Protokoll:
7139

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 139

  • date_rangeDatum: 19. Dezember 1974

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 08:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:37 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 139. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Inhalt: Überweisung einer Vorlage an den Haushaltsausschuß 9561 A Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . 9561 B Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung (Antrag der Fraktionen der SPD, FDP) — Drucksache 7/2979 —, Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO — Drucksache 7/3012 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/3010 — Zweite und dritte Beratung in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes (Antrag der Fraktionen der SPD, FDP) — Drucksache 7/2980 —, Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO — Drucksache 7/3012 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/3011 — Zweite und dritte Beratung in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über Investitionszuschüsse für gemeinnützige Wohnungs-und Siedlungsunternehmen (Antrag der Fraktionen der SPD, FDP) — Drucksache 7/2981 —, Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO — Drucksache 7/3012 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 7/3006 — Zweite und dritte Beratung in Verbindung mit Bericht und Antrag des Haushaltsausschusses zu dem Antrag betr. zusätzliche Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur — Drucksachen 7/2978, 7/3008 — Dr. Häfele (CDU/CSU) 9562 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 9562 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 9566 A, 9585 A Dr. Apel, Bundesminister (BMF) . 9572 B Höcherl (CDU/CSU) 9574 C Kirst (FDP) 9575 C Dr. Prassler (CDU/CSU) 9579 D Henke (SPD) 9580 B Mick (CDU/CSU) 9581 A Zeyer (CDU/CSU) 9581 D Reuschenbach (SPD) 9582 B II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Dr. Friderichs, Bundesminister (BMWi) 9582 C Offergeld (SPD) . . . . . . . 8583 D Erklärung der Bundesregierung betr. die Ergebnisse der NATO-Ratstagung Genscher, Bundesminister (AA) . . 9585 C Dr. Wörner (CDU/CSU) 9588 D Friedrich (SPD) . . . . . . . 9594 B Ronneburger (FDP) 9599 B Aktuelle Stunde betr. Verhandlungen und Gespräche mit der DDR Dr. Abelein (CDU/CSU) 9623 B Franke, Bundesminister (BMB) . . 9624 B Dr. Schachtschabel (SPD) 9625 D Hoppe (FDP) . . . . . 9626 C, 9640 C Kunz (Berlin) (CDU/CSU) . . . . 9627 B Schmidt, Bundeskanzler . 9628 B, 9631 B, 9637 D, 9641 A Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 9630 B, 9638 D Wehner (SPD) 9632 B von Hassel, Vizepräsident . . . 9629 A, 9632 D Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 9633 A Ronneburger (FDP) 9634 B Dr. Kreutzmann (SPD) 9635 A Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . 9636 A Mischnick (FDP) 9637 A Löffler (SPD) . . . . . . . . 9639 C Dr. Abelein (CDU/CSU) (Bem. nach § 35 GO) 9641 C Fragestunde — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 Frage A 63 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Fiebig (SPD) : Äußerungen des Ministerialdirigenten Dr. Dr. Walter aus dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zum Entwurf des Arzneimittelgesetzes; Konsequenzen aus diesen Äußerungen Zander, PStSekr (BMJFG) . . . . 9602 C Fragen A 105 und 106 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Blumenfeld (CDU/CSU) : Maßnahmen der Bundesregierung zur Verhinderung der Freisetzung der vier arabischen Terroristen und Mörder eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland durch die tunesische Regierung; Schritte der Bundesregierung zur Erwirkung der Einleitung eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens für die Mörder des Bundesbürgers von der palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Moersch, StMin (AA) . . 9603 A, B, C, D, 9604 A Blumenfeld (CDU/CSU) . 9603 A, B, C, D Dr. Schweitzer (SPD) . . . . . . 9604 A Fragen A 108 und 109 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schachtschabel (SPD) : Anschluß aller Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland bei Ausrüstung mit einem Krisen-(sprech)Funkgerät an das Basisnetz; Höhe der Investitionskosten pro Basisfunkstelle; Zeitpunkt der Ausrüstung weiterer Botschaften mit Krisen-(sprech)-Funkanlagen Moersch, StMin (AA) . . . 9604 B, C, D Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . 9604 C Frage A 111 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU CSU) : Verlangen nach Erklärung der Bundesregierung zur Annexion Ostdeutschlands jenseits von Oder und Neiße durch Polen und Sowjetrußland Moersch, StMin (AA) . . 9605 A, B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . 9605 A, C Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . . 9605 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 9605 D Frage A 112 -- Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/ CSU) : Vereinbarkeit des laut Stenographischem Bericht über die 134. Sitzung, Seite 9179 von der Bundesregierung vertretenen Standpunkts mit dem Grundgesetz, der Begründung zum Karlsruher Urteil vom 31. Juli 1973 und der gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1973 Moersch, StMin (AA) . . 9606 A, B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) 9606 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 9606 C Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 9606 D Frage A 113 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Lattmann (SPD) : Geltung der Freiheitsrechte für Kunst, Literatur und Wissenschaft nach Art. 5 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 III GG auch für Einrichtungen und Pro- gramme der auswärtigen Kulturpolitik Moersch, StMin (AA) . . . . 9607 A, B, D, 9608 B, D Lattmann (SPD) 9607 B, D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 9608 B Frau von Bothmer (SPD) . . . . 9608 C Frage A 115 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schweitzer (SPD) : Beurteilung der Bedeutung des Fulbright-Programms für die Entwicklung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten Moersch, StMin (AA) . . 9609 A, B, C, Dr. Schweitzer (SPD) 9609 B Frage A 114 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schweitzer (SPD) : Beurteilung der Entwicklung der Besuchsreisen und des Austausches von Wissenschaftlern zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland seit Abschluß des Warschauer Vertrags Moersch, StMin (AA) . 9609 D, 9610 A, B Dr. Schweitzer (SPD) 9609 D Dr. Hupka (CDU/CSU) 9610 A Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 9610 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 9610 B Frage A 116 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Franz (CDU/ CSU) : Berücksichtigung sowjetischer und arabischer Wünsche bei dem Beschluß des Senats von Berlin über die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis für aus Osteuropa stammende Israelis auf höchstens sechs Monate Moersch, StMin (AA) . . . . . . 9610 C Frage A 117 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU): Maßnahmen der Bundesregierung gegen die laut Pressemeldungen von der Regierung der Volksrepublik Polen beabsichtigte Herabsetzung des Sonderkurses für Devisengeschenke aus der Bundesrepublik Deutschland von bisher 23,6 Zloty für eine Deutsche Mark auf 12,6 Zloty Moersch, StMin (AA) . . 9610 D, 9611 A Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU) . . . 9611 A Frage A 110 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Behandlung der Mitglieder der obersten Verfassungsorgane des Bundes bei der Ausstellung amtlicher Pässe Moersch, StMin (AA) . . . . . 9611 B, C Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 9611 B Frage A 20 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Baier (CDU/CSU) : Erhöhung der Grund-, Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer als Folge der fehlenden Absetzungsmöglichkeit der Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz als Betriebsausgaben; gesetzgeberische Maßnahmen zur Schaffung einer Möglichkeit für die Absetzung von Ausgaben für den Umweltschutz als Betriebsausgaben Haehser, PStSekr (BMF) 9611 D, 9612 A, B Baier (CDU/CSU) 9612, A, B Frage A 71 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Kücheneinrichtung des modernsten Elektrotriebwagenzugs der Deutschen Bundesbahn Haar, PStSekr (BMV) . 9612 C, D, 9613 A Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 9612 D Frage A 72 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Flämig (SPD) : Unterbindung oder Einschränkung des Einsatzes von Streusalz im Winter Haar, PStSekr (BMV) . . 9613 A, B, C Flämig (SPD) . . . . . . . . 9613 B, C Frage A 74 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Enders (SPD) : Ausdehnung der Gültigkeit der Arbeiterwochenkarte der Deutschen Bundesbahn auf Sonntage Haar, PStSekr (BMV) . . 9613 D, 9614 A Dr. Enders (SPD) . . . . . . . . 9613 D Frage A 78 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Baier (CDU/CSU) : Gründe für die bei Geschenksendungen in die DDR erforderliche Desinfektionsbescheinigung Baier (CDU/CSU) . . . . . . 9614 B, C Herold, PStSekr (BMB) . . . . 9614 C Dr. Kreutzmann (SPD) 9614 C IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Frage A 79 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Werner (CDU/ CSU) : Gleichbehandlung der Benutzer der Straßen und Wege in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im Zusammenhang mit den Verhandlungen über Verlängerung und Ausweitung des Swing Herold, PStSekr (BMB) 9614 D, 9615 A, B Werner (CDU/CSU) 9515 A, B Dr. Geßner (SPD) 9615 B Fragen A 82 und 83 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/CSU) : Rücknahme der Verdoppelung der Zwangsumtauschsätze seitens der DDR; Ausschluß einer erneuten Erhöhung der Zwangsumtauschsätze der DDR Herold, PStSekr (BMB) . . . . 9615 B, D, 9616A, B, D, 9617 A Dr. Abelein (CDU/CSU) . 9615 D, 9616 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 96 15 D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 9616 B Dr. Kreutzmann (SPD) 9616 B Dr. Gradl (CDU/CSU) 9616 C Höhmann (SPD) 9616 D Fragen A 86 und 87 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Jäger (Wangen) (CDU/CSU): Zeitpunkt der Paraphierung eines Abkommens-Textes über die Verlängerung des Überziehungskredits im innerdeutschen Handel (Swing); Meldungen des „Neuen Deutschland" zur zeitlichen Folge der Vereinbarungen Herold, PStSekr (BMB) . . 9617 B, C, D, 9618 A, B, C, D Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 9617 C, D, 9618 C, D Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . . 9618 A Höhmann (SPD) . . . . . . . . 9618 A Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . . 9618 B Dr. Mende (CDU/CSU) . . . . . 9618 B Frage A 88 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) : Auskunft der DDR über die Verwen- dung der Straßenbenutzungsgebühren Herold, PStSekr (BMB) . 9619 A, B, C, D Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . 9619 B, C Höhmann (SPD) . . . . . . . . 9619 D Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 9619 D Fragen A 89 und 90 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Marx (CDU/CSU) : Höhe und Verwendung der in den Jahren 1973 und 1974 aus der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlin) an die DDR geleisteten Zahlungen Herold, PStSekr (BMB) . 9620 A, B, C, D Dr. Marx (CDU/CSU) . . . . . . 9620 B Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . . 9620 B, 9620 D Fragen A 91 und 92 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Kunz (Berlin) (CDU/CSU) : Mangelnde Unterrichtung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin über die Verhandlungen über die Verlängerung des Überziehungskredites durch die Bundesregierung; Regelung mit der DDR über die Verwendung der Zwangsumtauschbeträge Herold, PStSekr (BMB) 9620 D, 9621 B, C, D, 9622 A Kunz (Berlin) (CDU/CSU) 9621 B, 9622 A Höhmann (SPD) 9621 C Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 9621 C Frage A 93 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) : Erklärung von Bundesminister Franke zur Regelung der Grenzfrage am Elbe-abschnitt zwischen Lauenburg und Schnackenburg Herold, PStSekr (BMB) . . . . 9622 B, D 9623 A, B Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . 9622 C, D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 9623 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 9623 A Nächste Sitzung 9641 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9643* A Anlage 2 Zusätzliche Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage B 12 — Drucksache 7/2767 vom 8. 11. 74 — des Abg. Pieroth (CDU/CSU) : Pressemeldungen über drohende Entlassungen im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen bei den US-Streitkräften; soziale Sicherung der betroffenen Arbeitnehmer . . . . . . . 9643* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 V Anlage 3 Antwort des PStSekr Dr. Haack (BMBau) auf die Frage A 1 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Gansel (SPD) : Verzicht auf die Ansetzung von Zinsen für Sparguthaben bis zu 15 000 DM bei der Berechnung von Wohngeld . . . 9643* D Anlage 4 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage A 19 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Kroll-Schlüter (CDU/CSU) : Kosten des von der Bundesregierung herausgegebenen Informationsmaterials zur Aufklärung der Bevölkerung über die Steuerreform und die neue Kindergeldregelung 9644* A Anlage 5 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage A 21 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) : Auffassung der Bundesregierung zu einer Entschließung der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Verfolgtenorganisationen betr. ungerechte Behandlung von NS-Opfern . . . . . . . . . 9644* B Anlage 6 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Fragen A 22 und 23 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Schmidhuber (CDU/CSU) : Haltung der Bundesregierung zu einer Außerung des amtierenden Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung zu den Anstrengungen der Bundesrepublik hinsichtlich der Rohstoffversorgung; Verteilung der Kompetenzen in dieser Frage 9644* D Anlage 7 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Fragen A 24 und 25 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Milz (CDU/CSU) : Angabe der Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, die durch den regionalen Fonds der Europäischen Gemeinschaft gefördert werden; Bemessungsgrundlagen für die Abgrenzung; Auswirkungen der Förderung aus dem regionalen Fonds der Europäischen Gemeinschaft auf die Förderungsmaßnahmen des Bundes und der Länder . . . 9645* B Anlage 8 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage A 61 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Kiechle (CDU/ CSU) : Existenz von Institutionen, die die in der Trinkwasserverordnung geforderten Untersuchungen durchführen können 9645* C Anlage 9 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage A 62 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Gansel (SPD) : Zeitpunkt der Vorlage der nach dem Heimgesetz erforderlichen Rechtsvorschriften; Länge des Zeitraums von der Verabschiedung des Gesetzes bis zum Beginn des Vollzugs sämtlicher nach dem Heimgesetz erforderlichen sonstigen Vorschriften . . . . . . . . 9645* D Anlage 10 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage A 64 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Zeitpunkt der Einbringung eines Entwurfs eines Jugendhilfegesetzes im Deutschen Bundestag . . . . . . . 9646' B Anlage 11 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage A 65 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Zimmermann (CDU/CSU) : Meldung über eine Spende des Schlagersängers Rex Gildo in Höhe von 800 000 DM für Kindergärten; Verwendung dieser Mittel durch die Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit 9646* B Anlage 12 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen A 66 und 67 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Angleichung der Werte für bauliche Schutzmaßnahmen gegen Straßenverkehrslärm an die Werte für den Schutz gegen Fluglärm; Zuverlässigkeit der Meßverfahren 9646* C Anlage 13 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 68 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Festlegung einer gemeinsamen Haltung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft vor Beginn der Seerechtskonferenz in Genf . . . . . . . . 9647* A Anlage 14 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage A 69 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) : Pläne hinsichtlich der Fortführung der Autobahn Gießen–Hanau–Aschaffenburg in Richtung Heilbronn/Stuttgart . 9647* B Anlage 15 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage A 70 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Egert (SPD) : Ausnahmeregelung für die Einstellung von Stewardessen der Modern Air bei anteilig der öffentlichen Hand gehörenden Fluggesellschaften 9647* B Anlage 16 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage A 73 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Büchner (Speyer) (SPD) : Elektrifizierung der Bahnstrecke Schifferstadt–Speyer–Germersheim–Wörth . 9647* C Anlage 17 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen A 75 und 76 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Abschaffung der Probezeit für den Aufstieg in den gehobenen Dienst nach bestandener Laufbahnprüfung im Bereich der Deutschen Bundesbahn . . . 9647* D Anlage 18 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage A 77 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Tillmann (CDU/ CSU) : Zweckmäßigkeit des Anlegens von Sicherheitsgurten in Kabrioletts; Erhöhung des Risikos durch das Anlegen der Gurte beim Fahren mit geöffnetem Dach 9648* A Anlage 19 Antwort des PStSekr Herold (BMB) auf die Fragen A 80 und 81 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Warnke (CDU/CSU) : Verhandlungen mit der DDR über den Abbau der grundvertragswidrigen Zu- stände an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze sowie über die Haftentlassung von in der DDR wegen sogenannter Fluchthilfe und „versuchter Republikflucht" inhaftierten Deutschen 9648* B Anlage 20 Antwort des PStSekr Herold (BMB) auf die Fragen A 84 und 85 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : Unterzeichnung der Swing-Vereinbarung mit der DDR-Regierung vor dem Auslaufen der alten Swing-Vereinbarung und vor der Klärung der Frage der Gebührenpauschale für die Benutzung der Transitwege 9648* D Anlage 21 Antwort des PStSekr Dr. Hauff (BMFT) auf die Frage A 94 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Werner (CDU/ CSU) : Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Forschung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien . . . . . . . . . . . . 9649* B Anlage 22 Antwort des PStSekr Dr. Hauff (BMFT) auf die Frage A 95 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Franz (CDU/CSU) : Möglichkeit der Bereitstellung von 1,5 Millionen DM für die Finanzierung des von der Forschungsstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache projektierten deutsch-deutschen Wörterbuchs 9649* D Anlage 23 Antwort des PStSekr Dr. Hauff (BMFT) auf die Fragen A 96 und 97 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 des Abg. Lampersbach (CDU/CSU) : Vereinbarkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) mit ihrer Satzung; Verdrängungswettbewerb dieser Gesellschaft gegenüber Dienstleistungsunternehmen der freien Wirtschaft 9650* A Anlage 24 Antwort des PStSekr Brück (BMZ) auf die Fragen A 98 und 99 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Stahl (Kempen) (SPD) : Abstimmung von im Rahmen der deut- schen technischen Hilfe in Auftrag ge- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 VII gebenen Gutachten mit bei anderen Organisationen bekannten Ergebnissen; Vermittlung brasilianischer Arbeitskräfte in die Bundesrepublik Deutschland 9650* C Anlage 25 Antwort des PStSekr Brück (BMZ) auf die Fragen A 100 und 101 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Schluckebier (SPD) : Höhe der von den ölexportierenden Ländern im Vergleich zu den Industriestaaten für die Entwicklungshilfe aufgewendeten Mittel; Bewertung der Möglichkeit der Beschäftigung von Ausländern als Entwicklungshelfer durch die Bundesregierung . . . . . 9651 * B Anlage 26 Antwort des PStSekr Brück (BMZ) auf die Fragen A 103 und 104 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — der Abg. Frau von Bothmer (SPD) : Bewertung der Industrialisierungvorhaben in Zaire unter Federführung der KHD-Industrieanlagen AG unter entwicklungspolitischem Aspekt durch die Bundesregierung; Beteiligung der deutschen Kapitalhilfe an diesem Projekt . 9651* D Anlage 27 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 107 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Althammer (CDU/CSU) : Ergebnisse der deutsch-rumänischen Verhandlungen über ein neues Programm im Rahmen des Kulturabkommens von 1973 . . . . . . . . . 9652* A Anlage 28 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage B 1 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Röhner (CDU/CSU) : Auffassung der jugoslawischen Seite über die endgültige Aufgabe von aus der Vergangenheit abgeleiteten Forderungen; Erklärung der jugoslawischen Seite zur Erfüllung der Brioni-Übereinkunft zwischen dem damaligen Bundeskanzler und dem jugoslawischen Staats-und Parteichef . . . . . . . . . 9652* B Anlage 29 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage B 2 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Marx (CDU/ CSU) : Finanzielle Leistungen der einzelnen Mitgliedstaaten der UNO in den Jahren 1973 und 1974 9652* C Anlage 30 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage B 3 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Engelsberger (CDU/ CSU) : Beurteilung der vom US-Botschafter Scali in der UN-Vollversammlung geäußerten Meinung zu Resolutionen z. B. betreffend Aussperrung Südafrikas von der laufenden Sitzungsperiode und Beschneidung der Redezeit für Israel; Bereitschaft der Bundesregierung zu Konsequenzen bei wiederholtem Verstoß der UN-Mehrheit gegen die UN-Charta 9653* A Anlage 31 Antwort des BM Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Frage B 4 Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) : Maßnahmen der Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Ländern zur Verhinderung einer Beschäftigung von Verfassungsfeinden auch in den Rundfunk- und Fernsehanstalten . . . . 9653* B Anlage 32 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage B 5 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/CSU) : Erweiterung des Zeitraums von zwei Jahren für die Sprachförderung von Aussiedlern . . . . . . . . . . 9653* D Anlage 33 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage B 6 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) : Tätigkeit von Sympathisanten der Baader/Meinhof-Gruppe, die diese nachweislich unterstützt haben; Beurteilung der Ansicht von Innenminister Weyer über die Berichterstattung anläßlich der Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann . . . . . . 9654* A Anlage 34 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage B 7 — Drucksache 7/2982 vorn 13. 12. 74 — des Abg. Mertes (Stuttgart) (FDP) : VIII Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Unangemessene Fristen zur Erreichung vollstreckbarer Titel nach spanischem Recht; Bereitschaft der Bundesregierung zur diplomatischen Unterstützung deutscher Gläubiger bei der spanischen Regierung . . . . . . . . . . . 9654* B Anlage 35 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage B 8 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) : Dem Bund entstandene Kosten der Organisation des Besuchs von Sartre bei dem Untersuchungshäftling Baader 9654* D Anlage 36 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage B 9 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Gansel (SPD) : Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zur Belangung von Gutachtern bei gegenüber Gerichten vorsätzlich oder fahrlässig falsch abgegebenen Gutachten 9654* D Anlage 37 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage B 10 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Seefeld (SPD) : Anordnung zum sofortigen Schließen von Schlagbäumen nach dem Passieren eines jeden Kraftfahrzeugs an bestimmten Grenzstationen; Unvereinbarkeit mit der beabsichtigten Aufhebung von Beschränkungen beim Grenzverkehr in der EG 9655* B Anlage 38 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage B 11 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) : Auffassung zu der Frage einer Weiterentwicklung der Gesetzgebung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts . . . . . . . . . 9655* C Die Fragen B 12 und 13 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — sind vom Fragesteller zurückgezogen. Anlage 39 Antwort des PStSekr Porzner (BMF) auf die Frage B 14 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Köster (CDU/CSU) : Dauer der Zugrundelegung der Einheitswerte 1964 für die Grundsteuer . 9655* D Anlage 40 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage B 15 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Milz (CDU/CSU) : Höhe des Kraftfahrzeugsteuer- und des Mineralölsteueraufkommens 1973 und 1974; Verteilung dieser Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden 9656* A Anlage 41 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Fragen B 16 und 17 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Auskunft über die Konditionen der mit der Sowjetunion und Polen abgeschlossenen Kooperationsverträge sowie über die Konsultierung mit der EG; Vereinbarkeit dieser Verträge mit dem EWG-Vertrag . . . . . . . . . . . . 9656* B Anlage 42 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage B 18 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Marx (CDU/ CSU) : Inhalt und Ziele der Bemühungen um Koordinierung der regionalen Struktur-und Wirtschaftspolitik gegenüber einigen Nachbarländern 9656* D Anlage 43 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage B 19 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Eigen (CDU/CSU) : Maßnahmen des Bundeskartellamtes bei weiteren Preiserhöhungen der Stickstoffindustrie für Handelsdünger . 9657* C Anlage 44 Antwort des PStSekr Logemann (BML) auf die Frage B 20 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Sauter (Epfendorf) (CDU/CSU) : EG-Staaten, die in Brüssel keine Anmeldungen für das einzelbetriebliche Förderprogramm gemacht haben; Gründe dafür 9657* D Anlage 45 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Fragen B 21 und 22 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Biechele (CDU/CSU) : Richtigkeit der Informationen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unfallversicherungsträger über unfallverletzte Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 IX Schulkinder und die entsprechenden Versicherungskosten bezüglich des Jahres 1973; Informationen über ein Ansteigen der Zahl unfallverletzter Schulkinder im Jahre 1974; Möglichkeiten zur Verminderung der Unfallgefahren für Schulkinder . . . . . . . . . 9658* B Anlage 46 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage B 23 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Hansen (SPD) : Vereinbarkeit der Durchführung von psychologischen Tests bei der Einstellung von Mitarbeitern mit Art. 2 GG; Schutz vor Mißbrauch dieser Testergebnisse 9659' A Anlage 47 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage B 24 — Drucksache 7/2982 vom 13 12. 74 — des Abg. Sauter (Epfendorf) (CDU/CSU) : Zuschüsse der einzelnen Krankenversicherungsträger an Sozialstationen in unterschiedlicher Höhe für gleiche Leistungen; Wunsch nach einheitlichen Regelungen . . . . . . . . . . 9659* D Anlage 48 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage B 25 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Beermann (SPD) : Ausschluß von Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst aus der Arbeitslosenunterstützung im Falle des Ausscheidens aus dem Dienst; Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen für einen freiwilligen Beitritt dieses Personenkreises zur Arbeitslosenversicherung 9660* A Anlage 49 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage B 26 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Spranger (CDU/CSU) : Ansteigen der Arbeitlosenquote im Arbeitsamtsbezirk Ansbach auf 3 0/o bei gleichzeitigem Absinken der Stellenangebote; Umfang der aus dem neuen Konjunkturprogramm in diesen Arbeitsamtsbezirk fließenden Mittel . . . . 9660* B Anlage 50 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage B 27 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Niegel (CDU/ CSU) : Absolute und prozentuale Gesamthöhe der Zuschüsse für die Arbeiter- und die Angestelltenversicherung 9660* C Anlage 51 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage B 28 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Gansel (SPD) : Kündigung verschuldeter Arbeitnehmer bei Lohnpfändungen; Schutzregelung für solche Arbeitnehmer zur Verbesserung ihrer Chance auf günstigere finanzielle Verhältnisse . . . . . . 9660* D Anlage 52 Antwort des PStSekr Berkhan (BMVg) auf die Fragen B 29 und 30 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — der Abg. Frau Tübler (CDU/CSU): Meldung der „Kieler Nachrichten" über den Diebstahl zweier mit Bundeswehrersatzteilen beladener Sattelschlepper; Abstellort dieser Fahrzeuge; Unterlassung von Sicherheitsmaßnahmen . . . 9661* B Anlage 53 Antwort des PStSekr Berkhan (BMVg) auf die Frage B 31 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Peter (SPD) : Sicherheit der Arbeitsplätze beim Heeresinstandsetzungswerk St. Wendel . 9661' C Anlage 54 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage B 32 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Brandt (Grolsheim) (SPD) : Benachteiligung der Mitglieder der örtlichen Personalvertretungen bei den Stationierungsstreitkräften nach Inkrafttreten des Bundespersonalvertretungsgesetzes; Beurteilung der Benachteiligungen und Gegenmaßnahmen . . 9661* D Anlage 55 Antwort des PStSekr Berkhan (BMVg) auf die Fragen B 34 und 35 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Biehle (CDU/CSU) : Stellungnahmen des Landes Bayern, des Gesamtpersonalrats des BMVg und von Vertretern anderer Köperschaften bei Anhörungen im Rahmen von Untersuchungen zur Schaffung eines Musterungszentrums in Würzburg; Zeitpunkt X Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 der Durchführung und Kosten der letzten Renovierungsarbeiten im Kreiswehrersatzamt Gemünden 9662* B Anlage 56 Antwort des PStSekr Berkhan (BMVg) auf die Fragen B 36 und 37 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Kiechle (CDU/CSU) : Geplante Veränderungen bei den Bundeswehrschulen im Standortbereich Sonthofen; Maßnahmen zur Absicherung von hiervon berührten Arbeitsplätzen; Pläne zur Umorganisation oder zur Verlegung der ABC-Schule; Einrichtung einer Fachschule für Offiziersanwärter — Betriebswirtschaft . 9662* D Anlage 57 Antwort des PStSekr Berkhan (BMVg) auf die Frage B 38 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — der Abg. Frau Orth (SPD) : Gründe für den Umbau der alten Unterkünfte der Sieck-Kaserne für die Bundeswehrfachschule in Neumünster statt Errichtung einer entsprechenden Unterkunft neben dem Schulgebäude . . . 9663* B Anlage 58 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage B 39 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Zebisch (SPD) : Auswirkungen der Kindergeldregelung auf die Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen Dienst; Möglichkeit einer anderen Lastenverteilung zugunsten kleinerer Kommunen . . . . . . . . . 9663* D Anlage 59 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Fragen B 40 und 41 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Burger (CDU/CSU) : Erfahrungen mit der Änderung des Bundesseuchengesetzes hinsichtlich Beurteilung und Durchführung von Entschädigungsleistungen an Impfgeschädigte 9664* A Anlage 60 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage B 42 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Spranger (CDU/CSU) : Auffassung des Leiters der evangelischen Stadtmission Hof betr. drastische Erhöhung der Unterbringungskosten durch die Auflagen des Heimgesetzes . 9664* B Anlage 61 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage B 43 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Eigen (CDU/ CSU) : Verhinderung des Fleischimports aus Frankreich wegen des dortigen Mißbrauchs mit Antibiotika und Hormonen bei der Tierhaltung . . . . . . . 9664* D Anlage 62 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen B 44 und 45 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Art der Schallschutzmaßnahmen der Städte und Gemeinden nach der Straßenlärmschutzverordnung; Zuschüsse des Bundes 9665* A Anlage 63 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen B 46 und 47 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Büchner (Speyer) (SPD) : Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn in der Pfalz; Maßnahmen und Zeitplan zur Errichtung eines Nahverkehrssystems im RheinNeckar-Raum 9665* B Anlage 64 Antwort des PStSekr Dr. Glotz (BMBW) auf die Frage B 48 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Peter (SPD) : Möglichkeiten der Kostenerstattung bei einer über den Eigenbedarf hinausgehenden Auslastung der in den Ausbildungswerkstätten der Deutschen Bundesbahn bestehenden Ausbildungskapazitäten 9665* D Anlage 65 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen B 49 und 50 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) : Trasse der B 10 auf Pforzheimer und Eutinger Gemarkung; Eingriffe in die Landschaft durch geplante Trassierung und Enztal-Viadukt; Alternativen zu dieser Planung . . . . . . . . . 9666* B Anlage 66 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage B 51 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 des Abg. Milz (CDU/CSU) : Vorschrift über den Einbau von federnden Stoßstangen in Pkws zur Vermeidung von Bagatellschäden . . . . . 9666* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 XI Anlage 67 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen B 52 und 53 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Hoffie (FDP) : Planungen für den weiteren Ausbau der „Nordumgehung Langen (B 486)"; Anschluß an das TEE- oder Intercity-Netz 9667* A Anlage 68 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage B 54 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Stillegung von Eisenbahnstrecken in Oberfranken 9667* B Anlage 69 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen B 55 und 56 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) : Pläne für die Anlage des Rangierbahnhofs München-Nord in den Münchner Stadtbezirken Allach und Feldmoching; Alternativstandorte für den Rangierbahnhof München-Nord 9667* C Anlage 70 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage B 57 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Peiter (SPD) : Beseitigung des Engpasses im Ortsbereich der Gemeinde Flacht beim Ausbau der B 54 . . . . . . . . . . 9667* D Anlage 71 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage B 58 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Schweitzer (SPD) : Inangriffnahme der Umgehungsstraße der B 9 im Raume Bad Breisig; Möglichkeit des Einsatzes von Mitteln aus dem Konjunkturprogramm . . . . . 9668* A Anlage 72 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage B 59 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU): Untersuchung über die Kostenbelastung der Wirtschaft und die Kosteneinsparungen bei der Bundesbahn vor der Entscheidung über die vorgeschlagene Schließung von 61 Stückgutbahnhöfen im Zonenrandgebiet . . . . . . . 9668* C Anlage 73 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Fragen B 60 und 61 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Sick (CDU/CSU) : Vorbereitungsarbeiten zur verkehrsgerechten Einbindung der Stadt Eutin beim Ausbau der BAB (B 76) . . . . 9668* C Anlage 74 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage B 62 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. von Bismarck (CDU/CSU) : Benachteiligung ländlicher Räume durch unterschiedliche Tarifverbilligungen im Personenverkehr . . . . . . . . 9668* D Anlage 75 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage B 63 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) : Verhandlungen mit der DDR über die Zulassung der Bahnstrecke Berlin–Stendal–Wolfsburg–Hannover für den Transitverkehr nach Berlin . . . . . . 9669* A Anlage 76 Antwort des PStSekr Haar (BMP) auf die Fragen B 64 und 65 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) : Über den effektiven Bedarf hinausgehende Herstellung von Fernsprechbüchern; Zustellung nicht abgeholter bzw. nicht angeforderter Bücher der privaten Vertragsverleger der Deutschen Bundespost von Amts wegen . . 9669* B Anlage 77 Antwort des PStSekr Haar (BMP) auf die Frage B 66 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Kunz (Berlin) (CDU/CSU) : Gebühr für die Zustellung von Fernsprechbüchern privater Verleger . . . 9669* D Anlage 78 Antwort des PStSekr Herold (BMB) auf die Fragen B 67 und 68 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) : Großgemeinden nach der kommunalen Gebietsreform mit Gemeindeteilen im Zonenrandgebiet und anderen Teilen außerhalb dieses Bereiches 9670* A XII Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Anlage 79 Antwort des PStSekr Dr. Hauff (BMFT) auf die Fragen B 69 und 70 — Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Lampersbach (CDU/CSU) : Besorgnisse der Wirtschaft hinsichtlich der mit der „Vorbereitung und Durchführung von Förderungsprojekten" beauftragten Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung 9670* C Anlage 80 Antwort des PStSekr Dr. Glotz (BMBW) • auf die Frage B 71 Drucksache 7/2982 vom 13. 12. 74 — des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) : Äußerung des Leiters der Abteilung Berufsbildung im Deutschen Industrie-und Handelstag zum Berufsausbildungsgesetz 9671* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9561 139. Sitzung Bonn, den 19. Dezember 1974 Beginn: 8.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9643* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach 19. 12. Adams * 20. 12. Ahlers 19. 12. Dr. Ahrens ** 19. 12. Dr. Aigner * 20. 12. Dr. Artzinger * 20. 12. Dr. Bayerl * 20. 12. Behrendt ' 20. 12. von Bockelberg 20. 12. Büchner (Speyer) ** 21. 12. Dr. Burgbacher 20. 12. Carstens (Emstek) 19. 12. Frau Däubler-Gmelin 20. 12. Dr. Dregger 20. 12. Entrup 19. 12. Dr. Evers 18.11975 Fellermaier * 22. 12. Flämig * 20. 12. Dr. Früh 19. 12. Gerlach (Emsland) * 20. 12. Gierenstein 19. 12. Haase (Kellinghusen) 20. 12. Härzschel * 19. 12. Hansen 19. 12. Heyen 19. 12. Dr. Holtz ** 21. 12. Hornhues 22, 12. Kater * 20. 12. Katzer 20. 12. Kiep 19. 12. Lange * 20. 12. Lemmrich ** 20. 12. Lenzer** 20. 12. Dr. Lohmar 20. 12. Lücker * 20. 12. Frau Meermann 19. 12. Memmel * 20. 12. Dr. Mende ** 21. 12. Müller (Mülheim) * 20. 12. Dr. Müller (München) ** 19. 12. Mursch (Soltau-Harburg) * 19. 12. Pfeffermann 20. 12. Richter ** 20. 12. Dr. Ritgen 20. 12. Roser 20. 12. Scheffler 20. 12. Schmidt (Kempten) ** 21. 12. Schmidt (München) * 20. 12. Dr. Schulz (Berlin) * 19. 12. Schwabe * 19. 12. Dr. Schwörer * 19. 12. Seefeld * 19. 12. Dr. Starke (Franken) * 20. 12. Frau Stommel 20. 12. *Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Vohrer ** 21. 12. Walkhoff ' 20. 12. Frau Dr. Walz 19. 12. Wende 20. 12. Frau Dr. Wolff ** 21. 12. Ziegler 20. 12. Anlage 2 Zusätzliche Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache 7/2767 Frage B 12, 132. Sitzung, Seite 9005 *, Anlage 14) : Nach Mitteilung des US-Hauptquartiers ist ein Abschluß der Studien über etwaige militärisch bedingte Änderungen der Struktur der Army-Depots frühestens Ende dieses Jahres zu erwarten. Das Hauptquartier hat meinem Hause unverzügliche Unterrichtung zugesagt, sobald die Überlegungen abgeschlossen sind. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage A 1) : Hält die Bundesregierung es für sozial vertretbar, daß bei der Berechnung von Wohngeld auch die Zinsen von kleineren und mittleren Sparguthaben mindernd angesetzt werden, und ist sie bereit, bei Sparguthaben bis zu 15 000 DM schon aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf eine solche Ansetzung zu verzichten? Bei der Einkommensermittlung nach dem Zweiten Wohngeldgesetz sind grundsätzlich alle Einnahmen der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu berücksichtigen ohne Rücksicht auf ihre Quelle und ohne Rücksicht darauf, ob sie steuerpflichtig sind oder nicht (§§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 des Gesetzes). Zu den Einnahmen zählen deshalb auch Erträge aus Kapitalvermögen, wie z. B. Zinsen aus Sparguthaben. Dies rechtfertigt sich daraus, daß sie auch zur Bestreitung der für den Lebensunterhalt notwendigen Ausgaben, also auch der Unterkunftskosten, herangezogen werden können. Die Bundesregierung hält es daher grundsätzlich für sozial vertretbar, daß bei der Berechnung von Wohngeld auch die Zinsen von kleineren und mittleren Sparguthaben mindernd angesetzt werden. Die Bundesregierung verkennt andererseits nicht, daß es dabei in Einzelfällen, z. B. bei einer Alterssicherung allein durch Sparguthaben, zu Härten kommen kann. In solchen Fällen kann aber nicht da- 9644 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 durch geholfen werden, daß auf den Ansatz der Zinsen bei Sparguthaben bis zu einer bestimmten Höhe generell verzichtet wird. Durch eine derartige Regelung würden auch diejenigen in den Genuß einer Vergünstigung kommen, die neben den Zinsen andere Einnahmen haben, durch deren Verfügbarkeit ein Substanzverlust an dem für die Altersvorsorge angesammelten Sparguthaben vermieden wird. Einkommensbegriff und Einkommensermittlung nach dem 2. WoGG bedürfen einer Überarbeitung. Dabei wird sich die Bundesregierung bemühen, auch für das von Ihnen angesprochene Problem bei Härtefällen eine sachgerechte Lösung zu finden. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kroll-Schlüter (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 19) : Wieviel kostet das von der Bundesregierung herausgegebene Informationsmaterial zur Aufklärung der Bevölkerung über die Steuerreform — einschließlich der neuen Kindergeldregelung? Das von der Bundesregierung herausgegebene Informationsmaterial über die Steuerreform und die neue Kindergeldregelung kostet nach dem jetzigen Stand rund 5,87 Millionen DM. Die Maßnahmen ergeben sich im einzelnen aus der Antwort der Bundesregierung vom 17. September 1974 auf die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion (Drucksache 7/2551). Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage A 21) : Teilt die Bundesregierung die in einer Entschließung der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Verfolgtenorganisationen vertretene Auffassung, daß Personen, „die dem NS-Unrechtsstaat bis zum letzten Tag gedient haben, durch Posten und Pensionen großzügig unterstützt werden, während Verfolgte und deren Hinterbliebene zum Teil in bitterer Not leben", und daß die Lage vieler NS-Opfer, die Wiedergutmachungsansprüche besitzen, in vielen Fällen beklagenswert und zum Teil skandalös sei, und ist es „eine unhaltbare Diskriminierung, daß für die Wiedergutmachung schon vor Jahren ein Schlußgesetz erlassen wurde, wie es für alle anderen Gruppen von Entschädigungsberechtigten nicht bestehe"? Die Bundesregierung teilt die in der Entschließung der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Verfolgtenorganisationen zum Ausdruck gekommene Auffassung über Art und Umfang der Entschädigung von Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung nicht. Die Gesamtaufwendungen für den genannten Personenkreis werden voraussichtlich rd. 90 Milliarden DM betragen. Hiervon sind rd. 51 Milliarden DM bereits gezahlt. Diese Leistungen konnten bisher nur aufgebracht werden, weil der Entschädigung der NS-Opfer von Anfang an der Vorrang vor anderen wichtigen sozialpolitischen und der Zukunftssicherung dienenden Aufgaben gegeben wurde. Das von Ihnen, Herr Kollege Schöfberger, angesprochene Bundesentschädigungs-Schlußgesetz vom 14. September 1965 brachte erhebliche Verbesserungen der Entschädigungsleistungen auch durch Ausweitung des berechtigten Personenkreises mit einem finanziellen Volumen von rd. 6 Milliarden DM. Um die Leistungspflicht der Bundesrepublik Deutschland nicht in unübersehbarer Weise anwachsen zu lassen, war im Rahmen der mit den Verfolgtenverbänden vereinbarten Abschlußregelung eine endgültige Befristung der Anmeldemöglichkeit von Entschädigungsansprüchen zum 31. Dezember 1969 unumgänglich, zumal über ein viertel Jahrhundert nach Ende der NS-Gewaltherrschaft die Feststellung von Verfolgungssachverhalten immer problematischer wird. Wie schon in der Regierungserklärung vom 17. Mai 1974 zum Ausdruck gebracht wurde, betrachtet die Bundesregierung die Gesetzgebung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts bis auf eventuelle geringe Korrekturen insgesamt als abgeschlossen. Um den Bereich der unvermeidbaren Härten für den Personenkreis der Verfolgten soweit wie möglich zu begrenzen, werden die Möglichkeiten der in der Regierungserklärung angesprochenen Korrekturen von der Bundesregierung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten geprüft. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen A 22 und 23) : Teilt die Bundesregierung die Meinung, die der amtierende Präsident der Bundesanstalt für Bodenforschung, Prof. Dr. Bender, nach Zeitungsberichten geäußert haben soll, daß die Anstrengungen der Bundesrepublik Deutschland zur Rohstoffversorgung als unzureichend anzusehen seien? Welche Bundesministerien und Bundesbehörden befassen sich mit Fragen der Sicherung der Rohstoffversorgung? Zu Frage A 22: Der amtierende Präsident der Bundesanstalt für Bodenforschung hat in einem Referat auf der Tagung des Bayerischen Bergbaus in Bad Reichenhall — ich nehme an, daß sich die von Ihnen erwähnten Presseberichte auf diese Rede beziehen — im Anschluß an eine Übersicht über die Versorgungslage bei einzelnen mineralischen Rohstoffen Vorschläge zur Verbesserung des rohstoffpolitischen Instrumentariums gemacht. Diese Anregungen decken sich weitgehend mit den von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen oder beziehen sich auf Bereiche, die bereits im Interministeriellen StaatssekretärsAusschuß für Rohstoff-Fragen behandelt werden. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9645* Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß — auch bei einer z. Z. im wesentlichen ungestörten Versorgungslage — die Bemühungen um eine langfristige Sicherung der Rohstoffversorgung intensiviert werden müssen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine unternehmerische Aufgabe. Die Bundesregierung ist bereit, den Unternehmen hierbei weiterhin Hilfestellung zu leisten; die insoweit eingeleiteten Maßnahmen haben bereits erste Erfolge gebracht. Das Instrumentarium soll im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten ausgebaut werden. Zu Frage A 23: Die Rohstoffversorgung fällt in den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Der BMFT befaßt sich mit der Rohstoff-Forschung und -Technologie. Bei Übereinstimmung zwischen entwicklungspolitischer und rohstoffpolitischer Zielsetzung können auch Vorhaben des BMZ einen Beitrag zur Rohstoffversorgung leisten. Zentrale Einrichtung der Bundesregierung für Arbeiten im Bereich Geowissenschaften und Rohstoffe im Vorfeld der unternehmerischen Tätigkeiten ist die Bundesanstalt für Bodenforschung. Koordinierungsgremium für die rohstoffpolitischen Vorhaben und Maßnahmen der Bundesregierung ist der Interministerielle Staatssekretärs-Ausschuß für Rohstoff-Fragen, in dem neben den bereits genannten Ressorts das BKA, AA, BMF und BMVg vertreten sind; die Federführung liegt beim BMWi. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen A 24 und 25): Welche Gebiete der Bundesrepublik Deutschland werden durch den regionalen Fonds der Europäischen Gemeinschaft künftig gefördert, und nach welchen Bemessungsgrundlagen wird die Abgrenzung vorgenommen? Werden die aus dem regionalen Fonds der Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel den Fördergebieten zusätzlich gewährt, und werden dadurch die Förderungsmaßnahmen des Bundes und der Länder auch im finanziellen Bereich nicht eingeschränkt? Zu Frage A 24: Die Modalitäten für die Bewilligung der Mittel aus dem EG-Regionalfonds, den die Regierungschefs am 9./10. Dezember 1974 in Paris beschlossen haben, stehen noch nicht fest. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die Bundesregierung die Erstattung von Fördermitteln für Vorhaben aus den Gebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" bei den zuständigen Stellen der Gemeinschaft beantragen wird. Der EG-Regionalfonds kann nur eine ergänzende Rolle im Rahmen der nationalen Regionalpolitiken spielen. Zu Frage A 25: Mittel, die die Bundesrepublik aus dem EG-Regionalfonds erhält, sollen zusätzlich zu den von Bund und Ländern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" bereitgestellten Haushaltsmitteln für die regionale Wirtschaftsförderung eingesetzt werden. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 61) : Sind die derzeit in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Institute, die die in der Trinkwasserverordnung geforderten Untersuchungen durchführen können, in der Lage, diese Untersuchungen durchzuführen, oder müssen neue Einrichtungen — und mit welchem Kostenaufwand — geschaffen werden? Die Bundesregierung geht davon aus, daß die derzeit vorhandenen Institute und Laboratorien in der Lage sind, die erforderlichen Untersuchungen durchzuführen. Diese Untersuchungen sind auch bisher schon bei den meisten Wasserversorgungsanlagen gemacht worden. Im übrigen soll die Verordnung erst ein Jahr nach der Verkündung in Kraft treten, so daß alle Betroffenen genügend Zeit haben, sich darauf einzustellen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage A 62) : Bis wann werden die nach dem Heimgesetz erforderlichen Rechtsvorschriften, für die die Bundesregierung zuständig ist, vorliegen, und wie lange ist der Zeitraum von der Verabschiedung des Gesetzes durch den Gesetzgeber bis zum Beginn des Vollzugs sämtlicher nach dem Heimgesetz erforderlichen sonstigen Vorschriften? Das Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige vom 7. August 1974, das am 1. Januar 1975 in Kraft tritt, verpflichtet den Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit durch Rechtsverordnungen jeweils mit Zustimmung des Bundesrats Mindestanforderungen in baulicher und personeller Hinsicht festzulegen. Weiterhin sind die Vorschriften über die Wahl des Heimbeirats sowie über Art, Umfang und Form der Mitwirkung zu erlassen. Die Rechtsverordnung nach § 3, die sogenannte Heim-Mindestverordnung, ist dem Bundesrat bereits zur Zustimmung zugeleitet. Sie soll in der Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 1974 behandelt werden. Die Vorarbeiten zum Erlaß der Rechtsverordnung nach § 5 Abs. 2 des Heimgesetzes über die Wahl und Mitwirkung des Heimbeirats sind eingeleitet. Die Rechtsverordnung soll noch im Jahre 1975 dem Bundesrat vorgelegt werden. Gleichwohl ist es be- 9646* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 reits ab 1. Januar 1975 geltendes Recht, daß die Bewohner von Einrichtungen im Sinne des Heimgesetzes das Recht haben, durch einen Heimbeirat in den in § 5 Abs. 1 genannten Angelegenheiten des Heimbetriebs mitzuwirken und die Träger dieser Einrichtungen verpflichtet sind, die Heimbewohner dementsprechend mitwirken zu lassen. Darüber hinaus können noch Rechtsverordnungen für folgende Bereiche erlassen werden: 1. Zur Bestimmung der gleichartigen Einrichtungen nach § 1 2. Über Art und Umfang der Buchführungs- und Meldepflichten der Träger der Einrichtungen nach §8 3. Über die Pflichten des Trägers einer Einrichtung im Falle der Entgegennahme von Geld- und geldwerten Leistungen, die zum Zwecke der Unterbringung eines Bewohners in einer Einrichtung erbracht worden sind nach § 14 Abs. 4 und 4. Über die Beteiligung an der Überwachung nach § 10 Abs. 2. Die unter Ziffer 3. genannte Verordnung soll noch im Jahre 1975 dem Bundesrat vorgelegt werden. Bei den anderen Rechtsverordnungen bleibt abzuwarten, ob ein Bedürfnis der Praxis nach einem Erlaß besteht. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Rollmann (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 64) : Wann wird die Bundesregierung den von ihr seit Jahren angekündigten Entwurf eines Jugendhilfegesetzes im Deutschen Bundestag einbringen? Die Bundesregierung wird den Entwurf eines Jugendhilfegesetzes im Bundestag einbringen, sobald sich übersehen läßt, daß die finanzielle Gesamtsituation eine Realisierungschance für das neue Jugendhilferecht eröffnet. Sie wird dies insbesondere dann tun, wenn Länder und Gemeinden nach Abwägung der Dringlichkeit und Finanzierbarkeit des Vorhabens eine erneute Initiative anregen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Zimmermann (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 65) : Trifft die Meldung zu, der Schlagersänger Rex Gildo habe der Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit aus dem Reinerlös einer seiner Schallplatten 800 000 DM für Kindergärten zur Verfügung gestellt, und welche Träger - bejahendenfalls —werden auf Grund welcher Maßgabe und unter Berücksichtigung welcher anderen Zuwendungen vergleichbarer Art an die Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit mit weldier Zielsetzung davon bedacht? Die Meldung trifft zu. Der Betrag von 800 000 DM ist der Erlös aus dem Verkauf einer Wohltätigkeitsschallplatte im Rahmen der vom Deutschen Familienverband initiierten und durchgeführten Aktion „Macht mir das Leben schöner". Der Deutsche Familienverband wird den Betrag für Bau und Einrichtung von Kindergärten verwenden. Auf die Entscheidung, welche Träger von Kindergärten Anteile an dem Spendenbetrag erhalten, hat der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit keinen Einfluß. Frau Minister Dr. Focke, die die Schirmherrin dieser Aktion ist, hatte in dieser Eigenschaft den Spendenbetrag in Empfang genommen und sofort an den Deutschen Familienverband weitergeleitet. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen A 66 und 67) : Sind die in der vorgesehenen Verordnung über bauliche Schutzmaßnahmen gegen Straßenverkehrslärm genannten Werte an die Werte angeglichen, die in der Verordnung zum Schutz gegen Fluglärm zugrundegelegt werden? Hält die Bundesregierung die wissenschaftlichen Grundlagen der Meßverfahren für so ausgereift, daß unanfechtbare Ergebnisse herauskommen und die Meßverfahren ohne aufwendige und zeitraubende Gutachten von Sachverständigen justiziabel sind, und berücksichtigt die Bundesregierung dabei, daß diese Werte vor dem Bau der Straße nur schwer zu bestimmen sein werden? Die Überlegungen zum Entwurf einer Straßenlärmschutzverordnung auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind noch nicht abgeschlossen; die Abstimmungen zwischen den Bundesressorts stehen noch aus. Zu Frage A 66: Der bisher vorliegende Entwurf einer Straßenlärmschutzverordnung enthält noch keinen Immissionsgrenzwert. Über diese wichtige Frage stehen noch Abstimmungsgespräche mit den Bundesressorts und den Ländern bevor. Das gleiche gilt für Dämm-werte von Fenstern, Wänden und Türen. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Erkenntnisse aus der Fluglärm-Verordnung, soweit sie geeignet sind, in die Straßenlärmschutz-Verordnung zu übernehmen. Zu Frage A 67: Die bekannten Meßverfahren sind wissenschaftlich fundiert und für die Praxis geeignet. Erwogen wird auch, in der Straßenlärmschutz-Verordnung vorzusehen, daß der voraussichtlich zu erwartende Lärm nicht gemessen, sondern nur berechnet werden muß. Ein solches Berechnungsverfahren würde für die Praxis erhebliche Vereinfachungen bringen und gestatten, insbesondere beim Bau neuer Straßen möglichst frühzeitig Klarheit über die zu erwartenden Geräuschimmissionen zu gewinnen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die rechtzeitige Entscheidung über aktive oder passive Lärmschutzmaßnahmen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9647* Anlage 13 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 68) : Ist die Bundesregierung bereit, aus den Erfahrungen der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen in Caracas Lehren zu ziehen, um rechtzeitig vor Beginn der kommenden Seerechtskonferenz in Genf in allen wesentlichen zur Debatte stehenden Punkten mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft eine gemeinsame Haltung festzulegen? Ja. Die Bundesregierung hat schon vor Caracas auf eine Harmonisierung der Haltung der EG-Staaten in allen wesentlichen Punkten der auf der Seerechtskonferenz anstehenden Fragen hingewirkt. Auf ihr Betreiben beschloß der Rat der EG am 4. Juni 1974 eine EG-Koordinierung in allen Seerechtskonferenz-Fragen, die in die Gemeinschaftszuständigkeit fallen oder die wirtschaftlicher Natur mit Auswirkung auf Gemeinschaftspolitiken sind, in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren. In Fragen politischer Natur findet die Koordinierung auf Beschluß des Gremiums der politischen Direktoren vom 27. Mai 1974 im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) statt. Die EG- und EPZ-Koordinierung wird vor und während der Genfer Session verstärkt fortgesetzt. Die Festlegung auf eine gemeinsame Haltung ist naturgemäß nur möglich, wenn alle EG-Staaten einen echten Ausgleich ihrer Interessen suchen und nicht einseitig die ausschließliche Durchsetzung ihrer individuellen Standpunkte anstreben. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 69) : Beabsichtigt die Bundesregierung, mit der Planung und dem Bau der für den Raum Aschaffenburg so verkehrswichtigen Fortführung der Autobahn „Gießen—Hanau—Aschaffenburg" in Richtung Heilbronn/Stuttgart zu beginnen, und welche Vorstellungen bestehen hinsichtlich des Bauablaufs? Die Autobahn Aschaffenburg—Heilbronn—Stuttgart ist in dem Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971-1985 enthalten. Aussagen über den zeitlichen Planungs- und Bauablauf können zur Zeit nicht gemacht werden. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Egert (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage A 70) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Stewardessen, die bei der Fluggesellschaft Modern Air in Berlin beschäftigt waren, auf Grund der Einstellung des Flugbetriebs durch die Gesellschaft wegen ihres Lebensalters keine neue Beschäftigung in ihrem Beruf gefunden haben, da als Obergrenze für das Einstellungsalter von allen Fluggesellschaften für Stewardessen 28 Jahre festgesetzt wird, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bei Fluggesellschaften, die anteilig der öffentlichen Hand gehören, aus sozialen Gründen eine Ausnahmeregelung für den betroffenen Personenkreis durchzusetzen? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß Flugbegleiterinnen nach der Einstellung des Flugbetriebs der von Ihnen genannten Gesellschaft wegen ihres Lebensalters bisher keine neue Beschäftigung finden konnten. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Büchner (Speyer) (SPD) (Drucksache 7/2982) Frage A 73) : Treffen Meldungen zu, wonach die Elektrifizierung der Bahnstrecke Schifferstadt—Speyer—Germersheim—Wörth in Frage gestellt sei, oder kann die Bundesregierung bestätigen, daß diese Strecke 1975 elektrifiziert wird? Die Umstellung der 50 km langen Strecke WörthGermersheim—Schifferstadt auf elektrischen Zugbetrieb ist der Deutschen Bundesbahn am 27. Mai 1971 nach § 14 des Bundesbahngesetzes genehmigt worden. Mit den Umstellungsarbeiten soll nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn begonnen werden, sobald die Finanzierungsverhandlungen zwischen dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn und der Landesregierung von Rheinland-Pfalz abgeschlossen sind und die z. Z. noch offene Finanzierung des Vorhabens, das Investitionsmittel in Höhe von 35 Millionen DM erfordert, sichergestellt ist. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Gerster (Mainz) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen A 75 und 76) : Halt es die Bundesregierung für befriedigend, daß im Bereich der Deutschen Bundesbahn Aufstiegsbeamte aus dein mittleren in den gehobenen Dienst nach bestandener Laufbahnprüfung zwar auf Dienstposten des gehobenen Dienstes eingesetzt, beamtenrechtlich jedoch erst nach Ableistung einer Probezeit (nach § 25 i. V. m. § 26 Abs. 6 BLV im Regelfall 21/2 Jahre) in das Eingangsamt des gehobenen Dienstes angestellt werden, während andere Bundesbehörden die fachgeprüften Aufstiegsbeamten sogleich, jedenfalls aber nicht erst nach 21/2 Jahren, zu Inspektoren ernennen? Bis wann und durch welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung, diese ungleiche Praxis abzustellen? Zu Frage A 75: Bei der Deutschen Bundesbahn legen Aufstiegsbeamte aus dem mittleren in den gehobenen Dienst und Regelbewerber (Inspektoranwärter) die gleiche Laufbahnprüfung ab. Beiden Gruppen von Beamten werden erst nach einer gleichlangen Probebzw. Bewährungszeit Ämter des gehobenen Dienstes verliehen. Dadurch soll sichergestellt werden, daß 9648` Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 beide Gruppen die gleiche Ausgangsbasis für ihre weitere berufliche Entwicklung haben. Im Hinblick auf den hohen Anteil von Aufstiegsbeamten bei der Deutschen Bundesbahn (ca. 40 0/o) erscheint diese Regelung sinnvoll und gerechtfertigt. Zu Frage A 76: Die Regelung wird bei der Änderung des Laufbahnrechts im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften (Drucksache 7/2204) überprüft werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Tillmann (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 77) : Liegen der Bundesregierung Daten über die Zweckmäßigkeit des Einsatzes von Sicherheitsgurten in Kabrioletts vor bei Benutzung des Fahrzeugs sowohl mit geschlossenem als auch mit geöffnetem Dach, und besteht ein erhöhtes Risiko durch das Anlegen der Gurte beim Fahren mit geöffnetem Dach, auf welches in der gegenwärtigen Verkehrssicherheitskampagne hinzuweisen wäre? Der Bundesregierung sind keine Unfalluntersuchungen bekannt, die sich speziell mit Kabrioletts befassen. Aus den vorliegenden Untersuchungen über Personenkraftwagen-Unfälle können jedoch Schlüsse für Kabrioletts gezogen werden. Danach haben z. B. ca. 8 % der untersuchten Fahrzeug-Kollisionen zum Überschlag eines Fahrzeugs geführt. Bei Nichtbenutzung von Sicherheitsgurten besteht ein erhebliches Risiko, aus dem offenen Fahrzeug geschleudert zu werden, selbst wenn sich dieses nicht überschlägt. Solche Unfälle enden häufig tödlich. Der Sicherheitsgurt ist daher auch in Kabrioletts das mit Abstand wirksamste Mittel, das Risiko zu verringern, schwere oder gar tödliche Unfallverletzungen zu erleiden. Die gegenwärtig vom Bundesminister für Verkehr in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat durchgeführte Aufklärungskampagne verfolgt das Ziel, etwaige Bedenken gegen das Anlegen des Sicherheitsgurts abzubauen und für das freiwillige Anlegen des Gurts zu werben. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Warnke (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen A 80 und 81) : Hat die Bundesregierung den Staatssekretär Gaus angewiesen, bei den jüngsten Verhandlungen mit der DDR auch den Abbau der grundvertragswidrigen Zustände an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze zur Sprache zu bringen, und welche Stellungnahme hat die DDR gegebenenfalls dazu eingenommen? Hat die Bundesregierung bei ihren Gesprächen mit der DDR-Regierung in den vergangenen Wochen auch die Frage der menschenrechtswidrig wegen sogenannter Fluchthilfe und „versuchter Republikflucht" inhaftierten Deutschen angesprochen und ihre Haftentlassung gefordert, und wie hat die DDR gegebenenfalls hierauf reagiert? Zu Frage A 80: Die Bundesregierung hat nicht nur durch Erklärungen, sondern auch durch ihre Politik hinlänglich bewiesen, daß sie jede sich in Verhandlungen bietende Chance nutzt, um den Abbau von Konfrontation und Gewalt in jeder Weise zu fördern und vor allem anderen den Menschen zu helfen, miteinander normal und in Frieden leben zu können. Dafür heißt es, das heute Mögliche zu erkennen und zu tun. Auf dieses Ziel sind alle Verhandlungen und Gespräche mit der DDR gerichtet. Dieser Weg hat mit den eingetretenen Erleichterungen und getroffenen Vereinbarungen erste Erfolge und wird von der Bundesregierung mit Geduld und Beharrlichkeit weiter gegangen werden, auch wenn die DDR hierbei nicht bereit ist, über ihre Sperrmaßnahmen zu verhandeln und das Schießen auf Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, die Flucht über die Mauer und die Sperrgürtel versuchen, zu unterlassen. Daß die Bundesregierung dies nicht billigt und nicht hinnehmen will, hat sie unbezweifelbar und offen erklärt. Wie allen bewußt, gab es jedoch noch keinerlei Aussicht, dieses Thema zum Gegenstand von Verhandlungen zu machen. Zu Frage A 81: Nicht in diesen Verhandlungen, aber in Gesprächen mit der Regierung der DDR seit dem letzten Sommer ist die Bundesregierung auch auf humanitäre Fragen eingegangen. Im Interesse der Betroffenen besteht jedoch unverändert Anlaß, die Hilfe und die gegebenen Hilfsmöglichkeiten für Bewohner der Bundesrepublik Deutschland und von Berlin (West), die in der DDR mit den dortigen Gesetzen in Konflikt gekommen sind, sowenig wie möglich öffentlich zu behandeln. Dies ist — mit Ihrer Zustimmung — auch früher so gehandhabt worden. Ich denke, daß wir darin auch weiter übereinstimmen und die Erörterung darüber am rechten Platz führen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lagershausen (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen A 84 und 85) : Weshalb hat die Bundesregierung die rechtsverbindliche Unterzeichnung der Swing-Vereinbarung bereits jetzt vorgenommen, obwohl erst zum 31. Dezember 1975 die alte Swing-Vereinbarung ausläuft und obwohl noch nicht erkennbar ist, daß die DDR-Regierung wieder voll zur Vertragstreue zurückzukehren gewillt ist? Weshalb hat die Bundesregierung die Unterschriftsleistung über die Swing-Vereinbarung bereits jetzt geleistet, obwohl noch keine Zeitnot gegeben ist und die Frage der Gebührenpauschale für die Benutzung der Transitwege mit der DDR noch nicht geklärt ist? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9649* Zu Frage A 84: Alle am innerdeutschen Handel Beteiligten haben ein Interesse daran, langfristig disponieren zu können. Zu den wesentlichen Rahmenbedingungen dafür gehört auch die Frage, welche Höhe der Swing in Zukunft, und zwar über das laufende Jahr hinaus, haben wird. Die Bundesregierung ist mit allen Betroffenen der Auffassung, daß eine solche Entscheidung mindestens ein Jahr vorher getroffen werden muß und daß daher wegen des Auslaufens der geltenden Regelung Ende 1975 eine Entscheidung noch in diesem Jahr notwendig war. Was die von Ihnen angesprochene mangelnde Vertragstreue der DDR angeht, so darf ich darauf hinweisen, daß hiervon im Bereich des innerdeutschen Handels keine Rede sein kann. Der Bundesregierung erscheint es nicht ratsam, Fragen des innerdeutschen Handels in der von Ihnen angedeuteten Weise in andere Zusammenhänge einzubeziehen. Diese Bundesregierung hält damit an dem Standpunkt fest, der von ihr schon von allen vorhergehenden Bundesregierungen eingenommen worden ist. Zu Frage A 85: Auf den Gesichtspunkt der Zeitnot bin ich schon bei meiner vorhergehenden Antwort eingegangen. Ich habe dabei auch die grundsätzlichen Erwägungen dargelegt, weshalb wir keine Verbindung mit anderen Zusammenhängen, also auch nicht mit der Transitpauschale hergestelt haben. Im übrigen weise ich auf folgendes hin: Die Transitpauschale ist nicht Gegenstand der derzeitigen Gespräche mit der DDR gewesen. Ich darf aus Art. 18 des Transitabkommens zitieren Die Höhe der ab 1976 zu zahlenden Pauschalsumme und die Bestimmung des Zeitraumes, für den diese Pauschalsumme gültig sein soll, werden im zweiten Halbjahr 1975 unter Berücksichtigung der Entwicklung des Transitverkehrs festgelegt. und erkläre, daß die Bundesregierung davon ausgeht, daß aufgrund der neuen Angebote der DDR im kommenden Jahr Verhandlungen über zahlreiche Verkehrsfragen aufgenommen werden. Bei diesen Verkehrsverhandlungen wird sich die Frage stellen, wofür die bisher eingenommenen Straßenbenutzungsgebühren verwendet worden sind und welche Auswirkungen sich von eventuellen neuen Maßnahmen auf bestehende Zahlungsregelungen ergeben werden. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Werner (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 94) : welche Formen der Zusammenarbeit bestehen im Bereich der nuklearen Forschung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien? Die deutsch-indische Zusammenarbeit bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie wird auf der Grundlage des Regierungsabkommens vom 5. Oktober 1971 auf deutscher Seite von der Kernforschungsanlage Jülich (KFA) organisatorisch betreut und im wesentlichen mit Instituten der KFA als deutschem Partner abgewickelt. Aber auch die anderen deutschen Kernforschungseinrichtungen haben im Laufe der letzten Jahre indischen Wissenschaftlern Gastaufenthalte ermöglicht. Die Aufnahme indischer Wissenschaftler zur Mitarbeit an deutschen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben stand bisher im Vordergrund der Zusammenarbeit. Thematisch lag der Schwerpunkt auf den Gebieten Reaktorphysik, Isotopentechnik und Strahlenbiologie. Daneben koordinieren die KFA und das indische Bhabha Atomic Research Centre ihre Arbeiten an der Entwicklung eines Thorium-Brennelements für zukünftige Brutreaktoren zur Erzeugung von U-233, also nicht von Waffenuran oder Plutonium. Gemeinsame Projekte sind auch auf dem Gebiet der nuklearen Krebsforschung geplant. Die Kooperation wird durch ein jährliches gemeinsames Seminar über Themen der Kernforschung und -technik ergänzt. Abschließend möchte ich bemerken, daß keine der Positionen, in denen indische Gastwissenschaftler in der Bundesrepublik mitgearbeitet haben, geeignet war, besondere Kenntnisse für die Vorbereitung und Durchführung von Nuklearexplosionen zu vermitteln. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Franz (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 95) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Finanzierung des von der Forschungsstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache projektierten deutsch-deutschen Wörterbuches im Wege der Überprüfung der bisher gesetzten Prioritäten durch Bereitstellung der für das Projekt innerhalb von drei Jahren benötigter 1,5 Millionen DM zu ermöglichen? Die Prioritätensetzung innerhalb des Haushalts ist Sache des Instituts für Deutsche Sprache. Kommt es hierbei zu finanziellen Mehrforderungen, so haben die Geldgeber, nämlich der Bund, Baden-Württemberg und die Stadt Mannheim zu entscheiden. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie ist nicht in der Lage, die geforderten Mittel zu geben, da es schon in erheblichem Umfang andere Projekte beim Institut für Deutsche Sprache fördert. Jedoch führt das Institut für Deutsche Sprache zur Zeit Gespräche mit dem Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen in dieser Sache, die angesichts der allgemeinen Finanzsituation allerdings wenig aussichtsreich sind. 9650* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lampersbach (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen A 96 und 97) : Hält die Bundesregierung es mit den in der Satzung und Wirtschaftsplan fixierten Aufgaben der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) für vereinbar, daß diese sich in immer größerem Umfange durch den Verkauf von Dienstleistungen wirtschaftlich bestätigt? Billigt sie es insbesondere, daß die GMD bei Dienststellen des Bundes und der Länder sowie bei öffentlichen Institutionen mit Dienstleistungsunternehmen der freien Wirtschaft in Wettbewerb tritt und diese durch Kalkulationsmethoden, die nur ihr möglich sind, zu verdrängen sucht? Zu Frage A 96: Ich sehe in den Großforschungseinrichtungen die zentralen Institutionen der Forschungs- und Technologiepolitik. Neben Forschungs- und Entwicklungsaufgaben kommt deshalb allen Großforschungseinrichtungen — und nicht nur der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) — die Wahrnehmung von Beratungs- und Dienstleistungsaufgaben zu. Der zur Zeit noch gültige Gesellschaftsvertrag der GMD sieht ausdrücklich vor, daß ihr neben Forschung und Ausbildung auch andere Aufgaben übertragen werden können. Auch vom Deutschen Bundestag wurde die Bedeutung der Beratung der öffentlichen Verwaltung durch die GMD betont. Im neuen Vertrag, der aller Voraussicht nach im Frühjahr geschlossen werden kann, werden — die Beratung und Unterstützung der öffentlichen Verwaltung (besonders der Bundesregierung) bei Förderung, Einführung und Fortentwicklung der DV sowie — der Betrieb von DV-Systemen für die Aufgaben der GMD und zur Bereitstellung von subsidiärer Rechenkapazität für Zwecke der Gesellschafter (Bund und Land NRW) ausdrücklich genannt. Die Inanspruchnahme von Leistungen der GMD verursacht Kosten. Die GMD führt daher eine Kostenrechnung ein und wird ihren Auftraggebern die entstehenden Kosten in Rechnung stellen; sie ist und bleibt eine gemeinnützige Einrichtung. Entsprechende Einnahmen, die den von den Gesellschaftern aufzubringenden Zuschußbedarf vermindern, werden in den Wirtschaftsplänen ausgewiesen (im Wi-Plan 1975: 2,6 Millionen DM [Anfangsphase]). Zu Frage A 97: Das Leistungsangebot der GMD unterscheidet sich deutlich von dem der DV-Unternehmen. Die GMD soll vor allem solche Aufgaben übernehmen, — die entweder eine ausgeprägte Forschungskomponente besitzen oder — die dringlich sind, die sich aber für eine Ausschreibung nicht eignen oder für die eine Ausschreibung keinen Erfolg hätte. Ich sehe daher in der GMD kein Konkurrenzunternehmen, sondern vielmehr eine Arbeitsteilung zwischen der GMD und den Unternehmen der Wirtschaft, wobei die GMD vor allem eine forschungsintensive Lücke in den auf dem Markt angebotenen Leistungen für die öffentliche Verwaltung schließen soll. Es ist darüber hinaus ein Anliegen der Bundesregierung, daß die GMD ihr in Verwaltungsprojekten gewonnenes know-how an die Unternehmen der Wirtschaft weitergibt. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Stahl (Kempen (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen A 98 und 99) : Wie stellt die Bundesregierung sicher, daß externe Gutachten, die im Rahmen der deutschen technischen Hilfe in Auftrag gegeben wurden, mit bereits bei anderen Organisationen bekannten Ergebnissen abgestimmt werden? Auf wessen Veranlassung und durch welche Vermittlungen sind die brasilianischen Arbeitskräfte in die Bundesrepublik Deutschland gekommen, für deren Rückgliederung das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit nun ein Programm finanziert? Zu Frage A 98: Die Bundesregierung stellt über ihre durchführenden Stellen (Bundesstelle für Entwicklungshilfe, ab 1. Januar 1975 Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit [GTZ] GmbH) durch allgemeine und besondere Auftragsbedingungen mit externen Gutachtern sicher, daß bei anderen Organisationen bekannte Ergebnisse Berücksichtigung finden. Die von der Bundesregierung an die durchführende Stelle mitgeteilte Aufgabenstellung des Gutachtens wird von dieser in eigener Verantwortung dahin gehend geprüft, ob bereits Gutachten ähnlicher Fragestellung im nationalen oder internationalen Bereich erstellt wurden. Sie bedient sich dabei aller ihr bekannten Quellen wie zum Beispiel der Dokumentationsleitstellen im Deutschen Überseeinstitut Hamburg, das in regelmäßigen Veröffentlichungen Auflistungen über entwicklungsländerbezogene Forschungsarbeiten herausgibt. Die Auftragsvergabe an externe Gutachter geht von deren Qualifikation aus, die durch eigene langjährige Fach- und Personenkenntnis, oder über Einschaltung von Fachstellen sichergestellt wird. Der Gutachter ist insbesondere zur angemessenen Zusammenarbeit mit den Repräsentanten und Fachkräften anderer — auch multilateraler Organisationen — verpflichtet, soweit sich die gegenseitigen Projekttätigkeiten beeinflussen. Eine Nichtbeachtung dieser Verpflichtung wäre ein Verstoß gegen seinen Vertrag und könnte entsprechende Konsequenzen auslösen. Sofern nach Erstellung des Gutachtens Ergebnisse anderer Organisationen in gleicher oder ähnlicher Fragestellung bekannt werden, werden diese Inhalte aufeinander abgestimmt. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9651* Zu Frage A 99: Mit Brasilien gibt es keine Anwerbevereinbarung für die Beschäftigung brasilianischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland. Einige deutsche Firmen haben von der Bundesanstalt für Arbeit die Erlaubnis erhalten, eine begrenzte Anzahl brasilianischer Arbeitnehmer in Deutschland zu beschäftigen. Diese Erlaubnis wurde erteilt, weil sie jeweils im Rahmen von Geschäftsbeziehungen beantragt wurde. Der Bundesregierung ist bekannt, daß zeitweise etwa 1 500 brasilianische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet haben. Aufgrund von Anregungen aus dem kirchlichen und sozialen Bereich hat sich die Bundesregierung entschlossen, ein berufliches Fortbildungs- und Wiedereingliederungsprogramm für brasilianische Arbeitnehmer anzubieten. Die Durchführung des Programms liegt bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung und beim Jugendsozialwerk. Insgesamt werden durch dieses Programm 70 brasilianische Arbeitnehmer gefördert. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schluckebier (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen A 100 und 101) : Welche Mittel wenden die einzelnen ölexportierenden Länder im Vergleich zu den Industriestaaten für die Entwicklungshilfe auf? Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit der Beschäftigung von Ausländern als Entwicklungshelfer im Rahmen des Entwicklungshelfergesetzes? Zu Frage A 100: Die Netto-Leistungen der OPEC-Mitglieder für Entwicklungsländer werden seit 1970 statistisch erfaßt. Seit der Ölkrise ermittelt das DAC auch die längerfristigen Zusagen dieser Länder. 1974 sind danach bislang Zusagen in Höhe von rund 9,6 Mrd. US $ gemacht worden. Davon sollen ca. 3/4 bilateral und ca. 1/4 multilateral abgewickelt werden. Die auf Grund dieser Zusagen tatsächlich erfolgten Mittelabflüsse sind nach allen Erfahrungen — wesentlich geringer. Genauere Unterlagen darüber stehen nicht zur Verfügung. An der Spitze der Geberländer liegt Saudi-Arabien mit rund 31,4% der Zusagen, gefolgt vom Iran mit 31,0 % und Kuwait mit 14,0 %. Die sonstigen ölexportierenden Länder (Algerien, Irak, Libyen, Nigeria, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Venezuela) haben 1974 zusammen rund 24 % der Gesamtzusagen ausgesprochen. Dem stehen Zusagen der 16 im DAC zusammengeschlossenen Geberländer von 13,1 Mrd. US 8 im Jahre 1973 gegenüber. Dieser Betrag wird 1974 mit Sicherheit höher liegen. Zu Frage A 101: § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Entwicklungshelfer-Gesetzes schreibt vor, daß Entwicklungshelfer nur werden kann, wer Deutscher im Sinne von Art. 116 des Grundgesetzes ist. Entscheidend für die Aufnahme dieser Bestimmung in den Gesetzestext war, daß Deutsche, die vorübergehend Entwicklungsdienst leisten, sozialversicherungsrechtlich annähernd so gestellt werden wie Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland. Bei Arbeitnehmern in der Bundesrepublik wird entsprechend dem Territorialitätsprinzip nicht zwischen Deutschen, Ausländern und Staatenlosen unterschieden. Daraus folgt aber auch, daß Arbeitnehmer im Ausland grundsätzlich nicht nach deutschem Sozialversicherungsrecht versichert werden; Ausnahmen gelten nur für Deutsche. Da es systemwidrig und nicht durchsetzbar wäre, Ausländer und Staatenlose auf Grund einer Freiwilligentätigkeit in Entwicklungsländern in die deutsche Sozialversicherung aufzunehmen, ist eine Änderung dieser Bestimmung nicht beabsichtigt. Unabhängig von dieser Regelung nehmen 4 von 5 anerkannten Trägern des Entwicklungsdienstes (Ausnahme: Deutscher Entwicklungsdienst) ausnahmsweise auch europäische Ausländer und Staatenlose an und entsenden diese als Freiwillige zu Bedingungen, die denen der Entwicklungshelfer vergleichbar sind. Die Versicherung erfolgt in diesen Fällen außerhalb des deutschen Sozialversicherungssystems auf privatrechtlicher Basis. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Brück auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau von Bothmer (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen A 103 und 104) : Wie bewertet die Bundesregierung die Industrialisierungsvorhaben in Zaire unter Federführung der KHD-Industrieanlagen AG, besonders unter entwicklungspolitischem Aspekt? In welchem Ausmaß ist an diesem Projekt deutsche Kapitalhilfe beteiligt? Zu Frage A 103: Die Bundesregierung hat mit Interesse von der Gründung einer Deutsch-Zairischen Gesellschaft Kenntnis genommen, die sich die Industrialisierung des Nordostens von Zaire zum Ziel gesetzt hat. Sie hat bereits im März dieses Jahres erklärt, daß sie eine stärkere partnerschaftliche Zusammenarbeit in einem solchen Rahmen grundsätzlich für wünschenswert hält. Zu Frage A 104: Die Bundesrepublik Deutschland ist an diesem Projekt nicht mit Kapitalhilfe beteiligt. 9652* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Anlage 27 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Althammer (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage A 107) : Welche Ergebnisse sind bei den deutsch-rumänischen Verhandlungen vom 9. bis 12. Dezember 1974 über ein neues Programm im Rahmen des Kulturabkommens von 1973 erzielt worden? Die vom 9. bis 12. Dezember 1974 in Bonn geführten deutsch-rumänischen Verhandlungen sind am 12. Dezember mit der Unterzeichnung eines Programms für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur und der Wissenschaft für die Jahre 1975 und 1976 gemäß dem deutsch-rumänischen Kulturabkommen vom 29. Juni 1973 abgeschlossen worden. Das neue Programm tritt an die Stelle des am 31. Dezember d. J. auslaufenden Zweijahresprogramms 1973/74 und sieht konkrete Austauschmaßnahmen vor allem in Bereichen wie Bildung, Wissenschaft, Ausstellungen und künstlerische Gastspiele vor. Zahlreiche Maßnahmen, die sich im Laufe der bisherigen Zusammenarbeit bereits bewährt haben, wie z. B. der lang- und kurzfristige Stipendiatenaustausch, der Sprachkursstipendienaustausch, Informationsreisen für Lehrer, die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Akademie der Sozialistischen Republik Rumänien, der Gastspiel- und Ausstellungsaustausch, die Jugendzusammenarbeit, werden auch im neuen Programm mindestens in dem bisher bereits beträchtlichen Umfang fortgesetzt. Für andere, z. B. den Lektorenaustausch, ist eine Erweiterung über den bisherigen Umfang hinaus vorgesehen. Eine Reihe weiterer Maßnahmen ist neu in das Zweijahresprogramm aufgenommen worden, wie z. B. der Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet des beruflichen Bildungswesens, die Zusammenarbeit im Bereich der Erwachsenenbildung und der beruflichen Fortbildung, die Schulbuchrevision oder der Austausch von Lehrern und Schulklassen. Anlage 28 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 1): Trifft die Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 11. Dezember 1974 zu, auf jugoslawischer Seite bestünden möglicherweise andere Vorstellungen, was die endgültige Aufgabe weiterer aus der Vergangenheit abgeleiteter Forderungen betrifft, als auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland, und wie ist die Aussage zu verstehen, die jugoslawische Seite habe sich bereit erklärt, die „definitive Erfüllung" der Brioni-Übereinkunft des damaligen Bundeskanzlers mit clam jugoslawischen Staats-und Parteichef als gegeben zu betrachten, „soweit Mittel des Bundeshaushalts betroffen sind"? Die von Ihnen zitierte Meldung der FAZ trifft nicht zu. Es besteht Einvernehmen mit der jugoslawischen Seite darüber, daß die noch übrigen offenen Fragen aus der Vergangenheit durch eine langfristige Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und anderen Gebieten gelöst werden sollen, wie es auch im Kommuniqué von Brioni anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Brandt im April 1973 zum Ausdruck kommt. In der Präambel des deutsch-jugoslawischen Abkommens über die Gewährung von Kapitalhilfe vom 10. Dezember 1974 wird festgestellt, daß die definitive Erfüllung dieser Übereinkunft, soweit Mittel des Bundeshaushalts betroffen sind, mit den Leistungen aus diesem Abkommen erfüllt sind. Anlage 29 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Marx (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 2) : Wie hoch sind die finanziellen Leistungen der einzelnen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen im Jahre 1974 und im Jahre 1973 gewesen? 1, Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen hatten in den Jahren 1973 und 1974 folgende Pflichtbeiträge nach Art. 17 Abs. 2 der VN-Charta zu leisten: a) Beiträge zum regulären VN-Haushalt (Anlagen 1 und 2) b) Beiträge zu den Kosten der VN-Friedenstruppe im Nahen Osten (UNEF/UNDOF) (Anlage 3, gilt gleichzeitig auch für den Zeitraum 25. April 1974 bis 24. Oktober 1974) Ferner ist damit zu rechnen, daß die 29. Generalversammlung der Vereinten Nationen für das Zweijahres-Budget 1974/75 einen Nachtragshaushalt in Höhe von voraussichtlich 61,3 Millionen US-Dollar verabschiedet. 2. Neben diesen Beiträgen zum regulären Haushalt sind die unter wesentlicher Beteiligung der westlichen Industrienationen geleisteten freiwilligen Beiträge zu den einzelnen Programmen und Hilfswerken von besonderer Bedeutung für die Tätigkeit der Vereinten Nationen. Da es keine Gesamtübersicht über diese freiwilligen Leistungen gibt, füge ich als Beispiel Aufstellungen über die freiwilligen Beiträge der VN-Mitgliedstaaten zu folgenden Programmen und Hilfswerken bei: — Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen — UNDP (Anlagen 4 und 5) — Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen -UNFPA (Anlage 6) - Umweltprogramm der Vereinten Nationen —UNEP (Anlage 7) — Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen — UNICEF (Anlage 8) — Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen — UNHCR (Anlagen 9 und 10) — Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge — UNRWA (Anlage 11) Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9653* Alle aufgeführten Anlagen sind aus VN-Dokumenten entnommen. Die Anlagen sind wegen des beträchtlichen Umfanges nicht abgedruckt. Anlage 30 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 3) : Teilt die Bundesregierung die in der UN-Vollversammlung vom US-Botschafter Scali geäußerte Meinung, daß „einseitige, unrealistische Resolutionen", wie es die Aussperrung Südafrikas von der laufenden Sitzungsperiode und die Beschneidung der Redezeit für Israel zweifellos darstellen, eine „Tyrannei der Mehrheit" bedeuten, die zu einer Überprüfung der UN-Verpflichtungen Anlaß sein könnten, und ist die Bundesregierung bei wiederholtem Verstoß der UN-Mehrheit gegen die eigene Charta ebenfalls bereit, spürbare Konsequenzen in Erwägung zu ziehen? Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung in den Vereinten Nationen mit großer Sorge. Der Bundesminister des Auswärtigen hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 11. Dezember 1974 auf die gegenwärtigen Probleme hingewiesen. Vorfälle während der 29. Generalversammlung zeigen, daß die Mehrheit sich zur Durchsetzung bestimmter Ziele auch über Regeln und Grundsätze der Vereinten Nationen hinwegzusetzen sucht. Derartige Mehrheitsbeschlüsse beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit der Weltorganisation. Die deutsche Delegation bei der Generalversammlung hat in ihren Erklärungen unmißverständlich gegen Mißbrauch der Mehrheit und Manipulation der Verfahrensordnung Stellung genommen. Sie hat dies auch durch ihre Stimmabgabe zum Ausdruck gebracht. Sie hat betont, daß eine Organisation, die ihre eigenen Spielregeln nicht respektiert, ihre Autoriät und Glaubwürdigkeit in Frage stellt. Die Bundesregierung wird auch weiterhin mit allen Mitteln, die sie als Mitglied der Vereinten Nationen hat, für die Erhaltung der Rechts- und Verfahrensordnung der Vereinten Nationen Stellung nehmen und jedem Mißbrauch entgegentreten. Sie wird dabei, wenn immer möglich, noch stärker als bisher gemeinsam mit anderen Staaten, insbesondere den europäischen Partnern, vorgehen. Auch unter voller Würdigung der gegenwärtigen kritischen Entwicklung der Vereinten Nationen darf gleichwohl nicht verkannt werden, daß die Vereinten Nationen ein wichtiger Faktor der internationalen Politik und ein Zentrum der weltweiten Zusammenarbeit bleiben, und daß dort weiterhin wichtige und unersetzbare Arbeit geleistet wird. Anlage 31 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 4): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um im Zusammenwirken mit den Ländern als Aufsichtsbehörden die Beschäftigung von Verfassungsfeinden wie im öffentlichen Dienst auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu verhindern? Bei der Beantwortung dieser Frage ist vorab auf die nach der Verfassung gesetzlich festgelegten Zuständigkeiten im Bereich des Rundfunks hinzuweisen. Danach steht den Rundfunk- und Fernsehanstalten ein weitgehendes Recht der Selbstverwaltung zu. Die Organe dieser Anstalten, also die Intendanten und die ihnen zur Seite stehenden Aufsichtsgremien, haben die sich hieraus ergebenden Verantwortlichkeiten wahrzunehmen. Den Landesregierungen und, soweit die Rundfunkanstalten des Bundesrechts in Betracht kommen, der Bundesregierung ist in diesen Gesetzen nur eine beschränkte Rechtsaufsicht vorbehalten. Aufgrund dieser Kompetenzverteilung ist es in erster Linie Sache der Intendanten der Rundfunk- und Fernsehanstalten, die erforderlichen Entscheidungen auch zur Beschäftigung ihrer Mitarbeiter zu treffen. Für die Berufung bzw. Anstellung von leitenden Mitarbeitern ist zumeist kraft Gesetzes oder Satzung ferner die Zustimmung des Rundfunk- bzw. Fernsehrates und/oder des Verwaltungsrates erforderlich. Darüber hinaus obliegen diesen Gremien im einzelnen geregelte Aufsichtsfunktionen. In den Aufsichtsgremien sind die Vertreter der gesellschaftlich relevanten Kräfte unseres Staates, also vor allem auch der politischen staatstragenden Parteien verantwortlich tätig. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß zu der Annahme, daß dieses Aufsichtssystem nicht funktioniert und die kraft Gesetzes tätigen Organe zu der aufgeworfenen Frage ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Die für Aktivitäten von Gegnern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf Landesebene zuständigen Innenminister der Länder werden in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des Bundes gegebenenfalls den für den Rundfunk Verantwortlichen die notwendigen Informationen zuleiten. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 5) : Kann die Bundesregierung den Zeitraum von zwei Jahren für die Sprachförderung von Aussiedlern erweitern, da viele Aussiedler aus Unkenntnis oder dem Drang, gleich eine Arbeit anzunehmen, erst nach Ablauf von zwei Jahren der Möglichkeit der Sprachförderung gewahr werden? Nach Nr. 5 Abs. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen zur Eingliederung junger Zuwanderer vom 11. Juli 1974 kann dem Antrag auf erstmalige Gewährung einer Beihilfe dann nicht entsprochen werden, wenn der junge Aussiedler nach seiner Zuwanderung die Ausbildung länger als 24 Monate nicht verfolgt hat, es sei denn, daß dies nach Lage des Einzelfalles gerechtfertigt war. 9654* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Diese Bestimmung ist mit der Einführung des Garantiefonds im Jahre 1956 getroffen und nach Abstimmung mit den obersten Landesbehörden und den Trägern in die jetzt gehenden — erst am 11. Juli 1974 neu erlassenen — Verwaltungsvorschriften übernommen worden. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die zügig durchgeführte Ausbildung der Eingliederung des jungen Zuwanderers dient und nur der an seiner Ausbildung Interessierte förderungswürdig ist. Die Regelung hat sich bewährt. Sofern in Einzelfällen Schwierigkeiten aufgetreten waren, konnte zufriedenstellend in Anwendung des vorstehend genannten Ausnahmetatbestandes geholfen werden. Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit zu einer Änderung der Vorschrift. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 6) : Ist es der Bundesregierung bekannt, ob Sympathisanten der Baader-Meinhof-Gruppe, die Mitglieder dieser Gruppe nachweislich unterstützt haben, in öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten tätig sind, und teilt die Bundesregierung die von Innenminister Weyer am 13. November 1974 vor dem Deutschen Bundestag geäußerte Ansicht, die Berichterstattung über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann sei nicht optimal gewesen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß aus dem Kreise der bisher rechtskräftig verurteilten Sympathisanten der kriminellen Baader-Meinhof-Vereinigung zwei Personen zum Zeitpunkt ihrer rechtskräftigen Verurteilung bei öffentlichen Rundfunkanstalten beschäftigt waren. Zu der von Ihnen angesprochenen Berichterstattung im Zusammenhang mit der Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann will ich mich einer verallgemeinernden Wertung enthalten. Es ist jedoch festzustellen, daß die Bundesregierung angesichts des Informationsstandes der Bevölkerung eine genaue und differenzierte Aufklärung über Gefahren des Terrorismus, über die von Sympathisanten und Unterstützern mit Hilfe der Anwälte betriebene Kampagne gegen die Justiz und einen Aufruf zur Solidarität der Bevölkerung mit den Organen des Staates für dringend geboten hielt. Dementsprechend hat die Bundesregierung in der letzten Zeit vielfach die Ihnen bekannten öffentlichen Erklärungen teils gemeinsam mit den Justizministern der Länder — abgegeben und durch den Bundesminister des Innern die Dokumentation über Aktivitäten anarchistischer Gewalttäter in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Mertes (Stuttgart) (FDP) (Drucksache 7/2982 Frage B 7) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach spanischem Recht auch in juristisch klaren Fällen - anders als in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Staaten mit geordneter Rechtsfolge — vollstreckbare Titel innerhalb angemessener Frist nicht erreicht werden können, und ist die Bundesregierung bei Vorliegen solcher Fälle, wie z. B. der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegenüber der SOFICO (Sociedad Financiera Internacional de Contructiones SA), bereit, die deutschen Gläubiger auf diplomatischem Weg bei der spanischen Regierung zu unterstützen? Bisher haben sich keine geschädigten deutschen Gläubiger mit der Bitte um Intervention an die Bundesregierung gewandt. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, ist bisher auch noch nicht die nach spanischem Recht erforderliche richterliche Genehmigung zur Zahlungseinstellung erteilt worden, so daß weder ein Vergleichs- noch ein Konkursverfahren eröffnet werden konnte. Da es sich um rein zivilrechtliche Ansprüche der Gläubiger gegen die SOFICO handelt, ist der inner-spanische Zivilrechtsweg gegeben. Hinsichtlich des Zugangs zu diesen Gerichten sichert der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat am 23. April 1970 geschlossene Niederlassungsvertrag den deutschen Gläubigern dieselben Rechte zu wie spanischen Staatsangehörigen. Sollten insoweit Schwierigkeiten auftreten, könnte die Bundesregierung auf Grund dieses Vertrages bei der spanischen Regierung vorstellig werden. Dies gilt auch für den Fall, daß Klagen deutscher Gläubiger im Vergleich zu Inländerverfahren ungebührlich verzögert werden. Im übrigen liegen der Bundesregierung über die Dauer spanischer Zivilprozesse keine ausreichenden Informationen vor. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 8) : Welche Kosten verursachten dem Bund die Organisation des Besuches von Sartre hei dem Untersuchungshäftling Baader? Durch den Besuch des Schriftstellers Sartre bei dem Untersuchungshäftling Baader sind dem Bund keine Kosten entstanden. Nach Auskunft des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg in Stuttgart ist zum Schutz des Besuchers ein Beamter des Landeskriminalamtes etwa 4 Stunden eingesetzt worden. Weitere besondere, über die bestehenden Sicherungsvorkehrungen hinausgehende Maßnahmen sind nicht getroffen worden. Der bei dem Gespräch anwesende vereidigte Gerichtsdolmetscher wurde gemäß dem Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart auf Kosten des Besuchers Sartre zugezogen. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 9) : Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9655* Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine gesetzliche Regelung dringend erforderlich ist, um Gutachter für in gerichtlichen Verfahren erstellte Gutachten, die vorsätzlich oder fahrlässig nicht der Wirklichkeit entsprechen, haftungsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, und bis wann wird ein Regierungsentwurf vorliegen? In der beim Bundesministerium der Justiz gebildeten Kommission für das Zivilprozeßrecht ist im Zusammenhang mit der Reform des Sachverständigenbeweisrechts vorgeschlagen worden, die Schadensersatzhaftung des gerichtlichen Sachverständigen gesetzlich zu regeln. Die Kommission wird ihre Beratungen hierzu im nächsten Jahr abschließen. Die Vorschläge der Kommission werden geprüft und mit den Ressorts, den Landesjustizverwaltungen und anderen zu beteiligenden Stellen erörtert werden; sie können in der nächsten Legislaturperiode mit einer das Beweisrecht regelnden Novelle zur Zivilprozeßordnung eingebracht werden. Eine Vorabregelung nur der Sachverständigenhaftung ohne Berücksichtigung der Kommissionsvorschläge zur Reform des Sachverständigenbeweises insgesamt halte ich nicht für sachdienlich. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 10) : Trifft es zu, daß es eine Anordnung der Bundesregierung gibt, wonach die Schlagbäume an bestimmten Grenzstationen nach dem Passieren eines jeden Kraftfahrzeugs sofort zu schließen sind, und — wenn ja — steht diese Anweisung nicht im Gegensatz zu den bisherigen positiven Praktiken zu der beabsichtigten Aufhebung von Beschränkungen beim Grenzverkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft? Es gibt keine allgemeine Anordnung, nach der die Schlagbäume an bestimmten Grenzübergängen nach dem Passieren eines jeden Kraftfahrzeuges sofort zu schließen sind. Der Bundesminister des Innern hat die Grenzschutzdirektion jedoch angewiesen, darauf hinzuwirken, daß Schranken an den Grenzübergängen zu schließen sind, wenn vorübergehend einmal — insbesondere bei kleinen, personell schwach besetzten Übergängen — kein Beamter auf der Straße Dienst verrichten kann. Die Zollstellen sind daraufhin angewiesen worden, bei der grenzpolizeilichen Kontrolle entsprechend zu verfahren. Dieser Anweisung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nach Mitteilung des Bundesministers des Innern ist im Juni 1974 abends ein mit Arabern besetztes Kraftfahrzeug bei geöffneter Schranke unkontrolliert über einen Grenzübergang gefahren. Die Beamten — je einer des Grenzschutzeinzeldienstes und der Zollverwaltung —, die an dem Übergang Dienst verrichteten, waren im Zeitpunkt der Ausreise im Zollamtsgebäude beschäftigt. Später stellte sich heraus, daß sich in dem Fahrzeug zwei in den Fahndungsunterlagen aufgeführte Personen befanden. Mit der genannten Anweisung soll verhindert (C werden, daß sich ein derartiges Vorkommnis wiederholt. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schrift- liche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 11) : Betrachtet die Bundesregierung im Hinblick auf die Aussage des Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung am 17. Mai 1974 (Stenographischer Bericht über die 100. Sitzung, Seite 6602), wonach sie die Kriegsfolgengesetzgebung als abgeschlossen ansehe, auch die Gesetzgebung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts insgesamt als abgeschlossen? In der Regierungserklärung vom 17. Mai 1974 wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung die Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgengesetzgebung mit der 28. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz bis auf eventuelle geringfügige Korrekturen als abgeschlossen betrachtet. Damit ist auch die Gesetzgebung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts insgesamt als abgeschlossen anzusehen. Um den Bereich unvermeidbarer Härten für den Personenkreis der Verfolgten soweit wie möglich zu begrenzen, werden die Möglichkeiten für die in der Regierungserklärung angesprochenen Korrekturen von der Bundesregierung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten geprüft. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Porzner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Köster (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 14) : Wie lange sind die Einheitswerte 1964 nach Meinung der Bundesregierung als Grundlage für die Grundsteuer noch anzuwenden? Die Einheitswerte der Hauptfeststellung 1964 werden der Grundsteuer seit 1. Januar 1974 zugrunde gelegt. Auf diesen Zeitpunkt sind erstmals auch die Fortschreibungen und Nachfeststellungen der Einheitswerte nach neuem Bewertungsrecht durchzuführen, die sich durch die in den letzten 10 Jahren eingetretenen Änderungen am Grundbesitz ergeben haben. Diese Bewertungsarbeiten nehmen noch einige Zeit in Anspruch. Eine Ermittlung neuer, zeitnäherer Einheitswerte käme daher schon mit Rücksicht auf den dabei zu 9656* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 bewältigenden Arbeitsaufwand gegenwärtig nicht in Betracht. Die Bundesregierung hat auch nicht die Absicht, in dieser Legislaturperiode einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Bewertungsgesetzes einzubringen. Ich habe dies bereits in der Fragestunde am 12. Juni 1974 zum Ausdruck gebracht (vgl. stenographischer Bericht über die 107. Sitzung, S. 7284/7285). Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 15) : Wie hoch ist das Kraftfahrzeugsteuer- und Mineralölsteueraufkommen jeweils in 1973 und 1974 (geschätzt), und wie werden diese Steuereinnahmen im einzelnen an Bund, Länder und Gemeinden verteilt? 1. Die Einnahmen aus der Kfz-Steuer und der Mineralölsteuer, die für 1973 als Ist-Ergebnisse und für 1974 als Schätzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen" vom 12./13. November 1974 vorliegen, betragen in Millionen DM: 1973 1974 Kfz-Steuer 4 988,8 5 150 Mineralölsteuer 16 588,8 16 100 darunter: Mineralölsteuer auf Heizöle 978,0 840 2. Die Kfz-Steuer ist eine reine Ländersteuer, die Mineralölsteuer dagegen eine reine Bundessteuer. An dem Aufkommen aus der Mineralölsteuer sind zusätzlich die Gemeinden mit „6 Gemeinde-Pfennigen" beteiligt. Die Einnahmen aus diesen beiden Steuern verteilen sich auf 1973 1974 in Millionen DM Kfz-Steuer Länder mit 4 988,8 5 150 Mineralölsteuer Bund mit 14 253,6 13 928 Gemeinden mit 2 335,2 2 172 Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 16 und 17): Kann die Bundesregierung Auskunft geben über die Konditionen (Amortisation und Zinsen) der mit der Sowjetunion und Polen abgeschlossenen Kooperationsverträge und deren Konsultierung mit der EG im Rahmen der Festlegung, wie es die Entscheidung des Rates vom 22. Juli 1974 vorsieht? Sind diese Verträge, die unmittelbar vor dem 1. Januar 1975, dem Übergangsdatum der Außenhandelshoheit an die EWG, auf zehn Jahre geschlossen wurden, mit Buchstaben und Geist des EWG-Vertrages vereinbar? Zu Frage B 16: Die Kooperationsrahmenabkommen, die die Bundesregierung am 30. Oktober 1974 mit der Sowjetunion und am 1. November 1974 mit Polen abgeschlossen hat, enthalten keine Zusagen von Krediten. Wie schon in früheren Abkommen wird lediglich die Bereitschaft der Bundesregierung erklärt, sich im Rahmen der geltenden Vorschriften darum zu bemühen, daß Kredite zu möglichst günstigen Bedingungen gewährt werden. Das geschieht, indem die Bundesregierung für private Exportkredite von Lieferanten und Banken die üblichen Ausfuhrbürgschaften zur Verfügung stellt. Beide Kooperationsabkommen wurden entsprechend dem Verfahren nach der Ratsentscheidung vom 22. Juli 1974 in Brüssel konsultiert. Zu Frage B 17: Die Konsultation der Abkommen in der Gemeinschaft hat gezeigt, daß die Vereinbarkeit mit dem EWG-Vertrag von keiner Seite in Zweifel gezogen wurde. Am 1. Januar 1973 (nicht 1975) ist die Vertragsschließungskompetenz für Handelsabkommen auf die Gemeinschaft übergegangen; dagegen können die Mitgliedsländer weiterhin Abkommen zur Förderung der Unternehmenskooperation, die keine handelspolitischen Elemente enthalten, abschließen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Marx (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 18) : Was sind Inhalt und Ziele der Bemühungen, mit denen die Bundesregierung auf verschiedenen Ebenen und gegenüber einigen Nachbarländern eine Koordinierung der regionalen Struktur-und Wirtschaftspolitik versucht? Die regionale Wirtschaftspolitik hat die Aufgabe, in strukturschwachen Gebieten Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern sowie Mängel in der Infrastrukturausstattung zu beseitigen. Hierfür bedarf es eines Systems finanzieller Anreize für die private Wirtschaft und der Bündelung staatlicher Infrastrukturmaßnahmen namentlich auf dem Gebiet des Verkehrs, des Städtebaus in den zu fördernden Gebieten. Auf Bundesebene werden regionalwirtschaftspolitische Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien durch den Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9657* Interministeriellen Ausschuß für regionale Wirtschaftspolitik (IMNOS) aufeinander abgestimmt. Die Bundesregierung bemüht sich um eine Koordinierung der regionalen Strukturpolitik in dreifacher Hinsicht: — gegenüber den Bundesländern — gegenüber den Nachbarstaaten — im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft. Bund und Länder haben ihre regionalwirtschaftspolitischen Aktivitäten in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Art. 91 a GG) zusammengeführt. In gemeinsam beschlossenen „Regionalen Aktionsprogrammen" werden Mitteleinsatz und Förderungsmaßnahmen in zusammenhängenden Fördergebieten unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse projektiert und schwerpunktmäßig konzentriert. Am 21. August 1974 hat der Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe beschlossen, die Fördergebiete auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und nach einheitlichen Kriterien neu abzugrenzen und die Schwerpunktorte nach allgemeinen Richtlinien neu zu bestimmen. Die hierdurch erforderlichen Änderungen werden mit dem 4. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe zu Beginn des Jahres 1975 in Kraft treten. Damit soll auch die Basis für die Einführung eines Systems der gemeinsamen Erfolgskontrolle geschaffen werden. Die Bemühungen um eine Koordinierung regionalpolitischer Maßnahmen mit den Nachbarländern gehen von der Erkenntnis aus, daß die Wirkung dieser Maßnahmen an einer offenen Grenze nicht halt macht: Die regionale Wirtschaftspolitik muß sowohl die Ausstrahlung deutscher Maßnahmen in die Nachbarländer als auch die Rückwirkung ausländischer Maßnahmen auf das Bundesgebiet in Rechnung stellen. Dies fordert enge Kontakte mit den jeweils zuständigen Stellen der Nachbarländer, die eine rechtzeitige gegenseitige Information gewährleisten. Ein weiteres Ziel dieser bilateralen Kontakte ist die Schaffung integrativer Konzepte, die ein Zusammenwirken der regionalpolitischen Anstrengungen auf beiden Seiten der Grenze ermöglichen und dazu beitragen, die wirtschaftlichen Nachteile politischadministrativer Grenzen zu überwinden. Die organisatorische Basis für die Koordinierung mit den Nachbarstaaten — Dänemark, Niederlande, Frankreich, Schweiz, Osterreich — bilden regelmäßige Referentengespräche über Fragen der regionalen Wirtschaftspolitik, die auf deutscher Seite unter Beteiligung der Länder geführt werden. Die Koordinierung der regionalen Wirtschaftspolitiken auf europäischer Ebene ist durch den Beschluß der Regierungschefs vom 9./10. Dezember 1974 über die Errichtung eines europäischen Regionalfonds in eine neue Phase getreten. Die Bundesregierung sieht ihre Aufgabe darin, ihre seit der Einführung der ersten regionalen Hilfsmaßnahmen im Jahre 1951 in einem föderalistischen Staatswesen gewonnenen Erfahrungen in den europäischen Meinungsbildungsprozeß einzubringen. Insbesondere wird sie sich für — wachstumsorientierte Förderungsmaßnahmen — Regionale Aktionsprogramme — schwerpunktmäßige Konzentration — dezentralisierte Verwaltung — Erfolgskontrolle einsetzen. Die Möglichkeiten hierzu können sich in dem geplanten Europäischen Ausschuß für Regionalpolitik und bei der Verwaltung des europäischen Regionalfonds sowie bei der Koordinierung der Beihilfen nach Art. 92 ff. des EG-Vertrages ergeben. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 19) : Wird die Bundesregierung das Bundeskartellamt auffordern einzugreifen, wenn die Stickstoffindustrie weitere Preiserhöhungen für Handelsdünger durchsetzen will? Das Bundeskartellamt hat die Preisentwicklung auf dem Düngemittelmarkt in diesem Jahr aus Anlaß der Preissteigerungen für Handelsdünger im Februar 1974 untersucht. Diese Prüfungen haben angesichts des starken Anstiegs der Kosten für Energie und Rohstoffe keine Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Preisgestaltung seitens der deutschen Düngemittelindustrie ergeben. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß im Vergleich zu den Weltmarktpreisen die Düngemittelpreise in der Bundesrepublik Deutschland spürbar günstiger liegen. Das Bundeskartellamt beobachtet weiterhin aufmerksam die Preisentwicklung für Düngemittel und wird etwaige weitere Preisanhebungen ebenfalls eingehend überprüfen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Sauter (Epfendorf) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 20) : Welche EG-Staaten haben in Brüssel keine Anmeldungen für das einzelbetriebliche Förderprogramm gemacht, und kann die Bundesregierung die Gründe dafür angeben? Alle neun Mitgliedstaaten haben die Entwürfe ihrer Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie 72/159/EWG (Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe) der Kommission zur Prüfung der Konformität vorgelegt. Entsprechend den Verfahrens- 9658* Deutscher Bundestag — 7, Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 bestimmungen dieser Richtlinie haben auch die Anhörungen im Ständigen Agrarstrukturausschuß stattgefunden. Die Kommission hat auch jeweils ihre Stellungnahme zu den Entwürfen der Durchführungsbestimmungen abgegeben. Jedoch haben Italien und Frankreich noch keine positiven Entscheidungen, weil sie bisher noch keine in Kraft gesetzten Durchführungsbestimmungen vorlegen konnten. Die Gründe für diese Verzögerung sind bei den genannten Mitgliedstaaten unterschiedlich. Italien hatte bereits im Jahr 1973 den Entwurf eines Durchführungsgesetzes vorgelegt, der nach einer Anhörung im Ständigen Agrarstrukturausschuß, die im Juni 1973 stattfand, von der Kommission positiv beurteilt wurde. Bisher hat aber das italienische Parlament dieses Gesetz noch nicht verabschiedet, weil die autonomen Regionen die Kompetenz zum Erlaß von Durchführungsgesetzen zur Richtlinie 72/159/EWG für sich in Anspruch nehmen. Da dieser Kompetenzkonflikt bislang noch nicht gelöst werden konnte, ist das erwähnte Durchführungsgesetz noch nicht erlassen worden. Die Kommission hat deshalb gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 des EWG-Vertrages eingeleitet. Frankreich hat ebenfalls einen Entwurf von Durchführungsbestimmungen vorgelegt, der aber von der Kommission negativ beurteilt wurde. Frankreich hat sich daraufhin bemüht, den von der Kommission angesprochenen Beanstandungen Rechnung zu tragen und hat einen neuen Entwurf vorgelegt, der aber wiederum in einigen wenigen Punkten von der Kommission nicht für konform angesehen wurde. Frankreich wird also einen dritten Entwurf vorlegen müssen. Gegen Frankreich ist von der Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden, weil, wie sie erklärt hat, das Bemühen, einen konformen Entwurf vorzulegen, erkennbar sei. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 21 und 22) : Sind die Informationen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unfallversicherungsträger zutreffend, daß im Jahr 1973 rund 600 000 Schulkinder bei Unfällen in der Schule und auf dem Schulweg verletzt worden sind, wodurch Versicherungsleistungen von 83,6 Millionen DM erforderlich wurden? Sind diese Informationen zutreffend, daß die Zahl der Unfälle von Schulkindern von 600 000 im Jahr 1973 im Jahr 1974 noch überschritten wird, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Unfallgefahren für Schulkinder vor allem im Bereich der eigenen Zuständigkeit, z. B. bei der Gefahrenquelle durch den Schulbus, zu vermindern? Zu Frage B 21: Der Unfallverhütungsbericht (Drucksache 7/2622), den die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag am 9. Oktober 1974 vorgelegt hat, weist aus, daß im Jahre 1973 rd. 600 000 Unfälle und Erkrankungen in Schulen, Hochschulen und Kindergärten bei den Eigenunfallversicherungsträgern angezeigt wurden. In dieser Zahl sind rd. 80 00 Wegeunfälle und 44 Krankheiten, die unter die Liste der Berufskrankheiten fallen, enthalten. Im Unfallverhütungsbericht ist weiter ausgeführt, daß 1973 2 624 Unfälle und Erkrankungen von Schülern, Studierenden und Kindern in Kindergärten entschädigt wurden. 1 248 der entschädigten Unfälle waren Wegeunfälle. Die Gesamtkosten der Schülerunfallversicherung betrugen im Jahre 1973 99,9 Millionen DM. Zu Frage B 22: Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich bemerken, daß nach Auskunft der für die Zusammenstellung der Schülerunfallstatistiken zuständigen Bundesarbeitsgemeinschaft der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, München, für das Jahr 1974 nicht mit einer wesentlichen Steigerung der Unfallzahlen bei den Schülern und Kindern in Kindergärten gerechnet werden muß. Der Vergleich der Statistiken für die ersten Halbjahre 1973 und 1974 zeigen zwar für 1974 eine Zunahme von 26 600 Unfällen, daraus lassen sich aber wegen der großen Schulferien in der zweiten Jahreshälfte noch keine Schlüsse auf die Gesamtzahl der Unfälle des Jahres 1974 ziehen. Bei den erstmals entschädigten Unfällen war zwischen dem ersten Halbjahr 1973 und 1974 sogar ein Rückgang von 262 Fällen zu verzeichnen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat zur Unfallversicherung für Schüler, Studenten und Kinder in Kindergärten einen Kurzbericht vorgelegt, in dem eingehend Vorschläge zur Verbesserung der Unfallverhütung bei Schülern und Kindern in Kindergärten dargelegt sind (vgl. Sozialpolitische Informationen, Jahrgang VIII/37 vom 17. Oktober 1974, S. 180). Im Hinblick auf die Unfallverhütung bei der Benutzung von Schulbussen hat der Bundesminister für Verkehr eine Änderung der Straßenverkehrsordnung vorbereitet, die dem Bundesrat voraussichtlich im Januar 1975 zugeleitet werden soll. Hierin ist vorgesehen, daß haltende Schulbusse die Warnblinklichter einschalten müssen, solange Kinder ein- oder aussteigen, und daß andere Kraftfahrzeuge an haltenden, gekennzeichneten Schulbussen, die ihre Warnblinklichter eingeschaltet haben, nur mit mäßiger Geschwindigkeit vorbeifahren dürfen; eine Gefährdung der Schulkinder muß hierbei ausgeschlossen sein. Ebenfalls im Januar 1975 soll dem Bundesrat eine neue Betriebsordnung für Kraftomnibusse (BO Kraft) des Bundesministeriums für Verkehr vorgelegt werden. In dieser Ordnung ist im einzelnen festgelegt, wie die Schulbusse zu kennzeichnen sind und wie die Beschilderung beschaffen sein muß. Deutscher Bundestag — 7, Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9659* Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 23) : Trifft es zu, daß immer mehr deutsche Firmen bei der Einstellung von Mitarbeitern mit Hilfe von psychologischen Tests deren Persönlichkeitsstruktur, Berufseignung, psychischen Gesundheitszustand und andere persönliche Merkmale zu erfahren suchen, und wie läßt sich diese Verfahrensweise mit dem in Artikel 2 des Grundgesetzes garantierten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit vereinbaren, wie sind die so getesteten Personen vor dem Mißbrauch dieser Testergebnisse, z. B. durch Weitergabe an andere Firmen oder sonstige interessierte Dritte, geschützt? Der Bundesregierung sind keine Zahlen darüber bekannt, in welchem Umfang Persönlichkeitstests bei der Einstellung von Arbeitnehmern durch die Unternehmen angewendet werden; es kann daher auch nicht beurteilt werden, ob immer mehr Unternehmen zur Anwendung von psychologischen Tests übergehen. Voraussetzung für die Durchführung von psychologischen Eignungsuntersuchungen bei der Einstellung von Arbeitnehmern sollte nach Auffassung der Bundesregierung sein, daß die gewählte psychologische Eignungsuntersuchung für die Beurteilung, ob der Arbeitnehmer für die vorgesehene Tätigkeit ge-. eignet ist, erforderlich und von wesentlicher Bedeutung ist. Darüber hinausgehende psychologische Eignungsuntersuchungen insbesondere umfangreiche Persönlichkeitstests , die sich nicht auf die Prüfung der am zukünftigen Arbeitsplatz erforderlichen berufs- bzw. arbeitsbezogenen Begabung beschränken, sollten nicht im Rahmen der Einstellung durchgeführt werden. Damit wird verhindert, daß in unzulässiger Weise in die Privatsphäre des Arbeitnehmers eingegriffen und dessen in Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz grundrechtlich garantiertes Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Weitere Voraussetzung einer jeden psychologischen Eignungsuntersuchung sollte sein, daß der Arbeitnehmer sein Einverständnis dazu erteilt hat. Nach geltendem Recht kann im Rahmen von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen nach § 95 Betriebsverfassungsgesetz geregelt werden, inwieweit solche Tests durchgeführt werden dürfen. Die Testergebnisse hat der Arbeitgeber ebenso wie Personalakten vertraulich zu behandeln. Das ergibt sich einmal aus der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht, zum anderen mittelbar aus § 83 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz. Hiernach hat auch das vom Arbeitnehmer zur Akteneinsicht hinzugezogene Betriebsratsmitglied über den Inhalt der Personalakten Stillschweigen zu bewahren, soweit es vom Arbeitnehmer im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird. Außerhalb des Betriebes dürfte ein Interesse an den Testergebnissen bei denjenigen Firmen vorhanden sein, bei denen sich der Arbeitnehmer zwecks Stellenwechsels bewirbt. Erteilt der Arbeitgeber insoweit Auskunft über den Arbeitnehmer, so muß sich diese in den durch Artikel 1 und 2 Grundgesetz gezogenen Grenzen halten, Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers haben nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Personen oder Institutionen zu achten, die im Auftrage der Arbeitgeber Tests durchführen. Das werden in der Regel Psychologen sein. Daher möchte ich auf die „Berufsethischen Verpflichtungen für Psychologen" (Fassung vom 1. Januar 1967) des Berufsverbandes Deutscher Psychologen e. V. hinweisen, in denen sich die Psychologen selbst auferlegen, die Würde und den Wert des Individuums zu achten und über Informationen, die ihnen in ihrer Berufstätigkeit über andere Menschen zugehen, Verschwiegenheit zu bewahren. Wird das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers bei Durchführung der Tests oder durch mißbräuchliche Weitergabe der Testergebnisse verletzt, so stehen dem Arbeitnehmer Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gemäß § 823 und analog § 1004 BGB zu. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Zulässigkeit von psychologischen Eignungsuntersuchungen in der aufgezeigten Richtung in dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Arbeitsverhältnisrechts zu begrenzen, so wie es die Rechtsprechung bereits zu dem Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung eines Arbeitnehmers getan hat. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Sauter (Epfendorf) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 24) : Trifft es zu, daß die einzelnen Krankenversicherungsträger an Sozialstationen Zuschüsse in unterschiedlicher Höhe für gleiche Leistungen geben, und ist die Bundesregierung der Meinung, daß hier einheitliche Regelungen gefunden werden sollten, wenn ja, wie? Die gesetzliche Krankenversicherung wird von den Krankenversicherungsträgern in eigener Verantwortung im Rahmen von Gesetz und Satzung durchgeführt. Dies gilt auch für eventuelle besondere Beziehungen der Krankenkassen zu Sozialstationen. Der Bundesregierung ist daher im einzelnen nicht bekannt, ob an Sozialstationen „Zuschüsse" gegeben werden. Ich werde jedoch über diesen Sachverhalt bei den Spitzenverbänden der Krankenversicherungsträger Rückfrage halten und Ihnen nach Klärung der Angelegenheit eine weitere Mitteilung zukommen lassen. 9660* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Beermann (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 25) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, z. B. Referendare, nach ihrem voraussehbaren Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis keine Arbeitslosenunterstützung erhalten, und teilt sie meine Auffassung, daß es der Fürsorgepflicht entspricht, wenn für den betroffenen Personenkreis die gesetzliche Voraussetzung für einen freiwilligen Beitritt zur Arbeitslosenversicherung geschaffen würde? Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst sind wie alle übrigen Beamten nicht für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert. Wird ein solcher Beamter arbeitslos, so ist er jedoch nicht ungeschützt. Er hat in diesem Fall grundsätzlich Anspruch auf die aus Bundesmitteln finanzierte Arbeitslosenhilfe. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die Möglichkeit eines freiwilligen Beitritts zur Arbeitslosenversicherung geschaffen werden sollte. Die Arbeitslosenversicherung kennt keine freiwillige Versicherung. Von dem Recht des freiwilligen Beitritts würden — vor allem in Zeiten günstiger Arbeitsmarktlage — nur solche Personen Gebrauch machen, die Anlaß haben, den Eintritt des Schadensfalles in absehbarer Zeit zu befürchten. Die Übernahme eines solchen — erhöhten — Risikos kann aber den Arbeitnehmern, die der Versicherung kraft Gesetzes — also unabhängig von ihrem Willen — angehören, nach Auffassung der Bundesregierung nicht zugemutet werden. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 26) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Arbeitslosenquote im Arbeitsamtsbezirk Ansbach im November 1974 auf 3 °/o anstieg, die Stellenangebote jedoch weiter abgesunken sind, und in welcher Höhe werden zur Verbesserung dieser Situation Geldmittel aus dem neuen Konjunkturprogramm in den Arbeitsamtsbezirk Ansbach fließen? Im Gegensatz zum Sonderprogramm vom Herbst 1974 wurde bei dem Programm zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum bei Stabilität eine vorherige Regionalisierung grundsätzlich nicht vorgenommen, zumal bei diesem Programm andere Schwerpunkte (Arbeitsförderung, Energieversorgung, Hochbau) gebildet worden sind. Abgesehen davon lassen sich die vorgesehenen Maßnahmen auch nur zum Teil bestimmten Orten bzw. Gebieten zuordnen. Regional ausgerichtet sind lediglich die besonderen arbeitsmarktpolitischen Beschäftigungshilfen. Nach den entsprechenden Richtlinien meines Hauses werden Lohnkostenzuschüsse und einmalige Mobilitätszulagen für arbeitslose Arbeitnehmer geleistet, die in einem Arbeitsamtsbezirk wohnen, dessen Arbeitslosenquote in den letzten drei Monaten vor dem 1. Dezember 1974 jeweils 0,5 Prozentpunkte über der Arbeitslosenquote des Bundesgebietes (einschließlich des Landes Berlin) lag. Diese räumliche Abgrenzung soll bewirken, daß den Beschäftigungsproblemen gezielt dort begegnet werden kann, wo sie am ausgeprägtesten sind. Im Arbeitsamtsbezirk Ansbach lag die Arbeitslosenquote in allen drei genannten Monaten unter dem Bundesdurchschnitt. Der Arbeitsamtsbezirk Ansbach erfüllt demnach nicht die Voraussetzungen für die besonderen Beschäftigungshilfen. Eine Aussage darüber, in welcher Höhe Mittel der übrigen Teile des Konjunkturprogramms der Bundesregierung voraussichtlich in den Raum Ansbach fließen werden, läßt sich zur Zeit nicht treffen. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 27): Wie hoch ist die Summe der Zuschüsse für die Arbeiter- und Angestelltenversicherung absolut und prozentual? Insgesamt fließen an Bundeszuschüssen den Trägern der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten im Jahre 1974 11,376 Milliarden DM zu. Das sind 41,7 v. H. der Ausgaben im Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung und 8,3 v. H. der Gesamtausgaben des Bundes. Der Anteil dieser Zuschüsse an den Gesamteinnahmen der Träger der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten beträgt 13,2 v. H. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 28) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß verschuldete Arbeitnehmer, insbesondere während der Probezeit, wegen Lohnpfändungen mit einer Kündigung rechnen müssen, und ist die Bundesregierung bereit, durch eine Schutzregelung für solche Arbeitnehmer die Chance zu verbessern, durch ein regelmäßiges Arbeitseinkommen ihre finanziellen Verhältnisse zu ordnen? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang Arbeitsverhältnisse verschuldeter Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9661* Arbeitnehmer wegen Lohnpfändung arbeitgeberseitig gekündigt werden. Soweit ersichtlich, hat diese Frage auch in der Rechtsprechung bisher keine nennenswerte Rolle gespielt. Hier ist lediglich eine Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 3. Januar 1956 (Betriebs-Berater 1956 S. 434) bekannt, wonach bloße Schulden, auch wenn sie zu Lohnpfändungen führen, im allgemeinen keinen die Kündigung sozial rechtfertigenden Grund darstellen. Anders kann die Rechtslage allerdings sein, wenn beispielsweise ein Kassierer oder ein sonstiger Angestellter, dem Geld anvertraut werden muß, in erheblichem Umfang über seine Verhältnisse hinausgehende und nicht durch zwingende Notwendigkeiten gebotene Schulden macht. Abgesehen von Ausnahmefällen ist der verschuldete Arbeitnehmer also gegen eine mit Lohnpfändungen begründeten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch § 1 Kündigungsschutzgesetz geschützt. Dieser Kündigungsschutz greift allerdings nicht ein bei Arbeitsverhältnissen, die noch keine sechs Monate bestanden haben, insbesondere also während Probezeiten. Die Bundesregierung wird in Zusammenhang mit der Vorbereitung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Arbeitsverhältnisrechts prüfen, inwieweit ein über das geltende Recht hinausgehender Kündigungsschutz solcher Arbeitnehmer verwirklicht werden kann. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Tübler (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 29 und 30) : Trifft die Meldung der „Kieler Nachrichten" vom 2. Dezember 1974 zu, nach der zwei mit Bundeswehrersatzteilen beladene Sattelschlepper eines Transportunternehmens in der Nacht zum Sonnabend, dem 30. November 1974, gestohlen worden sind? Waren die Lkws im Depot oder bei dem Transportunternehmen abgestellt, und welche Sicherheitsmaßnahmen sind dabei gröblichst verletzt worden? Es trifft zu, daß in der Nacht zum Sonnabend, dem 30. November 1974, auf dem Gelände einer Speditionsfirma bei Karlsruhe 2 Lastkraftwagen, die mit Wehrmaterial beladen waren, gestohlen worden sind. Die Fahrzeuge waren auf dem Wege von den Lieferfirmen zu Bundeswehr-Depots und wurden, da die Depots am gleichen Tage nicht mehr erreicht werden konnten, von den Fahrern auf dem firmeneigenen Gelände der Spedition abgestellt. Gegen militärische Sicherheitsbestimmungen ist nach Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung nicht verstoßen worden. Das Material war handelsüblich (Kfz-Ersatzteile, Motoren und Getriebe), bedurfte daher keines besonderen Schutzes und war im übrigen noch nicht im Besitz des Bundes. Abschließend bemerke ich, daß die Kriminalpolizei und die zuständige MAD-Gruppe eingeschaltet worden sind. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Peter (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 31) : Geht die Bundesregierung davon aus, daß auch in Zukunft die Arbeitsplätze beim Heeresinstandsetzungswerk St. Wendel, entgegen den mit der Absicht, die Belegschaft zu verunsichern, verbreiteten Gerüchten, gesichert sind, und welche Gründe können für die zukünftige Arbeitsplatzsicherheit angeführt werden? Es ist davon auszugehen, daß die Arbeitsplätze beim Heeresinstandsetzungswerk 860 in St. Wendel, auch künftig gesichert sind. Nach den Depotinstandsetzungsplänen ist für die Jahre 1975 und 1976 die volle Auslastung der im Werk vorhandenen Instandsetzungskapazität vorgesehen. Hinsichtlich der künftigen Sicherheit der Arbeitsplätze wird auf die zur Zeit laufenden Ausbaumaßnahmen der Werkanlagen hingewiesen. Darüber hinaus sind in den kommenden Jahren weitere Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur geplant. Anlage 54 Antwort des Parl Staatssekretärs Haehser auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Brandt (Grolsheim) (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen B 32 und 33) : Trifft es zu, daß nach Inkrafttreten des Bundespersonalvertretungsgesetzes eine Benachteiligung der Mitglieder der örtlichen Personalvertretungen bei den Stationierungsstreitkräften dadurch eintritt, daß sie nach Anhang R des Tarifvertrags vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine Reisekosten erhalten, und wie beurteilt die Bundesregierung die hierdurch besonders für nicht gewerkschaftlich organisierte Mitglieder von Personalvertretungen entstehende Benachteiligung, z. B. bei der Teilnahme an Schulungsveranstaltungen? Was gedenkt die Bundesregierung gegen diese offensichtliche Benachteiligung zu tun? Zu Frage B 32: Mit Bezug auf § 44 Absatz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) haben die Hauptquartiere der Stationierungsstreitkräfte sich damit einverstanden erklärt, daß den Mitgliedern der örtlichen Betriebsvertretungen bei Reisen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Reisekostenvergütung nach den 9662* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Bestimmungen des Anhang R TVAL II/TVAL II frz Reisekostenstufe II gezahlt wird. Hinsichtlich der Reisekostenvergütung für Angehörige der Stufenvertretungen verbleibt es bei der in Absatz (2) des Unterzeichnungsprotokolls zu Artikel 56 Absatz 9 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut getroffenen Regelung, nach der den Mitgliedern der Stufenvertretungen Reisekosten mindestens nach Anhang R TVAL II/TVAL II frz Reisekostenstufe II zu vergüten sind. Das gilt auch bei der Teilnahme an Schulungsveranstaltungen nach § 46 Absatz 6 BPersVG. Zu Frage B 33: Eine Benachteiligung der Betriebsvertretungen im Bereich der Stationierungsstreitkräfte liegt somit nicht vor. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 34 und 35) : Welche Stellungnahmen haben bei Anhörungen im Rahmen von Untersuchungen zur geplanten Schaffung eines Musterungszentrums in Würzburg unter evtl. Auflösung der Kreiswehrersatzämter Gemünden und Aschaffenburg das Land Bayern, der Gesamtpersonalrat des Bundesministeriums der Verteidigung und die Vertreter welcher übrigen Körperschaften (Landkreise und Städte) abgegeben? Wann wurden die letzten Renovierungsarbeiten im Gebäude des Kreiswehrersatzamtes Gemünden durchgeführt, und wie hoch waren die Kosten? Am 11. Dezember 1973 fand eine Erörterung über die Zentralisierung des Musterungsverfahrens im Regierungsbezirk Unterfranken bei der Wehrbereichsverwaltung VI in München statt. Hierzu waren Vertreter der Bayerischen Staatskanzlei und der betroffenen Gebietskörperschaften (Landkreise und Städte) erschienen. Bei der Erörterung des Für und Wider der geplanten Maßnahme hielten die Gesprächspartner der Wehrbereichsverwaltung VI der Musterungszentralisierung im unterfränkischen Raum die für den Bürger auf dem Lande auftretenden Erschwernisse entgegen. Einen breiten Raum nahm dabei die Argumentation für eine bürgernahe Verwaltung ein. Den Vertretern der Gebietskörperschaften wurde in diesem Zusammenhang dargelegt, daß auch der Bund — ebenso wie die Gemeinden und Länder — gezwungen sei, eine rationelle Verwaltungsorganisation sicherzustellen. Im Hinblick auf die Vielfalt der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte wurden die an der Diskussion teilnehmenden Vertreter gebeten, weitere Überlegungen zur Musterungszentralisierung in Unterfranken schriftlich darzulegen. Die unter Berücksichtigung aller geltend gemachten Einwendungen getroffene Entscheidung wurde Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, ebenso wie allen anderen beteiligten Persönlichkeiten in einem Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 2. Dezember 1974 mitgeteilt. Bei der Entscheidung hat der Hauptpersonalrat beim Bundesministerium der Verteidigung, der die Belange der von der Organisationsmaßnahme betroffenen Beschäftigten vertritt, mitgewirkt. Er hat nach Beteiligung der örtlichen Personalvertretungen mit Schreiben vom 9. August 1974 der Zusammenlegung der Kreiswehrersatzämter Gemünden, Würzburg und Aschaffenburg in Würzburg zugestimmt. Ihre Frage nach dem Zeitpunkt und den Kosten der Renovierungsarbeiten im Gebäude des Kreiswehrersatzamtes Gemünden beantworte ich wie folgt: Die letzten Renovierungsarbeiten im Gebäude des Kreiswehrersatzamtes Gemünden wurden in der Zeit vom 15. Juli bis 14. Oktober 1974 durchgeführt, und zwar Putz- und Malerarbeiten in den Räumen, Fluren und im Treppenhaus des ersten Obergeschosses und im Dachgeschoß. Die Kosten betrugen insgesamt ca. 21 000,— DM. Der Bund hat das Gebäude seit 1956 von der Stadt Gemünden ermietet. Laut Mietvertrag ist er verpflichtet, notwendig werdende Schönheitsreparaturen (Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände) durchzuführen. Um derartige Renovierungsarbeiten, zu denen der Bund verpflichtet ist, handelt es sich im vorliegenden Falle. Nach Verlegung der Aufgaben des Kreiswehrersatzamtes Gemünden nach Würzburg wird der Bund das Gebäude etwa ab Mai 1975 an den Vermieter zurückgeben. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 36 und 37) : Welche Veränderungen, besonders im Hinblick auf eine Zusammenfassung (Großraumschule) plant die Bundesregierung bei den Bundeswehrschulen im Standortbereich Sonthofen im Laufe der kommenden Jahre, und was wird gegebenenfalls unternommen zur Absicherung von Arbeitsplätzen von Arbeitnehmern und Beamten in diesem Zusammenhang? Gibt es Pläne bzw. Absichten insbesondere hinsichtlich der ABC-Schule zu ihrer Umorganisation oder Verlegung, und in welchem Umfang soll wann in Sonthofen eine Fachschule für Offiziersanwärter--Betriebswirtschaft eingerichtet werden? Im Zuge der Realisierung der Neuordnung von Bildung und Ausbildung im Heer sowie im Rahmen der Vorbereitung der neuen Heeresstruktur werden zur Zeit im Führungsstab des Heeres Überlegungen zur Organisation des Schulbereiches des Heeres angestellt. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9663* Ihr Ziel ist es, die Ausbildung an den Schulen des Heeres qualitativ und quantitativ bei möglichst genngem zusätzlichen Aufwand an die neuen Erfordernisse anzupassen. Dies soll unter anderem erreicht werden durch Zusammenfassung von kleineren Truppenschulen zu rationellen Großschulen und durch Verlagerung von Ausbildungsaufträgen der Schulen so, daß für eine Ausbildungsreihe nur noch jeweils an einer Schule des Heeres ausgebildet wird. Eine Arbeitsgruppe des Führungsstabes des Heeres hat Lösungsmöglichkeiten untersucht, in die auch die Truppenschulen des Heeres im Standort Sonthofen einbezogen sind (ABC- und Selbstschutz-schule, Schule für Feldjäger und Stabsdienst). Eine Entscheidung wurde noch nicht getroffen. In Anwendung der „Richtlinien für die Aufstellung eines Sozialplanes für Soldaten bei Verlegungen ..." (Ministerialblatt des Bundesministeriums der Verteidigung, 1974, Seite 97 ff.), der „Richtlinien für die Handhabung des Personalhaushalts und der Personalwirtschaft (zivil) im Frieden" (Erlaß BMVg, P I 1 (16), Az 27-40-00 vom 31. August 1972) und der Tarifverträge über den Rationalisierungsschutz für Angestellte und Arbeiter wird sicherzustellen sein, daß auch im Falle von Verlegungen oder Umorganisationen den Arbeitnehmern und Beamten keine Nachteile entstehen. Vorerst ist eine Verlegung oder Umorganisation der ABC- und Selbstschutzschule nicht vorgesehen. Ob auf längere Sicht eine Verlegung dieser Schule aus dem Raum Sonthofen erforderlich wird, ist abhängig von den noch zu treffenden Entscheidungen des Führungsstabes des Heeres zur Neuorganisation des Schulbereiches. Es ist geplant, daß die „Fachschule für Wirtschaft" am 1. Oktober 1975 an der Schule für Feldjäger und Stabsdienst den Ausbildungsbetrieb mit 25 Ausbildungsplätzen aufnimmt. An dieser Fachschule werden Offizieranwärter des Militärfachlichen Dienstes und Unteroffiziere der Verwendungsbereiche „Stabsdienst" und „Feldjägerdienst" zu staatlich geprüften Betriebswirten ausgebildet. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Orth (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 38) : Warum werden für die Unterkünfte der Bundeswehrfachschule in Neumünster die alten Unterkünfte der Sieck-Kaserne — die noch dazu 2 km vom neuerrichteten Unterrichtsgebäude liegen — mit einem Kostenaufwand von 3,1 Millionen DM umgebaut, während es doch sinnvoller wäre, neben dem Schulgebäude ein neues Haus zu errichten, das zudem — rechnet man die Kostensteigerung his 1979 und die bis dahin zu zahlenden Fahrkostenentschädigungen dazu - keinesfalls teurer würde als der geplante Umbau? Auch im Bundesverteidigungsministerium war zunächst erwogen worden, die Internatsunterkünfte der Bundeswehr-Fachschule Neumünster als Neubauten zu erstellen. Nachdem aber durch Umorganisation im Heeresbereich drei Unterkunftsgebäude in der Sick-Kaserne frei wurden, bot sich an, diese Gebäude als Internatsunterkünfte für die Bundeswehrfachschule herzurichten. Ein Kostenvergleich zwischen einer Herrichtung dieser Gebäude und einem Neubau ergibt, daß für die Errichtung eines Neubaus mit gleicher Kapazität Kosten in mindestens zweifacher Höhe entstehen würden. Hinzu kommt, daß die benötigten Parkplätze auf dem Gelände des Schulgebäudes (Mozart-straße) nicht untergebracht werden können. Inzwischen ist die Instandsetzung eines Gebäudes im Juli d. J. angelaufen, sie ist Ende 1975 abgeschlossen. Es wird angestrebt, im Anschluß daran auch mit den beiden anderen Gebäuden zu beginnen, so daß Trennungsgelder nur noch für einen begrenzten Zeitraum zu zahlen sind. Fahrtkostenentschädigungen für den Weg von der Sick-Kaserne zum Schulgebäude werden nicht gezahlt. In dieser Angelegenheit hatten sich auch die Kollegen Buchstaller und Konrad an mich gewandt. Ihnen ist im gleichen Sinne geantwortet worden. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/2982) Frage B 39) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß viele Gemeinden auf Grund der Verteilung der Kindergeldlasten nach dem neuen Bundeskindergeldgesetz erwägen, Teilzeitbeschäftigungen abzuhauen, um Kindergeld einzusparen, und kann durch eine andere Lastenverteilung, vor allem zugunsten kleinerer Kommunen, erreicht werden, daß Auswirkungen der Kindergeldregelung, die im Gegensatz zu den Empfehlungen des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst stehen, vermieden werden? Mir ist bekannt, daß ein Teil der durch § 45 Abs. 1 Buchst. a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) wirtschaftlich belasteten Rechtsträger die Pflicht, das Kindergeld für Kinder von Eltern, die bei ihnen teilzeitbeschäftigt sind, zu zahlen und zu finanzieren, für unangemessen hält. Mir ist nicht bekannt, daß die bezeichneten Rechtsträger beabsichtigen, sich dieser Finanzlast durch Kündigung oder Nichteinstellung von Teilzeitbeschäftigten zu entledigen. Es muß allerdings damit gerechnet werden, daß sie diese Entlastung auf anderem Wege zu erreichen suchen und wohl auch erreichen werden, nämlich dadurch, daß sie die jeweils beteiligten Elternteile veranlassen, den erforderlichen Kindergeldantrag von dem nicht im öffentlichen Dienst stehenden Elternteil stellen zu lassen und dadurch die Zuständigkeit des Arbeitsamtes zu begründen und die 9664* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Finanzlast auf den Bund abzuwälzen. Das ist eine legale Lösungsmöglichkeit (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BKGG), mit der im Regelfall, wenn nur ein Elternteil im öffentlichen Dienst steht, ohne Beeinträchtigung der Belange der beteiligten Eltern den genannten Rechtsträgern geholfen werden kann. Bei der Erarbeitung des Gesetzestextes sind die von Ihnen angesprochenen Probleme miterörtert worden. Die für die jetzt getroffene Regelung sprechenden Gründe überwogen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß wir deshalb eine Gesetzesänderung nicht anstreben können. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Burger (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 40 und 41) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß nach der im Jahr 1971 erfolgten Änderung des Bundesseuchengesetzes hinsichtlich Beurteilung und Durchführung von Entschädigungsleistungen an Impfgeschädigte eine nachhaltige Verbesserung eingetreten ist? Beabsichtigt die Bundesregierung, auf Grund der inzwischen gewonnenen Erfahrungen weitere Maßnahmen auf diesem Gebiet zu ergreifen, oder hält sie die gegenwärtige Regelung für voll befriedigend? Zu Frage B 40: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Neuregelung der Impfentschädigung, die 1971 vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden ist, für Impfgeschädigte eine nachhaltige Verbesserung gebracht hat. Zu Frage B 41: Die Bundesregierung beabsichtigt im Augenblick nicht, weitere Maßnahmen auf dem Gebiet zu ergreifen. Sie wird jedoch im Rahmen einer Gesamtnovellierung des Bundes-Seuchengesetzes, für die Vorbereitungen begonnen haben, prüfen, ob die seinerzeit getroffene Regelung in dieser oder jener Einzelfrage noch verbessert werden kann oder muß. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 42) : Teilt die Bundesregierung die in den „Nürnberger Nachrichten" vom 9. Dezember 1974 geäußerte Auffassung des Leiters der evangelischen Stadtmission Hof, daß durch die Auflagen des Heimgesetzes die Unterbringungskosten sich drastisch erhöhen werden, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun? Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Das Heimgesetz, das vom Deutschen Bundestag am 11. 6. 1974 einstimmig verabschiedet wurde, enthält keine Vorschriften, durch die die Heimkosten drastisch erhöht würden. Auch die HeimmindestVerordnung gemäß § 3 des Heimgesetzes, die dem Bundesrat zur Zustimmung vorliegt, wird sich nicht drastisch auf die Unterbringungskosten auswirken. Die Mehrzahl der in den letzten Jahren gebauten Einrichtungen war an den Förderungsrichtlinien der Länder ausgerichtet. Diese stellen höhere Anforderungen in baulicher Hinsicht als der Entwurf der Bundesregierung, der sich an einer unteren Grenze orientiert. Über die Förderungsrichtlinien der Länder hinaus sieht der Entwurf lediglich Therapieräume neu vor. Diese Therapieräume gehen auf eine ausdrückliche Vorstellung des Bundestages zurück; eine bedeutende Kostensteigerung werden sie nicht bewirken. Bezüglich der bestehenden Einrichtungen kommt hinzu, daß aufgrund der Verordnung Fristen zur Angleichung an die einzelnen Anforderungen bis zu insgesamt 10 Jahren eingeräumt und in besonderen Fällen Befreiungen von den Mindestanforderungen erteilt werden können. In welchem Umfang — und damit mit welchem Ergebnis für die Heimkosten — hiervon Gebrauch gemacht werden wird, ist Sache der zuständigen Landesbehörden. Auch die personellen Anforderungen orientieren sich an einer unteren Grenze, die bei ordnungsgemäßer Führung einer Einrichtung bereits heute eingehalten sein müßte. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 43) : Wie verhindert die Bundesregierung die Einfuhr von Fleisch aus Frankreich, das Antibiotika oder Hormone enthält, nachdem der Mißbrauch mit solchen Stoffen bei der Tierhaltung in Frankreich bekanntgeworden ist? Die fleischbeschaurechtlichen Vorschriften verbieten das Verbringen von Fleisch, das Rückstände von Stoffen mit pharmakologischer Wirkung oder anderen Stoffen, die in Lebensmittel übergehen und gesundheitlich bedenklich sein können, enthält, in die Bundesrepublik Deutschland. Rückstände von Antibiotika oder von Hormonen im Fleisch fallen unter dieses Verbot. Von den Fleischversandländern wird hinsichtlich des Fleisches, das für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt ist, gefordert, dieses Fleisch stichprobenweise oder auch bei begründetem Verdacht einer Rückstandsuntersuchung insbesondere auf Stoffe mit antimikrobieller Wirkung, östrogenwirkende Stoffe und Thyreostatika zu unterziehen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9665* Die Einhaltung der genannten Voraussetzungen wird im Rahmen der Rückstandsuntersuchung bei der Einfuhruntersuchung durch die Einfuhruntersuchungsstellen der Bundesrepublik Deutschland stichprobenweise und in Verdachtsfällen überwacht. Die Ergebnisse dieser Überwachung geben bisher bei Fleisch, das aus Frankreich stammt, keine Veranlassung, von einem Mißbrauch von Antibiotika oder Hormonen bei der Tierhaltung in Frankreich zu sprechen. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen B 44 und 45) : Hält die Bundesregierung es für erforderlich, die Schallschutzmaßnahmen nach Straßengruppen (Wohnstraße, Fernverkehrsstraße etc.) sowie nach der Art der Bebauung (Wohngebiet, Gewerbegebiet etc.) zu gestalten? In welcher Höhe können die Städte und Gemeinden zu den erheblichen Kosten, die mit der vorgesehenen Verordnung über bauliche Schutzmaßnahmen gegen Straßenverkehrslärm (Straßenlärmschutz-Verordnung) auf sie zukommen, mit Zuschüssen des Bundes rechnen? Zu Frage B 44: Eine Differenzierung von Schallschutzmaßnahmen nach Straßenklassen oder nach Art der baulichen Nutzung ist rechtlich nicht unbedenklich, da hierin ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegen könnte. Es wird jedoch erwogen, Lärmschutzmaßnahmen nach der verschiedenartigen Nutzung der Räume in den Gebäuden (z. B. Schlafräume, Wohnräume, Büroräume) zu unterscheiden. Zu Frage B 45: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz sieht vor, daß der jeweilige Straßenbaulastträger der öffentlichen Straße die Kosten für Lärmschutzmaßnahmen zu tragen hat. Besteht eine solche Verpflichtung, so können die Aufwendungen für Lärmschutzmaßnahmen in die zuwendungsfähigen Aufwendungen nach § 5 a Bundesfernstraßengesetz und nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz einbezogen werden. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Büchner (Speyer) (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen B 46 und 47) : Welche Strecken in der Pfalz werden in welchem Umfang und wann von den beabsichtigten Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn betroffen? Mit welchen konkreten Maßnahmen und mit welchem Zeitplan trägt die Bundesregierung der Notwendigkeit der Errichtung eines Nahverkehrssystems im Rhein-Neckar-Raum Rechnung? Zu Frage B 46: Die Deutsche Bundesbahn hat folgende Stilllegungsmaßnahmen für Strecken in der Pfalz beantragt. die z. T. bereits vom BMVerkehr genehmigt wurden, und zwar die dauernde Einstellung: — des Reisezugbetriebes der Strecke Winden–Bergzabern. Die Maßnahme hat der BMVerkehr genehmigt. Die Deutsche Bundesbahn wartet jedoch z. Z. die Verkehrsentwicklung ab; — des Gesamtbetriebes der Strecke Lambrecht (Pfalz)–Elmstein. Diese Maßnahme hat der BMVerkehr genehmigt. Sie wird zum betriebswirtschaftlich günstigsten Zeitpunkt (vsl. Ende 1975) von der Deutschen Bundesbahn durchgeführt; — des Reisezugbetriebes der Strecke Eisenberg (Pfalz)–Enkenbach. Die Prüfung des Antrages ist noch nicht abgeschlossen; — des Reisezugbetriebes der Strecke Winden (Pfalz)–Bundesgrenze. Die Maßnahme ist vom BMVerkehr genehmigt. Die Einstellung des Betriebes wird von der Deutschen Bundesbahn mit der französischen Staatsbahn (SNCF) abgestimmt. Zu Frage B 47: Planung und Verwirklichung von Nahverkehrsvorhaben ist in erster Linie Aufgabe der Kommunen. Der Bundesregierung obliegt lediglich, auf Vorschläge der Länder und im Benehmen mit diesen, die Programmaufstellung für die Verteilung der Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz; bei Vorhaben der Deutschen Bundesbahn prüft die Bundesregierung vor Zustimmung zu einem Vorhaben außerdem, welche Folgen die Verwirklichung auf die Deutsche Bundesbahn und den Bundeshaushalt hat. Die Bundesregierung ist bemüht, für laufende Maßnahmen die Finanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auch in den kommenden Jahren entsprechend dem Baufortschritt bereitzustellen; dies gilt auch für die laufenden Maßnahmen der Stadtschnellbahn im Rhein-Neckarraum. Zur Frage, ob und in welchem Umfang und nach welchem Zeitplan Maßnahmen zur Errichtung eines Nahverkehrs-Systems im Rhein-Neckarraum durchgeführt werden, kann die Bundesregierung erst nach Vorliegen neuer Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen Aussagen machen. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Peter (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 48) : 9666* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der Deutschen Bundesbahn die wegen der über den Eigenbedarf hinausgehenden Auslastung bestehender Ausbildungskapazitäten in gewerblich-technischen Berufen auftretenden Kosten zu erstatten, damit trotz großer Nachfrage nach qualifizierten Ausbildungsplätzen vermieden wird, daß in Ausbildungswerkstätten der Deutschen Bundesbahn (im Raum St. Wendel/Saarland) vorhandene Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben? Der Bundesregierung sind die Auswirkungen konjunktureller und struktureller Änderungen auf das Angebot an Ausbildungsplätzen bekannt. Aus diesem Grund werden auch die Fragen einer über den Eigenbedarf hinausgehenden Nutzung der im öffentlichen Bereich vorhandenen Ausbildungskapazitäten mit den zuständigen Bundesressorts erörtert. Die Bundesregierung untersucht zur Zeit auch eingehend die Frage, welche überbetrieblichen Finanzierungsmaßnahmen wirksam dazu beitragen können, daß ausbildungswillige Jugendliche einen qualifizierten Ausbildungsplatz finden. Neben den Förderungsmöglichkeiten der beruflichen Bildung durch das Arbeitsförderungsgesetz wird geprüft, ob finanzielle Anreize für solche Betriebe geschaffen werden können, die wie die Ausbildungswerkstatt der Bundesbahn in St. Wendel zusätzlich Auszubildende aufnehmen könnten. Aus wirtschaftlichen Gründen ist zuerst die Ausnutzung vorhandener Ausbildungskapazitäten anzustreben, ehe zusätzliche Einrichtungen geschaffen werden. Die mit diesen Fragen zusammenhängenden Probleme einer überbetrieblichen Finanzierung der Berufsausbildung befinden sich noch in der Phase der Beratungen und vorbereitenden Arbeiten; es ist daher jetzt noch nicht möglich, Einzelheiten über Art und Umfang solcher finanzieller Anreize zu nennen. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Stavenhagen (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 49 und 50) : Wie soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Trasse der Bundesstraße 10 auf Pforzheimer und Eutinger Gemarkung verlaufen, und welche Untersuchungen werden angestellt, um die Umweltbelastungen für in der Nähe wohnende Mitbürger möglichst gering zu halten? Hält die Bundesregierung so schwerwiegende Eingriffe in die Landschaft wie das geplante Enztal-Viadukt sowie die Trassierung in unmittelbarer Nähe der bestehenden Bundesautobahn für unumgänglich notwendig, oder sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Alternativen zu der zur Zeit vorliegenden Planung der B 10 vorzulegen? Im Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen ist als langfristiges Erfordernis eine Verlegung der Bundesstraße 10 im Bereich von Pforzheim enthalten. Es erscheint allerdings nicht zweckmäßig, für Maßnahmen, deren Verwirklichung zeitlich noch nicht abzusehen ist, Einzelplanungen aufzustellen, da die Entwicklung über so lange Zeiträume im erforderlichen Umfang nicht erfaßt werden kann. Dem Bundesminister für Verkehr liegen im übrigen bis jetzt auch noch keine Unterlagen vor, die eine planerische Beurteilung dieses künftigen Vorhabens zuließen. Er ist jedoch von der im Auftrag des Bundes für die Planung zuständigen Landesstraßenbauverwaltung davon unterrichtet, daß die Stadt Pforzheim im Rahmen ihrer Stadt- und Verkehrsplanung Linienüberlegungen angestellt hat, die allerdings nicht abschließend mit der Straßenbauverwaltung abgestimmt sind. Irgendwelche Festlegungen sind noch nicht getroffen und angesichts des nicht absehbaren Realisierungszeitpunktes auch derzeit nicht beabsichtigt. Selbstverständlich wird zu gegebener Zeit bei Aufstellung der Planung — soweit planerisch und wirtschaftlich vertretbar — alles getan werden, um nachteilige Einflüsse auf die Landschaft und die Bebauung möglichst gering zu halten. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 51) : Ist die Bundesregierung bereit, in absehbarer Zeit den Einbau von federnden Stoßstangen, die einen Aufprall bis zu 8 km pro Stunde ohne Schaden für die Karosserie überstehen, in Personenkraftwagen gesetzlich vorzuschreiben, um dadurch die Möglichkeit zu geben, kleinere Auffahrunfälle und Bagatellschäden auszuschließen und so die Prämien der Autohaftpflichtversicherung niedrig zu halten und gegebenenfalls zu senken? Die Stoßstangen an Personenkraftwagen können in beschränktem Umfang geeignet sein, Karosserieteile vor Berührungsschäden zu schützen; das gilt jedoch nur für sehr geringe Geschwindigkeiten. Ein solcher Berührungsschutz vermag lediglich das Eigentum vor Schaden zu bewahren, nicht aber die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, für die das Straßenverkehrsgesetz (StVG) in § 6 die Ermächtigung zum Erlaß entsprechender Verordnungen gibt. Insoweit würde eine Ermächtigungsgrundlage fehlen. Um dennoch dem angestrebten Ziel näherzukommen, ist von der deutschen Kraftfahrzeugindustrie im November 1973 ein Norm-Entwurf erstellt worden (DIN 74021), nach dem durch Festlegung von Prüfbedingungen ein Außenschutz durch die Stoßstangen für die Fahrzeuge gewährleistet werden soll. Geprüft wird durch drei Aufstöße aus geringer Geschwindigkeit (4 km/h bzw. 2,5 km/h) mit einer Prüfeinrichtung, die in einer Höhe von 44,5 cm über der Fahrbahn angreift. Durch dieses Verfahren soll eine Beschädigung von äußeren Fahrzeugteilen bei leichten Berührungen vermieden werden. Der Norm-Entwurf stimmt inhaltlich mit dem ISO-Standard 2958 überein und soll dazu dienen, die internationale Norm in das deutsche Normenwerk einzuführen. Mit Einführung und Bewährung der endgültigen Fassung von DIN 74021 ist eine Lösung des angeschnit- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9667* tenen Problems auch ohne gesetzlichen Eingriff zu erwarten. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Hoffie (FDP) (Drucksache 7/2982 Fragen B 52 und 53) : Wie ist der Stand der Planungen für den weiteren Ausbau der „Nordumgehung Langen (B 486)"? Bestehen seitens der Deutschen Bundesbahn Pläne, Darmstadt an das TEE- oder Intercity-Netz anzuschließen, und welche Gründe haben bisher eine Einbeziehung verhindert? Zu Frage B 52: Die hessische Straßenbauverwaltung ist gebeten worden, unter Einschaltung der Stadt Langen zu prüfen, inwieweit die von der Stadt gewünschten Änderungen der Trassenführung erforderlich und vertretbar sind. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Zu Frage B 53: Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, besteht nicht die Absicht, Darmstadt unmittelbar in das TEE/IC-Netz einzubeziehen. Darmstadt wird aber mit den Zügen des IC-Ergänzungsnetzes, den City-Schnellzügen (C-Zügen), sowie mit zahlreichen weiteren Schnell- und Eilzügen gut bedient. Über diese Züge werden in Heidelberg/Mannheim bzw. Frankfurt/M. günstige Anschlüsse an die TEE- und IC-Züge vermittelt. Auf Grund dieses Verkehrsangebots wurden die TEE/IC-Züge bisher nicht über Darmstadt, sondern über die Direktverbindung (die sog. Riedbahn) Frankfurt/M.—Mannheim geführt. Nach Angaben der Deutschen Bundesbahn sprechen hierfür auch betriebliche Gründe (z. B. Streckenbelastung). Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 54) : Kann man in Beantwortung meiner schriftlichen Anfrage für die Fragestunde vom 11./12. Dezember 1974, Drucksache 7/2927, Teil B, Frage 45, welche Eisenbahnstrecken die Deutsche Bundesbahn zukünftig beabsichtigt in Oberfranken noch stillzulegen, schließen, daß die nicht aufgeführten Eisenbahnstrecken, wie z. B. Forchheim Ebermannstadt, Kulmbach—Thurnau oder BambergScheßlitz für die Dauer erhalten bleiben und keine Gefahr für eine Auflösung besteht? Aus der Ihnen erteilten Antwort können Sie nicht schließen, daß die von Ihnen genannten Strecken auf Dauer erhalten bleiben. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 7/2982 Fragen B 55 und 56) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Plane der Deutschen Bundesbahn, den Rangierbahnhof München-Nord entgegen allen Feststellungen des von der Stadt München vorgelegten Raumordnungs- und Umweltschutzgutachtens (Dorsch-Consult) in den Münchner Stadtbezirken Allach und Feldmoching anzulegen? Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auf die Deutsche Bundesbahn einzuwirken, diese Plane aufzugeben und Alternativstandorte für den Rangierbahnhof München-Nord zu untersuchen? Zu Frage B 55: Wie Ihnen bekannt ist, plant die Deutsche Bundesbahn (DB) seit langem einen Rangierbahnhof in München-Allach. Hierzu wurde ein landesrechtliches Raumordnungsverfahren durchgeführt, in das auch Alternativstandorte einbezogen waren. Im Zuge des Planfeststellungsverfahrens wurde von der Regierung von Oberbayern die öffentliche Anhörung durchgeführt. Wegen der nicht ausgeräumten Einwendungen gab die Regierung die Pläne ohne Begutachtung an die DB zurück. Die Landeshauptstadt München hat inzwischen von der Fa. Dorsch-Consult ein Gutachten eingeholt, in dem der Standort Allach mit Alternativstandorten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte der DB sowie der Zielvorstellungen der (I Landesplanung, der Stadtentwicklung und des Umweltschutzes verglichen wird. Die DB hat in diesen Tagen eine Stellungnahme zu diesem Gutachten abgegeben. Die Bundesregierung hat hierauf keinen Einfluß. Zu Frage B 56: Die Bundesregierung beabsichtigt, zusammen mit den zuständigen Behörden des Freistaates Bayern und der DB im Rahmen einer Kommission eine betriebs- und gesamtwirtschaftliche Beurteilung der für einen neuen Rangierbahnhof im Raume München in Betracht kommenden Standorte als Vorbereitung einer Entscheidung des Bundesministers für Verkehr im Planfeststellungsverfahren erarbeiten zu lassen. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 57) : Wann ist damit zu rechnen, daß im Zuge des Ausbaus der B 54 der im Ortsbereich der Gemeinde Flacht bestellende Engpaß beseitigt wird? 9668* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Die Arbeiten für die Beseitigung eines Engpasses in der Ortsdurchfahrt Flacht konnten in diesem Jahr abgeschlossen werden. Dafür hat der Bund Mittel in Höhe von rd. 360 000 DM zur Verfügung gestellt. Wegen der Beseitigung eines weiteren Engpasses wurden Verhandlungen mit einem Grundstückseigentümer geführt, die aber nicht zum Abschluß gebracht werden konnten, weil die Gemeinde nicht bereit war, ihren gesetzlich festgelegten Kostenanteil für die Anlage des Gehweges zu übernehmen. Diese Schwierigkeiten scheinen jetzt ausgeräumt zu sein. Sobald mit dem Grundstückseigentümer und der Gemeinde Flacht Einverständnis hergestellt worden ist, wird auch dieser Engpaß beseitigt. Die Planung für den Gesamtausbau der Ortsdurchfahrt, bei der 4 weitere Gebäude erworben und abgebrochen werden müssen, wird von dem zuständigen Straßenbauamt zur Zeit bearbeitet. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schweitzer (SPD) (Drucksache 7/2982 Frage B 58) : Was kann die Bundesregierung tun, um abgesehen von den seit langem eingeplanten Bundesmitteln die Inangriffnahme der Umgehungsstraße der B 9 im Raume Bad Breisig angesichts der dort seit Jahren vorherrschenden unerträglichen Verkehrsverhältnisse gegenüber den zuständigen Landesbehörden zu beschleunigen, und lassen sich hier unter Umständen für möglicherweise notwendig werdende aufwendigere Trassenführungen zusätzliche Mittel aus dem neuesten Konjunkturprogramm der Bundesregierung einsetzen? Zwischen dem Bundesminister für Verkehr und dem Land Rheinland-Pfalz besteht Einvernehmen, daß die Verkehrsverhältnisse der B 9 im Raum Bad Breisig sobald wie möglich verbessert werden müssen. Unter Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten hat es sich ergeben, daß bei einer Linienführung rheinseitig der Bahn den Forderungen bezüglich der technischen und finanziellen Belange Rechnung getragen wird, um die Verkehrsverhältnisse in Bad Breisig grundlegend zu verbessern. Dabei soll der Durchgangsverkehr auf einer neuen zweispurigen Straße an der Bahn entlang geführt werden, so daß die bestehende B 9 künftig ausschließlich für den Ortsverkehr zur Verfügung steht. Die Straßenbauverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz prüft zur Zeit, welche Maßnahmen notwendig bzw. möglich sind, um evtl. Lärm- und Umwelteinwirkungen des Straßenverkehrs auf die angrenzende Bebauung einzuschränken. Diese Untersuchungen werden vorrangig durchgeführt. Die Mittel für die Durchführung der Arbeiten können erst dann bereitgestellt werden, wenn die Entwurfsbearbeitung abgeschlossen und die Planung rechtskräftig ist. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 59) : Ist die Bundesregierung bereit, vor einer Entscheidung eine neutrale Untersuchung in Auftrag zu geben, die die zusätzliche Kostenbelastung ermittelt, welche auf die Wirtschaft im Zonenrandgebiet durch die vorgeschlagene Schließung von 61 im Zonenrandgebiet gelegenen Stückgutbahnhöfen zukommt, und welche Kosteneinsparungen bei der Bundesbahn durch eine solche Maßnahme erwartet werden können? Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat bereits dargelegt, welche Einsparungen er bei der Konzentration des Stückgutverkehrs erwartet. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Sick (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 60 und 61) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Ausbau der BAB (B 76) in Richtung Kiel vom BAB-Dreieck Haffkrug, bis zumindest zum Anschluß an die B 76 im Raum Kuhlbusch erfolgen muß, um die Stadt Eutin verkehrsgerecht in den umliegenden Raum einzubinden? Wann soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung mit dieser Maßnahme begonnen werden, und welche Vorbereitungsarbeiten sind veranlaßt? Der zwischen der im Bau befindlichen neuen B 207/E 4 und dem Süselerbaum (Middelburger Weg) gelegene Abschnitt der neuen B 76 HaffkrugEutin—Kiel ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in Dringlichkeitsstufe I ausgewiesen. Dementsprechend zielen die Planungsarbeiten darauf ab, hier mit Bauarbeiten in den Jahren 1976 bis 1980 im Anschluß an die Fertigstellung der neuen BAB B 207 in Abschnitt Bad Schwartau—Neustadt/ Süd zu beginnen. Ein genauer Zeitpunkt für den Baubeginn kann noch nicht genannt werden, zumal über die Finanzierung der Maßnahme heute noch keine verbindlichen Aussagen möglich sind. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. von Bismarck (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 62) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine erhebliche Benachteiligung ländlicher Räume durch unterschiedliche Tarifverbilligungen im Personenverkehr besteht, wenn zum Beispiel eine Rückfahrkarte (samstags und sonntags) von Wittingen nach Hamburg 30,— DM kostet, während die Rückfahrkarte, wenn sie gesondert von Wittingen nach Uelzen (Kosten 7,60 DM) und von dort nach Hamburg (Kosten 11,40 DM) gelöst wird insgesamt nur 19,— DM kostet (wochentags 27,60 DM), und ist die Bundesregierung gewillt — insbesondere im Hinblick auf die Zonenrandlage — hier auf eine Gleichstellung zugunsten der Bundesbahnbenutzer hinzuwirken, die eine Rückfahrkarte in Wittingen direkt nach Hamburg lösen wollen? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9669e Die Ausgestaltung der Tarife — dazu gehören auch die Sonderangebote im Reiseverkehr — liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit der Deutschen Bundesbahn. Der Bundesminister für Verkehr kann insoweit hierauf nicht einwirken. Im übrigen hat mir zum Problem der Fahrpreise in der Verkehrsverbindung Wittingen—Hamburg die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn folgendes mitgeteilt: In Uelzen kann man im Gegensatz zu Wittingen sogenannte Wochenend-Ausflugskarten nach Hamburg lösen. Diese verbilligten Fahrkarten werden an solchen Orten ausgegeben, in denen durch dieses Angebot eine Steigerung der Nachfrage und damit eine Mehreinnahme erwartet werden kann. Für Wittingen und den zugehörigen Einzugsbereich ist ein so lebhaftes Reisebedürfnis nach Hamburg nicht feststellbar, so daß sich die Bundesbahn nicht in der Lage sieht, ein besonderes Angebot für diese Verkehrsverbindung einzuräumen. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 63) : Ist die Bundesregierung bereit, bei ihren Verhandlungen mit der DDR darauf hinzuwirken, daß organisatorische und administrative Maßnahmen eingeleitet werden, um die Bahnstrecke Berlin—Stendal—Wolfsburg—Hannover für den Transitverkehr nach Berlin zuzulassen und mit einem höheren Verkehrsaufkommen zu belegen? Die Bundesregierung prüft zur Zeit die Frage, ob in Verhandlungen mit der DDR darauf hingewirkt werden soll, die Bahnstrecke Berlin—Stendal—Wolfsburg—Hannover für den Transitverkehr von und nach Berlin (West) zu öffnen. Im übrigen muß die Frage im Gesamtzusammenhang mit den von der DDR vorgeschlagenen Maßnahmen gesehen werden. Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wohlrabe (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 64 und 65) : Wie gedenkt der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen zu verhindern, daß in seinem und im Bereich etwaiger Vertragsverleger erscheinende Teilnehmerverzeichnisse (Fernsprechbücher, Branchenbücher, Fernschreibverzeichnisse u. a.) über den effektiven Bedarf hinaus hergestellt werden? Ist es insbesondere vertretbar, die durch die Fernsprechteilnehmer nicht abgeholten bzw. nicht angeforderten Bücher der privaten Vertragsverleger der Deutschen Bundespost von Amts wegen zuzustellen? Zu Frage B 64: Die Auflagenhöhe der Amtlichen Fernsprechbücher, Branchen-Fernsprechbücher und örtlichen Fernsprechbücher wird von meinen Dienststellen gewissenhaft unter Berücksichtigung des Nettozugangs an Fernsprechhauptanschlüssen und der Erfahrung der vorhergehenden Ausgabe errechnet. Die Vertragsverleger sind zu keiner Zeit aufgefordert worden, Fernsprechbücher über den effektiven Bedarf hinaus herzustellen. Zu Frage B 65: Fernsprechbücher privater Vertragsverleger werden nicht von Amts wegen zugestellt. Ab Ausgabe 1975/76 entfällt auch für die Amtlichen Fernsprechbücher die gebührenpflichtige Zustelung von Amts wegen. Das neue Ausgabeverfahren sieht vor, daß die Teilnehmer das Amtliche Fernsprechbuch mit oder ohne Branchen-Fernsprechbuch weiterhin bei den Ausgabestellen abholen können. Die Fernsprechkunden haben künftig allerdings die Möglichkeit, sich das Amtliche Fernsprechbuch mit oder ohne Branchen-Fernsprechbuch auf Wunsch gebührenpflichtig zustellen zu lassen. Anlage 77 Antwort des Pari. Staatssekretärs Haar auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kunz (Berlin) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Frage B 66) : Ist es vertretbar, für die Zustellung dieser Bücher privater Verleger eine (hoheitliche Abgabe-) Gebühr zu erheben, wenngleich die Tatsache der Gebührenerhebung dadurch kaschiert wird, daß die früher nur für die Zustellung der Amtlichen Fernsprechbücher erhobene Gebühr nicht erhöht werden soll? Fernsprechbücher privater Vertragsverleger werden nicht von Amts wegen zugestellt. Für die Zustellung der Fernsprechbücher von privaten Vertragsverlegern wird daher auch keine „hoheitliche Abgabegebühr" erhoben. Ab Ausgabe 1975/76 der Amtlichen Fernsprechbücher werden die Fernsprechteilnehmer wie bisher gebeten, das Amtliche Fernsprechbuch mit oder ohne Branchen-Fernsprechbuch bei den Ausgabestellen abzuholen. Darüber hinaus können sich die Fernsprechkunden auf Wunsch das Amtliche Fernsprechbuch mit oder ohne Branchen-Fernsprechbuch gebührenpflichtig zustellen lassen. Die bisherige Zustellung der nicht abgeholten Amtlichen Fernsprechbücher mit oder ohne Branchen-Fernsprechbücher von Amts wegen fällt ab Ausgabe 1975/76 weg. Die Gebühr für die Zustellung der Amtlichen Fernsprechbücher mit oder ohne Branchen-Fernsprechbücher ist im Grundsatz nicht geändert worden, weil — wie schon immer — für die Zustellung eines Amtlichen Fernsprechbuchs mit oder ohne 9670* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Branchen-Fernsprechbuch die Gebühr für eine Drucksache gleichen Gewichts, beim Überschreiten des Höchstgewichts nur die Höchstgebühr, das sind z. Z. 1,20 DM, mit der Fernmelderechnung erhoben wird. Es ist nicht beabsichtigt, diese Regelung zu ändern. Anlage 78 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold auf die Schrift- lichen Fragen des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 67 und 68) : Welche im Zuge der kommunalen Gebietsreform in den Bundesländern am Zonenrand neugebildeten Großgemeinden liegen jetzt mit einigen Gemeindeteilen im Zonenrandgebiet und mit anderen Teilen außerhalb dieses Bereiches? Wie gedenkt die Bundesregierung dafür zu sorgen, daß nach der kommunalen Gebietsreform in den Bundesländern am Zonenrand nicht in einigen neugebildeten Großgemeinden einzelne Gemeindeteile zum Zonenrandgebiet gehören und andere nicht? Zu Frage B 67: Die Frage kann von der Bundesregierung derzeit nicht beantwortet werden, da die Durchführung der Gebiets- und Verwaltungsreformen in die alleinige verfassungsrechtliche Zuständigkeit der Länder fällt und diese bisher Angaben darüber, ob neugebildete Großgemeinden nunmehr zum Teil innerhalb und zum Teil außerhalb des Zonenrandgebietes liegen, nicht gemacht haben. Ich habe jedoch Ihre Anfrage zum Anlaß genommen, die Zonenrandländer um entsprechende Auskunft zu bitten. Nach Eingang der Stellungnahmen werde ich Sie weiter unterrichten. Zu Frage B 68: Als Zonenrandgebiet gelten gemäß § 9 Zonenrandförderungsgesetz vom 5. 8. 1971 alle Gebiete, die am 1. 1. 1971 zu den in der Anlage zu diesem Gesetz genannten Stadt- und Landkreisen gehörten. Diese Festlegung des räumlichen Umfangs des Zonenrandgebietes ist nach eingehenden Beratungen im Innerdeutschen Ausschuß des Deutschen Bundestages und der interfraktionellen Arbeitsgruppe Zonenrandförderung mit Zustimmung aller beteiligten Abgeordneten getroffen worden, um die in drei Zonenrandländern bevorstehenden Gebiets- und Verwaltungsreformen nicht durch sachfremde Erwägungen zu beeinträchtigen. Eine Änderung dieser Regelung mit dem Ziel, Gemeinden, von denen einzelne Teile früher zu Landkreisen außerhalb des Zonenrandgebietes gehörten, nunmehr in vollem Umfange in die Zonenrandförderung einzubeziehen, ist nur durch eine Novellierung des Zonenrandförderungsgesetzes möglich. Da der Bundesregierung bisher keine Fälle bekannt geworden sind, in denen die Kommunalreformen zu besonderen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Zonenrandförderung geführt haben und die niedersächsische Gebiets- und Verwaltungsreform erst in etwa 2 Jahren abgeschlossen sein wird, beabsichtigt die Bundesregierung zur Zeit nicht eine entsprechende Initiative zu ergreifen. Ob eine Änderung der Gebietsabgrenzung des Zonenrandförderungsgesetzes einmal notwendig wird, wird später geprüft werden müssen. Ich weise jedoch schon jetzt darauf hin, daß jede Vergrößerung des Zonenrandgebietes im Hinblick auf die nur begrenzt verfügbaren Haushaltsmittel die Effizienz der Zonenrandförderung beeinträchtigen würde. Anlage 79 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lampersbach (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2982 Fragen B 69 und 70) : Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) mit der „Vorbereitung und Durchführung von Förderungsprojekten", der „Begleitung von Entwicklungsprojekten im DV-Bereich, die vom BMFT gefördert werden", mit der Projektträgerschaft des BMFT und der Entgegennahme von Förderungsanträgen beauftragt ist, obwohl sie selbst auf dem Datenverarbeitungsmarkt tätig ist? Teilt die Bundesregierung die Besorgnisse der Wirtschaft, daß die GMD den Inhalt von eingereichten Projektbeschreibungen sowie Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Projektbegleitung für eigene, konkurrierende, wirtschaftliche Tätigkeiten -- sei es auch nur unbewußt - verwerten könnte? Zu Frage B 69: Die Trägerschaft von Förderungsprojekten des BMFT ist eine Aufgabe der Großforschungseinrichtungen, die auf dem jeweiligen Fachgebiet tätig sind. Hierzu gehören die Vorbereitung, die Kontrolle und Abwicklung von Förderungsprojekten; die Förderungsentscheidungen selbst aber liegen nach wie vor im BMFT. In den Fällen, in denen die GMD selbst Förderungsmittel für Forschungs- und Entwicklungsprojekte beantragt, wird sie nicht mit der Projektträgerschaft betraut, um Interessenkonflikte auszuschalten. Für die Bewertung der Anträge und Ergebnisse benennt das BMFT unabhängige externe Gutachter. Zu Frage B 70: Die Projektträgerabteilung ist organisatorisch von dem wissenschaftlichen Betrieb der GMD getrennt. Die Mitarbeiter der Projektträgerabteilung sind in ihren Arbeitsverträgen zur Vertraulichkeit verpflichtet. Der wissenschaftliche Bereich hat keinen Zugang zu den Unterlagen der Projektträgerabteilung. In die Unterlagen können nur von der Projektträgerabteilung bestellte Gutachter Einsicht nehmen. Diese sind schriftlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Wenn die GMD für die Unterstützung der öffentlichen Verwaltung bei der Einführung und Fortentwicklung der DV die Erkenntnisse der Projektträgerabteilung nutzen will, so kann sie dies nur im Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9671* Rahmen der geltenden Bedingungen für die Gewährung von Zuwendungen tun. Danach hat der Bund ein unentgeltliches Nutzungsrecht, das für den eigenen Bedarf, für öffentliche Aufträge und für staatliche Maßnahmen zur Förderung von Wissenschaft und Technik selbst verwendet oder an Dritte übertragen werden kann. Anlage 80 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/ CSU) (Drucksache 7;2982 Frage B 71): Ist der Bundesregierung die Außerung des Leiters der Abteilung Berufsbildung im Deutschen Industrie- und Handelstag, Raddatz, bekannt, daß die Bundesregierung stets zum Ausbau und nicht zum Abbau des dualen Systems bekennen müsse, da sich schulische Formen des Lernens auf die der betrieblichen Ausbildung eigenen Gesetze nicht übertragen, und ist die Bundesregierung angesichts der internen Differenzen über ein neues Berufsausbildungsgesetz bereit, der Anregung von Herrn Raddatz zu folgen? Der Bundesregierung ist die in der Frage genannte Äußerung bekannt. Die darin zum Ausdruck kommende Sicht der beruflichen Bildung ist jedoch keine eigene Erkenntnis des genannten Angestellten des Deutschen Industrie- und Handelstages e. V. Sie kommt vielmehr deutlicher und mit konkreten Schlußfolgerungen in der Regierungserklärung vom 17. Mai 1974 und in den von der Bundesregierung am 15. November 1973 beschlossenen Grundsätzen zur Neuordnung der beruflichen Bildung zum Ausdruck.
Gesamtes Protokol
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, der Bundesminister der Finanzen hat unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung mitgeteilt, daß er für das Haushaltsjahr 1974 bei Kap. 2502 Tit. 642 01 in eine überplanmäßige Ausgabe für Wohngeld nach dem Zweiten Wohngeldgesetz eingewilligt habe. Ich schlage vor, diese Unterrichtung der Bundesregierung — Drucksache 7/2944 — nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 113. Dezember 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hauser (Krefeld), Pfeifer, Dr. Gölter, Dr. Probst, Dr. Fuchs, Dr. Hornhues, Hussing, Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Schäuble, Dr. Waigel, Milz, Schedl, Dr. Jobst, Schmidhuber und der Fraktion der CDU/CSU betr. Richtlinien zur Förderung von überbetrieblichen Ausbildungsstätten — Drucksache 7/2926 —beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3015 verteilt.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
18. a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung
— Drucksache 7/2979 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/3012 — Berichterstatter:
Abgeordneter Schröder (Lüneburg) Abgeordneter Möller (Lübeck)
bb) Bericht und Antrag des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 7/3010 — Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Häfele Abgeordneter Rapp (Göppingen)


