Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, am 4. Februar 1975 hat der Abgeordnete Dr. Erhard seinen 78. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren ihm nachträglich noch einmal herzlich.
Für den aus dem Vermittlungsausschuß ausscheidenden Abgeordneten Offergeld benennt die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Huber als Stellvertreterin des Abgeordneten Dürr. Für den aus dem Vermittlungsausschuß ausscheidenden Abgeordneten Müller benennt die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Pfeifer als Stellvertreter des Abgeordneten Russe. Ist das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; so beschlossen.Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Betr.: Gesamtfinanzierung der Olympischen Sommerspiele 1972— Drucksache 7/3066 —zuständig: Sportausschuß , HaushaltsausschußBetr.: Ergänzende Materialien zum Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Sicherung des Studiums— Drucksache 7/2803 —zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft , Ausschuß für Arbeit und SozialordnungEs erhebt sich kein Widerspruch; so beschlossen.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Vermittlungsausschuß hat am 29. Januar 1975 das vom Deutschen Bundestag in seiner 131. Sitzung am 14. November 1974 beschlossene Gesetz zur Änderung der Bundesärzteordnung bestätigt. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3217 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 4. Februar 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Kleine Anfrage der Abgeordneten Müller , Löher, Dr. Blüm, Frau Dr. Wolf, Frau Stommel, Breidbach, Tillmann, Volmer und Genossen betr. illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer — Drucksache 7/2925 — beantwortet. Sein Schreihen ist als Drucksache 7/3215 verteilt.Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 5. Februar 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Däubler-Gmelin, Dürr, Gnädinger, Frau Dr. Riedel-Martiny, Kleinert, von Schoeler, Engelhard, Frau Lüdemann, und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Allgemeine Geschäftsbedingungen — Drucksache 7i3186 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3216 verteilt.Der Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 7. Februar 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kraske, Frau Tübler, Thürk, Frau Schleicher, Ziegler, Rommerskirchen, Dr. Wörner, Stahlberg, Löher, Handlos, de Terra, Biehle, Entrup, Kroll-Schlüter und der Fraktion der CDU/CSU betr. WehrgerechtigkeitDrucksache 7/3105 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3218 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 7. Februar 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogel , Dr. Miltner, Dr. Klein (Göttingen), Dr. Wallmann und der Fraktion der CDU/CSU betr. politische Studentenbewegung — Drucksache 7/2795 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3222 verteilt.Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 11. Februar 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Blumenfeld, Frau Tübler, Bremer, Orgaß, Dr. Waffenschmidt, Dr. Müller-Hermann, Dr. Kliesing, Dr. Wagner , Breidbach, Braun, Rollmann und Genossen betr. wachsender Verwaltungsaufwand bei den Zolldienststellen — Drucksache 7/3139 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3229 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 12. Februar 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Windelen, Höcherl und der Fraktion der CDU/CSU betr. Nachwuchswerbung für den Zoll — Drucksache 7/3140 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3233 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 28. Januar 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zu den Preisen für Rohreis und geschälten Reis für das Wirtschaftsjahr 1974/75— Drucksache 7/2212 —Entscheidung des Rates zur Verlängerung der Mindestpreisregelung für Kartoffeln und bestimmte Arten von Essig— Drucksache 7/2910 —Beschluß des Rates über die gemeinschaftliche Finanzierung bestimmter Ausgaben für die Nahrungsmittelhilfe an die Sahelländer und Äthiopien im Rahmen des Programms 1974/75Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1693/72 hinsichtlich der Verfahren zur Bereitstellung der Nahrungsmittelhilfe zugunsten der Länder der SahelzoneVerordnung des Rates über die Lieferung von Magermilchpulver im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an die Länder der Sahelzone und ÄthiopienVerordnung des Rates zur Aufstellung der Grundregeln für die Lieferung von Milchfett im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an die Länder der SahelzoneBeschluß des Rates zur Eröffnung von Verhandlungen mit den Ländern der Sahelzone und Äthiopien über die Sofortlieferung von Magermilchpulver und Butteroil als Nahrungsmittelhilfe sowie über die vorzeitige Durchführung der mit diesen Ländern ausgehandelten AbkommenVerordnung des Rates über die Lieferung von Milchfett im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an die Länder der Sahelzone und Äthiopien— Drucksache 7/2820 —Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde— Drucksache 7/3227 —
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10250 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Präsident Frau RengerDer Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß wir auch in dieser Woche abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; so beschlossen. Somit können wir in die Fragestunde eintreten.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Die Frage 1 des Abgeordneten Flämig wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Dr. Kollatz zur Verfügung.Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Müller auf:Inwieweit unterstützt die Bundesregierung kommunistisch initiierle Hilfsaktionen für Nord-Vietnam?Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung unterstützt keine kommunistisch initiierten Hilfsaktionen für die Demokratische Republik Vietnam. Die Frage nach dem „Inwieweit", Herr Abgeordneter, ist damit gegenstandslos.
Bitte, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, entspricht die Finanzierung einer Vietnam-Initiative, von der die zuständigen Staatsschutzstellen in ihren Berichten zur Sicherheitslage als einer kommunistischen Organisation sprechen, durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit den politischen Zielen der Bundesregierung, oder ist sie der Meinung, daß der Brief des Herrn Minister Bahr an die „Aktion Internationale Vietnam-Solidarität", in dem er eine solche Unterstützung zusagt und der kommunistischen Aktion jeden Erfolg wünscht, etwas deplaciert ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat im Januar 1973 ihre Bereitschaft erklärt, den Wiederaufbau in ganz Indochina zu unterstützen. In der Folgezeit wurden Abkommen mit der Republik Vietnam und mit dem Königreich Laos geschlossen. Mit der Demokratischen Republik Vietnam ist bisher wegen des Fehlens diplomatischer Beziehungen keine Vereinbarung getroffen worden.
Die von Ihnen erwähnte Aktion hat angeregt, den Aufbau einer Schule in Nord-Vietnam zu unterstützen. Minister Bahr hat nicht dieser Aktion seine Unterstützung zugesagt, sondern hat gesagt, er werde den Aufbau dieser Schule fordern, falls die Regierung von Vietnam das wünschen werde.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Begrüßt die Bundesregierung die lobende Erwähnung der Aktion des Herrn Minister Bahr in einem DKP-Blatt, oder ist sie nicht vielmehr der Meinung, daß Herr Minister Bahr mit dieser Aktion den Demokraten in diesem Lande nicht unbedingt gedient hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wer wen lobt, hängt nicht von dem Gelobten ab. Bundesminister Bahr hat die DKP innenpolitisch stets bekämpft.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Evers.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß aus Ihrer Antwort entnommen werden muß, daß die Bundesregierung eine derartige kommunistische Hilfsaktion bisher zwar nicht unterstützt hat, daß durch ein Kabinettsmitglied aber eine Erklärung abgegeben worden ist, daß eine solche Unterstützung erfolgen soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es geht nicht um die Unterstützung dieser Aktion, sondern um das Ergebnis, nämlich den Wiederaufbau einer zerstörten Schule in Vietnam.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wörner.
Herr Staatssekretär, halten Sie den Wortlaut des folgenden Schreibens mit Ihren gerade abgegebenen Erklärungen für vereinbar und in Übereinstimmung stehend? In dem Schreiben heißt es — ich zitiere mit der Genehmigung der Frau Präsidentin —:Sehr geehrter Herr Werkmeister!— Das ist offensichtlich der Vorsitzende dieser Aktion. —Ich freue mich über Ihre Aktion, die den Wiederaufbau einer zerstörten Schule ... ermöglichen soll, und wünsche Ihnen dabei jeden Erfolg. Da Ihre gemeinnützige Hilfsaktion nur den Aufbau der Schule selbst, nicht aber die Einrichtung und Ausstattung der Schule decken kann, ist das Bundesministerium für wirtschaft-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975 10251
Dr. Wörnerliche Zusammenarbeit bereit, das Gebäude einzurichten und auszustatten, sofern die Regierung der Demokratischen Republik Vietnam damit einverstanden ist.Dies ist eine Erklärung an die Adresse der Aktion -- unter der Voraussetzung, daß das Einverständnis der Regierung erklärt wird —, nicht aber eine Erklärung an die Adresse der Regierung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, öffentliche Hilfe kann nur von Regierung zu Regierung im Rahmen der zu diesem Zweck bestehenden Regelungen gegeben werden. Dies ist in diesem Schreiben gesagt:
„sofern die Regierung der Demokratischen Republik Vietnam damit einverstanden ist", d. h. natürlich nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen und entsprechenden Verhandlungen.
Herr Abgeordneter Hupka!
Dr. Hupka : Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß der Herr Bundesminister über die Art dieser Gruppierung dann wohl nicht richtig informiert gewesen ist? Sie haben zuvor gesagt, man wüßte Bescheid.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Informationen über diese Sammlungen stehen jedem Mitglied der Bundesregierung zur Verfügung.
Die letzte Zusatzfrage stellt der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß bei humanitären Hilfsmaßnahmen für Kinder nicht auf die politische Zugehörigkeit der betreffenden Regierung abgestellt werden sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesregierung geht es in jedem Fall — und auch in diesem Fall — um die Erfüllung des Zwecks. Hier geht es um den Aufbau einer zerstörten Schule.
Danke, Herr Staatssekretär!
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Haack zur Verfügung.
Die Frage 3 ist von der Abgeordneten Frau Meermann eingebracht:
Wieviel von den von Bausparkassen mitfinanzierten Eigenheimen, Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäusern, die nicht schon in der Statistik des sozialen Wohnungshaues erfaßt werden, könnten trotzdem wegen der Einkommensverhältnisse der Benutzer als sozialer Wohnungsbau bezeichnet werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Nach einer von der Bausparkasse Wüstenrot durchgeführten Sondererhebung kann davon ausgegangen werden, daß etwa 20 % der von den Bausparkassen mitfinanzierten Eigenheim- und Eigentumswohnungen ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gebaut werden, obwohl die Einkommen der betreffenden Bausparer innerhalb der Einkommensgrenze des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus liegen. Von den 1973 von den Bausparkassen mitfinanzierten rund 300 000 Eigenheim- und Eigentumswohnungen können demnach rund 60 000 Wohnungen im weiteren Sinn dem öffentlich geförderten Wohnungsbau zugerechnet werden, obwohl sie nicht in der Statistik des sozialen Wohnungsbaus erfaßt sind. An der Einkommensgrenze für den sogenannten zweiten Förderungsweg gemessen, würde sich eine noch größere Zahl ergeben.
Für die von den Bausparkassen mitfinanzierten Mietwohnungsbauten sind keine entsprechenden Angaben möglich, weil die Bausparkassen keine Angaben über die Einkommensverhältnisse der in diese Wohngebäude eingezogenen Mieter besitzen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Meermann.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, die Statistik des sozialen Wohnungsbaus jeweils laufend um die Wohnungen zu erweitern, die sozusagen auf dem „dritten Förderungsweg" über die Bausparkassen gefördert werden?
Diese Möglichkeit sehe ich leider nicht, Frau Kollegin Meermann, denn die Bewilligungsstatistik kann nur an den Vorgang der Bewilligung der öffentlichen Mittel anschließen. Hier müßten die Bausparkassen von sich aus solche Daten und solche Ergebnisse der Öffentlichkeit mitteilen. In die Statistik des öffentlich geförderten Wohnungsbaues, wo es um die Mittel für den Wohnungsbau geht, kann das leider keinen Eingang finden.
Zweite Zusatzfrage.
Welche Möglichkeiten sehen Sie denn, Herr Staatssekretär, im Hinblick auf das große, noch nicht ausgeschöpfte Potential nicht zugeteilter Bausparverträge zu einer stärkeren Verzahnung mit der direkten öffentlichen Förderung sowohl für den Eigenheim- als auch für den Miet-Wohnungsbau zu kommen?
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10252 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Ich sehe eine Möglichkeit im Zusammenhang mit dem sogenannten Regionalprogramm, das ja gerade für den Eigenheimbau entscheidend ist und das nach unserer Auffassung — aber auch nach den Informationen, die uns zur Verfügung stehen — von den Bausparern genutzt wird.
Ich darf vielleicht noch darauf hinweisen, daß auch für Mietwohnungsbauten von Bausparern sich diese Förderungsmöglichkeiten des Regionalprogramms anbieten, zumal für so geförderte Mietwohnungsbauten von Bausparern, für die die Baugenehmigung noch vor dem 1. Juli 1975 beantragt wird, nicht nur die normal gegebene, degressive Abschreibung, sondern auch Investitionszuschüsse nach dem Gesetz über Investitionszuschüsse für Mietwohnungen, Genossenschaftswohnungen und Wohnheime im sozialen Wohnungsbau in Anspruch genommen werden können, also nach dem Gesetz, das wir hier im Dezember des vergangenen Jahres verabschiedet haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwedler.
