Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 12. November 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Schuchardt, Möllemann, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Meinecke und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Bildungsstatistik — Drucksache 7/2602 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2801 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 6. November 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung des Rates betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung
Verordnung des Rates über die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. . betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung auf die französischen überseeischen Departements.
— Drucksache VI /2542 —Verordnung des Rates
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für 30 000 Stück Färsen und Kühe bestimmter Höhenrassen, nicht zum Schlachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für 5 000 Stück Stiere, Kühe und Färsen bestimmter Höhenrassen, nicht zum Seilachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs.
— Drucksache 7/2048 — Verordnung des Rates
über die zolltarifliche Behandlung bestimmter Erzeugnisse, die im Jahre 1974 zur Verwendung bei der Instandhaltung und Instandsetzung von Flugzeugen der Typen Mercure und Airbus bestimmt sind
— Drucksache 7/2074 — Verordnung des Rates
über die zeitweilige Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für einige landwirtschaftliche Waren.
— Drucksache 7/2170 — Verordnung des Rates
über die Durchführung des Beschlusses Nr. 1/74 des Gemischten Ausschusses:
EWG—Osterreich, EWG—Portugal, EWG-Schweden, EWG—Schweiz, EWG—Island, EWG—Norwegen, EWG—Finnland
zur Ergänzung und Änderung des Protokolls Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen und des Beschlusses Nr. 2/74 des Gemischten Ausschusses über das vereinfachte Verfahren bei der Ausstellung von Warenverkehrsbescheinigungen EUR. 1
— Drucksache 7/2445 — Verordnung des Rates
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Veredelungsarbeiten an bestimmten Spinnstoffen im passiven Veredelungsverkehr der Gemeinschaft.
— Drucksache 7/2108 —
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft
— Drucksache 7/889 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/2753 —
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 7/2727 —
Berichterstatter: Abgeordneter Lemp
Abgeordneter Kiechle
Zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Lemp das Wort.
Frau Präsident! Meine sehr verehrte Dame! Meine Herren! Zu dem in zweiter und dritter Beratung anstehenden Entwurf eines Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft, kurz Bundeswaldgesetz genannt, liegt dem Hohen Haus in der Drucksache 7/2727 der Bericht und der Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. In der Hoffnung, in Ihrem Sinne zu handeln, habe ich nicht die Absicht, diesen Bericht als einer der beiden Berichterstatter in aller Ausführlichkeit vorzutragen. Ich will mich auf folgende Feststellungen beschränken:Erstens. Die Beratung im federführenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den mitberatenden Ausschüssen haben die von der Bundesregierung dargelegten Probleme in diesem Bereich und die Eignung des Regierungsentwurf für ihre Lösung bestätigt. Die vielfachen Funktionen des Waldes bedürfen, wie dies auch im Umweltprogramm der Bundesregierung zum Ausdruck kommt, im Interesse der Allgemeinheit der Sicherung durch Bundesgesetz. Dies liegt auch im wohlverstandenen Interesse der über 700 000 Waldbesitzer, insbesondere des Privat- und Kommunalwaldes. Im Staatswald ist vieles auch strukturell und aus finanziellen Gründen einfacher.
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LempMit Rücksicht darauf hat der federführende Ausschuß auch eine Ergänzung der von der Bundesregierung vorgesehenen Förderungsbestimmungen in einem begrenzten Bereich — ich betone das absichtlich —, der sich mit den Stichworten Schutzwald, Erholungswald und Schadensvorbeugung umreißen läßt, für erforderlich gehalten. Sie finden diese Ergänzungen in den §§ 39 a bis d, die auf Artikel 104 Abs. 4 des Grundgesetzes basieren. Der Haushaltsausschuß hat sich dazu gesondert geäußert und die Vorlage nach § 96 der Geschäftsordnung als mit dem Haushalt vereinbar bezeichnet. Ich komme auf Einzelheiten diesbezüglich noch zurück.Dem Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Erhaltung leistungsfähiger Wälder und den Belangen des Waldbesitzes dienen außerdem die Vorschriften über Entschädigung und Aufwendungsersatz sowie die Einführung der Verursachungshaftung bei mißbräuchlicher Ausübung des gegenüber dem Regierungsentwurf modifizierten Betretungsrechts in § 12.Nicht zuletzt besteht die Problematik auch darin, den wesentlichen Gehalt des in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Forstrechts zum Zweck der Vereinheitlichung als Mindestnorm zusammenzufassen und eine gewisse Rechtsbereinigung auf Bundesebene vorzunehmen. Dies ist durch die vom federführenden Ausschuß beschlossene und zum Antrag erhobene Gesetzesfassung vornehmlich auf der Grundlage der Art. 74 Nr. 1, 17, 18 und 24 GG geschehen, wobei sehr wohl Bedacht darauf genommen wurde, den Bundesländern noch eine ausreichende Regelungsbefugnis zu belassen. Dazu gehört auch, daß entsprechend dem Vorschlag der Bundesregierung hier bisher als Bundesrecht fortgeltende Gesetze bzw. Verordnungen mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgehoben werden sollen.Der Entwurf sieht schließlich Vorschriften über die einheitliche Einführung und Handhabung der forstlichen Rahmenplanung vor, die unter dieser oder anderen Bezeichnungen noch im Anfangsstadium steht. Rechtsvorschriften bestehen darüber auf Landesebene bisher nur vereinzelt und sind erst in den letzten Wochen beschlossen worden. Alle Forderungen, die Funktionen des Waldes zu bewahren, wären letztlich mehr oder weniger ergebnislos, würden die Träger öffentlicher Vorhaben bei Maßnahmen und Planungen, die Waldeinbußen zur Folge haben oder in ihrer Auswirkung Wald betreffen, nicht gesetzlich verpflichtet sein, die Waldfunktionen angemessen zu beachten und vom Anbeginn ihrer Aktivität mit den Forstbehörden eng zusammenzuarbeiten. Im übrigen hat sich der federführende Ausschuß dazu bekannt, das Gesetz über forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse vom 1. September 1969 mit gewissen Änderungen zu integrieren.Zweite Feststellung. Ohne die dem Gesetzesvorhaben zugrunde liegenden Hauptziele, nämlich Erhaltung und Verbesserung der Umweltschutzleistungen sowie Sicherung der rohstofflichen und wirtschaftlichen Zwecke, zu vernachlässigen, hatten die Beratungen folgende Schwerpunkte:a) Die im Entwurf vorgesehene Regelung des Reitens im Walde — § 12 Abs. 2 — ist auf Widerstand bei Freizeit- und Sportreitern gestoßen, da dieser Personenkreis hierin ein faktisches Reitverbot im Walde sah. Der Sportausschuß hat in seiner gutachtlichen Stellungnahme beschlossen, der Entwurf müsse die Möglichkeiten zum Reiten im Walde auch dann gewährleisten, wenn auf freiwilliger Basis nicht erreichbar sei, daß eine Befugnis zum Reiten erteilt werde oder Wege oder sonstige Flächen hierfür bestimmt würden. Die Ausweisung und die Anlage von Reitwegen müßten ermöglicht werden, wobei eine Störung der erholungsuchenden und der sonst im Wald Sport treibenden Bevölkerung, der wild lebenden Tiere und eine Schädigung des Waldes zu vermeiden seien. Die Wälder, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, einschließlich ihrer privaten Wege, sollten bevorzugt dem Reitsport zur Verfügung stehen.Der federführende Ausschuß hat für diesen Fragenkreis eine von der Mehrheit getragene Kompromißlösung, die vom Entwurf abweicht, gefunden. Die CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß konnte sich mit ihrem Lösungsvorschlag nicht durchsetzen.
b) Zweiter Schwerpunkt, Kollege Ritz, war die Regelung der Finanzhilfen des Bundes. Hier ist vorgeschlagen worden, die finanzielle Förderung der Forstwirtschaft über den Rahmen der Beteiligung des Bundes nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hinaus durchzuführen, indem Finanzhilfen, nach Maßgabe des Bundeshaushalts hierfür bereitgestellte Mittel, den Ländern unmittelbar gewährt werden sollen. Auch insoweit ist in den Ausschußberatungen eine Kompromißlösung gefunden worden, und der Vorschlag, den der Schriftliche Bericht auf Seite 7 hervorhebt und bestätigt, wurde seitens der CDU/CSU mitgetragen.Befürchtungen, Kollege Ritz — hören Sie sehr gut zu! —, daraus könnte sich eine Auftragsverwaltung des Bundes durch die Länder entwickeln, sind absolut unbegründet. Dies gilt auch für die Besorgnis, hier könnten Rechtsansprüche mit unübersehbaren finanziellen Lasten für die Gebietskörperschaften entstehen. Außerdem schränkt die Abgrenzung des Förderzwecks die Länder hinsichtlich ihrer eigenen forstpolitischen Förderungsmaßnahmen überhaupt nicht ein.Dritte Bemerkung; sie gilt der Stellungnahme des Bundesrates im ersten Durchgang. Der Bundesrat hat selbst festgestellt — hier weise ich auf Bemerkungen des Kollegen Kiechle hin; vielleicht ist er so freundlich und achtet einmal darauf —, die §§ 8 bis 12 des Regierungsentwurfs seien nach ihrer sprachlichen Fassung als Rahmenvorschriften ausgestaltet. Dies muß auch inhaltlich von Bedeutung sein. Gleichwohl hat er Bedenken erhoben, ob diese Regelung noch Raum für landesrechtliche Vorschriften mit substantiellem Gehalt lasse. Der federführende Ausschuß hat unter Beachtung der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, die sich, wie dargelegt, überwiegend aus Art. 74 GG Nrn. 1, 17, 18
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Lempund 24 ergibt und ergänzend auf Art. 75 GG beruht, nur Teilregelungen beschlossen, die den Ländern Raum für die eigene Rechtsetzung belassen. Der Ausschuß folgte unter Berücksichtigung der Gegenäußerung der Bundesregierung den Vorschlägen des Bundesrates.Hier würde ich Sie bitten, mir zu gestatten, daß ich jetzt langsam — vielleicht ein bißchen langweilig für Sie alle — zitiere, welche Paragraphen wir mit Rücksicht auf die Vorschläge des Bundesrates und die Gegenäußerung über Kompromisse — im großen und ganzen voll, einige teilweise — geregelt haben. Ich gebe das mit Absicht aus bestimmten Gründen, da mir der Änderungsvorschlag der CDU/CSU vorliegt, zu Protokoll. Der Ausschuß hat gegenüber den Vorschlägen des Bundesrates bei folgenden Paragraphen in etwa doch auch — ganz oder teilweise — Entgegenkommen gezeigt: Das sind die §§ 2, 3, 5, 6,
10, 11, 11 a, 12, 16, 21, 32, 33, 39, 44, 45 und 46,
wobei sich die Änderung des Bundeskindergeldgesetzes später wegen der Einführung der neuen Kindergeldregelung erübrigte. Zusätzlich hat der Ausschuß bei § 8 zugunsten weitergehender Rechtsvorschriften Länderwünsche berücksichtigt.Ich habe das hier nur deshalb noch einmal zitiert, damit man sieht, daß es nicht so ist, daß wir nicht zu Kompromissen bereit wären. Bloß irgendwo — das sei nur im nachhinein erwähnt — hört's natürlich auch auf.Ein genauer Vergleich zeigt, daß sich der federführende Ausschuß nur bei einigen wenigen Vorschlägen des Bundesrates nicht entschließen konnte, diesen zu folgen. So bedarf es nicht nur keiner Änderung der Überschrift des Abschnitts II im Zweiten Kapitel durch die ungewöhnliche Hinzufügung des Wortes „Rahmenvorschrift" ; sie wäre auch mit Rücksicht auf die Regelung nach Art. 74 GG verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch bedenklich. So meine Information. Kollege Kiechle, ich bin kein Verfassungsrechtler und kein Jurist; ich sage Ihnen nur, daß wir uns darüber auch Gedanken gemacht haben. Diese Bedenken bestehen fort, und wir werden dazu im Laufe der Aussprache sicherlich noch einmal kommen.Die Ausgestaltung der Vorschriften der §§ 8 bis 12 als Teilregelung stellt unter dem Aspekt der Rechtseinheit und Rechtssicherheit das Minimum dar. Ohne die Vorschriften der §§ 40 und 41 über Entschädigung und Aufwendungsersatz würde das Gesetz dem Erfordernis des Ausgleichs der öffentlichen Interessen und der Belange der Waldbesitzer nicht gerecht; sie sind unverzichtbar.Was an sonstigen nicht berücksichtigten Vorschlägen übrigbleibt, ist unserer Ansicht nach von geringem Gewicht; dadurch sollte der Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens nicht in Frage gestellt werden. Hier liegt es, meine ich, am Bundesrat, nachdem ich aufgezählt habe, wie weit wir dem Bundesrat, d. h. den Ländern entgegengekommen sind, uns im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ebenfalls entgegenzukommen.Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der ersten Beratung des Regierungsentwurfs am 18. Oktober 1973 hat sich der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nach Anhörung der beteiligten Verbände und von Sachverständigen mit den mitberatenden Ausschüssen um die unter den gegenwärtig gegebenen Bedingungen bestmögliche Ausgestaltung des Gesetzentwurfs bemüht. Für die Forstwirtschaft der Bundesrepublik stellt die heutige zweite und dritte Beratung des Entwurfs ein zukunftsweisendes, ein forstpolitisches Ereignis ersten Ranges dar. Für die Gesamtheit der Bürger wird sich die volle Bedeutung des Gesetzes erst allmählich erweisen. Dazu wird sicherlich im nachhinein dann noch einiges zu sagen sein.Ich komme zum Schluß. Der Antrag des 10. Ausschusses vom 5. November 1974 lautet:Der Bundestag wolle beschließen,1. den Gesetzentwurf — Drucksache 7/889 — in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen,2. die zur Vorlage eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die allgemeine Aussprache.
— Meine Damen und Herren, wir haben einen Berichterstatter für jeden Ausschuß, wenn nicht in einem besonderen Fall und für ein besonders großes Gebiet zusätzliche Berichterstatter — für Teilgebiete
— benannt worden sind. Es gibt also nur einen Berichterstatter. Wie ich gehört habe, will der Kollege Kiechle ja auch in der allgemeinen Aussprache sprechen.
— Aber nicht als Berichterstatter, Herr Kollege. Nur in besonderen Fällen haben wir es so gehandhabt, daß ein weiterer Kollege als Berichterstatter sprechen kann.
