Protokoll:
7145

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 145

  • date_rangeDatum: 29. Januar 1975

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:30 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:02 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 145. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. Januar 1975 Inhalt: Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9993 A Fragestunde — Drucksachen 7/3173 vom 27. 1. 75 und 7/3135 vom 24. 1. 75 — Dringliche Frage 1 — Drucksache 7/3173 vom 27. 1. 75 — des Abg. Dr. Häfele (CDU/CSU): Richtigkeit der Steuerschätzungen vom 12./13. November 1974 vor dem Hintergrund der veränderten zugrunde liegenden wirtschaftlichen Eckdaten Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9993 B, D, 9994 A B, C, D, 9995 A, B Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . 9993 C, D Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) 9994 A Frau Huber (SPD) . . . . . . 9994 B Dr. Zeitel (CDU/CSU) . . . . . 9994 B Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 9994 C Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 9994 D Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . 9995 A von Bockelberg (CDU/CSU) . . . 9995 B Dringliche Frage 2 — Drucksache 7/3173 vom 27. 1. 75 — des Abg. Dr. Zeitel (CDU/CSU) : Verwendung einer dreieinhalb Monate alten Steuerschätzung bei den Haushaltsberatungen Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9995 B, D, 9996 A, B, C, D, 9997 A, B Dr. Zeitel (CDU/CSU) . 9995 C, D, 9996 A Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) 9996 B Höcherl (CDU/CSU) 9996 B Frau Huber (SPD) 9996 C Dr. Häfele (CDU/CSU) 9996 D Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 9996 D Dr. Evers (CDU/CSU) 9997 A Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) 9997 B Dringliche Frage 3 — Drucksache 7/3173 vom 27. 1. 75 — des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) : Bereitschaft der Bundesregierung, eine neue Steuerschätzung vornehmen zu lassen Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9997 C, D, 9998 B, D, 9999 A, B Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 9997 C, D Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) . 9998 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . 9998 A, C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Januar 1975 Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . . 9998 A Dr. Zeitel (CDU/CSU) . . . . . . 9998 B Frau Huber (SPD) . . . . . . . 9998 C Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . . . 9998 D Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9999 A von Bockelberg (CDU/CSU) . . . . 9999 B Fragen A 2 und 3 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) : Vorstellungen und konkrete Pläne der Bundesregierung zum Problem der Schließung des sogenannten äußeren Brennstoffkreislaufs; Ermöglichung der Wiederaufbereitung von Brennelementen aus Hochtemperaturreaktoren Dr. Hauff, PStSekr (BMFT) . . . 9999 C, D, 10000 A, B, C, D, 10001 A Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) . . . . 10000 A, D, 10001 A Lenzer (CDU/CSU) 10000 B Frage A 4 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Würtz (SPD) : Vergrößerung der Zahl der Ausbildungsplätze für Lehrlinge im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums Berkhan, PStSekr (BMVg) . . . 10001 B, D Würtz (SPD) 10001 B Seiters (CDU/CSU) 10001 C Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 10001 C Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 10001 D Fragen A 6 und 7 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — der Abg. Frau Huber (SPD) : Härten für Arbeitnehmerehepaare infolge der Umstellung der Steuerklassen IV/IV und III/V; Milderung der entstehenden Härten durch Steuerstundung aus Billigkeitsgründen Offergeld, PStSekr (BMF) 10002 A, B, C, D Frau Huber (SPD) 10002 C Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) . . . 10002 C Frage A 15 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Nordlohne (CDU/ CSU) : Vom Bund der Steuerbeamten geäußerte Befürchtung betreffend Handgreiflichkeiten bei den Finanzämtern Offergeld, PStSekr (BMF) . .10003 A, B, C Nordlohne (CDU/CSU) . . . . 10003 A, B Frau Huber (SPD) 10003 C Frage A 16 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Höherbelastung mitarbeitender Ehefrauen beim Lohnsteuerabzug infolge der „Steuerreform"; Nachteile der Betroffenen durch Verzögerung von Steuerrückzahlungen Offergeld, PStSekr (BMF) . . 10003 C, D, 10004 A, B, C, D Niegel (CDU/CSU) . . . 10003 D, 10004 A Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) . . . 10004 B Nordlohne (CDU/CSU) 10004 C Meinike (Oberhausen) (SPD) . . 10004 D Frage A 17 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Tatsächlicher Umfang der Steuerentlastung durch die „Steuerreform" angesichts der Höherbelastung mitarbeitender Ehefrauen beim Lohnsteuerabzug Offergeld, PStSekr (BMF) . .10005 A, B, C Niegel (CDU/CSU) 10005 A, B Frau Huber (SPD) 10005 B Dr. Häfele (CDU/CSU) 10005 C Frage A 18 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/ CSU) : Mehrbelastung von Steuerpflichtigen durch die im Rahmen der Steuerreform neu geregelte Proportionalbesteuerung Offergeld, PStSekr (BMF) . . . . 10005 D, 10006 A, B Dr. Jobst (CDU/CSU) 10006 A, B Frage A 19 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/ CSU) : Stärkerer Anstieg der Steuerlast in den unteren Einkommensbereichen bei Lohnerhöhungen Offergeld, PStSekr (BMF) . . . 10006 B, D, 10007 A, B, C Dr. Jobst (CDU/CSU) 10007 C, D Huonker (SPD) 10007 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 10007 A Frau Huber (SPD) 10007 A Nordlohne (CDU/CSU) . . . . 10007 B Meinike (Oberhausen) (SPD) . . 10007 B Frage A 22 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Dr. Schweitzer (SPD) : Kritik des Bundesrechnungshofs am Mißverhältnis zwischen umfangreichen Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Januar 1975 III Baumaßnahmen im Hochschulbereich und der Entwicklung der Zahl der Studierenden in den tangierten Fächern Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) . . . . 10007 D, 10008 A, B Dr. Schweitzer (SPD) 10008 B Frage A 23 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Hösl (CDU/CSU) : Umfrage bei der mittelständischen Wirtschaft zur Ermittlung der wirklichen Gründe für die Zurückhaltung bei der Einstellung von Lehrlingen Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) 10008 C, 10009 A Hösl (CDU/CSU) . . . . . . .10008 C, D Frage A 28 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Nordlohne (CDU/ CSU) : Gewährung von Sonderurlaub für den den anarchistischen Gewalttätern nahestehenden Strafgefangenen Dieter Kunzelmann; eventuelle Erörterung dieses Falles in der Ständigen Konferenz der Innenminister Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . 10009 B, C, D Nordlohne (CDU/CSU) . . . .10009 B, C Fragen A 29 und 30 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — der Abg. Frau Dr. Lepsius (SPD) : Veröffentlichung von standesamtlichen Nachrichten über Geburten, Trauungen und Sterbefälle in den Tageszeitungen; eventuelle Beeinträchtigung durch eine Änderung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz; Verhinderung dieser Wirkung Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 10009 D, 10010 A, B, C, 10011 A Frau Dr. Lepsius (SPD) . . . . 10010 B, C Frau Meermann (SPD) 10010 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . 10010 D Nordlohne (CDU/CSU) 10011 A Frage A 31 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Pfeffermann (CDU/ CSU) : Zahl der in der CSSR lebenden Kinder, deren Eltern von der Bundesrepublik Deutschland aus die Familienzusammenführung betreiben; Zahl der nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen positiv erledigten Fälle Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 10011 B, D, 10012 A Pfeffermann (CDU/CSU) . . 10011 B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . . . 10011 D Frage A 32 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Jäger (Wangen) (CDU/CSU) : Schätzung der jährlichen finanziellen Unterstützung der DKP seitens der DDR durch den Präsidenten des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 10012 A, C Jäger (Wangen) (CDU/CSU) 10012 B, C, D Frage A 33 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Jäger (Wangen) (CDU/CSU): Beurteilung der von der Sowjetunion aus den Grundsätzen der Souveränität und der Nichteinmischung hergeleiteten Verpflichtung, grenzüberschreitende Funk- und Fernsehsendungen von Aussagen freizuhalten, welche dem Nachbarstaat mißfallen; Haltung der Bundesregierung gegenüber Versuchen, diesem Verlangen im Programm der Deutschen Welle Rechnung zu tragen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 10012 D, 10013 B Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 10013 A, B Fragen A 34 und 35 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Kern (SPD) : Sicherheitsbedenken gegen die chilenischen Flüchtlinge, deren Aufnahme das Land Baden-Württemberg abgelehnt hat; Möglichkeit der Ubereinkunft mit Baden-Württemberg bezüglich der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für chilenische Flüchtlinge Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 10013 C, 10014 A, C Kern (SPD) . . . . . . . . . 10013 C, D Dr. Czaja (CDU/CSU) 10014 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 10014 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 10015* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Januar 1975 9993 145. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1975 Beginn: 13.30 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 31. 1. Dr. Ahrens ** 31. 1. Dr. Aigner * 30. 1. Alber ** 30. 1. Amrehn ** 30. 1. Dr. Barzel 30. 1. Dr. Beermann 31. 1. Behrend * 31. 1. Blumenfeld 29. 1. Frau von Bothmer ** 30. 1. Büchner (Speyer) ** 29. 1. Burger 31. 1. Dr. Enders ** 30. 1. Fellermaier * 31. 1. Flämig ' 31. 1. Geldner 31. 1. Gerlach (Emsland) * 1. 2. Dr. Geßner ** 30. 1. Haase (Fürth) ** 30. 1. Härzschel * 31.1. Hansen 31. 1. Hauser (Sasbach) 31. 1. Heyen 31. 1. Dr. Holtz ** 30. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) * 1. 2. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Beratung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Junghans 15. 2. Kater 31. 1. Katzer 31. 1. Dr. Kempfler 31. 1. Kroll-Schlüter 31. 1. Lagershausen ** 30. 1. Lautenschlager * 31. 1. Lemmrich ** 29. 1. Lenzer ** 30. 1. Lücker ' 31.1. Mattick ** 30. 1. Mischnik 31. 1. Dr. Müller (München) ** 30. 1. Mursch (Soltau-Harburg) * 30. 1. Niegel 31. 1. Offergeld ** 30. 1. Pieroth 31.1. Rawe 7. 2. Frau Dr. Rehlen 31. 1. Richter ** 30. 1. Rosenthal 31. 1. Roser 31. 1. Schirmer 31. 1. Frau Schroeder (Detmold) 1. 2. Schulte (Unna) 21, 2. Dr. Schwencke ** 30. 1. Dr. Schwörer * 31.1. Seefeld * 31. 1. Seibert 31. 1. Sieglerschmidt ** 31. 1. Strauß 31. 1. Suck 7. 2. Dr. Vohrer ** 30. 1. Dr. Wörner 30. 1. Wohlrabe 30. 1.
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714500000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 24. bis 30. September 1974 in Straßburg
— Drucksache 7/3047 — zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Betr.: Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966
Drucksache 7/3076 —zuständig: Rechtsausschuß (federführend), Innenausschuß, Auswärtiger Ausschuß
Ich frage, ob sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch erhebt. — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf. Fragestunde
— Drucksachen 7/3135, 7/3173 —
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß wir auch in dieser Woche, abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde, zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten, durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung beschlossen werden. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit können wir in die Fragestunde eintreten. Ich rufe zunächst die Dringlichen Fragen für die Fragestunde am Mittwoch, dem 29. Januar 1975, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Haehser zur Verfügung. Frage Nr. 1 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Häfele gestellt worden:
Trifft es zu, daß die Steuerschätzungen vom 12313. November 1974 für das Jahr 1975 überholt sind, weil nach den Bekundungen der Bundesregierung selbst die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Eckdaten nicht mehr stimmen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714500100
Herr Kollege Häfele, die Steuerschätzung für das Jahr 1975 durch den Arbeitskreis „Steuerschätzung" vom 12. und 13. November 1974 ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht überholt. Bekundungen der Bundesregierung, daß die Steuerschätzung 1975 überholt sei, weil die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Eckdaten nicht mehr stimmen würden, sind mir nicht bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714500200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714500300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß sowohl im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages Herr Staatssekretär Schlecht in der letzten Woche wie vor ein paar Tagen Herr Bundeswirtschaftsminister Friderichs in der Öffentlichkeit übereinstimmend erklärt haben, daß die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Daten, wie sie damals am 12./13. November angenommen wurden, heute so nicht mehr stimmen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714500400
Herr Kollege Häfele, die Äußerung sowohl des Herrn Bundeswirtschaftsministers als auch des Staatssekretärs, Herrn Schlecht, sind mir durchaus bekannt; nur stehen sie nicht in einem Zusammenhang mit den Steuerschätzungen. Es muß vielmehr darauf verwiesen werden, daß die der November-Schätzung für 1975 zugrundeliegenden gesamtwirtschaftlichen Annahmen ohne das beschlossene Konjunkturprogramm zweifellos zu korrigieren wären. Dank der vorherzusehenden und erwarteten Folgen dieses Programms können wir indessen davon ausgehen, daß keine ins Gewicht fallenden Abweichungen gegenüber den Schätzungen vom November eintreten werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714500500
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714500600
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß am 12./13. November an wirtschaftlichen Grunddaten zugrunde gelegt wurde etwa ein nominelles Wachstum des Bruttosozialprodukts von 9 % für 1975 und eine Arbeitslosenquote von 2,5 %, und halten Sie diese Daten heute noch für realistisch?




Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714500700
Herr Kollege Häfele, Sie wissen, daß der Jahreswirtschaftsbericht vorliegt. Wenn Sie diesen Jahreswirtschaftsbericht lesen, werden Sie sehen, daß die dort getroffenen Feststellungen mit den Annahmen vom November übereinstimmen. Im übrigen darf ich noch einmal hinzufügen, Herr Kollege Häfele: Das, was an Rückgängen gegenüber der Schätzung eintreten könnte, wird dadurch wettgemacht, daß die erwarteten Folgen des Konjunkturprogramms eintreten. Dies ist die Überzeugung der Bundesregierung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714500800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker (Mönchengladbach).

Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0714500900
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß — nachdem jetzt im Jahreswirtschaftsbericht das Wachstum auf 2 % für das Jahr 1975 angesetzt worden ist im Gegensatz zu den 3 %, die im September 1974 in der Konzertierten Aktion genannt wurden — der Unterschied von 1 % auf die Steuerschätzungen des Jahres 1975 großen Einfluß haben müßte?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714501000
Herr Kollege, die September-Daten spielen im Zusammenhang mit der Steuerschätzung vom November keine Rolle, denn die September-Daten sind in der Steuerschätzung von November berücksichtigt worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714501100
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714501200
Herr Staatssekretär, gibt es überhaupt einen Grund zu der Annahme, daß der Arbeitskreis „Steuerschätzung", wenn er erneut zusammenkäme, eine andere Ausgangsbasis haben würde als jetzt, nachdem die Daten des Jahreswirtschaftsberichts vorliegen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714501300
Frau Kollegin, die Bundesregierung ist im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht der Meinung, daß — ich erwähne das noch einmal — wegen der erwarteten Entwicklungen auf Grund des Konjunkturprogramms bedeutende Veränderungen in bezug auf eine neue Steuerschätzung nicht eintreten werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714501400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Zeitel.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714501500
Herr Staatssekretär, der Herr Staatssekretär Schlecht hat in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses die Zahlen der Arbeitslosigkeit als mit Sicherheit zu gering angesehen. Es gibt auch eine Außerung — in Kenntnis des Konjunkturprogramms — der Bundesanstalt für Arbeit, daß die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt um 200 000 höher liegt. Sind Sie der Auffassung, daß sich die Regierung über derartige Fakten kompetenter Sachstellen hinwegsetzt?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714501600
Wir setzen uns über keine Äußerung kompetenter Leute hinweg. Nur muß ich Ihnen sagen, Herr Kollege, daß für die Schätzung der Lohnsteuer nicht die Arbeitslosenquote maßgebend ist, sondern die Bruttolohn- und -gehaltssumme die entscheidende Größe darstellt. Naturgemäß beeinflußt auch die Arbeitslosenquote die Bruttolohn- und -gehaltssumme. Aber über deren Höhe entscheiden die Tarifabschlüsse, die Entwicklung des Abstands zwischen Tarif- und Effektivverdiensten und die gesamte Beschäftigungsentwicklung. Von der Bruttolohn- und -gehaltssumme werden die aus der Lohnsteuer erwarteten Einnahmen abgeleitet. Insofern ist es richtig, daß wir das, was die Fachleute sagen, kennen. Aber ich sehe nicht den Zusammenhang mit der Steuerschätzung, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714501700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase (Kassel).

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0714501800
Verehrter Herr Staatssekretär, Sie führen hier positive Weiterungen des Konjunkturprogramms der Bundesregierung an. Handelt es sich hierbei in erster Linie um Erwartungen oder Hoffnungen, denen Sie Ausdruck geben, oder haben Sie irgendwelche objektiven Indikatoren, die bereits ausweisen, daß auf Grund des Konjunkturprogramms positive Weiterungen in der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen sind?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714501900
Herr Kollege Haase, ich sehe keinen Zusammenhang mit den gestellten Fragen. Aber da Sie nun schon einmal diese Frage gestellt haben, will ich Ihnen gern sagen, daß die Bundesregierung nicht allein von der Hoffnung lebt, sondern auch Indikatoren dafür hat, daß es wieder aufwärts geht.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte gern, Herr Kollege Haase, eine Übereinstimmung zwischen den Regierungsparteien und der Opposition darüber feststellen dürfen, daß Regierungsparteien und Opposition an einem Aufschwung interessiert sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714502000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) .

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714502100
Herr Staatssekretär, muß ich Ihren Ausführungen zusammenfassend also entnehmen, daß es tatsächlich die Auffassung der Bundesregierung ist, an der Beurteilung der wirtschaftlichen Eckdaten habe sich seit November bis heute nichts geändert?




Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714502200
Herr Kollege Dr. Wagner, Sie müssen meinen Ausführungen entnehmen, daß ich immer wieder einen Bezug zu der von Ihnen vermuteten Notwendigkeit neuer Steuerschätzungen hergestellt habe. Diese Notwendigkeit bejahen wir nicht, weil der Abschwung, wie wir ihn seit der Steuerschätzung erlebt haben, wieder wettgemacht wird durch den von uns erwarteten Aufschwung in Stabilität — durch ein Programm, dem Sie zugestimmt haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714502300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0714502400
Herr Staatssekretär, wäre es nicht das allereinfachste — wenn Sie sich Ihrer Sache so sicher sind — daß Sie die veraltete Steuerschätzung anordnen, um all diesen Einwendungen zu entgehen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714502500
Sie wissen, wie zurückhaltend die Bundesregierung, da sie die Bundesregierung eines demokratischen Staates ist, mit Anordnungen ist, Herr Kollege.

(Heiterkeit)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714502600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Bokkelberg.

Helmut von Bockelberg (CDU):
Rede ID: ID0714502700
Herr Staatssekretär, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, daß weniger arbeitende Leute insgesamt höhere Bruttolöhne bekommen und daß darum das Programm der Bundesregierung richtig ist?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714502800
Herr Kollege, ich bitte, jeweils nur eine Zusatzfrage zu stellen.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714502900
Sie haben mich falsch verstanden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714503000
Meine Damen und Herren, ich rufe die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel auf.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es gerade im Hinblick auf die rasche Verschlechterung der Wirtschaftslage in den letzten Monaten nicht vertretbar ist, eine Steuerschätzung, welche dreieinhalb Monate zurückliegt, den Haushaltsberatungen zugrunde zu legen?
Herr Staatssekretär!

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714503100
Herr Kollege Professor Zeitel, die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Bei der Wahl des Termins für den Arbeitskreis „Steuerschätzung" auf den 12./13. November 1974 war man davon ausgegangen, daß die abschließende Sitzung des Haushaltsauschusses noch vor der Weihnachtspause stattfinden würde. Nun haben die Beratungen einen Monat länger gedauert, und wir standen vor der Überlegung, ob dieses Ergebnis vom November 1974 noch dem heutigen Wissensstand entspricht.
Mir bleibt nichts übrig, als in korrekter Beantwortung Ihrer Frage gewisse Wiederholungen zu bringen, Herr Kollege Professor Dr. Zeitel. Diese Nachprüfung hat folgendes ergeben:
Erstens. Die der Novemberschätzung für 1975 zugrundeliegende Schätzung der Steuereinahmen im Jahr 1974 ist durch das vorläufige Ist-Ergebnis der Steuereinnahmen 1974 voll bestätigt worden. Denn die Abweichung bei den Steuereinnahmen des Bundes beträgt nur 1/2 Promille. Die Entwicklung der Wirtschaftslage in den letzten Monaten hat also in den Monaten November und Dezember 1974 nicht über das erwartete Maß hinaus auf die Steuereinnahmen durchgeschlagen.
Zweitens. Im Dezember 1974 wurde zur Abstützung der Konjunktur das bereits zitierte Programm beschlossen. Die positiven Auswirkungen dieses Programms auf die Steuereinnahmen 1975 konnten bei der Schätzung im November ebensowenig berücksichtigt werden wie die jetzt erkennbar stärkere Abschwächung der Konjunktur. Beide unberücksichtigten Wirkungen werden sich in etwa ausgleichen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714503200
Zusatzfrage!

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714503300
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin auf meine Frage gesagt, Sie geben zu, daß im Durchschnitt mit höheren Arbeitslosenzahlen zu rechnen ist. Dieses ist doch wohl in Kenntnis des Konjunkturprogrammes geschehen, so daß eigentlich die logische Folgerung daraus ist, daß die nominalen Daten auch in der Bruttolohn- und -gehaltssumme nicht mehr gelten. Würden Sie mir darin folgen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714503400
Herr Kollege Professor Zeitel, was die Arbeitslosenzahl angeht, gebe ich Ihnen zu, daß der Jahreswirtschaftsbericht von einer etwas höheren Jahresdurchschnittszahl der Arbeitslosen ausgeht. Aber selbstverständlich geht der Jahreswirtschaftsbericht davon aus — und auch die Bundesregierung —, daß die jetzige Zahl der Arbeitslosen beträchtlich zurückgeführt werden kann. Bitte, beziehen Sie das in Ihre Überlegungen mit ein!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714503500
Sie haben noch eine Zusatzfrage!

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714503600
Herr Staatssekretär, das ist nicht eine Beantwortung meiner Frage. Wenn die Bundesregierung davon ausgeht, darf ich es noch — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714503700
Herr Abgeordneter, ich muß zunächst einmal, damit die Fragestunde richtig abläuft, Ihnen sagen: die Bundesregierung beantwortet die gestellten Zusatzfragen. Sie muß nicht antworten. Ob Sie damit zufrieden sind, ist Ihre Sache. Nur haben Sie im Rah-

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
men der Fragestunde nicht die Möglichkeit, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Sie haben allerdings die Möglichkeit einer zweiten Zusatzfrage. Das sieht die Geschäftsordnung vor. Ich bitte für diesen Hinweis um Verständnis.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714503800
Tch wäre sehr enttäuscht, wenn Sie nicht zufrieden wären.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714503900
Herr Staatssekretär, in der Analyse der Eckdaten für die Steuerschätzungen ist von dem zuständigen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, das die Eckdaten für die Steuerschätzungen liefert, die nominelle Ausgangsbasis, nämlich ein 9 °/oiges Wachstum, nach unten korrigiert worden. Daraus folgt doch wohl, daß die Steuerschätzungen nach unten revidiert werden müssen, oder der Herr Staatssekretär hat eine falsche Auskunft gegeben.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714504000
Ich kann Ihnen nur sagen — was ich mehrfach betont habe, Herr Kollege Professor Zeitel —, daß zwei sich in etwa ausgleichende Wirkungen in der Steuerschätzung nicht bedacht werden konnten. Die Wirkungen selber brauche ich nicht zu wiederholen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714504100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker (Mönchengladbach).

Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0714504200
Stimmt es, Herr Staatssekretär, daß die Verringerung der Zahl der Erwerbstätigen in dem Jahreswirtschaftsbericht 1 1/2 % beträgt, während die Verringerung in den September-Überlegungen in der Konzertierten Aktion nur 1/2 % beträgt, so daß praktisch 260 000 Erwerbstätige weniger gerechnet werden müssen, als man damals angenommen hatte?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714504300
Ich hoffe, Herr Kollege, daß Sie mit der Bundesregierung darin übereinstimmen, daß alles in unserer gemeinsamen Kraft Stehende getan werden muß, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Nachdem ich Ihnen das gesagt habe — und ich nehme an, wir stimmen überein —, muß ich aber hinzufügen, daß ich einen Zusammenhang zwischen den bisher gestellten Fragen und Ihrer Frage nicht sehe. Ich hatte mir vorhin erlaubt darauf hinzuweisen, daß für die Schätzung der Lohnsteuer — und wir reden hier über Steuerschätzungen — nicht die Zahl der Arbeitslosigkeit maßgebend ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714504400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0714504500
Herr Staatssekretär, halten Sie es für ein großes Kunststück, im November 1974 auf das Ist des Jahres 1974 Bezug zu nehmen, um das zu schätzen, anstatt die Schätzung vom Februar zu nehmen und das Ergebnis im November?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714504600
Herr Kollege Höcherl, Sie sind sachkundig genug — das geht ja auch aus Ihrem Brief an den Herrn Ministerpräsidenten Kohl hervor —, um solche Vorgänge beurteilen zu können. Ich möchte Ihnen dazu nur sagen, daß Sie die Gründe sehr wohl kennen, die dafür maßgebend waren, daß im letzten Jahr die Steuereinnahmen nicht die erwartete Höhe erreicht haben. Dies hängt in erster Linie mit dem Außenbeitrag zusammen, was darauf schließen läßt, daß wir eine Wirtschaft haben, die höchste Exporterfolge erzielen konnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714504700
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714504800
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in den Annahmen der Bundesregierung ohnedies eine hohe saisonale Arbeitslosenquote unterstellt ist, und würden Sie es für den entscheidenden Punkt halten, für die Haushaltsberatungen, die ja in dieser Frage angesprochen sind, — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714504900
Frau Kollegin, ich bitte um Verständnis. Wir müssen es bei einer Zusatzfrage belassen, obwohl ich Ihnen dies schon aus Courtoisie gerne genehmigen würde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und das im Jahre der Frau!)


Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714505000
Gnädige Frau, wenn ich Ihnen zugebe, daß das zutrifft, wonach Sie gefragt haben, dann füge ich hinzu, daß die Steuerschätzungen von November dem Haushalt zugrundegelegt worden sind, dessen Beratung im Februar ansteht, und daß die Steuerschätzungen unter Berücksichtigung der von mir gegebenen Auskünfte Schätzungen sind, mit denen wir einen Haushalt solide aufstellen können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714505100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714505200
Herr Staatssekretär, halten Sie die geschätzte Zunahme der Bruttolohn- und -gehaltssumme vom 13. November 1974 für 1975 in Höhe von 8,7 % angesichts der Entwicklung heute noch für realistisch?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714505300
Herr Kollege, der Wirtschaftsbericht kommt auf die gleiche Prozentzahl. Er sagt: bis zu 8,5 %, und auch wir sagen: 8,5 %.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714505400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner (Trier).

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714505500
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon nicht einräumen wollen oder nicht einräumen können, daß mit einer Verringerung der Wachstumsrate gegenüber den Annahmen



Dr. Wagner (Trier)

vom November zu rechnen ist, frage ich: Hat die Bundesregierung denn wenigstens hypothetisch berechnen lassen, welchen Steuerausfall eine Verringerung des nominalen Wachstums des Bruttosozialprodukts um 1 % — also auf 8 % statt 9 %, wie geschätzt — verursachen würde?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714505600
Herr Kollege Wagner, ich weiß nicht, wie hypothetische Rechnungen uns weiterbringen sollen. Sie wissen selbst, wie hoch das Bruttosozialprodukt ist. Da Sie dem Finanzausschuß angehören, werden Sie rechnen können. Das Bruttosozialprodukt ist Ihnen bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714505700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0714505800
Herr Staatssekretär Haehser, interpretiere ich die hier von Ihnen gemachten Ausführungen richtig, wenn ich aus ihnen folgere, daß Sie die Möglichkeit ausschließen, eine neue Steuerschätzung könnte die Bundesregierung dazu zwingen, den vorliegenden Haushaltsplanentwurf wesentlich zu korrigieren?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714505900
Sie interpretieren mich ganz falsch, was ich Ihnen gar nicht zugetraut hätte. Wir sagen: eine neue Steuerschätzung ist nicht notwendig, weil sie keine anderen Daten ergäbe. Dies ist das, was ich gesagt habe.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714506000
Zu einer letzten Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Köhler.