Angesichts der erstaunlichen und erfreulichen Zahlen über die Bausparförderung, die Sie eben genannt haben, Herr Staatssekretär, und die ja in zunehmendem Maße in letzter Zeit auch von den Bausparkassen herausgestellt werden, stelle ich die Frage an Sie: Zu welchem Ergebnis würden Sie bei einem Vergleich der Eigentumsförderung im Wohnungsbau durch die jetzige Bundesregierung mit der Förderung durch frühere Regierungen kommen?
Dabei komme ich zu einem ausgezeichneten Ergebnis. Ich werde darauf im einzelnen noch im Laufe dieser Woche - auf eine schriftliche Anfrage des Herrn Baier - eingehen. Ich kann jetzt schon sagen, daß wir im Jahr 1972 einen Anteil der Eigentumsmaßnahmen im sozialen Wohnungsbau von 33 % hatten, eine steigende Tendenz im Jahre 1973 auf 41 %, und diese steigende Tendenz wird im Jahr 1974 noch anhalten. Einen solchen Anteil an Eigentumsmaßnahmen im sozialen Wohnungsbau hat es früher nicht gegeben.
Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Evers.
Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, Herr Staatssekretär, mir die Berechnungs- oder Schätzungsunterlagen zur Verfügung zu stellen, die Sie benutzt haben, um zu Ihrer Aussage über diesen Anteil des nicht öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues zu gelangen?
Ich bin jederzeit gerne bereit, Herr Kollege, Ihnen das zuzustellen. Es fußt auf den Angaben der Bausparkassen, die es auch vor einiger Zeit schon einmal öffentlich bekanntgemacht haben.
Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bereits Erkenntnisse darüber gewonnen, wie sich die neue Steuergesetzgebung ab 1. Januar 1975 auf den Abschluß von Bausparverträgen auswirkt?
Nein, dazu wäre es auch sicher noch zu früh. Aber wir sind hier durchaus optimistisch.
Dr. Czaja.
Wollen Sie, Herr Staatssekretär, bei Ihrer bisher nicht mit Zahlen belegten Behauptung, es sei besser als zu früheren Zeiten gewesen, auch diejenigen Wohnungs- und Eigentumsmaßnahmen mit hinzuzählen, die nach Ihren eigenen eben gemachten Angaben in keinem direkten Bewilligungsverfahren durch die öffentliche Hand gefördert worden sind — weder im ersten noch im zweiten Weg —, und würden Sie uns vielleicht sagen, wie Sie diesen dritten Förderungsweg, den Frau Kollegin Meermann mit Recht angesprochen hat, staatlicherseits über die bestehenden Gesetze hinaus fördern würden?
Ich habe hier keine Behauptung aufgestellt, Herr Kollege Czaja, sondern eine mit den Realitäten übereinstimmende Feststellung getroffen. Bei diesen Zahlen der Eigentumsförderung waren nur die Förderungsmaßnahmen im klassischen sozialen Wohnungsbau berücksichtigt, nicht der Bereich, nach dem vorhin Frau Kollegin Meermann gefragt hat. Hier ging es um die Bausparprämienförderung und die sonstige Eigentumsförderung außerhalb des sozialen Wohnungsbaues im engeren Sinn. Wir fördern selbstverständlich auch diese Form der Eigentumsbildung weiterhin konsequent.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, um auf die Ursprungsfrage der Frau Kollegin Meermann zurückzukommen: Wie beurteilen Sie denn angesichts der konjunkturellen Entwicklung die in den letzten sechs Monaten abgeschlossenen Bausparverträge in bezug auf die Förderung und Mitfinanzierung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern?
Ich beurteile sie positiv. Es ist richtig, daß es im
Parl. Staatssekretär Dr. Haack
Zusammenhang mit der Steuerreform bei manchen Gruppen einige Einschränkungen gibt. Ich glaube aber, daß auf die Zahl der Förderungen diese relativ geringe Zahl derer, bei denen sich die Änderungen im Rahmen der Steuerreform negativ auswirken, keinen erheblichen Einfluß haben wird.
Frage 4 der Abgeordneten Frau Meermann:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, Bausparfinanzierungen namentlich zugunsten einkommensschwächerer Sparer auch für die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnungen nutzbar zu machen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Die Instandsetzung und Modernisierung von Altbauwohnungen gewinnt im Rahmen der Wohnungsinvestitionen zunehmend an Gewicht. Es ist zu erwarten, daß die Verlagerung wohnungswirtschaftlicher Aktivitäten vom Neubau auf die Bestandsverbesserung einen wachsenden Anteil der von Bausparkassen bereitgestellten Finanzierungsmittel in die Verbesserung älterer Wohnungen lenken wird.
Wie die Wohnungsstichprobe 1972 zeigt, befindet sich ein beachtlicher Teil der Eigenheime, vor allem auch ältere Baujahrgänge, im Eigentum einkommensschwächerer Haushalte. Da der im Einzelfall zur Instandsetzung und Modernisierung erforderliche Finanzierungsbedarf durchweg geringer ist als der von Neubauten, sehe ich eine reale Möglichkeit, daß Bausparer in ungünstigeren Einkommensverhältnissen künftig bei der Bausparfinanzierung etwas mehr in dem Maße zum Zuge kommen, wie sie am kollektiven Ansparungsprozeß beteiligt sind. Der Ausbau der direkten und indirekten öffentlichen Hilfen für die Modernisierung von Wohnungen dürfte diese Entwicklung noch begünstigen.
Zusatzfrage, Abgeordnete Frau Meermann.
Herr Staatssekretär, können Sie auch noch etwas über die Größe des Personenkreises in beschränkten Einkommensverhältnissen sagen, der hier in Frage kommt, und dar-
über, ob dieser in ausreichendem Maße am Bausparen beteiligt ist?
Wir schätzen diesen Personenkreis auf etwa 3 oder 3,5 Millionen, und nach unseren Unterlagen kommen wir zu dem Ergebnis, daß dieser Personenkreis angemessen an der Bausparförderung beteiligt ist.
Keine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?
: Nein!)
Dann zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, wie wollen Sie die von Ihnen eben angegebenen positiven Dinge in bezug auf die Einbeziehung der Bausparfinanzierung in das Modernisierungswesen denn nun außerhalb der Modernisierungszonen gemäß den Modernisierungsrichtlinien 1974/75 gestalten? Das ist doch gar nicht möglich!
Wir sehen darin keine Schwierigkeiten. Es wird darauf ankommen, ob es eine Förderung nach den Richtlinien ist. Wenn ja, dann gilt dafür auch die Bausparmöglichkeit. In dem Fall, wo — aus unterschiedlichen Gründen -- nach diesen Modernisierungsrichtlinien nicht gefördert werden kann, gilt selbstverständlich auch die Bausparregelung, nur mit weniger finanziellen Anreizen durch die staatliche Förderung.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider auf:
In welchem Umfang wirkt sich nach den Feststellungen der Bundesregierung die gegenwärtige Arbeitslosigkeit auf die Wohngeldleistungen aus, und inwieweit ist sichergestellt, daft für ein durch die Arbeitslosigkeit bedingtes weiteres Anwachsen der Wohngeldleistungen ausreichende Mittel zur Verfügung stehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Nach einer Umfrage unseres Ministeriums bei Wohngeldbewilligungsstellen verschiedener Großstädte wirkt sich die Arbeitsmarktlage auf die Wohngeldleistungen gegenwärtig nur unwesentlich aus.
Um gleichwohl sicherzustellen, daß für ein durch die Arbeitsmarktlage und im übrigen auch durch die Änderung der Zweiten Berechnungsverordnung bedingtes weiteres Anwachsen der Wohngeldleistungen ausreichende Bundesmittel zur Verfügung stehen, hat die Bundesregierung bei der Beratung des Haushaltsplans 1975 dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages vorgeschlagen, bei der Haushaltsstelle für Wohngeld zur Sicherheit einen um 110 Millionen DM erhöhten Ansatz vorzusehen, mit dem unter anderem auch der Mehrbedarf auf Grund der Arbeitsmarktlage abgedeckt werden soll. Dabei wurde angenommen, daß fast alle wohngeldberechtigten Arbeitslosen auch tatsächlich im Laufe des Jahres 1975 einen Wohngeldantrag stellen werden.
Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung vom 16. Januar 1975 bereits diesem Vorschlag entsprochen. Dadurch ist seitens des Bundes, der die Aufwendungen für das Wohngeld bekanntlich zur Hälfte trägt, sichergestellt, daß für ein durch die Arbeitsmarktlage bedingtes Anwachsen der Wohngeldzahlungen ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
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10254 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Herr Staatssekretär, welchen Anteil nehmen die Arbeitslosen unter den Wohngeldbeziehern insgesamt ein?
Ich habe hier keine genaue statistische Zahl, bin aber gerne bereit, Ihnen diese nachzureichen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die zahlenmäßige Entwicklung der Wohngeldempfänger im Jahre 1975 im Hinblick darauf, daß ganz allgemein ohne diese arbeitsmarktpolitischen Einwirkungen — mit einem Ansteigen der Wohngeldempfangsberechtigten zu rechnen ist?
Ich sagte Ihnen, Herr Kollege Schneider, daß wir diesen erhöhten Ansatz beim Haushaltsausschuß beantragt haben nicht nur im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage, sondern z. B. auch auf die Änderung der Zweiten Berechnungsverordnung, die ja zusätzliche Belastungen mit sich bringen wird. Wir rechnen insofern auch mit einem Ansteigen der Wohngeldanträge und ebenfalls mit einem Ansteigen der im Einzelfall auszuschüttenden Mittel. Aber wir glauben, daß dieses Problem durch den Haushaltsansatz, dem der Haushaltsausschuß bereits zugestimmt. hat, gelöst werden kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Bevölkerung der Bundesrepublik, insbesondere den Personenkreis der Arbeitslosen, der Arbeitslosenhilfeempfänger und der Kurzarbeiter darauf hinzuweisen, daß in dem Augenblick, wo das Einkommen gegenüber dem davorliegenden Bewilligungszeitraum um 15 % vermindert ist, ein Anspruch nach § 29 des Wohngeldgesetzes auf Umrechnung besteht?
Das werden wir gern tun. Auf dieses Problem komme ich noch bei der Beantwortung der nächsten vom Herrn Abgeordneten Schneider gestellten Frage.
Dann rufe ich die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Durch welche Maßnahmen hat die Bundesregierung dafür Sorge getragen, daß Arbeitslose schnell und unbürokratisch die ihnen zustehenden Wohngeldleistungen erhalten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Wohngeld wird auf Grund des Zweiten Wohngeldgesetzes gewährt, das die Länder in eigener Behördenzuständigkeit durchführen. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung das Recht zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrats sowie ein allgemeines Weisungsrecht.
Infolge der bisher geringen Auswirkungen der Arbeitsmarktlage auf die Wohngeldgewährung hat die Bundesregierung bislang davon absehen können, den Ländern zusätzliche Weisungen für eine besondere Behandlung dieses Personenkreises zu geben. Sie sieht dafür im Augenblick auch deshalb keinen Anlaß, weil die Länderbehörden bei der Wohngeldgewährung an Arbeitslose - soweit bisher bekanntgeworden — durchaus angemessen verfahren. Tritt die Arbeitslosigkeit während des laufenden Bewilligungszeitraums ein, ermöglicht, worauf Herr Kollege Nordlohne gerade schon hingewiesen hat, eine Einkommensminderung von mehr als 15 % einen Erhöhungsantrag. Sofern der Wohngeldanspruch erst auf Grund der Arbeitslosigkeit entsteht, kann der Antrag sofort gestellt werden. Wir werden auf diese Tatbestände in geeigneter Form hinweisen. Erst vor wenigen Tagen ist auch eine Neufassung der Wohngeldbroschüre herausgekommen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in dem Zusammenhang sollen und müssen die Vorschriften über die Wohnungsbauförderung — davon können ja auch Arbeitslose betroffen werden — und die Vorschriften über die Gewährung von Wohngeld einander angepaßt und aufeinander abgestimmt werden. Bis wann kann mit einer Vorlage der Bundesregierung hierzu gerechnet werden?
Sie wissen, Herr Kollege Schneider, daß auf der letzten Konferenz der zuständigen Minister Ende November über dieses Problem der Verzahnung von Wohngeld, öffentlicher Förderung und Mietgrenzen gesprochen worden ist. Dazu ist von Bund und Ländern eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die auch schon einmal getagt hat. Wir hoffen, daß in absehbarer Zeit, spätestens bis etwa Mitte des Jahres, ein Ergebnis vorliegt, das dann Grundlage für entsprechende Entscheidungen sein kann.
Keine weitere Zusatzfrage. Danke schön, Herr Staatssekretär!