(Erste Beratung 137. Sitzung)

b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes
— Drucksache 7 /2980 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/3012 — Berichterstatter:
Abgeordneter Schröder (Lüneburg)

Abgeordneter Möller (Lübeck)

bb) Bericht und Antrag des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 7/3011 — Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Häfele Abgeordneter Rapp (Göppingen)


(Erste Beratung 137. Sitzung)

c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Investitionszuschüsse für gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen
— Drucksache 7/2981 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/3012 — Berichterstatter:
Abgeordneter Schröder (Lüneburg)

Abgeordneter Möller (Lübeck)

bb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (15. Ausschuß)

— Drucksache 7/3006 — Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schneider (Erste Beratung 137. Sitzung)

9562 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Präsident Frau Renger
d) Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Antrag der Bundesregierung
betr. zusätzliche Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur (§ 6 Abs. 2 StWG)

— Drucksachen 7/2978, 7/3008 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Schröder (Lüneburg)

Wir haben eine verbundene Aussprache. Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0713900100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf die heute nacht angefertigten Berichte aus dein Finanzausschuß in aller gebotenen Kürze mündlich ergänzen.
Die Verhandlungen im Finanzausschuß standen unter einem starken Zeitdruck. Wir hatten in einem Tag zu bewältigen, was innerhalb der Bundesregierung wochenlang beraten werden konnte. Es erhebt sich die Frage, ob ein solches Verfahren sachgerecht ist.

(Rawe [CDU/CSU] : Mit Sicherheit nicht!)

In der Sache selbst wurden die beiden Gesetze, die aus dem Finanzausschuß heute in die zweite und dritte Beratung kommen, schließlich einstimmig verabschiedet.
Ich darf ganz kurz die beiden verschiedenen Grundpositionen, wie sie im Finanzausschuß deutlich geworden sind, noch einmal im Kern umreißen. Die Mehrheit war der Auffassung, daß es jetzt vor allem darauf ankomme, durch eine rasche Belebung der Investitionstätigkeit, namentlich durch kurzfristige, schnell wirksame Maßnahmen — besonders durch diese Investitionszulagen in Höhe von 7,5% für alle privaten Investitionen — etwas zu tun.
Die Minderheit war bereit, das als die zweit- oder drittbeste Lösung hinzunehmen. Sie war aber der Auffassung, daß das notwendige Zukunftsvertrauen weniger durch kurzfristige Maßnahmen, sondern vor allem durch Dauermaßnahmen zu erzielen sei, welche eine durchgreifende Verbesserung des Investitionsklimas und der Investitionsfähigkeit herbeiführen sollten, z. B. durch Maßnahmen wie
— Nichterhöhung der Vermögensteuerbelastung ab 1. Januar 1975,
— Einführung des Verlustrücktrages,
— Fortführung der steuerlichen Förderung der Investitionen, welche der Forschung und Entwicklung dienen,
— Verbesserung von Abschreibungsmöglichkeiten oder
— Verzicht auf die Hinzurechnung von Zinsen auf Dauerschulden zum Gewerbeertrag und der Dauerschulden zum Gewerbekapital. Dabei war die Opposition, die Minderheit, bereit, über Einzelheiten mit sich reden zu lassen.
Demgegenüber betonte die Mehrheit, daß die von der Opposition vorgeschlagenen Maßnahmen nicht
rasch genug wirkten. Sie führten auch im Gegensatz zu ihren kurzfristig wirksamen Maßnahmen zu einer nicht erwünschten fiskalischen Dauerbelastung. Die Minderheit meinte demgegenüber, es käme darauf an, durch die Aussicht auf eine längerfristige Entwicklung auch jetzt schon sofort ein besseres Klima zu erzeugen, dieses Klima aber dauerhafter zu gestalten. Bezüglich der fiskalischen Ausfälle war die Minderheit der Meinung, daß durch eine nachhaltige Belebung der Wirtschaftstätigkeit die Ausfälle nicht höher, sondern eher sogar niedriger würden als nach den Vorschlägen der Koalition.
Nachdem die Mehrheit im Ausschuß nicht bereit war, auf den Boden der Vorschläge der Opposition zu treten, widersetzte sich die CDU/CSU dem Programm der Koalition nicht, so daß schließlich beide Gesetze im Finanzausschuß einstimmig verabschiedet wurden. Der Finanzausschuß schlägt vor, die beiden Gesetzentwürfe so, wie sie aus dem Finanzausschuß hier vorgelegt worden sind, zu verabschieden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713900200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht noch ein Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0713900300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu den von diesem Haus zu beschließenden Teilen dieses Programms für einen stabilitätsgerechten Aufschwung möchte ich mich auf drei Bemerkungen beschränken, von denen ich meine, daß sich in ihnen die wesentlichen Aspekte dieses Programms zusammenfassen lassen.
Erstens. Das Programm ist in mehrfacher Hinsicht ausgewogen und situationsgerecht.
Zweitens. Es ist uns keine Alternative zur Prüfung und Stellungnahme vorgelegt worden.

(Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/ CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)

Drittens. Dieses Konjunkturprogramm gründet sich auf eine längerfristige Perspektive, die letztlich für seine Wirksamkeit entscheidend sein wird.
Ich sagte, das Programm ist in sich ausgewogen. Das ist es auch deswegen, weil es mit Lohnkostenzuschüssen, Mobilitätszulage und Verlängerungen des Kurzarbeitergeldes unmittelbar auf den Arbeitsmarkt wirkende Maßnahmen enthält. Damit wird erstmals im Rahmen von Konjunkturmaßnahmen ein Beitrag geleistet, gerade in den Wintermonaten Teile der Wirkungsverzögerung zu umgehen, die mit den ökonomischen Mechanismen der Investitionsförderung nun einmal verbunden sind.
Die im Rahmen dieses Programms bewirkten Investitionen beschränken sich nicht auf einen Bereich; öffentliche und private Investitionen werden gleicherweise eingesetzt. Die von manchen kritisierte undifferenzierte Begünstigung aller privaten Investitionen weist bei näherer Betrachtung eine be-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9563
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
achtliche strukturpolitische Komponente auf. Gewiß, die Investitionszulage allein ist ein relativ global wirkendes Instrument. Nur ein solches Instrument kann jedoch kurzfristig und auf breiter Front seine Wirkung entfalten, und ohne ein solches Instrument würde ein Konjunkturprogramm entscheidend von seiner tragenden Kraft verlieren. Diese Teilmaßnahme hebt die bisher geltenden, strukturpolitisch motivierten Investitionshilfen, z. B. im Zonenrandgebiet, nicht auf, sondern verstärkt sie in ihrer Wirkung.
Eine strukturpolitische Komponente ist ferner in der zusätzlichen und zeitlich unbefristeten Zulage für energiesparende Investitionen, in der Verbesserung der Absatzmöglichkeiten in der Wohnungswirtschaft, in dem Angebot von Bundesmitteln für den Küstenschutz, in der konzentrierten Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen aus Mitteln des ERP-Sonderprogramms und durch Finanzhilfen der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu sehen. Gerade im mittelständischen Bereich, der in seiner Gesamtheit auf die gebotenen Hilfen relativ flexibel reagieren kann, werden durch die gegenseitige Verstärkung globaler und gezielter Maßnahmen beachtliche Anreize gegeben.
Die Ausgewogenheit bezieht sich auch auf die zeitliche Dimensionierung. Dieses Programm ist kein abruptes Herumwerfen des Ruders, sondern eine verstärkte Fortsetzung der schon seit Ende vergangenen Jahres eingeleiteten Politik, die mit dem Abbau der restriktiven haushalts- und steuerpolitischen Maßnahmen begann und die mit den beiden Strukturprogrammen fortgesetzt worden war.
Es wäre auch falsch, in den eingeleiteten Maßnahmen ein einseitiges Investitionsförderungsprogramm zu sehen. Dieses Programm muß vor dem Hintergrund der Steuerreform gewertet werden, die in ihren globalen ökonomischen Auswirkungen ein Konjunkturprogramm für sich darstellt. Von den drei strategischen Punkten der privaten Konsumnachfrage, der privaten Investitionsneigung und der öffentlichen Haushalte aus wird somit gleichzeitig und in der Tat ausgewogen der Aufschwung eingeleitet.
Daß diese Maßnahmen in ihrer Gesamtheit den zulässigen Umfang einer stabilitätsgerechten Expansionspolitik nicht überschreiten und auch nach dieser Richtung hin ausgewogen sein werden, dafür sorgt die Geldmengenregulierung. Es ist eine notwendige und entscheidende Grundlage für dieses Programm des stabilitätsgerechten Aufschwungs und ein Signal für den Kooperationswillen der Deutschen Bundesbank im Rahmen dieses Konzepts, daß die Bank mit der erklärten Absicht, die Geldmenge um 8 % auszuweiten, genügend Spielraum für die notwendigen expansiven Impulse gibt, gleichzeitig aber auch die Sicherungslinie aufzeigt, die wir brauchen, damit sich die eingeleitete Expansion nicht in ungerechtfertigten Preissteigerungen umsetzen kann. Wir werden die mit harten Maßnahmen errungenen Stabilitätserfolge, gerade auf dem Preissektor, nicht vernachlässigen, auch wenn es jetzt darum geht, die andere wichtige Komponente
der Stabilität, den hohen Beschäftigungsstand, wieder zu sichern.
Mit diesem Programm, meine Damen und Herren, wird deutlich, daß Stabilisierungspolitik nicht einseitig gesehen werden kann. Deshalb bezeichnen wir dieses Programm als ausgewogen.
Die zweite Bemerkung, die ich zu der vorgelegten stabilitätspolitischen Konzeption machen möchte, ist die folgende. Es wird uns keine Alternative zur Prüfung und Stellungnahme vorgelegt. Diese Aussage läßt sich am besten mit den Äußerungen illustrieren, die die Opposition am 13. Dezember gemacht hat. Herr Kollege Strauß erklärte: „Nach unserer Auffassung wären nicht nur kurzfristige, sondern auch Dauermaßnahmen zu treffen." Das heißt aber doch, daß hier das Prinzip der antizyklischen Politik, wie es dem Regierungsprogramm zugrunde liegt, nämlich vorübergehende, zeitlich begrenzte konjunkturglättende Maßnahmen durchzuführen, zunächst und grundsätzlich bejaht wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713900400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0713900500
Darf ich eben den Gedanken zu Ende führen; denn das gehört dazu. Weitere Vorschläge müßten dann zusätzliche Dauermaßnahmen zum Ziel haben. Dafür ist aber jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt.
Wahrscheinlich deshalb hat Herr Kollege Strauß hinzugefügt: „Unsere Vorschläge sollen nicht alle auf einmal kumulativ sofort durchgeführt werden, sondern der Reihe nach." Mit diesen Bemerkungen kennzeichnet Herr Kollege Strauß in der ersten Lesung seine Vorstellungen ganz richtig als das, was sie sind, nämlich kein Programm alternativer konjunkturpolitischer Maßnahmen; sie wollen längerfristig betrachtet tatsächlich eine Korrektur unseres Steuersystems.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713900600
Herr Abgeordneter Becker, eine Zwischenfrage.

Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0713900700
Herr Kollege Dr. Möller, ist Ihnen nicht bekannt, daß wir im Finanzausschuß eine ganze Reihe von konstruktiven Anträgen zum Konjunkturprogramm gestellt haben?

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0713900800
Die Tatsache, daß Sie im Finanzausschuß eine Anzahl Anträge gestellt haben, ist mir selbstverständlich bekannt. Darum, Herr Kollege Becker, geht es aber nicht, sondern es geht darum, daß man eine Alternative vorlegen muß, wenn man das Konjunkturprogramm der Bundesregierung in verschiedenen Teilen nicht billigt. Und Sie wissen genausogut wie ich, daß Herr Kollege Strauß — aus welchen Gründen auch immer — in der ersten Lesung nicht die Vorschläge vorgetragen hat, die er einige Tage vorher im „Handelsblatt" veröffentlichen durfte, und die, wie ich
9564 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
weiß, bei Ihrer Fraktion verständlicherweise nicht allgemeine Zustimmung gefunden haben.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713900900
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Becker?

Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0713901000
Herr Dr. Möller, ist Ihnen nicht bekannt, daß wir wesentliche Teile der Thesen von Herrn Dr. Strauß im Finanzausschuß als Antrag gestellt haben?

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0713901100
Aber Herr Kollege Becker, es kommt doch nicht darauf an,

(Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/CSU] : Selbstverständlich!)

was man in den Fachausschüssen unter Ausschluß der Öffentlichkeit in Anträgen einbringt, sondern es kommt darauf an, daß ein Konjunkturprogramm zur Debatte gestellt worden ist und daß sich die Fraktionen in erster Lesung mit den Grundsätzen dieses Konjunkturprogrammes beschäftigen, und selbstverständlich in der ersten Lesung dann auch von der Opposition nicht nur Kritik, sondern ein geschlossener, konstruktiver Beitrag zur konjunkturpolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland erwartet. wird.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie, Herr Kollege Becker, auf die Verhandlungen im Finanzausschuß Bezug nehmen, dann fügen Sie doch bitte ergänzend hinzu, daß die verschiedenen Anträge, die von der Opposition eingebracht worden sind, auch nicht immer die einhellige Zustimmung der im Finanzausschuß vertretenen CDU/CSU-Fraktion gefunden haben, am allerwenigsten bei Anträgen, die Sie selbst im Finanzausschuß zu vertreten die Ehre hatten.

(Beifall bei der SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, ich sagte, daß das kein Programm alternativer konjunkturpolitischer Maßnahmen gewesen sei, was Herr Strauß vorgeschlagen hat, sondern längerfristig gesehen eine Korrektur der Reform unseres Steuersystems, im übrigen auch der wesentliche Punkt der Anträge der Opposition im Finanzausschuß. Damit werden die aktuellen konjunkturpolitischen Schwierigkeiten und Probleme zum Anlaß genommen, Vorschläge anzubringen, die in ihrer Summe eine undifferenzierte steuerliche Begünstigung von Unternehmen und Vermögensbesitz bewirken, ohne die gewollten steuerlichen Erleichterungen in irgendeiner Weise von einem konjunkturkonformen Verhalten der Begünstigten abhängig zu machen, ohne Berücksichtigung der Tatsache, ob die begünstigten Unternehmen investieren oder nicht, ob sie Arbeitskräfte einstellen oder freisetzen, und — auch das muß gesagt werden — ohne Rücksicht auf die nach Meinung der Opposition zerrütteten öffentlichen Finanzen.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Zu der dritten Bemerkung, die ich machen wollte, kann ich mich auf den Hinweis beziehen, den die Opposition vorgetragen hat, daß es nämlich darauf ankomme, auf Dauer für ein gutes Investitionsklima zu sorgen. Ein solches Ziel kann man nach unserer Meinung nicht durch eine neue Subventionspolitik erreichen. Eine tragfähige Grundlage für zukunftsorientierte Investitionen wird nur dadurch geschaffen, daß sich die Unternehmen an gesicherten und ausreichenden Absatzchancen orientieren können. Die Nachfrage ist bestimmend für sinnvolle Investitionen, für eine produktiv wirkende Produktion und damit für ausreichende Beschäftigung. Das ist genau die strategische Zielsetzung des wirtschaftspolitischen Konzepts der Bundesregierung, die bereits erkennbar war mit dem Teil der Steuerreform, der mit dem 1. Januar 1975 wirksam wird. Der Sachverständigenrat sagt hierzu — ich darf zitieren —:
Auch aus diesem Grunde ist es ein glücklicher Umstand, daß dauerhafte Steuersenkungen gerade Anfang 1975 in Kraft treten, der größere Teil der vorgesehenen expansiven Impulse der Finanzpolitik also über die Einnahmeseite geht und damit die privaten Ausgaben anregen wird.
So steht es im Jahresgutachten 1974, Textziffer 330.
Eine weitere in diesem Zusammenhang wichtig erscheinende Beurteilung des Sachverständigenrates lassen Sie mich ebenfalls zitieren:
Da es sich um eine dauerhafte und nicht um eine nur vorübergehende, konjunkturpolitisch motivierte Steuersenkung handelt, darf man damit rechnen,
— so sagt der Sachverständigenrat in der Textziffer 325 —
daß die auf diese Weise den Privaten zusätzlich belassenen Einkommen zu einem normalen Anteil für den privaten Verbrauch verwendet werden, und daß auch die Investitionen, die dem privaten Verbrauch dienen, davon mitbestimmt sein werden.
Diese Feststellung des Sachverständigenrats, daß nämlich die Investitionen vom Verbrauch bestimmt werden, ist nach unserer Ansicht der grundlegende und entscheidende Ansatzpunkt der jetzt anzuwendenden konjunkturpolitischen Strategie. Nur wenn eine ausreichende Nachfrage beim Endverbraucher entsteht, können sich die Investitionsplanungen der Unternehmen an gesicherten Absatzchancen ausrichten. Deswegen ergeben die Maßnahmen der Bundesregierung eine optimale Kombination der chancenbietenden Möglichkeiten und des im Gesamtrahmen Vertretbaren. Durch eine unmittelbare und befristete Investitionsförderung wird ein Hinausschieben wirtschaftlich sinnvoller Investitionen verhindert. Dabei bleibt wichtig, daß die Anhebung des Nachfrageniveaus durch die Steuerreform wesentlich und längerfristig wirksam zur Rentabilität der privaten Investitionen beitragen wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß auf die internationale Bedeutung der stabilitätspolitischen Erfolge der Bundesrepublik
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9565
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Deutschland hinweisen. Durch unsere konsequente Stabilisierungspolitik haben wir uns Reserven geschaffen, die dazu führen, daß wir den schwierigen wirtschaftlichen Problemen, denen sich heute die ganze Welt ausgesetzt sieht, nicht ratlos gegenüberstehen. Mit Reserven meine ich weiter die in Zeiten der Hochkonjunktur stillgelegten Steuereinnahmen, auf die wir jetzt zurückgreifen können. Mit Reserven meine ich auch die hohen Devisenreserven, die uns in ganz beachtlichem Maße vor internationalen Zahlungsproblemen abschirmen. So hat die Bundesregierung für die notwendig gewordenen neuen Konjunkturmaßnahmen eine Ausgangsposition schaffen können, deren Wert unbestritten ist, wenn man die Absatzchancen unserer Wirtschaft und damit die potentielle Rentabilität der Investitionen in unserem Lande mit denen der übrigen Welt vergleicht.
Wenn wir von dem Gesamtaspekt unserer Stabilisierungspolitik ausgehen, müssen wir anerkennen, wie notwendig es für uns war, auch nur den Anschein eines Alleingangs zu vermeiden und deutlich zu machen, daß wir berechtigte Hinweise unserer Verbündeten in Gestaltung und Formulierung unserer Wirtschaftspolitik zu beachten gewillt sind. Es ist für die Bundesrepublik Deutschland wichtig, daß der Bundeskanzler zunächst mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten gesprochen hat. Es ist wichtig, daß aus den Gesprächen der europäischen Gipfelkonferenz die letzten konstruktiven Überlegungen in das Programm für einen stabilitätsgerechten Aufschwung einfließen konnten. Wir haben zwar für die Belastungen Verständnis, die durch die Kurzfristigkeit der Beratungen für den Bundestag und den Bundesrat entstanden sind, meinen aber doch, daß wir der Konsultation mit unseren westlichen Freunden den Vorrang einräumen mußten.
Diese Feststellung treffe ich auch im Hinblick auf den uns heute vorgelegten Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vom 18. Dezember. Ich wiederhole, daß der Bundestag nach diesen meinen Feststellungen wohl sicher keine Ursache hat — wie hier gewünscht —, auf das schärfste zu rügen, daß keine ausreichende Zeit gegeben war, die Vorschläge eingehend zu prüfen.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Diese Konsultationen unserer westlichen Freunde waren unerläßlich, vor allen Dingen im Hinblick auf die besondere Position, die die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich ihrer Stabilisierungserfolge, aber auch hinsichtlich ihrer Devisenreserven vorzuweisen hat. Es wäre unvertretbar gewesen, dieses Konjunkturprogramm zunächst einmal hier im Bundestag beraten und beschließen zu lassen und erst dann zu unseren verbündeten Freunden zu gehen,

(Wehner [SPD] : Sehr richtig!)

sie vor vollendete Tatsachen zu stellen und eine unnötige Kritik sowie eine unnötige Belastung unserer freundschaftlichen Beziehungen zu riskieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich bin überzeugt davon, daß die Opposition ein solches Vorgehen — zu Recht — gerügt hätte, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß es bei dieser besonderen Ausgangsposition der Bundesrepublik Deutschland doch selbstverständlich sei, daß wir zunächst einmal mit unseren Freunden sprechen, um keine unnötigen Belastungen in unserem Verhältnis zueinander heraufzubeschwören.
Meine Damen und Herren, Sie sagen in Ihrem Entschließungsantrag auf Drucksache 7/3013 auch, die Bundesregierung habe keine Kostenangaben gemacht. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Bemerkung — zumindest gilt dies für den Zeitpunkt der Abfassung des Entschließungsantrags — nicht stimmt. Am 17. Dezember sind die finanziellen Auswirkungen der Gesetzesänderungen im Rahmen des Programms zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum bei Stabilität dargelegt worden, und Sie können für alle finanzwirtschaftlichen Auswirkungen der heute zur Entscheidung anstehenden Vorlagen die genauen Kosten ermitteln, genauso wie dies schon in den Ausschußberatungen der Fall war.
Wenn Sie auf die globale Summe der privaten Förderung der Privatinvestitionen hinweisen und beanstanden — dies geschieht insbesondere seitens des Landes Baden-Württemberg —, daß hier keine Höchstgrenze gesetzt worden ist, so kann ich nur sagen: Ich gebe gern zu, daß man darüber streiten kann. Sie übersehen aber bei einer solchen Feststellung die Auswirkungen, die solche Investitionsförderungsmaßnahmen bei großen Betrieben auch für die Zulieferfirmen haben, und auf Förderungsmaßnahmen für die Zulieferfirmen wird es in den nächsten Monaten ganz besonders ankommen, wenn wir das Beschäftigungsrisiko abbauen wollen. Meine Fraktion ist daher nicht in der Lage, einem solchen Entschließungsantrag, der der Situation nicht gerecht wird, zuzustimmen. Wir bitten das Hohe Haus, diesen Entschließungsantrag abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte im Hinblick auf die finanz- und konjunkturpolitische Wertung des Programms auf eine Veröffentlichung der OECD hinweisen, und zwar auf die Prognose der OECD für 1975. In den Zeitungen ist ein Ausschnitt aus dieser Prognose wiedergegeben. Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin darf ich eine Absatz zitieren, der sich ganz besonders mit der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt und der höchst aktuell ist. Daß er von der OECD erarbeitet worden ist, erscheint mir doch immerhin wichtiger als der eine oder andere Hinweis der Opposition, die ja nicht anerkennen darf, was anerkennenswert ist. Ich nehme für diese Auszüge die Ihnen nahestehende Zeitung „Die Welt", weil ich davon ausgehe, daß Sie dann einen solchen Absatz aus der Prognose der OECD richtig zu werten in der Lage sind. Was sagt nun die OECD? Nach einer Untersuchung der Wirtschaftslage der verschiedenen OECD-Staaten kommt sie zur Bundesrepublik und bemerkt, die internationale Wettbewerbslage der Bundesrepublik werde sich dagegen 1975 „fühlbar verbessern". — Tragen Sie bitte diese Feststellung mit Würde. — „Außerdem erwartet die OECD eine Wiederbelebung der deutschen Inlandsnachfrage.
9566 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Daher dürfte das Bruttosozialprodukt im nächsten Jahr in der Bundesrepublik um 2,5 Prozent steigen. Damit liegt die Bundesrepublik über dem Durchschnitt aller OECD-Staaten. Das, meine Damen und Herren, ist die realistische und sachliche Beurteilung der Wirtschaftslage, in der wir uns und in der sich die anderen befreundeten Staaten befinden.
Die Bundesrepublik Deutschland, so möchte ich am Schluß sagen, ist international bei der Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in einer günstigen Situation. Unsere Lage erfordert daher eine sorgfältige Abstimmung mit unseren Partnern, nicht nur im Interesse der anderen Länder, auch in unserem eigenen Interesse und vor allem, um dem Ziel der gemeinsamen Politik näherzukommen, den Aufschwung in Stabilität zu erreichen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie daher, den Vorlagen, so wie sie aus den Ausschüssen herausgekommen sind, Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713901200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713901300
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Bundestag und seinen Ausschüssen zugemutet, in nur drei Arbeitstagen ein 10-Milliarden-Kredit- oder besser Krisenprogramm zu verabschieden. Den Ausschüssen standen tatsächlich nur wenige Stunden zur Verfügung.

(Zuruf von der SPD: Und Sie waren noch nicht einmal da!)

Eine auch nur halbwegs sorgfältige Beratung der Vorlage wurde dadurch unmöglich gemacht.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

In den Ausschüssen wurden zum Teil neue Vorlagen gemacht, und es ist auch zu beanstanden, daß die Regierung nicht bereit war, den Vertretern der Opposition in den Ausschüssen mit Zahlenmaterial die nötige Hilfestellung zu geben.

(Zurufe von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Kollege Möller, der Hinweis darauf, daß die Verzögerung und die Galoppbehandlung in den Ausschüssen und im Parlament durch die notwendigen vorausgehenden internationalen Gespräche bedingt war, ist in meinen Augen nur ein ganz schwaches Alibi. Das Verfahren, das hier angewandt worden ist, ist skandalös.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wie viel dieses Programm nun tatsächlich kostet, wissen wir bis heute nicht. Das ist offenbar ein Staatsgeheimnis des Finanzministers oder dieser Regierung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Gute Voraussetzung für die Debatte!)

Jeder Deckungsvorschlag fehlt. Herr Kollege Möller,
wenn die Opposition bei irgendwelchen Anträgen
das Deckungsverfahren angewandt hätte, das Sie angewandt haben, dann würde man das als unseriös gebrandmarkt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

„Die Belastung des Bundes", heißt es so schön bei einer Vorlage, „ist von der Inanspruchnahme der Begünstigung abhängig."

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

An anderer Stelle: „Diesen unmittelbaren Kosten steht ein erheblicher gesamtwirtschaftlicher Nutzen aus der Einsparung von Energie gegenüber." Und so geht das weiter, meine Damen und Herren. An anderer Stelle heißt es, die Mehrausgaben würden ja irgendwann einmal durch Steuereinnahmen kompensiert werden.

(Dr. Evers [CDU/CSU] : Und dann der ideelle Nutzen!)

Herr Kollege Müller, auch das, was Sie über die Auskunft des Finanzministers gestern in den Beratungen des Ausschusses gesagt haben, ist nicht gerade sehr erhellend. Da heißt es nämlich zu diesem entscheidenden Punkt: Etwaige haushaltsmäßige Folgerungen werden für den Bundeshaushalt 1975 in der Bereinigungssitzung und für die Jahre ab 1976 bei der Fortschreibung des Finanzplanes zu ziehen sein.
Meine Damen und Herren, allein die Hoffnung, daß irgendwann einmal, 1978 oder 1980, Steuereinnahmen kommen könnten, ist doch kein ernstzunehmender Deckungsvorschlag!

(Zurufe von der CDU/CSU)

Obwohl die Zerrüttung der Staatsfinanzen von Tag
zu Tag sichtbarer wird, stellt die Bundesregierung
weiterhin ungedeckte Wechsel für die Zukunft aus.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713901400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehrenberg?

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713901500
Bitte, Herr Ehrenberg.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0713901600
Herr Kollege Müller-Hermann, würden Sie so freundlich sein, diesem Hause zu sagen, wie es um die Staatsfinanzen stünde, wenn wir den Vorschlägen Ihres Kollegen Strauß über die Erweiterung der degressiven Abschreibung gefolgt wären?

(Beifall bei der SPD)


Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713901700
Herr Kollege Ehrenberg, ich komme auf dieses Thema noch zu sprechen. Der Einwand ist zu dürftig, als daß ich jetzt darauf eingehe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So überstürzt sind die Dinge nicht gelaufen, daß Sie jetzt das Parlament unter Druck setzen müßten.
Herr Kollege Apel hat als Finanzminister schon im August in Berlin angefangen, Konjunkturpro-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9567
Dr. Müller-Hermann
gramme anzukündigen. Kaum war die Tinte unter dem ersten Konjunkturprogramm trocken, da fängt die Koalition an, über das nächste Konjunkturprogramm öffentlich zu diskutieren. Ich bin ganz sicher, hinter den Kulissen fangen Sie schon heute an, über das nächste Konjunkturprogramm nachzudenken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Monatelang, meine Damen und Herren, ging es in den Reihen der Koalition und der Regierung hin her mit Entwicklungen, die man auch gut als Koalitionskrisen brandmarken könnte. Davon ist doch ein gut Teil zusätzlicher Verunsicherungen ausgegangen. Es ist völlig falsch, wenn der Bundeskanzler ausgerechnet der Opposition vorwerfen will, sie treibe Verunsicherungspolitik; die Verunsicherungspolitik geht von dieser Koalition aus!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt liegt uns ein neues Programm vor. An dessen Erfolg glaubt aber offenbar auch im Regierungslager niemand so recht.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Herr Apel erklärte dieser Tage gegenüber der „Frankfurter Rundschau", ein Erfolg sei nicht sicher, der Staatssekretär Pöhl, immerhin einer der engsten Mitarbeiter und Berater des Bundeskanzlers, bezeichnet das Programm als „für sich allein nicht ausreichend". Kommentar überflüssig.
Meine Damen und Herren, die Bürger im Lande spüren von Tag zu Tag mehr den Ernst der Lage, die uns alle, gleich wo wir stehen, mit ernster und tiefer Sorge erfüllen muß. Der Ernst der Lage äußert sich in der wachsenden Zahl von Arbeitslosen und Kurzarbeitern, in der nicht enden wollenden Kette von Unternehmenszusammenbrüchen vor allem im mittelständischen Bereich und in der noch immer ungebrochenen Inflation. Wenn der Bundeskanzler auf den Jahresvergleich November 1974 mit November 1973 hingewiesen hat, so muß ich das korrigieren, weil die Ausgangsposition in der Vergleichsrelation ein sehr günstiges Bild bietet. Tatsächlich ist im Monatsvergleich Oktober/ November 1974 die Inflationsrate weiter um 0,7 % angestiegen, was zum Ausdruck bringt, daß jedenfalls bisher die Inflation nicht gebrochen ist. Die Bevölkerung spürt jetzt am eigenen Leibe — ich sage das ganz bestimmt ohne jeden Anflug von Schadenfreude —, daß sie in den vergangenen Jahren seit 1969 von der Regierung, von den Regierungsparteien und nicht zuletzt vom heutigen Bundeskanzler systematisch — ich möchte es etwas salopp ausdrücken — für dumm verkauft worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sehr salopp!)

Jetzt müssen die Arbeitslosen und die Inflationsgeschädigten den Preis dafür zahlen, daß in der Vergangenheit die Warnungen, die Ratschläge, die Alternativvorschläge der Opposition in den Wind geschlagen wurden.

(Offergeld [SPD] : Wo sind die denn?)

und als Schwarzmalerei, Panikmache, Krisengerede abgetan wurden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713901800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713901900
Nein.
Dazu kommen die uns von der weltwirtschaftlichen Entwicklung her drohenden Gefahren. Die hohen Exportüberschüsse halfen bisher, Arbeitsplätze und Kapazitätsauslastung zu sichern. Meine Damen und Herren, der Einwand der Koalition, die wachsende Zahl der Arbeitslosen hänge mit internationalen Vorgängen zusammen, ist im Grunde eine Verkehrung des Tatbestandes.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Ach nein!)

— Ja! Daß wir heute noch eine so relativ günstige Auslastung der Kapazitäten haben, hängt doch damit zusammen, daß wir diese Exportüberschüsse noch zur Verfügung haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur: als Hauptexporteur und Hauptgläubiger in der Europäischen Gemeinschaft läuft die Bundesrepublik mehr und mehr die Gefahr, einen wachsenden Teil ihrer Exporte schließlich selbst finanzieren zu müssen. Das Abgleiten der Weltwirtschaft in eine Rezession und die wachsende Neigung zum Protektionismus, die sich nicht zuletzt aus unseren hohen Exportüberschüssen ergibt oder ergeben könnte, können im Laufe des Jahres 1975 die deutschen Exportmöglichkeiten empfindlich beschneiden.
Meine Damen und Herren, schon in dem Regierungsprogramm 1969 hatte sich die SPD/FDP-Koalition vorgenommen, ein größeres Gleichgewicht zwischen Export- und Binnennachfrage herzustellen. Ich erinnere mich an die Erklärung der Regierung damals, die Regierung müsse und wolle dafür sorgen, daß ein größerer Teil der deutschen Produktion dem Binnenmarkt zur Verfügung stehe. Das Problem wurde nicht gelöst, es hat sich weiter verschärft. Die Bundesregierung geht nun bei ihrem Konjunkturprogramm offenbar davon aus, daß in der zweiten Jahreshälfte 1975 ein autonomer Wirtschaftsaufschwung in Gang kommt, der es dann möglich macht, eine möglicherweise nachlassende Exportnachfrage durch eine stärkere Binnennachfrage auszugleichen. Das klingt in der Theorie sehr richtig und gut, doch ich weise darauf hin, daß das Ganze eine Rechnung mit vielen Unwägbarkeiten und Risiken ist.
Meine Damen und Herren, mittlerweile hat sich der Erkenntnisstand der Koalition und der Regierung zumindest in einigen Punkten erweitert. Man hat einsehen müssen, wie gefährlich die sich schon seit Jahren abzeichnende Zurückhaltung der Wirtschaft bei den privaten Investitionen ist. Die privaten Investitionen wurden ja lange Zeit aus ideologischen Gründen bewußt zurückgedrängt

(Dr. Evers [CDU/CSU]: Jawohl!)

— und sie sollten das ja auch werden —, und jetzt
sollen sie nach den Wünschen der Koalition und dem
Willen der Regierung wieder angekurbelt werden.
9568 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. Müller-Hermann
Insofern hat der stellvertretende Parteivorsitzende der SPD Kühn völlig recht, wenn er jetzt mit der Parole in Nordrhein-Westfalen durch das Land zieht: „Die Probleme von heute sind die Fehler von gestern." Meine Reverenz, eine gute Einsicht!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Krise der privaten Investitionen kommt ja nicht von ungefähr. Sie ist vor allem, meine Damen und Herren auf seiten der SPD, die zwangsläufige Folge der auf Ihrem Steuerparteitag seinerzeit empfohlenen Regierungspraxis, doch die Belastbarkeit der Wirtschaft bis zum äußersten zu erproben.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So ist es!)

In Wirklichkeit war diese Erprobung der Belastbarkeit der Wirtschaft ein leichtfertiges Spiel mit der Sicherheit der Arbeitsplätze, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Wie leichtfertig Sie mit der Wahrheit umgehen!)

Nun kann die Wiederbelebung der privaten Investitionen mit Sicherheit nicht allein mit kurzfristig wirkenden Maßnahmen wie der 8 Milliarden-DM-Zulage für ein halbes Jahr erreicht werden. Wer so denkt, verkennt die Zusammenhänge und vor allem die Tatsache, daß diese 8 Milliarden DM nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den enormen Kostenbelastungen stehen, mit denen die Wirtschaft in den letzten Jahren fertig werden mußte.
Wir bedauern außerordentlich, daß die Investitionszulage mit großem Mittelaufwand auch solche Investitionen begünstigt, die ohnehin vorgesehen sind. Dies werden in der Regel Prämien für die Großwirtschaft sein.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wenn der Sprecher der SPD in den Ausschußberatungen zu unseren Modifizierungsvorstellungen erklärt, das gehe nicht, weil das eine Diskriminierung der Großwirtschaft wäre,

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

dann kann man sich nur Gedanken über das neue Bündnis zwischen der SPD und der Großindustrie machen, das sich hier anzubahnen scheint.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie werden sich eines Tages den Vorwurf gefallen lassen müssen, wenn wir Erfahrungen gesammelt haben, meine Damen und Herren, daß Sie Steuermilliarden ohne eine entsprechende konjunkturpolitische Wirkung verschleudert haben.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

Wir hätten es vorgezogen, daß dieser Teil des Konjunkturprogramms sehr viel gezielter auf die mittelständische Wirtschaft ausgerichtet gewesen wäre,

(Zurufe von der SPD)

die steuerliche Erleichterungen und Anreize am dringendsten braucht.
Herr Kollege Möller, Sie haben gesagt, die Regierung wolle sich nicht auf eine neue Subventionspolitik einrichten. Ich würde sagen: Hier wird eine neue Investitionspolitik begonnen. Ich bedaure außerordentlich, daß die vielfältigen Vorstellungen, die von uns auch im Finanzausschuß zur Diskussion gestellt worden sind,

(Zurufe von der SPD)

von der Regierungskoalition allesamt — allerdings nicht geschlossen, sondern mit wechselnden Mehrheiten — vom Tisch gefegt worden sind.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Nach Vorstellung der Union wäre es richtiger gewesen, an einen dauerhaften Abbau der Steuerbelastung heranzugehen. Denn, meine Damen und Herren, der wirkliche Grund für den Rückgang der Investitionsneigung, durch den ja auch immer wieder mehr Arbeitsplätze gefährdet werden, liegt vor allem in der, wie Herr Slotosch in der „Süddeutschen Zeitung" gesagt hat, fundamentalen Rentabilitätskrise der Unternehmen. Eine dauerhafte Wiederbelebung der Investitionen über den Tag hinaus ist nur dann zu erreichen, wenn der Wirtschaft durch eine von Grund auf anders gestaltete Politik wieder die Zuversicht vermittelt wird, Herr Kollege Möller, daß es sich lohnt, sich zu engagieren, und daß der Wirtschaft auch so viel an Erträgen belassen wird, daß sie zum Investieren in der Lage ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich bitte, einige Sätze aus einem Artikel der „Süddeutschen Zeitung" zitieren zu dürfen, in dem der schon erwähnte Herr Slotosch die Situation, wie ich meine, wirklich sehr treffend charakterisiert, und die „Süddeutsche Zeitung" ist sicherlich nicht gerade ein Blatt, das der Opposition sehr wohl gesonnen ist, sondern ein solches, daß man als der Regierung nahestehend kennzeichnen könnte. Dort heißt es:
Um diese Strukturschwäche der Rentabilität zu überwinden, hätte die konjunkturpolitische Initiative der Bundesregierung auf eine dauerhafte und tragfähige Lösung abgestellt sein müssen. ... Die von der Wirtschaft der Regierung nahegelegten steuerpolitischen Stützungsmaßnahmen zugunsten der Investitionen hätten den Vorteil gehabt, daß sie erstens den Fiskus weit weniger gekostet hätten, und zweitens bestand die Chance, die Investitionstätigkeit auf ein neues, tragfähiges Fundament zu stellen und damit den notwendigen dauerhaften Effekt zu sichern. ... Eine Welle von Pessimismus und Krisenangst geht um die Welt. Es kommt deshalb mehr denn je darauf an, so weit wie möglich den Investoren Sicherheit zu bieten. Mit dem in dieser Woche vorgelegten Konjunkturprogramm der Regierung ist dieses Ziel verfehlt worden.
Ich finde, dieser Artikel kennzeichnet das, was auch wir meinen, sehr treffend.
Meine Damen und Herren, die Rentabilitätskrise ist aber nur eines von mehreren Elementen für die tiefgreifende Vertrauenskrise, ohne deren Überwin-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9569
Dr. Müller-Hermann
dung es nach unserer festen Überzeugung weder einen neuen Wirtschaftsaufschwung noch eine nachhaltige Sicherheit der Arbeitsplätze geben wird. Diese Vertrauenskrise — Herr Ehrenberg, Sie melden sich schon zu Wort — hat ihre tiefgreifenden Wurzeln in den vielen sozialistischen Experimenten der Regierungspolitik,

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

in der Steuerpolitik, in der Gesellschaftspolitik, in der Ordnungspolitik. Man könnte diesen Katalog beliebig fortsetzen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713902000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Müller-Hermann?

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713902100
Nein, vielen Dank, Herr Kollege Ehrenberg.
Besonders erwähnt werden müssen in diesem Zusammenhang die völlig unausgereiften und unausgegorenen Vorschläge der Regierung zur Mitbestimmung, zur beruflichen Bildung, zur Vermögensbildung.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD — Wehner [SPD] : Das Wandern ist des Müllers Lust! Querfeldein!)

Dazu kommt die krisenhafte Zuspitzung der Finanzen aller öffentlichen Ausgabenträger, der Finanzen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Bundesbahn, der Bundespost, der sozialen Krankenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und nicht zuletzt der Rentenversicherung.

(Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

— Sie hören das nicht gern, aber während Ihrer Regierungszeit ist diese desolate Situation bei allen öffentlichen Haushalten eingetreten. Das können Sie nicht korrigieren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Altes Stroh ist das, Herr Müller!)

Wir müssen uns fragen — und ich frage auch Sie —: Wer kann überhaupt noch mit ruhigem Gewissen langfristige Investitionsentscheidungen treffen,

(Zuruf von der SPD: Jeder vernünftige Mensch!)

wenn er ahnt, was auf ihn zukommt, oder wenn er noch gar nicht ahnen kann, was alles auf ihn zukommt?

(Zurufe von der SPD)

Wenn die heutige Parlamentsdebatte überhaupt einen Sinn haben soll, dann genügt es nicht, die Regierungsbeschlüsse hier durch Parlamentsmehrheiten im Galopptempo abzusegnen. Vielmehr müssen einige grundlegende Perspektiven für eine verantwortungsvolle Politik, wie wir sie sehen, hier deutlich gemacht werden.
Als erstes gilt es festzustellen: Die tiefere Ursache für die Inflation und alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten liegt darin, daß seit 1969 kein Gleichgewicht zwischen Ansprüchen und Leistungen in unserer Wirtschaft mehr besteht. Die Erwartungen wurden
von SPD und FDP so hoch geschoben, daß sie die Leistungskraft unserer Wirtschaft überfordern mußten. Das von uns allen Erwirtschaftete läßt sich eben nur zu hundert und nicht zu mehr als hundert Prozent verteilen. Was darüber hinausgeht, bezahlen wir heute mit Geldentwertung und Arbeitslosigkeit.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Wissen Sie das auch bei Ihren Vorschlägen?)

Zusatzansprüche in unserer Gesellschaft — das gilt zumindest für eine Übergangszeit — lassen sich nur befriedigen, wenn an anderer Stelle Ansprüche abgebaut werden. Diese einfache Erkenntnis allen Bürgern klarzumachen ist, ich muß leider sagen: wäre eine Führungsaufgabe dieser Regierung. Zunächst einmal kommt es darauf an, das Leistungsvermögen unserer Wirtschaft wieder auf den Stand zu bringen, der es uns ermöglicht, die schon bestehenden Ansprüche ohne Geldentwertung und ohne vielfältige Risiken zu befriedigen. Das heißt konsequenterweise, meine Damen und Herren, daß wir Leistung wieder anspornen und belohnen müssen, daß wir eher mehr als weniger arbeiten müssen.

(Wehner [SPD] : Noch mehr Stroh dreschen! — Heiterkeit bei der SPD)

Das Thema Arbeitszeitverkürzung sollte derzeit überhaupt nicht zur Diskussion stehen.
Ein Zweites: Die Tatsache, daß sich die öffentlichen Hände 1975 und in den folgenden Jahren in einem gigantischem Ausmaß verschulden, ist das Eingeständnis, daß der Staat in allen seinen Bereichen über seine Verhältnisse lebt — trotz einer enorm hohen Steuerlast- und Abgabenquote. Die Nagelprobe für jeden Neubeginn und für jedes Neubesinnen sind, ob es uns paßt oder nicht, die Staatsausgaben. Der Staat muß mit dem zurechtkommen, was er hat. Deshalb stehen für uns in der gegenwärtigen Situation auch Steuererhöhungen einfach nicht zur Diskussion.

(Wehner [SPD] : Mit wem diskutieren Sie denn da?)

Die Finanzierung der Staatsausgaben hat ihre Grenzen nicht nur in der Beanspruchung der Kapitalmärkte, sondern auch in der Fähigkeit der Wirtschaft, die Steuerlasten zu verkraften. Wir sollten, wie ich meine, aufhören,

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der SPD: Ja! Sehr gut!)

bei allem und jedem nach dem Staat zu rufen. — Ich freue mich, von Ihnen dazu Beifall zu erhalten.

(Lachen bei der SPD — Zurufe von der SPD: Zum Aufhören!)

Wir sollten vielmehr größere Anstrengungen darauf verwenden, wie und wo wir die freien Kräfte in unserer Gesellschaft mobilisieren und ermutigen können, Aufgaben im Allgemeininteresse statt des Staates zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerade auch in dem breitgefächerten sozialen Be-
reich läßt sich sicherlich vieles billiger, günstiger,

(Zuruf von der SPD: Größer!)

9570 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. Müller-Hermann
und wirksamer darstellen, wenn die freien Kräfte statt des Staates eingespannt werden.

(Wehner [SPD] : Und das Geld davon bekommen!)

Im Konjunkturprogramm der Regierung wird leider auch den Empfehlungen des Sachverständigenrats nicht Folge geleistet, zusätzliche staatliche Investitionen nur dann vorzunehmen, wenn an anderen Stellen, vor allem im konsumtiven Bereich, entsprechende Einsparungen vorgenommen werden. So werden zwar zusätzliche Investitionen von 1,1 Milliarden DM zuzüglich 600 Millionen DM für die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen beschlossen; auf den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, allein für den Haushalt 1975 3 Milliarden DM einzusparen, wird jedoch überhaupt nicht eingegangen.

(Kirst [FDP]: Der war ja auch lächerlich!)

Wie bei dieser Haushaltslage die Dinge über 1975 hinaus weitergehen sollen, ist bisher eine Unbekannte mit vielen Fragezeichen.

(Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

Wir fordern die Regierung daher auch in unserem Entschließungsantrag nachdrücklichst auf, die Finanzplanung über 1975 hinaus angepaßt an die neuen ökonomischen Daten fortzuschreiben.
Ein Drittes. Die Inflation ist in erster Linie kostenbedingt. Neben den hohen Steuerlasten und den Personalkosten wird die Wirtschaft vor allem durch das astronomische Zinsniveau belastet. Davon ist vor allem die unterkapitalisierte mittelständische Wirtschaft betroffen. Der Bundeskanzler hat am Freitag hier vor dem Hohen Hause erklärt, die Bundesregierung würde dafür sorgen, daß die öffentliche Verschuldung nicht zinstreibend wirkt.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr schön!)

Ich halte diese Feststellung hier fest. Ich hielte es für sehr gut, wenn das erreicht würde. Ich sehe aber derzeit nicht, wie die Bundesregierung das erreichen will, wenn sie neben der Nettoneuverschuldung der öffentlichen Hände dieses Konjunkturprogramm finanzieren will, ohne in Widerspruch zu der richtigen Leitlinie der Bundesbank zu geraten, daß die Geldmenge 1975 um nicht mehr als 8 % ausgeweitet werden soll.

(Dr. Schachtschabel [SPD] : Das ist doch Theorie!)

— Das ist zunächst Theorie. Ob das die Praxis sein wird, sehr verehrter Herr Kollege Schachtschabel, werden wir sehen. Da haben wir unsere Zweifel anzumelden.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Schachschabel [SPD])

Wie sehr die Zinsen die Wirtschaft drücken, hat Staatssekretär Pöhl kürzlich treffend zum Ausdruck gebracht. Er stellte den 10 Milliarden DM des Konjunkturprogramms die nüchterne Tatsache gegenüber,

(Offergeld [SPD:] Der liest nicht einmal ein Programm!)

daß jedes Prozent Zinsen mehr oder weniger für
die Wirtschaft 6 Milliarden DM ausmacht. Unsere
Sorge ist nach wie vor, daß die übermäßige Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die öffentlichen Hände die Bundesbank zwingen könnte, das Zinsniveau wieder anzuheben. Wie sehr die Kreditpläne der Bundesregierung die Zinshöhe beeinflussen, hat schon die Entwicklung der letzten Tage angedeutet.
Meine Damen und Herren, ein ganz besonderes Problem ist das Schicksal vieler mittelständischer Betriebe, die mit ihrer schlechten Kapitalausstattung und ohne die Möglichkeit, wie die Großwirtschaft zu günstigen Bedingungen in den Export auszuweichen, um die nackte Existenz ringen müssen. Der Kosten- und der Abgabedruck auf der einen Seite und die nachlassende Binnennachfrage auf der anderen Seite haben sie in eine echte Zangenbewegung gebracht.
Von dem Schicksal dieser Unternehmen, d. h. davon, ob diese Unternehmen auf der Strecke bleiben oder die Durststrecke überstehen, hängt das Schicksal der in diesem Bereich Beschäftigten mit ab. Bundeswirtschaftsminister Friderichs steht diesen Betrieben gegenüber im Wort. Die Betroffenen sind mit Recht erneut tief enttäuscht darüber, daß den Betrieben nicht geholfen wird, die solide finanziert und zukunftsträchtig sind, die aber kaputtzugehen drohen, obwohl wir sie in einer normalisierten Konjunktursituation für die Bedienung der Verbraucher und für einen intensiven Leistungswettbewerb wieder brauchen werden. Ich erinnere mich, daß Herr Bundeswirtschaftsminister Friderichs an dieser Stelle vor wenigen Wochen zugestimmt hat, daß hier ein besonderes Problem ansteht. Zu diesem Problem sagt die Bundesregierung in ihrem Konjunkturprogramm aber nichts.
Deshalb drängen wir darauf, daß — zumindest nach Prüfung im Einzelfall — die Regierung ein Programm vorlegt, das spezielle Zinsverbilligungsmaßnahmen für diesen Bereich der mittelständischen Wirtschaft unterbreitet.
Ein Viertes: Wir möchten auch an dieser Stelle noch einmal den Appell an die Verantwortung der Tarifpartner unterstützen. Es wäre ein Verhängnis — ich hoffe, wir befinden uns alle in Übereinstimmung —, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften aus dem Konjunkturprogramm den Schluß zögen, der Spielraum zur Durchsetzung von Lohn- und Preissteigerungen habe sich damit wieder ausgeweitet. Aber ich füge auch hinzu — ich hoffe nur, wir befinden uns auch da alle in Übereinstimmung —: Umgekehrt wäre es nicht minder verhängnisvoll, wenn die Tarifpartner im Vertrauen auf die neuen Erklärungen der Regierung, die Inflation sei eingedämmt und im Sommer des nächsten Jahres seien wir über dem Berg, jetzt zu maßvollen Tarifabschlüssen kämen, die Arbeitnehmer insbesondere aber im nachhinein feststellen müßten, daß der Bundeskanzler wieder einmal falsche Erwartungen erweckt hat.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Die Tarifpartner müssen sich darüber im klaren sein — ich meine, das muß auch an dieser Stelle einmal gesagt werden —, daß der übermäßige Anteil
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9571
Dr. Müller-Hermann
des Sozialprodukts, den der Staat für sich in Anspruch nimmt, den Arbeitnehmern den Spielraum für die Verbesserung ihrer Einkommen in der gegenwärtigen Phase weiter einengt.

(Dr. Marx [CDU/CSU] So ist es!)