— Gut, der Herr Kollege will eine Ergänzung zu dem Bericht geben. Bitte schön, Herr Kollege Kiechle! Wir werden dieses Problem aber noch einmal genau besprechen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Mitberichterstatter möchte ich den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der gebotenen Kürze mündlich ergänzen. Der Schriftliche Bericht weist aus, daß der Gesetz-
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Kiechleentwurf im federführenden Ausschuß mit Mehrheit angenommen wurde. Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses ist mit den Mitgliedern der Fraktionen von SPD und FDP gleichzusetzen. Ich möchte hier aus der Sicht der Minderheit im federführenden Ernährungsausschuß ausdrücklich betonen, daß trotz der zum Teil schwierigen Fragen, die zu behandeln waren, die Arbeitsatmosphäre während der gesamten Dauer der Beratungen im großen und ganzen gut war. Das schließt allerdings nicht aus, daß die von Mehrheit und Minderheit vertretenen Ansichten nicht auch deutlich kontrovers beraten worden sind. Diese Kontroversen konnten bis zum Ende der Beratungen nicht ausgeräumt werden, obwohl die Minderheit bis an die äußerste Grenze der Kompromißbereitschaft gegangen ist.Die Minderheit im Ausschuß hat verdeutlicht, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß eines Bundeswaldgesetzes seiner ausführlichen Bezeichnung — „Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft" — voll genügen müßten. Wir waren der Auffassung, daß gesetzliche Maßnahmen, die dazu dienen sollen, beide im Gesetz enthaltenen Grundziele zu erreichen — also die Erhaltung des Waldes und die Förderung der Forstwirtschaft —, so ausgestaltet sein müssen, daß es sich überhaupt lohnt, eine bundesrechtliche Lösung ins Auge zu fassen.Die Minderheit im Ausschuß hat daher bei den Beratungen der §§ 39 a ff., der sogenannten Förderungsparagraphen, zu verdeutlichen versucht, daß das Bundeswaldgesetz nicht nur seinem Namen nach, sondern auch seiner rechtlichen Ausgestaltung nach ein Förderungsgesetz sein müsse. Sofern diese Förderung der Forstwirtschaft, die im übrigen auch schon weitgehend durch das Recht der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" geregelt ist, nicht durch ihren Umfang ins Gewicht falle, bedürfe es eines Bundesgesetzes eigentlich gar nicht.Dies trifft um so mehr zu, als die meisten Bundesländer, soweit es sich um Flächenstaaten handelt, ein den modernen Erfordernissen angepaßtes Wald- und Forstrecht entwickelt haben oder im Begriffe zu entwickeln sind. Die Länder Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben eigene Forstgesetze, die nach dem Jahr 1969 erlassen worden sind; Baden-Württemberg hat einen Kabinettsbeschluß bereits verabschiedet, das Saarland ein Gesetz in Vorbereitung. Das von den Bundesländern in den letzten Jahren gestaltete Forstrecht ist den spezifischen Erfordernissen der jeweiligen Regionen angepaßt und in seinen Grundzügen auch einheitlich ausgestaltet. So gesehen — das hat die Minderheit in den Ausschußberatungen durch eine Reihe von Änderungsanträgen hervorgehoben —, besteht nur dann eine Notwendigkeit, überhaupt ein Bundeswaldgesetz zu erlassen, wenn sichergestellt ist, daß eine ausreichende Bundesförderung ohne verfassungsrechtliche Bedenken durch die Länder und ohne einschränkende Wirkung auf differenzierte Landesprogramme erfolgt. Eine Reihe von Paragraphen entsprechen nach Auffassung der Minderheit nicht diesen Mindestanforderungen.Die Minderheit im Ausschuß hat ihre Auffassung dahin gehend dargelegt, daß, wenn überhaupt ein Bundeswaldgesetz verabschiedet wird, sichergestellt sein müsse, daß es in wichtigen Teilen im wahrsten Sinne des Wortes ein Rahmengesetz ist, das nicht durch Einzelbestimmungen vernünftiges Landesrecht beseitigt. Insbesondere ging es der Minderheit im Ausschuß darum, den Rahmenrechtscharakter der §§ 8 bis 12 durch Abänderungsanträge stärker, als durch die Ausschußfassung geschehen, hervorzuheben. Dieser Versuch ist von der Mehrheit des Ausschusses nicht akzeptiert worden.
Danke schön. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Bundesminister Ertl.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor 13 Monaten, am 18. Oktober 1973, habe ich an dieser Stelle namens der Bundesregierung anläßlich der ersten Beratung des Bundeswaldgesetzes den Gesetzentwurf erneut auch als wichtigen Teil des Umweltprogramms der Bundesregierung und der beabsichtigten Reformen bezeichnet, nachdem frühere Entwürfe der Bundesregierung wegen vorzeitiger Auflösung des Bundestages nicht verabschiedet werden konnten. Vor über einem Jahr schloß ich meine Ausführungen in der Hoffnung, daß es in dieser Legislaturperiode ermöglicht werden möge, mit einem Bundeswaldgesetz ein neues Kapitel deutscher Forstgeschichte einzuleiten. Wir sind diesem Ziele mit der heutigen zweiten und dritten Lesung sehr nahe gekommen.Ich möchte deshalb mit einem Dank an alle drei Fraktionen, besonders aber an die Vorsitzenden und Mitglieder des federführenden Ernährungsausschusses und der mitberatenden Ausschüsse, beginnen. Danken möchte ich auch den Vertretern der Länder, Gemeinden und Verbände, die vor allem im Rahmen der öffentlichen Anhörung konstruktive Beiträge zum Gesetz geleistet haben.Durch die Beratung des Gesetzes sind der Wald und die Forstwirtschaft mehr als zuvor in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt. So hat sich gezeigt, daß die Zielsetzung des Gesetzes, nämlich 1. den Wald wegen seiner Nutzungs-, Schutz- und Erholungsfunktion zu erhalten, 2. die Forstwirtschaft zu fördern und 3. einen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und den Belangen der Waldbesitzer herbeizuführen, von einem ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung, von den Gemeinden, den Ländern und von allen drei in diesem Hause vertretenen Parteien begrüßt wird.Während der Ausschußberatungen hat sich weiterhin gezeigt, daß die im Gesetzentwurf aufgestellten Grundsätze der Forstpolitik nicht strittig sind. Insoweit, meine ich, geht es um ein Bundesgesetz, weil es sich auch um die Prinzipien der Forstpolitik handelt. Die Verantwortung dafür trägt der Bund. Die
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Bundesminister ErtlGrundsätze sind auch deshalb nicht strittig, weil sie den Erfordernissen eines dicht besiedelten, hochindustrialisierten Landes gerecht werden. Diese Einmütigkeit in Öffentlichkeit und Parlament hat wesentlich zu dem gestiegenen Umweltbewußtsein beigetragen. Die positiven Umweltschutzleistungen des ordnungsgemäß bewirtschafteten Waldes werden heute allgemein anerkannt. Spätestens seit der Energiekrise, die die Beratungen des Bundeswaldgesetzes im Bundestag von Anbeginn begleitete, ist aber auch wieder besonders deutlich geworden, daß es sich die Bundesrepublik nicht leisten kann, jetzt oder in Zukunft auf den Rohstoff Holz, der stetig nachwächst, zu verzichten.Ich möchte allen Fraktionen dieses Hauses dafür danken, daß sie aus diesen Gründen in den Ausschußberatungen die weitaus überwiegende Anzahl der Gesetzesvorschriften einmütig beschlossen haben.Lassen Sie mich kurz auf die wesentlichen Teile dieses Gesetzes eingehen.1. Es besteht Einmütigkeit, daß die im Bundeswaldgesetz niedergelegte Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes untrennbar und grundsätzlich gleichwertig entsprechend der Kompetenz des Bundes geregelt werden müssen.2. Weiterhin besteht zwischen allen drei Fraktionen Einvernehmen über die forstliche Rahmenplanung als Instrument zur Verbesserung der Forststruktur und zur Erhaltung sowie zum Schutz des Waldes.3. Auch die Normen zur Erhaltung und zur Bewirtschaftung des Waldes dürften in der vorliegenden Fassung in diesem Hause nicht strittig sein. Sie stellen Mindestnormen dar, die den Ländern genügend Raum für eigene Rechtsetzungen belassen. Diese Normen, die in den Grundzügen ein für das Bundesgebiet einheitliches Forstrecht gewährleisten sollen, sind unerläßlich, weil wir innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eine solche Grundlage für die Koordinierung der Forstpolitik in den Mitgliedstaaten brauchen. Auch den Waldbesitzern und den in der Forstwirtschaft Tätigen verbleibt ein breiter Ermessensspielraum. In der jetzigen Fassung reglementiert der Gesetzentwurf so wenig wie möglich. Der verantwortungsbewußte Waldbesitzer wird in der Lage sein, seine Eigeninitiative im eigenen Interesse und zugleich zum Wohle der Allgemeinheit weitgehend frei zu entfalten.4. Einmütigkeit besteht offensichtlich auch über die Vorschriften über die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes.5. Dem Grunde nach befürworten alle Fraktionen auch die Vorschriften über das Betreten des Waldes. Das gilt auch für das Reiten, wenngleich hier hinsichtlich der Einzelvorschriften, wie dem Anliegen der Reiter entsprochen werden soll, unterschiedliche Auffassungen bestehen. Nachdem ich den heutigen Änderungsantrag der Opposition gelesen habe, kann ich sagen: So groß sind die Unterschiede zwischen Gesetzestext und dem Änderungsantrag offensichtlich nicht, wenn ich wortwörtlich vergleiche. Ich glaube, der Unterschied besteht in einem einzigen Satz. Ich frage mich, ob das — soweit ich das gelesen habe — ein so gravierender Unterschied ist.6. Die Regelungen über die forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse, bei denen die Erfahrungen seit 1969 berücksichtigt wurden, sind in diesem Hause unstrittig.7. Schließlich wurde zwischen den Fraktionen Einvernehmen über die Förderungsregelung des § 39 sowie über die Entschädigung und den Aufwendungsersatz gemäß §§ 40 und 41 erzielt. Auch hier muß ich sagen: Bei einer Synopse der Texte sehe ich nicht so gravierende Unterschiede bezüglich des Änderungsantrages. Ich habe beide Fassungen eben durchgelesen. Der federführende Ausschuß hat einstimmig mit den aus dem Regierungsentwurf für Naturschutz und Landschaftspflege entlehnten §§ 39 a bis 39 d zusätzliche Finanzhilfen des Bundes für Schutz- und Erholungsinvestitionen im Wald eingebaut. Der Haushaltsausschuß hat diese Vorschrift als mit der Haushaltslage vereinbar erklärt. Mit dieser dankenswerten Entscheidung wird der Kritik begegnet, die bei der ersten Lesung seitens der Opposition, aber auch seitens der Länder erhoben wurde, es handle sich nicht um den Entwurf eines Waldförderungsgesetzes. Diese Finanzhilfen stellen eine Hilfe für die Länder dar. Sie bedeuten keinen Eingriff in das Initiativrecht der Länder und keine Beschränkung der Förderungsmöglichkeiten auf seiten der Länder.Es ist sehr bedauerlich, daß die Einführung dieser Förderung trotz der Zustimmung der Opposition im federführenden Ausschuß neuerdings auf Widerstand stößt. Insgesamt bestätigen also die bisherigen Beratungen, daß die jahrelangen Bemühungen um das Zustandekommen eines Bundeswaldgesetzes und die Initiative der Bundesregierung nach Zielsetzung und Konzeption notwendig waren und in der Sache richtig sind.Ich möchte hierzu abschließend folgende Feststellungen treffen.Erstens. Die, wie mir scheint, geringfügigen Auffassungsunterschiede zwischen der Koalition und der Opposition — ich habe zwei Beispiele aus jüngsten Vergleichen soeben zitiert — sollten meines Erachtens das Hohe Haus nicht daran hindern, diesen Gesetzentwurf einstimmig zu verabschieden.Zweitens. Der federführende Ausschuß hat entsprechend der Gegenäußerung der Bundesregierung die Vorschläge des Bundesrats weitgehend berücksichtigt. Darauf hat auch Kollege Lemp hingewiesen. Ich möchte mich bei ihm nochmals sehr herzlich dafür bedanken. Diese Kompromißbereitschaft sollte es dem Bundesrat ermöglichen, dem Gesetz im zweiten Durchgang seine Zustimmung zu geben, wenn er das Gesetz will. Er sollte aber auch sagen, ob er es will oder nicht.
Die Öffentlichkeit sowie die Forst- und Holzwirtschaft erwarten von Bundestag und Bundesrat, daß dieses für den Schutz der Umwelt, für die Erholung und für die Holzversorgung wichtige Gesetz im Vollzug des Umweltprogramms der Bundesregierung
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Bundesminister Ertlnunmehr verabschiedet wird, damit es, wie vorgesehen, am 1. Januar 1975 in Kraft treten kann. Darum möchte ich Sie, meine verehrten Damen und Herren dieses Hohen Hauses, heute und hier bitten.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiechle. Die Anträge werden gleich mitbegründet.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im Jahre 1969 SPD und FDP die Regierungsverantwortung übernahmen, sollte alles in unserem Lande schöner und besser werden.
Wer das damals und in den darauf folgenden Jahren alles für bare Münze nahm, was verkündet worden ist, und der linksliberalen Koalition Glauben schenkte, der hatte fast den Eindruck, daß die Bundesrepublik Deutschland bis 1969 den Wirtschafts- und Kulturstand eines unterentwickelten Landes gehabt hat.
Jeden Tag, meine Damen und Herren, eine Reform! So hieß es. Die Reform-Euphorie feierte Triumphe. Alles und jedes sollte reformiert werden. Dabei allerdings ging, insbesondere was die Fragen der Finanzierung betrifft, das Augenmaß für das Reale sowohl bei der SPD als auch bei der FDP verloren. Das Ergebnis des Reformeifers ist jetzt jedermann klar. In diesen Tagen wird nur allzu deutlich, daß Bundesregierung, SPD und FDP sich übernommen haben.
— Das kommt schon noch. — Den Reformen ist u. a. auch die finanzielle Puste ausgegangen.
So liegt uns z. B. zur Zeit eine, wie ich eben hörte, großartige Reform vor, die ich einmal kurz als Zweieinhalb-Millionen-Reform apostrophieren möchte.In ihrer Reformeuphorie haben die Reformeiferer auch häufig dort etwas zu reformieren versucht, wo längst schon gute und vernünftige Lösungen, wie die meisten Bürger sie ja wünschen, da sind und da waren. Dazu gehört beispielsweise der hier zu behandelnde Sachverhalt des Gesetzentwurfs zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft. Statt eines Gesetzes, das sich als Hilfestellung für die Erfüllung der forstlichen Aufgaben der Länder ausgewirkt hätte, wurde mit dem anspruchsvollen Namen „Reform" ein Gesetzentwurf vorgelegt, der möglichst viele Länderkompetenzen in Bundeskompetenzen umwandeln oder zumindest ein Hineinregieren in die Länderprogramme und -zuständigkeiten ermöglichen sollte. Diese Tendenz wurde leider — zum Teil gegen die Meinung der Bundesregierung selbst — in den Ausschußberatungen noch verstärkt.Kein vernünftiger Mensch in unserem Land bestreitet, daß der Wald neben seiner Aufgabe als Wirtschaftsfaktor vielfältige Funktionen zu erfüllen hat. Diese Funktionen reichen von der Freude an der Natur und der Erholung, die der Waldspaziergänger genießt, bis hin zur Reinhaltung der Luft und der positiven Beeinflussung des gesamten Wasserhaushalts, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Niemand wird heute — oder gar hier — ernsthaft in Frage stellen, daß es richtig und notwendig ist, den Wald zu erhalten, den Waldbau zu verstärken und überhaupt die Forstwirtschaft zu fördern; übrigens eine Forstwirtschaft, die der Allgemeinheit eine Fülle von unschätzbaren Leistungen erbringt.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft — ich zitiere das immer wörtlich — beabsichtigt, diese vielfältigen Aufgaben so quasi mit letzter Akribie zu lösen. Man hat bei der Bundesregierung und bei SPD und FDP ungenügend berücksichtigt, daß die Bundesländer längst ein vernünftiges Forstrecht geschaffen haben, dessen naturbedingte Differenziertheit nicht eingeschränkt werden sollte.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzentwurfs zu, den Wald wegen seines wirtschaftlichen Nutzens, wegen seiner Bedeutung für den Naturhaushalt, die Nutzungsfähigkeit von Naturgütern, die Agrar- und Infrastruktur sowie die Erholung der Bevölkerung zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine geordnete Bewirtschaftung nachhaltig zu fördern, die Forstwirtschaft zu fördern und einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldbesitzer herbeizuführen. Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel.Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Plenum hat die Fraktion der CDU/CSU daher ihre konstruktive Mitarbeit angeboten.