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Herold zur Vertilgung.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Sauer auf:
Wird die Bundesregierung die „DDR" darauf aufmerksam machen, daß beim Monatsvergleich November Dezember - also in den Weihnachtsreisemonaten - in den Jahren 1972 über 1973 zu 1974 die Zahl derjenigen, die aus der „DDR" zu uns kamen und noch nicht für Rentenalter standen, um fast genau die Hälfte
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Fehruar 1975 10255
Präsident Frau Renger
zurückgegangen ist, namlich vom 11 421 Personen in 1972 über 6 472 Personen in 1973 und nunmehr in 19/4 auf nur noch 5 923 Personen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin! Herr Kollege, ich darf Ihnen zur Beantwortung Ihrer Frage folgende Zahlen mitteilen.
Im Jahre 1972 kamen im November 6 129 und im Dezember 5 292 DDR-Bewohner, die noch nicht das gesetzliche Rentenalter erreicht hatten, anläßlich dringender Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet. Im Jahre 1973 waren es im November 3 456 und im Dezember 3 016. Für das Jahr 1974 lauten die Zahlen für November 2 881 und Dezember 3 042.
Insgesamt konnten daher seit dem Möglichwerden derartiger Reisen mit dem Inkrafttreten des Verkehrsvertrags vom 17. Oktober 1972 rund 90 000 DDR-Bewohner, die noch nicht das gesetzliche Rentenalter erreicht hatten, anläßlich dringender Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet einreisen.
Es ist festzustellen, daß seit 1972 ein Rückgang der Reisen anläßlich dringender Familienangelegenheiten in den Weihnachtsmonaten zu verzeichnen ist. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß es vor dem Inkrafttreten des Verkehrsvertrags derartige Reisen überhaupt nicht gegeben hat und daß wir im Laufe des Jahres 1975 auf mehr als 100 000 Fälle seit 1972 kommen werden, in denen auch Personen, die noch nicht im Rentenalter stehen, in bestimmten Fällen in die Bundesrepublik Deutschland reisen durften.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Sauer.
Herr Staatssekretär, worauf führen Sie denn die trotzdem ständig sinkende Zahl der Besuchsreisen zurück, nachdem doch gerade die Bundesregierung mit hohem finanziellen Aufwand völlig andere Erwartungen geweckt hatte, sowohl hier als auch drüben?
Der Personenkreis, für den diese Möglichkeiten in Betracht kommen, war von vornherein eingeschränkt. Das werden Sie feststellen, wenn Sie sich die Kriterien, die für solche Reisen von der DDR gesetzt sind, ansehen.
Es ist auch nicht so, daß die Zahlen permanent zurückgehen. Wenn Sie die Zahl vom Dezember 1973 mit der vom Dezember 1974 vergleichen, ergibt sich eine leichte Erhöhung. Ich würde deshalb nicht bestimmte Monate miteinander vergleichen, sondern eine Gesamtschau halten.
Wichtig ist dabei doch vor allem, daß bis 1975 etwa 100 000 Personen einreisen konnten oder können, was vor Inkrafttreten des Verkehrsvertrages nicht möglich war.
Präsident Frau Renger: Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich komme dennoch auf die sinkenden Zahlen zu sprechen: Halten Sie es denn für möglich, daß verschärfte administrative Maßnahmen der DDR-Behörden eingeführt worden sind?
Angesichts der für die Reisen vorliegenden Kriterien konnten wir verschärfte administrative Maßnahmen nicht feststellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm .
Herr Staatssekretär, finden Sie es nicht sehr auffällig, daß ausgerechnet im Monat der Bundestagswahl, im November 1972, dem Monat, in dem auch der Grundvertrag paraphiert wurde, 6129 Bürger der DDR auf diesem Wege in die Bundesrepublik reisen konnten, ein Jahr später, im November 1973, nur noch 3456 und im November 1974 schließlich nur noch 2881?
Ich weiß nicht, warum Sie diese Dinge so negativ auf irgendeinen besonderen Termin beziehen. Bitte überlegen Sie doch, daß ein gewisser Stau da war, der vorher nicht abgebaut werden konnte. Natürlich lag die Zahl der Anträge in cien Weihnachtsmonaten des ersten Jahres mit Reiseerleichterungen weit höher als in den darauffolgenden Jahren.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, wenn von November/Dezember 1972 bis November/ Dezember 1974 ein Rückgang um die Hälfte zu registrieren ist, schließen Sie da administrative Maßnahmen der DDR-Behörden aus?
Nein, auszuschließen sind und waren sie nie.
Keine Zusatzfrage.
— Frau Kollegin, ich glaube, wir haben das Thema doch ausgiebig diskutiert. Wir gehen zur nächsten Frage über. Es wiederholt sich dabei übrigens.
— Bitte schön, es liegt an mir, wieviel Zusatzfragen ich zulasse; Frau Kollegin, Sie wissen das.Frage 8. — Der Abgeordnete Hösl ist nicht imSaal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka:Wie viele Kinder haben im Jahr 1974 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland zu ihren Eltern und Angehörigen aus-
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10256 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Präsident Frau Rengerreisen können, und wie Viele Kinder warten noch auf die Erfaubnis zur Ausreise?Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Dr. Hupka, ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Die Bundesregierung hat Kenntnis davon erhalten, daß 1974 von der DDR in 638 Fällen Ausreisen von Kindern aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland genehmigt wurden. Dabei handelt es sich um 461 Kinder, die zusammen mit einem oder beiden Elternteilen in die Bundesrepublik, und um 177 Kinder, die zu ihren bereits in der Bundesrepublik lebenden Eltern oder zu anderen Verwandten ausreisten.
Der Bundesregierung sind weitere 800 Fälle, in denen die Ubersiedlung von Kindern aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland gewünscht wird, bekannt. Sie wird deshalb wie bisher im Rahmen ihrer Bemühungen um menschliche Erleichterungen alle Möglichkeiten ausnutzen, um eine positive Lösung auch dieser Anliegen zu erreichen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, sind im Jahre 1974 638 Kinder zu ihren Angehörigen gekommen. Aber Sie hatten in der Antwort auf die Große Anfrage gesagt, bis zum September seien es nur 96 Kinder gewesen. Hat also die Zahl in den nächsten Monaten bis Dezember derart zugenommen?
Ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, daß wir zwei Kategorien haben, einmal die Kinder, die zusammen mit ihren Eltern gekommen sind, und zweitens die Kinder, deren Eltern bereits hier sind. Vielleicht kommt daher die von Ihnen angesprochene Unterschiedlichkeit in Beantwortungen oder Veröffentlichungen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben weiter gesagt, Ihrem Ministerium seien noch 800 Fälle bekannt. Können Sie voraussehen, welche Zeit es dauern wird, bis endlich auch diese 800 Kinder von einem Teil Deutschlands in den anderen kommen können?
Herr Kollege Dr. Hupka, es kommen auch noch neue Fälle hinzu. Viele werden gelöst. Ich möchte Sie bitten, dieses Thema hier in dieser Öffentlichkeit nicht weiter zu behandeln. Ich stehe Ihnen zu weiteren persönlichen Fragen gern zur Verfügung. Nach meiner Auffassung eignet sich dieses Thema nicht, öffentlich behandelt zu werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß von 900 unerledigten Fällen der Zusammenführung von Kindern mit ihren in der Bundesrepublik lebenden Eltern — nur danach ist gefragt — bisher erst 10 % erledigt wurden? Wie beurteilen Sie diese Tatsache angesichts des Wortlauts von Art. 6 des Grundgesetzes? Meinen Sie, daß unter diesen Umständen diese Angelegenheit nicht auch öffentlich erörtert werden muß?
Herr Kollege Czaja, ich möchte Ihnen folgendes sagen: Wenn ich mir die Zahlen der Kinder ansehe, die auf Grund der harten, zähen Verhandlungen dieser Bundesregierung seit 1970 in die Bundesrepublik zu ihren Eltern kommen konnten, dann stelle ich fest, daß es sich von 1970 bis zum Abschluß des Jahres 1974 um 2 311 Fälle handelte. Ich glaube, diese Zahl belegt, daß wir uns ehrlich bemüht haben, dem zu entsprechen, was offenbar auch Ihr Anliegen hier in dieser Sitzung ist.
Danke sehr, Herr Staatssekretär. Damit ist Ihr Geschäftsbereich beendet.
— Lieber Herr Kollege, Sie müssen auf das Knöpfchen drücken; sonst kann ich wirklich nicht wissen, ob noch jemand das Wort wünscht.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Baum zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Spranger auf:
Sind die Berichte in der „Welt" vom 24. Januar 1975 zutreffend, denen zufolge unter dem massiven Druck der Sowjetunion in der Deutschen Welle eine Umorganisation und ein Ausschluß kritischer Sendungen dem Ostblock gegenüber betrieben wird, und wie läßt sich dies mit der Presse- und Rundfunkfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland vereinbaren?
Bitte!
Herr Kollege, die Bundesregierung legt Wert auf die Feststellung, daß sie sich in ihrem Verhältnis zur Rundfunkanstalt des Bundesrechts „Deutsche Welle" strikt an das Verfassungsgebot der Rundfunkfreiheit hält. Auf Grund dieses Verfassungsgebots ist die „Deutsche Welle" nach § 21 des Bundesrundfunkgesetzes ausdrücklich von jeder staatlichen Fachaufsicht freigestellt. Auch die Mitglieder der Aufsichtsgremien sind kraft gesetzlicher Vorschrift weisungsfrei.Entsprechend dieser Freiheit vom Staat oder von sonstigem Einfluß von außerhalb steht der „Deutschen Welle" wie übrigens jeder Rundfunkanstalt in unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat
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Parl. Staatssekretär Baumkraft Gesetzes das Recht der Selbstverwaltung zu. Demgemäß vermag die Bundesregierung zu Fragen, die organisatorische Vorgänge der „Deutschen Welle" betreffen, aus eigener Zuständigkeit auch nicht Stellung zu nehmen.Wie der Intendant der „Deutschen Welle" auf Anfrage mitgeteilt hat, ist es richtig, daß in der „Deutschen Welle" seit längerem eine Umorganisation geplant ist. Diese Umorganisation wurde, wie der Intendant weiter mitteilt, auf Grund einer ausführlichen gutachtlichen Stellungnahme des Rundfunkorganisationsfachmanns und damaligen BBC-Mitarbeiters James Monahan vom 29. April 1972 angeregt. Sie soll größere Diskussionsmöglichkeiten schaffen und Kompetenzen innerhalb der „Deutschen Welle" besser verteilen.Es kann also ganz und gar nicht die Rede davon sein, daß diese Neuorganisation auf irgendwelchen Druck hin erfolgt sei. Auch ist es nicht so, daß im Rahmen dieser geplanten Umorganisation — wie der Intendant weiter mitteilt — kritische Sendungen beschränkt oder ausgeschlossen werden sollen.Die Bundesregierung möchte in diesem Zusammenhang auf den im Bundesrundfunkgesetz in § 1 gestellten Auftrag der „Deutschen Welle" hinweisen. Danach soll die „Deutsche Welle" „den Rundfunkteilnehmern im Ausland ein umfassendes Bild des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland vermitteln und ihnen die deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen darstellen und erläutern".
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spranger.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß zwischenzeitlich tatsächlich personelle und organisatorische Veränderungen in dem Sinne, wie sie in der „Welt" veröffentlicht wurden, durchgeführt wurden und sind weitere organisatorische oder personelle Veränderungen bis 1. Juni 1975 geplant?
Herr Kollege, die Frage der Organisation dieser Rundfunkanstalt ist zunächst einmal die Aufgabe der Organe, des Intendanten und der Aufsichtsorgane. Der Verwaltungsrat der Anstalt wird in Kürze über Umorganisationen beschließen.
Aber ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, daß die Vermutung völlig falsch ist, daß Personalentscheidungen, wenn sie nicht zugunsten von CDU-nahen Mitarbeitern erfolgen, auf irgendwelchen außenpolitischen Druck zurückgehen.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß in der Vergangenheit von offiziellen oder inoffiziellen sowjetischen Stellen gegenüber deutschen Stellen oder gegenüber dem Auswärtigen Amt in dem Sinne Druck ausgeübt wurde, wie es in dem „Welt"-Artikel dargestellt wurde, und ist es möglich, daß auch das Auswärtige Amt der Deutschen Welle zu erkennen gab, daß man bei dieser Thematik eine größere Zurückhaltung für wünschenswert erachtet?
Herr Kollege, ich habe mit Absicht auf den Auftrag der Deutschen Welle im Gesetz hingewiesen, und ich gehe davon aus, daß alle in der Deutschen Welle tätigen Journalisten diesen Auftrag in journalistischer Unabhängigkeit erfüllen.
Von einem sowjetischen Druck ist mir nichts bekannt, ich weiß nur, daß zur Zeit in den Aufsichtsorganen der Deutschen Welle über die Aufgabe und über die Art der Erfüllung dieser Aufgabe diskutiert wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Evers. Bitte schön!
Ist von irgendeiner Stelle der Sowjetunion gegenüber der Bundesregierung mit dem Ziel, kritische Sendungen der Deutschen Welle zu unterbinden, interveniert worden?
Herr Kollege, von einer solchen Intervention ist mir nichts bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wörner.
