wehner, einmal auf dem Dortmunder Parteitag formuliert haben —: Genossen, ich warne vor noch so guten Gedanken, die gegenwärtig nicht in die politische Landschaft passen!
Herr Bundesminister, wir fragen im Hinblick auf die aktuellen Veröffentlichungen der SPD, wie die
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11345
Dr. Jahn
Bundesregierung zum Nutzungseigentum steht. Die Bundesregierung hat bislang darauf verwiesen, daß dies nicht in der Regierungserklärung stehe. Ich bin aber der Meinung, daß die Bürger draußen im Lande einen Anspruch haben, von der Bundesregierung darüber informiert zu werden, wie sie über grundlegende Veränderungen im Eigentumssektor denkt.
— Wir erwarten eine Stellungnahme nicht von Ihnen, sondern zunächst von der Bundesregierung, Herr Kollege Möllemann.Im Arbeitsprogramm des Bundesbauministers für diese Legislaturperiode steht der Satz „Entwicklung neuer Eigentumsformen". Der Bundesbauminister hat eigens eine Expertengruppe „Reform der Eigentumsordnung" berufen, und deshalb haben wir doch auch einen Anspruch darauf, einmal zu fragen, wie die Bundesregierung hierüber denkt.Herr Minister, wenn derartige Pläne verfolgt werden, darf es Sie eigentlich nicht wundern, wenn die CDU/CSU ein Gutachten über das auf dem SPD-Parteitag diskutierte Modell in Auftrag gegeben hat. Und Sie sollten das nicht, wie Sie es in der Presse getan haben, als einen Versuch disqualifizieren, alte Vorurteile neu aufzuwärmen. Das Gutachten von Westermann wärmt keine Vorurteile auf, sondern nimmt von anerkannt wissenschaftlicher Seite zu diesem Modell Stellung. Sie kennen die Schlußfolgerung von Westermann. Dort heißt es:Die Konzeption des SPD-Vorschlages widerspricht ... unmittelbar dem Grundsatz, Grundeigentum nur soweit an die Gemeinde zu überführen, als das unbedingt erforderlich ist, und es, sobald das von der Zwecksetzung her möglich ist, wieder zu „privatisieren" ...Das Ergebnis ist: einen nennenswerten Vorteil für die Planung und die Vermögensverteilung würde die Verwirklichung des Vorschlages nicht bedeuten; was bleibt, ist ein massiver Angriff auf das Privateigentum am wirtschaftlich bedeutsamen Bauboden ... Der Vorschlag ist aus Rechtsgründen nicht durchführbar.Meine Damen und Herren von der SPD, dieses Gutachten fällt aus verfassungsmäßiger Sicht für Sie nicht schmeichelhaft aus. Reaktionen konnten deshalb — verständlicherweise — nicht ausbleiben. Aber wer gibt Ihnen, Herr Bundesbauminister, die Legitimation, die Vorlage eines wissenschaftlichen Gutachtens als eine Kampagne zu bezeichnen, die darin bestehe, Bundesregierung und SPD als eigentumsfeindlich abzustempeln? Die Eigentumspolitik der Bundesregierung und die der SPD werden von der CDU/CSU nicht in einen Topf geworfen. Meine Darlegungen dürften gezeigt haben, wo — gemessen an den Parteiprogrammen — die graduellen Unterschiede liegen und welchen Weg Ihre Partei, die der Sozialdemokraten, gehen würde, wenn sie allein regierte. Solche Vorstellungen in Ihren Programmen, die ich eben zitiert habe, sind genau das Gegenteil von dem, was wir breite Streuung privaten Eigentums an Grund und Boden nennen und zum Wohle des einzelnen Bürgers verstärkt anstreben. Sie werden deshalb sicherlich verstehen, warum wir mit unserem ersten Änderungsantrag an der Zielsetzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes festhalten.Von dieser Eigentumspolitik im Grundsätzlichen nun zu der Mittelverteilung im Wohnungsbau. Gewiß, Sie werden gleich — zu Recht, meine ich — darauf verweisen, daß künftig mehr als 50 0/o der Wohnungsbaumittel für echte Eigentumsmaßnahmen verwandt werden sollen. Dies ist ein großer Fortschritt, den wir gemeinsam begrüßen können. Nur eines möchte ich hinzufügen: daß dies gelungen ist, nimmt die CDU/CSU für sich in Anspruch, da sie konsequent auf ihrem Standpunkt beharrt hat.
Zunächst einmal ist es der CDU/CSU in den Beratungen gelungen, dafür zu sorgen, daß der Wohnbesitzbrief nicht als echtes Eigentum bezeichnet werden kann, wie Sie dies laufend getan haben. Auf diesem Felde des Etikettenschwindels sind von Ihnen allerhand Versuche unternommen worden. Ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung" vom 6. Februar 1974, die vom früheren Bundesbauminister Vogel sagt: „Mit Nachdruck wies Vogel darauf hin, daß die Bundesregierung das Eigentum an der eigengenutzten Wohnung in allen rechtlichen Erscheinungsformen bejaht. Die Bausparkassen sollen sich vor allem für die neue Rechtsform ,Wohnbesitzwohnung' vorbereiten."
Im Tätigkeitsbericht des Wohnungsbauministers wird die Wohnbesitzwohnung unter der Überschrift „Wohnungseigentum für breitere Bevölkerungskreise" aufgeführt. In ihrem Rundschreiben vom 12. Juni 1973 preist die „Neue Heimat" den Wohnbesitzbrief unter der Überschrift „Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand" an; sie wolle einen wesentlichen Teil ihrer zukünftigen Wohnungsbautätigkeit „für die individuelle Eigentumsbildung", so heißt es dort, „im Rahmen von Wohnbesitzbrief-Wohnanlagen" einsetzen.Namens der CDU/CSU wende ich mich gegen solche Begriffsverfälschungen, an denen manche, auch hier in diesem Hause, nicht unschuldig sind.
Weder durch ein Dauerwohnrecht noch durch ein Dauernutzungsrecht wird privates Eigentum begründet. Eigentum ist und bleibt ein umfassendes Verfügungsrecht. Wir werden es nicht zulassen, daß dieser Eigentumsbegriff ausgehöhlt und auf bloße Nutzungsrechte reduziert wird. Privates Eigentum darf nicht zum Bündel von Befugnissen degradiert werden, denn es hat im Kern eine Verfügungsgewalt zum Inhalt.Aus all dem wird ersichtlich, daß Sie in den Beratungen im Ausschuß nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen,
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11346 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. Jahn
sondern auch noch voller Stolz bis zum Beweis des Gegenteils behauptet haben, Äpfel seien ja eigentlich Birnen. Ich verstehe Ihren Einwand sehr gut. Nur besteht ja über eines hoffentlich Übereinstimmung unter uns:
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Je roter ein Apfel ist, je stärker das Indiz, daß darin der Wurm steckt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD und FDP, als wir diese Klarstellung erreicht hatten, traten Sie bei den Ausschußberatungen den Rückzug an. Sie haben nämlich prompt einen Änderungsantrag gestellt, die Mindestmasse für echte Eigentumsmaßnahmen von mehr als 50 % auf lediglich mehr als ein Drittel zu reduzieren. Als wir damit konfrontiert wurden, hat die CDU/CSU mit der FDP gesprochen. Wir haben den Herren von der FDP gesagt: Das ist ja ein widersprüchliches Verhalten, das ihr da an den Tag legt; ihr habt doch früher immer geäußert, ihr wollt das Eigentum mit mehr als 50 % fördern. Wenn man die Artikel und Erklärungen von Herrn Wurbs liest, die ich Ihnen vorzeigen kann, kommt man zu diesem Ergebnis. Und wir haben gesagt: Wollt Ihr auch in diesem Punkte wieder eine andere Meinung bilden? Da wurde Ihnen der Boden zu heiß, und Sie haben in diesem Punkte zurückgesteckt. Sie wollten in diesem Punkte keine Umfallpartei sein. Dafür sind wir Ihnen sehr dankbar. Daraufhin blieb es dann, nachdem der Änderungsantrag zurückgezogen wurde, bei 50% und mehr für echte Eigentumsmaßnahmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wurbs?
Bitte schön, Herr Wurbs.
Herr Kollege, würden Sie mir darin zustimmen, daß im Gesetzentwurf nach wie vor „überwiegend" steht und daß selbstverständlich im Wege der Beratung alles mögliche erörtert werden kann.
Herr Wurbs, mir geht es darum, einmal klarzumachen, was geschehen würde, wenn die SPD die absolute Mehrheit hätte, und zweitens möchte ich gerne klarstellen, an welchen Hut die Federn für die Eigentumsbildung mit mehr als 50 % gehören.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wurbs?
Bitte schön!
Herr Kollege Jahn, würden Sie mir darin zustimmen, daß diese Überlegung, „überwiegend" etwas herabzuzonen, auf Überlegungen zurückzuführen ist, die der Bundesrat angestellt hat?
Herr Kollege Wurbs, die Erklärungen des Bundesrates waren der Bundesregierung schon bekannt, als dies im ersten Durchgang vom Bundesrat so geäußert wurde. Die Bundesregierung hat gesagt: Wir teilen die Bedenken des Bundesrates nicht, wir bleiben bei unserer ursprünglichen Auffassung. Gleichwohl ist dann anschließend von SPD und FDP dieser Änderungsantrag gestellt worden.Meine Damen und Herren, wir haben uns geeinigt: mehr als 50% für echte Eigentumsmaßnahmen. Wer aber mehr als 50 % der Mittel hierfür zur Verfügung stellt, muß auch dafür sorgen, daß diese Mittel abgerufen werden können. Das ist genau das Anliegen unserer Alternative mit den Eigenkapitalhilfen. Wenn Eigentum für breite Schichten der Bevölkerung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus in möglichst großem Umfang gebildet werden soll, erscheint es unumgänglich, bei der Förderung von Eigentumsmaßnahmen neue Wege zu beschreiten und öffentliche Finanzhilfen auch für die Beschaffung des Eigenkapitals zu gewähren. Deshalb unsere Alternative, Eigenkapitalhilfen zugunsten der sozial Schwachen zu bringen. Wir wollen die Nachfrage nach echtem persönlichen Eigentum aktivieren, während der Regierungsentwurf das Gewicht auf die Wohnbesitzwohnung legt.Sie werden uns entgegenhalten: Was ihr wollt, kostet viel Geld; deshalb können wir das nicht mitmachen. Wir haben in den Ausschußberatungen immer gesagt: wir fordern nicht mehr Geld, sondern wir treten ein für eine Umschichtung der Mittel, die wir zur Verfügung haben. Das gleiche Recht, das Sie bei Ihrem Gesetzentwurf für sich in Anspruch nehmen, nämlich ebenfalls die Mittel umzuschichten, muß auch uns zugestanden werden. Der Verschiebebahnhof der Umschichtung von Mitteln ist nicht allein ein. Bahnhof, den die Koalition für sich in Anspruch nehmen kann; es ist gleichzeitig auch ein Recht der Opposition, diesen Umschichtungsprozeß einzuleiten. Wir setzen eben andere Prioritäten als Sie. Einen Rückgang der Förderungszahlen nehmen wir dabei angesichts der Wohnungshalden bewußt in Kauf. Weniger Einzelobjekte besser, d. h. mit Eigenkapitalhilfen, fördern, ist das Gebot der Stunde, wenn sozial Schwächeren echtes Eigentum zukommen soll.
Unser Ziel lautet nicht, jedem eine, sondern jedem seine Wohnung. Wir wollen die breitere Streuung privaten Eigentums. Das ist mehr als eine Politik der bloßen Sicherung des Wohnens, die wir bereits verwirklicht haben; das ist mehr als ein bloßes Nutzungsrecht an der Wohnung. Deshalb der zweite Änderungsantrag — der noch begründet wird —: Eigenkapitalhilfen, damit nicht nur die Gelder bereitgestellt werden, sondern damit auch Anreize für
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Dr. Jahn
die sozial Schwachen geschaffen werden können, daß die Mittel abgerufen werden.Nun, meine Damen und Herren, zur Verteilung der zweiten Hälfte der Wohnungsbaumittel. Nach herkömmlichem Recht: Mietwohnungsbau; nunmehr ein neues Modell, von Ihnen auf den Tisch gelegt: das Wohnbesitzbrief-Modell, gekoppelt mit einem schuldrechtlichen Dauermietrecht. Was sagen wir dazu? Leistung und Gegenleistung stehen nicht in einem ausgewogenen Verhältnis. Man kann das Dauerwohnrecht am Markt aber viel billiger haben, als Sie es mit dem Wohnbesitzbrief einräumen wollen. Der Wohnbesitzbrief hat sicherlich einige Vorteile, aber eben auch durchschlagende Nachteile. Er gewährt ein Dauermietrecht. Aber, meine Damen und Herren, das ist bereits am Markt; das brauchen wir nicht mehr in einen Gesetzentwurf zu kleiden. Das Dauermietrecht kann auch heute schon von gemeinnützigen und freien Wohnungsunternehmen erworben werden. Der Kündigungsschutz ist kein echter Vorteil; denn wir haben ja das Wohnraumkündigungsschutzgesetz bereits verabschiedet und gemeinsam beschlossen, daß auch der Mieter im Rahmen eines normalen Wohnraummietverhältnisses diesen Schutz genießt. Die Verzinsung der Einlage ist nur eine scheinbare; denn wir haben Ihnen in den Beratungen nachgewiesen, daß man diese Verzinsung aus der rechten Tasche in die linke steckt, d. h. man erhält die Verzinsung, die man angeblich bekommt, aus seiner eigenen Tasche.Ein weiterer Vorteil, den Sie, Herr Bundesbauminister, heute morgen noch im „Morgen-Magazin" angesprochen haben, ist die Entschuldung. Ich gebe Ihnen zu, daß dieser Entschuldungseffekt als Vorteil angesehen werden kann. Nur muß man auch bedenken, daß der Entschuldungseffekt erst relativ spät, nach 30 bis 40 Jahren, eintritt, daß dann aber auch wieder Instandsetzungshypotheken entstehen, weil die Kosten für die Instandsetzungsarbeiten eben nicht von dem Eigentümer, sondern von den Inhabern des Wohnbesitzbriefes aufgebracht werden müssen.Ein weiterer Punkt. Auch bei etwaigen Mietausfällen unterliegt der Wohnbesitzberechtigte einem wesentlich größeren Risiko als der normale Mieter. Bei der gewöhnlichen Mietwohnung muß der Vermieter den Ausfall tragen, wenn ein oder mehrere Mieter ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen und die aus dem Mietausfallwagnis gebildeten Rücklagen zur Deckung der Verluste nicht ausreichen. Bei der Wohnbesitzwohnung müssen die Wohnbesitzberechtigten dieses Risiko selbst tragen.Nächster Punkt. Der Wohnbesitzberechtigte ist besonderen Gefahren bei der Zwangsversteigerung ausgesetzt, die wir auch in den Ausschußberatungen nicht ausgeräumt haben. Die Wohnbesitzwohnung kann weiter im Gegensatz zur Eigentumswohnung nicht beliehen werden, ein Punkt, der doch wirklich eine gewichtige Rolle spielt. Ein weiterer Vorteil, der immer ins Feld geführt wird, ist, daß mit Zustimmung des Bauträgers die Wohnbesitzwohnung zum Verkehrswert verkauft werden kann; ich betone aber: nur mit Zustimmung des Bauträgers. Es kommt noch hinzu, daß der Wohnbesitzberechtigte seinen Nachfolger selbst suchen muß.
— Herr Minister, Sie machen den Fehler, daß Sie die Eigentumswohnung immer mit der Wohnbesitzwohnung gleichstellen. Das ist eben etwas, was man nicht darf, wie wir Ihnen in den Ausschußberatungen mehrmals nachgewiesen haben.
Was den Vergleich mit dem Wohnungseigentum betrifft, so kommen Sie, Herr Minister, auf diese Frage zu sprechen. Sie fragen: Wie ist es mit dem Wohnungseigentum? Bei den Wohnbesitzberechtigten handelt es sich nicht um eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern, wie es in dem Gesetz für Wohnungseigentum vorgesehen ist. Eine Organisation der Wohnbesitzer fehlt. Hier taucht die Frage auf, wie es möglich ist, daß in diesem Gesetz eine solche Organisation fehlt, die im Wohnungseigentumsgesetz geschaffen worden ist. Vielleicht ist es erklärlich, wenn man einmal fragt, aus welcher Ecke dieses Modell eigentlich kommt und wie es mit der Mitbestimmung in gewerkschaftseigenen Unternehmen überhaupt aussieht,
ob sie dort auch gewollt ist.
Als Ergebnis der Abwägung der Vor- und Nachteile ist festzuhalten: Der Wohnbesitzberechtigte stellt sich wesentlich schlechter als ein Wohnungseigentümer. Er hat auch eine in vielen Punkten schwächere Position gegenüber dem Mieter, der einen Dauermietvertrag mit einem gemeinnützigen oder einem freien Wohnungsunternehmen abschließt. Die Vermögensanlage des Wohnbesitzberechtigten steht auf einer unsicheren Grundlage. Selbst das sogenannte Dauerwohnrecht des Wohnbesitzberechtigten ist größeren Gefahren ausgesetzt als das Mietrecht eines Mieters, der eine Mietvorauszahlung geleistet hat. Deshalb sagen wir nein zu dieser Wohnbesitzbrief-Wohnung in der Ausgestaltung des Gesetzentwurfes.Herr Minister, die „Süddeutsche Zeitung" vom 14. März 1972 gibt Ihre damalige Auffassung wie folgt wieder:Der Eigentümer eines Wohnbesitzbriefes erhält aber eine eigentümerähnliche Stellung, mit der nach Darstellung von Staatssekretär Ravens jedoch hauptsächlich Vorteile verbunden sind.Herr Minister, ich wäre wirklich dankbar, wenn Sie sich heute noch einmal dazu bekennen würden, welche Vorteile Sie sehen, welches Gewicht Sie den Nachteilen beimessen und wie Sie Vorteile und Nachteile gegeneinander abwägen.Die „Süddeutsche Zeitung" schreibt dann weiter:Nach Auffassung von Ravens dürften zudemkaum Wohnungsunternehmen zu finden sein,die sich lediglich für Finanzierungszwecke ein-
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schalten lassen, ohne später den Nutzen ... zu haben.Das ist in der Tat ein Vorteil, Herr Minister: Dieser Wohnbesitzbrief — geschaffen für die großen Wohnbaugesellschaften — wird den Baugesellschaften einen großen Vorteil bringen.Gehen wir einmal etwas in den ideologischen Bereich hinein. Herr Lauritzen hat in der Presseverlautbarung Nr. 13 aus dem Jahre 1972 im Hinblick auf den Wohnbesitzbrief geschrieben — ich zitiere —:Es entfallen die mit dem Erwerb von Wohnungseigentum verbundenen Erschwernisse wie Verwaltung, eigenverantwortliche Instandhaltung.Meine Damen und Herren, gerade das ist es, was wir von der CDU/CSU wollen: die breite Streuung privaten Eigentums. Wer draußen die Landschaft kennt, weiß, daß unsere Bürger — Sie merken das an den Bauzahlen der letzten Wochen und Monate — das Eigenheim und die Eigentumswohnung immer noch als die beste Förderung ansehen.
Meine Damen und Herren, der Wohnbesitzbrief ist, wenn Sie so wollen, ein Mittel zur Kapitalbeschaffung für die großen Baugesellschaften,
Baugesellschaften ohne Eigenkapital, denn die Verpflichtung, das Eigenkapital aufzubringen, wird auf die Wohnbesitzberechtigten verlagert, Baugesellschaften ohne Risiko, denn das Mietausfallrisiko trägt nicht die Baugesellschaft, sondern im eigentlichen Sinne die Gemeinschaft der Wohnbesitz-berechtigten. Dies ist eine Politik, die eine Machtzusammenballung von Wohnungseigentum bei den Baugesellschaften begünstigt.Wir von der CDU/CSU sagen Ihnen: Wohnungsbauförderung in erster Linie nicht für die Baugesellschaften, sondern für diejenigen, die unmittelbar eine Wohnung wünschen, damit sie echtes privates Eigentum bekommen.
Herr Minister, die Baugesellschaft ist ja grundbuchmäßig Eigentümer, und zwar Eigentümer ohne Eigenkapital.
Sie stärken mit diesem Modell den Eigentümer, die Baugesellschaft, Eigentümer ohne Eigenkapital, Baugesellschaft ohne Eigenkapital! Eigentümer ohne Risiko, Baugesellschaft ohne Risiko!Man muß sich doch draußen im Lande fragen, wie eine sozialliberale Koalition dazu kommt, die Position des Eigentümers und nicht die des einzelnen sozial Schwachen zu stärken.
Des Rätsels Lösung: In § 12 a steht der Satz: Herausgeber des Wohnbesitzbriefes kann kein Privatmann sein, sondern im Grunde nur die Baugesellschaft. Meine Damen und Herren, hier wird der ideologische Hintergrund klar: Öffentliche Mittel für Mietwohnungsbau weitgehend nur noch in öffentliche Hand. Das ist genau die Gegenposition zu der Politik, die die CDU/CSU betreibt.
Ein weiterer Einwand, Herr Kollege Wehner: Sie können nicht leugnen, daß bei diesem Modell das Prinzip von Leistung und Gegenleistung zugunsten der Baugesellschaft und zu Lasten der sozial Schwachen verwischt wird. Gleichzeitig verletzen Sie in eklatanter Weise das Prinzip der Chancengleichheit am Markt. Dies ist ein wichtiges Prinzip.Sie wissen ja, daß der Wohnbesitzbrief nicht erst durch dieses Gesetz eingeführt wird. Der Wohnbesitzbrief ist bereits auf dem Markt. Herr Minister, Sie selbst haben uns in einem Brief mitgeteilt, daß er in Nordrhein-Westfalen sogar schon aus öffentlichen Mietwohnungsbaumitteln gefördert wird. Sinn des Gesetzes kann dann doch nur etwas anderes sein. Der Sinn besteht darin, daß dieser Wohnbesitzbrief für den, der ihn in Anspruch nimmt, absolute Präferenzen bekommt, und zwar zu Lasten des herkömmlichen privaten Mietwohnungsbaus. Die Marge der Mietwohnungsbaumittel muß vorrangig für den Wohnbesitzbrief verwandt werden. Wer einen Wohnbesitzbrief möchte, erhält 120 qm gefördert, nicht 90 qm wie der herkömmliche Mieter. Wer den Wohnbesitzbrief in Anspruch nimmt, bekommt 10 % mehr öffentliche Förderung als der herkömmliche Mieter. Dies sind Verletzungen des Prinzips der Chancengleichheit am Markt, und dazu können wir nicht ja sagen. Deshalb unser Änderungsantrag, die im Gesetzentwurf vorgesehenen Präferenzen — ich betone das ausdrücklich — zu streichen.Es hat in der letzten Zeit und auch noch in den letzten Tagen genug Presseorgane gegeben, die behauptet haben, die CDU/CSU sei gegen den Wohnbesitzbrief.
Dies ist falsch. Er ist am Markt. Er wird auch schon öffentlich gefördert. Nur sind wir gegen die privilegierte Förderung, wie sie Ihr Entwurf auf uns zukommen läßt. Dazu sagen wir nein.
Und noch eines, Herr Kollege Wehner: Wer 15 % Eigenkapital aufbringt, muß auch einen Rechtsanspruch auf echtes privates Eigentum erhalten.
Wir haben einen Änderungsantrag gestellt: Wenn mehr als die Hälfte der Wohnbesitzberechtigten den Antrag stellen, nachdem sie ihre Verpflichtungen erfüllt haben, echtes privates Eigentum zu bekommen, muß eine Umwandlung der Wohnbesitzwohnung in eine echte Eigentumswohnung erfolgen. Zu diesem Antrag haben Ihre Kollegen und die Kollegen der FDP nein gesagt.Sie haben dann den Antrag gestellt — lassen Sie mich das als Scheinmanöver bezeichnen —, eine Um-
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Wandlung solle dann stattfinden, wenn alle Wohnbesitzberechtigten den entsprechenden Antrag stellen. Meine Damen und Herren, das stimmt nicht. Der zuständige Ministerialdirigent Schubart hat auf ausdrückliches Befragen im Ausschuß gesagt, daß selbst die Zustimmung aller nicht ausreicht, sondern daß auch noch der Fondsträger, also die Baugesellschaft, ja sagen muß. Mit diesem Antrag erreichen Sie also im Grunde gar nichts; Sie schaffen .lediglich ein Etikett, das aber im Grunde gar nicht zutrifft.Mit unserem vierten Änderungsantrag fragen wir bei Ihnen an, ob Sie es wirklich so ernst meinen, wie Sie vorgeben. Wer 15 % der Bausumme des Objekts, das er bewohnt, zusätzlich zur Miete bezahlen muß, den muß eine vernünftige Sozialpolitik auch in die Lage versetzen, zu echtem privatem Eigentum zu kommen.
Dies wollen Sie gerade nicht. Ihr gesellschaftspolitisches Motiv lautet: öffentliche Mittel für den Mietwohnungsbau vorrangig in öffentliche Hand! Sie können auch sagen: Vermieter soll langfristig kein Privatmann mehr sein. Das ist ja auch nachzulesen. Einer Ihrer früheren führenden Städtebaupolitiker, Herr Neuffer — der seinen Beruf gewechselt hat —, schreibt in dem Buch „Entscheidungsfeld Stadt" — ich zitiere —:Mietwohnungsbau sollte endlich zur ausschließlich öffentlichen Aufgabe erklärt und dafür gebildeten gemeinnützigen und öffentlichen Trägern übertragen werden. Die vorhandenen Genossenschaften und gemeinnützigen Gesellschaften können im Rahmen eines neu zu schaffenden öffentlich-rechtlichen Mietwohnungsrechts die Kerngruppe der künftigen Organisationsträger bilden. Die bisher im Privateigentum stehenden Miethäuser sollten auf einer angemessenen Rentenbasis enteignet werden.
Im kommunalpolitischen Grundsatzprogramm Ihrer Partei heißt es:Sozialdemokratische Wohnungspolitik in den Gemeinden muß sich verstärkt der kommunalen Wohnungsunternehmen und der übrigen gemeinnützigen Wohnungswirtschaft bedienen. Der Wohnungsbestand dieser Unternehmen ist für die wohnungspolitischen Ziele der Gemeinden zu aktivieren.Die Zeitschrift „Deutsche Wohnungswirtschaft" schreibt in Heft 4/1972:Der Minister— gemeint ist der damalige Minister Lauritzen —hob hervor, daß man die Verringerung des Engagements privater Bauherren im Mietwohnungsbau nicht als notwendiges Übel betrachte, sondern sogar als gesellschaftspolitischen Vorteil.Die Zeitschrift fügt hinzu:Der Minister kann sich des Beifalls der Jungsozialisten sicher sein, da eine ihrer Forderungen lautet, den gesamten Mietwohnungsbau nur durch die Gemeinden und gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften vornehmen zu lassen.Meine Damen und Herren, hier wird offenkundig, daß parallel zu dem Modell der SPD hinsichtlich der Aufspaltung des Eigentums an Grund und Boden in diesem Gesetz ein Ansatz für die Zusammenballung der Mietwohnungsbauten in den Händen der großen Baugesellschaften gegeben ist. Das ist nicht die Politik der Verteilung des Vermögens, sondern der Machtkonzentration bei wenigen Baugesellschaften. Dem sagen wir ein klares Nein.
Professor Weitnauer von der Universität Heidelberg, einer der prominentesten Spezialisten des Wohnungseigentumsgesetzes, stellt in einem Schreiben vom 3. Februar 1975 die Frage:Was ist der wirkliche Grund, daß man dem Mieter nicht sofort Wohnungseigentum verschafft? Warum bedient man sich nicht des Dauerwohnrechts . . .Das ist ja schon am Markt. Er fährt fort:Ich habe das Gefühl, daß die Opposition viel zu viel von dem mitmacht, was die Regierung unter dem sozialen Etikett betreibt. Der vorliegende Vorschlag scheint mir typisch dafür zu sein, wie man heute für sozialistische Ziele kapitalistische Rechtsformen mißbrauchen kann.. Daß hier einfach ein neuer, wenn meines Erachtens auch nicht sehr reeller Weg der Kapitalbeschaffung für die Neue Heimat eröffnet werden soll, dürfte wohl das Richtige treffen.Dann schreibt er:Das Ganze ist doch geradezu eine abenteuerliche Konstruktion. Wenn ein Kapitalist so etwas vorschlagen würde, würde man ihm vorwerfen, er unternehme einen Beutezug auf die Taschen der Ärmsten der Armen. Aber Vorschläge, von der Neuen Heimat oder aus ähnlicher Ecke kommend, werden offenbar von der sozialliberalen Koalition bedenkenlos ausgeführt.
Soweit Professor Weitnauer.Was sagt denn die politische Landschaft? Was sagt die Presse draußen? Unter der Überschrift „Eigentum zur Miete" schreibt „Die Welt" am 20. März 1975:Die CDU/CSU-Opposition — und vielleicht auch die FDP — so schreibt Herr Gilles —hätten gute Gründe, den Entwurf in der jetzigen Form abzulehnen ... Dem Bürger muß reiner Wein eingeschenkt werden, ob die Zuschüsse aus Steuermitteln tatsächlich der breiten Vermögensstreuung dienen oder aber nur in verschlungenen Umwegen in die Kassen gro-
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ßer Baugesellschaften fließen ... Nur die Minderheit der Bürger und der Parlamentarier kann wünschen, daß unter dem Deckmantel der Eigentumsbildung das Vermögen im Wohnungsbau weiter auf wenige große Gesellschaften konzentriert wird.Soweit „Die Welt".Nun werden Sie sagen: Das ist „Die Welt". Ich darf deshalb auch ein anderes Presseorgan zitieren, nämlich die Zeitschrift „Die Zeit". Sie schreibt unter der Überschrift „Mit Brief ins Kollektiv" am 14. März 1975:Doch was als Wahlschlager gedacht ist, könnte wieder einmal zu einem Eigentor der Koalition werden... Für die Wohnungsbaugesellschaften ist der Wohnbesitzbriefkunde dann ein idealer Partner: Er bewohnt die Wohnung einer Kommanditgesellschaft und bleibt Mieter im eigentlichen Sinne, muß aber dennoch in gewisser Weise Eigentümerverpflichtungen nachkommen: Instandhaltung, Reparaturen, Ausbesserungen. Daß andererseits durch die laufende Entschuldung nach einigen Jahren seine Mietbelastung kleiner wird, fällt für den Wohnbriefbesitzer dann kaum noch ins Gewicht.Der „Rheinische Merkur" schreibt am 4. April 1975:Dieses Gesetz fördert nicht, sondern verhindert die breite Eigentumsstreuung. Es fördert lediglich die Konzentration von Wohneigentum in der Hand einiger weniger Baukonzerne.Welche Stellung beziehen Sie, Herr Minister, zu all diesen Verlautbarungen?
— Ja, daran sehen Sie, wie interessant dieses Thema ist und wie sich die Presse genau damit beschäftigt, daß gerade Ihre Position offensichtlich nicht die richtige ist. Das tun selbst Presseorgane, die Ihnen sehr nahe stehen.
Meine Damen und Herren, diese Politik ist keine Sozialpolitik mehr, sondern Politik auf Kosten der sozial Schwachen unseres Landes, die sich ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung nicht leisten können. Es ist eine Politik, die nicht mehr das Allgemeinwohl formuliert, sondern im Grunde einseitigen Interessen der Wohnungsbaugesellschaften Vorschub leistet.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Wir haben hier ein Beispiel für konstruktive Opposition gegeben; denn wir haben nicht nur unser Nein angekündigt — falls Sie unsere Änderungsanträge ablehnen —, sondern wir haben selber eine Alternative auf den Tisch gelegt.Deshalb noch einmal: Breite Streuung privaten Eigentums hat bei uns einen anderen Stellenwert als bei Ihnen. Wer den Bürgern 15 % der Bausumme des Objekts abverlangt, muß ihnen auch einen Rechtsanspruch auf echtes Eigentum geben. UnsereParteiprogramme beschränken sich nicht auf die bloße Sicherheit des Wohnens, auf die Angemessenheit des Wohnens. Wer bestimmt denn die Angemessenheit in Ihrem Programm? Unser Ziel lautet: Nicht jedem eine, sondern jedem seine Wohnung!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Krockert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich Ihnen zur Einleitung zunächst einmal biblisch komme.
— Ungewöhnlich, meinen Sie? Wir haben in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vier Pfarrer. Vier.
In einem Kapitel der Bibel findet sich eine Art prophetischer Leitlinienkatalog für eine gute soziale Ordnung. Danach soll den — —
— Aber ich bitte Sie! Sind Sie denn schon so auf totale Konfrontation eingeschworen, daß Sie nicht einmal zwei Minuten bei etwas zuhören können, was wirklich alle gemeinsam anhören könnten?
Es findet sich da — —
— Herr Kollege Erhard, Frau Präsidentin, ich bin erst bereit Zwischenfragen zuzulassen, wenn ich schon etwas gesagt habe; bisher bin ich noch gar nicht dazu gekommen.
Es findet sich da also eine Art prophetischer Leitlinienkatalog für eine gute soziale Ordnung. Danach soll den Unterdrückten Freiheit verschafft werden, den Beschwerten Entlastung, den Bedürftigen Nahrung und Kleidung, den Unbehausten Obdach. In einer solchen Gemeinschaft soll niemand die Zielscheibe abgeben für Diskriminierung und für Verleumdung. Und schließlich ist in dieser Aufzählung gemeinschaftlicher Erfordernisse auch von Steinen die Rede, von Fundamenten und Mauern und Zäunen. Das alles soll nämlich so gerichtet und geordnet werden, daß man da wohnen kann. Daß man da wohnen kann, meine Damen und Herren, das ist in dieser Aufzählung mit all dem andern zusammen offensichtlich Kennzeichen für eine gute soziale Ordnung. Wenn ich es richtig sehe, dann ist das eines der ältesten Zeugnisse, wonach das Wohnenkönnen aus dem Bereich von privatem Glück oder Pech herausgenommen ist in den Bereich gemeinschaftlicher Verantwortung. Das ist nicht unwichtig.Soweit, so gut, auch für uns, die wir uns geeinigt haben auf eine Grundordnung, die uns zur Sozial-
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Krockertstaatlichkeit verpflichtet. Aber nun erhebt sich offensichtlich doch ein Problem, denn heute behandeln wir ja etwas kontrovers, und am Ende soll, so habe ich verstanden, eine kontroverse Abstimmung stehen, und da wird etwas abgelehnt. Es muß also außer dem, was hier doch wohl gemeinsam zugrunde gelegt werden kann, noch etwas grundsätzlich Verschiedenes geben.Man kann in seinen eigenen vier Wänden wohnen, und man kann bekanntlich auch wohnen, auch ordentlich wohnen, auch verhältnismäßig sicher wohnen, ohne Eigentum an seiner Behausung zu haben oder zu begehren.
Was ergibt sich daraus für eine sozialstaatliche Förderungspolitik? In welcher Beziehung haben Wohnungsbauförderung und Eigentumsförderung zueinander zu stehen? Sie haben schon aus den Ausführungen meines Herrn Vorredners gemerkt, daß da offensichtlich der Haken liegt. Deshalb ein Änderungsantrag zu unserem § 1.Was diese Frage angeht, die ich gerade gestellt habe, so hat sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bei der Beurteilung des Regierungsentwurfs und bei seiner parlamentarischen Behandlung von einer Reihe von Grundsätzen leiten lassen. Hier sind sie:Erstens. Wohnungsbauförderung und Eigentumsförderung sind nicht einfach Zwillinge. Sie sind einander auf eine ganz bestimmte Weise zuzuordnen; denn Wohneigentum streben viele an, aber Wohnenkönnen müssen und sollen alle.
Zweitens. Die Wohnungspolitik ist deshalb die umfassende Aufgabe, und die Förderung von Eigentums- und Vermögensbildung ist ein Teil davon, jawohl, ein wichtiger Teil, nach unseren Vorstellungen der Teil mit Vorrang, der überwiegende Teil, Herr Kollege Jahn, aber ein Teil. Ich bitte, daß Sie dies als von uns offensichtlich festzustellenden Unterschied zu Ihrem Ansatz berücksichtigen.
Daher findet die Eigentumspolitik — und die Förderung des Eigentums und der breiten Streuung des Eigentums — im sozialen Wohnungsbau durch die Wohnungspolitik und ihre Zielsetzung Rahmen und Maßstab.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn ?
Herr Kollege Krockert, wie können Sie mir den Widerspruch erklären, der darin besteht, daß Sie hier den Vorrang der Eigentumsförderung artikulieren, während in den Programmen Ihrer Partei genau das Umgekehrte zu lesen ist?
Da ist nichts Umgekehrtes zu lesen, Herr Kollege Jahn. Haben Sie noch etwas Geduld. Genau auf dieses Problem komme ich in wenigen Minuten.
Mein Punkt 3 in der Aufzählung der Grundsätze, von denen wir uns haben leiten lassen, betrifft die Zuordnung, von der ich eben sprach: Der Teil Eigentumsbildung bekommt Rahmen und Maßstab durch die wohnungspolitische Zielsetzung, die umfassend ist. Diese Zuordnung ist für uns eindeutig und unumkehrbar. Wir haben nicht — und nun beißen Sie ruhig darauf herum — den Wohnungsbau zu fördern, damit auf diese Weise mehr Menschen zu einem Eigentumstitel kommen, sondern wir wollen Eigentumsbildung fördern, weil und soweit auch auf diese Weise mehr Menschen zu ihrer Wohnung kommen — so herum —,
zu der von ihnen angestrebten und ihren Wünschen angemessenen Form des Wohnens.Viertens. Die Wohnungsbauförderung hat an den Bedürfnissen der Menschen orientiert zu sein und nicht an Ideologie. Der Eigentumsbildung für weite Kreise der Bevölkerung kommt also im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus deshalb ein Vorrang zu, weil sie von entsprechend breiten Kreisen unserer Bevölkerung angestrebt wird, gerade auch von einkommensschwächeren Familien. Nicht etwa deshalb kommt ihr dieser Vorrang zu, weil für uns der Eigentümer eine Art Idealbürger wäre.
Wir bilden uns nicht ein, daß die Wohnwelt erst dann in Ordnung ist, wenn wir möglichst alle zu Wohneigentümern bekehrt haben. Wir erkennen gewiß den Wunsch an, durch die Verbindung von Eigentum oder Vermögen mit dem Heim einen möglichst hohen Grad an Sicherheit und Unabhängigkeit zu erlangen. Wir bestätigen auch gern, daß Eigentum an Wohnraum deshalb eine gute und nützliche Sache ist. Aber wir basteln keinen Heiligenschein darum herum.Meine Damen und Herren, wir werden auch in Zukunft mit Mietern leben, mit Wohnbürgern ohne Wohneigentum, und zwar nicht etwa bloß deshalb, weil sie alle nicht könnten, sondern auch deshalb, weil sie nicht unbedingt alle wollen,
weil sie sich mit dem Grad an Sicherheit und mit dem Ausmaß an Rechten zufrieden geben, die wir hier in diesem Hause übrigens für sie durchgesetzt haben, für die Mieter nämlich,
auch ohne Einzeleigentum. Diesen Menschen, die das Eigentum nicht anstreben, werden wir durch die Art und Weise, wie wir den Eigentumsvorrang hier begründen, nicht das Gefühl geben, sie wohnten sozusagen bloß im Vorhof der Uneigentlichen, der Unvollkommenen, der gesellschaftlich noch nicht „Konfirmierten", weil gesellschaftliche Vollkom-
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Krockertmenheit mit Eigentum verbunden sei. Dieser Meinung sind wir nicht. Diese Menschen sollen vielmehr wissen, daß unsere Auffassung von sozialstaatlicher Wohnungspolitik auf ausgewogene Wohnverhältnisse ausgerichtet ist, wo sie — die Mieter, die Dauerwohnberechtigten und andere — mit ihren Vorstellungen vom Wohnen ebenso Platz und Recht haben wie jeder Inhaber einer Eigenwohnung.
Ich muß mit aller Schärfe die Behauptung des Oppositionssprechers als falsch zurückweisen, die Eigentumsförderung würde von uns in dem Moment eingestellt, sobald genug Wohnungen da seien. Meine Damen und Herren, wir orientieren uns schon längst nicht mehr daran, ob irgendwann alle Leute ein Dach über dem Kopf haben. Wir orientieren uns vielmehr wohnungspolitisch an der sich weiter entwickelnden Bedürfnisvielfalt, der ein entsprechend differenziertes Angebot gegenüberstehen soll,
gerade auch für Familien mit geringerem Einkommen. Dazu gehört eben auch der Wunsch nach der Eigenwohnung. Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau wird also von uns nicht nur gefördert, solange irgendwo noch Wohnungen fehlen, sondern solange das Wohnbedürfnis von Menschen mit geringerem Einkommen auf diese Verbindung zwischen Heim und Eigentum gerichtet ist.Aber eines werden wir z. B. nicht tun — und deshalb lege ich so großen Wert auf diese Zuordnung von Wohnungspolitik und Eigentumspolitik —. Wenn jemand sich in den Kopf gesetzt hat, zugunsten der Einzeleigentumsbildung auch älteren und deshalb besonders mietbilligen Sozialwohnraum umzuwandeln, also gerade sehr billige Mietwohnungen vom Mietmarkt verschwinden zu lassen, aus der Manörvriermasse unserer sozialen Wohnungspolitik herauszunehmen, und wenn dabei etwa sogar noch Mieter sich vor die Alternative gestellt sehen, entweder mitzumachen oder anderswohin auszuweichen, dann leuchtet bei uns das Lämpchen auf, das rote, Herr Jahn.
Deshalb halten wir die Klarstellung für erforderlich und angebracht, daß die eigentumspolitische Zielsetzung an der wohnungspolitischen ihre Orientierung finden muß.
Soviel zum Verhältnis zwischen Wohnungspolitik und Eigentumspolitik. Nun komme ich zu dem Rang, den die Bildung von Einzeleigentum nach diesem Gesetz innehaben soll, im Einklang mit den Grundsätzen, von denen ich soeben sprach. Es wird innerhalb des sozialen Wohnungsbaus ein hoher Rang sein; er wird sogar d e r Vorrang gegenüber anderen Förderungskategorien schlechthin sein, weil das dem Bedürfnis einer wachsenden Zahl von Bürgern entspricht, wie ich sagte — aus keinem anderen Grund —, und weil es bisher, Herr Kollege Jahn, in der Tat nicht gelungen ist, ein diesem Bedürfnis entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Solange die CDU in Bonn geführt hat, ist der Anteil der Eigentumsförderungsmaßnahmen über rund 30 % nicht hinausgeraten. Das wird jetzt anders!
— Sehen Sie, das wurmt die Opposition.Ich habe mir überlegt, ob ich das Schauergemälde zitieren soll, das ich mir vorgenommen habe. Nach Ihrer Rede, Herr Kollege Jahn, fühle ich mich dazu durchaus berechtigt. Ihnen paßt natürlich gerade dies nicht ins Konzept, daß ausgerechnet die SPD — zusammen mit der FDP — ein eigentumspolitisches Konzept vorlegt, das über das, was Sie sich vorgenommen haben — auch mit dem „überwiegend" —, im Effekt hinausgehen muß.
-- Ich schreibe nie und nirgends ab, es sei denn, gelegentlich einmal aus der Bibel.
Es paßt Ihnen nicht, Herr Kollege Jahn, denn es paßt eben nicht in das Schlachtgemälde, mit dem Ihre Leute landauf, landab herumziehen und uns eben doch als Eigentumsfeinde madig machen wollen.
Wissen Sie, wie das vor den erschrockenen Bürgern aussehen soll? Da stürmen von links finstere Gestalten auf „unser Oma ihr klein Häuschen" zu; das wollen sie vergesellschaften.
In den Händen schwingen sie den Hammer der Kollektivierung
und das Brecheisen der Zwangswirtschaft oder so etwas. Daran sollen sie auf diesem Gemälde unschwer als „Sozis" zu erkennen sein.
Aber da steht ja der Ritter ohne Furcht und Tadel, mit dem Schild auf dem Kreuz, nein, mit dem Kreuz auf dem Schild,
angetan mit lauter güldenen Förderungsmitteln; in der Rechten schwingt er blanke Eigenkapitalhilfen und in der Linken die Reden des Franz Josef Strauß, und damit schlägt er die Eigentumsfeinde in die Flucht.
Dann kommt ihm die Besitzerin des Eigenheimsdankbar aus der Tür entgegen: „Du einziger Hüter
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Krockertund Förderer meines Eigentums, du machst alles wieder eigentümlich!"
Herr Kollege Jahn, es ging mir gar nicht um das Vergnügen, sondern es ging mir darum, zu zeigen, um was es wirklich geht. Im übrigen: Das ist nicht so weit hergeholt. Wenn Sie wissen wollen, woher ich das habe: Ich habe das aus einer illustrierten Beilage zu den Sonthofener Protokollen. Das ungefähr muß da gemeint gewesen sein.Zu dem, was Sie unterstellen, passen die Tatsachen nun einmal nicht, nämlich die Tatsachen unserer Eigentumspolitik. So etwas gibt es, Herr Kollege Jahn. Es gibt so etwas wie unsere Eigentumspolitik.
Das paßt nicht dazu, und deshalb müssen Sie die Tatsachen auf den Kopf stellen.Was Sie vorhin über den Zusammenhang von Parteiprogramm und Nutzungseigentum gesagt haben, Herr Kollege Jahn, haben Sie wider besseres Wissen aufgeführt. Sie wissen genau, worum es bei all solchen Vorstellungen geht: nicht der „Oma ihr klein Häuschen" kaputtzuklopfen, wie Sie immer wieder glauben machen möchten, sondern darum, daß privates Eigentümerinteresse mit dem Wohl der Allgemeinheit — beispielsweise im Städtebaurecht, beispielsweise im Planungsrecht — in Einklang gebracht, ausgeglichen und in Balance gehalten wird, um dieses Wohles der Allgemeinheit willen. Ich will Ihnen — nicht nur Herrn Kollegen Jahn, sondern auch noch einigen anderen Herren Kollegen aus der Opposition — eines sagen: Der Tag wird kommen, an dem Sie dann wieder auf den Zug des Gemeinwohls springen, ähnliche Modelle vorschlagen, abschreiben und dann der Öffentlichkeit gegenüber behaupten werden, das hätten Sie erfunden. Der Tag wird kommen; wir haben ihn im Zusammenhang mit Wohnungs- und Sozialpolitik schon öfter erlebt.
Ich sagte, die Tatsachen, die wir Ihnen vorstellen, passen nicht zu Ihrem Schauergemälde. Deshalb müssen Sie sie auf den Kopf stellen. Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Kollege Jahn, — —
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Jahn?
Bitte!
Herr Kollege Krockert, sind Sie, um der Wahrheit die Ehre zu geben, bereit, vor diesem Hause zuzugeben, daß die breite Streuung privaten Wohnungseigentums mit dem Wort „überwiegend" genau im Wortlaut unseres Gesetzentwurfes steht, den wir vor Ihnen in diesem Hohen Hause eingebracht haben?
Ich habe doch nichts dagegen, Herr Kollege Jahn! Wir wollen aber hier keine Wortklauberei treiben, sondern die politischen Zielsetzungen in ihrer Effektivität miteinander vergleichen.
Dabei kommen wir besser weg. Hören Sie zu, es kommt noch besser. — Ich habe behauptet, daß das, was wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf an Tatsachen vorführen, nicht zu dem Schauergemälde paßt, das Sie malen möchten. Deshalb mußten Sie auch in Ihrer Beschreibung der Vorgänge in der Ausschußberatung die Dinge auf den Kopf stellen. Es geht darum, was sich um unseren Versuch angesiedelt hat, mit dem Bundesrat ins Benehmen zu kommen. Im Vorblatt des Regierungsentwurfs heißt es zum Vorrang des Wohneigentums innerhalb der ganzen Förderungspolitik:Durch die Förderung wird angestrebt, den Anteil der Eigentumsmaßnahmen künftig— denn bisher, in den vergangenen 25 Jahren, war es nicht so, Herr Kollege Jahn —bis auf die Hälfte des Förderungsvolumens zu steigern.Diese Perspektive ist vernünftig, meine Damen und Herren, sie ist auch nicht unrealistisch. Sie findet als anzustrebendes Förderungsleitbild ganz bestimmt auch keinen Widerspruch beim Bundesrat. Aber der gesetzliche Ausdruck dieser Perspektive ist bei den Ländern in der Tat auf einhelligen Widerspruch gestoßen — aus ganz anderen Gründen, als Sie sie hier vorgemalt haben. Die entsprechende Vorschrift über die Förderung lautet nämlich jetzt in § 1 des Gesetzentwurfs, sie solle „überwiegend der Bildung von Einzeleigentum dienen". So stand es im Regierungsentwurf, und so ist es jetzt geblieben.Was war das Zwischenspiel? Der Bundesrat befürchtete, meine Damen und Herren, dieser Wortlaut ginge womöglich über die soeben genannte Perspektive hinaus. Hier würde nicht bloß angestrebt, die Eigentumsförderung auf eine künftige Anteilshöhe hin zu steigern, sondern hier würden die Länder in ein starres Prozentsätze-Korsett hineingezwängt, ohne die Chance, sich auf bewegliche Entwicklungen der Wirklichkeit auch beweglich einstellen zu können. Und da hat der Bundesrat herauszulesen geglaubt: Wenn beispielsweise von zehn bereitgestellten Förderungsmillionen trotz aller Liebe zum Eigentum nun einmal nur 4 Millionen DM für eigentumsbildende Maßnahmen abgerufen worden sind, daß sie dann mit anderen Förderungsmaßnahmen, z. B. für Mietwohnungsbau, für Dauerwohnrecht usw., auch unter 4 Millionen DM bleiben, also ihr Gesamtprogramm von 10 Millionen DM auf 8 Millionen DM kürzen müßten, um mit diesem Gesetz ja nicht etwa in Konflikt zu geraten —
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Krockertals wäre es ein „Gesetz der Meder und Perser". Das waren die Befürchtungen des Bundesrates — darum ist es gegangen —, des Bundesrates, meine Damen und Herren, in dem, wie hier schon gesagt wurde, die CDU/CSU-regierten Länder die Mehrheit haben, wobei festzuhalten ist, daß dieser Widerspruch einhellig war.Trotz dieser CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat waren es wir Sozialdemokraten, gemeinsam mit den Freien Demokraten, die den Versuch gemacht haben, hier eine Formulierung zu finden, die dem Bundesrat — sprich: den Ländern — entgegenkommt. Sie sollte klarstellen, daß die Länder beweglich bleiben, sich mit ihren Programmen in Abstimmung mit der tatsächlichen Bedarfsentwicklung auf das angestrebte Ziel „überwiegend" zubewegen, so wie es im Vorblatt steht und wie ich es zitiert habe. Denn schließlich obliegt den Ländern nicht nur die Durchführung des Wohnungsbaus und seiner Förderung; sie haben vielmehr finanziell auch die Hauptlast zu tragen. Das wird von uns anerkannt. Ich hätte das gerne mit einer Verbeugung zur Bundesratsbank hin gesagt; aber die ist heute so leer.Dieser Versuch der Koalition, einem berechtigten Länderinteresse entgegenzukommen — um nichts anderes hat es sich gehandelt —, blieb schließlich nur deshalb ohne Ergebnis, weil keine der erörterten Formulierungen von der Zustimmung beider Koalitionspartner getragen wurde. Na schön, so etwas kommt vor. Das kennen Sie selber. Was aber macht die Opposition 'daraus? Ihr entschlossener Widerstand — so haben wir es gehört — habe verhindert — und nun zitiere ich, was Sie vor Ihrer Rede von vorhin im DUD darüber geschrieben haben, Herr Kollege Jahn —, daß die Sozialdemokraten meuchlings „den Anteil der Eigentumsförderung auf ein Drittel der Gesamtförderung beschränken".
Wörtlich: „beschränken",
das wäre „meuchlings"! Das ist eben Ihre Unterstellung, Herr Kollege Jahn: wir sollen doch etwas „beschränkt" haben. Wissen Sie, was „beschränken" heißt? Alles abkappen, was oben drüber ist. So werden hier die Tatsachen verdreht!An dieser Behauptung, die da im DUD steht und die Sie hier wiederholt haben, ist jede Einzelheit falsch.
Wenn es irgend etwas gibt, womit sie übereinstimmt, dann ist es die Sonthofener Doktrin, und sonst gar nichts in der Welt.Nun bleibt es also in § 1 dabei — gegen die Bedenken der Länder, Herr Kollege Jahn, samt ihrer CDU/CSU-Mehrheit, nicht wahr; sei es drum —: Die Förderung soll überwiegend der Bildung von Einzeleigentum dienen. Wir konnten es schließlich bei dieser Formulierung sein Bewenden haben lassen, Herr Kollege Jahn, weil diese Sollvorschriftnach unserer Auffassung ohnehin eine politische Zielvorgabe darstellt, nicht aber ein starres Schubladensystem von Prozenten und schon gar nicht so eine Art Prokrustesbett, in das die jährliche politische Wirklichkeit entweder hineingereckt oder hineingesäbelt werden müßte, je nachdem.Nein, wir waren und wir sind gegen jede starre Festlegung der Ränge. Die haben nämlich früher nicht funktioniert und würden auch künftig nicht funktionieren. Die Länder wissen das. Wir wollen deutliche Vorränge, aber wir wollen diese Vorränge nicht als Fallbeil zur Kappung anderer Bedürfnisse geschärft haben. Das sei ausdrücklich zu Protokoll gegeben. „To whom it may concern" — um mit einem deutschen Kernsatz eines bayerischen Politikers zu sprechen.
Da die Bundesregierung, dazu aber auch noch der Ausschuß mehrheitlich, einer Vielzahl von Änderungswünschen des Bundesrates im übrigen schon Rechnung getragen hat, werden wir, wie ich meine, dem abschließenden Bundesratsdurchgang ja wohl mit Optimismus entgegensehen können.Dieses Gesetz schreibt aber nicht nur vor, daß der Anteil für Eigenheime und Eigentumswohnungen auszuweiten ist. Er schafft dafür darüber hinaus auch ansehnliche Verbesserungen für die Eigentumsbildung; ich muß jetzt jedes Mal hinzufügen, damit kein Mißverständnis entsteht: für die Bildung e c h t en Wohneigentums.Eigenheime und Eigentumswohnungen stehen sich im Rahmen der Förderung gleich, d. h., sie genießen die gleichen Förderungsvorzüge. Besondere Regelungen sind für den Erwerb von öffentlich geförderten Kaufeigenheimen und Kaufeigentumswohnungen getroffen worden. Hier soll namentlich die Möglichkeit begünstigt werden, Eigentum durch Mietkauf zu erwerben. Dabei wird die Anwartschaft auf den Eigentumserwerb nach dem Bezug der Wohnung durch allmähliches Nachsparen des notwendigen Eigenkapitalanteils verwirklicht. Wer einen Bausparvertrag abgeschlossen hat, braucht also nicht unbedingt erst bis zur Zuteilung zu warten, ehe er den Kauf- oder Bewerbervertrag abschließt und die Wohnung bezieht. Damit wird gerade auch den einkommensschwächeren Wohnungssuchenden der Zugang zur Eigentumsbildung an echtem Eigentum eröffnet.Besonders hilfreich sind hierzu die im Gesetz vorgesehenen öffentlichen Bürgschaften für Vor- und Zwischenfinanzierungsdarlehen. Sie sollen vor allen Dingen kinderreichen Familien und jungen Ehepaaren gewährt werden. Für derartige Bürgschaften, die die Länder gewähren, sind Rückbürgschaften des Bundes vorgesehen, die den Zugang zu Kapitalmarktmitteln ganz sicher erleichtern werden. Aber schließlich — und das beantwortet auch eine der kritischen Fragen des Oppositionssprechers —können öffentliche Baudarlehen künftig auch für Zwecke der Vor- und Zwischenfinanzierung einge-
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Krockertsetzt werden, wenn andere Mittel zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden können.Die Opposition hat mit ihrem Gesetzentwurf zur Vermögens- und Eigentumsbildung einen sicher gut gemeinten, aber nicht realisierbaren Alternativvorschlag gemacht. Die Höhe dessen, was an Förderungsmitteln dafür einzusetzen wäre, und zwar nicht nur vom Bund, sondern auch von den Ländern, die wir hier überfordern würden, macht es unmöglich, darauf einzugehen, vor allen Dingen im Hinblick darauf, daß uns die Opposition vor die Alternative stellt: nun gut, wenn ihr unsere Eigenkapitalhilfe nicht zusätzlich schlucken wollt, dann streicht doch dafür euren Wohnbesitz bitte wieder heraus; dann können wir das ja machen, dann kommt das da hinein. Dies allerdings, meine Damen und Herren, wollen die Koalitionsfraktionen nun eben einmal nicht. Wir bestehen auf dem Wohnbesitzbrief — es wird dazu nachher noch von einem anderen Kollegen die Rede sein — und denken nicht daran, ihn für die Vorstellungen preiszugeben, die die CDU eingebracht hat, und sei es auch früher, Herr Kollege Jahn, nämlich noch in der letzten Legislaturperiode;
das ändert daran nichts.