Wir haben auf die erforderliche Interessenabwägung zwischen der Wald- und Forstwirtschaft und der Gesellschaft, die besondere Bedeutung der Einlassungen und Vorschläge des Bundesrates und die Erfordernisse einer Anerkennung, d. h. Honorierung der Leistungen des Waldbesitzes, die er für die Allgemeinheit erbringt, hingewiesen. Im federführenden Ausschuß hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion daher eine Kompromißbereitschaft gezeigt,
die bis an die Grenze des überhaupt nur Möglichen gegangen ist, um aus dem Entwurf ein Gesetz werden zu lassen, das der gerade genannten Zielsetzung gerecht wird und vorhandene gute Regelungen auf diesem Gebiet, die keiner Reform bedürfen, nicht zerstört.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8819
KiechleWas ist nun dabei herausgekommen? In der Ausschußfassung liegt ein Gesetzentwurf vor, der so von uns nicht akzeptiert werden kann.
Zwar hat in einer Reihe von Detailfragen, z. B. bei Formalproblemen, redaktionellen Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung, Koalition und Opposition, Einvernehmen erzielt werden können. Bei drei wichtigen und entscheidenden Grundfragen war das jedoch nicht möglich.Hier ist erstens die Frage des Rahmencharakters des Gesetzes zu nennen. Deshalb muß eindeutig klargestellt werden, daß es sich bei den §§ 8 bis 12 des Gesetzentwurfs um echte Rahmenvorschriften handelt. Die im Gesetz enthaltenen Vorschriften über die Walderhaltung, die Waldbewirtschaftung und die Erstaufforstung können nicht auf Art. 74 des Grundgesetzes gestützt werden und deshalb auch keine Vollregelung für den Bund vorsehen. Wird der Rahmencharakter des Abschnitts II nicht eindeutig klargestellt, hätte das die Aufhebung selbst der länderrechtlichen Vorschriften zur Folge, die von der Zweckbestimmung des Bundeswaldgesetzes her unbedenklich sind oder sogar mit ihr übereinstimmen. Daran ändert auch nichts der in einzelnen Vorschriften zugunsten des Landesgesetzgebers gemachte Vorbehalt, das Nähere durch die Länder regeln zu lassen. Dieser Vorbehalt überläßt nämlich den Ländern nur noch die Möglichkeit der Detailregelung. Daher beantragt die CDU/CSU- Bundestagsfraktion hier in der zweiten Beratung des Gesetzentwurfes eine Änderung. Es soll ganz deutlich herausgestellt werden, daß es sich bei den Bestimmungen der §§ 8 bis 12 des Abschnittes II um Rahmenvorschriften handelt.Keinen Konsens hat es auch bei den Beratungen im federführenden Ausschuß über den § 12, also über das Betretungsrecht des Waldes, gegeben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist m i t der Bundesregierung
— das ist sehr interessant — der Auffassung gewesen, daß eine räumliche Trennung der verschiedenen Verkehrsarten und Freizeitbetätigungen in möglichst weitgehendem Umfang im Interesse der Mehrheit der wandernden Waldbesucher, zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Wald und zum Schutz des Eigentums am Wald erforderlich ist.
Die von SPD und FDP im Ausschuß gegen die Meinung der Bundesregierung durchgesetzte Fassung des § 12 Abs. 2 a ff. enthält unserer Auffassung nach keine abgewogene und praktikable Regelung. Sie geht davon aus, daß grundsätzlich auf allen Wegen beispielsweise geritten werden darf, die auch von anderen Erholungssuchenden benutzt werden.
Die Notwendigkeit einer Beschränkung auf bestimmte Wege stellt nach § 12 Abs. 2 a Satz 2 die Ausnahme dar. Hierbei wird verkannt, daß heute der einzelne Reiter die Ausnahme ist. DasReiteraufkommen konzentriert sich im wesentlichen auf Wälder in Erholungsgebieten im Bereich der Städte und in den Feriengebieten,
also auf die gleichen Wälder, Herr Lemp, die auch von den Spaziergängern in starkem Maße aufgesucht werden. Unzuträglichkeiten mit den anderen Erholungssuchenden, aber auch erhebliche Beschädigungen der Waldwege sind die Folge. Die von SPD und FDP beschlossene Fassung des § 12 Abs. 2 a Satz 2 stellt deshalb nicht die Ausnahme, sondern die Regel dar.Mit dieser Auffassung befinden wir uns in guter Gesellschaft. Es war doch — so können wir ruhig sagen — das Werk einzelner Abgeordneter, die daran schuld sind, daß es hier zu keinem Einverständnis kommen konnte.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion — ich sage es noch einmal — ist hingegen mit der Bundesregierung darin einig, daß Fußgänger und Reiter bei der Benutzung von Waldwegen grundsätzlich getrennt werden sollten.Das Reiten ist deshalb grundsätzlich auf öffentliche Waldwege im Sinne des Verkehrsrechtes und auf die ausgewiesenen Reitwege zu beschränken. Die Länder sollen erforderlichenfalls für Reitwege sorgen. Für die stadtferneren Waldgebiete können die Länder das Reiten auch auf den übrigen Waldwegen zulassen. Dadurch wird vermieden, daß den Reitern die Wertung überlassen bleibt, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 a Satz 2 der beschlossenen Fassung gegeben sind. Die Prüfung der Frage, ob ein Wald in besonderem Maße der Erholung dient, ob die Waldwege einer stärkeren Gefahr der Beschädigung ausgesetzt sind oder ob schutzbedürftige Tiere durch das Reiten belästigt werden, kann nicht dem einzelnen Reiter überlassen bleiben. Das bedarf der generellen Regelung.In diesem Sinne ist auch der von der CDU/CSU- Bundestagsfraktion eingebrachte Änderungsantrag zu verstehen. Daß dieser Änderungsantrag nicht so falsch sein kann, wurde wohl auch dadurch bewiesen, daß beispielsweise das Bundesland Niedersachsen in den allerjüngsten Tagen die Fassung der Bundestagsfraktion der CDU/CSU wörtlich übernommen und damit wohl gutgeheißen hat.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion muß auch Bedenken gegen § 39 Buchstabe a bis d in der Ausschußfassung geltend machen. Die von SPD und FDP im federführenden Ausschuß durchgesetzten Finanzierungsregelungen stoßen nicht nur auf den Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sondern auch auf den Widerspruch der Bundesregierung. Das ist eine ganz interessante Konstellation, wenn man einmal verfolgt und überlegt, daß — vor allem beispielsweise in den Beratungen des Haushaltsausschusses — von seiten der Bundesregierung Bedenken gegen § 39 a ff., insbesondere wegen der Rechtmäßigkeit, geltend gemacht worden sind.
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8820 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
KiechleDer volle Text des hier zu behandelnden Gesetzentwurfs lautet: „Entwurf eines Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft ". Was aus der Ausschußberatung heraus dem Hohen Hause jetzt auf dem Sektor der Förderung der Forstwirtschaft vorgelegt worden ist, verdient diese Bezeichnung nicht.
Die Aufforstung von Grenzertragsböden, die Umwandlung von Niederwald, der Wegebau und Zuschüsse für forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse werden bereits nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgaben — Agrarstruktur und Küstenschutz— gefördert. Die nach § 39 a ff. beabsichtigte zusätzliche Förderung der Forstwirtschaft fällt demgegenüber kaum noch ins Gewicht.Gefördert werden sollen beispielsweise die Anlage und die Unterhaltung von Schutzwald, einschließlich seiner Einrichtungen. Weiterhin sollen Anlage und Unterhaltung von Erholungswald finanziell gefördert werden. Beide Waldarten, meine Damen und Herren, machen nur einen relativ geringen Prozentsatz der Waldfläche aus. Die Ausgaben — das wird auch in der Zukunft so sein — für die Anlage und Unterhaltung von Schutz- und Erholungswald sind relativ gering. Dementsprechend ist auch die Finanzausstattung sehr mager ausgefallen.Der relativ geringen Bedeutung des Finanzierungsvolumens stehen andererseits gewichtige Bedenken gegenüber. Zunächst ist anzumerken, daß es sich bei den beabsichtigten zusätzlichen Finanzhilfen nicht um eine Förderung des wirtschaftlichen Wachstums im Sinne des Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes handelt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat daher beantragt, eine Formulierung des § 39 a zu wählen, die eine Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes entsprechende Förderung zuläßt. Wir haben dies auch im Ausschuß getan, sind aber leider nicht auf die Zustimmung der Mehrheit gestoßen. Dann haben wir letztlich nach Ablehnung unserer Alternativen — danach fragen Sie ja sonst immer —
der vom Ausschuß durchgesetzten Fassung zugestimmt,
— aus völlig anderen Gründen; ähnlich wie Ihr Staatssekretär, der muß wohl auch gewußt haben, warum
—, um zu verhindern, daß auch der letzte Ansatz von Förderung nicht zum Tragen kommen könnte.Vollends bedenklich, meine Damen und Herren, wird die ganze Förderungsregelung, wenn in § 39 c Abs. 4 der Bund befugt sein soll, über aufzustellende Programme der Länder und die Beteiligung der Länder und Dritter zu beraten und darüber ein Bundesprogramm aufzustellen. Im Haushaltsausschuß sind für die Förderungsmaßnahmen im ganzen Bundesgebiet für 1975 2,5 Millionen DM veranschlagt worden — eine wahrlich bescheidene Summe.Meiner Meinung nach macht sich die Regierungskoalition geradezu lächerlich, wenn sie an den Formulierungen des § 39 a bis d festhält und auf diese Art und Weise versucht, Einfluß auf den Bau des letzten kleinen Waldweges in den Bundesländern zu erlangen. Abgesehen von der anzuzweifelnden Rechtmäßigkeit der Formulierungen in den §§ 39 a bis d lohnt es sich wahrhaftig nicht, daß der Bund unmittelbar in die Gestaltungsmöglichkeit der Aufgaben der Länder eingreift. Diese Bedenken — ich bitte, auch das zu beachten — sind auch von der Bundesregierung im Haushaltsausschuß begründet worden. Der Bund sollte sich doch angesichts vielfältiger anderer Aufgaben aus derartigen Dingen möglichst heraushalten.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat hier in der ersten Lesung erklärt, dieses Gesetz müsse im Einvernehmen mit den Ländern gemacht werden, um ein sinnvolles Ergebnis zu erzielen. Wir haben davor gewarnt, die Bedenken des Bundesrates beiseite zu schieben und einen Konflikt zu riskieren. Schließlich handelt es sich ja um ein Zustimmungsgesetz; das weiß man ja bekanntlich im voraus. Wir haben auf diese Länderanliegen unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Bundeswaldgesetzes bei der Einbringung unserer Änderungsanträge Rücksicht genommen. Wir können einem Bundeswaldgesetz nur dann zustimmen, wenn die Bundesländer nicht mehr als nötig in der Ausgestaltung ihres Forstrechts behindert werden. Namens der CDU/ CSU-Fraktion bitte ich, den Änderungsanträgen der CDU/CSU zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Kaum ein Gegenstand ist in der Vergangenheit soviel besungen worden wie der heilige deutsche Wald.
Aber, meine Damen und Herren Kollegen, was sich bis heute in bezug auf die Schaffung eines Bundeswaldgesetzes abgespielt hat, hat mit Heiligkeit wohl nichts zu tun.Es hat damit begonnen, daß man 1967 die einmütige Auffassung in diesem Haus zum Ausdruck gebracht hat, ein Bundeswaldgesetz schaffen zu wollen. Dazu hat man zunächst einmal sieben Jahre gebraucht.
Wenn wir uns die Beratungen noch einmal vergegenwärtigen, so kann es über die Tatsache gar keinen Zweifel geben, daß es der Bundesregierung darum ging, dieses Bundeswaldgesetz in die Reihe der Umweltschutzgesetze einzufügen, um im Wege
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8821
Galluseiner bundeseinheitlichen Regelung auch das Betretungsrecht und alles, was dazugehört, zu regeln.
Herr Kollege Kiechle, lassen Sie mich vorweg zu dem, was Sie ausgeführt haben, folgendes sagen. Wenn Sie die §§ 8 bis 12 des Gesetzes als reine Rahmenrichtlinien verstehen wollen, wird in der Bundesrepublik einmal mehr ein einheitliches Betretungsrecht nicht möglich sein. Ein Bundesbürger, der heute in Baden-Württemberg, morgen in Nieder-. sachsen und übermorgen irgendwo anders lebt, muß sich erst vergewissern, welches Recht ihm zusteht, den Wald zu betreten.
Ich glaube, damit müssen wir nun endlich einmal aufhören.Herr Kollege Kiechle, nach Ihrer Einbringungsrede, in der Sie vor einem Jahr sagten, über die grundsätzliche Notwendigkeit eines solchen Gesetzes brauchten wir uns nicht lange zu unterhalten, hätte ich eigentlich erwartet, daß Sie heute diesem Gesetz ganz einfach zustimmen.
Aber das soll nun anscheinend nicht der Fall sein. Ich komme auf Ihre Anträge noch zu sprechen, weil ich nämlich nicht der Auffassung bin, daß wir in bezug auf das Entgegenkommen gegenüber dem Bundesrat etwas versäumt hätten.Ihre Ausführungen, Herr Kollege Kiechle, zu Ihrem Antrag sind voller Widersprüche, auch in bezug auf die Finanzierung. Das werde ich im Blick auf Ihre Anträge noch aufzuklären versuchen.Darüber, daß der Wald einer unserer größten Reichtümer ist, gibt es gar keine Meinungsverschiedenheiten. Meine Fraktion ist froh darüber, daß es gelungen ist, in diesem Gesetz die forstliche Rahmenplanung so zu gestalten, daß Einrichtungen für die Freizeitgestaltung mit in das Raumordnungsgesetz übernommen werden können. Das ist für uns eine ganz bedeutsame Angelegenheit. Ich bin der Meinung, daß wir — darauf fußend — nun auch den Ländern in bezug auf die Erhaltung des Waldes, was die Umwandlungsgenehmigung betrifft — § 8 wollen Sie ja vom Grundsatz her anders haben —, ihre Kompetenz lassen. Wir haben während der letzten Beratungen in § 8 Abs. 3 den Halbsatz eingefügt „vorbehaltlich anderer Vorschriften des öffentlichen Rechts".Man muß hier sagen: Man weiß nicht mehr, wie man es eigentlich machen soll.
Nach der Einfügung dieses Halbsatzes hat es zunächst einmal einen großen Streit mit den Ländern gegeben, ob das auch für die Länder zutrifft, weil ein Jurist der Länder die Frage in den Raum gestellt hat: Gilt das auch für die Länder? Ich glaube, mankann in bezug auf den Föderalismus und das Verhältnis von Bund und Ländern die Dinge auch langsam übertreiben. Das darf man hier doch einmal bei aller Bescheidenheit feststellen, und ich sage Ihnen: ich bin nicht bereit, auch wenn es ein Zustimmungsgesetz ist, in diesen Fragen mit meiner Meinung hinter dem Busch zu halten.