Darf ich aus Ihren Antworten schließen, daß sich die Bundesregierung jeder Bemühung der Sowjetunion — sollte sie unternommen werden — widersetzen wird, die Ausstrahlung kritischer Sendungen oder solcher Sendungen, die von dort als kritisch gewertet werden, zu verhindern?
Herr Kollege, ich habe zitiert, was der Intendant der Deutschen Welle zu diesem Punkt mitgeteilt hat. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Deutsche Welle ihren Auftrag, wie er von diesem Parlament im Bundesrundfunkgesetz niedergelegt worden ist, strikt erfüllt.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Czaja.
Werden, Herr Staatssekretär, bei den laufenden Diskussionen zu eben diesen Fragen in den Organen der Deutschen Welle, die Sie soeben nannten, die Vertreter der Regierung insbesondere auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinweisen, wonach Fernsehen und Rundfunk auch weiterhin Sendungen, die im Ostblock unerwünscht sind, senden müssen oder senden sollen und alles dafür tun müssen, die Tat-
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10258 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Dr. Czajasachen wachzuhalten, durch die deutlich wird, welche weltanschaulichen, politischen und sozialen Unterschiede zwischen der Lebens- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und totalitären Systemen bestehen?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß sich die Mitglieder der Regierung, wo immer sie auch tätig sind, an Urteile des Verfassungsgerichts halten.
Letzte Zusatzfrage, Herr Dr. Müller .
Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, Ihnen sei nicht bekannt, daß ein solcher Druck ausgeübt worden sei. Sprechen sie hier für sich persönlich oder auch für die gesamte Bundesregierung?
Ich spreche hier für die Bundesregierung.
Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 37 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers auf:
Welches sind die Kompetenzen des Bundes bei der Festlegung eines Standortes zur Errichtung eines Kernkraftwerkes?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Standorte für Kernkraftwerke werden in der Bundesrepublik Deutschland von den Energieversorgungsunternehmen — in der Regel im Einvernehmen mit den Wirtschaftsministerien — ausgewählt. Der Bund hat hierzu keine Kompetenz. Für die Nutzung eines derartig ausgewählten Standorts, d. h. für die Errichtung eines Kernkraftwerks, sind mehrere Genehmigungsverfahren nach Bundes- und/oder Landesrecht erforderlich, deren Durchführung immer in die Zuständigkeit der Länder fällt.
Ausschließlich für die vom Atomgesetz behandelten sicherheitstechnischen und Strahlenschutzaspekte übt der Bund, vertreten durch den Bundesminister des Innern, nach Art. 85 des Grundgesetzes die Rechts- und Zweckmäßigkeitsaufsicht über das Handeln der Länder aus. Der Bund hat somit innerhalb der Bundesauftragsverwaltung die Kompetenz, ein beantragtes Kernkraftwerksprojekt und dessen Standort im atomrechtlichen Verfahren zu beurteilen und dem Land in dieser Hinsicht verbindliche Weisungen zu erteilen. Diese Kompetenz beinhaltet den Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen.
Für die sonstigen im Zusammenhang mit einem Kernkraftwerk wichtigen Standortaspekte, insbesondere die nichtnuklearen ökologischen Aspekte des Landschafts- und Naturschutzes, liegt die Zuständigkeit voll bei den Landesregierungen. Damit die besonderen Belange der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes bereits bei der in die Länderkompetenz fallenden Vorauswahl von Standorten für die Kernkraftwerke berücksichtigt werden, stellt der Bundesminister des Innern in enger Zusammenarbeit mit den Ländern Planungseckwerte in der Form von nuklearspezifischen Standortbewertungsdaten auf. Schließlich, Herr Kollege, ist der Bund im internationalen Bereich bemüht, Kernkraftwerksprojekte der Länder mit den Nachbarstaaten abzustimmen. Hier gibt es eine ganze Reihe von Abstimmungsmechanismen, die ich aber jetzt hier nicht aufzählen möchte.
Zusatzfrage, Herr Kollege Evers.
Stimmt sich der Bundesminister des Innern bei dieser Entscheidung, die er für die Bundesregierung trifft, mit den anderen Bundesressorts ab, und wie erfolgt diese Abstimmung?
Herr Kollege, die nuklearspezifischen Aspekte werden allein vom Bundesministerium des Innern beurteilt, das dafür auch die notwendigen Fachkräfte besitzt. Im Rahmen der Bundesregierung findet auch eine Abstimmung im Hinblick auf diese nuklearspezifischen Aspekte statt.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Baum, wenn eine solche Abstimmung zwischen den Ressorts der Bundesregierung im Hinblick auf die nuklearspezifischen Aspekte stattfindet, würden Sie mir dann zustimmen, daß eine solche Entscheidung der Bundesregierung, die nach Abstimmung mit den anderen Ressorts getroffen worden ist, diese anderen Ressorts auch binden muß?
Herr Kollege, ich weiß nicht, worauf Sie abstellen. Kein Ressort hat zu nuklearspezifischen Aspekten eine andere Meinung zum Ausdruck gebracht. Wenn Sie darauf anspielen, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner Stellungnahme zum fachlichen Entwicklungsplan Kraftwerksstandorte des Landes Baden-Württemberg eine andere Meinung ausgedrückt hat, so muß ich Ihnen dazu sagen, daß diese Meinung in keinem Zusammenhang mit dem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren steht und auch keinen Widerspruch zu diesem darstellt, weil allgemeine ökologische Fragen, wie sie hier vom Landwirtschaftsministerium aufgegriffen worden sind, in dem atomrechtlichen Verfahren nicht behandelt werden und auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind. Ich möchte noch hinzufügen, Herr Kollege: In
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Parl. Staatssekretär Baumder Öffentlichkeit ist offenbar der falsche Eindruck entstanden, daß der Bundesinnenminister mit seiner strikt nuklearspezifischen Zustimmung zum Kraftwerksprojekt Wyhl, um das es hier ja geht, die ökologischen Fragen beantwortet hätte. Das hat er nicht getan.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger.
Genau dies ist der Punkt für meine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär. Wir wundern uns über die nachträgliche Stellungnahme der beteiligten Bundesministerien, wie dies aus der Frage 39 hervorgeht, die ich wiederholen möchte:
Wie ist es möglich, daß der Bundesinnenminister auf Grund der Beratungsergebnisse der ReaktorSicherheitskommission dem Standort Wyhl zugestimmt hat, während der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in seinem Schreiben vom 13. Januar 1975 erklärte, das Landwirtschaftsministerium lehne den Standort Wyhl aus ökologischer Sicht ab?
Ich darf noch hinzufügen, Herr Staatssekretär — das steht im Zusammenhang mit der Frage —, daß mehrere Briefe des Bundesinnenministers im Landkreis Emmendingen in der „Badischen Zeitung" veröffentlicht wurden, in denen der Bundesinnenminister nachdrücklich erklärt hat, er werde den Standort Wyhl nach allen Gesichtspunkten prüfen — ausdrücklich: nach allen Gesichtspunkten!
Herr Kollege, Sie haben die Frage des Kollegen Stavenhagen, der heute hier nicht anwesend ist, in die Form einer Zusatzfrage gekleidet. Ich habe versucht, in der Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Evers einen Teil der Antwort auf diese Frage vorwegzunehmen. Im Grunde müßte ich mich jetzt wiederholen: Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe: Der Bundesinnenminister gibt Antwort auf die nuklearspezifischen Fragen und tut dies in Abstimmung mit und nach Votum der Reaktor-Sicherheitskommission, die bekanntlich aus unabhängigen Fachleuten besteht. Das ist die einzige Kompetenz, die der Bund hat. Alles andere ist vom Land zu entscheiden. Wenn hier im Rahmen des Raumordnungsverfahrens eine Meinungsäußerung des Landwirtschaftsministeriums stattgefunden hat, so ist das eine Meinungsäußerung, die außerdem auch noch zu einem anderen Aspekt erfolgte, nämlich im ökologischen Gesamtzusammenhang, nicht aber zu dem nuklearspezifischen Aspekt, für den allein der Bund die Kompetenz hat.
Herr Abgeordneter Böhme, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem nun auch die Fragen 38 und 39 bereits zum Gegenstand der Erörterungen gemacht wurden, darf ich eine Zusatzfrage stellen, die zu der Frage 37, aber auch zu den Fragen 38 und 39 gehört. Habe ich Sie richtig verstanden — um auf die Kompetenz zur
Festlegung des Standorts zurückzukommen —, daß der Bund keine Kompetenz hat, weder zur Auswahl noch zur Festlegung noch zu irgendeiner Genehmigung eines Standorts? Ist es weiterhin richtig, um auf das Schreiben vom 13. Januar 1975 zurückzukommen, daß hier Bedenken geäußert worden sind, daß in dem klimatisch kritischen Oberrheingebiet sechs verschiedene Standorte ausgewiesen worden sind, und daß die Bedenken vor allen Dingen eine Verminderung der Wärmeableitung in die Atmosphäre betreffen, und daß im Planungsentwurf zu den Kraftwerkstandorten seitens der Landesregierung keine Aussagen über die Notwendigkeiten einer Verminderung weiterer Wärmeableitung in die Atmosphäre gemacht werden?
Herr Kollege, Sie haben mich im ersten Teil Ihrer Frage vollkommen richtig verstanden, daß der Bund hier keine Kompetenz hat. Deshalb kann der Bund auch hier im Bundestag nicht sagen, wo die richtigen Standorte sind. Die nuklearspezifische Prüfung hätte beispielsweise auch ergeben können, daß ein anderer zur Debatte stehender Standort — es waren ja mehrere in der Debatte unter nuklearspezifischen Gesichtspunkten hätte akzeptiert werden können. Aber die Standortauswahl ist allein Sache eines Landes, und diese Debatte, wenn ich das bemerken darf, müßte zumindest auch im Landtag Baden-Württemberg geführt werden.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäuble.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Frage meines Kollegen Burger nicht beantwortet haben, möchte ich Sie noch einmal fragen, wie der Herr Bundesinnenminister dazu gekommen ist, den Bürgern im Landkreis Emmendingen zu schreiben, er werde die Standortfrage nach a 11 e n Gesichtspunkten prüfen.
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß der Bundesinnenminister diese eine hier schon mehrfach genannte Kompetenz hat und daß er nur von dieser Kompetenz Gebrauch machen kann. Ansonsten ist das Land frei. Es ist auch nicht Sache des Bundes, hier eine Mitentscheidung zu treffen. Die Standortwahl ist vielmehr eine Sache des Landes, und das ist auch eine vernünftige Regelung.
Danke schön.Die Fragen 38 und 39 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen werden auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir kommen zur Frage 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble:Auf Grund welcher Kriterien hat die Reaktor-Sicherheitskommission dem Standort Wyhl für ein Kernkraftwerk zugestimmt?
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Der Bundesinnenminister ist bei der Beurteilung der Eignung eines Standortes für ein Kernkraftwerk lediglich, wie ich schon sagte, Herr Kollege, zuständig für die sicherheitstechnischen und Strahlenschutzbelange. Die Reaktor-Sicherheitskommission, die den Bundesminister des Innern in Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen berät, hat in ihrer 95. Sitzung am 19. Juni 1974 die Aspekte der Sicherheitstechnik und des Strahlenschutzes für den Standort Wyhl erörtert. Im einzelnen wurden die Lage des Standortes, die Bevölkerungsverteilung, die meteorologischen und hydrologischen Verhältnisse in ihrer Wechselwirkung zur Strahlenbelastung der Umgebung und die geologischen Verhältnisse im Zusammenhang mit möglicherweise auftretenden Erdbeben behandelt. Auf Grund dieser Prüfung kam die Reaktor-Sicherheitskommission zu dem Schluß, daß der Standort Wyhl sich nicht ungünstig von anderen bereits genehmigten Standorten unterscheidet und daß die betrieblichen Ableitungen radioaktiver Stoffe des Kernkraftwerkes über Luft und Wasser keine Gefährdung der Umgebung des Standortes darstellen. Sie empfahl dem Bundesminister des Innern, der atomrechtlichen Genehmigung zur Errichtung eines Kernkraftwerkes am Standort Wyhl zuzustimmen. Diese Empfehlung der Reaktor-Sicherheitskommission ist im Bundesanzeiger veröffentlicht. Unter Berücksichtigung dieser Empfehlung hat der Bundesinnenminister der zuständigen Landesgenehmigungsbehörde im September 1974 zu den von ihm zu beurteilenden sicherheitstechnischen und Strahlenschutzaspekten eine positive Stellungnahme zukommen lassen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Schäuble.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Reaktor-Sicherheitskommission auf Grund neuer Kriterien eine geänderte Stellungnahme abzugeben?
Herr Kollege, davon ist mir nichts bekannt. Ich müßte zunächst einmal wissen, welche Kriterien sich inzwischen geändert haben. Die Reaktor-Sicherheitskommission besteht aus unabhängigen Fachleuten, die die Bundesregierung beraten. Von einer erneuten Befassung dieser Kommission ist mir nichts bekannt.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Eindruck in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, daß die Bundesregierung die ausgesprochene atomrechtliche Genehmigung inzwischen durch die Stellungnahme des Bundesministeriums für Raumordnung wieder zurückgenommen habe?