Nun also zum Wohnbesitz: Hier handelt es sich um eine neue Rechtsform. Darum war hier eine besonders gründliche Ausschußberatung unvermeidlich. Mein Kollege Waltemathe wird dazu noch ausführlicher sprechen; ich beschränke mich auf ganz wenige Feststellungen.Erstens. Es handelt sich beim Wohnbesitz um ein weiteres Angebot. Niemanden wird etwas aufgenötigt, niemandem wird etwas weggenommen. Innerhalb des sozialen Wohnungsbaus wird der Fächer der Möglichkeiten erweitert,
mehr nicht, aber auch nicht weniger.
Zweitens. Dieses Angebot verbindet die wohnungspolitische Zielsetzung nunmehr mit einer vermögenspolitischen. Ich weiß gar nicht, was Sie gegen Vermögensbildung haben, meine Herren!
Es richtet sich an Bürger, die ein möglichst hohes Maß an Wohnstabilität mit einer interessanten Anlagemöglichkeit für ihre Sparmittel verbinden möchten, ohne die Schwelle der vollen Eigentumsbildung überschreiten zu können oder zu wollen.Drittens. Auch hier findet kein versteckter Angriff gegen das Eigentum statt. Es kommt vielmehr zum Ausdruck, daß es zwischen dem Einzeleigentum und der Miete durchaus andere Möglichkeiten gibt, die entwickelt werden können. Das ja!
Wenn damit überhaupt irgend etwas verneint oder bestritten wird, ist es allenfalls der Ausschließlichkeitsanspruch, nach dem angeblich außer dem geheiligten Volleigentum überhaupt nichts Gescheites in Frage kommen soll. Das allerdings bestreiten wir, ohne Verbissenheit, in aller Gelassenheit und unter Abwarten der Entwicklung.
Soviel zum Wohnbesitz.
Ich versichere dem Hause abschließend, daß der Ausschuß den Regierungsentwurf nach bestem Wissen und Gewissen gründlich überprüft und überarbeitet hat. Ich stehe nicht an, trotz der öffentlichen Polemik der Opposition gegen unsere Fassung und gegen unsere angebliche Eigentumsfeindlichkeit auch positive Oppositionsbeiträge zu der jetzt vor Ihnen liegenden Ausschußfassung ausdrücklich anzuerkennen. Mit diesem Gesetz erhöhen wir nun die Einkommensgrenze bei Familienzusatzdarlehen nach dem hier einbezogenen Entwurf auf Drucksache 7/2207, und dieser Entwurf stammt von mehreren Kollegen der CDU/CSU. Wenn die Hinweise aus Ihren Reihen und Ihr eigener Hinweis nicht trügen, soll das nun heute mit dem Gesamtgesetz der Ablehnung der Oppositionsfraktion anheimfallen; sei es drum.Die Koalitionsfraktionen sind jedenfalls der Überzeugung, daß das Gesetz zu einem verbesserten und ausgewogenen Verhältnis zwischen den Bedürfnissen und Erwartungen der Bürger auf der einen Seite und den öffentlichen Erfordernissen andererseits beitragen wird. Eine solche ausgewogene sozialstaatliche Förderungspolitik allein ist die Gewähr für einen verantwortlichen Umgang mit den Steuergeldern der Bürger. Diese Verantwortung glauben wir übernehmen zu können und empfehlen Ihnen deshalb die Annahme des Entwurfs.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 24. Mai 1973 hatte ich bei der ersten Lesung den vorliegenden Gesetzentwurf für meine Fraktion ausdrücklich begrüßt. Ich kann das heute unterstreichen, denn dieser Entwurf paßt ganz ausgezeichnet in unsere finanz- und haushaltspolitische Landschaft. Dieser Entwurf bemüht sich nämlich einmal, abweichend vom sonst üblichen, optimale Ergebnisse zu erzielen und bewährte, aber gleichzeitig den gewandelten Verhältnissen angepaßte Ziele durch Umschichtung von Förderungsmaßnahmen zu erreichen. Dieser Entwurf verzichtet darauf, neue, zusätzliche Haushaltsmittel in Anspruch zu nehmen. In unserer Situation ist es auch ganz einfach nicht möglich, den Haushalt im Bereich des sozialen Wohnungsbaues jetzt stärker finanziell zu belasten. Deswegen wird der Antrag der Opposition auf Gewährung zusätzlicher Eigenkapitalhilfen abgelehnt werden müssen.
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EngelhardNun haben Sie heute, Herr Kollege Dr. Jahn, darauf hingewiesen, daß auch Sie dies durch Umschichtung erreichen wollen. Das hätten Sie einmal etwas früher sagen sollen.
Sie treten doch draußen im Lande als der große Geldgeber auf, der einerseits den Staatsbankrott an die Wand malt, aber andererseits bereit ist, weiteres Geld draußen im Bereich des sozialen Wohnungsbaues zu verstreuen.
Das ist einfach nicht möglich. Diese restriktive Haltung, die wir an den Tag legen und zu der wir uns auch ganz klar bekennen, wird vom Bürger draußen verstanden. In der gegenwärtigen Situation hat der Bürger überhaupt kein Verständnis für große Geschenke, denn er weiß, daß solche Geschenke auf Umwegen in Form neuer Belastungen auf ihn zurückschlagen. Der Bürger erwartet, daß die verfügbaren Mittel bestmöglich und vernünftig eingesetzt werden.Nun entlastet die verstärkt geförderte Eigentumsbildung rechnerisch langfristig natürlich auch den öffentlichen Haushalt. Wir dürfen ja nicht übersehen, daß diese akzentuierte Förderung verstärkt den Bürger als selbstverantwortlichen Menschen mit in den Bereich des sozialen Wohnungsbaues einbezieht und seine eigenverantwortliche Haltung stärkt. Diesem Bürger wird in wirksamer Weise mit öffentlichen Mitteln geholfen, sich mit dem, was er selbst dazu beitragen kann, letztlich selbst zu helfen. Das ist auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaues die richtige Haltung, jedenfalls die Haltung, die wir als Liberale für die beste halten.Wir begrüßen es sehr, daß künftig überwiegend Einzeleigentum gefördert werden wird. Die Nachfrage nach diesem Eigentum ist im Bereich des sozialen Wohnungsbaues nach wie vor groß. Dieses Eigentum gibt dem einzelnen eine ganz wesentliche Möglichkeit, zu mehr Freiheit in seinem persönlichen Lebensbereich zu kommen, zu mehr Individualität und zu einer stärkeren Eigengestaltung seines Lebens.Natürlich darf — hier stimme ich Herrn Kollegen Krockert zu — niemand gezwungen werden, von diesen Möglichkeiten der Förderung Gebrauch zu machen. Viele Bürger in diesem Lande sind dazu auch gar nicht in der Lage. Sie sind finanziell nicht in der Lage, von diesem Angebot, wir mögen es ausgestalten wie immer man will, Gebrauch zu machen.Wenn das aber richtig ist, dann muß man den Vorschlag der Union zurückweisen, die den Versuch unternommen hat, aus dem vorhandenen Bestand an Sozialwohnungen einiges herauszubrechen und in das Eigentum der Mieter zu überführen. Denn wir müssen uns darüber klar sein, daß gerade die preisgünstigen Sozialwohnungen aus den, fünfziger Jahren und aus dem Anfang der sechziger Jahre notwendig sind als eine eiserne Reserve, um diejenigen Bevölkerungskreise nach wie vor möglichst preisgünstig unterzubringen, die besonders einkommensschwach sind. Es sind dies Personengruppen, die nicht in der Lage sind, in diesem Bereich selbst Eigentum zu bilden, und die wir nicht auf die neuerbauten teuren Sozialwohnungen abdrängen dürfen. Ich glaube, das muß hier einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden. Es wäre eine verfehlte Eigentumsbildung, aus diesem Bestand preisgünstiger Sozialwohnungen etwas herauszunehmen, so daß wir es als Reserve für den notwendigen Zweck nicht mehr zur Verfügung haben.
Ich begrüße für meine Fraktion auch ausdrücklich, daß der vorliegende Entwurf einen deutlichen Akzent in Richtung Eigentumswohnung setzt. Damit wird dem Bau von Eigenheimen kein Abbruch getan, und diese Förderung wird nicht unbillig hintangestellt. Aber der Wohnungsbedarf ist vorrangig heute insbesondere in großen Städten und Ballungsgebieten vorhanden. Dort ist die Eigentumswohnung zunehmend beliebt geworden, und dem Bau von Eigenheimen in solchen Bereichen sind natürliche Grenzen gesetzt. Dafür sprechen nicht nur städtebauliche und raumordnerische Gesichtspunkte, sondern wir sehen auch ganz deutlich, daß der Zersiedlung der Landschaft auch durch die Möglichkeiten und den Zustand unseres öffentlichen Nahverkehrs erfreulicherweise Einhalt geboten wird.Ich hatte bereits bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß man sich allerdings verstärkt um neue Siedlungs- und Wohnformen wird bemühen müssen, um zu erreichen, daß die Eigentumswohnung im Verhältnis zum Eigenheim zunehmend an Attraktivität gewinnt und vom einzelnen in der gleichen Weise als individuelle Wohnform angenommen wird wie das Eigenheim. Hier bietet die derzeitige Stagnation, ja, der derzeitige Rückgang der Bevölkerungsentwicklung in unserem Lande eine ausgezeichnete Chance. Viele bejammern diesen Bevölkerungsrückgang als den heraufziehenden drohenden Untergang des christlichen Abendlandes deutscher Nation und sehen gar nicht, daß wir hier erstmals auch im Bereich der Wohnungsbaupolitik die Chance haben, uns verstärkt des einzelnen Menschen und seiner Bedürfnisse anzunehmen. So habe ich immerhin die Hoffnung, daß man auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus künftig davon Abstand nehmen wird, große Mammutstädte auf der grünen Wiese aus dem Boden zu stampfen, sondern verstärkt dazu übergeht, sorgfältiger und im Detail zu planen, kleinere Vorhaben zu verwirklichen, die an bereits vorhandene Siedlungen und an gewachsene Strukturen angebunden werden können. Ich glaube, es ist insbesondere gerade im Bereich des sozialen Wohnungsbaus ein sehr wichtiges Anliegen, daß es uns künftig weniger um die bloße Unterbringung der Menschen gehen darf, sondern zunehmend um die Befriedigung ihrer eigentlichen Wohnbedürfnisse.Nun wird der Erwerb von Wohnungseigentum in Form der Eigentumswohnung und des Eigenheims nach dem vorliegenden Entwurf künftig ganz wesentlich durch das Finanzierungssystem des Miet-
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Engelhardkaufs erleichtert. Dieser Mietkauf ist ein liberaler Beitrag zu diesem Entwurf, und seine Einführung ist seit Jahren eine unserer dringendsten Forderungen gewesen. Durch das Modell des Mietkaufs soll gerade die kinderreiche Familie und die junge Familie gefördert werden. Ihnen soll die Finanzierung des Wohnungserwerbs erleichtert werden. Gerade junge Ehepaare, die noch nicht über das notwendige Anfangskapital verfügen, werden sicherlich von dieser Möglichkeit besonders Gebrauch machen. Sie haben jetzt die Möglichkeit, in der praktischen Form des Nachsparens das zu erwerben, wofür ihnen die Aufbringung der Mittel durch Vorsparen nicht möglich ist. Während noch vor einigen Jahren lediglich ein Drittel aller Förderungsmaßnahmen auf die Eigentumsbildung entfielen, wird die Förderung von Eigentumsmaßnahmen nach dem Entwurf künftig über 50 °/o betragen.Nun hat sich der ganze Unmut der Opposition an dem neuen Institut des Wohnbesitzes entzündet. Ich verstehe eigentlich Ihre Angriffe nach Richtung und Intensität nicht ganz; denn hier wird ja keine neue Art des Eigentums angeboten, einfach deswegen nicht, weil Wohnbesitz kein Eigentum ist. Schon der Name des neuen „Kindes" legt eigentlich mehr bloß, als er verhüllen möchte. Er will nichts verhüllen.
— Das ist kein Etikettenschwindel, wie Sie es hier darzustellen versuchen. Besitz ist — das wissen Sie doch mit Ihrem am Bürgerlichen Gesetzbuch geschulten zivilrechtlichen Verstand — kein Eigentum, und der Besitzer ist kein Eigentümer. So einfach ist das. Der Wohnbesitz kombiniert vielmehr lediglich das schuldrechtliche Dauerwohnrecht
— ich werde darauf, Herr Kollege Dr. Jahn, zurückkommen — mit der finanziellen Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Viele, auch viele Fachleute, sehen es als sehr positiv an, daß hier das gesicherte und abgesicherte Wohnen in Form des Dauerwohnrechts mit vermögenswirksamen Aktionen zugunsten einkommensschwächerer Bevölkerungskreise kombiniert wird.
Die Vorteile, die bisher lediglich dem Bauherrn zugute gekommen sind, werden künftig demjenigen, der Inhaber eines Wohnbesitzbriefes ist, zugute kommen. Das muß doch bejaht werden.Um es nach Ihren Ausführungen, Herr Dr. Jahn, ganz deutlich zu sagen: Wenn Wohnbesitz das herkömmliche Eigentum in diesem Entwurf ersetzt oder auch nur zurückgedrängt hätte, wären wir Freien Demokraten die ersten gewesen, die auf den Barrikaden gestanden hätten, vielleicht weil wir manches eher erfahren, noch viel früher, als es bei Ihnen gedämmert hätte.
All das, was Sie hier an untergründigen Verdächtigungen in die Debatte einzuführen versucht haben, ist nicht richtig, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben etwas erreicht, was Ihnen nie möglich war, nämlich daß nun erstmals kraft Gesetzes über 50 °/o der Förderung auf Eigentumsmaßnahmen entfallen werden.
Es bleibt also dabei, daß mit dem Wohnbesitz lediglich eine neue Rechtskonstruktion hinzugefügt wird. Ich frage mich, was man dagegen einzuwenden hat. Aber das paßt nicht in Ihre Ideologie.
Ich habe in der Vergangenheit gehört, daß Sie im Münsterland sehr intensiv tätig sind und die Bevölkerung mit derartigen Thesen füttern. Sie haben das in etwas verpackter Form auch heute hier versucht.
Sie haben immer wieder aus einer Februar-Nummer der „Süddeutschen Zeitung" zitiert. Ich will mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus dem Leitartikel der „Süddeutschen Zeitung" vom heutigen Tage zitieren, wo Ihre Ideologieautomatik dargestellt ist; es heißt dort:Von hier aus ergibt sich für den geschulten Ideologen die gedankliche Kettenreaktion von selbst: Nutzungsrecht = Nutzungseigentum = Aushöhlung des Eigentumsbegriffs = Enteignung der privaten Haus- und Wohnungseigentümer = Sozialisierung.
: Wer behauptet das denn?)
Ich habe den Eindruck gewonnen: so einfach ist das bei Ihnen tatsächlich.
Das liegt vielleicht an den Reflexen.
Bei Ihrer ideologischen Automatik ist es so: oben wirft man das Zehnerl hinein, und unten klingelt's wie vorgesehen.
Das stimmt immer. In CDU-Automaten aus dem nördlichen Bereich muß selbstverständlich ein Groschen oder meinetwegen ein Zehnpfennigstück eingeworfen werden. Aber das Ergebnis stimmt auch hier offensichtlich immer. Ich glaube, wir sollten bezüglich des Wohnbesitzes ganz einfach die weitere Entwicklung abwarten und einmal sehen, was Angebot und Nachfrage bringen. Ich kann Ihnen nur ra-
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Engelhardten, doch etwas mehr Zutrauen zum Wettbewerb und mehr Mut zum Markt zu haben.
Wenn in der Aufklärung und der Unterrichtung der Bevölkerung kein Etikettenschwindel betrieben, sondern objektiv informiert wird, so besteht für jeden die Möglichkeit, zwischen dem, was er wünscht, und dem, was er nicht wünscht, abzuwägen.
Nun sagt die Opposition ja teilweise, sie habe gegen dieses Institut gar nichts. Sie sei lediglich gegen die forcierte Förderung eingestellt.
Ich glaube, wir können aber keinen Mantel anbieten, der völlig leer bleibt und der nichts bringen wird. Dieses Institut muß natürlich auch gefördert werden. Wenn Sie sagen, dies ginge zu Lasten des traditionellen Mietwohnungsbaus,
so will ich Sie doch immerhin fragen, Herr Kollege Dr. Jahn: Bringt der Wohnbesitz für den Inhaber dieses Wohnbesitzbriefes nicht letztlich — unter Berücksichtigung auch der wirtschaftlichen Kombinationsmöglichkeiten — eine bessere Position, als sie der Mieter heute hat? Sehen Sie denn nicht auch, daß der Wohnbesitz eine Chance und einen Einstieg dafür bietet, die ungeheuren Machtkonzentrationen in den Händen großer Gesellschaften einmal etwas weiter zu entflechten?
— Es ist ein erster Einstieg, der das Problem natürlich nicht völlig löst.
Ich habe das bereits bei der ersten Lesung ausgeführt: Es ist ein Einstieg, zu einer stärkeren Entflechtung zu kommen, dem einzelnen, der dort wohnt, mehr Rechte zu geben. Zudem ist ja der Übergang — dies sieht der Entwurf vor — vom Wohnbesitz zum Wohnungseigentum jederzeit möglich. Diese Umwandlungsaktion wird, wo es für notwendig gehalten wird, durchaus stattfinden können.
Herr Abgeordneter Engelhard, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn?
Bitte!
Herr Kollege Engelhard, wie ist es mit dem liberalen Verständnis zu vereinbaren, daß der öffentliche Mietwohnungsbau Vorrang gegenüber dem privaten Mietwohnungsbau bekommen soll?
Herr Präsident, gestatten Sie mir eine zweite Zwischenfrage zu einem Thema, das gerade ange-
schnitten wurde. Geben Sie mir zu, Herr Kollege Engelhard, daß ein Rechtsanspruch auf Umwandlung von Ihnen in den Ausschußberatungen abgelehnt worden ist, weil der Bauträger, die Baugesellschaft, jeweils selbst zustimmen muß?
Die Frage, wie sich die Umwandlung im einzelnen technisch abspielt, wird noch weiterer Erörterungen bedürfen.
So wie Sie dies vorgeschlagen hatten, war es jedenfalls im einzelnen nicht machbar.
Daß hier selbstverständlich eine Koordination der einzelnen Wohnbesitzinhaber wird stattfinden müssen, ist ganz klar. Es bieten sich hier aber durchaus Modelle an, wie man zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann.Nun zu Ihrer ersten Frage betreffend den Vorrang des öffentlichen Wohnungsbaus. Sehen Sie denn nicht, daß nach diesem Entwurf ein Volumen von über 50 °/o nicht nur von Privaten errichtet werden kann, sondern auch dem einzelnen privaten Bürger zugute kommt? Ich glaube, Sie vernebeln hier die gesamte Landschaft, werfen hier Ihre Nebelkerzen und glauben, daß man dann nicht mehr das zu sehen vermag, was tatsächlich in diesem Entwurf steht.
— Der Mietwohnungsbau ist davon im einzelnen nicht berührt.
Der Mietwohnungsbau wird selbstverständlich etwas zugunsten der Wohnbesitzwohnung reduziert werden müssen. Das ist der Preis dafür, daß auf der anderen Seite über 50 % des Volumens in Volleigentum übergehen. Man muß ja jetzt immer schon von Volleigentum sprechen, damit es von Ihnen verstanden wird und von Ihnen nicht untergründig das Wort „Nutzung" hineininterpretiert wird. Dabei wollen wir es in dieser Diskussion vielleicht einmal belassen.Ich will Sie fragen: Was spricht eigentlich gegen das Institut der Wohnbesitzwohnung?
Der Entwurf ist doch auf folgender Grundlage zu sehen. Über 50 % werden gefördert für die Bildung privaten Wohnungseigentums. Daneben tritt die Wohnbesitzwohnung als ein zusätzliches Angebot. Sie ist insofern eine Neuheit auf der Palette des Angebots und unserer Bemühungen im Bereich des sozialen Wohnungsbaues.
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EngelhardWir als Fraktion der Freien Demokraten werden diesem Entwurf zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte darf uns, sosehr man auf Einzelheiten einzugehen hat, sosehr Probleme zu rekapitulieren sind, die im Brennpunkt der Ausschußberatungen gestanden haben, den Blick auf eine politische Grundwahrheit nicht verstellen. Diese politische Grundwahrheit ist in einem einzigen Satz zusammenzufassen; er lautet: Die Bundesregierung ist über die Wohnungsbaupolitik offenbar heillos zerstritten.Wenn es für diese immerhin kräftige Behauptung noch eines Beweises bedürfte, wäre die Tatsache anzuführen, daß die Bundesregierung seit vier Monaten außerstande ist, der Opposition und der deutschen Öffentlichkeit zu sagen, welche Ziele sie in der Wohnungsbaupolitik verfolgt und welche Aufgaben der Wohnungsbaupolitik unseres Landes heute und morgen gestellt sind. Im Rahmen des Wahlkampfes in Schleswig-Holstein haben die Herren Wirtschaftsminister Friderichs und Städtebauminister Ravens ein Beispiel dafür geboten, wie sehr sie sich in einer elementaren Frage, in der Frage des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes, nicht einig sind. Der eine Minister hat den anderen Minister in aller Öffentlichkeit mehr oder minder in die Schranken verwiesen. Seit dem 18. Dezember 1974 ist die Bundesregierung nicht imstande, die Große Anfrage der CDU/CSU über die Ziele und Aufgaben der Wohnungspolitik zu beantworten. Dabei freilich darf davon ausgegangen werden, daß es vornehmlich der Herr Bundesfinanzminister sein wird, der sich querstellt, der dem Städtebauminister das Leben erschwert und eine neue, geschlossene Konzeption blockiert.Dieser Umstand ist nicht zufällig. Die wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Rahmenbedingungen für unser heutiges Thema sozialer Wohnungsbau waren in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nie so schlecht wie heutzutage.
Wenn die Bundesregierung heute ein Modell zum Wohnbesitzbrief in der spezifischen Form vorlegt, so muß man darin, wenn man die Dinge nüchtern betrachtet, eben den Versuch erblicken, mit irgendeiner neuen Methode aus der wohnungspolitischen Enge herauszufinden, in die der soziale Wohnungsbau geraten ist. Denn der Wohnbesitzbrief als Instrument der Vermögensbildung ist keineswegs etwas Neues. Er ist lange auf dem Markt. Die Praxis, über geschlossene Immobilienfonds den Wohnungsbau zu finanzieren, ist ebenfalls alt. Ich darf in dem Zusammenhang nur an die Bremer Treuhand AG erinnern.Der Wohnbesitzbrief der Regierungsvorlage bringt insofern etwas Neues, als er die Wohnbesitzwohnung neben der Eigentumswohnung und Mietwohnung in den sozialen Wohnungsbau einbezieht. Er kombiniert einen Anteil an einem geschlossenen Fonds mit einem qualifizierten Dauermietrecht.Der Wohnbesitzbrief stellt den Versuch dar, die Krise im sozialen Wohnungsbau zu überwinden. Es handelt sich im wesentlichen um eine Kapitalbeschaffungsmaßnahme für große Unternehmungen. Hierzu wäre freilich noch einiges zu klären.Von der Bundesregierung wurde das Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz unter dem sozialen Gesichtspunkt der Vermögensbildung der breiten Schichten im Wohnungsbau herausgestellt und begründet; darin sollte der eigentliche wohnungspolitische Effekt liegen. Dabei ist die Regierung davon ausgegangen, daß ein großer Teil des angesprochenen Personenkreises das erforderliche Eigenkapital für den Erwerb nicht oder nur zu einem kleinen Teil hat. Daher soll für diesen Personenkreis das Nachsparen ermöglicht werden. Um die Belastungen aus dem Nachsparen erträglich zu machen, soll für den Wohnbesitzbrief eine Konstruktion in der Form eines Fonds gewählt werden — der KG-Fonds oder der Bruchteilseigentumsfonds —, die den Fondsinhaber, also den Wohnbesitzbriefinhaber zum wirtschaftlichen Eigentümer und damit zum Nutznießer der steuerlichen Verlustzuweisung macht. Der Wohnbesitzbriefinhaber soll aber durch die damit verbundenen Steuervorteile eine zusätzliche öffentliche Förderung erfahren.Ein solches Verfahren setzt freilich voraus, daß der Fondsinhaber von der Finanzverwaltung auch tatsächlich als Bauherr im Sinne des § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes anerkannt wird. Diese Frage ist insoweit ungeklärt, als unsicher ist, ob dem Wohnbesitzbriefinhaber diese Eigenschaft auch dann zukommt und zuerkannt wird, wenn er seinen 15%igen Eigenkapitalanteil, den er bei Vertragsabschluß einzahlen soll, nachspart. Es ist unbestritten, daß er wirtschaftlicher Eigentümer ist, wenn er zu Beginn seine 15 % eingezahlt hat. Aber, Herr Minister Ravens, es ist keineswegs geklärt und wurde auch bei den Ausschußberatungen nicht geklärt —auch das Votum des Finanzausschusses gibt darüber keine exakte Auskunft —, ob er in diesen steuerlichen Genuß auch dann kommt, wenn er ein reiner Nachsparer ist. Diese Frage wurde mehrfach gestellt. Vielleicht haben wir heute Gelegenheit, darauf eine exakte Antwort zu erhalten.In der Öffentlichkeit herrscht auch über eine andere wesentliche Frage Unklarheit. Nach Auffassung des Bundesfinanzministers können beim KG-Fonds Verlustzuweisungen nur bis zur Höhe des Eigenkapitals, also nur bis zur Höhe der 15 %, in Anspruch genommen werden. Eine höhere Inanspruchnahme würde gegen das Verbot der negativen Kapitalkonten verstoßen. Bei einem Eigenkapital am KG-Fonds von nur 15 % wird die Abschreibung schon nach vier Jahren erfolgt sein, so daß für die Folgezeit keine steuerlichen Vorteile mehr für den Inhaber gegeben sind. Beim Bruchteilsfonds kann der Wohnbesitzbriefinhaber nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ohnedies nur 2 °/o abschreiben. Die Bundesregierung geht jedenfalls davon
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Dr. Schneider
aus, daß das Nachsparen bei der Wohnbesitzpraxis der Regelfall sein wird.Bei voller Würdigung der Risiken wird man davon ausgehen müssen, daß sich für den Wohnbesitzbriefinhaber zur sozialen Miete zusätzliche Belastungen ergeben werden, die um 200 DM monatlich liegen werden. Die Zahlen, die unserem Ausschuß am 4. Dezember von der Regierung vorgelegt worden sind und die offensichtlich heute auch einen Artikelschreiber in der „Süddeutschen Zeitung" zu falschen Schlüssen geführt haben, sind längst überholt. Herr Bundesminister Ravens, ich bitte Sie sehr, hier eindeutig festzustellen, ob es bei diesen Zahlenwerten und Berechnungsbeipielen bleibt. Es gibt beträchtliche Gründe, die dafür sprechen, daß es nicht so ist. Die zusätzliche Belastung von rund 200 DM monatlich sind nämlich die Kosten des Ansparvorgangs und des Aufwendungsverzichts, die sonst im sozialen Wohnungsbau der Bauherr trägt und die hier bis zum Wohnbesitzbriefinhaber als dem wirtschaftlichen Eigentümer durchschlagen.Ein weiteres Problem darf nicht übersehen werden. Der Wohnbesitzbriefinhaber haftet für die 85 % Fremdfinanzierung und auch dafür, daß die übrigen Fondsinhaber ihrer Nachsparpflicht in Höhe der 15 % tatsächlich nachkommen. Das ist ein ganz beträchtliches Risiko, daß der Wohnbesitzbriefinhaber eingeht und das ja nicht übersehen werden darf. Im Hinblick darauf muß ich wirklich fragen: Soll bei diesen Belastungen der sozial schwache Mitbürger tatsächlich gefördert werden? Durch dieses Gesetz werden weitgehend Hoffnungen erweckt, die nur zum geringsten Teil zu realisieren sein werden.Es ist auch eine Irreführung durch die Presse, wenn Schlagzeilen zu lesen sind wie „Wohnungseigentum auch für sozial schwächere Familien"; denn hier wird immer echtes Eigentum verstanden. Oder: „Sozialmieter sollen Wohnungen ohne Eigenkapital kaufen können". Dieser Satz ist einfach falsch. Der ist rundweg falsch, und wenn er bewußt geschrieben wird, dann ist es eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit. Und worin liegt die politische Logik, den Wohnbesitzbriefinhaber mit den von mir aufgezeigten zusätzlichen Risiken zu überladen, während man eben mittels § 34 c der Gewerbeordnung den Vertrauensschutz zugunsten des Käufers am Wohnungsmarkt — wie wir alle glauben, zu Recht — drastisch verstärkt hat? Will die Bundesregierung weiterhin behaupten, der Wohnbesitzbrief sei ein sozialer Fortschritt? In Wahrheit ist er das Eingeständnis, daß der alte, bewährte soziale Wohnungsbau an der Kosten- und Preisinflation kapitulieren muß. Dies ist die Wahrheit.
Die Bundesregierung — und mit ihr manch andere — stellen dieses Scheitern, diesen Zusammenbruch des sozialen Wohnungsbaus unter den alten Vorzeichen der 50er und 60er Jahre in einer Anwandlung, die man wirklich dreist und herausfordernd nennen muß, als sozialen Fortschritt dar.Meine Damen und Herren, vielleicht glauben Sie mir nicht, weil Sie sagen, er spricht für die Opposition.
— Für die CSU, was mir ganz besonders zur Ehre gereicht. Ich spreche aber hier auch für die CDU/ CSU. Wenn Sie die CSU jedoch ausdrücklich apostrophieren, dann müßte ich dieses Eingeständnis besonders unterstreichen, Herr Kollege Polkehn.
— Wir sind, Herr Kollege Wehner, zwei unterschiedliche, eigenständige, selbständige Parteien, und für uns gilt das altpreußische Prinzip: Getrennt marschieren und vereint schlagen, besonders dann, wenn es gegen Sie geht.
Wenn Sie mir nicht glauben, und wenn Sie glauben, ich malte hier zu schwarz, was den Zustand des sozialen Wohnungsbaues anlangt, dann, meine verehrten Damen und Herren, glauben Sie wenigstens einem Mann aus Ihren Reihen, dem Chef der gewerkschaftseigenen „Neuen Heimat", Herrn Albert Vietor. Ich darf aus der „Süddeutschen Zeitung" zitieren,
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Aber schon bisher war es eines der Ziele staatlicherWohnungs- und Vermögenspolitik, neben der Beseitigung der Wohnungsnot oder des Wohnungsmangels auch die private Eigentumsbildung zu fördern. Wenn aber von 5,8 Millionen Sozialwohnungen nur 1,5 Millionen Wohnungen auf Eigentumsmaßnahmen entfielen, so liegt darin zweifellos kein böser Wille von Bund, Ländern und Gemeinden. Vielmehr zeigt diese Tatsache zum einen, wie der Bedarf in früheren Jahren und Jahrzehnten lag, und zum anderen den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Bislang war eben nicht jeder zweite Berechtigte für eine Sozialwohnung auch schon ein Anwärter auf Einzeleigentum, weil er sich nämlich Eigentum entweder nicht leisten konnte oder auch gar kein Eigentum haben wollte.Nun, meine Damen und Herren, die Funktionen und die Formen des Haus- und Grundeigentums haben sich im Verlauf des Jahrhunderts gewandelt. Die Funktion privater Lebensvorsorge und der Alterssicherung, die beim Haus- und Grundbesitz vor hundert Jahren etwa im Vordergrund stand, ist heute mehr einem Gefühl gewichen, sicherer zu wohnen und die Ersparnisse sinnvoll anzulegen. Vor hundert Jahren war übrigens Eigentum an einer Wohnung als Teileigentum an einem Gebäude undenkbar, aber vor knapp 25 Jahren wurde das Wohnungseigentumsgesetz geschaffen. Das war damals auch ein rechtliches und wirtschaftliches Experiment, das aber seine Bewährungsprobe nach anfänglicher Skepsis schon längst bestanden hat.Die Ablehnung der Konservativen, neue Formen auszuprobieren — jetzt mit diesem Gesetz —, ist also eigentlich nicht logisch, allerdings im Sinne konservativer Eigentumsideologie sicherlich konsequent.
Nur, Herr Kollege Jahn, es verfängt wirklich nicht, daraus nun SPD und FDP das Etikett von Eigentumsmuffeln aufkleben zu wollen.
Die Opposition muß es schon dem kleinen Mann selber klar machen,
weshalb sie gegen fortschrittliche Lösungsversuche eingestellt ist. Das müssen Sie selber tun, das können wir Ihnen nicht abnehmen, meine Damen und Herren.
Erst die sozialliberale Koalition hat sowohl mehr für die Eigentumsbildung im Wohnungsbau — die Zahlen weisen dies aus — als auch gleichzeitig mehr für die Sparförderung getan.
— Nicht nominal! Sie können die Zahlen der geförderten Wohnungen nachlesen. Es ist nicht nur ein nominales Problem, wieviel Geld mehr angespart worden ist, sondern auch, welche Stückzahlen dabei herausgekommen sind.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11363
WaltematheNun zum Wohnbesitz selbst. Der Wohnbesitz ist ein Mittelding zwischen rechtlichem Eigentum und dem bei der reinen Miete gegebenen wirtschaftlichen Unbeteiligtsein am Vermögensgegenstand Wohnung. Der Wohnbesitzer ist also einerseits nur — ich sage dieses „nur" sozusagen in Anführungsstrichen — ein Mieter im rechtlichen Sinne. Aber als Inhaber des Wohnbesitzbriefes ist er gleichzeitig und untrennbar mit seiner Mietwohnung verbunden, er ist wirtschaftlicher Anteilseigner an seiner Wohnanlage.
Dabei genießt er gegenüber anderen Mietern, anderen Sozialmietern besondere Vorteile. Sein Mietrecht ist von Gesetzes wegen unkündbar.
Seine Mitspracherechte sind größer. Z. B. hat er über die Art der Hypothekenfinanzierung — das steht im Gesetz — mitzubestimmen, so daß er von den unternehmerischen Entscheidungen seines Vermieters nicht überrollt wird und nicht nur praktisch das zahlen darf, was der auf seine Kosten aushandelt. Auch an der Planung der Wohnanlage und an der eigenen Wohnung stehen dem Inhaber des Wohnungsbesitzbriefes bessere Einwirkungsmöglichkeiten offen.Der Mietzins dient nicht der Vermögensbildung des Vermieters — das scheint mir doch ein sehr entscheidender Gesichtspunkt zu sein —, sondern amortisiert das selbst eingebrachte und das aufgenommene Kapital. Der Mietzins nimmt also nach Tilgung der Fremdschulden ab. Und: Mietvorauszahlungen und Mieterdarlehen dürfen bei diesem Modell von Gesetzes wegen nicht erhoben werden.Aber auch für den Sparanleger gibt es Vorteile; denn dieser Wohnbesitzbrief ist nicht etwa ein anonymes Stück Papier, sondern der konkrete Anteil an einem geschlossenen Immobilienfonds, mit dessen Schicksal der Inhaber über seine Wohnung verbunden ist. Insofern ist der Hinweis des Kollegen Schneider auf den Fonds der Bremer Treuhand, der nur dazu geeignet ist, daß Leute ihre Ersparnisse einzahlen und dann an einem anonymen Fonds beteiligt sind, nicht richtig;
denn Wohnbesitz bedeutet, eine Wohnung zu haben und wirtschaftlich daran beteiligt zu sein. Dabei handelt es sich doch um eine zumindest wertbeständige, wenn nicht sogar wertvoller werdende Anlage in konkreten Sachwerten, die die kostbaren Ersparnisse der nicht wohlhabenden Bevölkerungsschichten absichert.Auch die Steuervorteile und die Vorteile des Wohnungsbauprämienrechts, die sonst den Mietern ja nicht zufallen, werden dem einzelnen Wohnbesitzer garantiert. Und das erforderliche Eigenkapital kann über einen entsprechenden Zuschlag zur Mietenachgezahlt werden, soweit es nicht beim Ersterwerb angespart oder zuteilungsreif ist.
Nun wird ja vielfach die Frage gestellt: Warum erst eine komplizierte neue Konstruktion einführen, wenn man doch auch gleich echtes Eigentum erwerben könnte? Die Antwort ist nicht allzu schwer. Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, der Berechtigte des sozialen Wohnungsbaues sei von vornherein ein potentieller Eigentümer.
Viele wollen auch in Zukunft Mieter sein und nicht Rechte und Pflichten übernehmen, die nun einmal mit Eigentum verbunden sind.
Andere sind auch gar nicht in der Lage, Eigentum zu erwerben, zumal dann nicht, wenn sie Familienbedürfnisse und Arbeitsplatzsituation auf Dauer noch gar nicht übersehen können.
Eigentum kann für den einen ein Mittel zur Erringung größerer persönlicher Freiheit und Unabhängigkeit sein. Andere sehen darin eine Fessel ihrer Mobilität. Bitte lesen Sie doch nach, was Ihr eigener Kollege Mick von der CDU/CSU-Fraktion bei der Einbringung dieses Gesetzes in der ersten Lesung am 24. Mai 1973 zur Frage der Mobilität gesagt hat. Wollen wir aber verschiedenartige Motive und Bedürfnisse unserer Mitmenschen, die doch alle für sich ihre Berechtigung haben, über einen Kamm scheren und als Gesetzgeber etwa verordnen: Du hast nur die Wahl zwischen Eigentumserwerb oder Anmietung?War nicht auch die Genossenschaftswohnung bereits vor 100 Jahren — und ist sie es nicht bis heute — eine Form des Dauerwohnbesitzes, die für Mieter sehr attraktiv ist?
Wir sollten einmal die große Rolle der Wohnungsbaugenossenschaften für die Wohnungsbaupolitik auch der vergangenen Jahrzehnte hervorheben.
Ist es, wenn das so ist, dann nicht modern, dem einen Bein des gesicherten Wohnrechts des Mieters auch das andere Bein einer wirtschaftlichen Miteigentümerschaft hinzuzufügen? Nichts anderes geschieht mit dem Wohnbesitzmodell.
(CDU/CSU) : Das ist zu
teuer für den kleinen Mann!)
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11364 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
WaltematheAuch städtebaupolitisch könnte Wohnbesitz einen positiven Beitrag im Rahmen des sozialen Mietwohnungsbaus leisten.
(CDU/CSU) : Für die
Baugesellschaften!)Die Einräumung des Wohnbesitzes innerhalb einer überschaubaren Wohnanlage wirkt nämlich Tendenzen zur Gigantisierung der Wohnlandschaft und zur Monopolisierung des Grundeigentums einzelner großer Konzerne gerade entgegen. Denn auch dort, wo große gemeinnützige Wohnungsunternehmen die Rolle des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft und des Treuhänders übernehmen, können sie zu eigener Vermögensanhäufung nicht beitragen. Verwaltungskosten dürfen sie nur in halber Höhe der bei sonstigen Mietwohnungen zulässigen Sätze der zweiten Berechnungsverordnung erheben. Vorwürfe an die Adresse des Gesetzgebers, er betreibe in Wahrheit das Geschäft der Großen, um deren Nutzen zu mehren, sind somit verfehlt.Und im übrigen: Das Urheberrecht bezüglich der Idee des Wohnbesitzes beansprucht der Deutsche Mieterbund für sich.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jahn?
Bitte schön.
Herr Kollege Waltemathe, sind Sie bereit, zuzugeben, daß bei den Wohnbesitzbriefen im Grundbuch als private Eigentümer die Baugesellschaften eingetragen sind und eben nicht unsere sozial schwachen Bevölkerungsteile?
Ich bin bereit, zuzugeben, daß die Gesellschaft im Grundbuch eingetragen ist, allerdings mit einem Zweckvermögen. Und an diesem Zweckvermögen ist ausschließlich der Wohnbesitzer und nicht die Gesellschaft beteiligt.
Es kommt doch darauf an, welchen Effekt das hat. Ich behaupte nach wie vor, Herr Kollege Dr. Jahn — Sie wissen das auch eigentlich ganz genau —, daß hier eben der Monopolisierung entgegengewirkt wird.Ich sagte eben schon, der Deutsche Mieterbund ist Erfinder dieses Modells, und daraus darf ja wohl geschlossen werden, daß die Erstellung von Anlagen des sozialen Mietwohnungsbaus in Form von Wohnbesitzwohnungen nicht gegen die Interessen der Mieter gerichtet sein kann.
Es ist aber — dies, weil Sie auch gefragt haben: warum macht ihr denn ein Gesetz daraus? — im Interesse der Mieter, auf dem Wege der Gesetzgebung die wesentlichsten Bestimmungen über Inhalt und Voraussetzungen zu treffen, weil nämlich sonst der Mieter als der schwächere Vertragspartner demDiktat des Vermieters — und dies könnte ja ein großer Konzern sein — bei der Verteilung von Rechten und Pflichten ausgesetzt sein könnte.
— Sie haben sich mit dem, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Jahn, von diesem Pult aus nicht nur gegen die Förderungspräferenzen ausgesprochen, sondern insgesamt gegen das Modell des Wohnbesitzes!
Das konnte gar nicht anders verstanden werden,
und es ist auch nicht anders verstanden worden.
Meine Damen und Herren, die Vorschriften, wonach das von den Erwerbern der Wohnbesitzbriefe eingebrachte Kapital im geschlossenen Fonds als zweckgebundenes Vermögen zu verwalten ist, schützen den Sozialmieter vor Übervorteilung und unübersehbaren Risiken. Bei Wohnungsaufgabe hat außerdem der Besitzer des Wohnbesitzbriefes die Sicherheit, den in diesem Brief steckenden Verkehrswert auf jeden Fall — nämlich entweder durch Veräußerung an einen anderen Wohnberechtigten oder durch Rückübertragung auf den Treuhänder — erlösen zu können. Dies macht den Wohnbesitzer gegenüber einem Wohnungseigentümer mobiler. Ferner hat er Anspruch auf jährliche Ausschüttung des Ertrages im Verhältnis des Nennwerts seines Wohnbesitzbriefs.Nun, generell — nicht nur bezüglich des Wohnbesitzes — werden durch das heute zu verabschiedende Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz erleichterte Bedingungen für die Eigentumsbildung im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau geschaffen. Das Eigenkapital soll im Regelfalle 15 % betragen; bei jungen Ehepaaren und bei Familien mit mehr als zwei Kindern soll schon ein Eigenanteil von 10% genügen. Ferner werden Nachsparmöglichkeiten, öffentliche Bürgschaften und öffentliche Darlehen für fehlendes Eigenkapital eingebaut. Die Palette der Möglichkeiten, zu den eigenen vier Wänden zu kommen, wird also ausgeweitet.Damit dokumentiert die sozialliberale Koalition ihre Entschlossenheit, gerade für die Nichtprivilegierten unseres Landes verstärkt soziale Sicherheit und Gerechtigkeit auch im Wohnbereich zu schaffen. Die Grenzen des Sozialstaates sind nicht erreicht, sondern die Sozialstaatlichkeit ist ständige Verpflichtung zu handeln.
Konservative Erstarrung wäre Rückschritt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11365
WalthematheHerr Kollege Jahn, ich sehe, daß hier die Lampe aufleuchtet, und ich habe schon eine Frage beantwortet. Ich möchte, Herr Präsident, zum Schluß zusammenfassend folgendes sagen.Erstens. Das Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau dient der Aktualisierung wohnungspolitischer Zielsetzungen, wie sie nach der Beseitigung der Wohnungsnot für die nähere Zukunft der Befriedigung der Wohnansprüche breiter Teile, aber auch spezieller Gruppen der Bevölkerung und gleichzeitig der breitgestreuten Vermögensbildung entsprechen.Zweitens. Unter grundsätzlicher Anerkennung der Förderungswürdigkeit von Eigentumsbildung des einzelnen auch und gerade im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau wird als neue Wohn- und Rechtsform der Wohnbesitz in die Palette der Angebotsmöglichkeiten eingeführt.Drittens. Wohnbesitz ist ein dritter Weg zwischen Eigentum und Miete, indem Sozialmietern ein unbefristetes und unkündbares Dauerwohnrecht gegen Zahlung des Mietzinses und gleichzeitig die Vermögensbeteiligung am Wohnobjekt verbrieft wird, mit dem also Mieter wirtschaftliche Miteigentümer werden. Dies ist sozialer Mietwohnungsbau, gekoppelt mit einer wirklich sozialen Nutzung von Eigentum.Viertens und letztens. Der dritte Weg ist ein Angebot zwischen zwei bewährten Straßen. Oh sich dieser Weg zu einem schmalen Pfad oder zu einer breiten Allee oder zu was auch immer entwickeln wird, bestimmt nicht der Gesetzgeber, sondern der Markt und damit der mündige Bürger, für den wir Politik machen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe Art. 1 des Gesetzes — einleitender Abschnitt und Nr. 1 — auf. Hierzu liegt ein Antrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 7/3462 vor. Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Schmöle das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat Ihnen einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem ausgedrückt ist, daß Förderung des Wohnungsbaues das Ziel haben soll, nicht nur den Wohnungsmangel zu beseitigen, sondern für weite Kreise der Bevölkerung breitgestreutes Eigentum zu schaffen. Wir möchten diese Forderung als selbständiges Ziel mit in das Gesetz hineingeschrieben haben, weil wir glauben, daß es nicht nur Aufgabe der Wohnungsbaupolitik sein kann, Wohnungsmangel zu beseitigen, sondern gleichrangiges Ziel und gleichrangige Aufgabe sein muß, breit gestreutes Eigentum bilden zu können. Das ist der Sinn dieses Antrags.
Meine Damen und Herren von der Koalition, ich verstehe gar nicht, warum dieses Ziel von Ihnen im Gesetz nicht mit festgeschrieben werden soll. Sie haben doch heute gesagt, daß auch Sie breit gestreutes Eigentum bilden wollen. Warum wehren Sie sich dann gegen die Aufnahme dieser Änderung in den Gesetzentwurf?
Das ist die erste Frage, die sich vor allen Dingen dann ergibt, wenn man im Zusammenhang überlegt, was Sie denn eigentlich mit Ihrem neuen Rechtsinstitut erreichen wollen — ich komme im Anschluß noch einmal auf die Prozentsätze und auch auf „überwiegend" zu sprechen —, was Sie denn eigentlich in diesen Bereichen an Eigentum für den kleinen Mann schaffen wollen. Sie selber haben ja dieses neue Institut auch nicht als eigentumsbildende Maßnahme bezeichnet.Wir sind der Auffassung, daß wir als Ziel der Wohnungsbaupolitik diese Formulierung in das Gesetz aufnehmen sollten, weil auch dann, wenn der Wohnungsmangel beseitigt ist, die Aufgabe noch besteht, für breite Schichten der Bevölkerung Eigentum zu schaffen. Darum geht es uns.Lassen Sie mich nun zu dem Änderungsantrag Drucksache 7'3464 kommen, in dem wir eine Reihe von Streichungsvorschlägen gemacht haben, die den Wohnbesitzbrief angehen. Hier ist verschiedentlich heute morgen von Ihnen gesagt worden, daß die Union gegen den Wohnbesitzbrief sei. Das stimmt einfach nicht. Sie ist nur gegen die Präferenz für diesen Wohnbesitzbrief in diesem Gesetz. Das ist etwas völlig anderes.
Wir haben die Frage gestellt, was denn eigentlich Sie davon abhält, unseren Vorstellungen zu folgen, wie man echtes Eigentum für die einzelnen Personen schaffen kann, nämlich durch Bereitstellung von Eigenkapitalbeihilfen. Warum sind Sie gegen diese Vorstellungen? Denn wir wären bereit, mit Ihnen die Förderung des Wohnbesitzbriefes möglich zu machen, wenn Sie auf der anderen Seite eine Möglichkeit eröffneten, wirklich eigentumsbildende Maßnahmen zu treffen.
— Ich komme jetzt darauf zu sprechen. — Das Hauptproblem besteht doch heute darin, daß selbst dann, wenn wir sagen, „überwiegend" sollen Mittel für die Schaffung von Eigentum zur Verfügung gestellt werden, breite Kreise der Bevölkerung gar nicht in der Lage sind, 15 % Eigenkapital aufzubringen, um diese Mittel in Anspruch zu nehmen.
— Das stimmt sehr wohl. — Wenn dann die Mittel nicht abgerufen werden, besteht eben nicht mehr die Verpflichtung, daß 50% oder mehr eingesetzt werden, sondern dann werden noch mehr Mittel frei sein für die Wohnbesitzwohnung.
Das ist das Problem, um das es geht.
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11366 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
SchmöleDeshalb die Frage an Sie: Wenn Sie ermöglichen wollen, daß breite Kreise der Bevölkerung echtes Eigentum erhalten, warum dann nicht der konsequente Schritt, auch die Eigenkapitalbeihilfe hier möglich zu machen? Denn erst in dieser Kombination wird es für den kleinen Mann möglich, in der Zukunft überhaupt noch Eigentum zu erwerben. Sonst wird er in der Zukunft vielleicht die Möglichkeit haben, ein verbessertes Dauermietrecht in Form eines Wohnbesitzes zu bekommen. Aber das ist weniger, als man bei Einsatz gleicher Mittel im Bundesetat erreichen könnte, wenn man die Möglichkeit der Eigenkapitalbeihilfe schaffen würde.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grund, nicht weil wir etwas dagegen haben, diesen Wohnbesitzbrief auszuprobieren, nicht weil wir eben keine schmale oder breite Straße gehen wollen, sondern weil wir der Auffassung sind, daß die Bevorzugung dieses Wohnbesitzbriefes einfach den Markt verfälscht und keine vernünftigen Möglichkeiten für die Schaffung echten Eigentums gibt, sind wir für die Streichung, die wir vorgeschlagen haben, damit die Prioritäten hier nicht falsch gesetzt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Krockert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum wir diesen Antrag ablehnen, muß eigentlich schon aus meinem früheren Beitrag deutlich geworden sein. Wenn Sie, Herr Kollege Schmöle nun sagen, Sie verstünden ganz und gar nicht, warum, dann zwingen Sie mich, das noch einmal mit noch mehr Geduld zu wiederholen. Daß im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus der Eigentumsbildung ein Förderungsvorrang nicht nur zugebilligt, sondern gesichert werden soll, ergibt sich aus der Regierungsvorlage ohnehin schon unmißverständlich. Ebenso unbestreitbar hat dieser Entwurf die eigentumsbezogene Förderung verstärkt und die Instrumente dafür verbessert. Dazu bedarf es keiner weiteren Wortklauberei in diesem Einleitungsparagraphen.
Was aber die allgemeine politische Zielsetzung betrifft, so bleibt es für uns dabei: Die wohnungspolitische Aufgabe ist umfassend, die eigentumspolitische Aufgabe muß sich ihr zuordnen lassen. Das war es. Einer Verselbständigung der eigentumspolitischen Zielsetzung wollen wir keinen Vorschub leisten.
Man soll in diesem Lande wohnen können, nach seinen Bedürfnissen wohnen können. Das ist für uns das erste und das Wichtigste. Dann erst sehen wir uns um, was mit diesem sozialstaatlichen Ziel vereinbar ist und was diesen Rahmen am besten ausfüllen hilft. Da zeigt sich, daß der Eigentumsbildung eine hervorragende politische Bedeutung zukommt, weil das den Wünschen und Bedürfnissen
vieler entspricht. Damit aber ja kein Zweifel aufkommt: in diesem wohnungspolitischen Rahmen sind sie uns alle gleich lieb, ob sie nun Eigentümer oder Dauerwohnberechtigte oder ganz schlicht Mieter sein wollen.
Wir hätscheln keinen Idealtyp des Wohnbürgers, den einen nicht und auch nicht den andern, wir erheben das Eigentum nicht zum Adelstitel, wir treiben vernünftige, wohnungspolitisch orientierte Eigentumspolitik, aber nicht Eigentumsideologie.
Daß Sie darüber hinaus mit Ihrem Änderungsantrag die Präferenz des Wohnbesitzbriefes hinauskatapultieren möchten, hatten Sie vorhin schon gesagt. Wir denken gar nicht daran, uns darauf einzulassen. Ich frage mich, was Sie denn eigentlich gegen Vermögensbildung, verbunden mit Wohnungspolitik haben können, daß Sie so hart dagegen vorgehen wollen.
Für uns ist der Grund der Präferenz, Herr Kollege Schmöle, daß wir damit nicht nur Wohnraum schaffen, sondern daß wir gleichzeitig Vermögensbildung fördern.
Das rechtfertigt es, auch dieses Instrument mit Präferenz zu versehen. Die vorgeschlagene Fassung des § 1 ist deshalb insoweit in Ordnung. Niemandem wird etwas genommen, was die CDU ihm erst mit ihrem Änderungsantrag wiedergeben müßte. Der Änderungsantrag ist der Sache nach überflüssig. Der Absicht nach soll er der CDU ja bloß helfen, sich wieder einmal als Wahrer und Retter des vorgeblich bedrohten Eigentums in Pose zu setzen. Der Deutsche Bundestag hat keinen Grund, dabei mehrheitlich Hilfestellung zu leisten. Ich bitte das Hohe Haus, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wurbs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Diskussion des Ausschusses hier nicht noch einmal nachvollziehen, sondern möchte zu dem Antrag der CDU folgendes anmerken:Ich glaube, Ziel der Wohnungspolitik soll es sein, daß die Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum versorgt wird. Diese Forderung hat in jedem Falle Priorität, steht auch im Gesetz. Zweitens sollen überwiegend Eigentumsmaßnahmen gefördert werden. Insofern verstehe ich den Antrag der CDU nicht ganz, denn dieses Gesetz müßte doch den Intentionen der CDU entgegenkommen, in breitem Maße Eigentum bilden zu können.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11367
WurbsMeine Damen und Herren der CDU, ich glaube, Deklarationen nützen hier gar nichts. Wir haben im Gesetz ausdrücklich festgelegt, daß überwiegend Eigentum gebildet werden soll. Überwiegend heißt für uns: über 50 °/o.
— Ich komme gleich auf Ihren Einwand zurück, Herr Kollege Dr. Jahn.Ich glaube, dieser Gesetzentwurf paßt im Augenblick in die konjunkturelle Landschaft, zumal beim Wohnungsbau ein Strukturwandel festzustellen ist. Ich meine, man muß hier etwas differenzieren. Sie vermengen diesen Gesetzentwurf immer mit der allgemeinen Zielsetzung des sozialen Wohnungsbaus. Kein Mensch in den Koalitionsfraktionen denkt daran, den sozialen Wohnungsbau einzuengen. Wir müssen uns allerdings überlegen, in welcher Form und in welcher Größenordnung wir den sozialen Wohnungsbau künftighin betreiben, um der veränderten Situation Rechnung zu tragen.Herr Kollege Schmöle, es ist einfach falsch, hier zu behaupten, daß der Wohnbesitzbrief in jedem Fall Priorität besitze. Ich muß das noch einmal eindeutig zurückweisen, wenn Sie versuchen, hier einen Buhmann aufzustellen.Eine letzte Bemerkung. Bei diesem Entwurf handelt es sich um eine Regierungsvorlage, die sowohl von der SPD als auch von der FDP getragen wird. Es ist müßig, mit Ihrer Äußerung hinsichtlich der Gestaltung des Wohnbesitzbriefes den Versuch zu unternehmen, einen Keil in die Koalition zu treiben.Die FDP-Fraktion lehnt den Antrag der Opposition ab.
Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir können abstimmen.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 7/3462 unter Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer Art. 1 Nr. 1 der Regierungsvorlage in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 2 auf. Wer der aufgerufenen Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3463 auf, eine Nummer 2 a einzufügen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Link.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU will mit ihrem Gesetzentwurf den sozial Schwachen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu echtemEigentum verhelfen. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Gewährung von staatlichen Eigenkapitalhilfen für die unteren Einkommensempfänger zur Erlangung einer Eigentumswohnung innerhalb des sozialen Wohnungsbaus ist das Kernstück unseres Gesetzentwurfs. Die größte soziale Sicherheit für das Wohnen bietet das Eigenheim oder die Eigentumswohnung. Nur Eigentum an der Wohnung gewährleistet persönliche Unabhängigkeit und wirtschaftliche Sicherheit. Deshalb ist auch bei den einkommensschwächeren Teilen unserer Bevölkerung der starke Wille vorhanden, Eigentum an einer Wohnung zu erwerben. Ihnen fehlt es jedoch am notwendigen Eigenkapital, und sie sind vielfach nicht in der Lage, auf dem Wege des Vorsparens dieses Eigenkapital aufzubringen.Die CDU/CSU will mit ihrem Gesetzentwurf zur Vermögens- und Eigentumsbildung innerhalb des sozialen Wohnungsbaus durch verschiedene Maßnahmen die Finanzierung des fehlenden Eigenkapitals für die sozial Schwächeren ermöglichen. Zu diesen Maßnahmen zählen: erstens die Schließung der Finanzierungslücke zwischen bisheriger öffentlicher Förderung, die zur Zeit etwa 85 % für eine Sozialwohnung beträgt, und den Gesamtkosten einer Sozialwohnung durch eine Bürgschaft der öffentlichen Hand für das aufzubringende restliche Eigenkapitaldarlehen, zweitens die Gewährung von staatlicher Eigenkapitalhilfe in Form eines zinslosen Darlehens auf die Dauer von zehn Jahren, um die monatlichen Belastungen für den Bewerber erträglicher und billiger zu machen. Drittens: die finanziellen Leistungen werden über den Weg des Nachsparens vom Bewerber aufgebracht. Dies bedeutet, daß die bisherige Sozialmiete mit einem geringen Zuschlag versehen wird. Dieser Zuschlag ist durch die Eigenkapitalhilfe geringer als etwa der Zuschlag, der beim Wohnbesitzbrief aufgebracht werden muß. Viertens. Die Nachsparleistungen sind prämienbegünstigt. Fünftens. Die Belastungen sind wohngeldfähig.Bei den genannten Maßnahmen ist die Eigenkapitalhilfe in Form eines zinslosen Darlehens für zehn Jahre eine entscheidende Hilfe zum Erwerb von Eigentum für den sozial Schwachen innerhalb des sozialen Wohnungsbaus. Die Eigenkapitalhilfe entlastet den Bewerber und setzt ihn erst in den Stand, Eigentum zu bilden und zu erwerben. Die Eigenkapitalhilfe selbst ist nach unserem Entwurf nach Familiengröße gestaffelt und beträgt jährlich für den Alleinstehenden 600 DM, für Ehepaare 1 200 DM, für Ehepaare mit einem Kind 1 500 DM und für jedes weitere Kind 300 DM.Die seit Jahren sinkenden Förderungsergebnisse im sozialen Wohnungsbau lassen vermuten, daß in Zukunft jährlich etwa nur noch 100 000 Sozialwohnungen gebaut werden können. Wenn 25 000 Wohnungen mit Eigenkapitalhilfe gefördert werden, kostet dies im ersten Jahr im Durchschnitt 37 Millionen DM und nach zehn Jahren Förderungsdauer 370 Millionen DM. Die CDU/CSU-Fraktion ist bereit, zugunsten der Eigentumsbildung für die einkommensschwächeren Teile unserer Bevölkerung durch
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11368 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
LinkUmschichtung im Haushalt diese Finanzierung zu sichern.Die Bundesregierung hat den gleichen Deckungsvorschlag für die Förderung des Wohnbesitzbriefes gemacht. Der Wohnbesitzbrief ist jedoch in keiner Weise eine Alternative zum Gesetzentwurf der CDU/CSU. Eigentümer bleiben beim Wohnbesitzbrief die großen Gesellschaften, und finanzieren muß den Wohnbesitzbrief der Mieter. Wer den Wohnbesitzbrief erwerben will, muß 15 °/o der Bausumme aufbringen. Da keine Eigenkapitalhilfe gewährt wird, sind die monatlichen Belastungen höher als bei den von uns geförderten Eigentumsmaßnahmen.
Der Wohnbesitzbriefinhaber erhält dafür nur ein Dauerwohnrecht mit wirtschaftlicher Nutzung, das er im sozialen Wohnungsbau ohnehin hat. Das bestehende Dauermietrecht im sozialen Wohnungsbau ist so stark, daß noch nicht einmal eine Kündigung derjenigen möglich ist, die inzwischen erheblich mehr verdienen. Ich nenne hier nur das Stichwort „Fehlbelegung der Sozialwohnungen".Der Wohnbesitzbriefinhaber zahlt 30 bis 35 Jahre lang eine höhere Miete als der Dauersozialmieter in der Hoffnung, nach der Entschuldung weniger Miete zu bezahlen. Dann kommen jedoch die Reparaturen, die erneut zusätzliche Belastungen für den Wohnbesitzbriefinhaber bringen. Die großen Gesellschaften als Eigentümer tragen kein Risiko. Das Risiko sowohl für die Finanzierung als auch für den Mietausfall trägt der Mieter, der sozial Schwache.
Die mögliche 4 %ige Verzinsung der Fondseinlage zahlt sich der Wohnbesitzbriefinhaber aus seiner eigenen Tasche; denn in der von ihm zu zahlenden Kostenmiete ist eine 4 %ige Verzinsung des Eigenkapitals enthalten.Der Wohnbesitzbrief stellt im Grunde genommen eine gesetzlich verordnete Finanzierungsquelle zugunsten der großen Baugesellschaften und zu Lasten der unteren Einkommensempfänger dar.
Der sozial Schwache bringt, vereinfacht dargestellt, einen Baukostenzuschuß von 15 % der Baukosten zugunsten der Eigentümer, nämlich der großen Gesellschaften, auf und erhält dafür ein vererbbares Dauerwohnrecht. Das Dauerwohnrecht hat er aber sowieso, wenn er im sozialen Wohnungsbau wohnt.
Dies ist keine Alternative zum Gesetzentwurf der CDU/CSU. Es entsteht der nachhaltige Eindruck, daß auf gesetzlichem Wege die bestehenden erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten der großen Gesellschaften dadurch beseitigt werden sollen, daß die sozial schwachen Mieter ihnen das fehlende Eigenkapital in Höhe von 15 °/o einbringen.
Wir sind der Meinung, daß der Wohnungsbewerber, der sich an der Finanzierung seiner öffentlichgeförderten Wohnung selbst beteiligt, auch ein Anrecht darauf hat, echtes Wohnungseigentum zu erwerben.
Eigentum an der eigengenutzten Wohnung muß Vorrang vor der Förderung von Gesellschaftseigentum haben. Wer den Sozialmietern wirklich zur Eigentumswohnung verhelfen will, muß dem CDU/CSU-Gesetzentwurf zustimmen. Ich bitte Sie daher, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Batz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war sicher zu erwarten, daß die Opposition die Gelegenheit der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht ausläßt, immer wieder neu die Behauptung aufzuwärmen, die SPD sei eigentumsfeindlich.
Daß das aber gerade bei der Begründung dieses Antrages erneut kommt, macht mich doch etwas stutzig. Sie behaupten nach wie vor, die Einführung von Wohnbesitzbriefen im sozialen Wohnungsbau führe lediglich zu kollektivem, nicht aber zu privatem Eigentum, oder, wie der Kollege Dr. Jahn im DUD am 20. Februar geschrieben und heute wiederholt hat, dieses Gesetz sei ein Mittel zur Kapitalbeschaffung für die großen Wohnungsbaugesellschaften
auf Kosten der sozial schwächergestellten Bevölkerungsschichten und bringe eine Machtzusammenballung von Wohnungseigentum. Wenn Sie so argumentieren, Herr Kollege Dr. Jahn, ist das Ihre eigene Sache. Den Beweis für die Richtigkeit haben Sie, glaube ich, bis jetzt nicht liefern können.Im übrigen weiß man bei Ihnen sowieso sehr selten, welche Aussage die offizielle ist. Was soll man z. B. davon halten, wenn die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU/CSU zehn Thesen zum sozialen Wohnungsbau und Städtebau beschließt, in denen es z. B. unter Nr. 4 heißt:Anonymes Fondseigentum lediglich mit einem Dauerwohnrecht versagt dem Erwerber entscheidende Vorteile.Auf der anderen Seite sagt einer Ihrer Experten, der Kollege Orgaß — nachzulesen im DUD vom 20. Januar 1975 —:Wenngleich der Wohnbesitzbrief auch nicht automatisch zu echtem Eigentum führt, so entspricht doch die Stellung des Wohnbesitzbriefinhabers der des Eigentümers in wirtschaftlicher Hinsicht.
Sie können sich die richtige Antwort selber heraussuchen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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BatzUnd weil es sich in dem Aufsatz des Kollegen Orgaß mit seiner Kritik an der Wohnungsbaufinanzierung so schön weiterlesen läßt, noch ein Zitat, wenn ich darf, Herr Präsident:Man hat sparwilligen, aber nicht in gleicher Weise sparfähigen Bürgern trotz besonderer Förderung des Eigentumsgedankens vermögenspolitisch Steine statt Brot gegeben,— entschuldigen Sie, Herr Orgaß, daß ich einmal Ihren Terminus benutzen mußindem man sie auf ein lebenslanges Mieterschicksal verwies, wo sie durch ihre monatlichen Aufwendungen ebenfalls Vermögen bilden, aber für die Vermieter.Das ist ganz meine Meinung, und genau das wollen wir ändern. Deswegen wollen wir dieses Gesetz machen. Ich frage Sie: Wo ist denn da die Eigentumsfeindlichkeit der SPD, von der Sie immer sprechen?Jetzt zum Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/3463 über eine Gewährung von Eigenkapitalhilfe. Hierzu hat die Opposition in ihrem Gesetzentwurf zur Vermögens- und Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau schon einen zwar gutgemeinten, aber leider nicht realisierbaren Vorschlag gemacht. Danach sollte den Einzelbauherren von Familienheimen und eigengenutzten Eigentumswohnungen zur Vorfinanzierung der Eigenleistung eine besondere Eigenkapitalhilfe gegeben werden. Die sollte z. B. einem Bauherrn mit Frau und Kind jährlich in Höhe von 1 500 DM zusätzlich zu den sonstigen Förderungen mit Baudarlehen, Familienzusatzdarlehen usw. auf die Dauer von zehn Jahren gewährt werden. Meine Rechnung, Herr Kollege Link, ist etwas anders: Das würde einen zusätzlichen Finanzierungsaufwand von 45 Millionen DM jährlich ausmachen. Das bedeutet, wenn man ein jährliches Förderungsvolumen von nur etwa 30 000 Eigenheimen und Eigentumswohnungen zugrunde legt, dann schon 450 Millionen DM in zehn Jahren und für die folgenden Förderungsjahre jeweils die gleiche Summe. Hier wird wohl deutlich, daß solche Beiträge als zusätzliche finanzielle Hilfen weder vom Bund noch von den Ländern aufgebracht werden können.Ich darf in diesem Zusammenhang noch an die Ausführungen von Herrn Dr. Simon vom Deutschen Volksheimstättenwerk oder von Herrn Schlich vom Deutschen Mieterbund beim Anhörungsverfahren erinnern. Beide Herren erklärten als Sachverständige, daß die Eigenkapitalhilfe zu aufwendig sei und daß andere Arten der Wohnungsbauförderung gezielter eingesetzt werden könnten. Selbst Herr Dr. Degner vorn Verband der privaten Bausparkassen hält einen Rechtsanspruch für zu weitgehend.Die Koalitionsfraktionen werden aus diesen Gründen den Antrag der CDU/CSU-Fraktion ablehnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich, weil es wahrscheinlich dazugehört, noch einige Sätze über die Gesamtfinanzierung des Wohnungsbaus sagen; denn 450 Millionen DM sind für eine Förderung keine Größenordnung. Sie wollen mit diesem Antrag ja nur die sogenannte Eigentumsfeindlichkeit der SPD — in dem Fall auch der Koalition — beweisen.
In den Jahren 1966/67 hat der Anteil der öffentlich geförderten Eigenheime und Eigentumswohnungen am sozialen Wohnungsbau bei ungefähr 30 % gelegen. In den früheren Jahren, also unter Ihrer Regierungsverantwortung, war er nie höher als 30 %. 1972 lag er schon bei 33 %, 1973 bei 41 %, und 1974 wird er die 50-Prozent-Marke übersteigen.Wohnungseigentum wird bekanntlich nicht nur mit öffentlichen Mitteln gefördert. Ich erinnere an das Bausparförderungsgesetz und an die Steuervergünstigung nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes. Die Ausgaben von Bund und Ländern für Wohnungsbauprämien sowie die Steuermindereinnahmen durch Begünstigung von Bausparbeiträgen haben 1972 z. B. 3,3 Milliarden DM ausgemacht, 1973 waren es 3,7 und 1974 4,4 Milliarden DM. Dabei will ich von dem Einnahmeausfall der öffentlichen Hand durch die 7-b-Abschreibung im Moment gar nicht reden.Heute morgen hat Herr Kollege Dr. Jahn die „Süddeutsche Zeitung" aus dem Jahre 1973 zitiert. Ich darf Herrn Jürgen Forster zitieren, der heute in der „Süddeutschen Zeitung" eine Kommentierung unserer Debatte bringt. Er sagt da:Anstatt eine vermögenspolitische Diskussion auszulösen, führte der Regierungentwurf des Gesetzes zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau zu einer Kontroverse über Eigentumsideologie.Weiter sagt er:Die finanziellen Vorteile, die dem Mieter einer Wohnbesitzwohnung unter Abwägung aller Risiken per Saldo bleiben, dürften ihm ein Engagement interessant genug erscheinen lassen.Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir an unserem Antrag festhalten. Wir sehen uns gezwungen, Ihren Antrag auf Drucksache 7/3463 abzulehnen.
Das Wort wird zu diesem Punkt nicht mehr gewünscht.Wer dem Änderungsantrag der CDU/CSU — Drucksache 7/3463 Ziffer i — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.Ich rufe Art. 1 Nr. 3 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der aufgerufenen Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
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11370 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Vizepräsident Dr. JaegerIch rufe den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU — Drucksache 7/3463 Ziffer 2 — auf Einfügung einer Nr. 3 a auf. Das Wort wird hierzu nicht mehr gewünscht. Wer dem aufgerufenen Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.Ich rufe Art. 1 Nr. 4 auf. Wer der aufgerufenen Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Es ist so beschlossen.Ich rufe Art. 1 Nr. 5 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 7/3462 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU — Drucksache 7/3462 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wer Art. 1 Nr. 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.Ich bitte um die Gegenprobe. Es ist so beschlossen.Ich rufe Art. 1 Nr. 6 bis 10 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Art. 1 Nr. 10 a auf. Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3464. Der Antrag ist schon begründet worden. Das Wort dazu hat Herr Abgeordneter Waltemathe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es nach dem, was heute in dieser zweiten Runde besprochen worden ist, verhältnismäßig kurz machen.
Die Opposition versucht mit dem Änderungsantrag auf Drucksache 7/3464, den Begriff „Wohnbesitzwohnung" aus allen Bestimmungen, wo er vorkommt, herauszunehmen,
bzw. dort, wo es um Förderungspräferenzen geht.
Wir nehmen zur Kenntnis, daß Ihnen im Gegensatz zur sozialliberalen Koalition offensichtlich nicht daran gelegen ist, wohnungspolitische Zielsetzungen auch über einen weiteren Weg mit vermögenspolitischen Zielsetzungen so zu verbinden, wie wir dies wünschen. Zweitens wünschen Sie offensichtlich nicht, daß das Dauerwohnrecht, verbunden mit einer wirtschaftlichen Beteiligung der Mieter an ihrer Wohnanlage, stärker zu fördern ist als der ausschließliche soziale Mietwohnungsbau. Damit ist offenbar die Vermögensbildung der Wohnungsbaugesellschaften für die Opposition wichtiger als die Vermögensbeteiligung der einzelnen.
— Das ergibt sich aus Ihrem Antrag. Wir sind
nicht bereit, eines der wichtigen Ziele des Gesetzes zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau einer einseitigen Eigentumsideologie der Christdemokraten zu opfern, und bitten deshalb das Haus, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gallus.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die FDP hat immer auf dem Standpunkt gestanden, daß sich mit Mietkauf und Wohnbesitz zwei gleichrangige Modelle gegenüberstehen, was sich auch in der gleichwertigen Finanzierung ausdrückt. Der Markt muß nach unserer Auffassung entscheiden, welches Modell er annehmen will. Nimmt er mehr Eigentum an, dann werden diese Maßnahmen auch entsprechend gefördert, ohne daß mehr Mittel dem Wohnbesitz zufließen. Ist es umgekehrt, so zeigt sich nur, daß das Gesetz eine marktkonforme Lösung in diesem Punkte ermöglicht hat. Wir lehnen deshalb den Antrag der Opposition ab.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmöle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf das zu sprechen kommen, was der Kollege Waltemathe hier gesagt hat. Herr Kollege Waltemathe, es ist einfach unzulässig, uns zu sagen, wir würden eine vermögenspolitische Überlegung nicht mitmachen, weil die wirkliche vermögenspolitische Überlegung von uns heute hier in Form der Eigenkapitalbeihilfen vorgetragen worden ist.
Deshalb muß ich sagen: Wenn Sie wirklich echte Eigentumsmaßnahmen hier und heute mit uns zusammen beschließen wollen, dann hätten Sie unserem Antrag zustimmen sollen. Sie legen hier einfach Mittel aus dem sozialen Wohnungsbau in Priorität, mit Präferenz für den Wohnbesitzbrief fest, obwohl mit den gleichen Mitteln etwas entscheidend Besseres für die einfachen Leute hätte getan werden können.
Hier geht es überhaupt nicht um die Frage, ob wir eine vermögenspolitische Alternative nicht wollen, sondern wir haben sie auf den Tisch gelegt, wir haben etwas Echtes für den kleinen Mann gemacht. Deshalb wollen wir auch den Wohnsitz mit Präferenz herausbringen, damit wir eine vernünftige Lösung für den kleinen Mann haben. Wir wollen nicht, daß der kleine Mann große Gesellschaften finanziert, im Grunde aber nicht viel mehr dafür bekommt als ein besseres Dauerwohnrecht.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11371
Meine Damen und Herren, wird zu diesem Punkt noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3464 Nr. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.
Wer Art. 1 Nr. 10 a in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 11 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der aufgerufenen Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 12 und hierzu die Drucksache 7/3464, Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, auf. Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich kann abstimmen lassen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3464 Nr. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer Art. 1 Nr. 12 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 13 auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3464 vor. Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer der Nr. 3 dieses Änderungsantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer Art. 1 Nr. 13 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit entsprechender Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3463 Nr. 3 — Einfügung einer Nr. 13 a — auf. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer der Nr. 3 dieses Änderungsantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Art. 1 Nr. 14 bis 19 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zu Art. 1 Nr. 20, § 62 a. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3464 vor. Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU unter Nr. 4 der Drucksache 7/3464 zu-
zustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer dem Art. 1 Nr. 20 — § 62 a — in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der reziproken Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 20 — §§ 62 b bis e — auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 20 — § 62 f — auf. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Orgaß.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Batz hat mich vorhin ausdrücklich zitiert. Ich erkläre, daß ich zu den Ausführungen, die ich gemacht habe, nachdrücklich stehe. Sie entsprechen meiner Überzeugung, und ich glaube, sie sind wohl begründet.
— Meine Damen und Herren, Ihr Beifall ist mir peinlich.
Ich meine, wir sollten hier sachlich diskutieren, und wir sollten uns — unabhängig davon, wo wir im einzelnen in dieser oder jener Frage stehen — um bessere Lösungen mühen. Ich hatte gehofft, daß die heutige Debatte über die künftige Fortführung des sozialen Wohnungsbaus — und dabei vor allem über die verstärkte Förderung der Vermögens- und Eigentumsbildung innerhalb des sozialen Wohnungsbaues gerade für den Kreis der sozial Schwächeren- zu einer Glanzstunde in unserem Parlament werden würde. Aber leider kann davon — nach meiner Überzeugung jedenfalls — nach dem bisherigen Gang der Debatte wohl kaum die Rede sein, obwohl die Auffassungen hinsichtlich der grundsätzlichen Zielsetzung der breiten Eigentums- und Vermögensstreuung näher beieinanderliegen, als es der Verlauf der Diskussion bisher vermuten läßt. Gegenseitiges Mißtrauen erschwert optimale Lösungen, die wir Abgeordneten samt und sonders dem Bürger schuldig sind. Zumindest sollten wir sie anstreben.Die Bundesregierung hat nun unter der Drucksache 7/577 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der unter anderem einen zwar wichtigen, aber keineswegs allein entscheidenden Punkt beinhaltet, nämlich den sogenannten Wohnbesitzbrief, der als ein neues Rechtsinstitut auf dem Markt zugelassen und mit öffentlichen Mitteln gefördert werden soll.Dieser ursprüngliche Entwurf war alles andere als ein Meisterwerk; er war unausgegoren, inkonsequent und bot besonders hinsichtlich des Wohnbesitzbriefes auch Scheinlösungen an. Wäre über diesen Regierungsentwurf in seiner ursprünglichen Form jetzt hier abzustimmen, so hätte man nur insgesamt — so auch ich — mit einem entschiedenen „Nein, so nicht" votieren können.
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11372 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
OrgaßAber dank einer Reihe entscheidender Verbesserungsvorschläge, zum Teil durch den Bundesrat im ersten Durchgang, die teilweise auch von der Bundesregierung übernommen wurden, vor allem aber auch auf Grund sehr erheblicher Verbesserungen in den Ausschußberatungen, ist der Gesetzentwurf insgesamt qualitativ erheblich verbessert worden, wenngleich auch noch eine Reihe von Paragraphen unglücklich formuliert sind und Ursache zu Fehl- und Mißdeutungen bieten.Die auf unser Drängen in den Gesetzentwurf aufgenommenen entscheidenden Verbesserungen sind erstens: Es ist im Gesetz verankert worden, daß überwiegend, d. h. mit mehr als der Hälfte der öffentlichen Mittel, Einzeleigentumsmaßnahmen zu fördern sind, wobei klargestellt wurde, daß der Wohnbesitz nicht unter diese Kategorie fällt und damit logischerweise in Konkurrenz zur sozialen Mietwohnung herkömmlichen Stils tritt.Als zweites ist anzumerken, daß in der Regierungsformulierung sehr komplizierte Rechtsformen der Bauträgerschaft gewählt wurden und dabei unter anderem in völlig unverständlicher Weise auch die Genossenschaften von dieser Trägerschaft des Wohnbesitzrechts ausgeschlossen wurden. Ich kann durchaus verstehen, daß dadurch auch Freunde mißtrauisch wurden, als wollte man hier ganz besondere Gesellschaften ganz besonders begünstigen.Deshalb bin ich besonders froh, daß im Verlauf der Beratungen, nachdem die Vertreter der Koalition unseren Antrag auf Einbeziehung der Genossenschaften bereits abgelehnt hatten, sie auf meinen dann nochmals begründeten Antrag hin diese Ablehnung einstimmig revidierten und die Genossenschaften nun doch in den Kreis der Trägerschaft mit einbezogen haben. Damit ist die politische Vorstellung einen entscheidenden Schritt vorangekommen, die ich im übrigen als erster im Plenum des Deutschen Bundestages anläßlich der Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes am 16. Juni 1971 an dieser Stelle entwickelte, nämlich durch eine zeitgemäße Neukonstruktion des Genossenschaftsgedankens mit Hilfe eines geschlossenen Fonds vermögensbildendes Wohnen zu ermöglichen. Diesen Gedanken habe ich später, nämlich 1973, mit meinen Freunden von den Sozialausschüssen als Modellentwurf über Wohneigentumsgenossenschaften konzipiert und publiziert. In diesem Entwurf ist auch die Möglichkeit des Nachsparens enthalten.Die Revidierung der schon erfolgten Ablehnung ist mir unter Hinweis auf dieses Genossenschaftsmodell ermöglicht worden. Dafür bin ich vor allem Ihnen, Herr Henke und Herr Krockert, besonders dankbar; denn insofern ist der ansonsten sehr lobenswerte und sachliche Bericht zu dieser Ausschußfassung bei der Beschreibung auf Seite 7 nicht ganz korrekt, wie Sie, Herr Kollege Krockert und Herr Kollege Jahn, mir sicherlich zugeben müssen.Als drittes ist anzumerken, daß wir durch den Bundesrat erreicht haben, daß nun erst der Wohnbesitz im wirtschaftlichen Sinne dem Eigentum gleichgestellt wird, indem nämlich dem Wohnbesitzbriefinhaber nicht nur die vermögensbildenden Entschuldungsgewinne und die steuerlichen Vergünstigungen durch Abschreibungsmöglichkeiten zufließen, die bisher bei einer herkömmlichen Mietwohnung dem Vermieter zugute kamen, ganz gleich, ob es sich um einen Privaten oder um große Gesellschaften handelt — dadurch sind doch so viele Gesellschaften bei uns groß geworden —, und die nun dem einzelnen zugute kommen, sondern nun auch die allgemeinen Wertsteigerungen, die sich im Verkehrswert wiederfinden. Ich glaube, das ist ein ganz entscheidendes Kriterium für die Beurteilung dieses Rechtsinstituts.Schließlich ist viertens auch noch die Vererbbarkeit, wenngleich durch sehr komplizierte Normen, zufriedenstellend geregelt. Dabei sind auch die Sicherungen im Falle des Konkurses verbessert worden.Alles in allem genommen, meine verehrten Damen und Herren, ist nach meiner Auffassung und auch der einer Reihe meiner Freunde und Kollegen dieses neue Rechtsinstitut bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen trotz einer Reihe noch verbesserungsbedürftiger Punkte gegenüber der herkömmlichen Mietwohnung eine Verbesserung, weil hier eine Vermögensbildung durch Wohnen ermöglicht wird.
— Ich möchte es Ihnen erklären, ich will gar nicht Ihren Beifall.
Deswegen sagen wir „ja", weil es auch demjenigen helfen kann, der willig, aber auf Grund seines Einkommens nicht fähig ist, in der heutigen finanziellen Situation volles Wohneigentum zu erwerben,— was auch ich in jedem Falle als vorteilhafter ansehen würde —, und weil durch dieses Institut zumindest die vermögenspolitische Gleichsetzung wie beim Wohneigentum mit ermöglicht wird. Ich sage „ja" auch aus einem ganz bedeutenden — wie ich meine: nicht zu unterschätzenden — Aspekt heraus: weil hiermit nämlich — ich glaube, erstmalig — ein entscheidender Schritt von der bisherigen Praxis der objektbezogenen Förderung im sozialen Wohnungsbau hin zur gerechteren Möglichkeit der Subjektförderung getan wird. Ich glaube, auch dies ist ein entscheidender Vorteil.Aber auch diejenigen, die es positiver sehen als andere Freunde von mir, gehen davon aus, daß dieser Entwurf, so wie er vorliegt, noch Mängel beinhaltet. Einer dieser Mängel ist die außerordentlich eingeschränkte Möglichkeit der Umwandlung von Wohnbesitz in volles Wohneigentum. Sie wird jetzt zwar grundsätzlich bejaht, bleibt aber weitgehend blasse Theorie, weil sie vom Einverständnis aller Wohnbesitzinhaber einer Anlage und, wie hier in der Debatte noch nicht entscheidend geklärt worden ist, möglicherweise auch noch von der Zustimmung des Trägers abhängig gemacht wird.Deshalb stelle ich hier namens meiner Fraktion noch einmal den Antrag auf Drucksache 7/3465, der
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Orgaßbesagt, daß auf Antrag von mehr als der Hälfte aller Wohnbesitzberechtigten, die dies verlangen, Wohnungseigentum zu übertragen ist. Dabei ist es auch für uns selbstverständlich, daß in diesem Falle der Treuhänder aus seinen Treuhandverpflichtungen entlassen werden muß. Wir meinen, daß die Chance der Wahl für diejenigen, die diesen Weg gehen wollen, offenstehen muß. Ob der einzelne dann diesen Weg gehen will, lassen Sie doch ihn entscheiden! Entscheiden wir es doch hier nicht durch Mehrheiten!Wir bedauern sehr, daß die Koalition einen von mir bereits im Ausschuß gestellten, sehr ähnlich lautenden Antrag abgelehnt hat, ohne eine überzeugende Begründung dafür zu bieten. Das ist auch bisher in der Debatte noch nicht zum Ausdruck gekommen. Das hat nun im Zusammenhang mit mancherlei Äußerungen, die von Sozialdemokraten in der Öffentlichkeit gefallen sind — manches ist hier gesagt worden, manches liegt in Archiven —, bei Freunden von mir den Verdacht erweckt, als solle auf diesem Wege einer Umwandlung dann praktisch doch noch ein Riegel vorgeschoben werden.Ich weiß von sachverständigen Sozialdemokraten, auch von Kollegen dieses Hauses, daß auch sie der Meinung sind, das Gesetz sollte durch die Annahme unseres Antrages verbessert werden. Es war ja nicht zuletzt auch Herr Kollege Engelhard, der für die FDP-Fraktion im ersten Durchgang sprach und hier gesagt hat: Hier muß man noch versuchen, zu besseren Lösungen zu kommen. Das gibt uns die Hoffnung deswegen stelle ich diesen Antrag —, daß wir Ihre Zustimmung doch noch erreichen können; denn das — da plaudere ich nicht aus dem Nähkästchen — würde bei vielen meiner Freunde, die zu diesem Gesetzentwurf nicht grundsätzlich nein sagen, dennoch eine andere Beurteilung ihrer Haltung in der jetzigen Abstimmung ermöglichen.Sie müssen auch verstehen, daß wir, ähnlich wie seinerzeit beim Städtebauförderungsgesetz, versuchen werden, über das Institut des Bundesrates und des Vermittlungsausschusses noch Vorstellungen durchzusetzen.
— Das ist ganz legitim, das ist ganz selbstverständlich. Und „aha", Herr Schellenberg, haben Sie früher über das Land Hessen auch in reichlichem Maße gemacht. Wenn das „aha" ist, ist das ein bißchen spät gezündet.Dabei sollten Sie auch erkennen, daß ein solcher Antrag, der hier gestellt und von Ihnen dann nicht angenommen wird, mit Sicherheit im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß wieder gestellt wird. Sie werden damit wieder konfrontiert. Dabei steht die Union in der Öffentlichkeit in keiner schlechten Verpackung.
Logisch, wenn auch falsch wäre es sonst von Ihnen gewesen, die Umwandlung gar nicht zu gewähren. Das wäre dann ehrlicher. Sie zwar grundsätzlich zu gewähren, praktisch aber nahezu auszuschließendurch die Vorschrift der Einstimmigkeit bringt Sie doch sehr leicht in den Ruf der Scheinheiligkeit.
Deshalb bitte ich Sie noch einmal recht herzlich, diesem Änderungsantrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Meine Damen und Herren, da nur noch eine Wortmeldung vorliegt —eine weitere ist zurückgezogen worden —, schlage ich Ihnen vor, die zweite Lesung noch vor der Mittagspause zu beenden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vahlberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine Vorbemerkung machen. Herr Kollege Jahn, Sie haben u, a. das Schreckensgemälde übermächtiger Wohnungsbaugesellschaften gemalt. Das ist nicht neu. Konservative Politiker tun das seit geraumer Zeit bei passender und unpassender Gelegenheit.Ich habe nicht die „Neue Heimat" zu verteidigen.
Ich würde mich nur freuen, wenn Sie Ihr Engagement gegen Machtzusammenballung und Konzentration nicht nur auf ein Unternehmen richteten, das sage und schreibe 1,5% Anteil am Wohnungsbestand der Bundesrepublik hat und zudem dem Gemeinnützigkeitsgesetz unterliegt, sondern sich mit gleichem Engagement auch den Machtzusammenballungen in anderen Wirtschaftsbereichen widmeten,
Wirtschaftsbereiche, in denen einzelne Unternehmen 50, 60, 80, ja sogar 90 % des Marktes beherrschen.Nun zur Sache. Der Änderungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion zu § 62 f wirkt im Grunde, wenn man ihn das erste Mal liest, recht plausibel. Er will einmal die Begründung von Wohnungseigentum zu einem früheren Zeitpunkt, als das im Gesetzentwurf vorgesehen ist, erleichtern, und er will zum anderen die Verpflichtung für den Träger, Wohnungseigentum zu begründen, von der Entscheidung der Wohnbesitzberechtigten abhängig machen.
[CDU/CSU]: Und von
seiner eigenen!)— Sicherlich auch von seiner eigenen.
Die Initiative soll von den Wohnbesitzberechtigten ausgehen, und diese Wohnbesitzberechtigten kommen mit ihrer Sache nur zum Zug, wenn mehr als die Hälfte von ihnen einer Umwandlung zustimmt.
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VahlbergDas ist doch richtig? Demokratische Spielregeln also auch hier.Wie gesagt, auf den ersten Blick ist der Änderungsantrag einleuchtend. Schaut man sich die Sache dagegen genauer an, wird der Pferdefuß sichtbar. Dieser Antrag will, daß im Falle eines Mehrheitsentscheids keine Vermögensabwicklung erfolgt. Nun wird es aber in der Praxis so sein, daß solche Mehrheitsentscheidungen nicht mit 51 % zu 49 % ausgehen; die Mehrheiten können sehr viel deutlicher ausfallen, ja, im Grenzfall bleibt schließlich nur noch ein Wohnbesitzberechtigter im Fonds übrig.
Daß dies wirtschaftlich nicht tragfähig ist, daß das irgendwo nicht praktikabel sein kann, liegt auf der Hand. Die Folge wäre zwangsläufig die Auflösung des Fonds. Herr Jahn und Herr Orgaß, Ihr Antrag läuft darauf hinaus, daß eine Mehrheit, die eine Umwandlung der Wohnbesitzwohnungen in Wohnungseigentum wünscht und die dies beschließt, eine Minderheit, die dies nicht will oder nicht kann, dominiert. Wir haben ja in diesem Gesetzentwurf Mehrheitsentscheidungen vorgesehen, z. B. in § 62 d Abs. 6. Hier aber, mit Ihrem Antrag, ist das etwas grundsätzlich anderes. Sie greifen mit einer Mehrheitsentscheidung tief in den Lebensraum der Minderheit ein,
Sie treffen diese Minderheit existentiell. Damit können wir nicht einverstanden sein,
denn für uns ist Demokratie nicht das Diktat der Mehrheit über die Minderheit.
Das bedeutet nämlich Ihr Antrag dann in der Praxis.
Mit Ihrem Antrag wird die wohnungspolitische Vernunft verlassen, wird der Eigentumsbegriff pervertiert.
Eigentumspolitische Maßnahmen müssen der Wohnungspolitik sinnvoll zugeordnet sein; mein Kollege Horst Krockert hat darauf bereits hingewiesen. Alle Befragungen der Bürger nach ihren Wohnungswünschen zeigen, daß Eigenheim und Eigentumswohnung an Attraktivität nichts eingebüßt haben.
Das ist nur zu verständlich, denn irgendwo möchtejeder Mensch einen Ort haben, wo ihm niemandhineinreden kann, wo er nicht mehr Objekt fremdenWillens und fremder Willkür ist, wo er nicht mehr herumgeschubst werden kann.
Er möchte die Einwirkung Dritter in seine unmittelbare Privatsphäre ausschließen;
deshalb das Bedürfnis nach Wohnungseigentum. Denn das ist auch klar: Aus dem Eigentumsrecht fließt einem Vermieter Macht zu, Macht, die in soziale Beziehungen und in die Privatsphäre eines Mieters eindringt. Damit habe ich nicht gesagt, daß jeder Vermieter seine Stellung mißbraucht.
Sozialdemokratische Politik ist es, zumindest diese Macht in Schranken zu weisen. Dies haben wir in der Vergangenheit getan, einerseits mit einem verbesserten Mieterschutz und andererseits, indem wir immer mehr Bürgern zu Wohnungseigentum verholfen haben. Was die Eigentumsförderung im Wohnungsbau angeht, so haben die beiden sozialliberalen Regierungen ja auch mehr getan als ihre konservativen Vorgängerinnen;
die Zahlen der ausgeschütteten Förderungsmittel belegen das, so meine ich, recht deutlich.
Der hier zur Beratung anstehende Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt auf einem Wege, der den Freiheitsraum des Bürgers in seinem Wohnbereich sichern soll. Der Änderungsantrag zu § 62 f der CDU/CSU-Fraktion dagegen würde in die entgegengesetzte Richtung führen, er würde dazu führen, daß über Minderheiten verfügt wird.
Die Begründung von Wohnungseigentum nach § 62 f darf nicht zu Lasten der restlichen Wohnbesitzberechtigten gehen. Minderheiten dürfen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Eine solche „Vogel friß oder stirb"-Politik machen wir nicht mit.
Ich lehne den Antrag namens der Koalitionsfraktionen ab.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3465 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wer dem § 62 f in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11375
Vizepräsident Dr. JaegerIch rufe § 62 g auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe vom Art. 1 die Nrn. 20 a bis 23 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht.
— Getrennt für was?
— Dann rufe ich also nur die Nrn. 20 a bis 22 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig gebilligt.Dann kommen wir zu Nr. 23. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen.Ich rufe nunmehr die Artikel 2 bis 10, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Dieser Teil ist einstimmig beschlossen.Damit sind wir am Ende der zweiten Lesung.Wir treten in die Mittagspause ein und setzen die Sitzung nach der Mittagspause mit der Fragestunde fort.Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.
Meine Damen und Herren, die Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 7/3447 —
Zunächst der Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 99 des Herrn Abgeordneten Gierenstein und 100 des Herrn Abgeordneten Höcherl sollen auf Bitten der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung steht zunächst Herr Staatsminister Wischnewski zur Verfügung. Die Fragen 101 und 102 des Herrn Abgeordneten Dr. Narjes sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Welche finanziellen Zugeständnisse waren bei den vorletzten EG-Beitrittsverhandlungen mit England von der Bundesrepublik Deutschland insbesondere zugunsten des EG-Regionalfonds erwartet worden bzw. in welcher Höhe hatte die Bundesregie-
rung Angebote gemacht, und wie hoch beläuft sich die Zahlungspflicht der Bundesrepublik Deutschland aus den letzten Beitrittsverhandlungen mit England?
Bitte schön, Herr Staatsminister!
Herr Kollege Dr. Kunz, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten:Die Bundesregierung hat Großbritannien weder im Rahmen der Beitrittsverhandlungen von 1970/71 noch im Rahmen der Gespräche zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Großbritannien vom vergangenen Jahr und vom Anfang dieses Jahres irgendwelche Angebote finanzieller Art gemacht. Bei beiden Gelegenheiten hat Großbritannien auch keine besonderen finanziellen Zugeständnisse von der Bundesregierung erwartet, sondern alle Wünsche ausschließlich an die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit gerichtet.Bei den Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien ist über bezifferbare finanzielle Zugeständnisse der Gemeinschaft zugunsten des EG-Regionalfonds nicht gesprochen worden. Der inzwischen ins Leben gerufene Europäische Fonds für regionale Entwicklung geht auch nicht auf die Gespräche innerhalb der Gemeinschaft mit Großbritannien vom vergangenen Jahr zurück, sondern auf einen Beschluß der Regierungschefs der Partnerstaaten auf der Pariser Konferenz vom 9. und 10. Dezember 1974. Aus dem Fonds im Gesamtumfang von 1,3 Milliarden Rechnungseinheiten erhält Großbritannien einen Anteil von 28 %. Alle Mitgliedstaaten einschließlich Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland tragen entsprechend ihrem Anteil an der Finanzierung des EG-Haushaltes zu dem Fonds bei.Entsprechendes gilt für die Zahlungsverpflichtungen aus dem Korrekturmechanismus zur Vermeidung unannehmbarer Situationen, auf den Sie, Herr Kollege, am Schluß Ihrer Frage wohl anspielen. Auch der Korrekturmechanismus beinhaltet keine spezifische Zahlungsverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr tragen alle Mitgliedstaaten, auch Großbritannien, entsprechend ihrem Haushaltsfinanzierungsanteil dazu bei. Auf der anderen Seite kann jedes Mitgliedsland, das sich nach dem Korrekturmechanismus zugrunde liegenden Kriterien qualifiziert, Zahlungen erhalten. Diese sind also nicht notwendigerweise auf Großbritannien beschränkt. Die jährlichen Zahlungen der Gemeinschaft auf Grund des Korrekturmechanismus sind nach den Beschlüssen des Europäischen Rats auf seiner ersten Tagung am 10. und 11. März 1975 in Dublin, wie der Bundesminister des Auswärtigen das bereits in der Regierungserklärung über die Ergebnisse dieser Tagung am 12. März dieses Jahres in der 152. Sitzung des Deutschen Bundestages aufgeführt hat, auf höchstens 250 Millionen Rechnungseinheiten begrenzt. Sollte das Ausgabevolumen der Europäischen Gemeinschaft von derzeit 5,825 Milliarden Rechnungseinheiten, nämlich nach dem Haushalt 1975, auf mehr als 8 Milliarden Rechnungseinheiten ansteigen, so gilt an Stelle der erwähnten Grenze ein Höchstbetrag von 3 % des EG-Ausgabevolumens.
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11376 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, waren die Forderungen, die bei den ersten Verhandlungen an die EG-Behörde gestellt wurden, in ihrer Höhe verschieden von den Forderungen bei den zweiten Verhandlungen?
Ich nehme an, Sie sprechen von den Beitrittsverhandlungen und von dem zweiten Teil Ende vergangenen Jahres, Anfang dieses Jahres, den wir als sogenannte Neuverhandlungen bezeichnen. In der Tat ist man von unterschiedlichen Ausgangsbasen ausgegangen. Ich muß sagen, eine genaue Überprüfung der Wünsche des Vereinigten Königreichs hat alle Partner gemeinsam zu der Überzeugung kommen lassen, daß sich gewisse Korrekturen, insbesondere was den Haushalt anbetrifft, als notwendig erwiesen haben. Auf Grund dieser Situation sind alle neun Partner gemeinsam zu der Auffassung gekommen, dies zu überprüfen und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Ob sich das materiell auswirkt, kann heute noch niemand sagen, weil niemand sagen kann, ob in den nächsten Jahren in Großbritannien bestimmte Kriterien, die Voraussetzung für das Eintreten sind, auch tatsächlich gegeben sein werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, die Zahlen zu nennen, die damals beim ersten Teil der Verhandlungen im Gespräch waren?
Ich bin gern bereit, Ihnen die Zahlen zur Verfügung zu stellen. Ich habe an diesen ersten Verhandlungen nicht teilgenommen. Aber ich bin gern bereit, Sie darüber zu informieren.
Ich danke Herrn Staatsminister Wischnewski.
Ich rufe die Frage 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den 30. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs zum Anlaß zu nehmen, bei der italienischen Regierung mit der Bitte vorstellig zu werden, endlich den letzten Kriegsgefangenen deutscher Staatsangehörigkeit in Italien, Herbert Kappier, zu begnadigen?
Zur Beantwortung steht jetzt Herr Staatsminister Moersch zur Verfügung.
Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, ist die Bundesregierung ebenso wie ihre Vorgängerinnen seit langem aus humanitären Gründen um die Freilassung des in der Seefestung Gaeta inhaftierten deutschen Kriegsverurteilten Kappler bemüht. Sie sind der Auffassung, daß der Kriegsverurteilte nunmehr endlich aus der Haft entlassen werden sollte. Wir empfinden es alle als schmerzlich, daß 30 Jahre nach
Kriegsende die Erwägungen der Menschlichkeit in diesem Fall noch nicht die Oberhand gewinnen konnten.
Die Bundesregierung hat aus diesen Erwägungen heraus wiederholt der italienischen Regierung gegenüber ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht. Sie hält es politisch nicht für zweckmäßig, den 30. Jahrestag der Beendigung des zweiten Weltkriegs zum Anlaß zu nehmen, bei der italienischen Regierung erneut zugunsten Kapplers zu intervenieren.
Zusatzfrage.
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß der Fall Kappler angesichts der wachsenden Anteilnahme immer größerer Teile unserer Bevölkerung auf die Dauer zu einer Belastung des deutsch-italienischen Verhältnisses zu werden droht?
Herr Abgeordneter, schon vor vielen Jahren hat sich der damalige Außenminister Brandt in dieser Weise geäußert. Ich denke, daß die Gründe, die damals angegeben worden sind, heute, im Jahre 1975, noch verstärkt gelten. Sie wissen, daß es auch auf italienischer Seite eine ganze Reihe von politisch Verantwortlichen gibt, die diese Gefahr genauso sehen wie wir. Ich nehme an, Sie kennen die Gründe, die in Italien bisher dazu geführt haben, daß es nicht zu einer Begnadigung kam. Im übrigen ist, soweit wir unterrichtet sind, über ein entsprechendes Gesuch noch nicht entschieden.
Eine weitere Zufrage.
Ist die Bundesregierung bereit, bei geeigneter Gelegenheit in geeigneter Form darauf hinzuweisen, daß eine weitere Verzögerung der Lösung dieser Angelegenheit dazu angetan wäre, im Bewußtsein unserer Bevölkerung die Glaubwürdigkeit von Bekenntnissen zur Humanität, besonders wenn es sich um befreundete und verbündote Staaten handelt, zu beeinträchtigen?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat, wie ich schon sagte, keine Gelegenheit versäumt, Gesichtspunkte humanitärer Art darzulegen. Ich glaube, daß es wiederholt Gelegenheit geben wird — ich bin sicher, daß dies auch schon geschehen ist —, gegenüber befreundeten Parteien, die etwa in Italien Regierungsverantwortung tragen, und Abgeordneten, mit denen Sie in den europäischen Institutionen regelmäßig zusammenkommen, diese allgemeinen und für die europäische Zusammenarbeit notwendigen Erwägungen noch einmal deutlich zu unterstreichen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeorneten Kunz.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11377
Herr Staatsminister, wann ist die Bundesregierung zuletzt bei der italienischen Regierung diesbezüglich vorstellig geworden?
Vor ganz kurzer Zeit.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Hösl auf:
Trifft die Meldung der „Welt" vom 17. März 1975 zu, von den Ausstellungsständen mit Büchern auf der deutschen Ausstellung in Moskau habe ein Band mit einem Bild vom Kurfürstendamm in Berlin mit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und aus einer Dia-Schau ein Bild vom Wannsee in Berlin entfernt werden müssen, und wie hat die Bundesregierung — bejahendenfalls —darauf reagiert, bzw. warum hat sie sich gegen derartige sowjetische Maßnahmen nicht vertraglich gesichert?
Bitte, Herr Staatsminister!
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die sowjetische Seite irgendein Buch der Ausstellung beanstandet hätte und dessen Entfernung gefordert hätte. Es sind jedoch bei dem großen Interesse des Publikums einige der rund 950 Titel von Besuchern der Ausstellung mitgenommen worden. Dabei war der Andrang so groß, daß die Bücherregale zeitweise aus Sicherheitsgründen abgesperrt werden mußten. Es trifft auch nicht zu, daß aus einer Dia-Schau auf sowjetischen Wunsch irgendein Bild entfernt werden mußte.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ich kann also davon ausgehen, daß die Meldung in der „Welt" vom 17. März unzutreffend ist?
Das hatte ich hier — in einer dem Fragesteller gegenüber etwas vorsichtigeren Form — darzulegen versucht. Z. B. ist dieses angeblich von uns entfernte Buch mit einem Bild vom Kurfürstendamm in Berlin nicht etwa von uns entfernt worden, sondern es ist von einem Besucher mitgenommen worden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 106 des Herrn Abgeordneten Hösl auf:
Trifft die Meldung der „Welt" vom 17. März 1975 zu, die als Bestandteil der deutschen Ausstellung in Moskau vorgesehene Buchverkaufsmesse sei drei Wochen vor der Eröffnung der Ausstellung von sowjetischer Seite abgesagt worden, und wie hat die Bundesregierung — bejahendenfalls — darauf reagiert, bzw. warum hat sie diesen Bestandteil der Ausstellung nicht von vornherein vertraglich gesichert?
Zunächst einmal ist festzustellen, Herr Abgeordneter, daß eine Buchverkaufsmesse nie geplant war. Richtig ist allerdings, daß ein von deutscher Seite vorgesehener Buchverkauf in der Ausstellung unterbleiben mußte, weil die sowjetische Seite die erforderliche Zustimmung versagte. Sie hat uns ihre Entscheidung erst wenige Wochen vor Ausstellungsbeginn mitgeteilt. Sie hat die Ablehnung damit begründet, daß die Sowjetunion noch nie während einer derartigen Ausstellung den Verkauf westlicher Bücher zugelassen habe und dies auch in Zukunft nicht tun werde.
Die Frage des Buchverkaufs — auch dies muß hier festgestellt werden — wurde bei den Vertragsverhandlungen mit den Sowjets nicht angeschnitten, da der Gedanke, auf der Ausstellung einen Buchverkauf vorzusehen, von deutscher Seite erst im Verlauf der Ausstellungsvorbereitungen aufgenommen wurde. Wir haben es bedauert, daß die sowjetische Seite den Buchverkauf abgelehnt hat und haben dies den sowjetischen Gesprächspartnern gegenüber zum Ausdruck gebracht.
Ich möchte hier noch hinzufügen, daß in früheren Zeiten woanders, in anderen Teilen der Welt gelegentlich nach Ausstellungen die ausgestellten Bücher vom Börsenverein verkauft wurden, weil sie für einen Ladenverkauf auf Grund der Inanspruchnahme durch Besucher, die die Bücher sozusagen mit Händen greifen wollten, nicht mehr geeignet waren. Man wollte in solchen Fällen durch den Verkauf die Transportkosten sparen. Dies scheint hier unter anderem nachträglich — so muß ich aus den Akten schließen — eine Erwägung gewesen zu sein, die wir aber nicht in die Verhandlungen eingeführt haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, die Interessenten haben die deutschen Behörden für die Erlangung der Verkaufsberechtigung nicht in Anspruch genommen?
Ich habe das nicht verstanden.
Die Interessenten an dem Verkauf, die Aussteller haben eine Behörde der Bundesrepublik Deutschland nicht in Anspruch genommen, um einen Verkauf genehmigt zu bekommen?
Herr Abgeordneter, diese Buchausstellung war ja nicht eine Verkaufsmesse wie etwa die Frankfurter Buchausstellung, die übrigens auch keine direkte Verkaufsmesse, sondern eine Bestellmesse ist. Ich habe schon gesagt: Die Aussteller hatten ursprünglich bei den Verhandlungen nicht erwogen, daß Bücher auf der Ausstellung verkauft werden könnten. Das haben wir nachher erwogen. Es gab ja auch ein sehr großes Interesse, was Sie allein aus der Zahl der Bücher ersehen, die mitgenommen, d. h. die, wie man früher sagte, von den Besuchern „organisiert" worden sind. Diese auch auf anderen Ausstellungen zu beobachtende Erscheinung ist immer ein Zeichen für großes Interesse. Daraus schlossen vielleicht manche messerscharf, daß man Bücher dann eigent-
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Staatsminister Moerschlieh besser gegen Bargeld abgeben sollte, um den Leuten Gewissensqualen zu ersparen. Das ist nicht genehmigt worden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz auf:
Trifft die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 21. März 1975 zu, die deutsche Seite habe auf sowjetisches Verlangen hin in den auf der deutschen Ausstellung in Moskau zur Verteilung bestimmten Drucksachen statistische Angaben über das Land Berlin fortgelassen, und wie rechtfertigt die Bundesregierung — bejahendenfalls — ihr Zurückweichen vor diesem widerrechtlichen Eingriff in die deutsche Selbstdarstellung?
Bitte schön!
Herr Kollege, trifft es zu, daß die sowjetischen Zensurbehörden eine Reihe von statistischen Angaben über Berlin in den für die Ausstellung in Moskau vorbereiteten Publikationen beanstandet haben. Dabei handelt es sich um Angaben, von denen die sowjetische Seite behauptete, sie stipulierten eine Zugehörigkeit von Berlin zur Bundesrepublik Deutschland und stellten deshalb eine Verletzung des Viermächteabkommens dar. Den sowjetischen Beanstandungen wurde in einzelnen Statistiken entsprochen, um eine Beeinträchtigung der für uns so wichtigen Verteilung des Informationsmaterials zu vermeiden. Immerhin wurden während der Ausstellung rund 90 Tonnen Informationsmaterial verteilt. Der Einbeziehung von Berlin in die Darstellung der Wirtschaft und des Außenhandels der Bundesrepublik Deutschland wurde von sowjetischer Seite grundsätzlich nicht widersprochen.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Hält es die Bundesregierung in Anbetracht des deutscharabischen Verhältnisses für angemessen, daß die Bundesrepublik Deutschland bei den Trauerfeierlichkeiten für den ermordeten König von Saudi-Arabien lediglich durch den deutschen Botschafter in Riad vertreten war, und warum war es dem Bundeskanzler nicht möglich, einen der 18 Minister seines Kabinetts zu entsenden?
Bitte schön!
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat am 26. 3. 1975 den Staatsminister im Auswärtigen Amt Herrn Kollegen Wischnewski nach Riad entsandt, um dem neuernannten König Chaled und der königlichen Familie das Beileid des Herrn Bundespräsidenten und der Bundesregierung zu übermitteln. Herr Kollege Wischnewski hat ebenso wie der amerikanische Vizepräsident und der britische Verteidigungsminister nicht an der Beisetzung teilgenommen. Seine Teilnahme an der eigentlichen, rein islamischen Beerdigungszeremonie wäre nicht angebracht gewesen, da diese den islamischen Delegationen vorbehalten war.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wenn die Abreise von Herrn Wischnewski erst am Abend des bewußten Tages erfolgt ist, während Herr Nelson Rockefeller bereits am Vorabend gefahren ist, so ist das doch ein Zeichen dafür, daß man erst später darauf gekommen ist und gesagt hat: Jetzt ist Herr Nelson Rockefeller dort; warum ist die Bundesrepublik nur durch ihren Botschafter zu diesem Zeitpunkt vertreten? Es wäre doch ein Gebot des Anstands und der Höflichkeit gewesen, schon am Vortage anzureisen.
Herr Abgeordneter, ich kann Ihrem Zeitplan nicht folgen. Erstens ist der deutsche Vertreter, wenn ich das recht erinnere — ich war zu dieser Zeit in Urlaub am nämlichen Tage in Riad eingetroffen, und zwar ist er unverzüglich abgeordnet worden, nachdem hier eine entsprechende Entscheidung getroffen war. Möglicherweise müßten wir unsere Kalender einmal dahin überprüfen, ob nicht Irrtümer durch die berühmte Zeitverschiebung zwischen Europa und Amerika entstanden sind, so daß die Datierung im Grunde die gleiche ist, nur jeweils auf einem anderen Kontinent.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, daß es an dem fraglichen Tag in den Morgen- und Mittagsnachrichten immer geheißen hat, daß Amerika durch den Vizepräsidenten Rockefeller vertreten wird, während die Bundesrepublik Deutschland vertreten wird durch den in Riad ansässigen Botschafter? Ist Ihnen das bekannt? Erst um 17 Uhr am Abend wurde bekannt, daß Herr Wischnewski abgeflogen ist.
Herr Abgeordneter, wenn etwas so dargestellt wurde, muß das ja nicht heißen, daß es so auch zutrifft. Vielleicht ist uns ein wirkliches Versäumnis unterlaufen — das wird mir jetzt erst aus Ihrer Frage offenbar —, nämlich das Versäumnis, nicht genau mitzuteilen, wann Herr Wischnewski abgeflogen ist. Die Frage, wann Sie davon Kenntnis bekommen haben, unterscheidet sich ja möglicherweise von der Frage, wann Herr Wischnewski abgeflogen ist.
— Das kann ich genau nachprüfen. Darüber gibt es exakte Unterlagen. Jedenfalls war er rechtzeitig dort.Aber Ihre Frage zielt ja auf etwas völlig anderes, und das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen: Niemand, der nicht islamischen Glaubens ist, hatte Gelegenheit, an den Beerdigungsfeierlichkeiten teilzunehmen. Das ist das wirkliche Problem, das man durch scharfes Nachdenken lösen kann. Wir haben durch Beileidsbesuche unsere Anteil-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11379
Staatsminister Moerschnahme zum Ausdruck gebracht, weil wir wußten, daß wir an den Trauerfeierlichkeiten als nichtmoslemische Nation nicht direkt teilnehmen können. Das ist übrigens weltbekannt gewesen — auch den Amerikanern. Insofern ändert sich an der unseren Interessen entsprechenden Vertretung überhaupt nichts. In der arabischen Welt wurde auch durchaus empfunden, daß die Bundesrepublik Deutschland angemessen vertreten gewesen ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs soll auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wird von der Bundesregierung, so wie bei den Verhandlungen mit Chile der „Komplex der Menschenrechte" behandelt werden soll, auch bei den Verhandlungen mit der Volksrepublik Polen über ein Sozialversicherungsabkommen und einem Finanzkredit der „Komplex der Menschenrechte" vor allem der Deutschen jenseits von Oder und Neiße behandelt werden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung steht mit der polnischen Regierung gegenwärtig nur in Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen. Es handelt sich hierbei um ein Fachabkommen, bei dem es darum geht, Fachfragen auf dem Gebiet der Sozialversicherung im Interesse beider Länder zu regeln. Generell ist die Bundesregierung in allen Gesprächen mit der polnischen Regierung um eine Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen und um Lösungen für einzelne Probleme bemüht, die den Anliegen der Menschen in den beiden Ländern dienen. Das gilt insbesondere auch für die Probleme, die Sie in Ihrer Frage angesprochen haben.
Zusatzfrage.
Kann ich daraus schließen, Herr Staatsminister, daß auch jetzt bei den Verhandlungen über das Sozialversicherungsabkommen die menschenrechtlichen Probleme unsererseits mit eingeführt werden?
Herr Abgeordneter, die Tatsache, daß man bei Sozialversicherungsverhandlungen über die Rechte von einzelnen Menschen spricht, beantwortet Ihre Frage.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie werden mir wohl darin zustimmen, daß es hier ja nicht um die Rechte einzelner geht, soweit wir informiert worden sind, sondern auf Grund der Vorstellungen der anderen Seite leider um eine pauschale Zusicherung von Sozialrentenleistungen. Wäre es da nicht angebracht, nachher dann auch pauschal über die Problematik der Menschenrechte
zu sprechen, wie das hier bei Verhandlungen gegenüber Chile als „menschenrechtlicher Komplex" angedeutet worden ist?
Herr Abgeordneter, zunächst muß ich darauf aufmerksam machen, daß damals — ich habe das noch einmal nachgeprüft — ein nicht ganz paraleller Tatbestand vorlag. Im Falle Chiles ging es um bestimmte Probleme, die mit einem Finanzkredit zusammenhingen, nicht um Rechtsfragen, die aus der Sozialversicherung herrühren. Aber Sie können grundsätzlich davon ausgehen, daß in allen Gesprächen politischer Art, die wir führen, der Zusammenhang dieser Beziehungen hergestellt ist und dabei auch die Frage, die Sie erwähnt haben, selbstverständlich eine ganz wichtige Rolle spielt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Czaja.