Ich bin der Auffassung, daß auch bei der Zustimmung des Bundesrates und im Vermittlungsausschuß, wenn es so weit kommen sollte, immer noch die besseren Argumente Bestand haben müssen, und ich meine, daß wir die besseren Argumente zu diesem Gesetz haben.War es in den Ausschußberatungen nicht so, meine Damen und Herren, daß wir z. B. in der Frage des Erholungswaldes den Ländern mit der Annahme der Formulierung des Bundesrates in § 11 a restlos entgegengekommen sind? Ich bekenne allerdings offen: wenn die Länder diesen Vorschlag nicht gemacht hätten, hätten wir ihn eingebracht, weil wir der Meinung sind, wenn wir dieses Gesetz im einzelnen vor unseren Augen vorüberziehen lassen, daß die Frage des Erholungswaldes für unsere Bürger in der Zukunft von entscheidender Bedeutung sein wird.Wir glauben weiter, daß in diesem Gesetz das Betretungsrecht einheitlich auf Bundesebene geregelt werden mußte. Wir waren uns aber auch darüber im klaren, daß hier eine Verschärfung der Haftung der Waldbenutzer für Schäden nach dem Verursachungsprinzip von entscheidender Bedeutung ist und niemand kann uns vorwerfen, daß wir in dieser Beziehung etwas vernachlässigt hätten. Wir sind weiterhin der Auffassung, daß eine Finanzhilfe des Bundes, wie sie in den §§ 39 a bis d ausgebracht ist, sinnvoll ist und ihren Zweck hinsichtlich der Förderung und Erhaltung dieses wertvollen Gutes erfüllen wird.Mit der Ausbringung als Erholungswald und mit der Gestaltung des Betretungsrechtes, wie sie erfolgt ist, nehmen wir für uns in Anspruch, daß hier die Sozialpflichtigkeit ausgedehnt worden ist. Das muß man zugestehen. Aber wir als FDP sind gleichzeitig der Auffassung, daß die Ausdehnung der Sozialpflichtigkeit — einerseits Erholungswald, mit von den Ländern getragen, andererseits eine Regelung für das Reiten im Walde zu finden, die für alle Beteiligten tragbar ist — gerechtfertigt ist und auch von den Waldbesitzern verstanden werden muß angesichts der Tatsache, daß der erholungsuchende Mensch — ob zu Fuß oder zu Pferde —
hier den Vorrang haben muß.
Nun wissen wir ja, daß gerade im Erholungswald die Länder, weil ein anderes Gesetz nicht vorliegt, große Möglichkeiten bezüglich der Bewirtschaftung des Erholungswaldes, der Jagdausübung,
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8822 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Gallusder Erholungseinrichtungen für Waldbesucher haben. Allerdings müssen sie — das muß man in diesem Zusammenhang sagen — auch die Verpflichtung der Entschädigung nach § 40 im Falle der Ausbringung eines Erholungswaldes übernehmen. Anders lassen sich diese Dinge im Blick auf den Waldbesitzer, der große Belastungen übernehmen muß, nicht regeln. Es ist, meine Damen und Herren, auch bei diesem Gesetz wie bei allen anderen Gesetzen so, daß es wesentlich schwieriger ist, die Fragen im Detail zu regeln, als sie global anzusprechen hochzujubeln oder abzulehnen.
Nun gestatten Sie mir, daß ich zu dem vielumstrittenen Betretungsrecht einige Ausführungen mache. Es kann doch niemandem, der diese Gesetzesvorlage in der Fassung des Ausschusses unvoreingenommen liest, verborgen bleiben, daß hier seine Majestät, der Wanderer im Wald, der Erholungsuchende, der Sportler — auf eigene Gefahr natürlich — freies Betretungsrecht des Waldes in der Bundesrepublik genießt, und zwar nicht nur auf den Wegen, sondern quer durch den Wald, soweit dieses Recht nicht beschränkt ist, wie im Gesetz vorgesehen, durch Forstkulturen, Saatkämpe usw. und die Ausnahmeregelung in den Ländern, wo der Waldbestand unter 10 % liegt. Das ist meines Erachtens nur in einem Lande, nämlich in Schleswig-Holstein, der Fall.An dieser Stelle möchte ich auch einmal eine Lanze für unsere Jugend brechen. Ihr wird nämlich die Möglichkeit gegeben, sich im Wald etwas mehr sportlich zu betätigen,
Waldläufe durchzuführen. — Ja, bitte schön, meines Erachtens haben wir mit diesem Gesetz die Möglichkeit geschaffen, statt die Freizeit vor dem Fernsehapparat zuzubringen, sich verstärkt sportlichen und anderen freizeitlichen Betätigungen zuzuwenden.
Auch das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen usw. ist geregelt. Radfahren im Waldauch dazu haben wir viele Zuschriften bekommen — versteht sich für mich als Fahren mit Fahrrädern ohne Motor, damit das hier klar ist.
Nun zu den Sonderregelungen für das Reiten im Walde. Hierzu konnten die gegensätzlichen Meinungen zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition nicht ausgeräumt werden. Herr Kollege Kiechle hat dargestellt, daß es sich dabei nur um das Werk einiger Abgeordneter handelt. Ich gehöre dazu, und ich bin stolz auf diese Lösung.
— Jawohl, ich bin stolz auf diese Lösung, und zwar deshalb, weil sie eben eine differenzierte Lösung darstellt. Für jene Gebiete, in denen es darauf ankommt, Reiter und Fußgänger auseinanderzuhalten, haben wir uns in langen Diskussionen, in langen Auseinandersetzungen sehr bemüht, die richtige Lösung zu finden. Die Reiter können zunächst einmal im Walde reiten, aber nur auf Straßen und Wegen. Das muß man feststellen. Hier gibt es keinen Querfeldeinritt. Das kann nicht sein, denn dadurch würden große Schäden im Walde angerichtet. Und nun kommt die Differenzierung, meine Damen und Herren, die Einschränkung im Sinne eines Interessenausgleichs zwischen Fußgängern und Reitern, nämlich erstens in Waldgebieten, die in besonderem Maße der Erholung dienen, zweitens dort, wo eine Gefährdung der Fußgänger eintreten kann, wo in erheblichem Maße Schäden entstehen können und wo wir ein starkes Reitaufkommen haben, und drittens dort, wo Tiere geschützt werden müssen. Herr Kiechle, diese Lösung kann man einfach nicht herumdrehen. Es geht eben nur in diesen Gebieten darum, eine Differenzierung zwischen Reitern und Fußgängern vorzunehmen, nicht dagegen draußen in den etwas abgelegeneren Gebieten, wo sich Fußgänger und Reiter in der Regel überhaupt nicht oder nur sehr selten begegnen. Nicht im ersten Teil Ihres Antrages, aber im zweiten Teil sind Sie ja unserer Formulierung etwas entgegengekommen, nämlich:Abweichend von Satz 2 können die Länder für bestimmte Waldgebiete das Reiten auf Waldwegen gestatten, wenn dadurch1. die übrigen Erholungsuchenden nicht unzumutbar beeinträchtigt werden und2. keine Schäden entstehen.
— Moment, Herr Kiechle. Beim ersten Teil sind Sie mit Ihrer Meinung stehengeblieben. Was Sie hier wollen, differiert um 180 Grad von dem, was in der jetzigen Fassung des Entwurfs steht.
Das muß hier gesagt werden. Sie wollen überall in der Bundesrepublik, auch im hintersten Winkel von Hintertupfingen, nur mit Befugnis reiten lassen.
Ich wehre mich dagegen, daß der einzelne Freizeitreiter entweder in einem kleinparzellierten Gebiet zu hundert verschiedenen Waldbesitzern oder zu einem Großwaldbesitzer laufen muß, von dessen Gnade oder Ungnade es dann abhängt, ob er eine Genehmigung, eine Befugnis bekommt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Susset?
Ja, bitte, von mir aus gleich zwei.
Herr Kollege Gallus, ich bin überrascht, was Sie für Unterschiede herauskonstruieren, nachdem doch Minister Ertl soeben erklärte, er sei nach dem Studium der Anträge zu dem Ergebnis gekommen, daß hier fast keine Unterschiede seien, so daß die Möglichkeit bestünde, das Gesetz
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Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8823
Sussetmit Mehrheit zu verabschieden. Deshalb frage ich Sie: Wie kommen diese Unterschiede in der Beurteilung unserer Anträge durch Herrn Minister Ertl einerseits und durch Sie andererseits zustande?
Die Unterschiede liegen darin begründet, daß Herr Minister Ertl höchstwahrscheinlich glaubt, der zweite Teil Ihres Antrages würde von den Ländern großzügig gehandhabt.
Hier bin ich anderer Auffassung. Ich will mich in dieser Frage nicht auf die Gnade oder Ungnade der Länder verlassen,
sondern ich möchte hier ein Betretungsrecht von seiten des Bundes haben, daß das gewährleistet, was im Grundsatz richtig ist.
Wenn Sie, Herr Kollege Kiechle, das Hearing zum Landschaftsschutz- und Landschaftspflegegesetz in Berlin genau verfolgt haben — —
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle?
Zuvor möchte ich den Satz zu Ende bringen, Frau Präsidentin. — Aus dem, was die Vertreter der Länder in der sogenannten Länderarbeitsgemeinschaft dort zum Betretungsrecht nach dem Landschaftsschutz- und Landschaftspflegegesetz des
Bundes gesagt haben, ging eindeutig hervor, daß sie eine Regelung, wie sie jetzt im Bundeswaldgesetz steht, vorschlagen, nämlich eine differenzierte Lösung: freies Reiten, soweit es sich nicht um Naherholungsgebiete handelt. Man kann, wenn man vernünftig an die Dinge herangeht, keiner anderen Lösung das Wort reden. — Bitte!
Bitte schön, Herr Kollege Kiechle!
Herr Kollege Gallus, sind Sie bereit, angesichts dessen, was in unserem Änderungsantrag steht, und angesichts dessen, was Sie dazu sagen, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sich hierbei nur um Formulierungen à la Gallus handelt, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben?
Herr Kollege Kiechle, ich gebe darauf keine Antwort, weil es, was das Betretungsrecht und das Reiten anbetrifft, eben nur auf einen Satz oder einen Halbsatz ankommt, um das Ganze entscheidend zu ändern. Ich bin der Meinung, daß die Lösung, die wir vorgeschlagen haben, allen Beteiligten gerecht wird, den Fußgängern und den Reitern, nämlich dort, wo sich Fußgänger und Reiter zwangsläufig begegnen. Daß wir recht haben, beweist die Länderarbeitsgemeinschaft mit ihremVorschlag zur Ausgestaltung des Bundeslandschaftsschutz- und -pflegegesetzes. Offen ist in vielen Ländern noch die Frage: Wie soll die Abgrenzung der Gebiete praktisch gehandhabt werden? Dazu muß ich sagen: nach unserer Lösung wird es nicht mehr Schilder im Walde geben als nach jeder anderen Lösung, auch nach der von Ihnen vorgeschlagenen. Im Laufe der Zeit müssen eben in den Naherholungsgebieten entsprechende Reitwege ausgewiesen werden, damit die Leute wissen, daß in diesen Gebieten nur auf Reitwegen geritten werden darf.Wir sind aber auch hier noch einen Schritt weitergegangen, nämlich in der Richtung, daß wir in das Gesetz hineingeschrieben haben: Die Länder haben bei Bedarf Reitwege auszuweisen. Man kann einfach nicht mehr von der Hand weisen, daß es etwa 500 000 Reiter in der Bundesrepublik gibt. Ich bin nicht einseitig für die Reiter eingestellt. Aber ich glaube, daß es über diese 500 000 Reiter hinaus genügend Menschen gibt, die so viel Freude am Pferd haben, daß sie es den Reitern ermöglichen wollen, sich halbwegs im Gelände zu bewegen.
— Ja, sicher!Im Zusammenhang mit der Beratung dieses Gesetzes sind die durch Pferde und Reiter verursachten Schäden in einem Ausmaß „hochgejubelt" worden, das der Realität nicht entspricht. Lassen Sie mich dazu eines sagen. Jahrtausendelang war das Pferd das einzige Fortbewegungsmittel, das es überhaupt gab. Wenn all das stimmte, was in bezug auf die Anrichtung von Schäden durch Pferde behauptet wird, dürfte es in vielen Gebieten der Bundesrepublik überhaupt keine Vegetation mehr geben.
Bekanntlich sind in der Geschichte große Schäden in bezug auf die Vegetation nicht durch Pferde, sondern durch Schafe und Ziegen entstanden.
Mehr möchte ich zu dieser Sache nicht sagen. Ich möchte mich der Tatsache zuwenden, daß wir ja, wie ich eingangs ausgeführt habe, die Haftung für Schäden nach dem Verursachungsprinzip in diesem Gesetz verschärft haben. Eines steht für uns fest: Waldbesitz ist Eigentum, und Narrenfreiheit kann es für niemanden geben, nicht für die Fußgänger, auch nicht für die Reiter.
Hier ist in erster Linie Rücksicht zu nehmen auf die Erholungsuchenden, auf den Waldbesitz, aber auch auf die Tiere im Walde. Nur möchte ich — das darf an dieser Stelle auch einmal gesagt werden — in diesem Zusammenhang nicht so weit gehen, denen zuzustimmen, die mit dieser Lösung nicht einverstanden waren und bei denen so nach einer halben Stunde Unterhaltung der Gedanke hochkam: wir müssen das alles wegen der Jagd schön
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Galluskanalisieren. Wir werden demnächst ein Bundesjagdgesetz zu verabschieden haben, und wir werden auch dort versuchen, die Dinge so vernünftig zu gestalten, daß auch der Jäger zu seinem Recht kommt. Wenn man die Situation der Jagd in den übrigen europäischen Ländern und insbesondere den Wildbestand betrachtet, dann wird nach meiner Auffassung die Öffnung des Waldes mit dem jetzt eingeführten Betretungsrecht der deutschen Jagdausübung keinen Abbruch tun, zumal wir hier in allen möglichen Fällen Sonderregelungen für die Jagdausübung getroffen haben.Nun zur Finanzierung, Herr Kiechle, wenn Sie hier schon die Dinge z. B. für Bayern — linksliberale Koalition usw. — so politisch ansprechen: Ich bin der Meinung, es gibt keinen roten, gelben oder schwarzen Wald.
Man kann vielleicht in Bayern die Dinge so ansprechen, daß man einerseits davon spricht, dieses Bundeswaldgesetz würde keine Förderung vorsehen, und das sei ja auch nach dem Grundgesetz nicht möglich, im gleichen Atemzuge aber davon redet, daß natürlich eine Förderung nach Art. 104 des Grundgesetzes möglich ist und dementsprechend auch vom Ernährungsausschuß abgestimmt wurde. Aber die Leute des Haushaltsausschusses von Ihrer Fraktion haben anscheinend wieder eine andere Meinung vertreten, und ihr Antrag geht haargenau in die Richtung, vom Bund nicht weniger, sondern mehr zu bekommen
— nicht weniger, sondern mehr zu bekommen! —,
wie Sie das alles auf der einen Seite nicht dürfen oder nicht können, wie Sie auf der anderen Seite aber auf der gleichen — sehr fraglichen — gesetzlichen Basis mehr wollen.
— Nein, auch das habe ich sehr wohl verstanden! Das, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben,
würde am Ende auf einen Selbstbedienungsladen der Länder in finanzieller Hinsicht beim Bund hinauslaufen.