Herr Kollege, wir haben in dieser ganzen Debatte, die ja sehr heftig war, in Baden-Württemberg immer wieder klarzumachen versucht, worauf sich unsere Kompetenz erstreckt und was unsere Zustimmung bedeutet. Wir sind auch gerne bereit, das wieder zu tun, um der Öffentlichkeit klarzumachen, was der Bund hier kann und was er nicht kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung unter dem besonderen Gesichtspunkt einer umfassenden und sachgemäßen Information der Bevölkerung insonderheit im Zusammenhang mit dem Bau kerntechnischer Anlagen die Zeitungsanzeige des Wirtschaftsministers von Baden-Württemberg, Herrn Eberle, zum Bau des Kernkraftwerkes Wyhl, wo der Eindruck erweckt wird, als ob die Bundesregierung für die Wahl des Standortes des Kernkraftwerkes verantwortlich sei?
Herr Kollege, wenn dieser Eindruck dadurch entstanden ist, so ist er natürlich auf Grund einer falschen Information der Bevölkerung entstanden. Mir sind die Presseberichte und auch die Kritik in der Öffentlichkeit an dieser Anzeigenserie sehr wohl bekannt.
Zusatzfrage, Herr Conradi, bitte!
Herr Kollege, sind dem Bundesminister des Innern die fachlichen Gründe für die Aufgabe des früher vorgesehenen Standorts Breisach bekannt, einmal abgesehen von dem Grund, daß dieser Standort im Nachbarwahlkreis von Herrn Filbinger lag?
Nein, die fachlichen Gründe sind mir nicht bekannt. Ich habe soeben schon gesagt, Herr Kollege, daß wir nicht zum Standort allgemein, sondern zu dem uns dann vorgeschlagenen Standort Wyhl Stellung genommen haben. Wir hätten natürlich auch zu einem anderen Standort Stellung nehmen müssen, u. a. zu dem von Ihnen genannten. Ich kann dazu jetzt keine Stellungnahme in hypothetischer Form abgeben. Aber dann wäre auch eine Stellungnahme erfolgt, möchte ich Ihnen sagen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Evers!
Herr Staatssekretär Baum, sind Sie bereit, mir mitzuteilen, welches im Rahmen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens nuklearspezifische, sicherheitstechnische und Strahlenschutzgesichtspunkte sind bzw. nicht sind, obwohl
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Dr. Everssie relevant sind, dies gegebenenfalls natürlich gern schriftlich?
Ja, Herr Kollege, das ist in der Tat eine etwas schwierige Materie. Ich könnte Sie zunächst auf das Atomgesetz verweisen, bin aber gern bereit, Ihnen zum Gesetzestext noch einige zusätzliche Erläuterungen zu geben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger!
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie folgenden Satz aus einer Broschüre der Bundesregierung zu Energiefragen — ich darf den Satz mit Genehmigung der Frau Präsidentin vorlesen —:
Deshalb wird die Bundesregierung neben anderen Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Ländern durch eine langfristige Planung der Standorte und durch straffere Genehmigungsverfahren dazu beitragen, Verzögerungen zu verhindern.
Das ist eine richtige Feststellung. Ich wäre ohnehin darauf noch einmal zurückgekommen und komme sicher noch einmal im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage des Kollegen Wörner darauf zurück.
Herr Dr. Wörner, Sie wollten noch eine Zusatzfrage stellen. Dann folgt die letzte von Herrn Haenschke.
Halten Sie es angesichts des verheerenden Eindrucks, der beim Bürger entstehen muß, wenn ein Ressort der Bundesregierung ja, ein anderes kurz hinterher nein sagt, wenngleich aus verschiedenen Überlegungen heraus — wie ich anerkenne — nicht für sinnvoll, daß die Bundesregierung versuchen sollte, vor Abgabe einer Stellungnahme möglichst alle Gesichtspunkte, alle Gründe und Überlegungen zusammenzufassen und dann eine einheitliche Wertung dem Lande gegenüber abzugeben?
Ich möchte noch einmal sagen, Herr Kollege: Es handelt sich hier um verschiedene Ebenen, um ganz verschiedene Aspekte,
die zur Prüfung anstehen.
Die Bundesregierung hat nur eine einzige Kompetenz, und diese geht aus dem Atomgesetz hervor. Von dieser hat sie rechtzeitig und, wie ich meine, auch richtig Gebrauch gemacht.
Zusatzfrage, Herr Dr. Haenschke.
Herr Staatssekretär, leiten Sie aus dem Eindruck, der in der Öffentlichkeit erweckt werden soll, daß der Bund die Entscheidung für den Standort mitgetragen habe,
die Tatsache ab, daß die zuständige Genehmigungsbehörde, die Landesregierung von Baden-Württemberg, Sorge hat, diese Entscheidung für den Standort Wyhl jetzt auch zu verantworten?
Ich kann mich nicht in die Lage der baden-württembergischen Landesregierung, insbesondere nicht in ihre Sorgen, hineinversetzen. Ich kann nur sagen, daß aus nuklearspezifischen Gründen kein Grund zur Sorge wegen dieses Standorts besteht, möglicherweise aber aus anderen Gründen. Das kann ich hier jedoch nicht beurteilen.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble auf:
Mit welchen Argumenten begründet der Bundeslandwirtschaftsminister jetzt seine Ablehnung?
Herr Kollege, in seiner im Raumordnungsverfahren abgegebenen Stellungnahme zum fachlichen Entwicklungsplan „Kraftwerksstandort des Landes Baden-Württemberg", Entwurf vom 26. August 1974, steht der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Standort Wyhl aus ökologischer Sicht ablehnend gegenüber. Der BML weist darauf hin, daß es sich um ein Gebiet mit einem weitverzweigten, in Mitteleuropa wahrscheinlich einmaligen Altwassersystem mit großer Mannigfaltigkeit von Wasserbiotopen im Verbund mit Auenwäldern handelt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäuble, bitte!
Herr Staatssekretär, darf ich in meiner Zusatzfrage noch einmal auf den Punkt zurückkommen: Sind Sie nicht bereit einzusehen, daß es aus der Sicht der Bürger unverständlich ist, daß es trotz unterschiedlicher Stellungnahmen und Gesichtspunkte verschiedener Ressorts nicht möglich ist, innerhalb der Bundesregierung zu einer einheitlichen Stellungnahme zu kommen?
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob wir in diese Situation nicht auch dadurch gekommen sind, daß hier die Unterschiede der Aspekte bewußt verwischt worden sind. Ich gebe zu: Vielleicht kann man die Aspekte noch deutlicher machen als bisher. Aber ich habe auch das Gefühl, daß in der Hitze des Gefechtes an Ort und Stelle diese unterschiedlichen Aspekte bewußt verwischt worden sind.
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Eine zweite Zusatzfrage.
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, in Zukunft die Abgabe einheitlicher Stellungnahmen sicherzustellen?
Die Bundesregierung hat im Jahre 1974 eine klare Stellungnahme abgegeben, die in ihre Kompetenz fällt. Die Stellungnahme im Raumordnungsverfahren ist eine andere gewesen, und zwar eine, die sich auf gesamtökologische Aspekte bezog. Es ist durchaus möglich, Herr Kollege, daß der eine Aspekt zu einem „Ja", der andere zu einem „Nein" führt. Das ist nicht auszuschließen; das liegt im Unterschied der Sache.
Meine Damen und Herren, ich sehe nicht, daß in dieser Frage noch eine größere Klärung herbeigeführt wird. — Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Standortpläne der Länder auf Grund einheitlicher Bewertungsdaten beurteilen zu können?
Herr Kollege Dr. Wörner, die Bundesregierung unterstützt und ermuntert die Länder angesichts des im Energieprogramm vorgesehenen starken Ausbaus der Kernenergienutzung die hierfür notwendigen Standorte für diese Nutzung vorausschauend und unter optimaler Abwägung aller Standortfaktoren in einer Standortvorsorge festzulegen.
Als aktiven Beitrag erarbeitet der BMI zur Zeit in Abstimmung mit den Ländern und den Bundesressorts nuklearspezifische Standortbewertungsdaten. Diese werden in der Form eines Grobrasters die frühe Bewertung von Standorteigenschaften ermöglichen und es somit erleichtern, bereits bei der Vorauswahl von Standorten und Alternativstandorten diejenigen Aspekte zu berücksichtigen, die in einem späteren atomrechtlichen Genehmigungsverfahren eine wesentliche Rolle spielen werden. Solche bundeseinheitlich anzuwendenden Standortbewertungsdaten sollen die Detailprüfung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht ersetzen; sie werden jedoch dazu beitragen, nuklearspezifisch günstige Kernkraftwerkstandorte auszuwählen und die Genehmigungsverfahren zu rationalisieren.
Der Bundeswirtschaftsminister ist darüber hinaus bemüht, in langfristiger Zusammenarbeit mit den Energieversorgungsunternehmen und den Ländern die Standortregionen für sämtliche benötigten Energiearten aufzustellen und hierbei alle wesentlichen Standorteigenschaften zu berücksichtigen.
Der Bundesbauminister hat im Rahmen der Ministerkonferenz für Raumordnung bisherige Auswahlkriterien für Standorte von Kraftwerken ermittelt und unter Raumordnungsaspekten Vorarbeiten zu einer großräumigen Standortverteilung von Kraftwerken, unter Einschluß ökologischer Aspekte, eingeleitet.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung Kontakte zu Nachbarstaaten aufgenommen — die bestehen schon seit vielen Jahren , um die Bewertung der Standortpläne der Länder auch unter Einbeziehung entsprechender ausländischer Planungen im grenznahen Raum zu ermöglichen, auf eine Harmonisierung der Gesamtplanung hinzuwirken. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß dies besonders im Gebiet des Oberrheins eine große Rolle spielt.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Wörner.
Würden Sie angesichts dieser enormen Vorarbeiten der Landesregierung von Baden-Württemberg und anderer Bundesländer raten, mit ihren eigenen Vorsorgeplanungen zurückzuhalten und zuzuwarten - angesichts der Hoffnung, die dann vielleicht bestehen würde, einen Widerspruch auszuräumen, der beispielsweise in dem Rat besteht: einerseits Standorte nahe an den Ballungsgrenzen zu vermeiden, andererseits aber die Abwärme für Heizzwecke weiter zu verwenden?
Ich weiß nicht, ob Sie das, was dort steht, so gering achten können. Denn in der Tat steht ja auch in Rede, Kernkraftwerke in der Nähe von Ballungszentren zu bauen; deshalb ist dieser Rat sicherlich wichtig. Ich will jedoch gerne anerkennen, Herr Kollege, daß das Land Baden-Württemberg mit seinem Gesamtprogramm eine sehr gute Vorarbeit geleistet hat. Das haben wir ja auch entsprechend gewürdigt.
Präsident 'Frau Renger: Eine zweite Zusatzfrage.
Eine abschließende Zusatzfrage aus meiner Sicht: Halten Sie es nicht für einen eklatanten Widerspruch, daß wir alle im Deutschen Bundestag — in der klaren Erkenntnis der Notlage, in der wir uns befinden — auf der einen Seite die schnelle Erschließung zusätzlicher Energiequellen fordern, andererseits aber hier von einem Ressort der Bundesregierung der Versuch gemacht wird, Steine in den Weg zu werfen, ohne daß an irgendeiner Stelle erkennbar Alternativen für Standorte aufgezeigt werden?
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Ihre Behauptung stimmt. Ich möchte nur sagen, daß wir alle davon ausgehen, daß wir künftig mehr Kernenergie brauchen, daß wir uns aber gleichzeitig alle der Schwierigkeiten bewußt sind, die durch den notwendigen Umweltschutz, also durch die notwendige Sicherung der Umwelt zusätzlich auf uns zukommen. Das ist eine schwierige Diskussion, in der wir stehen. Ich bin aber sicher, daß sich alle Frak-
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Parl. Staatssekretär Baumtionen, alle Mitglieder des Hauses dieser Schwierigkeiten bewußt sind.
Eine Zusatzfrage hat Herr Dr. Ahrens.
Herr Staatssekretär, in welcher Weise erfolgt eine Abstimmung mit den Plänen der französischen Regierung, die sechs Standorte für Kernkraftwerke im Bereich zwischen Basel und Weißenburg vorsieht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, wir sind sehr an einer Abstimmung interessiert. Dieses Thema wird seit einiger Zeit, schon seit etwa eineinhalb Jahren, in der Rheinschutzkommission erörtert. Es war auch schon Gegenstand von Beratungen der zuständigen Minister der Rheinanliegerstaaten.
Es gibt einen Entwurf für ein Abkommen. Er betrifft in erster Linie die Wärme, die in den Rhein geht. Die Bundesregierung ist sehr bemüht, daß dieses Abkommen bald abgeschlossen wird.