Das gilt insbesondere, wenn die Wirtschaft stagniert oder wenn gar zu befürchten ist, daß sich unser Sozialprodukt rückläufig entwickelt. Das ist, glaube ich, die nüchterne Wahrheit, an der sich niemand vorbeidrücken kann.
Sehr verehrter Herr Minister Friderichs, Sie haben vor wenigen Wochen für die Regierung Orientierungsdaten herausgegeben, die das wirtschaftliche Wachstum für das Jahr 1975 in einer Größenordnung von 31/2 0/o einschätzen.

(Bundesminister Friderichs: Das stimmt doch nicht!)

— Das reale Wachstum in einer Größenordnung zwischen 3 und 31/2%. — Wenn wir hier die neuen Orientierungsdaten zugrunde legen würden, sähen wir, daß das auf jeden Fall unerreichbar sein müßte, es sei denn, es geschähe im zweiten Halbjahr 1975 ein Wunder, von dem wir, glaube ich, alle sagen können: es wird nicht eintreten. Die Regierung wäre also gut beraten, auch ihre bisher vorgelegten Orientierungsdaten den neuen volkswirtschaftlichen Entwicklungen wieder anzupassen.
Ein Fünftes: Für die weitere Entwicklung unserer Wirtschaft sind ordnungspolitisch Klarheit und Sauberkeit unentbehrlich. Die CDU/CSU bekennt sich nachdrücklich zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Wir sind fest davon überzeugt, daß auch die gegenwärtigen Probleme nur auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft zu meistern sein werden.
Im Gegensatz dazu bleibt die stärkste Regierungspartei, die SPD, ordnungspolitisch schillernd und vielgesichtig. Bundeskanzler Schmidt versucht, den Eindruck zu erwecken, als seien die Systemüberwinder und Klassenkämpfer in der SPD nur eine unbedeutende Minderheit. Man braucht nur an das Wahlprogramm der SPD in Schleswig-Holstein mit der Handschrift von Jochen Steffen zu denken oder an die jüngsten Hetztiraden der Jusos in Bremen, um sich darüber völlig im klaren zu sein, daß weder Herr Brandt noch Herr Schmidt die SPD und ihre Systemüberwinder unter Kontrolle haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Herr Brandt ermuntert sie sogar!)

Solange über die Zielsetzungen und die ordnungspolitischen Entwicklungen der stärksten Regierungspartei soviel Ungewißheit besteht, die in allen Schichten der Bevölkerung, insbesondere der Wirtschaft, ein Gefühl der Unsicherheit, der Unsolidität und der mangelnden Zuverlässigkeit auslöst, wird es auch dieser Regierung nicht gelingen, die Vertrauensbasis wiederherzustellen, ohne die alle Konjunkturspritzen Schall und Rauch bleiben werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Leider wahr!)

Unser Land hätte einen wirklichen Neubeginn, eine grundlegende Wende dringend nötig. Das spüren im Grunde auch die Wähler im Lande, die, da sie nicht anders können, das mit dem Stimmzettel auszudrücken versuchen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Sie weisen im Grunde darauf hin, daß sie einen politischen Kurswechsel als den einzigen Ausweg aus den bestehenden Schwierigkeiten sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn der Herr Bundeskanzler Schmidt — vielleicht glaubt er es selbst; ich will das sogar unterstellen — wiederum hier vor diesem Haus und draußen in den Landen mit neuen rosigen Perspektiven für die Zukunft aufwartet, so frage ich doch, meine Damen und Herren, und so fragen ihn die Bürger: Wer soll einem Manne oder einer Partei glauben, die sich so oft geirrt und die so oft die Wähler enttäuscht und getäuscht haben?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wieweit diese Enttäuschung und Täuschung reicht, läßt sich vielleicht aus einem kleinen Indiz ablesen. Meine Damen und Herren! Ich habe hier vor mir den DGB-Nachrichtendienst vom 1. Februar 1974. Da heißt es an einer Stelle:
Generell ist kaum mit einem Anwachsen der Arbeitslosenzahl um mehr als 50 000 bis 75 000 Personen über den Stand des vorjährigen Hochkonjunkturjahres hinaus zu rechnen, wenn keine ernsthaften wirtschaftspolitischen Fehler gemacht werden.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ich sehe daraus nur, daß auch der DGB offenbar dieser Regierung nur ein ganz schlechtes Attest ausstellen kann. Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, wenn ich das in dieser Offenheit ausspreche.

(Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

Wir sind fest davon überzeugt, daß diese „verbrauchte", in sich zerstrittene Koalition leider Gottes mit den anstehenden Problemen nicht mehr fertig wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus all dem Gesagten wird klar, warum wir gegenüber dem Regierungsprogramm und seinen Erfolgsaussichten so außerordentlich große Bedenken haben. Hier wird mit zu großem Aufwand zu wenig an Investitions- und Konjunkturbelebung bewirkt.
Ich darf einen weiteren, sicherlich unbefangenen Zeugen zitieren, Helmut Geiger vom Sparkassenverband, wo es unter anderem heißt:
Sorgen bereitet den Sparkassen der Struktureffekt des Konjunkturprogramms der Bundesregierung, das die Großunternehmen bestimmter Branchen und Gebiete begünstigt, die mittelständischen Formen dagegen benachteiligt.
Es unterstreicht das, was ich besonders an Kritik gegenüber dem Investitionszulagenprogramm verdeutlicht habe.

(Dr. Schachtschabel [SPD] : Trotzdem stimmt es nicht!)

9572 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. Müller-Hermann
Im Grunde ist das, was Sie hier als Konjunkturprogramm vorlegen, ein kurzatmiger vornehmlich mit dem Blick auf Landtagswahlen ausgerichteter Notbehelf.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Das Übel wird nicht an der Wurzel gepackt, meine Damen und Herren. Mit Geldspritzen allein — das ist eine uralte Erfahrung — ist das für Investitionen notwendige Vertrauensklima nicht herzustellen. Die Regierung behauptet dennoch, mit ihrem Programm kurzfristig die Arbeitsplätze sichern zu können. Das, was an Mobilitätszulagen und an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vorgesehen ist, sollte auch nach unserer Auffassung nicht behindert werden.
Trotz all dieser Skepsis wird die Opposition der Regierung nichts in den Weg stellen,

(Wehner [SPD] : Jetzt kommen Sie als Weihnachtsmann!)

um das zu tun, was sie im Interesse der betroffenen Arbeiternehmer zu tun für richtig hält. Die Opposition hätte von dem Instrument der Fristeneinrede Gebrauch machen können. Wir haben das nicht getan aus Verantwortung für die arbeitenden Menschen,

(Wehner [SPD]: Ja, ja!)

um keine Chance verpassen zu lassen, (Beifall bei der CDU/CSU)

so schnell wir möglich helfen zu können, wo die Regierung meint helfen zu müssen und dazu auch in der Lage zu sein glaubt. Wenn wir jetzt, meine Damen und Herren, der Bundesregierung unsere Zustimmung nicht verweigern, dann tun wir das mit der nötigen Distanz zur Regierungspolitik und zu den Mängeln, die das Regierungsprogramm kennzeichnen. Aus Verantwortung gegenüber den arbeitenden Menschen in unserem Land wollen wir jedoch nichts unversucht lassen, um der von der Bundesregierung zu verantwortenden zunehmenden Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713902200
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0713902300
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich fünf kurze Bemerkungen machen!
Bemerkung Nr. 1: Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung, insbesondere das Bundesfinanzministerium in den zuständigen Ausschüssen nicht sehr detailliert die Zahlen, soweit gerechnet werden kann, vorgelegt hat.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Soweit gerechnet werden kann!)

— Ich komme gleich darauf. Mir selbst liegt eine entsprechende, sehr detaillierte Vorlage vor, die Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, vorgelegen hat.
Bemerkung Nr. 2: Frau Präsidentin, ich darf aus einem Dokument des Deutschen Bundestages — Drucksache V/1341 vom 27. Januar 1967 — zitieren. Dieses Dokument — die Erste Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen — ist von dem damaligen Bundeskanzler, Herrn Dr. Kiesinger, unterschrieben worden. Ich zitiere:
Diese Wirkungen und Gegenwirkungen lassen sich im einzelnen so schwer abschätzen, daß zahlenmäßige Angaben nicht gemacht werden können. Nach Auffassung der Bundesregierung wird sich die vorgesehene steuerliche Investitionserleichterung im Endergebnis, weil sie auf die Belebung eines allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs gerichtet ist, haushaltsmäßig günstig auswirken.
Genau das gleiche, meine Damen und Herren von der Opposition, sagen wir Ihnen heute auch. Genau das, was Sie damals in der Großen Koalition mit der Unterschrift Ihres Bundeskanzlers akzeptiert und unterschrieben haben, wollen Sie uns heute als Kritik vorhalten. Ich denke, man sollte immer an die ökonomischen Realitäten, die hier ausgedrückt sind, aber auch an das eigene vergangene Tun denken und dann in seinen Formulierungen vorsichtiger sein.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Bemerkung Nr. 3: Wenn Sie darauf hingewiesen haben, daß ich in einem ,,Rundschau"-Interview betont vorsichtig argumentiert habe, dann ist das auch völlig richtig. Dies geschah nämlich deswegen, Herr Kollege Müller-Hermann, weil wir bei aller Stützung der binnenländischen Nachfrage — und die wird auf Grund dieses Programmes nachhaltig erfolgen — Fragen haben, was die Weltwirtschaft angeht. Diese Fragen kann man auch nicht, wie der Herr Kollege Strauß das getan hat, mit dem „sogenannten", wie er das nannte, „Ölpreisschock" wegdebattieren. Im übrigen haben Sie, Herr Müller-Hermann, selbst auf diese Probleme hingewiesen. Deswegen gehört zur Konjunkturpolitik der binnenländischen Nachfragestärkung auch die Stärkung der internationalen Solidarität. Die Bundesregierung wird hier konsequent ihre bisher verfolgte Politik fortsetzen.
Bemerkung Nr. 4: Sie haben auf eine Bemerkung von Herrn Staatssekretär Pöhl abgehoben. Ich unterstreiche ausdrücklich, was Staatssekretär Pöhl in diesem Zusammenhang gesagt hat: Die Zinspolitik der Deutschen Bundesbank setzt zentrale Eckdaten für den konjunkturellen Aufschwung. Unser Optimismus richtet sich darauf, daß die Zentralbank die fiskalischen, die antizyklischen Konjunkturbemühungen der Bundesregierung unterstützt. Insofern wird nur dann ein Schuh daraus, wenn das alles zusammenkommt.
Bemerkung Nr. 5: Ich setze mich hier nicht mit den demagogischen Bemerkungen des Herrn Müller-Hermann auseinander,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

um so weniger, als er das auch nicht so ganz besonders gut kann; das wäre unfair. Ich kann das besser,
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9573
Bundesminister Dr. Apel
denke ich; aber ich lasse das einmal sein. Ich will dazu nur folgendes sagen, lieber Herr Kollege Müller-Hermann.

(Dr. Evers [CDU/CSU] : Also doch!)

Wenn Sie meinen, daß irgendwelche sozialistischen Experimente, wie Sie geruhten, es zu nennen, diese Wirtschaft in Schwierigkeiten gebracht haben

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Aktion Gelber Punkt!)

— nun gut, klatschen Sie doch; im Klatschen sind Sie sowieso am besten! —, dann muß ich wirklich zurückfragen, liebe Kollegen von der Opposition, wie Sie sich erklären wollen, daß wir noch im Jahre 1973 in einem Investitionsboom waren, der seinesgleichen gesucht hat, daß wir in einer Überbeschäftigung waren, und wie Sie folgendes Zitat, das ich gerade heute morgen in „Newsweek" gelesen habe, mit Ihren eigenen Behauptungen in Übereinstimmung bringen wollen. „Newsweek" geht die Wirtschaften der westlichen Industrienationen durch und erklärt:
Unter den großen Ölimporteuren haben allein die Deutschen weiterhin einen großen Handelsüberschuß. Die Bundesrepublik ist in guter Form, um die globalen wirtschaftlichen Turbulenzen zu überstehen . . .

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : 8 000 Konkurse, das nennen Sie „in guter Form", Herr Apel!)

— Ach, wissen Sie, Herr Professor Carstens, bleiben Sie doch bei Ihrem Thema der Zwangsernährung der Gefangenen; davon verstehen Sie mehr als von Konjunktur.

(Beifall bei der SPD und FDP — Pfui-Rufe von der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/ CSU] : Das sind die demagogischen Reden! — Dr. Ritz [CDU/CSU] : Anderen Demagogie vorwerfen, unerhört! — Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/CSU] : Zur Sache, Herr Minister! — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Eine Flegelei, schämen sollten Sie sich! — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : 8 000 Konkurse, gehen Sie einmal darauf ein, Herr Apel! — Dr. Marx [CDU/CSU] : Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713902400
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0713902500
Meine Damen und Herren, wir hören seit einiger Zeit — —

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich höre heute in den Ausführungen des Herrn Müller-Hermann wieder eine interessante Bemerkung, die wir in letzter Zeit auch schon so unter dem Motto gehört haben: „Die Sozialdemokraten Arm in Arm mit der Großwirtschaft". Es wäre vernünftig, wenn Sie vorab erst einmal ihre eigene logische Position klärten; denn wenn Sie auf der einen Seite permanent von sozialistischen Experimenten und Systemüberwindern sprechen und auf der anderen Seite diese Konstruktion herstellen,

(Zurufe von der CDU/CSU) dann ist das sehr wohl ein Widerspruch.


(Breidbach [CDU/CSU] : Ihre Doppelstrategie!)

Das hieße nämlich: „Systemüberwinder Arm in Arm mit der Großwirtschaft" ; Herr Müller-Hermann, ich würde mir einmal überlegen, ob das zusammenpaßt.
Ich will dazu folgendes sagen. Wenn wir uns das angucken, was 1967 in der damaligen Rezession von uns gemacht worden ist, z. B. die Sonderabschreibung, oder auch das, was Sie gefordert haben, allerdings mit unterschiedlichen Zungen, mit unterschiedlicher Aussage, unterschiedlichen Akzentsetzungen — Herr Kollege Friderichs hat bereits darauf aufmerksam gemacht —, stellt sich hier wirklich die Frage: Wo ist denn eigentlich das Alternativprogramm?

(Lachen bei der CDU/CSU)

— W o ist denn Ihr Mittelstandsprogramm? Wo ist es denn?

(Beifall bei der SPD — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Wir schicken Ihnen eines!)

Ich will Ihnen dazu folgendes sagen. Das einzige, worüber ernsthaft debattiert worden ist und was auch ein Bundesland im Finanzausschuß des Deutschen Bundesrates vorgelegt hat, worüber man hätte reden können, wäre eine Kappung der Investitionszulage gewesen. Ich glaube, Herr Becker, Sie haben das auch im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages angeregt.
Nur muß ich die Frage stellen: Wie ist das denn eigentlich mittelstandsfördernd? Im Endeffekt ist eine Begrenzung der Zulage auf eine Investition einer gewissen Größenordnung ein sehr problematisches Unterfangen, weil in der Tat auch Großinvestitionen gebraucht werden, um den Wirtschaftsaufschwung voranzubringen. Im übrigen: Wie soll das administriert werden? Das ist dann die nächste Frage. Kann man die Investitionen dann nicht in verschiedene Pakete aufgliedern, so daß man den gleichen Effekt erreicht? Und zum dritten müssen Sie uns genau nachweisen, wie dies eigentlich mittelstandsfördernd sein soll.

(Stücklen [CDU/CSU]: Gestaffelte Prozentsätze!)

Wir haben uns in unserem Programm verpflichtet, meine Damen und Herren, die Mittel für die Förderung des Mittelstandes in der KW zu fördern, und dies ist Mittelstandsförderung par excellence.
Letzte Bemerkung!

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713902600
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Becker?
9574 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0713902700
Letzte Bemerkung!

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713902800
Keine Zwischenfrage!

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0713902900
Wir sind Ihnen dankbar, daß Sie — und das gilt für Sie alle, meine Damen und Herren — so schnell dieses Programm haben verabschieden können. Wir geben zu, daß wir Ihnen damit auch etwas zugemutet haben, physisch wie intellektuell wie politisch. Nur ist es keine Ausrede, Herr Müller-Hermann, wenn Sie sagen, wir hätten bis zu den Konsultationen warten müssen. Wir mußten in der Tat warten, bis wir hier zu Hause Politik machen konnten. Ehe wir in der Lage waren, national zu handeln, mußten wir das internationale Bild haben. Dieses hatten wir dann.
Und ein Zweites kommt hinzu. Ich finde es auch angemessen, daß angesichts der unübersehbaren ökonomischen Schwierigkeiten in unserem Lande die deutsche Bevölkerung einen Anspruch darauf hat, daß ihre Volksvertreter vor den parlamentarischen Ferien zum endgültigen Abstimmungsergebnis kommen

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Aber mit der notwendigen Gründlichkeit!)

und damit der deutschen Bevölkerung sagen, wie es ab dem 1. 1. 1975 weitergeht.
Wir teilen Ihren Pessimismus nicht; wir sind davon überzeugt, daß dies der richtige Schritt ist.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das sagen Sie bei jedem Konjunkturprogramm! — Dr. Evers [CDU/CSU] : Das machen Sie schon seit fünf Jahren!)

Wir sind aber mit Ihnen in einem Punkte einig: Marktwirtschaft heißt, daß viele soziale Gruppen Verantwortung tragen. Sie von der Opposition erwecken zu gern den Eindruck, als würde Beschäftigungspolitik, Investitionsbereitschaft und Wachstum ausschließlich von der Bundesregierung und ihrer Konjunktur- und Wirtschaftspolitik gemacht. Dieser Eindruck, den Sie erwecken wollen, ist falsch. Tatsache ist, daß wir alle zusammen Verantwortung tragen.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Aber Sie haben die Führung!)

Und insofern gehen wir davon aus, daß die Zeichen, die wir setzen, auch anderswo begriffen werden und wir gemeinsam die nächsten schwierigen Monate durchstehen, damit im Frühsommer der Konjunkturaufschwung erreicht sein wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713903000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höcherl.

(Kirst [FDP] : Das kann doch nicht wahr sein! — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Nach der Regierung ein Abgeordneter der Opposition!)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0713903100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beitrag von Herrn Finanzminister Apel, den wir soeben genießen konnten, fügt sich nahtlos in die Art und Weise ein, wie wir hier als Parlament behandelt worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU — Stücklen [CDU/CSU] : Als Volkskammer!)

Herr Finanzminister Apel hat uns nie verwöhnt, sein Husarenstil ist bekannt. Was aber hier diesem Parlament zugemutet worden ist mit einer Entscheidung, die über 10 oder mehr Milliarden geht, das dürfte in der Parlamentsgeschichte einmalig sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

All das, meine Damen und Herren, spielt sich unter dem Oberbegriff „Mehr Demokratie" ab. Ich bin der Meinung, daß mehr Demokratie nicht darin besteht, daß sich pausenlos neue Fernsehauftritte ereignen, sondern darin, wie das Parlament als die Vertretung des Volkes behandelt wird und welches Verhältnis die Regierung zur Opposition hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Finanzminister, Sie haben uns zugemutet, in wenigen Stunden — es waren vier bis fünf Beratungsstunden — über ein Programm zu entscheiden, dessen Chancen von keiner einzigen maßgebenden Stelle, weder von der Wirtschaft, noch von den Gewerkschaften, noch von der ernsthaften Wirtschaftspresse, positiv beurteilt worden sind. Bisher haben Sie uns selber erklärt, dieser Haushalt gibt nichts mehr her. Dieser Haushalt war das Massengrab der Reformpolitik.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Von heute auf morgen werden acht bis zehn, elf, zwölf Milliarden auf den Tisch gelegt. Mich würde interessieren, woher Ihr Gesinnungswandel kommt. Wir sind nur mehr auf den „Spiegel" angewiesen, um die Interna zu hören, die sich in diesem Kabinett der „nahtlosen Übereinstimmung" abspielen.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Es waren interessante Einblicke in das Seelenleben dieser Koalition: der Kanzler gegen den Wirtschaftsminister, der Wirtschaftsminister gegen den Finanzminister. Ich muß sagen, eine wirklich weihnachtliche Stimmung herrscht in diesem Kabinett.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Nun zu einigen Sachproblemen, die Sie hier aufgeworfen haben. Sie haben sich damit entschuldigt, Sie hätten jetzt keine Zahlen vorlegen können, weil einige Vorgänge nicht zu berechnen gewesen seien. Sie haben auf ein Beispiel aus der Großen Koalition zurückgegriffen. Sie haben gestern in den wenigen Stunden der Beratung Zahlen als Tischvorlage gebracht. Diese Zahlen hätten Sie ruhig genauso, wie sie gestern vorgelegt wurden, in Ihre Drucksachen aufnehmen können, damit wir uns wenigstens in dieser ganz kurzen Zeit noch hätten mit dem Zahlenspiel auseinandersetzen können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713903200
Sie gestatten eine Zwischenfrage? —
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9575

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0713903300
Herr Kollege Höcherl, ist Ihnen bekannt, daß bei dieser Tischvorlage so schlampig gearbeitet wurde, daß die Zahlen nicht einmal richtig zusammenaddiert worden sind?

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Dr. Minister hat ja gesagt: „soweit wir rechnen können"!)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0713903400
Wahrscheinlich ist es so, wie der Herr Kollege Dr. Marx sagt: nicht einmal der einfachste Rechenvorgang ist dieser Regierung gelungen.
Es ist unerhört, Herr Kollege Apel, wenn Sie sagen, wir hätten im Rahmen unserer Gegenvorschläge die Mittelstandskomponente nicht berücksichtigt. Ist Ihnen entgangen, Herr Minister Apel, daß unser Vorschlag nicht nur eine obere Begrenzung, sondern eine ganz maßgebliche Staffelung der Investitionszuschläge, gestaffelt nach den mittelstandspolitischen Notwendigkeiten, enthielt?
Diese ganze Vorlage, wenn man sie überhaupt als Vorlage bezeichnen kann, ist ja ein Sammelsurium, in dem die ganze innere Widersprüchlichkeit zum Ausdruck kommt. Meine Damen und Herren, diese Vorlage geht von einer Erwartung aus, die man geradezu als kühn bezeichnen muß. Ich habe überhaupt den Eindruck, daß es sich hier um ein Kühn-Programm handelt, ein Programm, das auf den 4. Mai 1975 abgestellt ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man, wie das bisher schon oft geschehen ist, solche Vorlagen und solche Entscheidungen angesichts der Arbeitslosigkeit, angesichts der inflationären Entwicklung immer wieder einem kurzfristigen Wahlthema unterordnet, versäumt man, ihnen die Grundlagen einer staatspolitischen Entscheidung zu geben. Sie haben dieses Konjunkturkarussell auch bisher schon gedreht und wieder gedreht. Es wurden vier Sonderprogramme vorgelegt. Jedes Sonderprogramm ist hier mit dem Anspruch vertreten worden — sei es durch den Wirtschaftsminister, sei es durch den Finanzminister oder den Bundeskanzler selbst; wir haben ja eine Sammlung von Ökonomen in diesem Kabinett —:

(Zuruf von der SPD: Da sind Sie neidisch, was?)

Das ist nun die Lösung. Die verdammte Wirklichkeit hat sich aber nicht an Ihre Vorschläge und Ihre Erwartungen gehalten. So war es doch.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Schauspieler! — Offergeld [SPD] : Folklore!)

Wir haben diesem nolens volens aus bitterer und brennender Sorge über die Entwicklung, an der Sie durch Ihre widersprüchliche und falsche Konjunkturpolitik einen maßgebenden und historischen Anteil haben, zugestimmt, und zwar deswegen, weil uns das Anliegen als solches genauso interessiert. Herr Bundeskanzler, wir gehen so weit, zu sagen: Wir wünschen im Interesse der Aufgabe wenigstens einen Teileffekt Ihres Programms. Zu der Art und
Weise, wie Sie hier vorgehen, zu der Kurzsichtigkeit — nicht über den Tellerrand hinaus — kann ich. nur sagen: Das ist keine Regierung, sondern das ist eine Geschäftsführung, die so schnell als möglich abgelöst gehört. Das ist die Alternative.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713903500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kirst.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0713903600
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe cien Eindruck, daß der Kollege Höcherl, dem ich sonst ganz gern zuhöre,

(Breidbach [CDU/CSU]: . . . eine sehr gute Rede gehalten hat!)

wenn wir Zeit haben -- heute haben wir keine Zeit —, sich eigentlich nur gemeldet hat, um diesen letzten Satz sagen zu können.
Herr Kollege Stücklen, zu Ihrer Frage „Vor oder nach Weihnachten?" möchte ich sagen: Bekanntlich wird es immer, in jedem Jahr Weihnachten geben.

(Stücklen [CDU/CSU] : Zwischen Weihnachten!)

Es ist also keine genaue Zeitbestimmung, die Sie damit erbitten.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Niegel [CSU/CSU] : Verwirklichen Sie Ihre Träume!)

Ich möchte zunächst auch meinerseits den Dank an alle diejenigen — wo auch immer sie stehen — aussprechen, die mit dazu beigetragen haben, daß es uns möglich ist, heute noch zur Verabschiedung und anschließend zur Behandlung dieses Programms im Bundesrat zu kommen. Dafür sollte allen Beteiligten gedankt werden, auch der Opposition insoweit, als sie von den ihr gegebenen geschäftsordnungsmäßigen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat.
Ich möchte auch hinzufügen — dies ist gestern abend im Haushaltsausschuß sehr deutlich geworden —, daß wir gemeinsam, also alle drei Fraktionen, angesichts des Tempos, mit dem wir dieses Programm in den letzten Tagen hier haben behandeln müssen, natürlich ein erhebliches Unbehagen verspüren. Auf die Zusammenhänge — Zeitzwang einerseits, Abwarten-Müssen des EG-Gipfels andererseits sowie Einbrechen der Weihnachtspause hier — ist ja schon hingewiesen worden. Ein zusätzlicher Tag ist uns dadurch verlorengegangen, daß der Bundesrat in dieser Woche nicht, wie sonst üblich, am Freitag, sondern am Donnerstag tagt. Ich habe Verständnis dafür, daß dies früher einmal so geplant wurde. Wir müssen aber auch sehen: Wenn wir es nicht so gemacht hätten, wäre angesichts der vorliegenden Sitzungspläne eine Verabschiedung des Programms nicht vor Ende Februar möglich gewesen. Das muß man dabei berücksichtigen.
Wir gehen davon aus, daß auch die Bundesregierung dieses Verfahren natürlich nicht als das zukünftig normale Verfahren der Gesetzgebung in
9576 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Kirst
diesem Hause betrachtet. Wir haben auch keinen
Anlaß, anzunehmen, daß sie davon ausgehen wird.

(Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU] : Aber sie hält es für richtig!)

Trotz des Terminzwangs, meine Damen und Herren, ist eine, soweit das den Umständen entsprechend möglich war, gründliche Beratung in den Ausschüssen erfolgt, was sich auch darin zeigt, daß noch zum Teil wesentliche Änderungen in den Ausschußberatungen vorgenommen worden sind. Ich will das im einzelnen hier nicht aufführen. Ich verweise nur insbesondere auf die wesentliche Änderung beim Gesetz über die Investitionszulagen im Wohnungsbau, soweit er vom Artikelgesetz nicht betroffen wird. Das zeigt, daß es möglich war, wichtige und notwendige Änderungen noch durchzuführen, ebenso eine bessere Regelung der Frage, für welche Zeiträume die Inanspruchnahme möglich ist, beispielsweise was als Stichtag gilt.
Lassen Sie mich aber einige grundsätzliche Bemerkungen anläßlich der Verabschiedung dieser Vorlagen machen, bevor ich in einigen Punkten auf das eingehen muß, was Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, gesagt haben. Ich möchte zunächst sehr deutlich sagen: dieses Konjunkturprogramm und diese Entscheidungen von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat dürfen draußen im Lande und dürfen auch hier im Hause nach zweierlei Richtungen nicht falsch verstanden werden. In einer Richtung hat es Kollege Müller-Hermann eben schon angesprochen. Ich will das deshalb vorwegnehmen. Das ist die Frage der Tarifpolitik. Ich glaube, gerade in einem solchen Augenblick muß man vielleicht noch mehr als sonst die besondere Verantwortung der Tarifpartner für das weitere wirtschaftliche Geschehen in diesem Lande unterstreichen, damit diese politischen Entscheidungen hier dort nicht falsch verstanden werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die andere Bemerkung geht dahin, daß natürlich diese Entscheidungen auch kein Freifahrschein für Ausgabensteigerungen im öffentlichen Bereich sind. Die Haushaltslage des Bundes zumindest ändert sich durch diese Entscheidungen praktisch nicht. Was unmittelbar zu finanzieren ist, geschieht ja über die vorhandenen Rücklagen, die aufgelöst werden, d. h. es tritt weder eine Verschlechterung noch eine Verbesserung der Haushaltslage des Bundes ein. Bei Ländern und Gemeinden könnte es sich anders auswirken, denn deren Anteile aus der aufgelösten Rücklage aus dem Stabilitätszuschlag sind nicht für bestimmte Programme gebunden.
Ich begrüße im übrigen, was beim Haushalt 1974 aus stabilitätspolitischen Gründen noch nicht möglich war, aber seinerzeit von mir angesprochen wurde, nämlich daß die Stabilitätsanleihe zur Minderung des Nettokreditbedarfs im Jahre 1975 herangezogen werden soll; denn es wäre natürlich finanzpolitisch sehr fragwürdig, wenn man für Geld, das man ohnehin hat, aber nicht ausgeben will, Zinsen zahlt, und zusätzliches, für das man dann wahrscheinlich noch höhere Zinsen zahlen muß, hereinnehmen muß.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf im übrigen dem Finanzministerium für etwas danken, was gestern im Haushaltsausschuß geschehen ist. Wir haben bei dieser Vorlage, bei der es um das 1,7-Milliarden-Programm geht, als Bundestag nur die Möglichkeit, global ja oder nein zu sagen. Wir können keine Änderungen vornehmen. Es ist vorn eine Ermächtigung der Bundesregierung zu Abweichungen bei Übereinstimmung zwischen Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium hineingeschrieben. Das Finanzministerium hat zugesagt, solche Abweichungen nur nach Anhörung, wenn ich es einmal so formulieren darf, des Haushaltsausschusses vorzunehmen.
Die Konjunkturpolitik muß — und das kommt in diesem Programm zum Ausdruck — letzten Endes auch mit diesem Programm die Gratwanderung fortsetzen, vor die sie sich seit langem gestellt sieht, eine Gratwanderung zwischen den Zielen mehr Preisstabilität und gleichzeitiger Begrenzung des Beschäftigungsrisikos. Das ist, auf eine einfache Formel gebracht, die Aufgabe und die Absicht der Bundesregierung, wie sie auch in der Formel vom Aufschwung in Stabilität zum Ausdruck kommt. Es sollte ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit sein, daß alle diejenigen, die seit Jahren in Wort, Bild und Ton meinten, diese Regierung stabilitätspolitisch zum Jagen treiben zu müssen, ihre heutige Beurteilung der Situation einmal an ihren eigenen seinerzeitigen Forderungen und Analysen messen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Evers [CDU/CSU] : Das sollte man an der Wirklichkeit messen!)

Vielleicht war es sogar unvermeidlich — weil volkswirtschaftliche Zusammenhänge eben sehr kompliziert sind — damit unsere Bevölkerung die Zusammenhänge begreift und erkennt, daß sie in den letzten Wochen und Monaten erlebt hat, daß der unbezweifelbare Erfolg in der Preisstabilisierungspolitik, wie er sich in den Zahlen der letzten Monate ausdrückt, natürlich mit einer begrenzten Vergrößerung des Beschäftigungsrisikos verbunden ist.
Dabei, meine Damen und Herren, war es nicht unsere Absicht — und es wird nicht unsere Absicht sein —, nach dem Motto Schmückers mit gewollter Rezession zu arbeiten. Das ist vorbei, das ist nicht unsere Absicht. Wir sind uns völlig darüber im klaren, daß das Problem der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungslosigkeit sowohl ein persönliches als auch ein volkswirtschaftliches ist. Volkswirtschaftlich ist natürlich eine Beschäftigungslosigkeit eine Verschwendung, eine Nichtausnutzung von Kapazitäten. Aber noch entscheidender ist natürlich die menschliche Seite des Problems. Selbstverständlich sehen wir hierbei, daß man es nicht mit den Zeiten vor 40 Jahren vergleichen kann, wenn man die heutige soziale Sicherung derjenigen sieht, die nun von Beschäftigungslosigkeit oder Kurzarbeit getroffen sind. Aber — ich will auch das einmal sehr deutlich sagen —: Gerade wenn wir diese starke soziale Sicherung der Betroffenen sehen, müssen wir natürlich erkennen, daß auch von hier aus — wenn es nicht schon andere Gründe gäbe — der Zwang be-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9577
Kirst
steht, ein weiteres erhebliches Anwachsen zu verhindern; denn darüber kann es gar keinen Zweifel geben, daß diese Sicherungen so konstruiert sind, daß sie finanzwirtschaftlich auf die Dauer eigentlich nur funktionieren, wenn das Ausmaß nicht mehr wesentlich steigt. Anders ausgedrückt: Arbeitslosigkeit im Weimarer Maßstab würde dieses System der sozialen Sicherung der Betroffenen praktisch funktionsunfähig machen. Darüber wollen wir uns klarwerden. Aber erfreulicherweise besteht kein Anlaß, solche Entwicklungen anzunehmen. Trotzdem sollte man diese Zusammenhänge sehen.
Zu den Anträgen der Opposition nur so viel: Die Entschließung ist so verfaßt, daß sicher die Verfasser selbst nicht annehmen, daß wir sie annehmen. Wir werden sie also ablehnen.

(Stücklen [CDU/CSU] : Was?!)

Bezüglich des Antrages zu dem Gesetz zur Finanzierung des Wohnungsbaues ist nur kurz darauf hinzuweisen, daß die Begrenzung — wir haben das auch im Haushaltsausschuß ausführlich erörtert — in diesem Fall auf Mietwohnungen keinerlei Abstrich von unserer sonstigen positiven Einstellung zur Eigenheimförderung darstellt, daß aber hier zum Beispiel im Rahmen des Artikelgesetzes eine Verbesserung im Falle des Zweiterwerbes (7 b) und eine Änderung bei der Grunderwerbsteuer, erfolgen. Im übrigen muß man sehen, daß die Schaffung von Familienheimen, die von der Opposition gefordert wird, ohnehin durch gesetzliche Maßnahmen gesichert ist.
Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben einige Bemerkungen gemacht, auf die ich noch kurz eingehen möchte. Sie haben angedeutet, die Koalitionsparteien seien besser informiert als die Opposition. Das ist absolut falsch.

(Stücklen [CDU/CSU] : Noch schlimmer!)

Der Erkenntnisstand bei den Ausschußberatungen ist der gleiche für Sie wie für uns. Sie haben davon gesprochen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie nichts dazugelernt?)

die Kosten seien nicht genau spezifiziert worden. Das hat gestern auch im Ausschuß eine Rolle gespielt. Bei den konkreten Maßnahmen im 1,7-Milliarden-Programm kann man natürlich die Kosten beziffern. Aber wenn ich bestimmte Verhaltensweisen honorieren will, wie z. B. Investitionen, dann kann ich die Kosten natürlich nicht genau vorab-schätzen, weil ich nicht weiß, inwieweit dieses Angebot akzeptiert wird. Im übrigen: wo waren eigentlich Ihre Deckungsvorschläge besserer Qualität bei Ihrem mehrmals vorgelegten sogenannten Inflationsentlastungsgesetz? Da habe ich nie Deckungsvorschläge gesehen.

(Stücklen [CDU/CSU] : Durch mehr Aufträge kommt alles wieder rein! — Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

Was nun die Alternativen der Opposition anlangt — ich muß es kurz machen; der Bundesrat wartet, wie wir hören -, so kann ich mein Urteil
nur so zusammenfassen: Alternativen der Opposition seit 1969 — nichts gewesen außer Worten, wenn überhaupt, dann Widersprüche. Dafür haben Sie auch in den letzten Wochen und Monaten noch viele Beispiele gegeben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn Sie nun sagen, diese Investitionszulagen sollten ja eigentlich nur für die Investitionen gegeben werden, die zusätzlich unternommen werden, dann wird Ihnen natürlich in der Theorie jedermann recht geben. Nur erwarte ich, daß Sie beim Bundespatentamt einmal das Patent für ein Verfahren anmelden, wie Sie denn feststellen, was sonst nicht gemacht worden wäre. Mit dieser Argumentation beweisen Sie eigentlich selbst, daß es — leider, würde ich sagen — nicht anders geht, als wie wir vorgeschlagen haben.

(van Delden [CDU/CSU] : Wie ist es denn mit der Staffelung, Herr Kirst?)

— Dazu ist eben schon vom Finanzminister das Nötige gesagt worden.
Nun mußte natürlich wieder das alte Schauermärchen von den zerrütteten Finanzen und dem Staatsbankrott in allen möglichen Variationen bei Herrn Müller-Hermann als rhetorische Pflichtübung erscheinen. Das ist ja sonst das Metier des Kollegen Strauß, der heute offenbar nicht da ist. Ich darf Sie nur an eines erinnern das muß man doch wohl sagen —: Ich habe vorhin gesagt: durch diese konjunkturpolitischen Beschlüsse ändert sich die Haushaltssituation im Grunde genommen — für den Bund jedenfalls — nicht. Ich glaube, darin können wir sogar übereinstimmen. Die Haushaltssituation wird dadurch nicht besser und nicht schlechter, und ich sage bewußt: sie wird dadurch nicht weniger schlecht für 1975. Daß sie für 1975 schwierig ist, wird von niemandem bestritten; nur muß man sich die Ursachen immer wieder ehrlich vor Augen führen. Das ist in erster Linie der enorme, von uns allen hier einstimmig beschlossene Ausfall durch die Steuerreform. Hinzu kommt der Rückgang der Steuereinnahmen aus konjunkturpolitischen Gründen. Das sind die wesentlichen Ursachen für die schwierigere finanzpolitische Lage im nächsten Jahr, die unter anderem zu einer Kreditaufnahme von 20 oder 22 Milliarden DM je nachdem, wie wir es rechnen werden — führen muß. Ich sagte eben, wenn überhaupt etwas war, dann Widerspruch. Hier gibt es ja auch nur Widerspruch. Herr Strauß sagt im „Handelsblatt" am 11. Dezember, eine gigantische Verschuldung des Bundes zu kritisieren sei nötig, während Herr Kohl einen Tag später zugibt, daß eine solche Staatsverschuldung in einem Jahr immerhin vertretbar sei. Also auch da gibt es offenbar keine klare Meinungsäußerung der Opposition.
Herr Müller-Hermann, Sie haben noch einmal darauf hingewiesen, die Opposition habe zu Beginn der Haushaltsberatung Einsparungsvorschläge von 3 Milliarden DM gemacht. Nun sind Ihre Kollegen aus dem Haushaltsausschuß im wesentlichen jetzt schon im Haushaltsausschuß. Herr Kollege Müller-Hermann, das war doch nichts anderes als ein fauler
9578 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Kirst
Zauber, was Sie bzw. Ihre Kollegen da veranstaltet haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Bei einigen Positionen, bei denen es um Ausgaben für gesetzlich oder vertraglich festgelegte Verpflichtungen geht - darunter fällt z. B. Wohngeld, darunter fallen auch EG-Zahlungen , Positionen, bei denen die Höhe der tatsächlichen Ausgabe nicht vom freien Willen des Parlaments oder der Regierung, sondern von bestehenden Vertragen oder Gesetzen abhängt, meinten Sie, man könnte damit rechnen, daß dort weniger gebraucht würde, und das meinen Sie dann als Einsparung verkaufen zu können. Ganz abgesehen davon, daß die Berechnungen nicht stimmen, die Sie zugrunde legen, wären Sie nur konsequent gewesen, wenn Sie gesagt hätten: wir wollen hier die gesetzlichen Grundlagen ändern. Aber dazu haben Sie natürlich nicht den Mut, vielleicht auch nicht die Möglichkeiten; das würde uns dann gemeinsam treffen, wenn wir so festgelegt sind, daß wir das nicht können.
Aber Sie haben auch davon gesprochen, man könne das ja alles machen, was wir wollen die Investitionen ankurbeln —, aber das müsse dann zu Lasten der konsumtiven Ausgaben des Staates gehen; so haben Sie sich ausgedrückt. Das spricht sich
alles so schön dahin und daher; nur - man muß
einmal die Dinge durchleuchten -: diese konsumtiven Ausgaben des Staates sind ja kein Selbstverbrauch des Staates. Darüber besteht doch wohl hoffentlich Einverständnis. Das sind — abgesehen von dem großen Block Verteidigung, an dem wir nichts ändern können und wollen -- gesetzliche und vertragliche Leistungen. Und dann erwarten wir eben immer gerne einmal, daß Sie nicht nur reden, sondern daß Sie sagen: Die konsumtiven Ausgaben des Staates müssen da und da eingeschrankt werden. Und dann erwarten wir Ihre Anträge, das Wohngeldgesetz und andere Gesetze zu ändern; denn nur so könnten aus Ihren schönen oder nicht schönen Worten überhaupt Tatsachen werden. Das müssen wir Ihnen immer wieder sagen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Und schließlich ist es ja lächerlich, wenn Sie sagen, dieses Programm werde im Hinblick auf die Landtagswahlen gemacht. Da will ich Ihnen einmal etwas sagen: Wenn wir das so terminieren würden, dann hätten wir dieses Programm nicht jetzt im Dezember 1974 auf der Tagesordnung, sondern schon im Juni/Juli 1974 auf der Tagesordnung gehabt,

(Zuruf von der CDU; CSU: Das ist auch einer der Fehler, die Sie gemacht haben!)

wo es unter den damaligen wirtschaftlichen Gesichtspunkten eben nicht zu vertreten gewesen wäre, wenn wir kurzfristig

(Niegel [CDU/CSU]: Da habt Ihr noch gemeint, der Schmidt zieht, aber der zieht ja nicht mehr!)

— Verehrter Kollege, wirtschaftliche Entwicklungen, konjunkturpolitische Zyklen richten sich nicht
nach Regierungswechseln und Kanzlerwechseln. Das haben wir ja erfahren. Das habe ich Ihnen schon seit Jahren gesagt. Die wirtschaftliche Entwicklung seit 1q69 wäre wahrscheinlich genauso oder, da Sie in den vergangenen Jahren nie etwas Positives hier vorgetragen haben, hinsichtlich der Preise noch schlimmer gekommen, weil Sie sich damals gegen die Aufwertung stemmten.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Aber wir haben uns cinch damals die Frage gestellt: Sollen wir nun eigentlich, nur weil wir wissen, daß die wirtschaftliche Situation schwierig wird, darauf verzichten, nachdem es nun einmal möglich war, unsere politischen Vorstellungen durch die Bildung einer anderen Regierung durchzusetzen? Das werden auch Sie, wenn Sie einmal wieder regieren,

(Alia! bei der CDU/CSU)

erfahren, daß ihnen der wirtschaftliche Ablauf nicht den Gefallen tut, sich nach Legislaturperioden im Bund oder in Ländern zu richten.
In diesem Zusammenhang noch ein paar Worte zu dem Thema der Verunsicherung. Kollege Müller-Hermann, ich bezweifle nicht, daß es in diesem Lande ein gewisses Maß der Verunsicherung gibt. Nur machen Sie sich, glaube ich, nicht den richtigen Eindruck davon, inwieweit die Politik der Opposition selbst mit zu dieser Verunsicherung beiträgt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Man müßte hier einmal die Rolle der Opposition untersuchen, wobei ich gar nicht bestreite, daß es auch andere in diesem Lande gibt nicht gerade in der Regierung oder in den Regierungsparteien hier im Parlament —, die zu dieser Verunsicherung beitragen. Darüber sind wir uns völlig klar. Nur machen Sie natürlich immer den Fehler, Randerscheinungen mit Regierungspolitik gleichzusetzen, und dies bewirkt dann die verstärkte Verunsicherung durch Ihre politische Tätigkeit.

(van Delden [CDU/CSU]: Sie ziehen ja sogar Zeitungsartikel dazu heran!)

Aber die Verunsicherung, das Geschäft mit der Angst, ist doch das Lebenselixier der CDU/CSU, seitdem es sie in diesem Lande gibt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Schon Reinhold Maier hat von Adenauer als dem großen Angstmacher gesprochen. Da sind Sie eben bewahrte Epigonen in dieser Politik.

(Zuruf von der CDU CSU: Das zieht auch nicht mehr!)

Sie haben es für nötig befunden, Kollege MüllerHermann, vor sozialistischen Experimenten zu warnen.

(Demonstrativer Beifall bei abgeordneten der CDU; CSU)

Verehrter Kollege Müller-Hermann, Sie und insbesondere Ihre Kollegen um Herrn Katzer, Herrn Blüm Usw. sollten eigentlich aus Ihrer eigenen Erfahrung wissen, daß wir mit uns sozialistische Experimente
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9579
Kirst
nicht durchführen lassen. Das war so, das ist so, und das wird so bleiben.

(Beifall bei der FDP — Lachen bei der CDU/CSU Dr. Evers [CDU/CSU]: Ha, ha, ha! — van Delden [CDU/CSU] : Sagen Sie das mal den Jungdemokraten!)

Da brauchen Sie gar nicht zu lachen.
Aber in diesem Zusammenhang vielleicht noch eine Bemerkung: Es ist sicher richtig, daß die Abstinenz im Bereich der Investitionen nicht nur wirtschaftliche Gründe hat, daß sie auch mit bewirkt wird durch die hier schon zitierte Verunsicherung. Das mag zum Teil sogar psychologisch verständlich sein. Aber ich möchte einmal sehr deutlich sagen: Wer meint, über wirtschaftliche Abstinenz politischen Druck ausüben zu können, spielt natürlich auch ein ungeheuer gefährliches Spiel — darüber muß man sich im klaren sein —, bei dem nicht abzusehen ist, wer am Ende Erfolg hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluß noch folgendes zur allgemeinen politischen Würdigung dieser Entscheidungen sagen. Es wird in diesen Wochen und Monaten hier im Lande und draußen in der Welt sehr viel von Weltwirtschaftskrise gesprochen, und es werden viele Assoziationen an die Ereignisse vor gut 40 Jahren geweckt. Ich glaube nicht, daß wir so etwas zu befürchten brauchen, und zwar deshalb nicht, weil natürlich alle Menschen, alle Verantwortlichen in der Welt, aus dem, was damals auf die Weltwirtschaft zukam, wo man solche Erfahrungen noch nicht. hatte, gelernt haben. Gerade in diesem Lande, das ja die bittersten Erfahrungen mit den politischen Folgen der damaligen Lage gemacht hat, ist es, glaube ich, richtig und nötig, daß diese Regierung und die Koalition beweisen, daß sie nicht bereit sind, die Rolle von Brüning zu spielen. Mit dieser Feststellung verbinden wir den Wunsch — dieser Wunsch wird notwendig durch die Art und Weise, wie sich manche von Ihnen hier und draußen im Lande betätigen , daß Sie nicht in die Versuchung geraten, die Rolle anderer Zeitgenossen von damals zu spielen.

(Beifall bei der FDP und der SPD Zurufe von der CDU/CSU: Oho! Das ist ja unerhört!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713903700
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht mehr gewünscht. Wir treten nunmehr in die Einzelberatung ein.
Ich rufe Art. i auf. Wer Art. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Art. 2 auf -- Drucksache 7/2979. Dazu liegt ein interfraktioneller Änderungsantrag auf Drucksache 7/3014 vor. — Das Wort dazu wird nicht. gewünscht. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? Einstimmig angenommen.
Wer Art. 2 in der soeben geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! Enthaltungen? —
Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Art. 2 a, 2 b, 3 bis 8 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? Bei 2 Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir treten nunmehr in die
dritte Beratung
ein. — Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei 2 Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung des Punktes 18 b der Tagesordnung, Drucksache 7/3011. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.

(1 Wir kommen nunmehr im Rahmen des Tagesordnungspunktes 18 c zur Einzelberatung. Dazu liegen die Drucksachen 7/2981 und 7/3006 vor. Ich rufe zunächst § 1 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 7/3007 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. § 1 wird von den Ziffern 2 bis 4 berührt. Das Wort zu diesen Ziffern des Änderungsantrags hat der Abgeordnete Dr. Prassler. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben am vergangenen Freitag einen Gesetzentwurf über Investitionszuschüsse für gemeinnützige Wohnungsund Siedlungsunternehmen eingebracht. Offenbar haben sie über das Wochenende gemerkt, daß sie damit etwas eingebracht haben, was sie selbst gar nicht wollten. Die Koalitionsfraktionen haben daraufhin einen neuen Gesetzentwurf mit anderer Diktion eingebracht, zu dem wir hier einen Änderungsantrag vorlegen müssen. Es sollen Investitionszuschüsse nur für Mietwohnungsbauten in diesem begrenzten Zeitraum gewährt werden. Das bedeutet praktisch, daß nur wenige große Unternehmen innerhalb dieses Zeitraums für den Mietwohnungsbau diese Investitionszuschüsse erhalten sollen, und zwar für Mietwohnungsbauten im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus. Wer nun weiß, daß der soziale Wohnungsbau ohnehin nur einen begrenzten Teil des gesamten 9580 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 Dr. Prassler Wohnungsbaus ausmacht, wer darüber hinaus weiß, daß sich der Mietwohnungsbau in den Händen weniger großer Gesellschaften befindet und nun begünstigt werden soll, muß sich wirklich fragen, was dies noch mit einer konjunkturellen Förderungsmaßnahme zu tun hat. Man muß sich fragen, ob dies nicht massive gesellschaftspolitische Einwirkungen mit dem Vorwand konjunktureller Maßnahmen sein sollen. Deshalb unser Änderungsantrag, der darauf abzielt, den gesamten sozialen Wohnungsbau in diesen Rahmen einzubeziehen und damit eine Gleichstellung aller wenigstens für diesen begrenzten Zeitraum zu erreichen. Das muß durch die Änderung der Überschrift — Ziffer 1 unseres Änderungsantrags auf Drucksache 7/3007 — und durch die Neufassung des § 1 Abs. 2 Ziffer 2 unseres Änderungsantrags — geschehen, ergänzt durch die Streichung von Sätzen oder Halbsätzen, wie es in den Ziffern 3 und 4 unseres Änderungsantrags vorgesehen ist. Das möchte ich in aller Kürze zur Begründung ausführen. Ich bitte um Zustimmung, um diese Gleichstellung innerhalb des sozialen Wohnungsbaus zu erreichen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Henke. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in der gebotenen Kürze folgendes sagen. Der Herr Kollege Dr. Prassler hat hier soeben den Eindruck zu erwecken versucht, als sei die Einbeziehung des gesamten Mietwohnungsbaus in dieses Förderungsprogramm eine Idee der Opposition. Dies ist nicht so. Ein entsprechender Antrag ist seitens der Koalitionsfraktionen gestern im Fachausschuß eingebracht worden, und das Gesetz ist in seiner Überschrift — Sie können das aus der Vorlage erkennen — dementsprechend geändert worden. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß mit diesem Antrag wieder der Anschein erweckt wird, als würde durch die Koalition eine eigentumsfeindliche Politik betrieben. Ich muß dies sehr energisch zurückweisen; denn wer die Zahlen kennt — 1973 4,23 Milliarden DM allein an Bausparund Wohnungsbauprämien; das ist eine ganz erhebliche Steigerung gegenüber den Vorjahren —, wird das nicht aufrechterhalten können. Wer weiß, daß wir unter dem gewiß nicht eigentumsfeindlichen Minister Lücke einen Anteil von 33 % Eigentumsmaßnahmen im Bereich des öffentlich geförderten Wohnungsbaus hatten, und wer weiß, daß wir auch heute noch präzis dieses Ergebnis haben — der Anteil ist sogar im Wachsen begriffen; man kann 1974 mit einem höheren Ergebnis rechnen —, wird nicht glauben, daß Ihr Ansatz richtig ist. Herr Henke, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein. — Dieses Gesetz gibt keinen Raum, um ideologische Unterstellungen auszubreiten. Es handelt sich um ein Konjunkturgesetz, das geeignet ist, schnelle Hilfe für die Bauwirtschaft zu geben. Wir wissen, daß das Volumen bei den Einund Zweifamilienhäusern verhältnismäßig stabil ist. Sehen Sie sich die Baugenehmigungsstatistiken und die Bauanträge an. Dort haben wir einen nahezu stabilen Markt. Die Schwierigkeiten liegen ganz besonders im Mietwohnungsbau. Dort haben wir bei den Bauanträgen einen Rückgang in Höhe von 62 % zu verzeichnen. Genau dort müssen wir helfen, und das erreichen wir durch dieses Gesetz. Dieses Gesetz scheint uns geeignet zu sein, den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau ganz kurzfristig entscheidend und wirksam anzukurbeln. Die Koalition lehnt den Änderungsantrag der Opposition zu diesem Gesetz ab. (Beifall bei der SPD und der FDP — Baier [CDU/CSU] : Das war schwach!)

Dr. Helmut Prassler (CDU):
Rede ID: ID0713903800

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das war eine starke Begründung!)

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713903900
Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0713904000

(Stücklen [CDU/CSU] : Gestern!)


(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0713904100
Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0713904200

(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Jaeger)


(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713904300
Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über die Ziffern 2 bis 4 des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3007. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zur Abstimmung über die §§ 1 bis 4 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch und Zurufe bei der CDU/CSU)

— Enthaltungen wollen Sie wissen?

(Seiters [CDU/CSU]: Nein! Es ist abgelehnt worden! — Ich würde die Abstimmung wiederholen!)

— Meine Damen und Herren, Zwischenrufe sind hier oben nicht immer zu verstehen. Ich lasse noch einmal abstimmen über die §§ 1 bis 4 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste ist eindeutig die Mehrheit.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Fläche und Besetzung stehen im Hause ungefähr in Übereinstimmung. Es kann also gar keinen Zweifel geben.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9581
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich komme nunmehr zu Einleitung und Überschrift. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/3007 unter Ziffer 1 vor. Wer begründet ihn?

(Seiters [CDU/CSU] : Der Antrag ist schon begründet!)

Er ist schon begründet. Wer wünscht das Wort? — Niemand.
Ich lasse über den Änderungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion unter Ziffer 1 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste bleibt die Mehrheit; es ist so angenommen.
Damit kommen wir zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Mick.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0713904400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wiederhole das, was ich gestern in der Sitzung des zuständigen Ausschusses als Abschluß der Beratungen gesagt habe. Die Beratung dieses Gesetzes und die Methode, mit der es beraten wurde, sind als mieser Stil in diesem Hause unübertroffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Begründung: Am vergangenen Freitag, kurz vor Schluß der Plenarsitzung, wurde ein Gesetzentwurf der Koalition zu diesem Thema eingereicht. Von uns wurde keine Fristeinrede erhoben, weil wir der Meinung waren, daß dieses Konjunkturgesetz schnell verabschiedet werden sollte.
Am Dienstag hatten wir das erste Mal Gelegenheit, zu diesem Gesetz in der Fraktion zu sprechen. Wir waren der Meinung, daß wir dieses Gesetz annehmen sollten. Am Mittwoch reichte die Koalition im Ausschuß einen völlig neuen Gesetzentwurf ein, der nicht einmal mehr die Überschrift mit dem alten Gesetzentwurf gemein hatte.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Wir haben im Ausschuß versucht, Motive des ursprünglichen Gesetzentwurfes der Koalition wieder in das Gesetz einzufügen — vergeblich.
Wir stellen weiter fest, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß dem mitberatenden Finanzausschuß bis eine Stunde nach Aufnahme seiner Beratungen nicht einmal die Änderungsanträge bzw. der neue Gesetzentwurf der Koalition vorlagen und man im Finanzausschuß an Hand des alten Koalitionsentwurfs beriet.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Skandalös!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es gar nicht nötig, in diesem Fall ideologische Gräben zu ziehen.

(Stücklen [CDU/CSU] : Volkskammermethoden!)

Wir haben nur kurz und sachlich festzustellen: Wenn der Kollege Henke davon sprach, daß die Wohnungsbauprämien und die Wohnungsbausparleistung steigende Tendenz haben, dann hätte er, um der Wahrheit die Ehre zu geben, sagen müssen, daß immer weniger dieser Wohnsparbeträge und -prämien auf Dauer in den Wohnungsbau hineinfließen, weil die Bausparer, vor allen Dingen die, die auf Mittel des sozialen Wohnungsbaus angewiesen sind, gar nicht mehr in der Lage sind, ihr Eigenheim, ihre Eigentumswohnung zu bauen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn das ein Konjunkturgesetz sein soll, dann hätten wir bei Einbeziehung der Eigenheime private Investitionen in weit größerem Umfang anlocken können, als das mit der Regierungsförderung hier der Fall ist. Daß das nicht geschehen ist, hat keine konjunkturellen, sondern ideologische Hintergründe.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713904500
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist offenbar nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. —

(Dr. Kliesing [CDU/CSU] : „Neue-HeimatFörderungsgesetz"!)

Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen mit den Stimmen der Koalition gegen die Opposition angenommen.
Nun gibt es einen Entschließungsantrag auf Drucksache 7/3009. Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Zeyer!

Werner Zeyer (CDU):
Rede ID: ID0713904600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte, den vorliegenden Entschließungsantrag ganz kurz mündlich zu begründen!
Zunächst eine Bemerkung zum Verfahren. Wir sind uns darüber im klaren, daß es sich nicht um die Beratung eines Nachtragshaushaltsplans handelt, sondern um ein Programm nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Wir können deshalb auch keine Änderungsanträge stellen, sondern müssen uns darauf beschränken, der Bundesregierung unser Petitum in Form des vorliegenden Entschließungsantrags nahezubringen. Der Bundesregierung steht es allerdings frei, ihr Programm bis zur Zustimmung des Deutschen Bundestags zu ergänzen.
Ich bedauere sehr, daß dieser Antrag im Plenum des Deutschen Bundestags gestellt werden muß. Die Mehrheit von SPD und FDP hat es jedoch gestern im Wirtschaftsausschuß abgelehnt, der Bundesregie-
9582 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Zeyer
rung eine entsprechende Ausschußempfehlung unterbreiten zu lassen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Im Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie sind u. a. Mittel in Höhe von 108 Millionen DM für eine Fernwärmeschiene Ruhr vorgesehen, außerdem Mittel in Höhe von 50 Millionen DM für eine Demonstrationsanlage für Kohlevergasung. Diese Mittel dienen ausschließlich zur Förderung von Energieprojekten in Nordrhein-Westfalen. Die anderen Bundesländer und auch das Saarland, dessen Wirtschaft viel stärker als die Wirtschaft der Ruhr durch die Steinkohleförderung bestimmt wird, erhalten hiervon keinen Pfennig. Die Bundesregierung darf sich daher nicht wundern, wenn der Eindruck entsteht, daß es sich jedenfalls insoweit in erster Linie um ein Landtagswahlprogramm für Nordrhein-Westfalen handelt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie kann diesen Eindruck nur mildern, wenn sie auch bereit ist, ähnliche Projekte in vergleichbaren Gebieten zu fördern. Ich muß in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Arbeitslosenquote im Saarland bereits Ende November 1974 5 % betrug; sie liegt damit erheblich über dem Bundesdurchschnitt. Nach der erklärten Zielsetzung des vorliegenden Programms, die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu entlasten, hätte daher das Saarland wenigstens den gleichen Anspruch auf die Förderung eines solchen beispielhaften Projektes wie das Land Nordrhein-Westfalen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus Zeitgründen verweise ich hinsichtlich der Einzelheiten der geplanten Fernwärmeschiene Saar auf die schriftliche Begründung zu unserem Antrag. Ich kann das Hohe Haus nur bitten, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713904700
Das Wort hat der Abgeordnete Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (SPD):
Rede ID: ID0713904800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es um Fernwärme, ihre Entwicklung und Förderung geht, laufen Sie bei offene Türen ein. Allerdings bitte ich ganz herzlich darum, nicht mit Unwahrheiten und einer falschen Darstellung der Ausschußberatungen zu operieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir haben gestern nicht abgelehnt, sondern das genaue Gegenteil getan: Wir seitens des Wirtschaftsausschusses haben dem Haushaltsausschuß empfohlen, sich in seinen Beratungen des Haushalts 1975 dieses Objekts und Projektes anzunehmen. Wir sind recht zuversichtlich, daß dies auch geschieht. Es ist nicht nützlich, Darstellungen aus einer Ausschußsitzung zu geben, die der Wirklichkeit wider- e sprechen und die Zuhörer und Zuschauer täuschen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zeyer [CDU/CSU] : Sie haben doch den Antrag mit abgelehnt!)

—Herr Zeyer, es geht nicht um Meinungsverschiedenheiten über das Objekt — das haben Sie gestern festgestellt , sondern es geht darum, daß Sie auch an dieser Stelle hier bei der Wahrheit bleiben und eine Wiedergabe der Ausschußberatungen geben, die der Wirklichkeit entspricht.

(Stücklen [CDU/CSU]: Zur Sache!)

Wir bitten, diesem Antrag nicht zuzustimmen, sondern ihn an den Haushaltsausschuß zu überweisen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Stücklen [CDU/CSU]: Das Saargebiet wird im Stich gelassen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713904900
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713905000
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Ich will zu diesem Projekt nur kurz etwas sagen. Sie ersehen aus dem einen Projekt — Energieschiene, Fernwärmeschiene Ruhr —, daß wir uns dieses Problems der Nutzung der Abwärme bei Krafterzeugung annehmen. Es handelt sich bei dem Projekt Ruhr — was Sie schon aus der haushaltsmäßigen Zuordnung ersehen eindeutig um ein Forschungsvorhaben, also nicht um ein normales energiepolitisches Ausführungsvorhaben.
Ich gestehe hier in aller Offenheit, daß mir das Projekt Saar erst durch die gestrigen Ausschußberatungen bekanntgeworden ist

(Hört! Hört! bei der SPD und der CDU/ CSU)

— darf man das denn nicht zugeben, wenn es so ist? --

(Rawe [CDU/CSU]: Zugeben darf man das! — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Wenigstens einmal ehrlich!)

und daß meine Mitarbeiter und ich — bis jetzt — den Eindruck haben, daß es sich bei diesem Projekt nicht um ein Forschungsvorhaben, sondern um ein energiepolitisches Vorhaben handelt. Da es sich um ein Projekt handelt, das über mehrere Jahre hinweg finanziert werden muß, müßte es daher konsequenterweise auch in den normalen Haushaltsplan 09, also in meinen Haushalt, aufgenommen werden. Hier hat Ihnen der Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion klar gesagt, daß wir die Sache prüfen.
Nur eines, Herr Zeyer, hätte ich nicht getan: Ich finde, man sollte es sich nicht so einfach machen, zu sagen: Ruhr Wahlen, also macht ihr.

(Zeyer [CDU/CSU]: So ist es doch! — Stücklen [CDU/CSU] : Ja sicher, so macht ihr es doch!)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9583
Bundesminister Dr. Friderichs
— Herr Abgeordneter Stücklen, es sind zum selben Zeitpunkt an der Saar auch Wahlen. Dann hätten wir dasselbe also auch dort machen müssen.

(Rawe [CDU /CSU] : Ein kleiner Unterschied ist das schon! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU])

— Meine Damen und Herren, es geht im Interesse des Bundesrates viel schneller, wenn Sie mich ausreden lassen. Ich will auch gar keine Polemik, weil die Sache zur Polemik überhaupt nicht geeignet ist.
Nur eines möchte ich sagen: Der Behauptung, wir benachteiligten dadurch das Saarland, muß ich ein Wort entgegensetzen. Wir haben ja mehr als 100 Millionen. nämlich 150 Millionen DM in dem Programm für die Förderung der Investitionen im Steinkohlebereich. Davon geht ein nicht unbeachtlicher Teil, nämlich etwa entsprechend der Kapazität in der Steinkohlenförderung, an die Saar. Und, Herr Abgeordneter Zeyer, ohne dem Ergebnis vorgreifen zu können: Ich habe den Eindruck, daß wir am Ende da landen, daß die Investitionsvorhaben an der Ruhr zu einem Drittel vom Lande Nordrhein-Westfalen mit-
finanziert werden wie wir das bisher immer ge-
macht haben , und daß wir beim Saarland am Ende
auf diese Mitfinanzierung verzichten werden, nicht aus Großmut, sondern weil es angesichts der Haushaltslage des Saarlandes nicht möglich ist, diesen Grundsatz durchzusetzen, den wir bisher hatten, daß sich nämlich Bergbauländer zu einem Drittel an der Finanzierung beteiligen.
Bitte, entnehmen Sie daraus, daß es uns ernst ist um die Sache Energie und daß ich gewillt. bin, zusammen mit meinem Kollegen Apel notfalls auch von diesem Grundsatz der Mitleistung eines Landes abzugehen, wenn wir sehen, daß die Investitionen andernfalls wegen der Unmöglichkeit der Mitfinanzierung des betreffenden Landes nicht zustande kämen. Und dann nimmt es sich eben schlecht aus, wenn man sich hierherstellt, Maßnahmen diffamiert und so tut, als ob das alles auf einen Wahltermin bezogen wäre, obwohl Sie genau wissen, daß in dem anderen Land auch gewählt wird.

(Rawe [CDU/CSU]: Ein Unterschied ist das schon!)

Darauf kommt es doch nicht entscheidend an. Es geht bei den 108 Millionen DM für die Nutzung der Abwärme für die Fernwärmeversorgung entscheidend um das Problem, daß hier ein energiepolitisches Vorhaben mit einem hohen Forschungsanteil realisiert wird, und zwar mit dem Ziel, auf Dauer die Abwärme aus Reaktorem, aus Kraftwerken als Wärmeversorgungsguelle zu nutzen.
Aber ich bitte sehr dringend, bei den normalen Haushaltsberatungen zu prüfen, wohin dieses Hans — in dem das Finanzchaos teilweise heraufbeschwört wird -- kommt, wenn wir hier über diese Sache in die Finanzierung eines normalen Energievorhabens einsteigen, die wir bisher nicht vorgenommen haben. Das heißt, hier steht — wenn ich von der Forschung absehe - auch die Grundsatzfrage an, ob der Bund beginnt, derartige Fernwärmeschienen in den Regionen zu finanzieren, wenn sie nicht mehr
zur Forschung gehören, sondern am Ende normale Maßnahmen der Energieversorgung sind. Dies kann man nicht anläßlich der Beratung eines Konjunkturprogramms mitberaten; dies gehört in die Haushaltsberatung. Dort stehe ich Ihnen dafür zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713905100
Wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann, meine Damen und Herren, können wir, da zu Punkt 18 d einschließlich der Entschließung das Wort nicht mehr gewünscht wird, abstimmen.
Ich lasse also abstimmen über den Ausschußantrag zu Punkt 18 d; das ist die Drucksache 7/3008. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? Mit Mehrheit so beschlossen.
Ich komme zu dem Entschließungsantrag auf Drucksache 7/3009. Es ist beantragt, ihn dem Haushaltsausschuß — federführend — zu überweisen. Ich habe von anderer Seite gehört, daß er dem Ausschuß für Forschung und Technologie zur Mitberatung überwiesen werden soll. -- Ist das Haus mit beidem einverstanden? Es ist so beschlossen.
Es bleibt nunmehr als letztes der Entschließungsantrag auf Drucksache 7/3013, der zu den Punkten a bis cl gemeinsam eingebracht worden ist; es ist ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU. Soli er begründet werden? Er ist schon begründet.
Dann wünscht dazu das Wort der Abgeordnete Offergeld.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Offenbarung! — Unruhe)


Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0713905200
Herr .Präsident! Meine Damen und Herren! Wir glauben, nicht über diesen Antrag, über dieses Elaborat abstimmen zu können, ohne daß dazu ein paar Sätze gesagt worden sind. Und wenn für irgend etwas, was heute hier zur Abstimmung steht, das Wort gilt, das von Herrn Mick gebraucht wurde, es sei etwas mies, dann gilt es für diesen Antrag hier.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Hier steht zu lesen, daß die Opposition tief besorgt sei über die ernste Lage auf dem Arbeitsmarkt. Meine Damen und Herren, auch wir sind besorgt über die Lage auf dem Arbeitsmarkt und über die weltwirtschaftliche Situation.
Noch sehr viel mehr sind wir allerdings, Herr Jenninger, besorgt über den Zustand dieser Opposition, der sich hier in dieser Debatte zeigt.

(Beifall bei der SPD und der FDP Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

Die Opposition ist nicht willens und in der Lage, hier ernsthaft über eine Analyse der wirtschaftlichen Situation zu diskutieren, auch in den Ausschüssen nicht, und sie ist noch viel weniger in der Lage,
9584 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Offergeld
über die notwendigen Maßnahmen ernsthaft zu diskutieren.

(Rawe [CDU/CSU] : Weil dazu gar keine Zeit eingeräumt wird! Da haben Sie völlig recht!)

Sie arbeiten hier mit völlig unhaltbaren pauschalen Urteilen, die in der Wirklichkeit nicht zu rechtfertigen sind.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Welche?)

Sie schieben die ganze Schuld an der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Bundesregierung in die Schuhe. Sie tun doch so, als ob die Bundesregierung z. B. für die Explosion der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt zuständig wäre.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist doch nicht nur unser Problem, das ist doch ein weltwirtschaftliches Problem.

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

Sie haben es hier in der Debatte so dargestellt, als ob z. B. innenpolitische Maßnahmen hier in diesem Lande — von der Steuerreform und von allem Möglichen haben Sie gesprochen— für die wirtschaftliche Situation verantwortlich wären.

(Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!)

Sind denn diese innenpolitischen Maßnahmen für
die Schwierigkeiten in der ganzen Welt draußen
verantwortlich? Sie machen sich doch mit derartigen
) Behauptungen vor jedem lächerlich, der sich die Situation anguckt.

(Beifall bei der SPD und der FDP Zurufe von der CDU/CSU)

Das sind doch weltwirtschaftliche Probleme, Probleme im Weltmaßstab.

(Stücklen [CDU/CSU] : Für was ist denn die Regierung verantwortlich?)

Diese auf innenpolitische Maßnahmen zu reduzieren, ist geradezu lächerlich.
Noch eines muß gegenüber Herrn Müller-Hermann richtiggestellt werden, den wir leider in keiner Beratung der beteiligten Ausschüsse gesehen haben

(Sehr richtig! bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

— wo waren Sie denn, Herr Müller-Hermann? —, der hier behauptet hat, es seien keine Zahlen genannt worden. Die Bundesregierung hat jede Frage, die gestellt wurde, ausgiebig beantwortet.

(Rawe [CDU/CSU] : Dann bringen Sie doch einmal die Deckungsvorschläge mit Zahlen! Keine einzige Deckung ist nachgewiesen! Reden Sie nicht so dumm durch die Gegend! Wo bleiben denn die Deckungsvorschläge? — Zuruf von der CDU/CSU: Es ist doch unmöglich, was der da sagt!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713905300
Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Wir kommen dann rascher voran.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0713905400
Es war auch Zeit für ausgiebige Beratungen. Wir hätten im Ausschuß auch noch einige Stunden mehr beraten können.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU — Rawe [CDU/CSU] : Zeit für ausgiebige Beratungen, wenn die Regierung drei Monate für ein Programm braucht und das Parlament vier Stunden Zeit hat? Lächerlich ist so etwas!)

— Wir hätten noch eine Stunde mehr beraten können, wir hätten vor allem auch — --

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713905500
Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal um Ruhe für den Redner bitten. Es ist ja niemandem verwehrt, dem Redner hier von der Tribüne aus zu antworten. Aber ich würde doch bitten, ihm erst einmal zuzuhören.

(Rawe [CDU/CSU] : Nein, der Redner muß sich eines ordnungsgemäßen Vortrags bedienen und darf nicht Lächerlichkeiten aneinanderreihen!)


Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0713905600
Es möge einer der Herren von der Opposition, allerdings einer, der bei den Ausschußberatungen dabei war, hier das Gegenteil behaupten. Wir hätten auch noch gern ein paar Stunden mehr beraten, vor allem dann, wenn wir Alternativvorschläge der Opposition zu beraten gehabt hätten.

(Zustimmung bei der SPD)

Was Herr Häfele uns als Alternativvorschläge geboten hat, war zum Teil nicht einmal abstimmungsfähig. Ich stelle hier noch einmal ausdrücklich fest, daß kein einziger Antrag von Oppositionsabgeordneten, der hier zur Diskussion gestellt wurde — da wurde von der Opposition ein Kaninchen nach dem anderen aus dem Zylinder gezogen —,

(Rawe [CDU/CSU] : Sie meinen die ständig neuen Vorlagen der Regierung?)

die Zustimmung aller Abgeordneten der Opposition im Finanzausschuß gefunden hat. Dies muß auch einmal deutlich gesagt werden, um den Zustand der Opposition, was eine Alternative anbetrifft, herauszustellen.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Dafür fiel dann die Regierungskoalition auch bei der Abstimmung auseinander!)

Kurz und gut,

(Zuruf von der CDU/CSU: Kurz und schlecht!)

meine Herren, dieser Antrag hier ist ein Elaborat. Wir werden uns an Ihrem Versuch, hier mit Schmutz über die Regierung herzufallen, nicht beteiligen. Darum werden wir nicht der Übung folgen, den Antrag zu überweisen, sondern werden ihn ablehnen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713905700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Noch einmal! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wer ist denn das?)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19, Dezember 1974 9585

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713905800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei kurze Bemerkungen. Herr Kollege Offergeld, die Regierung hat für dieses Konjunkturprogramm drei bis vier Monate gebraucht,

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

und wir werden für die Ausschußberatungen mit vier Stunden abgespeist. Da kommen Sie noch und machen uns hier Vorwürfe.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Das zweite. Wir haben nie geleugnet, daß die Konjunkturentwicklung in der Bundesrepublik auch mit weltwirtschaftlichen Vorgängen zusammenhängt.

(Zuruf von der SPD: Bravo!)

Das ist nie bestritten worden. Aber das ändert nichts daran, daß diese Inflation zu einem guten Teil hausgemacht ist, und das ändert nichts daran, daß die Bundesregierung die volle Verantwortung für alles trägt, was hier im Lande vorgeht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD]: Für die Weltwirtschaft! Weiterer Zuruf von der SPD: Für das Wetter auch!)

Und das dritte. Hier wird nicht davon gesprochen, daß die Opposition den Ernst der Lage unterstreicht, sondern hier wird gesagt: „Der Bundestag ist tief besorgt über die ernste Lage der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt." Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie sehen sich einer außergewöhnlich loyalen Opposition gegenüber,

(Lachen bei der SPD)

die Ihnen auch bei diesem Konjunkturprogramm ebenso wie beim Energiesicherungsgesetz behilflich gewesen ist, in kürzester Frist das zu tun, was Sie für richtig halten. Ich stelle aber erneut fest: Dadurch, daß Sie diesen Entschließungsentwurf mit Ihrer Stimmenmehrheit ablehnen, tragen Sie nicht dazu bei, die Zusammenarbeit mit der Opposition von Ihrer Seite voranzutreiben. Die Regierung scheint immer noch auf dem Standpunkt zu stehen, sie habe die Opposition nicht nötig. Das werden Sie bitter bereuen!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713905900
Wird zu diesem Punkt noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ein Antrag auf Ausschußüberweisung ist nicht gestellt. Ich lasse jetzt also in der Sache über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3013 abstimmen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.