Und hier müssen wir doch die Dinge im Rahmen lassen, müssen wir, so möchte ich einmal sagen, die Kirche im Dorf lassen. Ich sage noch einmal: Sie können das vielleicht in Bayern im Wahlkampferzählen, können aber nicht hier vor diesem Parlament so unterschiedliche Auffassungen vertreten.
— Nein, wir haben den Ländern eine Förderungsmöglichkeit eröffnet, die einmal in bezug auf die Sache sinnvoll und zum zweiten finanziell tragbar ist im Blick darauf, daß eben die finanzielle Situation überall beschränkt ist und auch beschränkt sein muß. Wir haben uns auf die Anlage und Erhaltung von Schutzwald und Erholungswald und auf die Vermeidung oder Minderung von Schäden am Wald konzentriert.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmitz?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Gallus, würden Sie mir vielleicht sagen, wann und wo die Haushaltsgruppe der CDU/CSU — wenn ja, bei welchem Titel — einen Erhöhungsantrag gestellt hat, und könnten Sie mir dann gleichzeitig auch sagen, wie hoch die beantragte Erhöhung ist? Ich wäre Ihnen dafür dankbar.
Ich habe nicht davon gesprochen, daß die Haushaltsgruppe der CDU/CSU hier einen Erhöhungsantrag gestellt hat. Sie hat vielmehr diese 21/2 Millionen DM für das nächste Jahr abgelehnt. Darum geht es! Sie hat jegliche Finanzierung abgelehnt, während die Mitglieder im Ernährungsausschuß für eine Hilfe des Bundes plädiert haben und in diesen Antrag jetzt eine Formulierung eingebracht haben, die noch über diesen Rahmen hinausgeht.
Wir sind bisher der Auffassung gewesen, daß die Formulierung, die wir hier vorgelegt haben, eine Möglichkeit der Finanzierung auch in bezug auf die Haltung der Länder eröffnet. Jedenfalls hat sich die Bundesregierung auf Befragen im Ausschuß dementsprechend geäußert. Sie wissen selbst, daß der Bund darüber hinaus im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe, aber auch bei Katastrophenfällen erhebliche Leistungen für den deutschen Wald erbracht hat und höchstwahrscheinlich auch in der Zukunft erbringen wird. Ich möchte an dieser Stelle dem Berichterstatter des Einzelplans 10, Herrn Kollegen Löffler, recht herzlich dafür danken, daß er mitgeholfen hat, die §§ 39 a bis d im Haushaltsausschuß durchzubringen.
Hier kann man in bezug auf die Hilfen für den deutschen Wald in der Zukunft ja einmal die Probeaufs Exempel machen. Was wir in den Entwurf hin-
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Galluseingeschrieben haben, beschränkt die Länder in gar keiner Weise. Sie können darüber hinaus, wenn sie nur wollen, den Wald nach Kräften fördern. Wenn man aber immer nur am Bund herumnörgelt, weil nichts gut genug ist, weil angeblich nichts ausreicht, sich aber in dieser Kritik erschöpft und finanziell zur Sache nichts beiträgt, so muß das auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden, damit die Bürger wissen, woher der Wind weht.Nun noch einige Ausführungen zu Ihren Anträgen. Herr Kollege Kiechle, unter Ziffer 1 beantragen Sie die Einführung von Rahmenvorschriften. Ich bin der Auffassung, diese Änderung ist verfassungsrechtlich problematisch und verfassungspolitisch unerwünscht. Nach ihrer sprachlichen und inhaltlichen Ausgestaltung sind die Vorschriften der §§ 8 bis 12 Teilregelungen mit der Maßgabe, daß die Länder den verbleibenden Raum ausfüllen und das Nähere regeln. Wir wissen, daß subsidiär nur Art. 75 des Grundgesetzes in Frage kommt, soweit es sich um Vorschriften handelt, die auch für den Wasserhaushalt und Naturschutz sowie die Landschaftspflege von Bedeutung sein können. Der Gesetzgeber kann sich also auf eine vorhandene Kompetenz stützen.Unter Ziffer 2 beantragen Sie eine Änderung des letzten Halbsatzes in § 12 Abs. 1. In diesem Punkt ist der federführende Ausschuß mehrheitlich dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt. Die Vorschrift hat gegenwärtig nur Bedeutung für Schleswig-Holstein, dessen Landesfläche zu rund 8 % mit Wald bedeckt ist. Ihr Antrag zielt offensichtlich darauf ab, weitere Länder mit in die Regelung einzubeziehen, daß der Fußgänger sich im Wald nur auf Wegen bewegen darf. Das halten wir für sehr problematisch. Hinzu kommt, daß Ihr Antrag nicht eindeutig ist. Wir wollen die Beschränkung auf Wege und Pfade tatsächlich nur für die Länder vorsehen, in denen der Waldbestand unter 10 % der Landesfläche ausmacht. Ansonsten wollen wir dem Fußgänger die Möglichkeit eröffnen, auch quer durch den Wald zu gehen. Ich muß hier mit aller Deutlichkeit sagen: Ihr Antrag zielt darauf ab, daß der Fußgänger mindestens in drei Ländern eben nicht quer durch den Wald gehen darf.Zu der Frage des Reitens und auch zur Finanzierungsfrage sind genügend Ausführungen gemacht worden. Ihre Äußerungen, Herr Kollege Kiechle, sind voller Widersprüchlichkeiten und heben sich auf.Im Namen der Koalitionsfraktionen beantrage ich, Ihren Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie gut hatte es noch Goethe im Gegensatz zu uns! Obgleich er Staatsminister war, mußte er beim Stichwort „Wald" nicht an rund 50 komplizierte Paragraphen denken, sondern konnte sich ein wenig auf die Art beschränken, wie der Wald nach dem vorliegenden Waldgesetz benutzt werden kann. So schrieb er: „Ich ging im Wald so für mich hin und nichts zu suchen, das war mein Sinn."Die Opposition hat allerdings diesen Satz Goethes ganz offensichtlich falsch verstanden. Goethe hat ihn auf den Waldspaziergang bezogen, Sie aber, meine Herren von der Opposition, auf die Art der Beratung dieses Gesetzes.
So hat Goethe es natürlich nicht gemeint gehabt.Wenn Sie, Herr Kollege Kiechle, davon reden, daß einerseits der Bund in die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder eingreife, andererseits aber zugestehen, daß nach diesem Gesetz Detailregelungen durch die Länder möglich sind, so ist das offensichtlich ein Widerspruch.
Es ist nun einmal so, Herr Kollege Kiechle: Rahmenregelungen erlauben Regelungen im Detail. Wenn Sie sich die entsprechenden Bestimmungen im Gesetz gründlich ansehen, vor allem den § 12, so werden Sie feststellen können, daß die Länder eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten und die Möglichkeiten eigener Regelungen ohne weiteres noch haben.Ich wende mich nun kurz der finanziellen Seite Ihres Änderungsantrages zu. Herr Kollege Schmitz, Sie haben augenscheinlich im Haushaltsausschuß nicht aufgepaßt, denn sonst hätten Sie mitkriegen müssen, daß die Oppositionsgruppe im Haushaltsausschuß — Herr Kollege Barzel, Sie schauen so interessiert herauf; Sie fragen sich wohl auch: was ist aus der Opposition in den letzten Monaten geworden!; dafür habe ich großes Verständnis —
gesagt hat, sie könne diesem Gesetz nicht zustimmen, weil die finanziellen Auswirkungen nicht überschaubar seien. Deshalb wohl bringt die Opposition — und das ist die tolle Logik — einen Änderungsantrag ein, der, wie Herr Kollege Gallus bereits ausgeführt hat, praktisch den Bund zu einem finanziellen Selbstbedienungsladen der Länder macht. Denn wenn Sie sagen: Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, die Verwendung der Zuwendungen und der Nachweis, wird durch Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern geregelt, so ist das offensichtlich im Sinne der Länder eine viel großzügigere finanzielle Regelung, als es das Gesetz selbst vorsieht.
Im Gesetz sind die drei Möglichkeiten der Investitionen genau umschrieben. Darüber hinaus wird sich der Bund an keinen besonderen forstpolitischen und forstwirtschaftlichen Maßnahmen beteiligen.In dieser Diskussion ist dankenswerterweise zum Ausdruck gekommen, wie schwierig die Beratung dieses Gesetzentwurfes war und wie schwierig es auch ist, diesen sachlich-materiellen Tatbestand so-
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Löfflerwohl von der verfassungsrechtlichen wie auch von der finanzpolitischen Seite her zu klären. Ich glaube, der gefundene Kompromiß berücksichtigt hinreichend sowohl das sachlich Notwendige wie auch das finanziell Mögliche einerseits, sowohl den wirtschaftlichen Nutzen des Waldes wie auch dessen Sozialfunktion andererseits. Insofern besteht für uns keine Veranlassung, Ihren Änderungsanträgen zuzustimmen. Wir werden diese Anträge vielmehr ablehnen, ich bitte Sie aber dennoch, meine Damen und Herren von der Opposition, diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
— Lieber Herr Dr. Ritz, das ist eine Geschichte, die schon zu lange in der Pfanne schmort; sie ist schon fast verbruzzelt. Es liegt im Interesse sowohl derjenigen, die den Wald wirtschaftlich nutzen, als auch jener, die im Wald Erholung suchen, daß wir heute mit diesem Gesetz fertig werden. Es wäre schön, wenn die Opposition an diesem zwar nicht großen, aber immerhin doch bedeutenden Gesetzeswerk positiv mitgewirkt hätte.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Ich nehme an, daß die Änderungsanträge hinreichend begründet und diskutiert sind.
Ich rufe das erste Kapitel und vom zweiten Kapitel Abschnitt I auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Zu Abschnitt II des zweiten Kapitels liegt der Änderungsantrag Drucksache 7/2788 Ziffer 1 vor. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen damit zur Abstimmung über die Überschrift des Abschnittes II in der vorgesehenen Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — So angenommen.
Wir stimmen nun über das zweite Kapitel Abschnitt II §§ 8 bis 11 a ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Zu § 12 Abs. 1 liegt der Änderungsantrag Drucksache 7/2788 Ziffer 2 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Zu § 12 Abs. 2 a liegt der Änderungsantrag Drucksache 7/2788 Ziffer 3 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über § 12 in der im Bericht vorgelegten Fassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen jetzt über das dritte Kapitel Abschnitte I bis IV ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Abschnitt V. In der Drucksache 7/2727 ist er versehentlich mit „Abschnitt VI" bezeichnet; ich bitte das zu korrigieren. Wer den §§ 37 und 38 des Abschnitts V zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nun aus dem vierten Kapitel § 39 auf. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Angenommen.
Zu § 39 a liegt der Änderungsantrag Drucksache 7/2788 Ziffer 4 vor. Wer der dort vorgelegten Fassung des § 39 a zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Unter derselben Ziffer wird eine andere Fassung des § 39 b vorgeschlagen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Zu §§ 39 c und 39 d liegt auf Drucksache 7/2788 unter Ziffer 5 der Streichungsantrag vor. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich darf nunmehr §§ 39 a bis 39 d in der vorgelegten Fassung insgesamt zur Abstimmung stellen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich komme jetzt zu den §§ 40 bis 48 sowie Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Damit ist die zweite Lesung beendet. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU darf ich zur dritten Lesung des Bundeswaldgesetzes folgende Erklärung abgeben.Erstens. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in der ersten Lesung dieses Gesetzes in Aussicht gestellt, konstruktiv an der Beratung eines praktikablen Bundeswaldgesetzes mitzuwirken. Die Beratungen haben deutlich gemacht, daß unsere Fraktion diesen ihren Auftrag in den einzelnen Ausschüssen voll wahrgenommen hat.Zweitens. In den Beratungen gab es in einigen strittigen Punkten, etwa auch bei der Frage des Reitens im Walde, zwischen der CDU/CSU einer-
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Dr. Ritzseits und der Bundesregierung andererseits mehr Übereinstimmung als zwischen der Regierung und den Koalitionsfraktionen. Die Koalition hat sich mit ihren Formulierungen über die Bedenken der Bundesregierung hinweggesetzt. Die jetzige Fassung steht den in den Bundesländern praktizierten — und praktikablen — Regelungen entgegen.Drittens. Das Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dieses Gesetz zu einem Forstförderungsgesetz auszugestalten, ohne eine unnötige Bundeskompetenz zu begründen, konnte nicht verwirklicht werden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Herr Haehser, hat seine verfassungsrechtlichen und ausgabewirksamen Bedenken vor dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages heute vor einer Woche wie folgt zusammengefaßt — ich zitiere —:Aus all diesen Gründen muß ich den Haushaltsausschuß pflichtgemäß — und weil es auch meine eigene tiefe Überzeugung ist — warnen, dem Vorschlag, wie er aus dem Ernährungsausschuß kommt, zu folgen.Meine Damen und Herren, mit einer geplanten Förderung in Höhe von 2,5 Millionen DM, möglicherweise irgendwann steigend auf 5 Millionen DM, würde aber ein bürokratischer Aufwand — etwa im Hinblick auf die Gestaltung von Programmen bis hin zum Waldwegebau — in Gang gesetzt werden, der nicht annähernd in einem angemessenen Verhältnis zu den mehr als bescheidenen Mitteln stünde.Viertens. Die katastrophale Finanzlage des Bundes läßt auf absehbare Zeit zusätzliche Förderung nicht zu. Der Spielraum im Einzelplan des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aber ist schon heute so eng geworden, daß eine zusätzliche Verschiebung zugunsten der Förderung der Forstwirtschaft als unmöglich erscheinen muß. Auch hier teilen wir die Bedenken des Staatssekretärs Haehser.Fünftens. Der jetzige Gesetzestext berücksichtigt zuwenig die inzwischen geltenden und die in Bewährung stehenden Forstgesetze der Länder. In Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern sind Forstgesetze in Kraft, Baden-Württemberg hat eine Kabinettsentscheidung vorliegen, und im Saarland steht ebenfalls eine Regelung an.Sechstens. Unsere Änderungsanträge wurden soeben in der zweiten Lesung abgelehnt. Damit, meine Damen und Herren, sehen wir uns nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf im ganzen unsere Zustimmung zu geben.
Um von vornherein jeder Legendenbildung vorzubeugen, lassen Sie mich dies sagen: Diese Ablehnung ist keine finstere Verschwörung der CDU/CSU- Fraktion und etwa der Mehrheit des Bundesrats gegenüber hehren Reformvorhaben der Bundesregierung. Mit Datum vom 8. November dieses Jahres, d. h. vor einer Woche, hat das Land Niedersachsen alle Bundesländer in einem Schnellbrief aufgefordert, den Vermittlungsausschuß anzurufen, falls dasGesetz in seiner jetzigen Fassung angenommen werden sollte.
Interessant ist, daß die vorgelegten Änderungsanträge — etwa zu § 12 a — vollinhaltlich mit dem Antrag übereinstimmen, den die Koalition von SPD und FDP soeben abgelehnt hat.
Siebtens. Aus all diesen Gründen sehen wir uns nicht in der Lage, dem Gesetz zuzustimmen. Die CDU/CSU lehnt das Bundeswaldgesetz in seiner vorliegenden Fassung ab und erwartet, daß durch die Zusammenarbeit von Regierung und Bundesrat ein für beide Seiten akzeptabler Vorschlag und eine akzeptable Lösung gefunden werden; eine Lösung, die der Gesetzeswirklichkeit der Bundesländer Rechnung trägt, unnötige Reglementierungen für die Bürger vermeidet und eine unerträgliche, zusätzliche und unnötige Aufblähung des Verwaltungsapparates vermeidet.