Zu einer letzten Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dr. Schäuble.
Herr Staatssekretär, gehört zu den von Ihnen aufgezeigten umfangreichen Bemühungen der Bundesregierung, die erforderlich sind, um die Standortpläne richtig beurteilen zu können, auch die Bereitschaft der Bundesregierung, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Standortvorsorgeplan des Landes Baden-Württemberg neben Wyhl für die Oberrheinebene nur zwei weitere Standorte vorsieht und nicht, wie die Bundesregierung fälschlicherweise behauptet, sechs?
Wir haben den Plan des Landes Baden-Württemberg analysiert. Ich gehe davon aus, daß kein Widerspruch besteht. Ich habe den Widerspruch so wie Sie jedenfalls nicht gesehen, Herr Kollege, würde der Sache aber gerne noch einmal nachgehen, um festzustellen, ob unsere Stellungnahme möglicherweise auf einer falschen Tatsachenfeststellung beruht.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Ausmaße Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes private Bauplanungsaufträge ausführen, und führt eine solche Nebentätigkeit zu einer zusätzlichen Erschwernis der schwierigen wirtschaftlichen Situation freiberuflicher Architekten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Ahrens, die Bundesregierung kann dazu noch keine konkreten Angaben machen. Sie hat keine Kenntnisse, die sie in den Stand setzen könnten, sich zu der Frage zu äußern, ob Nebentätigkeiten der in Rede stehenden Art in nennenswertem Umfang ausgeübt werden und ob ihre
Auswirkung gegebenenfalls geeignet wäre, die wirtschaftliche Lage der freiberuflichen Architekten zu erschweren.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Ahrens!
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß bei der Genehmigung solcher Nebentätigkeiten neben dem Wunsche des Beamten oder Angestellten und neben dem Interesse des Dienstherrn an einer praxisnahen Nebentätigkeit seines Mitarbeiters auch die Beschäftigungssituation der freiberuflichen Architekten gesehen werden sollte?
Herr Kollege, ich habe sehr viel Verständnis für diese Auffassung. Ich würde Ihnen aber gerne noch kurz die Rechtslage vortragen. Das betrifft Ihre nächste Frage. Daraus werden Sie entnehmen, daß der Spielraum dafür nicht sehr groß ist.
Können wir Ihre zweite Frage gleich mitbehandeln?
Einverstanden.
Dann rufe ich auch die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung im eigenen Zuständigkeitsbereich wie bei Ländern und Gemeinden, die genannte Nebentätigkeit — etwa durch Zurücknahme von Genehmigungen — einzudämmen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, der Dienstherr ist bei der Genehmigung oder Untersagung privater Nebentätigkeiten außerhalb des Dienstes keineswegs völlig frei. Er kann eine Genehmigung nach geltendem Recht nur dann versagen oder widerrufen, wenn die Nebentätigkeit die dienstlichen Leistungen, die Unparteilichkeit oder die Unbefangenheit des Beamten beeinträchtigen würde. Diese Beschränkung der Versagungsmöglichkeit ist auch durch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigte Grundsätze konkretisiert, wonach der Beamte unter Inanspruchnahme des auch ihm zustehenden Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit die ihm außerhalb der Dienstzeit zur freien Verfügung verbleibende Zeit durchaus auch für eine entgeltliche Nebentätigkeit verwenden darf unter bestimmten Voraussetzungen, sofern er damit nicht gegen dienstliche Interessen verstößt.
Für Bund, Länder und Gemeinden besteht daher nur in relativ engen Grenzen eine Möglichkeit, auf außerdienstliche, dem privaten Sektor zugehörende Tätigkeiten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit Mitteln des Dienstrechts Einfluß zu nehmen.
Eine Zusatzfrage.
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10264 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Herr Staatssekretär, stellt bei dieser Rechtslage die nicht genehmigte Übernahme privater Planungsaufträge durch einen Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst ein Dienstvergehen dar?
Wenn sie nicht genehmigt ist, ja. Aber ich habe Ihnen soeben dargelegt, daß in vielen Fällen gar nichts anderes übrigbleibt, um es einmal so zu formulieren, die Nebentätigkeit zu genehmigen. Ich verstehe Ihre Sorge, gerade angesichts der konjunkturellen Situation. Aber wir sind hier strikt an die Rechtslage gebunden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 44 der Abgeordneten Frau Däubler-Gmelin ist von der Fragestellerin zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Schinzel auf:
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß der Deutsche Edgar Thelen vom 10. bis 16. Januar 1975 in München Söldner für Rhodesien werben konnte, obwohl schon am 14. Dezember 1974 in einer Annonce in der „Welt" „ehemalige Soldaten aller Dienstgrade bis 35 Jahre, die gesund und leistungsfähig sind", für Rhodesien geworben wurden und obwohl schon vor der Einreise Thelens in die Bundesrepublik Deutschland in mehreren ausländischen Zeitungen zu lesen war, daß Interessenten für die „Rhodesian Security and General Services" ihre Bewerbungen an „Oberstleutnant E. A. D. Thelen, D-8000 München, West Germany, Hotel Holiday Inn" richten sollen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Schinzel, ich habe das Bayerische Staatsministerium des Innern, in dessen Zuständigkeitsbereich die polizeilichen Ermittlungen fallen, um Information gebeten. Es hat mir u. a. folgendes mitgeteilt:
Thelen stellte sich am 16. Januar 1975 freiwillig der Polizei. Gegen ihn war bereits ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I gemäß § 109 h des Strafgesetzbuches eingeleitet worden. Thelen wurde dem Ermittlungsrichter im Poli- zeipräsidium München vorgeführt, der Haftbefehl erließ. Am 28. Januar 1975 gab Thelen zu, daß die Bewerber der rhodesischen Armee zugeführt werden sollten.
Die gegen Thelen durchgeführten Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Vom Polizeipräsidenten in München — dies besagt die Mitteilung des bayerischen Staatsministeriums des Innern — werden Annoncen der Tageszeitungen nur von Fall zu Fall ausgewertet.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Schlaga auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß die Interessenten für die „Rhodesien Security and General Services", deren Bewerbungen der deutschstämmige Oberstleutnant E. A. D. Thelen während seines Aufenthaltes in München im
Januar 1975 bearbeitet hat, nicht in den Dienst des rhodesischen „Rebellen-Regimes" treten können und daß die Anwerbung von Söldnern , nach der Verhaftung Thelens, nicht von seinem „geschulten Mitarbeiterkreis" (Süddeutsche Zeitung, 16. Januar 1975) oder über Postfachadressen ("Welt", 14. Dezember 1974) weitergeschehen kann?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Schlaga, die Anwerbung für fremden Wehrdienst erfüllt einen Straftatbestand. Wer Deutsche zugunsten einer ausländischen Macht zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt, macht sich nach § 109 h des Strafgesetzbuches strafbar. Falls auch etwaige Mitarbeiter des bereits verhafteten Thelen verdächtig sein sollten, diesen Straftatbestand zu erfüllen, so sind Länderpolizei und Justizbehörden verpflichtet, die zur Verhinderung bzw. Erforschung und zur Verfolgung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wie dies bereits im Falle Thelen geschehen ist. Einer besonderen Sicherstellung dieser Maßnahmen durch die Bundesregierung bedarf es nicht.
Was die Behandlung von bereits Angeworbenen betrifft, so ist zu bemerken, daß der Eintritt in fremde Streitkräfte keine strafrechtlichen Folgen hat. Gegen Angeworbene können Maßnahmen präventiver oder repressiver Art nicht ohne weiteres ergriffen werden.
Es besteht allerdings die Möglichkeit, die Ausreise solcher Personen zu verhindern. Gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe e) und § 8 des Paßgesetzes kann der Paß versagt oder entzogen werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßbewerber unbefugt in fremde Heeresdienste eintreten will. Zuständig für derartige Maßnahmen sind wiederum die Länder.
Herr Kollege, ich habe Ihre Frage zum Anlaß genommen, das bayerische Staatsministerium des Innern durch Fernschreiben zu bitten, daß Namen von Angeworbenen, die im Zuge der Ermittlungen bekannt sind oder bekanntwerden, sogleich den zuständigen Paßbehörden im Bundesgebiet benannt werden. Darüber hinaus habe ich die übrigen Innenminister der Länder fernschriftlich gebeten, die Angelegenheit mit Nachdruck zu verfolgen und gegebenenfalls die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schlaga.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß Herr Thelen noch einsitzt. Ist Ihnen bekannt, ob der ausgewiesene geschulte Mitarbeiterkreis von der bayerischen Staatspolizei unter Kontrolle gehalten wird, denn es ist zu befürchten, daß dieser Mitarbeiterkreis im Sinne Thelens weiterarbeitet?
Ich gehe nach den Mitteilungen, die ich
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975 10265
Parl. Staatssekretär Baumaus Bayern bekommen habe, davon aus, daß dies geschieht.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihnen dafür danken, daß Sie so initiativ geworden sind.
Die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Hansen ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, den Bereich der Verkehrsunfallhilfe der Berufs- bzw. freiwilligen Feuerwehr zu entziehen und diesen dem THW zu übertragen, und wie sollen Zuständigkeit und Einsatzleitung künftig geregelt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung hält es nicht für zulässig oder sinnvoll, den Bereich der Verkehrsunfallhilfe der Berufs- bzw. freiwilligen Feuerwehr zu entziehen und diesen dem THW zu übertragen. Die technische Hilfe bei Verkehrsunfällen fällt als Teil der Gefahrenabwehr in die Zuständigkeit der Länder; diese haben die Aufgabe in ihren Brandschutzgesetzen den Feuerwehren zugewiesen.
Andererseits hält der Bund Potential zum Schutz der Zivilbevölkerung im V-Fall im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Art. 73 Nr. 1 des Grundgesetzes vor. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Potentials ist das Technische Hilfswerk. Es verfügt über etwa 50 000 aktive Helfer, die entsprechend ihrem Auftrag im Verteidigungsfall unter anderem auch für Bergungsaufgaben ausgebildet und ausgerüstet werden. Diese Rettungskapazität ist auch für einen Einsatz bei Unglücksfällen im Frieden geeignet. Es erscheint daher verständlich, daß die Helfer daran interessiert sind, ihre fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auch im Frieden zu erproben und Erfahrungen zu sammeln.
Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und zur Verbesserung des Leistungsstandes der Hilfskräfte hat die Bundesregierung den Ländern angeboten, das THW — ergänzend zu den Feuerwehren — für die technischen Hilfeleistungen bei Verkehrsunfällen zur Verfügung zu stellen. Dabei ist vor allem an einen Einsatz in Verkehrsspitzenzeiten gedacht. Das liegt auch im Sinne der Forderungen aller Parteien nach Verbesserung des Rettungswesens.
Herr Kollege, die Innenministerkonferenz, die die Frage der Mitwirkung des THW an der technischen Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen in ihrer Sitzung am 9. Dezember 1974 behandelt hat, hat ihren Un-) terausschuß „Katastrophenschutz" beauftragt, hierzu einen Beschlußentwurf vorzulegen. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Das Ergebnis kann Ihnen von
mir aber gern zur Verfügung gestellt werden, sobald es vorliegt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, ist in diesem Beschlußentwurf auch eine Aussage über die Zuständigkeit der Einsatzleitung am Katastrophenort enthalten?
Die Leitungskompetenz ist klar geregelt. Sie liegt bei den örtlichen Behörden. Sie haben zu entscheiden, wer wann eingesetzt wird.
Zweite Zusatzfrage.
Darf ich, Herr Staatssekretär, unter „örtliche Behörden" verstehen, daß die örtlich zuständige Feuerwehr bzw. freiwillige Feuerwehr hinsichtlich der Einsatzleitung zuständig ist?
Das ist in den Ländern unterschiedlich, Herr Kollege. Aber es ist eben auf örtlicher Ebene organisiert. Es ist nicht so, daß den Feuerwehren eine Aufgabe entzogen wird, sondern es soll nur, um der Situation Herr zu werden, in Spitzenzeiten eine zusätzliche Vorsorge durch Einsatz des THW geschaffen werden. Über die Modalitäten wird noch zu entscheiden sein.