(Rawe [CDU/CSU]: Das ist die Mehrheit!)

— Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Ich kann hier doch nicht Wahlergebnisse korrigieren!

(Zuruf von der CDU/CSU: Hammelsprung!)

— Das Haus ist recht ordentlich besetzt. Auch zum Hammelsprung gibt es keinen Anlaß. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnissen der NATO-Ratstagung
Ich erteile dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen das Wort.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0713906000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe über das Ergebnis der NATO-Außenministerkonferenz am 12. und 13. Dezember 1974 zu berichten, und ich werde, soweit es in diesem Zusammenhang geboten ist, auch über die Beratungen berichten, an denen mein Kollege Leber teilgenommen hat. Die Konferenz der Außenminister hat sich außer mit einer Reihe von Dauergegenständen mit zwei Hauptthemen befaßt: erstens mit den amerikanisch-sowjetischen Abmachungen von Wladiwostok und zweitens mit dem Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Verteidigungsfähigkeit der Bündnispartner. Die Brüsseler NATO-Konferenz war insoweit mit den bilateralen deutschamerikanischen Gesprächen vom 4. bis 6. Dezember in Washington und der europäischen Präsidentschaftskonferenz der Neun in Paris thematisch verbunden. Darüber ist dem Hohen Hause durch den Bundeskanzler schon berichtet worden. — Man kann heute erneut unterstellen, daß die Konferenzkette der letzten 14 Tage auf das Ergebnis der französischamerikanischen Beratungen in Martinique positiv eingewirkt hat.
Zunächst ein Wort zum Geist der Beratungen in Brüssel. Die zentralen Fragen sind ausführlich und weitgehend in Form eines intensiven Gesprächs im engsten Kreis behandelt worden. Es hat sich erneut gezeigt, daß die Konsultationen im Bündnis seit Verabschiedung der Atlantischen Erklärung wieder ausgezeichnet funktionieren. Meine Damen und Herren, das ist mehr als eine technische Frage, denn auch der Grad der sachlichen Übereinstimmung war hoch.
Die Teilnahme einer Reihe von Verteidigungsministern darunter des Kollegen Leber — am Haupttag der Außenministerkonferenz hat die sachliche Verpflichtung zwischen Außen- und Sicherheitspolitik deutlich betont. Die beiden Teile der Konferenz, nämlich die vorangegangenen Sitzungen der Verteidigungsminister in der Eurogroup, im Verteidigungs- und Planungsausschuß und in der Nuklearen Planungsgruppe und die NATO-Außenministerkonferenz wurden so auch personell miteinander verbunden.
In Brüssel haben wir die verteidigungspolitischen Auswirkungen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage umfassend erörtert. Wir sind uns einig, daß wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht nur soziale und auf diese Weise auch politische Schwächungen hervorrufen, sondern auch Gefahren für unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik heraufbeschwören können. Dabei kann es nicht Aufgabe der NATO sein, einzelne wirtschaftliche Lösungen zu erarbeiten
9586 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Bundesminister Genscher
und in die Tat umzusetzen. Dafür gibt es andere Gremien. Es ist aber eine zentrale Aufgabe der Allianz, die möglichen verteidigungspolitischen Folgen zu sehen und abzuwenden.
Gemeinsame Analyse und Solidarität der Verbündeten setzen die Schubkraft der NATO hinter die wirtschaftlichen Lösungsversuche. Wir haben deshalb weitere Konsultationen über die Auswirkungen wirtschaftlicher Entscheidungen auf Gebieten beschlossen, die in den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich des Bündnisses fallen. Die Bundesregierung hat ihren Standpunkt deutlich vertreten, daß die Bewältigung innenpolitischer Probleme nicht auf Kosten der Verteidigungsfähigkeit, der Verteidigungsbereitschaft und des Verteidigungswillens in den Staaten des Bündnisses gesucht werden darf.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die auch vor dem Hintergrund neuer bedrohlicher Entwicklungen im Nahen Osten gesehen werden müssen, treffen das Bündnis in einer problembeladenen Zeit. Wir befinden uns in einer vielschichtigen komplizierten Phase der Entspannungspolitik. Die amerikanischsowjetischen Absprachen von Wladiwostok enthalten positive Möglichkeiten für die Stabilisierung des Gleichgewichts im Bereich der strategischen Kernwaffen mit einer weiten Ausstrahlung auf das Ost-West-Verhältnis und damit auf unsere Verteidigungs- und auf unsere Entspannungspolitik. Darauf muß sich die multilaterale, aber auch die bilaterale Entspannungspolitik der Bündnispartner einstellen. Der amerikanische Außenminister hat uns das durch einen sehr ins einzelne gehenden Bericht über die fortdauernden Bemühungen der amerikanischen Bemühungen um eine weitere Begrenzung strategischer Offensivwaffen im Lichte der Wladiwostoker Gespräche erleichtert.
Die Bundesregierung und die übrigen Verbündeten der Vereinigten Staaten begrüßen die Chance von Wladiwostok. Ich spreche von einer Chance, denn es handelt sich darum, Vorabmachungen — wenn auch sehr bedeutsame nun in ein befriedigendes SALT-II-Abkommen umzuwandeln. Das eigentliche Abkommen muß also bis zur Unterzeichnungsreife noch verhandelt werden. Dabei können sehr wohl Schwierigkeiten auftreten. Eines ist sicher: Die amerikanische Regierung kann die Verhandlungen im Interesse des gesamten Bündnisses nur dann erfolgreich zum Abschluß bringen, wenn alle Verbündeten auf ihre Weise die Position des Westens abstützen. Daraus ergibt sich eine ganz klare Konsequenz: Die Vorabmachungen von Wladiwostok würden unterlaufen, der Entspannungserfolg würde nicht gefördert, sondern gefährdet, wenn die europäischen Bundesgenossen ihre konventionellen Streitkräfte vernachlässigen würden.
Ich darf an dieser Stelle erwähnen, daß diese Thematik auch in den Sitzungen der Europäischen Gruppe und des Verteidigungsplanungsausschusses behandelt wurde. Das zentrale Thema der europäischen Verteidigungsminister in der Eurogroup war der übereinstimmende Appell, die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung durch konkrete Maßnahmen zu verbessern. Das wurde angesichts der krisenhaften wirtschaftlichen Lage in den meisten Ländern von NATO-Europa einerseits und der wachsenden Rüstungsanstrengungen des Warschauer Pakts andererseits als das Gebot der Stunde bezeichnet.
Um das relative Kräftegleichgewicht zwischen Ost und West zu erhalten, ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit nötig. Dadurch ist eine größere Ausnutzung der beschränkten Mittel, die für die Verteidigung zur Verfügung stehen, möglich. Kooperation setzt aber voraus, daß der dazu notwendige politische Wille in cien Regierungen unserer Länder durchgesetzt wird und daß, davon getragen, konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Die Einsicht der Verteidigungsminister in diese Notwendigkeit und die Bereitschaft jedes einzelnen, danach zu handeln, waren erfreulich groß, obgleich Schwierigkeiten verschiedenster Art nicht verkannt werden. Bundesminister Leber hat in beiden Gremien seinen festen Willen erklärt, nationale Sonderinteressen zurückzustellen, um mehr Standardisierung von Waffen und Gerät zu erreichen. Der Eurogroup wird im nächsten Jahr und darüber hinaus eine besondere Rolle dabei zukommen, die Aktivitäten für die praktische Zusammenarbeit zu koordinieren. In ihren Untergruppen müssen die Voraussetzungen dafür, d. h. für Rationalisierung und Standardisierung in den Bereichen Rüstung, Ausbildung, Logistik, um nur einige zu nennen, erarbeitet und entwickelt werden.
Bei der Behandlung der im Frühjahr 1975 zur Verabschiedung anstehenden Ministerrichtlinien für die Verteidigungsplanung der NATO bis zum Jahre 1982 betonen die Verteidigungsminister, daß ein langfristiges Verteidigungsangebot aufgestellt werden müsse, das die gemeinsamen Maßnahmen ermöglicht, die den höchstmöglichen Nutzen aus den verfügbaren Streitkräftestärken und Mitteln gewährleisten. Die Streitkräfteplanung der NATO wird im nächsten Planungszeitraum von fünf Jahren auf der nach wie vor gültigen Strategie der flexiblen Erwiderung und Vorneverteidigung aufbauen. Bestand und Funktionsfähigkeit dieser Strategie setzen das Festhalten an der sogenannten Triade, d. h. der Verzahnung des konventionellen, des taktisch-nuklearen und des strategisch-nuklearen Anteils, voraus. Diese drei Komponenten sind innerhalb des Konzeptes gleichwertig; alle drei sind nötig. Die Minister in Brüssel waren sich deshalb auch einig, auf jeden Fall diese Konzeption beizubehalten. Abschreckung und Verteidigung beruhen wie bisher auf der konventionellen, der taktisch-nuklearen und der strategisch-nuklearen Komponente. Unsere spezielle Aufgabe ist es, an der Aufrechterhaltung einer wirksamen konventionellen Komponente der NATO mitzuwirken. Die Erhaltung der konventionellen Abschreckung das habe ich für die Bundesregierung im Rat der Minister sehr deutlich ausgesprochen — setzt zwei Dinge voraus: daß wir wirtschaftlich stabil bleiben und daß die Völker Europas politisch ihren Willen zur gemeinsamen Veteidigung bewahren und auch bereit bleiben, dafür Lasten auf sich zu nehmen.
Die Bundesrepublik Deutschland handelt entsprechend ihrer Verantwortung auf beiden Gebieten. Wir begrüßen, daß sich nunmehr wenige Tage nach
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der Brüsseler Konferenz der amerikanische und der französische Präsident in Martinique über intensive Konsultationen unter westlichen Verbraucherländern zur Vorbereitung eines Dialogs zwischen Produzenten- und Verbraucherländern geeinigt haben.
Was die politischen Voraussetzungen angeht, so würde die beste Verteidigungspolitik wirkungslos bleiben, wenn mit der wirtschaftlichen Stabilität in irgendeinem Land auch seine politische Stabilität verlorenginge. Wir müssen im Gegenteil zeigen, daß die freien Gesellschaften mit allen Problemen unserer Zeit fertig werden. Auch so beweisen wir ihre Verteidigungswürdigkeit. In Brüssel hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß den verbündeten Regierungen eine wichtige Führungsaufgabe in ihren Staaten zufällt. Überall muß das Bewußtsein dafür geschärft werden, daß unser Sicherheitssystem an keiner Stelle geschwächt werden darf.
Das Konzept der NATO verlangt klare Verteidigungsleistungen der Bündnispartner. Nur so kann das Bündnis seine Funktion erfüllen, nämlich die Sicherheit zu schaffen, auf deren fester Grundlage eine realistische Entspannungspolitik allein betrieben werden kann. Eine solche Entspannungspolitik verschweigt nicht die Rüstungsanstrengungen des Warschauer Paktes, sondern sie stellt sich darauf ein. Das hat Herr Kollege Leber in Brüssel deutlich getan, und zwar nicht nur für seine Person, sondern für die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Probleme sind auch die anderen Beratungsgegenstände zu sehen, die bei dieser Ministertagung auf der Tagesordnung standen. Ich meine die Ost-West-Beziehungen, KSZE und MBFR. Was die Ost-West-Beziehungen angeht, so bestand Übereinstimmung, daß in den letzten Monaten Fortschritte, wenn auch — so drückt es das Kommuniqué aus — auf ungleiche Weise, in Richtung auf die Entspannung erzielt wurden. Wir werden unsere Anstrengungen fortsetzen, um in unseren Verhandlungen den Kontakt mit der Sowjetunion und den übrigen Ländern des Warschauer Paktes das Ost-West-Verhältnis stetig zu verbessern.
Übereinstimmung bestand jedoch auch darin, daß Sicherheit die Voraussetzung für Entspannungspolitik bleibt. Im Hinblick auf das — wie es in dem Kommuniqué heißt — Anwachsen der militärischen Stärke des Warschauer Pakts waren wir uns einig, unsere eigene, auf Verteidigung ausgerichtete militärische Stärke aufrechtzuerhalten.
Zur KSZE haben wir Zwischeninventur gemacht und festgestellt, daß Fortschritte auf verschiedenen Gebieten möglich waren,

(Zuruf von der CDU/CSU: Möglich waren!)

andererseits aber noch wichtige Fragen geklärt werden müssen. Die laufende Koordination und Abstimmung innerhalb der NATO über KSZE-Fragen hat sich so gut entwickelt, daß über Einzelheiten eine Diskussion nicht geführt werden mußte. Auf jeden Fall war sich der Ministerrat einig, daß über die dritte Konferenzphase erst entschieden
werden kann, wenn die Substanz der Konferenzergebnisse einen erfolgreichen Abschluß gewährleistet.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Distanz vor Tempo!)

Die Qualität der Ergebnisse hat Priorität. Es kommt uns darauf an, praktische Ergebnisse zu erzielen, damit die Entspannung in ihrer Bedeutung für das Leben des einzelnen Menschen sichtbar wird. Das gilt für den Bereich der Verhaltensregeln unter den Staaten, in dem die fortdauernde Zulässigkeit friedlichen Wandels klar zum Ausdruck kommen muß. Das gilt ebenso für die militärischen Aspekte, bei denen die Wechselwirkung zwischen politischer Entspannung und dem Abbau der militärischen Spannungsursachen im Konferenzergebnis zum Ausdruck kommen muß.
Schließlich hat der Bereich der Kommunikation und Information, kurz, der Bereich, der den einzelnen Menschen besonders betrifft, für uns besondere Bedeutung. In der letzten Zeit sind auf diesem Feld zwar Fortschritte erzielt worden, aber immer noch stehen wichtige Fragen offen. Ich darf wiederholen, was ich in diesem Hause anläßlich der Aussprache über die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU über die KSZE gesagt habe: Die Konferenz darf keine Hindernisse für die erklärten Ziele deutscher Politik aufrichten, wie sie z. B. im „Brief zur deutschen Einheit" zum Ausdruck kommen, nämlich auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt, und sie darf keine Hindernisse für die Politik aufrichten, die auf die Einigung Europas gerichtet ist.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Deshalb wird die Prinzipiendeklaration der KSZE eine Aussage über die fortdauernde Zulässigkeit friedlicher und einvernehmlicher Grenzänderungen enthalten. Diese Aussage wird klar gefaßt sein, und ich kann hier feststellen, daß die Bundesregierung in dieser für uns so entscheidenden Frage die volle Unterstützung ihrer Partner und Verbündeten hat.
Wenn friedliche, einvernehmliche Grenzänderungen künftig zulässig bleiben, so bedeutet das den Ausschluß gewaltsamer Grenzänderungen. Das entspricht voll und ganz der Politik aller Bundesregierungen, wonach der Gewaltverzicht Grundlage der zwischenstaatlichen Beziehungen sein muß. Deshalb können wir dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Grenzen der Prinzipiendeklaration ohne Einschränkung zustimmen.
Zu MBFR haben die Minister ihre Entschlossenheit bekräftigt — ich zitiere aus Ziffer 5 des Kommuniqués —, an der Herbeiführung eines ungefähren Gleichstands in der Form einer vereinbarten übereinstimmenden Höchststärke des Personalbestands der Landstreitkräfte der NATO und des Warschauer Pakts im Raum der Reduzierungen festzuhalten. Das ist eine wichtige Aussage; sie bedeutet: Die NATO hält an diesem eisernen Pfahl ihrer MBFR-Politik fest. Es darf nicht dazu kommen, daß die in Mitteleuropa bestehenden Disparitäten im
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konventionellen Bereich festgeschrieben werden. Unser Ziel ist vielmehr, mit MBFR ein ausgewogenes und damit stabileres militärisches Kräfteverhältnis in Mitteleuropa herzustellen, das dem Prinzip der unverminderten Sicherheit für alle Beteiligten Rechnung tragen würde.
Im übrigen hat sich auf dieser NATO-Konferenz gezeigt, daß MBFR als gemeinsame Aufgabe der NATO-Verbündeten betrachtet wird und daß sich alle darin einig sind, daß • die Grundvoraussetzung für einen Erfolg in der Solidarität des Bündnisses liegt. Die Bundesregierung stellt mit Befriedigung fest, daß sich diese Solidarität auch und gerade in den bisherigen Verhandlungen in Wien bewährt hat.
Unter den Verbündeten besteht im übrigen auch völlige Übereinstimmung darüber, daß MBFR weder die bewährte Verteidigungsstruktur im Bündnis noch die Entwicklung einer europäischen Verteidigungszusammenarbeit beeinträchtigen darf. Wir legen deshalb z. B. größten Wert darauf, daß bei künftigen MBFR-Ergebnissen die gemeinschaftliche Rolle des Bündnisses zum Tragen kommt.
Meine Damen und Herren, die Deutschland- und Berlin-Politik war nicht das zentrale Thema in Brüssel. Wir haben keinen Grund, darüber unzufrieden zu sein, denn die Position unserer Partner ist klar und eindeutig. Auf dem traditionellen Vierertreffen am Vorabend der Ratstagung habe ich meine Kollegen aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich über aktuelle Berlin-Fragen und aktuelle Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR unterrichtet. Die Außenminister sind bei allen Themen zu einer übereinstimmenden Wertung gekommen.
Wir haben in der Allianz dann insbesondere den Transitverkehr, die Bindungen zwischen Berlin und dem Bund und die Außenvertretung Berlins durch die Bundesrepublik Deutschland erörtert. Im Schlußkommuniqué bekräftigen alle Partner die Bedeutung des Viermächteabkommens für die Lebensfähigkeit und die Sicherheit der Stadt und betonen, wie schon im Juni in Ottawa, den essentiellen Zusammenhang zwischen der Entspannung in Europa und der Lage in Berlin. Das war auch jetzt wieder eine bedeutsame Aussage des Atlantischen Bündnisses, wichtig für Berlin und wichtig für weitere Fortschritte auf dem Wege zur Entspannung in Europa.
Zum Schluß möchte ich noch auf eine besonders erfreuliche Entwicklung hinweisen. Der neue griechische Außenminister, der zugleich Ehrenpräsident der Ministerkonferenz war, und der türkische Außenminister haben in dieser Konferenz versöhnliche Schritte aufeinander zu getan. Mit unseren Verbündeten sehen wir darin ein gutes Omen für die weitere Entwicklung im südöstlichen Raum des Bündnisses

(Dr. Mertes [Gerolstein) [CDU/CSU): Atmosphärisch!)

und für die friedliche Beilegung des Zypern-Konflikts. Das ist sicher ein weiterer Beweis für die integrierende Kraft des Bündnisses.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Die NATO-Tagung in Brüssel war sicher eine Tagung ohne Sensationen, ohne Krisenstimmung und ohne Spannungen. Das offenbart, daß sich das Bündnis bei allen Schwierigkeiten politisch in einer guten Verfassung befindet. Auf jeden Fall, meine Damen und Herren, lassen Verlauf und Ergebnisse der Tagung die Erwartung zu, daß die vorhandenen Probleme innerhalb des Bündnisses gemeinschaftlich und solidarisch gelöst werden können.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713906100
Das Haus hat die Erklärung der Bundesregierung entgegengenommen.
Bevor ich das Wort weiter erteile, muß ich bekanntmachen: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Fragestunde unmittelbar nach Abschluß des Punktes 19 der Tagesordnung, also des jetzt behandelten Tagesordnungspunkts, aufgerufen. Im Anschluß an die Fragestunde — ebenfalls unmittelbar — findet eine Aktuelle Stunde statt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0713906200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle stehen unter dem Eindruck, daß die freie Welt vor einer Herausforderung steht, die man ohne Übertreibung als eine Herausforderung geschichtlichen Ausmaßes kennzeichnen darf.
Uns alle bewegen die Fragen ob die Solidarität der Staaten des Westens ausreicht, um die drohende Wirtschaftskrise abzuwenden und besonders gefährdeten Staaten zu helfen, oder ob Inflation, Arbeitslosigkeit, Zahlungsbilanz-Ungleichgewicht nicht eben nur die wirtschaftliche Stabilität, sondern auch die soziale Ordnung und damit die Sicherheit in den Staaten des Westens zerstören, ob die Weitsicht, ob die Kraft im Atlantischen Bündnis ausreichen, um einer neuen Dimension der Bedrohung Herr zu werden, der Bedrohung durch Ölverknappung, durch Rohstoffkrise und Ölwaffe, ob es gelingt, die politische und militärische Erosion des Bündnisses aufzuhalten, und schließlich, ob im Zeichen neuer strategischer Entwicklungen das Bündnis zu einer einverständlichen strategischen Konzeption findet oder ob die Allianz den Anschluß an die Zukunft verliert.
Wer die Ergebnisse der Konferenz in Brüssel an diesen Schicksalsfragen mißt, muß enttäuscht sein. Dies festzustellen heißt nicht, der Bundesregierung die Verantwortung dafür anzulasten. Ich möchte für die CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich anerkennen, mit welcher Entschiedenheit sich Bundesverteidigungsminister Leber im Kreise seiner Kollegen für die Allianz und ihre Belange eingesetzt hat. Auch der Herr Bundesaußenminister hat auf der Tagung und auch hier in seiner Rede eben Worte gefunden, denen auch wir zustimmen können, wenn ich etwa an seine Warnungen vor der Vernachlässigung der Ver-
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Dr. Wörner
teidigungspolitik, der Verteidigungskraft, vor einer Unterschätzung der sowjetischen Rüstungsanstrengungen denke. Ich kann allerdings nicht umhin, zu sagen: Wir von der CDU/CSU hätten uns solche Worte oder, besser gesagt, solche Akzente schon wesentlich früher gewünscht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann wären der Allianz mancher Irrweg und manches Unheil erspart geblieben.
Um so merkwürdiger finde ich es, Herr Bundesaußenminister, daß Sie mit einer sehr optimistischen Feststellung schließen, daß sich das Bündnis nämlich in einer guten Verfassung befinde. Das ist doch einfach nicht wahr. Das ist wieder einmal dieser übliche, amtlich verordnete Konferenzoptimismus, den Ihnen doch nach den Erfahrungen mit der feierlichen Erklärung von Ottawa in diesem Bündnis keiner mehr abnimmt und der uns vor allen Dingen so, wie Sie ihn vortragen, alle nicht weiterbringt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt ist nach unserer Auffassung Zeit, die Dinge offen, wenn auch selbstverständlich ohne Übertreibung, anzusprechen und auch von den Schwächen des Bündnisses zu reden, nicht, wie gesagt, um sie zu übertreiben, sondern um einen Ansatzpunkt zu finden, weiterkommen zu können.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wenn das, was Sie soeben behaupteten, zutrifft — ich habe auf Grund von Informationen, die sogar in der Presse zu lesen waren, gewisse Zweifel daran —, daß die letzte Tagung in Brüssel eine Tagung ohne Sensationen, ohne Krisenstimmung und ohne Spannungen war, dann haben Sie, verehrter Herr Bundesaußenminister, meilenweit an der Wirklichkeit dieses Bündnisses vorbeigelebt und vorbeigeredet. Anders kann man das nicht sagen. Schon allein einer der ersten Sätze des Kommuniqués zeigt doch, daß es im Grunde genommen mit der Allianz nicht ganz so gut stehen kann. Dort ist zu lesen, daß die Minister mit Befriedigung feststellen, daß sich alle Allianzstaaten zu diesem Bündnis bekennen. Wenn alles in Ordnung wäre, warum dann ein solcher Satz schon zu Beginn?
Selbstverständlich gibt es auch in dem Kommuniqué und in den Ergebnissen dieser Tagung das eine oder andere, das auch wir als einen Fortschritt betrachten, als ein Ergebnis, dem wir zustimmen können, so etwa die erneute und klare Bekräftigung der Position bei den MBFR-Verhandlungen. Es bleibt nur zu hoffen, daß wir von diesem Pfad der Tugend nicht abweichen und daß es gelingt, den Westen an diesem Eckstein festzuhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe Ihrer Erklärung mit Befriedigung entnommen, daß Sie auch bei der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit offensichtlich nicht oder nicht mehr bereit sind, sich unter Zeitdruck setzen zu lassen. Aber auch hier mache ich darauf aufmerksam, daß nicht alle Erklärungen — etwa die des Bundeskanzlers in Moskau — mit dieser ihrer
jetzigen Feststellung übereinstimmen. Ich kann nur sagen: Halten Sie an dieser Position fest!
Sicher befriedigt auch uns der neuerliche Hinweis in dem Kommuniqué auf den essentiellen Zusammenhang zwischen der Entspannung in Europa und der Lage in Berlin. Aber ansonsten: Wo ist auch nur eine einzige konkrete Entscheidung? Wo ist eine konkrete Verpflichtung etwa zur Aufrechterhaltung der Verteidigungsaufwendungen im Bündnis? Wo ist ein konkreter Beschluß— der dringlichst notwendig wäre — zur Rationalisierung und zur Standardisierung im Bündnis?
Lothar Rühl hat schon recht, wenn er kommentiert: Über die Feststellung hinaus, daß die Verbündeten zusammenhalten müssen, daß die Lage ungünstig, ja, gefährlich und in jedem Fall schwierig zu meistern sei, konnten sich die Minister der 15 Alliierten auf nichts Konkretes einigen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Leider wahr!)

Gerade in diesem Mangel an Fähigkeit zur gemeinsamen Entscheidung wird das Ausmaß der Krise deutlich, der sich die atlantische Allianz in der Welt gegenübersieht. — Sie aber sagen, das Bündnis sei in guter Verfassung. Ich frage mich: Was verspricht sich die Regierung davon, wenn sie wie auf anderen Feldern — das scheint zum Stil zu werden die Lage auch in diesem Bereich gewaltsam verschönern will?
Ich sage noch einmal: Sie nützten dem Bündnis mehr und Sie nützten vor allen Dingen auch der Sache des Bündnisses in diesem Volk mehr, wenn Sie etwas deutlicher von den Gefahren sprächen, die auf das Bündnis zukommen, wenn es sich nicht auf seine Substanz besinnt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch wir zeichnen ja nicht schwarz. Natürlich ist die NATO immer noch das erfolgreichste Bündnis der freien Welt. Natürlich ist es immer noch eine großartige Sache, daß sich freie Staaten in einem solchen Bündnis zusammengeschlossen haben. Natürlich hat das Bündnis noch — Gott sei Dank noch — die Kraft zur Abschreckung.
Aber Adelbert Weinstein hat nicht Unrecht, wenn er seinen Leitartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 7. Dezember 1974 überschreibt „Die NATO ist krank". Griechenland ist aus der NATO ausgetreten; der Zypern-Konflikt ist nicht geregelt; der türkisch-griechische Gegensatz paralysiert die Südostflanke des Bündnisses; Italien kann auf Grund seiner wirtschaftlichen Lage nicht mehr die erforderliche Zahl von Soldaten unter Waffen halten; in Portugal sitzen Kommunisten in der Regierung, und der künftige Kurs dieses Allianzpartners ist völlig unsicher.

(Zuruf von der SPD: Ist das Herr Genscher schuld?)

Dänemark hat seine Verteidigungsleistungen reduziert; auch Holland hat zwar erfreulicherweise von einem Teil seiner Vorhaben Abstand genommen,
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hat aber dennoch seine Verteidigung verringert; Belgien trägt sich mit der Absicht, die Wehrdienstzeit auf sechs Monate herabzusetzen, und auch die Absichten der britischen Regierung sind, auch wenn der Zentralbereich im wesentlichen ungeschoren bleibt, mit der Aufrechterhaltung der Verteidigungskraft im Bündnis einfach nicht zu vereinbaren, allein schon deswegen, weil das Vorhaben der britischen Regierung die globale maritime Präsenz des Westens schwächen muß, weil sie eine Lücke hinterläßt, die entweder von den Amerikanern geschlossen werden muß oder aber in die die Sowjetunion dann eindringen wird.
Was das Vereinigte Königreich vorhat, kann schwerwiegende Folgen auch in den Ländern der Nordflanke haben, etwa in Dänemark und Norwegen,

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

die im Spannungs- und Krisenfall von Großbritannien Verstärkungen erwarten und erwarten müssen.
Außerdem — das halte ich für den bedenklichsten
Punkt; ich möchte das hier ganz offen aussprechen — muß sich die höchst labile Lage im Mittelmeer weiter verschlechtern. Ich will nicht verhehlen, daß uns von der CDU/CSU-Fraktion die Lage an den Flanken des Bündnisses immer größere Sorgen bereitet.

(Damm [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Ich möchte hier die Hoffnung meiner Fraktion ausdrücken, daß die britische Regierung ihre Absichten noch einmal überprüft, die ja auch im innern Großbritanniens nicht unumstritten sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu diesen militärischen Schwächen des Bündnisses treten wirtschaftliche Schwierigkeiten und soziale Erschütterungen, welche die demokratischen Ordnungen in den Ländern des Westens harten Bewährungsproben unterwerfen. Kein Zweifel: Europa wird krisenanfälliger. Diesem Europa steht nun eine intensiv und systematisch rüstende Sowjetunion und ein stärker werdender Warschauer Pakt gegenüber, in dessen Selbstbewußtsein und weltweitem Auftreten sich deutlich seine wachsende militärische Macht spiegelt. Es kommt doch nicht von ungefähr, daß in allen Reden, die sowjetische Politiker in letzter Zeit halten, triumphierend darauf hingewiesen wird, daß sich das Kräfteverhältnis zugunsten des Sozialismus verschoben habe und daß das die Voraussetzungen für die politischen Erfolge dieses Lager seien.

(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

Dort begreift man noch, meine verehrten Damen und Herren, was man bei uns zu vergessen beginnt: daß der politische Wert eines Bündnisses nicht zuletzt von seiner militärischen Substanz abhängt. Warum rüstet denn die Sowjetunion in einer Zeit, in der alle Welt und auch die sowjetischen Führer von Entspannung reden, in einem Umfang und in einer Konsequenz auf, die doch weit über das Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion hinausgehen?
Doch nicht, weil sie morgen einen Krieg führen will,

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das ist der Kern des Problems!)

sondern weil sie sich für Krisenzeiten Einfluß und am Verhandlungstisch Vorteile verspricht.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Darum geht es! Genau! — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/ CSU] : Sehr richtig!)

Ich meine, der Westen ist dabei, mit seinem Zustand der Sowjetunion zusätzliche Chancen für Einflußnahmen einzuräumen. Einer der charakteristischen und der konstanten Züge sowjetischen Politik ist der instrumentale Charakter militärischer Macht im politisch-strategischen Gesamtzusammenhang.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man muß sich einmal vorstellen, wie eine Krise um Jugoslawien, wie eine Krise um Zypern, um Portugal, um Italien oder irgendwo anders verliefe, wenn es der Sowjetunion wirklich gelänge, sich in eine Position eindeutiger militärischer Überlegenheit hineinzumanövrieren. Die Lage Europas wäre grundsätzlich verändert. Auf der Landkarte Europas würde sich vielleicht keine Grenze verschieben; aber die Dominanz der Sowjetunion im. politischen Geschehen wäre nicht mehr zu beseitigen und nicht anzugreifen.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Das wäre kein peaceful change! — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Darum bleibt die Sicherung militärischen Gleichgewichts in Mitteleuropa eine existentielle Voraussetzung nicht nur für die Politik der Entspannung, sondern für die Handlungsfähigkeit der europäischen Staaten schlechthin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Zielsetzungen der Sowjetunion zu erkennen und offen anzusprechen heißt nicht, die Sowjetunion zu überschätzen. Natürlich sind auch ihre Möglichkeiten begrenzt; auch sie hat Schwächen. Und darum sage ich: Ob die sowjetische Politik Erfolg hat, hängt in erster Linie von uns ab; das bestimmt der Westen zu einem erheblichen Teil mit seiner Politik selbst.

(Damm [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Gerade das Abkommen von Wladiwostok hat doch gezeigt, daß man dort zu Vereinbarungen auf der Basis der Gleichwertigkeit und der Gleichgewichtigkeit gelangen kann, wo beiden Seiten, also auch der Sowjetunion, klar ist, daß der Versuch, den anderen zu übervorteilen, aussichtslos ist oder zu kostspielig wird. Darum besteht die politisch-strategische Aufgabe des Westens darin, nun den Versuch zu unternehmen, auch im konventionellen Bereich in Europa eine solche Gleichgewichtigkeit zu erreichen. Das aber hängt ganz entscheidend von der Kraft, der Geschlossenheit und der Entschlossenheit

(Dr. Marx [CDU 'CSU] : Vom Willen!) des Westens ab.

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Dr. Wörner
Ich meine, eines müßte klar sein: Solange Europa auseinandertreibt anstatt zusammenzuwachsen, solange die Verteidigungsbereitschaft und die Verteidigungskraft in den Ländern des Westens zurückgehen, so lange muß sich doch die sowjetische Strategie in der Richtigkeit ihrer Linie überzeugt sehen, solange gibt es doch keine Chance, die Führer der Sowjetunion von dieser Position und von dieser Politik abzubringen. Erst dann, wenn auch durch die Stärke, Geschlossenheit und Abwehrbereitschaft Westeuropas und des Bündnisses klar ist, daß in diesem Bereich mit militärischen Mitteln, mit Druck, mit Erpressung, mit Drohung nichts zu holen ist, erst dann wird es möglich sein, zu einem klaren, einverständlichen Interessenausgleich zwischen den beiden Fronten zu gelangen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben sich zu Wladiwostock geäußert. Ich darf auch für die CDU/CSU-Fraktion sagen, daß wir zwei Dinge daran als klaren Fortschritt werten. Das eine ist die Festlegung von Höchstzahlen für Waffen im strategischen Bereich. Es ist das erste Mal, daß das gelungen ist.
Das andere ist die Ausklammerung der sogenannten Forward-Based-Systems aus den SALT-Gesprächen. Auch das ist ein Fortschritt.
Dennoch gestatten Sie mir die Bemerkung, daß noch immer — auch nach diesem Abkommen die große Gefahr besteht, daß sich der Rüstungswettlauf im technologischen, im qualitativen Bereich fortsetzt. Es bleibt zu hoffen, daß die weitergehenden Gespräche hier zu einem befriedigenden Ergebnis führen.
Ich meine, es ist an der Zeit, sich in einer solchen Debatte einmal zu fragen, woran die Allianz wirklich krankt. Ich möchte hier vier Ursachen nennen, die nicht erschöpfend sein können, aber von denen ich glaube, daß sie zu einem guten Teil diese Schwierigkeiten bedingen.
Die erste: Die NATO ist ein Verteidigungsbündis, das auf Abwehr militärischer Bedrohung im Ost-West-Konflikt zugeschnitten ist. Nun aber tauchen plötzlich ganz neue Dimensionen der Bedrohung auf, nichtmilitärische Dimensionen der Bedrohung, auf deren Bewältigung das Bündnis nicht eingerichtet ist. Dies gilt von der Wirtschaftskrise, dies gilt von der Ölwaffe, von der Energiekrise, und dies gilt nicht zuletzt auch von den Folgen des Nord-SüdKonfliktes.
Zum zweiten: Das Atlantische Bündnis begrenzt seinen Schutzbereich ausdrücklich auf den geographischen Raurar der Territorien der Allianzstaaten. Lange hat man in der Allianz verständlicherweise gemeint, Krisen außerhalb dieses Bereichs gingen die Atlantische Allianz nichts an. Mit dem Nah-OstKonflikt, mit seinen dramatischen Konsequenzen für das Bündnis wird uns allen auf schmerzhafte Weise bewußt, daß das eine Täuschung war. Die politische Zuständigkeit der Atlantischen Allianz läßt sich nicht auf den militärischen Schutzbereich beschränken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die dritte Ursache: Die Schwierigkeiten dieses doch in der Zeit höchster Spannung zwischen Ost und West konzipierten Bündnisses hängen nicht zuletzt damit zusammen, daß im Grunde bis heute das gleichgewichtige Betreiben von Entspannung und Verteidigung geistig wie politisch nicht bewältigt wurde.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Kissinger sah das voraus, als er in seinem Buch „Amerikanische Außenpolitik" schrieb:
Es wird allgemein die Ansicht vertreten, daß die NATO in gleicher Weise ein nützliches Instrument für eine Entspannung wie für die Verteidigung sein kann. Dies ist jedoch zweifelhaft, zumindest solange die NATO in ihrer gegenwärtigen Form besteht. Eine Verwandlung der NATO in ein Instrument der Entspannung könnte ihren Sicherheitsbeitrag reduzieren, ohne zu einem Nachlassen der Spannung zu führen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Diese Gefahr ist eingetreten!)

Und in der Tat, vieles davon hat sich leider realisiert. Der strategische Zusammenhang von Entspannung und Verteidigung wird zwar im Bündnis verbal immer wieder beschworen, faktisch aber mißachtet.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Entspannung wird in der gegenwärtigen Lage Westeuropas vielerorts auf Kosten der Verteidigung betrieben. Das Bündnis wird auf diese Weise — welch ein Paradoxon zum Opfer seines Erfolgs. Je länger der Frieden andauert, desto mehr Menschen vergessen, worauf er beruht. Dazu tritt häufig eine völlige Fehleinschätzung der sowjetischen Politik und, was uns große Sorgen macht, auch eine Unterschätzung der andauernden ideologischen Konfrontation und Auseinandersetzung zwischen den Blökken.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Der vierte Grund: Mit der strategischen Parität der beiden Supermächte und ihrer Fähigkeit zur wechselseitigen Zerstörung hat sich auch die sicherheitspolitische Landschaft tiefgreifend verändert. Lange hat es gedauert, bis man in den USA und bei uns begriffen hat, daß die strategische Konzeption dieser neuen Sachlage anzupassen ist. Die stärkere Bedeutung konventioneller Verteidigung, die Frage nach der Rolle und dein Einsatz taktischer Nuklearwaffen hissen Gegensätze im Bündnis auftreten, die teils auf eingebildete, teils auf wirkliche Interessenkonflikte zurückgehen.
Was kann und was muß geschehen? Zum ersten: Die NATO muß — so meinen wir — Konsequenzen aus den neuen Dimensionen der Bedrohung ziehen. Sie muß ein umfassenderes Sicherheitsverständnis entwickeln und darf in ihrer Zielsetzung nicht auf den militärischen Bereich begrenzt bleiben.

(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU)

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Dr. Wörner
Die solidarische Bewältigung der Energie- und Wirtschaftsprobleme durch die Staaten der atlantischen Allianz entscheidet ebensosehr über ihre Zukunft, wenn nicht im Augenblick noch mehr, als ihre militärischen Anstrengungen. Und darum ist gegenwärtig wichtiger als alles andere eine gemeinsame 01-und Energiepolitik des Westens. Auch wir wollen keine Konfrontation mit den ölproduzierenden Staaten, auch wir wollen Zusammenarbeit, wirkliche Zusammenarbeit. Wer aber die Kooperation will, muß in der Lage sein, auch in diesem Bereich eine Konfrontation durchzuhalten.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Das heißt: Das ist nur möglich, wenn es zu einer dauerhaften und gemeinsamen Haltung der NATO-Partner kommt, die dann eine Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit abgeben wird.
Ich sage auch ganz klar: Wir können diese Probleme nicht gegen die USA und auch nicht an ihnen vorbei lösen.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Die jüngsten Beschlüsse der ölproduzierenden Staaten, der sogenannten OPEC, haben wiederum gezeigt, daß es auf die Dauer untragbar ist, dem Preisdiktat dieser Länder hilflos weil ohne Alternativen — ausgesetzt zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind sehr dankbar dafür, daß es gelungen ist, eine Verständigung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich zu finden. Wir hoffen, daß sie auch in Krisenzeiten trägt.
Bei der Bewältigung der Wirtschaftsprobleme, der Zahlungsbilanzprobleme in der Allianz ist die Bundesrepublik Deutschland in besonderer Weise gefordert. Wir können und werden uns dieser Verantwortung nicht entziehen, schon deshalb nicht, weil ein Zusammenbruch der Volkswirtschaft irgendeines unserer Nachbarstaaten auch für uns verhängnisvoll wäre. Darum können unsere Verbündeten auch mit Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion nach dem Maße unserer Leistungskraft — mit einem solidarischen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland rechnen. Die Bundesregierung wäre — wenn ich einen Vorschlag unterbreiten darf gut beraten, wenn sie, um ein Beispiel zu nennen, die Initiative meines Kollegen Damm in der Nordatlantischen Versammlung aufgreifen und unterstützen würde, eine Art Marshall-Plan für unsere südosteuropäischen Verbündeten ins Leben zu rufen. Wer allerdings — das muß ich mit aller Deutlichkeit sagen — in einer solchen Situation, in der die westliche Allianz unsere ganzen — auch finanziellen — Kräfte beansprucht, großzügig Kredite nach Osten gibt, schadet nicht nur sich selbst, sondern auch dieser Allianz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Die NATO hat sich seither — ich sage es mit einem gewissen Bedauern — mehr mit der Bewertung abgelaufener als mit der Vorsorge gegen künftige Krisen beschäftigt. Darum muß die Bundesregierung nach unserer Auffassung darauf drängen,
daß die Krisenplanung und die Krisenvorsorge zu einem künftigen Schwerpunkt der Allianz-Politik werden. Das gilt für mögliche Krisenherde in der Allianz genauso wie für Krisenherde außerhalb der Allianz. Ich nenne etwa Zypern und den Nahen Osten als Beispiel. Wir beobachten — ich glaube, alle — mit großer Sorge, wie sich die Ereignisse im Nahen Osten zuspitzen. Ein neuer Krieg im Nahen Osten, von dem wir hoffen, daß er vermieden werden kann — möglicherweise von einem neuerlichen Ölembargo begleitet —, müßte das Bündnis vor eine Belastungsprobe ohne Beispiel stellen. Auch eine solche Belastungsprobe, meine Damen und Herren, kann nur durchgestanden werden, wenn das Bündnis gerade in der Krise solidarisch bleibt.

(Damm [CDU/CSU] : Das ist wahr!)

Das bedeutet, daß wir auch in einer solchen Lage die Amerikaner nicht im Stich lassen dürfen. Ich sage allerdings ganz klar und deutlich: Dies setzt voraus, daß beispielsweise über die Ölversorgung in einer solchen Lage innerhalb des Bündnisses klare und befriedigende Absprachen getroffen werden.
Auch die Bundesrepublik Deutschland würde ein solcher Konfliktsfall vor unerhörte Probleme stellen. Auch ihre Bewältigung setzt Vorausdenken auf der einen Seite und vernünftiges Zusammenwirken zwischen Regierung und Opposition auf der anderen Seite voraus. Wir sind im Interesse unseres Volkes dazu bereit. Die Regierung wäre gut beraten, wenn sie die Opposition rechtzeitig an ihren Planungen beteiligen würde. Wir wollen nicht immer nur dann und erst dann Informationen haben, wenn der Regierung das Wasser am Hals steht oder wenn sie unsere Zustimmung braucht. Es wäre gut, wenn wir auch dann informiert würden, wenn es an Vorausdenken und an Planung geht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dritter Punkt: Verteidigung und Entspannung müssen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Das heißt nichts anderes, als daß den Verteidigungsanstrengungen in der atlantischen Allianz wieder ein höherer Rang zugemessen werden muß. Die europäischen Staaten müssen aufhören, die Verteidigungsetats als eine Art Reservekasse zu betrachten, aus der man sich in Zeiten der Not für alle anderen Bedürfnisse eben befriedigen kann. Immer noch, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist die Sicherung der Freiheit die erste und wichtigste Voraussetzung jeglicher Sozial- und Gesellschaftspolitik in einer freiheitlich demokratischen Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu gehört dreierlei: erstens eine geistig offensive Verteidigung unserer freiheitlich demokratischen Ordnung und ihrer Institutionen und eine eindeutige Absage an jede Art von Wertneutralismus.

(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/ CSU)

zweitens ein klares Ansprechen der Bedrohung und
drittens eine ständige Aufklärung der Bevölkerung
über die Bedeutung der Verteidigung und die Wech-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9593
Dr. Wörner
selwirkung zwischen Verteidigungskraft und Entspannungsbemühungen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wir begrüßen es, Herr Bundesaußenminister, daß Sie dazu in Brüssel wie auch jetzt in Ihrer Rede aufgefordert haben. Und Ihnen nehme ich das ab, genauso wie Herrn Leber. Aber ich kann nur immer und immer wieder sagen: Ihr Bekenntnis wäre wesentlich glaubhafter und Ihre Anstrengungen wären sicher erfolgreicher, wenn Sie endlich einmal auch nur die Mitglieder Ihrer Koalition, die in diesem Hause sitzen, davon überzeugen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen, lesen Sie einmal die Broschüre „Grundrechte schützen" durch, eine Broschüre, die die Reden, die auf dem Kongreß der Kriegsdienstverweigerer gehalten wurden, zusammenfaßt. Da finden Sie Reden von FDP-Abgeordneten und Reden von SPD-Abgeordneten. Ich lese Ihnen einmal ein paar Sätze vor, etwa des Kollegen Coppik. Da heißt es: „Ich habe keinen Grund, etwa nur hier diese Position darzustellen, denn ich habe nie daran geglaubt, daß Frieden durch Rüstung gesichert werden kann. Ich habe deshalb auch seit meiner Zugehörigkeit zu diesem Bundestag keinem einzigen Wehretat zugestimmt."

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Und da kann ich nur sagen: Das ist ein Mitglied Ihrer Partei! Und da wollen Sie das Volk davon überzeugen, daß hier Verteidigungsanstrengungen unternommen werden müssen? Gehen Sie hin und überzeugen Sie Ihre eigenen Leute, dann haben Sie den besten Beitrag dafür geleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Oder was sollen wir davon halten — und auch das ist vor ein paar Wochen passiert; ich könnte diese Beispiele uferlos fortsetzen —, daß der Herr Kollege Möllemann und der Herr Kollege Walkhoff, um nur ein Beispiel zu nennen, einen Aufruf unterzeichnen, in dem die Auflösung der NATO gefordert wird? Und Sie stellen sich hier und in Brüssel hin und sagen: Wir brauchen die NATO. Ich meine, das geht doch einfach nicht, Sie schaden sich nicht nur sel; ber, Sie schaden uns allen, und Sie schaden der Sache der Verteidigung, wenn Sie nicht endlich über diese wichtigsten Fragen in Ihren eigenen Reihen Klarheit und Geschlossenheit herbeiführen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um schließlich einen vierten Punkt zu nennen: Die NATO muß sich auf eine verbindliche und langfristige Strategie verständigen, die auch in Europa das Gleichgewicht der Kräfte als Grundlage ihrer Politik der Verständigungsbereitschaft sichert. Zur Strategie der flexible response gibt es, wir wir alle wissen, keine Alternative; aber diese Strategie muß den veränderten Umständen angepaßt werden. Und das Bündnis insgesamt und besonders die europäischen Staaten — auch darin stimmen wir überein können auf den Dreiklang von konventionellen, taktisch-nuklearen und strategischen Waffen zur Abschreckung und zur Verteidigung nicht verzichten.
Wobei der Gesamtzusammenhang dieser Strategie ebenso wichtig und ebenso unverzichtbar ist, wie die Bedeutung jedes einzelnen dieser Elemente. Keines kann durch ein anderes ersetzt werden. Allerdings hat sich ihre Gewichtigkeit verschoben.
Am dringlichsten ist die Verstärkung der konventionellen Verteidigung. Schlesinger hat es den Europäern in Brüssel ins Stammbuch geschrieben. Er hat ihnen gesagt: Ihr habt in der Vergangenheit eure Verteidigungsetats unter dem Schutz des Atomschirms der Amerikaner anpassen — er meinte: reduzieren — können. Dies ist vorbei, und niemand kann mit einer zukünftigen und dauernden Präsenz der Amerikaner rechnen, wenn die Europäer weiterhin ihre konventionellen Verteidigungsleistungen reduzieren. Die Amerikaner haben es mit Recht satt, mit atomarem Risiko für konventionelle Schwäche in Europa zu bezahlen. Und die nukleare Schwelle wird nicht herabgezogen werden. Auch wir können daran kein Interesse haben. Darum heißt es, alle Mittel darauf konzentrieren, in Europa die konventionelle Verteidigung aufrechtzuerhalten.
Ich glaube, daß man in diesem Licht unseren Antrag wieder aufgreifen muß, das heißt, daß man eben zur Richtschnur seiner Anstrengungen ein Wachstum des Verteidigungsetats machen muß, das sich an dem Durchschnittswachstum des Haushalts orientiert. Ohne Zweifel steht die Bundesrepublik Deutschland in ihren Verteidigungsleistungen besser da als die anderen europäischen Verbündeten. Und, Herr Buchstaller, es wird Sie freuen, was ich jetzt sage, nachdem es schon manchmal Kontroversen im Ausschuß über diese Frage gegeben hat: die Bundeswehr ist insgesamt eine gute und kampfkräftige Armee mit großenteils moderner Bewaffnung. Und dennoch haben auch wir keinen Grund, uns auf die Schultern zu klopfen. Denn auch in der Bundesrepublik Deutschland — Herr Leber, das wissen Sie — geht die Substanz der Verteidigungsleistungen, was den Etat betrifft, allein schon deswegen zurück, weil die Inflationsraten höher sind als die Steigerungsraten. Dies nachzuweisen ist hier nicht die Stunde. Wir sagen noch einmal, jede Minderung der zahlenmäßigen Stärke der Bundeswehr wäre in einer solchen Lage nicht zu verantworten. Das von Ihnen vorgeschlagene Instrument der Verfügungsbereitschaft sollte meinetwegen in Spannungszeiten zur Stärkung der Bundeswehr, aber nicht zu ihrer Reduzierung eingesetzt werden.
Besonders dringlich erscheint uns, wenn ich das in Übereinstimmung mit Ihnen noch sagen darf — Sie haben dazu in Brüssel deutliche Worte gefunden —, die Planung der Standardisierung, Rationalisierung und Spezialisierung im Bündnis auf lange Sicht. Ein konkreter Anstoß wäre hier allerdings fällig. Ich frage: Kann die bestehende Planungsorganisation der Allianz diese Aufgabe kurzfristig lösen? Gibt es eine solche permanente Planungsinstanz, die sich mit den spezifisch europäischen Aspekten der Kooperation der einzelnen europäischen Partner befaßt? Ich erinnere hier an den Vorschlag, den General Steinhoff wiederholt
9594 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. Wörner
gemacht hat und der mir durchaus sinnvoll zu sein scheint. Die Bundesregierung sollte initiativ werden, um im Sinne der von Ihnen geforderten Aktion die NATO-Partner in Europa an die Ergebnisse einer solchen Planung zu binden.
Ehe ich schließe, noch ein kurzes Wort zu den taktisch-nuklearen Waffen. Diese taktisch-nuklearen Waffen stellen als Bindeglied zwischen konventioneller und strategischer Ebene einen unverzichtbaren Bestandteil der Abschreckungslandschaft dar. Ihre Zahl ist sicher kein Dogma. Ihre Modernisierung ist unbestreitbar notwendig. Nur muß jede Veränderung vorher eingehend mit den europäischen Bündnispartnern konsultiert werden, und ihre Zahl muß sich nach rationalen und einverständlichen Kriterien bemessen. Jedenfalls darf eine zahlenmäßige Verringerung auf keinen Fall die Substanz der taktisch-nuklearen Abschreckung in Europa antasten. Bei der Diskussion über eine Einbeziehung dieser taktisch-nuklearen Waffen in die MBFR-Gespräche ist Vorsicht geboten.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Ereignisse der letzten Monate des letzten Jahres und der Zustand der Allianz eines schlagend bewiesen haben, dann dies: wie dringlich die europäische Einigung politisch, wirtschaftlich und auch militärisch ist. Jetzt wäre an sich die Stunde Europas. Jahrelang haben wir gejammert, es fehle eben der Druck, der uns in den Anfangsjahren zusammengeschweißt hat. Nun ist dieser Druck da. Alles hängt jetzt davon ab, ob Europa in dieser Stunde Staatsmänner von Rang und Regierungen findet, die Kraft, die Mut, die Weitsicht genug haben, um die Vision atlantischer Partnerschaft in die Wirklichkeit umzusetzen, jene Vision, die sich auf eine Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den vereinigten Staaten von Europa gründet. Europa — ich sage das ganz klar — ist heute eine Frage an die Führungskraft der Regierungen geworden. Es mag vermessen erscheinen — leider ist es ja so, daß man sich fast dem Verdacht der Lächerlichkeit aussetzt —, angesichts der auch uns bekannten Schwierigkeiten und Hindernisse auf diesem Weg gerade jetzt von der Vereinigung Europas zu sprechen. Aber angesichts großer Herausforderungen — das ist eine Lehre der Geschichte — vermag nur großes Handeln zu bestehen. Die Lage Europas gestattet uns nicht länger kleinkariertes Handeln, kleinkariertes Denken. Vielleicht gibt uns die Krise die Kraft, die wir im europäischen Alltag der letzten Jahre verloren haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713906300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Friedrich.

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0713906400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ministertagung des Nordatlantikrates in Brüssel endete mit einem klaren Bekenntnis zum Bündnis. Darüber hatte der Außenminister zuerst zu berichten. Es ist Sache der Diskussion, die Schwierigkeiten aufzuzeigen, in denen sich das
Bündnis zweifelsfrei befindet. Das Bündnis wird sich — darin stimmen wir mit Ihnen überein, Herr Wörner — in den kommenden Jahren in einer politisch veränderten Landschaft bewähren müssen. Wir wissen nur zu gut, daß in den hochentwickelten Industriestaaten Europas die Verteidigungsfähigkeit auf die Dauer von wirtschaftlicher und sozialer Stabilität abhängig ist, denn Demokratien bedürfen bei ihrer Verteidigung des zustimmenden Volkswillens. Europa wäre ohne die Lösung dieser sozialen und wirtschaftlichen Probleme auf die Dauer nur bedingt verteidigungsfähig. Die großen Probleme, die in Brüssel die NATO bedrängt haben, sind also — dies ist im Kommuniqué betont worden — zuerst wirtschaftliche und soziale Probleme.
Ob man, wenn wir nach den Ursachen fragen, mit Ihnen, Herr Wörner, in der Analyse übereinstimmen kann, wage ich zu bezweifeln. Wir müssen es als eine Tatsache hinnehmen, daß eine große Zahl von Bündnispartnern in den letzten Jahren gemeint hat, sie brauchten in den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs notwendige soziale Reformen nicht durchzuführen. Heute ist es so, daß zu diesen fehlenden sozialen Reformen die wirtschaftliche Krise hinzukommt. Dies führt zur politischen Instabilität. Insofern stellt sich die Frage, wie man Gesellschaftspolitik betreibt, um Verteidigungspolitik betreiben zu können. Am besten haben doch die Beispiele von Portugal — und nicht wenige von Ihnen sind ja gern nach Portugal gereist — und von Griechenland — und nicht wenige von Ihnen sind gern nach Griechenland gereist — bewiesen, daß die fehlende demokratische Struktur und die fehlende soziale Struktur unsere Sicherheit gefährden. Nur bei Vorhandensein dieser Strukturen kann unsere Sicherheit garantiert werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Gerade deshalb begrüßen wir die Rückkehr Griechenlands zur Demokratie und den Willen Portugals, zur Demokratie zu kommen. Wir begreifen, daß ein Land, das 50 Jahre unter einer sich abendländisch verstehenden Diktatur gelebt hat, dabei größere Schwierigkeiten hat als wir nach zwölf Jahren Diktatur.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir haben davon auszugehen, daß die Verteidigungsfähigkeit Europas eng mit einer Lösung der sozialen und der wirtschaftlichen Probleme verknüpft ist. Dies sehen und bejahen heißt, sich auf drei nüchterne Wahrhei ten einzustellen:
1. Das Bündnis erwarten in Europa mehrere Jahre der politischen Instablilität, vor allem im Mittelmeerraum.
2. In dieser Phase darf sich Europa nicht der Panik und der Dynamik der Angst ausliefern. Wir müssen diese Zeit als notwendigen Abschnitt der inneren Erneuerung unserer Demokratien begreifen, denn Europas Einigung ist nur mit wirtschaftlich und sozial gefestigten Demokratien erreichbar. Hier ist entscheidend, ob es in diesem Bündnis Staaten gibt, die für soziale und wirtschaftliche Re- formen ein Beispiel geben können. Dies ist mit eine
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9595
Friedrich
Ursache dafür, daß man heute in Europa auf die Bundesrepublik blickt.
3. In dieser Phase der politischen, der sozialen und der wirtschaftlichen Instabilität hat die Frage der äußeren Sicherheit, der Verteidigungsfähigkeit unter den politischen Prioritäten einen sehr hohen Rang. Hier stimmen wir in diesem Hause überein; denn der Verlust der Balance der Macht würde für unsere Völker mehr bedeuten als Verlust an Lebensstandard.
Wir begrüßen, Herr Außenminister, daß in Brüssel der Zusammenhang vor allem dieser Probleme erkannt worden ist, und wir begrüßen auch die im Kommuniqué zum Ausdruck gebrachte Entschlossenheit, für die Verteidigungsfähigkeit die erforderlichen Opfer zu bringen. Es ist kein Zufall, wenn in der gegenwärtigen Situation unsere Bündnispartner in der Bundesrepublik den nach den USA stärksten Garanten der Sicherheit im Bündnis sehen. Die Bundesrepublik handelt sicher richtig, wenn sie nicht danach strebt, eine Führungsrolle zu übernehmen. Wir werden uns aber auf der anderen Seite einer besonders wichtigen stabilisierenden Rolle im Bündnis nicht entziehen können. Brüssel hat vor allem bestätigt, daß diese sozialliberale Koalition in ihrer Verbindung von wirtschaftlicher Stabilität, sozialer Sicherheit, innerer und äußerer Sicherheit — dieser Vierklang ist notwendig — auf dem richtigen Wege ist. Gerade in diesem Zusammenhang sind Sie von der Opposition her eben nicht kritikfähig.
In der Regierungserklärung der Regierung Schmidt/Genscher steht:
Das Atlantische Bündnis bleibt die elementare Grundlage unserer Sicherheit, und es bleibt der notwendige ... Rahmen für unsere Bemühungen um Entspannung in der Welt.
Wenn ich das Kommuniqué von Brüssel, Herr Außenminister, sorgfältig lese, stelle ich fest, daß Punkt 2, der fundamentale Punkt des Kommuniqués, genau diese Position enthält. Herr Wörner, Sie werden sich mit Reden aus den früheren Jahren nicht an der Tatsache vorbeischleichen können, daß Sie zu den fundamentalen Positionen unseres wichtigsten Bündnispartners kein Verhältnis haben.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Das ist auf deutsch Tinnef, was Sie da sagen!)

Ich darf diesen zweiten Punkt einmal zitieren:
Die Minister prüften die Entwicklungen in den Ost-West-Beziehungen. Sie nahmen Kenntnis von den Fortschritten, die — wenn auch auf ungleiche Weise — in den letzten sechs Monaten in Richtung auf die Entspannung erzielt worden sind. Sie erklärten ihre Bereitschaft, ihre Anstrengungen fortzusetzen, um in ihren Verhandlungen und Kontakten mit der Sowjetunion und den übrigen Ländern des Warschauer Paktes, die das Ziel verfolgen, das Ost-West-Verhältnis stetig zu verbessern, Fortschritte zu erzielen.
Dies ist der Wille des Bündnisses. —
Indem sie jedoch das Anwachsen der militärischen Stärke des Warschauer Paktes zur Kenntnis nahmen und die Tatsache berücksichtigen, daß Sicherheit die Voraussetzung für die Entspannungspolitik ist, brachten sie ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, ihre eigene, auf Verteidigung ausgerichtete militärische Stärke aufrechtzuerhalten.
Sie haben sich um den fundamentalen Punkt des Kommuniqués einfach herumgeredet. Insoweit wären Sie heute als Regierungspartner nicht bündnisfähig, wenn Sie sich dieser Position nicht anschließen können.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Wörner [CDU/ CSU] : Also von der Regierungsunfähigkeit nun auch noch zur Bündnisunfähigkeit! Das ist doch parteipolitischer Käse!)

Insoweit von einem Irrweg zu reden, Herr Wörner, und hier so zu tun, als ob wir den Etat in Großbritannien, in den Niederlanden, in Belgien und in Dänemark beschließen könnten, dies kann nur eine Opposition tun, die jahrelang internationale Politik aus parteipolitischem Interesse betrieben und nicht die Notwendigkeit beachtet hat, daß man in der internationalen Politik auch die Interessen und die Möglichkeiten der anderen berücksichtigen muß.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Hupka [CDU/CSU])

Sie sagen immer: erst dann, erst dann, erst dann! Und nachher — das werden wir vielleicht heute nachmittag in der Aktuellen Stunde hören — sagen Sie: zuwenig, zuwenig, zuwenig! Sie sind hier nicht weit von Herrn Filbinger entfernt

(Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich!)

der als Ministerpräsident im Bundesrat den Grundlagenvertrag abgelehnt hat, aber sich zur Imagepflege gerne mit den Ergebnissen des Grundlagenvertrages fotografieren läßt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : Daß die Leute in Gefangenschaft sind, ist das ein Ergebnis des Grundvertrages?)

Im Grunde genommen leidet die Opposition an einem Knochensyndrom. Sie haben 15 Jahre in der Entspannungs- und Sicherheitspolitik, Herr Marx, immer nur einen Knochen gehabt: es war nichts da! Jetzt, wo die Dinge auf dem Weg sind und etwas Fleisch da ist, sagen Sie: Uns ist zuwenig Fleisch da, zuwenig Fleisch, zuwenig Fleisch!

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Wägen Sie Ihre Worte genau!)

Sie müssen endlich Ihr Knochensyndrom aus der Zeit des Kalten Krieges überwinden.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Legen Sie Ihre kümmerliche Wortwahl ab! — Dr. Hupka [CDU/ CSU] : Kleinkariert!)

Darum müssen Sie sich bemühen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

9596 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Friedrich
Die USA sind es, die in erster Linie mit uns nach Abmachungen streben, die die Gefahr der Konfrontation vermindern, ohne daß eine Seite einseitige Vorteile erzielt. Dies ist doch der Kernpunkt der Entspannung. Dabei ist sowohl den USA als auch der Bundesrepublik Entspannung keine militärische Einbahnstraße. Wie stark sich die Vereinigten Staaten heute darum bemühen,, durch ein Netz von Verträgen auf allen Gebieten der Politik diese militärische Entspannung zu begleiten, erkennt man daran, daß seit 1933, dem Jahr der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, beide Staaten gut 100 Verträge abgeschlossen haben. Allein seit 1971 sind fast 50 Verträge abgeschlossen worden. Sie haben überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, was sich heute in der Welt zwischen den USA und der Sowjetunion in den Fragen der Entspannung und der Normalisierung der Beziehungen tut.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wie wollen Sie das im Bündnis aufrechterhalten, wenn Sie meinen, wir könnten als Insel des Kalten Krieges in Europa überleben?

(Dr. Wörner [CDU/CSU] : So ein Quatsch!)

Es geht auch nicht um ideologische Annäherung. Herr Wörner, wenn Sie aus irgendeinem Buch Kollegen zitieren, — na, das sind junge Menschen, die auf dem Wege sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Wörner [CDU/CSU])

Wenn der Kanzlerkandidat in spe Strauß von einer „Operettenarmee" spricht: ist das eine Bagatellfrage?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Entspannung ist für uns nicht Schwäche oder Beschwichtigungspolitik, weil wir zu keiner Stunde einer einseitigen Abrüstung das Wort geredet haben. Wir werden es nicht zulassen, daß sich das Gleichgewicht der Kräfte verschiebt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Etwa aufstocken!)

Die Union tut sich noch immer schwer, diesen Weg der Entspannung zu akzeptieren, und wer eines Beweises bedurfte, der brauchte Ihnen, Herr Kollege Wörner, nur zuzuhören.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Vor allem müssen wir sehen, das SALT, KSZE, MBFR nicht die Preisgabe der NATO sind, sondern Elemente eines neuen Sicherheitssystems, die sich langsam entwickeln. Hier stimmen wir mit unseren Partnern völlig überein, und wir sind auch entschlossen, unsere Position nicht leichtfertig, gerade in Sicherheitsfragen, preiszugeben. Diese Konferenzen sind Teile eines notwendigen Systems von Ost-West-Verhandlungen. Sie sind Teile einer Schritt-um-Schritt-Politik; anders ist Entspannung überhaupt nicht möglich.
Davon ausgehend wissen wir, daß Europa mit konventionellen Waffen allein nicht verteidigt werden kann. Wir bedürfen des taktisch-nuklearen und auch des strategischen Schutzes. Das sind für uns bei den Verhandlungen über MBFR unverzichtbare Ausgangspositionen. MBFR muß langfristig gesehen
werden, und wir müssen MBFR aus der Einigkeit des Bündnisses heraus angehen.
Wer die Situation — und wir wollen uns kritischen Situationen durchaus stellen — bei den MBFR-Verhandlungen am Anfang und heute vergleicht, der kann nicht verschweigen, daß der Westen durch ökonomische Einsparungen in den nationalen Budgets bereits eine gewisse Reduzierung vorgenommen hat. Es wäre ein schlechter Zug, und die Entspannungspolitik würde unglaubwürdig werden, könnte der Eindruck entstehen, daß die Sowjetunion meint, warten zu können, weil sich die Verteidigung des Westens ohnehin reduziert. Das würde Entspannung unglaubwürdig machen, und deshalb erwarten wir, daß bald ein Fortschritt bei MBFR erfolgt.
Was ist denn die Alternative der Union, zu dieser Entspannungspolitik? Der Ministerrat, Herr Wörner, hat das Ergebnis von Wladiwostok ausdrücklich als Chance begrüßt. Sie haben in Ihrem Aufsatz über die sowjetisch-amerikanischen Beziehungen festgestellt, daß dieser Bilateralismus negative Folgen für das Bündnis habe, und Sie befürchten, daß sich die USA von Europa entfernen. Ich frage mich nur, nachdem ja in jeder Zeitung zu lesen ist, daß Herr Strauß Kanzlerkandidat werden soll, wer nun die Richtung in der Union bestimmt. Wer ist denn zuständig für Sicherheitsfragen, Sie, Herr Wörner, oder Herr Strauß?

(Zuruf des Abg. Dr. Hupka [CDU/CSU])

Unlängst sind Sie hier ans Pult getreten und haben sich von einer Erklärung des CSU-Vorsitzenden Strauß distanziert. Sie sagten: Wollen wir doch das mit dem Bündnis gemeinsam halten. Aber ich nehme an, Herrn Strauß hat das — —

(Abg. Dr. Wörner [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Lassen Sie mich ausreden, dann können Sie gleich noch eine Frage stellen, weil ich mich nochmals auf Sie beziehen muß. Nachdem Sie hier gesprochen hatten, Herr Wörner, hat der „Bayernkurier", Herausgeber Franz Josef Strauß

(Dr. Hupka [CDU/CSU] : Schleichwerbung!)

— das ist eine Zeitung, die man niedriger hängen muß, damit jeder weiß, welches Niveau sie hat, Herr Hupka —, einen Artikel veröffentlicht: „Stärkung der NATO durch Teilen". Da heißt es wörtlich — Herr Präsident, wenn ich die CSU-Zeitung zitieren darf —:

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

Die Gralshüter der reinen NATO-Idee, wie sie nicht einmal vor 25 Jahren in der Gründerzeit ganz realistisch war, verdächtigen die Thesen des Franz Josef Strauß über eine Zweiteilung der Destruktion. Derlei NATO-Pathos
— „NATO-Pathos", Herr Wörner! —
aus der Mottenkiste gibt sich mit Bekundungen und Beschwörungen zufrieden. Es hängt dem Irrglauben an, daß ein mühsam zusammengefügtes Kommuniqué genügt, den inneren Halt
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9597
Friedrich
zu garantieren. Gerade an eine NATO der pathetischen Deklaration will Franz Josef Strauß nicht glauben. In 15 Jahren hat sie die Kluft zwischen amerikanischen Absichten und den europäischen Bedürfnissen nicht zu überbrücken vermocht ... Schlesingers öffentlicher Ausspruch,
— und Sie haben ja nun von Schlesinger gerade gesprochen —
daß den Deutschen eine Führungsrolle im Bündnis zukommt, war nicht ohne zynische Demagogie.

(Hört! Hört! bei der SPD)

So der „Bayernkurier".
Dieser Köder ist verbunden mit einer ernsthaften Entfremdung mit Frankreich. Mit der verbalen Aufwertung der deutschen Militärmacht will der US-Verteidigungsminister zusätzliche Bewegung in das marode Bündnis bringen. Das amerikanische Kalkül geht dahin, mit dem Lob für Bonn die Deutschenfurcht bei den kleineren Partnern zu wecken, die ihre Verteidigungsbudgets einzuschränken gedenken.

(Zuruf des Abg. Dr. Hupka [CDU/CSU])

— Ihnen ist es unerträglich, daß man den „Bayernkurier" hier zitiert.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich bin auch der Meinung, ich sollte Schluß machen.

(Abg. Dr. Wörner [CDU/CSU] meldet sich erneut zu einer Zwischenfrage)

— Herr Wörner, Sie müssen mich die Sache zu Ende führen lassen.
Wenn, um dies politisch zu untermauern, Herr Strauß in Frankreich mit der Seidel-Stiftung Komitees gründet, mit ihm als Präsidenten und einigen Spätgaullisten, darunter Herrn Otto von Habsburg als einen der führenden Leute, um diese neue Ara einzuläuten, dann kann ich Ihnen nur sagen: Über eine solche Vorstellung wird die Geschichte genauso hinweggehen, wie sie über jene hinweggegangen ist, die in Portugal ein Beispiel für das Abendland errichten wollten.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist doch nicht der Weg Europas in die Zukunft. Hier möchte ich ein weiteres Zitat bringen: Ihr Versuch, die NATO hier zweizuteilen, schlägt Gott sei Dank in Frankreich selbst fehl. Raymond Aron, der kein unwichtiger Mann ist, hat zum Ergebnis von Martinique erklärt — wenn ich zitieren darf —:
Das Ergebnis des Martinique-Treffens ist hervorragend, doch war es vorhersehbar, und es ist von einem doppelten Aspekt gekennzeichnet: erstens der Aspekt der persönlichen Beziehungen, die nun entspannter wurden, und zweitens das formelle Problem, das Frankreich und die USA trennte. Man erreichte einen Kompromiß, der im übrigen teilweise im voraus durch den deutschen Bundeskanzler Schmidt vorbereitet worden war ... Das Ergebnis des Martinique-Treffens scheint mir wichtig zu sein;
denn in erster Linie sind wir (Franzosen) Mitglieder der Atlantischen Allianz.
Die Zeit des Spätgaullismus, Herr Wörner, ist zu Ende; sagen Sie das einmal Ihrem Kanzlerkandidaten Strauß.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713906500
Herr Abgeordneter, es haben sich inzwischen drei Abgeordnete gemeldet, die Sie mit Zwischenfragen erfreuen wollen, als erster Herr Abgeordneter Dr. Wörner. Sind Sie bereit?

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0713906600
Ja, natürlich!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713906700
Herr Abgeordneter Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0713906800
Herr Kollege Friedrich, ich möchte Ihr bayerisches Trauma, das ja verständlich ist, nicht unterbrechen. Ich habe lediglich die Frage, weil Sie schon etwas von mir zitiert haben, und zwar völlig verdreht, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls im Protokoll des Deutschen Bundestages nachzulesen, daß ich bei dieser Intervention, auf die übrigens dann der Herr Kollege Mischnick geantwortet hat, nichts anderes getan habe, als die Frage an Sie und an die FDP zu richten, ob die von Herrn Strauß vertretene Überzeugung, daß atlantische Partnerschaft auf zwei Säulen ruhe, nicht das gleiche ist, was Kissinger, was Präsident Kennedy, was Amerikaner und Deutsche und was Bundesregierungen, auch der SPD, nun seit Jahren fordern.

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0713906900
Herr Wörner, was Herr Strauß in seiner Zeitung nach Ihrer Erklärung hier hat schreiben lassen, zeugt von einer anderen geistigen Auffassung. Dies können Sie doch einfach nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Antworten!)

Es wäre für uns wichtig, zu erfahren, welche Verteidigungskonzeption und Sicherheitskonzeption sie als CDU/CSU haben; die des Herrn Strauß oder die des Herrn Wörner. Das ist das Problem.

(Beifall bei der SPD)

Allein die Worte „Teilung der NATO" müssen doch die Isolationisten in den USA beflügeln. Hier wird doch das Bündnis auseinandergerissen in einer Zeit, in der Geschlossenheit am dringensten notwendig wäre.

(Beifall bei der SPD)

Frankreichs Staatspräsident hat dies in Martinique begriffen, und wir begrüßen das.

(Damm [CDU/CSU] : Sie sollten sich mehr um die Jusos kümmern als um die NATO!)

Ich möchte noch etwas zur Bundeswehr sagen — —
9598 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713907000
Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, weitere Zwischenfragen entgegenzunehmen?

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0713907100
Nein, danke schön. Ich möchte weiterreden. Wenn Sie nicht weiterwissen, dann kommt bei Ihnen immer das Stichwort Jusos.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das ist Ihr letzter Strohhalm. Eigentlich sind Sie nur dank der Jusos oppositionsfähig, offensichtlich, nur dank der Jusos;

(Heiterkeit bei der SPD) sonst ist nichts da.


(Glocke des Präsidenten)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713907200
Herr Abgeordneter Friedrich, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0713907300
Nein, ich möchte jetzt weitersprechen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713907400
Keine Zwischenfragen. Ich bitte die Herren, wieder Platz zu nehmen.

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0713907500
Ich komme mit meiner Zeit
sonst nicht mehr aus ich bitte um Verständnis.

(Damm [CDU/CSU] : Die Minuten werden doch abgezogen!)

Die Bundeswehr befindet sich in einem guten Zustand Herr Wörner, Sie haben dies ja auch hier über mehrere Passagen hin bestätigt —, weil, seitdem die sozialliberale Koalition regiert,

(Lachen bei der CDU/CSU)

die Bundeswehr über Jahre skandalfrei geblieben ist, weil unter dem Verteidigungsminister Schmidt eine moderne Reform eingeleitet worden ist und weil sich die Bundeswehr unter dem Verteidigungsminister Leber konsolidieren konnte.

(van Delden [CDU/CSU] : Auf wen kann sich denn Leber im Verteidigungsausschuß verlassen, auf Sie oder auf uns? — Rawe [CDU/CSU] : Leber bringt es doch nur zu etwas, weil er sich auf uns verlassen kann! Wer trägt denn Leber außer uns?)

Dies ist eine Leistung, und insoweit können Sie heute zustimmen. Sie haben ja Herrn Weinstein zitiert. Ich hätte ihn nicht zitiert, jetzt will ich es. Herr Weinstein hat vor zehn Tagen — lesen Sie es nach auf der ersten Seite der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" — geschrieben: Die Bundeswehr war noch nie in einem so guten Zustand wie jetzt.