Das Wort hat der Abgeordnete Lemp.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ritz, Sie haben sich ja jetzt mit Ihrer Begründung sehr nett ausgelassen, die dahin zielt, zu sagen: Nun laßt mal das Ding hier laufen; wir wollen sehen, wie wir es im Bundesrat kaputt kriegen!
Kollege Ritz, das ist nicht die feine Art derjenigen, die im vorigen Jahr bei der ersten Lesung gesagt haben, sie seien bereit — Sie haben es eben noch einmal wiederholt —, ein vernünftiges Bundeswaldgesetz mit zu gestalten. Das ist auch das, was der Kollege Kiechle für die CDU/CSU-Fraktion erklärt hat.
— Natürlich bestimme ich das nicht. Das bestimmt zunächst einmal die Mehrheit hier im Hause — das ist doch das Entscheidende — und nicht im Bundesrat.
— Natürlich. Aber das möchte ich nur einmal im nachhinein kurz feststellen.Mir geht es um etwas anderes. Das ist, glaube ich, bei der ganzen Auseinandersetzung vergessen worden. Wenn die sozialliberale Fraktion — —
— Koalition! Entschuldigung — —
— Lachen Sie nur; man kann sich ja mal versprechen. Da sehen Sie mal, wie eng und geschlossen wir zusammenhalten.
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8828 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
LempNachdem Sie schon vorher festgestellt hatten, daß der Kollege Gallus für die beiden Fraktionen Anträge stellt, kann ich Ihnen nur folgendes sagen — wenn Sie so freundlich sind und zuhören; Kollege Susset, das gilt nicht nur für Sie, sondern für die Bürger draußen —: Die sozialliberale Koalition, d. h. die beiden Fraktionen haben im Ausschuß Wert darauf gelegt, daß wir mit dem Bundeswaldgesetz endlich dahin kommen, wohin wir in bezug auf Reformen, die der Kollege Kiechle in Frage stellt, wollen: daß wir dem Bürger das Recht geben, auch einmal in die großen abgezäunten Waldbereiche hineinzugehen und frische Luft zu schnuppern und nicht nur über den Zaun schauen, nur reingucken, aber nicht reingehen zu dürfen.
Im großen und ganzen ist es geregelt. Aber z. B. genau vor den Toren Bonns haben wir so einen Fall, der ja zur Zeit die Gerichte beschäftigt, wo es darum geht,
daß man nicht durch die Mauer gehen, sondern nur darüber wegschauen kann. Hier wollen wir reformieren.Wir meinen, daß die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zumindest eins beinhalten sollte: daß der Mensch in den Wald gehen darf, daß der Wald eben nicht einem allein und nicht dem Rotwild allein gehört nach dem Motto: Rotwild bleib' drin, Mensch bleib' draußen, alles ist vergattert! Wir wollen Reform nur insofern, daß der Gedanke der Sozialpflichtigkeit des Eigentums hier einmal etwas besser und stärker zum Ausdruck kommt und im Rahmen eines Bundesgesetzes abgesichert wird.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Susset!
Herr Kollege Lemp, sind Sie bereit, diesem Hohen Haus mitzuteilen, daß auch die Vorschläge, die wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei der Beratung des Bundeswaldgesetzes sowohl im Ausschuß als auch hier eingebracht haben, das Betretungsrecht voll gesichert und diese Zäune ohne weiteres auch beseitigt hätten?
Kollege Susset, mein Kollege Wolf kommt mir schon zuvor: Wir wollen hier zwar nicht unbedingt in allen Bereichen — wenn ich an die Reiter denke — den Nulltarif; aber für den Fußgänger und für die Oma mit dem Kind und für die Mama mit dem Kinderwagen
müßte ein volles Betretungsrecht des Waldes sichergestellt sein, ohne dafür Gebühren zu bezahlen.
— Jawohl!
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wenn wir Ihren Vorschlägen folgen würden, Herr Kollege Ritz, dann liefe das darauf hinaus, daß Befugnisse erteilt werden könnten en masse in jedem Land, weil wir möglichst alles offenhalten sollten, nach dem Vorschlag des Kollegen Kiechle.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ritz?
Ja, gerne!
Herr Kollege Lemp, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen — und endlich dann damit auch den Teil der Polemik einstellen —, a) daß es hier, was die Öffnung des Waldes anbelangt einen Differenzpunkt gab im Hinblick auf den § 12 a, sprich Reiten im Walde, b) daß wir der Entschädigungsregelung eben hier in der zweiten Lesung in derselben Fassung zugestimmt haben, wie Sie es hier getan haben. Ich glaube, wir sollten endlich aufhören, in dieser Form Gegensätze zu konstruieren, die durch die Beratung überhaupt nicht gedeckt sind.
Entschuldigung, Kollege Dr. Ritz!
— Wenn Sie sagen „Klassenkämpfer", dann kann ich Ihnen nur erwidern: Wenn man uns hier durch den Kollegen Kiechle vorhält, daß wir zwar von Reformen reden, aber nicht versuchen, welche zu bewerkstelligen, dann muß das hier geradegerückt werden. Das hat mit Klassenkampf nichts zu tun, sondern es geht einfach darum, den Bürgern mehr Recht in dieser Gesellschaft zu geben und dafür über Bundesgesetz zu sorgen und nicht en detail mit Salamitaktik von Land zu Land.
Aber ich möchte mich ganz kurz fassen.
Es geht hier, Kollege Ritz — und das muß ich Ihnen jetzt auch noch sagen, nachdem Sie sich schon engagieren —, darum, daß gerade in den letzten Tagen — drei Tage vor dieser Beratung — zwei
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LempHerren — bedeutende Herren; ich nenne keine Namen — von Verbänden, und zwar Interessenvertreter von Verbänden, von denen Sie behaupten, daß Sie sich besonders für sie engagieren und auch die Interessen vertreten — Bauernverband und
— Nicht die Namen der Vertreter, der Personen, wohl aber die Namen der Verbände: der Deutsche Bauernverband, die Arbeitsgemeinschaft der Waldbesitzerverbände und nicht zuletzt der Forstwirtschaftsrat. Deren Vertreter haben inständig gebeten, wir möchten dieses Gesetz endlich in der vorliegenden Fassung über die Bühne bringen.
Ich verstehe jetzt nicht — wenn Sie behaupten, daß Sie die Interessen dieser Gruppen vertreten —, warum Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung nicht geben wollen. Das ist mir vollständig unverständlich. Wir erwarten jetzt die Abstimmung. Ich kann Ihnen im Hinblick auf das Vorgetragene nur empfehlen, dem Gesetz die Zustimmung zu geben. Kollege Ritz, ich weiß ja — und Sie haben es eben erwähnt, als Sie von dem Schnellbrief sprachen —, daß da noch einiges auf uns zukommt. Aber lassen wir doch dieses Hohe Haus, den Bundestag, dieses Bundesgesetz verabschieden! Dann müssen wir sehen, was die Länderkammer macht.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gallus.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Darlegungen des Herrn Kollegen Ritz im Namen der FDP-Fraktion zurückweisen, auch in meinem eigenen Namen.
Zunächst einmal der Vorwurf, wir hätten uns in bezug auf das Betretungsrecht über die Bedenken der Bundesregierung hinweggesetzt. — Tatsache ist, daß wir bemüht waren, eine andere, eine differenziertere Lösung zu finden, und zwar im § 12 und im § 39. Ich glaube, daß das die Aufgabe des Parlamentes ist, und die Gewaltenteilung bezieht sich eben nicht nur auf die Opposition, sondern auch auf die Abgeordneten der Regierungskoalition. Meine Gruppe nimmt das Recht für sich in Anspruch, Vorlagen der Bundesregierung auch dann abzuändern, wenn die Bundesregierung anderer Auffassung ist.
Zweitens. Wir hätten das Förderungsgesetz nicht verwirklicht. — Dazu kann ich nur sagen: Wir haben in § 39 einen Ansatz verwirklicht, diesem Gesetz von seiten des Bundes in vernünftiger Weise einen Förderungscharakter zu geben. Das sollten Sie nicht in Frage stellen, auch nicht mit Halbwahrheiten. Herr Ritz, Sie haben hier davon gesprochen, daß diese 2,5 Millionen DM beim Wegebauprogramm usw. einen großen Verwaltungsaufwand erfordern würden. Auf den Wegebau bezieht sich diese Förderung genau nicht; der Wegebau bezieht sich auf die Gemeinschaftsaufgabe. Das, was wir mit dem § 39 fördern wollen, ist im Gesetz genau umschrieben. Hier sollte man die Dinge nicht in Abrede stellen.
Zum Dritten. Was die Behauptung angeht, daß die Forstgesetze der Länder nicht genügend berücksichtigt worden sind, so kann ich nur sagen: Noch in keinem Gesetz sind wir den Ländern so weit entgegengekommen wie hier. Wir haben in jedem Paragraphen, soweit wir überhaupt konnten, den Ländern und ihren Vorstellungen Rechnung getragen. Aber seien Sie doch einmal ehrlich: Was wollen Sie denn, wenn Sie darauf ausgehen, daß bei einer Bewaldung von unter 10 °/o an der Gesamtfläche, die Fußgänger in den Ländern die Waldwege nicht betreten dürfen? Sagen Sie doch, daß Sie noch in drei/vier anderen Ländern die Fußgänger auch auf Wege beschränken wollen; denn darauf läuft doch Ihr Antrag hinaus! Hier müssen Sie Farbe bekennen und sollten nicht in nebulösen Ausführungen so tun, als ob Sie mit Ihrem Antrag irgend jemandem nützen würden. Sie schaden dem Fußgänger in einem großen Teil der Bundesrepublik. Das sollten Sie hier offen bekennen.
Ich kann hier nur wiederholen: Ihre Änderungsanträge sind widersprüchlich.
Ich darf das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bitten, weil wir uns auch von der Drohung, daß der Vermittlungsausschuß angerufen würde, nicht abhalten lassen sollten, vernünftige Lösungen zu beschließen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiechle.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur d e r Teil der Ausführungen der beiden Kollegen Lemp und Gallus, die nichts anderes als ausgesprochen billige Polemik waren und außerdem am Sachverhalt und Sachgehalt völlig vorbeigingen, veranlaßt mich, noch einmal das Wort zu ergreifen.
Herr Lemp, das, was Sie hier in bezug auf das Betreten und das Nichtbetreten des Waldes unter Hinweis darauf, daß es in der Bonner Umgebung noch einen Fall gebe, der Ihren Ärger hervorrufe, gesagt haben, steht im Gesetzentwurf der CDU/CSU — jedenfalls was den Sachgehalt angeht — überhaupt nicht zur Debatte.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
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8830 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Augenblick, Frau Präsidentin! — Unsere Änderungsanträge sichern jedem Bürger dieses Landes das unbeschränkte Betreten des Waldes in allen Teilen der Bundesrepublik.
Eine Ausnahme, die auch Sie vorgesehen haben, stellt hier lediglich die 10-%-Klausel dar, wobei wir eine flexible Formulierung wählen wollen; ich komme gleich darauf. Wir sichern also, ich wiederhole es, jedem Bürger das unbeschränkte Betreten des Waldes, außer er reitet auf dem Pferd in den Wald. Dort sind wir der Meinung, daß es einer besseren Ordnung bedarf, als Sie es vorsehen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemp?
Bitte sehr!
Herr Kollege Kiechle, ich habe soeben ein Beispiel angeführt, das einen Fall vor den Toren dieser Stadt betrifft. Dazu werden Sie mir doch wohl die Frage gestatten: Sind Sie mit mir der Ansicht, daß es außer diesem Beispiel, das ich soeben hier zum besten gegeben habe, noch sehr, sehr viele Fälle — wenngleich sie sich im Verhältnis zum Ganzen auch sehr gering ausnehmen — dieser Art gibt? Falls Sie das nicht wissen sollten, bin ich gern bereit, Ihnen dazu eine Auflistung zu geben.
. Herr Kollege Lemp, Ihr Beispiel ist sehr makaber. In diesem Lande regiert seit vielen Jahre Ihre Koalition. Sie hätten dem Bürger längst den Wald öffnen können, wenn Sie es hier beanstanden. Das ist doch nach Landesrecht ebenso wie nach Bundesrecht möglich! Das steht z. B. in der Verfassung des von der CSU regierten bayerischen Staates längst drin; über solche Reformen brauchen wir uns hier gar nicht mehr zu unterhalten.
Ich möchte zu dem, was Sie hier gesagt haben, feststellen: Ihre Behauptung, wir wollten den Fußgänger nicht in den Wald hineinlassen, geht an der Sache völlig vorbei.
Ich will noch eines erklären: Hier haben Sie, weil Sie zur Sache nichts sagen konnten, versucht, ganz billig zu polemisieren,
um den Eindruck zu erwecken, wir würden die Interessen der Bürger nicht genügend berücksichtigen.
Nun ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Gallus; ich will es ganz sachlich machen. Sie sagen, 10 % sei der Weisheit letzter Schluß. Wir sagen, daß auf die unterdurchschnittliche
Bewaldung abzustellen sei. Was machen Sie mit dem Land, das Sie im Auge haben — Sie haben es genannt: Schleswig-Holstein —, wenn dort der Bewaldungsanteil durch Aufforstung oder ähnliche Maßnahmen einmal auf 10,1 % steigt? Sie haben eine typische Regelung, die man nicht treffen soll, weil sie nicht praktikabel, nicht flexibel und einfach nicht sinnvoll ist.
Es liegt doch voll in der Zuständigkeit der Länder,
wie sie es handhaben. Das wollen Sie alles vom
Bund her regeln, für den Berliner Stadtwald genauso
wie in bezug auf andere Länder, wo die entsprechenden Voraussetzungen überhaupt nicht gegeben sind.
Deswegen hätte es nach meiner Meinung und nach der Meinung meiner Fraktion — auch nach Meinung der Bundesregierung — durchaus Möglichkeiten zu Kompromissen gegeben, wenn Sie einsichtiger gewesen wären, wenn Sie nicht geglaubt hätten, mit Ihren vorgefaßten Gedanken Ihre Änderungsanträge durchdrücken zu müssen, und zwar — lassen Sie mich das auch sagen — gegen Bedenken von seiten der Bundesregierung, die sowohl im Ernährungs- als auch im Haushaltsausschuß so formuliert worden sind: „Pflichtgemäß weist die Regierung auf Bedenken hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten oder Zuständigkeiten hin."