Kann ich, Herr Staatsminister, Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung entschlossen ist, bei den Abkommen über Rentenfragen die individuellen Leistungsansprüche der deutschen Sozialversicherung im Sinne der Grund- und Menschenrechte zu gewährleisten und dabei keine Rechtsposition der Deutschen oder Deutschlands zu mindern?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat den Auswärtigen Ausschuß — ich nehme an, Sie waren damals anwesend — genau über die Ausgangsposition bei den Verhandlungen informiert. Ich brauche das hier, glaube ich, deswegen nicht zu wiederholen.
— Ich verweise auf diese Unterrichtung. Ich bin jetzt nicht in der Lage, auf Grund einer Zusatzfrage, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage steht, Einzelheiten dieser Verhandlungen hier mitzuteilen. Dann müßte ich bitten, eine eigene Frage zu stellen.
Ich rufe die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Äußerungen des stellvertretenden ZK-Mitglieds Ryszard Wojna, daß die Zusage des polnischen Außenrninislers Olszowski vom Dezember 1973, es würden 1974 50 000 Menschen aussiedeln können, „einfach nicht wahr ist", nachdem sie selbst vor der Öffentlichkeit und danach im Deutschen Bundestag die polnische Zusage wiederholt bestätigt hat?
Über die Ergebnisse der Gespräche zwischen den Außenministern Olszowski und Scheel wurde die Öffentlichkeit in einer gemeinsamen Pressekonferenz der Sprecher beider Delegationen am 7. Dezember 1973 unterrichtet. Der Text dieser Verlautbarung war zwischen der deutschen und der polnischen Delegation abgestimmt. Aus ihm geht hervor, daß die in Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, zitierte Äußerung nicht dem Sachverhalt entspricht.
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11380 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatsminister, was hat nun die Bundesregierung ihrerseits getan, bevor die Möglichkeit zur Antwort in der Fragestunde gegeben worden ist, der polnischen Regierung deutlich zu machen, daß hier ein Widerspruch zwischen der Aussage des stellvertretenden ZK-Mitglieds Ryszard Wojna und der Presseverlautbarung vom 7. Dezember 1973 vorliegt?
Die Bundesregierung hat in einem Gespräch — ich selber habe es kürzlich mit einem Vertreter der Volksrepublik Polen geführt — auf die Position hingewiesen, die ich soeben in diesem Zusammenhang dargelegt habe.
Eine weitere Zusatzfrage.
Es steht also fest, Herr Staatsminister, daß die Bundesregierung nach wie vor davon ausgeht, daß es eine polnische Zusage, im Jahre 1974 könnten 50000 Menschen aussiedeln, gegeben hat?
Herr Abgeordneter, ich habe diese Frage hier sehr präzise beantwortet. Ich habe keine neuen Tatbestände hier mitzuteilen. Aber ich möchte doch nicht versäumen, den von Ihnen zitierten Publizisten — diese Berufsbezeichnung ist mir von der polnischen Seite ausdrücklich genannt worden — aus einer Fernsehdiskussion zu zitieren — ich glaube, das war in der Sendung „Kontrovers" im ZDF —, wo er auf die gleiche Frage, die ihm Herr NielsenStokkeby gestellt hatte, oder auf eine ähnliche Frage zu dem Gesamtkomplex sagte: Jedenfalls ist die Frage nicht gelöst; das gebe ich Ihnen zu, und das bleibt auf dem Tisch. — So Herr Wojna. Sie mögen also die Zitate nach Belieben wählen.
— Ja!
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Bedeutet Ihre Antwort jetzt, daß Herr Wojna nicht bestritten hat, daß 1974 — darum geht es — 50 000 Aussiedler kommen?
Herr Abgeordneter, ich habe versucht, den Text, der der Frage des Herrn Kollegen Dr. Hupka zugrunde lag, daraufhin abzuklopfen, ob etwa das, was Sie eben gesagt haben, der Inhalt gewesen sei. Ich muß Ihnen sagen: Man muß hier jedes Wort sehr genau prüfen. Ganz offensichtlich ist das, was der Kern der Sache war, so nicht in Frage gestellt worden. Die Frage war, welche Formalität es gegeben hat, aber
nicht welche Essenz. Sonst wäre ja auch diese Bemerkung von Herrn Wojna in der Fernsehdiskussion vom 3. April so nicht zu verstehen gewesen. Sie haben sicher das ganze Manuskript vorliegen. Sie haben auch Gelegenheit gehabt, diese Unterlagen auszuwerten. Ich brauche also lediglich darauf zu verweisen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wende.
Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß sich die Lösung des Problems des Wiederauflebens der Ausreise aus der Volksrepublik Polen nach der Bundesrepublik Deutschland weniger von unserer Seite aus durch Verhandlungen innerhalb der Fragestunde des Deutschen Bundestages beschleunigen läßt als durch Verhandlungen der Regierungen untereinander? Und können Sie gegebenenfalls Auskunft darüber geben, welche Vorstellungen die Regierung in dieser Frage hat?
Was die Vorstellungen der Bundesregierung betrifft, so haben wir die Meinung deutlich geäußert und nicht aufgehört, sie zu äußern, daß eine befriedigende Regelung dieses Problems eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine künftige gute Entwicklung unserer Beziehungen darstellt. Wieweit die Aufrollung des Problems in der Fragestunde von verschiedenen Seiten her den Betroffenen am Ende zuträglich ist, ist eine Bewertungsfrage, die jeder mit sich selber ausmachen muß.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kliesing.
Herr Staatsminister, wird sich die Bundesregierung bemühen, in Brüssel zu erfahren, was Herr Tindemans in dieser Angelegenheit aus Warschau mitgebracht hat, weil es mir interessant erscheint, daß hier, wenn man den Pressemeldungen Glauben schenken darf, jetzt die Frage der Rücksiedlung nicht mehr den bekannten polnischen Forderungen nach Wiedergutmachung und Kredithilfe gegenübergestellt ist, sondern nach der in der Presse enthaltenen Darstellung des polnischen Standpunktes von der polnischen Regierung zusätzlich als drittes Hindernis auf dem Wege zur Normalisierung angesehen wird?
Die Bundesregierung hat nicht nur Pressemeldungen dieser Art zur Kenntnis genommen, sondern sie hat bei den sehr guten Beziehungen, die wir zur belgischen Regierung unterhalten, auch Gelegenheit gehabt, von der belgischen Seite über den Sachverhalt unterrichtet zu werden.
Keine Fragen mehr.Die Frage 112 des Abgeordneten Jäger (CDU/CSU) soll auf Bitte des Fragestellers schrift-
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Vizepräsident Frau Funckelieh beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe auf die Frage 113 des Abg. Engelsberger:Wie beurteilt die Bundesregierung das Umfrageergebnis des amerikanischen Harris-Instituts vom Dezember vergangenen Jahres, daß bei einer Besetzung West-Berlins durch sowjetische Truppen nur noch 34 % sich für, aber 43 % gegen ein militärisches Eingreifen der USA aussprechen und im Falle eines Angriffs auf West-Europa die Erfüllung der amerikanischen NATO-Verpflichtung nur noch von 39 % befürwortet, jedoch von 41 % der Befragten abgelehnt wird, und muß, falls die US-Regierung dieses Umfrageergebnis zur Grundlage ihrer zukünftigen Politik machen sollte, nicht eine unmittelbare Gefährdung der Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland befürchtet werden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung geht — um mit dem letzten Teil Ihrer Frage zu beginnen — ganz gewiß nicht davon aus, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Meinungsforschungsinstituten gelieferte Umfrageergebnisse zur Grundlage ihrer Außenpolitik machen wird. Die Entschlossenheit der amerikanischen Regierung, an ihren Verpflichtungen in und für Europa festzuhalten, steht außer Zweifel.
Die Schicksalsgemeinschaft, zu der sich die Verbündeten in der Erklärung von Ottawa aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Atlantischen Bündnisses erneut bekannt haben, beruht vor allem auch auf der Erkenntnis, daß die gemeinsame Verteidigung unteilbar ist. So bekräftigten die Vereinigten Staaten in Ottawa die Entschlossenheit — ich zitiere —,
„keine Situation hinzunehmen, in der ihre Verbündeten einem politischen oder militärischen Druck von außen ausgesetzt wären, durch den sie ihre Freiheit einbüßen könnten, und erklären, daß sie entschlossen sind, zusammen mit ihren Verbündeten Streitkräfte in Europa auf dem Stand zu unterhalten, der erforderlich ist, um die Glaubhaftigkeit der Abschreckungsstrategie zu erhalten und die Fähigkeit zur Verteidigung des nordatlantischen Gebietes zu bewahren, wenn die Abschreckung versagen sollte."
Daß diese Entschlossenheit ungeachtet gelegentlicher isolationistischer Tendenzen in der öffentlichen Meinung der USA fortbesteht, wurde in den letzten Tagen von Präsident Ford ebenso klargestellt wie von den Fraktionsvorsitzenden der beiden Parteien im Senat, den Senatoren Humphrey und Scott, die letzte Woche in Bonn und Berlin zu Besuch waren. Senator Scott wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, daß Meinungsumfragen wie die des Harris-Instituts sozusagen in einem Vakuum stattfänden. Sollten die Schlagzeilen morgen von einer konkreten Gefährdung Berlins sprechen, würde eine Meinungsumfrage nach Ansicht von Senator Scott eine Mehrheit von 70 bis 80 O/0 für die Unterstützung Berlins ergeben. Ich habe dieser Meinungsäußerung von Senator Scott nichts hinzuzufügen.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist die öffentliche Meinung in den Vereinigten
Staaten nicht doch als ein Gradmesser für eine im Ernstfall einzunehmende Haltung zu bewerten, und muß nicht gerade die in den letzten Jahren vom Westen betriebene Entspannungspolitik dafür verantwortlich gemacht werden, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, die weltweite kommunistische Aggressionspolitik sei durch diese Haltung abgebaut worden?
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß Sie in einer nicht zutreffenden Weise Zusammenhänge herstellen. Zunächst einmal dies: Was ist die öffentliche Meinung? Die Antwort darauf werden sicherlich nicht Meinungsforschungsinstitute geben können. Darüber gibt es Doktorarbeiten, die auch keine genaue Antwort geben. Tatsache ist, daß in den Vereinigten Staaten etwa einmal 70 oder 75 % der gemessenen Zeitungsauflage für einen Präsidenten namens Dewey eingetreten sind; daraufhin wurde Truman gewählt. Das heißt, Meinungsäußerungen in der amerikanischen Presse beispielsweise, die man bei uns landläufig als öffentliche Meinung bezeichnet, haben nichts mit der politischen Verantwortlichkeit Amerikas in solchen Fragen zu tun. Wenn ein amerikanischer Senator die Dinge so anders bewertet als Sie es in Ihrer Frage dargestellt haben, dann halte ich ihn, was die amerikanische innere Politik betrifft, für sachkundig genug, um ihm glauben zu wollen.
Eine Zusatzfrage noch.
Herr Staatsminister, darf ich, nachdem Sie den amerikanischen Meinungsumfragen keine Bedeutung zumessen, wenigstens die Frage stellen, warum Sie sich und Ihre Regierung dann jeweils auf deutsche Meinungsumfragen zu bevorstehenden Landtagswahlen beziehen?
Weil die gelegentlich mit den Ergebnissen übereinstimmen.
Die Tatsache, daß der amerikanische Senator selbst gesagt hat — und das bitte ich doch zu beachten; es lohnt sich schon, solchen Meinungsäußerungen amerikanischer Senatoren zuzuhören —, diese von ihm zitierte Umfrage habe in einem Vakuum staatgefunden, hätte also nicht auf einer realen und realistischen Fragestellung beruht — und etwas anderes kann es doch nicht sein —, zeigt doch genügend, um Was es sich handelt. Ich will Ihnen sagen, Herr Abgeordneter, um was es geht: Es geht darum, daß Sie Ihr allgemeines Zutrauen zu Meinungsumfragen in diesem Punkt relativieren sollten; denn Sie haben in den ganzen Berichten über diese Harris-Umfrage ja nicht gelesen, wie die Fragestellung gelautet hat. Wenn man eine Meinungsumfrage bewerten will, muß man zunächst einmal die Fragestellung kennen. Jedermann weiß, daß man auf die Frage, wieviel Packungen Zigaretten jemand in der letzten Woche gekauft hat, möglicherweise eine zutreffende Ant-
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11382 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Staatsminister Moerschwort erhält. Aber wenn Sie jemanden fragen, was er beispeilsweise im persönlichen Leben nach Ablauf eines Jahres tun wird, dann — das werden Sie mir zugeben — ist in der betreffenden Antwort ein sehr großer Unsicherheitsfaktor enthalten. Genau das ist hier der Fall gewesen. Es ging nämlich um die Frage: Was wäre, wenn? Eine hypothetische Frage kann ein Meinungsforschungsinstitut genausowenig klären wie eine Bundesregierung.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt.
Herr Staatsminister, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Antwort gerade auf diese Fragestellung zum jetzigen Zeitpunkt unter den gegebenen Bedingungen in den Vereinigten Staaten nur einen höchst fragwürdigen Wert haben kann, ganz zu schweigen davon, wie das Ergebnis ausfallen würde, wenn man die gleichen Fragen in der Bundesrepublik Deutschland stellte?
Herr Abgeordneter, ich stimme Ihnen insofern zu, als ich sage: Zwischen den Absichten von Fragestellern und den Wirkungen, die sie erzielen, kann möglicherweise ein großer Unterschied bestehen.
Keine weitere Frage. Ich rufe die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:
Ist die Bundesregierung bereit, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln gegen die Art und Weise zu protestieren, in der kommunistische Streitkräfte unter Bruch vertraglicher Abmachungen Südvietnam überfallen und unter dessen Bevölkerung unübersehbares Leid verursachen?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat immer die Anwendung von Gewalt als Mittel zur Lösung politischer Probleme abgelehnt. Sie geht dabei von der Überzeugung aus, daß sich politische Konflikte wirksam und endgültig nur mit friedlichen Mitteln lösen lassen. Diesen Standpunkt hat sie in bezug auf die Ereignisse in Südvietnam in Erklärungen vom 8. Januar und 21. März 1975 — und übrigens gestern noch einmal hier durch den Bundesaußenminister — bekräftigt. Darin kam auch ihre Besorgnis und Anteilnahme mit dem Leid zum Ausdruck, das die jüngsten militärischen Ereignisse bei der südvietnamesischen Bevölkerung verursacht haben. Die Rüge eines Bruchs der Pariser Verträge ist in erster Linie Angelegenheit der Vertragspartner. Die Bundesregierung bedauert, daß die dort enthaltenen Bestimmungen nicht eingehalten worden sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Ihre Darstellung eine korrekte Ergänzung der Erklärungen ist, die der Herr Außenminister gestern abgegeben hat, der allerdings zu dieser Frage meines Wissens nicht Stellung genommen hat?
Er hat dazu Stellung genommen, soweit ich mich erinnern kann, und ich habe hier versucht, eine Kurzfassung der Darstellung zu geben, was sicher nach der Geschäftsordnung etwas ungewöhnlich ist. Aber das war eine Streitfrage, und deswegen wurde die Frage heute aufgerufen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, hält die Bundesregierung eine Verurteilung des Waffenstillstandsbruchs bzw. des Gewaltverzichtsbruchs durch kommunistische Kräfte in Vietnam nicht auch deshalb für notwendig, weil ein stillschweigendes Hinnehmen dieser Vorgänge das den Ostverträgen und jetzt ja auch der KSZE zugrunde liegende Prinzip des Gewaltverzichts aushöhlen und entwerten würde sowie sich zu einem bloßen Täuschungsmanöver entwickeln ließe?
Zunächst, Herr Abgeordneter, darf ich mich sehr dafür bedanken, daß Sie — das geht aus der Fragestellung hervor — offensichtlich ausdrücklich von dem Wert der abgeschlossenen und in Aussicht genommenen Vereinbarungen ausgehen, indem Sie diese Fragestellung hier so intensiv vorbringen.
Ich darf hier nur wiederholen, daß in erster Linie die Vertragspartner gehalten sind, sich zu dieser Frage zu äußern. Da es sich zum Teil um unsere Bündnispartner handelt, glaube ich, daß es nicht richtig wäre, wenn sich die Bundesregierung zu einem Vorgang äußerte, in dem aktiv legitimiert eigene Bündnispartner sind. Ich glaube, daß das ein Gegenstand der Beratung im Bündnis insgesamt sein wird. Dann wird die Bundesregierung zu entscheiden haben, in welcher Form sie gemeinsam mit den Bündnispartnern Stellung nimmt.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Herr Staatsminister, da in der Frage von dem unübersehbaren Leid der Bevölkerung die Rede ist und die Bundesregierung gestern hier ausdrücklich unsere deutsche Bevölkerung zur Hilfe aufgerufen hat, darf ich Sie fragen: Ist zu erwarten, daß die Bundesregierung über diesen allgemeinen Appell hinaus den vielen, die spontan helfen wollen, konkret sagt, wie sie helfen können, insbesondere welche Möglichkeiten bestehen, Kinder aus diesen Ländern entweder zu adoptieren oder zeitweise aufzunehmen? Wie beurteilt die Bundesregierung die entsprechenden Überlegungen des Roten Kreuzes? Ist damit zu rechnen, daß die Bundesregierung dazu endlich konkret Aussagen macht?
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11383
Herr Kollege, es tut mir leid, aber diese Frage war Inhalt eines gestrigen Tagesordnungspunktes. Nach den Richtlinien für die Fragestunde kann sie hier nicht noch einmal behandelt werden. Die Frage, die ursprünglich gestellt war, hatte einen anderen Inhalt. Ich bitte, von der Beantwortung abzusehen. Aus den gleichen Gründen ist die Frage 115 heute nicht zugelassen.
Die Fragen 116 und 117 sollen auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 118 des Herrn Abgeordneten Höcherl auf:
Warum ist die Bundesregierung der Meinung, daß der Vorschlag von Breschnew zur KSZE erwägenswert ist?
Herr Kollege, ich nehme an, daß Sie sich in Ihrer Frage auf den Vorschlag von Generalsekretär Breschnew zum Abschluß der KSZE beziehen. Die Bundesregierung hat sich wiederholt für eine Lösung noch offener Fragen und eine möglichst rasche Beendigung der Konferenzarbeiten ausgesprochen. Es ist selbstverständlich, daß sie alle Vorschläge prüft und in Erwägung zieht, die in diesem Zusammenhang von anderen Regierungen gemacht werden, also auch den Vorschlag von Generalsekretär Breschnew.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, sind schon jetzt ausreichende Garantien erkennbar, daß in der deutschen Optionsfrage und in der Frage der humanitären Regelungen Ausreichendes für uns erreicht wird?
Herr Abgeordneter, ohne daß ich jetzt in der Öffentlichkeit auf Einzelheiten des Konferenzstandes eingehe — dafür haben Sie sicherlich Verständnis —, kann ich Ihnen sagen, daß es den erklärten Willen der Staaten gibt, mit denen wir freundschaftlich und eng vertraglich verbunden sind, nur einem Abschluß der Konferenz zuzustimmen — einem entsprechenden Abschlußprotokoll oder wie immer man das am Ende nennen wird —, der die Kriterien erfüllt, welche die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU als notwendige Kriterien erklärt hat.
Es gibt Hinweise darauf, daß wir in jüngster Zeit diesem unserem Ziel in wesentlichen Fragen ein erhebliches Stück nähergekommen sind. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und der in Ihrer Frage angesprochenen Meinungsäußerung von sowjetischer Seite ist offensichtlich.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, kann ich davon ausgehen und Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung nicht zustimmen würde,
wenn keine ausreichenden Sicherheiten in diesen beiden Punkten erreicht werden können?
Herr Abgeordneter, ich kann exakt das bestätigen, was die Bundesregierung zum wiederholten Male hier gesagt hat. Die Bundesregierung hat ihre Meinung nicht geändert. Es ist ihr vielmehr gelungen — ich nehme an, daß das auch von oppositioneller Seite in diesem Hause noch gewürdigt werden wird —, in wesentlichen Punkten andere von der Richtigkeit ihres Standpunktes zu überzeugen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß neuerliche Versuche der östlichen Presse, Vertreter der Bundesregierung und den deutschen Verhandlungsleiter in Genf gegeneinander auszuspielen, einem schnellen Abschluß der Verhandlungen in Genf nicht förderlich sind?
Herr Abgeordneter, man soll Äußerungen dieser Art, die gelegentlich auch „Begleitmusik" genannt werden, nicht überbewerten. Die gute Kondition, die unsere Verhandler in diesen Dingen bewiesen haben, läßt sich durch solche Äußerungen keineswegs stören. Ich bitte, diese Kondition auch im Bundestag an den Tag zu legen.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 119 ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 120 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Trifft die Meldung der „Welt" vom 29. März 1975 zu, im NATO-Hauptquartier Europa-Mitte sei deutscherseits darauf verzichtet worden, den 17. Juni in die für 1975 gültige Liste der nationalen Fest- und Feiertage der Bündnispartner aufzunehmen, und wie rechtfertigt die Bundesregierung — bejahendenfalls — dies angesichts der geltenden Rechtslage?
Herr Abgeordneter, die Meldung, die in ähnlicher Form zuvor schon von einer Tageszeitung in Berlin — „Berliner Morgenpost" — veröffentlicht wurde, traf zunächst insofern zu, als der 17. Juni in der Feiertagsliste des NATO-Hauptquartiers Europa Mitte in Brunssum nicht aufgeführt war. Es handelte sich dabei um ein Büroversehen, das sofort korrigiert wurde. In der für 1975 gültigen Liste erscheint der 17. Juni als Feiertag. Eine Antwort auf den zweiten Teil der Frage erübrigt sich somit.
Ich möchte ergänzen, daß die eingangs genannte Zeitung in Berlin unter der Überschrift „Kein Verzicht auf den 17. Juni" bereits eine Richtigstellung veröffentlicht hat.
Keine Zusatzfrage.
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11384 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Vizepräsident Frau FunckeDie Fragen 121 und 122 sind nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde nicht zulässig, weil sie gestern inhaltlich behandelt wurden.Ich rufe die Frage 123 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:Ist die Bundesregierung bereit, in Erfüllung der vollständigen Auskunftspflicht bei der Verfolgung fundamentaler persönlicher Rechte gegenüber den Angehörigen von über 300 000 bisher nicht berücksichtigten deutschen Aussiedlungsbewerbern und in Wahrung des menschenrechtlichen Mindeststandards dieser Deutschen eindeutig und vollständig die Zusicherungen des polnischen Außenministers Olszowski vom Dezember 1973 zur teilweisen Erfüllung der „Information über die Familienzusammenführung" bekanntzugeben, und betrachtet die Bundesregierung diese „Information" auch weiterhin als wirksame Grundlage für die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen und völkerrechtskonformen Schutzpflicht für die betroffenen Deutschen und ihre Grundrechte?
Herr Abgeordneter, zum ersten Teil Ihrer Frage nehme ich Bezug auf die mit der polnischen Delegation abgestimmte Presseerklärung, mit der die Öffentlichkeit am 7. Dezember 1973 unterrichtet wurde.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die „Information der Regierung der Volksrepublik Polen" die Grundlage der Lösung des Problems der Umsiedlung bildet.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wenn also gemachte Zusagen zur Durchführung der „Information" zur Familienzusammenführung, die in Übereinstimmung formuliert sind, nunmehr bereits für 1974 bestritten und die Aussiedlungsanträge praktisch nicht erfüllt worden sind, hat dann diese Vertragsgrundlage noch eine praktische Wirksamkeit für die Wahrnehmung der Schutzpflicht?
Herr Abgeordneter, ich habe hier dargelegt, daß die Bundesregierung keinen Grund hat, von sich aus Erklärungen, die die andere Seite mit uns abgestimmt hat, in Frage zu stellen. Insofern beantwortet sich Ihre Frage.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wenn aber auch die tatsächlichen Aussiedlungsanträge nicht erfüllt werden, frage ich Sie: Warum kündigt die Bundesregierung dem Vertragspartner nicht jene legalen Folgen für den Fall des Vertragsbruchs an, die sie dem Bundestag und dem Bundesrat für den Fall angekündigt hat, daß sie ihre verfassungsrechtliche Schutzpflicht nicht mehr erfüllen kann?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat hier wiederholt dargelegt, daß sie alle möglichen Konsequenzen prüft. Die Bundesregierung ist zu der Meinung gekommen, daß es im Interesse der Betroffenen nicht sinnvoll sei, hierzu heute weitere Ausführungen zu machen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Arndt.
Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß sowohl der Rechtsausschuß des Bundestages als auch der des Bundesrates genau das Gegenteil von dem getan haben, was der Herr Kollege Czaja hier soeben gesagt hat, nämlich eine solche Feststellung ausdrücklich abgelehnt haben?
Herr Abgeordneter, ich habe ja nicht die Richtigkeit der Frage des Herrn Kollegen Czaja bestätigt — das würde immer sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, das im einzelnen darzulegen —, sondern ich habe lediglich den Standpunkt der Bundesregierung dargelegt. Ich muß es der Freiheit der Abgeordneten überlassen, auch subjektiv ihre Empfindungen hier wiederzugeben. Ich kann nicht in jedem Einzelfalle die Korrektur vornehmen.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, war Ihre Antwort an Herrn Kollegen Dr. Czaja so zu interpretieren, daß Sie ein Insistieren auf der „Information" zum Warschauer Vertrag für die Betroffenen nicht für sinnvoll halten? Das Wort „sinnvoll für die Betroffenen" haben Sie selber gebraucht.
Herr Abgeordneter, Sie können nicht aus etwas, was ich nicht gesagt habe, eine solche Folgerung ableiten. Ich habe diesen Zusammenhang, den Sie hergestellt haben, nicht hergestellt. Wenn das so verstanden worden sein sollte, dann wäre das ein Mißverständnis gewesen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 124 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Welche Tragweite für die Rechtslage, insbesondere bezüglich des deutschen Auslandsvermögens und der für Reparationen erfaßten Gegenstände, haben nach der Rechtsauffassung der Bundesregierung die Vorschriften des Artikels 2 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrags über die weitere Geltung des Gesetzes Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission, insbesondere seines Artikel 4 sowie des „Verzeichnisses"?
Herr Abgeordneter, durch Art. 2 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages ist das Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission teilweise geändert, im übrigen aber der sonst für das Besatzungsrecht geltenden freien Dispositionsbefugnis des deutschen Gesetzgebers entzogen worden. Ebenso ist gemäß Satz 1 des Art. 2 das Kontrollratsgesetz Nr. 5 der Disposition des deutschen Gesetzgebers entzogen worden, soweit es noch in Wirksamkeit bleibt. Der Zusammenhang zwischen dem Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission und dem Kontrollratsgesetz Nr. 5 ist für die Beantwortung Ihrer Frage wichtig.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11385
Staatsminister MoerschDas Kontrollratsgesetz Nr. 5 vom 30. Oktober 1945 hatte in seinen Art. II und III das deutsche Auslandsvermögen auf eine interalliierte Kommission übertragen. Diese Bestimmungen waren durch Art. 5 des Gesetzes Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außer Wirksamkeit gesetzt worden, soweit sie sich nicht auf Vermögensrechte bezogen, die sich in Staaten befanden, die in einem Verzeichnis zu diesem Gesetz aufgeführt wurden.Mit diesem Verzeichnis stellte die Alliierte Hohe Kommission klar, daß sie die im Kontrollratsgesetz Nr. 5 getroffene Regelung insoweit unberührt lassen wollte, als sie sich auf die in dem Verzeichnis aufgeführten Länder, darunter auch Polen, bezog. Dieser Vorbehalt wurde mit Rücksicht auf die Beziehungen zur Sowjetunion gemacht. Aus dem gleichen Grunde haben die Drei Mächte auch verlangt und durchgesetzt, daß in Art. 2 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages das Kontrollratsgesetz Nr. 5 im Bundesgebiet seine Wirksamkeit für die im Verzeichnis zum Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission genannten Länder nicht verliert.Art. 2 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages muß also dahin verstanden werden, Herr Abgeordneter, daß die vom Allierten Kontrollrat hinsichtlich der in dem Verzeichnis genannten Länder, soweit sie nicht inzwischen gestrichen worden sind — was für Polen nicht zutrifft —, getroffene Regelung aufrechterhalten bleibt. Ob die Übertragung der deutschen Vermögenswerte auf die inter-alliierte Kommission durch das Kontrollratsgesetz einer Enteignung gleichkam oder nur eine Beschlagnahme bedeutete, ist unter deutschen Experten strittig.Festzuhalten ist aber, daß der Sinn des dem AHK-Gesetz Nr. 63 beigefügten Verzeichnisses nicht darin bestand, die in den darin genannten Ländern glegenen Vermögenswerte von der Verzichts- und Klageausschlußklausel des Art. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages auszunehmen, sondern lediglich darin, insoweit auf das Kontrollratsgesetz zu verweisen.Ich bedauere, daß ich diesen komplizierten Sachverhalt ebenso kompliziert darstellen mußte.
Eine Zusatzfrage.
Woraus folgern Sie das letztere, was Sie soeben ausführten — den letzten Halbsatz —, da doch in Art. 4 des Gesetzes Nr. 63 Reparationsleistungen an Polen aus der Bundesrepublik Deutschland durch Auslandsvermögen ausdrücklich ausgeschlossen werden?
Herr Abgeordneter, die in der Beantwortung der Frage gezogenen Folgerungen beruhen auf den Erkenntnissen der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist Ihnen dann bekannt, Herr Staatsminister, daß im Bulletin Nr. 138 auf Seite 1269 aus dem Jahre 1952 der damalige Verhandlungsführer Professor Kaufmann ausgeführt hat, daß durch den Sechsten Teil des Überleitungsvertrags nur Einwendungen gegenüber den drei Vertragsmächten und nicht gegenüber anderen Mächten ausgeschlossen werden? Wieso hat sich die Rechtsauffassung seit damals geändert?
Herr Abgeordneter, ich bin nicht in der Lage, darauf jetzt im einzelnen einzugehen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich das nicht tue.
Der Kollege de With hat in der Fragestunde zu diesen Fragen ausführlich Stellung genommen, und er hat seine Ausführungen unter den zutreffenden Generalvorbehalt der richterlichen Entscheidung gestellt. Die Bundesregierung ist hier also lediglich eine Partei, die Meinungen äußern könnte, wie Sie Meinungen äußern können, z. B. auch Meinungen über Protokollnotizen, die ich jetzt im einzelnen nicht vor mir habe.
Da das offensichtlich gerichtlich zu klären wäre, wenn es sich als notwendig erweist, und daher die Frage, wenn sie einmal völkerrechtlich geklärt werden muß, in Friedensvertragsverhandlungen geklärt werden müßte, halte ich es nicht für richtig, daß wir im Bundestag irgendwelche Beiträge irgendwelcher Art zu Rechtsfragen leisten, die eines Tages von anderen, vielleicht im eigenen Lande, vielleicht auch im Ausland, zur Schmälerung unseres Standpunktes genutzt werden könnten. Ich bitte also um Verständnis, wenn ich von einer Vertiefung dieser Frage abrate.
Vizepräsident Frau Funcke. Keine weitere Zusatzfrage? Das war die letzte Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister Moersch.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 58 der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister auf:
Hätte die Gesamtreform des Lebensmittelrechts mit ihren zahlreichen positiven Neuerungen und erfreulichen Verbesserungen zum Schutze des Verbrauchers nicht eine hieb- und stichfestere Argumentation erfordert, als dies im Haushaltskalender 1975 und in der Antwort auf die Fragen der Abgeordneten der CDU/CSU zum Ausdruck kommt?
Frau Kollegin Dr. Neumeister, die Bundesregierung hat in der von Ihnen erwähnten Antwort auf die Kleine Anfrage darauf hingewiesen, daß es bei der notwendigen Kürze des „Haushaltskalenders" nicht möglich war, die differenzierten Regelungen des Lebensmittelrechts — ich darf ergänzend hinzufügen: damit auch die positiven Neuerungen und Verbesserungen zum Schutz des Verbrauchers — erschöpfend darzustellen. Das war auch nicht der Zweck des
11386 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Parl. Staatssekretär Zander
Haushaltskalenders. Vielmehr sollten anläßlich des Inkrafttretens des Gesetzes zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts durch den Haushaltskalender möglichst weite Bevölkerungskreise, und zwar insbesondere auch die weniger informierten Bürger unseres Landes, auf die Probleme des Lebensmittelrechts aufmerksam gemacht und Orientierungshilfen für kritisches Verbraucherverhalten gegeben werden. Das ist erreicht worden.
Eine eingehendere Darstellung der positiven Neuerungen und Verbesserungen der Gesamtreform des Lebensmittelrechts enthält die im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegebene Broschüre mit dem Titel: „Gesamtreform des Lebensmittelrechts".
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da ich im Gegensatz zur Bundesregierung nicht der Auffassung bin, daß die Fragen 11 bis 13 durch die Ausführungen zu den Fragen 3 bis 10 unserer Kleinen Anfrage beantwortet sind, erlaube ich mir, die Frage 12 noch einmal im Auszug zu stellen, und zwar: Wie lassen sich die unrichtigen Angaben im Haushaltskalender mit der in derselben Publikation von Frau Minister Focke veröffentlichten Forderung nach klarer Information des Verbrauchers vereinbaren?
Ich kann die Meinung, die in Ihrer Frage anklingt, nicht teilen, daß es sich um falsche oder unrichtige Angaben handelt. Ich bin allerdings bereit, Ihnen zu konzedieren — ich habe erklärt, woher das kommt , daß das unvollständig ist und daß es nicht möglich war, die Gesamtproblematik mit ihren vielfältigen Einzelregelungen in dieser Form eines kurzen informativen Kalenders — hier des Haushaltskalenders 1975 — darzustellen. Das war nicht möglich, das wäre eine Überforderung gewesen. Das war auch nicht beabsichtigt. Das ist an anderer Stelle geschehen. Dort ist informiert worden. Hier sind einige Aspekte für ein breites Publikum dargestellt worden, um zu kritischem Verbraucherverhalten anzuregen. Das war der Zweck. Das ist nach Überzeugung der Bundesregierung auch erreicht worden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dann darf ich Sie aber fragen, ob Sie nicht auch die Aussage für unrichtig halten, bei kosmetischen Mitteln dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, daß Erfolg mit Sicherheit zu erwarten sei, wenn Sie das mit § 27 des Lebensmittelgesetzes vergleichen, aus dem sich eindeutig ergibt, daß diese Aussage falsch ist.
Die Bundesregierung hat dies in der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage erschöpfend dargelegt. Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie im Hinblick auch auf die Einleitung, die Frau Minister Focke in diesem Haushaltskalender gegeben hat — „Damit soll der Verbraucher klarer informiert werden" —, fragen, ob die Bundesregierung nicht besser daran getan hätte, diesen Haushaltskalender nicht herauszubringen, wenn sie nicht in der Lage ist, die Kunst zu beherrschen, etwas in zwingender Kürze richtig darzustellen? Hätte sie, statt den Bürger und Verbraucher falsch zu informieren, nicht besser daran getan, es ganz bleiben zu lassen, wenn sie, wie gesagt, diese Kunst nicht beherrscht?
Herr Kollege Dr. Hammans, dies wird von den interessierten Bürgern ganz anders gesehen, und eine Fülle von Zuschriften, insbesondere von Verbrauchervereinigungen, bestätigt uns in der Annahme, daß hiermit ein Beitrag zur klareren Information geleistet worden ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 59 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Trifft die Behauptung im Haushaltskalender 1975 „Alle Lebensmittel tierischer Herkunft müssen eine unverschlüsselte Angabe des Herstellungs-, Abpack- oder Abfülldatums bzw. der Mindesthaltbarkeitsdauer nach Tag, Monat und Jahr tragen" zu, oder ist nicht vielmehr trotz Ihrer Antwort in der Drucksache 7/3321 nach wie vor richtig, daß bei manchen Lebensmitteln nur der Monat, bei anderen, z. B. Konserven, nur das Jahr notwendig ist, während zum Beispiel beim Emmentaler Käse eine Kennzeichnung überhaupt nicht erfolgen muß?
Herr Kollege Dr. Hammans, in der von Ihnen erwähnten Antwort auf die Kleine Anfrage ist zu der Frage Stellung genommen, ob alle Lebensmittel tierischer Herkunft eine unverschlüsselte Angabe des Herstellungs-, Abpack- oder Abfülldatums tragen müssen. Daß dies im Grundsatz zutrifft, wurde zu Recht festgestellt.Im Unterschied zu der Fragestellung in der Kleinen Anfrage stellen Sie nunmehr beim HerstellungsAbpack- oder Abfülldatum bzw. bei der Mindesthaltbarkeitsdauer auf Tag, Monat und Jahr ab. Hier stimmt die Bundesregierung mit Ihnen darin überein, daß die Aussagen des Haushaltskalenders in diesem Punkt nicht erschöpfend sind.Dazu muß jedoch nochmals wie auch bereits inder Antwort auf die Kleine Anfrage — darauf hingewiesen werden, daß die notwendige Kürze eines solchen Kalenders es eben nicht gestattet, die oftmals komplexen und differenzierten Regelungen im einzelnen darzustellen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11387
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir im Hinblick auf die vielen Pressemeldungen, die es wege unserer Kleinen Anfrage gegeben hat, wobei es z. B. in einer geheißen hat, unsere Kleine Anfrage habe den Fehler, nicht einmal alle Fehler aufgezeigt zu haben, der Meinung, daß man — wenn Sie jetzt, da ich nachbohre, zugeben müssen, daß doch Fehler darin sind — so etwas nicht machen kann, wenn man es nicht richtig macht? Warum sind, wie Sie jetzt zugeben müssen, in diesem Haushaltskalender doch falsche Angaben?
Herr Kollege Dr. Hammans, ich muß noch einmal betonen: Es handelt sich nicht um falsche Angaben. Es handelt sich darum, daß in einem bestimmten Punkt nicht erschöpfende Angaben in diesem Kalender enthalten sind. Dies konnte nicht anders sein, weil es nicht der Zweck war, ein gesamtes Gesetz mit dem großen Umfang und den vielen Verordnungen wie das Lebensmittelrecht auf diesen beiden Seiten zu referieren. Das konnte niemand erwarten. Hier sollten Anstöße zur weiteren Information gegeben werden, und das ist gelungen; wir haben eine Reihe von Belegen dafür, daß das auch so verstanden worden ist.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, warum wollen Sie jetzt nicht im Hinblick auf Ihre zweite Antwort zugeben, daß in diesem Haushaltskalender Fehler, wirkliche Fehler vorgekommen sind?
— Entschuldigen Sie, ich kann in der Frage jetzt natürlich nicht auf die Frage der Kollegen antworten; ich bin gern bereit, Ihnen privatissime et gratis zu erklären, wie viele Fehler darin sind. Aber, Herr Staatssekretär, wir wissen, daß auch in der Bundesregierung Menschen sind. Wäre es nicht einfacher und korrekter gewesen, zugegeben zu haben: Jawohl, es sind Fehler darin enthalten, und das soll nicht wieder vorkommen?
Herr Kollege Dr. Hammans, ich räume Ihnen gern ein, daß man insbesondere bei einer Unterrichtung breiter Bevölkerungskreise Formulierungen mit aller gebotenen Sorgfalt abfassen sollte. Wir sind der Überzeugung, daß das hier geschehen ist und daß es auch gelungen ist. Daß man natürlich immer wieder durch zusätzliche Informationen, die hierin nicht enthalten sind, den Eindruck erwecken kann, es sei nicht erschöpfend Auskunft gegeben worden, ist richtig und wird auch in dem Punkt, den Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, von uns nicht bestritten. Aber daß es sich dabei um falsche Angaben handelte, muß ich allerdings nach wie vor entschieden bestreiten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, haben Sie in der vorausgegangenen Antwort nicht in Wirklichkeit bestätigt, daß es Ihnen in erster Linie auf die propagandistische Wirkung ankommt?
Aber keineswegs! Wir haben die Bürger informieren wollen. Dies ist geschehen. Propagandistischen Zwecken dienen vielleicht ganz andere Fragestellungen in diesem Zusammenhang.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Neumeister.
Herr Staatssekretär, entschuldigen Sie, wenn ich noch einmal mit der Kosmetik komme. Aber halten Sie es nicht selbst auch für falsch, wenn der § 27 folgendermaßen interpretiert wird: „Bei kosmetischen Mitteln darf nicht der Eindruck erweckt werden, daß Erfolg mit Sicherheit zu erwarten ist", während im § 27 eindeutig steht: es darf nicht fälschlich der Eindruck erweckt werden. Ist hier nicht eindeutig eine Verunsicherung des Verbrauchers, und wird nicht der Industrie die Möglichkeit genommen, überhaupt Informationen zu geben?
Ich bin keineswegs dieser Meinung. Ich finde, daß das eine nicht zulässige Auslegung dieser verkürzten Darstellung im Kalender ist.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe Frage Nr. 60 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Trifft die Behauptung „Zugesetzte Chemikalien z. B. sind grundsätzlich anzugeben" zu, oder ist nicht vielmehr die Allgemeine Fremdstoff-Verordnung der Gegenbeweis, und ist es nicht so, daß die durch sie zugelassenen 17 Fremdstoffe nicht deklariert werden müssen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Hammans, im neuen Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz gilt der Grundsatz, daß zulassungsbedürftige Zusatzstoffe — dies sind, auf einen allgemeinverständlichen Nenner gebracht, zugesetzte Chemikalien — kenntlich zu machen sind. Das neue Gesetz baut insoweit auf den bewährten Grundsätzen und Regelungen des alten Lebensmittelgesetzes auf. Das alte Lebensmittelgesetz wie auch das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz räumen allerdings dem Verordnungsgeber die
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11388 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Parl. Staatssekretär ZanderMöglichkeit ein, Ausnahmen von dem Grundsatz der Verpflichtung zur Kenntlichmachung zuzulassen. Von dieser Ausnahmemöglichkeit hat, worauf Sie zu Recht hinweisen, der Verordnungsgeber in der allgemeinen Fremdstoffverordnung Gebrauch gemacht. Es handelt sich hierbei jedoch um Ausnahmevorschriften, die die generelle gesetzliche Verpflichtung zur Kenntlichmachung nicht beeinträchtigen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn es also doch wahr ist, daß Chemikalien in Nahrungsmitteln enthalten sein können und enthalten sind — z. B. Schwefel in Wein —, dann müssen Sie doch zugeben, daß die Information im Haushaltskalender nicht zutrifft, daß Chemikalien, die in Lebensmitteln enthalten sind, anzugeben seien?
Herr Kollege Dr. Hammans, wir halten uns am besten an den Text. Der Text sagt: „Das neue Lebensmittelrecht schützt Sie noch mehr vor schädlichen Stoffen in der Nahrung. Chemische Zusätze müssen in jedem Einzelfall genehmigt werden." Dies ist die Rechtslage.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie in dem Zusammenhang fragen, wieviel kritische Anmerkungen und Zuschriften Ihnen im Hinblick auf den Haushaltskalender zugegangen sind, die Sie uns jetzt nicht vorgezeigt haben?
Herr Kollege Dr. Hammans, außer den kritischen Fragen der Abgeordneten der Opposition und Ihrer Kleinen Anfrage? Da bin ich im Augenblick überfragt. Ich kann nicht sagen, ob wir kritische Stimmen von sonstigen Bürgern dieses Landes erhalten haben. Ich bin aber gern bereit, das zu prüfen. Nach meiner Information haben wir überwiegend nur positive bekommen. Wenn ich „überwiegend" sage, liegt darin die Einschränkung, daß ich nicht sicher bin, ob auch die eine oder andere kritische Stimme dabei ist. Dies mag durchaus sein. Ich bin gern bereit, das zu prüfen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß von Natur aus Nahrungsmittel aller Art aus chemischen Verbindungen bestehen?
Ich bin zwar kein Chemiker, aber ich glaube, ich kann Ihnen das bestätigen, Herr Kollege.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, würden Sie bestätigen, daß der Haushaltskalender in der Bevölkerung gut ankommt, und können Sie sagen, warum der Kollege Hammans, der schon zwölf Jahre diesem Parlament angehört, nicht zu der Zeit, als seine Fraktion die Regierung gestellt hat, derartige gute Informationen an die Öffentlichkeit gegeben hat?
Ich kann Ihnen den letzten Teil Ihrer Frage nicht beantworten, möchte aber bei Herrn Kollegen Dr. Hammans unterstellen, daß er seine Fragen aus Sorge darum stellt, daß die Bevölkerung in diesen Fragen sorgfältig informiert wird. Wir sind der Meinung, daß dies geschehen ist. Herr Dr. Hammans ist anderer Meinung; dies ist sein gutes Recht.
[SPD] : Damals gab
es das Lebensmittelgesetz noch nicht!)
Keine weitere Frage.
Die Fragen 61 bis 66 sollen auf Bitten der jeweiligen Fragesteller — der Abgeordneten Kiechle, Braun, Kroll-Schlüter — schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 67 des Herrn Abgeordneten Geiger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Krankenhäuser bei der Berechnung des Pflegesatzes Verwaltungskostenanteile der Gemeindeselbstverwaltung und des Oberbürgermeisters bzw. Landrats mit einbeziehen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Kollege Geiger, nach § 18 Abs. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze in Verbindung mit § 16 Abs. 1 der Bundespflegesatzverordnung werden die Pflegesätze von der nach Landesrecht zuständigen Behörde nach Anhörung der Beteiligten auf der Grundlage der Selbstkosten für jedes Krankenhaus festgesetzt. Der Bundesregierung, die mit der Festsetzung der Pflegesätze unmittelbar nicht befaßt ist, liegen Angaben zu dem in Ihrer Frage angesprochenen Sachverhalt nicht vor. Diese könnten nur durch eine Umfrage bei den für die Festsetzung der Pflegesätze zuständigen obersten Landesbehörden beschafft werden. Im übrigen geht die Bundesregierung grundsätzlich davon aus, daß durch die in der Bundespflegesatzverordnung verankerte Beteiligung von Krankenhäusern und Kostenträgern im Pflegesatzfeststellungsverfahren eine sachlich zutreffende Entscheidung der Pflegesatzbehörden gewährleistet ist.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11389
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob sichergestellt ist, daß bei der Berechnung der Pflegesätze nur verrechenbare Fakten aufgenommen werden und dies durch eine Kontrolle sichergestellt ist?
Da die Bundesregierung diese Festsetzung nicht vornimmt, kann ich nur die Vermutung äußern, daß die damit betrauten Behörden dies tun, solange nicht im Einzelfalle Belege dafür vorhanden sind, daß davon abgewichen worden ist.
Eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, läßt sich feststellen, um wieviel die Länder und insbesondere die Krankenhausträger durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz entlastet wurden?
Aber selbstverständlich. Dies ist auch bei anderer Gelegenheit hier im Deutschen Bundestag dargestellt worden. Ich habe die Zahlen im Augenblick nicht zur Hand, aber es sind beachtliche Beträge. Allgemein wird dieses Gesetz sehr positiv bewertet.
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Geiger auf:
Billigt die Pflegesatzverordnung eine solche Einbeziehung von Gehaltsteilen für den Oberbürgermeister oder Landrat?
Herr Kollege Geiger, die Bundesregierung geht davon aus, daß entsprechend den Vorschriften der Bundespflegesatzverordnung nur solche Kosten der allgemeinen Verwaltung in die Selbstkosten eines Krankenhauses eingehen können, die zum Betrieb eines sparsam wirtschaftenden Krankenhauses notwendig sind. Grundsätzlich dürfte daher die bloße Tatsache, daß es sich um ein Krankenhaus unter kommunaler Trägerschaft handelt, für die Berücksichtigung von Gehaltsbestandteilen des Oberbürgermeisters oder des Landrats als Teil der Verwaltungskosten des Krankenhauses bei der Festsetzung der Pflegesätze nicht ausreichen.
Zusatzfrage.
Würden Sie so freundlich sein und die Krankenhausträger von diesem Standpunkt unterrichten?
Kollege Geiger, ich kann Ihnen jetzt nicht zusagen, daß wir eine allgemeine in die Breite gehende Unterrichtung
zu dieser Frage vornehmen werden. Ich gehe davon aus, daß dies als die Rechtslage so erkannt wird. Wenn Sie aber spezielle Einzelfälle haben, wo eine entsprechende Vermutung Sie zu Ihrer Fragestellung veranlaßt, bitte ich doch, sie uns mitzuteilen, damit man die Dinge einmal ein bißchen näher betrachten kann.
Keine Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Metzger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Angabe des Haltbarkeitstermins bei Medikamenten, Lebensmitteln und anderen durch Lagerung im Gebrauchswert beeinträchtigten Gütern des täglichen Bedarfs nicht oder nur unzureichend vorgenommen wird, und beabsichtigt die Bundesregierung, diesen Zustand dadurch zu ändern, daß sie eine entsprechende Gesetzesinitiative ergreift?
Herr Kollege Metzger, die Angabe von Haltbarkeitsdaten bei Lebensmitteln ist in einer Vielzahl von Rechtsvorschriften, insbesondere in der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung geregelt. Die Datumskennzeichnung ist damit in erster Linie für fast alle Lebensmittel tierischer Herkunft vorgeschrieben. Darüber hinaus beabsichtigt die Bundesregierung jedoch, durch eine Änderung der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung den Kreis der Lebensmittel, bei denen eine Datumsangabe erforderlich ist, erheblich zu erweitern und künftig praktisch alle Lebensmittel zu erfassen. Ausgenommen bleiben sollen lediglich Lebensmittel, bei denen eine Datumsangabe für den Verbraucher keine Aussagekraft besitzt, wie z. B. bei Salz. Hinsichtlich der Art und Weise der Kennzeichnung soll in diesem Zusammenhang auch eine befriedigende Lösung für eine leicht lesbare und von der übrigen Beschriftung deutlich abgehobene Kennzeichnung über die Haltbarkeit von Lebensmitteln gefunden werden. Für kosmetische Mittel enthält das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz vom 15. August 1974 eine Ermächtigung, die Angabe von Daten durch eine Rechtsverordnung vorzuschreiben.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die Angabe von Haltbarkeitsterminen bei Arzneimitteln, soweit sie vorgeschrieben ist, nicht vorgenommen wird. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen sehen vor, daß bei Arzneimitteln Verfalldaten dann anzugeben sind, wenn es sich um Arzneimittel mit beschränkter Haltbarkeit handelt. Bei Arzneimitteln, die in abgabefertiger Packung in den Verkehr kommen, wird ein Verfalldatum regelmäßig dann angegeben, wenn die Haltbarkeit weniger als zwei Jahre beträgt. Das schließt eine Beanstandung durch die zuständige Behörde im Einzelfall nicht aus.
Da jedoch die Kontrolle der Haltbarkeit durch die Fachkreise wie durch den Verbraucher im Interesse einer verbesserten Arzneimittelsicherheit liegt, sieht der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts, der derzeit von den zuständigen Ausschüssen des Bundestages beraten wird, vor, daß alle Fertigarzneimittel in Zukunft mit einem Verfalldatum gekennzeichnet sein müssen.
Eine Zusatzfrage.
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11390 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Herr Staatssekretär, wann wird das Ministerium die von Ihnen soeben angekündigten ergänzenden Vorschriften vor allen Dingen im Bereich des Lebensmittelrechts vorlegen und erlassen?
Das kann ich Ihnen jetzt im einzelnen nach den mir vorliegenden Informationen nicht sagen, weil es sich um mehrere Verordnungen, um mehrere Regelungen, handelt. Ich bin aber gern bereit, die Daten zusammenstellen und sie Ihnen schriftlich zugehen zu lassen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 70 des Abgeordneten Dr. Schwörer soll auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir am Ende der Fragen aus Ihrem Ressort. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Vahlberg auf:
Welche Rechts- bzw. Betriebsvorschriften sollen sicherstellen, daß an beschrankten und unbeschrankten Bahnübergängen keine Objekte die Sicht des Wegebenutzers behindern?
Frau Präsident, Herr Kollege, Vorschriften über Sichtflächen an Bahnübergängen von Bahnen des öffentlichen Verkehrs enthält die Eisenbahn-Bau-
und Betriebsordnung, die sogenannte EBO, als Rechtsverordnung der Bundesregierung, die mit Zustimmung des Bundesrates ergangen ist. Diese Verordnung unterscheidet zwischen technisch gesicherten Bahnübergängen — Sicherung durch Blinklichter, Lichtzeichen, auch in Verbindung mit Halbschranken und Schranken -- und nichttechnisch gesicherten Bahnübergängen, nämlich Sicherung durch die Übersicht auf die Bahnstrecke und akustische Signale. Die EBO schreibt für die technisch gesicherten Bahnübergänge aus einer Reihe von Gründen kein Freihalten von Sicherheits- oder Sichtflächen vor. Auch das Eisenbahn-Kreuzungsgesetz geht in § 3 davon aus, daß an technisch gesicherten Bahnübergängen keine Sichtflächen vorzuhalten sind. Bei nichttechnisch gesicherten Bahnübergängen wird die Übersicht auf die Bahn in der Regel verlangt. Die Größe der freizuhaltenden Sichtflächen richtet sich nach den zugelassenen Geschwindigkeiten von Schiene und Straße.
Die Deutsche Bundesbahn hat innerdienstlich angeordnet, daß bei den fristgemäßen Überprüfungen aller Bahnübergänge u. a. darauf zu achten ist, daß leicht zu beseitigende Sichtbehinderungen auf Bahngebiet sofort entfernt werden. Weiter sind Anleitungen gegeben, wie bei der Ausgestaltung von Bauten und Reklamen in der Nähe von Bahnübergängen sichergestellt werden kann, daß Beeinträchtigungen in der Wirkung der Verkehrszeichen und Sicherungseinrichtungen vermieden werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung z. B. angesichts des Eisenbahnunglücks in München-Allach die Auffassung aufrecht, daß es an technisch gesicherten Bahnübergängen nicht erforderlich ist, darauf zu achten, daß keine Objekte die Sicht des Wegebenutzers behindern?
Wir überprüfen laufend das, was der Bundesbahnvorstand im Sicherheitsbereich tut. Im Augenblick ergeben sich keine Konsequenzen. Ich werde darauf noch in der Beantwortung Ihrer zweiten Frage zurückkommen.
Gut, dann rufe ich die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Vahlberg auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß an dem Bahnübergang München-Allach zum Zeitpunkt des Eisenbahnunglücks vom 7. März 1975 große sichtbehindernde Werbetafeln angebracht waren, und trifft es zu, daß an vielen weiteren beschrankten und unbeschrankten Bahnübergängen in der Bundesrepublik Deutschland Werbetafeln aufgestellt sind, und wenn ja, welche Konsequenzen wird die Bundesregierung daraus ziehen?
Am Bahnübergang in München Allach steht parallel zu den Gleisen in einer Entfernung von 30 m vom Bahnübergang eine Werbetafel in der Größe 2,8X 7,6 m. Die Deutsche Bundesbahn teilt mir auf Grund einer örtlichen Prüfung mit, daß diese Werbetafel für den Bahnübergangsbenutzer keine Sichtbehinderung darstellt.
Auskunft darüber, ob es zutrifft, daß an vielen weiteren beschrankten und unbeschrankten Bahnübergängen der Bundesrepublik Werbetafeln aufgestellt sind, kann die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geben.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, einer Notiz in einer Münchener Tageszeitung habe ich entnommen, daß die Bundesbahn für aufgestellte Werbetafeln, so z. B. in München, 1 500 DM pro Jahr kassiert. Wenn dies der Fall ist, dann löst das doch einen Buchungsvorgang aus. Wenn also an weiteren Bahnübergängen Werbetafeln aufgestellt sind, muß es doch möglich sein zu ermitteln, an wie vielen dies der Fall ist.
Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, Ihnen konkrete Angaben über
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11391
Parl. Staatssekretär Haardie Zahl derartiger Werbetafeln zu machen. Wenn Sie Angaben darüber wünschen, lassen wir das über den Vorstand ermitteln, der die einzelnen Bundesbahndirektionen erfassen muß, und werden Ihnen diese Mitteilung gern schriftlich zugehen lassen.
Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, daß Werbetafeln aufgestellt werden, für die Geld kassiert wird und die unter Umständen — so jedenfalls in München — eine sichtbehindernde Wirkung für die Wegebenutzer haben?
Ich darf noch einmal betonen, daß nach erneuter Überprüfung durch Sicherheitsbeamte der Bundesbahn selbst, die ja in eigener Verantwortung handelt und auch derartige Entscheidungen trifft, eine Sichtbehinderung an dieser Stelle nach Auskunft der Fachleute, die das geprüft haben, nicht festzustellen war.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 73 soll auf Bitte des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Flämig, schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 74 des Herrn Abgeordneten Schmidt. — Der Herr Kollege ist nicht im Raum. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Halt es die Bundesregierung für vertretbar, daß selbständige Fahrlehrer nach § 6 Abs. 2 des Fahrlehrergesetzes täglich nur 480 Minuten praktischen Fahrunterricht erteilen dürfen und Fahrlehrer in einem Nebenbeschäftigungsverhältnis nach ihrem AchtStunden-Arbeitstag unbeschränkt weitere praktische Fahrstunden erteilen können?