(Dr. Wörner [CDU/CSU] : Herr Kollege Friedrich, von der Bundeswehr verstehen Sie nicht allzuviel!)

Wir begrüßen, daß in Brüssel in der Frage Berlins volle Übereinstimmung erzielt worden ist. Wir wissen auch, daß allein schon der Gedanke der Teilung der NATO die Situation Berlins gefährden müßte. Das muß hier hinzugefügt werden. Das rasche Ab-
flauen des Streits um das Umweltamt beweist, daß die Sowjetunion den Berlin-Vertrag nicht gefährden will.
Eine außenpolitische Diskussion kann an der Situation im Nahen Osten nicht vorbeigehen. Dieser Konflikt ist längst nicht mehr ein nur regionaler Konflikt. Kommt es nicht bald zu einer friedlichen Lösung, dann kann die mögliche Katastrophe uns mit erfassen. Wir sind hier nicht Zuschauer im Logenplatz Europas.
Der israelische Staat sieht seine Existenz bedroht, vor allem auch deshalb, weil heute zu sehen ist, daß auch bei militärischen Erfolgen Israel allein aus ökonomischen Gründen einen ständigen Spannungszustand nicht ertragen kann. Die PLO ist zweifelsfrei durch die Entscheidung von Rabat und durch Arafats Auftreten vor den Vereinten Nationen heute als politischer Faktor vorhanden, auch anerkannt. Nur, sie ist ein für uns noch unberechenbarer Faktor, und wir wissen nicht, ob sie in diesem gefährlichen Spannungsraum ihrer Verantwortung gerecht werden kann, ob sie jene Reife erreicht hat, die ein Partner heute haben muß.
Die Bundesregierung hat in der Debatte der Vereinten Nationen durch die Rede des Botschafters von Wechmar versucht, dieser neuen Situation gerecht zu werden. Dabei räume ich ein, Herr Außenminister, daß, wenn man im Einvernehmen inil den Neun handelt und manche Positionen sieht, bestimmte Einzelpositionen aus unserer deutschen Situation heraus nicht so deutlich werden können. Wenn wir also dieses Einvernehmen mit den Neun bejahen, ist es, meine ich, Sache des Parlaments, auch einzelner Parlamentarier — ich möchte sogar sagen: es muß ihre Pflicht sein —, bestimmte Dinge zu klären und zu erkunden. Ich möchte in diesem Zusammenhang vier Positionen ganz klar herausstellen.
Erstens. Soweit es um Israel geht, kann Europa, kann vor allem Deutschland der Zukunft Israels nicht gleichgültig gegenüberstehen. Das jüdische Schicksal — von Dreyfus bis Auschwitz — legt Europa eine große Verpflichtung auf, die nicht nur eine moralische, sondern auch eine politische ist. Ich sage dies im Wissen darum, daß dies für uns sehr schwerwiegen kann. Aber würden wir Israel in einem Konflikt seiner möglichen Auslöschung überlassen, würden wir in unserem eigenen humanistischen Selbstverständnis fragwürdig werden müssen.

(Beifall)

Zweitens. Die Bundesrepublik Deutschland hat ein traditionell gutes Verhältnis zu den Arabern und zu den arabischen Staaten, und wir wollen nicht, daß es über dem Israel-Konflikt zerbricht. Wir wissen, daß die Palästinenser-Frage heute eine Frage ist, die politisch gelöst werden muß und nicht allein karitativ gelöst werden kann.
Drittens. Ein Konflikt im Nahen Osten entscheidet möglicherweise über unsere wirtschaftliche Existenz. Denn mehr als die USA sind die europäischen Industriestaaten ohne die Energie des Nahen Ostens nicht lebensfähig. Deshalb haben wir an einer end-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9599
Friedrich
gültigen Friedensregelung ein vitales Interesse. Aus Existenzgründen Europas kann für uns der Nahe Osten nicht nur ein den Großmächten vorbehaltener Raum sein.
Viertens. Wer von einem Lebensrecht der Palästinenser in einem Staat spricht, kann nicht mehr nur noch von einer politischen Garantie für die Existenz des Staates Israel sprechen. Eine glaubwürdige Sicherheitsgarantie der Grenzen ist notwendig. Sicherheitsgarantie heißt militärische Garantie, und sie kann heute, so, wie der Zustand der Vereinten Nationen ist, nicht mehr von den Vereinten Nationen glaubwürdig gegeben werden. Das heißt, hier — und man wird anfangen müssen, darüber zu sprechen — sind die Großmächte gefordert, und hier ist möglicherweise auch Europa gefordert.
Vor diesem Hintergrund sehen und beurteilen wir die Reise des CDU-Abgeordneten Dr. Schröder. Wir haben zur Sache gestern kein Wort gesagt. Wir waren nur überrascht. Ich habe gestern früh Herrn Stücklen in seiner ganzen Vitalität gehört. Da habe ich immer gedacht: Jetzt ist der Kollege Schröder einer wie ein Sozialdemokrat vor zwei Jahren bei den Ost-Verträgen.
Da wird sichtbar, in welche Schwierigkeiten Sie kommen, wenn Sie bestimmte Dinge nur aus parteipolitischem Interesse heraus behandeln. Ich will das nicht der CDU und nicht Ihnen, die Sie den Kopf schütteln, unterstellen, aber lesen Sie doch bitte einmal nach — das ist doch möglich , was Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender gestern morgen gesagt hat.
Die Union ist ein wenig in Schwierigkeiten gekommen. Sie werden sich eben doch daran gewöhnen müssen, daß man Außenpolitik, vor allem in so schwierigen Situationen, nicht nur unter parteipolitischen Interessen behandeln kann. Sie sind vielleicht auf dem Weg. Die Regierung ist durch die Stärke der Koalitionsfraktionen in der Außenpolitik handlungsfähig.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0713907600
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID0713907700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir über den Nordatlantischen Verteidigungspakt sprechen, dann befassen wir uns mit einem der wesentlichsten Probleme in der Aufrechterhaltung jener freiheitlichen Grundordnungen, nach denen die in diesem Pakt zusammengeschlossenen Staaten ihre innere Ordnung gestaltet haben.
Damit sind wir an einem der ganz entscheidenden Punkte für die Politik innerhalb der westlichen Welt und die Bewahrung jener Werte, von denen ich eingangs andeutend gesprochen habe. Nur, Herr Wörner: Wenn hier vorhin in Ihren Ausführungen davon die Rede war, der Bundesaußenminister habe einen bei Konferenzen üblichen Zweckoptimismus angewandt, dann frage ich mich, Herr Wörner, ob Sie nicht genau das Gegenteil tun, nämlich den
Pessimismus zum Stil der politischen Auseinandersetzung zu machen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich will versuchen, das an einigen Beispielen aus Ihren eigenen Ausführungen zu belegen.
Sie haben zunächst einmal zitiert falsch zitiert
— aus den Ausführungen des Bundesaußenministers, indem Sie gesagt haben, der Bundesaußenminister habe hier erklärt, daß sich das Bündnis in einer guten Verfassung befindet. Ich darf Sie daran erinnern, daß der volle Wortlaut dieses Satzes lautet:
Das offenbart, daß sich das Bündnis bei
allen Schwierigkeiten politisch in einer
guten Verfassung befindet.
Das, so meine ich, ist gerade eine exakte Darstellung der Situation, in der sich das Bündnis befindet.

(Damm [CDU/CSU] : Nein!)

Das sollte nicht aus der Welt geredet und durch unvollständige Zitate als Zweckoptimismus bezeichnet werden.

(V o r s i tz : Vizepräsident Frau Funcke)

Sie haben weiter mit einer sehr leichten Formulierung gesagt, Griechenland sei aus dem Atlantikpakt ausgetreten — Punkt. Meine Damen und Herren, wenn wir die tatsächliche Situation Griechenlands ins Auge fassen, können wir nicht sagen, Griechenland sei aus dem Atlantikpakt ausgetreten. Zum NATO-Bündnis gehört auch der Atlantikrat. Ich brauche Ihnen, Herr Wörner, ja wohl nicht zu sagen, daß Griechenland nach wie vor an den Debatten dieses Paktes teilnimmt und daß die Frage eines endgültigen Austritts zumindest noch offen ist. Deswegen wehre ich mich gegen solche Darstellungen, die die Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft des Atlantischen Bündnisses in einer Weise in Frage stellen, die politisch von uns allen aus gesehen nicht gut und nicht wünschenswert sein kann.
Wenn Sie dann eine Reihe von negativen Aspekten in anderen Partnerländern aufgeführt haben, dann würde ich doch auch gerne einmal nüchtern dagegengestellt sehen, was gerade in einer solchen Aufzählung von negativen Aspekten gleichzeitig an Lob für die Bundesregierung und ihre Verteidigungspolitik in diesen letzten sechs Jahren enthalten ist.

(Beifall bei der FDP)

Es ist doch nicht so, daß man das einfach aus der Welt reden kann. Fragen Sie doch einmal die anderen Mitglieder des Paktes und lesen Sie auch die jüngsten Presseveröffentlichungen über die NATO-Tagung in Brüssel, was über den Zustand der Bundeswehr und über die Bereitschaft der Bundesrepublik unter dieser sozialliberalen Koalition zur Leistung ihres Verteidigungsbeitrages gesagt worden ist.
Das schaffen Sie, Herr Wörner, auch damit nicht aus der Welt, daß Sie einzelne Abgeordnete dieses Hauses zitieren und meinen, Sie könnten mit solchen Zitaten darauf hinweisen, daß diese Regierung —
9600 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Ronneburger
weder nach außen noch nach innen — nicht in der Lage sei, von ihrer festen Absicht zu überzeugen, vollgültiges und voll wirksames Mitglied dieses Verteidigungspaktes zu bleiben.
Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang einen Fehler nachweisen. Sie haben aus meiner Fraktion den Abgeordneten Möllemann zitiert und gesagt, er habe eine Erklärung unterschrieben, die auf die Auflösung der NATO abziele. Ich sage Ihnen dagegen: Es gibt eine Erklärung des Abgeordneten Möllemann, daß er nach sorgfältiger Prüfung nachträglich eingereichter Unterlagen seine Teilnahme an dem Kongreß für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit zurückziehe, und zwar, weil er nicht glaube, Herr Wörner, daß der Kongreß den Zielsetzungen der Friedenssicherung und Abrüstung in dem Sinne diene, wie er sie als liberaler Abgeordneter im Bundestag unterstütze.

(Dr. Wörner [CDU/CSU]: 7. Dezember 1974! Hier können Sie es nachlesen!)

— Aber würden Sie bereit sein, Herr Wörner, mir abzunehmen, daß Herr Möllemann diese seine Bereitschaft zur Teilnahme an diesem Kongreß und damit auch seine Unterschrift unter diesen Aufruf zurückgezogen hat?
Aber das alles sind ja gar nicht die entscheidenden Fragen. Die entscheidende Frage ist doch die, ob diese Koalition, ob diese Bundesregierung eine Verteidigungs- und Entspannungspolitik betrieben haben, die ihrer Aufgabe auch im Atlantischen Bündnis gerecht geworden ist. Das ist nun schlechterdings nicht zu bestreiten; das ist eine Tatsache, die von allen unseren Verbündeten anerkannt wird. Ich meine, auch die Opposition dieses Hauses sollte bereit sein, das in einer solchen Situation einmal nachdrücklich zuzugestehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Wörner [CDU/CSU] : Herr Ronneburger, darf ich Sie einmal, ohne Sie verletzen zu wollen, fragen, ob Sie eigentlich nicht nur körperlich, sondern auch sonst präsent waren? Sie müssen an meiner Rede vorbeigehört haben!)

— Herr Kollege, ich habe Ihre Ausführungen sehr genau gehört, die nämlich an bestimmten Punkten widersprüchlich, an bestimmten Punkten ein Zugeständnis waren an die Politik dieser Regierung, die Sie aber, Herr Wörner, an anderen wie an dem eben zitierten Punkt — Punkten dann wieder zurückgenommen haben. Seien Sie einmal so ehrlich und lesen Sie Ihre Ausführungen noch einmal nach, um das selbst feststellen zu können.
Ich meine, daß die jüngste Tagung des NATO-Rates in Brüssel drei ganz bestimmte Aspekte ergeben hat, die ich für wesentlich halte: die Betonung der Verteidigungsbereitschaft; das Bekenntnis zu den Leistungen, die die Verteidigungsfähigkeit ermöglichen; aber auch das Bezugnehmen auf Dinge, die die Verteidigungswürdigkeit jener Werte enthalten, zu deren Verteidigung sich dieses Bündnis zusammengefunden hat.
Wenn ich von der Verteidigungsbereitschaft spreche, dann meine ich, ist es auch eine falsche Darstellung der Situation, Herr Wörner, wenn Sie versuchen, den ersten Abschnitt des Kommuniques negativ auszudeuten, nämlich die Formulierung — wie es dort heißt : „stellten die Minister mit Befriedigung fest"; nämlich die Bereitschaft, an diesem Bündnis festzuhalten, wie das in der Erklärung von Ottawa feierlich zum Ausdruck gebracht wurde. Ich meine, es ist doch keine negative Erklärung, wenn das mit Befriedigung festgestellt wird. Es ist ja zwischen uns unbestritten und soll auch gar nicht aus der Welt gebracht werden, daß es vor der Tagung von Brüssel gewisse Äußerungen und offenbar nicht unbegründete — Befürchtungen gegeben hat, daß sich diese Feststellung nicht würde so treffen lassen, wie das nun tatsächlich möglich gewesen ist. Ich halte es nicht für negativ, sondern ich halte es für positiv, daß das erreicht worden ist.
Wenn ich die gesamte Entwicklung im Bündnis und übrigens auch in der Europäischen Gemeinschaft einmal ins Auge zu fassen versuche, dann läßt sich doch wohl in beiden Bereichen eine parallele Entwicklung feststellen, nämlich größere Schritte in der Richtung auf eine politische Union, größere Schritte in der Abstimmung politischer Zielsetzungen, sowohl z. B. in Genf bei der KSZE, von Helsinki bis nach Genf hin, wie auch in Wien bei der MBFR. Herr Wörner, wir sind in Europa von der Reihenfolge ausgegangen: vom wirtschaftlichen Zusammenschluß hin zur politischen Union. Ich glaube, wir können heute feststellen, daß es größere Schwierigkeiten bereitet, die wirtschaftliche Übereinstimmung zu finden, als zu jener politischen Übereinstimmung zu kommen, über die wir uns heute hier unterhalten. Hier von einer Erosion des Bündnisses zu sprechen, halte ich für absolut verfehlt. Für diese größere Möglichkeit politischer Gemeinsamkeiten war ja nun wohl zweifellos auch die Ost- und Deutschlandpolitik, die auf Entspannung gerichtete Politik dieser Koalition eine der notwendigen Voraussetzungen.
In Brüssel ist es nun zu diesem Bekenntnis zum Bündnis, zur Aufrechterhaltung der militärischen Stärke gekommen. Ich möchte die Opposition fragen, ob eigentlich die Bundesregierung die richtige Adresse für die Frage ist, warum ein solches Bekenntnis nicht früher erfolgt sei. Denn die Bundesregierung hat dieses Bekenntnis nicht nur verbal, sondern auch mit ihrer Verteidigungspolitik in diesen ganzen Jahren unter Beweis gestellt.
In Brüssel ist, meine ich, eindeutig festzustellen gewesen: Die Verteidigungsbereitschaft des Bündnisses ist offenbar größer, als manche innerhalb und außerhalb dieses Hauses geglaubt haben. Aber auch die Verteidigungsfähigkeit findet eine neue Dimension, und zwar in dem Einschließen — entgegen allen möglichen Befürchtungen der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Voraussetzungen sozialer Stabilität, wirtschaftlicher Stabilität, einer gemeinsamen Energiepolitik. Ich glaube, daß gerade auch die Betonung der sozialen Komponente, der Frage nach einer sozialen Gerechtigkeit in einer freiheitlichen Ordnung, mit zu den wesentlichen Grundlagen dieses Bündnisses gehört.
Herr Wörner, man kann natürlich Forderungen stellen. Aber das eine sage ich Ihnen: Dieses Bünd-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9601
Ronneburger
nis, der Nordatlantische Verteidigungspakt, ist über die rein militärische Dimension bereits weit hinausgewachsen gewesen, ehe Sie heute morgen die Forderung danach erhoben haben. Dies ist nicht mehr ein rein militärisches Bündnis, sondern das ist ein Bündnis, das sich schon lange auf die Gesamtverteidigung unserer westlichen Welt in allen ihren Dimensionen ausgedehnt hat.
Natürlich ist es richtig, daß wir uns keine Illusionen über die Schwierigkeiten, gerade auf wirtschaftlichem Gebiet, machen sollten, denen sich die einzelnen Partnerstaaten gegenübersehen, und daß wir verhindern müssen, daß sich aus diesen Schwierigkeiten etwa ein Rückgang der Verteidigungsleistungen, der Verteidigungsbereitschaft ergibt. Hier ist — ich sage das in voller Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesaußenminister die Allianz als Initiator gemeinsamer Bemühungen im Bereich der wirtschaftlichen Konsolidierung nicht zur Erarbeitung einzelner wirtschaftlicher Lösungen — gefragt. Aber dieser Nachdruck, der von dem Verteidigungsbündnis ausgeht, sollte nicht unterschätzt werden. Ich meine, daß gerade auch auf diesem Gebiet die seit der atlantischen Deklaration von Ottawa erfolgten Konsultationen ihre Auswirkungen bereits durchaus gezeigt haben und daß das Klima, in dem in Brüssel verhandelt worden ist, von dieser Übereinstimmung über den Atlantik hinweg geprägt worden ist.
Ich will hier die Frage nach Teilung des Bündnisses oder nach Formulierungen, die in diesem Zusammenhang gefallen sind, nicht noch einmal aufgreifen. Aber die selbstverständliche Feststellung, daß der Nordatlantikpakt eine Einheit über den Atlantik hinweg sein muß, sollte in diesem Hause doch wohl unbestritten sein. Ich glaube, Herr Wörner, zumindest in diesem Punkt werden auch wir beide übereinstimmen.

(Beifall bei der FDP)

Was die Frage der wirtschaftlichen Zusammenarbeit angeht, so scheint mir in diesem Zusammenhang ein Satz wichtig zu sein, der sich auf die Ablehnung von Maßnahmen mit der möglichen Folge neuer Preisschübe bezieht. Die wirtschaftliche Entwicklung soll also auf der Basis der Stabilität erfolgen, wie das auch in dem heute verabschiedeten Programm der Bundesregierung noch einmal nachdrücklich zum Ausdruck kommt.
Die Chance von Wladiwostok ist hier bereits mehrfach erwähnt worden. Ich möchte dem nur noch hinzufügen, daß, gerade wenn die Chance von Wladiwostok eine Realität werden sollte, ein noch größeres Gewicht als bisher auf der konventionellen Komponente der Verteidigung liegen muß. Der Abbau oder die Einschränkung auf der strategischnuklearen Ebene darf nicht etwa mit einem Abbau konventioneller Verteidigungsvorbereitungen einhergehen. Ich glaube, wir sollten uns über folgendes im klaren sein. Von daher gesehen kann Wladiwostok für uns bedeuten, daß ein stärkerer Anteil der gemeinsamen Verteidigungsleistungen von den USA her auf Europa übergehen könnte und notfalls
muß. Dies nüchtern zu sehen, bedeutet sicherlich auch,

(Werner [CDU/CSU] : Höhere Ausgaben bedeutet das!)

daß wir bereit sein müssen, unsere Verteidigungsleistungen zumindest in dem bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten. Ich bin Herrn Leber auch dankbar dafür, daß er dies in aller Deutlichkeit herausgestellt hat. Daß auch die Erwägungen, die für die Verteidigung vorhandenen Mittel in Zukunft rationeller einzusetzen, in Brüssel eine große Rolle gespielt haben und daß es hier nun doch zu ganz konkreten Verabredungen gekommen ist, kann niemand übersehen, der das Kommuniqué dieser Tagung aufmerksam durchgelesen hat.
Ich möchte im weiteren Verlauf meiner Ausführungen vor allen Dingen aber auch noch auf das eingehen, was auch bei Ihnen, Herr Wörner, eine ganz bestimmte Rolle gespielt hat: das ist die Frage der Verteidigungswürdigkeit, die Frage, was eigentlich in diesem Bündnis verteidigt werden soll. Hier, meine ich, sollte man auch einmal bereit sein, aus dem Kommuniqué herauszulesen, daß hier nicht nur von militärischen Dingen, nicht nur von der Ausrüstung der Streitkräfte und ihrem Zustand die Rede ist, sondern daß auch eine ganze Reihe anderer Komponenten mit aufgenommen worden sind.
Ich möchte dabei besonders darauf hinweisen, daß es bei diesem Problem nach meiner Meinung um die innere Solidarität des Bündnisses geht und daß nach dieser Solidarität und nach dem gemeinsamen Bekenntnis zu den Werten einer freiheitlichen Ordnung, die zu verteidigen es sich lohnt, hier gefragt werden muß. Denn die Stabilität des Bündnisses wird sicherlich davon abhängig sein, ob man in den Völkern aller Partnerstaaten diese Bereitschaft wecken kann und ob man deutlich machen kann, daß es sich lohnt, für diese Dinge auch die Lasten auf sich zu nehmen, die mit der Verteidigungsbereitschaft zweifellos verbunden sind.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf Zypern hinweisen. Man mag zwar beklagen, daß es hier an der Südostflanke des Bündnisses zu einer solchen Spannung gekommen ist; aber ich meine, man sollte sich zugleich darüber im klaren sein, daß ohne das Bündnis wahrscheinlich dieser Konflikt zwischen Zypern und Griechenland ganz andere Ausmaße angenommen haben würde, als das jetzt tatsächlich der Fall war. Insofern hat das Bündnis schon eine positive Rolle gespielt.
Bei dieser Frage nach der inneren Aufgabenstellung des Bündnisses ist ja wohl auch der Hinweis auf jene Passagen in Punkt 7 des Kommuniqués angebracht, in denen es um Berlin und Deutschland geht. Ich meine, daß gerade diese gemeinsamen Aussagen aller Partner hier ein deutliches Bekenntnis zur Verteidigung jener Grundwerte enthalten, auf die ich soeben versuchte hinzuweisen. Dies ist nun mit Sicherheit mehr als ein verbaler Akt, denn hier, meine Damen und Herren, entscheidet sich auf die Dauer die Frage nach der Stabilität dieses Bündnisses
9602 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Ronneburger
Im übrigen wird dies auch deutlich, wenn man berücksichtigt, was sonst noch bei dieser Tagung eines ursprünglich militärischen Bündnisses behandelt worden ist. Denken Sie an die Fragen der Umwelt und alles das, was unter Punkt 10 des Kommuniqués erwähnt worden ist und was teilweise bereits erwähnt — zur wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit und Entwicklung gesagt worden ist. Dies alles, meine Damen und Herren, wird nicht gesagt, um die Probleme zu verschweigen, vor denen dieses Bündnis und seine einzelnen Mitgliedstaaten stehen.
Gestatten Sie, Frau Präsidentin, daß ich noch einige Sätze anfüge.
Nahost Herr Kollege Friedrich ist darauf ein-
gegangen; ich brauche das nicht zu wiederholen.
Mit den vorhandenen Rüstungsanstrengungen des Warschauer Pakts und der Frage der politischen Potenz, die hinter einer solchen Rüstung steht, und auf die wir uns einzustellen haben, können wir sicherlich nicht fertig werden -- wie es im Zuge der gesamten Ost- und Deutschlandpolitik der Bundesregierung immer und immer wieder gesagt worden ist , wenn wir nicht unsere eigene Verteidigungsbereitschaft immer wieder deutlich machen, unter Beweis stellen und sie auch tatsächlich verwirklichen. Denn dies ist die Grundlage für diese Politik der Entspannung, und dies ist die Grundlage dafür, daß nicht von der östlichen Seite auf Grund einer sich steigernden Rüstung politische Ziele durchgesetzt werden können, die mit dem, was dieses Bündnis im Grunde vereint, nicht in Übereinstimmung gebracht werden können. Ich meine, daß dieses Bündnis trotz all dieser Schwierigkeiten politisch tatsächlich in einem guten Zustand ist.
An dieser Stelle ist es wohl angebracht, dem Bundesaußenminister auch dann, wenn er meiner eigenen Partei angehört — ausdrücklich Dank zu sagen, einmal für seinen realistischen Bericht, aber auch für seinen unverkennbaren Anteil am positiven Ablauf der Tagung in Brüssel und damit an der Stärkung eines Bündnisses, das seine Aufgabe -- Friedenssicherung durch Verteidigungsbereitschaft — in seinen ersten 25 Jahren erfüllt hat und das in Zukunft mit unserer vollen Beteiligung dieser Aufgabe weiter erfüllen soll mit dem Ziel der Entspannung zwischen Ost und West und damit einem höheren Ziel als lediglich der Abwesenheit eines Krieges, dem Ziel eines wirklichen Friedens.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713907800
Meine Damen und Herren! Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wie interfraktionell vereinbart, rufe ich jetzt den Punkt 1
Fragestunde
— Drucksache 7/2982 —
auf, und hierbei zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf. — Bitte schön, Herr Staatssekretär.

(Unruhe)

Ich wäre dankbar, wenn es ein bißchen Ruhe gäbe, damit der Herr Staatssekretär antworten kann.

(Parl. Staatssekretär Zander: Frau Präsident, ich glaube, der Abgeordnete ist nicht im Saal; ich kann es aber im Augenblick nicht übersehen!)

— Der Herr Abgeordnete Kiechle ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 62 — des Abgeordneten Gansel — soll auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe auf die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Fiebig:
Treffen die in der Deutschen Apotheker-Zeitung vom 5. Dezember 1974 (Seite 1946) wiedergegebenen Äußerungen des Ministerialdirigenten Dr. Dr. Walter aus dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zum Entwurf des Arzneimittelgesetzes zu, daß er selbst die politische Verantwortung für dieses Gesetz nicht übernehme, daß das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit in der Tat ein Verkehrsgesetz für den Verkehr mit Arzneimitteln gemacht und den Menschen nicht einbezogen habe, daß heute der Gesetzgeber andere Überlegungen anstelle als vor zwei Jahren und daß der Vorwurf, das Gesetz sei nicht modern, zu Recht bestehe, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung gegebenenfalls aus dieser Äußerung eines der maßgeblichen Verfasser des Regierungsentwurfs zur Reform des Arzneimittelgesetzes?

Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0713907900
Die Bundesregierung sieht in dem Bericht der Deutschen Apothekerzeitung über die Tutzinger Tagung eine einseitige Darstellung mit einer Reihe von Fehlinterpretationen. Dies zeigt sich auch daran, daß das Referat des Beamten über den Gesetzentwurf mit einer Dauer von 45 Minuten inhaltlich voll übergangen wird, während alle anderen Referate kurz wiedergegeben sind. Dieses Referat, inzwischen abgedruckt in der Deutschen Apothekerzeitung vom 12. Dezember, Seite 1973, gibt eine objektive Sachdarstellung. Die Äußerung des Beamten, daß nicht er, sondern das Parlament letztlich die politische Verantwortung für ein Gesetz übernimmt, halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Im übrigen hat der Beamte selbst in der genannten Zeitschrift den Abdruck einer Gegendarstellung verlangt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713908000
Eine Zusatzfrage? — Nein.
Die Frage 64 des Abgeordneten Rollmann und die Frage 65 des Abgeordneten Dr. Zimmermann sollen auf Bitten der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung ist Herr Staatsminister Moersch anwesend. Zunächst rufe ich die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld auf:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9603
Vizepräsident Frau Funcke
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die unter Bruch rechtsstaatlicher Prinzipien erfolgte Freisetzung der vier arabischen Terroristen und Mörder eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland durch die tunesische Regierung zu verhindern, da Entscheidungen wie die der tunesischen Behörden auf Grund früherer Erfahrungen in anderen Fällen einer Freistellung von Strafverfolgung gleichkommt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713908100
Herr Abgeordneter, nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen sind die vier Terroristen, die den deutschen Staatsbürger Werner Kehl ermordet haben, nicht freigelassen, sondern der PLO überstellt worden. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß damit praktisch eine Freistellung der Mörder von der Strafverfolgung erfolgt ist. Die Bundesregierung rechnet vielmehr damit, daß die Mörder von der PLO bestraft werden, wie dies ein Sprecher der Organisation in Aussicht gestellt hat.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713908200
Zu einer Zusatzfrage, bitte Herr Abgeordneter Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0713908300
Herr Staatsminister, ich habe gefragt, welche Schritte die Bundesregierung gegenüber der tunesischen Regierung unternommen hat, als die Mörder des deutschen Staatsbürgers noch im Gewahrsam der tunesischen Behörden waren. Sie haben hier allgemeine Ausführungen gemacht.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713908400
Herr Abgeordneter, Sie haben zwei Fragen gestellt, ich habe bisher nur eine beantwortet.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0713908500
Auf die erste Frage beziehe ich mich, Herr Staatsminister, wenn ich noch richtig lesen kann. — Sie haben vielleicht eine kleine Verwechslung der Ihnen von Ihrem Referat ausgearbeiteten Antworten vorgenommen.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713908600
Nein, Herr Abgeordneter. Ich bin gern bereit, das auf die Frage 106 und auf Ihre Zusatzfragen zu antworten, wenn Sie das wollen. Ich dachte, es sei vielleicht sinnvoll, daß zunächst beide Fragen beantwortet und dann die Zusatzfragen gestellt werden.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0713908700
Frau Präsident, ich bin einverstanden, wenn ich dann noch die Möglichkeit habe, meine Fragen zu stellen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713908800
Sie haben selbstverständlich für jede Frage zwei Zusatzfragen.
Dann bitte zu der Frage 106:
Hat die Bundesregierung Schritte eingeleitet, um ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren für die Mörder des Bundesbürgers von der palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zu erwirken?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713908900
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hält es nicht für angebracht, sich um eine Einflußnahme auf die Regeln zu bemühen, die innerhalb der PLO für die Durchführung von Strafverfahren gelten.
Was Ihre Zusatzfrage zu der ersten Frage betrifft, so hat die Bundesregierung diese Möglichkeiten, eine Auslieferung zu beantragen, geprüft. Sie ist hierbei zu dem Ergebnis gekommen, ein solches Auslieferungsersuchen nicht zu stellen. Einem solchen Antrag wäre nicht entsprochen worden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713909000
Eine Zusatzfrage.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0713909100
Herr Staatsminister, darf ich mir mal die Grundsatzfrage erlauben, ob die Bundesregierung wirklich vor der Öffentlichkeit in diesem Hause den Standpunkt vertritt, daß es nicht sinnvoll wäre, die Strafverfolgung gegenüber Mördern durchzuführen, weil sie die Erfahrung gemacht hat, daß das in der Vergangenheit nicht geklappt hat.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713909200
Herr Abgeordneter, nach den internationalen Erfahrungen ist es so, daß, wenn bei Straftaten, die auf dem Boden eines Staates verübt worden sind, von einer anderen Regierung ein Auslieferungsantrag gestellt wird — auch wenn ein Auslieferungsabkommen vorhanden ist —, diesem Antrag nicht stattgegeben wird. Normalerweise erfolgt die Auslieferung vielmehr nur dann, wenn die Straftat auf unserem Boden stattgefunden hat.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0713909300
Herr Staatsminister, meinen Sie nicht, daß ein gegenüber einer Regierung eines Staates, zu dem die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält und zudem gute und freundschaftliche Beziehungen hat, mit Nachdruck gestellter Antrag auf Auslieferung zumindest beantwortet worden wäre und damit der Respekt vor dem menschlichen Leben auch einmal dokumentiert worden wäre? Es handelt sich hier ja auch um den Schutz von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713909400
Herr Abgeordneter, das letztere ist völlig unbestritten. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß wir alle diese Fragen geprüft haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, das ich Ihnen mitgeteilt habe. Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen — ich bin kein Jurist; dieser Sachverhalt müßte im einzelnen von seiten des Justizministerium dargelegt werden —, daß wir, wenn an uns Ersuchen um Auslieferung wegen Straftaten, die auf unserem Boden geschehen und von Bürgern anderer Staaten begangen worden sind, gestellt werden, normalerweise solchen Auslieferungsersuchen nicht nachgeben. Solche Überlegungen müßten wir anstellen.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0713909500
Herr Staatsminister, ich möchte dann noch folgende Frage an Sie stellen: Warum unternehmen Sie angesichts der Tatsache, daß die PLO, die gewiß keinen Regierungscharakter hat, erklärt hat, daß sie sich von diesem schlimmen Verbrechen distanziere, jetzt nicht die geeigneten Schritte, um in einem Stadium, in dem das Ver-
9604 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Blumenfeld
fahren, von dem Sie in Ihrer Antwort gesprochen haben, noch gar nicht angelaufen ist, die Auslieferung der Mörder eines deutschen Bürgers zu erwirken?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713909600
Herr Abgeordneter, in der Sache selbst haben wir — das habe ich im Auswärtigen Ausschuß vorgetragen — Schritte unternommen. Ich bin gern bereit, Ihnen diese Einzelheiten im Auswärtigen Ausschuß noch einmal mitzuteilen. Wir haben bei einer ganzen Reihe von Staaten demarchiert. Ich habe das dem Auswärtigen Ausschuß ausdrücklich mitgeteilt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713909700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Schweitzer.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0713909800
Herr Staatsminister, ist dem Auswärtigen Amt schon bekannt, ob der CDU-Kollege Dr. Schröder in seinem Gespräch mit Arafat die von dem Kollegen Blumenfeld hier angesprochene Frage erörtert hat?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713909900
Herr Abgeordneter, das Auswärtige Amt ist bisher nicht über dieses Gespräch unterrichtet. Der Kollege Dr. Schröder hat in Aussicht gestellt, den Bundesaußenminister über dieses Gespräch persönlich zu unterrichten. Ich möchte dieser Unterrichtung nicht vorgreifen. Ich unterstelle aber, daß Herr Dr. Schröder bei diesem Gespräch alle gemeinsam interessierenden Fragen behandelt hat.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713910000
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Dr. Schachtschabel auf:
Sind die vorhandenen „Basisfunkstellen", die gegenwärtig bei 25 Botschaften eingerichtet sind, derart im Ausland glaciert, daß alle sonstigen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland bei Ausrüstung mit einem Krisensprechfunkgerät an das Basisnetz angeschlossen werden können, und kann die Bundesregierung detaillierte Auskünfte über die pro Basisfunkstelle veranschlagten Investitionskosten von 150 000 DM geben?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713910100
Herr Kollege, wenn die Basisfunkstelle bei einer deutschen Vertretung im mittelamerikanischen Raum, die vorübergehend stillgelegt werden mußte, den Betrieb wieder aufnimmt, womit im Frühjahr 1975 zu rechnen ist, verfügt das Auswärtige Amt über ein weltweites Netz solcher Basisfunkstellen, an das alle sonstigen Auslandsvertretungen bei Ausrüstung mit einem Krisensprechfunkgerät angeschlossen werden können.
Für die Einrichtung einer Basisfunkstelle sind folgende Investitionskosten zu veranschlagen: Funksender: zirka 64 000 bis 135 000 DM, je nach Leistung; Funkempfänger: zirka 13 500 bis 18 000 DM, je nach Gerätetyp; Antennen: zirka 7 000 DM;
Tastgerät: zirka 6 000 DM; Fehlerkorrekturgerät — ein Gerät, das im Bundestag leider nicht installiert werden könnte —: zirka 22 000 DM; Fernschreiber: zirka 16 000 DM.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713910200
Eine Zusatzfrage.

Dr. Hans Georg Schachtschabel (SPD):
Rede ID: ID0713910300
Herr Staatsminister, sind Sie der Meinung, daß eine ausreichende Ausrüstung der genannten technischen Art besteht oder baldigst vorgenommen wird, um zu verhindern, daß bekannte Vorgänge sich wiederholen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713910400
Herr Abgeordneter, das ist eine Frage, die auch an das Haus selbst gerichtet ist. Soweit es dem Auswärtigen Amt möglich war, hat es immer versucht, die Auslandsvertretungen auf einem möglichst hohen technischen Stand der Nachrichtenübermittlung zu halten. Ich habe den Eindruck, daß gerade die jüngsten Ereignisse die Durchsetzung unseres Petitums künftig erleichtern. Es sind im Rahmen der Haushaltsberatungen ja auch schon entsprechende Maßnahmen vorgesehen worden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713910500
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Schachtschabel auf:
Welche weiteren Botschaften beabsichtigt die Bundesregierung mit Krisensprechfunkanlagen auszustatten, und zu welchem Zeitpunkt wird dies geschehen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713910600
Das Auswärtige Amt setzt bereits seit Jahren an besonders gefährdeten Dienstorten in Südamerika, Afrika und Asien sogenannte Krisenfunkgeräte ein. Die Zahl der Einsatzorte wird unter Berücksichtigung festgelegter Prioritäten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten, nämlich etwa zur Verfügung stehender Haushaltsmittel für den Ankauf der Geräte und des technischen Zubehörs, ferner der langen Lieferfristen der Herstellerfirmen laufend erhöht. Es ist außerdem dafür Sorge getragen, daß eine ausreichende Zahl von Funksprech-Sende- und -Empfangsanlagen zur Verfügung steht, um in kürzester Frist bei Vertretungen an solchen Dienstorten installiert werden zu können, die plötzlich in den Bereich einer krisenhaften Entwicklung geraten, in deren Verlauf eine Gefährdung der üblichen der Vertretung zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel befürchtet werden muß. Die Bundesregierung kann darüber weitere Einzelheiten gerne dem Auswärtigen Ausschuß berichten. Sie werden verstehen, daß ich nicht gut etwa Orte nennen kann, bei denen wir künftig Krisen erwarten und deshalb Vorsorge getroffen haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713910700
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 110 des Abgeordneten Dr. Arndt (Hamburg) auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9605
Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eindeutig zu erklären, daß die Annexion Ostdeutschlands jenseits von Oder und Neiße durch Polen und Sowjetrußland wie jeder „Erwerb von Gebiet durch Gewaltanwendung" völkerrechtswidrig und somit Unrecht ist und solange Unrecht bleibt, bis durch einen demokratisch ausgehandelten Friedensvertrag unter Zustimmung aller Betroffenen über die Grenzen entschieden worden ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713910800
Herr Abgeordneter, Sie haben den ersten Teil Ihrer Frage bereits in der Fragestunde vom 5. Dezember 1974 als Zusatzfrage zur Frage 137 gestellt. Ich darf insoweit auf meine damalige Antwort Bezug nehmen.
Was Ihre Frage nach einem Friedensvertrag anlangt, so ist festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland ihr eigenes Verhältnis zur Westgrenze der Volksrepublik Polen im Warschauer Vertrag verbindlich festgelegt hat. Wie Sie wissen, ist dies in einer auf die Zukunft gerichteten Weise geschehen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713910900
Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0713911000
Herr Staatsminister, Sie haben in der Antwort, auf die Sie sich berufen, absichtlich davon Abstand genommen, daß die Bundesregierung die Annexion nicht bewertet habe. Ist das vielleicht jetzt möglich, Herr Staatsminister, daß nun endlich seitens der Bundesregierung ein klares Wort zur Annexion Ostdeutschlands gesprochen wird?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713911100
Herr Abgeordneter, diese Fragen sind in der Ratifikationsdebatte zum Warschauer Vertrag hier ausdrücklich behandelt worden. Ich möchte auf die Ausführungen vom 5. Dezember nicht nur zurückkommen, sondern darf vielleicht noch ein paar Anmerkungen dazu machen. Ich glaube, Herr Abgeordneter, Sie müssen, wenn Sie diese Fragen erörtern, sich die historische und politische Entwicklung vor Augen halten, die der Diskussion über Rechtsfragen überhaupt zugrunde liegt. Die Bundesregierung hat hierzu in ihrer Denkschrift zum Warschauer Vertrag zur Behandlung der Grenzfrage ausgeführt — ich darf auch dies in die Erinnerung zurückrufen, weil es offensichtlich gelegentlich übersehen wird —:
Sie
— die Bundesregierung —
ist dabei von einer nüchternen Einschätzung der Lage ausgegangen, die als Folge des Zweiten Weltkrieges und der Niederlage des Deutschen Reiches entstanden ist. Der Vertrag beruht auf der Erkenntnis, daß nur auf dieser Grundlage Versöhnung und eine konstruktive Entwicklung der Beziehungen mit Polen möglich sind.
Ich glaube, was dazu in der Debatte gesagt worden ist, kann hier nicht mit weiteren Neuigkeiten angereichert werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713911200
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0713911300
Herr Staatsminister, können Sie grundsätzlich dem zustimmen, daß Annexion völkerrechtswidrig ist und, daraus folgend, auch die Annexion Ostdeutschlands?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713911400
Herr Abgeordneter, was die grundsätzliche Frage betrifft, ist hier sicherlich kein Meinungsunterschied. Aber es wird Ihnen ja nicht entgangen sein, daß bei Friedensverhandlungen — schon im vergangenen Jahrhundert war das so, und es wird künftig sicher auch nicht anders sein — eben immer die Frage entsteht, wer angefangen hat und wie man den Anfang datiert. Da bisher das eigentliche Weltgericht, das diese Fragen beantworten könnte, noch nicht erfunden ist, werden diese Fragen am Ende immer als Machtfragen behandelt werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713911500
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0713911600
Herr Staatsminister, steht nicht nach den Erklärungen zum Warschauer Vertrag inzwischen die Erklärung der Bundesregierung, und zwar auf internationaler Ebene, aber auch hier im Bundestag, im Raum, daß jeder Gebietserwerb durch Gewalt in allen Fällen unzulässig und rechtsunwirksam ist, und sind Sie nicht auch der Auffassung, daß die Bundesregierung Friedensverhandlungen nicht präjudizieren kann?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713911700
Was das Letzte betrifft, so hat die Bundesregierung nichts präjudiziert. Ich weiß aber nicht, zur Geschichte welches europäischen Staates Ihre Frage gestellt war. Da wären ja sicherlich viele Staaten betroffen, nicht zuletzt auch das Deutsche Reich.

(Dr. Czaja [CDU/CSU]: Das war keine Beantwortung!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713911800
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0713911900
Herr Staatsminister, da Sie auf Kriege und Friedensschlüsse in vergangenen Jahrhunderten Bezug genommen haben, darf ich fragen: Ist Ihnen der Unterschied in der Rechtsqualität zum modernen Völkerrecht bewußt, zumindest seitdem es eine Satzung der Vereinten Nationen gibt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713912000
Herr Abgeordneter, die Satzung der Vereinten Nationen ist mir bekannt. Mir ist auch die Entstehungsgeschichte der Vereinten Nationen bekannt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713912100
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 112 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Vertritt die Bundesregierung, wie aus ihrer Antwort — Stenographischer Bericht über die 134. Sitzung, Seite 9179 — hervorzugehen scheint, den Standpunkt, daß Ostdeutschland jenseits
9606 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Vizepräsident Frau Funcke
von Oder und Neiße nicht mehr als zum Deutschen Reich in den Grenzen von 1937 gehörend betrachtet wird, und befindet sie sich mit diesem Standpunkt noch in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz, der Begründung zum Karlsruher Urteil vom 31. Juli 1973 und zu der gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1973?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713912200
In der Beantwortung der Mündlichen Anfrage des Kollegen Dr. Franz hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Grüner in der 134. Sitzung am 5. 12. 1974 ausgeführt:
Mit Inkrafttreten des deutsch-polnischen Vertrages über die Grundlagen der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen vom 7. Dezember 1970 bestreitet die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr, daß die Gebiete, auf die Ihre Frage abzielt, polnisches Staatsgebiet sind.
Diese Aussage entspricht der Rechtslage, wie sie durch den Warschauer Vertrag geschaffen worden ist. Zu dem Warschauer Vertrag gehört bekanntlich auch der Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Westmächten vom 19. 11. 1970. Dieser Notenwechsel ist, wie Sie wissen, von der polnischen Regierung vor Abschluß des Warschauer Vertrages notifiziert worden. In diesem Notenwechsel heißt es:
Die Bundesregierung hat ferner
— das bezieht sich auf den Verlauf der Verhandlung —
darauf hingewiesen, daß sie nur im Namen der
Bundesrepublik Deutschland handeln kann.
Der Warschauer Vertrag steht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz, und die von Ihnen zitierte Antwort enthält auch keinen Widerspruch zu der gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. 5. 1972 oder der Begründung zum Karlsruher Urteil vom 31. 7. 1973. Letzteres, Herr Abgeordneter, bezog sich im übrigen konkret nicht auf den Warschauer Vertrag, sondern auf den Grundvertrag.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713912300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0713912400
Herr Staatsminister, gilt also nach wie vor der zweite Absatz der Gemeinsamen Entschließung vom 17. Mai 1972, daß die Verträge von Moskau und Warschau eine friedensvertragliche Regelung für Deutschland als Ganzes nicht vorwegnehmen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713912500
Herr Abgeordneter, es gilt die Gesamtheit der Entschließungen, und es gilt selbstverständlich der Vertrag und alles, was der Vertrag enthält, einschließlich des Notenwechsels.

(Zuruf von der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713912600
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0713912700
Herr Staatssekretär, haben wir auf Grund der Begründung zu dem Karlsruher Urteil vom 31. Juli 1973 nicht allen Grund, nach wie vor zu behaupten, daß zum Deutschen Reich, das in den Grenzen von 1937 fortexistiert, auch Ostdeutschland zählt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713912800
Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie übersehen bei dieser Frage, daß lange Debatten im Rechtsausschuß, im Auswärtigen Ausschuß und, glaube ich, auch im Plenum geführt worden sind über das, was nämlich wirklich in der Präambel des Grundgesetzes steht und welchen Bezug das hat.
Ich darf aber noch einmal wiederholen, daß sich das Verfassungsgerichtsurteil auf den Grundvertrag und nicht auf den Warschauer Vertrag bezieht. Es ist im Bundestag sehr konkret ausgeführt worden, wo die Probleme in dieser Frage liegen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713912900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0713913000
Herr Staatsminister, stimmen Sie — im Zusammenhang mit Ihrer ersten Antwort — mit mir darin überein, daß auch die Bundesrepublik Deutschland keine Verpflichtungen gegen zwingendes Völkerrecht, beispielsweise gegen die Stimson-Doktrin, den Kellogg-Pakt und die Normen, die in der Sicherheitsrats-Resolution 242 niedergelegt sind, eingehen kann?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713913100
Herr Abgeordneter, Sie haben mir einige Themen genannt, die mit der Frage nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen.

(Dr. Czaja [CDU/CSU]: Aber mit Ihrer Antwort!)

Ich bin gerne bereit, entsprechend darauf einzugehen, wenn Sie mir die Fragen schriftlich einreichen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713913200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0713913300
Herr Staatsminister, wollten Sie damit, daß Sie bei der Beantwortung der Zusatzfrage des Herrn Kollegen Hupka auf den Grundvertrag zurückgingen, sagen, daß für die Bundesregierung das Karlsruher Urteil mit seiner Begründung in seiner Substanz nicht auch für alle anderen Verträge einschließlich des Warschauer Vertrages gilt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713913400
Herr Abgeordneter, ich habe sehr konkret gesagt, daß sich dieses Urteil nicht auf den Warschauer Vertrag, sondern auf den Grundvertrag bezogen hat; wenn Sie Einzelheiten wissen wollen, wo sich das Urteil auch auf den Warschauer Vertrag oder auf unsere Politik beziehen könnte, dann bitte ich Sie, diese Frage im einzelnen zu formulieren. Erst dann kann ich sie im einzelnen beantworten.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9607

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713913500
Keine Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Lattmann auf:
Gelten nach Auffassung der Bundesregierung auch in den Einrichtungen und Programmen der auswärtigen Kulturpolitik die Freiheitsrechte für Kunst, Literatur und Wissenschaft nach Grundgesetz Artikel 5, so daß eine Zensur nicht stattfindet?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713913600
Herr Abgeordneter, für die Bundesregierung ist es eine Selbstverständlichkeit, daß auch für die von ihr geförderten kulturellen Einrichtungen und Programme im Ausland die im Art. 5 des Grundgesetzes verankerten Freiheitsrechte für Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre Gültigkeit haben. Gerade diese Bundesregierung legt hierauf besonderen Wert. „Eine Zensur findet", so heißt es in der Verfassung, „nicht statt". Hier muß allerdings ferner unterschieden werden zwischen den von Art. 5 des Grundgesetzes garantierten Rechten und den für die Förderung von kulturellen Einrichtungen und Programmen im Ausland maßgeblichen Verfahren. Aus Art. 5 des Grundgesetzes läßt sich keinerlei Verpflichtung der Bundesregierung zur Förderung bestimmter Projekte ableiten. Dies ist vielmehr, wie übrigens auch in allen anderen vergleichbaren Staaten, in das Ermessen der Regierung gestellt. Der Grund hierfür ist die bekannte Tatsache, daß außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes bei einer Förderung von kulturellen Projekten zusätzliche, manchmal auch andere Gesichtspunkte als bei einer Förderung in unserem eigenen Lande Gewicht haben. Dazu gehören unter anderem die Rücksichtnahme auf die internen Verhältnisse im jeweiligen Partnerland und die Berücksichtigung der internationalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung nutzt den ihr mit dieser Verantwortung gegebenen Ermessensspielraum voll im Sinne des Art. 5 des Grundgesetzes aus und wird dies auch weiterhin tun.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713913700
Eine Zusatzfrage.

Dieter Lattmann (SPD):
Rede ID: ID0713913800
Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß es über die Aktion „Deutscher Monat" in England, eine Kunstausstellung, die von englischer Seite veranstaltet wurde und in der politische aktuelle Kunst aus der Bundesrepublik ausgestellt wurde, eine Korrespondenz zwischen Mitgliedern dieses Hauses und dem Bundesaußenminister gab und daß diese Korrespondenz zum Teil in der Presse kritisch so kommentiert wurde, als gäbe es doch Einschränkungen der Meinungsfreiheit?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713913900
Herr Abgeordneter, das beruht offensichtlich darauf, daß die Kommentare in der Presse dadurch an Wirksamkeit gewonnen haben, daß sie auf mangelnder Information beruhten. Ich darf das im einzelnen hier ausführen.
Es ist richtig und ich bedanke mich, daß Sie
mir Gelegenheit geben, den Sachverhalt hier noch einmal darzustellen —, daß das Auswärtige Amt die Zahlung eines Zuschusses zu den Druckkosten des Katalogs der Ausstellung gerügt hat. Die Bundesregierung tat dies, da es zu ihren Prinzipien gehört, die im Rahmen ihrer auswärtigen Kulturpolitik durchgeführten Förderungsmaßnahmen von parteipolitischen Kontroversen freizuhalten — also nicht von künstlerischen; das ist doch wohl ein Unterschied. Die von Ihnen erwähnten Plakate waren zwar in der Ausstellung als Kunstwerke ausgestellt, jedenfalls nach der Überschrift des Katalogs; sie waren und blieben gleichzeitig aber auch eindeutige Mittel des Parteienkampfes. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine Kunstausstellung im Ausland der falsche Platz für innerpolitische Auseinandersetzungen oder Angriffe ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Demgemäß hielt sie in diesem Falle eine Förderung aus öffentlichen Mitteln nicht für gerechtfertigt.
Was nun in diesem Zusammenhang den Kunstbegriff selbst betrifft, Herr Abgeordneter, den Sie ja sicherlich genauso wie ich hochhalten, so muß man, glaube ich, sagen, daß gerade bei diesen Plakaten, die dort als Kunstwerke deklariert worden sind und das sicherlich nach Meinung ihres Schöpfers und moglicherweise nach Meinung vieler auch sind, eine Abgrenzung zwischen dem, was ein Kunstwerk ist, und dem, was keines mehr oder noch keines ist, auch schon kompetenteren Leuten, als wir es sind, Kopfzerbrechen bereitet hat.
Lassen Sie mich es so sagen: Ich bestreite nicht, daß innenpolitische Auseinandersetzungen gelegentlich als Kunst betrieben werden können, woraus dann auch folgt, daß manche Kunstwerke innenpolitische Bedeutung haben. Dennoch wird man bezweifeln müssen, ob ein kunstvolles innenpolitisches Nahkampfmittel auch im Ausland als solches gewürdigt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/ CSU] : Haben Sie das gut formuliert!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713914000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lattmann.

Dieter Lattmann (SPD):
Rede ID: ID0713914100
Herr Staatsminister, ich bin dankbar für die Ausführlichkeit dieser Auskunft, bitte Sie aber, mir doch noch eine weitere Frage zu beantworten: Sind Sie nicht auch der Meinung, daß, wenn namhafte Politiker, die ja doch durch ihren Beruf Gegenstand von öffentlicher Kritik auch mit Mitteln der Kunst sind, außerordentlich empfindlich auf solche Kritik reagieren, dann einfach durch das Faktum dieser Reaktion politische Druckverhältnisse geschaffen werden könnten, die auf dem Wege von Haushalt und Administration praktisch dann doch eine im Kern nicht beabsichtigte Eingrenzung der Grundrechte ergeben könnten?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713914200
Herr Abgeordneter, dieses Problem und diese Gefahr müssen wir sehen, aber wir müssen auch sehen — und das mache ich denen, die an dieser Veranstaltung im Ausland mitgewirkt haben, zum Vorwurf —, daß gerade diejenigen, die für eine völlige Freiheit der Kunst eintreten, und diejenigen, die für eine
9608 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Staatsminister Moersch
klare innenpolitische Auseinandersetzung eintreten, in ihrer Wirkungsmöglichkeit im Inland beeinträchtigt werden, wenn versucht werden sollte, innenpolitische Auseinandersetzungen direkt oder indirekt im Ausland stattfinden zu lassen.
Ich kann Ihnen sagen, daß auch die Kommentare wichtiger englischer Zeitungen, die sicherlich nicht in dem Verdacht stehen, die beiden dort ausgestellten Politiker besonders zu schätzen, eine gewisse Skepsis zum Ausdruck brachten, offensichtlich unter dem Rubrum des politischen Geschmacks. Je mehr wir darauf bedacht sind, daß das, was wir zu Hause auszumachen haben, auch mit künstlerischen Mitteln zu Hause ausgemacht werden kann, um so größer wird der Respekt auch im Ausland vor unseren Künstlern sein, was gewiß nichts gegen politische Kunst sagt. Die Frage ist doch, ob jemand Mittel der Regierung und des Staates für diesen Zweck im Ausland in Anspruch nehmen kann oder nicht. Diese Frage ist in der Tat nicht generell zu entscheiden. Das hängt auch davon ab, ob es in erster Linie zu verstehen war oder ist als ein Kunstereignis oder in erster Linie als ein politisches Ereignis. Hier waren ganz offensichtlich die Meinungen der Beteiligten unterschiedlich. Wenn es darüber bereits einen Streit gib dann ist genau das eingetreten, was Sie mit Ihrer Zusatzfrage zum Ausdruck bringen wollten, nämlich eine Verschiebung der Diskussionsebene, die nicht im Sinne der betroffenen Künstler sein kann.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713914300
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0713914400
Herr Staatsminister, wenn wir uns mit der Bundesregierung in diesem Hause sicher alle einig sind, daß der Art. 5 seine volle Geltung hat und haben muß, wenn weiter von den Befürwortern dieser Londoner Ausstellung betont wird, sie habe in England den Eindruck verstärkt, es in der Bundesrepublik mit einem besonders freien Staat zu tun zu haben, der zur Selbstkritik fähig sei: teilen Sie meine Ansicht, daß eine einseitige Herabsetzung der Opposition, selbst schärfste Kritik an der Opposition — soweit diese sich überhaupt äußern kann —, in jeder Diktatur erlaubt ist und daß dem freien Staat mit seiner kritischen Selbstdarstellung nur gedient wäre, wenn wir uns nach draußen dann auch gegenüber der Regierung kritisch darstellen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713914500
Herr Abgeordneter, was die Kritik an der Bundesregierung im Ausland betrifft, so hat die Opposition sicher ihren Teil schon dazu geleistet. Da wäre die Parität nicht gefährdet — leider, muß ich sagen.
Es geht aber hier konkret um die Frage des Art. 5; die hat der Kollege Lattmann gestellt. Es geht um die Frage, ob etwas, was hier als Kunstwerk deklariert wird, von allen nur unter dem Gesichtspunkt des Kunstwerks betrachtet wird oder nicht. Und hier sind offensichtlich die Meinungen verschieden. Daß es über den Begriff der Kunst im übrigen immer Kontroversen gegeben hat, und zwar vor allem unter
Politikern, das hat ein großer Bayer, nämlich Ludwig Thoma, seinem Abgeordneten Jozef Filser schon, wie Sie wissen, in den Mund gelegt, und das ist ein gültiger Satz offensichtlich für diese Art der Kunstbetrachtung. Er hat Filser nämlich sagen lassen, die Malerei sei eine Kunst, aber bloß bis zum Nabel, unterm Nabel sei es eine Sauerei.

(Werner [CDU/CSU] : Aha! Das ist die neue Lektüre der Regierung!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713914600
Eine Frage der Frau Abgeordneten von Bothmer.

Lenelotte von Bothmer (SPD):
Rede ID: ID0713914700
Herr Staatsminister, wäre es denn nicht — auch nach Ihrer Meinung — eine viel souveränere Haltung der Bundesregierung, wenn sie Karikaturen, die den einen oder anderen vielleicht lächerlich machen, einfach in einer solchen Ausstellung beließe, ohne weiteren Kommentar, und auch nicht einginge auf Einwendungen dieser Art, sondern sich auf den Standpunkt stellte, das sind Kunstwerke, ob man sie nun akzeptiert oder nicht; denn schließlich sind wir doch wohl gemeinsam der Ansicht, daß man nicht irgendwo einen Strich ziehen kann, wo Kunstwerk aufhört und Politik anfängt. Politik und Kunst sind miteinander verwoben; man kann sie nicht unbedingt auseinanderklauben.

(Dr. Marx [CDU/ CSU] : Jetzt wollen wir mal sehen, wie souverän die Regierung ist!)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713914800
Das ist eine große Frage, die Sie hier aufrühren. Ob die Beziehung von Kunst und Politik nicht gelegentlich eine Einbahnstraße ist, wäre erst einmal zu prüfen. Aber hier geht es um einen ganz anderen Vorgang. Erstens einmal hat die Bundesregierung überhaupt keine Einwendungen erhoben gegen die Ausstellung — das ist gar nicht ihre Sache gewesen —, sondern die Frage war, ob aus dem Bundeshaushalt Druckkostenzuschüsse gegeben werden können. Das ist eine ganz andere Frage. Und zum zweiten ist doch nicht die Souveränität der Bundesregierung hier in Frage gestellt, sondern offensichtlich die Souveränität der Betroffenen; denn d i e haben sich beschwert. Und die Bundesregierung kann da ja wohl nicht souveräner sein, als es die Betroffenen in einem solchen Fall sein wollen.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Also keine abgestufte Souveränität!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713914900
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage Nr. 114 des Herrn Abgeordneten Schweitzer — —

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713915000
Frau Präsidentin, diese Frage ist dem Bundesminister der Justiz zugewiesen worden. Ich habe hier als nächste Frage die Frage Nr. 115. Vielleicht ist das nicht mitgeteilt worden.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9609

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713915100
Hier steht das nicht. Aber dann würde ich bitten, die Frage Nr. 115 zu beantworten.
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dein sogenannten Fulbright-Programm heute für die Entwicklung unserer engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten insbesondere im Hinblick auf die Vermittlung noch besserer Kenntnisse über die jeweilige politische Gesamtlage in beiden Ländern bei?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713915200
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung mißt dem gemeinschaftlichen deutsch-amerikanischen Programm des Studenten- und Dozentenaustauschs, dem „Fullbright-Programm", eine große Bedeutung für die Entwicklung unserer engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten bei. Dieses Programm hat sich als wichtigstes Instrument eines einvernehmlich zwischen den Regierungen beider Länder durchgeführten wissenschaftlichen Austausches ausgezeichnet bewährt. Der durch das entsprechende Regierungsabkommen abgesteckte weite Rahmen ermöglicht eine flexible Handhabung und damit eine Berücksichtigung der verschiedensten deutschen und amerikanischen Zielgruppen, die im Rahmen des deutsch-amerikanischen Wissenschaftsaustauschs relevant sind. Sowohl die breite Skala der Zielgruppen, nämlich Studenten und Dozenten aller Fachrichtungen einschließlich Politologie und Soziologie, Sekundarlehrer, Bildungsexperten, Gewerkschaftler, Rechtsreferendare usw., als auch die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Förderungsmaßnahmen — etwa die Betonung der allgemeinen Deutschland- bzw. Amerikakunde, die vorrangige Förderung aktueller, gegenwartsbezogener Forschungsvorhaben im Rahmen der Stipendienvergabe, Berlin-Seminare als besonderes Ergänzungsprogramm für alle amerikanischen Fulbright-Stipendiaten in der Bundesrepublik Deutschland usw. — bieten die Gewähr dafür, daß das deutschamerikanische Programm für den Studenten- und Dozentenaustausch auch zur Vermittlung besserer Kenntnisse über die jeweilige politische Gesamtlage in beiden Ländern wesentlich beiträgt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713915300
Eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0713915400
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß ein sogenannter Antiamerikanismus entgegen anderslautenden demagogischen Parolen bei uns in der Bundesrepublik Deutschland an den Schulen und Universitäten eigentlich schon wieder im Abklingen ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713915500
Herr Abgeordneter, diese Frage kann man sicherlich bejahen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713915600
Eine weitere Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0713915700
Welche zusätzlichen Maßnahmen hält die Bundesregierung für denkbar, Herr Staatsminister, um eine weitere Vertiefung eines realitätsbezogenen Amerika-Bildes im wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Bereich in der Bundesrepublik herbeizuführen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713915800
Herr Abgeordneter, ich habe gerade dargestellt, welches Programm hier besteht. Sie wissen, daß im Zusammenhang mit der Vorbereitung des großen amerikanischen Verfassungsjubliläums auch weitere direkte Veranstaltungen vorgesehen sind.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713915900
Keine weitere Zusatzfrage. Herr Staatsminister, ich glaube, bezüglich der Frage 114 liegt ein Irrtum vor.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713916000
Ja, da ist ein Irrtum geschehen. Ich habe das soeben entdeckt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713916100
Der Justizminister ist überhaupt nicht damit befaßt. Ich darf daher jetzt die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer aufrufen:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung im Bereich der Besuchsreisen und des Austausches von Wissenschaftlern zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland seit Abschluß des Warschauer Vertrags?
Bitte schön, Herr Kollege!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713916200
Herr Abgeordneter, die Entwicklung im Bereich des deutsch-polnischen Wissenschaftsaustausches (lang-und kurzfristige Reisen, Stipendien) ist als äußerst positiv zu bezeichnen. Polen hat an unserem gesamten internationalen Wissenschaftsaustausch einen hohen prozentualen Anteil. Dies gilt insbesondere für die Einladung polnischer Wissenschaftler aus allen Disziplinen, d. h. auch Geisteswissenschaftler, zu Studienaufenthalten durch den DAAD und die Vergabe von Stipendien durch die Alexander von Humboldt-Stiftung. Im Bereich der Einladungen zu Studienaufenthalten steht Polen, weltweit gesehen, mit Abstand an der Spitze aller Länder.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713916300
Eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0713916400
Herr Staatsminister, wäre die Bundesregierung bereit, diese im ganzen doch sehr positive Bilanz der Entwicklung unserer Beziehungen zur Volksrepublik Polen einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen zu führen, damit auf diese Weise einseitig negativen Propagandamanövern in der Bundesrepublik Deutschland von seiten gewisser interessierter Kreise besser entgegengewirkt werden kann?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713916500
Die Bundesregierung wird das gerne tun.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713916600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.
9610 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0713916700
In welchem Maße, Herr Staatsminister, werden umgekehrt als Antwort darauf deutsche Wissenschaftler von der Volksrepublik Polen eingeladen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713916800
Herr Abgeordneter, ich will das gerne nachprüfen und Ihnen das im einzelnen darlegen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713916900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0713917000
Herr Staatsminister, können Sie aber aus Ihrer jetzigen Kenntnis schon sagen, ob den deutschen Wissenschaftlern in Polen die gleiche Möglichkeit öffentlichen Auftretens und Wirkens durch Vorträge usw. gegeben ist wie den polnischen Wissenschaftlern hier bei uns?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713917100
Herr Abgeordneter, ich nehme an, daß der Fragesteller einer dieser Wissenschaftler war, die öffentlich in Polen aufgetreten sind.

(Freiherr von Fircks [CDU/CSU] : Das ist keine Beantwortung meiner Frage!)

— Entschuldigen Sie, ich unterstelle, daß selbstverständlich die Wissenschaft hier auf ihrem Felde völlig frei ist; denn der Austausch hat im Jahre 1969 106 Personen umfaßt und im Jahre 1973 575. Das bezieht sich wohlgemerkt auf den Austausch. Davon waren durchschnittlich je die Hälfte Deutsche und Polen. Die Gegenseitigkeit ist also durchaus gewahrt. Das ist eine Teilantwort auf die Frage des Herrn Dr. Hupka. Daß sie als Wissenschaftler wissenschaftsöffentlich auftreten, unterstelle ich. Ich habe noch nie etwas Gegenteiliges gehört.

(Dr. Schweitzer [SPD] : So ist es!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713917200
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0713917300
Handelt es sich bei den Zahlen, die Sie soeben genannt haben — z. B. die Zahl 575 — um Wissenschaftler?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713917400
Jedenfalls um Leute, die unter diesem Rubrum ihre Reisespesen abgerechnet haben, Herr Abgeordneter.

(Heiterkeit Dr. Czaja [CDU/CSU]: Das spricht für sich!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713917500
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 116 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz auf:
Ist es richtig, daß bei der Willensbildung, die zu dem in völliger Übereinstimmung mit der Bundesregierung gefaßten Beschluß des Senats von Berlin führte, für aus Osteuropa stammende Israelis, bei denen keine besonderen Voraussetzungen vorliegen, die Aufenthaltserlaubnis auf höchstens sechs Monate zu beschränken, Rücksichtnahmen auf sowjetische und arabische Wünsche eine Rolle gespielt haben, und um welche Wünsche handelte es sich — bejahendenfalls —?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713917600
Herr Abgeordneter, die Durchführung des Ausländergesetzes und damit die Entscheidung über den Aufenthalt von Ausländern in seinem Geltungsbereich ist Sache der Länder. Der Senat von Berlin hat im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit am 3. Dezember 1974 beschlossen, die bis zu diesem Tage nach Berlin eingereisten jüdischen Personen in Berlin aufzunehmen und ihnen Aufenthaltserlaubnis und, soweit erforderlich, deutsche Fremdenpässe zu erteilen; die nach dem 3. Dezember unter Verletzung der Einreisevorschriften eingereisten oder noch einreisenden Personen sollen dagegen keine Aufenthaltserlaubnis erhalten und zur Rückkehr nach Israel aufgefordert werden.
Die Bundesregierung ist nach der Beschlußfassung unterrichtet worden. Die Bundesregierung ist jedoch überzeugt, daß Rücksichtnahme auf sowjetische oder arabische Wünsche bei der Entscheidung des Senats keine Rolle gespielt haben. Der Bundesregierung ist über angebliche Wünsche dieser Art nichts bekannt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713917700
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 117 des Herrn Abgeordneten Sauer auf:
Was hat die Bundesregierung unternommen, nachdem lt. Pressemeldungen bekannt ist, die Regierung der Volksrepublik Polen beabsichtigte, ab 1975 den Sonderkurs für Devisengeschenke aus der Bundesrepublik Deutschland von bisher 23,6 Zloty für eine Deutsche Mark auf nur noch 12,6 Zloty für eine Deutsche Mark herabzusetzen und damit die in den deutschen Ostgebieten lebenden Deutschen, insbesondere alte Menschen, in harte Bedrängnis gebracht werden, zumal diese Entscheidung bedeutet, daß ein Hundertmarkschein, mit dem man bisher fast ein polnisches Durchschnittseinkommen von 2 300 Zloty überweisen konnte, künftig nur 1 260 Zloty wert sein wird, also kaum mehr als die Hälfte?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713917800
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist bisher nur inoffiziell bekanntgeworden, daß die polnische Bank PKO ab 1. Januar 1975 alle konvertierbaren Währungen im Verhältnis von 33,20 Zloty für 1 US-Dollar tauscht. Damit würde bei privaten Geldüberweisungen aus der Bundesrepublik Deutschland der bisherige Sonderkurs von etwa 23 Zloty für eine Deutsche Mark auf etwa 13 Zloty für eine Deutsche Mark herabgesetzt. Dieser Kurs ist immer noch günstig, da der Spezialkurs — für kommerzielle Überweisungen — von 7,89 Zloty für eine Deutsche Mark um die Touristenprämie von 66,7 % erhöht wird. Im übrigen bleibt die bisherige Umtauschrate für konvertierbare Währungen in Warenbons der polnischen Bank PKO unverändert, mit denen aus dem westlichen Ausland importierte Waren und für den Export bestimmte polnische Waren gekauft werden können.
In Polen lebenden Deutschen, die Geldüberweisungen aus der Bundesrepublik Deutschland erhalten, ist zur Vermeidung von Kursverlusten zu raten — wie übrigens bisher in ganz überwiegendem Maße üblich —, Deutsche Mark nicht in Zloty, sondern zum unveränderten Kurs in Warenbons der Bank PKO einzutauschen.
Die Festsetzung der Devisenkurse ist eine souveräne Angelegenheit der polnischen Regierung. Der Bundesregierung stehen insoweit keine direkten Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9611

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713917900
Eine Zusatzfrage.

Helmut Sauer (CDU):
Rede ID: ID0713918000
Ich habe Sie also richtig verstanden, Herr Staatsminister, daß hier keine Ausnahmeregelung nur für die Bundesrepublik Deutschland besteht?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713918100
Sie haben mich richtig verstanden. Es ist offensichtlich eine Regelung, die unter anderem ganz besonders die Überweisungen aus den USA betrifft; deswegen auch die Angabe in Dollar. Sie wissen, daß solche Überweisungen eine große Rolle spielen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713918200
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen dann zur Frage 68 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn. — Der Her Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Nun darf ich das Haus um Zustimmung dazu bitten, daß wir Herrn Dr. Arndt noch die Gelegenheit zur Frage 110 geben. Durch das Vorziehen der Fragestunde konnte er nicht rechtzeitig aus dem Ausschuß kommen, in dem er tätig war. Ich glaube, ich darf die Frage 110 noch einmal aufrufen:
Womit begründet die Bundesregierung die in ihrer Antwort auf meine Frage in der 131. Sitzung des Bundestages am 14. November 1974 (Stenographischer Bericht, Seite 8955 D) mitgeteilte ungleiche Behandlung der Mitglieder der obersten Verfassungsorgane des Bundes — insbesondere des Bundesverfassungsgerichts — bei der Ausstellung amtlicher Pässe?
Bitte schön!

(Freiherr von Fircks [CDU/CSU]: Gilt das in Zukunft immer?)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713918300
Eine ungleiche Behandlung der Mitglieder der obersten Verfassungsorgane — insbesondere des Bundesverfassungsgerichts — bei der Ausstellung amtlicher Pässe vermag die Bundesregierung nicht zu erkennen.
Amtliche Pässe sind nur zur Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben im Ausland bestimmt. Dem Charakter der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechend fallen dienstliche Aufgaben seiner Mitglieder im Ausland im allgemeinen nicht an. Die geltenden Bestimmungen geben jedoch die Möglichkeit, für Auslandsreisen, die „im amtlichen Auftrag oder im besonderen deutschen Interesse" stattfinden, amtliche Pässe zur Verfügung zu stellen, wenn anderenfalls die Erfüllung des Reisezwecks wesentlich erschwert wäre. Von dieser Möglichkeit wird auch bei Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts Gebrauch gemacht.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713918400
Zusatzfrage!

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0713918500
Herr Staatsminister, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung bei der Ausstellung amtlicher Pässe die Entscheidung dieses Hauses in der 4. Novelle zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, die Bundesverfassungsrichter in allen notwendigen Punkten den Bundestagsabgeordneten gleichzustellen — etwa freie i Fahrt auf der Eisenbahn usw. —, beachtet hat?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0713918600
Herr Abgeordneter, Sie kennen die Richtlinien — ich habe sie Ihnen kürzlich mitgeteilt —, die zur Ausstellung solcher Pässe dienen. Ich habe eben in meiner Antwort gesagt, daß, wenn aus dienstlichen Gründen oder im Interesse der Bundesrepublik Deutschland Auslandsreisen unternommen werden — die besser unternommen werden können, wenn amtliche Pässe da sind —, selbstverständlich amtliche Pässe ausgestellt werden. Es gibt übrigens auch Inhaber von amtlichen Pässen an diesem Gericht.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713918700
Keine Zusatzfrage.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser zur Verfügung.
Die Frage 19 soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe dann die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Baier auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz, z. B. zum Bau einer Gemeinschaftskläranlage, von den Grundstückseigentümern nicht als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, sondern im Gegenteil noch eine Erhöhung der Grund-, der Vermögens- und der Gewerbekapitalsteuer zur Folge haben, und ist sie bereit, dem Bundestag eine Gesetzesnovellierung vorzulegen, wonach gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen für den Umweltschutz steuerlich als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, um damit unangemessene finanzielle Belastungen der Grundstückseigentümer zu vermeiden und andererseits einen Anreiz zur Erstellung von Einrichtungen des Umweltschutzes zu geben?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0713918800
Herr Kollege, die Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern, die ausschließlich und unmittelbar dem Umweltschutz dienen, wird im geltenden Recht durch Gewährung von Sonderabschreibungen gefördert. Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, diese Abschreibungsbegünstigung mit Wirkung ab 1975 zu erweitern und zu verstärken. Über den Vorschlag der Bundesregierung hat der Deutsche Bundestag noch zu entscheiden.
Kanalanschlußgebühren, die für gemeindliche Abwasseranlagen entrichtet werden müssen, stellen jedoch Aufwendungen für ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut dar. Sie werden steuerlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als Aufwendungen auf den Grund und Boden behandelt, bei dem Absetzungen für Abnutzung nicht zulässig sind. Die Bundesregierung teilt die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs.
Im übrigen trifft es nicht zu — jedenfalls, Herr Kollege Baier, nicht in der in Ihrer Fragestellung unterstellten Allgemeinheit —, daß die Kanalanschlußgebühren zu einer Erhöhung der Grund-,
9612 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
der Vermögen- und der Gewerbekapitalsteuer führen. Eine Erhöhung dieser Steuer könnte sich allenfalls wegen der mit einer Erschließung oder besseren Erschließung des Grundstücks verbundenen Werterhöhung, nicht aber wegen der Zahlung des Anschlußbeitrags ergeben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713918900
Eine Zusatzfrage.