Sie haben sich über diese Bedenken, die pflichtgemäß vorgetragen worden sind, hinweggesetzt. Das hat mit politischen Meinungsverschiedenheiten überhaupt nichts zu tun, sondern damit, daß Sie sich über von Fachleuten ausgesprochene Bedenken bezüglich der Verfassung hinweggesetzt haben. Deswegen konnten wir uns nicht mehr verständigen.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung.Wir kommen zur Schlußabstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. — Gegenprobe! —
Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen; vielleicht läßt es sich klären. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Gegenprobe! —
Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist angenommen.Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 des Ausschußantrags: die Petitionen für erledigt zu erklären. Darf ich Zustimmung unterstellen? Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes— Drucksache 7/2094 —
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8831
Vizepräsident Frau Funckea) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/2776 —Berichterstatter: Abgeordneter Grobeckerb) Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/2773 —Berichterstatter: Abgeordneter Zywietz
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer Art. 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen nunmehr zurdritten Beratung.Das Wort hat Herr Abgeordneter Kaffka.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwicklungspolitiker in diesem Hause blickt vielleicht mit etwas Neid auf die Agrarpolitiker, die sich hier so leidenschaftliche Debatten liefern, indes in der Entwicklungspolitik große Kontroversen zwischen den Fraktionen dieses Hauses im Augenblick und im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht zu finden sind.Wer sich im Parlament mit Entwicklungspolitik befaßt, wird bescheiden. Er wird immer viel mehr wollen, als er schließlich wird tun können. So ist es auch mit diesem Entwicklungshilfe-Steuergesetz, das vor elf Jahren geschaffen wurde, zweimal verlängert worden ist und jetzt novelliert wird.Dieses Entwicklungshilfe-Steuergesetz ist ein Kind der Steuerpolitik. Es ist aber leider nicht so herangewachsen, wie man sich das erträumt hat. Manchmal hat man den Eindruck, daß es ein Wechselbalg geworden ist. Wir können sehr klar feststellen, daß es sicher nicht die Ratio legis gewesen ist, daß ein Investor, der zur Erschließung eines neuen Marktes ohnehin in einem Entwicklungsland investierte, nun vom Steuerzahler noch einen besonderen Bonus bekam, und es ist sicher auch nicht die Ratio legis gewesen, daß auf den Kanarischen Inseln durch Subventionen unserer Steuerzahler für Entwicklungshilfe schließlich Hotels in großem Stile gebaut worden sind.
So kam es schließlich zu dieser Novellierung. Wir haben einiges geändert; wir haben uns im Ausschuß darüber verständigen können.Die Änderung beginnt bei der Überschrift des Gesetzes. Es wurde immer gesagt, hier liege eine Art Etikettenschwindel vor. Das stimmt wohl. Wer eine Flasche Trockenbeerenauslese kauft, der möchte diese auch haben und dann nicht einen Tischwein darin finden. „Entwicklungshilfe-Steuergesetz" war in gewisser Hinsicht eine Fehlbezeichnung. Ich will nicht puritanisch sein, aber man nennt es besser nicht „Hilfe", wenn man die eigene Rohstoffsicherung im Auge hat, wobei ich gar nicht ausschließen will, daß Rohstoffsicherung und Rohstoffversorgung nicht auch anderen Ländern erhebliche Hilfe bringen können. Man nennt es auch besser nicht „Hilfe", wenn man in erster Linie Auslandsinvestitionen zur Erhaltung oder zur Erweiterung des eigenen Marktanteils damit im Sinne hat. So haben wir ein neues Wort gefunden; es ist nicht schön — ich bekenne es offen—, „Entwicklungsländer-Steuergesetz", aber es ist uns kein besseres eingefallen. Wir haben uns im Ausschuß lange darüber unterhalten, daß diese Bezeichnung so hingehen muß, weil sie ehrlicher ist und den Sachverhalt besser kennzeichnet.Ich bin mir im klaren, daß auch auf Grund dieser Novellierung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes gewiß nicht wesentlich mehr in den „least developped countries" investiert werden wird. Das hängt nun einmal von den Marktmöglichkeiten ab, und es wird niemand zu zwingen sein, in ein Land zu gehen, wo er für seine Investitionen keine Chance sieht. Wir haben deshalb in der Novellierung für die besonders unterentwickelten Länder die Rücklage auf 100 °/o erhöht und hoffen, daß das höhere Risiko durch einen höheren Bonus für den Investor ausgeglichen wird. Für die sonstigen Entwicklungsländer haben wir es bei der Rücklage von 40 % belassen.In den Kreis der Entwicklungsländer werden nun erstmals Länder des Ostblocks, nämlich Rumänien und Jugoslawien mit hineingenommen. Das ist möglich, weil wir mit Rumänien ein Abkommen über die Bildung von gemischten Gesellschaften haben und es, wenn Spanien, die Türkei und andere Mittelmeerländer drin sind, recht und billig ist, daß auch dieses Land in die Liste der Länder aufgenommen wird.Als wesentlich möchte ich noch bezeichnen, daß in dem Gesetz beschäftigungsintensive Kapitalanlagen besonders gefördert werden durch eine Verlängerung des Auflösungszeitraumes für die Rücklage.Schließlich ist eines gestrichen worden: das sind die Kapitalanlagen im Bereich des Fremdenverkehrs.Wir hoffen, daß durch diese Novellierung wenigstens die groben Anstöße des bisherigen Entwicklungshilfe-Steuergesetzes ausgeräumt sind.
Wir haben Ihnen aber — sehen Sie darin ein Eingeständnis, daß wir nicht hundertprozentig von der Wirkung dieses Gesetzes überzeugt sind — einen Entschließungsantrag auf Drucksache 7/2791 vorgelegt, worin die Bundesregierung aufgefordert wird, Gesetzesvorschläge zur Förderung privater Kapitalanlagen in Entwicklungsländern, zur Sicherung der Rohstoffversorgung in der Bundesrepublik Deutschland und schließlich zur generellen Förderung von Investitionen im Ausland vorzulegen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Gesetzentwürfe ein Jahr vor Ablauf des Entwicklungsländer-
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8832 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
KaffkaSteuergesetzes vorzulegen. Wir hoffen, daß wir damit das erreichen werden, worauf wir besonders bei der Diskussion um das Entwicklungshilfe-Steuergesetz immer wieder gestoßen sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Köhler .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit der Beratung über die Novelle zum Entwicklungshilfe-Steuergesetz kommen wir heute zur Beschlußfassung über einen Beratungsgegenstand, der bereits in der vergangenen Legislaturperiode zu den Konfliktzonen interministerieller Verständigung zählte und in dessen Beurteilung die Regierungskoalition auch in den letzten zwei Jahren uneinig war. Darüber kann auch der zur Beschlußfassung vorgelegte Gesetzentwurf nicht hinwegtäuschen; denn er ist in wesentlichen Veränderungen ein Abbild der ungelösten Zielkonflikte der Koalition, die sich an der Diskussion über den entwicklungspolitischen Nutzen von privaten Direktinvestitionen in Entwicklungsländern und den Umfang steuerlicher Begünstigungen entzünden.
Allein ein Rückblick auf die Mitte 1973 von Regierungs- und Koalitionsvertretern mit widersprüchlichen Äußerungen und auch polemisch geführte Diskussion über Wert und Unwert des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes verdeutlicht dies. Statt eine sachliche Auseinandersetzung dort zu führen, wo sie angebracht ist, nämlich in den Ausschüssen des Parlaments, sahen Sprecher der Regierungskoalition ihre Hauptaufgabe in einer sehr regen Interviewtätigkeit und erweckten dabei mit ihren Äußerungen den Eindruck, als sei eine ersatzlose Streichung des Gesetzes genauso gewiß wie andererseits eine modifizierte Fortführung unter besonderer Berücksichtigung entwicklunspolitischer Zielsetzungen.
Die tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung haben eine Verunsicherung investitionswilliger Unternehmen herbeigeführt und waren gewiß nicht dazu angetan, den Fluß deutscher Privatinvestitionen in den Entwicklungsländern zu beschleunigen. Die Ungewißheit und Unsicherheit erreichte mit dem Ablauf der Geltungsdauer des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes Ende 1973 ihren Höhepunkt, als es die Regierung versäumte, ein klares Wort über das weitere Schicksal des Gesetzes zu sagen. Statt dessen riskierte sie ein Jahr lang einen gesetzlosen Zustand, der sicherlich ebenfalls nicht zur Verbesserung des Investitionsklimas beigetragen haben kann.
Dabei hat es nicht an Versuchen seitens unserer Fraktion gefehlt, Herr Kollege Stahl, die Diskussion über eine Fortführung und Weiterentwicklung des Gesetzes auf eine sachliche Grundlage zu stellen und im Ausschuß auch herbeizuführen. Ich erinnere daran, daß wir bereits im Frühjahr und im Juni 1973 Thesen zur Reform dieses Gesetzes vorgelegt haben, die ein knappes Jahr später dann ja auch in einigen Punkten im Gesetzentwurf der Bundesregierung aufgenommen wurden und die deshalb so inhaltsleer nicht gewesen sein können. Ich darf an eine Reihe von Versuchen von uns erinnern, Versuche im Herbst des Jahres 1973, im Ausschuß darauf zu drängen, daß wir Auskunft über den Stand des Gesetzes erhielten und das Thema dort erörterten, Diese Bemühungen sind auf Ablehnung gestoßen. Hier ist zeitweilig wirklich der Eindruck einer gewissen Verschleppung und Ablenkung entstanden, auch nach dem Erscheinen des Gesetzentwurfes. Ich muß sagen, es war schließlich doch beachtlich, daß wir am Mittwoch der letzten Woche den Gesetzentwurf im Fachausschuß endlich abschließend beraten konnten.
Das Verhalten der Koalition und den formalen Ablauf kritisiere ich hier der Sache wegen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich kritisiere es, zumal sich die Hoffnungen nicht erfüllt haben, daß längere Beratungszeiten die Qualität des Gesetzes positiv beeinflussen würden. Das vorliegende Ergebnis rechtfertigt den zeitlichen Aufwand wohl kaum. Es ist unbefriedigend, was herausgekommen ist; darüber sind wir uns doch wohl in der Sache einig.
— Ich habe das gleiche soeben von meinem verehrten Vorredner etwas anders akzentuiert sehr wohl gehört.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stahl?
Gerne.
Herr Kollege Köhler, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß wir im Ausschuß über dieses Gesetz einige Male diskutiert haben, daß das nicht unter Zeitdruck geschehen ist und daß Ihre Fraktion, was eigene Vorstellungen und Verbesserungen des Gesetzes betraf, nur einen Vorschlag eingebracht hat, und zwar auf Erhöhung der Freistellungsrücklage von 40 auf 50 %? Was damit ausgelöst wird, wissen Sie doch selbst.
Wenn das die Frage war, Herr Kollege Stahl, möchte ich darauf antworten: Wir haben in der Tat im Ausschuß vor der Sommerpause einmal das Gesetz ausführlich andiskutiert.
— Gut, meinetwegen auch zweimal! Zu diesem Zeitpunkt war die Geltungsdauer des Gesetzes bereits seit einem halben Jahr überschritten. Daran darf ich Sie auch erinnern. Was die Vorstellungen meiner Fraktion angeht, so habe ich vor, Ihnen gleich noch einiges dazu in Erinnerung zu rufen, was Sie offensichtlich vergessen haben. Es handelte sich weiß Gott nicht nur um die Frage der 50 %.Wir meinen jedenfalls, daß das, was wir jetzt vorfinden, als ein Versuch betrachtet werden muß,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8833
Dr. Köhler
die Erfahrungen auszuwerten, aber ein Versuch, der halbherzig auf die Hälfte des Weges stehengeblieben ist und bei dem die Grundintention des Gesetzes, nämlich durch steuerliche Vergünstigungen die privatwirtschaftliche Investitionstätigkeit zu intensivieren, durch eine Unterschreitung um etwa ein Drittel wesentlich abgeschwächt und damit verwässert worden ist. Eine Minderung dieses Ausmaßes ist nach unserer Ansicht nun wirklich kein zusätzlicher Anreiz für potentielle Investoren. Diese Schmälerung tritt in dem Moment ein, wo das Investieren ohnehin schwerer geworden ist und die Bereitwilligkeit dazu deutlich nachläßt.Die vorgesehene Staffelung der Investitionsförderung ist nach unserer Meinung nicht sachgerecht. Dabei richtet sich unsere Kritik nicht gegen eine besondere Förderung der least developped countries — das haben wir von Anfang an auch in unseren Vorschlägen befürwortet —, sondern unsere Kritik richtet sich gegen die Kürzung der Rücklagenbildung auf 40 °/o der Investitionen in den sogenannten fortgeschrittenen Entwicklungsländern. Wir glauben, daß dieser Ansatz eben doch nicht dazu führt — Kollege Kaffka hat dies letzten Endes auch bestätigt —, daß man den Befehl geben kann, das Wasser solle den Berg hinauffließen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stahl?
Herr Kollege Dr. Köhler, es ist Ihnen doch bekannt, daß im Hearing, das wir in den vergangenen Tagen durchgeführt haben, die Frage, ob die deutsche Industrie auf Grund des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes überhaupt Investitionen tätigen würde, verneint wurde. Was soll also diese Ihre unfreundliche Passage hier?
Verehrter Kollege Stahl, die Frage, ob die Initialwirkung des Gesetzes für Investitionen wirklich der wichtigste Gesichtspunkt ist — die Diskussion ist immer wieder dahin eingeengt worden, daß man nur die Initialzündung erörtert hat —, wäre noch einer gesonderten Betrachtung wert. Das Hearing hat eine ganze Menge von Erkenntnissen ergeben, und wir sollten es zunächst einmal zusammen auswerten. Ich glaube aber, in den folgenden Sätzen noch einiges dazu sagen zu können, worin ein gewisser Wert dieses Gesetzes liegt. Er liegt nicht so sehr im Initiieren von Investitionen, sondern wir glauben, daß wir alle uns mit dieser Regelung, die jetzt Gesetz wird, etlicher Möglichkeiten der entwicklungspolitischen Steuerung von Investitionen in den Ländern berauben, wo die Anreize eines sich selbst tragenden Wirtschaftswachstums bereits vorhanden sind und wo sich der Gedanke der partnerschaftlichen Zusammenarbeit — und das ist für uns doch wohl mehr als eine reine Absichtsformel — an Pro-j ekten gemeinsamen Interesses und beiderseitigen Nutzens seit langem bewährt und — denken wir nur an Rohstoffproduktion, -verarbeitung und -sicherung — auch noch an Bedeutung gewinnen wird.
Die CDU/CSU-Fraktion bezweifelt, daß die Koalition und die Regierung diesen Gesichtspunkt ausreichend im neuen Gesetz berücksichtigt haben, wie wir überhaupt Bedenken haben, ob die gedanklichen Grundlagen des Gesetzes so, wie es jetzt vorliegt, überhaupt noch zeitgerecht sind.
Die Schwäche dieses konzeptionellen Rahmens, der hier zugrunde liegt, wird auch deutlich in dem Versuch, über die Beschäftigungsintensität von Direktinvestitionen in einem Bescheinigungsverfahren zu entscheiden. Wir sind uns einig über den Wert und die Wichtigkeit der Beschäftigungsintensität; ich spreche hier über das Verfahren. Nicht nur, daß die grundsätzlichen Bedenken, die wir gegen ein solches bürokratisches Verfahren mit all seinen Fragwürdigkeiten erhoben haben, nicht ausgeräumt werden konnten; ich darf auch feststellen, daß die Regierung bis heute keine verbindliche Richtlinie für das Bescheinigungsverfahren über die tatsächliche Arbeitsintensität fertiggestellt hat, und damit ist ein Anspruch des Gesetzes — nämlich die besondere Berücksichtigung des Beschäftigungseffekts von Kapitalanlagen --- in dieser Stunde nur unzureichend und mit vielerlei Fragezeichen eingelöst worden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie die Zwischenfrage? — Bitte!
Herr Dr. Köhler, können Sie uns denn einen besseren Vorschlag als den, der im Gesetz steht, machen?