Herr Kollege, Fahrlehrer in einem Nebenbeschäftigungsverhältnis dürfen nach dem Acht-StundenArbeitstag nicht unbeschränkt weitere praktische Fahrstunden erteilen. Für sie gilt die Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938, die die tägliche Arbeitszeit grundsätzlich auf acht Stunden mit der Verlängerungsmöglichkeit bis zu zehn Stunden festlegt. Die Beschäftigungszeiten mehrerer Arbeitsverhältnisse sind dabei zusammenzurechnen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Zu welchem Zeitpunkt rechnet die Bundesregierung mit der Freigabe der gesamten Strecke der neuen linksrheinischen Autobahn ?
Herr Kollege, die Bundesregierung rechnet nach wie vor mit der durchgehenden Fertigstellung und Verkehrsfreigabe der gesamten A 61, also der früheren
A 14, von Krefeld nach Ludwigshafen bis Ende 1975. Dabei wird in Kauf genommen, daß auf einigen Teilstrecken — so z. B. über das Ahrtal zunächst für einen kurzen Zeitraum die Verkehrsabwicklung über nur eine Fahrbahn erfolgen muß.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie in diesem Zusammenhang bestätigen, daß etwa eingetretene Verzögerungen und die Tatsache, daß eventuell — speziell im Bereich Ahrweiler — nur einbahnig gefahren werden kann, nicht zu Lasten des Bundes gehen?
Herr Kollege, im Abschnitt Bingen—Alzey sind Verzögerungen in der Bauausführung durch die ungünstigen Witterungsverhältnisse und den Konkurs einer Baufirma eingetreten. Trotzdem soll zumindest eine Fahrbahn bis Ende 1975 fertiggestellt werden. Die Bundesregierung äußert sich zu irgendwelchen Unterstellungen von anderer Seite, die nicht hiermit im Zusammenhang stehen, von dieser Stelle aus nicht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hielten Sie es angesichts gewisser Verlautbarungen von seiten bestimmter Länder nicht für zweckmäßig, die Steuerzahler in diesem Zusammenhang gelegentlich darauf hinzuweisen, daß Bundesautobahnen ebenso wie Bundesstraßen ausschließlich aus Mitteln des Bundes finanziert werden?
Ich denke, das ist in der Öffentlichkeit langsam bekannt. Allerdings wird oft ein Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit den Ländern gesehen, da die nachgeordneten Auftragsverwaltungen in der Planung erstmalig tätig werden. Dann hängt es oft natürlich auch vom Einfluß der örtlichen Mandatsträger ab, welche Wirkung draußen entsteht, vor allem wenn sie wissen, daß alle Baumaßnahmen — auch des Bundes — im Bundesfernstraßenprogramm unter 5 Millionen DM automatisch von den Landesstraßenbauverwaltungen erledigt und in ihrem Auftrag durchgeführt werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, gehe ich richtig in der Annahme, daß beim Bau von Bundesautobahnen selbstverständlich auch in den Haushalten der Länder beachtliche Beträge bereitgestellt werden müssen, allein schon bedingt durch die ganzen Anschlüsse, die für die Bundesautobahnen geschaffen werden?
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11392 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
H
Herr Kollege, das, was mit der Planung und Durchführung des Baus der Bundesautobahnen zusammenhängt, steht ausschließlich in der Baulast des Bundes. Das muß hier richtiggestellt sein.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 77 und 78 sollen auf Bitte des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Picard, schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf:
Treffen Pressemitteilungen zu, wonach die derzeit vorgeschriebenen Normen bei Anschnallgurten in Kraftfahrzeugen bei Unfällen schwere Unterleibsverletzungen verursachen können, und gibt es hiervon Statistiken?
Frau Präsidentin, wenn der Herr Kollege Stavenhagen einverstanden ist, möchte ich seine beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten.
Dann rufe ich noch die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf:
Liegen gesicherte Erkenntnisse vor, wie durch eine Veränderung der Norm dieser Verletzungsgefahr vorgebeugt werden kann, und ist veranlaßt worden, diese Norm entsprechend zu verändern?
Der Bundesregierung sind keine Statistiken bekannt, aus denen hervorgeht, daß Dreipunkt-Sicherheitsgurte in Kraftfahrzeugen bei Unfällen schwere Unterleibsverletzungen verursachen können. Die Bundesregierung geht den Pressemitteilungen jedoch nach und wird prüfen, welche Bedeutung derartigen Aussagen beizumessen ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, was ist eigentlich bei diesen Gurten genormt? Was umfaßt die Norm?
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Gelegenheit gäben, Ihnen durch die Fachabteilung unseres Hauses eine schriftliche Abhandlung zukommen zu lassen. In der Kürze einer Beantwortung der hier üblichen Art ist es kaum möglich, das darzustellen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, mich würde auch interessieren, inwieweit sich die ausländischen Normen von unseren unterscheiden und ob es möglicherweise unter diesem Ge-
sichtspunkt Erkenntnisse gibt, auf Grund derer im
Bereich der Normen etwas geändert werden müßte.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die bisherigen internationalen Erfahrungen in der Auswertung für unsere Entscheidungen zu unterschiedlichen Auslegungen führen könnten, Herr Kollege.
Dritte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie Erkentnisse darüber, daß es zwischen Automatikgurten und den üblichen Dreipunktgurten Unterschiede hinsichtlich der Sicherheitschancen gibt?
Derartige Unterschiede bestehen. Sie sind durch Fachleute und durch Gutachten festgestellt. Unsere Verordnungen richten sich natürlich nach den Möglichkeiten, wie sie heute nach dem Stande der Ermittlungen und der Erfahrungen gegeben sind.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen der Frau Kollegin Pack auf. — Die Fragestellerin ist nicht im Saal; die Fragen 81 und 82 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Welche Zukunftspläne bestehen jetzt bei der Deutschen Bundesbahn, für die Bundeshauptstadt Bonn den Nahverkehr aus dem Raum Bad Neuenahr—Ahrweiler über Remagen dem steigenden Bedarf anzupassen?
Frau Präsidentin, wenn Herr Kollege Josten gestattet, möchte ich auch diese beiden Fragen gemeinsam beantworten.
Einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Wie weit sind Pläne gediehen, welche für Bonn und Köln mit Umland der beiden Städte die Schaffung einer S-Bahn vorsehen?
Danke.Durch den beabsichtigten Bau der Neubaustrecke in der Verbindung Köln-Rhein/Main-Gebiet wird langfristig auf der linksrheinischen vorhandenen Strecke zwischen Koblenz und Bonn/Köln eine Entlastung eintreten, so daß das Nahverkehrsangebot auf dieser Strecke, soweit nötig und wirtschaftlich vertretbar, verbessert werden könnte.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11393
Parl. Staatssekretär HaarFür den Bereich Bonn bestehen keine S-Bahn-Pläne. Für den schienengebundenen Nahverkehr in Richtung Köln ist die Entscheidung zugunsten des Ausbaues der Stadtbahn inzwischen gefallen.Im Raum Köln wurde 1971 mit dem Bau der S-Bahn-Strecke Bergisch Gladbach—Köln-Hauptbahnhof—Köln-Chorweiler , wie Sie wissen, als erste Stufe begonnen. Die Inbetriebnahme ist für Mai 1975 vorgesehen. Für die Verwirklichung der weiteren im Generalverkehrsplan Nordrhein-Westfalen vorgesehenen S-Bahnen im Bereich Köln ist noch keine Entscheidung getroffen worden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem das erste Stück der Bonner Stadtbahn in einer Länge von 7,5 km, wovon 3,2 km im Tunnelbau verlaufen, freigegeben worden ist, frage ich Sie: Ist die Bundesregierung bereit, in Verbindung mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz einen in die Zukunft gerichteten Verkehrsplan für den Raum Bonn/Köln und Umgebung einschließlich des von mir genannten Erholungsraumes Bad Neuenahr-Ahrweiler zu erstellen?
Herr Kollege, sachlich besteht Übereinstimmung darin, daß wir einen integrierten Verkehrswegeplan auch für diese Region brauchen, um zu weiteren Entscheidungen kommen zu können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß die Regierung die Meinung von Verkehrsexperten im hiesigen Raum teilt, daß nur eine Bahn, welche, vom Straßenverkehr unbehindert, auf eigenem Bahnkörper verkehrt, in. der Lage ist, für die Zukunft sicher und schnell viele Fahrgäste zu befördern?
Das kann ich für die Bundesregierung ohne Kenntnis der topographischen und sonstigen Verhältnisse nicht generell für jede Region bejahen; das muß den Einzelverhandlungen, auch unter dem Gesichtspunkt der Folgewirkungen derartiger Investitionen und auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, überlassen bleiben.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar, beantwortet. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Dr. Haack hier. Zunächst die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Milz:
Von welchen Auftragssummen an werden Gewerke zur Vergabe an die Bauwirtschaft öffentlich ausgeschrieben, und ist die Bundesregierung bereit, bei Ausschreibungen und Vergaben in eigener Zuständigkeit unmittelbar und im Bereich der Länder und Gemeinden empfehlend die Verdingungsordnung für Bauleistungen uneingeschränkt zur Anwendung zu bringen?
Die Bauverwaltungen des Bundes und der Länder sind nach den Haushaltsvorschriften, die durch besondere Weisungen ergänzt wurden, verpflichtet, bei Vergabe von Bauaufträgen die Verdingungsordnung für Bauleistungen strikt anzuwenden.
Das gilt seit Inkrafttreten der neuen Gemeindehaushaltsverordnungen am 1. Januar 1974 auch für die Kommunen. Nach § 31 der Gemeindehaushaltsverordnung muß der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder freihändige Vergabe rechtfertigen. Bei der Vergabe sind die Vergabegrundsätze anzuwenden, die der Innenminister bekanntgibt. Zu diesen Grundsätzen gehört auch die Anwendung der VOB und der Verdingungsordnung für Leistungen . Die Innenminister der Länder haben inzwischen die bei der Anwendung der Gemeindehaushaltsverordnung zu beachtenden Vergabegrundsätze im Erlaßwege bekanntgegeben.
In § 3 der Allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen werden die Vergabearten, d. h. öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung und freihändige Vergabe, im einzelnen definiert und vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen diese Arten der Vergaben anzuwenden sind. Danach soll eine öffentliche Ausschreibung stattfinden, wenn nicht die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen. Die Auftragsgröße selbst ist kein Kriterium für die Anwendung der öffentlichen Ausschreibung. Jedoch kann auf eine öffentliche Ausschreibung im Einzelfall verzichtet, d. h. die beschränkte Ausschreibung gewählt werden, wenn die öffentliche Ausschreibung für den Auftraggeber oder die Bewerber einen Aufwand verursachen würde, der zu dem erreichbaren Vorteil oder dem Wert der Leistung im Mißverhältnis stehen würde. Das wird in der Regel auf Baumaßnahmen sehr geringen Umfangs, vor allem auf Bauunterhaltungsarbeiten, zutreffen.
Der Herausgabe weiterer Weisungen oder Empfehlungen zur Anwendung der VOB bedarf es daher nicht, Herr Kollege Milz.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in der Praxis sieht es etwas anders aus, als Sie es hier vortragen. Deshalb frage ich Sie: Ist es nicht so, daß durch die beispielsweise bei den Staatshochbauämtern geführten Unternehmerlisten nur ein ganz bestimmter Kreis von Unternehmern zur Abgabe von
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MilzAngeboten aufgefordert wird? Und handelt es sich nicht gerade hierbei um Unternehmer aus dem mittelständischen Bereich, die auch schon bei Aufträgen von etwa 50 000 DM sehr interessiert sind?
Ich glaube, Herr Kollege Milz, das ist kein Widerspruch zu dem, was ich hier gesagt habe. Sollten Sie Anhaltspunkte aus konkreten Fällen dafür haben, daß meine Auskunft nicht ganz befriedigend ist, würde ich Sie bitten, mir die Unterlagen zu geben, damit wir den Einzelfällen nachgehen können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Unabhängig von dieser Anregung, Herr Staatssekretär, werde ich das gern aus der Praxis für Sie tun.
Eine zweite Frage. Ich habe im zweiten Teil meiner Frage nicht ohne Grund nach der VOB gefragt. Ich frage Sie: Halten Sie es angesichts der strukturellen Situation in der sich beispielsweise die Bauwirtschaft befindet, für richtig, durch zusätzliche vertragliche Bedingungen die VOB einzuschränken bzw. das mittelständische Gewerbe durch zusätzliche vertragliche Bedingungen an der Erfüllung der Bedingungen täglich zu hindern?
Das halte ich nicht für richtig, und es entspricht auch nicht dem, was wir von seiten der Bundesregierung wollen. Auch hier würde ich Sie bitten, mir konkrete Fälle zu nennen, denen man nachgehen kann, damit solche Mißstände abgestellt werden.
Die Frage 88 des Abgeordneten Gierenstein wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 89 des Abgeordneten Dr. Schneider wird auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 90 des Abgeordneten Ey auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang und Anteil „gemeinnützige Unternehmen" und öffentlich-rechtliche Banken am Wohnungsmarkt „vorbeiproduziert" haben , und wer sind die Spitzenführer?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Zunächst ist festzustellen, Herr Kollege Ey, daß die in Ihrer Frage angedeutete Äußerung von Herrn Bundesminister Ravens in der Wochenzeitung „Die Zeit" vom 4. April 1975 nicht gemacht wurde.
Aus den uns vorliegenden Daten geht hervor, daß nur ein geringer Teil der etwa 200 000 leerstehenden
Wohnungen öffentlich gefördert worden ist. Die übrigen sind also frei finanziert. Wer die Träger bzw. die Finanzierungsinstitute für diesen Teil der freisteheden Wohnungen sind, ist aus den uns zur Verfügung stehenden Informationen nicht zu ermitteln. Die Umfrage bei den Städten und Landkreisen, die im Herbst des vergangenen Jahres von den Wohnungsressorts der Länder auf Bitten der Bundesregierung durchgeführt worden ist, hat nur die Gesamtzahl der leerstehenden Wohnungen verdeutlicht, ohne Einzelheiten dazu bekanntzumachen.
Eine Zusatzfrage, bitte schön!
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß eine in der letzten Zeit ins Gerede gekommene öffentliche Bank an solchen Fehlbauten besonders beteiligt ist?
Es ist schwierig, auf eine Frage mit nur allgemeiner Andeutung eine konkrete Antwort zu geben. Vielleicht ist es besser, das in einem persönlichen Gespräch zu klären.
Keine Zusatzfrage mehr. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Dr. Haack, beantwortet. Ich danke Ihnen vielmals.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Herold zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Jäger auf:
Treffen Pressemeldungen zu, nach denen die DDR-Behörden bei der Leipziger Frühjahrsmesse zahlreichen Bewohnern der DDR den Besuch der Stände von Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland verboten haben, und wenn ja, welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um dafür zu sorgen, daß dieses gegen die Verpflichtung zur Normalisierung gemäß dein Grundvertrag verstoßende Verhalten von DDR-Behörden bei künftigen Messen in der DDR unterbleibt, bei denen die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ausstellt?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Jäger, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten.Ihre Frage erweckt den Anschein, als ob es Schwierigkeiten für das breite Messepublikum in Leipzig gegeben habe, die Stände von Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland zu besuchen. Schwierigkeiten dieser Art sind in Leipzig weder bei dieser Frühjahrsmesse noch bei früheren Messen beobachtet worden.Die Berichte, auf die Sie sich beziehen, betreffen den unmittelbaren Kontakt zwischen Ausstellern aus der Bundesrepublik Deutschland und dem technischen und kaufmännischen Personal der Produktionsbetriebe der DDR. An solchen Kontakten sind
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11395
Parl. Staatssekretär Heroldunsere Aussteller besonders interessiert, weil diese Fachleute aus den Betrieben für sie die kompetenten Gesprächspartner sind. Der DDR andererseits — wie übrigens auch den anderen Ostblockstaaten — ist zur Wahrung ihres Außenhandelsmonopols daran gelegen, die Kontakte mit westlichen Firmen möglichst weitgehend über die Außenhandelsunternehmen und deren Mitarbeiter abzuwickeln.Das Thema der unmittelbaren Kontakte zwischen Ausstellern und Produktionsbetrieben ist in den vergangenen Jahren häufig Gegenstand der Gespräche zwischen der Treuhandstelle und dem Ministerium für Außenhandel gewesen. Das Ministerium hat dabei den Standpunkt vertreten, daß Vertretern der Produktionsbetriebe der Besuch westdeutscher Ausstellungsstände nicht untersagt werde. Allerdings seien in der betrieblichen Organisation auch bestimmte Zuständigkeiten gegeben, die beachtet werden müßten.Als mögliche Folge der Gespräche der Treuhandstelle ist auf der Frühjahrsmesse 1975 von westdeutschen Ausstellern ein stärkerer Besuch aus den Betrieben beobachtet worden. Die Bundesregierung hat dies mit Befriedigung zur Kenntnis genommen und sieht zur Zeit keinen Anlaß, die Frage erneut über die Treuhandstelle zur Sprache zu bringen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer Antwort entnehmen, daß es trotz der Zunahme der Gespräche bei dieser Frühjahrsmesse, auf die Sie hinweisen, und entgegen den Zusicherungen der Vertreter der DDR im Gespräch mit der Treuhandstelle dennoch tatsächlich Verbote für Firmenvertreter gegeben hat, mit Ausstellern aus der Bundesrepublik Deutschland bei der Messe in unmittelbaren Kontakt zu treten?
Herr Kollege Jäger, ich glaube, das können Sie aus meiner Antwort nicht entnehmen.
Noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir also klipp und klar dahin antworten, daß die Presseberichte, auf die ich mich bezogen habe, falsch sind?
Ich habe darüber kein Urteil abzugeben. Ich habe Ihnen klar und deutlich in meiner sehr langen Antwort die Fakten dargelegt, und wie Sie erkennen können, sind sie positiv zu bewerten.
Keine Frage mehr.
Wir kommen nun zu den Fragen 92 und 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal; die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Herr Abgeordneter Schedl ist ebenfalls nicht im Saal. Seine Frage 94 wird schriftlich beantwortet. Die Anwort wird als Anlage abgedruckt.
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold!
Es bleiben noch offen die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Die Frage 96 ist zurückgezogen worden, die Fragen 95, 97 und 98 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind alle Fragen für diese Woche abgewickelt, und wir sind auch zugleich — eine Minute zu früh — am Ende der Fragestunde.
Ich glaube, wir unterbrechen die Sitzung nicht mehr, sondern dürfen zurückkehren zum Tagesordnungspunkt 6: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort hat Herr Bundesminister Ravens.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Regierungserklärung zu Beginn der 7. Legislaturperiode vom 18. Januar 1973 erklärte damals Bundeskanzler Brandt, daß „wir den Erwerb von Wohneigentum im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erleichtern" werden. Mit dem Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau wird dieses Versprechen eingelöst. Ein weiterer Punkt aus der Reformliste der sozialliberalen Koalition steht jetzt vor seiner erfolgreichen Erledigung. Hier wird für einen Bereich das fortgesetzt und weiter ausgebaut, was nach Bildung der Bundesregierung durch SPD und FDP im Jahre 1970 eingeleitet wurde, nämlich gezielte Eigentums- und Vermögensbildung mit staatlichen Hilfen zugunsten der unteren und der mittleren Einkommensschichten. Während zu Zeiten von CDU/CSU-Regierungen Eigentums- und Vermögenspolitik weitgehend nach dem Motto erfolgte: wer hat, dem wird auch noch gegeben!, will sozialliberale Politik denjenigen, die zwar sparwillig, aber nur beschränkt sparfähig sind, diese Sparfähigkeit verbessern. Das macht den prinzipiellen Unterschied zwischen der Regierungszeit von CDU/CSU einerseits und der Regierungszeit von SPD und FDP andererseits aus.
Ihr erster Sprecher heute morgen hat wieder einmal den Versuch unternommen, der SPD Eigentumsfeindlichkeit vorzuwerfen.
Da wurde ein großes Bild aufgemalt, getreu der Gedankenkette, wie sie heute morgen von Herrn Forster in der „Süddeutschen Zeitung" dargestellt und
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Bundesminister Ravenserkannt worden ist, um dann in um so beredterer Weise, Herr Kollege Jahn, die Eigentumsfreundlichkeit der CDU herauszustellen. Herr Kollege, der Unterschied zwischen Ihnen und uns liegt darin, daß Sie das Wort Eigentum pausenlos im Munde führen
und damit beschäftigt sind, daß Sie sich gar nicht darum kümmern, daß die kleinen Leute in diesem Lande die Voraussetzungen dafür bekommen, überhaupt Eigentum bilden zu können.
Wir dagegen arbeiten mit Erfolg daran, Eigentum auch für kleine Leute möglich werden zu lassen und dafür eine Reihe von Formen zu entwickeln, die auch jeweils ihrem Einkommenstand angemessen sind,
und Hilfen zu geben, die auf ihre Einkommensverhältnisse zielen.Sie, Herr Kollege Jahn, und Ihre Partei haben doch durch Ihre jahrelange Weigerung, das Bodenrecht z. B. so zu gestalten, daß Bodenspekulation und Preistreibereien auf diesem Gebiet verhindert werden konnten, mit dazu beigetragen, daß kleine Leute, daß der sogenannte kleine Mann fast gar nicht mehr in der Lage war, Bauboden zu erwerben. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Städtebauförderungsgesetz einen ersten Schritt für ein besseres und gerechteres Bodenrecht getan, das den Zugang zum Gut Boden wieder eröffnet. Bei der Novelle zum Bundesbaugesetz werden wir sehen, ob Sie diesmal bereit sind, nicht nur die Lippen zu spitzen, sondern auch mitzupfeifen. Ich wünsche mir sehr, daß Sie dazu bereit sind und daß aus dem, was Sie hier heute morgen alles gesagt haben, auch Ernst wird. Daran kann man messen, inwieweit es hier um die Sorge, Eigentum für kleine Leute zu schaffen, geht. Aus Teilen Ihrer Rede, auf die ich gerne noch komme, hat die Sorge anders geklungen.Mit diesem Gesetzentwurf wird für einen Bereich das fortgesetzt und weiter ausgebaut, was nach Bildung der Bundesregierung durch SPD und FDP eingeleitet worden ist. Wir haben doch mit der sozialliberalen Koalition 1970 das Dritte Vermögensbildungsgesetz mit der Verdoppelung des Begünstigungsrahmens, mit der Arbeitnehmersparzulage an Stelle der ungerechten Lohnsteuer- und der ungünstigen Sozialabgabenbefreiung und mit der Einkommensgrenze von 24 000 bzw. 48 000 DM durchgesetzt.Auf diese Tatsache ist es auch zurückzuführen, daß dieses Gesetz tariffähig geworden ist. Im Jahre 1973 hatten wir 18,2 Millionen Arbeitnehmer, die vermögenswirksam sparten; im Jahre 1968 waren es 4,6 Millionen. Der von allen Sparern vermögenswirksam angelegte Gesamtbetrag belief sich 1973auf 9,5 Milliarden DM; im Jahre 1969 waren es nur 1,6 Milliarden DM. Diese Größenordnungen geben einen Eindruck von den Erfolgen bei der Geldvermögensbildung. Geldvermögen schafft den Rahmen für Sachvermögen. So wie der Staat bei der Geldvermögensbildung hilft, so kann er auch bei der Schaffung von Möglichkeiten der Anlage in Sachvermögen helfen.Gerade dies ist der Sinn und der Zweck des heute zu beratenden Gesetzentwurfs. Die Anlage im Wohnungsbau — für Eigenheime, für Eigentumswohnungen oder Wohnbesitzwohnungen — ist immer noch eine Anlageform, die den Bedürfnissen und Wünschen der meisten Menschen ganz besonders entspricht. Diese Bedürfnisse und Wünsche beschränken sich eben nicht auf diejenigen Kreise der Bevölkerung, die oberhalb unserer Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus liegen, nein, sie gelten mindestens genauso — wenn nicht noch mehr — für diejenigen, die auf Grund ihrer Einkommenssituation zu den Berechtigten des sozialen Wohnungsbaus gehören.Deshalb ist das heute zu behandelnde Gesetz so wichtig; denn dieses Gesetz anerkennt die Notwendigkeit, überwiegend Eigentumsmaßnahmen im sozialen Wohnungsbau zu fördern — dies übrigens auf Vorschlag der Bundesregierung und gegen den Vorschlag des Bundesrats, in dem Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Mehrheit haben. Der Bundesrat hat nicht aus eigentumsfeindlichen Gründen eine andere Formulierung gewünscht. Er hat nur aufgezeigt, daß er gewisse Probleme sieht.Wir hoffen, diese Probleme überwinden zu können. Die Bundesregierung hat deswegen erstmals in das Wohnungsbauförderungsgesetz hineingeschrieben, daß es „überwiegend" der Schaffung von Wohneigentum zu dienen hat.
: Das steht bereits in unserem Entwurf, Herr Minister!)
— In ein G e s e t z hineingeschrieben. Zwei haben Sie gemacht; dort steht es nicht.
CSU] : Nehmen Sie einmal den Entwurf ausder vergangenen Legislaturperiode!)— Ich habe gesagt: zwei G es et z e, die bestehen. Dort heißt es nicht „überwiegend", sondern: „Es soll der breiten Bildung von Eigentum dienen".Zweitens. Es erweitert die Angebotspalette der Wohnungsarten um die Wohnbesitzwohnung, und es ermöglicht die Förderung des Mietkaufs. Es erleichtert ferner die Vor- und Zwischenfinanzierung für Wohneigentum von einkommensschwächeren Bevölkerungskreisen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn?
Ja.
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Herr Bundesminister, da Sie bestreiten, daß in unserem Gesetzentwurf das Wort „überwiegend" steht, möchte ich Sie folgendes fragen.
Herr Jahn, es ist eine Schwierigkeit, wenn Sie nicht richtig zuhören. Aber bitte!
Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es in dem von uns vor Ihrem Gesetzentwurf eingebrachten Gesetzentwurf in § 1 Abs. 1 Satz 1 heißt: „Die Förderung des Wohnungsbaues mit öffentlichen Mitteln soll überwiegend der Bildung von Einzeleigentum dienen"?
Ich rede hier gar nicht von Ihrem Gesetzentwurf, Herr Kollege Jahn. Ich habe — es ist Ihr Problem: Sie hören dann immer nicht richtig zu — von zwei Gesetzen gesprochen, die unter Ihrer Ara gemacht sind. Da heißt es einmal „Wiederaufbau", zum anderen heißt es „breite Streuung". Ich habe nicht von Entwürfen gesprochen, sondern von zwei Gesetzen, die in Ihrer Zeit gemacht worden sind. Es wäre gut, wenn Sie zuhörten; darauf kommt es an.Trotz erheblicher Kompromißbereitschaft der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung — so haben wir z. B. eine Fülle von Anregungen des Bundesrats berücksichtigt — ist dieses Gesetz in Teilen kontrovers geblieben. Ich frage mich allerdings, wo denn die Frontlinie der Befürworter und der Gegner ganz genau verläuft. Die Regierungsfraktionen haben den im Ausschuß überarbeiteten Regierungsentwurf einmütig unterstützt. Bei der Opposition kann ich auch nach der Debatte heute noch keine klare Linie erkennen.Das gilt insbesondere für die Wohnbesitzwohnung. Lassen Sie mich das mit zwei Aussagen aus den Reihen der Opposition noch einmal belegen, obwohl wir sie heute in unterschiedlicher Form auch hier vom Rednerpult aus gehört haben.Die erste Aussage lautet: „Die CDU/CSU begrüßt grundsätzlich die Suche nach neuen Wohnformen sowie die öffentliche Förderung von Modellen, die sich in der Praxis bewährt haben. Hiervon kann bei dem Wohnbesitzbrief jedoch nicht die Rede sein."
So der Kollege Jahn.Die andere Aussage lautet: „Eine solche Konstruktion des Wohnbesitzbriefes bietet gegenüber einer normalen Mietwohnung für den Besitzer eine Reihe von Vorteilen, weil die durch den Bau von Wohnungen sich vollziehende Vermögensbildung und Wertsteigerung nicht dem Eigentümer — gleich, ob staatliche Gesellschaft oder gemeinnütziger oder privater Eigentümer — zufließt, sondern den Benutzern." So der Kollege Orgaß im DUD, Nr. 13, Seite 8.Immerhin, meine Damen und Herren, es mag als ein Vorteil erscheinen, wenn die Opposition hier nur mit zwei und nicht — wie in der Konjunkturpolitik — mit noch viel mehr Zungen redet.
Wie gesagt, diese Schwierigkeit müssen Sie mit sich selbst ausmachen.
— Ich möchte behaupten, daß wir das auch so machen. Herr Kollege Orgaß, jetzt wollte ich Sie gerade loben, aber ich tu's trotzdem. Ich möchte für mich unterstreichen, was Sie geschrieben haben: Die Wohnbesitzwohnung erweitert das Marktangebot. Diese Angebotserweiterung sollte gefördert werden. Der Markt wird darüber entscheiden, in welchem Umfang dieses Angebot akzeptiert wird.
Wir möchten es fördern, Herr Kollege,
damit kleine Leute die Möglichkeit haben, über diesen Weg wirtschaftliches Eigentum zu erwerben und an den Vermögensbildungsvorgängen, die dort geschehen, durch öffentliche Förderung teilzuhaben.
Dies möchten wir, das möchten wir fördern.
— Darauf komme ich dann auch noch. —Lassen Sie mich zwei Punkte hervorheben, bei denen ich der Opposition widersprechen muß. Da geht es zum einen um die Forderung der Opposition, die Privatisierung vorhandener Sozialwohnungen zu erleichtern und dafür Anreize zu bieten. Wer den sozialen Wohnungsbau ernst nimmt, kann für diese Forderung kein Verständnis aufbringen. Ich denke, Mehrheit wie Opposition in diesem Hause sind sich darüber einig, daß der ungefähre Gleichstand der Zahl der Wohnungen und der Zahl der Haushalte nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß wir auch in Zukunft neue Sozialwohnungen brauchen, mehr noch, daß wir den vorhandenen Bestand an Sozialwohnungen erhalten und ihn, wie durch die neuen Belegungsrechte im Wohnungsbauänderungsgesetz 1973 verankert, besonders nach sozialen Kriterien nutzen müssen, weil bestimmte Bevölkerungskreise durch den Markt allein eben nach wie vor nicht hinreichend versorgt werden können. Wenn das so ist, dann müssen wir den Bestand an Sozialwohnungen als Manövriermasse für diese Gruppe verteidigen. Genausowenig wie die Bundesregierung bei den Wohnungshalden dem Grundsatz folgen kann, pri-
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Bundesminister Ravensvate Verluste zu sozialisieren, genausowenig ist sie bereit, für die Gemeinschaft notwendiges Sozialkapital zu privatisieren. Die Bundesregierung ist hier in beiderlei Richtungen konsequent.Außerdem würde diese Privatisierung die freien und die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen treffen. Das ginge zu Lasten ihrer Substanz. Nach Auffassung der Bundesregierung kann es aber nicht Aufgabe der Wohnungspolitik sein, diese Unternehmen zu schwächen. Wir alle brauchen sie für eine funktionsfähige Wohnungspolitik.Es gibt einen weiteren Grund, warum wir der Opposition hier nicht folgen können. Wer Mieter einer Sozialwohnung ist, wird bereits einmal durch die günstige Sozialmiete bevorzugt. Er erhält öffentliche Förderung in seiner Wohnung. Sollten wir ihn nun noch einmal begünstigen, indem wir ihm Kapitalbeihilfen und Kapitalhilfen für den Eigentumserwerb dieser Sozialwohnung geben? Wie sehen denn da die Konsequenzen für die anderen Berechtigten im sozialen Wohnungsbau aus, denen bisher noch keine Sozialwohnung zugewiesen werden konnte?Zunächst: Mit der Reprivatisierung entsteht für diesen Kreis keine einzige neue Sozialwohnung. Im Gegenteil, es geht eine verloren. Und weiter: Die Mittel, die für die Reprivatisierung nötig sind, können nicht mehr für den Neubau von Sozialwohnungen, aber auch nicht mehr für neue Eigentumsmaßnahmen im sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden. Das heißt, dem doppelt Begünstigten auf der einen Seite steht auf der anderen Seite der doppelt Benachteiligte gegenüber, dem wir bisher nicht haben helfen können. Dies kann doch wohl nicht Ziel und Inhalt einer vernünftigen Politik sein.
Unabhängig von dieser Frage betrifft mein zweiter Punkt den Vorschlag der Opposition, Einzelbauherren von Familienheimen und eigengenutzten Eigentumswohnungen zur Vorfinanzierung der Eigenleistungen generell eine Eigenkapitalhilfe zu geben. Wer diesen Vorschlag durchrechnet, kommt zu dem Ergebnis, daß damit innerhalb eines Zehnjahreszeitraums — einmal 30 000 Wohnungen unterstellt und eine Familie mit jeweils einem Kind gefördert — entweder 2,5 Milliarden DM zusätzlicher Haushaltsmittel erforderlich wären oder der soziale Mietwohnungsbau, aber auch die übrigen Eigentumsmaßnahmen zumindest drastisch reduziert werden müßten.Das erste, die zusätzliche Bereitstellung von Mitteln dieser Größenordnung, ist finanzwirtschaftlich völlig unrealistisch. Das paßt ja wohl auch nicht in die von Ihnen ständig an uns gerichtete Aufforderung, die Bundesregierung möge sparen und weniger Geld ausgeben.
Das letztere wäre aber wohnungspolitisch unvernünftig. Ich darf auch hier noch einmal auf die Bedeutung eines angemessenen Neubauvolumens im sozialen Wohnungsbau verweisen. Ich denke, mit unrealistischen oder unvernünftigen Alternativen sollten wir uns nicht beschäftigen.Realistisch und vernünftig aber scheint mir dagegen unser Vorschlag zu sein, in besonderen Fällen vorübergehend öffentliche Darlehen zur Vor- und Zwischenfinanzierung fehlender Eigenmittel einzusetzen und im übrigen durch Bürgschaften von Land und Bund eine Mittelbeschaffung am Kapitalmarkt zu erleichtern.Das Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau ist mit ein Schritt, der sozialen Wohnungsbaupolitik eine neue Orientierung zu geben. Zu dieser neuen Orientierung gehören in diesem Zusammenhang drei Akzente.Erstens. Der soziale Wohnungsbau muß noch sozialer werden. Dem entsprach beim Bundeshaushalt 1975 die Aufstockung des Bewilligungsrahmens für das Intensivprogramm im sozialen Wohnungsbau und für das Wohnungsbauprogramm für alte Menschen um insgesamt 60 Millionen DM; denn hiervon profitieren besonders bedürftige Gruppen wie kinderreiche Familien, junge Familien, Behinderte und alte Alleinstehende sowie ausländische Arbeitnehmer.Bereits vorher waren im Wohnungsbauänderungsgesetz 1973 die Belegungsrechte so geändert worden, daß die Möglichkeiten für eine stärkere und soziale Differenzierung im Rahmen der Bestandspolitik verbessert werden konnten. Die letzte Änderung des Zweiten Wohngeldgesetzes hat gerade auch den genannten Gruppen nachhaltig geholfen.Nun kommt ein neuer Baustein hinzu: Bei kinderreichen Familien und jungen Ehepaaren wird für die Aufbringung des notwendigen Eigenkapitals eine geringere Mindesteigenleistung — 10 % — als Förderungsvoraussetzung zugelassen. Damit wird die an den Bedürfnissen bestimmter sozialer Gruppen orientierte Wohnungspolitik weiter abgerundet.Zweitens. Die Förderungspolitik im sozialen Wohnungsbau muß ihre Angebotspalette erweitern, gerade angesichts knapper öffentlicher Mittel. Das ist mit eine Voraussetzung, um dennoch ein sozial gerechtes Ergebnis zu erzielen. Potentielle, aber bisher nicht wirksame, jedoch förderungswürdige Nachfrage muß mobilisiert werden und müßte mobilisiert werden können. Dem dient die Möglichkeit, Eigentum durch Mietkauf zu erwerben, indem die Anwartschaft auf den Eigentumserwerb nach dem Bezug der Wohnung durch allmähliches Nachsparen des notwendigen Eigenkapitals realisiert wird.Erleichterungen bei der Vor- und Zwischenfinanzierung der Eigenleistung durch die Gewährung öffentlicher Bürgschaften oder öffentlicher Baudarlehen mindern das Risiko. Und die möglichst frühzeitige Übertragung des grundbuchmäßigen Eigentums schafft für den einzelnen auch mehr Sicherheit. Zu dieser Angebotserweiterung gehört dann neben den beiden Punkten, die ich nannte, ebenso die Wohnbesitzwohnung. Für sie gelten vergleichbare Förderungsmöglichkeiten im Prämienrecht und bei den Steuervorteilen wie beim echten Eigentum.Wie gesagt, hier ist sich die Opposition nicht einig. Ich muß nun die Kritiker fragen, ob die ge-
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Bundesminister Ravensfundene Konstruktion an der Nahtstelle zwischen Eigentums- und Mietwohnung, ob dieser Brückenschlag zwischen sozialem Wohnungsbau und Vermögenspolitik nicht vor allem den Vorteil hat, daß beim echten Eigentum, aber anders als beim Sozialmieter, die Belastungen in den ersten Jahren zwar nicht niedrig sind, in den folgenden Jahren aber immer weiter abgebaut werden. Für eine Familie, für die es zwar nicht zum Volleigentum reicht oder die kein Volleigentum will — denn das gibt es ja auch —, die aber dennoch ihre laufenden Aufwendungen für die Wohnung langfristig plant und durchdenkt, kann dieser Degressionseffekt, dieser Absenkungseffekt bei den Belastungen eine ganz wichtige Rolle spielen. Und hinzu kommen hier dann noch Dauerrecht und Beteiligung an den Wertsteigerungen und Beteiligung am Entschuldungsgewinn und Vererbbarkeit und Veräußerbarkeit.Ich halte den Vorwurf für absurd, hier werde so etwas wie ein Nutzungseigentum zugunsten des Wohnberechtigten geschaffen, während das Verfügungseigentum bei einer Wohnungsbaugesellschaft verbleibe, und hier werde genauso sozialistische Politik betrieben wie beim Bodenrecht. Das ist dann ja die Kette, die da weitergeht. Wer so argumentiert, meine Damen und Herren, hat entweder das Wohnbesitzgesetz und das Wohnbesitzmodell oder die Novelle zum Bundesbaugesetz oder beides wohl eigentlich nicht verstanden, denn der Wohnbesitzberechtigte bleibt Verfügungsberechtigter; er kann seinen Wohnbesitzbrief und sein Dauerwohnrecht an jeden Berechtigten im sozialen Wohnungsbau übertragen, er kann ihn verkaufen, und damit ist er) frei in seiner Verfügung.
— Nun lesen Sie doch einmal im Gesetz nach, was in § 62 d steht!
— Dort steht: Die Genehmigung durch den Bauträger darf nur versagt werden, wenn der Bewerber nicht zum Berechtigtenkreis des sozialen Wohnungsbaus gehört.
— Darf nur, wenn! So heißt es dort. Dies ist die einzige Einschränkung. Ich denke, dies müßte in Ihrem Interesse, im Interesse des ganzen Bundestages, im Interesse einer gerechten und sozialen Politik liegen, daß wir nicht zunächst einen Berechtigten im sozialen Wohnungsbau mit öffentlichen Mitteln fördern, auf daß dann diese Förderung auf einen nicht mehr Berechtigten mit erheblich übersteigertem Einkommen übergehen kann. Dies geht wohl nicht!
Hier sollte wohl eine Grenze sein, denn wir arbeiten miteinander mit Steuermitteln,
die uns die Bürger dieses Staates an die Hand geben, damit wir sie nach Gerechtigkeitsgrundsätzen und nach Notwendigkeiten verteilen, aber nicht, damit sie der Vermögensbildung anderer dienen.
— Wenn ich meine Eigentumswohnung veräußere— und Sie legen so großen Wert darauf, daß die Nähe zur Eigentumswohnung hier nicht verlorengehen soll —, muß ich mir meinen Käufer suchen, den, der in meine Wohnung einzieht. Wenn ich meinen Wohnbesitz veräußere, möchte ich dies ganz gern auch selber tun können und möchte schauen, wer dort kommt und wer denn wohl in meine Wohnung einzieht.Zum anderen kann ich diesen Vorwurf auch deswegen gar nicht verstehen, weil das Städtebauförderungsgesetz und die Novelle zum Bundesbaugesetz mit dem Instrument des Teileigentums und dem Instrument des Anteilseigentums an einem geschlossenen Immobilienfonds arbeiten. Diese Konstruktion hat damals Ihre ausdrückliche Zustimmung gefunden. Ich weiß nicht, damals haben Sie sich nicht dagegen gesperrt, heute ist das alles anders.Fondsanteile — was ist daran Anrüchiges? Das ist in dieser Wirtschaftsordnung etwas völlig Normales. Ich muß mich nur wundern, wenn die Opposition gerade beim Wohnbesitz versucht, daran etwas Anrüchiges zu erkennen oder es als etwas Anrüchiges darzustellen. Wenn Gutverdienende in den vergangenen Jahren — und ja wohl auch noch in Zukunft — Geldanlagepolitik in geschlossenen Immobilienfonds für den Wohnungsbau betreiben, also in der Form einer solchen Fondskonstruktion, und dafür wirtschaftlichen Vorteil, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, Wertzuwächse und alles, was damit zusammenhängt, in Anspruch nehmen, dann ist dies in Ordnung und gehört in unser marktwirtschaftliches System,
und niemand moniert das; dies ist eine ganz normale Form der Kapitalanlage, also der Vermögensbildung.Wenn nun diese Bundesregierung, getragen durch die beiden Koalitionsfraktionen, dem kleinen Mann mit seinem Geldanlagevermögen den Zugang zu diesem geschlossenen Immobilienfonds eröffnen will, ihm dabei eine gesicherte Brücke öffentlicher Bürgschaften aufbaut, dafür Sorge trägt, daß er einen vertrauenswürdigen Treuhänder erhält, dafür Sorge trägt, daß er an den Entschuldungsgewinnen, am Vermögenszuwachs, an den steuerlichen Vorteilen teilnehmen kann, und ihm dazu noch ein Wohnrecht sichert, dann sagen Sie auf einmal, dies sei eine bösartige Geschichte geworden.
Das kann ich nun überhaupt nicht mehr begreifen.
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11400 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Bundesminister RavensDann ist da plötzlich die Rede von minderen Rechten. Nein, hier gibt es nicht ein Eigentum-Minus, wie es so gerne dargestellt wird. Hier gibt es einen Immobilienfonds als Vermögensanlage plus Wohnrecht auf eine Wohnung und wirtschaftliches Eigentum an dieser Gesamtanlage.
Das ist ein Angebot zur Vermögensbildung an untere und mittlere Einkommensschichten und damit auch ein Beitrag zu mehr Vermögensgerechtigkeit in unserem Lande.Ich will in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu den Äußerungen sagen, die vom ersten Sprecher heute morgen gemacht worden sind. Er hat befürchtet, daß die Wohnbesitzwohnung nunmehr den Mietwohnungsbau kaputt macht.
Was in Wahrheit den sozialen Mietwohnungsbau empfindlich beeinträchtigen könnte, habe ich bereits bei der Würdigung der Oppositionsanträge zur Reprivatisierung und für die Eigenkapitalhilfen ausgeführt.Nun mal eine andere Frage! Ich erinnere mich ganz gut — in den Fragestunden kommt dies ja immer wieder zum Ausdruck, und in der Öffentlichkeit wird dies auch immer gesagt —, Herr Kollege Jahn, daß Sie früher immer ein Klagelied angestimmt haben, der Anteil der Eigentumsmaßnahmen am sozialen Wohnungsbau sei viel zu niedrig. Nun, da dieser Anteil kräftig gestiegen ist, die Bundesregierung ein Übriges für die Vermögensbildung im sozialen Wohnungsbau tut, schwingen Sie sich plötzlich zum Anwalt des Mietwohnungsbaues empor. Ich habe den Eindruck, der Mann muß erst noch erfunden werden, der es Ihnen recht macht.
Es ist ja schon eine Leistung, je nach taktischem Bedarf von einem Argument jeweils auf das andere umzusteigen.Herr Kollege Jahn, wir wollen — das habe ich gesagt — mit dieser neuen Form des Wohnbesitzes und mit dem Mietkaufsystem dafür Sorge tragen, daß die öffentliche Förderung zu einer Vermögensbildung einer möglichst großen Zahl kleiner Leute führt. Ihr Beitrag, den ich hier heute gehört habe, wir wollten nunmehr den privaten Mietwohnungsbau kaputt machen, ist ja wohl aus Sorge darüber ausgesprochen worden, daß wir unter Umständen den Gutverdienenden in diesem Lande eine gute Anlagemöglichkeit mit öffentlicher Förderung ein wenig beschränken, weil der Kuchen insgesamt ein klein wenig kleiner für diese Form wird. Ich denke, wer mehr Vermögensgerechtigkeit will, der muß dann allerdings auch dazu stehen und darf nicht diesen Salto machen.Im übrigen wissen Sie wie ich, daß wir im § 26 des vorgelegten Entwurfs, über den wir jetzt in dritter Lesung beraten, stehen haben, daß bei der öffentlichen Förderung des Wohnungsbaues alle Träger, gleich welcher Art, ob private, freie oder gemeinnützige, bei der Vergabe der Mittel grundsätzlich gleich behandelt werden sollen.Als dritten Akzent der Wohnungspolitik möchte ich an dieser Stelle die stärkere Bedeutung der Eigentumsmaßnahmen generell im sozialen Wohnungsbau hervorheben. Es ist ja nicht so, daß mit dem hier beratenen Gesetz die Eigentumskomponente im sozialen Wohnungsbau erst angelegt wird. Sie wird erweitert. Sie ist bereits da, und sie nimmt kräftig zu. 1972 waren 33,2 % aller geförderten Sozialwohnungen Eigenheime und eigengenutzte Eigentumswohnungen. 1973 waren es 40 %. Für 1974 liegen die Zahlen noch nicht vor. Ich erwarte eine Annäherung an die 50 %. Dies alles geschieht zu Zeiten der sozialliberalen Bundesregierung, der die Opposition pausenlos Eigentumsfeindlichkeit meint vorwerfen zu müssen.
In der Geschichte des sozialen Wohnungsbaus hat es noch nie einen so hohen Anteil von Eigentumsmaßnahmen wie 1973 und 1974 gegeben. Das sind die Fakten, und wir sind stolz darauf.Meine Damen und Herren, es reizt mich eigentlich, außerhalb des Gesetzentwurfes auch zu dem zu sprechen, was der Kollege Schneider heute morgen hier zur Bauwirtschaft und zur Wohnungswirtschaft gesagt hat. Wir haben — und dies möchte ich gleich hinzufügen — die Große Anfrage zur Wohnungspolitik im Umlaufverfahren in der Abstimmung. Sie wird den Bundestag in Kürze erreichen.
— Ihre Große Anfrage. — Ich denke, wir sollten den Tag benutzen, um über die Problematik Bauwirtschaft, Wohnungswirtschaft, über die Perspektiven in diesem Bereich weiter zu diskutieren.
Heute morgen ist eine Stimme aus der Wohnungswirtschaft zitiert worden. Lassen Sie mich hinzufügen: Ich weiß und nehme dies auch nicht leicht, daß ich die Wohnungswirtschaft genau wie die Bauwirtschaft in Anpassungsschwierigkeiten befindet.
— In Anpassungsschwierigkeiten befindet! Wir haben, Herr Kollege, in den vergangenen Jahren eine Anpassungshilfepolitik betrieben, die eine Krise verhindert hat. Dies haben wir auch erreichen können, und ich denke, das wird auch draußen bestätigt.
Und auch dies ist richtig: Wir haben Wohnungspolitik im Wandel, aus der Tatsache, daß sich unsere Zahl von Wohnungen an die Zahl der Haushalte angeglichen hat, aber auf der anderen Seite eine große Gruppe von Menschen immer noch schlecht und miserabel untergebracht ist. Wir haben Wohnungspolitik im Wandel, weil sich die Nachfragebedürfnisse unserer Bürger verändert haben. Sie verlangen mehr Qualität in der Architektur, im Zuschnitt, sie verlangen eine bessere Wohnumwelt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11401
Bundesminister RavensHier ist eine ganze Reihe neuer Ansätze für die Wohnungspolitik. Und der Herr Kollege Schneider weiß, und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wissen wie die Kollegen aus der Koalition — ich habe dies im Ausschuß vorgetragen —, daß wir seit Januar mit den Ländern in intensiven Beratungen sind, um gemeinsam zu einem Konzept zu kommen; denn Wohnungspolitik ist gemeinsame Politik von Bund und Ländern. Beide sind beteiligt, und wir benötigen für eine erfolgreiche Wohnungspolitik auch die Mitwirkung unserer Länder. Ich nehme die Kooperation mit meinen Kollegen sehr ernst, und wir sind uns darüber einig, daß es hier Ansätze gibt — Sie wissen das —, daß es also hier nicht so ist, daß an dieser Stelle nur Fragen gestellt werden, aber keine Antworten formuliert werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Schluß zu den Fakten aus der Eigentumspolitik noch einige hinzufügen. In der Eigentumsförderung im Wohnungsbereich ist ja nicht nur die unmittelbare Förderung auf dem offenen Weg des Haushalts geschehen. Sie drückt sich nicht nur in der Zahl der Eigentumswohnungen aus. Wir haben 1974 von Bund und Ländern zirka 3,2 Milliarden DM an Wohnungsbauprämien gezahlt gegenüber 1,2 Milliarden DM im Jahre 1969. Für Abschreibungsvergünstigungen nach 7 b und für den Sonderausgabenabzug bei Bausparleistungen im Rahmen des Einkommensteuergesetzes gab es zwischen 1969 und 1974 bei geringen jährlichen Schwankungen Steuerausfälle von etwa 1,5 bis 1,7 Milliarden DM, die den Sparern oder den privaten Bauherren zugute kamen. Die Bausparsumme war 1973 fast doppelt so hoch wie 1969. 1969 gab es 8,4 Millionen Bausparverträge, 1973 waren es 13,8 Millionen. Wenn ich dies alles zusammennehme und auch auf diesem Hintergrund das Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz betrachte, dann lautet für mich das Ergebnis: Die Politik der Bundesregierung zur Förderung von Wohnungseigentum war erfolgreich, und dieses Gesetz schafft eine weitere Voraussetzung, daß sie erfolgreich bleibt und ihre sozialen Akzente noch verbessern kann.Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist ein Angebot an die Bürger unseres Landes, ein Angebot an all jene, die aus eigener Kraft — aus ihrem Einkommen oder aus anderen Gründen — nicht in der Lage sind oder die aus Gründen, die in ihrem Alter liegen, nicht die Zeit haben, in einen langen Vorsparvertrag hineinzugehen, ein Angebot über einen neuen Weg, mit unserer gemeinsamen Hilfe zu Eigentum oder Vermögen zu kommen. Ich kann nur darum bitten, daß dieses Angebot draußen angenommen wird, weil es ein weiteres Stück einer gerechteren Vermögensverteilung in unserem Lande bedeutet.Aber ich appelliere auch an Sie von der Opposition, noch einmal darüber nachzudenken, ob Sie unseren Bürgern, die den Weg dieser Vermögensanlage gehen möchten, weil sie ihn nötig haben, diesen Weg durch Ihr Nein verbauen wollen. Mein Appell von dieser Stelle aus geht ebenso an den Bundesrat. Ich wäre sehr dankbar, wenn die sachliche Debatte über dieses Gesetz in der ersten Lesung im Bundesrat in der zweiten und dritten Lesung ihre Fortsetzung fände, und ich hoffe, daß der Ruf des Kollegen Orgaß nicht bis in die Reihen des Bundesrates vordringt, um den Menschen in unserem Lande schnell und gut helfen zu können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben das Wort geprägt: „Wohnungsbaupolitik im Wandel". Wir haben heute morgen gesagt: „Wohnungsbaupolitik in der Krise".
Ich bin Ihnen dafür dankbar, daß Sie zumindest in diesem Hohen Hause erklärt haben, endlich könnten wir über die Gesamtkonzeption des Wohnungsbaus sprechen. Nur dürfen Sie eines nicht tun, nämlich sich heute in diesem Hohen Hause hinter die Länder verschanzen; denn auf dem Gebiet der Wohnungspolitik für unsere Bundesrepublik hat die Bundesregierung eine Schrittmacherfunktion. Die Signalwirkung ist bis heute ausgeblieben.
Sie haben dann den Versuch gemacht, die Wohnungspolitik der früheren CDU/CSU-Regierungen zu kritisieren. Ihren Vorwurf möchte ich namens meiner Fraktion zurückweisen; denn wir sind stolz auf die Ära, in der wir die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau getragen haben.
Nun zu diesem Gesetzentwurf. Meine Damen und Herren, wir haben vier Änderungsanträge gestellt, von denen wir unser Ja abhängig machen.Der erste Änderungsantrag — und daran kann nicht vorbeigedeutelt werden — hat folgenden Inhalt. Wir wollen es gern sehen, daß die breite Streuung privaten Eigentums im Gesetz stehen bleibt. Sie wollen das nicht und wollen die breite Streuung privaten Eigentums als Zielsetzung des Wohnungsbaugesetzes in § 1 Abs. 2 Satz 1 nicht stehen lassen. Deshalb stellen wir heute noch einmal diesen Änderungsantrag. Sie selbst sagen in der Beantwortung unserer Großen Anfrage zur Wohnungsbaupolitik: Für uns ist die breite Streuung privaten Eigentums nicht alleiniges Ziel des Wohnungsbaues, sondern ein zweites Ziel gleichrangig: das Ziel der sogenannten Sicherheit des Wohnens. Meine Damen und Herren, das ist die Politik der Bundesregierung. Wenn wir aber in Ihre SPD-Parteiprogramme gerade der letzten Monate schauen, dann sehen wir dort im Grunde das Programm der breiten Streuung privaten Eigentums nirgendwo angekündigt. Verstehen
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11402 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. Jahn
Sie deshalb bitte, daß wir diesen Antrag heute aufrechterhalten.
Was den zweiten Antrag angeht, so haben wir uns nun darauf geeinigt, daß mehr als 50 °/o echte Eigentumsmaßnahmen gefördert werden sollen. Darüber, wie das zustande gekommen ist, haben wir heute morgen hier debattiert. Wir haben für uns in Anspruch genommen, auf diesem Gebiet hartnäckig mit Ihnen gerungen zu haben, und wer dabei war, wird uns dies zugestehen. Denn von Ihnen ist im Laufe der Beratungen zunächst der Versuch gemacht worden, den Wohnbesitzbrief unter die echten Eigentumsmaßnahmen zu subsumieren; Beweis: die Protokolle. Erst als wir nachgewiesen hatten, daß dies rechtlich nicht möglich ist — und das behaupte ich noch einmal —, kam der Änderungsantrag: lediglich mehr als ein Drittel Mindestförderung für echte Eigentumsmaßnahmen, der dann allerdings hinterher zurückgezogen worden ist. Kurzum, das Ergebnis ist eindeutig. Wir bekennen uns alle miteinander in diesem Hohen Hause dazu: mehr als 50% der Mittel für echte Eigentumsmaßnahmen.Meine Damen und Herren, wer allerdings — hier setzt unser zweiter Änderungsantrag an — Mittel bereitstellt, muß auch dafür Sorge tragen, daß diese Mittel abgerufen werden können, damit unsere sozial schwachen Bürger in den Genuß der Mittel kommen. Wenn Eigentum — wir ringen ja heute darum, wer hier die bessere Politik für unsere sozial Schwachen macht; das ist ja der Kampf unserer gegensätzlichen Richtungen — für breite Schichten der Bevölkerung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus in möglichst großem Umfang gebildet werden soll, erscheint es notwendig und unumgänglich, bei der Förderung von Eigentumsmaßnahmen eben neue Wege zu beschreiten und öffentliche Finanzhilfen auch für die Beschaffung des Eigenkapitals bereitzustellen.
Deshalb unser Antrag bezüglich der Eigenkapitalhilfen. Sie lehnen dies ab und müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, zwar politisch wirksam genügend Mittel bereitzustellen, aber gleichzeitig das Problem ungelöst zu lassen, wie unsere sozial schwachen Bevölkerungskreise das für ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung notwendige Eigenkapital aufbringen können. Wir müssen den sozial Schwachen bei der Marktlage, die wir haben, in dieser Hinsicht helfen. Wir setzen hier andere Prioritäten als Sie. Wir wollen weniger Objekte besser fördern. Wir sind der Meinung, das paßt in die wohnungsbaupolitische Landschaft, in der wir heutzutage viele Wohnungshalden haben. Deshalb noch einmal: weniger Objekte besser fördern, und zwar mit Eigenkapitalhilfen, um den sozial Schwächeren echtes privates Eigentum zu geben. Unser Leitbild ist: nicht jedem eine, sondern jedem seine Wohnung.
Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr auf unseren dritten Änderungsantrag zu sprechen. Eines darf nicht im Raume stehen bleiben. Der Wohnbesitzbrief ist auf dem Markt. Der Wohnbesitzbrief wird auch heute schon öffentlich gefördert, Beweis: Nordrhein-Westfalen, bestätigt in einem Schreiben des Bundesbauministers. Wir sagen nicht nein zum Modell des Wohnbesitzbriefes. Wir sagen nicht nein zu seiner Einbeziehung in die Förderung. Wir sagen nur ein Nein zu der Einbeziehung in die Förderung, wie sie von Ihnen gewollt ist, nämlich zu der Präferenz der Förderung gegenüber dem herkömmlichen Mietwohnungsbau. Das ist der fundamentale Unterschied, der zwischen Ihnen und uns besteht. Warum sagen wir denn jetzt nein zu dieser Präferenz?