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0713919000
Herr Staatssekretär, ich darf Sie trotz der zitierten Urteile, die unbestritten sein mögen, doch ausdrücklich fragen, ob es die Bundesregierung nicht für sinnvoll und notwendig hält, dem angesichts des hohen Stellenwertes des Umweltschutzes neben Gesetzen und Verordnungen, die herausgegeben werden, auch dadurch Rechnung zu tragen, daß sie die steuerliche Absetzbarkeit dieser Umweltschutzmaßnahmen für diejenigen, die sie bezahlen müssen, generell einführt.

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0713919100
Herr Kollege Baier, ich nehme an, daß Sie sich auf den zweiten Teil meiner Antwort beziehen. Hier ist die Bundesregierung eben der Meinung, daß es sich nicht um Aufwendungen für den Umweltschutz handelt. Deswegen unterstützt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesfinanzhofs und die ergangenen Urteile.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713919200
Eine weitere Zusatzfrage.

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0713919300
Herr Staatssekretär, dann eine Frage dazu, die in den konkreten Bereich geht: Wie erklären Sie sich den Widerspruch, daß beispielsweise private Hauskläranlagen steuerlich abgeschrieben werden können, hingegen Beiträge zu Gemeinschaftskläranlagen, die ja die privaten Kläranlagen ersetzen, steuerlich weder absetzbar noch abschreibbar sind?

Karl Haehser (SPD):
Rede ID: ID0713919400
Herr Kollege Baier, ich brauche mir den Widerspruch nicht zu erklären, weil ich das nicht für einen Widerspruch halte.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713919500
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Schöfberger soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar zur Verfügung. Die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 68 des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) ist soeben in einem anderen Ressort behandelt worden.
Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Gerlach (Obernau) auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 70 des Abgeordneten Egert soll auf Bitte des Fragestellers ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt (Hamburg) auf:
Weshalb wurde die Kücheneinrichtung des modernsten Elektrotriebwagenzugs der Deutschen Bundesbahn, der als IC-Zug „Hermes" verkehrt, mit einem Mikrowellenherd ausgestattet, der die Zubereitung nur einer äußerst geringen Anzahl von Gerichten zuläßt?
Bitte schön!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713919600
Herr Kollege, wie mir die Deutsche Bundesbahn auf Anfrage mitgeteilt hat, ist die Kücheneinrichtung des Schnelltriebwagens ET 403 von der Deutschen Bundesbahn im Benehmen mit der Deutschen Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft nach modernsten Gesichtspunkten konzipiert worden. In der Küche des Speisetriebwagens werden drei verschiedene Herdtypen vorgehalten, die sich bereits an anderer Stelle gut bewährt haben.
Im einzelnen handelt es sich um zwei Mikrowellenherde, einen Auftauherd und einen Elektroherd mit vier Platten und mit eingebautem Auftauofen.
Beschwerden über längere Wartezeiten bei der Warmessenbestellung sind der Bundesbahn nach den mir vorliegenden Informationen bisher nicht bekannt geworden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713919700
Eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0713919800
Herr Staatssekretär, was sagen Sie zu der mir zugegangenen Mitteilung, daß die Hauptverwaltung der Deutschen Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft durch die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn überhaupt nicht von dem Bau dieser Küche unterrichtet worden ist?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713919900
Das ist meinem Hause bislang nicht bekannt. Ich greife diese mir heute zugegangene Information gerne auf, um sie zu prüfen, Herr Kollege.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713920000
Eine weitere Zusatzfrage.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0713920100
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht einen Widerspruch zwischen Ihrer ursprünglichen Antwort und der Mitteilung des
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9613
Dr. Arndt (Hamburg)

Chefstewards dieses Zuges, daß er auf seinem Herd nicht einmal Bratkartoffeln herstellen könne?

(Heiterkeit)


Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713920200
Herr Kollege, ich kann bezüglich der Inbetriebnahme dieser Einzelgeräte im Einzelfall natürlich keinen Zusammenhang mit der Anschaffung feststellen. Aber ich schließe nicht aus, daß es in der Bedienung auch Unterbrechungen gibt, die andere Gründe haben als die Frage der Abstimmung der Anschaffung selbst.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713920300
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage Nr. 72 des Herrn Abgeordneten Flämig:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, den Einsatz von Streusalz wegen der schädlichen Wirkung auf Pflanzen und Tiere im kommenden Winter zu unterbinden oder zumindest einzuschränken?
Bitte schön!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713920400
Herr Kollege! Nach dem heutigen Stand der Technik lassen sich Straßen nur dann den Winter über mit finanziell vertretbaren Aufwendungen für den Verkehr offenhalten, wenn zur Bekämpfung der Winterglätte Streusalz verwendet wird. Dabei muß in Kauf genommen werden, daß Gehölze auf Mittel- und Seitenstreifen durch die salzhaltigen Sprühfahnen Kontaktschäden erleiden können. Dies ist zu vermeiden, indem salzresistente Gehölze angepflanzt werden. Im übrigen sind Pflanzen nur wenig und Tiere überhaupt nicht gefährdet.
Mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Straßenverkehrs, insbesondere auch der Verkehrssicherheit, sieht daher die Bundesregierung keine Möglichkeit, die Streusalzverwendung auf Straßen zu verhindern. Auch eine Einschränkung ist nicht möglich, weil sich der Umfang der Salzstreuung auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713920500
Eine Zusatzfrage!

Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0713920600
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß durch Streusalz nicht nur Pflanzen und Tiere beschädigt oder belästigt werden, sondern daß insbesondere auch die Straßendecken dadurch sehr stark beschädigt werden? Und warum nimmt man nicht andere abstumpfende Mittel als Salz?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713920700
Ich will Ihre Anregung gerne aufgreifen. Ich schließe nicht aus, daß da und dort auch Brücken durch das Salzstreuen gewisse Schäden erleiden oder daß sich zumindest über Jahre hinweg Wirkungen zeigen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713920800
Weitere Zusatzfrage!

Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0713920900
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß nicht nur Bundesstraßen, sondern auch Gemeindestraßen gegen Glätte geschützt werden müssen? Und trifft auch auf Gemeindestraßen Ihre Aussage zu, daß Tiere nicht belästigt werden? Im allgemeinen ist doch bekannt, daß gerade Tiere unter dem Salz sehr zu leiden haben.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713921000
Ich kann Sie im Augenblick nur darauf hinweisen, daß wir für nachhaltige Schäden an Tieren im Vergleich zu dem Aufwand unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit kein Beispiel nennen können, das es nicht rechtfertigt, auch künftig im Winter aus den Gründen, die ich in der Beantwortung Ihrer ersten Frage dargelegt habe, weiterhin Salz zu streuen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713921100
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 73 bittet der Fragesteller schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 74 des Herrn Dr. Enders:
Trifft es zu, daß die Arbeiterwochenkarten der Deutschen Bundeshahn (DB) nur von Montag bis Samstag gelten und die Arbeitnehmer, die am Sonntag zur Arbeit fahren, sich eine zusätzliche Einzelkarte kaufen müssen, und ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß im Hinblick auf die gleitende Arbeitswoche und die zunehmende Sonntagsarbeit die Gültigkeit der Arbeiterwochenkarte der DB auch auf den Sonntag ausgedehnt wird, damit den betroffenen Arbeitnehmern keine zusätzlichen Fahrkosten entstehen, zumal sie ihre Karte nicht an allen Wochentagen benützen?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713921200
Herr Kollege, es trifft nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn zu, daß die Wochenkarten der Bundesbahn von Montag bis Samstag gelten. Arbeitnehmer, die im Hinblick auf eine gleitende Arbeitswoche auch sonntags zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln müssen, brauchen keine zusätzliche — übrigens ebenfalls ermäßigte — Einzelfahrkarte für Berufstätige zu lösen, wenn sie sich der im Fahrpreis günstigeren Monatskarten bedienen, die an allen Tagen der Woche gelten. Unter diesen Umständen besteht nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn keine Veranlassung dazu, die Geltungsdauer der Wochenkarten zu ändern, zumal dies mit einer Verteuerung verbunden sein müßte.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713921300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0713921400
Herr Staatssekretär, ist Ihnen in dieser Frage die Schwierigkeit bekanntgeworden, die darin beruht, daß die Arbeitnehmer, die sonntags arbeiten müssen, nicht an allen Wochentagen mit der Deutschen Bundesbahn fahren können? Gerade deswegen bitten sie darum, daß die Ausdehnung der Gültigkeit der Arbeiterwochenkarte auf den Sonntag erfolgt. Mit Ihrem Hinweis, daß eine Monatskarte billiger sei als die Wochenkarte, kann ich mich nicht zufriedengeben. Denn die ausgefallenen Wochentage würden bei der Monatskarte bezahlt werden müssen; so käme sie letzten Endes teurer.
9614 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0713921500
Herr Kollege, ich habe schon auf die Möglichkeit des Ausweichens zum Lösen einer Monatskarte für diesen betroffenen Kreis der Arbeitnehmer hingewiesen.
Vielleicht interessiert Sie das Ausmaß der Ermäßigung bei den Wochenkarten und den Monatskarten. Ich glaube, damit hat die Bundesbahn durchaus eine Alternative anzubieten. Bei einer Entfernung bis zu 15 Kilometern ist bei Wochenkarten das Preisverhältnis zu den Normalfahrkarten eine 37,5 %ige Verringerung, bei Monatskarten ist eine Ersparnis von 47,5 % festzustellen. Bei einer Entfernung bis zu 25 Kilometern wird das noch höher, von 51,9 % bei der Wochenkarte auf 59,2% bei der Monatskarte. Bei einer Entfernung bis zu 50 Kilometern geht es von 58,3% auf 65 %. Das heißt: Der Arbeitnehmer, der zum Teil auch an Sonntagen arbeitet, kann, wenn er sich entscheidet, eine Monatskarte zu lösen, auch hier mit besonderen Vergünstigungen rechnen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713921600
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 75 und 76 des Abgeordneten Gerster (Mainz) sowie die Frage 77 des Abgeordneten Tillmann sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar. Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Herold zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Baier auf:
Ist in den Gesprächen mit der DDR einmal danach gefragt worden, aus welchen Gründen bei Geschenksendungen in die DDR jeweils eine vom Landesgesundheitsamt amtlich ausgestellte „Desinfektionsbescheinigung" erforderlich ist?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713921700
Frau Präsidentin, Herr Kollege Baier, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten.
Die DDR verlangt schon seit 1961 Desinfektionsbescheinigungen für gebrauchte Textilien und Schuhe — sowohl beim Versand in Postpaketen als auch bei der Mitnahme im Reiseverkehr. Dieses Erfordernis ist mit hygienischen Notwendigkeiten begründet worden und gilt gegenüber allen Staaten.
In den Verhandlungen mit der DDR über ein Abkommen auf dem Gebiete des Gesundheitswesens ist von unserer Seite großer Wert auf den Wegfall der Desinfektionsbescheinigung gelegt worden. Eine entsprechende Einigung für die Mitnahme im Reiseverkehr ist erzielt und wird mit dem Inkrafttreten des Gesundheitsabkommens wirksam werden.
Der Wegfall der Desinfektionsbescheinigung beim Versand von Postpaketen ist bei Gelegenheit der Postverhandlungen mit der DDR besprochen worden. Bei einem erfolgreichen Abschluß der Postverhandlungen mit der DDR dürfte auch dieses Problem eine befriedigende Regelung erfahren. Ich verweise hierzu auf meine Antwort vom 31. Oktober 1974 auf die Frage des Kollegen Dr. Köhler (Wolfsburg). In der Sache selbst hat sich nichts geändert.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713921800
Eine Zusatzfrage.

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0713921900
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die DDR im Paketverkehr von allen Staaten, also auch von den Ostblockstaaten, eine derartige Bescheinigung verlangt?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713922000
So ist es.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713922100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kreutzmann.

Dr. Heinz Kreutzmann (SPD):
Rede ID: ID0713922200
Herr Staatssekretär, warum besteht die DDR darauf, daß die Desinfektionsbescheinigungen von den Landesgesundheitsämtern ausgestellt werden müssen?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713922300
Auch diese Frage ist geklärt. Die Ausstellung der erforderlichen Desinfektionsbescheinigungen durch die Landesgesundheitsämter ist nicht mehr notwendig; die Bescheinigungen können heute auch vom örtlichen Gesundheitsamt ausgestellt werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713922400
Keine Zusatzfrage?
Ich rufe dann die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Werner auf:
Inwieweit hat die Bundesregierung während der Verhandlungen mit der Regierung der DDR über Verlängerung und Ausweitung des Überziehungskredits im innerdeutschen Handel (Swing) auf eine Gleichbehandlung der Benützer der Straßen und Wege in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR hingewirkt, bzw. wird die Bundesregierung in zukünftigen Verhandlungen eine Gleichbehandlung im Bereich der Straßenbenutzungsgebühren anstreben?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713922500
Frau Präsident, Herr Kollege Werner, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten.
Über den Wegfall der Straßenbenutzungsgebühren, die die DDR erhebt, ist im Zusammenhang mit der Verlängerung des Swing nicht gesprochen worden. Da auf dem Gebiet der Wegekostenerstattung gegenüber der DDR bisher keine Gegenseitigkeit besteht, ist beabsichtigt, im Rahmen der Steuerreform auch DDR-Fahrzeuge grundsätzlich in die Kraftfahrzeugsteuer einbeziehen. Dabei wird, wie auch gegenüber anderen Ländern, die Möglichkeit bestehen, auf der Basis der Gegenseitigkeit auf die Erhebung von Wegegebühren zu verzichten, wie das im übrigen gegenüber anderen Ländern im Westen bereits der Fall ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713922600
Eine Zusatzfrage.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9615

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0713922700
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es sich aus Sinn und Inhalt des Grundlagenvertrages und der darauf notwendigerweise aufbauenden Folgeverträge ergeben muß, daß in diesem Bereich möglichst rasch konkrete Verhandlungen aufgenommen werden und daß es hier wenig zweckdienlich ist, zunächst auf Regelungen im Bereich steuerrechtlicher Art zu warten?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713922800
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß es hier auch um ein Politikum geht. Wir haben DDR-Fahrzeuge bisher als „inländische Fahrzeuge" betrachtet und sie von der Steuer freigestellt. Eine Änderung unserer Haltung muß daher wohl bedacht werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713922900
Eine weitere Zusatzfrage.

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0713923000
Halten Sie dementsprechend die Erhebung von besonderen Straßenbenutzungsgebühren seitens der DDR für rechtlich begründet?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713923100
Das habe ich nicht sagen wollen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713923200
Eine Zusatzfrage, bitte schön!

Dr. Manfred Achim Geßner (SPD):
Rede ID: ID0713923300
Herr Staatssekretär, würden Sie mir folgende Frage beantworten: Warum sind Gespräche mit der DDR wegen einer Verminderung oder Begrenzung der Straßenbenutzungsgebühren nicht schon längst aufgenommen worden?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713923400
Ich habe bereits erklärt, daß wir auch dieses Problem angehen wollen, und ich glaube, daß wir im Rahmen der Steuerreform auch hier eine vernünftige Lösung finden werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713923500
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. Warnke auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls Frage 81. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf.
Wie hat die Bundesregierung bei den jüngsten Gesprächen des Ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland, Staatssekretär Gaus, mit der DDR sichergestellt, daß in Zukunft nicht erneut durch vertragswidrige Erhöhung der Zwangsumtauschsätze seitens der DDR Druck auf die Bundesregierung zur Erreichung abermaliger Gegenleistungen ausgeübt werden kann?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713923600
Frau Präsidentin! Herr Professor Abelein, die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß jede Maßnahme der DDR, die den Reiseverkehr zwischen den beiden deut-
schen Staaten grundsätzlich einschränkt, einen Wegfall der Geschäftsgrundlage der bisher mit der DDR geschlossenen Verträge bedeutet. Aus gutem Grunde hat die Bundesregierung jedoch nicht mit der Regierung der DDR über den Mindestumtausch verhandelt, um diese einseitig von der DDR verfügte Maßnahme nicht seitens der Bundesregierung anzuerkennen und zum Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen zu machen. Deshalb kann auch nicht die Rede davon sein, daß die Reduzierung der Mindestumtauschsätze oder die Herausnahme der Rentner aus der Pflicht zum Mindestumtausch auf einer Gegenleistung der Bundesregierung beruht.
Die Bundesregierung hat es allerdings nicht für richtig gehalten, in dem Augenblick, da die Regierung der DDR im wesentlichen zur Geschäftsgrundlage der bisher geschlossenen Verträge zurückgekehrt war, die Aufnahme von Verhandlungen über beide Seiten interessierende Fragen zu verzögern. Sollte die Regierung der DDR allerdings die Geschäftsgrundlage der bisherigen Vereinbarung erneut verletzen, so wird die Bundesregierung die von ihr zugesagten Erleichterungen nicht aufrechterhalten können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713923700
Zusatzfrage.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0713923800
Ergibt sich daraus, Herr Staatssekretär, daß der zumindest zeitliche Zusammenhang zwischen der Unterzeichnung des Swing-Abkommens und der teilweisen Rückgängigmachung des Zwangsumtausches rein zufälliger Art ist?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713923900
Herr Professor Abelein, Ihnen sollte die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers erinnerlich sein. Er hat hier eindeutig den chronologischen Hergang dargestellt, aus dem ersichtlich wird, daß der Zusammenhang, den Sie vermuten, nicht besteht.

(Höhmann [SPD] : Noch nicht einmal zeitlich!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713924000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713924100
Herr Staatssekretär, bedeutet das nicht geradezu eine Einladung an die Regierung der DDR, erneut derartige Einschränkungen des Besucherverkehrs vorzunehmen, wenn die Bundesregierung — wie jetzt geschehen — weitreichende Abmachungen mit der DDR trifft, ohne daß die DDR zur vollen Geschäftsgrundlage zurückgekehrt ist?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713924200
Ich verstehe nicht, was Sie meinen mit „erneut . . . Einschränkungen . . . vorzunehmen". Das ist doch im Augenblick gar nicht aktuell. Die DDR hat einen gewichtigen Teil ihrer Einschränkungen zurückgenommen. Und wir werden auch bei den künftigen Gesprächen und Ver-
9616 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Parl. Staatssekretär Herold
handlungen weiterhin auf einer völligen Zurücknahme bestehen. Oder sind Sie der Meinung, daß wir so lange nicht weiterverhandeln sollten, bis der Rest der Einschränkungen ebenfalls zurückgenommen ist? Ich glaube, daß das für uns ein Rückschritt wäre. Es ist doch nicht zu bestreiten, daß sich in allen Bereichen einiges entwickelt hat, worüber wir uns gemeinsam freuen können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713924300
Nun eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Abelein.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0713924400
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß Sie sich gerade in einen eklatanten Widerspruch verwickelt haben, weil Sie davon sprachen, daß Sie auf die Rücknahme des Zwangsumtausches in Verhandlungen eingehen wollten, was Sie doch nach Ihrer ersten Auskunft doch gerade nicht tun wollten?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713924500
Ich habe auch von Gesprächen — ich bitte, das im Protokoll nachzulesen —,

(Dr. Abelein [CDU/CSU] : Und Verhandlungen!)

— ja, von Verhandlungen und Gesprächen gesprochen. Gerade in dieser Frage habe ich ausdrücklich auch die Gespräche genannt. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Ich glaube, Herr Professor Abelein, das werden Sie mir zugeben müssen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713924600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0713924700
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß die Einräumung des Swing ein Geschäft auf Gegenseitigkeit ist und daß infolgedessen auch ein großes Interesse der westdeutschen Wirtschaft an der Inanspruchnahme von Swing-Krediten besteht?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713924800
Diese Frage kann ich nur mit einem glatten Ja beantworten. Sie wissen, es handelt sich im abgelaufenen Jahr um eine Summe von 600 bis 700 Millionen DM. Diese Zahl ist, wie ich glaube, auch für die bundesrepublikanische Wirtschaft sehr interessant.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713924900
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kreutzmann.
Di. Kreutzmann (SPD) Herr Staatssekretär, können Sie einmal sagen, welche Erfahrungen frühere Bundesregierungen mit dem Versuch gemacht haben, den innerdeutschen Handel als politischen Hebel zu benutzen?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713925000
Herr Kollege Dr. Kreutzmann, ich könnte hier konkrete Aussagen
zitieren, möchte dies aber im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit nicht tun. Eines steht aber fest: 1960 gab es einen Versuch, den Swing als Hebel zu benutzen — ohne Erfolg. Schon 1961 beim Mauerbau hat man darauf verzichtet. Nehmen wir die Große Koalition 1968, ein paar Monate nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei. Auch da hat man die Vereinbarung über den Swing nicht als politisches Instrument betrachtet, ihn nicht als politischen Hebel benutzt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713925100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gradl.

Dr. Johann Baptist Gradl (CDU):
Rede ID: ID0713925200
Herr Staatssekretär, sind Sie wirklich der Meinung, daß man so pauschal, wie Sie es soeben getan haben, erklären kann, das frühere Regierungen, ganz gleich, wie sie zusammengesetzt waren, den Interzonenhandel nicht als Instrument für Verbesserungen in anderen Bereichen benutzt haben? Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß z. B. die wesentliche Erleichterung, die 1964 erreicht worden ist, nämlich die Freigabe der Rentnerreisen von Ost nach West, durchaus auch in einer Verbindung — allerdings nicht formal — mit dem Interzonenhandelsgeschäft stand. Das vollzog sich damals alles nur nicht spektakulär. Ich nenne auch nur dieses eine Beispiel; es gab noch mehr.

(Wehner [SPD] : Weil die damalige Opposition das nicht so gemacht hat, das wissen Sie doch noch!)


Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713925300
Herr Kollege Dr. Gradl, ich kann diese Zusammenhänge exakt nicht bestätigen. Dazu fehlt mir heute die Detailkenntnis. Es war nicht meine Absicht. diese Dinge pauschal darzustellen. Ich habe vielmehr drei markante Beispiele genannt, die klar belegen, daß man den innerdeutschen Handel nicht als politischen Hebel benutzt hat.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713925400
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann.

Egon Höhmann (SPD):
Rede ID: ID0713925500
Herr Staatssekretär, können Sie nicht auch bestätigen, daß eine frühere, von der CDU geführte Bundesregierung durchaus schon einmal den Versuch unternommen hat, den innerdeutschen Handel als politischen Hebel zu benutzen, und dabei furchtbar auf den Bauch gefallen ist?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713925600
Herr Kollege, ich würde nicht sagen: auf den Bauch gefallen. Aber man hat sich mit anderen westlichen Ländern ins Benehmen setzen müssen, um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713925700
Keine Zusatzfrage. — Dann rufe ich die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Hat die Bundesregierung bei ihren Gesprächen mit der DDR-Regierung durch Staatssekretär Gaus sichergestellt, daß auch
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9617
Vizepräsident Frau Funcke
die vertragswidrige Verdoppelung der Zwangsumtauschbeträge wieder vollständig zurückgenommen wird, und wenn ja, warum hat die DDR-Regierung dies nicht in ihr aide memoire aufgenommen?
Herold, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen? Frau Präsidentin! Herr Professor Abelein! Ich möchte an das anknüpfen, was ich bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage gesagt habe, und betonen, daß die Bundesregierung sich weiterhin um eine Senkung und langfristig um den völligen Wegfall der einseitig von der DDR verfügten Pflicht zum Mindestumtausch bemüht. Die Bemühungen um den völligen Wegfall der Pflicht zum Mindestumtausch werden allerdings kurzfristig kaum einen Erfolg zeitigen; darüber sind wir uns wohl alle im klaren. Ich darf bei dieser Gelegenheit in Ihr Gedächtnis rufen, daß auch andere Staaten des Warschauer Paktes die Pflicht zum Mindestumtausch kennen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713925800
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 84 des Herrn Abgeordneten Lagershausen. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die von dem Herrn Abgeordneten Lagershausen eingebrachten Fragen 84 und 85 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Warum hat sich die Bundesregierung entgegen ihrer bisherigen Haltung auf die Paraphierung eines Abkommens-Textes über die Verlängerung des Überzichungskredits im innerdeutschen Handel (Swing) eingelassen, ehe die DDR-Regierung öffentlich die Rücknahme des Zwangsumtauschs für Rentner ankündigte, und warum hat die Bundesregierung nicht die schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit mit Vor-Papieren dieser Art berücksichtigt?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713925900
Frau Präsidentin! Herr Kollege Jäger! Ich beantworte Ihre Frage wie folgt. Es erscheint mir notwendig, zur Beantwortung Ihrer Frage noch einmal den Ablauf der Ereignisse insgesamt darzustellen.
Bekanntlich ist seit dem Sommer dieses Jahres mit der DDR über eine Reihe von Fragen gesprochen worden. Die formalisierten Ergebnisse dieser Gespräche hatten folgende Reihenfolge. Am 5. November hat die DDR in ihrem Gesetzblatt die Senkung der Tagessätze des Mindestumtausches auf 13 DM bzw. 6,50 DM mit Wirkung vom 15. November bekanntgegeben. Ende November hat sie sich intern gebunden, die Rentner wieder vom Mindestumtausch zu befreien. Nach dreitägigen Verhandlungen ist am 6. Dezember der Briefwechsel über die Verlängerung des Swing paraphiert worden. Am 9. Dezember hat die DDR formell mitgeteilt, daß sie die Rentner mit Wirkung vom 20. Dezember 1974 vom Mindestumtausch befreit und zu weiteren Reiseerleichterungen sowie zu Verhandlungen über Wirtschafts- und Verkehrsfragen bereit ist. Danach ist am 12. Dezember der Briefwechsel über den Swing unterschrieben worden. Am 16. Dezember hat die Bundesregierung nach genauer Prüfung der Mitteilungen formell erklärt, daß sie das Verhandlungsangebot annimmt.
Wenn man sich diesen Ablauf vor Augen hält, wird ganz deutlich, daß die Bundesregierung zu keinem Zeitpunkt Vorleistungen erbracht hat, auch nicht im Lichte des Entschlusses der DDR vom 7. Dezember, einseitig die Paraphierung des Briefwechsels vom 6. Dezember bekanntzugeben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713926000
Eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713926100
Herr Staatssekretär, nachdem Sie mit Ihrer historischen Darstellung meine Frage wenigstens insofern positiv beantwortet haben, als nun klargestellt ist, daß bereits vor einer öffentlichen Ankündigung der DDR über den Wegfall des Mindestumtausches für Rentner die Zusage der Bundesregierung für die Verlängerung des Swing ergangen ist, frage ich Sie, ob sich die Bundesregierung mit dieser Darstellung, die Sie gegeben haben, nicht zu dem in Widerspruch gesetzt hat, was bisher gesagt wurde, daß nämlich die DDR erst zur Vertragstreue zurückkehren müsse und erst dann über die übrigen Dinge verhandelt werde.

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713926200
Ich habe, glaube ich, hier eindeutige Erklärungen abgegeben. Ich habe außerdem auf die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers verwiesen und möchte dies noch einmal tun. Von Vorleistungen kann keine Rede sein, und der Ablauf ist so gewesen, wie ich ihn hier dargestellt habe.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713926300
Eine weitere Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713926400
Herr Staatssekretär, auch wenn Sie davon sprechen, daß es keine Vorleistungen gegeben habe: Ist hier nicht ein klarer Widerspruch zu der bisherigen Haltung der Bundesregierung zu sehen, die erklärt hat, erst müsse dieser Zwangsumtausch vom Tisch sein — das bedeutet, daß die Verordnung der DDR geändert sein muß —, ehe über alles Weitere mit der DDR verhandelt werde?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713926500
Der Zwangsumtausch ist zu zwei Dritteln zurückgenommen worden. Des weiteren ist die Befreiung der Rentner vom Zwangsumtausch erfolgt. Wir können damit feststellen, daß auf Grund langer und zäher Gespräche ein wesentlicher Fortschritt erreicht wurde. Dies wird für mich besonders deutlich, wenn ich daran denke, was hier in Fragestunden im November vergangenen Jahres, als über die Erhöhung der Zwangsumtauschsätze gesprochen wurde, alles gesagt worden ist. Natürlich ging es langsamer, als wir angenommen haben. Wir sind heute aber einen deutlichen Schritt weiter. Ich würde den Erfolg, der hier erreicht worden ist, nicht negativ bewerten, wie Sie das getan haben, Herr Kollege Jäger.
9618 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713926600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schachtschabel.

Dr. Hans Georg Schachtschabel (SPD):
Rede ID: ID0713926700
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Lieferungen der deutschen Industrie in die DDR von 1973 auf 1974 um 800 Millionen oder um rund ein Drittel gestiegen sind, und teilen Sie die Meinung, daß ohne Swing auch nachteilige Konsequenzen für unseren Arbeitsmarkt eingetreten wären?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713926800
Ich glaube, Herr Kollege Schachtschabel, ich konnte das bereits an anderer Stelle bestätigen. Die neuesten Berichte des Bundeswirtschaftsministeriums belegen Ihren Hinweis außerdem.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713926900
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann.

Egon Höhmann (SPD):
Rede ID: ID0713927000
Herr Staatssekretär, da man davon ausgehen darf, daß der sogenannte Swing keine sozialdemokratische Erfindung ist, frage ich: Sind Sie der Meinung, daß die Einräumung des Swing von Anfang an in jedem Falle eine politische Vorleistung von CDU-Regierungen gewesen ist?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713927100
Ich glaube, das kann man sagen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713927200
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0713927300
Herr Staatssekretär, können Sie mir darin zustimmen, daß die DDR-Regierung immer noch nicht auf die alte Geschäftsgrundlage zurückgekehrt ist, nachdem der Zwangsumtausch immer noch um ein Drittel höher als vor Abschluß des Grundvertrages ist?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713927400
Herr Kollege Hupka, Sie hören doch immer gut zu. Ich habe das bereits bestätigt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713927500
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0713927600
Herr Staatssekretär, können Sie Ihren Kollegen aus den Akten Ihres Hauses mitteilen, daß alle Regierungen jeglicher Koalition in der Vergangenheit selbstverständlich den innerdeutschen Handel auch mit politischen Konsequenzen überdacht haben, daß beispielsweise schon das Hinausschieben der Saldierung über den 30. Juni mit Gegenleistungen der anderen Seite honoriert wurde und daß im Gesamtdeutschen Ausschuß unter Vorsitz Herbert Wehners immer Einstimmigkeit bestand, daß Leistung und Gegenleistung im innerdeutschen Handel adäquat sein müßten?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713927700
Herr Kollege Dr. Mende, ich sehe da ja keinen Widerspruch, im Gegenteil, die Gemeinsamkeit, die Sie ansprechen, die damals vorhanden war, vermissen wir heute, und das bedauern wir sehr. Das möchte ich hier offen sagen.

(Beifall bei SPD und FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713927800
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Trifft die Äußerung im Kommentar des SED-parteiamtlichen „Neuen Deutschland" vom 11. Dezember 1974 zu, in dem auf die zeitliche Reihenfolge: Verlängerung des Swing im innerdeutschen Handel und erst danach Angebote der DDR über menschliche Erleichterungen hingewiesen wurde und daß schon vor der offiziellen Unterzeichnung der Vereinbarung über die Verlängerung des Swing von „sehr konkreten Vereinbarungen" gesprochen wurde?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713927900
Frau Präsidentin, Herr Kollege Jäger! Der Kommentar im „Neuen Deutschland" vom 11. Dezember 1974 kann nichts am Ablauf und am inneren Zusammenhang der Ereignisse ändern, wie ich sie hier in meiner Antwort bereits dargestellt habe.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713928000
Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713928100
Herr Staatssekretär, muß ich aus dieser Antwort schließen, daß dieser Kommentar in der Sache zutreffend ist?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713928200
Ich beziehe mich nicht auf den Kommentar, sondern auf die Feststellungen, die dort veröffentlicht worden sind. Ein Kommentar ist nicht Feststellung. Schreiben kann jeder, was er will.

(Mattick [SPD] : Das „Neue Deutschland" ist wohl Ihr Leibund Magenblatt?)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713928300
Eine zweite Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713928400
Herr Staatssekretär, muß ich aus diesem neuerlichen Ausweichen auf meine Frage den Schluß ziehen, daß es der Bundesregierung vollständig gleichgültig ist, wie das offizielle Zentralorgan der Regierung, mit der sie verhandelt, diese Dinge kommentiert?

(Zuruf des Abg. Wehner [SPD])


Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713928500
Entschuldigen Sie, sollen wir aus Kommentaren des Zentralblattes der SED vielleicht besondere Instruktionen entnehmen? Wir nehmen es zur Kenntnis und werten es aus.

(Zuruf von der SPD: Was würde die CDU wohl ohne das „Neue Deutschland" machen!)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9619
Parl. Staatssekretär Herold
Ich weiß nicht, was Sie sich vorstellen, Herr Kollege Jäger. Wenn Sie die Antwort nicht bekommen, die Sie erwarten, zweifeln Sie an der sachgemäßen Beantwortung der Frage. Ich muß das zurückweisen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713928600
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Böhm auf:
Hat die Bundesregierung bei ihren jüngsten Verhandlungen mit der DDR Auskunft über die Verwendung der Straßenbenutzungsgebühren verlangt und erhalten, die im Rahmen der jährlichen Pauschalsumme von 234,9 Millionen DM gemäß Art. 18 des Transitabkommens derzeit jährlich an die DDR von der Bundesrepublik Deutschland entrichtet werden?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713928700
Frau Präsidentin! Herr Kollege Böhm.
Ich wollte die Beantwortung eigentlich an die Antwort auf die Frage des abwesenden Kollegen Lagershausen anschließen, darf aber hier nun folgendes bemerken: Die Transitpauschale ist in Artikel 18 des Transitabkommens geregelt. Artikel 18 Absatz 4 lautet — ich darf zitieren —:
Die Höhe der ab 1976 zu zahlenden Pauschalsumme und die Bestimmung des Zeitraumes, für den diese Pauschalsumme gültig sein soll, werden im zweiten Halbjahr 1975 unter Berücksichtigung der Entwicklung des Transitverkehrs festgelegt.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß auf Grund der neuen Angebote der DDR im kommenden Jahr Verhandlungen über zahlreiche Verkehrsfragen aufgenommen werden. Bei diesen Verkehrsverhandlungen wird sich die Frage stellen, wofür die bisher eingenommenen Straßenbenutzungsgebühr verwandt worden ist und welche Auswirkungen sich durch eventuelle neue Maßnahmen auf bestehende Zahlungsregelungen ergeben werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713928800
Zusatzfrage.

Wilfried Böhm (CDU):
Rede ID: ID0713928900
Herr Staatssekretär, darf ich daraus schließen, daß es die Bundesregierung bis heute noch nicht ein einziges Mal für richtig und notwendig gehalten hat, sich nach der Verwendung der bisher gezahlten Straßenbenutzungsgebühren in der DDR zu erkundigen?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713929000
Herr Kollege Böhm, ich glaube, daß Sie in der Fragestunde anwesend waren, in der ich diese Frage gegenüber Herrn Kollegen Wohlrabe beantwortet habe. Ich wiederhole sinngemäß: Ich glaube, es wäre eine Anmaßung, wenn wir uns zum Rechnungsprüfer der Verantwortlichen in Ost-Berlin machen würden, und verlangten, daß diese nachweisen, wofür sie ihre Mittel ausgeben. Auch andere Staaten lehnen solche Kontrollen ab. Ich bitte, dies zu berücksichtigen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713929100
Eine zweite Zusatzfrage.

Wilfried Böhm (CDU):
Rede ID: ID0713929200
Herr Staatssekretär, ist es nicht eigentlich selbstverständlich, daß man, wenn an die DDR Straßenbenutzungsgebühren gezahlt werden, auch Wert darauf legt, daß die dafür aufgewandten Steuergelder der Bürger der Bundesrepublik Deutschland für den bestimmten Zweck ausgegeben werden und nicht für irgendwelche andere Dinge,

(Zurufe von der SPD)

die die DDR damit betreibt, vielleicht kommunistische Infiltration und Agitation innerhalb der Bundesrepublik Deutschland?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713929300
Herr Kollege Böhm, ich weiß nicht, was diese Polemik in Ihrer Frage soll. Sie würden sich wahrscheinlich davor hüten, über die Ausgabe von Beträgen, die wir im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft zu leisten haben, in dieser Form Rechenschaft zu verlangen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713929400
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann.

Egon Höhmann (SPD):
Rede ID: ID0713929500
Herr Staatssekretär, könnten Sie Herrn Kollegen Böhm nicht noch mal eine eingehende Lektüre dieses Abkommens empfehlen, woraus ganz klar hervorgeht, daß es sich um Zahlungen für erbrachte Leistungen handelt, bei Postverkehr wie auch bei Straßenbenutzungsgebühren? Die Straßenbenutzungsgebühren hat es auch schon gegeben, bevor die Sache pauschaliert gewesen ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bezahlen Sie nur!)


Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713929600
Ich danke Ihnen für diese Ergänzung. Ich kann mir dadurch eine weitere Beantwortung ersparen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es sind ja nur Steuergelder!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713929700
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713929800
Herr Staatssekretär, bietet nicht der Straßenzustand der Transitwege von der Bundesrepublik Deutschland nach Berlin Anlaß genug, die DDR danach zu fragen, was sie mit dieser Pauschale bisher angefangen hat?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713929900
Herr Kollege Jäger, Sie verfolgen doch die politischen Ereignisse sehr aufmerksam. Gerade in den letzten Wochen ist eine neue Situation entstanden, in der uns Angebote der
9620 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Parl. Staatssekretär Herold
anderen Seite über den Ausbau von Verkehrswegen gemacht worden sind.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Daß hier entsprechend verhandelt werden wird, ist doch klar.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713930000
Keine Zusatzfrage? — Wir kommen zu der Frage 89 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx:
Wie hoch beliefen sich in den Jahren 1973 und 1974 die einzelnen (aufgeschlüsselten) Zahlungen an die DDR?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713930100
Frau Präsidentin! Herr Kollege Dr. Marx, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten:
Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Wohlrabe und anderer und der Fraktion der CDU/CSU am 17. Januar 1974 ausführlich und detailliert die Zahlungen an die DDR in den Jahren 1970 bis 1973 dargelegt. Ich darf Sie dazu an die Drucksache 7/1554 des Deutschen Bundestages erinnern. Sie können daraus die von Ihnen gewünschten Zahlen für das Jahr 1973 im einzelnen entnehmen. Ich sehe wenig Sinn darin, sie hier noch einmal zu verlesen. Die Zahlen von 1974 liegen leider noch nicht vor. Ich bin aber gerne bereit, Herr Kollege Dr. Marx, sie Ihnen so bald wie möglich zur Verfügung zu stellen, kann aber sagen, daß sie in der Größenordnung etwa die gleichen geblieben sind.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713930200
Eine Zusatzfrage!

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0713930300
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, diese Zahlen — ich will sie jetzt gar nicht eigens haben, wenn das Schwierigkeiten macht — in den Bericht über die Lage der Nation einzuarbeiten und vielleicht auch gleich zu berücksichtigen, was ich in der nächsten Frage gefragt habe?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713930400
Die Zahlen sind zu erarbeiten, sie können in der geeigneten Form zu gegebener Zeit veröffentlicht werden.

(Zuruf des Abg. Seiters [CDU/CSU])


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713930500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schröder!

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0713930600
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung schon einmal ausgerechnet, welche finanziellen Belastungen sich aus einer eventuellen Verwirklichung der Vorschläge der DDR, die Mitte dieses Monats unterbreitet wurden, ergeben?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713930700
Das steht zwar nicht in Zusammenhang mit den vorliegenden Fragen, aber die Vorschläge der DDR werden geprüft. Dazu zählt auch die Ermittlung der Kosten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713930800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx auf:
Kann die Bundesregierung mitteilen, für welche Aufgaben und Tätigkeiten die verantwortlichen Stellen der DDR, die ihr aus der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlin) zufließenden Gelder verwendet haben?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713930900
Herr Kollege Marx, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
In der Beantwortung der Anfrage des Herrn Kollegen Wohlrabe ist diese Frage nach meiner Auffassung ebenfalls bereits beantwortet worden. Ein Teil der Zahlungen, die die DDR erhält, z. B. die Pauschalzahlungen der Deutschen Bundespost und der Saldenausgleich der Deutschen Bundesbahn, werden auf Konten des innerdeutschen Handels geleistet und können von der DDR nur für Bezüge im innerdeutschen Handel verwandt werden. Soweit die DDR unmittelbare Bareinnahmen hat, z. B. bei Visagebühren und Straßenbenutzungsgebühren, gibt es keine Verwendungskontrolle, ebensowenig bei Zahlungen auf andere Konten als die des innerdeutschen Handels. Das gilt z. B. für die Transitpauschale und auch für die abgerechneten Einreisegenehmigungsgebühren für Westberliner. In diesen Fällen sind frühere Bargeldeinnahmen der DDR pauschaliert worden. Die DDR war nicht bereit, hier, was die Verwendungsmöglichkeiten angeht, schlechtergestellt zu werden als früher.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713931000
Herr Kollege Schröder, bitte eine Zusatzfrage!

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0713931100
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung einen Überblick, wieviel von diesen Geldern für Zwecke innerhalb der Bundesrepublik, sozusagen heimisch verwandt wird?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713931200
Das kann ich nicht sagen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713931300
Ich rufe die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Kunz (Berlin) auf:
Bezieht sich die Tatsache, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin auf der Jahrestagung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland am 6. Dezember 1974 erklärte: „Über Überziehungskredite im innerdeutschen Handel darf und wird erst verhandelt werden, wenn die Westberliner Rentner wieder ohne Zwangsumtausch nach drüben fahren können!", obwohl die Verhandlungen über die Verlängerung des Überziehungskredites längst abgeschlossen waren, darauf, daß er von der Bundesregierung nicht unterrichtet war?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713931400
Frau Präsidentin! Herr Kollege Kunz, ich darf die Frage 91 wie folgt beantworten:
Die mit der DDR seit geraumer Zeit geführten Gespräche fanden auf der Basis von grundsätzlichen Beratungen statt, an denen angesichts der Bedeutung der behandelten Fragen für Berlin selbstverständlich der Regierende Bürgermeister oder sein Vertreter
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9621
Parl. Staatssekretär Herold
teilnahmen. Es ist bereits erklärt worden, daß sich die DDR Ende November uns gegenüber gebunden hat, von Rentnern wie früher keinen Mindestumtausch zu fordern. Damit war auch die Voraussetzung für Verhandlungen zwischen der Treuhandstelle und dem Ministerium für Außenhandel der DDR über den sogenannten Swing gegeben. Die Gespräche fanden zwischen dem 4. und 6. Dezember 1974 statt und führten zur Paraphierung eines entsprechenden Briefwechsels. Das Ergebnis der Gespräche über die Befreiung der Rentner vom Mindestumtausch und der Verhandlungen über den Swing sollten zusammen bekanntgegeben werden. Von seiten der DDR wurde das zeitlich später erzielte Ergebnis der Swing-Gespräche früher veröffentlicht als ihre Anordnung zur vorher gegebenen verbindlichen Zusage über die Befreiung der Rentner vom Mindestumtausch.
Da der Bundeskanzler, der sich Entscheidungen in dieser Sache vorbehalten hatte, zu dieser Zeit in den Vereinigten Staaten war, entstand jene Informationslücke, die Ihrer Frage zugrunde liegt. Unmittelbar nach erfolgter Unterrichtung hat sich der Regierende Bürgermeister über die auf der Basis der grundsätzlichen unter seiner Beteiligung geführten Gespräche, von denen ich bereits berichtet habe, mit den inzwischen erzielten Ergebnissen voll einverstanden erklärt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713931500
Zusatzfrage.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0713931600
Herr Staatssekretär, wie halten Sie es mit dem Grundsatz der Bundestreue, der in besonderem Maße zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesland Berlin Beachtung verdient, für vereinbar, daß nicht das Notwendige unternommen wurde, um den Regierenden Bürgermeister zu informieren? Denn das, was Sie hier ausgeführt haben, ist geradezu eine Art Beweis dafür, daß eine Informationslücke beabsichtigt worden sein könnte.

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713931700
Ich beantworte diese Frage mit einem entschiedenen Nein und bitte Unterstellungen zu vermeiden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713931800
Eine weitere Zusatzfrage.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0713931900
Herr Staatssekretär, wie kann insbesondere bei künftigen, vielleicht ähnlichen Anlässen verhindert werden, daß der Senat von Berlin mit dem Regierenden Bürgermeister an der Spitze Informationen in dringenden, wichtigen Fragen zunächst durch das „Neue Deutschland" erhält?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713932000
Die DDR hat die Veröffentlichung vorzeitig vorgenommen. Davor ist man nicht gefeit. Sie mußten sich ja gerade in den letzten Tagen auch damit abfinden, daß eine Informationslücke zwischen Herrn Schröder und Ihrer
Fraktion bestand. Ich bitte hier also nicht zu dramatisieren.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713932100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höhmann.

Egon Höhmann (SPD):
Rede ID: ID0713932200
Herr Staatssekretär, hat es seit Bestehen der Bundesrepublik zu irgendeinem Zeitpunkt ein besseres Verhältnis zwischen dem Senat von Berlin und einer deutschen Bundesregierung gegeben als gegenwärtig?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713932300
Nein.

(Zuruf von der CDU/CSU: Welcher Partei gehören beide an?)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713932400
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713932500
Herr Staatssekretär, woher konnte — nach dem, was Sie uns hier gesagt haben — der Regierende Bürgermeister von Berlin die Sicherheit nehmen, zu sagen, darüber wird erst verhandelt, wenn die Rentner wieder ohne Zwangsumtausch nach drüben fahren können, das heißt also, wenn die Zusage der DDR bereits das Stadium der konkreten Verwirklichung erreicht hat, wenn er, wie Sie sagen, in die Vorverhandlungen bereits eingeschaltet bzw. darüber unterrichtet war?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713932600
Ich habe Ihnen gesagt, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin und Vertreter des Senats in die Vorbereitungen eingeschlossen waren, daß mit ihnen gemeinsam die Marschroute festgelegt worden ist und daß die Informationslücke zufällig zustande kam. Ich bitte, da jetzt keine Differenzen zwischen der Regierung und dem Senat zu konstruieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die sind doch da!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713932700
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Kunz (Berlin) auf:
Welche Regelung hat die Bundesregierung mit der DDR über die Verwendung des über ein Jahr lang zu Unrecht von den Reisenden aus der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Zwangsumtauschbeträge in D-Mark getroffen?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713932800
Herr Kollege, die Bundesregierung hat aus gutem Grund überhaupt keine vertraglichen Vereinbarungen mit der Regierung der DDR über den Mindestumtausch abgeschlossen. Ich verweise hierzu auf das, was ich in meiner Antwort auf die Fragen des Herrn Kollegen Abelein ausgeführt habe und wiederhole, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, diese einseitig von der DDR verfügten Maßnahmen durch vertragliche Vereinbarungen anzuerkennen. Darüber hinaus wäre ein Vertrag über die Verwendung der Mindestumtauschsätze deshalb gar nicht möglich
9622 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Parl. Staatssekretär Herold
gewesen, weil es sich dabei nicht um einseitig zu entrichtende Abgaben oder Gebühren handelt, sondern um die Pflicht zum Umwechseln bestimmter Geldbeträge, deren Gegenwert in der DDR ausgegeben werden kann. Dies ändert aber nichts daran, daß die Bundesregierung die Tatsache einer Pflicht zum Mindestumtausch sehr bedauert.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713932900
Eine Zusatzfrage.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0713933000
Herr Staatssekretär, kann ich diese Ihre Antwort im Zusammenhang mit der damaligen Aussage von Herrn Bahr sehen, mit keinem Staat der Welt könne man über Gebühren verhandeln, demgemäß auch nicht über die Verwendung zu Unrecht erhobener Gelder?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713933100
Ich weiß nicht, warum Sie diese angebliche Äußerung von Minister Bahr jetzt zitieren.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713933200
Keine Zusatzfrage mehr.
Als letzte Frage rufe ich die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Schröder auf:

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713933300
„Die Regelung der Grenzfrage von dem Elbeabschnitt zwischen Lauenburg und Schnackenburg gehört nicht zu den Aufgaben der in Artikel 3 des Zusatzvertrags zum Grundvertrag vorgesehenen gemeinsamen Kommission", und wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713933400
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schröder. Das Interview in der „Lüneburger Landeszeitung" mit Bundesminister Franke vom 17. November 1972 fand vor Abschluß des Grundlagenvertrages und vor Beginn der Arbeiten der Grenzkommission statt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Vor der Wahl!)

Die Schwierigkeit einer Antwort in der Öffentlichkeit besteht heute darin, daß hier unmittelbare Wirkungen auf die Verhandlungen der Kommission anzunehmen sind, die gerade im Hinblick auf den Elbeabschnitt zwischen Lüneburg und Schnackenburg noch nicht abgeschlossen werden konnten.
Ich bitte darum um Verständnis, wenn ich mich hier auf folgende Feststellungen beschränken muß.
Die Bundesregierung hat immer wieder darauf hingewiesen, daß die Grenzkommission nicht befugt ist, Grenzregelungen vorzunehmen. Sie hat nach dem Wortlaut des Zusatzprotokolls zum Grundlagenvertrag die Aufgabe, die Markierung der zwischen den beiden Staaten bestehenden Grenze zu überprüfen und, soweit erforderlich, zu erneuern oder zu ergänzen sowie die erforderlichen Dokumentationen über den Grenzverlauf zu erarbeiten. Gleichermaßen soll sie zur Regelung sonstiger, mit dem Grenzverlauf im Zusammenhang stehender Probleme beitragen.
In der Erklärung zu Protokoll über die Aufgaben der Grenzkommission durch die beiden Delegationsleiter ist definiert, was unter der im Zusatzprotokoll genannten „bestehenden Grenze" zu verstehen ist. Ziffer 1 erster Absatz dieser Erklärung stellt fest, daß sich der Verlauf der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik nach den diesbezüglichen Festlegungen des Londoner Protokolls vom 12. September 1944 sowie späterer Vereinbarungen der damaligen Besatzungsmächte bestimmt. Die Grenzkommission stellte dementsprechend in ihrer bisherigen Arbeit den Verlauf der von den ehemaligen Besatzungsmächten entweder im Londoner Protokoll oder in späteren Vereinbarungen gezogenen Grenzen lediglich fest. Sie kann keine Grenzregelungen treffen.
Im übrigen verweise ich darauf, daß sich die zuständigen Ausschüsse gerade in den letzten beiden Wochen erschöpfend mit diesem Thema befaßt haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713933500
Eine Zusatzfrage.

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0713933600
Herr Staatssekretär, darf ich Sie daran erinnern, daß das Interview mit Herrn Bundesminister Franke in der Woche vor der Bundestagswahl des 19. November 1972 erschienen ist, d. h. mehrere Wochen nach Paraphierung des Grundvertrags? Wenn der Sachverhalt so sein sollte, wie Sie ihn jetzt auf einmal dargestellt haben, aus welchem Grunde hat man dann nicht sofort eine Richtigstellung in einer so fundamentalen Aussage vorgenommen?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713933700
Ich habe dieses Interview hier vor mir. Die Aussagen von Minister Franke sind eindeutig so, wie ich es dargestellt habe. Ich kann Ihnen gerne den Wortlaut seiner Erklärungen zeigen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713933800
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Horst Schröder (CDU):
Rede ID: ID0713933900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Aussagen von Herrn Bundesminister Franke unter Hinzufügung von Anführungsstrichen wörtlich zitiert worden sind, und darf ich im übrigen aus dem weiteren Teil Ihrer Antwort die Schlußfolgerung ziehen, daß die Grenzkommission die Grenze so markieren wird, wie sie sich im Jahre 1945 dargestellt hat?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713934000
Das ist bereits in meiner Aussage und ebenso vor den Ausschüssen festgestellt worden. Ich stelle Ihnen gern das Interview zur Verfügung, das Herr Minister Franke damals gegeben hat. Wir können das anschließend ohne weiteres durchgehen; dann wird sich zeigen, daß sich die Äußerungen korrekt an die Sachlage halten.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9623

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713934100
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0713934200
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der Herr Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen die hier gestellte Frage bereits in einer Sitzung des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen beantwortet hat, daß der Herr Kollege Schröder an dieser Sitzung jedoch nicht teilgenommen hat, daß aber andererseits die Bundesregierung und der niedersächsische Innenminister, Groß, den Herrn Kollegen Schröder in mehrfachen, mehrstündigen Gesprächen über die genaue Sach- und Rechtslage orientiert haben?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713934300
Das erstere habe ich bereits erklärt.

(Höhmann [SPD] : Insofern ist es eine Unverschämtheit, so etwas zu fragen! — Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713934400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713934500
Herr Staatssekretär, darf ich aus der Beantwortung der Frage des Kollegen Schröder durch Sie schließen, daß jener andere Satz, den Herr Bundesminister Franke in jenem Interview gesagt hat, zutreffend ist, nämlich daß in dieser Grenzangelegenheit die ganze Breite der Elbe zwischen Lauenburg und Schnackenburg zum Territorium der Bundesrepublik Deutschland gehöre?

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0713934600
Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Ich wiederhole: Das, was Sie hier in den Raum stellen, hat Minister Franke nicht gesagt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713934700
Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold.
Die Frage A 102 ist vom Fragesteller zurückgezogen. Die übrigen nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Von der CDU/CSU-Fraktion ist eine aktuelle Stunde über das Thema Verhandlungen und Gespräche mit der DDR beantragt worden. Der Antrag ist hinreichend unterstützt.
Aktuelle Stunde
Das erste Wort hat Herr Abgeordneter Abelein.

(Vorsitz: Vizepräsident von Hassel)


Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0713934800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Erfolgsmeldungen der Bundesregierung in der letzten Woche unter die
Lupe nimmt, muß zu dem Ergebnis kommen: Von Erfolgen auf dem Gebiet der Deutschlandpolitik oder auch nur von einer Rückkehr zur Geschäftsgrundlage kann leider überhaupt keine Rede sein. In Wirklichkeit hat diese Bundesregierung jetzt unter Bundeskanzler Schmidt erneut ein mieses Geschäft abgeschlossen.

(Zurufe von der SPD: Unerhört! — Mattick [SPD] : Wollen Sie diesen Ton hier fortsetzen?)

Was wurde erreicht? Die DDR erhält einen zinslosen Kredit von jährlich 850 Millionen DM.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

— Daß Ihnen das sehr unangenehm ist, kann ich verstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Daß Sie unangenehm sind, bestreiten wir gar nicht! Sie sind fies!)

Die DDR erhält einen Kredit von 850 Millionen DM mit einer jährlichen Zinsersparnis von zirka 80 bis 100 Millionen DM. Das ist in der Tat ein schönes Weihnachtsgeschenk. Die Frage ist nur, wer dieses Geschenk zu bezahlen hat.
Wo liegen die Vorteile für die Bundesrepublik Deutschland? Die DDR hat noch nicht einmal ihren willkürlichen und einseitig verdoppelten Zwangsumtausch für Besucher aus der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin wieder voll reduziert. Es wurde also noch nicht einmal der Zustand aus der Zeit des Abschlusses der Verträge 1972 erreicht. Das heißt, es kann auch keine Rede davon sein, daß man zur Geschäftsgrundlage zurückgekehrt sei. Das Negieren der Zusammenhänge zwischen Kredit und reduziertem Zwangsumtausch heute in der Fragestunde ist völlig unglaubhaft. Wenn es zutreffen sollte, zeigt es, wie stümperhaft — ich habe keinen anderen Ausdruck dafür — diese Politik von seiten der Bundesregierung betrieben wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man stelle sich nur einmal vor: Für die nur teilweise Rücknahme einer vertragswidrigen Erhöhung hat die DDR von der Bundesregierung ein saftiges Honorar kassiert.

(Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Das ist doch Ihre Erfindung!)

Das läuft geradezu auf eine Einladung an die DDR hinaus, es künftig durch Rechtsverletzungen erneut zu versuchen, von dieser Bundesregierung Geld und Konzessionen auf Kosten der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Pfui Teufel!)

Dieses Bild wird nicht besser, wenn man die Zusagen der DDR über ihre Verhandlungsbereitschaft zu einer Reihe von Themen in die Betrachtungen einbezieht. Hier handelt es sich leider wieder nicht um verbindliche Abmachungen, sondern um unverbindliche Zusagen. Im Kern — bei meinen Kollegen wird nachher noch die Sprache auf die Einzelheiten kommen — handelt es sich bei all dieser Gesprächsbe-
9624 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. Abelein
reitschaft über den Ausbau von Verkehrswegen, über die Eröffnung von Kanälen und Schleusen, über die Verkürzung von Fahrzeiten, darum, daß die heruntergekommene Autobahn Helmstedt—Berlin und die einspurig bestehende Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland — einspurig deswegen, weil die Sowjets als Reparation nach Ende des Zweiten Weltkriegs die eine Linie abgebaut haben — instandgesetzt werden sollen. Es liegt wieder eine völlige Unausgewogenheit vor. Wir zahlen doch bereits großenteils für diese Dinge.
Ich finde die Antwort der Bundesregierung auf die einschlägigen Fragen heute nachmittag erschütternd. Haben Sie denn jemals die DDR gefragt, was mit den Hunderten von Millionen geschieht, die wir bereits für den Verkehr auf den Straßen bezahlen? Sie sagen, Sie seien nicht der Rechnungshof der DDR. Das kennzeichnet die Nachlässigkeit, mit der Sie an diese Verhandlungen herangehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nach den Schätzungen betragen die von uns für die Vorschläge der DDR erneut zu erbringenden Leistungen 3 bis 8 Milliarden DM.
Ich komme zum Fazit.

(Wehner [SPD] : Den Krieg erklären!)

Es wurde ein Geschäft gemacht, das hauptsächlich der DDR nützt. Die Vorteile liegen zu 80 % im Interesse der DDR. Die Bundesregierung hat erneut eine Vorleistung erbracht, ohne entsprechende sichere Gegenleistungen von der anderen Seite zu erhalten. Die Bundesregierung hat sich leider wieder auf die Taktik der DDR eingelassen, das Gesamtpaket in eine Vielzahl von Einzelpaketen aufschnüren zu lassen, anstatt in einem Paket alle Fragen zu verhandeln. Eine ganze Reihe von Fragen, gerade auf dem Gebiet der menschlichen Erleichterungen, wurden in den jüngsten Abkommen überhaupt nicht behandelt.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Wir alle haben geglaubt, unter Bundeskanzler Schmidt würde eine nüchternere und realistischere Politik betrieben werden. Wir sehen uns alle enttäuscht;

(Wehner [SPD] : Ja!)

denn Schmidt betreibt Deutschland- und Ostpolitik im Stil der Herren Bahr und Brandt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist die große Desillusionierung für die Deutschen an der Jahreswende von 1974 auf 1975.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713934900
Das Wort hat der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Herr Franke.

(Zurufe von der CDU/CSU: Fünf Minuten!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713935000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser letzten Parlamentsstunde vor Weihnachten erhalten wir von der Opposition endlich klaren
Unterricht darüber, was man tun muß, um die Probleme zu lösen.

(Niegel [CDU/CSU] : Das war auch dringend nötig!)

— Ja, warten Sie nur! — Nach Auffassung der Opposition dürfen wir mit der DDR so lange nicht weiterverhandeln, bis der Mindestumtauschsatz nicht mindestens auf 2,50 DM bzw. 5 DM oder eigentlich, Herr Kollege Abelein, auf 0 DM zurückgeschraubt ist. Das ist Ihre Darstellung.
Alle weiteren Verhandlungen sollen wir nach Meinung der Opposition aussetzen, selbst wenn dadurch auch keine weiteren Erleichterungen bei den Reise- und Begegnungsmöglichkeiten für die Menschen zustande kommen; selbst wenn dadurch die Aussichten auf eine Einigung in den Postverhandlungen in die Brüche gehen; selbst wenn der innerdeutsche Handel zurückgeht; selbst wenn dadurch unserer Wirtschaft Aufträge in Höhe von mindestens 3 Milliarden DM entgehen. Ich erinnere an die Äußerung Wolffs von Amerongen hierzu.
Das ist auch egal angesichts der Arbeitslosigkeit. Auch die Impulse für die Berliner Wirtschaft sind anscheinend belanglos, solange nicht Maximalforderungen, die Sie erheben, entsprochen wird. Überhaupt: Bevor nicht Mauer und Stacheldraht beseitigt sind, gibt es überhaupt keine Leistungen, über die zu verhandeln sich lohnt. Das ist das Bild, das Sie entwickeln.
Hier zeigt sich wieder das Grundübel, das die Diskussion um die Deutschlandpolitik schon seit Jahren belastet: Die Opposition überschätzt regelmäßig unsere Verhandlungsposition,

(Niegel [CDU/CSU] : Und Sie die der DDR!)

cl. h. aber das Mögliche und das Verhältnis von Leistungen zu Gegenleistungen.
Um was geht es denn jetzt wirklich? Die DDR hat die Erhöhung der Mindestumtauschsätze zum größeren Teil wieder zurückgenommen,

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist nicht wahr!)

und ab 20. Dezember sind die Rentnerinnen und Rentner wieder völlig aus der Umtauschpflicht befreit.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU: Aber nur die!)

— Nur die? Daß in dieser großen Zahl Reisen durchgeführt werden konnten, ist mit das Ergebnis der Vertrags- und der Verhandlungspolitik.

(Zurufe von der SPD: Denen ist doch alles egal! — Die wollen doch alles kaputt machen!)

Die werden wir fortsetzen, selbst wenn Sie auch in Zukunft in dieser Weise, wie Sie das jetzt tun, meinen, Ihre Rolle in der Deutschlandpolitik spielen zu sollen. Ich muß immer wieder sagen: Ich bin erschüttert, wenn ich sehe, in welcher Weise sich das entwickelt hat. Ich habe das seit Anbeginn miterlebt. Ich muß in der Tat sagen: Es gab eine weite Wegstrecke, die wir gemeinsam zurückgelegt ha-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9625
Bundesminister Dr. Franke
ben, auf der wir diese Probleme nicht in dieser Art behandelt haben. Aber es ist Ihr Verdienst, daß Sie überhaupt nicht bereit sind, diese zähflüssige Problematik zu erkennen und die geringen Erfolge, wie Sie es darstellen, wenigstens in den Größenordnungen, soweit es um die menschlichen Erleichterungen geht, anzuerkennen.
Ebenfalls — das gehört dazu —: Am 20. Dezember 1974 werden weitere Reiseerleichterungen für Westdeutsche und Westberliner bei Reisen in die DDR wirksam. Der innerdeutsche Handel wird wie bisher über 1975 hinaus durch den zinslosen Überziehungskredit weiter gefördert. Einzige Änderung — und das ist für uns wesentlich —: Der 25% der DDR-Lieferungen betragende Kredit wird auf maximal 850 Millionen begrenzt. Bisher war er nicht begrenzt, sondern er entsprach 25 % der Leistungen der DDR. Die natürliche Entwicklung war, daß wir bereits im Jahre 1975 auf diesen Betrag gekommen wären. Bei der rasanten Entwicklung des innerdeutschen Handels können wir wahrscheinlich im Jahre 1976 erstmals von der Begrenzung auch wirklich Gebrauch machen. Die DDR hat sich bereit erklärt — das gehört mit zu den Dingen, um die es jetzt geht —, über eine Reihe von Fragen wirtschaftlicher und verkehrstechnischer Natur, die von beiderseitigem Interesse sind, Verhandlungen aufzunehmen bzw. solche Verhandlungen, sofern sie bereits laufen, zu einem guten Ende zu führen. Das ist der Stand der Dinge, um die es geht. Wir tun damit einen weiteren Schritt im langwierigen und mühsamen Prozeß der Normalisierung auf der Basis der geschlossenen Verträge.
Ich weise die Behauptung zurück, beim Mindestumtausch habe die Bundesregierung für die befriedigende Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor dem 15. November 1973 bestand, eine wie auch immer geartete Leistung erbracht. Diese Behauptung ist falsch. Sie vorzubringen ist unredlich, vor allem nachdem der Herr Bundeskanzler am letzten Mittwoch hier schon den Hergang der Dinge haargenau nachgezeichnet hat.
Im übrigen muß ich feststellen, daß die Opposition auch jetzt wieder nichts Besseres zu tun weiß, als ihr notorisch schlechtes Augenmaß in Sachen Deutschlandpolitik vorzuführen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wie anders sind die ganz und gar realitätsblinden Forderungen zu erklären, die auch jetzt wieder, und zwar ausgerechnet im Zusammenhang mit dein Swing, volltönend erhoben werden? Ich sage „ausgerechnet". Denn beim innerdeutschen Handel haben auch früher CDU-geführte Bundesregierungen genügend eigene Erfahrungen gemacht, um den politischen Tauschwert richtig einzuschätzen.

(Glocke des Präsidenten) — Noch wenige Sätze, Herr Präsident.


(Widerspruch bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/CSU] : Auch Sie müssen sich an die Redezeit halten!)

— Meine Damen und Herren, Sie veranlassen uns
doch, immer wieder in dieeser Weise die Dinge be-
handeln zu müssen. Und da muß ich doch wenigstens
sachlich antworten können, und dazu gehört auch eine Ubersicht.

(Weiterer Widerspruch bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/CSU] : Das geht nicht! Es gibt doch eine Geschäftsordnung!)

— Ich habe den Herrn Präsidenten gebeten, mir noch einige Sätze zu gestatten. Er hat es getan, aber Sie haben mich unterbrochen. Ich werde diese Sätze, zu denen ich die Erlaubnis habe, noch sagen.
Zum richtigen Augenmaß gehört auch, meine Damen und Herren, daß man sich Rechenschaft über unser eigenes, nicht zuletzt auch politisches Interesse am innerdeutschen Handel ablegt. Ganz so einseitig, nämlich bei der DDR, wie manche sich das vorgaukeln, ist das Interesse am Handel und am Swing nicht. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf die Verhandlungsposition aus.
Meine Damen und Herren, das darf man doch ausführen, daß im Grunde genommen alle Bemühungen, die wir anstellen, zusammengehören, um Dinge zu bewegen, an denen wir gemeinsam interessieert sein sollten. Wir werden jedenfalls diese Politik fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713935100
Herr Professor Schachtschabel, bitte schön!

Dr. Hans Georg Schachtschabel (SPD):
Rede ID: ID0713935200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der Debatte zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers in der vorigen Woche ist die Swing-Regelung angesprochen worden. Sie steht auch heute im Mittelpunkt der Erörterungen über die Deutschland-Politik. Allerdings hat die Opposition schon voraus und auch in der Zwischenzeit doch sehr merkwürdige Verlautbarungen an die Öffentlichkeit gegeben. Auch Herr Abelein hat sich in die Reihe der Mar-schierer eingeordnet. Denn wir haben in Presseverlautbarungen gelesen, diese Swing-Regelung sei „eine höchst skandalöse Politik", die allein dazu diene, die „Abgrenzungspolitik der Zonenmachthaber zu honorieren". Des weiteren hat auch Herr Kollege Carstens in der letzten Woche lediglich das „Lehrstück für Stümperei" angeführt, dabei aber übersehen, daß in der FAZ, aus der er offenbar zitiert hat, auch andere Meinungen standen.
Meine Damen und Herren! Die aus der Opposition stammenden Beurteilungen der Swing-Regelung zeigen aber, daß es den Vertretern der Opposition allein darum geht, Verunglimpfungen in die Welt zu setzen oder entsprechend zu zitieren. Zugleich beweisen aber diese Äußerungen, daß man sich in der Opposition nicht einmal die Mühe gemacht hat, den tatsächlichen Verhältnissen nachzugehen und den Vorgang des Swing-Kredits sachlich zu überprüfen.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung lediglich daran angeknüpft hat, daß die Swing-Regelung auf der bewährten Grundlage im gesamtdeutschen Interesse fortgesetzt und fortgeführt wird. Es geht allein um den Ausbau des innerdeutschen Handels und die Intensivierung des
9626 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Dr. Schachtschabel
Warenaustauschs mit der DDR, und zwar in beiderseitigem Interesse. Der innerdeutsche Handel hat ganz enorme Kontakte mit der DDR zur Folge. 9 000 Firmen des Bundesgebiets sind an diesem innerdeutschen Handel beteiligt und wickeln im Jahre etwa 40 000 Verträge ab.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Das streiten wir doch nicht ab!)

Das ist, meine Damen und Herren, eine Brücke seit rund 25 Jahren, die sich in allen Zeiten wirklich als echt erwiesen hat. Vergessen wir dabei auch nicht, daß die neue Regelung auch einen anderen Aufhänger gefunden hat, und zwar eine Regelung, die vorsieht, daß selbst bei Fortentwicklung des Warenbezugs der DDR die Höchstgrenze bei 850 Millionen Verrechnungseinheiten bleibt. Der DDR ist deutlich erklärt worden, daß vor Ablauf der nunmehr in Aussicht genommenen Verlängerungsfrist, nämlich 1981, über die weitere Gestaltung der Regelung mit dem Ziel der Reduzierung des Swings verhandelt werden wird, und zwar mit dem Ziel, ab 1982 den Swing auf den Sockelbetrag zurückzuführen.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Das glaubt doch von den Leuten, die das unterschrieben haben, niemand!)

In diesem Zusammenhang darf ich darauf aufmerksam machen: Man soll doch nicht so tun, meine Herren von der Opposition, als ob eine Entwicklung des innerdeutschen Handels allein den Interessen der DDR zugute käme. Vielmehr ist es eine im wohlverstandenen Interesse beider deutschen Staaten getroffene Regelung, die allein aus den Bemühungen resultiert, den innerdeutschen Handel zu intensivieren, und damit natürlich, wie bereits vorhin in der Fragestunde schon angeklungen, auch wesentliche Wirkungen innerhalb unserer Wirtschaft erzeugt und zugleich unseren Arbeitsmarkt entlastet. Es sollte doch von der Opposition erkannt werden — auch wenn es ihr schwerfällt —, daß der Ausbau des Handels für die Bundesrepublik Deutschland wie für die DDR gleichermaßen von großer Bedeutung ist. Dazu, meine Damen und Herren, ist der Swing ein durchaus geeignetes und brauchbares Mittel.
Es ist außerordentlich erfreulich, daß sich der innerdeutsche Handel nach einer Angabe des Wirtschaftsministeriums in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22,5 %, auf 4,854 Milliarden Verrechnungseinheiten ausgedehnt hat. Wie das Bundeswirtschaftsministerium hinzugefügt hat, ist ein Teil dieser Zuwachsrate ganz gewiß auf die Preiserhöhungen zurückzuführen, aber, meine Damen und Herren, wir sollten die Gesamtausdehnung sehen und auch erkennen, daß es dabei wesentliche und bedeutsame Produkte gibt, die für unsere Wirtschaft im Sinne der konjunkturellen Entwicklung von großer Bedeutung sind.
Lassen Sie mich mit einem Zitat — es war vorhin schon ein Zitat angeführt worden — abschließen. Ich zitiere Otto Wolff von Amerongen, der sagt: „Der Swing hat seit Jahrzehnten eine beachtliche
Bedeutung." Ich brauche dieser Aussage, meine Damen und Herren, aus berufenem Munde

(Zuruf von der CDU/CSU: So berufen ist der auch nicht!)

eines Unternehmers hier nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713935300
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.

Hans-Günter Hoppe (FDP):
Rede ID: ID0713935400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört schon ein gehöriges Maß an bewußt zur Schau getragener Naivität dazu — man könnte auch sagen: Unverfrorenheit —,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

das Thema Deutschlandpolitik mit Interzonenhandel und Swing so abzuhandeln, wie die Opposition das tut.
Meine Damen und Herren, als die Regierung der Großen Koalition 1968 den dynamisierten Swing einführte, wollte sie die handelspolitisch unerwünschten Schrumpfungstendenzen ins Gegenteil verkehren.

(Stahl [Kempen] [SPD] : Sehr richtig!)

Damals hat die SED-Führung ihre Wirtschaft störungsfrei machen wollen. Das bedeutete im Sinne der Kommunisten die Einschränkung des innerdeutschen Handels.

(Kunz [Berlin] [CDU/CSU] : Das war doch völlig unrealistisch!)

Deshalb war die Entscheidung der Großen Koalition richtig. Die CDU/CSU hatte damit aber einer Erhöhung des Swings zu einer Zeit zugestimmt, in der auch an der Mauer geschossen wurde,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

vielleicht noch schneller und häufiger als heute, und in der die Zahl der politischen Gefangenen in der DDR bestimmt nicht niedriger war. Dennoch, meine Damen und Herren, hat sich die FDP damals davor gehütet, die öffentliche Meinung dagegen zu mobilisieren. Die Bereitschaft dazu war damals sicher noch stärker als heute. Denn die Erregung über den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR war keineswegs abgeklungen.
Meine Damen und Herren, nach den Erfahrungen der 50er und 60er Jahre bestand bei allen Parteien des Bundestages Klarheit darüber, daß mit dem innerdeutschen Handel allenfalls ein kooperatives Verhalten erreicht werden kann, dies allerdings auch erreicht werden sollte und erreicht werden muß. Wenn sich die CDU jetzt von dieser Erkenntnis löst, verdrängt sie bewußt einen Teil gemeinsamer Erfahrungen. Offensichtlich paßt es ihr für eine Politik der reinen Stimmungsmache so besser in den Kram.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Öffentlichkeit, meine Damen und Herren, wird
sich aber kaum für dumm verkaufen lassen. Die
Dreistigkeit, mit der die Opposition dies dennoch
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9627
Hoppe
versucht, ist gerade bei einer Partei verblüffend, deren Deutschlandpolitik nun nicht gerade als besonders erfolgreich gerühmt werden kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich halte nichts davon, solche Rechnungen aufzumachen. Aber wer glaubt, die Bundesregierung mit ihrer Deutschlandpolitik ständig prügeln zu können, muß sich auch die Entwicklung jener Jahre vor Augen halten lassen, in der er selbst politische Verantwortung getragen hat.
Meine Damen und Herren, das ChruschtschowUltimatum 1958 führte mit einer aggressiven Berlin-und Deutschlandpolitik der Sowjets zum Bau der Mauer. Die Sowjetunion eröffnete sodann eine neue Offensive zur Durchsetzung ihrer Drei-Staaten-Theorie. Unter Androhung von Repressalien wandten sich die UdSSR und die DDR massiv gegen die Repräsentanz des Bundes in Berlin und setzten dabei den Hebel an den gefährdeten Zugangswegen an. Gleichzeitig mußten wir mit der Einführung der Straßenbenutzungsgebühr, des Visumszwangs, der VisaGebühren und der Beförderungsteuer durch die DDR Rückschlag um Rückschlag hinnehmen. Vor willkürlichen Selektionen im Personenverkehr war niemand mehr sicher. Der Zugang der Berliner in ihre natürliche Umgebung nach Ost-Berlin und in die DDR war so gut wie völlig unterbunden. Meine Damen und Herren, damals wurden die Forderungen nach einer umfassenden politischen Lösung immer lauter. Erst die Politik der sozialliberalen Koalition hat dem Rechnung getragen.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Die Opposition bastelt nun mit Eifer an einem Zerrbild der Deutschlandpolitik dieser Regierung. Meine Damen und Herren, Sie selbst reden zwar ständig vom Verfassungsauftrag und zitieren die Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts bis zum Überdruß,

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das paßt Euch nicht! — Seiters [CDU/CSU]: Was soll denn das!)

aber sie stehen abseits, wenn es darum geht, handfeste Maßnahmen für die Menschen in beiden deutschen Staaten zu ergreifen!