Ich rufe Frage 49 des Herrn Abgeordneten Sauer auf:
In welcher Form hat die Bundesregierung bisher den Ländern und Kommunen Empfehlungen oder Richtlinien zur Mitarbeit und Ausgestaltung des Europäischen Denkmalschutzjahres erteilt, um sicherzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht anderen Ländern gegenüber zurücksteht, wie zu befürchten ist, wenn man z. B. die hervorragenden Vorbereitungen der polnischen Regierung in den Städten Warschau, Krakau und Danzig berücksichtigt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Sauer, der Denkmalschutz fällt nach der Aufgabenabgrenzung des Grundgesetzes in die Zuständigkeit der Länder. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung keine Empfehlungen bzw. Richtlinien an die Länder und Kommunen über die Durchführung des europäischen Denkmalschutzjahres herausgegeben. Zur Vorbereitung und Durchführung des europäischen Denkmalschutzjahres 1975 ist ein deutsches Nationalkomitee gebildet worden, dem unter anderem Vertreter der Fraktionen dieses Hauses, der Bundesregierung, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände, der Gewerkschaften, der Arbeitgeber, der Kirchen sowie namhafte Fachleute und Wissenschaftler angehören Präsident dieses Komitees ist bekanntlich der bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Professor Dr. Hans Maier. Das Nationalkomitee hat seit seiner Bildung im Dezember 1973 eine Reihe von Empfehlungen, Anregungen und Aufrufen ver-
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10266 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Parl. Staatssekretär Baumöffentlicht, die ich Ihnen hier nicht darlegen möchte; ich bin aber gerne bereit, sie Ihnen zur Verfügung zu stellen.Ein erster Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Nationalkomitees liegt dem Haushaltsausschuß des Bundestages vor. Es besteht nach den bisherigen Aktivitäten des Nationalkomitees, Herr Kollege, meines Erachtens keinerlei Anlaß zu der Befürchtung, die Bundesrepublik Deutschland könne bei einem internationalen Vergleich der aus Anlaß des europäischen Denkmalschutzjahres getroffenen Maßnahmen schlecht abschneiden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, das Protokoll des Wohnungsbauausschusses von heute vormittag zur Kenntnis zu nehmen, wo beide Seiten des Hauses der Bundesregierung sehr kritische Fragen gestellt haben, weil wir nicht ersehen können, wo die Bundesregierung bisher Aktivitäten entfaltet hat?
Ich bin gerne bereit natürlich, dieses Protokoll zur Kenntnis zu nehmen. Aber ich habe hier eine Liste von Aktivitäten des Nationalkomitees, in dem die Bundesregierung mitwirkt. Ich glaube nicht, daß hier Vorwürfe gerechtfertigt sind. Es kommt natürlich darauf an, wie im einzelnen die Verhandlungen heute früh gelaufen sind; dazu kann ich keine Stellung nehmen.
— Ja.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wie beurteilt die Bundesregierung auch unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Breitensports die wirtschaftliche Situation der Vereine der Ersten und Zweiten Fußball-Bundesliga, und sieht sie eine Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußballbund und dem Deutschen Sportbund der zunehmenden Verschuldung einer Vielzahl von Vereinen dieser Ligen entgegenzuwirken?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Meinecke, zur 1. Bundesliga kann generell gesagt werden, daß sich die wirtschaftliche Situation seit Einführung dieser obersten Spielklasse zunehmend konsolidiert hat. Den Vereinen der 1. Bundesliga ist es in aller Regel gelungen, ihren Finanzbedarf den wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen.
Eine abschließende Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der 2. Bundesliga — einschließlich ihrer Auswirkung und ihrer Förderung auf den Breitensport in diesen Vereinen — ist demgegenüber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Dies wird — wie auch bei der Entwicklung der 1. Bundesliga — frühestens nach Ablauf von zwei i Jahren der Fall sein können. Derzeit kann lediglich darauf verwiesen werden, daß nach Mitteilung des Deutschen Fußballbundes bei fast allen Vereinen nach Abschluß der Vorrunde ein mehr oder weniger kräftiger Zuwachs der Zuschauerzahlen und im wirtschaftlichen Bereich eine zum Teil erhebliche Mehreinnahme zu verzeichnen ist. Die 2. Liga Nord erzielte dabei in dieser halben Meisterschaftsrunde ein Ergebnis wie zu den besten Zeiten der Regionalliga in einer ganzen Saison. Die 2. Liga Süd konnte insgesamt ebenfalls ein zufriedenstellendes Ergebnis melden. Trotzdem hat der Deutsche Fußballbund festgestellt, daß einige Vereine erheblich mehr ausgegeben haben, als eingenommen wurde. Soweit hierdurch wirtschaftliche Schwierigkeiten entstanden sind, wird der DFB von seinem Recht Gebrauch machen, mit den Vereinen Sanierungsmaßnahmen zu verabreden, und gegebenenfalls diese anordnen.
Der Bundesregierung ist weiter bekannt, daß der Deutsche Fußballbund auch beabsichtigt, die Voraussetzungen für die alljährlich notwendigen Lizenzerteilungen künftig sehr kritisch zu überprüfen. Hierbei will der Deutsche Fußballbund die Einnahmen- und Ausgabenseite der Etatpläne einer besonders sorgfältigen Prüfung unterwerfen.
Die Bundesregierung begrüßt es, daß dieser Weg beschritten wird. Sie würde es insbesondere bedauern, Herr Kollege, wenn durch wirtschaftliche Schwierigkeiten einzelner Vereine deren allgemeine sportliche Breitenarbeit beeinträchtigt werden würde. Sie ist sich mit dem Deutschen Fußballbund darin einig, daß bei Prüfungs- und Sanierungsmaßnahmen diesem Gesichtspunkt besonders Rechnung zu tragen ist, und sie wird in dieser Angelegenheit mit dem Fußballbund ständigen Kontakt halten.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Meinecke!
Herr Staatssekretär, so begrüßenswert es ist, daß die Bundesregierung diese Meinung hier geäußert hat — und das wird sehr hilfreich sein —, sehe ich trotzdem die Tatsache, daß einige dieser Vereine kurz vor der Situation stehen, daß sie die Jugend- und Breitensportabteilung auflösen müssen. Sieht die Bundesregierung es auch so, daß unabhängig von der Tatsache, daß künftig das Prüfungsverfahren verschärft werden muß, um den leichtfertigen Zugang zu verhindern, eine Möglichkeit darin besteht, die derzeitigen, zum Teil sehr bürokratischen Auflagen in der Durchsetzungskraft nicht so hartnäckig zu verfolgen wie bisher?
Herr Kollege, ich bim mit Ihnen einig, daß die Aktivitäten des Breitensports und des Jugendsports, die Sie erwähnt haben, sehr wichtig sind und daß es bedauerlich wäre, wenn diese durch andere Aktivitäten der Vereine eingeschränkt werden würden, aber ich bin der Meinung, daß es in erster Linie eine Sache der Vereine selbst
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975 10267
Parl. Staatssekretär Baumund natürlich des Deutschen Fußballbundes ist, hier etwas zu unternehmen,
um etwaigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stücklen!
Herr Staatssekretär, würden Sie es als eine Unterstüzung der Vereine ansehen, insbesondere auch der Breitenarbeit, wenn man den Vereinen die Berechtigung zur Ausstellung von Spendenquittungen übertragen würde?
Herr Kollege, damit sprechen Sie ein Thema an, das seit langem eine Rolle spielt; aber wir sind hier bei einem ganz speziellen Thema, Herr Kollege Stücklen, nämlich bei der Zweiten Fußball-Bundesliga. Was Sie hier ansprechen, ist ein Problem, das sich generell für unsere Sportvereine stellt, und dazu kann ich Ihnen jedenfalls heute keine neue Stellungnahme der Bundesregierrung abgeben.
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Böhm auf:
Nachdem in den letzten Wochen Minen aus der DDR im Bereich des Elbezuflusses Seege auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abgetrieben wurden, frage ich die Bundesregierung, an welchen Stellen der Zonengrenze ähnliche Gefährdungen bestehen, und welche Schritte sie unternommen hat, um mögliche Gefährdungen auszuschließen?
Herr Kollege Böhm, an der etwa 1 346 Kilometer langen Grenze der DDR zur Bundesrepublik Deutschland sind jenseits des Sperrzauns auf insgesamt der Hälfte der Gesamtlänge —664 Kilometer — Minen verlegt. Hierdurch ist es in der Vergangenheit vorgekommen, daß bei Hochwasser Minen ausgespült und auf Bundesgebiet abgeschwemmt wurden; der letzte Fall ist ja noch bekannt. Auch in Zukunft besteht bei Hochwasser oder starken Regenfällen an bestimmten gefährdeten Stellen die Möglichkeit, daß von den Grenzgewässern Minen aus dem Minengürtel der DDR angeschwemmt werden. Diese Stellen unterliegen der besonderen Beobachtung durch den Bundesgrenzschutz.
Die Bundesregierung hat gegenüber der DDR wiederholt, zuletzt in der Sitzung der Grenzkommission am 15. und 16. Januar 1975 in Würzburg, gegen diese Grenzverletzungen und die Gefährdung von Zivilpersonen protestiert und darauf hingewiesen, daß dieser Tatbestand zugleich einen Verstoß gegen die Vereinbarung über die Grundsätze zur Schadensbekämpfung an der Grenze darstellt. Die DDR-Delegation in der Grenzkommission hat daraufhin zugesagt, alles zu tun, um eine künftige Gefährdung zu vermeiden. Die Bundesregierung wird aufmerksam verfolgen, ob die DDR die erforderlichen Maßnahmen ergreifen wird, damit derartige Gefahren für das Bundesgebiet künftig mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Grenzsicherung mit Minen und Selbstschußanlagen ist zwischen zivilisierten Staaten schon für sich genommen ein Vorgang, dem man nur mit Abscheu und Unverständnis begegnen kann.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem im Jahre 1970 in der Nähe von Coburg bei einem Zwischenfall, der auf abgetriebene Minen zurückzuführen ist, ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland schwer verletzt worden ist, hatte die DDR im Jahre 1973 erklärt, nunmehr seien alle Voraussetzungen geschaffen, und dennoch kam es zu den neuen Problemen im SeegeGebiet. Ich frage Sie, welches Vertrauen man in die jetzigen neuen Erklärungen der DDR setzen kann, daß künftig alle Maßnahmen ergriffen werden, um solche Zwischenfälle zu vermeiden.
Herr Kollege, ich kann wie Sie nur die Erklärungen der DDR zur Kenntnis nehmen und hoffen, daß die DDR alles tut, um künftig eine Gefährdung zu vermeiden. Ich möchte aber noch einmal in Erinnerung rufen, daß das jetzige Hochwasser ein exorbitantes Hochwasser war.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind im Anschluß an den Zwischenfall im Seege-Gebiet von westlicher Seite erneute Maßnahmen zur Überprüfung der Stellen eingeleitet worden, an denen die Gefahr des Minenabtreibens gegeben ist, und welches Ergebnis hatten solche Untersuchungen?
Wir haben die Witterung dieses Winters noch einmal zum Anlaß genommen, die gefährdeten Stellen besonders zu beobachten. Das habe ich Ihnen ja bereits ausgeführt. Der BGS hat Auftrag, dies laufend zu tun.
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10268 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht im Juli 1973 erklärt hat, der Grundlagenvertrag gebe eine zusätzliche Rechtsgrundlage für die Bundesregierung dahin ab, daß die derzeitigen Verhältnisse an der innerdeutschen Grenze absolut untragbar seien, frage ich: hat sich die Bundesregierung unter Berufung auf dieses Urteil der DDR gegenüber schon klar dahin geäußert, daß das beste für die Grenzsicherung darin bestünde, diesen Minengürtel überhaupt wegzuräumen?
Herr Kollege, ich habe Ihnen eben klar und deutlich die Stellungnahme des Bundesinnenministers dazu vorgelesen. Sie ließ wohl an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, bestehen für die Zukunft denn überhaupt irgendwelche Hoffnungen, daß von den DDR-Behörden zur Kenntnis genommen wird, daß wir diese Minen für ungeheuerlich halten oder um Ihren Ausdruck bezüglich des Hochwassers zu gebrauchen — für exorbitant?
Herr Kollege, ich unterstelle es als sicher, daß die DDR das zur Kenntnis genommen hat.
Keine Zusatzfrage mehr.
Die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx wird vom Bundesminister des Auswärtigen beantwortet.
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist die Bundesregierung bereit, nachdem sie eine Veröffentlichung der vom Bundesarchiv erarbeiteten „Dokumentation von Vertreibungsverbrechen" ablehnt, die von 1955 bis 1961 vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte herausgegebene und längst vergriffene ,,Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" neu aufzulegen oder neu zusammenzustellen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Hupka, die von einer Gruppe von Wissenschaftlern erarbeitete und vom seinerzeitigen Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte in den Jahren 1955 bis 1961 herausgegebene Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa umfaßt 8 Teilbände, 3 Beihefte und ein Ortsregister. Das Gesamtwerk erschien in einer Auflage von 10 000 Exemplaren und war seinerzeit im Buchhandel erhältlich. Das Werk ist heute vergriffen.
Das damalige Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte stellte 1 000 Exemplare des Gesamtwerks für Bibliotheken und auch für andere öffentliche Einrichtungen zur Verfügung, so daß das Werk in sämtlichen Staats- und Universitätsbibliotheken und einer großen Zahl kommunaler Bibliotheken für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich ist. Das Bundesministerium des Innern verfügt noch über größere, aber unterschiedliche Stückzahlen bis zu mehreren hundert Exemplaren der Bände I, II und V der deutschen Ausgabe.