Weil Leistung und Gegenleistung in einem eklatanten Widerspruch zueinander stehen, weil hier die Chancengleichheit am Markt verletzt wird. Was Sie mit dem Wohnbesitzbrief geben wollen, kann der Bürger am Markt bereits billiger haben. Das Dauerwohnrecht ist bereits auf dem Markt. Der Kündigungsschutz, den wir gemeinsam hier in diesem Hohen Hause beschlossen haben, gibt die Sicherheit des Wohnens. Sie brauchen für die Sicherheit des Wohnens nicht mehr zu sorgen. Wir haben sie gemeinsam schon geschaffen. Wir wollen darüber hinausgehen und echtes privates Eigentum breiter streuen. Das ist unsere Politik.
Im Gesetzentwurf der Regierung steht, daß der Wohnbesitzbrief zu Lasten des herkömmlichen Mietwohnungsbaus gehen soll. In welchem Umfang, ist zunächst offengelassen. Meine Damen und Herren, dies wollen wir nicht,
denn das Gutachten des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung — Ihr Herr Kollege Schwedler wird ja wissen, welches Gutachten ich meine; Sie kennen es alle —schließt mit dem Satz:Bei aller Bejahung der Zielsetzung für das Wohnbesitzmodell darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß das Modell in der Form des Regierungsentwurfs nicht praktikabel erscheint.Diesen Einwand hat die Bundesregierung im Laufe der Beratungen nicht zu widerlegen vermocht. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir Ihnen hier ganz klar sagen, daß das, was Sie mit diesem Brief geben wollen, heute schon auf dem Markt ist. Das kann der Bürger also viel billiger haben.Ein weiterer Punkt. Sie schaffen mit diesem Gesetz die Baugesellschaft ohne Eigenkapital, Sie schaffen mit diesem Gesetz die Baugesellschaft ohne Risiko, denn beide Faktoren werden auf die Wohnbesitzberechtigten verlagert. Das ist ein gewichtiger Unterschied zwischen uns. Wir sagen: Wenn das Modell von Fachkreisen so durch den Kakao gezogen wird, soll man es nicht gleich in ein Gesetz hin-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11403
Dr. Jahn
einschreiben mit Präferenzen. Dann sollte man doch sagen: Soll doch der Markt darüber entscheiden! Sie lassen den Markt aber nicht entscheiden. Sie manipulieren den Markt, indem Sie diese Präferenzen in den Gesetzentwurf hineinschreiben.
Wenn Sie dies bestreiten, sei Ihnen folgendes gesagt: Wer eine Wohnbesitzwohnung kauft, der bekommt 120 qm gefördert, wer im herkömmlichen Mietwohnungsbau baut, bekommt 90 qm gefördert.
Das ist ein Unterschied. Wer einen Wohnbesitzbrief bezieht, dem sind die Kapitaldienste zunächst nicht kündbar, d. h. die Hypotheken können für den Lauf von zehn Jahren nicht erhöht werden. Im herkömmlichen Mietwohnungsbau gilt das nicht.Und ein weiteres! Es besteht ja im Gesetz kein Gleichrang zwischen Mietwohnungen und Wohnbesitzwohnungen, sondern Sie haben in § 26 des Gesetzes hineingeschrieben, daß der Wohnbesitz-brief den absoluten Vorrang vor dem herkömmlichen Mietwohnungsbau hat. Das aber ist eine Verletzung der Chancengleichheit am Markt, die wir nicht wollen. Und, meine Herren von der FDP, dies ist im Grunde ein Abschiednehmen von einer liberalen Position, die Sie immer vertreten haben.
Und ein letztes! Wer 15 0/o der Bausumme des Objekts, das er bewohnt, neben der Kostenmiete bezahlen muß, den muß unseres Erachtens eine seriöse Sozialpolitik in die Lage versetzen, daß er auch zu echtem Eigentum kommt. Deshalb haben wir heute diesen Antrag hier gestellt, daß, wenn die Mehrheit dies verlangt, die Umwandlung erfolgen muß.Nun sagt Herr Kollege Vahlberg, hier würde die Mehrheit die Minderheit knüppeln. Diesen Vorwurf muß ich zurückweisen. Denn es besteht nach dem Gesetz die Möglichkeit, daß selbst dann, wenn die Mehrheit ihre Mehrheit durchsetzt, die Minderheit bei ihrem Fondsvermögen bleibt. Wo steht denn geschrieben, daß das Fondsvermögen für die restlichen 49 % aufgelöst werden muß? Dies ist ein Popanz, meine Damen und Herren, den Sie hier in diesem Hause heute aufgebaut haben; das trifft überhaupt nicht zu.
Die Frage lautet: Welches ist das Motiv? Eines steht fest: Sie schaffen mit diesem Gesetz die Baugesellschaft ohne Eigenkapital. Das heißt, die Baugesellschaft holt sich das Eigenkapital irgendwo anders her und wird dafür im Grundbuch eingetragen. Dies ist, meine Damen und Herren — diesen Vorwurf machen wir von dieser Stelle — ein Kapitalbeschaffungsgesetz für die großen Baugesellschaften auf Kosten der sozial Schwachen, die sichein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung nicht leisten können.
Wenn wir fragen, welches Motiv dahintersteht, so kann man das in Ihrer Fachliteratur nachlesen. Es heißt nämlich an verschiedenen Stellen: öffentliche Mittel für den Mietwohnungsbau vorrangig in öffentliche Hand! Das ist ein Prinzip, das den Markt verletzt, und deshalb sagen wir hierzu nein.Nicht nein sagen wir zum Wohnbesitzbrief;
bauen Sie sich nicht draußen wegen des Wahlkampfes diesen Popanz auf! Wir haben heute lediglich die Bestimmungen gestrichen wissen wollen, in denen die Präferenz eingeräumt ist. Wir haben das Modell des Wohnbesitzbriefes stehenlassen. Ich bitte, diesen Unterschied so zu sehen und so redlich zu sein, das draußen nicht zu verwässern.
Herr Minister, denken Sie einmal an das Interview, das Sie der „Süddeutschen Zeitung" — damals als Staatssekretär — gegeben haben! Da wird zitiertes ist ein Zweitzitat —:Nach Auffassung von Ravens dürften zudem kaum Wohnungsunternehmen zu finden sein, die sich lediglich für Finanzierungszwecke einschalten lassen, ohne später den Nutzen zu haben.Ja, meine Damen und Herren, das ist in der Tat ein Vorteil, den wir hier sehen. Deshalb noch einmal die Behauptung: Der Wohnbesitzbrief ist ein Mittel zur Kapitalbeschaffung für die großen Wohnbaugesellschaften auf Kosten unserer sozial Schwachen; dies ist keine Politik der sozialen Sicherung des einzelnen, sondern eine Politik der Machtzusammenballung in erster Linie bei den großen Baugesellschaf ten. Deshalb betreiben Sie mit dem Wohnbesitzbrief eine Politik, die die Baugesellschaften und nicht so sehr den einzelnen begünstigt. Denn das, was Sie dem einzelnen geben wollen — ich sage es noch einmal —, kann er am Markt billiger haben. Wer 15 % Eigenkapital aufbringt, den muß eine solide Vermögenspolitik auch in die Lage versetzen, zu echtem privaten Eigentum zu kommen.
— Welche denn, wenn ich fragen darf, Herr Kollege Wehner?
— Herr Kollege Wehner, es ist ganz gut, wenn man das, was uns bewegt, mehrmals ausdrückt, damit Sie das draußen auch richtig wiedergeben und nicht anders, als wir es hier in diesem Hause gesagt haben.
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11404 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. Jahn
Meine Damen und Herren, ich habe die Gründe dargelegt, warum wir diese vier Änderungsanträge stellen. Die sachlich geführte Debatte hat leider gezeigt, daß Sie nicht bereit sind, auch nur einem der Änderungsanträge stattzugeben. Sie wollen ja nicht die Umwandlung des Wohnbesitzbriefs in echtes Eigentum, weil Sie eben die Stellung der Baugesellschaften gemäß Ihren Programmen stärken wollen. Das ist Machtzusammenballung von Mietwohnungsbauten bei Baugesellschaften. Wir möchten die breite Streuung privaten Eigentums auch im Mietwohnungsbau wissen. Aber im Mietwohnungsbau wollen Sie keine breite Streuung privaten Eigentums, sondern Sie wollen hier bei den großen Baugesellschaften, die als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind, ein Sammelbecken schaffen.Ich darf wiederholen, was Professor Weidnauer gesagt hat:Wenn ein Kapitalist so etwas vorschlagen würde, würde man ihm vorwerfen, er unternehme einen Beutezug auf die Taschen der Ärmsten der Armen.Diesen Weg können wir nicht mitmachen. Wir gehen einen anderen Weg, und zwar, wie wir meinen, einen für unsere Bürger besseren Weg. Wir wollen zugunsten der sozial Schwachen andere Prioritäten setzen, damit auch sie zu einem Eigenheim, wie ich betonen möchte, oder zu einer Eigentumswohnung kommen.Wir wollen nicht die Konzentration. Denn wer die Macht hat, alles zu geben — im Staat oder sonstwo —, hat auch die Macht, alles zu nehmen. Deshalb möchten wir nicht den bevormundeten, sondern den mündigen Bürger, der sich im Grunde frei entfalten kann. Daher gilt für uns das Motto, für eine verstärkte Eigentumsförderung einzutreten. Wir messen der Eigentumspolitik einen ganz anderen Stellenwert zu, als es bei Ihnen der Fall ist.Aus diesem Grunde sehen wir uns leider gezwungen — zumal Sie in dieser Debatte überhaupt keine Ansätze gezeigt haben, uns auch nur in einem der Änderungsanträge irgendwie zugänglicher zu sein —, Sie mit einem Nein zu enttäuschen. Aber dieses Nein darf nicht allein im Raum stehenbleiben.
Denn Sie können uns in dieser Debatte nicht vorwerfen, Herr Wehner, daß wir keine konstruktive Opposition gewesen seien. Das Konstruktive liegt bei uns in der eigenen Alternative, die wir diesem Hohen Hause in dem Gesetzentwurf vorgelegt haben. Wir sehnen den Tag herbei, wo wir diese Initiative in diesem Hohen Hause zum Wohle unserer Bürger durchsetzen können.
Liegen weitere Wortmeldungen vor? — Bitte schön, Herr Kollege Henke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Jahn erfordern doch noch einige Bemerkungen. Ich hatte an sich gehofft, daß diese Art der Diskussion über den vorliegenden Gesetzentwurf, Herr Kollege Jahn, den Ausschußberatungen vorbehalten gewesen wäre. Aber Sie haben das hier im Plenum heute morgen und heute nachmittag wiederholt. Ich meine, da muß einiges richtiggestellt werden, weil bei Ihnen offensichtlich immer noch nicht alles angekommen ist.Den Pappkameraden, den Sie seit anderthalb Jahren gezielt aufbauen, daß es hier um einen großen Angriff gegen das Eigentum und die Unterstützung großer Bauträger gehe, haben wir Ihnen so oft auseinandergenommen, Herr Kollege Jahn, daß ich mich damit jetzt wirklich nicht mehr beschäftigen will. Das wollen Sie ganz offensichtlich nicht verstehen.Sie wollen wohl auch nicht verstehen, daß das Wohnbesitzmodell eine neue Chance, eine neue Idee zu der bisherigen Palette am Wohnungsmarkt ist, die es verdient, daß man sie unterstützt und trägt. Ich weiß, daß die Meinungen in Ihrer Fraktion und Ihrer Arbeitsgruppe zu diesem Problemkreis sehr geteilt sind. Es ist nicht so, wie es sich bei Ihnen darstellt, als bestünde hierzu bei der Opposition eine einheitliche Meinung. Die Meinung, die Sie, Herr Kollege Jahn hier vertreten, wird von einer Reihe von Kollegen nicht geteilt. Wenn Sie Ihren Nachbarn einmal ansehen, dann sieht das schon völlig anders aus.Herr Kollege Jahn, in den Ausschußberatungen haben wir dargestellt — beim Kollegen Mick und beim Kollegen Orgaß fanden wir Verständnis —, daß es ein erheblicher Vorteil ist, wenn mit der Mietzahlung längerfristig eigenes Vermögen gebildet wird, und daß das ein entscheidender Unterschied zum heutigen System ist, bei dem die Mietzahlung auf Dauer zur Vermögensbildung eines Dritten beiträgt. Ich hätte mir gewünscht, Sie wären auf diesen Komplex eingegangen. Aber das haben Sie leider nicht getan. Bei mir — ich muß Ihnen das so offen sagen — hat sich heute der Verdacht noch mehr verfestigt, daß Sie dieses Wohnbesitzmodell — leider haben Sie diese gute Sache dazu auserwählt — deshalb so angreifen und kritisieren, um in Ihrer eigenen Partei, in der Arbeitsgruppe, in der Fraktion Ihre Position etwas herauszuarbeiten. Dies, muß ich Ihnen leider zugestehen, ist Ihnen zweifellos gelungen. Bedauerlicherweise haben Sie ein Objekt ausgesucht, das wirklich eine bessere Behandlung verdient hätte.Sie, Herr Kollege Jahn, haben hier — und deshalb habe ich mich eigentlich zu Wort gemeldet — wieder einmal das Gutachten des „Deutschen Verbandes" zitiert. Sie verschweigen dabei, daß es ein zweites Gutachten des „Deutschen Verbandes" gibt, das zu einem völlig anderen Ergebnis kommt.
Ich will Ihnen aber jetzt einen neutralen Zeugen zitieren, der Ihnen wahrscheinlich politisch etwas nähersteht als der Sozialdemokratie. Sie kennen die letzte
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11405
HenkeNummer des Informationsdienstes des Volksheimstättenwerks. Herr Dr. Simon sitzt auf der Tribüne. Ich vermute, er hat den Artikel verfaßt.
Er schreibt hier u. a.:
So operiert die Opposition immer noch mit dem Gutachten eines wohnungspolitischen Spitzenverbandes, in dem der Wohnbesitzbrief mehrheitlich abgelehnt wird. In einer Pressenotiz der CDU-Fraktion wird dieses Gutachten, das von ihr nachträglich in die Ausschußberatungen eingebracht werden konnte, zur Stellungnahme „der gesamten Fachwelt" hochstilisiert, die damit der seltsamen Rechtskonstruktion der Wohnbesitzwohnungen eine vernichtende Kritik erteilt habe. Demgegenüber stellt der CDU-Abgeordnete Dr. Jahn in dem für das Bundestagsplenum bestimmten Bericht korrekterweise fest, daß von allen im Ausschuß gehörten Spitzenverbänden der Wohnungswirtschaft und des Realkredits gegen das Wohnbesitzmodell keine grundsätzlichen Einwendungen erhoben und seine Einbeziehung in die öffentliche Wohnungsbauförderung überwiegend befürwortet worden ist.
— Herr Dr. Jahn, Sie haben heute morgen und jetzt eben wieder etwas völlig anderes dargestellt, und ich meine, es war notwendig, dies auch hier für das Protokoll des Bundestages richtigzustellen.
Herr Kollege Jahn, Sie meinen, der Wohnbesitz ist am Markt: Da sagen Sie nichts Neues, das wissen wir. Weil der am Markt ist und weil es Interesse für das Wohnbesitzmodell gibt, haben wir uns verpflichtet gefühlt, dieses Wohnbesitzmodell, das heute dem Privatrecht unterliegt, öffentlich-rechtlich abzusichern und klarzumachen, wie das denn mit den steuerrechtlichen und prämienrechtlichen Präferenzen ist. Des weiteren mußten wir ja auch — Sie haben richtig gesagt, daß sich möglicherweise in großem Umfang sozial Schwächere an diesen geschlossenen Immobilienfonds beteiligen — dafür Sorge tragen, daß mit diesen Fonds kein Mißbrauch getrieben wird. Eben dies wird auch in diesem Gesetz geregelt.Grotesk wird aber nun Ihre ganze Darstellung, wenn Sie hier eben wieder vorgetragen haben, das Wohnbesitzmodell gehe zu Lasten des Mietwohnungsbaues, und dies in schrecklicher Weise beklagen.
Ebenso beklagen Sie seit Wochen und heute morgen und jetzt wieder, daß das Wohnbesitzmodell zu Lasten der Eigentumsmaßnahmen geht.
— Aber natürlich! Das haben Sie dauernd und auch heute wieder beklagt. Hier wird doch mit der Logik Schindluder getrieben, Herr Kollege Jahn. Es wird deutlich, daß es weniger um vermeindliche Präferenzen geht, sondern um die Ablehnung des Wohnbesitzmodells überhaupt.
Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege Jahn, wenn Sie vielleicht doch noch einmal — auch im Licht der heutigen Diskussion und im Licht der detaillierten Ausführungen, die von meinen Kollegen Krockert und Waltemathe und insbesondere von Minister Ravens hier gemacht worden sind und die es für mich überflüssig machen, noch einmal auf die Details einzugehen das alles abklopfen würden. Sie müßten, wenn Sie etwas offen an die Dinge herangehen und Ihre ideologische Betrachtungsweise beiseite stellen, zu dem Ergebnis kommen, daß es sich hier um einen lohnenden, gut gemeinten Versuch handelt. Deshalb sind wir so erstaunt, daß Sie diesen Versuch nicht mit unterstützen.
Ich stelle fest, daß keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Gegenprobe! — Danke. Stimmenthaltungen? Bei drei Stimmenthaltungen aus den Reihen der Opposition ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Wir müssen noch über die weiteren Ausschußanträge abstimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Seite 12 der Drucksache 7/3314 unter Nr. 2, nämlich die Gesetzentwürfe der Fraktion der CDU/ CSU — Drucksachen 7/294, 7/2207 — mit der Annahme dieses Gesetzentwurfs für erledigt zu erklären, sowie dem Antrag des Ausschusses unter Nr. 3, nämlich die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären — ich darf annehmen, daß ich über beides geschlossen abstimmen lassen kann —, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Damit sind die Ausschußanträge angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Schaffung eines finanziellen Beistandsfonds der OECD
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gestern, mit der Vollmacht der Bundesregierung versehen, für die Bundesrepublik Deutschland den Vertrag über die Schaffung eines Solidaritätsfonds im Rahmen der OECD unterzeichnet. Die
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11406 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Bundesminister Dr. ApelBundesregierung hat es für zweckmäßig, ja für ihre Pflicht erachtet, Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, umgehend nach meiner Rückkehr aus Paris von den Entscheidungen, die dort gefallen sind, Kenntnis zu geben.
Herr Minister, einen Augenblick bitte! Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Platz nehmen oder — falls Sie andere Gespräche führen wollen — den Saal verlassen würden, damit der Herr Bundesfinanzminister im Saal zu verstehen ist.
Meine Damen und Herren, ich meine, ich sollte Ihnen auch kurz über den ökonomischen Erfahrungsaustausch berichten, den wir bei dieser Gelegenheit gehabt haben. Es ging um einen ökonomischen Erfahrungsaustausch in zweierlei Hinsicht. Zum einen haben sich die fünf Finanzminister der wichtigsten Industrienationen, wie es Tradition ist, zu einem sehr eingehenden Meinungsaustausch getroffen: die Finanzminister der USA, Japans, Frankreichs, Großbritanniens und der Bundesrepublik. Zum anderen haben die Finanzminister der OECD anläßlich der Unterzeichnung einen eingehenden Meinungsaustausch über die Konjunkturlage in der Weltwirtschaft gehabt. Ich kann die Erfahrungen aus diesen beiden Gesprächen folgendermaßen zusammenfassen:Erstens. Wir stellen einen unübersehbaren Rückgang der Inflationsraten bei unseren wichtigsten Handelspartnern fest.Zweitens. Bei unseren wichtigsten Handelspartnern ist eine tendenzielle Verbesserung der Leistungsbilanzen in den ersten zwei Monaten 1975 sichtbar.Drittens. Alle unsere Partnerländer haben finanz-und geldpolitische Ankurbelungsmaßnahmen ergriffen, um mit der weltweiten Rezession fertigzuwerden.Diese Maßnahmen sind von unterschiedlicher Intensität, wie Sie wissen. Insbesondere bemüht sich die amerikanische Regierung, über eine antizyklische Haushaltspolitik, die von einer entsprechenden Kreditpolitik des Federal Reserve Board begleitet ist, diese Politik wirksam werden zu lassen. Die Erfahrungen, die wir hier machen können, bestehen darin, daß alle Finanzminister der wichtigsten Industrienationen, aber auch der OECD-Länder der Meinung sind, daß wir berechtigten Anlaß dazu haben, davon auszugehen, daß in der zweiten Hälfte 1975 unübersehbare Zeichen der Stabilisierung und des Wiederaufschwungs zu erwarten sind.Allerdings bleibt eine Gefahr bestehen — eine Gefahr, die wir in der Bundesrepublik nicht haben —, nämlich daß eine Reihe unserer Handelspartner den Wiederaufstieg ihrer nationalen Konjunkturen auf massiven Inflationssockeln beginnt. Von daher sind natürlich unübersehbare Probleme vorhanden.Wir sind eigentlich — das sind die Erfahrungen der gestrigen Gespräche bei der OECD — das einzige Land unter den westlichen Industrienationen von Belang, das diese Inflationsmentalität gebrochen hat, das also den wirtschaftlichen Wiederaufstieg ohne Gefahr einer neuen Preisinstabilität beginnen kann.
Ich kann überhaupt feststellen — das wird Sie sicherlich alle mit Genugtuung erfüllen —, daß wir im Rahmen der Mitgliedsländer der OECD bewundert und beachtet werden; man versucht, unserem Vorbild zu folgen. Wir sind das Land mit den stabilen Preisen, mit den soliden Tarifabschlüssen der Gewerkschaften, mit einer Bundesbankpolitik, die unserer Situation angemessen ist, und einer Konjunkturpolitik der ruhigen Hand. Unsere Partner sind zufrieden mit unserer Konjunkturpolitik. Sie wissen, daß die Bundesrepublik für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg weltweit eine ganz besondere Verantwortung trägt. Immerhin sind wir eines der wichtigsten Welthandelsländer. Die Binnenkonjunktur in der Bundesrepublik bestimmt auch darüber, wie es weltweit weitergeht.
Meine Damen und Herren, wenn ich von den durchaus nicht überall gebannten Gefahren der Inflation gesprochen habe, so wird auch verständlich, weswegen meine Finanzministerkollegen aus den anderen Ländern diese Problematik weiter sehen. Wir haben sie ausdrücklich ermutigt, neben der Notwendigkeit, die Rezession zu bekämpfen und die Arbeitslosigkeit weltweit zu überwinden, das Augenmerk weiterhin auch auf Preisstabilität zu richten.Wir konnten eine zweite Erfahrung machen, die mit der ersten zusammenhängt: Wir haben feststellen können, daß Befürchtungen, die wir alle zusammen noch vor 12, 16 Monaten hatten — eigentlich noch vor einem halben, vor einem dreiviertel Jahr —, nicht in gleichem Maße eingetreten sind, wie wir es erwartet hatten, nämlich hohe Leistungsbilanzdefizite bei unseren Handelspartnern. Es ist zwar so, daß unsere Handelspartner immer noch darunter leiden, daß sie 1974 Leistungsbilanzdefizite in großem Maße gehabt haben und daß sie auch im Jahre 1975 mit Leistungsbilanzdefiziten konfrontiert sein können — ich denke: werden —, aber insgesamt hat sich die Stabilitätspolitik in diesen Ländern — aber seien wir ehrlich: natürlich auch die Rezession und die erhöhte Absorptionsfähigkeit der ölexportierenden Länder für Industrieexporte aus Westeuropa und Nordamerika — so entwikkelt, daß wir heute etwas optimistischer sein können, was die mittel- und langfristigen Perspektiven des Zahlungsbilanzgleichgewichts anlangt.Der Generalsekretär der OECD hat uns gestern gesagt, daß, vorausgesetzt, daß der Frieden im Mittleren Osten erhalten bleibt und sich die Kooperation zwischen den ölexportierenden und den ölverbrauchenden Ländern weiterhin positiv entwickelt, wir davon ausgehen können, daß wir 1980 zu einem
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Bundesminister Dr. ApelGleichgewicht der OECD-Leistungsbilanzen zurückgekehrt sein werden.Unter der heutigen Perspektive müssen wir allerdings wissen, daß bis 1980 bei den ölexportierenden Ländern sich kumulative Überschüsse in Höhe von 200 bis 250 Milliarden Dollar angesammelt haben werden. Dieses ist aber immerhin sehr viel weniger, ungefähr 50 °/o weniger, als wir noch erwartet haben. Aber unter dieser Perspektive der Möglichkeit von Leistungsbilanz- und auch Zahlungsbilanzdefiziten wird natürlich der Solidaritätsfonds nicht überflüssig, sondern erhält als stützendes Element des Wirtschaftsaufschwungs seine Bedeutung.Ich möchte nur einen Satz zu der Debatte sagen, die wir am Rande über einen etwaigen Beitritt der Schweiz zum Währungsverbund — auch „Schlange" genannt — geführt haben. Wir haben bei dieser Gelegenheit das bekräftigt, was sicherlich auch Ihre Meinung ist: daß Währungsverbund nicht nur ein notenbanktechnisches, ein währungspolitisches Instrumentarium und damit eine wirtschaftliche Fragestellung ist, sondern im hohen Grade Politik bedeutet. Insofern werden wir bei aller Bereitschaft und auch bei aller Notwendigkeit, die Zone der monetären Solidarität in Europa auszudehnen, natürlich mit unseren westeuropäischen Nachbarn innerhalb der EG, die nicht Mitglied der „Schlange" sind, Konsultationen, Gespräche haben müssen. Um konkret zu sein: mit Paris auch darüber zu reden haben, wie so etwas im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und der wiederholt von Paris geäußerten Absicht zu bewerten ist, seinerseits in absehbarer Zeit in den Währungsverbund zurückzukehren.Lassen Sie mich damit, meine Damen und Herren, so knapp wie möglich zum Beistands-/Solidaritätsfonds selbst kommen. Ich hatte die Gelegenheit gehabt, Ihnen nach meiner Rückkehr aus den USA am 23. Januar 1975 zu sagen, wie sich aus der damaligen Sicht die Dinge darstellen. Es war für mich als Bundesfinanzminister eine große Hilfe, daß der deutsche Bundestag — ich denke, alle Fraktionen des Deutschen Bundestages — damals in den Grundlinien unserer Meinung war. Dieses hat die sehr schwierigen Verhandlungen, die wir in den letzten Wochen durchstehen mußten, sehr erleichtert. Ohne Ihre Rückendeckung wäre das sicherlich nicht genauso gut und genauso glatt gegangen.Welche Bedingungen hatten wir gestellt, und wie sieht es heute aus? Wir hatten als Bedingung Nr. 1 gestellt, daß dieser Solidaritätsfonds allerdings kein neuer Mechanismus ist, um Devisenreserven innerhalb der OECD-Länder zurückzuführen, d. h. einen Zugriffsmechanismus zu deutschen Währungsreserven zu schaffen, sondern wir hatten gesagt, dieses dürfe nur ein Sicherheitsnetz sein, eine Zugriffsmöglichkeit, wenn die nationalen Währungsreserven und auch die internationalen Möglichkeiten, sich zu finanzieren, in die Nähe der Erschöpfung kommen würden. Wir haben das erreicht. Der Solidaritätsfonds wird nur im Ausnahmefall angesprochen und angezapft werden können.Bedingung Nr. 2: Wir hatten gesagt, dieser Fonds solle zeitlich begrenzt sein, da wir davon ausgingen,daß die Leistungsbilanzen innerhalb der OECD-Länder wieder ins Gleichgewicht kommen würden. Auch dieses ist erreicht worden. Dieser Fonds ist auf zwei Jahre begrenzt. Eine Verlängerung kann nur einstimmig beschlossen werden.Schließlich Bedingung Nr. 3: Wir hatten auch mit Ihrer Unterstützung gesagt: Es kann aus dem Fonds nur Hilfe geleistet werden, wenn erstens die Energiepolitik des betreffenden Landes in die Energiepolitik der westlichen Industrienationen hineinpaßt, die am Energiesparen und Erschließen neuer Energiequellen orientiert ist, wenn zweitens die Wirtschaftspolitik des betreffenden Schuldnerlandes so ist, daß sie auf Besserung der eigenen nationalen Lage hindeutet, und wenn drittens das betreffende Land keine Handelsrestriktionen einführt, sich also auch nicht gegen deutsche Exporte abschirmt, Dies ist von uns im Abkommen verankert worden.Schließlich hatten wir — in Übereinstimmung auch mit der Haushaltslage des Bundes — gesagt, Haushaltsmittel könnten nicht gegeben werden, sondern die Bundesrepublik könne nur eine Bürgschaft geben, eine Bürgschaft für den Fall, daß Geld für ein notleidendes Land eingeworben werden muß.Damit bin ich bei den Größenordnungen. Dieser Fonds hat 25 Milliarden Dollar Umfang. Wir haben einen Anteil von 12,5 %, d. h. einen Bürgschaftsrahmen bis ungefähr in die Größenordnung von 7,2 Milliarden Dollar. Nur, meine Damen und Herren, erschrecken Sie nicht: Dieses ist eine fleet in being, eine Möglichkeit; sie wird zur Zeit noch gar nicht anvisiert.
— Schönen Dank für die Verbesserung, Herr Carstens! Es muß 7,2 Milliarden DM heißen. — Wir werden also erst im Falle eines Falles diese Bürgschaft einstellen müssen. Im übrigen können wir mit Befriedigung feststellen, daß wir den Bürgschaftsrahmen des Bundes im Bereich der internationalen Solidarität bisher erst einmal durch die bekannte EG-Anleihe belastet haben. Ansonsten hat die deutsche Bundesbank oder haben internationale Institutionen, so der Währungsfonds, hier für uns Arbeit geleistet.Alle Länder tragen gemäß ihrer Anteile das Ausfallrisiko. Wichtig ist auch, daß wir erreicht haben, daß ein Land, das sich an einer Zahlung für ein anderes notleidendes Land nicht beteiligen will, das nur kann, wenn zwei Drittel der Quoten ihm dieses Recht geben. Es gibt also keine Möglichkeit, sich aus der Solidarität der westlichen Industrienationen herauszubegeben, es sei denn mit der Zustimmung von zwei Dritteln der Quoten, die dort vertreten sind.Normalerweise kann ein Land nur bis zur Höhe seiner eigenen Quote Geld aus dem Fonds bekommen. Will es mehr haben, braucht es die deutsche Zustimmung, weil man 90% braucht, um das Doppelte der Quote zu erhalten, und Einstimmigkeit, wenn es mehr sein soll.Ich komme damit zu der Frage, wann dieses Abkommen in Kraft tritt. Es soll in Kraft treten, wenn
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Bundesminister Dr. Apel15 Länder mit 60% der Quote oder 90 % der Quotenländer ratifiziert haben. Ich bitte Sie deswegen darum, diese Ratifizierung in der gebotenen Dringlichkeit durchzuführen, weil wir ein Interesse daran haben, den beginnenden Wiederaufschwung weltweit abzusichern und abzustützen durch dieses Solidaritätsnetz, durch diesen Solidaritatsfonds.Ich komme zu einer abschließenden politischen Bewertung.Erstens. Wir haben durch die Unterzeichnung dieses Abkommens gestern ein Zeichen dafür gesetzt, daß Solidarität der westlichen Industrienationen heute und jetzt keine Phrase ist, kein leeres Wort, sondern Tatsache und Aktion. Ich glaube, das war in diesen Tagen notwendig.
Zweitens. Wir haben sichergestellt, daß der deutsche Steuerzahler aus diesem Solidaritätsfonds nicht in Anspruch genommen, der Bundeshaushalt nicht belastet wird, wir also keine zusätzlichen Finanzprobleme erhalten, wir aber dennoch über die Konstruktion des Fonds unsere Exportwirtschaft gegen Risiken des einseitigen Abwehrens deutscher Exportwaren sichern können.Schließlich sollten wir feststellen, daß sich diese praktizierte Solidarität der westlichen Welt gegen niemanden richtet. Sie ist im Gegenteil auch im Interesse der ölexportierenden Länder, auch im Interesse der Entwicklungsländer. An einem Zusammenbruch des Welthandels leiden alle. Insofern bin ich froh und glücklich darüber, daß wir diesen Akt der Solidarität gestern einstimmig im Rahmen der OECD schaffen konnten.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Sprung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens zur Schaffung eines finanziellen Beistandsfonds der OECD gestern in Paris ist ein Schlußstein in ein Gebäude von Zahlungsbilanzhilfen eingesetzt worden, das, um im Bilde zu bleiben, alle Stilepochen aufweist. Das gestern unterzeichnete Übereinkommen beendet zudem einen tiefgebenden Streit darüber, ob Zahlungsbilanzschwierigkeiten, die durch die drastischen Ölpreiserhöhungen Ende 1973 aufgetreten sind bzw. auftreten, über den internationalen Währungsfonds ausgeglichen werden sollen, indem die Ölländer die ihnen zufließenden zusätzlichen Deviseneinnahmen in einen Fonds beim IMF geben, aus dem dieser dann wiederum den in Schwierigkeiten geratenen Ländern Kredite gewährt, oder ob eine Art Feuerwehr geschaffen werden soll, ein Fonds, aus Mitteln der ölverbrauchenden Länder gespeist, also nicht aus den zusätzlichen Deviseneinnahmen der Ölproduzenten, der für den Fall eingesetzt werden soll, daß die Anlagepolitik der Ölländer zu erheblichen Zahlungsbilanzschwierigkeiten führen wird.Nun, die Lösung, die gefunden worden ist, ist zwar nicht vollkommen — ich werde darauf noch zurückkommen —, sie ist jedoch salomonisch. Es werden beide Fonds geschaffen. Der erste ist als IMF-Ölfazilität von 6 Milliarden Dollar für das Jahr 1975 bekannt, der zweite ist der gestern beschlosseine OECD-Beistands- oder Solidaritätsfonds mit einem Volumen von 25 Milliarden Dollar für zwei Jahre. Damit wurde eine Konfrontation sowohl zwischen den USA und den bzw. einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft als auch zwischen den ölexportierenden Ländern einerseits und den ölimportierenden Ländern andererseits vermieden. Insofern, meine Damen und Herren, ist die Errichtung des OECD-Solidaritätsfonds im Prinzip zu bejahen. Die ölimportierenden Länder haben sich durch die Schaffung dieses Fonds zu einer gegenseitigen finanziellen Hilfeleistung verpflichtet, die ihre Position zweifellos stärkt, auch wenn die Maßnahme sehr spät kommt. Es hat lange gedauert, vielleicht zu lange, bis sich die westlichen ölimportierenden Länder zu einer solchen Aktion aufrafften, die, wäre sie eher zustande gekommen, die Handlungsfähigkeit der beteiligten Länder, ihre Bereitschaft zur Solidarität und ihren Willen, mit den Problemen der radikalen Ölpreiserhöhungen fertig zu werden, zweifellos stärker unterstrichen hätte. Immerhin hat es fast eineinhalb Jahre gebraucht, bis der Fonds nunmehr endlich errichtet wurde.Die gefundene Lösung hat jedoch auch Schattenseiten, wirft ernst zu nehmende Probleme auch für unser Land auf. Es wäre unbillig, davor die Augen zu verschließen. Auf diese Punkte möchte ich nun kritisch eingehen.Erstens. Mit Nachdruck wird von den beteiligten Regierungen betont, daß der Solidaritätsfonds ein Sicherheitsnetz, also eine Art last resort ist, eine Art letzte Zuflucht. Nur dann — wir haben das ja eben gehört —, wenn überhaupt kein Ausweg mehr bleibt, wenn ein Mitgliedstaat keine Möglichkeit mehr hat, seine Zahlungsbilanz auszugleichen bzw. seinen Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu begegnen, soll er die Möglichkeit haben, sich an den Fonds zu wenden. Mitglieder, die beim Fonds Kredite beantragen, müssen nachweisen, daß sie sonst in nicht mehr behebbare Zahlungsbilanzschwierigkeiten kommen und daß ihre eigenen Reserven sowie die ihnen auf anderen Wegen zugänglichen Fazilitäten bis zum letzten ausgeschöpft sind.Für ein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft, das in erhebliche Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten ist, bedeutet dies, daß es zunächst seine eigenen Devisenreserven einsetzen muß. Reichen diese nicht mehr aus, so hat das betreffende Land die Möglichkeit, auf den internationalen Kapitalmärkten Devisenkredite aufzunehmen. Ist ihm auch diese Quelle verschlossen, weil es seine Verschuldungsgrenze erreicht hat, so steht ihm gegebenenfalls eine bilaterale Hilfe zur Verfügung, etwa in der Form des Devisenkredits der Bundesbank an Italien. Reicht auch diese Hilfe nicht mehr aus, so gibt es für ein solches Land den kurzfristigen Notenbeistand in der EG und danach den mittelfristigen Beistand entspre-
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Dr. Sprungchend dem Ministerratsbeschluß der Europäischen Gemeinschaft vom 22. März 1971.Doch damit, meine Damen und Herren, sind noch lange nicht alle Möglichkeiten erschöpft. Die Europäische Gemeinschaft ist darüber hinaus Ende des vergangenen Jahres vom Ministerrat ermächtigt worden, durch die Aufnahme von Krediten auf den Kapitalmärkten und die Weitergabe dieser Mittel an Mitgliedstaaten, die sich in ölpreisbedingten Zahlungsbilanzschwierigkeiten befinden, also durch Gemeinschaftsanleihen, zu helfen. Doch auch damit noch nicht genug. Einem EG-Mitglied stehen außerdem die allgemeinen Ziehungen auf den Internationalen Währungsfonds zur Verfügung. Und wenn auch das noch nicht ausreicht, gibt es schließlich die schon erwähnte Ölfazilität des IMF. Und erst dann, meine Damen und Herren, wenn alle diese Einrichtungen für ein Land erschöpft sind, kann sich dieses Land an den OECD-Solidaritätsfonds wenden.Man kann dieses System, dieses dicke Bündel von Hilfemaßnahmen und Möglichkeiten, als ein tiefgestaffeltes, wohldurchdachtes System von Zahlungsbilanzbeihilfen bezeichnen. Man kann aber auch mit gutem Grund sagen, daß man hinter diesem Bündel von Hilfemaßnahmen vergeblich nach einer geschlossenen Gesamtkonzeption sucht. Das kann man vor allem dann tun, und das muß man dann tun, wenn man sieht, daß praktisch für alle Hilfen immer wieder gilt, daß sie mit Auflagen versehen werden können bzw. versehen werden müssen, die es dem kreditnehmenden Land zur Pflicht machen, eine Wirtschafts-, Finanz-, Kredit- und Geldpolitik zu betreiben, die auf eine Wiederherstellung des Zahlungsbilanzgleichgewichts ausgerichtet ist. Irgendwann einmal — und zwar bevor der OECD-Fonds zum Zuge kommt — müßten die immer wiederkehrenden gleichen Auflagen doch Erfolg haben. Wenn das jedoch nicht der Fall ist: wer garantiert, daß das schließlich mit der Kreditgewährung und den dazu gehörenden wirtschaftspolitischen Auflagen des OECD-Fonds erreicht wird?
Die Fülle von Hilfemaßnahmen, das Bündel von Beiständen und Fonds läßt doch geradezu den Verdacht immer stärker werden, daß mit jeder weiteren Hilfseinrichtung der Zwang, sich tatsächlich nachdrücklich und ernsthaft um die dauerhafte Beseitigung von Zahlungsbilanzdefiziten zu bemühen, immer geringer wird.
Zweitens. Nachdem in den Januar-Verhandlungen, von denen der Herr Bundesfinanzminister vorhin gesprochen hat, offengeblieben war, wie der OECD-Solidaritätsfonds finanziert werden soll — nämlich entweder in der Form von Einzahlungen der Mitglieder, wobei es diesen überlassen bleiben sollte, wie sie sich die Mittel beschaffen, oder durch die Stellung von Garantien oder Bürgschaften, die dem Fonds erlauben, sich die benötigten Mittel selber auf den Kapitalmärkten zu beschaffen —, ist nach den Ausführungen des Bundesfinanzministers nunmehr beides möglich, also sowohl die direkte Einzahlung in den Fonds, die Beteiligung eines Landesgleichsam in bar, als auch die Stellung von Garantien bzw. von Bürgschaften.Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit einer gemeinsamen Garantie der Mitglieder. Das heißt, der Fonds nimmt Mittel auf den Kapitalmärkten auf, für die nicht ein einzelnes Mitglied, sondern die Gesamtheit, die Gemeinschaft aller Mitglieder die Garantie übernimmt. Es ist richtig, daß in diesem Falle alle Mitglieder sich beteiligen müssen. Die Möglichkeit des Ausoptierens ist zwar geblieben, jedoch beschränkt, wenn ich es richtig sehe, auf die Einzelverpflichtung eines Mitgliedstaates.Der Bundesfinanzminister hat erklärt, daß die Bundesregierung beabsichtige, dem Fonds für die deutsche Beteiligung ausschließlich Garantien zu geben. Es dürfte darüber hinaus ziemlich sicher sein, daß auch die anderen Teilnehmer am Fonds diesen Weg einschlagen werden. Geschieht dies jedoch, so hätte das bemerkenswerte Folgen und würde den ursprünglichen Charakter des Fonds, so wie er im Kissinger-Plan konzipiert war, erheblich berühren. Der Fonds wäre nämlich gezwungen, sich die von ihm benötigten Mittel auf den internationalen Kapitalmärkten zu beschaffen. Damit würde gleichsam durch die Hintertür das wieder eintreten, was die USA mit ihrem ursprünglichen Konzept um jeden Preis vermeiden wollten, nämlich daß es in erster Linie die zusätzlichen Deviseneinnahmen der Ölländer sein werden, aus denen der Fonds gespeist wird, und eben nicht Mittel der nationalen Kapitalmärkte bzw. Haushaltsmittel bzw. Devisenreserven der Mitgliedstaaten. Damit, so meine ich, ist ein wesentliches Element des ursprünglichen Planes verlorengegangen, nämlich die Unabhängigkeit des Fonds von den Deviseneinnahmen der Ölländer. Der Unterschied zur 1MF-Ölfazilität ist verwischt.Zwar haben die Mitglieder eine besondere Verpflichtung übernommen, dem Fonds nach vorherigen Konsultationen den Zugang zu ihren jeweiligen nationalen Kapitalmärkten zu öffnen, wenn ein Mitglied eine Einzelgarantie gibt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn es dem Fonds nicht gelingt, die benötigten Mittel zu befriedigenden Konditionen auf anderen Kapitalmärkten aufzunehmen. Damit dürfte für die wichtigsten Mitglieder diese Verpflichtung kaum zum Tragen kommen, abgesehen davon, daß sie auch gar nicht auf diese, sondern auf die wirtschaftlich schwächeren Mitglieder abgestellt ist.Die Gründe für dieses Vorgehen liegen auf der Hand. Alle wichtigen teilnehmenden Länder hätten angesichts von zum Teil beträchtlichen Haushaltsdefiziten — Sie haben, Herr Minister, auf die Ankurbelungsmaßnahmen hingewiesen, die alle Länder unternehmen, um die Konjunktur wieder in Gang zu bringen; das bedeutet, daß sich alle im Grunde verschulden müssen auf ihren nationalen Kapitalmärkten — erhebliche Schwierigkeiten, sich die nötigen Mittel auf ihren heimischen Kapitalmärkten zu beschaffen, ganz zu schweigen von der Bereitstellung von Haushaltsmitteln. Die nationalen Kapitalmärkte werden schon durch die Finanzierung der eigenen Haushaltsdefizite in außerordentlichem Ausmaß in Anspruch genommen. Um nur die beiden größten Beitragszahler des Fonds zu
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Dr. Sprungnennen: das amerikanische Haushaltsdefizit wird für das kommende Haushaltsjahr auf rund 80 Milliarden Dollar geschätzt, und das Haushaltsdefizit der öffentlichen Hände in der Bundesrepublik — dieses Hohe Haus hat noch vor drei Wochen darüber eingehend diskutiert — wird in diesem Jahr rund 60 Milliarden DM erreichen. Wie sollte man auf den Kapitalmärkten der beiden wichtigsten Mitglieder weitere Anleihen aufnehmen, sei es durch die Mitglieder selbst, sei es auf der Basis von Einzel- oder gemeinsamen Garantien, wenn diese bereits jetzt in so außerordentlichem Umfange in Anspruch genommen werden müssen, ohne daß damit gleichzeitig erhebliche Zinserhöhungseffekte mit den entsprechenden Wirkungen auf das Wiederanlaufen der Konjunkturen verbunden wären?Drittens. Die Beteiligung der einzelnen Mitglieder am Fonds, die Quoten, die auf die einzelnen Länder entfallen, sind im wesentlichen aus dem jeweiligen nationalen Bruttosozialprodukt und aus dem Außenhandelsanteil errechnet. Die Quoten wiederum bilden gleichzeitig den Schlüssel für die Kreditvergabe, den Abstimmungsmechanismus und die Finanzierungs- und Haftungsverpflichtung. Die Einzelheiten werden wir im zuständigen Ausschuß sicherlich beraten.Das Verfahren insgesamt, meine Damen und Herren, ist zu begrüßen. Die finanziellen Verpflichtungen, die aus der Beteiligung am Fonds auf die Bundesrepublik zukommen können, sind im Augenblick nur in ihrer theoretischen Obergrenze bekannt, nämlich 12,5 % von 25 Milliarden Dollar, das sind rund 7,25 Milliarden DM. Die tatsächliche Inanspruchnahme wird von dem Ausmaß der Fondstätigkeit, seiner Kreditgewährung und den Ausfällen von Krediten, wenn sie zurückzuzahlen sind, abhängen. Zwar werden der Charakter des Fonds als letzte Zuflucht, als last resort, und die Strenge der mit der Kreditgewährung verbundenen Auflagen möglicherweise seine Inanspruchnahme in Grenzen halten. Auf der anderen Seite sind jedoch die ölpreisbedingten Zahlungsbilanzdefizite, mit denen eine Reihe von Mitgliedern konfrontiert ist oder sein wird, erheblich. Wird der Fonds in Anspruch genommen, so handelt es sich entsprechend seiner Philosophie um wirkliche Notlagen.Entsprechend groß ist meines Erachtens dann auch das Risiko, ist die Ausfallgefahr. Da der Fonds zudem nur temporär tätig wird, nur zwei Jahre lang Kredite gewährt, die eine Laufzeit bis zu sieben Jahren haben können, wird das Risiko auch von der konjunkturellen Entwicklung in den kreditnehmenden Ländern abhängen. Mit einer wieder anziehenden Konjunktur, die wir zu erwarten haben, dürfte das Risiko allerdings erheblich zunehmen und nicht abnehmen.Ein weiteres Risikoelement scheint im Finanzierungsystem zu liegen, nämlich darin, ob der Fonds sich Mittel über die Bereitstellung von Einzelgarantien oder über gemeinsame Garantien beschafft. Auf jeden Fall, meine Damen und Herren, ist festzuhalten, daß Risiken in Milliardenhöhe für die Bundesrepublik entstehen können, die, wenn sie eintreten, zu einer erheblichen zusätzlichen Belastung des Bundeshaushalts führen würden. Woher diese Mittel allerdings angesichts der schon jetzt für die kommenden Haushaltsjahre feststehenden Riesendefizite im Bundeshaushalt genommen werden sollen, nun, diese Frage hat der Bundesfinanzminister nicht beantwortet. Er wollte sie sich angesichts der Situation, vor der wir uns befinden, auch gar nicht erst stellen.Meine Damen und Herren, trotz der grundsätzlichen Zustimmung darf ich die Hauptkritik bzw. die Gefahrenmomente dieser Lösung noch einmal kurz zusammenfassen, denn dies scheint mir im Hinblick auf die künftigen Bemühungen notwendig und hilfreich:Erstens. Die mittlerweile bestehenden vielfältigen Hilfseinrichtungen lassen eine geschlossene Gesamtkonzeption vermissen. Es wäre im übrigen außerordentlich nützlich, Herr Minister, wenn Sie dem Hohen Hause umgehend einmal eine Zusammenstellung aller Einrichtungen für Zahlungsbilanzbeihilfen vorlegen würden, damit man sich in diesem Gewirr von Beiständen und Fonds noch zurechtfinden kann. Ich habe ja versucht, solch eine Liste hier vorzutragen. Spätestens in den Ausschußberatungen über das vorliegende Übereinkommen wird die CDU/CSU-Fraktion einen solchen Antrag stellen.Zweitens. Durch die überwiegende Bürgschaftsfinanzierung an Stelle von baren Haushaltsmitteln wird der Unterschied zur IMF-Ölfazilität verwischt. Es besteht die Gefahr der weitgehenden Abhängigkeit des Fonds von den Deviseneinnahmen der Ölländer.Drittens. Speziell für die Bundesrepublik kann die Bürgschaftsfinanzierung nicht darüber hinwegtäuschen, daß für die Zukunft erhebliche zusätzliche Haushaltsrisiken entstehen.Meine Damen und Herren, es ist zu hoffen, daß mit dem gestern unterzeichneten Übereinkommen ein Schlußstrich unter die Schaffung internationaler Hilfseinrichtungen für Zahlungsbilanzschwierigkeiten gezogen worden ist. Herr Minister, seien diese Hilfen nun allgemeiner Art oder spezieller Natur für die Behebung von ölpreisbedingten Zahlungsbilanzschwierigkeiten, ich glaube, weitere Fonds brächten keinen zusätzlichen Nutzen mehr. Die Karten sind ausgereizt. Das zeigt mit aller Deutlichkeit der gestern geschlossene OECD-Solidaritätsfonds. Er wäre ein echter Schlußstein in dem Gebäude von Zahlungsbilanzausgleich-Hilfseinrichtungen gewesen, wenn die Finanzierung, wie ursprünglich vorgesehen, aus Haushaltsmitteln erfolgen würde. Doch die meisten teilnehmenden Länder stoßen hier an Grenzen, die den Fonds, was die Beschaffung der von ihm benötigten Mittel anlangt, dorthin verweisen, wo man sie ursprünglich gerade nicht hernehmen wollte, nämlich an die Ölländer mit ihren Devisenüberschüssen.Von den anderen speziellen Einrichtungen zur Behebung ölpreisbedingter Zahlungsbilanzschwierigkeiten wie der Gemeinschaftsanleihe der EG und der Ölpreisfazilität des IMF unterscheidet sich der OECD-Fonds nur noch dadurch, daß gegenüber der Gemeinschaftsanleihe lediglich die Zahl der Teilnehmer größer ist; allerdings handelt es sich zugegebe-
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Dr. Sprungvermaßen um sehr potente Teilnehmer. Insbesondere die USA, Japan und Kanada treten hinzu und sind hier zu erwähnen; dagegen bleiben die größten potentiellen Kreditnehmer die gleichen.Da das Recycling der zusätzlichen Deviseneinnahmen der Ölländer keine Dauereinrichtung sein kann, weil das eigentliche Problem damit nicht gelöst wird, das Recycling vielmehr letztlich nur ein Kurieren am Symptom ist, führt kein Weg daran vorbei, daß die ölimportierenden Länder alles tun, ihre Zahlungsbilanzen nicht nur über Kreditaufnahmen auszugleichen, sondern sie mittel- und langfristig über eine Normalisierung ihrer Leistungsbilanzen ins Gleichgewicht zu bringen.In diesem Sinne ist das gestern unterzeichnete Übereinkommen ein weiteres Instrument, den mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten ringenden Ländern die nötige Zeit zu verschaffen, durch eine entsprechende Wirtschafts- und Stabilitätspolitik dieses Ziel zu erreichen. Der Fonds ist nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 23. Januar dieses Jahres war hier im Hause im Anschluß an eine Regierungserklärung über die Washingtoner Währungskonferenz vom 7. bis 18. Januar 1975 Gelegenheit, über das Gesamtsystem der internationalen Zahlungsbilanzhilfen zu sprechen, dessen fein-gesponnenem, tiefgestaffeltem und, Herr Dr. Sprung, sinnvoll strukturiertem Gitterwerk — ich werde darauf noch zu sprechen kommen — damals die Ölfazilität des Internationalen Währungsfonds hinzugefügt worden war und über dessen Abrundung durch den OECD-Solidaritätsfonds nach vorangegangenen Verhandlungen in London damals bereits gesprochen werden konnte. Heute hat nun ,die Bundesregierung über die Unterzeichnung des Vertrages zum finanziellen Beistandsfonds der OECD am 9. April in Paris berichtet. Noch vor der Sommerpause wird sich der Bundestag mit dem Ratifizierungsgesetz zu befassen haben.Als dies alles hier am 23. Januar 1975 zur Debatte stand, war es wohl verständlich, daß wir, alle drei Fraktionssprecher, uns hier angesichts der Tragweite dieser Beschlüsse und der finanziellen Volumina, um die es geht, gegenseitig ein bißchen Mut zugesprochen haben, was darin gipfelte, daß zum Ausdruck gebracht wurde, die Leistungsbilanzen der ölerzeugenden Länder würden sich im Laufe der nächsten Jahre schon von selbst einigermaßen normalisieren. Manchen mochte dies damals wie Gesundbeterei erschienen sein, hatten doch die ölexportierenden Länder allein im Jahre 1974 ein rundes Drittel der internationalen Währungsreserven auf sich gezogen. Man kann ausrechnen, man kann extrapolieren, wie lange das angehalten hätte, wenn sich keine grundlegenden Veränderungen ergeben hätten. Man schätzte damals die akkumulierten Überschüsse der OPEC-Leistungsbilanzen für dieZeit bis 1980 noch auf sage und schreibe 600 Milliarden Dollar. Manche meinten damals — Recycling hin, Recycling her — den Apokalyptischen Reiter der globalen Zahlungsunfähigkeit und somit des Zusammenbruchs der Weltwährungs- und Weltwirtschaftsordnung gesehen zu haben.Die heutige Debatte, meine Damen und Herren, über den OECD-Beistandsfonds kann nun bereits vor dem Hintergrund der allgemeinen Einsicht geführt werden, daß die Zahlungsbilanzproblematik lösbar sein wird, daß die kumulativen Überschüsse der OPEC-Länder nicht auf 600 Milliarden, wie damals geschätzt, sondern auf höchstens 250 Milliarden Dollar auflaufen und die daraus resultierenden Probleme mit Hilfe der Recycling-Mechanismen zu bewältigen sein werden.Die Ergebnisse der Inflationsbekämpfung in den Industriestaaten und vorweg in der Bundesrepublik — Bundesminister Apel hat darauf zu Recht besonderen Wert gelegt — haben zu dieser Aufhellung der weltwährungspolitischen, welthandelspolitischen und weltpolitischen Szenerie ebenso beigetragen wie die gestiegenen Importkapazitäten der ölexportierenden Länder und deren verstärktes entwicklungspolitisches Engagement, auf das hier dankbar hingewiesen werden kann, und last, not least — die Verringerung der Öleinfuhren durch die Ölverbraucherländer infolge von Substitution und Einsparung.Noch sind beileibe nicht alle Gefahren gebannt. Noch herrscht außergewöhnliche Unruhe in den Währungsrelationen. Die anhaltende Schwäche des Dollars im ersten Quartal 1975 macht Sorge, wenngleich auch hier die Trendwende in Sicht ist. Aber noch sind die Ungleichgewichte unter den öleinführenden Ländern enorm.Gleichwohl aber braucht uns heute die Dimension des finanziellen Engagements, das die Bundesrepublik beim OECD-Beistandsfonds eingeht, keine Gänsehaut mehr über den Rücken zu jagen. Das Risiko der Garantieübernahme von 2,5 Milliarden Sonderziehungsrechten gleich etwa 7,25 Milliarden DM, was einem Achtel der Gesamtsumme des Fonds entspricht, hat in den letzten drei Monaten an Schärfe verloren. Je geringer die Gefahr der Inanspruchnahme des Fonds infolge einer insgesamt günstigeren Gestaltung der Leistungsbilanzen der ölexportierenden Länder einerseits, der ölverbrauchenden Industriestaaten andererseits ist, um so eher und nachdrücklicher wird der Fonds die Funktion eines Sicherheitsnetzes der zweiten und letzten Linie erfüllen können, denn dies ist die Funktion des OECD-Beistandsfonds.Herr Dr. Sprung, hier zeichnet sich auch die richtige Lage in der Gesamtstruktur der Zahlungsbilanzhilfen ab. Ging es bei der Quotenerhöhung des IWF unter bevorzugter Heranziehung der ölexportierenden Länder und bei der Ölfazilität des IWF sowie bei der EG-Anleihe und einigen anderen Maßnahmen um die Recycling-Problematik, d. h. um die Rückschleusung der Petrodollars und anderer Petrogelder aus den ölexportierenden Ländern in die Verbraucherländer insgesamt, so hat der OECD-
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Rapp
Beistandsfonds die Aufgabe, die man im angelsächsischen Sprachgebrauch mittlerweile als Reshuffling bezeichnet, d. h. die Aufgabe der Umverteilung der über Recycling bewirkten Rückflüsse entsprechend dem Bedarf und der Fristigkeit durch Darlehensgewährung innerhalb der Industriestaaten.Das Gesamtkonzept, das Sie vermißt haben, 'besteht darin, daß ein Teil der Maßnahmen Recycling zu bewirken hat, d. h. die Rückschleusung der Petrodollars in die Industriestaaten insgesamt. Hier haben wir es hingegen mit einer Vorhaltung zu tun, die das Reshuffling bewirken soll, das heißt die Verteilung innerhalb der Industriestaaten gemäß dem Bedarf und der Fristigkeit. Hier sehen Sie eine saubere, klare Struktur und eine Gesamtkonzeption, die auch nicht dadurch verwässert wird, daß, wie Sie vorher glaubten sagen zu müssen, dies letzten Endes doch auf Petrogelder zulaufen müsse. Dieses stimmt nicht.