Dr. Herbert W. Köhler (CDU):
Rede ID: ID0714506100
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie in Ihrer Steuerschätzung vom November eine Steigerung von 8,5 % der Bruttolohn- und -gehaltssumme angenommen. Im Jahreswirtschaftsbericht ist Ihrer Auskunft gemäß die Rede von einer Zunahme „bis zu 8,5 %”. Entspricht es einer vorsichtigen Schätzung, die einem Finanzminister sicherlich angemessen ist, aus dem Wirtschaftsbericht, der vorsichtig „bis zu 8,5 %" prognostiziert, schlicht 8,5 % zu machen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714506200
Herr Kollege, für die Steuerschätzung können Sie sich nicht nur die 8,5 % greifen, sondern Sie müssen, wenn wir über das Thema sprechen, ob eventuell neue Steuerschätzungen nötig sind, viele andere Annahmen dazuzählen. Wenn ich die Summe der Annahmen nehme, dann komme ich eben zu dem Ergebnis: Eine neue Steuerschätzung würde uns keine neuen Erkenntnisse und keine neuen Grunddaten liefern.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714506300
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, vor Beginn der 2. und 3. Lesung des Bundeshaushalts 1975 durch den Arbeitskreis „Steuerschätzung" eine neue, zeitgerechte Schätzung vornehmen zu lassen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714506400
Ich bin ein bißchen enttäuscht, daß mein Kollege aus Trier mir die Fragen nicht im Zug stellt.

(Heiterkeit bei der SPD — Dr. Wagner [Trier] [CDU/CSU] : Bei nächster Gelegenheit!)

— Dann müssen Sie aber früh aufstehen, ich fahre nämlich so früh.
Herr Kollege Dr. Wagner, aus den in meinen Antworten auf die Dringlichkeitsfragen der Kollegen Häfele und Zeitel genannten Gründen sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, bis zur zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts 1975 eine neue Steuerschätzung erstellen zu lassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714506500
Eine Zusatzfrage.

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714506600
Herr Staatssekretär, da die Bundesregierung bekanntlich vorausschauend handelt und da ihre Staatssekretäre, wie vorhin bekanntgegeben, auch jeweils so früh aufstehen, stelle ich die Frage, ob Sie bzw. die Bundesregierung es nicht für klug halten würde, vorsorglich eine neue Steuerschätzung vornehmen zu lassen, in der Erwartung nämlich, daß ihre Auffassung bestätigt würde und daß damit Sorgen in der Öffentlichkeit zerstreut würden.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714506700
Zunächst bedanke ich mich, Herr Kollege Wagner, daß Sie zugegeben haben, daß die Bundesregierung vorsorglich handelt.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Die Ironie haben Sie nicht rausgehört!)

Darüber hinaus will ich Ihnen aber sagen: Wir sind in unserem Urteil so sicher, daß wir Ihnen mit aller Überzeugungskraft — ich hoffe, sie ist gelungen — sagen können: eine neue Steuerschätzung würde keine neuen Daten liefern, die uns Veranlassung sein könnten, den Haushaltsplan nicht in der vorgesehenen Zeit zu verabschieden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714506800
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714506900
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie groß in den vergangenen Jahren — etwa seit 1960 — der zeitliche Abstand zwischen der Steuerschätzung, die dem Haushalt zugrunde gelegen hat, und den jeweiligen Haushaltsberatungen gewesen ist?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714507000
Es waren manchmal Tage, es waren manchmal Wochen, Herr Kollege Wagner.

(Zuruf von der CDU/CSU: Monate!)




Parl. Staatssekretär Haehser
— Manchmal auch Monate. — Ich kann das gerne nachtragen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714507100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eilers.

Jan Eilers (CDU):
Rede ID: ID0714507200
Herr Staatssekretär, da Sie diese Ausführungen gemacht haben, darf ich folgenden Einzelfall anführen: Wie hoch schätzt die Bundesregierung die kassenmäßigen Steuermehreinnahmen im Jahre 1975, die dadurch entstehen, daß viele Gruppen von Arbeitnehmern, z. B. Verheiratete, die beide berufstätig sind, im Laufe des Jahres zu hohe Lohnsteuer abführen müssen, und inwieweit sind diese Steuermehreinnahmen in der Steuerschätzung vom November 1974 schon mit berücksichtigt?

(Zurufe von der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714507300
Herr Kollege, ich bin zwar bisher bei der Zulassung von Zusatzfragen bis zur äußersten Grenze gegangen, aber diese Zusatzfrage lasse ich nicht zu.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0714507400
Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn sich diese Ihre Schätzung wieder als falsch herausstellen sollte — zumal Sie sich so hartnäckig weigern, diese Dinge fortzuschreiben — dann auch bereit, hier öffentlich in Sack und Asche zu bekennen, daß Sie sich getäuscht haben?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714507500
Herr Kollege, Aschermittwoch ist erst in 14 Tagen.

(Heiterkeit)


Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714507600
Herr Kollege Höcherl, in Sack und Asche würde ich nicht kommen, weil ich nicht wüßte, wie mich dann meine Fliege kleidet.

(Heiterkeit)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714507700
Eine nächste Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Zeitel.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714507800
Herr Staatssekretär, da Ihnen die Zahlen offensichtlich bekannt sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns sagen würden, was 1 % geringeres nominales Wachstum an Steuermindereinnahmen ausmacht. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich diese Zahl nicht schätzen kann. Aber da Sie gemeint haben, daß wir das aus der hohlen Hand machen müssen, möchte ich Sie fragen: Könnten Sie sie uns nennen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714507900
Herr Kollege Zeitel, ich wäre sehr unglücklich, wenn Sie nicht wüßten, was 1 % des Bruttosozialprodukts in diesem Zusammenhang wäre. Denn dann würde ich Ihre bisherige Mitarbeit im Finanzausschuß ganz anders qualifizieren müssen.

(Heiterkeit bei der SPD und FDP - Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714508000
Meine Damen und Herren, ich kann nur noch einmal sagen: Der amtierende Präsident hat, wie Sie wissen, weder Einfluß auf die Fragen nach auf den Inhalt der Antworten. Er muß lediglich im Rahmen der Geschäftsordnung die Abwicklung der Fragestunde sicherstellen.

(Dr. Zeitel [CDU/CSU] : Der Herr Staatssekretär muß eine Antwort geben! Er muß doch zur Sache etwas sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Er weicht den Sachfragen ganz systematisch aus! Er hat keine Frage beantwortet!)

— Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, der Herr Staatssekretär hat eine Antwort gegeben. Ob die Antwort eine Antwort in Ihrem Sinne war, ist eine andere Frage; darüber können Sie diskutieren.

(Erneute Zurufe von der CSU/CSU)

— Meine Damen und Herren, es hat keinen Zweck, daß wir uns jetzt damit aufhalten.
Eine Zusatzfrage hat die Frau Abgeordnete Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714508100
Herr Staatssekretär, da Herr Dr. Wagner hier in seiner Frage auf die Klugheit der Regierung abgehoben hat, möchte ich Sie fragen, ob Sie glauben, daß die Regierung klug beraten wäre, wenn sie bei den Steuerschätzungen von den Annahmen der CDU anstatt von ihrem eigenen Überblick ausginge.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714508200
Wir wären höchst unklug, gnädige Frau, wenn wir davon ausgingen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714508300
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714508400
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß in sämtlichen Vorjahren, mit Ausnahme des ungewöhnlichen Jahres 1972, wo in diesem Hause wegen Entscheidungsunfähigkeit keine Entscheidungen mehr getroffen werden konnten, der Zeitraum zwischen der Steuerschätzung und der Verabschiedung des Haushalts immer kürzer als drei Monate war, meistens sogar kürzer als zwei Monate?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714508500
Ich kann Ihnen das aus dem Kopf nicht sagen. Aber ich lasse das nachprüfen. Nur eines, Herr Kollege Dr. Häfele, möchte ich noch einmal Ihnen gegenüber wiederholen: Die Steuerschätzungen sind seinerzeit auf diesen Termin in der Annahme festgelegt worden, daß der Bundeshaushalt im Januar verabschiedet werde. Nun gibt es eine Verzögerung, an der weder der Haushaltsausschuß



Parl. Staatssekretär Haehser
noch die Bundesregierung schuld ist. Diese Verzögerung ist nun einmal eingetreten. Die Frage ist, ob wir neu verzögern müßten, wohlwissend, daß eine neue Steuerschätzung uns keine grundlegend anderen Daten liefern könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714508600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Becker (Mönchengladbach)


Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0714508700
Herr Staatssekretär, wäre nicht ein Anlaß für eine neue Steuerschätzung, daß das Deutsche Institut für Wirtschaft feststellt, daß bei einem nominalen Wachstum von nur 8 % und bei einer Preissteigerungsrate von nur 6 % die Steuermindereinnahmen drei Milliarden DM betragen würden — das gilt allerdings für Bund und Länder?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714508800
Meine Damen und meine Herren, damit ich nicht als unhöflicher Mensch in Ihre Erinnerung eingehe, möchte ich zunächst sagen, daß 1 % Bruttosozialprodukt 1,5 Milliarden DM beträgt —wenn ich mir das gerade richtig habe zuflüstern lassen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Für den Bund!) — Für den Bund, natürlich!

Was Ihre Frage angeht, Herr Kollege, so muß ich Ihnen doch entgegenhalten, daß ich den Zusammenhang zwischen der von Ihnen offensichtlich gewünschten neuen Steuerschätzung und Ihrer Berner-kung nicht zu sehen vermag.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714508900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Bockelberg.

Helmut von Bockelberg (CDU):
Rede ID: ID0714509000
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die Bundesregierung sehr verantwortlich handeln würde, wenn sie eine neue Steuerschätzung vornähme, um sie mit der alten zu vergleichen und die Richtigkeit ihrer Aussagen damit zu belegen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714509100
Herr Kollege von Bockelberg, Sie werden doch nicht meinen, daß die Steuerschätzung von November 1974 ein für allemal die letzte Information sei, die der Bundesregierung gegeben wird. Es wird in diesem Jahr auch Steuerschätzungen geben. Meinen Sie nicht, daß es vernünftig wäre, einmal abzuwarten, wie sich die von uns erhoffte Wirkung des Konjunkturaufschwungs zeigt? Wir werden im Juni — oder wann immer — eine neue Steuerschätzung haben. Dann werde ich Ihnen gern wieder Rede und Antwort stehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nach der Landtagswahl!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714509200
Meine Damen und Herren, damit sind die Dringlichkeitsfragen beantwortet.
Wir fahren in der Fragestunde fort. Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hauff zur Verfügung.
Die Frage 1 des Abgeordneten Hösl ist nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Welche Vorstellungen und konkreten Pläne der Bundesregierung bestehen zum Problem der Schließung des sogenannten äußeren Brennstoffkreislaufs, der Frage also, wo und wie abgebrannte Brennelemente wieder aufbereitet und erbrütetes Uran refabriziert werden sollen?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714509300
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Meinung, daß eine funktionierende Entsorgung, also Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente und Rezyklierung des dabei wiedergewonnenen bzw. erbrüteten Spaltmaterials, also Uran und Plutonium, neben der Behandlung und Lagerung der radioaktiven Abfälle wesentliche Voraussetzung für die geplante Ausweitung der industriellen Kernenergienutzung ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714509400
Meine Damen und Herren, ich verstehe, daß es nach den Dringlichkeitsfragen eine gewisse Bewegung gibt, aber der Herr Kollege hat auch das Recht darauf, daß er die Antwort des Herrn Staatssekretärs verstehen kann. — Herr Kollege, deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie die sicher notwendigen Gespräche der Geschäftsführer so führten, daß der Kollege Spies von Büllesheim die Antwort trotzdem verstehen kann.

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714509500
Für die Leichtwasserreaktoren werden die entsprechenden industriellen Entsorgungsanlagen nach der Zielsetzung im Energieprogramm der Bundesregierung bis Mitte der achtziger Jahre in enger Zusammenarbeit von Staat und Industrie und unter Nutzung der in- und ausländischen Forschungsarbeiten und Erfahrungen errichtet werden.
Zur Zeit läuft hier in der Bundesrepublik die Suche nach einem geeigneten Standort, an dem die Entsorgungsanlagen errichtet und betrieben werden können. Ein erfolgreicher Abschluß der Standortsuche ist bis 1976 zu erwarten. Die Wiederaufarbeitung wird nach dem international akzeptierten und erprobten PUREX-Verfahren erfolgen.
Für Hochtemperaturreaktoren wird ein entsprechend modifiziertes Entsorgungssystem, das zur Wiederaufarbeitung den sogenannten THOREX-Prozeß verwenden wird, entsprechend der Marktentwicklung nicht vor 1990 errichtet werden. Bis dahin werden als Ergebnis derzeit laufender Forschungs- und Entwicklungsarbeiten vor allem in den Vereinigten



Parl. Staatssekretär Dr. Hauff
Staaten von Amerika und bei uns auch Verfahren zur Refabrikation von Uran 233, das aus Thorium im Hochtemperaturreaktor erbrütet wird, zur Verfügung stehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714509600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714509700
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Bundesregierung bis noch vor etwa einem Jahr davon ausging, daß durch eine Veränderung der Anlage in Karlsruhe — Anbringung eines sogenannten head-ends — auch die Möglichkeit bestehen würde, in Karlsruhe wenigstens in kleinem Umfange die abgebrannten Brennelemente für den HTR wieder aufzubereiten, daß sich also innerhalb des letzten Jahres eine Änderung ergeben hat?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714509800
Herr Kollege, das ist richtig. Bei Ihrer zweiten Frage, die noch zur Beantwortung ansteht, werden wir darauf noch unmittelbar zurückkommen. Derartige Planungen gab es und es gibt sie noch. Die Frage wird eingehend geprüft.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714509900
Darf ich dann, wenn wir auf diesen Zusammenhang noch bei der Beantwortung der zweiten Frage zurückkommen, fragen, ob sich denn die Vorstellungen der Bundesregierung hinsichtlich der Verwirklichung einer Wiederaufbereitungsanlage für Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren — Vorstellungen z. B. hinsichtlich der Fertigstellung der Anlage 1983 — verwirklichen lassen werden?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714510000
Herr Kollege, es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, daß diese Entwicklung mit erheblichen Risiken verbunden ist. Die Bundesregierung wird aber in ihrem Verantwortungsbereich mit großem Nachdruck darauf dringen, daß die Arbeiten gerade zur Schließung des Brennstoffkreislaufs mit aller Zügigkeit vorangetrieben werden können. Es wird nichts unversucht gelassen, um dieses schwierige Problem zu lösen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714510100
Noch eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Kollege!

Christian Lenzer (CDU):
Rede ID: ID0714510200
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die deutschen Gesellschafter der KEWA in einem Brief an das Ministerium auf die Schwierigkeiten bei der 1500-Jahrestonnen-Anlage hingewiesen haben, und zwar insofern, als beispielsweise die Rückhaltung von Krypton und von Tritium und auch Finanzierungsprobleme angesprochen sind?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714510300
Herr Kollege, ich will Ihnen zustimmen und die Meldung gern bestätigen, allerdings in einer umgekehrten Reihenfolge und damit auch mit einer unterschiedlichen Wertung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714510400
Ich rufe Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen und welche weiteren Schritte beabsichtigt die Bundesregierung, um die Wiederaufbereitung von Brennelementen aus Hochtemperaturreaktoren zu Bedingungen zu ermöglichen, die die Markteinführung des HTR und seine Weiterentwicklung entsprechend der energiepolitischen Zielsetzung der Bundesregierung nicht behindern?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714510500
Die Bundesregierung hat 1973/74 unter Beteiligung von Industrie und Forschungszentren ausführlich verschiedene Alternativen zur Schließung des Hochtemperaturreaktor-Brennstoffkreislaufs in der Markteinführungsphase analysiert. Dabei ergab sich, daß sich der Umbau der Pilotanlage zur Wiederaufarbeitung von Leichtwasserreaktor-Brennelementen in Karlsruhe (WAK) als sinnvollste Variante zur Wiederaufarbeitung von Hochtemperaturreaktor-Brennelementen — insbesondere für die Bedürfnisse der ersten deutschen Hochtemperaturreaktorlinie — anbietet. Zur Zeit wird eine detaillierte Untersuchung über die mit einem solchen Umbau verbundenen Probleme durchgeführt, nach deren Abschluß — voraussichtlich Anfang 1976 — endgültig über diese Lösungsvariante entschieden werden kann. Daneben fördert die Bundesregierung auf breiter Basis Arbeiten vor allem in der Kernforschungsanlage Jülich zur Weiterentwicklung und Erprobung der Wiederaufarbeitungstechnologie im Versuchsanlagenmaßstab.
Darüber hinaus bemüht sich die Bundesregierung verstärkt um eine arbeitsteilige internationale Zusammenarbeit, vor allem mit Frankreich, England und den Vereinigten Staaten von Amerika, bei Forschungsprogrammen sowie beim Bau und Betrieb von Versuchsanlagen im Hochtemperaturreaktor-
Brennstoffkreislauf. Schon jetzt zeichnet sich eine Bereitschaft der an Hochtemperaturreaktoren interessierten Länder ab, in der industriellen Nutzungsphase des Hochtemperaturreaktors durch gemeinsame Nutzung der notwendigen Anlagen zu einer „europäischen Lösung" zu kommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714510600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714510700
Herr Staatssekretär, muß nicht nach neueren Erkenntnissen befürchtet werden, daß die Anlage in Karlsruhe, wenn auch technisch verwendbar, für HTR-Zwecke nicht zur Verfügung steht, weil ihre Kapazität allein mit Leichtwasserbrennelementen ausgelastet sein wird?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714510800
Herr Kollege, nach den Vorstellungen der Bundesregierung wird die Anlage in Karlsruhe ausschließlich als Versuchsanlage betrieben werden. Es kommt darauf an, daß wir Mitte der 80er Jahre in der Bundesrepu-



Parl. Staatssekretär Dr. Hauff
blik - an einem anderen Standort als Karlsruhe - eine erheblich höhere Kapazität an Wiederaufarbeitungsanlagen zur Verfügung haben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714510900
Darf ich dann fragen, Herr Staatssekretär: Was geschieht 1977 geht der erste HTR nach den Planungen in Betrieb und in den Folgejahren wahrscheinlich auch noch weitere — mit den Brennelementen?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714511000
Bezüglich der Brennelemente wird man zunächst einmal versuchen müssen — unabhängig davon, ob sich Karlsruhe nun eignet oder nicht —, Wiederaufarbeitungskapazitäten in anderen Ländern für einen Überbrükkungszeitraum zur Verfügung zu haben. Derartige Gespräche werden zur Zeit bereits geführt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714511100
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Berkhan zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Würtz auf:
Welche Maßnahmen gedenkt der Bundesverteidigungsminister einzuleiten, um die Ausbildungsplätze für Lehrlinge in seinem Bereich zu vergrößern?
Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0714511200
Herr Präsident! Herr Kollege Würtz, die Bundeswehr bildet zur Zeit 1939 Auszubildende aus. Das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtigt, zusätzlich 450 Ausbildungsplätze zu schaffen. Hierbei sind jedoch infrastrukturelle, personelle und materielle Maßnahmen zu berücksichtigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714511300
Eine Zusatzfrage.

Peter Würtz (SPD):
Rede ID: ID0714511400
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie, daß diese 450 zusätzlichen Plätze zur Verfügung stehen?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0714511500
Herr Kollege, das Stellensoll für Auszubildende beträgt 2 238. Die eigentliche Kapazität — also die Ausbildungsplätze —, beträgt jedoch nur 1939 Plätze — das ist die Zahl, die ich Ihnen soeben genannt habe , weil sich einerseits durch Änderung von Ausbildungsberufen ein erhöhter Bedarf an Ausbildungspersonal und -material ergeben hat, der noch nicht gedeckt werden konnte. Andererseits hängt das mit den Haushaltsüberrollungen zusammen, Herr Kollege Würtz. Auf diesem Gebiet sind Sie ja ein ganz besonderer Fachmann; ich brauche Ihnen das nicht zu erläutern. Außerdem sind durch die Verlegung von militärischen Einheiten vorübergehend Ausbildungsplätze verlorengegangen. Die Erhöhung der Ausbildungskapazität um 450 Plätze wird sich zeitlich nach Maßgabe der notwendigen infrastrukturellen, materiellen und personellen Maßnahmen gestalten. Ich kann das noch nicht genau absehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714511600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0714511700
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, in dem von dem Mangel an Ausbildungsplätzen besonders betroffenen emsländischen Gebiet eine Ausweitung der Ausbildungskapazität bei der Erprobungsstelle 91 in Meppen zu prüfen angesichts der Tatsache -

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714511800
Herr Kollege, .. .

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0714511900
Darf ich nur eben kurz zu Ende führen, Herr Präsident?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714512000
... ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß ich diese Zusatzfrage aus dem sehr einfachen Grunde nicht zulassen kann, weil sich diese Frage auf spezielle örtliche Gegebenheiten bezieht und ich sicher bin, daß sonst weitere 50 Kollegen des Hauses natürlich dazu angeregt werden, auch ihrerseits solche Zusatzfragen zu stellen. Ich bitte um Verständnis.

(Seiters [CDU/CSU] : Vielleicht wäre Herr Staatssekretär Berkhan doch bereit zu antworten!)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase. Ich hoffe, daß Sie so fragen, daß nicht Kassel direkt angesprochen wird.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0714512100
Natürlich, Herr Präsident.
Herr Staatssekretär, wissen Sie zufällig, wieviel Bewerber sich um eine Anstellung als Auszubildender im nachgeordneten Bereich Ihres Ressorts beworben haben, und haben Sie in diesem Zusammenhang Interessenten zurückweisen müssen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714512200
Herr Kollege Haase, ich bitte um Verständnis: Bezog sich Ihre Frage auf die Auszubildenden?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0714512300
Jawohl.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714512400
Das war nicht so ganz klar. Dann kann ich die Frage zulassen.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0714512500
Nein.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714512600
Meine Damen und Herren, die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Fuchs ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Offergeld zur Verfügung.
Die Frage 6 ist von der Frau Abgeordneten Huber eingebracht:
Hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, wie der besonderen Härte begegnet werden kann, die bei Arbeitnehmerehepaaren durch die Umstellung der Steuerklassen IV/IV und III/V im Augenblick in den Fällen entsteht, in denen Einkommensteuernachforderungen aus vergangenen Jahren bei verringerten monatlichen Nettoeinkommen zu bewältigen sind?
Ich darf Sie, Herr Staatssekretär, fragen, ob Sie beide eingereichten Fragen der Frau Abgeordneten Huber im Zusammenhang beantworten wollen.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714512700
Ich würde gerne beide Fragen gemeinsam beantworten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714512800
Die Fragestellerin ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 7 der Frau Abgeordneten Huber auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Finanzverwaltungen der Länder nachdrücklich zu empfehlen, die bei diesem Personenkreis entstehenden Härten durch Steuerstundung aus Billigkeitsgründen zu mildern?
Bitte!

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714512900
Auch doppelverdienende Ehegatten, Frau Kollegin, nehmen in vollem Umfang an der Entlastungswirkung der Steuer- und Kindergeldreform teil. Sie werden allerdings häufig auf ihren Lohnabrechnungen wegen der Neugestaltung der Steuerklassen diese Wirkung zunächst nicht erkennen. Die Umgestaltung der Steuerklassen IV/IV und III/V bei Arbeitnehmerehepaaren vermeidet in den meisten Fällen die bisher erforderliche Einkommensteuerveranlagung mit der Folge meist unerwarteter Nachzahlungen. Schon die monatlichen Lohnsteuerabzüge entsprechen in den neuen Steuerklassen annähernd der Jahressteuerschuld und fallen daher oftmals höher aus als nach bisherigem Recht. Arbeitnehmerehepaare werden daher häufig finanzielle Entlastung durch die Steuer- und Kindergeldreform erst beim Jahresausgleich oder bei der Veranlagung für 1975 feststellen. Dafür werden für Arbeitnehmerehepaare die Vorauszahlungen in den meisten Fällen wegfallen.
Ob bei einem Zusammentreffen der Umstellung der Steuerklassen mit einer Nachzahlung für frühere Jahre eine unbillige Härte im Sinne des § 127 der Abgabenordnung eintritt, kann nur nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden. Bei diesen Einzelentscheidungen sind insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des einzelnen Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
Die Finanzämter beurteilen bereits jetzt Anträge auf Steuerstundung nach diesen Grundsätzen. Gleichwohl bin ich bereit, die obersten Finanzbehörden der Länder zu bitten, bei der Anwendung des § 127 der Abgabenordnung nicht kleinlich zu verfahren, falls sich bei doppelverdienenden Ehepaaren in den nächsten Monaten Härten ergeben sollten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714513000
Eine Zusatzfrage.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714513100
Finden Sie nicht auch, daß diese Maßnahme damit gerechtfertigt ist, daß der Überblick dieses Personenkreises über seine gegenwärtige Situation etwas schwierig ist?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714513200
Sicherlich, Frau Kollegin, aber die Finanzverwaltung muß sich natürlich im Rahmen der durch uns, durch den Gesetzgeber gesetzten Grenzen halten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714513300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0714513400
Stimmen Sie mir zu, Herr Staatssekretär, daß die Neuschneidung der Lohnsteuerklassen eine Forderung der Bundesländer war, die dann später, als die Regelung eingeführt wurde, diese Regelung als eine wichtige Vereinfachung begrüßten?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714513500
Herr Kollege, ich kann im Augenblick nicht den unmittelbaren Sachzusammenhang sehen, aber wenn der Herr Staatssekretär diese Frage beantworten kann, überlasse ich es ihm, ob er antworten will.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714513600
Ich kann auf diese Frage schlicht mit Ja antworten und darauf hinweisen, daß der Bundesrat diese Neuschneidung der Steuerklassen in seiner Stellungnahme zum Steuerreformgesetzentwurf begrüßt hat.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714513700
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Penner auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 9 und 10 der Frau Kollegin Funcke werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann (München) hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Schmitz (Baesweiler) auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs und die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die nächste Frage, die Frage 15, ist von dem Herrn Abgeordneten Nordlohne eingereicht:
Wie beurteilt die Bundesregierung die vom Bund der Steuerbeamten geäußerte Befürchtung, daß es wegen der ab 1. Januar 1975 geltenden neuen Steuergesetzgebung bei den Finanzämtern zu Handgreiflichkeiten kommen könnte?
Herr Staatssekretär.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714513800
Herr Kollege, die Bundesregierung hat keinen Anlaß, Handgreiflichkeiten in den Finanzämtern zu befürchten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714513900
Zusatzfrage.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714514000
Herr Staatssekretär, mit welchen Oberfinanzdirektionen und welchen Finanzämtern ist seitens des Bundesministeriums der Finanzen in diesen Tagen Rücksprache genommen worden, um zu prüfen, ob die vom Vorsitzenden des Bundes der Steuerbeamten geäußerten Befürchtungen berechtigt sind?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714514100
Herr Kollege, die Bundesregierung steht laufend mit den Landesfinanzverwaltungen in Verbindung. Wenn derartige Befürchtungen angebracht wären, wären wir sicherlich darauf hingewiesen worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714514200
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714514300
Ich wußte nicht, ob die Antwort bereits zu Ende war. — Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, wann und wie sich die Bundesregierung darum bemühen wird, daß Bedienstete der Finanzämter nicht zu Prügelknaben für eine Steuergesetzänderung werden, die sie in keiner Weise verschuldet haben?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714514400
Erstens muß ich darauf hinweisen, daß wir gemeinsam diese Steuerreform „verschuldet" haben, wenn Sie schon dieses Wort verwenden; wir haben sie ja einstimmig hier verabschiedet. Im übrigen wird sich die Bundesregierung bemühen, bei den Bürgern wie auch bei den Finanzbeamten aufklärend zu wirken und über die Konsequenzen der Steuerreform auch weiter aufzuklären.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714514500
Ich lasse noch eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber zu.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714514600
Herr Staatssekretär, hatten Sie schon gleich mir Gelegenheit, durch ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundes der Steuerbeamten zu klären, daß Herr Fredersdorf diese Äußerung über die Handgreiflichkeiten in einem ganz anderen Zusammenhang und nicht gemünzt auf die gegenwärtige Situation gemacht hat?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714514700
Ich habe diese Gelegenheit nicht gehabt, aber mir ist zu Ohren gekommen, daß Herr Fredersdorf gesagt hat, er sei in der Presse falsch zitiert worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714514800
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, aus der derzeitigen Höherbelastung mitarbeitender Ehefrauen von häufig bis 100 DM und mehr pro Monat beim Lohnsteuerabzug infolge der „Steuerreform" entsprechende korrigierende Konsequenzen zu ziehen, oder hält die Bundesregierung an ihrer bisherigen Auffassung fest, daß diese Ehefrauen zinslos 1 bis 2 Jahre dem Fiskus etwa 1 000 bis 2 000 DM und mehr zu kreditieren haben, bis der Lohnsteuer-Jahresausgleich bzw. die Einkommensteuerveranlagung durchgeführt ist?
Der Herr Abgeordnete Niegel hat zwei Fragen gestellt. Ich weiß nicht, Herr Staatssekretär, ob Sie beide Fragen gegebenenfalls zusammen beantworten wollen.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714514900
Ich möchte sie getrennt beantworden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714515000
Getrennte Beantwortung. Bitte!