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Sie weigern sich, meine Damen und Herren, jene Politik zu betreiben, die allein in der Lage ist, den Willen zur Einheit der Nation zu bewahren.

(Wohlrabe [CDU/ CSU] : Leistung und Gegenleistung müssen ausgewogen sein!)

Was Herr Abelein dagegen an Deutschlandpolitik praktiziert, zeugt von einem nicht mehr zu überbietenden Zynismus!

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713935500
Das Wort hat der Abgeordnete Kunz (Berlin)


Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0713935600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Der innerdeutsche Handel war
stets ein Instrument; der innerdeutsche Handel ist besonders im Zusammenhang mit politischen Erwägungen zu sehen. Der innerdeutsche Handel hat stets seine Gewichte gehabt, der innerdeutsche Handel hat stets auch unseren Interessen, aber insbesondere den Interessen der DDR gedient. Und dies ist heute wiederum der Fall.
Wenn ich mir, Herr Minister Franke, Ihre Ausführungen noch einmal vor Augen halte, habe ich den Eindruck, daß die DDR, in dem sie bereit war, einer Verlängerung des Überziehungskredits zuzustimmen, uns geradezu ein Geschenk gemacht hat,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) und zwar ein Geschenk von beachtlichem Ausmaß. (Zurufe von der SPD)

Richtig ist folgendes: Richtig ist, daß ein Instrument nicht genutzt wurde, und daß darüber hinaus die DDR den bekannten Vertragsbruch bei der rechtswidrigen Verdoppelung der Zwangsumtauschsätze ihrerseits mehr als gut genutzt hat. Die Ergebnisse dieser Nutzung sind folgende, und diese vier Feststellungen möchte ich hier treffen.
Erstens. Die Vereinbarung über die Verlängerung des Überziehungskredits im innerdeutschen Handel wurde unterschrieben, ohne daß die DDR zuvor die vertragswidrige Verdoppelung der Zwangsumtauschsätze rückgängig gemacht hat.

(Wohlrabe [CDU/CSU]: Das ist der Verrat an den Berlinern! — Gegenruf des Abg. Wehner [SPD] : Das ist das Niveau eines Möchtegern-Berliners! — Zurufe von der SPD, der FDP und von der Regierungsbank)

Zweitens. Auch nach der Vereinbarung über die Verlängerung des Überziehungskredits, die zudem mit einer erheblichen Erhöhung des Kredits auf 850 Millionen verbunden ist, haben Besucher, die in die DDR fahren, höhere Umtauschsätze zu zahlen als vorher. Herr Kollege Hoppe, inzwischen - Sie haben das ja gerühmt, und die Koalition hat dies geradezu hymnisch gerühmt — ist der Grundvertrag abgeschlossen. Sie haben uns gesagt: Jetzt haben wir berechtigte Aussichten, daß sich die Dinge entscheidend bessern. Und gerade jetzt muß mehr gezahlt werden als vorher. Dies ist geblieben, dies haben Sie nicht rückgängig gemacht. Hier liegt einer der Hauptvorwürfe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann wird uns immer wieder gesagt: Dies allein kann man nicht würdigen, man muß die Zusatzbereitschaftserklärungen sehen. Herr Präsident, erlauben Sie mir, aus einer Zeitung, die uns nicht sonderlich nahesteht, diese Zusatzbereitschaftserklärungen der DDR zu würdigen. Die „Stuttgarter Zeitung" schreibt in diesem Zusammenhang — ich zitiere —:
Was die DDR außerdem durch ihre Beauftragten unterbreiten ließ, sind nichts weiter als Wechsel auf die Zukunft. Sie zeigt sich nur bereit, über alles Mögliche zu verhandeln, oder stellt es als Zugeständnis hin, wenn sie eine Reihe dringend
9628 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Kunz (Berlin)

benötigter Waren sich von uns bezahlen läßt und bei uns einkauft.
Dies ist die Qualität dieser Zusatzvereinbarung. Ich hoffe, Herr Bundeskanzler, daß Substanz noch kommt.

(Wehner [SPD] : Bei Ihnen!)

Aber bei der Verhandlungsart, wie sie geübt wurde, wird man das leider kaum erwarten können.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Der Groschen fällt bei Ihnen!)

— Herr Kollege Wehner, ich freue mich immer, wenn Sie mir die Ehre Ihrer Zwischenrufe erweisen. Ich hoffe, daß das noch recht oft und recht kräftig der Fall ist.

(Wehner [SPD] : Ich habe zum erstenmal einen redenden Pfefferkuchenmann gehört!)

Ich möchte eine vierte Feststellung treffen. Der Berliner Senat war über die Verhandlungen, die nicht zuletzt die Berliner Interessen erheblich berühren, überhaupt nicht unterrichtet. Ich muß sagen, hier hat der Minister Franke, — nein, sein Staatssekretär Herold — ich korrigiere — die Stirn gehabt, von einer Informationslücke zu sprechen, die innerhalb von drei Tagen nicht behoben werden konnte. Hier wird man weiter nach den Hintergründen fragen müssen. Herr Bundeskanzler, wir fragen Sie. Wir fragen Sie, was konkret geschehen kann, um wenigstens künftig zu gewährleisten, daß die gerade in dem Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin besonders notwendige Bundestreue genügend beachtet wird und daß sich wenigstens in Zukunft derartige Verletzungen der Berliner Informationsinteressen nicht mehr ereignen, so daß der Senat von Berlin seine Kenntnis über die Paraphierung aus dem „Neuen Deutschland" erlangen muß.
Ich stelle abschließend fest, daß erneut einmal und wiederum für Vertragsbrüche bezahlt wurde. Vertragsbrüche sollten und dürften nicht verhandlungsfähig sein. Gleichwohl wurde darüber verhandelt. Ich fürchte, die DDR wird hierin ein Beispiel sehen, um erneut Forderungen an uns zu stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713935700
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713935800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis für diese Stunde Formalopposition des Herrn Professor Carstens,

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

der heute morgen nicht umhin konnte, mit seiner ganzen Fraktion einem konjunkturpolitischen Paket der sozialliberalen Koalition zuzustimmen,

(Seiters [CDU/CSU] : Das stimmt doch gar nicht!)

und der jetzt das dringende Bedürfnis empfindet, doch wenigstens auf einem anderen Gebiet einen Gegensatz herauszustellen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Formalkanzler! — Weitere Zurufe)

— Ich nehme an, Herr Präsident, daß mir die Zeit, die für die Zwischenrufe verlorengeht, gutgebracht wird. — Ich verstehe auch sehr gut, daß, nachdem es in Ihrer Fraktion schwere Auseinandersetzungen über die Verhandlungen Ihres Schattenaußenministers mit dem Vertreter einer bestimmten Organisation im Mittleren Osten gibt, Sie sich nunmehr Mühe geben, in unsere Reihen Zwiespalt hineinzuinterpretieren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP — Niegel [CDU/CSU] : Wo war denn Wischnewski? — Böhm [Melsungen] [CDU/ CSU] : Wer hat denn mit Honecker Kaffee getrunken?)

— Ich darf annehmen, Herr Präsident, daß mir die Zeit, die für die Zwischenrufe der Opposition verlorengeht, —

(Seiters [CDU/CSU] : Auch Sie müssen sich an die Geschäftsordnung halten!)

— Ich halte mich an das Grundgesetz.

(Lachen und Oho-Rufe bei der CDU/CSU)

Und wenn Sie fünf Minuten lang brüllen, habe ich anschließend immer noch das Recht, fünf Minuten für die Regierung zu sprechen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber vielleicht sind Sie bereit, wenigstens zuzuhören. Ich bin ja darüber unterrichtet worden, daß der Herr Professor Carstens sich zwecks Ausübung der Formalopposition geweigert hat, vor dem Bundeskanzler zu reden, um auf ihn zu antworten.

(Seiters [CDU/CSU] : Sie wollten zurückziehen!)

Ich nehme an, daß er dann wenigstens vorher bereit ist, zuzuhören.

(Dr. Hupka [CDU/CSU] : Warum so nervös? — Seiters [CDU/CSU] : Noch kein Wort zur Sache! — Wohlrabe [CDU/CSU] : Sie verplempern Ihre Zeit, Herr Bundeskanzler! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Zur Sache!)

— Die gesamtdeutsche Gesinnung dieser Bande von Zwischenrufern wird durch die Qualität ihrer Zwischenrufe deutlich.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Böhm [Melsungen] [CDU/CSU] : Dieser Junta-Chef! — Wohlrabe [CDU/CSU]: Jetzt dreht er durch! — Kunz [Berlin] [CDU/ CSU] : Die Baader-Meinhof-Gruppe wird nicht als Bande bezeichnet! — Dr. JenninDeutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9629 Bundeskanzler Schmidt ger [CDU/CSU] : „Bande"! so wird man hier behandelt! — Niegel [CDU/CSU] : Bei Baader-Meinhof sagen Sie noch „Gruppe"! Wir sind schon eine Bande! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713935900
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß wir über einen ernsten Gegenstand zu einer aktuellen Zeit beraten.

(Beifall)

Alle Seiten des Hauses werden gebeten, auf diesen Gegenstand in dieser Zeit Rücksicht zu nehmen. Herr Bundeskanzler, darf ich Sie bitten, fortzufahren.

(Seiters [CDU/CSU] : Das Wortprotokoll einsehen!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur Aufklärung eines sagen. Die Bundesregierung hat sich, genau wie alle Mitglieder des Hauses, an Redezeiten von fünf Minuten zu halten.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das ist ein Irrtum!)

— Nein, das ist kein Irrtum.

(Dr. Schäfer [Tübingen] ein Irrtum!)

Auf der anderen Seite werden die Redezeiten der Bundesregierung nicht in Ansatz gebracht. Insofern gehen sie den Mitgliedern des Hohen Hauses nicht verloren.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das ist ein Irrtum! Art. 43 geht vor! Die Bundesregierung kann sich an die Redezeit halten, aber sie muß es nicht! Sie kann eine ganze Stunde reden!)

Herr Bundeskanzler!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713936000
Mir liegt am Herzen, die Aufmerksamkeit der Opposition für folgende Feststellungen zu gewinnen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr schwer bei Ihnen!)

Erstens. Ich stimme mit Herrn Honecker voll überein, wenn er öffentlich sagt, daß er jegliche Konzessionen an ideologische Koexistenz ablehnt. Das ist voll und ganz auch die Auffassung der Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Zweitens stimme ich mit Herrn Honecker darin überein, daß es trotzdem im beiderseitigen Interesse liegt und möglich gemacht werden muß, soweit es geht, zu Kooperation, zu Zusammenarbeit zu gelangen.
Drittens will ich Ihnen, Herr Abelein sagen: Wenn Sie die Behauptung aufstellen, über menschliche Erleichterungen sei nicht gesprochen worden, so ist das eine unzutreffende Behauptung. Ich
nehme an, Herr Abelein weiß das und spricht bewußt die Unwahrheit.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

In diesem Zusammenhang will ich auch eine Bemerkung über den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg machen, der sich neulich öffentlich damit gebrüstet hat,

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Die Zeit ist um, Herr Bundeskanzler!)

mit einem Brief an Herrn Honecker in einem Einzelfall alleine eine dringend notwendige menschliche Erleichterung herbeigeführt zu haben. Hier im Hause sitzen mehrere Kollegen, die früher das Amt eines gesamtdeutschen oder, wie man es heute nennt, eines Ministers für innerdeutsche Beziehungen ausgeübt haben. Sie alle wissen, daß menschliche Erleichterungen — das ist einer der Punkte, in denen wir mit der Führung in der DDR nicht übereinstimmen — zu keinem Zeitpunkt umsonst zu haben gewesen sind. Herr Filbinger hätte dies wissen können, wissen müssen. Man kann diesen Sachverhalt bedauern, aber man sollte nicht so tun, als ob es im Falle eines Augenblickserfolges für die eigene Person anders wäre, eines Erfolges, den in Wirklichkeit andere, die hier in Bonn arbeiten, zustande gebracht haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Vierter Punkt: der Swing. Der Herr Kollege Carstens war zu dem Zeitpunkt, als der Swing-Kredit das letzte Mal geändert wurde, Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Er müßte mir recht geben, wenn er in der Lage wäre,

(Krockert [SPD] : — Sich zu erinnern!)

das zu sagen, was er weiß. Er müßte mir recht geben, wenn ich sage, daß wenige Monate nach der Beteiligung der DDR an dem völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Tschechoslowakei die damalige Regierung Kiesinger/Brandt mit voller Zustimmung der Sozialdemokraten den damaligen Swing erweitert hat. Er müßte mir zweitens recht geben, daß er durch die von Herrn Kiesinger gebilligte Verfügung in der Höhe unbegrenzt war und daß der Swing diesmal zum erstenmal zum Zwecke des späteren Ausgleichs des Überziehungskredits der Höhe nach begrenzt worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Fünfter Punkt: Der Vorwurf, wir hätten vorweg etwas aus der Hand gegeben.

(Zurufe von der CDU/CSU — Gegenrufe von der SPD)

Ich wiederhole zur Kenntnis der Opposition ein zweites Mal, daß die Führung der DDR sich uns gegenüber in Schriftform gebunden hatte, was die Rentnerfrage anging, ehe wir ein Wort über den Swing haben sprechen lassen. Die Wiederholung unzutreffender Behauptungen, Herr Kollege Abelein, kann ich nur entweder als Verstocktheit oder als bewußten Willen zur Unwahrheit empfinden.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Abelein [CDU/CSU])

9630 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Bundeskanzler Schmidt
In Wahrheit hat sich die Führung der DDR für die jetzige Swing-Vereinbarung überhaupt nichts eingehandelt, außer sehr viel internationalem Arger in den Jahren 1973 und 1974. Das ist alles, was dabei herausgekommen ist.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Sechster Punkt: Wir, die Bundesregierung —

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713936100
Verehrter Herr Bundeskanzler, einen Augenblick.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713936200
Bitte sehr!

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713936300
Ich habe infolge der Unruhe hier im Hause etwa drei Minuten in Abzug gebracht, und ich darf Sie bitten, daß Sie zu einem Schluß kommen. Sie können sich später jederzeit wieder melden. Wir müssen die Redezeit einhalten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713936400
Ich werde das tun, Herr Präsident.
Ich möchte gerne am Schluß Herrn Carstens noch ein Stichwort geben. Die gestrige Mitteilung der CDU/CSU-Fraktion, im Namen von Herrn Dr. Abelein ergangen, erstens habe die Bundesregierung einen jährlichen zinslosen Kredit bereitgestellt — als ob es ihn vorher von Ihnen und von uns gemeinsam nicht gegeben hätte —, ist unwahr und irreführend; zweitens, wir hätten neue Milliardensummen in Aussicht gestellt — dies ist unwahr und erfunden; drittens, es sei über die Freilassung der politischen Häftlinge noch nicht einmal geredet worden — dies ist unwahr.
Insgesamt ist Ihre Einlassung unwahr, schädlich und auch unanständig.

(Lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall bei Abgeordneten der FDP — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713936500
Das Wort hat der Abgeordnete Carstens.

Dr. Karl Carstens (CDU):
Rede ID: ID0713936600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat soeben die Geschäftsordnung verletzt, indem er sich an die ihm zugemessene Redezeit von fünf Minuten nicht gehalten hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Lebhafte Zurufe von der SPD)

Zweitens hat der Bundeskanzler die ersten vier Minuten der ihm zugemessenen Redezeit dazu benutzt, um wenig geistreiche und außerdem noch beleidigende Bemerkungen an die Adresse der Opposition zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Ich weise diese Bemerkungen zurück, Herr Bundeskanzler. Ich weiß nicht, wem Sie damit einen Ge-
fallen tun wollen. Sich selbst und Ihrer Politik tun Sie damit bestimmt keinen Gefallen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens haben meine Kollegen Abelein und Kunz zur Sache Ausführungen gemacht,

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Die Unwahrheit! — Weitere Zurufe von der SPD: Die haben doch die Unwahrheit gesagt!)

die den gesamten Sachverhalt erschöpfend darstellen. Diese Darstellungen waren richtig und zutreffend. Die Versuche des Bundeskanzlers, eine Art Nebelschleier über diesen klaren Sachverhalt zu ziehen, sind vergeblich.

(Zurufe von der SPD)

Sie kommen doch um die Tatsache nicht herum, daß der Swing erhöht ist, daß der Swing einen zinslosen Kredit darstellt.

(Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

Sie wollen doch wohl nicht den Versuch machen, dem deutschen Volke einzureden,

(Weitere Zurufe von der SPD)

daß derjenige, der einen zinslosen Kredit gibt, davon den Vorteil hat, und womöglich derjenige, der ihn empfängt, die Nachteile in Kauf nehmen muß.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Das ist doch so absurd, meine Damen und Herren, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß es selbst in Ihren Köpfen Platz findet.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Aber ich möchte schließlich noch die Aufmerksamkeit —

(Weitere Zurufe von der SPD)

— Beruhigen Sie sich doch, meine Damen und Herren, Sie kriegen keinen anderen, und damit werden Sie sich für den Rest der Legislaturperiode abfinden müssen.
Ich möchte auf eine Frage eingehen, die hier bisher nicht behandelt worden ist, die mir aber von außerordentlicher Wichtigkeit zu sein scheint. Die Verhandlungen der Bundesrepublik Deutschland mit der DDR sind auf seiten der Bundesregierung völlig unzulänglich organisiert. Das ist einer der Gründe für die schweren Rückschläge und Fehler, die wir in diesen Verhandlungen am laufenden Band erleben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Das Wirtschaftsministerium verhandelt über den Swing. Das Innenministerium verhandelt über die Grenzziehung an der Elbe. Das Verkehrsministerium verhandelt über Verkehrsfragen, das Postministerium über das Telefon.

(Zuruf des Abg. Mattick [SPD])

— Hören Sie doch mal einen Augenblick zu, Herr Kollege Mattick! Sie dienen doch der Sache nicht, wenn Sie nicht einmal zuhören können. — Das einzige Bundesministerium, das mit diesen Verhandlun-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9631
Dr. Carstens (Fehmarn)

gen offensichtlich überhaupt nichts zu tun hat, ist das
Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen!

(Lachen bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das ist ein grotesker Zustand! Die Verhandlungen der Bundesrepublik Deutschland mit jedem anderen Land der Welt werden zentral gesteuert; die Verhandlungen der DDR mit uns werden drüben zentral gesteuert; und hier bei uns herrscht vollständige Konfusion und vollständiges Durcheinander!

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Mir wird gesagt, die zentrale Steuerung obliege einem Ministerialdirektor und Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt. Gegen den habe ich persönlich nicht das mindeste einzuwenden. Aber er ist angesichts der Tatsache, daß er noch viele andere Aufgaben wahrzunehmen hat, völlig außerstande, diesen schwierigen und für die Politik der Bundesrepublik Deutschland außerordentlich wichtigen Komplex zentral zu steuern. Infolgedessen steuert ihn niemand zentral.

(Zuruf von der SPD)

Infolgedessen kommt es zu diesen außergewöhnlichen Informationslücken und Pannen im Verhältnis zwischen der Bundesregierung und dem Berliner Senat. Wir alle sind die Leidtragenden davon.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen einschließlich der ihr nachgeordneten Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben sind 590 Mitarbeiter verzeichnet. Ich fordere Sie auf, Herr Bundeskanzler, diese Mitarbeiter endlich einer nützlicheren Beschäftigung zuzuführen und dafür zu sorgen, daß die Verhandlungen mit der DDR — ich sage es noch einmal: sie gehören zu den wichtigsten Verhandlungen, die die Bundesrepublik Deutschland überhaupt zu führen hat in einer Weise organisiert und geführt werden, die ihnen angemessen ist, und nicht in einer Weise, daß die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713936700
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

(Zurufe von der CDU/CSU: Schon wieder! — Noch mal 10 Minuten?)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713936800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Professor Carstens hat an ihn gerichtete Fragen nicht beantworten wollen. Statt dessen hat er neue Behauptungen in die Welt gesetzt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Niegel [CDU/CSU] : Wer ist denn in der Regierung?)

Ich habe drei Feststellungen zu treffen.
Erstens. Herr Professor Carstens, Ihren Vorwurf an die Bediensteten des Ministeriums Franke — 590
haben Sie genannt — weise ich mit Entrüstung zurück !

(Beifall bei der SPD und der FDP — OhoRufe bei der CDU/CSU)

Zu behaupten, daß diese Beamten und Angestellten keine nützliche Arbeit verrichteten, ist eine Perfidie, Herr Professor!

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Zweitens. Ich weise Sie darauf hin, daß die Verhandlungen — wer auch immer sie auf welchen fachlichen Ebenen im einzelnen führt — hier in Bonn „zentral gesteuert" werden, wie Sie es nennen,

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Das hat man erlebt!)

erstens durch den dafür zuständigen Bundesminister Franke —

(Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Da lachen ja die Hühner!)

— Ich möchte mal wissen, welches Gelächter Sie erwarten, wenn das Herr Abelein machen würde! Das möchte ich mal wissen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Zum anderen: Ich habe doch Herrn Barzel in diesem Amt erlebt, ich habe von Ihnen viele erlebt, aber ich habe niemals eine gesamtdeutsche Rede erlebt wie die von Herrn Abelein heute nachmittag.

(Dr. Abelein [CDU/CSU]: Sie fühlen sich wohl getroffen!)

Im übrigen bedient sich der Herr Minister Franke dabei des Rats der zuständigen Minister, der Ministerrunde und des Bundeskanzlers.

(Seiters [CDU/CSU] : Es war nach der geistigen Führung gefragt!)

Nächste Feststellung. Sie haben davon geredet, wir hätten der DDR einen Gefallen getan. Ich empfehle dem Kollegen Abelein und dem Kollegen Professor Carstens, in West-Berlin in Rentnerversammlungen zu gehen, um herauszufinden, wem hier eigentlich ein Dienst erwiesen worden ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Letzter Punkt: Der Herr Professor Carstens hat erneut die Unwahrheit gesprochen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Er hat hier behauptet, der gesunde Menschenverstand könne erkennen, wir hätten den Swing erhöht. Ich stelle noch einmal fest, Herr Professor Carstens, daß dies unwahr ist. Wahr ist, daß die geltende Swing-Vereinbarung, die bis zum 31. Dezember 1975 in Geltung ist und die zur Zeit Ihrer Cheftätigkeit im Kanzleramt abgeschlossen wurde, unbegrenzt ist und daß hier zum erstenmal die Höhe des Swings von uns verabredungsmäßig begrenzt worden ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das ist falsch, Herr Bundeskanzler! Das stimmt doch gar nicht! — Zuruf des Abg. Wohlrabe [CDU/CSU])

9632 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Bundeskanzler Schmidt
Und Herrn Abgeordneter Jäger (Wangen) weise ich auf seinen Zwischenruf darauf hin, daß die 25%ige Begrenzung, bezogen auf das Vorjahr, damals wie auch in Zukunft gilt. Das ist leider in den Zeitungen übersehen worden, aber es ist so, und ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : So hoch wie jetzt war er noch nie!)

Richtig wäre höchstens die Behauptung von Herrn Professor Carstens, wenn er sie aufstellen würde — ich gebe ihm Stichworte für seine zweite Intervention —,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er gar nicht nötig!)

daß wir den Swing zwar nicht erhöht, sondern im Gegenteil begrenzt haben, daß wir ihn aber zeitlich verlängert haben. Darüber könnten Sie sich dann hier in Vorwürfen auslassen.
Ich will Ihnen nur sagen: Unabhängig von allem ideologischen Streit, den wir mit der DDR und ihrer Führung durch die SED weiterhin haben werden, und unabhängig von vielen Rückschlägen, die wir weiterhin erleben werden und denen sich wieder Fortschritte anschließen werden, liegt es heute und in Zukunft wie bisher, auch zu der Zeit, wo Sie die Regierung stellten, im Interesse der Arbeitnehmer und der Konsumenten und der Unternehmungen in beiden Teilen dieses Vaterlandes, daß der innerdeutsche Handel nicht stranguliert, sondern ausgeweitet wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713936900
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0713937000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es dürfte in der nächsten Woche den einen oder den anderen unter Ihnen geben, der etwas nachdenklicher darüber sinnt, wie Sie diese Stunde, die letzte des Plenums vor Weihnachten, zugerichtet haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Mattick [SPD] : Sehr wahr! Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Der Bundeskanzler hat sie zugerichtet! Das hat doch der Kanzler gemacht!)

Es hat, meine Damen und Herren, in den Auseinandersetzungen über die Politik im geteilten Deutschland immer Streitfragen gegeben; in dieser Art wie heute sind sie nie von Ihrer Seite geführt worden und nie von einer anderen Opposition, die wir 17 Jahre lang gewesen sind, nie, bei aller Schärfe.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sehen Sie, es gab bei Ihnen immer eine Schule, die der Meinung war, man müsse die deutsche Wunde offenhalten, die Wunde der Trennung. Ich habe darüber nie gespottet, ich habe es nur für einen schweren Fehler gehalten, weil man jahrzehnte- und wer weiß wie lang dies nicht kann, ohne selbst
krank zu werden. Was Sie heute machen, das ist deutsche Selbstverstümmelung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Carstens, ich will die nicht schelten, die Ihnen das eingeblasen oder aufgeschrieben haben, was Sie hier über Wirtschaftsfragen gesagt haben. Jedenfalls war die Rolle von Wirtschaftsbeziehungen im Verkehr zwischen Staaten nie Ihre starke Seite.

(Beifall bei der SPD)

Daß in einem getrennten Land Wirtschaftsbeziehungen auch eine verbindende Rolle spielen, wollen Sie heute mit Ihrem affektgeladenen Auftreten wohl wegwischen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Affektgeladen war doch der Kanzler!)

In Wirklichkeit haben die Kanzler, denen Sie gedient haben, das bei allen Unterschieden in der Bewertung der Deutschlandfrage wohl gewußt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Diese Kanzler würden sich von dem, der heute hier geeifert hat, in dieser Frage abwenden, verehrter Herr!

(Beifall bei der SPD und der FDP Seiters [CDU/CSU] : Von Schmidt!)

Im übrigen sage ich Ihnen: Sie haben in der Fragestunde und Sie haben jetzt Spott und Hohn über Anstrengungen auszugießen, auszupissen versucht.

(Oho-Rufe und lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU)

— Jawohl, sage ich Ihnen! Auf einen Schelmen anderthalbe!

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Was für ein Niveau!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713937100
Herr Abgeordneter Wehner, ich glaube, daß das kein parlamentarischer Ausdruck gewesen ist.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0713937200
Ich sage Ihnen (zur CDU/CSU), das wird Sie noch gereuen! Denn mit einem solchen Haufen können andere, von denen Sie eben sagten, bei denen sei alles zentralisiert, phantastisch spielen. Und das ist Ihnen ja wahrscheinlich egal, weil Sie den Kalten Krieg an sich mit seinen inneren Erhitzungen wünschen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sie haben heute hier wiederholt den Regierenden Bürgermeister ins Gespräch gebracht. Warum — —

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Den habt Ihr ja hintergangen!)

— Nun quatschen Sie doch nicht dazwischen, Sie nachgemachter Berliner!

(Heiterkeit — Dr. Marx [CDU/CSU] : Jeder redet, wie er kann!)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9633
Wehner
Der hat seine Erklärungen, die ich jetzt nicht mehr vorlesen kann, obwohl sie wörtlich vor mir liegen, mit einer Bewertung der Vorgänge geschlossen, die Sie heute hier mit Schmutz bewerfen, indem er nämlich gesagt hat: Insgesamt bewerte ich den Vorgang, mit dem wir uns seit einiger Zeit beschäftigen und der heute öffentlich geworden ist, mit dem notwendigen Abstand und in realistischer Distanz; aber gemessen an den Informationen, die ich in den sieben Jahren als Regierender Bürgermeister aus oder von der Führung der DDR erhalten habe, ist dies das bisher Positivste; es ist jedenfalls das erste, was mich seit dem Viermächteabkommen auf diesem Gebiet mit Befriedigung erfüllte.
Stecken Sie sich das an den Hut oder an den Christbaum!

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Jeder besudelt sich, wie er kann!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713937300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0713937400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine kurze Vorbemerkung zu der Oppositionsbeschimpfung des Herrn Kollegen Wehner,

(Seiters [CDU/CSU] : Und des Herrn Schmidt!)

auf die einzugehen sonst nicht lohnt. Wer diese Stunde, Herr Kollege Wehner, so zugerichtet hat, das ist der Chef einer Bundesregierung, die von der Baader-Meinhof-Gruppe redet und die parlamentarische Opposition als Bande von Zwischenrufern bezeichnet.

(Anhaltender Beifall und Pfui-Rufe bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, wenn Ihre Politik in ihrem Erfolg diesem Stil treu bleibt, dann wird das, was wir in den letzten Wochen in der Deutschlandpolitik erlebt haben, uns auch noch in den kommenden Monaten weiter so begleiten, fürchte ich.
Herr Minister Franke, Sie haben den Kollegen Abelein dafür angegriffen, daß er gefordert hat, zunächst einmal auf die Geschäftsgrundlage in der Frage des Mindestumtausches zurückzukehren, ehe über die weiteren Fragen der innerdeutschen Beziehungen verhandelt wird. Herr Bundesminister, damit haben Sie Ihren eigenen Regierungschef eine Ohrfeige verpaßt; denn der Herr Bundeskanzler Schmidt sagte doch in der vergangenen Woche hier im Plenum — ich darf zitieren —:
Im Juni dieses Sommers hat ein Kreis von Bundesministern zusammen mit dem Präsidenten der Bundesbank und dem Vertreter des Regierenden Bürgermeisters über die Prioritäten für unsere Verhandlungsvorstellungen beraten. Nach jeder Beratung bestand unter anderem Übereinstimmung darüber, daß die Wiederherstellung der Geschäftsgrundlage beim Mindestumtausch die Voraussetzung aller weiterführenden Verhandlungen sein müsse.
Herr Bundeskanzler, nachdem Sie dies gesagt haben, haben wir uns gefragt: Warum haben Sie sich an diese Marschrichtung nicht gehalten? Der ganze Mißerfolg, den wir heute feststellen müssen, ist diesem Umstand zuzuschreiben, daß nicht verlangt wurde, daß zuerst zur klaren Geschäftsgrundlage seitens der DDR zurückgekehrt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daß Sie darüber hinaus, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Rede von der vergangenen Woche nicht einmal den ernsthaften Versuch gemacht haben, von der DDR zu verlangen, auch den Rest dessen zu beseitigen, was sie an Vertragsbruch begangen hat, das erfüllt uns mit Sorge.
Mit Sorge erfüllt uns in diesem Zusammenhang auch ein weiterer Satz dieser Ihrer Regierungserklärung, in dem Sie sagten:
In diesem Sinne wird die Bundesregierung auch zukünftig an der Ausfüllung des Grundlagenvertrages arbeiten, auch wenn es in Zukunft abermals dann und wann Rückschläge oder sogar schwere Rückschläge geben sollte.
Herr Bundeskanzler, wenn in diesem Sinne weiter gearbeitet wird, werden Sie nichts als Rückschläge und schwere Rückschläge erleben.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist doch die Frage zu stellen: Wie hat sich die Bundesregierung dagegen abgesichert, daß nicht auch künftig dieses Spiel der DDR von vorne beginnt? Ich erinnere an das Wort des Bundesministers Bahr, der gesagt hat, es handle sich hier um interne Verwaltungsakte der DDR, in die wir nicht eingreifen könnten und auf die wir keinen Einfluß hätten. Und was wir heute in bezug auf den Rechnungshof von Herrn Staatssekretär Herold gehört haben, geht doch in die gleiche Richtung: Wir könnten hier im Grunde der DDR keine Vorschriften machen. Wenn das die Meinung der Bundesregierung ist, dann hätte es um so näher gelegen und es wäre um so wichtiger gewesen, bei diesen Gesprächen eine klare Vereinbarung darüber zu treffen, daß künftig nicht mehr ohne Konsultation und Zustimmung der Bundesregierung an dem Mindestumtausch und an den Fragen im Zusammenhang mit der Einreise von Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland in die DDR gedreht werden kann. Das haben Sie versäumt, und das ist in meinen Augen einer der schwersten Fehler im Zusammenhang mit dieser Regelung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich darf daran erinnern, meine Damen und Herren — ich sage das zum wiederholten Male —, daß Sie in diesem Zusammenhang auch keinen Gebrauch von der im Grundlagenvertrag vorgesehenen Konsultationsvereinbarung gemacht haben,

(Höhmann [SPD] : Auch wenn Sie das wiederholt sagen, bleibt es immer noch falsch!)

die die DDR verpflichtet, die Bundesregierung zu konsultieren, was nicht geschehen ist.

(Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Woher wissen Sie denn das alles?)

9634 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Jäger (Wangen)

Herr Bundeskanzler, Sie haben uns am Anfang Ihrer Rede gesagt, auch wir, die Opposition, hätten es Ihnen nicht leichtgemacht, zu besseren Beziehungen mit der DDR zu kommen. Herr Bundeskanzler, nehmen Sie zur Kenntnis und verlassen Sie sich darauf: Wenn die Verbesserungen der Beziehungen, wie Sie sie betreiben, auch künftig nur eine Verbesserung der Beziehungen mit dem Regime drüben bezweckt und nicht eine Verbesserung zugunsten der Menschen bedeutet,

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD — Zuruf von der SPD: Lümmel!)

dann werden wir uns auch in Zukunft mit Entschiedenheit dagegen wehren, daß Sie diese Politik so weiterführen. Wir werden unseren Auftrag im Sinne des Grundgesetzes erfüllen und werden versuchen,

(Zuruf von der SPD: Alles kaputtmachen! Nichts anderes!)

Sie daran zu hindern, auch in Zukunft eine Politik zu machen, die den Interessen der Menschen und den Interessen der Bundesrepublik abträglich ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Pharisäer!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713937500
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID0713937600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden uns, Herr Kollege Jäger, auch in Zukunft nicht davon abhalten lassen, eine Politik zu betreiben, die die Kontakte der Menschen aus beiden Teilen Deutschlands über jene schmerzliche Grenze hinweg verstärkt und damit die Grundlage dafür bietet, daß das Reden von der deutschen Nation und die Hoffnung auf den Tag, an dem diese deutsche Nation wieder einmal in einem gemeinsamen deutschen Staat zusammenleben kann, keine Illusion bleiben werden. Daran werden wir uns nicht hindern lassen.

(Zuruf von der CDU/CSU) — Ich komme darauf zurück.

Wir sprechen heute über den Interzonenhandel und über den Swing-Kredit. Ich verstehe allmählich nicht mehr, wie die Redner der Opposition immer wieder darauf abstellen können, dies sei ein politischer Hebel zur Durchsetzung bestimmter Forderungen. Sehen wir doch einmal in die Geschichte dieses Instruments zurück! Der Interzonenhandel wird in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 interpretiert. Es heißt dort, daß der Interzonenhandel und der ihm entsprechende innerdeutsche Handel kein Außenhandel und ein Merkmal für die besonderen Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten sei. Genau dem haben ja auch die früheren Bundesregierungen Rechnung getragen, z. B. bei der Einführung des Swing seinerzeit, ohne daß man damals eine Gegenleistung von seiten der DDR herausgeholt hätte. Man hat ihn vielmehr eingeführt, um den innerdeutschen Handel nicht weiter schrumpfen zu lassen.
Aber lassen Sie mich auch noch auf einen anderen Umstand hinweisen: Die politische Grenze der Belastbarkeit des Interzonenhandels als Mittel der Politik wurde doch 1960 schlagartig deutlich. Die Ostblockstaaten erkannten damals die Bundespässe für Westberliner nicht mehr an, und die DDR führte gleichzeitig jene Tagespassierscheine für westdeutsche Besucher in Ost-Berlin ein, die bis heute gelten. Die Bundesregierung kündigte darauf das Abkommen am 30. September 1960, und sie verlängerte es am 29. Dezember des gleichen Jahres, ohne ihre Forderungen durchgesetzt zu haben.
Meine Damen und Herren, das geschah unter einer Bundesregierung mit einem CDU-Kanzler. Ich meine, die Erfahrung von damals sollten Sie als Opposition zumindest so weit zur Kenntnis nehmen, daß Sie heute nicht von der Bundesregierung verlangen, sie könne mit dem innerdeutschen Handel oder mit dem Swing politische Forderungen durchsetzen, was Ihnen in der Vergangenheit nicht gelungen ist.
Aber ich glaube, es geht hier in dieser Auseinandersetzung zwischen Opposition und Koalition um etwas viel Grundsätzlicheres, nämlich um die Frage: Was treiben wir eigentlich für eine Politik, wenn wir mit der DDR verhandeln?
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie zwingen uns, etwas, was an sich in einen Ausschuß gehörte, hier einmal mit aller Deutlichkeit nun auch vor dem Plenum des Bundestages festzustellen. Wenn wir mit der DDR verhandeln, so verhandeln wir mit einer Regierung, deren Interessen den unseren zwangsläufig entgegengerichtet sind. Wir haben ein Interesse daran, so viele Menschen wie möglich aus beiden Teilen unseres Vaterlandes in Kontakt miteinander kommen zu lassen. Das Interesse der anderen Seite liegt doch genau umgekehrt. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, daß wir, wenn wir die Einheit der deutschen Nation erhalten wollen, nicht an dem politischen Hebel sitzen, der es uns leicht macht, das zu erreichen.
Von „deutscher Nation" in Sonntagsreden zu sprechen ist einfach; aber in mühsamen Verhandlungen mit jener Regierung, die nun einfach die Regierung für einen Teil unseres deutschen Volkes ist, dafür zu sorgen, daß die Einheit der deutschen Nation nicht auseinanderfällt, ist eben schwerer, als Sie sich offenbar vorzustellen vermögen.
Ihre Deutschlandpolitik hat bis zum Jahre 1969 nicht zu einer Vermehrung dieser Kontakte geführt, sondern zu einer Verringerung.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das stimmt doch gar nicht!)

Daß diese Politik der sozialliberalen Koalition seit 1969 nicht nur das freie Berlin mit seinen Zugangswegen sicherer gemacht hat, mit der Möglichkeit für die Westberliner, nach Ost-Berlin und in die DDR zu reisen, und daß die Zahl der Kontakte zwischen deutschen Menschen größer geworden ist, können Sie nicht bestreiten. Darum haben wir mehr für die deutsche Nation getan als Sie in 20 Jahren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9635

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713937700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kreutzmann.

Dr. Heinz Kreutzmann (SPD):
Rede ID: ID0713937800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem, was sich auf dem Sektor der innerdeutschen Politik bei der Opposition abspielt, könnte man langsam Schallplatten auflegen. Man würde dann immer wieder folgendes hören: Diese Regierung ist weich; sie läßt sich dauernd nur auf den Leim locken;

(Beifall bei der CDU/CSU)

sie zahlt doppelt und dreifach; alles, was sie erreicht und geschaffen zu haben glaubt, ist nichts als Einbildung; eigentlich geht es uns heute in den innerdeutschen Beziehungen wesentlich schlechter als vor 1969.

(Dr. Hammans [CDU/CSU]: So ist es!)

So haben Sie auch heute wieder diese Platte abgespielt. Dabei haben Sie es doch jahrelang mit Ihrer Masche versucht. Herr Professor Carstens, wenn Sie vorhin sagten, daß die Koordination schlecht und unzureichend sei: Das war zu Ihrer Zeit kein Problem, weil es damals keine Verhandlungen mit der DDR in diesem Umfang gab.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Ist das eine Begründung?)

Mir ist aus jenen Jahren auch nicht bekannt, daß Sie gefordert hätten, vor einer Verlängerung des Swings cien Schießbefehl abzuschaffen und etwa die Todesstreifen einzueggen. Von dieser Regierung aber verlangen Sie, sie soll all das tun, was Sie nicht einmal versucht haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: In der Zwischenzeit gibt es Verträge!)

Sehen Sie, das ist doch eigentlich eine politische Unredlichkeit. Sie wissen ganz genau, daß die Dinge, wenn man in der Regierungsverantwortung steht, wesentlich anders aussehen als in der Sicht der Opposition.
Als wir vor einigen Tagen die große Deutschlanddebatte vorbereiteten, die ja nun auf den Januar verschoben worden ist, habe ich mir einmal eine ganze Reihe von Äußerungen von Säulenheiligen Ihrer Politik hervorgeholt und sie mir angesehen. Manche von ihnen sitzen ja noch heute in diesem Haus. Wenn man das, was Sie damals sagten, dem gegenüberstellt, was Sie von dieser Regierung verlangen, wird einem erst deutlich, wie Sie in vielen Dingen die Rolle der Opposition überdrehen.
Sagen Sie nicht, das sei eine gottgegebene Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition. Sie können sich damit nicht herausreden. Sie hatten ja die Erfahrung der Regierung hinter sich, die die SPD als Opposition nicht gehabt hat. Sie wissen, wie viele Rücksichten eine Regierung nehmen muß, was sie sagen kann und was nicht. Und trotzdem wollen Sie diese Regierung immer wieder zwingen, auf die Marktplätze zu gehen und damit ihre eigene Politik zu unterlaufen. Ob das der richtige
Stil in der Frage des geteilten Deutschlands ist, Politik für die Menschen zu machen, sollten Sie sich, glaube ich, gerade in diesen Tagen einmal überlegen.
Ich meine, der Zeitpunkt ist richtig gewählt. Die Angebote, die in diesem Aide-mémoire vorliegen, sind doch für uns nicht uninteressant: Verhandlungen über die Öffnung des Teltow-Kanals, Ausbau des Touristenverkehrs, Ausbau der Autobahn vom Berliner Ring bis nach Marienborn, Ausbau der Berliner Eisenbahnanlagen, Verkürzung der Fahrzeiten. Ich glaube, daß in diesen Vorschlägen auch eine ganze Menge wirtschaftlich interessanter Angebote enthalten sind. Sie sehen in all dem nur einen Versuch, die DDR-Wirtschaft auf Kosten der Bundesrepublik gesundzustoßen und D-Mark aus der Bundesrepublik herauszupressen.
Daß die Gefühle der DDR-Führung gegenüber der Bundesrepublik keineswegs nur freundliche sind, wird niemand leugnen.

(Zurufe von der CDU/CSU: „Keineswegs nur!" — „Freundliche Gefühle" sagt er! — Lachen bei der CDU/CSU)

Daß es zu Verstößen gegen früher getroffene Abmachungen gekommen ist, wird auch niemand bestreiten, obwohl längst nicht in dem Umfang, wie
Sie es immer darzustellen pflegen.
Innerdeutsche Politik ist nun einmal ein hartes Geschäft, und niemand verkennt, daß die DDR zu jedem Schritt der Verbesserung sowohl von uns als auch von manchem ihrer eigenen Verbündeten gedrängt werden muß. Wenn diese Bundesregierung aber zur Verbesserung der innerdeutschen Beziehungen auch zu finanziellen Zugeständnissen bereit war und ist, so doch nicht deshalb, weil sie dieses Regime nicht richtig einzuschätzen wüßte oder gar ideologisch verblendet wäre, sondern einfach deshalb, weil dort drüben nicht nur das Regime zu sehen ist, sondern auch die Menschen, denen wir, wenn wir innerdeutsche Politik machen wollen, doch zu helfen verpflichtet sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es hat einmal eine Zeit gegeben, da hat man mit dem Gedanken gespielt, das Regime dort drüben durch wirtschaftliches Abdrosseln politisch auf die Knie zu zwingen. Ich habe es auch erlebt, daß ein aus der DDR geflüchteter Unternehmer zu Regierungsstellen kam und forderte, seinem ehemaligen Betrieb, der inzwischen verstaatlicht war, die Einfuhr zu drosseln, um sich eine lästige Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Ich glaube, wir haben sehr bald erfahren, wo das hingeführt hat.
Deshalb meine ich — damit möchte ich Sie zum Schluß ansprechen und Sie herzlich bitten -, doch einmal zu versuchen, Deutschlandpolitik losgelöst von Emotionen und ideologischen Vorurteilen zu sehen. Es geht doch in dieser Frage nicht nur um das Schicksal einer Regierung und ihrer Erfolge. Es geht um die Menschen in dem anderen Teil Deutschlands, denen wir mit dieser Politik helfen müssen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

9636 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713937900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kunz (Weiden).

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0713938000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben vorhin gesagt, daß Sie sich an das Grundgesetz halten.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Das wollen wir hoffen!)

Wir erwarten, daß Sie sich in der Ostpolitik mehr an das Grundgesetz halten, als Sie es als Finanzminister bei der Haushaltspolitik getan haben.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Und das war noch aufgeschrieben!)

Die Hektik und der Erfolgszwang, unter dem diese Bundesregierung heute steht, hat bereits zu einem weiteren Fiasko geführt, das in der Öffentlichkeit noch gar nicht so richtig bekannt und ihr noch nicht bewußt geworden ist, nämlich die Tatsache, daß die eindeutige Vertragsverletzung der DDR gar nicht zurückgenommen wurde. Zudem hat sich die Bundesregierung — obschon bestritten, aber de facto doch — darauf eingelassen, über den Preis zu verhandeln, den sie für die Rücknahme dieser Vertragsverletzung zu bezahlen bereit ist. Es steht heute schon so gut wie fest, daß der deutsche Steuerzahler erneut riesige Summen an die DDR wird zahlen müssen; denn die DDR möchte, daß die Bundesrepublik das Eisenbahn- und Straßennetz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin ausbaut und finanziert. Da sollen Eisenbahnstrecken in der DDR zweigleisig ausgebaut werden, deren zweites Schienenpaar nach 1945 mit maßgeblicher Beteiligung der SED zugunsten der Sowjetunion demontiert wurde, inzwischen aber von der DDR größtenteils wieder ersetzt ist. Auf diese Weise wird die Bundesrepublik noch im nachhinein auch für diese Reparationen an die Sowjetunion eingespannt.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Nach den ersten Bonner Schätzungen sollen dabei Kosten von über 3 Milliarden DM anfallen. Der Berliner Senat, der durch die Bonner Verschleierungsaktion mit eingenebelt und damit von den Konzessionen dieser Bundesregierung gegenüber der DDR ebenso überrascht wurde wie die wieder einmal getäuschte deutsche Öffentlichkeit, kam bei seiner Kalkulation sogar auf 6 Milliarden DM. Die SED-Führung, die nach allen bisherigen Erfahrungen gegenüber der Bundesregierung nicht nur das letzte Wort behält, sondern zumeist auch recht bekommt, lacht sich bereits jetzt über den zu erwartenden Gewinn von 8 Milliarden DM ins Fäustchen.

(Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Woher wissen Sie denn das so genau?)

Wie kommt diese Bundesregierung überhaupt dazu, Hoffnungen auf derartige Zahlungen zu machen, obschon sie daneben noch jährlich 235 Millionen DM bezahlt und damit zu rechnen ist, daß die Straßenbenutzungsgebühren nach 1975 weiter erhöht werden? Seit dieser sogenannten neuen OstPolitik von Brandt und Bahr gibt es bisher leider
kaum ein Geschäft zwischen der Bundesrepublik und einem kommunistischen Staat, das tatsächlich ausgewogen gewesen wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Überall haben wir ein Aufgeld zu bezahlen. Und ein Ende dieser Politik ist überhaupt nicht abzusehen. Die Bundesrepublik gerät auf diese Weise in eine immer engere Verzahnung, die zu einer wachsenden politischen Abhängigkeit führen wird, ja zum Teil schon geführt hat.
Diese unheilvolle Politik wurde durch Brandt und Bahr begonnen, und bereits Schmidt ist ihr Gefangener. Die Forderungen der kommunistischen Staaten werden eher größer und das Ausmaß unserer Zahlungspflicht immer unheimlicher. Wir bezahlen einen politischen Mehrpreis mit der regierungsamtlichen Begründung: „Für menschliche Erleichterungen".
Aber wie steht es denn in Wirklichkeit? Was hat die Bundesregierung getan, um die SED zur Erfüllung des Postabkommens von 1971 zu bewegen,

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

mit dem die DDR die Einführung des vollautomatischen Fernsprechverkehrs zwischen der Bundesrepublik und der DDR zugesagt hat? Warum hat die Bundesregierung — um nur einige unserer Forderungen zu nennen nicht auf einer vollständigen Zurücknahme der vertragswidrigen Verdoppelung des Zwangsumtausches bestanden? Hat die Bundesregierung auf einer Entlassung der Tausende von politischen Häftlingen bestanden?

(Zuruf von Bundesminister Franke)

Hat die Bundesregierung in ihren Verhandlungen endlich einmal den Bezug von westdeutschen Zeitungen, Zeitschriften und Büchern in der DDR als Forderung erhoben? Hat die Bundesregierung eine wesentliche Senkung des Alters für die Ausreisegenehmigung gefordert?

(Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Alle Antworten lauten „Ja" !)

Hat die Bundesregierung mit Nachdruck über den Schießbefehl gesprochen, durch den an der DDR-Grenze, mitten in Deutschland, nach wie vor gemordet wird?

(Beifall bei der CDU/CSU)

All dies hat die Bundesregierung natürlich nicht getan. Statt dessen hat sie lediglich die teilweise Zurücknahme von eindeutigen Vertragsverletzungen mit der Hoffnung auf Milliarden honoriert.
Ich schließe mit der gleichwohl nüchternen wie wahren Feststellung der FAZ von vorgestern: „Diese Runde ging eindeutig an Erich Honecker." Und ich füge hinzu: auch wenn der Herr Bundeskanzler anderes glauben machen will.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713938100
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9637

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0713938200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die letzte Aufzählung hört, muß man das Gefühl haben, daß wir bedauerlicherweise hier in diesem Haus doch eine große Zahl von Gehörgeschädigten haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Denn anders ist es nicht zu erklären, daß man einfach nicht zur Kenntnis nehmen will, was hier alles tatsächlich gesagt worden ist, was die Fakten sind.
Ich wundere mich auch, daß Kollegen aus dem innerdeutschen Ausschuß hier Dinge beklagen, die sie beispielsweise bei den Bereisungen Schleswig-Holsteins, als es um die Frage des Autobahnbaus von Hamburg nach Berlin ging, ausgesprochen positiv beurteilt haben, nun aber plötzlich das Ganze nur noch als eine Finanzfrage sehen. Ich wundere mich darüber, daß man in Berlin dieselben Fragen positiv beurteilt, aber in diesem Hause oder draußen, wenn es um den Wahlkampf geht, plötzlich das Gegenteil verkündet.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Eigentlich hätte ich sagen müssen: Ich wundere mich nicht mehr, weil das ja Ihre Taktik in allen Fragen ist: Da, wo man glaubt, mit einer positiven Beurteilung Stimmen gewinnen zu können, tut man dies; da, wo das Gegenteil der Fall ist, redet man in umgekehrter Richtung frisch drauflos, auch wenn man sich selbst widerspricht. Das ist doch die Taktik, mit der Sie hier ständig operieren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Herr Bundeskanzler, Sie haben vorhin gesagt, Sie seien über die Rede des Kollegen Abelein verwundert gewesen. Ich kann nur sagen: ich war nicht verwundert. Leider sind seine Reden hier immer so gewesen wie die heutige.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn der Kollege Jäger glaubt, das, was positiv erreicht worden ist, herunterspielen, abwerten zu sollen, dann kann ich nur sagen: Das ist eine ganz miese Tour, die gegen und nicht für die Interessen der Menschen spricht.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Gegen die Interessen der Menschen ist Ihre schlechte Politik!)

Herr Kollege Gradl hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Anfang der 60er Jahre, 1964, 1965, in diesen Fragen eine andere Einstellung vorhanden war, und dies auch bei der damaligen Opposition; das ist der entscheidende Unterschied. Heute müssen wir feststellen, daß man diese Fragen leider nicht dazu benutzt, um den Dingen durch sachgerechtes Abwägen zu nützen, sondern sie ausschließlich unter dem Gesichtspunkt sieht: Wie kann man damit irgendwann irgendwo Punkte sammeln? Und das ist das Schlimme für die Deutschlandpolitik.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Herr Bundeskanzler Schmidt hat vorhin darauf hingewiesen, daß es das erste Mal war, daß ein prominenter Politiker die Möglichkeit, Menschen zu helfen, schlagzeilenmäßig verwertet hat. Ich hätte
erwartet, daß sich der Kollege Carstens — auch im Interesse seiner eigenen Kollegen, die hier sitzen und die sich genauso wie Kollegen aus den Fraktionen der FDP und SPD ständig im gleichen Sinne bemühen und nie einen Ton öffentlich dazu gesagt haben — von dieser Verhaltensweise von Herrn Ministerpräsident Filbinger distanziert.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Wer hat denn die Sache mit den 24 Bräuten 1972 draußen ausgeschlachtet?)

Uns allen wird doch — quer durch alle Fraktionen — diese Arbeit erschwert. Das mindeste, was nach dieser Debatte als Gemeinsamkeit bestehen sollte, wäre doch, daß wir wenigstens in diesem Hause einig sind, von der Praxis, diese Einzelfälle propagandistisch nicht auszuwerten, nicht abzugehen. Vielleicht wäre es möglich, daß der eine oder der andere der Kollegen der CDU, der dem Parteivorsitzenden der CDU, Herrn Kohl, besonders nahesteht, diesen bittet, daß er seinem Stellvertreter sagt, er möge doch in Zukunft solche Dinge unterlassen, weil sie der Humanität nicht nützen, sondern ihr schaden.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713938300
Meine Damen und Herren, die Geschäftslage sieht folgendermaßen aus. Vor Abschluß der Aktuellen Stunde mit 60 Minuten hat sich der Herr Bundeskanzler gemeldet und kann daher das Wort bekommen, weil diese Redezeit bei der Gesamtzeit außer Anrechnung bleibt.

(Seiters [CDU/CSU] : Zum dritten Mal!)

Damit aber wird eine neue Runde eröffnet, und ich bitte, sich darauf einzustellen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713938400
Meine Damen und Herren! Es wurden im Laufe der Debatte noch ein paar Sachpunkte aufgeworfen, auf die ich seitens der Bundesregierung zurückkommen möchte. Einer der Herren Kollegen hat gesprochen von der zukünftigen Finanzierung des erhofften Ausbaus von Verkehrswegen zwischen der Bundesrepublik und Berlin. Die Bundesregierung ist dazu der Meinung, daß es fair und angemessen wäre, wenn die Verhandlungen zu dem Ergebnis führten, daß die Finanzierung des Ausbaus der Verkehrswege von und nach Berlin in dem Maße geteilt würde, in dem voraussichtlich die Benutzung dieser Verkehrswege erfolgt.
Zweiter Punkt. Es hat einer der Kollegen — ich glaube, der Herr Jäger (Wangen) war das — von der Konsultation gesprochen. Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege, daß wir die DDR in einem Ausmaß und in einer Tiefe in gegenseitige Konsultationen hineingezogen haben, wie es vorher nicht erreichbar gewesen war.
In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, daß im Gegensatz zu Ihrem Sprachgebrauch und dem anderer Kollegen es zu keinem Zeitpunkt ein Abkommen zwischen Ost-Berlin und Bonn über
9638 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Bundeskanzler Schmidt
Mindestumtausch irgendeiner Kategorie gegeben hat. Wir haben auch in Zukunft nicht die Absicht, solche Abkommen zu schließen. Wir halten im Grunde das System des Mindestumtausches, genau wie das andere System, von dem ich vorhin sprach, als von menschlichen Erleichterungen die Rede war, für nicht gerechtfertigt.
Drittens. Ich darf darauf hinweisen, auch wenn sich der Herr Professor Carstens bisher standhaft geweigert hat, sich darauf einzulassen, daß in Sachen Swing die gegenwärtige Bundesregierung eine Politik verfolgt, die von dem damaligen Bundeskanzler Adenauer begonnen worden ist, die wir zu jedem Zeitpunkt für richtig gehalten haben. Wir wollten allerdings dieses Mal den Swing erstmalig der Höhe nach begrenzt wissen — dies haben wir auch erreicht , weil wir auf die Dauer zu einem Ausgleich des innerdeutschen Handels kommen wollen.
Übrigens für den Kollegen, der gemeint hat, dies zahle der Steuerzahler — ich glaube es war Herr Kunz —: Das ist nicht einwandfrei, sondern es handelt sich um einen Zinsverzicht der Deutschen Bundesbank.

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

— Das ist etwas durchaus anderes, und ich habe es deswegen zurückweisen müssen, weil die Insinuation, dem Steuerzahler werde hier etwas weggenommen, zurückgewiesen werden mußte.

(Beifall bei der SPD Zuruf des Abg. Wohlrabe)

Was bei alledem zurückbleibt, Herr Professor Carstens, ist dies: Es ist eine Reihe von unmittelbaren Verbesserungen für die Menschen in Berlin und der DDR jetzt schon eingetreten; über andere wird verhandelt. Zum zweiten, und dies ist der einzige Punkt, in dem Sie wirklich von mir aus gesehen legitimerweise eine andere Meinung haben könnten:

(Aha! bei der CDU/CSU)

In bezug auf die Mindestumtauschregelungen, wie sie früher gegolten haben — die ich übrigens auch zu einem früheren Zeitpunkt nicht anerkannt hätte —, ist, Jugendliche und Rentner betreffend, eine hundertprozentige Wiederherstellung erfolgt; eine Zurückführung auf den ursprünglichen Zustand in bezug auf übrige Personen ist in der Weise erfolgt, daß die Verteuerung von 200 auf 130 zurückgenommen wurde.
Der Bundesregierung ist vorgeworfen worden, daß sie in diesem Punkt nachgegeben und darauf nicht weiter insistiert habe. Diesen Vorwurf, wenn es wirklich einer ist,

(Kunz [Berlin] [CDU/CSU] : Es ist einer!)

muß die Bundesregierung in Kauf nehmen; sie ist allerdings der Meinung, daß niemals in der Welt in Verhandlungen, sei es zwischen Fraktionen in einem Ausschuß, sei es im Parlament, sei es international, sei es zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, im Endergebnis beide Seiten das herausbekommen können, was sie als Ausgangspositionen ihrerseits zunächst öffentlich vorgetragen haben.

(Wohlrabe [CDU/CSU]: Die DDR hat sich doppelt belohnt!)

— Die DDR hat es außerordentlich schwierig gehabt, und wenn Sie es mir abnehmen wollen — ich will es nicht im Detail vertiefen —: Die DDR hat außerordentliche innere Verdauungsschwierigkeiten. Bei uns werden diese im Deutschen Bundestag öffentlich vorgetragen. Die DDR hat selber außerordentliche Schwierigkeiten, mit diesem Ergebnis, das heute im Verordnungsblatt der DDR steht, fertig zu werden.
Letzter Punkt, was Herrn Kunz angeht: Verehrter Herr Kollege, nicht alles, was in der Politik Geld kostet, ist allein deswegen schon falsch.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Aber auch nicht richtig!)

Ich darf daran erinnern, daß wir mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland einen Vertrag über den Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften haben, einen Vertrag, der völkerrechtskräftig ratifiziert worden ist, und die Römischen Verträge. Trotzdem macht heute eine britische Regierung die Honorierung dieses Vertrags aus Gründen, die nicht zu solcher Beschimpfung führen, wie wir sie soeben gehört haben, davon abhängig, daß gewisse finanzielle Regelungen verändert werden. Dies wird die deutschen Steuerzahler sehr viel Geld kosten. Sie, Herr Professor Carstens, sind damit einverstanden. Was nach der einen Richtung richtig ist, muß nicht von vornherein in der anderen Richtung falsch sein.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man doch nicht vergleichen!)

Wenn uns das Zusammenhalten der deutschen Nation nur Geld kosten sollte, dann allerdings bin ich bereit, es dafür zu zahlen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713938500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Carstens.

(Zuruf von der SPD: Der „Hauptkassierer" der Nation!)


Dr. Karl Carstens (CDU):
Rede ID: ID0713938600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal klarstellen, worum es geht. Jeder von uns begrüßt, daß die Rentner jetzt, ohne einem Umtauschzwang zu unterliegen, wieder Besuche in der DDR durchführen können.

(Beifall bei allen Fraktionen BravoRufe bei der SPD)

Wir werfen aber der Regierung vor, daß Sie für diese politische Leistung der DDR zweimal einen Preis gezahlt hat,

(Beifall bei der CDU/CSU — Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

einmal beim Grundvertrag und jetzt wieder bei
der Erhöhung des Swing. Es kann doch alles Drum-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9639
Dr. Carstens (Fehmarn)

herumreden nichts an der Tatsache ändern, daß von dem neuen Kreditabkommen mit der DDR die DDR einen größeren Vorteil als wir hat, weil nämlich — es ist besonders wichtig, daß wir das festhalten — hier leider Gottes eine Erpressungssituation gegeben ist. Leider Gottes befindet sich die DDR in einer Lage, in der sie zumindest die Versuche machen kann, unsere Seite zu erpressen. Das Nachgeben gegenüber Erpressungsversuchen werfen wir dieser Regierung vor.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte aber auch noch ein paar Bemerkungen zum Verlauf dieser Debatte machen. Herr Bundeskanzler, Ihre zweite Intervention war in der Tonlage wesentlich ruhiger und abgewogener als Ihre erste.

(Zurufe von der SPD: „Herr Oberlehrer" !)

Aber ich möchte Sie noch einmal sehr dringend um
folgendes bitten — ich habe das schon in verschiedenen Formen getan —: Mäßigen Sie sich bitte,
wenn Sie als Bundeskanzler hier am Rednerpult stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lebhafte Zurufe von der SPD)

Mäßigen Sie sich bitte in den Worten, die Sie gebrauchen. Ich habe ja nichts gegen eine scharfe Auseinandersetzung. Ich bin selber dafür, daß die Dinge scharf ausgesprochen werden. Aber gebrauchen Sie keine Worte, die ihrem Charakter nach beleidigender Natur sind.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das tun Sie doch auch!)

Dann möchte ich noch ein Wort an den Kollegen Wehner richten. Es ist uns allen bekannt, daß Herr Kollege Wehner es liebt, Vergleiche zu wählen, die mit Vorgängen des menschlichen Unterleibs zusammenhängen. Herr Kollege Wehner, ich möchte an Sie appellieren: Schlagen Sie sich einmal an die Brust; vielleicht kommen dann etwas bessere Töne bei Ihnen heraus.

(Beifall bei der CDU/CSU Sehr gut! bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das machen Sie mal lieber!)

Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, die Art und Weise, wie führende Politiker der SPD in den letzten Tagen polemisiert haben, die wirklich herabwürdigende Weise, in der Sie polemisieren,

(Zuruf von der SPD: Fassen Sie sich einmal an die eigene Nase!)

läßt nur den einen Schluß zu, da sich nämlich die SPD in der verzweifelten Lage einer Partei sieht, deren Chancen mehr und mehr dahinschwinden und daß ihr das Wasser bis zum Halse steht.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, ein Ertrinkender, der um sich schlägt, wird desto sicherer untergehen. In dieser Lage befinden Sie sich.

(Anhaltender Beifall bei CDU/CSU)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713938700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0713938800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition hat sich erwartungsgemäß, wie ich leider feststellen muß, am heutigen Nachmittag mit ihrer Attacke in dem Staub völlig verloren, den sie vorher aufgewirbelt hat. Dabei hat sie Ziel, Richtung und Sinn dieser Debatte völlig aus den Augen verloren.

(Beifall bei der SPD)

Nur eines hat sie bei dieser Debatte allerdings nicht verlieren können, nämlich die Führung; die war von vornherein überhaupt gar nicht gegeben,

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Doch, Abelein!)

obwohl in dieser Staubwolke irgendwo der große Vorsitzende vermutet wurde.

(Heiterkeit bei der SPD)

Kommandiert haben jedenfalls die Unterleutnants, die nichts zügeln können, am allerwenigsten ihren Ehrgeiz,

(Beifall bei der SPD)

und die ganz offensichtlich auch bereit sind, diesem ihrem Ehrgeiz einiges von dem zu opfern, was ich einmal als nationale Gemeinsamkeit in denjenigen Fragen, auf die es uns allen ankommen sollte, bezeichnen möchte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie stoßen seit zwei Jahren mit Stangen im Nebel herum!)

Dadurch sind am heutigen Nachmittag einige Dimensionen durcheinandergekommen. Eine Wahrung der Dimensionen hätte bedeutet, die Vorgänge danach zu bewerten, inwieweit sie einen Fortschritt in den Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten darstellen, inwieweit sie zur Lösung praktischer Probleme beitragen und inwieweit sie den Menschen in beiden deutschen Staaten helfen. Statt dessen haben wir so lichtvolle Ausführungen wie die von Herrn Kunz hören müssen, daß der Bau eines zweiten Eisenbahngleises in der DDR faktisch ja so etwas wie die Beteiligung an Reparationszahlungen an die Sowjetunion sei.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Das ist ja schon gezahlt!)

— Sehr geehrter Herr Dr. Kunz, wer so denkt, soll
einmal sagen, wie er eine vor allen Deutschen zu
verantwortende innerdeutsche Politik betreiben will.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Die Strecke ist ja schon zum größten Teil zweigleisig! — Dr. Marx [CDU/CSU] : Lesen Sie doch den Vertragstext! Da steht doch alles drin!)

Ich will Ihnen das eine sagen: Daraus spricht ein bestimmtes Denken

(Höhmann [SPD] : Pfeffersackdenken!)

— das ist ein Problem, das Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, lösen müssen —, nämlich das Denken des reichen Wohlstandsbürgers: Swing — da muß doch die „arme" DDR in die Knie
9640 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974
Löffler
gehen, wenn wir ihr noch ein bißchen mehr Kredit gewähren.

(Beifall bei der SPD und der FDP Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sorgen Sie dafür, daß das aufhört!)

Da ist kein echter Versuch, zu Regelungen zu kommen, die für beide Seiten nützlich sein können.
Es tut mir leid, daß zu diesen Staubaufwirblern auch zwei meiner sonst so hochverehrten Berliner Kollegen gehörten, die offensichtlich den Versuch unternehmen wollten, mit einigen Bemerkungen einen Keil zwischen Bundesregierung und Berliner Senat zu treiben.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Das hat die Bundesregierung längst selber getan! — Zuruf des Abg. Wohlrabe)

Dieser Versuch, lieber Jürgen Wohlrabe, ist völlig verfehlt. Die Berliner wissen, daß sie nicht verraten worden sind, und die Berliner sind auch nicht stocksauer, wie es Ihr großer Vorsitzender aus Berlin in New York oder in Washington verkündet hat. Die Berliner wissen aus einer leidvollen 25jährigen Erfahrung, wie man politische Realitäten im geteilten Deutschland einschätzen kann, einschätzen muß und was man auf der Grundlage dieser Realitäten tun kann.

(Beifall bei der SPD)

Und das ist Gott sei Dank sehr viel mehr, als hier nur kluge Worte im Parlament zu sprechen, wie Sie es heute getan haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es muß hier nämlich einmal festgehalten werden, daß die Bundesregierung in diesen Gesprächen mit der DDR völlig selbstverständlich z. B. auch über Probleme gesprochen hat, die nur die Westberliner unmittelbar berühren. Welch ein großer Erfolg! Wie lange haben Sie das eigentlich immer wieder gefordert? Dieser Erfolg ist heute hier völlig untergegangen. Es muß auch festgehalten werden, daß die DDR zum erstenmal eine Maßnahme — wenn auch nur größtenteils — zurückgenommen hat, die sie bereits verkündet und praktiziert hatte. Das hat es doch bisher nicht gegeben. Herr Kollege Hoppe hat hier doch die verschiedenen Maßnahmen aufgeführt, die man früher nicht rückgängig machen konnte. Herr Professor Carstens muß es doch noch aus dem Staatssekretärsausschuß wissen, daß man die andere Seite nicht zwingen konnte, etwas zurückzunehmen. Daß in diesem Fall eine Zurücknahme erreicht worden ist, ist eben ein Erfolg der Politik, die darauf abgestellt war, die Beziehungen auf gesicherte Grundlagen zu stellen.
Es wurde des weiteren gesagt, die verbindlichen Abmachungen fehlten. Der Berliner Senat hat bereits einige verbindliche Abmachungen im Rahmen dieses Gesamtpaketes unter Dach und Fach. Sie werden demnächst unterzeichnet werden. Es handelt sich dabei um den Bau einer wichtigen großen Schleusenkammer in Berlin, durch die erhebliche Verbesserungen im Verkehr auf den Berliner Gewässern hergestellt werden. Es handelt sich dabei um die langfristige Abnahme von Abwässern und Müll aus West-
Berlin. Das sind Probleme, mit denen es die Berliner zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Auf diese Probleme wollen sie eine Antwort haben; sie wollen hier im Deutschen Bundestag nicht irgendwelche Staubwolken sehen.

(Wohlrabe [CDU/CSU] : Es ging doch nur um das zweimalige Bezahlen!)

Ich komme zum Ende. Herr Professor Carstens sagte, alles sei nicht geregelt und nicht zentral gesteuert; es herrsche eine große Konfusion. Dazu kann ich nur sagen: Es gibt nur eine Sache hier in Bonn, die nicht geregelt und nicht gesteuert ist, und das scheint die Opposition zu sein.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Wohlrabe [CDU/CSU] : Wunschdenken!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713938900
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.

Hans-Günter Hoppe (FDP):
Rede ID: ID0713939000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Oppositionsführer hat auch heute nicht auf die Unterstellung verzichten wollen, die Regierung habe für die Befreiung der Rentner vom Zwangsumtausch doppelt gezahlt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hat sie auch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wenn die Regierung der DDR es nötig hat, diesen Eindruck bei ihrer Bevölkerung zu vermitteln, erscheint das noch verständlich. Sie treibt schließlich eine Prestigepolitik und kann auf eine Entschuldigung für die Korrektur eines Vertragsbruchs, den sie auf Raten vollzieht, nicht verzichten. Die CDU sollte eine solche Praxis dagegen nicht nötig haben. Wenn Sie sich dennoch, meine Damen und Herren von der Opposition, dieser Praktiken bedienen, ist die Methode erschreckend.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, mit ihrer heute bekundeten Haltung knüpft die Opposition an jene unpersönliche und unbewegliche Politik an, mit der sie in all den Jahren jeden konstruktiven Beitrag zur Lösung der deutschen Frage unmöglich gemacht hat.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Dummes Zeug!)

So wie die CDU/CSU 1963 in Berlin eher bereit war, ein Regierungsbündnis mit der SPD aufzulösen, als auch nur ein Gespräch mit dem damaligen Regierungschef der Sowjetunion über die Probleme der gefährdeten Stadt zu führen, so versagt sie sich auch heute wieder der beschwerlichen und mühsamen Aufgabe, die Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen beiden deutschen Staaten auf dem Prinzip der Gleichberechtigung zu formen. Dies ist zu beklagen, denn es schwächt unsere gemeinsame Position. Im Interesse der Menschen in beiden deutschen Staaten werden wir diese Politik dennoch unbeirrt fortsetzen, wenn es sein muß, auch ohne oder gegen die CDU/CSU.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Dezember 1974 9641
Hoppe
Das jetzt erreichte Zwischenergebnis ist aber noch kein Grund zum Jubeln. Die erkennbar erreichten Verbesserungen werden uns nicht vergessen machen, daß die DDR bis heute noch nicht voll zur Vertragsgrundlage zurückgekehrt ist. Dennoch ist das Erreichte Veranlassung, mit dieser verbesserten Ausgangslage in harten Verhandlungen die Angebote der DDR zu prüfen, urn zu praktischen Ergebnissen für die Bevölkerung in beiden deutschen Staaten zu kommen.
Meine Damen und Herren, die deutsche Politik ist jedenfalls endlich wieder in Bewegung gekommen. Vernünftige Regelungen im Bereich der Wirtschaft, des Verkehrs und der technischen Zusammenarbeit scheinen erreichbar. Gehen wir ohne Illusionen mit Zähigkeit und Härte in die neue Verhandlungsrunde! Die Menschen in unserem Volk werden es uns danken.

(Beifall bei FDP und SPD)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713939100
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

(Seiters [CDU, CSU] : Zum viertenmal! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713939200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Professor Carstens hat in seiner letzten Intervention die Schärfe einiger Ausdrücke gerügt, die ich benutzt hätte. Das hat mich daran erinnert, daß nächste Woche Weihnachten ist, Herr Professor.

(Heiterkeit)

Ich möchte einen der Ausdrücke, die ich benutzt habe, korrigieren, weil ich verstehe, daß Sie ihn in eine falsche Nachbarschaft gerückt haben: ich habe da so Zwischenrufe wie „Baader-Meinhof" registriert. Ich will Ihnen das in der Vorweihnachtszeit nachsehen. Daß es nicht so gemeint war, wissen Sie auch, wie ich annehme. Deswegen will ich diesen Ausdruck „Zwischenruferbande" korrigieren und sagen: Sie sind natürlich eine höchst ehrenwerte Gesellschaft.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713939300
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aktuellen Stunde angelangt.
Nach Abschluß der Aktuellen Stunde hat der Abgeordnete Professor Abelein das Wort zu einer persönlichen Bemerkung nach § 35 unserer Geschäftsordnung.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0713939400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mir gerade überlegt, als Herr Bundeskanzler Schmidt hierher kam, ob ich nicht meine Wortmeldung zu einer persönlichen Bemerkung zurückziehen sollte. In der Art, wie Sie das hier ausgesprochen haben, sehe ich allerdings keine Veranlassung, und deswegen gebe ich sie jetzt dennoch ab.

(Zuruf von der SPD: Das war doch zu erwarten!)

Ein fassungsloser Bundeskanzler warf mir hier vor, ich würde bewußt die Unwahrheit sagen.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch auch!)

Weitere Verbalinjurien seiner damit vollgestopften Auslassungen waren „Verstocktheit" und — wozu Sie sich gerade geäußert haben — die Opposition sei eine „Bande". Ich bat hier nicht um das Wort, um mich zu rechtfertigen; denn in dieser Art kann dieser Bundeskanzler mich ohnehin nicht beleidigen. Aber ich finde es für das Amt des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland unerträglich, daß sich ein Träger dieses Amtes derart unkontrolliert und ausfällig gegenüber einzelnen Parlamentariern und der Opposition benimmt. Dies ist der Opposition eines deutschen Parlaments von einem Kanzler schon seit Jahrzehnten nicht mehr widerfahren!

(Widerspruch bei der SPD)

Darin sehe ich einen schlimmen Verfall des Ansehens und der Würde unseres wichtigsten politischen Amtes.

(Zurufe von der SPD)

Darüber bin ich betroffen, und dieser Betroffenheit wollte ich Ausdruck geben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Mattick [SPD] : Sie sind doch der, der diesen Ton hier eingeführt hat! — Weitere Zurufe von der SPD)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0713939500
Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnacht, einen guten Beginn des neuen Jahres, einige Tage der Erholung im Kreise Ihrer Familie und ein bißchen Abstand von der heutigen Aktuellen Stunde.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 15. Januar, 13.30 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.