Es ist wohl auf den hohen Abstraktionsgrad der Währungspolitik zurückzuführen, wenn die hier zur Erörterung stehenden Probleme draußen im Land nur geringe Beachtung finden. Tatsächlich ist es aber so, daß die Währungspolitik heute sowohl Kondensat, sowohl Ergebnis, als auch Moyens, als auch Ursache schlechthin der gesamten Weltinnenpolitik ist. Die geschilderte Verbesserung der währungspolitischen Gesamtsituation war Voraussetzung dafür, daß weltweit Antirezessionsprogramme überhaupt erst in Angriff genommen werden konnten. Der OECD-Solidaritätsfonds ermöglicht und realisiert die Vermeidung von Welthandelsrestriktionen, die Förderung der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit und eine kooperative Energiepolitik. Dieses nämlich sind die Bedingungen, die ein Staat erfüllen muß, der um Hilfe des Fonds nachsucht. Außerdem muß dieser Staat zuvor alle anderen ihm zur Verfügung stehenden Finanzierungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft haben.Es würde zu kompliziert und auch allzu abstrakt werden — und nach dem, was Herr Minister Apel ausgeführt hat, wäre es auch nicht mehr nötig —, wollte ich hier die ganze Feinmechanik des Systems beschreiben. An sich würde ich es gerne tun, um noch einmal darzulegen, daß dieses Ensemble an Vorhaltungen tatsächlich Konzeption und Struktur hat und daß Ihr hierauf gerichteter Vorwurf nicht trifft.Ich muß mich mit einigen Stichworten begnügen: Rückgriff auf den Fonds nur bei außergewöhnlichen Schwierigkeiten; die Mitglieder der OECD tragen die Risiken gemeinsam; die angestrebten Ziele werden mit Hilfe periodisch zu überprüfender wirtschaftspolitischer Auflagen durchgesetzt — auch dies sollte im Auge behalten werden; sie werden überprüft, und das wird auch Wirkung zeitigen, wie man daran ermessen mag, daß es — beispielsweise — wegen ähnlicher Auflagen sehr lange gedauert hat, bis die Italiener wieder zu einer neuen Regierung kamen; der Zeitrahmen für die möglichen Kredit-Operationen wird auf zwei Jahre begrenzt, die Laufzeit der Kredite kann bis zu sieben Jahren betragen; je nach der Relation der Kreditgewährung zur jeweiligen nationalen Quote kommt bei Abstimmungen ein ausgeklügeltes abgestuftes Quorensystem zur Anwendung.Was nun die Finanzierung anlangt, so haben wir das System der Einzelverpflichtungen bei gemeinsamer Garantie. Die Bundesrepublik kommt ihrer Verpflichtung durch Garantiegewährung nach. Ihre diesbezügliche Kritik, Herr Dr. Sprung, verstehe ich nun überhaupt nicht. Sie haben zwar selber gesagt: wir haben Haushaltsgrenzen, und infolgedessen ist es zumindest verständlich, daß wir nicht Barmittel einspeisen, sondern es bei der Garantie belassen. Gut, wenn Sie dies konzedieren, ist das aber nur ein Teil der Antwort, die hier gegeben werden muß. Was soll ein Fonds eigentlich mit Barmitteln machen, der erst in Anspruch genommen wird, wenn bereits Schäden eingetreten sind? Ich würde genau davor warnen, hier einen Fonds aufzubauen, der eine riesige Apparatur benötigt, eine neue internationale Bank darstellt. Hier haben wir eine Einrichtung der zweiten Linie, die erst in Kraft zu treten braucht, wenn trotz aller vorgängiger Sicherungsmaßnahmen das Kind in den Brunnen gefallen ist. Erst in dem Moment treten die Garantieverpflichtungen ein, und erst in diesem Moment wird es auch sinnvoll, zu finanzieren. Die Kritik, daß wir unseren Verpflichtungen mit Garantieleistungen nachkommen, habe ich überhaupt nicht verstanden.Auf Grund der Gesamthaftungen beschafft sich der Fonds die erforderlichen Mittel auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten der Mitgliedsländer. Es bietet sich doch z. B. auch noch der EuroDollarmarkt an. Ich kann überhaupt nicht sehen, Herr Dr. Sprung, weshalb dies — nach Ihrer Aussage — zwingend auf die Petro-Gelder zulaufen soll. Das ist nicht einzusehen. Es ist jedenfalls ausschließbar. Die Möglichkeit des „Aus-Optierens" trägt der Gefahr kritischer Zuspitzungen Rechnung.Die Stimmrechte der Mitglieder sind durch ihre Quoren normiert. Im Falle der gemeinsamen Garantie beschränkt sich die Haftung des einzelnen Mitglieds auf maximal 150% seines Quotenanteils an den einzelnen Kreditoperationen.Und was auch sehr wichtig ist und noch eigens hervorgehoben werden muß: Das Wechselkursrisiko im Verhältnis zur eigenen Währung trägt der Kreditnehmer.Der OECD-Beistandsfonds, die zweite Verteidigungslinie im Gesamtsystem der Zahlungsbilanzhilfen, wird selbst in außergewöhnlichen Härtefällen massive Zahlungsbilanzrestriktionen vermeiden und damit die Aufrechterhaltung des freien Welthandels sichern helfen und sichern können. Wir reden hier also in der Tat von einem Überlebensproblem nicht nur der Industriestaaten, der Bundesrepublik mit ihrer hohen Welthandelsverflechtung vorweg; wir reden vielmehr, wenn wir vom internationalen Netz der Zahlungsbilanzsicherung sprechen, auch vom Weltfrieden.
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Allerdings ist die Bereitstellung von Kreditenkein Allheilmittel. Das wissen wir auch, weshalb der Rückgriff auf den Fonds, wie schon ausgeführt, an wirtschaftspolitische Bedingungen, an handelspolitisches Wohlverhalten, an den Nachweis eigener Anstrengungen des Kreditnehmers geknüpft ist, letzteres nicht zuletzt auch in bezug auf die Energiepolitik. Die Risiken sind gestreut und begrenzt. Durch die eingangs geschilderte Entwicklung des Abbaus dieser Leistungsbilanzüberschüsse der ölexportierenden Staaten verlieren diese Risiken zudem an aktueller Schärfe, sozusagen an Valutierung. Auch angesichts der in der Vergangenheit bewiesenen hohen Zahlungsmoral der OECD-Länder braucht unser eigenes finanzielles Risiko am Fonds nicht an der Maximalhaftung bemessen zu werden.Die währungspolitische Lage ist der jeweils bündigste Ausdruck des Zustandes der Welt; andererseits ist Währungspolitik einer der wirksamsten weltinnenpolitischen Hebel.
In beiderlei Beziehung hat die Bundesregierung durch die Unterzeichnung des Übereinkommens über den OECD-Beistandsfonds am 9. April 1975 in Paris einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung der Zukunft unserer Wirtschaft geleistet, die ja davon abhängt, ob und daß im Verbund der internationalen Solidarität die wirtschaftliche Zukunft aller Völker und aller Staaten gesichert ist.Meine Fraktion begrüßt die Unterzeichnung des Vertrags und hofft, daß der Ratifizierungsgesetzentwurf alsbald vorgelegt werden kann.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoppe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Beitritt der Bundesregierung zum finanziellen Beistandsfonds der OECD-Länder findet die Zustimmung der Fraktion der FDP. Wir haben die Bemühungen der Bundesregierung nach Kräften gefördert, sich zusammen mit anderen ein währungspolitisches Instrumentarium zu schaffen, mit dem einer Geldanlagepolitik entgegengewirkt werden kann, die geeignet wäre, das Währungsgleichgewicht in bedrohlicher Weise zu stören.Es war deshalb wirtschafts- und finanzpolitisch richtig, die Vorschläge des Außenministers der Vereinigten Staaten und des Generalsekretärs der OECD aufzunehmen und nach Mitteln und Wegen zu suchen, mit denen ein freier Welthandel auch unter erschwerten Bedingungen selbst in einer Ausnahmesituation aufrechterhalten werden kann.Mit dem jetzt geschaffenen Fonds können — zunächst befristet auf zwei Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens — Zahlungsbilanzhilfen an die beteiligten Länder gewährt werden. Über die Modalitäten der Beteiligung der einzelnen Länder an dem Fonds, über die Voraussetzungen, unter denen Hilfe geleistet werden kann, sowie über die von den beteiligten Ländern proportional zu ihrer Quote zutragenden Finanzrisiken ist die Öffentlichkeit umfassend informiert, so daß ich darauf hier nicht weiter einzugehen brauche.Ich möchte deshalb lediglich an die aus unserer Sicht besonders bedeutsamen Zielvorstellungen des Beistandsfonds erinnern. Es handelt sich um die Absicht, Handelsrestriktionen zu vermeiden und eine kooperative Wirtschafts- und Energiepolitik zu betreiben. Der Fonds kann heilsame Wirkungen auf die Kreditnehmer im Sinne einer so ausgerichteten Wirtschaftspolitik ausüben.Gerade die auf einen florierenden Außenhandel angewiesene eigene Wirtschaft muß es mit Genugtuung erfüllen, daß hier eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet werden konnte, Außenhandelspartnern den Weg zu verlegen, leicht und schnell aus egoistischen Überlegungen Handelsrestriktionen zu verhängen. Auf die Wirtschaftspolitik der kreditnehmenden Länder kann in der Tat stärkerer Einfluß genommen werden, als es bisher durch die Anleihen der Europäischen Gemeinschaft oder über die Ölkredite des Währungsfonds möglich war.Skepsis bleibt sicher auch jetzt berechtigt. Aber man sollte daraus andererseits, auch nicht gleich wieder eine Ideologie machen. Bei der Opposition hat man manchmal den Eindruck, daß sie dieser Gefahr unterliegt.Die Bundesregierung kommt ihrer Finanzierungsverpflichtung durch die Hingabe einer Garantie an den Fonds nach. Über eine mögliche Inanspruchnahme des Bundeshaushalts aus dieser Garantieübernahme lassen sich keine sicheren Aussagen treffen. Zunächst hängt es natürlich von der Frage ab, in welchem Umfang überhaupt auf den geschaffenen Fonds zurückgegriffen wird. Die Entwicklung ist hier nur schwer abzuschätzen.Einerseits sind die Voraussetzungen für die Kreditgewährung durch einschränkende Bedingungen erschwert und behindern deshalb den Zugriff auf den Fonds. Zum anderen schafft die auf echte Notfälle beschränkte Kreditvergabe naturgemäß ein besonders großes Risiko. Da aber im Augenblick wirklich nicht abzusehen ist, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse 1976 im internationalen Maßstab entwickeln, lassen sich Prognosen über die Inanspruchnahme einfach nicht aufstellen. Verzichten wir darauf, im Kaffeesatz lesen zu wollen.Eine Belastung des 'Bundeshaushalts aus der Garantieübernahme kann allerdings ebenfalls mit Sicherheit nicht ausgeschlossen werden. Sie muß dabei nicht die Höhe der Maximalhaftung erreichen. Mehrere Milliarden könnten aber auch kräftig zu Buch schlagen, und die Beschaffung von Deckungsmitteln in solcher Höhe müßte den schon jetzt und sicher auch noch in naher Zukunft sehr angespannten Bundeshaushalt außerordentlich belasten. Dennoch darf uns dieses Finanzrisiko bei der Abwägung der in Rede stehenden übergeordneten Interessen nicht schrecken. Der mit dem Fonds verbundene währungspolitische Zweck ist für die Entwicklung unserer Volkswirtschaft von so elementarer Bedeutung, daß dieses Risiko bewußt in Kauf zu nehmen ist.
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11414 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
HoppeWenn vom Bundesfinanzministerium in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, daß die gegebenenfalls erforderlich werdende Decke im Bürgschaftsfall dann unter Umständen im Wege eines Nachtragshaushalts zu beschaffen wäre, wird das die fachkundigen Kollegen der Opposition aufhorchen lassen. Sie werden die Ankündigung mit Wohlwollen vermerken. Haben Sie nun nicht die Sorge, daß ich mich in Fragen des Haushaltsrechts und der Haushaltstechnik verlieren werde. Ich weiß, daß das Thema des Nachtragsetats sowieso nur für Randgruppen des Parlaments interessant ist.Von dem international eingegangenen Arrangement erwarten wir ja wohl alle zunächst einmal, daß mit dem finanzpolitisch geknüpften Sicherheitsnetz Zahlungsbilanzschwierigkeiten bei den beteiligten Ländern überwunden werden können. Gleichzeitig hoffen wir dann, daß der den Bundeshaushalt belastende Bürgschaftsfall nicht eintritt, und die hervorragende Zahlungsmoral der OECD-Länder dürfte eine solche Annahme auch rechtfertigen. Ich gehe jedenfalls davon aus, daß selbst die Opposition nicht deshalb Pessimismus pflegen wird, um endlich einmal zu dem angekündigten Nachtragsetat zu kommen.Mit dem Beitritt zum finanziellen Beistandsfonds leistet die Bundesregierung ihren Beitrag zu einer vernunftbetonten Antwort der Industriestaaten auf die mit dem Wort Ölkrise nur sehr allgemein und sehr unvollkommen beschriebene Herausforderung unserer Zeit. Gemeinhin gilt das Wort: Beim Geld hört die Freundschaft auf. Hier wird in einer weltweiten Risikogemeinschaft mit gegenseitiger finanzieller Absicherung der Versuch gemacht, eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auch in Notzeiten zu gewährleisten. Die Fraktion der FDP ermutigt die Bundesregierung, diese Politik zielstrebig fortzusetzen. Dies ist allerdings keine Aufforderung für die Errichtung weiterer Fonds. Es ist vielmehr das Bemühen, der Stabilitätspolitik auch international zum Erfolg zu verhelfen.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache über die Regierungserklärung.Ich rufe den Punkt 7 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. April 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Gebiet des Gesundheitswesens— Drucksache 7/3363 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GOZur Begründung hat Frau Bundesminister Focke das Wort.Frau Dr. Focke, Bundesminister für Jugend, 1' Familie und Gesundheit: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ist das erste Folgeabkommen zum Grundlagenvertrag, das den parlamentarischen Körperschaften vorgelegt wird. Damit kommt ihm als Mosaikstein in der Entspannungs- und Verständigungspolitik der Bundesregierung eine besondere politische Bedeutung zu.Gemeinsame Interessen wurden daran deutlich, daß beide Vertragspartner schnell begonnen haben, die im Art. 7 des Grundlagenvertrages erklärte Bereitschaft zur Regelung praktischer und humanitärer Fragen in dort dargelegten Bereichen in Verhandlungen anzugehen. Die hier erreichten Verhandlungsergebnisse zeigen, daß es trotz unterschiedlicher Auffassungen lohnt, angestrebte Erleichterungen in weiteren Folgeabkommen zum Grundlagenvertrag für die Menschen in beiden deutschen Staaten gedulig durchzusetzen.Besondere, aber letztlich überwindbare Schwierigkeiten ergaben sich erwartungsgemäß bei nicht fachbezogenen politischen Fragen. Angesichts von Bestrebungen der DDR, dem Abkommen eine eigene völkerrechtliche Qualität neben dem Grundlagenvertrag zu geben, ist die Feststellung wichtig, daß es ohne Einschränkung gelungen ist, dazu die Auffassung der Bundesregierung zur Geltung zu bringen. Die Einordnung des Gesundheitsabkommens als Folgeregelung zum Grundlagenvertrag ist durch den Wortlaut klar zum Ausdruck gebracht.Der von der Bundesregierung für die Folgevereinbarungen als unverzichtbar erhobenen Forderung nach der Einbeziehung Berlins in dieses erste ratifizierungsbedürftige Folgeabkommen ist entsprechend dem Viermächteabkommen Rechnung getragen worden. Das Übereinkommen wird durch seinen Art. 8 auf Berlin ausgedehnt.Eine schon seit 1972 zwischen dem Berliner Senat und der Regierung der DDR bestehende Sonderregelung über die medizinische Betreuung von Westberlinern in der DDR, die bezüglich des Leistungsumfangs und der Kostenübernahme nicht diesem Abkommen entsprach, ist noch vor der Unterzeichnung an die Bestimmungen des Gesundheitsabkommens angepaßt worden.Auch die DDR mißt diesem Abkommen eine besondere Bedeutung bei. Sie hat ihr Interesse an einem baldigen Inkrafttreten des Gesundheitsabkommens bekundet und wendet die materiellen Vereinbarungen wie die Bundesrepublik schon jetzt im möglichen Umfang vorab und unbürokratisch an.Die Absicht der Bundesregierung ist es, mit Folgeverträgen zum Grundlagenvertrag konkrete Verbesserungen für die Menschen in beiden deutschen Staaten zu schaffen und insbesondere humanitäre Verbesserungen zu vereinbaren. Das Gesundheitsabkommen ist ein Beispiel für die Verwirklichung dieser Absicht, auch wenn sich nicht alle Vorstellungen der Bundesrepublik unmittelbar umsetzen ließen.
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Bundesminister Frau Dr. FockeIch möchte in diesem Zusammenhang feststellen, wie Staatssekretär Wolters das sinngemäß bereits in seiner Erklärung bei der Unterzeichnung des Abkommens am 25. April 1974 in Ost-Berlin getan hat, daß die Bundesregierung die Forderung von wissenschaftlichen Begegnungen, insbesondere die Teilnahme von Wissenschaftlern an Kongressen auch in dem jeweils anderen deutschen Staat im Prinzip für selbstverständlich hält. Der zu benennende Beauftragte der Bundesregierung für die Durchführung dieses Abkommens wird die in dem begleitenden Briefwechsel vorgesehenen Gespräche über die Zusammenarbeit beim wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch in diesem Sinne führen.Während es bisher auf dem Gebiete des Gesundheitswesens weder irgendwelche gemeinsamen Regelungen und Absprachen noch eine vernünftige Zusammenarbeit gab, konnten nun wesentliche praktische Fragen befriedigend normiert werden. Der durch das Gesundheitsabkommen gegebene Rechtsanspruch auf kostenfreie ambulante und stationäre medizinische Hilfe nach Einreise in den jeweils anderen Staat gewährleistet die medizinische Betreuung der Besucher im innerdeutschen Reise- und Besuchsverkehr und ist damit eine weitere Erleichterung für die persönliche Begegnung der Menschen aus beiden deutschen Staaten.Der von der DDR nach Inkrafttreten des Abkommens zugesicherte Verzicht auf die Vorlage von Desinfektionsbescheinigungen für gebrauchte Kleidungsstücke, die im Reiseverkehr als Geschenk mitgeführt werden, ist wichtig für die Menschen. Die DDR wird ihr innerstaatliches Recht entsprechend ändern.Die vereinbarte Möglichkeit von Wiederholungsuntersuchungen im jeweils anderen Staat sowie die vorgesehenen Erleichterungen im grenzüberschreitenden Krankentransport sind eine nur anscheinend selbstverständliche Ergänzung der medizinischen Betreuung.Bisher gab es grundsätzlich keinen Informationsaustausch zu Fragen des Infektionsgeschehens zwischen den beiden deutschen Staaten. Die festgelegte und seit Unterzeichnung des Abkommens bereits praktizierte Unterrichtung vereinfacht die Bekämpfung ansteckender Krankheiten und die gegenseitige Abstimmung dazu erforderlicher Maßnahmen.Die vereinbarte Inanspruchnahme von Spezialbehandlungen im Gebiet des jeweils anderen Abkommenspartners wird nur relativ wenige Patienten unmittelbar betreffen. Aus der Praxis seit Unterzeichnung des Abkommens ergibt sich aber schon heute, daß für den einzelnen gerade bei schweren Erkrankungen diese Möglichkeit eine entscheidende Hilfe darstellen kann.Weitere Vorschriften ermöglichen eine Vereinfachung des kommerziellen Arzneimittelverkehrs und gestatten die Übersendung von Arzneimitteln zur Weiter- und Wiederbehandlung in Einzelfällen unter Beachtung der einschränkenden Bedingungen, die sich für den Arzneimittelverkehr aus dem innerstaatlichen Recht beider deutscher Staaten ergeben.Das Gesundheitsabkommen, meine Damen und Herren, bezieht sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und bedarf somit der Ratifizierung. Nach Ansicht der Bundesregierung soll die Ausführung des Abkommens bezüglich der medizinischen Hilfe den Ländern überlassen bleiben. Sie nehmen diese Aufgabe bisher schon auf Grund von Richtlinien des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen wahr; Richtlinien, die unter Beteiligung der Länder erlassen wurden. Die Kosten der medizinischen Hilfe soll weiterhin der Bund tragen.In der Vergangenheit haben die Länder diesem Verfahren zugestimmt. Bei der ersten Beratung des Vertragsgesetzes im Bundesrat haben jetzt die Bundesländer die Frage aufgeworfen, ob die dem Gesetzentwurf zugrunde gelegte ungeschriebene Verwaltungskompetenz des Bundes für innerdeutsche Aufgaben als tragfähige Grundlage für den Vollzug ,des Art. 3 des Abkommens in bundeseigener Verwaltung gelten kann. Die Bundesregierung wird die Überlegungen des Bundesrats hierzu im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit dem Ziel prüfen, eine auch in diesem Punkt vom Bundesrat getragene Lösung zu finden.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Dieses Abkommen ist von Nutzen und Vorteil für die Menschen in den beiden deutschen Staaten. Es ist eine entwicklungsfähige Basis für die praktische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Voraussetzung dafür war der Abschluß des Vertrags über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Die Tatsache, daß in dem Gesundheitsabkommen Wunschvorstellungen hinsichtlich des in einer offenen demokratischen Gesellschaft selbstverständlichen Maßes an Freizügigkeit unerledigt geblieben sind, ist eine Verpflichtung für die Zukunft, kein Grund für die Geringschätzung des jetzt Erreichten.
Die sozialliberale Koalition und die Bundesregierung haben mit dem Abschluß des Grundlagenvertrags eine Politik fortgesetzt, die Geduld und Behutsamkeit erfordert, deren Ergebnisse aber — wie auch dieses Gesundheitsabkommen wieder zeigt — Schritt für Schritt zu einer Verbesserung der Lage in Deutschland führen. Ich bitte deshalb um eine zügige Ausschußberatung.
Das Wort hat der Abgeordnete Abelein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt grundsätzlich, daß durch das Abkommen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens eine — wenn auch begrenzte — Zusammenarbeit auf dem Gesundheitssektor zwischen den beiden Staaten in Deutschland möglich sein wird. Zu einzelnen Fragen, welche die spezielle fachliche ge-
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Dr. Abeleinsundheitliche Substanz betreffen, wird nachher in einigen Sätzen mein Kollege Prinz Wittgenstein Stellung nehmen.
Ich möchte mich, was den Inhalt des Vertrages angeht, auf wenige Punkte beschränken.Vieles von dem, was in dem Abkommen geregelt ist, wurde bereits praktiziert. Es wird jetzt noch rechtlich fixiert. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, dagegen ist nichts einzuwenden.Für ein wichtiges Gebiet freilich vermissen wir in dem Abkommen eine verbindliche Regelung, nämlich für das Gebiet des Arzneimittelaustauschs. Die vereinbarten Grundsätze sind uns viel zu allgemein. Gerade hier hätte angesichts der soeben wieder zitierten Überschrift, daß das Ganze menschlichen Erleichterungen dienen solle, mehr geschehen müssen. Wie allgemein und auch der Bundesregierung, hoffe ich, bekannt ist, ist die Versorgung der Bevölkerung Mitteldeutschlands mit hochwertigen Arzneimitteln seit Jahr und Tag ein Engpaß besonderer Art in der DDR. Wir alle kennen auch Berichte, daß bestimmte Arzneimittel, die hochwertig sind oder nur aus dem Westen bezogen werden können, gemäß der Klassenstruktur der mitteldeutschen Gesellschaft nur der oberen Funktionärsschicht zugute kommen. Hier hätte eine Bestimmung getroffen werden müssen, die im Wege des Arzneimittelaustausches eine bessere Versorgung der Bevölkerung der DDR mit Arzneimitteln garantiert. Es ist allgemein bekannt, daß Ärzte in der DDR für die DDR-Bevölkerung besonders wertvolle Medikamente verschrieben haben und daß diese Praxis von den Behörden der DDR dann ausdrücklich unterbunden wurde. Die Möglichkeit bestand, solche Medikamente, nachdem sie von den Ärzten verschrieben worden waren, über Postbezug von Verwandten, Bekannten oder sonstigen Institutionen aus der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Die Postbestimmungen der DDR haben diesen Weg der Versorgung der Bevölkerung der DDR mit Arzneimitteln in der Zwischenzeit praktisch unmöglich gemacht. In diesem Punkte ist das Abkommen sehr unzureichend. Hier hätten wir deutlichere Bestimmungen erwartet, gerade im Zuge Ihrer Politik, die für sich in Anspruch nimmt, menschliche Erleichterungen zum Ziele zu haben.Ähnliches ist von den Spezialbehandlungen zu sagen. Hier sind uns die Bestimmungen viel zu allgemein. Wir monieren aufs Neue, daß sich die Bundesregierung darauf eingelassen hat, so allgemeine Bestimmungen zu fassen, nachdem sie mit solchen allgemeinen Bestimmungen gerade sehr schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Indessen, der Hauptpunkt in dieser Phase der Diskussion betrifft die Zuständigkeit für die Behandlung im Bundestag. Das Gesundheitsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR zählt, wie richtig erwähnt wurde, zu der Gruppe der sogenannten Folgeverträge zum Grundvertrag.Deswegen sollte hier einiges zum Stand dieser Folgeverträge gesagt werden. Denn die Verhanlungen über die Folgeverträge vollziehen sich ungewöhnlich schleppend, und von Erfolgen durch diese Bundesregierung kann hier doch überhaupt nicht die Rede sein. Das muß hier gesagt werden, auch wenn man grundsätzlich ein solches Abkommen wie das Gesundheitsabkommen begrüßt. Im Gegenteil, das, was hier bisher auf diesem Sektor geleistet wurde, gibt Anlaß zu großer Skepsis.Es gibt noch zwei andere Abkommen, die dem Bundestag nicht vorgelegt worden sind, nämlich ein Abkommen über den Transfer von Unterhaltszahlungen und ein weiteres Abkommen über den Transfer von Guthaben. Daran zeigt sich, daß es der DDR mit ihren Unterhändlern gelungen ist, das Abkommen, das ihr die Vorteile und das Geld bringt, unter Dach und Fach zu bringen — das funktioniert, nämlich der Transfer von Unterhaltszahlungen; hier fließen Millionen in die DDR —, daß aber das Abkommen, das es ermöglichen sollte, Geld von Sperrguthaben aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland zu transferieren, und zwar von Leuten, die dort festgehaltene Gelder haben, wegen der besonderen Bestimmungen dieses Abkommens überhaupt nicht funktioniert. Es ist praktisch jetzt schon gescheitert.
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Die DDR sieht die Verhandlungen und Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland hauptsächlich unter politischen Gesichtspunkten. Sie sind für sie Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Die Bundesregierung dagegen macht aus den Verhandlungen Fachgespräche für Experten des Verkehrs, Zahlungsaustauschs und Gesundheitswesens. Nichts gegen Experten, aber durch diese Haltung werden die übergeordneten politischen Gesichtspunkte vernachlässigt.
Dieser verkehrte Verhandlungsstil ist mit dafür ursächlich, daß die Bundesregierung in den Verhandlungen mit der DDR so zahlreiche politische Niederlagen hinnehmen mußte. Deswegen werden wir uns entschieden dagegen zur Wehr setzen, daß dieser von der Bundesregierung vielleicht beabsichtigte unpolitische Stil auch auf die Arbeit des Bundestages übergreift. Wir sind uns zwar darüber im klaren, daß es die DDR ungern sieht, wenn in der Bundesrepublik Deutschland innerdeutsche Zuständigkeiten sowohl auf der Regierungsebene alsauch im Parlament praktiziert werden. Für uns gibt es jedoch keinen Grund, der DDR auf diesem Gebiet nachzugeben.Die Bundesregierung und die Mehrheitskoalition versuchen, den Bundestag daran zu hindern, seine verfassungsmäßigen Rechte innerhalb des zuständigen Ausschusses wahrzunehmen.
Dem widersetzen wir uns, und wir werden deswegen beantragen, für die Behandlung dieser Angelegenheit und aller anderen Folgeverträge als federführend den Innerdeutschen Ausschuß einzusetzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Egert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wäre reizvoll, der Versuchung zu erliegen, hier eine allgemeine deutschlandpolitische Debatte wiederaufleben zu lassen. Ich will das nicht tun, sondern will versuchen, für die SPD-Fraktion das Gesundheitsabkommen mit der DDR im Gesamtzusammenhang unserer Politik und als ein Ergebnis dieser Politik zu würdigen.
Herr Kollege Abelein, Sie haben hier beklagt, die Formulierungen des Abkommens seien zu allgemein. Ich werde an Hand einzelner Punkte auf diesen Vorwurf eingehen.Die Bundesregierung hat dem Bundestag den Gesetzentwurf zum Abkommen vom 25. April 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der DDR auf dem Gebiet des Gesundheitswesens zur Beratung vorgelegt. Wenn dieser Gesetzentwurf aus einer Reihe bedeutsamer sozial- und gesundheitspolitischer Gesetzesvorhaben der sozialliberalen Koalition, die bereits verwirklicht sind oder verwirklicht werden sollen, herausragt, dann deshalb, weil er eine Frucht auf dem durch den Grundlagenvertrag bereiteten und von der Regierung mit Beharrlichkeit, Ausdauer und politischem Augenmaß
beackerten Feld der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR darstellt.
Das Abkommen ist ein weiteres Ergebnis einer den Wirklichkeiten in der Mitte Europas drei Jahrzehnte nach Beendigung des zweiten Weltkrieges und den Interessen der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR Rechnung tragenden Politik. Das Abkommen unterstreicht den Wunsch nach und ist ein weiterer Schritt zu mehr Normalität in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Es drückt in seinen Inhalten den gegenwärtig vertraglich regelbaren Stand gemeinsam interessierender Fragen im Bereich des Gesundheitswesens aus. Die Zielrichtung ist deutlich: quantitativ und qualitativ
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Egertsollen die angestrebten Regelungen das Leben der Menschen im Bereich des Gesundheitswesens verbessern.Was ist erreicht, was soll im Interesse der Menschen in den beiden deutschen Staaten durch das Abkommen Wirklichkeit werden? Ausgehend von den Grundsätzen der Weltgesundheitsorganisation wollen die vertragschließenden Parteien künftig gewährleisten, daß sowohl die Bürger der DDR als auch die Bürger der Bundesrepublik Deutschland bei Besuchsreisen in das jeweils andere Land Anspruch auf ambulante und stationäre medizinische Hilfe und Behandlung erwerben. Der Patient wird in den Fällen, in denen er der medizinischen Hilfe bedarf, mit Arzneimitteln, Zahnersatz und anderen orthopädischen Hilfsmitteln dann versorgt, wenn sie von einem Arzt verordnet werden.Das Abkommen eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit zur Durchführung medizinischer Spezialbehandlungen und Spezialkuren, soweit diese nicht anders gewährleistet werden können.Herr Professor Abelein hat gemeint, feststellen zu müssen, die Regelung im Abkommen zu diesem Punkt sei zu allgemein. Die Tatsache, daß diese Regelung bereits im Vorgriff auf dieses Abkommen praktiziert wird, zeigt, daß hier zwar nicht quantitativ große Zahlen anfallen, daß es aber einzelne Beispiele für eine Praxis gemäß diesem Punkt des Abkommens bereits jetzt gibt.
Acht Anträge auf Behandlung in der BRD liegen vor. Von diesen acht im Vorgriff auf das Abkommen eingeleiteten Fällen sind vier bereits abgeschlossen. Drei Personen werden in Westberlin behandelt; der vierte Fall ist die Behandlung eines Ostberliners. Darüber hinaus gibt es drei Anträge auf Behandlung in der DDR, darunter einen Kurantrag. Das zeigt, daß hier durchaus aus dem Abkommen Folgewirkungen entstehen. Wenn dies auch nicht ein großer Teil ist, so ist es doch ein Mosaiksteinchen im Rahmen dessen, was beim gegenwärtigen Stand der Verhandlungen mit der DDR erreichbar ist.Neben der medizinischen Hilfe hat der vereinbarte Informationsaustausch über Fragen der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten besonderes Gewicht. Mit dem Informationsaustausch in diesem Bereich wird ein weiteres Glied in der Kette geschaffen, die helfen soll, in Mitteleuropa Gesundheits- und Seuchenschutz wirksamer auszubauen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Egert, bedauern Sie es nicht auch genauso wie ich, daß der deutschlandpolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr Professor Dr. Abelein, seinen Antrag in der Weise würdigt, daß er jetzt den Saal schon wieder verlassen hat und Ihren Ausführungen gar nicht mehr zuhört?
Herr Kollege, mich verwundert an 1der Haltung der Opposition in diesem Punkt der Deutschland-Politik fast nichts mehr. Insofern kann ich das zwar bedauern, aber meine Verwunderung ist sehr begrenzt.
Die vertragschließenden Parteien waren sich weiter darüber einig, den Austausch von Arzneimitteln sowie den Informationsaustausch über diese Erzeugnisse künftig zu gewährleisten. Nach den Ausführungen von Herrn Professor Abelein ist auch dieser Teil angeblich zu allgemein. Ich darf darauf hinweisen, daß diese Regelung u. a. auch deshalb bedeutsam ist, weil künftig der Reisende in der DDR nicht mehr damit rechnen muß, daß er wegen Arzneimitteln, die er zu seinem persönlichen Bedarf mitführt, von den Behörden der DDR belangt wird.Was den Vorwurf der zu allgemein gehaltenen Formulierung angeht, weise ich darauf hin, daß in Art. 7 des Abkommens die Möglichkeit vorgesehen ist, in klärenden Gesprächen zwischen Vertretern der zuständigen Ministerien die Einzelregelungen des Abkommens zu konkretisieren. Hier besteht also durchaus die Möglichkeit, allgemeine Formulierungen, wie sie im Rahmen des Abkommens erreichbar waren, zu verdeutlichen. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Punkt im Interesse der weiteren Entwicklung der Beziehungen auf der Grundlage dieses Abkommens.Die von den Partnern des Abkommens vereinbarte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bekämpfung des Drogen-, Rauschmittel- und sonstigen Suchtmittelmißbrauchs trägt sowohl der aktuellen Bedeutung als auch dem grundsätzlichen Gewicht dieser Fragen deutlich Rechnung.Wir Sozialdemokraten werten die erreichten Ergebnisse als positive erste Schritte. Wir begrüßen ausdrücklich, daß sowohl die DDR als auch die Bundesrepublik die materiellen Vereinbarungen aus dem Abkommen in dem jetzt möglichen Umfang bereits vorab und unbürokratisch anwenden. Wir schöpfen daraus die Zuversicht und das Vertrauen, daß die Beratungen über die Verhandlungsergebnisse durch die Beauftragten der zuständigen Ministerien hinsichtlich der Umsetzung des Abkommens zügig vorangehen werden.Wir sind befriedigt über die volle Einbeziehung von Berlin in das Abkommen.Wir erwarten, daß sich auf der Grundlage des Verhandlungsergebnisses die Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des Gesundheitswesens positiv weiterentwikkeln lassen. Wir hoffen insbesondere darauf, daß sich der Informationsaustausch zwischen den im Gesundheitsbereich Tätigen intensivieren läßt und daß insbesondere auch das Gespräch über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Gesundheitssysteme im Rahmen dieser Kontakte in Gang kommt.Wir betonen in diesem Zusammenhang erneut die Richtigkeit der Entspannungs-, Ost- und Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition. Sie hat den
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EgertSchlüssel zu den erreichten Ergebnissen auch in diesem Abkommen geliefert. Mir kommt die Haltung der Opposition an diesem Punkt immer so vor wie die Haltung von Ödlandbauern, die ihr Land, weil es unfruchtbar ist, unbestellt gelassen haben, und die nun, nachdem andere sich mühselig darangemacht haben, diesen Boden zu beackern und erste zarte Pflänzchen züchten, sich hinstellen und die Ergebnisse der Arbeit, vor der sie zurückgeschreckt waren, jetzt kritisieren und insofern durch dieses Bemühen selbst nicht sehr glaubwürdig in ihrer Politik werden.
Wir laden Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, erneut ein, endlich den überfälligen Schritt zu tun und ja zu sagen zu einer Politik, die anachronistischen und den wahren Interessen der Bevölkerung widersprechenden Verhaltensweisen eindeutig eine Absage erteilt hat.
— Ja, ich weiß, wovon ich spreche. Gerade als einer der Vertreter einer Generation, die nach dem Kriegsende mit den Ergebnissen von 12 Jahren verhängnisvoller Politik in Deutschland leben muß, weil sich niemand außerhalb der Geschichte seines Volkes stellen kann, weiß ich, wovon ich spreche.Dabei werden wir Sozialdemokraten nicht zulassen, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, diese Politik zerreden und gleichzeitig den Versuch unternehmen, durch die Hintertür in die Erfolge dieser Politik einzutreten, ohne daß vorher deutlich mit einem Ja zu dieser Politik der sozialliberalen Koalition von Ihnen Laut gegeben wird.Wir Sozialdemokraten wollen nicht versäumen, den Verhandlungsführern der Bundesregierung für das erzielte Ergebnis zu danken. Wir begrüßen, daß die Bundesregierung im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens auf die Anregungen in der Stellungnahme des Bundesrates eingehen will und daß sie hier ihre Absicht erklärt hat hinsichtlich der Mitwirkung der Länder bei der Durchführung dieses Abkommens, die wir für unerläßlich halten, eine befriedigende Lösung zu erreichen. Wir Sozialdemokraten werden in den Ausschüssen dazu beitragen, daß die Beratungen über das Abkommen zügig abgeschlossen werden können, damit die Ergebnisse dieses Abkommens im Interesse der Menschen in den beiden deutschen Staaten so bald wie irgend möglich voll wirksam werden können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prinz zu Sayn-Wittgenstein.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt, wie vorhin schon mein Kollege Professor Abelein gesagt hat, der von der Frau Bundesminister vorgetragenen Auffassung zu, daß das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik als erstes Folgeabkommen zum Grundlagenvertrag Verbesserungen beinhaltet, die den Menschen in beiden Teilen Deutschlands zugute kommen.
Meine Damen und Herren, unstrittig ist aber auch, daß es nicht dieses Abkommens bedurft hätte, um die medizinische Hilfe für die Besucher aus der DDR hier in der Bundesrepublik zu verbessern oder überhaupt erst zu ermöglichen.
Auch ohne Abkommen haben wir unseren Landsleuten aus der DDR, wenn sie zu uns in die Bundesrepublik kamen, im Falle der Erkrankung jede notwendige Behandlung zukommen lassen. Dies würde auch der Fall sein, wenn es endlich gelingen sollte, den zur Zeit immer noch vorhandenen Einbahnverkehr aufzuheben und die Reisemöglichkeiten für die Bewohner der DDR in unser Land nachhaltig zu verbessern.Neben den erwähnten Verbesserungen, die sich insbesondere in den Artikeln 3, 4, 5 und 6 finden, sind allerdings auch eine Reihe von Vereinbarungen getroffen worden, die entweder — auch darauf hat mein Kollege Abelein schon hingewiesen — als selbstverständlich angesehen werden müßten, weil sie einfach unter Kulturländern und Kulturnationen selbstverständlich sind, die insbesondere dann als selbstverständlich angesehen werden müssen, wenn man immer von Weltniveau spricht, oder wo man sagen muß, daß sie konkreter gefaßt werden müssen, weil sie nach wie vor zu unbestimmt sind. Ich werde Ihnen ein Beispiel sagen, weil Sie das negieren. Ich halte es für eine selbstverständliche Sache, daß im Todesfall oder im Falle lebensbedrohlicher Erkrankungen auch ohne ein Abkommen von einem Staat zum anderen oder von einem Land zum anderen Benachrichtigungen erfolgen und daß man darüber nicht erst Abkommen schließen muß. Ebenso selbstverständlich ist, daß man jemandem zubilligt, daß er, wenn er krank ist, seine eigenen Medikamente mitnimmt. Das muß man nicht in Form eines Abkommens dieser Art erst vereinbaren.Mit Recht hat mein Kollege Abelein auch darauf hingewiesen, daß man hätte versuchen müssen, zu erreichen, daß auf Arztrezepte wieder nichtkommerziell Medikamente in den anderen Teil Deutschlands geschickt werden können.Die Regierung wird also in den Beratungen in den Ausschüssen deutlich machen müssen, warum die einzelnen Abmachungen nicht verbindlicher abgefaßt werden konnten.Problematisch aber — und das insbesondere an die Adresse des Kollegen Egert — erscheinen die Vereinbarungen, wie sie im Art. 2 enthalten sind, nämlich Vereinbarungen über einen Informationsaustausch über Fragen der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Hier wird offensichtlich, daß entgegen der Zusage des Bundesmini-
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Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohensteinsteriums für Jugend, Familie und Gesundheit das Bundesgesundheitsamt als sach- und fachkundige Bundesoberbehörde an der Vorbereitung der Vereinbarungen nicht beteiligt wurde. Schwerwiegender noch erscheint die Tatsache, daß das Bundesgesundheitsamt als die zuständige Stelle nicht für den Informationsaustausch benannt worden ist bzw. dieser Erfahrungs- und Informationsaustausch wie in früheren Jahren kurzgeschlossen wird, obwohl das seitens des Ministeriums im Ausschuß am 16. Mai 1973 zugesichert worden ist. Mir erscheint es notwendiger und auch zweckdienlicher, wenn sich die Experten unmittelbar austauschen, als wenn auf dem Umweg über Ministerien Mitteilungen weitergegeben werden, die letztlich dann auch in Fachzeitungen oder statistischen Nachweisungen gefunden werden können.Insofern ist es auch bemerkenswert, daß in dem Briefwechsel vom 25. April 1974, in dem ein medizinisch-wissenschaftlicher Erfahrungsaustausch vereinbart worden ist, dafür das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information als Partner der entsprechenden Stellen in ,der DDR benannt worden ist. Die Fachleute, für deren Arbeit der ständige Austausch mit Fachleuten in der DDR wichtig ist, sitzen im Bundesgesundheitsamt und nicht im Ministerium oder im Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information.
Oder will die Regierung, um das DIMDI zum geeigneten Gesprächspartner zu entwickeln, jetzt auch dort noch entsprechende Fachabteilungen einrichten oder sie sogar vom Bundesgesundheitsamt abziehen? Will sie neue Stellen schaffen, um in dieser Frage gewissermaßen doppelgleisig zu verfahren? Es ist eindeutig, daß das Bundesgesundheitsamt zuständig ist. Es heißt hier u. a. — ich darf zitierenZu seinen Aufgaben gehören Forschungen, die Erstattung von Gutachten sowie medizinalstatistische Arbeit auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege, die Rauschgiftbekämpfung, die Überwachung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln und die Führung des Spezialitätenregisters nach dem Arzneimittelgesetz.Das sind haargenau die Informationen, die Sie hier austauschen wollen. Aber davon ist nicht die Rede, sondern man beabsichtigt, auch das mit dem DIMDI zu machen, obwohl das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information ganz andere Aufgaben hat, auf die ich hier im einzelnen nicht weiter eingehen will.Eine solche Vereinbarung ist um so unverständlicher, als das Bundesgesundheitsamt selbstverständlich auch mit der Weltgesundheitsorganisation und anderen Ländern den Erfahrungsaustausch in denselben Bereichen vornimmt. Das soeben Gesagte gilt auch für Art. 6, wobei gerade die Bundesopiumstelle des Bundesgesundheitsamtes als der geeignete Partner für die beabsichtigte Zusammenarbeit angesehen werden muß.Meine Damen und Herren, besondere Probleme werden sich noch aus der Handhabung von Art. 2Nr. 4 ergeben. Hier ist ein Informationsaustausch über Personen vorgesehen, „von denen bekannt ist, daß sie Infektionsquellen infektiöser Darmkrankheiten, venerischer Krankheiten oder ansteckender Tuberkulose sind oder sein können und sich im jeweils anderen Staat aufhalten oder aufgehalten haben". Hier ist festzuhalten, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland erstens keine Meldepflicht für Bürger haben, die in die Deutsche Demokratische Republik reisen wollen, und zweitens auch keine personenbezogene Meldepflicht etwa für venerische Krankheiten haben. Der Schlußsatz dieses Art. 2 heißt dann:Beide Staaten gehen bezüglich des Umfanges des Informationsaustausches und der anzuwendenden Gesundheitsmaßnahmen von den im jeweiligen Staat geltenden Rechtsvorschriften aus.Diese Aussage ist für mich doppeldeutig; denn das kann auch heißen, daß sich derjenige, der in die DDR reisen wird, den dort geltenden Rechtsvorschriften, etwa über die Aufhebung des Arztgeheimnisses, unterwerfen muß. Es könnte auch heißen, daß bei einem Besuch des anderen Teils Deutschlands Impfvorschriften angewendet werden, die wir hier nicht mehr haben, die wir noch nicht haben oder die wir gerade abschaffen, wie etwa die Pockenschutzimpfung, die auf Grund unserer Überlegungen gesundheitspolitisch nicht mehr notwendig ist. Dies, meine Damen und Herren, halte ich für einen gewichtigen Hinweis, über den wir uns insbesondere auch in den Ausschüssen zu unterhalten haben werden, damit es hier nicht zu unterschiedlichen Auslegungen kommt.Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß neben der grundsätzlichen Zustimmung zu allen Maßnahmen, die der Verbesserung der Beziehungen, vor allem aber den Menschen in beiden Teilen Deutschlands, dienen können, eine sorgfältige Beurteilung dieses Abkommens in den Ausschüssen notwendig ist. Hierzu wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihren Beitrag leisten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüdemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt das von der Bundesregierung ausgehandelte Gesundheitsabkommen mit der DDR als einen wichtigen Beitrag zur innerdeutschen Entspannung und zur humanitären Hilfe zugunsten der Deutschen diesseits und jenseits der zu unserem Leidwesen mitten durch Deutschland gezogenen Grenze. Die FDP geht in ihrer Deutschlandpolitik seit vielen Jahren den konsequenten Weg der ereichbaren, wenn auch manchmal kleinen Schritte zur Normalisierung zwischen den beiden deutschen Staaten und ihren Bürgern. Das Abkommen mit der DDR ist ein solches Ergebnis der von uns verfolgten Politik der Vernunft. Leider müssen wir dagegen die Deutschlandpolitik der Opposition, die allzuoft zu einem un-
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Frau Lüdemannk) fruchtbares Alles oder Nichts neigt, als das bezeichnen, was sie in Anbetracht des Erreichbaren und tatsächlich Erreichten ist, als eine Politik der Unvernunft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die hocherfreuliche Zunahme des innerdeutschen Besucherverkehrs gerade jetzt über Ostern beweist, daß wir mit dem Abschluß des Grundlagenvertrages und der seitdem beschlossenen Folgeverträge auf dem richtigen Wege sind. Gegenüber Ostern vor einem Jahr war mehr als eine Verdoppelung der westdeutschen Besucher in der DDR und sogar mehr als eine Verfünffachung der ostdeutschen Besucher in der Bundesrepublik zu verzeichnen.
Es ist traurig, daß die CDU/CSU diese Verbesserungen für die Bürger in beiden Teilen Deutschlands nicht wahrhaben und mit dem Hinweis auf die zweifellos noch vorhandenen Unzulänglichkeiten abtun möchte.
Mit dem vorliegenden Gesundheitsabkommen ist ein wichtiges Ziel des Grundlagenvertrages und des Zusatzprotokolls hierzu erreicht. Art. 3 des Abkommens bringt mit der Einführung eines Rechtsanspruchs auf ambulante oder stationäre Behandlung) für jeden innerdeutschen Reisenden — dies ist gerade bei dem anwachsenden Besuchervekehr wichtig — eine dringend notwendige Ergänzung. Hervorheben möchte ich außerdem die wichtige gegenseitige Information und Zusammenarbeit bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs. Im Zusammenhang mit der von uns in Angriff genommenen Neuordnung der Arzneimittelsicherheit möchte ich noch auf den vereinbarten gegenseitigen Austausch von Arzneimitteln auf der Grundlage der Zulassungsvorschriften der beziehenden Staaten hinweisen.Die vereinbarte Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens haben Sie, meine Herren Kollegen von der CDU/CSU, gemessen an den deutschlandpolitischen Wunschvorstellungen Ihrer Fraktion, „wenig" genannt. Gemessen an der bisherigen Lage und an dem politisch Erreichbaren dürfen wir es mit Fug und Recht als „viel" bezeichnen. In der Politik ist alles relativ.
Es kommt nur auf die richtigen, auf realistische Relationen an.
Mein Listenvorgänger als Abgeordneter, Karl-Hermann Flach, hat in diesem Sinne den Liberalismus einmal zu Recht als eine politische Relativitätstheorie bezeichnet.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Franke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über das Gesundheitsabkommen mit der DDR. Ich möchte mich bei allen, die bisher gesprochen haben, dafür bedanken, daß sie dieses Thema erfreulich sachlich behandelt haben — wohltuend sachlich im Vergleich zu den Debatten, die wir zum Thema Deutschlandpolitik oder ähnlichem in der zurückliegenden Zeit hatten.Die sachliche Notwendigkeit dieses Abkommens ergibt sich wohl für alle — auch für Sie von der Opposition — aus der spürbaren Erweiterung des Besuchs- und Reiseverkehrs zwischen den beiden deutschen Staaten. Ich denke, es ist notwendig, weil die Ergebnisse und die Erfolge dieser Deutschlandpolitik von Ihnen permanent in Zweifel gezogen werden, immer wieder darauf hinzuweisen, daß sich die Dinge, für jedermann spürbar und ablesbar, wesentlich verändert haben. Ganz merklich ist das Ostern wieder in Erscheinung getreten mit der überaus unerwartet hohen Zahl von Besuchsreisen in die DDR, aber auch aus der DDR hierher. Diese Zunahme der Reisen und Begegnungen ist ein wesentliches Ergebnis unserer Deutschlandpolitik,
über deren Gesamtzusammenhang wir in der letzten großen Debatte zur Deutschlandpolitik am 30. und 31. Januar eingehend gesprochen haben.Aber einige Punkte möchte ich doch noch einmal festhalten; ich glaube, das hilft auch, die Dinge in Zukunft hier sachlicher zu behandeln, und wir sollten versuchen, in diesen Dingen, die für die Menschen fühlbare und spürbare Veränderungen und Verbesserungen bringen, doch um Sachlichkeit bemüht zu bleiben.Erstens. Die Politik der Entspannung zwischen Ost und West entspricht einem klaren Interesse der Bundesrepublik Deutschland und aller Deutschen. Davon läßt sich die Bundesregierung bei ihrer Politik gegenüber den kommunistischen Staaten leiten, auch gegenüber der DDR. Die Bundesregierung verfolgt diese Politik, die auf Veränderung in Richtung auf einen normalen, menschenwürdigen Umgang und auf nachbarschaftliche Zusammenarbeit gerichtet ist, mit Entschiedenheit und Tatkraft. Dazu steht sie und braucht sich deswegen vor niemandem verleumden zu lassen. Denn was sie tut, entspricht ihrer Pflicht in klarer Erkenntnis der Interessenlage unseres Landes und seiner Menschen.
Zweitens möchte ich festhalten: Die Bundesregierung erkennt ihre Verantwortung, die Entwicklung vorwärtszutreiben. Sie darf also nicht nur Worte machen, sondern sie muß alle Anstrengungen unternehmen, um richtig — das heißt für uns: maßvoll, umsichtig und sicher — zu handeln. Sie weiß nicht nur zwischen dem Möglichen und dem Nichtmöglichen zu unterscheiden, sie verfährt auch so. Ich
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Bundesminister Frankeglaube, es wäre für uns alle hilfreich, wenn wir Anfänge suchen wollten in vielen Bereichen, die bisher nicht geregelt sind. Denn, Herr Kollege von Wittgenstein, Selbstverständlichkeiten — Sie haben es soeben gesagt — sind leider nicht überall Selbstverständlichkeiten.
Auch Selbstverständlichkeiten, die durch solche Verträge dazu geworden sind, sind damit ein Fortschritt. Ich denke, wir sollten gemeinsam erfreut feststellen, daß die Bereitschaft auch bei der DDR gegeben ist, und wir sollten nicht nur verteufeln und anklagen. Denn letztlich geht es um die Menschen.
Drittens möchte ich hier bei dieser Gelegenheit auch unterstreichen, daß die Menschen an den schrittweisen Fortschritten und Verbesserungen erkennen, daß die Politik der Bundesregierung richtig und nützlich ist. Sie sehen ein, daß Geduld und Beharrlichkeit bessere Ratgeber sind als große Worte und jährliche Bekenntnisse.
Bei den Menschen verfängt es nicht, wenn diejenigen, die selber keinen anderen wirksamen Rat wissen, aus enttäuschten Erwartungen und nicht gelösten Sorgen Scheinargumente gegen diese Politik schmieden wollen. Die Deutschen wissen sehr wohl, wie die Lage unseres Landes aussieht, und sie hören genau zu, wenn man ihnen die Probleme dieser deutschen Wirklichkeit sachlich auseinandersetzt.Viertens möchte ich festhalten: Die Bundesregierung weiß, daß weiteres Vorankommen bei der Politik des Verhandelns und der Verträge auch von ihrer Bereitschaft und Fähigkeit abhängt, die Interessen ebenso wie die Schwierigkeiten des Partners zu erkennen und vernünftig in Rechnung zu stellen. Die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Kompromiß müssen auf beiden Seiten gleichermaßen vorhanden sein.Fünftens. Die Bundesregierung hat in der Erklärung in der Debatte vom 30. und 31. Januar hinreichend deutlich gemacht, wo Gegensätze bestehen und Belastungen in unseren Beziehungen zur DDR entstanden sind. Sie muß aber auch darauf hinweisen, daß angesichts kritischer Tendenzen die Verbindungen zwischen den beiden deutschen Staaten die erste Probe der Belastung bestanden haben. Es ist nicht zu verkennen, daß sich auch die andere Seite ernstlich Mühe gegeben hat, belastende Streitpunkte auszuräumen, um so den schwierigen gemeinsamen Versuch, auf dem Weg der Entspannung voranzugehen, nicht ernsthaft zu gefährden.Darum sieht die Bundesregierung — das möchte ich sechstens festhalten — in aller Nüchternheit der vor uns liegenden Phase, in der es um die weitere Ausgestaltung unserer Beziehungen zur DDR geht, mit positiven Erwartungen entgegen. Wir halten weitere Fortschritte nicht nur für möglich, sondern in wohlverstandenem Interesse beider Seiten auch für notwendig. Wir werden das Unsere dazu tun, um die Verträge mit Leben zu erfüllen und ihnenzur Wirklichkeit nachbarschaftlicher Zusammenarbeit zum Wohle der Menschen zu verhelfen.
Herr Kollege Professor Abelein, ich muß auf Ihre Anmerkungen hier vor dem Hohen Hause doch einige Erwiderungen geben. Sie haben völlig unrichtig dargestellt, wie das Ergebnis der bisherigen Verhandlungen gewesen ist und wie sich dieses Ergebnis auswirkt. Sie haben auf das Transferabkommen im nichtkommerziellen Bereich Bezug genommen und hier dargetan — es ist eine beliebte Methode, das Erreichte zu diskreditieren —, daß Millionenbeträge aus der Bundesrepublik in die DDR flössen. Sie haben die Gegenseitigkeit vermißt. Völlig unrichtig! Absolute Gegenseitigkeit ist dabei gewahrt. Wir sind bemüht, daraus etwas anderes werden zu lassen, und zwar mehr, weil sich aus der Problemlage heraus natürlich ganz andere Größenordnungen hüben und drüben ergeben.
— Aber entschuldigen Sie, Sie haben das wörtlich hier gesagt. Die DDR gibt genau dieselben Beträge, die wir ihr zur Verfügung stellen, auch hierher. Damit ist die Gegenseitigkeit absolut gewahrt.
Sie haben bemängelt, Herr Professor Abelein, daß im sachlichen Teil des Gesundheitsabkommens zu allgemeine Formulierungen enthalten seien, das sei zu beanstanden, und darum müsse die Federführung vom Sachreferat in das allgemeinpolitische Referat überführt werden. Bei allem Respekt vor meinen Freunden im Innerdeutschen Ausschuß meine ich, daß dort zu diesem Thema bestimmt keine exakteren Formulierungen gefunden werden können, aber die Aufgabe erfüllt werden kann — darum ja auch die koordinierende und mitberatende Aufgabe —,
insgesamt darauf zu achten, daß das übergeordnete Politische dabei immer berücksichtigt wird, nämlich die Einbeziehung als jener Bereiche, über die wir uns im klaren sind.