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714515100
Herr Kollege Niegel, mein Kollege Haehser hat Ihnen bereits in der letzten Fragestunde auf eine Frage zum gleichen Thema geantwortet, daß auch mitarbeitende Ehefrauen an den Entlastungen durch die Steuer- und Kindergeldreform in vollem Umfang teilhaben. Ich wiederhole auch, daß die Neugestaltung der Steuertarife in den Steuerklassen IV und V, die Sie erwähnen, vom Bundesrat als Vereinfachungsmaßnahme ausdrücklich begrüßt wurde und daß sie nicht dazu führt, daß Arbeitnehmerehegatten generell Uberzahlungen leisten. Die Frage, ob es zu Überzahlungen kommt, hängt weitgehend von der Wahl der Steuerklassenkombination und insbesondere auch davon ab, in welchem Verhältnis das Einkommen beider Ehegatten zueinander steht. Die Behauptung, daß Ehefrauen ein bis zwei Jahre dem Fiskus etwa 1 000 bis 2 000 DM und mehr kreditieren, ist also in dieser allgemeinen Form nicht richtig.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714515200
Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714515300
Herr Staatssekretär, selbst wenn dies so zutreffen sollte, wie Sie es darstellen, wie läßt es sich dann erklären, daß Ehegatten im letzten Jahr keine zusätzlichen Nachzahlungen lei-



Niegel
sten mußten und mitverdienende Ehefrauen jetzt 100 und 200 DM im Monat mehr Lohnsteuer zahlen müssen, was, wenn man es hochrechnet, 2 000 bis 3 000 DM im Jahr ausmacht?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714515400
Dieser Fall, daß letztes Jahr keine Nachzahlungen geleistet wurden und in diesem Jahr im Saldo — Sie müssen ja immer beide Ehegatten gemeinsam sehen — 200 DM zu zahlen sind, ist praktisch nicht vorstellbar. Wenn Ihnen ein derartiger Fall vorliegen sollte, bitte ich Sie, ihn mir einmal vorzutragen, damit wir ihn überprüfen können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714515500
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714515600
Herr Staatssekretär, in der Annahme, daß das, was Sie erklären, von der Bundesregierung und von der Koalition gewollt ist, frage ich Sie: Wie verträgt sich das mit den Feststellungen des Herrn Bundesministers Apel, der gestern im Fernsehen dem Herrn Novotny gesagt hat:
Ich bin aus Amerika zurückgekommen und ich habe gedacht, mich tritt ein Pferd, als ich das Presseecho gesehen habe. Da haben mir unsere Experten hier im Haus kühl erklärt, sie hätten das alles gewußt. Sie können sich vorstellen, wie ich darauf reagiert habe, auf meine Art.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714515700
Ich habe jetzt Ihre Frage nicht gehört, Herr Niegel.

(Heiterkeit)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714515800
Herr Kollege, ich fürchte, Sie werden nicht die Möglichkeit haben, noch einmal das gesamte Zitat zu verlesen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Böhme.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0714515900
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Wahl einer falschen Steuerklasse nachträglich, und zwar bis längstens 30. November 1975, korrigiert werden kann und daß damit eventuelle Härten ausgeglichen werden können?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714516000
Ja, wenn die Steuerklassen nicht zweckmäßig gewählt worden sind, wenn man zu einer niedrigeren Steuerzahlung durch Lohnsteuerabzug kommen will, dann können die Steuerklassen bis zu dem von Ihnen genannten Datum, nämlich Ende November dieses Jahres, unter Vorlage der Steuerkarten bei der Gemeinde geändert werden, und diese Änderung ist dann für die Zukunft wirksam.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714516100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nord! lohne.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714516200
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Problematik des auf uns zukommenden Lohnsteuerjahresausgleichs im Jahre 1976 gegenüber 1975?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714516300
Es läßt sich sicherlich nicht bestreiten, daß die Zahl der Lohnsteuerjahresausgleichsfälle ansteigen wird. Das haben ja auch die Landesfinanzminister, die an den Beratungen intensiv beteiligt waren, gesehen. Aber Sie müssen dagegen halten, daß einmal die Zahl der Ermäßigungsanträge drastisch reduziert wird, und zwar um viele Millionen Fälle, und daß zum anderen auch die Zahl der Arbeitnehmerveranlagungen — die Veranlagung ist sehr viel komplizierter, umständlicher und zeitraubender — drastisch reduziert wird. Sie können nicht nur eine Position hier in den Raum stellen. Insgesamt gesehen führt dies zu einer Verwaltungsvereinfachung. Das ist auch von den Bundesländern in den Beratungen im Bundesrat so gesehen worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714516400
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meinike.

Erich Meinike (SPD):
Rede ID: ID0714516500
Herr Staatssekretär, können Sie darüber Auskunft geben, in welchem Maße der in Rede stehende Personenkreis, der monatlich unter Umständen geringfügig erhöhte Beträge zahlen muß, ab 10. März von Vorauszahlungen entlastet wird, die nach altem Recht noch gezahlt werden mußten, jetzt aber auf Null Mark festgesetzt werden?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714516600
Herr Kollege, wir haben leider keine genaue Übersicht über die Zahl der Fälle. Die müssen uns die Landesfinanzverwaltungen liefern. Wir können nur sagen, daß es eine beträchtliche Zahl von doppelverdienenden Ehegatten sein wird, bei denen die Vorauszahlungen nunmehr auf Null gestellt werden können. In einem Teil der Bundesländer erfolgt diese Nullstellung automatisch, so z. B. im Lande Nordrhein-Westfalen. In anderen Bundesländern ist ein Antrag der Betroffenen erforderlich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714516700
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Kann die Bundesregierung unter diesen Umständen noch von einer Steuerentlastung durch die „Steuerreform" von 14 Milliarden DM (Bundeskanzler Schmidt in der Neujahrserklärung) in diesem Jahr reden, insbesondere wenn auch Versicherungsbeiträge und Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben im Ermäßigungsverfahren im Zuge der „Steuerreform" nicht berücksichtigt werden, die in der Tabelle eingearbeiteten Freibeträge häufig nicht ausreichen und somit erst nach l'/2 bis 2 Jahren im Zuge des Lohnsteuer-Jahresausgleichs bzw. der Einkommensteuerveranlagung die Rückerstattung der auf die Sonderausgaben gezahlten Steueranteile möglich ist?




Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714516800
Herr Kollege, meine Antwort ist ganz kurz: Die von der Bundesregierung genannte Entlastung der Bürger durch die Steuer- und Kindergeldreform von rund 14 Milliarden DM trifft nach wie vor zu. Diese Größenordnung ist auch von den Bundesländern nicht bestritten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714516900
Zusatzfrage!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714517000
Herr Staatssekretär, Sie haben leider den zweiten Teil meiner Frage nicht beantwortet, der die Sonderausgaben betraf, insbesondere die Versicherungsbeiträge, die jetzt bei der Lohnsteuerermäßigung nicht berücksichtigt werden; es können dazu keine Anträge mehr gestellt werden. Wie können bei dieser Nichtberücksichtigung bereits in diesem Jahr 14 Milliarden DM eingespart werden? Das kann doch im Höchstfall erst im nächsten Jahr, nach der Veranlagung, der Fall sein.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714517100
Dies ändert überhaupt nichts daran, Herr Kollege Niegel — unsere Berechnungen gingen immer vom Entstehungsjahr aus —, daß die Entlastungswirkung insgesamt 14 Milliarden DM beträgt, auf das Entstehungsjahr 1975 gerechnet.

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : Und kassenmäßig?)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714517200
Herr Kollege, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714517300
Herr Staatssekretär, wir sprachen vorhin schon von der Entlastung der Finanzämter. Besteht nicht auch die Gefahr, daß nachträglich wegen der Versicherungsbeiträge zusätzliche Anträge auf Lohnsteuerausgleich wegen Sonderausgaben gestellt werden, die man von vornherein durch die Ermäßigungsanträge hätte auffangen können?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714517400
Über diese Frage haben wir im Finanzausschuß dieses Hauses ausführlich debattiert. Ich muß noch einmal darauf hinweisen: Es ist nicht auszuschließen, es ist sogar anzunehmen, daß mehr Lohnsteuerjahresausgleichsanträge im kommenden Jahr eingehen werden. Dies wird aber mehr als aufgewogen — ich sagte es vorhin schon — durch die niedrigere Zahl der Ermäßigungsanträge und durch die niedrigere Zahl der Einkommensteuerveranlagungen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714517500
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714517600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen eine Stellungnahme des Instituts der Deutschen Wirtschaft, das in Köln sitzt und den Arbeitgebern nahesteht, bekannt, in der die Steuerreform als Erleichterung für viele Millionen begrüßt wird, als echte Stärkung der verfügbaren Einkommen? In dieser Stellungnahme heißt es, daß die Sozialbeiträge, die hier angeführt werden, nur zu einem geringen Prozentsatz die steuerlichen Verbesserungen aufzehren.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714517700
Ja, mir ist diese Stellungnahme bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714517800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714517900
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzen Sie kassenmäßig die Entlastungen 1975 ein, wenn man das Kindergeld mit berücksichtigt?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714518000
Herr Kollege Dr. Häfele, ich habe mich bemüht, diese Zahl festzustellen. Da ist im Augenblick keine Übersicht möglich, und zwar ganz einfach deswegen, weil das in dem Fall der beidverdienenden Ehepaare entscheidend von der Wahl der Steuerklassen abhängig ist. Da sich die Bundesregierung bemüht, die Betroffenen über die günstigste Möglichkeit aufzuklären, gehe ich davon aus, daß wir auch kassenmäßig sehr nahe an diese Zahl herankommen, weil die Leute in Folge der Aufklärung dann die günstigere Steuerklasse wählen werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714518100
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Trifft es auch nach den Berechnungen der Bundesregierung zu, daß die im Rahmen der Steuerreform neu geregelte Proportionalbesteuerung bei den meisten Steuerpflichtigen zu einer Mehrbelastung führt, die die Entlastung des Grundfreibetrags nicht voll wirksam werden läßt, wie die vom Institut Finanzen und Steuern veröffentlichte Studie Nummer 150 vom Januar 1975 feststellt?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714518200
Herr Kollege, insgesamt ergeben sich durch die Reform des Einkommensteuertarifs Entlastungen bis zu Einkommen von 40 000 DM bei Ledigen und 80 000 DM bei Verheirateten. Wird der Wegfall der Ergänzungsabgabe mit einbezogen, so reicht die Tarifentlastung noch bis zu höheren Einkommen. Eine isolierte Betrachtung der Auswirkungen durch die Änderungen beim Grundfreibetrag einerseits und bei Proportionalsteuersatz andererseits ist nur von theoretischem Interesse.
Die Steuermindereinnahmen aus einer isolierten Erhöhung des Grundfreibetrags auf 3 000 DM hätten, wie auch bei den Ausschußberatungen eingehend erörtert wurde, allein über 8 Milliarden DM betragen und wären damit finanziell nicht mehr tragbar gewesen. Der Beginn der Tarifbelastung in der unteren Proportionalzone von 22 O/0 trägt dieser Tatsache Rechnung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714518300
Zusatzfrage!




Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714518400
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Studie des Instituts Finanzen und Steuern in Bonn, die zu dem Ergebnis kommt, daß durch die Anhebung des Proportionalsteuersatzes bei mittleren Einkommensgruppen und auch bei unteren Einkommensgruppen eine relative Mehrbelastung eintritt? Ist die Bundesregierung nach den ersten Erfahrungen bereit, Maßnahmen zu ergreifen, die einem überhöhten Lohnsteuerabzug begegnen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714518500
Herr Staatssekretär, ich bitte darum, nur die erste Frage zu beantworten. Wir wollen nicht einführen, daß zwei Zusatzfragen auf einmal gestellt werden.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714518600
Herr Kollege, ich hatte geglaubt, den ersten Teil Ihrer Frage, wie wir das beurteilen, bereits beantwortet zu haben. Ich halte dies für eine rein theoretische Überlegung. Das Entscheidende ist, daß durch den neuen Tarif Entlastungen bis zu einem Einkommen von 40 000 DM bei Ledigen und bis zu 80 000 DM bei Verheirateten eintreten, auch unter Berücksichtigung dieser rein theoretischen Darlegungen des Instituts.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714518700
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714518800
Herr Staatssekretär, ich will jetzt nicht darauf eingehen, ob es theoretische Darlegungen sind. Aber wollen Sie bestreiten, daß bei dieser Regelung doch Nachteile für die mittleren und unteren Einkommensgruppen entstanden sind, und sind Sie nicht der Meinung, daß diese Nachteile hätten verhindert werden können, wenn die ganze Steuergesetzänderung sorgfältiger vorbereitet und beraten worden wäre?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714518900
Dieser Ihrer Meinung kann ich keinesfalls zustimmen, Herr Kollege; ich muß ihr nachdrücklich widersprechen. Ein Blick auf die alten und auf die neuen Steuertabellen wird Sie davon überzeugen, daß gerade im Bereich der unteren und mittleren Einkommen wesentliche tarifliche Entlastungen eingetreten sind.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714519000
Ich rufe die Frage Nr. 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Trifft es weiterhin zu, daß ab 1975 bei Lohnerhöhungen die Steuerlast mindestens bis zu einem Bruttomonatslohn von 1 600 DM — und mit höherer Kinderzahl auch bei höheren Löhnen — stärker als bisher steigt, wie das genannte Institut ebenfalls festgestellt hat?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714519100
Herr Kollege, entscheidend für die Beurteilung der steuerlichen Entlastung ist, daß im Vergleich zum früheren Recht die Steuerpflichtigen bis zu hohen Arbeitseinkommen steuerlich bessergestellt werden. Der stärkere Anstieg des Marginalsteuersatzes ist eine zwangsläufige und mathematisch-logisch bedingte Folge der gewollten stärkeren Entlastung der unteren und mittleren Einkommen.
Bei im Vergleich zum bisherigen Recht unveränderten Marginalsteuersätzen würden die Entlastungen der unteren Einkommen in gleicher Höhe selbst an die Bezieher höchster Einkommen weitergegeben. Das aber ist nicht gewollt gewesen. Die Entlastungen im unteren Bereich sollen mit steigendem Einkommen langsam abgebaut werden und bei höheren Einkommen zu einer maßvollen Mehrbelastung im Tarifbereich führen. Das ist aber nur möglich, indem Einkommenszuwächse stärker belastet werden als bisher.
Es bleibt aber — wie schon eingangs erwähnt — die Besserstellung des allergrößten Teils der Steuerpflichtigen im Vergleich zum bisherigen Steuerrecht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714519200
Zusatzfrage!

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714519300
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Familienlastenausgleich für Familien mit drei und mehr Kindern eine ausreichende Entlastung für diese Familien darstellt, und beabsichtigt die Bundesregierung, diese relative Benachteiligung der Familien mit mehr als zwei Kindern in Kürze zu verbessern?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714519400
Herr Kollege, trotz des für mich nicht einsehbaren Sachzusammenhangs mit dieser Tariffrage möchte ich Ihnen sagen, daß wir den soeben beschlossenen, auch von Ihrer Fraktion nachdrücklich geforderten Familienlastenausgleich für ausreichend halten. Mehr als dies: Er bringt für alle Familien mit Kindern im unteren und mittleren Einkommensbereich — das sind etwa 95 % der Familien in diesem Lande — eine wesentliche finanzielle Besserstellung mit sich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714519500
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714519600
Herr Staatssekretär, steht die Bundesregierung noch zu der großen Verheißung von Bundesfinanzminister Apel, der vor einem halben Jahr gesagt hat, die Steuerreform bringe einen entscheidenden Durchbruch zu mehr sozialer Gerechtigkeit?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714519700
Zu dieser Aussage steht die Bundesregierung nach wie vor. Wir werden uns dort, wo Unklarheiten aufgetreten sind — dort, wo diese Unklarheiten auch bewußt erzeugt worden sind —, bemühen, sie so schnell wie möglich auszuräumen. Wenn uns das in relativ kurzer Zeit gelungen sein wird, bin ich überzeugt, daß jeder im unteren und mittleren Einkommensbereich, der sich seinen Lohnzettel mit Abstand und unter Berücksichtigung aller Faktoren ansieht, feststellen wird, daß er sich auf Grund dieser Steuerreform um einiges besser steht.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714519800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Huonker.

Gunter Huonker (SPD):
Rede ID: ID0714519900
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß es etwas merkwürdig ist, daß der Herr Kollege Jobst dieses Haus mit Fragen langweilt, die er durch ein kurzes Gespräch mit einem Kollegen leicht hätte aufklären können?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714520000
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, daß wir hier keine Wertungen vornehmen können.
Ich bitte um die Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714520100
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß die Gesamtentlastung einer Familie nicht nur von der Kinderzahl, sondern auch von ihrem Einkommen abhängt und daß in der Gestaltung der Steuer gerade auf dieses Einkommen Rücksicht genommen wird?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714520200
Selbstverständlich, Frau Kollegin. Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen: Je niedriger das Einkommen ist, um so größer ist die Besserstellung, und zwar auf Grund der Abschaffung der steuerlichen Kinderfreibeträge und der Einführung des Kindergeldes.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714520300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714520400
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Hause näher zu definieren, wie der Vorwurf zu werten ist, daß bewußt Unklarheiten erzeugt worden seien?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714520500
Der Vorwurf kann man in vielen Richtungen näher erläutern. Man kann z. B. darauf hinweisen, daß von Ihrer Fraktion und auch vom Bundesrat die Auszahlung des Kindergeldes über die Arbeitsämter gefordert wurde. Dieses Verfahren ist jetzt wiederum vor ganz wenigen Tagen von Herrn Katzer heftig kritisiert worden.

(Beifall bei der SPD)

Da werden ganz bewußt Mißverständnisse draußen erzeugt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714520600
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Meinike.

Erich Meinike (SPD):
Rede ID: ID0714520700
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß der soeben erwähnte Durchbruch zu einem Reformwerk noch besser beurteilt worden wäre, wenn es gelungen wäre, den Sonderausgaben-Abzug auch im System umzustellen?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714520800
Sicherlich. Dies war für die sozialliberale Koalition ein ganz wesentlicher Punkt, der ja dann leider bei den Beratungen im Vermittlungsausschuß aufgegeben werden mußte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714520900
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben uns heute in der Fragestunde schon ausgiebig mit Steuern und Finanzen beschäftigt. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Glotz zur Verfügung.
Frau Abgeordnete Pack hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe daher die Frage Nr. 22 des Herrn Abgeordneten Professor Schweitzer auf:
Teilt die Bundesregierung expressis verbis die in der Nummer 242 der ,Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof" (Drucksache 7/2709) enthaltene Kritik des Bundesrechnungshofs an dem immer wieder auftretenden Mißverhältnis zwischen umfangreichen Baumaßnahmen im Hochschulbereich mit dem erklärten Ziel der Schaffung neuer Studienplätze einerseits, und einer nur geringfügigen Zunahme, ja sogar Abnahme der Zahl der Studierenden in den von solchen Baumaßnahmen tangierten Fischern andererseits, und ist sie gegebenenfalls bereit, die vom Bundesrechnungshof kritisierten Universitäten, speziell im Bereich der Humanmedizin, öffentlich bekanntzumachen?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714521000
Herr Kollege Schweitzer, die Bundesregierung betrachtet das Verhältnis von Bauinvestitionen und Studienanfängerzahlen in einigen Fällen mit Sorge. Insbesondere im Bereich der Humanmedizin haben die hohen Investitionen über mehrere Jahre hinweg nicht die erhoffte Wirkung für die Studienplatzkapazität gehabt. Dies war teilweise auf den hohen Nachholbedarf und auf die Notwendigkeit zurückzuführen, völlig veraltete Klinikbauten zu ersetzen. Eine völlig befriedigende Erklärung gibt es weder für ein Stagnieren geschweige denn für einen Rückgang der Studienanfängerzahlen, wie das in einigen Universitäten der Fall war. Nicht zuletzt auf Grund des Drängens der Bundesregierung sind daher gerade die Verhältnisse im Bereich der Humanmedizin genau überprüft worden. Diese Überprüfung hat mit dazu beigetragen, daß die Studienanfängerzahlen in den letzten Semestern nicht unerheblich gestiegen sind, die früheren Höchstzahlen zum Teil überstiegen haben und nunmehr nahe an die Zahlen heranreichen, die in einer vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft in Auftrag gegebenen vorläufigen Bedarfsschätzung enthalten sind.
Im einzelnen hat die Bundesregierung im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages im Oktober 1974 dazu berichtet.
Die Bundesregierung muß, Herr Kollege Schweitzer, darauf aufmerksam machen, daß die Bauinvestitionen allein die Kapazitäten natürlich nicht sicherstellen können. Sie bedürfen der Ergänzung durch entsprechende personelle Maßnahmen. Auf sie hat der Bund keinen Einfluß. Auch im personellen Bereich sind gerade in der Humanmedizin in den ver-



Parl. Staatssekretär Dr. Glotz
gangenen Jahren allerdings erhebliche Verbesserungen durchgesetzt worden.
Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht die betroffenen Hochschulen nicht namentlich genannt. Die Bundesregierung sieht sich daher im Augenblick nicht in der Lage, auf nähere Einzelheiten einzugehen. Sie möchte der Erörterung der Stellungnahme der betroffenen Länder im Planungsausschuß für den Hochschulbau und mit dem Bundesrechnungshof nicht vorgreifen. Sie wird jedoch zu gegebener Zeit diese Problematik der demokratischen Öffentlichkeit unterbreiten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714521100
Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0714521200
Teilen Sie, Herr Staatssekretär, meine Auffassung in diesem Zusammenhang, daß es der Öffentlichkeit eigentlich viel zuwenig bekannt ist, wie gering die verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Bundesregierung sind, um das Gesamtproblem des Numerus clausus wirkungsvoll anzugehen?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714521300
Ich teile diese Auffassung voll und ganz, Herr Kollege Schweitzer. Ich glaube zusätzlich, daß der Öffentlichkeit auch nicht bekannt ist, welche Schwierigkeiten die Verhandlungen oft machen, um Stück für Stück durchzusetzen, daß die Investitionen etwa im Baubereich, an denen der Bund ja nun zu 50 °/o beteiligt ist, so gestaltet werden können, daß Vorwürfe, wie Sie sie in Ihrer Frage tendenziell angedeutet haben, nicht mehr erhoben werden können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714521400
Eine weitere Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0714521500
Würden Sie erwägen, Herr Staatssekretär, daß Ihr Ministerium vielleicht einmal der Öffentlichkeit in einer breiteren Aufklärungskampagne diese Problematik vor Augen führt, insbesondere im Hinblick auf die nur sehr begrenzte Zuständigkeit des Bundes und die primäre Verantwortung der Länder?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714521600
Herr Kollege Schweitzer, Sie werden vielleicht verfolgt haben, daß sowohl Bundesminister Rohde als auch ich in letzter Zeit an verschiedenen Stellen in der Öffentlichkeit auf dieses Problem hingewiesen haben. Die öffentlichen Hinweise dürfen die ständigen Verhandlungen, die mit den Ländern in den zuständigen Gremien notwendig sind, nicht stören. Aber ich könnte mir vorstellen, daß man auch noch deutlicher auf die Problematik insgesamt hinweisen könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714521700
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Hösl auf:
Hat die Bundesregierung bei der mittelständischen Wirtschaft (z. B. Handwerksbetriebe) eine Umfrage in Auftrag gegeben, die die wirklichen Gründe für die Zurückhaltung bei der Einstellung von Lehrlingen aufhellt?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714521800
Die Antwort, Herr Kollege Hösl, auf Ihre Frage lautet: nein. Die Bundesregierung hat jedoch eine repräsentative Erhebung über die Ausbildungssituation in Betrieben vom Institut für angewandte Sozialwissenschaft durchführen lassen. Dabei wurde u. a. auch nach den Gründen von Handwerksbetrieben zu ihrem Einstellungsverhalten gefragt. Diese Studie wird zur Zeit gedruckt und steht in wenigen Tagen zur Verfügung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714521900
Eine Zusatzfrage.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0714522000
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob sich nach der Erhebung die Gründe auf die Richtlinien für die Ausbildenden beziehen oder ob es Kostengründe sind?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714522100
Herr Kollege, es gibt von verschiedenen Betroffenen die Äußerung, daß wegen der Richtlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, die, wie Sie wissen, eine gewisse Mitbestimmung vorsehen, überbetriebliche Ausbildungsstätten nicht gebaut bzw. entsprechende Anträge nicht gestellt werden. Diese Äußerungen, die es draußen im Lande gibt, stehen aber in einem groben Mißverhältnis zu der Fülle von inzwischen 70 Anträgen, mit denen vom Handwerk Zuschüsse aus Bundesmitteln für diesen Zweck angefordert werden. Das heißt also, daß ich ein Hauptproblem in der Bewältigung der laufenden Kosten sehe. Auch diesem Problem hat der Haushaltsausschuß im Oktober Rechnung getragen, indem er die Möglichkeit gegeben hat, innerhalb der nächsten vier Jahre die Investitionsmittel zum Teil auch für laufende Kosten mit zu verwenden. Ich darf Sie im übrigen darauf aufmerksam machen, daß in einer breit angelegten Diskussion im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft vor einer Woche von keiner Seite der Vorwurf erhoben worden ist, daß ein wesentlicher Grund für das Problem in den Richtlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft liegt. Diese sind im übrigen inzwischen einvernehmlich mit dem Handwerk interpretiert worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714522200
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0714522300
Herr Staatssekretär, werden Sie weiter mit der Organisation der Berufsverbände — ich meine jetzt Handwerk und gewerbliche Wirtschaft mit ihren Zusammenschlüssen in den Handwerks- und den Industrie- und Handelskammern —um die Aufhellung der echten Gründe bemüht sein, die draußen zu diesem bitteren Ergebnis geführt haben?




Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714522400
Herr Kollege Hösl, wir sind ständig um die Aufklärung solcher Vorgänge bemüht. In diesem konkreten Fall aber ist die Aufklärung weitgehend beendet. Wie Sie der Presse entnommen haben werden, haben der Bildungsminister und der Wirtschaftsminister gemeinsam erst vor wenigen Tagen ein großes Gespräch mit den beiden Verbänden und Hauptgeschäftsführern der Handwerkskammern und der Industrie- und Handelskammern geführt, in dem die Problematik — neben der schon genannten Umfrage und den ständigen Arbeitskontakten — noch einmal erörtert wurde. Wir wissen jetzt Bescheid, und diesen Bescheid habe ich Ihnen in der Antwort auf Ihre erste Frage klar mitgeteilt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714522500
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Schmude zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Becker (Nienberge) hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen gebeten, ebenfalls der Herr Abgeordnete Weber (Heidelberg) ; dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe auf die Frage Nr. 28 des Herrn Abgeordneten Nordlohne:
Wird die Bundesregierung im Hinblick auf ihre Erklärung und die dazu erfolgte Aussprache über Fragen der inneren Sicherheit in der 130. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. November 1974 die Tatsache, daß der laut Dokumentation des Berliner Senators für Justiz vom 8. November 1974 den anarchistischen Gewalttätern nahestehende Strafgefangene Dieter Kunzelmann, für den noch besondere Sicherungsmaßnahmen verfügt waren, bis zum 2. März 1975 insgesamt an sieben Tagen von 9.00 Uhr bis 21.00 Uhr Sonderurlaub erhält, in der ständigen Konferenz der Innenminister zur Sprache bringen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714522600
Herr Kollege Nordlohne, der Strafgefangene Kunzelmann, der nach den mir vorliegenden Informationen seine Freiheitsstrafe am 7. März 1975 verbüßt haben wird, kandidiert bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 2. März 1975 für die maoistische KPD. Zur Durchführung des Wahlkampfes hat ihm der Senat von Berlin an insgesamt sieben Tagen von 9 bis 21 Uhr Ausgang bewilligt. Der Senat von Berlin hat diese Entscheidung in eigener Zuständigkeit getroffen. Die Bundesregierung hat weder Anlaß noch Kompetenz, den Senat deshalb zur Rede zu stellen. Wie ich erfahren habe, wird der Berliner Innensenator den Vorgang jedoch von sich aus gelegentlich der nächsten Innenministerkonferenz ansprechen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714522700
Zusatzfrage.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714522800
Herr Staatssekretär, auch wenn in diesem Fall die Zuständigkeit nicht unbedingt gegeben ist, frage ich: Hat sich die Bundesregierung nach dem Bekanntwerden dieses Vorganges unter Bezugnahme auf die im Bundestag geführte Debatte über die innere Sicherheit wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage mit dem Senator für Justiz in Verbindung gesetzt?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714522900
Die Bundesregierung hat auch in den vergangenen Tagen keine Veranlassung gesehen — wie ich es eben formulierte —, den Senat zur Rede zu stellen oder in sonstiger Weise mit ihm in Verbindung zu treten. Sie vermag insbesondere nicht zu sehen, daß sich eine solche Haltung aus der von Ihnen angeführten Debatte im Bundestag ergeben müßte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714523000
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714523100
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in der Ständigen Konferenz der Innenminister die Frage zu klären, inwieweit Herr Kunzelmann sich nun tatsächlich in den drei Tagen und in den folgenden vier Tagen um das Finden einer Arbeitsstelle und um das Suchen einer Wohnung bemüht hat oder ob er sich in diesem Fall intensivst am Wahlkampf beteiligt hat? Über die Auswirkungen sind wir alle miteinander informiert.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714523200
Herr Kollege Nordlohne, wie ich eben schon ausgeführt habe, wird der Berliner Innensenator von sich aus diesen Vorgang bei der nächsten Innenministerkonferenz ansprechen. Die Bundesregierung wird bei einem Gespräch, das sich möglicherweise an diesen Bericht anschließt, diejenigen Fragen erörtern, von denen sie meint, daß sie erörtert werden sollten. Ich vermag nicht zu sehen, daß die von Ihnen jetzt hier zur Sprache gebrachten Einzelheiten dabei unbedingt behandelt werden müßten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714523300
Ich rufe die nächste Frage auf, Frage 29 der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius, und frage den Herrn Staatsekretär, ob gegebenenfalls eine Beantwortung der beiden Fragen im Zusammenhang erfolgen kann.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714523400
Ich wollte gerade darum bitten, Herr Präsident.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714523500
Die Fragestellerin ist einverstanden. Ich rufe also die Fragen 29 und 30 auf:
Kann die Bundesregierung ausschließen, daß als Folge einer Änderung von § 104 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz eine Beschränkung der Auskunftspflicht der Standesämter mit der Wirkung erfolgt, daß die Tageszeitungen in ihrem Lokalteil künftig keine standesamtlichen Nachrichten über Geburten, Trauungen und Sterbefälle veröffentlichen könnten?
Was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu unternehmen, um den Informationsfluß im Interesse der Bürger sicherzustellen?
Bitte, Herr Staatssekretär!




Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714523600
Frau Kollegin, nach § 104 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden — einer mit Zustimmung des Bundesrats erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz — kann der Standesbeamte eine Aufstellung über die von ihm beurkundeten Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle auf Antrag Interessenten gegen angemessenes Entgelt zur Verfügung stellen. In die Aufstellung dürfen nur Personenstandsfälle aufgenommen werden, mit deren Veröffentlichung sich die Beteiligten einverstanden erklärt haben. Es handelt sich hier um eine Kann-Regelung. Eine Auskunftspflicht bestand und besteht in dieser Hinsicht nicht. Es haben auch nicht alle Standesämter von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
In Zeitungsartikeln und Einzeleingaben sind jedoch über die zunehmende Tätigkeit unseriöser Firmen, die sich „auf das Geschäft mit den Wechselfällen des Lebens spezialisiert haben", Klagen geführt worden, nach denen diese die ihnen überlassenen Listen der beurkundeten Personenstandsfälle zu unlauteren Zwecken und, so wird vermutet, zum Anschriftentausch verwenden. In der Presse ist in diesem Zusammenhang von „Namenskauf beim Standesamt" und von „Adressenhandel" gesprochen worden.
Bei der Erörterung der Beschwerden mit den Länderinnenministerien haben sich diese mit Mehrheit dafür ausgesprochen, § 104 der Dienstanweisung dahin zu ändern, daß die Standesbeamten Angaben über die von ihnen beurkundeten Personenstandsfälle künftig weder veröffentlichen noch Interessenten zur Verfügung stellen dürfen. Die kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Dienstanweisung, die noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sieht diese von den Ländern gewünschte Änderung des § 104 vor. Die Bundesregierung ist dabei von der Erwägung ausgegangen, daß der Schutzwürdigkeit privater Interessen — hier der an einem Personenstandsfall beteiligten Personen — der Vorrang gegenüber einem möglicherweise bestehenden Interesse an einer Veröffentlichung von Personenstandsfällen gebührt.

Dr. Renate Lepsius (SPD):
Rede ID: ID0714523700
Herr Staatssekretär, ist daraus zu schließen, daß diese Veröffentlichung von Informationen über die „Wechselfälle des Lebens" — wie Sie das humorigerweise genannt haben — an Tageszeitungen, die in ihrem Lokalteil von diesen Informationen mit leben, auf Grund einer Güterabwägung im Konfliktfall ausgeschlossen wird?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714523800
Frau Kollegin, zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß es allenfalls ein Mißverständnis oder unbeabsichtigter Humor sein kann, wenn die Formulierung „Wechselfälle des Lebens" so verstanden wird. Tatsächlich handelt es sich um ein Zitat derjenigen, die durch anstoßerregende Machenschaften auffällig geworden sind.
Im übrigen hat die Abwägung, die die Bundes- regierung auf Wunsch der Mehrheit der Länderinnenminister vorgenommen hat, in der Tat dazu geführt, das Interesse an der Veröffentlichung solcher Angaben zurücktreten zu lassen hinter dem Interesse der Betroffenen, nicht durch unerwünschte Ansprachen und Besuche von außen auf Grund solcher Veröffentlichungen gestört zu werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714523900
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Renate Lepsius (SPD):
Rede ID: ID0714524000
Teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß eine nicht eindeutig vorgenommene Klärung dieser Frage dazu führen könnte, daß eine solche Regelung in Widerspruch steht zu den Bemühungen der Bundesregierung, mit der Verabschiedung des Pressestatistikgesetzes und der Gesetzesvorlage zur Pressefusionskontrolle gerade kleine Tageszeitungen zu schützen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714524100
Frau Kollegin Dr. Lepsius, den Konflikt, den Sie hier ansprechen, vermag ich nicht ohne weiteres zu sehen, sehr wohl aber das Interesse der Lokalzeitungen oder der anderen Zeitungen mit einem Lokalteil, diese bisher weitgehend praktizierten Veröffentlichungen auch in Zukunft fortzuführen. Ich halte es, wenn ich mir die Bewertung erlauben darf, insofern für sehr nützlich, daß Sie diesen Gesichtspunkt hier in der Fragestunde des Deutschen Bundestages noch einmal angesprochen haben.
Wie ich Ihnen eben schon sagte, bedarf die Änderung der Dienstanweisung, die die Bundesregierung dem Bundesrat vorgelegt hat, noch deren Zustimmung. Die Beratung in den Ausschüssen des Bundesrates steht im Februar bevor, die im Plenum im März. Ich werde dafür sorgen, daß in den Beratungen des Bundesrates auf diesen Gesichtspunkt seitens der Bundesregierung noch einmal hingewiesen wird, damit auch dort geprüft werden kann, ob es vielleicht eine vermittelnde Lösung gibt, die dem Informationsinteresse Rechnung trägt, einen Mißbrauch aber nicht zuläßt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714524200
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0714524300
Herr Staatssekretär, da Sie von einer möglichen vermittelnden Lösung sprechen, meine Frage: Ist Ihnen bekannt, daß in den Lokalzeitungen bei den standesamtlichen Mitteilungen bei Geburten häufig lediglich der Name des Neugeborenen und der des Vaters mit Beruf und Straße angegeben wird, keinesfalls aber der Name der Mutter, und würden Sie bei Ihrem Gespräch mit den Landesinnenministern diese bitten, bei den Gemeinden darauf hinzuwirken, sofern sie solche standesamtliche Mitteilungen machen, daß der Name der Mutter bei Geburten nicht völlig unterschlagen wird?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714524400
Frau Kollegin, so wichtig der Hinweis ist, so steht



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
er doch mit der zweiten eingereichten Frage nicht im Zusammenhang. Ich lasse die Frage nicht zu.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714524500
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß bereits in der Vergangenheit viele Standesämter von dieser Möglichkeit der Aushändigung derartiger Mitteilungen keinen Gebrauch mehr gemacht haben, und zwar ausschließlich zum Schutz der Interessen des einzelnen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714524600
Es ist in der Tat richtig, Herr Kollege Nordlohne, daß es schon sehr verbreitet die Übung gegeben hat, solche Listen nicht den Zeitungen zu geben. Häufiger sind nach den uns vorliegenden Erkenntnissen allerdings die Fälle, in denen solche Übersichten veröffentlicht werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714524700
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann auf:
Wie groß ist die Zahl der beim Deutschen Suchdienst Hamburg erfaßten in der CSSR lebenden Kinder, deren Eltern von der Bundesrepublik Deutschland aus die Familienzusammenführung mit diesen Kindern betreiben, und wieviel Fälle dieser Art konnten nadi Aufnahme diplomatischer Beziehungen durch die Bemühungen des Roten Kreuzes mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland geklärt werden?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714524800
Herr Kollege Pfeffermann, beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg sind derzeit 339 deutsche Kinder in der Tschechoslowakei erfaßt, deren Eltern in der Bundesrepublik leben. Bemühungen um die Ausreise dieser Kinder werden seit Jahren durch das Deutsche Rote Kreuz in Verhandlungen mit dem Tschechoslowakischen Roten Kreuz unternommen.
Die auf der Grundlage des Briefwechsels über humanitäre Fragen zum deutschtschechoslowakischen Vertrag aufgenommenen Verhandlungen der Rotkreuzgesellschaften laufen noch. Über Ergebnisse kann zur Zeit noch nicht berichtet werden. Für die Bundesregierung kann ich Ihnen im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt versichern, daß sie sich um die Familienzusammenführung von Kindern in der Tschechoslowakei zu ihren Eltern in der Bundesrepublik weiter bemühen wird. Die tschechoslowakische Seite hat die in dem Briefwechsel zu humanitären Fragen zum deutsch-tschechoslowakischen Vertrag gegebenen Zusagen erst kürzlich ausdrücklich bekräftigt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714524900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0714525000
Herr Staatssekretär, bei wem, bei welcher Stelle der tschechoslowakischen Regierung hat die Bundesregierung in der Zwischenzeit in jedem einzelnen der bekanntgewordenen Fälle interveniert?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714525100
Herr Kollege, ich kann Ihnen zunächst berichten, daß die Verhandlungen der Rotkreuzgesellschaften über diese Frage nach dem Briefwechsel zu humanitären Fragen intensiviert und fortgeführt werden. Über einen Vorstoß der Bundesregierung unmittelbar kann ich Ihnen im Moment nicht berichten. Ich habe diesen Zusammenhang mit Ihrer Fragestellung nicht vorhergesehen und müßte mir vorbehalten, wenn Sie dies wünschen, Ihnen dies nachträglich zu beantworten.

(Pfeffermann [CDU/CSU] : Ich würde darum bitten!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714525200
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte, Herr Kollege!

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0714525300
Herr Staatssekretär, was empfehlen Sie den in Deutschland lebenden Eltern für den Fall, daß diese Eltern nicht aus der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft entlassen werden, womit die Tschechoslowakei eine Zusammenführung mit ihren Kindern ablehnt?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714525400
Herr Kollege, ich muß Sie hinsichtlich dieser Zusatzfrage auf ein Fehlen des Sachzusammenhangs mit der von Ihnen schriftlich eingereichten Frage hinweisen.

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0714525500
Herr Präsident, ich hätte, wenn Sie es ermöglichen könnten, die herzliche Bitte, die Beantwortung dieser Zusatzfrage zuzulassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714525600
Wenn der Herr Staatssekretär Ihre Zusatzfrage beantworten will, so mag das geschehen. Nur, wie gesagt, der Sachzusammenhang mit der Ausgangsfrage ist sehr lose.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714525700
Herr Kollege Pfeffermann, ich bestätige Ihnen gerne, daß dies eine wichtige Frage von praktischer Bedeutung ist. Auch hier ist allerdings der Zusammenhang mit Ihrer Frage nach der Zahl der registrierten Kinder nicht so eng, daß ich darauf vorbereitet bin, Ihnen dies zu sagen. Wenn Sie einverstanden sind, will ich auch dies für eine ausführlichere schriftliche Beantwortung vermerken.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714525800
Ich lasse noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka zu.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0714525900
Herr Staatssekretär, ist es nicht höchst auffallend und bestürzend, daß offenbar noch nicht ein einziges Kind der 339 Kinder zu den Eltern hat kommen können — trotz eines Briefwechsels, der im Zusammenhang mit dem Prager Vertrag über humanitäre Fragen geführt worden ist?

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)





Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714526000
Herr Kollege Hupka, dieser Zustand ist in der Tat ganz außerordentlich zu bedauern. Er gibt allen Beteiligten in der Bundesrepublik Deutschland Veranlassung, die Bemühungen intensiv fortzusetzen. Andererseits ist allerdings zu berücksichtigen, daß das Vertragswerk, einschließlich dieses Briefwechsels, erst vor etwa einem halben Jahr in Kraft getreten ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714526100
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) auf:
Treffen Pressemeldungen zu, nach denen der Präsident des Niedersächsischen Landesamts für Verfassungsschutz die jährliche finanzielle Unterstützung der DKP seitens der DDR auf schätzungsweise hundert Millionen DM beziffert, und ist diese Größenordnung nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zutreffend?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714526200
Herr Kollege Jäger, die in der Frage erwähnten Pressemeldungen treffen zu. Dazu ist jedoch zu bemerken, daß der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im niedersächsischen Ministerium des Innern, Herr Ministerialdirigent Jüllig, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 20. Januar 1975 seine Angaben näher erläutert hat.
Danach stellt die SED der DKP direkt für Ausgaben der Partei einen Betrag in Höhe von zur Zeit rund 30 Millionen DM jährlich zur Verfügung. Diese Zahl, die auch mit Darlegungen des Innenministers von Nordrhein-Westfalen in einer Sitzung des Hauptausschusses des Landtages am 16. Januar 1975 übereinstimmt, kann nach den Erkenntnissen der Bundesregierung als zutreffende Schätzung angesehen werden.
Nach den weiteren Ausführungen von Herrn Ministerialdirigenten Jüllig waren mit dem von ihm genannten höheren Betrag die gesamten Aufwendungen der SED für Organisationen, Publikationen und andere Aktivitäten des orthodoxen Kommunismus in der Bundesrepublik Deutschland gemeint. Der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im niedersächsischen Ministerium des Innern rechnete hierzu beispielweise die Unterstützungen durch die SED für die „Sozialistische Deutsche Arbeiter-Jugend" SDAJ —, den „Marxistischen Studentenbund Spartakus" — MSB —, die Kinderorganisation „Junge Pioniere", für eine Reihe von Hilfsorganisationen, für die kommunistische Zeitung „Unsere Zeit" — UZ — sowie die Aufwendungen für Delegationsreisen und Schulungen von Funktionären.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714526300
Eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714526400
Herr Staatssekretär, hat die DKP diese Zuwendungen in ihrem Rechnungslegungsbericht, zu dem sie nach dem Parteiengesetz verpflichtet ist, aufgeführt, und wenn nicht, hat die Bundesregierung schon Maßnahmen zur Überprüfung dieser Rechnungslegung eingeleitet?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714526500
Herr Staatssekretär, ich bitte, nur die erste Zusatzfrage zu beantworten, weil es nicht möglich ist, daß 1 durch zwei verbundene Zusatzfragen die Zahl der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Zusatzfragen vermehrt wird.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714526600
Wie aus dem vor kurzem im „Bundesanzeiger" veröffentlichten Rechenschaftsbericht der DKP hervorgeht, sind dort solche Zuwendungen nicht aufgeführt, Herr Kollege Jäger.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714526700
Eine zweite Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714526800
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung Zuwendungen in dieser Größenordnung von der führenden Staatspartei der DDR noch mit den Bestimmungen des Grundgesetzes für vereinbar, wenn sie an eine Partei gehen, die nach den Erkenntnissen des Bundesverfassungsschutzes mit ihrem Handeln und mit ihrem Programm gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet ist?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714526900
Herr Kollege Jäger, ich finde Ihre Frage insofern überraschend, als bisher, soweit ich sehe, niemand geprüft hat, ob das Verhalten der SED an den Bestimmungen des Grundgesetzes zu messen ist,
Wieweit hier grundgesetzwidrige Aktivitäten entfaltet werden und welche Konsequenzen wir in der Bundesrepublik daraus zu ziehen haben, ist eine ganz andere Frage, die ja z. B. im Zusammenhang mit dem Stichwort „Parteiverbot oder nicht" laufend geprüft und zuweilen auch erörtert wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714527000
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) auf.

(Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Ich hätte noch eine Zusatzfrage stellen wollen!)

— Entschuldigen Sie, dann hätten Sie sich an das Mikrophon stellen müssen.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsauffassung der Sowjetunion, wonach die Grundsätze der Souveränität und der Nichteinmischung die Staaten verpflichte, grenzüberschreitende Funk- und Fernsehsendungen von Aussagen freizuhalten, welche dem Nachbarstaat mißfallen, und wie steht die Bundesregierung zu Versuchen, diesem sowjetischen Standpunkt im Programm der Deutschen Welle zumindest faktisch Rechnung zu tragen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714527100
Herr Kollege Jäger, die Sowjetunion vertritt im Rahmen der internationalen Diskussion über Nutzungsgrundsätze für direktes Satellitenfernsehen den Standpunkt, daß das Prinzip des freien grenzüberschreitenden Informationsflusses durch den Grundsatz der staatlichen Souveränität eingeschränkt sei. Sie hat diese Auffassung in einem Entwurf über Nutzungsgrundsätze präzisiert, den sie im Weltraumausschuß der Vereinten Nationen eingebracht hat.
Danach soll die Ausstrahlung von Sendungen in andere Staaten ohne deren Zustimmung, vor allem



Parl. Staatssekretär Dr. Schmude
Übertragungen, die auf die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten abzielen oder die Grundlagen der örtlichen Zivilisation, Kultur, Lebensart, Traditionen oder Sprachen untergraben, als illegal gelten. Diesem Grundsatz der staatlichen Souveränität steht das von westlichen Ländern, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, vertretene Prinzip der Informations- und Sendefreiheit gegenüber.
Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, von der Aufrechterhaltung dieses Prinzips abzuweichen. Nach Auffassung der Bundesregierung steht außer Frage, daß die Ausstrahlung von terrestrischen Rundfunksendungen in das Ausland, selbstverständlich unter Beachtung der allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts, zulässig ist.
Der Bundesregierung ist im übrigen von Versuchen, etwa abweichenden Meinungen anderer Staaten in bezug auf das Programm der Deutschen Welle auch nur faktisch Rechnung zu tragen, nichts bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714527200
Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714527300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Pressemeldung in der „Welt" vom 24. Januar bekannt, in der genau diese Frage aufgeworfen wurde? Hätte diese Meldung — falls sie Ihnen bekannt ist — nicht Anlaß geboten, den letzten Teil meiner Frage eingehender zu beantworten?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714527400
Herr Kollege Jäger, die Bundesregierung geht davon aus, daß diejenigen Gesichtspunkte, die in der Antwort auf eine Frage erörtert werden sollen, aus dieser Frage selbst zu ersehen sein müssen. Anregungen dieser Art werden, ohne daß dies ausdrücklich angeführt wird, nicht unbedingt der Presse entnommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714527500
Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714527600
Wird die Bundesregierung ihre eben durch Sie gegebene Antwort angesichts der Tatsache noch einmal überprüfen, daß die Deutsche Welle in einer Berichtigungsmitteilung, die in der heutigen Ausgabe der „Welt" gestanden hat, zwar einige Feststellungen dieser Meldung, nicht aber genau jenen zentralen Punkt korrigiert hat, nach dem ich gefragt habe?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714527700
Herr Kollege, Sie haben auch in dieser Zusatzfrage nicht den Inhalt der Information aus der „Welt" angesprochen, auf die Sie sich konkret beziehen. Die Bundesregierung wird selbstverständlich Ihren Hinweis zum Anlaß nehmen, die Angelegenheit noch einmal zu überprüfen. Ich sehe allerdings nach sorgfältiger Prüfung der auf Ihre Hauptfrage gegebenen Antwort keine Veranlassung zu der Annahme, daß hier eine Änderung erforderlich sein wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714527800
Die nächsten beiden Fragen sind von dem Herrn Abgeordneten Kern eingebracht worden. Herr Abgeordneter, im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Fragestunde würde ich vorschlagen, daß Sie entweder auf Zusatzfragen verzichten — sonst wird Ihre zweite Frage nicht mehr aufgerufen - , oder daß der Herr Staatssekretär vielleicht eine zusammengefaßte Antwort für beide Fragen gibt. Wären Sie damit einverstanden?

Karl-Hans Kern (SPD):
Rede ID: ID0714527900
Ich wäre damit einverstanden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714528000
Dann rufe ich die Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Kern auf:
Sind dem Bundesinnenministerium Sicherheitsbedenken gegen die chilenischen Flüchtlinge bekannt, deren Aufnahme das Land Baden-Württemberg abgelehnt hat?
Sicht die Bundesregierung die Möglichkeit, wie mit anderen Landesregierungen, so auch mit der Landesregierung von Baden-Württemberg eine Übereinkunft zu erreichen, durch die auch das Land Baden-Württemberg Aufenthaltsgenehmigungen für chilenische Flüchtlinge erteilt?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714528100
Herr Kollege Kern, der Bundesregierung sind keine Sicherheitsbedenken bekannt, die die Zurückweisung derjenigen Personen aus Chile erfordern, deren Aufnahme das Land Baden-Württemberg abgelehnt hat. Es liegt allerdings in der Zuständigkeit des für die Aufnahme vorgesehenen Landes, aus den über die Betroffenen vorliegenden Erkenntnissen eigene Schlußfolgerungen zu ziehen. Das Land Baden-Württemberg ist bei dieser Bewertung in dem von Ihnen angesprochenen Fall zu einem anderen Ergebnis gekommen als die Bundesregierung.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Chile hat sich das Land Baden-Württemberg ebenso wie andere Länder — bereit erklärt, eine bestimmte Zahl von Chile-Flüchtlingen aufzunehmen. Nach dieser Erklärung waren vom Land Baden-Württemberg 100 Personen aufzunehmen. Diese Zahl ist inzwischen durch Aufnahmezusagen des Landes aus den letzten Tagen erreicht. Trotz der Zurückweisung einzelner Persönlichkeiten besteht also die grundsätzliche Bereitschaft des Landes Baden-Württemberg, chilenische Flüchtlinge aufzunehmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714528200
Zunächst eine Zusatzfrage des Fragestellers, Herrn Abgeordneten Kern.

Karl-Hans Kern (SPD):
Rede ID: ID0714528300
Herr Staatssekretär, kann es dazu kommen, daß Personen aus der vom Land Baden-Württemberg abgelehnten Gruppe in Chile länger in Haft verbleiben müssen, weil in der Bundesrepublik niemand zu ihrer Aufnahme bereit ist?




Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714528400
Herr Kollege Kern, nach den Erfahrungen der letzten Wochen habe ich allerdings die Sorge, daß es dazu kommen kann. Durch die großzügigere Haltung anderer Länder sind diese Sorgen in einem Teil der Fälle behoben, aber nicht im ganzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714528500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0714528600
Herr Staatssekretär, da Sie behaupten, es lägen keine Sicherheitsbedenken vor, frage ich Sie: Hat eigentlich für die in Frankfurt gelandeten Chilenen ein geordnetes Aufnahme-und Asylverfahren in Zirndorf bei einem unabhängigen Spruchsenat, der sich mit der Sicherheitsüberprüfung befassen soll, stattgefunden, oder sollten diese Bewerber anders als andere Asylbewerber an dem Verfahren vorbeigeschleust werden?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714528700
Herr Kollege, ich sehe nicht den geforderten unmittelbaren Sachzusammenhang. Aber wenn der Herr Staatssekretär aus seiner Kenntnis in der Lage ist, darauf einzugehen, lasse ich eine Beantwortung der Frage zu.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714528800
Herr Kollege Dr. Czaja, in der Tat werden in Ihrer Zusatzfrage mehrere Tatbestände miteinander verbunden, die nicht zusammengehören.

(Zuruf von der SPD: Genau das!)