Herr Kollege, grundsätzliche Bedenken gegen eine Neuauflage des Werks bestehen nicht. Es handelt sich ausschließlich um die Frage, ob die dafür notwendigen erheblichen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden bzw. ob ein Verlag bereit ist, das verlegerische Risiko zu übernehmen. Dafür wird maßgebend sein, ob ein entsprechendes allgemeines Interesse am Erwerb des Werks vorausgesetzt werden kann, obschon es, wie ich bereits sagte, in nahezu allen Bibliotheken zur Verfügung steht.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, die Einstellung eines derartigen Postens im nächsten Haushalt zu beantragen, damit dieses Werk wieder vollbändig greifbar ist?
Herr Kollege, dazu ist vorab die Frage zu klären, was das kosten würde. In der Kürze der Zeit, die mir für die Vorbereitung der Fragebeantwortung zur Verfügung stand, war es mir nicht möglich, auch nur eine annähernde Kalkulation vorzunehmen. Das werde ich aber nachholen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir aber darin zustimmen, daß ein großes Informationsbedürfnis gerade in diesem Jahr besteht, zumal einerseits die wissenschaftliche Dokumentation seitens der Bundesregierung nicht veröffentlicht wird und wir andererseits im 30. Jahr nach den Ereignissen von 1945 sind und die Bundesregierung überdies über sehr viele Haushaltsmittel verfügt, um für ihre Sache Propaganda zu treiben?
Herr Kollege Dr. Hupka, wir haben, wie ich eben sagte, noch eine ganze Anzahl von Exemplaren zur Verfügung im einzelnen bis zu mehreren hundert Exemplaren — und haben nicht verspürt, daß in diesem Jahr eine größere Nachfrage stattgefunden hat; es ist jedenfalls keine größere als in den letzten Jahren zu verzeichnen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975 10269
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sauer.
Wären Sie denn bereit, dann wenigstens die fehlenden Bände zum Nachdruck freizugeben?
Auch das, Herr Kollege, ist eine Frage, die erst dann entschieden werden kann, wenn man annähernd weiß, was das kosten würde. Außerdem sollte man einmal prüfen, ob nicht ein Verleger bereit ist, zumindest einen Teil des Risikos mit zu übernehmen. Aber die Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung stand, hat es mir nicht erlaubt, diese Kalkulation vorzunehmen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort, daß hier keine grundsätzlichen Bedenken bestünden, entnehmen, daß die Bundesregierung polnische Auffassungen nicht teilt, die in letzter Zeit geäußert wurden, nämlich daß solche Dokumentationen gegen den deutsch-polnischen Vertrag verstießen und überhaupt eine revanchistische und neonazistische politische Linie darstellten?
Herr Kollege, Sie haben jetzt eine polnische Auffassung ein wenig überzeichnet dargelegt. Ich weiß nicht, ob sich diese Auffassung auf den von mir hier zu behandelnden Bereich von Publikationen erstreckt. Mir ist eine derartige Auffassung zu diesen Publikationen jedenfalls nicht bekannt, die die Kennzeichnung verdienen würde, die Sie ihr eben gegeben haben.
Außerdem sage ich Ihnen: Die Bundesregierung ist nach wie vor grundsätzlich bereit, einer Neuauflage zuzustimmen. Das hängt eben von Umständen ab, die noch geklärt werden müssen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, da es sich hier um eine Dokumentation der Vertreibung und nicht der Vertreibungsverbrechen handelt, frage ich Sie, ob die Bundesregierung bei der Erwägung, ob steuerliche Mittel dafür bereitgestellt werden können, den Umstand bewerten wird, daß es hier um das nach 30 Jahren nicht geregelte Schicksal von fast 20 % der deutschen Bevölkerung geht, und ob sie die Notwendigkeit, die Erinnerung an die Tatsachen der Vertreibung in den positiven und negativen Akten der Vertreiber — es sind ja auch Dokumente der Menschlichkeit darin enthalten — wachzuerhalten, bei einer Neuauflage entsprechend bewerten will.
Herr Kollege, ich weiß nicht, was Sie mit dem „nicht geregelten Schicksal von 20 % der deutschen Bevölkerung" meinen. Ich glaube jedenfalls deutlich gemacht zu haben, daß diese Dokumentation es wert ist, gelesen zu werden und verbreitet zu werden.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Die Frage 27 des Abgeordneten Engelsberger wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. de With steht zur Verfügung.
Frage 54 der Frau Abgeordneten Berger:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Vorlage und Verabschiedung des Entwurfs eines Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsagen besonderer Vorrang eingeräumt werden sollte, um wenigstens deutscherseits alles zu tun, was zur Lösung der sich aus der Verurteilung von deutschen Staatsangehörigen in Ländern mit anderer Strafvollzugspraxis ergebenden Probleme beitragen kann?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die von Ihnen, Frau Kollegin Berger, gestellte Frage ist inhaltsgleich mit der Anfrage des Kollegen Lampersbach, Drucksache 7/2531, Frage A 43, die ich am 19. September 1974 schriftlich beantwortet habe. Ihre Frage beruht ersichtlich ebenfalls auf der Überlegung, wie deutschen Staatsangehörigen geholfen werden kann, die im Ausland zum Teil unter besonders belastenden Bedingungen Freiheitsstrafen verbüßen, deren Dauer das bei uns in vergleichbaren Fällen übliche Maß bei weitem übersteigt.Die Bundesregierung ist sich dieser Probleme durchaus bewußt und bemüht, zu ihrer Lösung beizutragen. Ich darf dazu wiederholen, was ich für die Bundesregierung bereits in Beantwortung verschiedener früherer Anfragen zum Ausdruck gebracht habe, daß nämlich ein Angebot an einen ausländischen Staat, eine dort verhängte Freiheitsstrafe hier weiter zu vollstrecken, in einzelnen Fällen Erfolg haben könnte. Voraussetzung dafür ist, wie ich bereits früher ausgeführt habe, die Schaffung eines Exequaturverfahrens im Rahmen eines neuen Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Die Bundesregierung ist daher weiterhin bemüht, diesen Gesetzentwurf möglichst bald den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen. Die Bundesregierung teilt also Ihre Auffassung, Frau Kollegin Berger, daß wenigstens deutscherseits alles getan werden muß, was zur Lösung dieser Probleme beitragen kann.Ich möchte aber auch bei dieser Gelegenheit noch einmal hervorheben, daß das beabsichtigte Gesetz kein Allheilmittel werden kann. Denn wie ich Ihnen in meiner Antwort vom 23. Juli und in meiner Antwort vom 19. September 1974 auf die Frage des Kollegen Lampersbach bereits des näheren erläutert habe, kann ein ausländischer Staat weder durch das
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10270 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975
Parl. Staatssekretär Dr. de WithInkrafttreten eines das Exequaturverfahrens regelnden Gesetzes in der Bundesrepublik noch durch die künftige Anwendbarkeit des Europäischen Übereinkommens über die internationale Geltung von Strafurteilen im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und eben diesem Staat verpflichtet werden, deutsche Staatsangehörige zur weiteren Strafvollstreckung nach Deutschland zu entlassen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Berger!
Herr Staatssekretär, bei aller Würdigung Ihrer Darlegungen möchte ich Sie aber doch fragen, ob der Bundesregierung klar ist, in welcher erschütternden Lage sich einzelne Deutsche in ausländischen Gefängnissen mit anderer Strafvollzugspraxis befinden, denen durch eine baldige Vorlage eines Gesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vielleicht doch geholfen werden könnte.
Frau Kollegin Berger, dies ist der Bundesregierung bekannt. Ich meine, für diese Personen, die Sie im Auge haben, hat die Bundesregierung, wie Ihnen ebenfalls bekannt sein dürfte, alles, was nur möglich ist, getan, um eine Auslieferung zu erreichen; bisher, wie gesagt und wie auch Ihnen mitgeteilt wurde, leider ohne Erfolg.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie eine ungefähre Vorstellung über die Zahl der deutschen Staatsbürger, für die sich bei Vorlage oder Verabschiedung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen verbesserte Aussichten für eine Überführung aus ausländischem Gewahrsam in den deutschen Strafvollzug ergeben könnten?
Es ist sehr schwer, eine auch nur geschätzte Zahl anzugeben, weil voraussichtlich, wie ich bereits in früheren Antworten dargelegt habe, der entsprechende Kabinettsentwurf erst am Ende dieser Legislaturperiode vorgelegt werden kann und jetzt nicht ersichtlich ist, wie groß die Zahl deutscher Staatsangehöriger sein wird, die sich zu diesem Zeitpunkt in ausländischen Vollzugsanstalten befinden werden.
Ich darf noch einmal versichern, daß die Bundesregierung alles tun wird, um dieses Gesetz möglichst bald vorlegen zu können. Aber ich darf dabei auch darauf verweisen, daß hier ganz außerordentlich schwierige Rechtsfragen zu klären sind.
Ich rufe die Frage 55 der Abgeordneten Frau Berger auf:
Läßt sich jetzt ein genauerer Termin für die Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in Aussicht stellen, nachdem dies nach dem Antwortschreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. de With
vom 23. Juli 1974 noch nicht möglich war?
In meiner an Sie, Frau Kollegin Berger, gerichteten Antwort vom 23. Juli 1974 auf Ihre schriftliche Anfrage habe ich darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Kabinettsvorlage noch in dieser Legislaturperiode fertigzustellen. Ich habe dies in der Beantwortung der Zusatzfrage soeben auch zum Ausdruck gebracht.
Damit ist ein zeitlicher Rahmen gesetzt worden, der dem Schwierigkeitsgrad des Gesetzesvorhabens und der Komplexität der verschiedenen neu zu regelnden Sachgebiete, über die ich Sie auch bereits im einzelnen unterrichtet habe, Rechnung trägt. In diesem Rahmen erhält der Entwurf, wie ich Ihnen versichern darf, durch die Bundesregierung die weitestmögliche Förderung; dies darf ich erneut unterstreichen. Der Zeitplan der Arbeiten kann indessen nicht eingeengt werden, ohne daß sich dies auf deren Qualität auswirken würde.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, nachdem wir — auch auf Anfragen meines Kollegen Lenz — ja schon vorher Termine genannt bekommen hatten, möchte ich Sie fragen, ob Sie meine Meinung teilen, daß angesichts von tragischen Fällen „tragisch" im Sinne des Wortes —der bisher für die Vorbereitung des Gesetzentwurfs in Anspruch genommene Zeitraum schon viel zu groß und eigentlich kaum mehr vertretbar erscheint.
Bei der Arbeitsbelastung und der Schwierigkeit der Materie war es dem Bundesministerium der Justiz nicht möglich, den entsprechenden Entwurf zu erstellen. Aber ich darf wiederholt versichern, daß wir mit allen Kräften bemüht sein werden, dieser schwierigen Materie Herr zu werden.
Ich darf nur darauf verweisen, welche Schwierigkeit es allein bedeutet, die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen zu treffen, die erforderlich sind, um ein ausländisches rechtskräftiges Urteil in den vielerlei Fällen, die denkbar sind, in ein Urteil umzuwandeln, das in der Bundesrepublik vollstreckt werden kann. Es geht nicht einfach darum, ein ausländisches Urteil zu übernehmen.
Hier sind mannigfache Gesichtspunkte von vielerlei Ländern im Hinblick auf unsere Rechtslage zu prüfen, zu würdigen und in Gesetzesform zu gießen. Dies ist nur e i n Aspekt des in Rede stehenden Gesetzentwurfs.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Bitte!
Eine letzte Frage: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung eigentlich aus der Tatsache, daß sich in einem
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1975 10271
Frau Berger
Ihnen sehr bekannten und besonders tragischen Einzelfall außer den Mitgliedern des Petitionsausschusses noch 33 Mitglieder dieses Hauses mit Nachdruck für die Entlassung oder Überführung eines jungen Deutschen aus ausländischem Gewahrsam eingesetzt haben?
Wir sind allesamt bemüht, das Unsere zu tun, um hier zu einer Entlassung zu kommen, nachdem die Urteile, die in Rede stehen, in dieser Höhe in der Bundesrepublik nie verkündet worden wären. Ich darf von unserer Warte aus, soweit es mir zusteht, dies hier zu sagen, die von Ihnen angesprochene Initiative der Mitglieder dieses Hauses ausdrücklich begrüßen.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann.
Herr Staatssekretär, wird bei dem in Aussicht gestellten
Gesetz auch berücksichtigt, daß im Rahmen des Europarats Überlegungen im Gange sind, die gegenseitige Vollstreckung von Urteilen durch ein Übereinkommen zu regeln? Meiner Erinnerung nach ist in Verkehrsstrafsachen bereits eine Regelung getroffen worden.
Sie dürfen versichert sein, Herr Kollege Wittmann, daß die Bundesregierung dies im Auge behalten wird und im Auge behalten muß. Dies ist einer der Gründe, die uns zeitmäßig zu schaffen machen.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 20. Februar 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.