— Meine Zuständigkeit ist sehr eindeutig gewährleistet.
Ich möchte dabei nur wiederholen, Herr Professor Abelein, wenn überall so umfassend koordiniert würde wie hier,
wären wir in allen Bereichen weiter. Aber es hat ja gar keinen Zweck, Ihnen das sachlich darzustellen; Sie ignorieren einfach, was wir Ihnen hier sachlich unterbreiten,
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Bundesminister Frankeund Sie sind gar nicht bereit, Argumente aufzunehmen und zur Fortsetzung der Debatte zu benutzen, sondern Sie benutzen Ihre Formeln, die so alt sind wie Sie.
Damit haben Sie noch nie dazu beigetragen, daß wir weiterkommen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger?
Herr Bundesminister, zeigt nicht der breite Raum, den Sie mit Ihren Darlegungen, die Sie soeben gemacht haben, gerade den allgemeinpolitischen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsabkommen gegeben haben, daß es nach der Anlage der Debatte seitens der Bundesregierung eigentlich schlüssig und logisch wäre, die Federführung dem Innerdeutschen Ausschuß zuzuweisen? Das war doch auch das Schwergewicht der Debattenanlage von Ihrer Seite.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein! Herr Kollege Jäger, jetzt haben wir es hier alle erlebt. Ich habe die Vertrags- und Verhandlungspolitik in ihren Elementen erläutert und begründet und habe sehr wenig zum sachlichen Teil des Gesundheitsabkommens gesagt. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, um es Ihnen deutlich 711 machen, in welcher Weise das Innerdeutsche Ministerium mitzuwirken hat. Es hat darauf zu achten, daß sowohl beim Transferabkommen wie beim Gesundheitsabkommen wie bei jedem Abkommen, das wir in Zukunft zu treffen haben, unsere allgemeinen Gesichtspunkte zur Geltung gebracht werden. Und in den Fachfragen möchte ich ein Höchstmaß an Sachkenntnis bei den Verträgen gewährleistet wissen.
Dazu gehört es, daß die Federführung vom Thema her gewählt sein muß und der mitberatende Ausschuß immer sein politisches Votum vorher abgibt, bevor die Sachberatungen beginnen. Ich denke, dabei sollten wir es auch belassen.
Ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit sagen : Für alle Verhandlungen, die von der Bundesregierung mit der DDR geführt werden, ist das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen koordinierend tätig, vom Anbeginn bis zum Abschluß.
— Kollege Abelein, ich glaube, es hat wenig Sinn, mit Ihnen weiter darüber zu diskutieren.
Bei Ihnen kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein
darf, weil es Ihnen nicht paßt, daß diese Politik erfolgreicher ist, als alle Ihre Bekenntnisse in den zurückliegenden Jahren es zu sein vermochten.
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von Ihnen gerühmte sachliche Atmosphäre in dieser Debatte, Herr Bundesminister, haben Sie, meine ich, in hohem Maße verlassen.
Ich hatte überhaupt nicht die Absicht, dazu jetztnoch etwas zu sagen.
Aber es kann einfach nicht unwidersprochen bleiben, und zwar der Objektivität wegen, daß Sie dieses Gesundheitsabkommen als einen großen Erfolg Ihrer Politik herausstellen.
Ich begrüße im Grunde, daß Sie jetzt politische Aspekte hereinbrachten; denn bisher haben Sie die Geschichte ja hauptsächlich unter rein medizinisch-fachlichen Gesichtspunkten dargelegt, wogegen ich auch nichts habe, denn es hat sich ja auch hier durch die in dieser Debatte wirklich sachkundigen Ausführungen des Kollegen Prinz Wittgenstein gezeigt, daß das, was Sie hier dem Deutschen Bundestag vorlegen, fachlich auch nicht gerade ein Meisterwerk ist. Aber sehen Sie doch die Erfolgslandschaft Ihrer Deutschlandpolitik an! Was hat sich denn in der Zwischenzeit geändert? Jetzt sind Sie zum erstenmal in der Lage, ein außergewöhnlich dürftiges Abkommen, eine Art Rahmenabkommen in der Form eines Folgevertrages vorzulegen, nach zwei Jahren! Welch dürftiges Ergebnis angesichts der gesamten Situation in Deutschland.
Lieber Herr Wehner, Sie sind ohnehin ein besonderes Kapitel in der deutschen Politik,
und daß vieles jetzt nicht besser ist, ist nicht nur auf eine fehlerhafte Politik dieser Bundesregierung zurückzuführen, sondern dafür sind Sie ganz persönlich verantwortlich. Darüber werden wir uns noch öfter unterhalten können.
Sie stehen ja, wie sich eine Reihe von Malen gezeigt hat, noch nicht einmal hinter dieser Bundesregierung.
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Dr. Abelein) Sie benützen doch fast jede Gelegenheit, um wirkliche, aufrechterhaltene Positionen dieser Bundesregierung selbst zu untergraben.
Manchmal frage ich mich, welche Position Sie eigentlich in den Verhandlungen, auf der einen Seite Sowjetunion und DDR und auf der anderen Seite Bundesrepublik Deutschland, überhaupt vertreten.
Wie ist denn die Situation gegenwärtig in Deutschland? Was haben Sie denn erreicht, etwa bei der Herabsetzung der Altersgrenze? Wo ist denn Ihr Erfolg bei der vollständigen Rückgängigmachung des Zwangsumtausches geblieben? Wie sieht es denn entlang der deutschen Grenze aus? Was ist denn los mit dem Schießbefehl? Was ist denn mit den Minenfeldern?
Wir haben doch nach wie vor das größte Minenfeld der ganzen Welt mitten durch Deutschland.
— Natürlich ist das für Sie nichts Neues. Es ist ja auch so trostlos, daß sich die gegenwärtige, aktuelle, menschenwidrige Situation in Deutschland nicht geändert hat.
— Daß Sie darüber noch lachen, zeigt Ihre innere Einstellung zu diesen Dingen.
Jetzt komme ich zu einem Punkt, den Sie hier angesprochen haben, Herr Minister, der mir zeigt, daß Sie offensichtlich — diese Vermutung habe ich immer wieder — diese anderen Folgeabkommen, die dem Deutschen Bundestag nicht vorgelegt worden sind, in ihrer Tragweite und möglicherweise in ihrem Inhalt gar nicht richtig erfaßt haben. Deswegen muß ich dazu einiges sagen.
Die Bundesregierung hat ein sogenanntes Doppelabkommen abgeschlossen, und zwar eines über den Transfer von Unterhaltungszahlungen und eines über den Transfer von besonderen Guthaben in bestimmten Fällen. Wir monieren, daß Sie es immer wieder zulassen, Verhandlungspakete aufzuschnüren und Einzelabkommen abzuschließen, wobei sich dann immer wieder ergibt, daß die Abkommen, die Vorteile für die andere Seite bringen, dann einigermaßen funktionieren; was aber im Zusammenhang damit stehen müßte, lassen Sie sich abspalten, und Sie stecken Nachteile ein.
Der DDR ging es nämlich bei dieser Aufspaltunghauptsächlich darum, die Unterhaltszahlungen ineiner Höhe von etwa 70 Millionen DM als Devisenzu kassieren. Das läuft auch; das funktioniert. Das Interesse auf unserer Seite — wobei ich gegen diese Unterhaltszahlungen überhaupt nichts einzuwenden habe — lag aber auch darin, daß endlich die zahlreichen Einwohner Westdeutschlands und Berlins, die über Konten in Mitteldeutschland verfügen, in die Lage versetzt werden, entsprechende Beträge von diesen Sperrkonten in die Bundesrepublik Deutschland zu transferieren. Ich nehme an, Sie wissen wenigstens, wie es zu diesen Beträgen auf den Sperrkonten gekommen ist. Das ist nicht gerade ein rühmliches Beispiel für die Politik im anderen Teil Deutschlands. Ebenfalls wäre dazu einiges unter der Überschrift „Menschliche Erleichterungen" zu sagen.
Dabei gelang es nun der DDR, die Bundesregierung in den Verhandlungen voll hereinzulegen. Das ist nichts Neues; denn das ist ja fast immer so.
Da können Sie auch sagen: Das ist das alte Lied. Leider gibt es nichts Neues dazu zu berichten. Statt nämlich eine Vereinbarung zu treffen, schloß man, wie gesagt, zwei Vereinbarungen, eine über den Transfer von Unterhaltszahlungen und eine über den Transfer von Guthaben in bestimmten Fällen. Dadurch gelang es der DDR, die gesamten Unterhaltszahlungen aus der Bundesrepublik in die DDR transferieren zu können, Devisen von 70 Millionen DM. Sie fragten mich noch nach der Zahl. Das müßten Sie als zuständiger Fachminister doch eigentlich besser wissen als ein von der Bundesregierung sicher schlecht informierter Abgeordneter der Opposition.
Die zweite Vereinbarung — und hier hätte ich eigentlich erwartet, daß Sie den Kern dieser Dinge erfaßt haben —, nämlich über den Transfer von Guthaben in bestimmten Fällen, ist auf Gegenseitigkeit ausgerichtet. Das sehen Sie hier als Erfolg an. Aber die Sache ist doch so: Einwohner aus der DDR können auch, sofern sie in der Bundesrepublik Deutschland ein Guthaben unterhalten, Geld in die DDR überweisen — aber sie haben ja großenteils gar kein Guthaben — und es sich dann dort zum Kurs von 1 : 1 umwechseln lassen, d. h. mit einem Verlust von etwa 65 %.Nun enthält der Art. 3 der genannten Vereinbarung eine sogenannte Zug-um-Zug-Klausel, d. h., insgesamt können die Überweisungen aus dem einen Staat nicht höher sein als die Überweisungen aus dem anderen Staat.
Aber daraus ergibt sich doch ein Nachteil, lieber Herr Minister, ein eklatanter Nachteil für unsere Seite.
Wenn Sie die Millionenbeträge gegenüberstellen, können Sie doch eigentlich nur zu dem Ergebnis kommen, daß hier das Beispiel einer Verhandlungsweise von seiten der Bundesregierung vorliegt,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11425
Dr. Abeleinwie man es gerade nicht machen soll. Ich hätte eigentlich erwartet, daß Sie dies vortragen, wenn Sie dieses Kapitel schon ansprechen. Ich habe vorhin sehr rasch darüber hinweggeblättert. Aber wenn Sie die Angelegenheit jetzt anschneiden, dann muß ich ins einzelne gehend darauf eingehen. Dann zeigt sich ein weiteres Beispiel für Ihre miserable Politik auch nach dem Grundlagenvertrag.
Jetzt muß ich leider noch auf etwas anderes eingehen, was Sie hier angesprochen haben, nämlich auf Ihre Zuständigkeit. Ich erwarte eigentlich von einem Bundesminister — egal, welcher politischen Partei er zugehört —, daß er seine Zuständigkeiten wahrnimmt. Zur Wahrnehmung von Zuständigkeiten gehört unter anderem, daß er sich diese Zuständigkeiten nicht wegnehmen läßt. Nicht wir wollen Ihnen die Zuständigkeiten wegnehmen; sie werden Ihnen doch laufend ausgehöhlt von Ihrer eigenen Partei und Ihren eigenen Regierungskollegen. Es ist doch nicht das erstemal daß wir uns darüber unterhalten.Die teilweise sehr mangelhafte Auskunft der Bundesregierung gegenüber dem Parlament und gegenüber der Opposition beruht doch gerade im Falle Ihres Ministeriums nicht nur auf bösem Willen, sondern großenteils darauf, daß Sie selber ebenfalls sehr schlecht informiert sind. Wir wollen Ihnen in diesem Punkt doch nur den Rücken stärken. Lassen Sie sich doch nicht laufend gefallen, daß Sie als zuständiger Minister für die innerdeutschen Beziehungen von Ihrer eigenen Koalition an die Wand gespielt werden; denn genau das scheint mir mir doch die Situation zu sein.
Wenn Sie dazu wenigstens geschwiegen hätten, dann hätten Sie Ihre Koalition dieses Spiel betreiben lassen können. Aber ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie als zuständiger Minister für innerdeutsche Beziehungen, was für mich ein außergewöhnlich wichtiges — wenn Sie mich fragen: wahrscheinlich das wichtigste — politisches Ressort in einer Bundesregierung gegenwärtig ist, auch noch dafür plädieren können, daß Ihnen diese Fragen, nämlich die Nachfolgeverträge zum Grundlagenvertrag, aus Ihrer Federführung weggenommen werden.Dieses Spiel bringt leider die Vermutung nahe, daß es sich hier nicht um Zufälle handelt, sondern daß dahinter eine gewisse Absicht steht, daß Sie nämlich auf diese Weise erreichen wollen, daß der Begriff „innerdeutsch" überhaupt verschwindet, daß Sie auf diese Weise dazu kommen, daß die DDR dann für Sie eben Ausland darstellt.
Wir nehmen Sie in diesem Punkt bei Ihren eigenen Sentenzen, bei Ihrer eigenen Politik. Sie behaupten doch selbst immer, es handele sich dabei um nichtvölkerrechtliche Beziehungen, um Nicht-Ausland; hier handele es sich um besondere innerdeutsche Beziehungen. Aber Ihre Praxis widerspricht völlig Ihren Worten.
Wir können leider nicht umhin, dahinter eine gewisse Absicht zu sehen.Dem werden wir uns widersetzen. Deswegen stelle ich erneut den Antrag,
— Sie brauchen das sicher nicht; denn Sie sind ja, wie mir wenigstens scheint, in diesem Punkt unbelehrbar — diesen Vertrag und auch die Folgeverträge
im Parlament, und zwar auch im Interesse der Zuständigkeit des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen, dem eigentlich dafür zuständigen Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen als federführendem Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höhmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nur einige wenige Sätze hier von mir zu geben. Der erste Satz soll dieser sein: Herr Kollege Abelein, Sie haben in phantastischer Art hier dargestellt, in welcher Weise man dem Antrag, den Sie im Plenum eingebracht haben, einen Bärendienst erweisen kann.
Wer mit derart haßerfüllter Art, wie Sie es uns hier demonstriert haben, innerdeutsche Politik machen will, der ist dafür überhaupt völlig ungeeignet.
— Ich weiß nicht, warum Sie den Lehrer jetzt so nach vorne bringen. Es waren noch nie die von der letzten Bank, die den Lehrer gelobt haben, sondern meistens diejenigen, die die besten Plätze eingenommen hatten. Sie scheinen zu denen nicht zu gehören, Herr Kollege Lagershausen; ich bedaure es sehr.
— Bitte, Sie kommen offensichtlich auch nicht von den besten Plätzen in der Schule. Es tut mir leid. Aber wenn Sie so weitermachen wollen, kann ich in dieser Art auch fortfahren.
— Sie können ruhig billig weiter argumentieren. Ich weiß, wie ernst Sie es nehmen. Im übrigen: Es hat keinen Sinn. Das Mikrophon habe im Augenblick ich, nicht Sie!Zweite Bemerkung, die ich machen wollte: Ich halte es für einen außerordentlich schlechten Stil,
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Höhmannhier bei jeder Gelegenheit einen Mann in unfairer Weise anzugehen, der sich um innerdeutsche und gesamtdeutsche Beziehungen ganz besondere Verdienste erworben hat.
Damit meine ich den Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herbert Wehner.
Ernst zu nehmende Leute in der CDU/CSU-Fraktion bestreiten diese Verdienste nicht.Dritte Bemerkung: Es ist eine Unverschämtheit, über den Schießbefehl so zu reden, als gäbe es diesen, seitdem es eine sozialliberale Koalition gibt. Dieser Schießbefehl war von Anfang an da,
und er ist in der DDR besonders seit dem Zeitpunkt praktiziert worden, als der Eiserne Vorhang 1952 heruntergelassen worden war.
Damals waren Sie vielleicht gerade geboren, ich war damals schon fast erwachsen.
Vierte Bemerkung, die ich machen möchte: Ich halte es auch, besonders wenn das innerdeutsche Ministerium in dem Ratifikationsgesetz als das Ministerium herausgestellt wird, das die Abkommen in Zukunft zu überwachen hat und hier auch alle Folgeabkommen mit den Bundesländern zu koordinieren hat, für unangebracht, so zu reden wie der Kollege Professor Dr. Abelein, der es besser wissen müßte — ich nehme an, er kann lesen —, und so zu tun, als habe das innerdeutsche Ministerium damit nichts zu tun. Die Sache ist eindeutig klargelegt. Lesen Sie den Art. 2 des Ratifizierungsgesetzes, so werden Sie sehen, in welcher Weise dieses Ministerium beteiligt ist.
Fünfte Bemerkung, die ich machen möchte: Es ist also völlig falsch, zu sagen, die Federführung sei dem innerdeutschen Ministerium fortgenommen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß es richtig wäre, einem Amt, das Verhandlungen mit einem anderen Staat zu koordinieren hat, nun alle die Abteilungen zuzuordnen, die beispielsweise für Gesundheit im Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zuständig sind, die Abteilungen zuzuordnen, die im Verkehrsministerium mit dem Verkehrsvertrag befaßt sind, jene Abteilungen zuzuordnen, die im Finanzministerium über Finanzdinge zu verhandeln haben. Wir bekämen im innerdeutschen Ministerium einen Riesentermitenhaufen an Bürokratie, was völlig unnötig ist, da in den zuständigen Ministerien die Abteilungen schon vorhanden sind. Und wir sind im innerdeutschen Ausschuß, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch nicht alle und in jedem Falle so sachkundig, daß man sagen könnte, es stünde uns in jedem Falle — eben der Sachkunde wegen — die Federführung zu.Der Herr Kollege Abelein hat seine Rede damit geschlossen, daß er gemeint hat: „Ich verstehe überhaupt nicht, warum das so sein muß." Herr Kollege Abelein, ich möchte Ihnen dabei überhaupt nicht widersprechen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat beantragt, daß der Gesetzentwurf — federführend — dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen überwiesen wird. Dazu kurz: Seit vielen Jahren werden aus guten Gründen Gesetzentwürfe und Vorlagen der Bundesregierung dem Ausschuß zugewiesen, und zwar zur federführenden Beratung, der mit dem Ministerium korrespondiert, das in der Bundesregierung für die Erarbeitung des Gesetzentwurfes federführend und zuständig ist. Es ist keine Einschränkung der verfassungsmäßigen Rechte des Parlaments, wenn wir bisher einvernehmlich so verfahren sind. Herr Abelein, ich weise deswegen diesen Vorwurf, den Sie allen in diesem Parlament gegenüber erhoben haben, zurück. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ist innerhalb der Bundesregierung für diesen Gesetzentwurf zuständig, hat ihn erarbeitet. Frau Bundesminister Focke hat den Gesetzentwurf hier im Bundestag eingebracht. Deswegen soll dieser Gesetzentwurf auch dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur federführenden Beratung überwiesen werden.
Die SPD-Fraktion beantragt jedoch — ich tue das im Namen auch der FDP-Fraktion —, daß dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen der Gesetzentwurf zur Mitberatung überwiesen wird. Damit ist die politische Koordinierung und auch Würdigung möglich, auf die es den Mitgliedern des innerdeutschen Ausschusses einerseits ankommt, und andererseits ist gleichzeitig in ausreichendem Maße der Tatsache entsprochen, daß es sich um ein Folgeabkommen des Grundlagenabkommens mit der DDR handelt.
Wir lehnen den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, den innerdeutschen Ausschuß als federführenden Ausschuß zu bestimmen, ab und bitten, die Vorlage zu ergänzen und den innerdeutschen Ausschuß als mitberatenden Ausschuß zu benennen.
Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordnete Reddemann.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte nur in wenigen Sätzen an die Logik appellieren.
— Daß Sie die Logik nicht kennen, verstehe ich. Ich habe sie bei Ihnen bisher nicht bemerkt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11427
ReddemannDer Bundestag hat sich so organisiert, daß er jeweils einem Fachministerium einen Fachausschuß gegenüberstellt. Der jeweilige Fachausschuß bekommt dann auch — das hat der Herr Kollege Porzner hier klargelegt — den entsprechenden Gesetzentwurf als federführender Ausschuß überwiesen.
Nach den Ausführungen, die der Herr Bundesminister Franke soeben gemacht hat, war nicht das Ministerium der Frau Kollegin Focke, sondern sein Ministerium das koordinierende. Entweder, meine Damen, meine Herren von der SPD und der FDP, hat also der Minister hier die Unwahrheit gesagt,
vielleicht aus Unwissenheit, was ich nicht einmal ausschließe bei ihm. — Entschuldigen Sie bitte. Herr Kollege Schäfer, daß Sie sich über mich erregen, verstehe ich aus anderen Gründen sogar. Aber dessen ungeachtet muß ich feststellen: Entweder hat der Minister hier die Unwahrheit gesagt, als er von der Koordinierung sprach, oder Sie wollen in diesem Falle — das sollten Sie dann aber auch sagen — von der bewährten Praxis abweichen.Bitte machen Sie klar, was tatsächlich ist. Wenn Sie der Logik folgen und den Aussagen des Ministers, der ja nach dem Gesetz auch noch die Ausführungsbestimmungen zu erlassen hat, müssen Sie allerdings unserem Antrag zustimmen. Darum bitte ich Sie.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU, den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen mit der Behandlung der Vorlage federführend zu betrauen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. —
Danke. Gegenprobe! —
Enthaltungen? — Danke. Der Antrag ist mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Vorschlag des Ältestenrates, der auf Antrag der SPD ergänzt worden ist: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit federführend, Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung und Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen, ebenfalls mitberatend. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch gegen diesen Antrag; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung auf:
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
— Drucksache 7/3385 --
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
9. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
— Drucksache 7/3386 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Wird dazu von der Bundesregierung oder vom Bundesrat das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Für die Fraktion der SPD hat der Herr Abgeordnete Vogelsang das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hause liegt eine dritte Novelle zum Bundesausbildungsförderungsgesetz vor, und zwar gleich in doppelter Ausfertigung. Das allein werten wir als einen Beweis dafür, welche politische und insbesondere bildungspolitische Bedeutung dieses Gesetz hat.Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal kurz auf das besondere Anliegen dieses Gesetzes hinweisen, daß nämlich Einkommensverhältnisse der Auszubildenden, der Eltern oder der Ehegatten nicht Eintrittskarten zu oder Gründe für den Ausschluß von unserem Bildungssystem bedeuten. Das Gesetz setzt deshalb auch die Förderung konsequent bereits bei der Oberstufe an und setzt sie bei den Studenten fort.Jetzt soll dieses Gesetz zum dritten Male novelliert werden. Zwei Entwürfe liegen Ihnen, wie gesagt, vor. Das Anliegen dieser Entwürfe fasse ich wie folgt zusammen: Erstens. Der Rahmen soll sowohl bei den Auszubildenden — das entspricht dem Vorschlag der Bundesregierung — wie auch bei den Ausbildungsstätten außerhalb Europas — das entspricht dem Vorschlag des Bundesrates — ausgeweitet werden. Zweitens. Die Durchführbarkeit soll verbessert werden, es soll also eine bessere Verwaltung und Durchführung dieses Gesetzes geben.Zu 1: Das Gesetz in seiner ersten Fassung galt nur für Deutsche, heimatlose oder asylberechtigte Ausländer. Die erste Novelle zu diesem Gesetz bezog auch die Ausländer mit ein, wenn diese eine entsprechende Zeit in der Bundesrepublik ihren ständigen Wohnsitz hatten. Soweit es sich um die Ausbildungsstätten handelt, waren ursprünglich nur diejenigen im europäischen Bereich einbezogen; die zweite Novelle zum Bundesausbildungsförderungsgesetz bezog auch außereuropäische Ausbildungsstätten mit ein. Allerdings hat diese Novelle das an einige Bedingungen geknüpft, nämlich an diese: wenn die Ausbildung in den außereuropäischen Ausbildungsstätten für die Ausbildung erforderlich ist, im Rahmen eines Studienprogramms erfolgt oder
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11428 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Vogelsangder Ausbildung nach dem Ausbildungsstand förderlich ist.Alle diese Förderungsmaßnahmen und -möglichkeiten sind eingepaßt in unser Bildungssystem, und zwar um a) schulische und auch berufliche Abschlüsse nach deutschem Recht zu erreichen und b) die Mittel so sparsam und zweckmäßig wie möglich einzusetzen.Der Entwurf der Bundesregierung weitet nun den Kreis der Anspruchsberechtigten aus. Künftig sollen auch ausländische Kinder deutscher Elternteile und Kinder von Ausländern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die Ausbildungsstätten innerhalb der Bundesrepublik besuchen, Ausbildungshilfen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Damit wird die Konsequenz aus einem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften gezogen.Der Entwurf des Bundesrates will die Förderungsmöglichkeiten punktuell auf Ausbildungsstätten in den USA und in Kanada ausdehnen. — Meine Damen und Herren, wenn man das Gesetz so weit öffnen will, daß über die zitierten Kriterien hinaus Auszubildende beim Besuch einer ausländischen Ausbildungsstätte gefördert werden, kann man dies nicht auf zwei Staaten beschränken. Ich darf Sie hier auch auf die Drucksache 7/3302 verweisen. Mit dieser Drucksache unterrichtet die deutsche Delegation der II. Interparlamentarischen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 31. Januar bis 6. Februar 1975 in Belgrad den Deutschen Bundestag; an dieser Konferenz haben 27 europäische Staaten sowie die USA und Kanada teilgenommen. Es entspricht nicht der Entschließung im Ausschuß 3, wenn nur die Ausbildungsstätten von zwei Teilnehmerstaaten in das Gesetz einbezogen werden sollen. Denn wir gehen davon aus, daß alle Teilnehmerstaaten dieser Konferenz qualifizierte Ausbildungsstätten haben. Die Öffnung in dieser vom Bundesrat vorgesehenen Form für alle Staaten ist aber wegen des finanziellen Rahmens nicht möglich.Aus den dargelegten Gründen sehen wir zur Zeit keine Möglichkeit, diesem Vorschlag zu folgen. Auch dem Hinweis des Bundesrats, über diesen Weg den Numerus clausus abzuschwächen, müssen wir mit folgenden Argumenten entgegentreten. Auch in den genannten Ländern stehen in den Bereichen, in denen ein Numerus clausus herrscht, keine Ausbildungsplätze zur Verfügung, und zum anderen sind die Abschlüsse in diesen Ländern mit deutschen Abschlüssen heute noch nicht vergleichbar. Wir wollen und dürfen, so meinen wir, keine Hoffnungen wecken, die nachher zu noch größeren Enttäuschungen führen.
Völlig unmöglich erscheint es uns, das Gesetz in der Weise zu erweitern, die der Bundesrat vorschlägt: bei der Bemessung dieser Förderungen in USA und Kanada nur auf das Einkommen des Auszubildenden abzuheben. Das würde bedeuten, daß auch Kinder von Eltern mit hohen und höchsten Einkommen Anspruch auf Förderung hätten. Daskann doch wohl nicht ernsthaft gemeint sein. Denn das widerspräche dem Anliegen des Gesetzes und würde sicherlich von all denen als ungerecht empfunden, die es zu finanzieren haben, nämlich den Steuerzahlern.
Zu 2: Die Vorschläge zur besseren Durchführbarkeit des Gesetzes werden wir ernsthaft prüfen. Denn der Gesetzgeber hat nicht nur gute Gesetze zu erarbeiten, sondern er hat auch immer im Auge zu haben, daß sie möglichst wenig Verwaltungsaufwand erfordern.Den Überweisungsvorschlägen stimmt die SPD-Fraktion zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden in erster Lesung hier vorliegenden Gesetzentwürfe haben zwar die gleiche Überschrift, aber sie haben inhaltlich andere Gegenstände. Trotzdem hängen sie zweifelsohne zusammen. Sie sind in gewisser Hinsicht verschwistert. Es könnte sein — und es sollte sein —, daß am Schluß der Beratungen aus den beiden Gesetzen ein gemeinsames Gesetz wird.Zum Entwurf der Bundesregierung darf ich folgende Bemerkungen machen. Eben wurde darauf hingewiesen, daß nach dem bezüglich der Auslegung allerdings umstrittenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Juli 1974 den Kindern und Angehörigen von Personen der EG-Länder, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, die gleiche Förderung zuteil werden soll wie deutschen Anspruchsberechtigten. Die CDU/ CSU-Fraktion bejaht diese Regelung im Grundsatz. Dies gilt uneingeschränkt für die Förderung im Bundesgebiet. Die Förderung dieses Personenkreises im Ausland allerdings bedarf einer kritischen Durchleuchtung, weil sie über das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hinausgeht.Die Regierungsvorlage sieht vor, daß bei den Auszubildenden, die im Geltungsbereich des Gesetzes nach EG-Vorschriften als Familienangehörige Freizügigkeit gewährt erhalten oder die ein Verbleiberecht haben, nicht nur der Besuch von in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Ausbildungsstätten gefördert wird, sondern auch der Besuch von im Ausland gelegenen Ausbildungsstätten. Aus dem Urteil kann unserer Auffassung nach auf Grund des dort erwähnten Integrationsgebotes nur die Verpflichtung abgeleitet werden, die Angehörigen der EG-Mitgliedstaaten unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen des Aufnahmelandes am Unterricht, der in diesem Lande stattfindet, teilnehmen zu lassen.Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot kann insbesondere nicht vorliegen, wenn Angehörige eines EG-Mitgliedstaates mit ständigem Wohnsitz im Aufnahmestaat eine im Heimatstaat gele-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11429
Dr. Fuchsgene Ausbildungsstätte besuchen. Hier ist für die finanzielle Förderung der Ausbildung ausschließlich das innerstaatliche Recht des Heimatstaates anzuwenden. Wäre das Aufnahmeland gehalten, den Besuch von Ausbildungsstätten im Heimatstaat zu fördern, würde dadurch in die innerstaatlichen Angelegenheiten dieses Landes eingegriffen werden. Außerdem würde dies bei den einzelnen EG-Ländern zum Teil zu grotesken, für den sozialen Frieden bedenklichen und ungerechtfertigten Unterschieden in der Förderung führen, je nachdem, ob der Berechtigte, obwohl Angehöriger des gleichen Staates, entweder nach unseren Gesetzesvorschriften oder denen des eigenen Landes gefördert würde. Die CDU/CSU-Fraktion wird durch Anträge ein vernünftiges Gleichgewicht zu erreichen versuchen.Keine Bedenken ergeben sich bei der Einbeziehung von Kindern deutscher Eltern oder eines deutschen Elternteils, die selbst nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, im Gebiet unseres Staates. Die Förderung außerhalb des deutschen Bundesgebietes wirft aber auch hier Fragen auf, die zweifelsohne der Erörterung bedürfen.Keine Einwendungen bestehen auch gegen die Zuständigkeitsregelung bei der Durchführung des Gesetzes, obwohl Einzelheiten sicher im federführenden Ausschuß auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichst sparsamen Verwaltung geprüft werden müssen. Da die jetzige Regelung bereits am 31. Dezember 1974 ausgelaufen ist, sind wir über dieses Jahr, da dieser Punkt zum 1. Januar 1976 in Kraft treten soll, ohnehin in gewisser Hinsicht im Niemandsland.Im einzelnen werden bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs auf Grund von Beschlüssen des Bundesrates, denen sich die Bundesregierung erfreulicherweise zum großen Teil angeschlossen hat, und auch durch Anträge der CDU/CSU-Fraktion noch Verbesserungen zu erhoffen sein.Nun muß ich auf ein Problem hinweisen, das durch die zweite Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes entstanden ist und das nach Auffassung der CDU/CSU jetzt bei der dritten Novellierung unbedingt einer gesetzlichen Regelung bedarf. Es handelt sich um die Beseitigung der gravierenden und durch nichts zu rechtfertigenden Benachteiligung einer Gruppe von Fachhochschülern, die durch die Ableistung des Wehrdienstes oder des Zivildienstes gegenüber anderen vergleichbaren Studierenden bei der Förderung entsteht. Die „Süddeutsche Zeitung" hat dafür in mehreren Artikeln beißende Schlagzeilen gefunden, die ich Ihnen doch nicht vorenthalten möchte, so z. B. „Ein Jahr verloren — und das Stipendium dazu" oder „Kalte Dusche nach dem Wehrdienst" oder „Wehrdienst mit Stipendienentzug belohnt". Während die Studierenden bestimmter Jahrgänge, die keinen Wehrdienst oder Zivildienst leisten, eine Zuschußförderung erhalten, werden Studenten, die Wehrdienst oder Zivildienst leisten, dadurch, daß sie wegen ihres Dienstes erst nach der zweiten Änderung de: Bundesausbildungsförderungsgesetzes, zum 1. August 1974 in Kraft getreten, das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule aufnehmen konnten, aufDarlehen verwiesen. Meine Damen und Herren, das kann bei einem vierjährigen Studium bei Vollförderung einen Verlust von etwa 22 000 DM bedeuten. Dies bedeutet eine Wehrsteuer, aber genau im umgekehrten Sinn, wie sie heute erörtert wird. Wer für den Staat, durch ein Gesetz dazu verpflichtet, eine Leistung erbracht und wer Zeit geopfert hat, der darf dafür nicht bestraft werden.
Diese Ungerechtigkeit muß in dieser dritten Novellierung unserer Auffassung nach unbedingt beseitigt werden.
Dabei bedarf auch die Tatsache der Erörterung, daß durch die zweite Novellierung eine ungleiche Lage dadurch an einzelnen Hochschulen entstanden ist, daß bei bestimmten Fachhochschulen das Studium nach einer Zwischenprüfung nicht an einer wissenschaftlichen Hochschule weitergeführt werden kann, während dies bei anderen möglich ist. Zumindest muß dies erörtert werden, und die Bundesregierung muß sich auch dazu äußern.Ich komme nun zu dem anderen Dritten Änderungsgesetz, das vom Bundesrat vorgelegt wurde und das die Förderung der deutschen Studierenden in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada betrifft. Diese Förderung soll der Förderung im europäischen Ausland angeglichen werden. Die CDU/CSU-Fraktion hat für diese Frage ebenso wie CDU-Politiker in den Bundesländern, vor allem der Landtagsabgeordnete Schwarz-Schilling aus Hessen, schon mehrfach Lösungen angestrebt. Ich verweise auf die Kleine Anfrage auf Drucksache 7/1716 oder auf die Kleine Anfrage auf Drucksache 7/1720 über den deutsch-amerikanischen Jugendaustausch sowie auf die Ausführungen der Kollegin Frau Dr. Walz Anfang 1974 im Plenum des Bundestages.Um dieses Problem völlig unverdächtig deutlich zu machen, darf ich aus der Rede des damaligen Bundeskanzlers Brandt vor dem Aspen-Institut am 28. September 1973 zitieren. Er sagte damals:Es sind nur je ein paar Tausend junge Deutsche, die das Glück haben, im Land des anderen studieren zu können ... zuwenig hier, wie dort. Es wird uns etwas einfallen, wir werden etwas unternehmen müssen.Das blieb allerdings nur ein verbaler Kraftakt.Die Wirklichkeit ist mehr als unbefriedigend. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ermöglicht in seiner bisherigen Fassung kaum eine Förderung des Studiums in den Vereinigten Staaten und in Kanada. Die Zahl der Studierenden geht laufend zurück. Im Jahre 1973 erhielt kein deutscher Student Ausbildungsförderung nach diesem Gesetz für das Studium in diesen Ländern; so wird im Vorblatt des Gesetzentwurfs des Bundesrates festgestellt. Dabei wäre ein verstärkter kultureller und wissenschaftlicher Kontakt zu den Vereinigten Staaten von Amerika und zu Kanada gerade in der heutigen weltpolitischen Lage von einer kaum zu überschätzenden Bedeutung; denn auch dadurch würden die Verbindungen und die Bindungen zu unseren wichtigsten
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11430 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Dr. FuchsPartnern in Übersee verstärkt, würde ein Beitrag dazu geleistet, das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit zu vertiefen und den keimenden Virus des Isolationismus zu bekämpfen.Außerdem gebietet die wachsende Zahl der Abiturienten, die bei uns keinen Studienplatz finden, die Ausschöpfung aller sich bietenden Möglichkeiten, über den Numerus clausus nicht nur zu reden, sondern ihn wirklich zu bekämpfen.Es ist nicht so, wie Herr Kollege Vogelsang gesagt hat, daß hier keine Entlastung erfolgen könnte. In den Vereinigten Staaten und in Kanada stehen in großem Umfang, abgesehen allerdings von den medizinischen Fächern, freie Studienplätze zur Verfügung, z. B. bei den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, für die Stadt- und Regionalplanung mit den Fächern Architektur, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Psychologie, Soziologie, Rechtswissenschaft, bei den Ingenieurwissenschaften , Maschinenbau, Elektrotechnik, Psychologie, Biochemie, Mathematik. Diese Chance sollte genutzt werden. Um so bedauerlicher ist die Ablehnung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung. Ich will mich in wenigen Bemerkungen mit den Gesichtspunkten der Argumentation der Bundesregierung beschäftigen.Erstens. Es ist keine Willkür, wenn erweiterte Förderungsmöglichkeiten nur für die USA und Kanada eröffnet werden. Ein uneingeschränktes Überseeprogramm — das wurde soeben auch von Herrn Vogelsang gesagt — wäre schwer zu finanzieren. Der nordamerikanische Raum hat bei den transatlantischen Beziehungen allerdings aus vielen Gründen ein ganz besonderes Gewicht. Dies gilt um so mehr, als ein Studium etwa in Moskau, Warschau oder Bukarest nach der derzeitigen Fassung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der Förderung dem Studium im westeuropäischen Ausland gleichgestellt ist. Es sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, daß dies dann auch für die Vereinigten Staaten von Amerika und für Kanada gilt.Zweitens. Es ist auch unrichtig, daß der Entwurf den Weg zu unkontrollierten Studien in Nordamerika eröffne und, wie eben auch wieder gesagt wurde, Erwartungen wecke, die weder in Amerika noch nach der Rückkehr in unserem Land erfüllt werden könnten. Der einjährige Studienaufenthalt ist an die kontrollierbaren Kriterien der „Förderlichkeit" und der „Anrechenbarkeit" des Studiums für das Studium in Deutschland gebunden. Das Vollstudium würde nur gefördert, wenn die Kultusminister zuvor verbindlich festgestellt haben, daß erstens ein Studienplatz in Nordamerika vorhanden ist und daß er zweitens die Vergleichbarkeit der Studienleistungen und der Studienabschlüsse garantiert.Drittens. Die Bundesregierung äußert in ihrer Stellungnahme ganz besondere Bedenken gegen die in diesem Fall vorgesehene familienunabhängige Förderung. Ich gestehe zu, daß dies ein schwieriges Problem ist. Man könnte z. B. auch darüber eine Erörterung anstellen, ob man sie auf eine elternunabhängige Förderung beschränkt. Wenn aber nicht wenigstens dies geschieht, kann, glaube ich, ein solches Programm schwerlich verwirklicht werden. Dann werden wir keinen Erfolg zu verzeichnen haben. Außerdem wäre das Studium in Nordamerika Kindern von Beziehern mittlerer und gehobener Einkommen mit Sicherheit versperrt. Den Einwand, der, wie eben, auch von der Bundesregierung gemacht wurde, dann müßten auch die Millionäre gefördert werden, kennen wir sattsam. Ich nehme an, daß dieses Argument selbst nicht ernstgenommen wird, denn es handelt sich hier nur um eine verschwindende Zahl von Personen. Wegen dieser verschwindenden Zahl müßten wir dann einen ungeheuren bürokratischen Apparat in Gang setzen. Das kann doch gar nicht gewollt sein. Das kann, glaube ich, auch gar nicht so gedacht sein. Die Bundesregierung setzt sich in dieser Frage übrigens auch selbst in Widerspruch. Sie nimmt es als selbstverständlich in Kauf, daß es sich nach dem jetzigen Stand nur Kinder aus sehr begüterten Familien leisten können, in den Vereinigten Staaten und in Kanada zu studieren.
Eines jedenfalls ist sicher: Die gegenwärtige Regelung hat das Studium in Nordamerika gegenüber der früheren, weitaus besseren Regelung nach Honnef nicht gefördert. Wem dies bei der heutigen hochschulpolitischen Landschaft in unserem Staat und bei der internationalen Lage mit Recht als unbefriedigend erscheint, muß etwas Wirksames unternehmen. Genau das will dieses Gesetz.Viertens. Es besteht auch kein Anlaß zur Besorgnis, daß damit eine generelle familien- oder elternunabhängige Förderung eingeleitet werden könnte. Dieser Fall ist ganz klar abgrenzbar und beschränkbar. Wir von der CDU/CSU-Fraktion würden das selbstverständlich auch so mit tragen.Fünftens möchte ich noch auf die Finanzierungsfrage hinweisen.
— Herr Präsident, ich werde schnellstens zum Ende kommen. — Bei der Einrechnung der Investitionskosten für einen Studienplatz in der Bundesrepublik Deutschland, die notgedrungen entstehen, ergibt sich, daß ein zusätzlicher Studienplatz in Nordamerika jedenfalls wesentlich billiger ist, als wenn wir die neuen Studienplätze erst schaffen müßten. Eine vernünftige, nicht zu aufwendige Regelung der Förderung von Ausländern im EG-Raum würde außerdem die finanzielle Waage wieder mehr ins Gleichgewicht bringen.Abschließend möchte ich feststellen, daß zwischen einer sachlich nicht mehr gerechtfertigten völligen Gleichstellung der Förderung von EG-Angehörigen beim Schulbesuch und beim Studium außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und der von der Bundesregierung abgelehnten Gleichstellung der Förderung deutscher Studenten in den Vereinigten Staaten und in Kanada mit der Förderung im europäischen Ausland ein innerer Zusammenhang besteht. Die CDU/CSU-Fraktion ist der Auffassung, daß man im ersten Fall nicht über das vernünftige und gebotene Maß hinausschießen sollte und daß man
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11431
Dr. Fuchsim zweiten Fall Maßnahmen ergreifen sollte, um ein Ziel, das von allen Parteien als erstrebenswert bezeichnet wird, auch tatsächlich zu erreichen. Sie wird sich bei den Ausschußberatungen mit Nachdruck dafür einsetzen, daß ein verbessertes Gesetz, das die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe in den Grundlinien in sich vereinigt, in hoffentlich kurzer Frist dem Plenum des Bundestages in zweiter Lesung vorgelegt werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, eingebracht durch die Bundesregierung, sowie zu dem anderen Dritten Änderungsgesetz, eingebracht durch den Bundesrat, darf ich in Ergänzung der Ausführungen des Kollegen Vogelsang einige Anmerkungen machen.Der Gesetzentwurf der Bundesregierung paßt in seinem ersten Teil bestehende Bestimmungen des nationalen Rechts, in diesem Fall also des BAFÖG, den im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Juli 1974 festgelegten Bestimmungen an. Dieser Verpflichtung, u. a. auch die EG-Ausländerkinder in Deutschland in die Förderung nach dem Ausbildungsförderungsgesetz einzubeziehen, wird somit nachgekommen. Die Haltung der Fraktionen in dieser Frage ist weitgehend einhellig. In den Ausschußberatungen wird die verschiedentlich und auch soeben wieder aufgetauchte Frage endgültig zu klären sein, ob und inwieweit Kinder ausländischer Eltern, die ihren ständigen Wohnsitz in unserem Land haben, auch bei einem Studium außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gefördert werden sollten. Außer finanzpolitischen Erwägungen wird es hiergegen kaum Einwendungen geben können. Allerdings sind diese finanzpolitischen Erwägungen derzeit wohl nicht ganz unbedeutend.Im zweiten Teil des Regierungsentwurfs wird eine Fixierung der Zuständigkeiten für die Durchführung der Ausbildungsförderung vorgenommen. Es erscheint uns dabei richtig, die Zuständigkeit für die Durchführung der Förderung Studierender bei den Studentenwerken zu belassen, allerdings soweit sie Anstalten des öffentlichen Rechts sind. So werden die vorhandenen Kapazitäten vernünftig genutzt, der Verwaltungsvollzug wird nicht durcheinander gebracht, und die politischen und sachlichen Zuständigkeiten werden angemessen definiert.Einige Detailaspekte der Einwendungen des Bundesrats in dieser Angelegenheit können allerdings auch im Ausschuß noch geprüft werden.Zu dem Gesetzentwurf des Bundesrats ist zu bemerken, daß die dahinter stehende Überlegung, den Studienplatzmangel durch Export Studierwilliger in Regionen auf dem amerikanischen Kontinent, in denen noch Studienplätze frei sind, zu bekämpfen, auf den ersten Blick in der Tat recht interessanterscheint. Allerdings wollen wir schon vor den Beratungen im Ausschuß deutlich machen, daß eine Reihe von Gesichtspunkten auf den zweiten Blick die Angelegenheit weniger reizvoll erscheinen läßt.Zunächst einmal, Herr Kollege Fuchs, ist bislang kaum eine inhaltliche und qualitative Entsprechung in den Studiengängen und -ordnungen hier und etwa in den USA festzustellen — Sie haben das selber angemerkt —, wobei diese dort selbst stark differieren. Solange aber aus diesem Grunde eine volle Anrechnung von auswärts erbrachten Studienleistungen bei inländischen Prüfungen gar nicht möglich ist,
fehlt die erste Prämisse für das ganze Unterfangen und werden Sie keinen Studierenden finden, der es als Anreiz empfinden wird, in den USA zu studieren.Des weiteren wäre es nicht unproblematisch, wenn etwa eine erhebliche Zahl von Studierenden in den USA zusätzlich in solchen Bereichen studieren würde, in denen das Angebot an Studienplätzen hier ohnehin schon den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften übersteigt. In den Fächern, in denen es hier aber noch einen besonderen Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften gibt, sind meistens, mindestens aber häufig die entsprechenden Studienplätze in den USA und Kanada ebenfalls nicht frei.
— Ich weiß, Herr Kollege Pfeifer, daß Sie es als interessant empfinden, daß ich diesen Zielkonflikt aufzeige, in dem sich unsere ganze Bildungspolitik derzeit bewegt, verschärft durch die Differenz zwischen der Zahl der Anspruchsberechtigten und der Zahl der Studienplätze, und daß es für Sie auch interessant ist, wenn ich diese Kontroverse aufzeige. Aber ich sehe sie auch so.
— Nein, das ist nicht richtig. Das widerspricht nicht allem, was wir gesagt haben, sondern dies ist ein realistisches Eingehen auf die jetzige Situation.Schließlich muß gesehen werden, daß die Gesamtkosten für einen Studierenden, der etwa in die USA geht, bei monatlich zirka 2 000 DM liegen — unter Berücksichtigung der Ausbildungsförderung, der zusätzlichen Mittel, die aufgewandt werden müssen, sowie der auf den Monat umgelegten Reisekosten und Studiengebühren. Wir werden dies dann allerdings, wenn die anderen Prämissen erfüllt wären, zu solchen Kosten in Relation zu setzen haben, die anfallen, wenn man hier bestimmte Studienplatzkapazitäten einrichtet, und dabei natürlich auch berücksichtigen müssen, daß es keinen Zweck hätte, solche Kapazitäten zu schaffen, die bei einer vorhersehbaren Bevölkerungsentwicklung demnächst — wie etwa in den USA — leerstehen würden.Abschließend erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung zu dem Sachverhalt, den ich besonders in-
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11432 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Möllemannteressant finde, daß die Opposition den Gesetzentwurf des Bundesrats im Bundestag unterstützt. Dieser Gesetzentwurf des Bundesrats weist Kosten aus. Ich habe hier eine Verlautbarung meines Opponenten in meinem Wahlkreis, des Kollegen Windelen, des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU. Ich darf daraus zitieren. Er sagte in dieser Presseverlautbarung, in der er die wirtschaftliche Situation schilderte:Angesichts dieser Entwicklung wird die CDU/ CSU-Fraktion bis auf weiteres keine ausgabenerhöhenden oder einnahmevermindernden Anträge stellen,— und jetzt kommt's —sofern nicht eine grundsätzliche Änderung der wirtschaftlichen und politischen Lage eintritt.Ich entnehme aus der Tatsache, daß Sie jetzt doch einen ausgabewirksamen Antrag stellen, Ihre Übereinstimmung mit unserer Beurteilung, daß auf Grund der hervorragenden und angemessenen Wirtschaftspolitik dieser Koalition der Aufschwung in Stabilität unvermeidbar ist.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir die beiden hier vorgelegten Anträge mit Ihnen den Ausschüssen überweisen und sie dort angemessen bearbeiten.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die beiden Vorlagen dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend — und dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen, letzterem auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 10 bis 13 unserer Tagesordnung auf:
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Sitzstaatvereinbarung vom 10. Dezember 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie
— Drucksache 7/3332 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Forschung und Technologie
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. September 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malta über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache 7/3378
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Juni 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Jemen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache 7/3379
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik im Produzierenden Gewerbe
— Drucksache 7/3372 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft
Innenausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates bitte ich aus der Tagesordnung zu entnehmen. Ich frage, ob das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden ist. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über die Neufassung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (Anlage 2 der GO-BT) und Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache 7/2946 — Berichterstatter:
Abgeordneter Sieglerschmidt Abgeordneter Kunz Abgeordneter Mertes (Stuttgart)
Ich erteile dazu dem Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geheimschutz bedeutet zu einem wesentlichen Teil Regelung der Aufbewahrung und der Weitergabe geheimzuhaltender Angelegenheiten, die man technisch „Verschlußsachen" nennt. Die Öffentlichkeit aber ist das Wesenselement des Parlaments und nicht Geheimhaltung. Deshalb liegt es in der Natur der Sache, daß der allergrößte Teil der im Bundestag vorhandenen Verschlußsachen solche sind, die in Bundesbehörden entstanden sind.Nun kommt es bei Vorschriften über die Behandlung von Verschlußsachen entscheidend darauf an, daß sich alle am Verschlußsachenverkehr Beteiligten darauf verlassen können, daß überall gleichmäßige Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden. Die bisher geltenden Geheimschutzbestimmungen des Bundestages wurden dieser Anforderung im Verhältnis zur Verschlußsachenanweisung für die Behörden des Bundes und der Länder nicht gerecht.Die Ihnen zur Abstimmung vorliegende Geheimschutzordnung soll insoweit vor allem der Verein-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11433
Sieglerschmidtheitlichung dienen. Nützlich darf eine solche Angleichung nicht schematisch vorgenommen werden. Den Besonderheiten der parlamentarischen Arbeit wurde deshalb in dem Entwurf in angemessener Weise Rechnung getragen.Nach Abschluß der Beratungen im Geschäftsordnungsausschuß ergaben sich noch Erörterungen mit dem Präsidium des Bundestages über einige von diesem gewünschte Änderungen des Entwurfs. Die Ergebnisse dieser Erörterungen finden Sie in dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag Drucksache 7/3452 der drei Berichterstatter, für die ich hier spreche. Der Antrag hat natürlich auch die Zustimmung des Geschäftsordnungsausschusses im ganzen gefunden.Bei diesem Antrag handelt es sich zunächst um eine Klarstellung in § 1 Abs. 3 der Geheimschutzordnung.In § 3 Abs. 3 der Geheimschutzordnung und in Abs. 2 des in die Geschäftsordnung einzufügenden § 73 a sollen außerdem bestimmte Regelungen aus wohlerwogenen Gründen nur allgemein und nicht expressis verbis in der Geheimschutzordnung bzw. in der Geschäftsordnung getroffen, sondern vielmehr durch den Präsidenten des Deutschen Bundestags im einzelnen festgelegt werden.Schließlich geht es in dem Antrag darum, daß die in Abs. 3 des vorgesehenen § 73 a der Geschäftsordnung erwähnten Richtlinien nicht im Benehmen mit dem Ältestenrat, sondern im Benehmen mit dem Präsidium erlassen werden sollen. Das Verfahren wird damit dem Vorgehen in anderen vergleichbaren Fällen angeglichen.Viele von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden in den Bestimmungen der neuen Geheimschutzordnung vermutlich manches entdecken, was sie für bürokratische Superperfektion halten mögen. Ich möchte solche Kollegen gleichwohl nachdrücklich auffordern, diese Bestimmungen nicht entsprechend zu behandeln. Um eine bekannte Formel auf den vorliegenden Fall anzuwenden: Nur die strikte Einhaltung und volle Anwendung der Geheimschutzordnung gibt dem Geheimschutz in diesem Hause eine solide Grundlage.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob das Wort weiter begehrt wird. — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? —
— Ich habe den mit einbezogen in die Abstimmung, weil er als redaktionelle Ergänzung im Sinne Ihrer Ausführungen angesehen ist. Ich stelle Ihre Zustimmung fest. -- Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:Beratung der Ubersicht 13 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht-- Drucksache 7/3384 —Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen.— Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? —Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierungbetr. grundsätzliche Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1974 bei Kap. 35 02 Tit. 513 02 bis 812 02 — Besatzungskosten und Auftragsausgaben in Berlin — Drucksachen 7/3220, 7/3373 — Berichterstatter: Abgeordneter SimonIch eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe!— Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich darf noch hinzufügen, daß ich dem anwesenden Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Simon, für seinen Bericht danke. Er hat auf eine Ergänzung des schriftlichen Berichts verzichtet.
Ich rufe die Punkte 17 und 18 der Tagesordnung auf:17. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der von der Bundesregierung erlassenenVerordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksachen 7/3057, 7/3058, 7/3311 — Berichterstatter: Abgeordneter Scheu18. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der von der Bundesregierung erlassenenDreiunddreißigsten Verordnung zur Änderung der AußenwirtschaftsverordnungAchtundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum AußenwirtschaftsgesetzDreißigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung— Drucksachen 7/3043, 7/3044, 7/3048, 7/3312 —Berichterstatter: Abgeordneter Scheu
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11434 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenVon diesen Berichten des Ausschusses für Wirtschaft braucht das Haus nur Kenntnis zu nehmen, wenn nicht Anträge aus der Mitte des Hauses vorliegen. — Meine Damen und Herren, Anträge liegen nicht vor. Die Herren Berichterstatter, denen ich danke, haben keine zusätzlichen Ergänzungen gewünscht. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, wenn ich feststelle, daß das Haus von den Berichten auf den Drucksachen 7/3311 und 7/3312 Kenntnis genommen hat.Ich rufe die Punkte 19 und 20 der Tagesordnung auf:
- Drucksache 7/3380 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft20. Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs
— Drucksache 7/3381 --überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für WirtschaftDas Wort wird nicht gewünscht. Das Haus ist mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr die Punkte 21 bis 25 der Tagesordnung auf:21. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eineMitteilung der Kommission an den Rat über die Ergebnisse der Verhandlungen mit Tunesien und Marokko über die Verlängerung der Assoziierungsabkommen zwischen der Gemeinschaft und diesen beiden LändernVerordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zur Verlängerung des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen RepublikVerordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zur Verlängerung des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich MarokkoVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 über den gemeinsamen Zolltarif hinsichtlich des bei der Tarifierung bestimmter Käsesorten anzuwendenden UmrechnungskursesRichtlinie des Rates zur Angleichung derRechtsvorschriften der Mitgliedstaaten überAlkoholometer und Aräometer für Alkohol sowie über alkoholometrische TafelnRichtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Straßen- und Schienen-Meßkammertankwagen— Drucksachen 7/2672, 7/3039, 7/3038, 7/2387, 7/3313 Berichterstatter: Abgeordneter Breidbach22. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1599/71 zur Festsetzung zusätzlicher Bedingungen, denen eingeführter Wein, der zum unmittelbaren menschlichen Verbrauch bestimmt ist, entsprechen muß— Drucksachen 7/3099, 7/3299 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Stommel23. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 359/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Reis— Drucksachen 7/2940, 7/3330 — Berichterstatter: Abgeordneter Rainer24. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 über Beihilfen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr— Drucksachen 7/2977, 7/3367 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jobst25. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates über allgemeine Durchführungsbestimmungen für den Fall einer erheblichen Preissenkung auf dem Schweinefleischsektor— Drucksachen 7/3080, 7/3368 —Berichterstatter: Abgeordneter MarquardtIch frage, ob einer der Herren Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache verlangt wird. — Auch das ist nicht der Fall.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. April 1975 11435
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch frage, ob das Haus damit einverstanden ist, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/3313, 7/3299, 7/3330, 7/3367 und 7/3368. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, bevor ich die Sitzung schließe, darf ich noch einmal auf Punkt 7 der heutigen Tagesordnung zurückkommen. Herr Abgeordneter Professor Dr. Abelein hat anläßlich seiner Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt unter anderem gesagt:Manchmal frage ich mich, welche Position Sie eigentlich in den Verhandlungen, auf der einen Seite Sowjetunion und DDR und auf der anderen Seite Bundesrepublik Deutschland, überhaupt vertreten.Es ist verständlich, daß bei einem solch scharfen und schweren Angriff — der amtierende Präsident hat nach der Geschäftsordnung keine Möglichkeit, den Betreffenden dafür zu rügen — aus dem Hause Reaktionen erfolgen. Der Präsident hat nur die Möglichkeit, unmittelbare persönliche Beleidigungen — auch wenn der vorhergehende Angriff scharf und schwer gewesen ist — zu rügen. Herr Abgeordneter Professor Dr. Schäfer hat Herrn Abgeordneten Dr. Abelein zugerufen: „Ein übler Hetzer und Verleumder!" Ich muß diesen Zuruf rügen.Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 16. April 1975, 13 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.