Sicherheitsüberprüfungen erfolgen in jedem Einzelfall schon vor der Anreise, vor der Aufnahme in die Bundesrepublik. Das Asylverfahren ist ein gesondertes Verfahren, das sich dann anschließen kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714528900
Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz wird schriftlich beantwortet, da der Herr Abgeordnete nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, 30. Januar 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung: 15.02 Uhr)


Anlage
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Adams * 31. 1.
Dr. Ahrens ** 31. 1.
Dr. Aigner * 30. 1.
Alber ** 30. 1.
Amrehn ** 30. 1.
Dr. Barzel 30. 1.
Dr. Beermann 31. 1.
Behrend * 31. 1.
Blumenfeld 29. 1.
Frau von Bothmer ** 30. 1.
Büchner (Speyer) ** 29. 1.
Burger 31. 1.
Dr. Enders ** 30. 1.
Fellermaier * 31. 1.
Flämig * 31. 1.
Geldner 31. 1.
Gerlach (Emsland) * 1. 2.
Dr. Geßner ** 30. 1.
Haase (Fürth) ** 30. 1.
Härzschel * 31. 1.
Hansen 31. 1.
Hauser (Sasbach) 31. 1.
Heyen 31. 1.
Dr. Holtz ** 30. 1.
Dr. Jahn (Braunschweig) * 1. 2.
* Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
** Für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Beratung des Europarats
Anlage zum Stenographischen Bericht
Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich
Junghans 15. 2.
Kater 31. 1.
Katzer 31. 1.
Dr. Kempfler 31. 1.
Kroll-Schlüter 31. 1.
Lagershausen ** 30. 1.
Lautenschlager * 31. 1.
Lemmrich ** 29. 1.
Lenzer ** 30. 1.
Lücker * 31. 1.
Mattick ** 30. 1.
Mischnik 31. 1.
Dr. Müller (München) ** 30. 1.
Mursch (Soltau-Harburg) * 30. 1.
Niegel 31. 1.
Offergeld ** 30. 1.
Pieroth 31.1.
Rawe 7. 2.
Frau Dr. Rehlen 31. 1.
Richter ** 30. 1.
Rosenthal 31. 1.
Roser 31. 1.
Schirmer 31. 1.
Frau Schroeder (Detmold) 1. 2.
Schulte (Unna) 21. 2.
Dr. Schwencke ** 30. 1.
Dr. Schwörer * 31. 1.
Seefeld * 31. 1.
Seibert 31. 1.
Sieglerschmidt ** 31. 1.
Strauß 31. 1.
Suck 7. 2.
Dr. Vohrer ** 30. 1.
Dr. Wörner 30. 1.
Wohlrabe 30. 1.
Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht
145. Sitzung
Bonn, Mittwoch, den 29. Januar 1975
Inhalt:
Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9993 A
Fragestunde — Drucksachen 7/3173 vom 27. 1. 75 und 7/3135 vom 24. 1. 75 —
Dringliche Frage 1 — Drucksache 7/3173 vom 27. 1. 75 — des Abg. Dr. Häfele (CDU/CSU):
Richtigkeit der Steuerschätzungen vom 12./13. November 1974 vor dem Hintergrund der veränderten zugrunde liegenden wirtschaftlichen Eckdaten
Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9993 B, D, 9994 A B, C, D, 9995 A, B
Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . 9993 C, D
Dr. Becker (Mönchengladbach)


(CDU/CSU) 9994 A

Frau Huber (SPD) 9994 B
Dr. Zeitel (CDU/CSU) . . . . . 9994 B
Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 9994 C
Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 9994 D
Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . 9995 A
von Bockelberg (CDU/CSU) . . . 9995 B
Dringliche Frage 2 — Drucksache 7/3173 vom 27. 1. 75 — des Abg. Dr. Zeitel (CDU/CSU) :
Verwendung einer dreieinhalb Monate alten Steuerschätzung bei den Haushaltsberatungen
Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9995 B, D, 9996 A, B, C, D, 9997 A, B
Dr. Zeitel (CDU/CSU) . 9995 C, D, 9996 A
Dr. Becker (Mönchengladbach)


(CDU/CSU) 9996 B

Höcherl (CDU/CSU) 9996 B
Frau Huber (SPD) 9996 C
Dr. Häfele (CDU/CSU) 9996 D
Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 9996 D
Dr. Evers (CDU/CSU) 9997 A
Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) 9997 B
Dringliche Frage 3 — Drucksache 7/3173 vom 27. 1. 75 — des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) :
Bereitschaft der Bundesregierung, eine neue Steuerschätzung vornehmen zu lassen
Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9997 C, D,
9998 B, D, 9999 A, B
Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 9997 C, D Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) . 9998 A
Dr. Schmitt-Vockenhausen,
Vizepräsident . . . . . . . 9998 A, C
II

Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . . 9998 A
Dr. Zeitel (CDU/CSU) 9998 B
Frau Huber (SPD) . . . . . . 9998 C
Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . . 9998 D
Dr. Becker (Mönchengladbach)


(CDU/CSU) 9999 A

von Bockelberg (CDU/CSU) . . . 9999 B
Fragen A 2 und 3 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) :
Vorstellungen und konkrete Pläne der Bundesregierung zum Problem der Schließung des sogenannten äußeren Brennstoffkreislaufs; Ermöglichung der Wiederaufbereitung von Brennelementen aus Hochtemperaturreaktoren
Dr. Hauff, PStSekr (BMFT) . . . 9999 C, D,
10000 A, B, C, D, 10001 A
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim

(CDU/CSU) . . . . 10000 A, D, 10001 A

Lenzer (CDU/CSU) 10000 B
Frage A 4 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Würtz (SPD) :
Vergrößerung der Zahl der Ausbildungsplätze für Lehrlinge im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums
Berkhan, PStSekr (BMVg) . . . 10001 B, D
Würtz (SPD) . . . . . . . . 10001 B
Seiters (CDU/CSU) 10001 C
Dr. Schmitt-Vockenhausen,
Vizepräsident . . . . . . . . 10001 C
Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 10001 D
Fragen A 6 und 7 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — der Abg. Frau Huber (SPD) :
Härten für Arbeitnehmerehepaare infolge der Umstellung der Steuerklassen IV/IV und III/V; Milderung der entstehenden Härten durch Steuerstundung aus Billigkeitsgründen
Offergeld, PStSekr (BMF) 10002 A, B, C, D Frau Huber (SPD) . . . . . . . 10002 C Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) . . . . 10002 C
Frage A 15 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Nordlohne (CDU/ CSU) :
Vom Bund der Steuerbeamten geäußerte Befürchtung betreffend Handgreiflichkeiten bei den Finanzämtern
Offergeld, PStSekr (BMF) . .10003 A, B, C Nordlohne (CDU/CSU) . . . . 10003 A, B Frau Huber (SPD) 10003 C
Frage A 16 — Drucksache 7/3135 vom
24. 1. 75 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) :
Höherbelastung mitarbeitender Ehefrauen beim Lohnsteuerabzug infolge der „Steuerreform"; Nachteile der Betroffenen durch Verzögerung von Steuerrückzahlungen
Offergeld, PStSekr (BMF) . . .10003 C, D,
10004 A, B, C, D
Niegel (CDU/CSU) . . . 10003 D, 10004 A Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) . . . . 10004 B Nordlohne (CDU/CSU) . . . . . 10004 C Meinike (Oberhausen) (SPD) . . . 10004 D
Frage A 17 — Drucksache 7/3135 vom
24. 1. 75 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) :
Tatsächlicher Umfang der Steuerentlastung durch die „Steuerreform" angesichts der Höherbelastung mitarbeitender Ehefrauen beim Lohnsteuerabzug
Offergeld, PStSekr (BMF) . .10005 A, B, C
Niegel (CDU/CSU) 10005 A, B
Frau Huber (SPD) 10005 B
Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . . 10005 C
Frage A 18 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/ CSU) :
Mehrbelastung von Steuerpflichtigen
durch die im Rahmen der Steuerreform
neu geregelte Proportionalbesteuerung
Offergeld, PStSekr (BMF) . . . . 10005 D,
10006 A, B
Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . . .10006 A, B
Frage A 19 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/ CSU) :
Stärkerer Anstieg der Steuerlast in den unteren Einkommensbereichen bei Lohnerhöhungen
Offergeld, PStSekr (BMF) . . . 10006 B, D,
10007 A, B, C
Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . . . 10007 C, D Huonker (SPD) . . . . . . . . 10007 A
Dr. Schmitt-Vockenhausen,
Vizepräsident . . . . . . . . 10007 A
Frau Huber (SPD) . . . . . . . 10007 A
Nordlohne (CDU/CSU) . . . . . 10007 B
Meinike (Oberhausen) (SPD) . . . 10007 B
Frage A 22 — Drucksache 7/3135 vom
24. 1. 75 — des Abg. Dr. Schweitzer (SPD) :
Kritik des Bundesrechnungshofs am
Mißverhältnis zwischen umfangreichen

III

Baumaßnahmen im Hochschulbereich und der Entwicklung der Zahl der Studierenden in den tangierten Fächern
Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) . . . . 10007 D,
10008 A, B
Dr. Schweitzer (SPD) 10008 B
Frage A 23 — Drucksache 7/3135 vom
24. 1. 75 — des Abg. Hösl (CDU/CSU) :
Umfrage bei der mittelständischen Wirtschaft zur Ermittlung der wirklichen Gründe für die Zurückhaltung bei der Einstellung von Lehrlingen
Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) 10008 C, 10009 A Hösl (CDU/CSU) 10008 C, D
Frage A 28 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Nordlohne (CDU/ CSU) :
Gewährung von Sonderurlaub für den den anarchistischen Gewalttätern nahestehenden Strafgefangenen Dieter Kunzelmann; eventuelle Erörterung dieses Falles in der Ständigen Konferenz der Innenminister
Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . 10009 B, C, D
Nordlohne (CDU/CSU) . . . . 10009 B, C
Fragen A 29 und 30 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — der Abg. Frau Dr. Lepsius (SPD) :
Veröffentlichung von standesamtlichen Nachrichten über Geburten, Trauungen und Sterbefälle in den Tageszeitungen; eventuelle Beeinträchtigung durch eine Änderung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz; Verhinderung dieser Wirkung
Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 10009 D,
10010 A, B, C, 10011 A
Frau Dr. Lepsius (SPD) . . . . 10010 B, C Frau Meermann (SPD) . . . . . . 10010 D
Dr. Schmitt-Vockenhausen,
Vizepräsident . . . . . . . . 10010 D
Nordlohne (CDU/CSU) . . . . . 10011 A
Frage A 31 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Pfeffermann (CDU/ CSU) :
Zahl der in der CSSR lebenden Kinder, deren Eltern von der Bundesrepublik Deutschland aus die Familienzusammenführung betreiben; Zahl der nach
Aufnahme diplomatischer Beziehungen positiv erledigten Fälle
Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 10011 B, D,
10012 A
Pfeffermann (CDU/CSU) . . 10011 B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) 10011 D
Frage A 32 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Jäger (Wangen) (CDU/CSU) :
Schätzung der jährlichen finanziellen Unterstützung der DKP seitens der DDR durch den Präsidenten des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz
Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 10012 A, C Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . 10012 B, C, D
Frage A 33 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Jäger (Wangen) (CDU/CSU) :
Beurteilung der von der Sowjetunion aus den Grundsätzen der Souveränität und der Nichteinmischung hergeleiteten Verpflichtung, grenzüberschreitende Funk- und Fernsehsendungen von Aussagen freizuhalten, welche dem Nachbarstaat mißfallen; Haltung der Bundesregierung gegenüber Versuchen, diesem Verlangen im Programm der Deutschen Welle Rechnung zu tragen
Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 10012 D, 10013 B
Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 10013 A, B
Fragen A 34 und 35 — Drucksache 7/3135 vom 24. 1. 75 — des Abg. Kern (SPD) :
Sicherheitsbedenken gegen die chilenischen Flüchtlinge, deren Aufnahme das Land Baden-Württemberg abgelehnt hat; Möglichkeit der Ubereinkunft mit Baden-Württemberg bezüglich der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für chilenische Flüchtlinge
Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 10013 C,
10014 A, C
Kern (SPD) 10013 C, D
Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . 10014 A
Nächste Sitzung . . . . . . . . . 10014 C
Anlage
Liste der entschuldigten Abgeordneten 10015* A



145. Sitzung
Bonn, den 29. Januar 1975
Beginn: 13.30 Uhr

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714529000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 24. bis 30. September 1974 in Straßburg
— Drucksache 7/3047 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Betr.: Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966
— Drucksache 7/3076 —
zuständig: Rechtsausschuß (federführend), Innenausschuß, Auswärtiger Ausschuß
Ich frage, ob sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch erhebt. — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf. Fragestunde
— Drucksachen 7/3135, 7/3173 —
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß wir auch in dieser Woche, abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde, zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten, durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung beschlossen werden. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit können wir in die Fragestunde eintreten. Ich rufe zunächst die Dringlichen Fragen für die Fragestunde am Mittwoch, dem 29. Januar 1975, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Haehser zur Verfügung. Frage Nr. 1 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Häfele gestellt worden:
Trifft es zu, daß die Steuerschätzungen vom 12./13. November 1974 für das Jahr 1975 überholt sind, weil nach den Bekundungen der Bundesregierung selbst die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Eckdaten nicht mehr stimmen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714529100
Herr Kollege Häfele, die Steuerschätzung für das Jahr 1975 durch den Arbeitskreis „Steuerschätzung" vom 12. und 13. November 1974 ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht überholt. Bekundungen der Bundesregierung, daß die Steuerschätzung 1975 überholt sei, weil die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Eckdaten nicht mehr stimmen würden, sind mir nicht bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714529200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714529300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß sowohl im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages Herr Staatssekretär Schlecht in der letzten Woche wie vor ein paar Tagen Herr Bundeswirtschaftsminister Friderichs in der Öffentlichkeit übereinstimmend erklärt haben, daß die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Daten, wie sie damals am 12./13. November angenommen wurden, heute so nicht mehr stimmen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714529400
Herr Kollege Häfele, die Äußerung sowohl des Herrn Bundeswirtschaftsministers als auch des Staatssekretärs, Herrn Schlecht, sind mir durchaus bekannt; nur stehen sie nicht in einem Zusammenhang mit den Steuerschätzungen. Es muß vielmehr darauf verwiesen werden, daß die der November-Schätzung für 1975 zugrundeliegenden gesamtwirtschaftlichen Annahmen ohne das beschlossene Konjunkturprogramm zweifellos zu korrigieren wären. Dank der vorherzusehenden und erwarteten Folgen dieses Programms können wir indessen davon ausgehen, daß keine ins Gewicht fallenden Abweichungen gegenüber den Schätzungen vom November eintreten werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714529500
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714529600
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß am 12./13. November an wirtschaftlichen Grunddaten zugrunde gelegt wurde etwa ein nominelles Wachstum des Bruttosozialprodukts von 9 % für 1975 und eine Arbeitslosenquote von 2,5 %, und halten Sie diese Daten heute noch für realistisch?




Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714529700
Herr Kollege Häfele, Sie wissen, daß der Jahreswirtschaftsbericht vorliegt. Wenn Sie diesen Jahreswirtschaftsbericht lesen, werden Sie sehen, daß die dort getroffenen Feststellungen mit den Annahmen vom November übereinstimmen. Im übrigen darf ich noch einmal hinzufügen, Herr Kollege Häfele: Das, was an Rückgängen gegenüber der Schätzung eintreten könnte, wird dadurch wettgemacht, daß die erwarteten Folgen des Konjunkturprogramms eintreten. Dies ist die Überzeugung der Bundesregierung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714529800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker (Mönchengladbach).

Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0714529900
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß — nachdem jetzt im Jahreswirtschaftsbericht das Wachstum auf 2 % für das Jahr 1975 angesetzt worden ist im Gegensatz zu den 3 %, die im September 1974 in der Konzertierten Aktion genannt wurden — der Unterschied von 1 % auf die Steuerschätzungen des Jahres 1975 großen Einfluß haben müßte?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714530000
Herr Kollege, die September-Daten spielen im Zusammenhang mit der Steuerschätzung vom November keine Rolle, denn die September-Daten sind in der Steuerschätzung von November berücksichtigt worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714530100
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714530200
Herr Staatssekretär, gibt es überhaupt einen Grund zu der Annahme, daß der Arbeitskreis „Steuerschätzung", wenn er erneut zusammenkäme, eine andere Ausgangsbasis haben würde als jetzt, nachdem die Daten des Jahreswirtschaftsberichts vorliegen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714530300
Frau Kollegin, die Bundesregierung ist im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht der Meinung, daß — ich erwähne das noch einmal — wegen der erwarteten Entwicklungen auf Grund des Konjunkturprogramms bedeutende Veränderungen in bezug auf eine neue Steuerschätzung nicht eintreten werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714530400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Zeitel.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714530500
Herr Staatssekretär, der Herr Staatssekretär Schlecht hat in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses die Zahlen der Arbeitslosigkeit als mit Sicherheit zu gering angesehen. Es gibt auch eine Äußerung — in Kenntnis des Konjunkturprogramms — der Bundesanstalt für Arbeit, daß die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt um 200 000 höher liegt. Sind Sie der Auffassung, daß sich die Regierung über derartige Fakten kompetenter Sachstellen hinwegsetzt?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714530600
Wir setzen uns über keine Äußerung kompetenter Leute hinweg. Nur muß ich Ihnen sagen, Herr Kollege, daß für die Schätzung der Lohnsteuer nicht die Arbeitslosenquote maßgebend ist, sondern die Bruttolohn- und -gehaltssumme die entscheidende Größe darstellt. Naturgemäß beeinflußt auch die Arbeitslosenquote die Bruttolohn- und -gehaltssumme. Aber über deren Höhe entscheiden die Tarifabschlüsse, die Entwicklung des Abstands zwischen Tarif- und Effektivverdiensten und die gesamte Beschäftigungsentwicklung. Von der Bruttolohn- und -gehaltssumme werden die aus der Lohnsteuer erwarteten Einnahmen abgeleitet. Insofern ist es richtig, daß wir das, was die Fachleute sagen, kennen. Aber ich sehe nicht den Zusammenhang mit der Steuerschätzung, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714530700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase (Kassel).

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0714530800
Verehrter Herr Staatssekretär, Sie führen hier positive Weiterungen des Konjunkturprogramms der Bundesregierung an. Handelt es sich hierbei in erster Linie um Erwartungen oder Hoffnungen, denen Sie Ausdruck geben, oder haben Sie irgendwelche objektiven Indikatoren, die bereits ausweisen, daß auf Grund des Konjunkturprogramms positive Weiterungen in der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen sind?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714530900
Herr Kollege Haase, ich sehe keinen Zusammenhang mit den gestellten Fragen. Aber da Sie nun schon einmal diese Frage gestellt haben, will ich Ihnen gern sagen, daß die Bundesregierung nicht allein von der Hoffnung lebt, sondern auch Indikatoren dafür hat, daß es wieder aufwärts geht.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte gern, Herr Kollege Haase, eine Übereinstimmung zwischen den Regierungsparteien und der Opposition darüber feststellen dürfen, daß Regierungsparteien und Opposition an einem Aufschwung interessiert sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714531000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner (Trier).

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714531100
Herr Staatssekretär, muß ich Ihren Ausführungen zusammenfassend also entnehmen, daß es tatsächlich die Auffassung der Bundesregierung ist, an der Beurteilung der wirtschaftlichen Eckdaten habe sich seit November bis heute nichts geändert?




Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714531200
Herr Kollege Dr. Wagner, Sie müssen meinen Ausführungen entnehmen, daß ich immer wieder einen Bezug zu der von Ihnen vermuteten Notwendigkeit neuer Steuerschätzungen hergestellt habe. Diese Notwendigkeit bejahen wir nicht, weil der Abschwung, wie wir ihn seit der Steuerschätzung erlebt haben, wieder wettgemacht wird durch den von uns erwarteten Aufschwung in Stabilität — durch ein Programm, dem Sie zugestimmt haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714531300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0714531400
Herr Staatssekretär, wäre es nicht das allereinfachste — wenn Sie sich Ihrer Sache so sicher sind — daß Sie die veraltete Steuerschätzung anordnen, um all diesen Einwendungen zu entgehen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714531500
Sie wissen, wie zurückhaltend die Bundesregierung, da sie die Bundesregierung eines demokratischen Staates ist, mit Anordnungen ist, Herr Kollege.

(Heiterkeit)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714531600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Bokkelberg.

Helmut von Bockelberg (CDU):
Rede ID: ID0714531700
Herr Staatssekretär, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, daß weniger arbeitende Leute insgesamt höhere Bruttolöhne bekommen und daß darum das Programm der Bundesregierung richtig ist?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714531800
Herr Kollege, ich bitte, jeweils nur eine Zusatzfrage zu stellen.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714531900
Sie haben mich falsch verstanden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714532000
Meine Damen und Herren, ich rufe die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel auf.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es gerade im Hinblick auf die rasche Verschlechterung der Wirtschaftslage in den letzten Monaten nicht vertretbar ist, eine Steuerschätzung, welche dreieinhalb Monate zurückliegt, den Haushaltsberatungen zugrunde zu legen?
Herr Staatssekretär!

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714532100
Herr Kollege Professor Zeitel, die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Bei der Wahl des Termins für den Arbeitskreis „Steuerschätzung" auf den 12./13. November 1974 war man davon ausgegangen, daß die abschließende Sitzung des Haushaltsauschusses noch vor der Weihnachtspause stattfinden würde. Nun haben die Beratungen einen Monat länger gedauert, und wir standen vor der Überlegung, ob dieses Ergebnis vom November 1974 noch dem heutigen Wissensstand entspricht.
Mir bleibt nichts übrig, als in korrekter Beantwortung Ihrer Frage gewisse Wiederholungen zu bringen, Herr Kollege Professor Dr. Zeitel. Diese Nachprüfung hat folgendes ergeben:
Erstens. Die der Novemberschätzung für 1975 zugrundeliegende Schätzung der Steuereinahmen im Jahr 1974 ist durch das vorläufige Ist-Ergebnis der Steuereinnahmen 1974 voll bestätigt worden. Denn die Abweichung bei den Steuereinnahmen des Bundes beträgt nur 1/2 Promille. Die Entwicklung der Wirtschaftslage in den letzten Monaten hat also in den Monaten November und Dezember 1974 nicht über das erwartete Maß hinaus auf die Steuereinnahmen durchgeschlagen.
Zweitens. Im Dezember 1974 wurde zur Abstützung der Konjunktur das bereits zitierte Programm beschlossen. Die positiven Auswirkungen dieses Programms auf die Steuereinnahmen 1975 konnten bei der Schätzung im November ebensowenig berücksichtigt werden wie die jetzt erkennbar stärkere Abschwächung der Konjunktur. Beide unberücksichtigten Wirkungen werden sich in etwa ausgleichen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714532200
Zusatzfrage!

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714532300
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin auf meine Frage gesagt, Sie geben zu, daß im Durchschnitt mit höheren Arbeitslosenzahlen zu rechnen ist. Dieses ist doch wohl in Kenntnis des Konjunkturprogrammes geschehen, so daß eigentlich die logische Folgerung daraus ist, daß die nominalen Daten auch in der Bruttolohn- und -gehaltssumme nicht mehr gelten. Würden Sie mir darin folgen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714532400
Herr Kollege Professor Zeitel, was die Arbeitslosenzahl angeht, gebe ich Ihnen zu, daß der Jahreswirtschaftsbericht von einer etwas höheren Jahresdurchschnittszahl der Arbeitslosen ausgeht. Aber selbstverständlich geht der Jahreswirtschaftsbericht davon aus — und auch die Bundesregierung —, daß die jetzige Zahl der Arbeitslosen beträchtlich zurückgeführt werden kann. Bitte, beziehen Sie das in Ihre Überlegungen mit ein!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714532500
Sie haben noch eine Zusatzfrage!

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714532600
Herr Staatssekretär, das ist nicht eine Beantwortung meiner Frage. Wenn die Bundesregierung davon ausgeht, darf ich es noch — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714532700
Herr Abgeordneter, ich muß zunächst einmal, damit die Fragestunde richtig abläuft, Ihnen sagen: die Bundesregierung beantwortet die gestellten Zusatzfragen. Sie muß nicht antworten. Ob Sie damit zufrieden sind, ist Ihre Sache. Nur haben Sie im Rah-

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
men der Fragestunde nicht die Möglichkeit, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Sie haben allerdings die Möglichkeit einer zweiten Zusatzfrage. Das sieht die Geschäftsordnung vor. Ich bitte für diesen Hinweis um Verständnis.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714532800
Ich wäre sehr enttäuscht, wenn Sie nicht zufrieden wären.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714532900
Herr Staatssekretär, in der Analyse der Eckdaten für die Steuerschätzungen ist von dem zuständigen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, das die Eckdaten für die Steuerschätzungen liefert, die nominelle Ausgangsbasis, nämlich ein 9 %iges Wachstum, nach unten korrigiert worden. Daraus folgt doch wohl, daß die Steuerschätzungen nach unten revidiert werden müssen, oder der Herr Staatssekretär hat eine falsche Auskunft gegeben.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714533000
Ich kann Ihnen nur sagen — was ich mehrfach betont habe, Herr Kollege Professor Zeitel —, daß zwei sich in etwa ausgleichende Wirkungen in der Steuerschätzung nicht bedacht werden konnten. Die Wirkungen selber brauche ich nicht zu wiederholen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714533100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker (Mönchengladbach).

Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0714533200
Stimmt es, Herr Staatssekretär, daß die Verringerung der Zahl der Erwerbstätigen in dem Jahreswirtschaftsbericht 1 1/2 % beträgt, während die Verringerung in den September-Überlegungen in der Konzertierten Aktion nur 1/2 % beträgt, so daß praktisch 260 000 Erwerbstätige weniger gerechnet werden müssen, als man damals angenommen hatte?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714533300
Ich hoffe, Herr Kollege, daß Sie mit der Bundesregierung darin übereinstimmen, daß alles in unserer gemeinsamen Kraft Stehende getan werden muß, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Nachdem ich Ihnen das gesagt habe — und ich nehme an, wir stimmen überein —, muß ich aber hinzufügen, daß ich einen Zusammenhang zwischen den bisher gestellten Fragen und Ihrer Frage nicht sehe. Ich hatte mir vorhin erlaubt darauf hinzuweisen, daß für die Schätzung der Lohnsteuer — und wir reden hier über Steuerschätzungen — nicht die Zahl der Arbeitslosigkeit maßgebend ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714533400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0714533500
Herr Staatssekretär, halten Sie es für ein großes Kunststück, im November 1974 auf das Ist des Jahres 1974 Bezug zu nehmen, um das zu schätzen, anstatt die Schätzung vom Februar zu nehmen und das Ergebnis im November?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714533600
Herr Kollege Höcherl, Sie sind sachkundig genug — das geht ja auch aus Ihrem Brief an den Herrn Ministerpräsidenten Kohl hervor —, um solche Vorgänge beurteilen zu können. Ich möchte Ihnen dazu nur sagen, daß Sie die Gründe sehr wohl kennen, die dafür maßgebend waren, daß im letzten Jahr die Steuereinnahmen nicht die erwartete Höhe erreicht haben. Dies hängt in erster Linie mit dem Außenbeitrag zusammen, was darauf schließen läßt, daß wir eine Wirtschaft haben, die höchste Exporterfolge erzielen konnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714533700
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714533800
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in den Annahmen der Bundesregierung ohnedies eine hohe saisonale Arbeitslosenquote unterstellt ist, und würden Sie es für den entscheidenden Punkt halten, für die Haushaltsberatungen, die ja in dieser Frage angesprochen sind, —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714533900
Frau Kollegin, ich bitte um Verständnis. Wir müssen es bei einer Zusatzfrage belassen, obwohl ich Ihnen dies schon aus Courtoisie gerne genehmigen würde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und das im Jahre der Frau!)


Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714534000
Gnädige Frau, wenn ich Ihnen zugebe, daß das zutrifft, wonach Sie gefragt haben, dann füge ich hinzu, daß die Steuerschätzungen von November dem Haushalt zugrundegelegt worden sind, dessen Beratung im Februar ansteht, und daß die Steuerschätzungen unter Berücksichtigung der von mir gegebenen Auskünfte Schätzungen sind, mit denen wir einen Haushalt solide aufstellen können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714534100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714534200
Herr Staatssekretär, halten Sie die geschätzte Zunahme der Bruttolohn- und -gehaltssumme vom 13. November 1974 für 1975 in Höhe von 8,7 % angesichts der Entwicklung heute noch für realistisch?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714534300
Herr Kollege, der Wirtschaftsbericht kommt auf die gleiche Prozentzahl. Er sagt: bis zu 8,5 %, und auch wir sagen: 8,5 %.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714534400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner (Trier).

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714534500
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon nicht einräumen wollen oder nicht einräumen können, daß mit einer Verringerung der Wachstumsrate gegenüber den Annahmen



Dr. Wagner (Trier)

vom November zu rechnen ist, frage ich: Hat die Bundesregierung denn wenigstens hypothetisch berechnen lassen, welchen Steuerausfall eine Verringerung des nominalen Wachstums des Bruttosozialprodukts um 1 % — also auf 8 % statt 9 %, wie geschätzt verursachen würde?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714534600
Herr Kollege Wagner, ich weiß nicht, wie hypothetische Rechnungen uns weiterbringen sollen. Sie wissen selbst, wie hoch das Bruttosozialprodukt ist. Da Sie dem Finanzausschuß angehören, werden Sie rechnen können. Das Bruttosozialprodukt ist Ihnen bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714534700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0714534800
Herr Staatssekretär Haehser, interpretiere ich die hier von Ihnen gemachten Ausführungen richtig, wenn ich aus ihnen folgere, daß Sie die Möglichkeit ausschließen, eine neue Steuerschätzung könnte die Bundesregierung dazu zwingen, den vorliegenden Haushaltsplanentwurf wesentlich zu korrigieren?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714534900
Sie interpretieren mich ganz falsch, was ich Ihnen gar nicht zugetraut hätte. Wir sagen: eine neue Steuerschätzung ist nicht notwendig, weil sie keine anderen Daten ergäbe. Dies ist das, was ich gesagt habe.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714535000
Zu einer letzten Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Köhler.

Dr. Herbert W. Köhler (CDU):
Rede ID: ID0714535100
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie in Ihrer Steuerschätzung vom November eine Steigerung von 8,5 % der Bruttolohn- und -gehaltssumme angenommen. Im Jahreswirtschaftsbericht ist Ihrer Auskunft gemäß die Rede von einer Zunahme „bis zu 8,5 %". Entspricht es einer vorsichtigen Schätzung, die einem Finanzminister sicherlich angemessen ist, aus dem Wirtschaftsbericht, der vorsichtig „bis zu 8,5 %" prognostiziert, schlicht 8,5 % zu machen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714535200
Herr Kollege, für die Steuerschätzung können Sie sich nicht nur die 8,5 % greifen, sondern Sie müssen, wenn wir über das Thema sprechen, ob eventuell neue Steuerschätzungen nötig sind, viele andere Annahmen dazuzählen. Wenn ich die Summe der Annahmen nehme, dann komme ich eben zu dem Ergebnis: Eine neue Steuerschätzung würde uns keine neuen Erkenntnisse und keine neuen Grunddaten liefern.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714535300
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, vor Beginn der 2. und 3. Lesung des Bundeshaushalts 1975 durch den Arbeitskreis „Steuerschätzung„ eine neue, zeitgerechte Schätzung vornehmen zu lassen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714535400
Ich bin ein bißchen enttäuscht, daß mein Kollege aus Trier mir die Fragen nicht im Zug stellt.

(Heiterkeit bei der SPD — Dr. Wagner [Trier] [CDU/CSU] : Bei nächster Gelegenheit!)

— Dann müssen Sie aber früh aufstehen, ich fahre nämlich so früh.
Herr Kollege Dr. Wagner, aus den in meinen Antworten auf die Dringlichkeitsfragen der Kollegen Häfele und Zeitel genannten Gründen sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, bis zur zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts 1975 eine neue Steuerschätzung erstellen zu lassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714535500
Eine Zusatzfrage.

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714535600
Herr Staatssekretär, da die Bundesregierung bekanntlich vorausschauend handelt und da ihre Staatssekretäre, wie vorhin bekanntgegeben, auch jeweils so früh aufstehen, stelle ich die Frage, ob Sie bzw. die Bundesregierung es nicht für klug halten würde, vorsorglich eine neue Steuerschätzung vornehmen zu lassen, in der Erwartung nämlich, daß ihre Auffassung bestätigt würde und daß damit Sorgen in der Öffentlichkeit zerstreut würden.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714535700
Zunächst bedanke ich mich, Herr Kollege Wagner, daß Sie zugegeben haben, daß die Bundesregierung vorsorglich handelt.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Die Ironie haben Sie nicht rausgehört!)

Darüber hinaus will ich Ihnen aber sagen: Wir sind in unserem Urteil so sicher, daß wir Ihnen mit aller Überzeugungskraft — ich hoffe, sie ist gelungen — sagen können: eine neue Steuerschätzung würde keine neuen Daten liefern, die uns Veranlassung sein könnten, den Haushaltsplan nicht in der vorgesehenen Zeit zu verabschieden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714535800
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0714535900
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie groß in den vergangenen Jahren — etwa seit 1960 — der zeitliche Abstand zwischen der Steuerschätzung, die dem Haushalt zugrunde gelegen hat, und den jeweiligen Haushaltsberatungen gewesen ist?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714536000
Es waren manchmal Tage, es waren manchmal Wochen, Herr Kollege Wagner.

(Zuruf von der CDU/CSU: Monate!)




Parl. Staatssekretär Haehser
— Manchmal auch Monate. — Ich kann das gerne nachtragen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714536100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eilers.

Jan Eilers (CDU):
Rede ID: ID0714536200
Herr Staatssekretär, da Sie diese Ausführungen gemacht haben, darf ich folgenden Einzelfall anführen: Wie hoch schätzt die Bundesregierung die kassenmäßigen Steuermehreinnahmen im Jahre 1975, die dadurch entstehen, daß viele Gruppen von Arbeitnehmern, z. B. Verheiratete, die beide berufstätig sind, im Laufe des Jahres zu hohe Lohnsteuer abführen müssen, und inwieweit sind diese Steuermehreinnahmen in der Steuerschätzung vom November 1974 schon mit berücksichtigt?

(Zurufe von der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714536300
Herr Kollege, ich bin zwar bisher bei der Zulassung von Zusatzfragen bis zur äußersten Grenze gegangen, aber diese Zusatzfrage lasse ich nicht zu.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0714536400
Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn sich diese Ihre Schätzung wieder als falsch herausstellen sollte — zumal Sie sich so hartnäckig weigern, diese Dinge fortzuschreiben dann auch bereit, hier öffentlich in Sack und Asche zu bekennen, daß Sie sich getäuscht haben?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714536500
Herr Kollege, Aschermittwoch ist erst in 14 Tagen.

(Heiterkeit)


Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714536600
Herr Kollege Höcherl, in Sack und Asche würde ich nicht kommen, weil ich nicht wüßte, wie mich dann meine Fliege kleidet.

(Heiterkeit)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714536700
Eine nächste Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Zeitel.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0714536800
Herr Staatssekretär, da Ihnen die Zahlen offensichtlich bekannt sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns sagen würden, was 1 °/o geringeres nominales Wachstum an Steuermindereinnahmen ausmacht. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich diese Zahl nicht schätzen kann. Aber da Sie gemeint haben, daß wir das aus der hohlen Hand machen müssen, möchte ich Sie fragen: Könnten Sie sie uns nennen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714536900
Herr Kollege Zeitel, ich wäre sehr unglücklich, wenn Sie nicht wüßten, was 1 °/o des Bruttosozialprodukts in diesem Zusammenhang wäre. Denn dann würde ich Ihre bisherige Mitarbeit im Finanzausschuß ganz anders qualifizieren müssen.

(Heiterkeit bei der SPD und FDP — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714537000
Meine Damen und Herren, ich kann nur noch einmal sagen: Der amtierende Präsident hat, wie Sie wissen, weder Einfluß auf die Fragen nach auf den Inhalt der Antworten. Er muß lediglich im Rahmen der Geschäftsordnung die Abwicklung der Fragestunde sicherstellen.

(Dr. Zeitel [CDU/CSU] : Der Herr Staatssekretär muß eine Antwort geben! Er muß doch zur Sache etwas sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Er weicht den Sachfragen ganz systematisch aus! — Er hat keine Frage beantwortet!)

— Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, der Herr Staatssekretär hat eine Antwort gegeben. Ob die Antwort eine Antwort in Ihrem Sinne war, ist eine andere Frage; darüber können Sie diskutieren.

(Erneute Zurufe von der CSU/CSU)

— Meine Damen und Herren, es hat keinen Zweck, daß wir uns jetzt damit aufhalten.
Eine Zusatzfrage hat die Frau Abgeordnete Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714537100
Herr Staatssekretär, da Herr Dr. Wagner hier in seiner Frage auf die Klugheit der Regierung abgehoben hat, möchte ich Sie fragen, ob Sie glauben, daß die Regierung klug beraten wäre, wenn sie bei den Steuerschätzungen von den Annahmen der CDU anstatt von ihrem eigenen Überblick ausginge.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714537200
Wir wären höchst unklug, gnädige Frau, wenn wir davon ausgingen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714537300
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714537400
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß in sämtlichen Vorjahren, mit Ausnahme des ungewöhnlichen Jahres 1972, wo in diesem Hause wegen Entscheidungsunfähigkeit keine Entscheidungen mehr getroffen werden konnten, der Zeitraum zwischen der Steuerschätzung und der Verabschiedung des Haushalts immer kürzer als drei Monate war, meistens sogar kürzer als zwei Monate?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714537500
Ich kann Ihnen das aus dem Kopf nicht sagen. Aber ich lasse das nachprüfen. Nur eines, Herr Kollege Dr. Häfele, möchte ich noch einmal Ihnen gegenüber wiederholen: Die Steuerschätzungen sind seinerzeit auf diesen Termin in der Annahme festgelegt worden, daß der Bundeshaushalt im Januar verabschiedet werde. Nun gibt es eine Verzögerung, an der weder der Haushaltsausschuß



Parl. Staatssekretär Haehser
noch die Bundesregierung schuld ist. Diese Verzögerung ist nun einmal eingetreten. Die Frage ist, ob wir neu verzögern müßten, wohlwissend, daß eine neue Steuerschätzung uns keine grundlegend anderen Daten liefern könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714537600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Becker (Mönchengladbach)


Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0714537700
Herr Staatssekretär, wäre nicht ein Anlaß für eine neue Steuerschätzung, daß das Deutsche Institut für Wirtschaft feststellt, daß bei einem nominalen Wachstum von nur 8 % und bei einer Preissteigerungsrate von nur 6 % die Steuermindereinnahmen drei Milliarden DM betragen würden — das gilt allerdings für Bund und Länder?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714537800
Meine Damen und meine Herren, damit ich nicht als unhöflicher Mensch in Ihre Erinnerung eingehe, möchte ich zunächst sagen, daß 1 % Bruttosozialprodukt 1,5 Milliarden DM beträgt — wenn ich mir das gerade richtig habe zuflüstern lassen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Für den Bund!)

- Für den Bund, natürlich!
Was Ihre Frage angeht, Herr Kollege, so muß ich Ihnen doch entgegenhalten, daß ich den Zusammenhang zwischen der von Ihnen offensichtlich gewünschten neuen Steuerschätzung und Ihrer Bemerkung nicht zu sehen vermag.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714537900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Bockelberg.

Helmut von Bockelberg (CDU):
Rede ID: ID0714538000
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die Bundesregierung sehr verantwortlich handeln würde, wenn sie eine neue Steuerschätzung vornähme, um sie mit der alten zu vergleichen und die Richtigkeit ihrer Aussagen damit zu belegen?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0714538100
Herr Kollege von Bockelberg, Sie werden doch nicht meinen, daß die Steuerschätzung von November 1974 ein für allemal die letzte Information sei, die der Bundesregierung gegeben wird. Es wird in diesem Jahr auch Steuerschätzungen geben. Meinen Sie nicht, daß es vernünftig wäre, einmal abzuwarten, wie sich die von uns erhoffte Wirkung des Konjunkturaufschwungs zeigt? Wir werden im Juni oder wann immer - eine neue Steuerschätzung haben. Dann werde ich Ihnen gern wieder Rede und Antwort stehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nach der Landtagswahl!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714538200
Meine Damen und Herren, damit sind die Dringlichkeitsfragen beantwortet.
Wir fahren in der Fragestunde fort. Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hauff zur Verfügung.
Die Frage 1 des Abgeordneten Hösl ist nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Welche Vorstellungen und konkreten Pläne der Bundesregierung bestehen zum Problem der Schließung des sogenannten äußeren Brennstoffkreislaufs, der Frage also, wo und wie abgebrannte Brennelemente wieder aufbereitet und erbrütetes Uran refabriziert werden sollen?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714538300
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Meinung, daß eine funktionierende Entsorgung, also Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente und Rezyklierung des dabei wiedergewonnenen bzw. erbrüteten Spaltmaterials, also Uran und Plutonium, neben der Behandlung und Lagerung der radioaktiven Abfälle wesentliche Voraussetzung für die geplante Ausweitung der industriellen Kernenergienutzung ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714538400
Meine Damen und Herren, ich verstehe, daß es nach den Dringlichkeitsfragen eine gewisse Bewegung gibt, aber der Herr Kollege hat auch das Recht darauf, daß er die Antwort des Herrn Staatssekretärs verstehen kann. — Herr Kollege, deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie die sicher notwendigen Gespräche der Geschäftsführer so führten, daß der Kollege Spies von Büllesheim die Antwort trotzdem verstehen kann.

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714538500
Für die Leichtwasserreaktoren werden die entsprechenden industriellen Entsorgungsanlagen nach der Zielsetzung im Energieprogramm der Bundesregierung bis Mitte der achtziger Jahre in enger Zusammenarbeit von Staat und Industrie und unter Nutzung der in- und ausländischen Forschungsarbeiten und Erfahrungen errichtet werden.
Zur Zeit läuft hier in der Bundesrepublik die Suche nach einem geeigneten Standort, an dem die Entsorgungsanlagen errichtet und betrieben werden können. Ein erfolgreicher Abschluß der Standortsuche ist bis 1976 zu erwarten. Die Wiederaufarbeitung wird nach dem international akzeptierten und erprobten PUREX-Verfahren erfolgen.
Für Hochtemperaturreaktoren wird ein entsprechend modifiziertes Entsorgungssystem, das zur Wiederaufarbeitung den sogenannten THOREX-Prozeß verwenden wird, entsprechend der Marktentwicklung nicht vor 1990 errichtet werden. Bis dahin werden als Ergebnis derzeit laufender Forschungs- und Entwicklungsarbeiten vor allem in den Vereinigten



Parl. Staatssekretär Dr. Hauff
Staaten von Amerika und bei uns auch Verfahren zur Refabrikation von Uran 233, das aus Thorium im Hochtemperaturreaktor erbrütet wird, zur Verfügung stehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714538600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714538700
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Bundesregierung bis noch vor etwa einem Jahr davon ausging, daß durch eine Veränderung der Anlage in Karlsruhe — Anbringung eines sogenannten head-ends — auch die Möglichkeit bestehen würde, in Karlsruhe wenigstens in kleinem Umfange die abgebrannten Brennelemente für den HTR wieder aufzubereiten, daß sich also innerhalb des letzten Jahres eine Änderung ergeben hat?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714538800
Herr Kollege, das ist richtig. Bei Ihrer zweiten Frage, die noch zur Beantwortung ansteht, werden wir darauf noch unmittelbar zurückkommen. Derartige Planungen gab es und es gibt sie noch. Die Frage wird eingehend geprüft.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714538900
Darf ich dann, wenn wir auf diesen Zusammenhang noch bei der Beantwortung der zweiten Frage zurückkommen, fragen, ob sich denn die Vorstellungen der Bundesregierung hinsichtlich der Verwirklichung einer Wiederaufbereitungsanlage für Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren — Vorstellungen z. B. hinsichtlich der Fertigstellung der Anlage 1983 — verwirklichen lassen werden?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714539000
Herr Kollege, es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, daß diese Entwicklung mit erheblichen Risiken verbunden ist. Die Bundesregierung wird aber in ihrem Verantwortungsbereich mit großem Nachdruck darauf dringen, daß die Arbeiten gerade zur Schließung des Brennstoffkreislaufs mit aller Zügigkeit vorangetrieben werden können. Es wird nichts unversucht gelassen, um dieses schwierige Problem zu lösen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714539100
Noch eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Kollege!

Christian Lenzer (CDU):
Rede ID: ID0714539200
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die deutschen Gesellschafter der KEWA in einem Brief an das Ministerium auf die Schwierigkeiten bei der 1500-Jahrestonnen-Anlage hingewiesen haben, und zwar insofern, als beispielsweise die Rückhaltung von Krypton und von Tritium und auch Finanzierungsprobleme angesprochen sind?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714539300
Herr Kollege, ich will Ihnen zustimmen und die Meldung gern bestätigen, allerdings in einer umgekehrten Reihenfolge und damit auch mit einer unterschiedlichen Wertung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714539400
Ich rufe Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen und welche weiteren Schritte beabsichtigt die Bundesregierung, um die Wiederaufbereitung von Brennelementen aus Hochtemperaturreaktoren zu Bedingungen zu ermöglichen, die die Markteinführung des HTR und seine Weiterentwicklung entsprechend der energiepolitischen Zielsetzung der Bundesregierung nicht behindern?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714539500
Die Bundesregierung hat 1973/74 unter Beteiligung von Industrie und Forschungszentren ausführlich verschiedene Alternativen zur Schließung des Hochtemperaturreaktor-Brennstoffkreislaufs in der Markteinführungsphase analysiert. Dabei ergab sich, daß sich der Umbau der Pilotanlage zur Wiederaufarbeitung von Leichtwasserreaktor-Brennelementen in Karlsruhe (WAK) als sinnvollste Variante zur Wiederaufarbeitung von Hochtemperaturreaktor-Brennelementen — insbesondere für die Bedürfnisse der ersten deutschen Hochtemperaturreaktorlinie — anbietet. Zur Zeit wird eine detaillierte Untersuchung über die mit einem solchen Umbau verbundenen Probleme durch-. geführt, nach deren Abschluß — voraussichtlich Anfang 1976 — endgültig über diese Lösungsvariante entschieden werden kann. Daneben fördert die Bundesregierung auf breiter Bais Arbeiten vor allem in der Kernforschungsanlage Jülich zur Weiterentwicklung und Erprobung der Wiederaufarbeitungstechnologie im Versuchsanlagenmaßstab.
Darüber hinaus bemüht sich die Bundesregierung verstärkt um eine arbeitsteilige internationale Zusammenarbeit, vor allem mit Frankreich, England und den Vereinigten Staaten von Amerika, bei Forschungsprogrammen sowie beim Bau und Betrieb von Versuchsanlagen im HochtemperaturreaktorBrennstoffkreislauf. Schon jetzt zeichnet sich eine Bereitschaft der an Hochtemperaturreaktoren interessierten Länder ab, in der industriellen Nutzungsphase des Hochtemperaturreaktors durch gemeinsame Nutzung der notwendigen Anlagen zu einer „europäischen Lösung" zu kommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714539600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714539700
Herr Staatssekretär, muß nicht nach neueren Erkenntnissen befürchtet werden, daß die Anlage in Karlsruhe, wenn auch technisch verwendbar, für HTR-Zwecke nicht zur Verfügung steht, weil ihre Kapazität allein mit Leichtwasserbrennelementen ausgelastet sein wird?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714539800
Herr Kollege, nach den Vorstellungen der Bundesregierung wird die Anlage in Karlsruhe ausschließlich als Versuchsanlage betrieben werden. Es kommt darauf an, daß wir Mitte der 80er Jahre in der Bundesrepu-



Parl. Staatssekretär Dr. Hauff
blik -- an einem anderen Standort als Karlsruhe eine erheblich höhere Kapazität an Wiederaufarbeitungsanlagen zur Verfügung haben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0714539900
Darf ich dann fragen, Herr Staatssekretär: Was geschieht — 1977 geht der erste HTR nach den Planungen in Betrieb und in den Folgejahren wahrscheinlich auch noch weitere — mit den Brennelementen?

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0714540000
Bezüglich der Brennelemente wird man zunächst einmal versuchen müssen — unabhängig davon, ob sich Karlsruhe nun eignet oder nicht —, Wiederaufarbeitungskapazitäten in anderen Ländern für einen Überbrükkungszeitraum zur Verfügung zu haben. Derartige Gespräche werden zur Zeit bereits geführt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714540100
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Berkhan zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Würtz auf:
Welche Maßnahmen gedenkt der Bundesverteidigungsminister einzuleiten, um die Ausbildungsplätze für Lehrlinge in seinem Bereich zu vergrößern?
Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0714540200
Herr Präsident! Herr Kollege Würtz, die Bundeswehr bildet zur Zeit 1939 Auszubildende aus. Das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtigt, zusätzlich 450 Ausbildungsplätze zu schaffen. Hierbei sind jedoch infrastrukturelle, personelle und materielle Maßnahmen zu berücksichtigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714540300
Eine Zusatzfrage.

Peter Würtz (SPD):
Rede ID: ID0714540400
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie, daß diese 450 zusätzlichen Plätze zur Verfügung stehen?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0714540500
Herr Kollege, das Stellensoll für Auszubildende beträgt 2 238. Die eigentliche Kapazität — also die Ausbildungsplätze —, beträgt jedoch nur 1939 Plätze — das ist die Zahl, die ich Ihnen soeben genannt habe —, weil sich einerseits durch Änderung von Ausbildungsberufen ein erhöhter Bedarf an Ausbildungspersonal und -material ergeben hat, der noch nicht gedeckt werden konnte. Andererseits hängt das mit den Haushaltsüberrollungen zusammen, Herr Kollege Würtz. Auf diesem Gebiet sind Sie ja ein ganz besonderer Fachmann;
ich brauche Ihnen das nicht zu erläutern. Außerdem sind durch die Verlegung von militärischen Einheiten vorübergehend Ausbildungsplätze verlorengegangen. Die Erhöhung der Ausbildungskapazität um 450 Plätze wird sich zeitlich nach Maßgabe der notwendigen infrastrukturellen, materiellen und personellen Maßnahmen gestalten. Ich kann das noch nicht genau absehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714540600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0714540700
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, in dem von dem Mangel an Ausbildungsplätzen besonders betroffenen emsländischen Gebiet eine Ausweitung der Ausbildungskapazität bei der Erprobungsstelle 91 in Meppen zu prüfen angesichts der Tatsache

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714540800
Herr Kollege, .. .

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID0714540900
Darf ich nur eben kurz zu Ende führen, Herr Präsident?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714541000
... ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß ich diese Zusatzfrage aus dem sehr einfachen Grunde nicht zulassen kann, weil sich diese Frage auf spezielle örtliche Gegebenheiten bezieht und ich sicher bin, daß sonst weitere 50 Kollegen des Hauses natürlich dazu angeregt werden, auch ihrerseits solche Zusatzfragen zu stellen. Ich bitte um Verständnis.

(Seiters [CDU/CSU] : Vielleicht wäre Herr Staatssekretär Berkhan doch bereit zu antworten!)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase. Ich hoffe, daß Sie so fragen, daß nicht Kassel direkt angesprochen wird.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0714541100
Natürlich, Herr Präsident.
Herr Staatssekretär, wissen Sie zufällig, wieviel Bewerber sich um eine Anstellung als Auszubildender im nachgeordneten Bereich Ihres Ressorts beworben haben, und haben Sie in diesem Zusammenhang Interessenten zurückweisen müssen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714541200
Herr Kollege Haase, ich bitte um Verständnis: Bezog sich Ihre Frage auf die Auszubildenden?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0714541300
Jawohl.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714541400
Das war nicht so ganz klar. Dann kann ich die Frage zulassen.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0714541500
Nein.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714541600
Meine Damen und Herren, die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Fuchs ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Offergeld zur Verfügung.
Die Frage 6 ist von der Frau Abgeordneten Huber eingebracht:
Hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, wie der besonderen Härte begegnet werden kann, die bei Arbeitnehmerehepaaren durch die Umstellung der Steuerklassen IV/IV und III/V im Augenblick in den Fällen entsteht, in denen Einkommensteuernachforderungen aus vergangenen Jahren bei verringerten monatlichen Nettoeinkommen zu bewältigen sind?
Ich darf Sie, Herr Staatssekretär, fragen, ob Sie beide eingereichten Fragen der Frau Abgeordneten Huber im Zusammenhang beantworten wollen.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714541700
Ich würde gerne beide Fragen gemeinsam beantworten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714541800
Die Fragestellerin ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 7 der Frau Abgeordneten Huber auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Finanzverwaltungen der Länder nachdrücklich zu empfehlen, die bei diesem Personenkreis entstehenden Härten durch Steuerstundung aus Billigkeitsgründen zu mildern?
Bitte!

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714541900
Auch doppelverdienende Ehegatten, Frau Kollegin, nehmen in vollem Umfang an der Entlastungswirkung der Steuer- und Kindergeldreform teil. Sie werden allerdings häufig auf ihren Lohnabrechnungen wegen der Neugestaltung der Steuerklassen diese Wirkung zunächst nicht erkennen. Die Umgestaltung der Steuerklassen IV/IV und III/V bei Arbeitnehmerehepaaren vermeidet in den meisten Fällen die bisher erforderliche Einkommensteuerveranlagung mit der Folge meist unerwarteter Nachzahlungen. Schon die monatlichen Lohnsteuerabzüge entsprechen in den neuen Steuerklassen annähernd der Jahressteuerschuld und fallen daher oftmals höher aus als nach bisherigem Recht. Arbeitnehmerehepaare werden daher häufig finanzielle Entlastung durch die Steuer- und Kindergeldreform erst beim Jahresausgleich oder bei der Veranlagung für 1975 feststellen. Dafür werden für Arbeitnehmerehepaare die Vorauszahlungen in den meisten Fällen wegfallen.
Ob bei einem Zusammentreffen der Umstellung der Steuerklassen mit einer Nachzahlung für frühere Jahre eine unbillige Härte im Sinne des § 127 der Abgabenordnung eintritt, kann nur nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden. Bei diesen Einzelentscheidungen sind insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des einzelnen Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
Die Finanzämter beurteilen bereits jetzt Anträge auf Steuerstundung nach diesen Grundsätzen. Gleichwohl bin ich bereit, die obersten Finanzbehörden der Länder zu bitten, bei der Anwendung des § 127 der Abgabenordnung nicht kleinlich zu verfahren, falls sich bei doppelverdienenden Ehepaaren in den nächsten Monaten Härten ergeben sollten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714542000
Eine Zusatzfrage.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714542100
Finden Sie nicht auch, daß diese Maßnahme damit gerechtfertigt ist, daß der Überblick dieses Personenkreises über seine gegenwärtige Situation etwas schwierig ist?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714542200
Sicherlich, Frau Kollegin, aber die Finanzverwaltung muß sich natürlich im Rahmen der durch uns, durch den Gesetzgeber gesetzten Grenzen halten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714542300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0714542400
Stimmen Sie mir zu, Herr Staatssekretär, daß die Neuschneidung der Lohnsteuerklassen eine Forderung der Bundesländer war, die dann später, als die Regelung eingeführt wurde, diese Regelung als eine wichtige Vereinfachung begrüßten?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714542500
Herr Kollege, ich kann im Augenblick nicht den unmittelbaren Sachzusammenhang sehen, aber wenn der Herr Staatssekretär diese Frage beantworten kann, überlasse ich es ihm, ob er antworten will.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714542600
Ich kann auf diese Frage schlicht mit Ja antworten und darauf hinweisen, daß der Bundesrat diese Neuschneidung der Steuerklassen in seiner Stellungnahme zum Steuerreformgesetzentwurf begrüßt hat.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714542700
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Penner auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 9 und 10 der Frau Kollegin Funcke werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann (München) hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt,
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Schmitz (Baesweiler) auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs und die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die nächste Frage, die Frage 15, ist von dem Herrn Abgeordneten Nordlohne eingereicht:
Wie beurteilt die Bundesregierung die vom Bund der Steuerbeamten geäußerte Befürchtung, daß es wegen der ab 1. Januar 1975 geltenden neuen Steuergesetzgebung bei den Finanzämtern zu Handgreiflichkeiten kommen könnte?
Herr Staatssekretär.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714542800
Herr Kollege, die Bundesregierung hat keinen Anlaß, Handgreiflichkeiten in den Finanzämtern zu befürchten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714542900
Zusatzfrage.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714543000
Herr Staatssekretär, mit welchen Oberfinanzdirektionen und welchen Finanzämtern ist seitens des Bundesministeriums der Finanzen in diesen Tagen Rücksprache genommen worden, um zu prüfen, ob die vom Vorsitzenden des Bundes der Steuerbeamten geäußerten Befürchtungen berechtigt sind?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714543100
Herr Kollege, die Bundesregierung steht laufend mit den Landesfinanzverwaltungen in Verbindung. Wenn derartige Befürchtungen angebracht wären, wären wir sicherlich darauf hingewiesen worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714543200
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714543300
Ich wußte nicht, ob die Antwort bereits zu Ende war. — Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, wann und wie sich die Bundesregierung darum bemühen wird, daß Bedienstete der Finanzämter nicht zu Prügelknaben für eine Steuergesetzänderung werden, die sie in keiner Weise verschuldet haben?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714543400
Erstens muß ich darauf hinweisen, daß wir gemeinsam diese Steuerreform „verschuldet" haben, wenn Sie schon dieses Wort verwenden; wir haben sie ja einstimmig hier verabschiedet. Im übrigen wird sich die Bundesregierung bemühen, bei den Bürgern wie auch bei den Finanzbeamten aufklärend zu wirken und über die Konsequenzen der Steuerreform auch weiter aufzuklären.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714543500
Ich lasse noch eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber zu.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714543600
Herr Staatssekretär, hatten Sie schon gleich mir Gelegenheit, durch ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundes der Steuerbeamten zu klären, daß Herr Fredersdorf diese Äußerung über die Handgreiflichkeiten in einem ganz anderen Zusammenhang und nicht gemünzt auf die gegenwärtige Situation gemacht hat?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714543700
Ich habe diese Gelegenheit nicht gehabt, aber mir ist zu Ohren gekommen, daß Herr Fredersdorf gesagt hat, er sei in der Presse falsch zitiert worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714543800
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, aus der derzeitigen Höherbelastung mitarbeitender Ehefrauen von häufig bis 100 DM und mehr pro Monat beim Lohnsteuerabzug infolge der „Steuerreform" entsprechende korrigierende Konsequenzen zu ziehen, oder hält die Bundesregierung an ihrer bisherigen Auffassung fest, daß diese Ehefrauen zinslos 1 bis 2 Jahre dem Fiskus etwa 1 000 bis 2 000 DM und mehr zu kreditieren haben, bis der Lohnsteuer-Jahresausgleich bzw. die Einkommensteuerveranlagung durchgeführt ist?
Der Herr Abgeordnete Niegel hat zwei Fragen gestellt. Ich weiß nicht, Herr Staatssekretär, ob Sie beide Fragen gegebenenfalls zusammen beantworten wollen.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714543900
Ich möchte sie getrennt beantworden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714544000
Getrennte Beantwortung. Bitte!

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714544100
Herr Kollege Niegel, mein Kollege Haehser hat Ihnen bereits in der letzten Fragestunde auf eine Frage zum gleichen Thema geantwortet, daß auch mitarbeitende Ehefrauen an den Entlastungen durch die Steuer- und Kindergeldreform in vollem Umfang teilhaben. Ich wiederhole auch, daß die Neugestaltung der Steuertarife in den Steuerklassen IV und V, die Sie erwähnen, vom Bundesrat als Vereinfachungsmaßnahme ausdrücklich begrüßt wurde und daß sie nicht dazu führt, daß Arbeitnehmerehegatten generell Überzahlungen leisten. Die Frage, ob es zu Überzahlungen kommt, hängt weitgehend von der Wahl der Steuerklassenkombination und insbesondere auch davon ab, in welchem Verhältnis das Einkommen beider Ehegatten zueinander steht. Die Behauptung, daß Ehefrauen ein bis zwei Jahre dem Fiskus etwa 1 000 bis 2 000 DM und mehr kreditieren, ist also in dieser allgemeinen Form nicht richtig

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714544200
Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714544300
Herr Staatssekretär, selbst wenn dies so zutreffen sollte, wie Sie es darstellen, wie läßt es sich dann erklären, daß Ehegatten im letzten Jahr keine zusätzlichen Nachzahlungen lei-



Niegel
sten mußten und mitverdienende Ehefrauen jetzt 100 und 200 DM im Monat mehr Lohnsteuer zahlen müssen, was, wenn man es hochrechnet, 2 000 bis 3 000 DM im Jahr ausmacht?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714544400
Dieser Fall, daß letztes Jahr keine Nachzahlungen geleistet wurden und in diesem Jahr im Saldo Sie müssen ja immer beide Ehegatten gemeinsam sehen — 200 DM zu zahlen sind, ist praktisch nicht vorstellbar. Wenn Ihnen ein derartiger Fall vorliegen sollte, bitte ich Sie, ihn mir einmal vorzutragen, damit wir ihn überprüfen können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714544500
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714544600
Herr Staatssekretär, in der Annahme, daß das, was Sie erklären, von der Bundesregierung und von der Koalition gewollt ist, frage ich Sie: Wie verträgt sich das mit den Feststellungen des Herrn Bundesministers Apel, der gestern im Fernsehen dem Herrn Novotny gesagt hat:
Ich bin aus Amerika zurückgekommen und ich habe gedacht, mich tritt ein Pferd, als ich das Presseecho gesehen habe. Da haben mir unsere Experten hier im Haus kühl erklärt, sie hätten das alles gewußt. Sie können sich vorstellen, wie ich darauf reagiert habe, auf meine Art.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714544700
Ich habe jetzt Ihre Frage nicht gehört, Herr Niegel.

(Heiterkeit)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714544800
Herr Kollege, ich fürchte, Sie werden nicht die Möglichkeit haben, noch einmal das gesamte Zitat zu verlesen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Böhme.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0714544900
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Wahl einer falschen Steuerklasse nachträglich, und zwar bis längstens 30. November 1975, korrigiert werden kann und daß damit eventuelle Härten ausgeglichen werden können?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714545000
Ja, wenn die Steuerklassen nicht zweckmäßig gewählt worden sind, wenn man zu einer niedrigeren Steuerzahlung durch Lohnsteuerabzug kommen will, dann können die Steuerklassen bis zu dem von Ihnen genannten Datum, nämlich Ende November dieses Jahres, unter Vorlage der Steuerkarten bei der Gemeinde geändert werden, und diese Änderung ist dann für die Zukunft wirksam.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714545100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714545200
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Problematik des auf uns zukommenden Lohnsteuerjahresausgleichs im Jahre 1976 gegen-
über 1975?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714545300
Es läßt sich sicherlich nicht bestreiten, daß die Zahl der Lohnsteuerjahresausgleichsfälle ansteigen wird. Das haben ja auch die Landesfinanzminister, die an den Beratungen intensiv beteiligt waren, gesehen. Aber Sie müssen dagegen halten, daß einmal die Zahl der Ermäßigungsanträge drastisch reduziert wird, und zwar um viele Millionen Fälle, und daß zum anderen auch die Zahl der Arbeitnehmerveranlagungen — die Veranlagung ist sehr viel komplizierter, umständlicher und zeitraubender — drastisch reduziert wird. Sie können nicht nur eine Position hier in den Raum stellen. Insgesamt gesehen führt dies zu einer Verwaltungsvereinfachung. Das ist auch von den Bundesländern in den Beratungen im Bundesrat so gesehen worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714545400
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meinike.

Erich Meinike (SPD):
Rede ID: ID0714545500
Herr Staatssekretär, können Sie darüber Auskunft geben, in welchem Maße der in Rede stehende Personenkreis, der monatlich unter Umständen geringfügig erhöhte Beträge zahlen muß, ab 10. März von Vorauszahlungen entlastet wird, die nach altem Recht noch gezahlt werden mußten, jetzt aber auf Null Mark festgesetzt werden?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714545600
Herr Kollege, wir haben leider keine genaue Ubersicht über die Zahl der Fälle. Die müssen uns die Landesfinanzverwaltungen liefern. Wir können nur sagen, daß es eine beträchtliche Zahl von doppelverdienenden Ehegatten sein wird, bei denen die Vorauszahlungen nunmehr auf Null gestellt werden können. In einem Teil der Bundesländer erfolgt diese Nullstellung automatisch, so z. B. im Lande Nordrhein-Westfalen. In anderen Bundesländern ist ein Antrag der Betroffenen erforderlich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714545700
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Kann die Bundesregierung unter diesen Umständen noch von einer Steuerentlastung durch die „Steuerreform" von 14 Milliarden DM (Bundeskanzler Schmidt in der Neujahrserklärung) in diesem Jahr reden, insbesondere wenn auch Versicherungsbeiträge und Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben im Ermäßigungsverfahren im Zuge der „Steuerreform" nicht berücksichtigt werden, die in der Tabelle eingearbeiteten Freibeträge häufig nicht ausreichen und somit erst nach l 1/2 bis 2 Jahren im Zuge des Lohnsteuer-Jahresausgleichs bzw. der Einkommensteuerveranlagung die Rückerstattung der auf die Sonderausgaben gezahlten Steueranteile möglich ist?




Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714545800
Herr Kollege, meine Antwort ist ganz kurz: Die von der Bundesregierung genannte Entlastung der Bürger durch die Steuer- und Kindergeldreform von rund 14 Milliarden DM trifft nach wie vor zu. Diese Größenordnung ist auch von den Bundesländern nicht bestritten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714545900
Zusatzfrage!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714546000
Herr Staatssekretär, Sie haben leider den zweiten Teil meiner Frage nicht beantwortet, der die Sonderausgaben betraf, insbesondere die Versicherungsbeiträge, die jetzt bei der Lohnsteuerermäßigung nicht berücksichtigt werden; es können dazu keine Anträge mehr gestellt werden. Wie können bei dieser Nichtberücksichtigung bereits in diesem Jahr 14 Milliarden DM eingespart werden? Das kann doch im Höchstfall erst im nächsten Jahr, nach der Veranlagung, der Fall sein.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714546100
Dies ändert überhaupt nichts daran, Herr Kollege Niegel — unsere Berechnungen gingen immer vom Entstehungsjahr aus —, daß die Entlastungswirkung insgesamt 14 Milliarden DM beträgt, auf das Entstehungsjahr 1975 gerechnet.

(Dr. Häfele [CDU/CSU] : Und kassenmäßig?)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714546200
Herr Kollege, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0714546300
Herr Staatssekretär, wir sprachen vorhin schon von der Entlastung der Finanzämter. Besteht nicht auch die Gefahr, daß nachträglich wegen der Versicherungsbeiträge zusätzliche Anträge auf Lohnsteuerausgleich wegen Sonderausgaben gestellt werden, die man von vornherein durch die Ermäßigungsanträge hätte auffangen können?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714546400
Über diese Frage haben wir im Finanzausschuß dieses Hauses ausführlich debattiert. Ich muß noch einmal darauf hinweisen: Es ist nicht auszuschließen, es ist sogar anzunehmen, daß mehr Lohnsteuerjahresausgleichsanträge im kommenden Jahr eingehen werden. Dies wird aber mehr als aufgewogen — ich sagte es vorhin schon — durch die niedrigere Zahl der Ermäßigungsanträge und durch die niedrigere Zahl der Einkommensteuerveranlagungen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714546500
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714546600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen eine Stellungnahme des Instituts der Deutschen Wirtschaft, das in Köln sitzt und den Arbeitgebern nahesteht, bekannt, in der die Steuerreform als Erleichterung für viele Millionen begrüßt wird, als echte Stärkung der verfügbaren Einkommen? In dieser Stellungnahme heißt es, daß die Sozialbeiträge, die hier angeführt werden, nur zu einem geringen Prozentsatz die steuerlichen Verbesserungen aufzehren.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714546700
Ja, mir ist diese Stellungnahme bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714546800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0714546900
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzen Sie kassenmäßig die Entlastungen 1975 ein, wenn man das Kindergeld mit berücksichtigt?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714547000
Herr Kollege Dr. Häfele, ich habe mich bemüht, diese Zahl festzustellen. Da ist im Augenblick keine Übersicht möglich, und zwar ganz einfach deswegen, weil das in dem Fall der beidverdienenden Ehepaare entscheidend von der Wahl der Steuerklassen abhängig ist. Da sich die Bundesregierung bemüht, die Betroffenen über die günstigste Möglichkeit aufzuklären, gehe ich davon aus, daß wir auch kassenmäßig sehr nahe an diese Zahl herankommen, weil die Leute in Folge der Aufklärung dann die günstigere Steuerklasse wählen werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714547100
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Trifft es auch nach den Berechnungen der Bundesregierung zu, daß die im Rahmen der Steuerreform neu geregelte Proportionalbesteuerung bei den meisten Steuerpflichtigen zu einer Mehrbelastung führt, die die Entlastung des Grundfreibetrags nicht voll wirksam werden läßt, wie die vom Institut Finanzen und Steuern veröffentlichte Studie Nummer 150 vom Januar 1975 feststellt?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714547200
Herr Kollege, insgesamt ergeben sich durch die Reform des Einkommensteuertarifs Entlastungen bis zu Einkommen von 40 000 DM bei Ledigen und 80 000 DM bei Verheirateten. Wird der Wegfall der Ergänzungsabgabe mit einbezogen, so reicht die Tarifentlastung noch bis zu höheren Einkommen. Eine isolierte Betrachtung der Auswirkungen durch die Änderungen beim Grundfreibetrag einerseits und bei Proportionalsteuersatz andererseits ist nur von theoretischem Interesse.
Die Steuermindereinnahmen aus einer isolierten Erhöhung des Grundfreibetrags auf 3 000 DM hätten, wie auch bei den Ausschußberatungen eingehend erörtert wurde, allein über 8 Milliarden DM betragen und wären damit finanziell nicht mehr tragbar gewesen. Der Beginn der Tarifbelastung in der unteren Proportionalzone von 22 % trägt dieser Tatsache Rechnung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714547300
Zusatzfrage!




Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714547400
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Studie des Instituts Finanzen und Steuern in Bonn, die zu dem Ergebnis kommt, daß durch die Anhebung des Proportionalsteuersatzes bei mittleren Einkommensgruppen und auch bei unteren Einkommensgruppen eine relative Mehrbelastung eintritt? Ist die Bundesregierung nach den ersten Erfahrungen bereit, Maßnahmen zu ergreifen, die einem überhöhten Lohnsteuerabzug begegnen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714547500
Herr Staatssekretär, ich bitte darum, nur die erste Frage zu beantworten. Wir wollen nicht einführen, daß zwei Zusatzfragen auf einmal gestellt werden.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714547600
Herr Kollege, ich hatte geglaubt, den ersten Teil Ihrer Frage, wie wir das beurteilen, bereits beantwortet zu haben. Ich halte dies für eine rein theoretische Überlegung. Das Entscheidende ist, daß durch den neuen Tarif Entlastungen bis zu einem Einkommen von 40 000 DM bei Ledigen und bis zu 80 000 DM bei Verheirateten eintreten, auch unter Berücksichtigung dieser rein theoretischen Darlegungen des Instituts.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714547700
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714547800
Herr Staatssekretär, ich will jetzt nicht darauf eingehen, ob es theoretische Darlegungen sind. Aber wollen Sie bestreiten, daß bei dieser Regelung doch Nachteile für die mittleren und unteren Einkommensgruppen entstanden sind, und sind Sie nicht der Meinung, daß diese Nachteile hätten verhindert werden können, wenn die ganze Steuergesetzänderung sorgfältiger vorbereitet und beraten worden wäre?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714547900
Dieser Ihrer Meinung kann ich keinesfalls zustimmen, Herr Kollege; ich muß ihr nachdrücklich widersprechen. Ein Blick auf die alten und auf die neuen Steuertabellen wird Sie davon überzeugen, daß gerade im Bereich der unteren und mittleren Einkommen wesentliche tarifliche Entlastungen eingetreten sind.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714548000
Ich rufe die Frage Nr. 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Trifft es weiterhin zu, daß ab 1975 bei Lohnerhöhungen die Steuerlast mindestens bis zu einem Bruttomonatslohn von 1 600 DM — und mit höherer Kinderzahl auch bei höheren Löhnen — stärker als bisher steigt, wie das genannte Institut ebenfalls festgestellt hat?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714548100
Herr Kollege, entscheidend für die Beurteilung der steuerlichen Entlastung ist, daß im Vergleich zum früheren Recht die Steuerpflichtigen bis zu hohen Arbeitseinkommen steuerlich bessergestellt werden. Der stärkere Anstieg des Marginalsteuersatzes ist eine zwangsläufige und mathematisch-logisch bedingte Folge der gewollten stärkeren Entlastung der unteren und mittleren Einkommen.
Bei im Vergleich zum bisherigen Recht unveränderten Marginalsteuersätzen würden die Entlastungen der unteren Einkommen in gleicher Höhe selbst an die Bezieher höchster Einkommen weitergegeben. Das aber ist nicht gewollt gewesen. Die Entlastungen im unteren Bereich sollen mit steigendem Einkommen langsam abgebaut werden und bei höheren Einkommen zu einer maßvollen Mehrbelastung im Tarifbereich führen. Das ist aber nur möglich, indem Einkommenszuwächse stärker belastet werden als bisher.
Es bleibt aber — wie schon eingangs erwähnt — die Besserstellung des allergrößten Teils der Steuerpflichtigen im Vergleich zum bisherigen Steuerrecht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714548200
Zusatzfrage!

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714548300
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Familienlastenausgleich für Familien mit drei und mehr Kindern eine ausreichende Entlastung für diese Familien darstellt, und beabsichtigt die Bundesregierung, diese relative Benachteiligung der Familien mit mehr als zwei Kindern in Kürze zu verbessern?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714548400
Herr Kollege, trotz des für mich nicht einsehbaren Sachzusammenhangs mit dieser Tariffrage möchte ich Ihnen sagen, daß wir den soeben beschlossenen, auch von Ihrer Fraktion nachdrücklich geforderten Familienlastenausgleich für ausreichend halten. Mehr als dies: Er bringt für alle Familien mit Kindern im unteren und mittleren Einkommensbereich — das sind etwa 95 0/o der Familien in diesem Lande — eine wesentliche finanzielle Besserstellung mit sich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714548500
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0714548600
Herr Staatssekretär, steht die Bundesregierung noch zu der großen Verheißung von Bundesfinanzminister Apel, der vor einem halben Jahr gesagt hat, die Steuerreform bringe einen entscheidenden Durchbruch zu mehr sozialer Gerechtigkeit?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714548700
Zu dieser Aussage steht die Bundesregierung nach wie vor. Wir werden uns dort, wo Unklarheiten aufgetreten sind — dort, wo diese Unklarheiten auch bewußt erzeugt worden sind —, bemühen, sie so schnell wie möglich auszuräumen. Wenn uns das in relativ kurzer Zeit gelungen sein wird, bin ich überzeugt, daß jeder im unteren und mittleren Einkommensbereich, der sich seinen Lohnzettel mit Abstand und unter Berücksichtigung aller Faktoren ansieht, feststellen wird, daß er sich auf Grund dieser Steuerreform um einiges besser steht.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714548800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Huonker.

Gunter Huonker (SPD):
Rede ID: ID0714548900
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß es etwas merkwürdig ist, daß der Herr Kollege Jobst dieses Haus mit Fragen langweilt, die er durch ein kurzes Gespräch mit einem Kollegen leicht hätte aufklären können?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714549000
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, daß wir hier keine Wertungen vornehmen können.
Ich bitte um die Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0714549100
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß die Gesamtentlastung einer Familie nicht nur von der Kinderzahl, sondern auch von ihrem Einkommen abhängt und daß in der Gestaltung der Steuer gerade auf dieses Einkommen Rücksicht genommen wird?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714549200
Selbstverständlich, Frau Kollegin. Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen: Je niedriger das Einkommen ist, um so größer ist die Besserstellung, und zwar auf Grund der Abschaffung der steuerlichen Kinderfreibeträge und der Einführung des Kindergeldes.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714549300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714549400
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Hause näher zu definieren, wie der Vorwurf zu werten ist, daß bewußt Unklarheiten erzeugt worden seien?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714549500
Der Vorwurf kann man in vielen Richtungen näher erläutern. Man kann z. B. darauf hinweisen, daß von Ihrer Fraktion und auch vom Bundesrat die Auszahlung des Kindergeldes über die Arbeitsämter gefordert wurde. Dieses Verfahren ist jetzt wiederum vor ganz wenigen Tagen von Herrn Katzer heftig kritisiert worden.

(Beifall bei der SPD)

Da werden ganz bewußt Mißverständnisse draußen erzeugt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714549600
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Meinike.

Erich Meinike (SPD):
Rede ID: ID0714549700
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß der soeben erwähnte Durchbruch zu einem Reformwerk noch besser beurteilt worden wäre, wenn es gelungen wäre, den Sonderausgaben-Abzug auch im System umzustellen?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0714549800
Sicherlich. Dies war für die sozialliberale Koalition ein ganz wesentlicher Punkt, der ja dann leider bei den Beratungen im Vermittlungsausschuß aufgegeben werden mußte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714549900
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben uns heute in der Fragestunde schon ausgiebig mit Steuern und Finanzen beschäftigt. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Glotz zur Verfügung.
Frau Abgeordnete Pack hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe daher die Frage Nr. 22 des Herrn Abgeordneten Professor Schweitzer auf:
Teilt die Bundesregierung expressis verbis die in der Nummer 242 der „Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof" (Drucksache 7/2709) enthaltene Kritik des Bundesrechnungshofs an dem immer wieder auftretenden Mißverhältnis zwischen umfangreichen Baumaßnahmen im Hochschulbereich mit dem erklärten Ziel der Schaffung neuer Studienplätze einerseits, und einer nur geringfügigen Zunahme, ja sogar Abnahme der Zahl der Studierenden in den von solchen Baumaßnahmen tangierten Fächern andererseits, und ist sie gegebenenfalls bereit, die vom Bundesrechnungshof kritisierten Universitäten, speziell im Bereich der Humanmedizin, öffentlich bekanntzumachen?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714550000
Herr Kollege Schweitzer, die Bundesregierung betrachtet das Verhältnis von Bauinvestitionen und Studienanfängerzahlen in einigen Fällen mit Sorge. Insbesondere im Bereich der Humanmedizin haben die hohen Investitionen über mehrere Jahre hinweg nicht die erhoffte Wirkung für die Studienplatzkapazität gehabt. Dies war teilweise auf den hohen Nachholbedarf und auf die Notwendigkeit zurückzuführen, völlig veraltete Klinikbauten zu ersetzen. Eine völlig befriedigende Erklärung gibt es weder für ein Stagnieren geschweige denn für einen Rückgang der Studienanfängerzahlen, wie das in einigen Universitäten der Fall war. Nicht zuletzt auf Grund des Drängens der Bundesregierung sind daher gerade die Verhältnisse im Bereich der Humanmedizin genau überprüft worden. Diese Überprüfung hat mit dazu beigetragen, daß die Studienanfängerzahlen in den letzten Semestern nicht unerheblich gestiegen sind, die früheren Höchstzahlen zum Teil überstiegen haben und nunmehr nahe an die Zahlen heranreichen, die in einer vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft in Auftrag gegebenen vorläufigen Bedarfsschätzung enthalten sind.
Im einzelnen hat die Bundesregierung im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages im Oktober 1974 dazu berichtet.
Die Bundesregierung muß, Herr Kollege Schweitzer, darauf aufmerksam machen, daß die Bauinvestitionen allein die Kapazitäten natürlich nicht sicherstellen können. Sie bedürfen der Ergänzung durch entsprechende personelle Maßnahmen. Auf sie hat der Bund keinen Einfluß. Auch im personellen Bereich sind gerade in der Humanmedizin in den ver-



Parl. Staatssekretär Dr. Glotz
gangenen Jahren allerdings erhebliche Verbesserungen durchgesetzt worden.
Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht die betroffenen Hochschulen nicht namentlich genannt. Die Bundesregierung sieht sich daher im Augenblick nicht in der Lage, auf nähere Einzelheiten einzugehen. Sie möchte der Erörterung der Stellungnahme der betroffenen Länder im Planungsausschuß für den Hochschulbau und mit dem Bundesrechnungshof nicht vorgreifen. Sie wird jedoch zu gegebener Zeit diese Problematik der demokratischen Öffentlichkeit unterbreiten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714550100
Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0714550200
Teilen Sie, Herr Staatssekretär, meine Auffassung in diesem Zusammenhang, daß es der Öffentlichkeit eigentlich viel zuwenig bekannt ist, wie gering die verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Bundesregierung sind, um das Gesamtproblem des Numerus clausus wirkungsvoll anzugehen?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714550300
Ich teile diese Auffassung voll und ganz, Herr Kollege Schweitzer. Ich glaube zusätzlich, daß der Öffentlichkeit auch nicht bekannt ist, welche Schwierigkeiten die Verhandlungen oft machen, um Stück für Stück durchzusetzen, daß die Investitionen etwa im Baubereich, an denen der Bund ja nun zu 50 % beteiligt ist, so gestaltet werden können, daß Vorwürfe, wie Sie sie in Ihrer Frage tendenziell angedeutet haben, nicht mehr erhoben werden können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714550400
Eine weitere Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0714550500
Würden Sie erwägen, Herr Staatssekretär, daß Ihr Ministerium vielleicht einmal der Öffentlichkeit in einer breiteren Aufklärungskampagne diese Problematik vor Augen führt, insbesondere im Hinblick auf die nur sehr begrenzte Zuständigkeit des Bundes und die primäre Verantwortung der Länder?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714550600
Herr Kollege Schweitzer, Sie werden vielleicht verfolgt haben, daß sowohl Bundesminister Rohde als auch ich in letzter Zeit an verschiedenen Stellen in der Öffentlichkeit auf dieses Problem hingewiesen haben. Die öffentlichen Hinweise dürfen die ständigen Verhandlungen, die mit den Ländern in den zuständigen Gremien notwendig sind, nicht stören. Aber ich könnte mir vorstellen, daß man auch noch deutlicher auf die Problematik insgesamt hinweisen könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714550700
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Hösl auf:
Hat die Bundesregierung bei der mittelständischen Wirtschaft (z. B. Handwerksbetriebe) eine Umfrage in Auftrag gegeben, die die wirklichen Gründe für die Zurückhaltung bei der Einstellung von Lehrlingen aufhellt?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714550800
Die Antwort, Herr Kollege Hösl, auf Ihre Frage lautet: nein. Die Bundesregierung hat jedoch eine repräsentative Erhebung über die Ausbildungssituation in Betrieben vom Institut für angewandte Sozialwissenschaft durchführen lassen. Dabei wurde u. a. auch nach den Gründen von Handwerksbetrieben zu ihrem Einstellungsverhalten gefragt. Diese Studie wird zur Zeit gedruckt und steht in wenigen Tagen zur Verfügung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714550900
Eine Zusatzfrage.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0714551000
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob sich nach der Erhebung die Gründe auf die Richtlinien für die Ausbildenden beziehen oder ob es Kostengründe sind?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714551100
Herr Kollege, es gibt von verschiedenen Betroffenen die Äußerung, daß wegen der Richtlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, die, wie Sie wissen, eine gewisse Mitbestimmung vorsehen, überbetriebliche Ausbildungsstätten nicht gebaut bzw. entsprechende Anträge nicht gestellt werden. Diese Äußerungen, die es draußen im Lande gibt, stehen aber in einem groben Mißverhältnis zu der Fülle von inzwischen 70 Anträgen, mit denen vom Handwerk Zuschüsse aus Bundesmitteln für diesen Zweck angefordert werden. Das heißt also, daß ich ein Hauptproblem in der Bewältigung der laufenden Kosten sehe. Auch diesem Problem hat der Haushaltsausschuß im Oktober Rechnung getragen, indem er die Möglichkeit gegeben hat, innerhalb der nächsten vier Jahre die Investitionsmittel zum Teil auch für laufende Kosten mit zu verwenden. Ich darf Sie im übrigen darauf aufmerksam machen, daß in einer breit angelegten Diskussion im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft vor einer Woche von keiner Seite der Vorwurf erhoben worden ist, daß ein wesentlicher Grund für das Problem in den Richtlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft liegt. Diese sind im übrigen inzwischen einvernehmlich mit dem Handwerk interpretiert worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714551200
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0714551300
Herr Staatssekretär, werden Sie weiter mit der Organisation der Berufsverbände — ich meine jetzt Handwerk und gewerbliche Wirtschaft mit ihren Zusammenschlüssen in den Handwerks- und den Industrie- und Handelskammern — um die Aufhellung der echten Gründe bemüht sein, die draußen zu diesem bitteren Ergebnis geführt haben?




Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0714551400
Herr Kollege Hösl, wir sind ständig um die Aufklärung solcher Vorgänge bemüht. In diesem konkreten Fall aber ist die Aufklärung weitgehend beendet. Wie Sie der Presse entnommen haben werden, haben der Bildungsminister und der Wirtschaftsminister gemeinsam erst vor wenigen Tagen ein großes Gespräch mit den beiden Verbänden und Hauptgeschäftsführern der Handwerkskammern und der Industrie- und Handelskammern geführt, in dem die Problematik — neben der schon genannten Umfrage und den ständigen Arbeitskontakten — noch einmal erörtert wurde. Wir wissen jetzt Bescheid, und diesen Bescheid habe ich Ihnen in der Antwort auf Ihre erste Frage klar mitgeteilt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714551500
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Schmude zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Becker (Nienberge) hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen gebeten, ebenfalls der Herr Abgeordnete Weber (Heidelberg) ; dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe auf die Frage Nr. 28 des Herrn Abgeordneten Nordlohne:
Wird die Bundesregierung im Hinblick auf ihre Erklärung und die dazu erfolgte Aussprache über Fragen der inneren Sicherheit in der 130. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. November 1974 die Tatsache, daß der laut Dokumentation des Berliner Senators für Justiz vom 8. 'November 1974 den anarchistischen Gewalttätern nahestehende Strafgefangene Dieter Kunzelmann, für den noch besondere Sicherungsmaßnahmen verfügt waren, bis zum 2. März 1975 insgesamt an sieben Tagen von 9.00 Uhr bis 21.00 Uhr Sonderurlaub erhält, in der ständigen Konferenz der Innenminister zur Sprache bringen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714551600
Herr Kollege Nordlohne, der Strafgefangene Kunzelmann, der nach den mir vorliegenden Informationen seine Freiheitsstrafe am 7. März 1975 verbüßt haben wird, kandidiert bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 2. März 1975 für die maoistische KPD. Zur Durchführung des Wahlkampfes hat ihm der Senat von Berlin an insgesamt sieben Tagen von 9 bis 21 Uhr Ausgang bewilligt. Der Senat von Berlin hat diese Entscheidung in eigener Zuständigkeit getroffen. Die Bundesregierung hat weder Anlaß noch Kompetenz, den Senat deshalb zur Rede zu stellen. Wie ich erfahren habe, wird der Berliner Innensenator den Vorgang jedoch von sich aus gelegentlich der nächsten Innenministerkonferenz ansprechen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714551700
Zusatzfrage.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714551800
Herr Staatssekretär, auch wenn in diesem Fall die Zuständigkeit nicht unbedingt gegeben ist, frage ich: Hat sich die Bundesregierung nach dem Bekanntwerden dieses Vorganges unter Bezugnahme auf die im Bundestag geführte Debatte über die innere Sicherheit wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage mit dem Senator für Justiz in Verbindung gesetzt?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714551900
Die Bundesregierung hat auch in den vergangenen Tagen keine Veranlassung gesehen — wie ich es eben formulierte —, den Senat zur Rede zu stellen oder in sonstiger Weise mit ihm in Verbindung zu treten. Sie vermag insbesondere nicht zu sehen, daß sich eine solche Haltung aus der von Ihnen angeführten Debatte im Bundestag ergeben müßte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714552000
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714552100
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in der Ständigen Konferenz der Innenminister die Frage zu klären, inwieweit Herr Kunzelmann sich nun tatsächlich in den drei Tagen und in den folgenden vier Tagen um das Finden einer Arbeitsstelle und um das Suchen einer Wohnung bemüht hat oder ob er sich in diesem Fall intensivst am Wahlkampf beteiligt hat? Über die Auswirkungen sind wir alle miteinander informiert.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714552200
Herr Kollege .Nordlohne, wie ich eben schon ausgeführt habe, wird der Berliner Innensenator von sich aus diesen Vorgang bei der nächsten Innenministerkonferenz ansprechen. Die Bundesregierung wird bei einem Gespräch, das sich möglicherweise an diesen Bericht anschließt, diejenigen Fragen erörtern, von denen sie meint, daß sie erörtert werden sollten. Ich vermag nicht zu sehen, daß die von Ihnen jetzt hier zur Sprache gebrachten Einzelheiten dabei unbedingt behandelt werden müßten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714552300
Ich rufe die nächste Frage auf, Frage 29 der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius, und frage den Herrn Staatsekretär, ob gegebenenfalls eine Beantwortung der beiden Fragen im Zusammenhang erfolgen kann.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714552400
Ich wollte gerade darum bitten, Herr Präsident.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714552500
Die Fragestellerin ist einverstanden. Ich rufe also die Fragen 29 und 30 auf:
Kann die Bundesregierung ausschließen, daß als Folge einer Änderung von § 104 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz eine Beschränkung der Auskunftspflicht der Standesämter mit der Wirkung erfolgt, daß die Tageszeitungen in ihrem Lokalteil künftig keine standesamtlichen Nachrichten über Geburten, Trauungen und Sterbefälle veröffentlichen könnten?
Was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu unternehmen, um den Informationsfluß im Interesse der Bürger sicherzustellen?
Bitte, Herr Staatssekretär!




Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714552600
Frau Kollegin, nach § 104 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden — einer mit Zustimmung des Bundesrats erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz — kann der Standesbeamte eine Aufstellung über die von ihm beurkundeten Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle auf Antrag Interessenten gegen angemessenes Entgelt zur Verfügung stellen. In die Aufstellung dürfen nur Personenstandsfälle aufgenommen werden, mit deren Veröffentlichung sich die Beteiligten einverstanden erklärt haben. Es handelt sich hier um eine Kann-Regelung. Eine Auskunftspflicht bestand und besteht in dieser Hinsicht nicht. Es haben auch nicht alle Standesämter von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
In Zeitungsartikeln und Einzeleingaben sind jedoch über die zunehmende Tätigkeit unseriöser Firmen, die sich „auf das Geschäft mit den Wechselfällen des Lebens spezialisiert haben", Klagen geführt worden, nach denen diese die ihnen überlassenen Listen der beurkundeten Personenstandsfälle zu unlauteren Zwecken und, so wird vermutet, zum Anschriftentausch verwenden. In der Presse ist in diesem Zusammenhang von „Namenskauf beim Standesamt" und von „Adressenhandel" gesprochen worden.
Bei der Erörterung der Beschwerden mit den Länderinnenministerien haben sich diese mit Mehrheit dafür ausgesprochen, § 104 der Dienstanweisung dahin zu ändern, daß die Standesbeamten Angaben über die von ihnen beurkundeten Personenstandsfälle künftig weder veröffentlichen noch Interessenten zur Verfügung stellen dürfen. Die kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Dienstanweisung, die noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sieht diese von den Ländern gewünschte Änderung des § 104 vor. Die Bundesregierung ist dabei von der Erwägung ausgegangen, daß der Schutzwürdigkeit privater Interessen — hier der an einem Personenstandsfall beteiligten Personen — der Vorrang gegenüber einem möglicherweise bestehenden Interesse an einer Veröffentlichung von Personenstandsfällen gebührt.

Dr. Renate Lepsius (SPD):
Rede ID: ID0714552700
Herr Staatssekretär, ist daraus zu schließen, daß diese Veröffentlichung von Informationen über die „Wechselfälle des Lebens" — wie Sie das humorigerweise genannt haben — an Tageszeitungen, die in ihrem Lokalteil von diesen Informationen mit leben, auf Grund einer Güterabwägung im Konfliktfall ausgeschlossen wird?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714552800
Frau Kollegin, zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß es allenfalls ein Mißverständnis oder unbeabsichtigter Humor sein kann, wenn die Formulierung „Wechselfälle des Lebens" so verstanden wird. Tatsächlich handelt es sich um ein Zitat derjenigen, die durch anstoßerregende Machenschaften auffällig geworden sind.
Im übrigen hat die Abwägung, die die Bundesregierung auf Wunsch der Mehrheit der Länderinnenminister vorgenommen hat, in der Tat dazu geführt, das Interesse an der Veröffentlichung solcher Angaben zurücktreten zu lassen hinter dem Interesse der Betroffenen, nicht durch unerwünschte Ansprachen und Besuche von außen auf Grund solcher Veröffentlichungen gestört zu werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714552900
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Renate Lepsius (SPD):
Rede ID: ID0714553000
Teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß eine nicht eindeutig vorgenommene Klärung dieser Frage dazu führen könnte, daß eine solche Regelung in Widerspruch steht zu den Bemühungen der Bundesregierung, mit der Verabschiedung des Pressestatistikgesetzes und der Gesetzesvorlage zur Pressefusionskontrolle gerade kleine Tageszeitungen zu schützen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714553100
Frau Kollegin Dr. Lepsius, den Konflikt, den Sie hier ansprechen, vermag ich nicht ohne weiteres zu sehen, sehr wohl aber das Interesse der Lokalzeitungen oder der anderen Zeitungen mit einem Lokalteil, diese bisher weitgehend praktizierten Veröffentlichungen auch in Zukunft fortzuführen. Ich halte es, wenn ich mir die Bewertung erlauben darf, insofern für sehr nützlich, daß Sie diesen Gesichtspunkt hier in der Fragestunde des Deutschen Bundestages noch einmal angesprochen haben.
Wie ich Ihnen eben schon sagte, bedarf die Änderung der Dienstanweisung, die die Bundesregierung dem Bundesrat vorgelegt hat, noch deren Zustimmung. Die Beratung in den Ausschüssen des Bundesrates steht im Februar bevor, die im Plenum im März. Ich werde dafür sorgen, daß in den Beratungen des Bundesrates auf diesen Gesichtspunkt seitens der Bundesregierung noch einmal hingewiesen wird, damit auch dort geprüft werden kann, ob es vielleicht eine vermittelnde Lösung gibt, die dem Informationsinteresse Rechnung trägt, einen Mißbrauch aber nicht zuläßt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714553200
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0714553300
Herr Staatssekretär, da Sie von einer möglichen vermittelnden Lösung sprechen, meine Frage: Ist Ihnen bekannt, daß in den Lokalzeitungen bei den standesamtlichen Mitteilungen bei Geburten häufig lediglich der Name des Neugeborenen und der des Vaters mit Beruf und Straße angegeben wird, keinesfalls aber der Name der Mutter, und würden Sie bei Ihrem Gespräch mit den Landesinnenministern diese bitten, bei den Gemeinden darauf hinzuwirken, sofern sie solche standesamtliche Mitteilungen machen, daß der Name der Mutter bei Geburten nicht völlig unterschlagen wird?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714553400
Frau Kollegin, so wichtig der Hinweis ist, so steht



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
er doch mit der zweiten eingereichten Frage nicht im Zusammenhang. Ich lasse die Frage nicht zu.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0714553500
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß bereits in der Vergangenheit viele Standesämter von dieser Möglichkeit der Aushändigung derartiger Mitteilungen keinen Gebrauch mehr gemacht haben, und zwar ausschließlich zum Schutz der Interessen des einzelnen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714553600
Es ist in der Tat richtig, Herr Kollege Nordlohne, daß es schon sehr verbreitet die Übung gegeben hat, solche Listen nicht den Zeitungen zu geben. Häufiger sind nach den uns vorliegenden Erkenntnissen allerdings die Fälle, in denen solche Übersichten veröffentlicht werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714553700
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann auf:
Wie groß ist die Zahl der beim Deutschen Suchdienst Hamburg erfaßten in der CSSR lebenden Kinder, deren Eltern von der Bundesrepublik Deutschland aus die Familienzusammenführung mit diesen Kindern betreiben, und wieviel Fälle dieser Art konnten nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen durch die Bemühungen des Roten Kreuzes mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland geklärt werden?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714553800
Herr Kollege Pfeffermann, beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg sind derzeit 339 deutsche Kinder in der Tschechoslowakei erfaßt, deren Eltern in der Bundesrepublik leben. Bemühungen um die Ausreise dieser Kinder werden seit Jahren durch das Deutsche Rote Kreuz in Verhandlungen mit dem Tschechoslowakischen Roten Kreuz unternommen.
Die auf der Grundlage des Briefwechsels über humanitäre Fragen zum deutsch-tschechoslowakischen Vertrag aufgenommenen Verhandlungen der Rotkreuzgesellschaften laufen noch. Über Ergebnisse kann zur Zeit noch nicht berichtet werden. Für die Bundesregierung kann ich Ihnen im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt versichern, daß sie sich um die Familienzusammenführung von Kindern in der Tschechoslowakei zu ihren Eltern in der Bundesrepublik weiter bemühen wird. Die tschechoslowakische Seite hat die in dem Briefwechsel zu humanitären Fragen zum deutsch-tschechoslowakischen Vertrag gegebenen Zusagen erst kürzlich ausdrücklich bekräftigt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714553900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0714554000
Herr Staatssekretär, bei wem, bei welcher Stelle der tschechoslowakischen Regierung hat die Bundesregierung in der Zwischenzeit in jedem einzelnen der bekanntgewordenen Fälle interveniert?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714554100
Herr Kollege, ich kann Ihnen zunächst berichten, daß die Verhandlungen der Rotkreuzgesellschaften über diese Frage nach dem Briefwechsel zu humanitären Fragen intensiviert und fortgeführt werden. Über einen Vorstoß der Bundesregierung unmittelbar kann ich Ihnen im Moment nicht berichten. Ich habe diesen Zusammenhang mit Ihrer Fragestellung nicht vorhergesehen und müßte mir vorbehalten, wenn Sie dies wünschen, Ihnen dies nachträglich zu beantworten.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Ich würde darum bitten!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714554200
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte, Herr Kollege!

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0714554300
Herr Staatssekretär, was empfehlen Sie den in Deutschland lebenden Eltern für den Fall, daß diese Eltern nicht aus der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft entlassen werden, womit die Tschechoslowakei eine Zusammenführung mit ihren Kindern ablehnt?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714554400
Herr Kollege, ich muß Sie hinsichtlich dieser Zusatzfrage auf ein Fehlen des Sachzusammenhangs mit der von Ihnen schriftlich eingereichten Frage hinweisen.

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0714554500
Herr Präsident, ich hätte, wenn Sie es ermöglichen könnten, die herzliche Bitte, die Beantwortung dieser Zusatzfrage zuzulassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714554600
Wenn der Herr Staatssekretär Ihre Zusatzfrage beantworten will, so mag das geschehen. Nur, wie gesagt, der Sachzusammenhang mit der Ausgangsfrage ist sehr lose.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714554700
Herr Kollege Pfeffermann, ich bestätige Ihnen gerne, daß dies eine wichtige Frage von praktischer Bedeutung ist. Auch hier ist allerdings der Zusammenhang mit Ihrer Frage nach der Zahl der registrierten Kinder nicht so eng, daß ich darauf vorbereitet bin, Ihnen dies zu sagen. Wenn Sie einverstanden sind, will ich auch dies für eine ausführlichere schriftliche Beantwortung vermerken.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714554800
Ich lasse noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka zu.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0714554900
Herr Staatssekretär, ist es nicht höchst auffallend und bestürzend, daß offenbar noch nicht ein einziges Kind der 339 Kinder zu den Eltern hat kommen können — trotz eines Briefwechsels, der im Zusammenhang mit dem Prager Vertrag über humanitäre Fragen geführt worden ist?

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)





Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714555000
Herr Kollege Hupka, dieser Zustand ist in der Tat ganz außerordentlich zu bedauern. Er gibt allen Beteiligten in der Bundesrepublik Deutschland Veranlassung, die Bemühungen intensiv fortzusetzen. Andererseits ist allerdings zu berücksichtigen, daß das Vertragswerk, einschließlich dieses Briefwechsels, erst vor etwa einem halben Jahr in Kraft getreten ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714555100
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) auf:
Treffen Pressemeldungen zu, nach denen der Präsident des Niedersächsischen Landesamts für Verfassungsschutz die jährliche finanzielle Unterstützung der DKP seitens der DDR auf schätzungsweise hundert Millionen DM beziffert, und ist diese Größenordnung nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zutreffend?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714555200
Herr Kollege Jäger, die in der Frage erwähnten Pressemeldungen treffen zu. Dazu ist jedoch zu bemerken, daß der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im niedersächsischen Ministerium des Innern, Herr Ministerialdirigent füllig, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 20. Januar 1975 seine Angaben näher erläutert hat.
Danach stellt die SED der DKP direkt für Ausgaben der Partei einen Betrag in Höhe von zur Zeit rund 30 Millionen DM jährlich zur Verfügung. Diese Zahl, die auch mit Darlegungen des Innenministers von Nordrhein-Westfalen in einer Sitzung des Hauptausschusses des Landtages am 16. Januar 1975 übereinstimmt, kann nach den Erkenntnissen der Bundesregierung als zutreffende Schätzung angesehen werden.
Nach den weiteren Ausführungen von Herrn Ministerialdirigenten Jüllig waren mit dem von ihm genannten höheren Betrag die gesamten Aufwendungen der SED für Organisationen, Publikationen und andere Aktivitäten des orthodoxen Kommunismus in der Bundesrepublik Deutschland gemeint. Der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im niedersächsischen Ministerium des Innern rechnete hierzu beispielweise die Unterstützungen durch die SED für die „Sozialistische Deutsche Arbeiter-Jugend" SDAJ —, den „Marxistischen Studentenbund Spartakus" — MSB —, die Kinderorganisation „Junge Pioniere", für eine Reihe von Hilfsorganisationen, für die kommunistische Zeitung „Unsere Zeit" — UZ — sowie die Aufwendungen für Delegationsreisen und Schulungen von Funktionären.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714555300
Eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714555400
Herr Staatssekretär, hat die DKP diese Zuwendungen in ihrem Rechnungslegungsbericht, zu dem sie nach dem Parteiengesetz verpflichtet ist, aufgeführt, und wenn nicht, hat die Bundesregierung schon Maßnahmen zur Überprüfung dieser Rechnungslegung eingeleitet?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714555500
Herr Staatssekretär, ich bitte, nur die erste Zusatzfrage zu beantworten, weil es nicht möglich ist, daß durch zwei verbundene Zusatzfragen die Zahl der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Zusatzfragen vermehrt wird.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714555600
Wie aus dem vor kurzem im „Bundesanzeiger" veröffentlichten Rechenschaftsbericht der DKP hervorgeht, sind dort solche Zuwendungen nicht aufgeführt, Herr Kollege Jäger.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714555700
Eine zweite Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714555800
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung Zuwendungen in dieser Größenordnung von der führenden Staatspartei der DDR noch mit den Bestimmungen des Grundgesetzes für vereinbar, wenn sie an eine Partei gehen, die nach den Erkenntnissen des Bundesverfassungsschutzes mit ihrem Handeln und mit ihrem Programm gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet ist?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714555900
Herr Kollege Jäger, ich finde Ihre Frage insofern überraschend, als bisher, soweit ich sehe, niemand geprüft hat, ob das Verhalten der SED an den Bestimmungen des Grundgesetzes zu messen ist.
Wieweit hier grundgesetzwidrige Aktivitäten entfaltet werden und welche Konsequenzen wir in der Bundesrepublik daraus zu ziehen haben, ist eine ganz andere Frage, die ja z. B. im Zusammenhang mit dem Stichwort „Parteiverbot oder nicht" laufend geprüft und zuweilen auch erörtert wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714556000
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) auf.

(Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Ich hätte noch eine Zusatzfrage stellen wollen!)

— Entschuldigen Sie, dann hätten Sie sich an das Mikrophon stellen müssen.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsauffassung der Sowjetunion, wonach die Grundsätze der Souveränität und der Nichteinmischung die Staaten verpflichte, grenzüberschreitende Funk- und Fernsehsendungen von Aussagen freizuhalten, welche dem Nachbarstaat mißfallen, und wie steht die Bundesregierung zu Versuchen, diesem sowjetischen Standpunkt im Programm der Deutschen Welle zumindest faktisch Rechnung zu tragen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714556100
Herr Kollege Jäger, die Sowjetunion vertritt im Rahmen der internationalen Diskussion über Nutzungsgrundsätze für direktes Satellitenfernsehen den Standpunkt, daß das Prinzip des freien grenzüberschreitenden Informationsflusses durch den Grundsatz der staatlichen Souveränität eingeschränkt sei. Sie hat diese Auffassung in einem Entwurf über Nutzungsgrundsätze präzisiert, den sie im Weltraumausschuß der Vereinten Nationen eingebracht hat.
Danach soll die Ausstrahlung von Sendungen in andere Staaten ohne deren Zustimmung, vor allem



Parl. Staatssekretär Dr. Schmude
Übertragungen, die auf die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten abzielen oder die Grundlagen der örtlichen Zivilisation, Kultur, Lebensart, Traditionen oder Sprachen untergraben, als illegal gelten. Diesem Grundsatz der staatlichen Souveränität steht das von westlichen Ländern, ein- schließlich der Bundesrepublik Deutschland, vertretene Prinzip der Informations- und Sendefreiheit gegenüber.
Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, von der Aufrechterhaltung dieses Prinzips abzuweichen. Nach Auffassung der Bundesregierung steht außer Frage, daß die Ausstrahlung von terrestrischen Rundfunksendungen in das Ausland, selbstverständlich unter Beachtung der allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts, zulässig ist.
Der Bundesregierung ist im übrigen von Versuchen, etwa abweichenden Meinungen anderer Staaten in bezug auf das Programm der Deutschen Welle auch nur faktisch Rechnung zu tragen, nichts bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714556200
Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714556300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Pressemeldung in der „Welt" vom 24. Januar bekannt, in der genau diese Frage aufgeworfen wurde? Hätte diese Meldung — falls sie Ihnen bekannt ist — nicht Anlaß geboten, den letzten Teil meiner Frage eingehender zu beantworten?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714556400
Herr Kollege Jäger, die Bundesregierung geht davon aus, daß diejenigen Gesichtspunkte, die in der Antwort auf eine Frage erörtert werden sollen, aus dieser Frage selbst zu ersehen sein müssen. Anregungen dieser Art werden, ohne daß dies ausdrücklich angeführt wird, nicht unbedingt der Presse entnommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714556500
Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0714556600
Wird die Bundesregierung ihre eben durch Sie gegebene Antwort angesichts der Tatsache noch einmal überprüfen, daß die Deutsche Welle in einer Berichtigungsmitteilung, die in der heutigen Ausgabe der „Welt" gestanden hat, zwar einige Feststellungen dieser Meldung, nicht aber genau jenen zentralen Punkt korrigiert hat, nach dem ich gefragt habe?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714556700
Herr Kollege, Sie haben auch in dieser Zusatzfrage nicht den Inhalt der Information aus der „Welt" angesprochen, auf die Sie sich konkret beziehen. Die Bundesregierung wird selbstverständlich Ihren Hinweis zum Anlaß nehmen, die Angelegenheit noch einmal zu überprüfen. Ich sehe allerdings nach sorgfältiger Prüfung der auf Ihre Hauptfrage gegebenen Antwort keine Veranlassung zu der Annahme, daß hier eine Anderung erforderlich sein wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714556800
Die nächsten beiden Fragen sind von dem Herrn Abgeordneten Kern eingebracht worden. Herr Abgeordneter, im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Fragestunde würde ich vorschlagen, daß Sie entweder auf Zusatzfragen verzichten — sonst wird Ihre zweite Frage nicht mehr aufgerufen —, oder daß der Herr Staatssekretär vielleicht eine zusammengefaßte Antwort für beide Fragen gibt. Wären Sie damit einverstanden?

Karl-Hans Kern (SPD):
Rede ID: ID0714556900
Ich wäre damit einverstanden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714557000
Dann rufe ich die Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Kern auf:
Sind dem Bundesinnenministerium Sicherheitsbedenken gegen die chilenischen Flüchtlinge bekannt, deren Aufnahme das Land Baden-Württemberg abgelehnt hat?
Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, wie mit anderen Landesregierungen, so auch mit der Landesregierung von Baden-Wurttemberg eine Übereinkunft zu erreichen, durch die auch das Land Baden-Württemberg Aufenthaltsgenehmigungen für chilenische Flüchtlinge erteilt?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714557100
Herr Kollege Kern, der Bundesregierung sind keine Sicherheitsbedenken bekannt, die die Zurückweisung derjenigen Personen aus Chile erfordern, deren Aufnahme das Land Baden-Württemberg abgelehnt hat. Es liegt allerdings in der Zuständigkeit des für die Aufnahme vorgesehenen Landes, aus den über die Betroffenen vorliegenden Erkenntnissen eigene Schlußfolgerungen zu ziehen. Das Land Baden-Württemberg ist bei dieser Bewertung in dem von Ihnen angesprochenen Fall zu einem anderen Ergebnis gekommen als die Bundesregierung.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Chile hat sich das Land Baden-Württemberg — ebenso wie andere Länder — bereit erklärt, eine bestimmte Zahl von Chile-Flüchtlingen aufzunehmen. Nach dieser Erklärung waren vom Land Baden-Württemberg 100 Personen aufzunehmen. Diese Zahl ist inzwischen durch Aufnahmezusagen des Landes aus den letzten Tagen erreicht. Trotz der Zurückweisung einzelner Persönlichkeiten besteht also die grundsätzliche Bereitschaft des Landes Baden-Württemberg, chilenische Flüchtlinge aufzunehmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714557200
Zunächst eine Zusatzfrage des Fragestellers, Herrn Abgeordneten Kern.

Karl-Hans Kern (SPD):
Rede ID: ID0714557300
Herr Staatssekretär, kann es dazu kommen, daß Personen aus der vom Land Baden-Württemberg abgelehnten Gruppe in Chile länger in Haft verbleiben müssen, weil in der Bundesrepublik niemand zu ihrer Aufnahme bereit ist?




Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714557400
Herr Kollege Kern, nach den Erfahrungen der letzten Wochen habe ich allerdings die Sorge, daß es dazu kommen kann. Durch die großzügigere Haltung anderer Länder sind diese Sorgen in einem Teil der Fälle behoben, aber nicht im ganzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714557500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0714557600
Herr Staatssekretär, da Sie behaupten, es lägen keine Sicherheitsbedenken vor, frage ich Sie: Hat eigentlich für die in Frankfurt gelandeten Chilenen ein geordnetes Aufnahme- und Asylverfahren in Zirndorf bei einem unabhängigen Spruchsenat, der sich mit der Sicherheitsüberprüfung befassen soll, stattgefunden, oder sollten diese Bewerber anders als andere Asylbewerber an dem Verfahren vorbeigeschleust werden?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714557700
Herr Kollege, ich sehe nicht den geforderten unmittelbaren Sachzusammenhang. Aber wenn der Herr Staatssekretär aus seiner Kenntnis in der Lage ist, darauf einzugehen, lasse ich eine Beantwortung der Frage zu.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0714557800
Herr Kollege Dr. Czaja, in der Tat werden in Ihrer Zusatzfrage mehrere Tatbestände miteinander verbunden, die nicht zusammengehören.

(Zuruf von der SPD: Genau das!)

Sicherheitsüberprüfungen erfolgen in jedem Einzelfall schon vor der Anreise, vor der Aufnahme in die Bundesrepublik. Das Asylverfahren ist ein gesondertes Verfahren, das sich dann anschließen kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0714557900
Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz wird schriftlich beantwortet, da der Herr Abgeordnete nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, 30. Januar 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.