Verehrter Herr Kollege Opitz, wir haben diese Diskussion — teils in der Öffentlichkeit, teils auch im Ausschuß — in einiger Breite geführt. Es liegen dazu Studien des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts und auch des Weltwirtschaftsinstituts in Kiel vor. Ich darf Sie daran erinnern, daß diese Studien auch Ihnen vorliegen; auf deren Basis hätte man durchaus diskutieren können.
Ich darf in dieser Diskussion noch einmal daran erinnern, meine verehrten Damen und Herren, daß sich die CDU/CSU-Fraktion in diesen Fragen stets kompromißbereit gezeigt hat und daß unsere Kompromißbereitschaft zuletzt auch im August noch einmal mit einem Angebot zum Ausdruck kam, daß wir bei einer Beibehaltung der Rücklagenbildung von 50 % in den Ländern der Gruppe 2 gleichzeitig auf alle übrigen Vorschläge, die wir vorgelegt hatten, verzichten wollten, um dieses Gesetz, von dessen Problematik wir doch alle überzeugt sind und dessen weitere Entwicklung wir alle für wünschenswert halten, wenigstens gemeinsam zu tragen. Ich darf daran erinnern, daß uns trotz aller Beteuerungen einer entwicklungspolitischen Gemeinsamkeit dieser Kompromiß verweigert worden ist. Verehrte
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8834 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Dr. Köhler
Kollegen von der Koalition, Sie werden es uns nicht verdenken, wenn wir uns dies merken.Nun stimmen wir also heute über eine Vorlage ab, die im Detail mit vielen Unzulänglichkeiten behaftet ist. Dazu zählen neben den bereits genannten nach unserer Meinung noch die fehlenden Aussagen und gesetzlichen Regelungen über eventuelle besondere Förderungen exportintensiver Industrien, über eine Sonderförderung bei Investitionen kleinerer und mittlerer Unternehmen und auch über eine Sonderförderung von Ausbildungsinvestitionen.Wir dürfen diese Novelle noch einmal zum Anlaß nehmen, unsere Auffassung über den entwicklungspolitischen Nutzen von privaten Direktinvestitionen in Entwicklungsländern zu unterstreichen. Ihnen gegenüber ist die öffentliche Entwicklungshilfe kein Gegensatz oder etwa höherwertig, wie es vielfach — auch gerade von der Bundesregierung — gesagt wird. Beide Formen haben ihre eigene Berechtigung und können einander ergänzen. Es sollte gerade die Aufgabe der Politik dieser Regierung sein, dieses Zusammenwirken sinnvoll zu gestalten und sich nicht länger in der Diskussion von Scheinkontroversen zu erschöpfen. Einseitig auf die öffentliche Entwicklungshilfeleistung zu verweisen bedeutet die Augen vor der Tatsache zu verschließen, daß sie doch angesichts vieler konkurrierender Staatsaufgaben nicht beliebig zu steigern ist; das haben schließlich einige gescheiterte Versuche in diesem Jahr erwiesen. Und wenn Herr Minister Bahr in letzter Zeit stärker auf die gesamtvolkswirtschaftliche Leistung für die Entwicklungsländer abhebt, müssen wir eben gerade auch den Bereich privater Möglichkeiten ernst nehmen.Es läßt sich doch feststellen, daß private Investitionen, verglichen mit der öffentlichen Entwicklungshilfe, auch manchen Vorzug haben, vor allem auch im Bereich der Übertragung von technischem Wissen und einer durch den Marktmechanismus bedingten Steuerung in vordringliche Investitionsbereiche, ohne daß dabei von vornherein die Erfordernisse der Entwicklungsländer damit in Konflikt geraten müßten. Denn wir haben auch im Hearing erfahren, daß es an den Entwicklungsländern selbst liegt und daß sie zu einem großen Teil auch Möglichkeiten haben — jedenfalls die, die für diesen Bereich in Frage kommen —, ihre Richtpunkte der Politik zur Geltung zu bringen und damit eine soziale Einbindung des Auslandsengagements der privaten Wirtschaft erfolgen zu lassen.Daß die CDU/CSU-Fraktion, meine Damen und Herren, trotz aller Bedenken und der hier vorgetragenen Kritik die Zustimmung zu diesem Gesetz nicht versagen wird, hat folgende Gründe. Wir betrachten es als ein gutes Ergebnis und als einen Erfolg, daß die gänzliche Abschaffung des Gesetzes verhindert wurde. Damit hat die Verunsicherung investitionsbereiter Unternehmen und investitionsbedürftiger Entwicklungsländer in dieser Hinsicht endlich ein Ende gefunden.Wir meinen, daß die Umbenennung des Gesetzes in Entwicklungsländer-Steuergesetz die Aussicht auf eine sachlichere Betrachtung des Komplexes derAuslandsinvestitionen ermöglicht; denn — darin sind wir einig — mit Entwicklungshilfe hat dieses Gesetz nichts zu tun, aber eine ganze Menge mit Entwicklungspolitik und mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Die CDU/CSU-Fraktion begreift dieses Gesetz ebenfalls als Vorstufe zu einer umfassenderen Neuordnung der Auslandsinvestitionen mit besonderer Berücksichtigung entwicklungspolitischer Zielsetzungen. So ist also auch der interfraktionelle Antrag zwischen uns in jeder Weise klar. Wenn die Bundesregierung mit uns in dieser Beurteilung übereinstimmt, die ich eben im Hinblick auf dieses Gesetz und die zukünftigen Möglichkeiten abgegeben habe, wird es eingehender Überlegungen bedürfen, für die der begrenzte Zeitraum der Geltungsdauer des neuen Gesetzes unbedingt genutzt werden muß. Unsere Fraktion wird sich dieser Aufgabe nicht verschließen; sie ist zu dieser Zusammenarbeit bereit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zywietz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Entwicklungsländer-Steuergesetz ist nicht Allheilmittel und auch nicht Wunderwaffe im Hinblick auf die vielschichtigen und großen Probleme von Entwicklungsländern, aber auf jeden Fall ein beachtliches Hilfsmittel zur Situationsverbesserung. Wenn das Gesetz heute novelliert wird und damit nach einer kurzen Gesetzespause der investitionsbereiten Wirtschaft der Bundesrepublik für weitere fünf Jahre ein Entscheidungsrahmen gegeben wird und zugleich steuerliche Hilfen ermöglicht werden, ist dies beachtlich und, wie wir meinen, keineswegs selbstverständlich. Denjenigen, die noch mehr Förderung für Privatinvestitionen in Entwicklungsländern durch ein solches Gesetz erwartet hätten, muß deutlich erwidert werden, daß dies ein Gesetz ist, das Privatinvestitionen in Entwicklungsländern in einer Weise fördert, wie es in keinem anderen westlichen Staat der Fall ist. Es darf dabei auch nicht verkannt werden, daß die steuerliche Hilfe für den Investor auf der anderen Seite für den Staat zu einem um etwa 220 Millionen DM bis annähernd 300 Millionen DM geringeren Steueraufkommen im Verlauf der fünfjährigen Geltungsdauer dieses Gesetzes führen wird.Das ursprüngliche Gesetz aus dem Jahre 1963 ist 1968 und 1972 verlängert und auch ein wenig verändert worden. Besonders zu erwähnen ist dabei die vor zwei Jahren erfolgte Einstellung der Förderung von Abschreibungsgesellschaften im Bereich des Fremdenverkehrs. Diese Gesellschaften haben — das ist eine Lehre, die wir in der Tat aus der Vergangenheit gezogen haben — nicht den erwünschten breiten Entwicklungseffekt erzielt, sondern uns, wenn man so will, Betonburgen insbesondere in Spanien und auf den Kanarischen Inseln beschert. Die grundsätzliche Idee dieses Gesetzes beinhaltet allerdings, daß auch Privatinvestitionen neben der öffentlichen Entwicklungshilfe, die sich im wesentlichen auf abgestimmte Länderprogramme konzentrieren soll, er-Zywietzgänzend einen beachtlichen entwicklungspolitischen Effekt erzielen können. Dies erscheint uns nach wie vor richtig, auch wenn nicht verkannt werden darf, daß Entwicklungshilfe und Entwicklungsgeschäft — so möchte ich es einmal nennen — dicht beieinanderliegen. Aber wer wollte bestreiten, daß ein gutes Geschäft mit beidseitigem Nutzen nicht auch Hilfe darstellt?Wir gehen davon aus, daß auch durch das Entwicklungsländer-Steuergesetz deutsche Investitionen nicht nachhaltig in Länder ohne ausreichende Marktchancen gelenkt werden können. Dem Entwicklungsländer-Steuergesetz liegt vielmehr die Überlegung zugrunde, daß Privatinvestitionen wirtschaftlich motiviert sind und den Gegebenheiten des Marktes folgen. Wir sollten aber auch nicht außer acht lassen, daß sie auch entwicklungspolitisch nützliche Wirkungen haben können und somit die öffentliche Entwicklungshilfe sinnvoll ergänzen oder aber entlasten, was das Volumen anbelangt. Die Stärkung der Investitionsfähigkeit der Investoren liegt daher sowohl im wirtschaftspolitischen als auch im entwicklungspolitischen Interesse.Das Entwicklungsländer-Steuergesetz legt ergänzend und im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen — wie z. B. Kapitalanlagegarantien, wie z. B. Hilfestellung durch die Deutsche Entwicklungsgesellschaft, die Investitionsförderungsverträge und nicht zuletzt die ERP-Niederlassungskredite — durch einen steuerlichen Vorteil nach diesem Gesetz die Risikoschwelle für den Investor tiefer und gibt damit einen Anreiz, Kapital, das von Entwicklungsländern im Interesse ihres Aufbaus gewünscht wird, dorthin zu übertragen. Ich bin der Meinung, daß die Probleme der Entwicklungshilfe nur kooperativ gelöst werden können, was die Hilfe verschiedener Länder und die Gestaltung, Wege und Mittel dieser Hilfe anlangt.Das vorliegende Gesetz ist bislang in Kurzform stets als Entwicklungshilfe-Steuergesetz bezeichnet worden. Die Namensänderung in Entwicklungsländer-Steuergesetz mag darum vielleicht nicht rundum befriedigen, ist aber doch mehr als nur eine optische Retusche, ist vielmehr meines Erachtens Ausdruck einer realistischen Betrachtungsweise, an der es in der Vergangenheit vielleicht hier und da gefehlt hat. Der Name Entwicklungshilfe-Steuergesetz betont zu stark den Hilfsaspekt im Entwicklungsland und verschweigt zu schamhaft die eigenen Nutzenvorstellungen des Investors.Der Länderkatalog dieses Gesetzes ist sehr weitgefaßt und in zwei Gruppen geteilt. Wir begrüßen es, daß die Förderung für die Länder der Gruppe 1, also der am wenigsten entwickelten Länder, durch Erhöhung der Rücklagenbildung von 80 auf 100 °/o verbessert werden konnte. Im Hinblick auf die allerdings noch unzureichende Marktattraktivität gerade in diesen Ländern wird die Wirkung dennoch relativ begrenzt bleiben müssen. Dominant in diesen Ländern bleibt meines Erachtens nach wie vor die öffentliche Entwicklungshilfe, woran es wohl keinen Zweifel gibt.Ein breiter Katalog wie der der Gruppe 2 erscheint nicht ganz unproblematisch; er umfaßt Länder mit bereits sehr unterschiedlichem Entwicklungsstand. Aber auch angesichts dieser Tatsache erscheint eine Erhöhung der Rücklagenbildung auf 50 % — Herr Dr. Köhler, ich habe in etwa nachgezählt, in dieser Gruppe handelt es sich um beinahe 100 Länder — nicht zuletzt auch mit Blick auf den Haushalt unseres Erachtens als nicht vertretbar.
— Als steuerliche Mindereinnahme erscheint es natürlich im Haushalt, weil sich dadurch das Haushaltsvolumen der Bundesrepublik Deutschland vermindert und eine Einnahmequelle fehlt, mit der man sonst durchaus kalkulieren könnte, Herr Kollege Dr. Todenhöfer. Aber wir meinen auch, daß eine besondere Investitionszunahme bei erhöhter Förderung im Prozentsatz nicht sehr wahrscheinlich ist. Es steht — das ist die Vermutung — ein relativ geringer Investitionsvolumenanstieg, vielleicht auch bei 50, 55 oder 60 %, zu erwarten. Dies wäre eine Marginalbetrachtung. Ausführungen in dem Hearing, das am Montag und am Dienstag stattgefunden hat, haben zumindest in der Tendenz ähnliche Andeutungen ergeben.Zum Förderungsinstrumentarium im einzelnen: Das Gesetz gibt die Möglichkeit der steuerlich begünstigten Rücklagenbildung. Dabei werden beschäftigungsintensive Kapitalanlagen durch eine Verlängerung des Zeitraums für die Auflösung der Rücklage besonders begünstigt. Mir scheint, es bleibt die Frage, ob dies ausreicht, weil Arbeitskräfte und damit ihr Einsatz wohl der bedeutendste entwicklungspolitische Ansatz für die genannten Länder sind. Man sollte darum in diesem Bereich, was das Instrumentarium angeht, wohl noch etwas weiter denken, weil doch offensichtlich angepaßte Technologien und adäquater Einsatz des Faktors Arbeit für die Entwicklungsländer den entscheidenden Entwicklungsfaktor darstellen.Zu erwähnen ist auch noch, daß die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht mehr Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Förderungsmöglichkeiten durch dieses Gesetz ist. Durch das Steueränderungsgesetz ist diese bisherige Bedingung bereits für Förderungen im Inland aufgehoben worden; was hier erfolgt, ist sozusagen eine Gleichstellung.Vermerkt sei auch noch, daß die Bildung steuerfreier Rücklagen, wie sie das Gesetz vorsieht, nicht zur Entstehung oder Erhöhung eines Verlustes führen darf. Ich meine, das ist eine gute Regelung, wenn man daran denkt, mit welcher Geschicklichkeit durch Verlustausweise ganz gute Geschäfte getätigt werden konnten. Dieses Instrumentarium ist geradezu mit sehr viel Feingefühl kultiviert worden.Meine Damen und Herren, die Privatinvestitionen sind in verantwortungsbewußter Ausgestaltung ein beachtlicher Baustein innerhalb eines Gesamtpakets entwicklungspolitischer Maßnahmen. Die FDP begrüßt darum die Fortführung des Gesetzes in der novellierten Fassung.Andererseits ist nicht zu übersehen, daß durch das vorliegende Gesetz sehr unterschiedliche Ziele ver-
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Zywietzfolgt werden. Ich meine, es macht bereits einen leicht überfrachteten Eindruck. Wir begrüßen darum die Absicht der interfraktionellen Resolution, einzelne Zielsetzungen durch gesonderte Maßnahmen zu regeln, beispielsweise 1. die Förderung privater Kapitalanlagen in Entwicklungsländern, 2. die generelle Förderung von Auslandsinvestitionen und 3. die Sicherung der Rohstoffversorgung der Bundesrepublik. Die Bundesregierung wird aufgefordert, zeitig, aber spätestens ein Jahr vor Ablauf dieses Gesetzes dazu gesonderte Vorschläge zu unterbreiten. Wir unterstützen darum die Entwicklung, von diesem Universalwerkzeug Entwicklungsländer-Steuergesetz, wie ich einmal sagen möchte, zu drei zieladäquaten Spezialwerkzeugen zu kommen.
Weitere Wortmeldungen liegen in der dritten Beratung nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Eine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? — Keine Stimmenthaltungen. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP auf Drucksache 7/2791 zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes — Drucksachen 7/2094 und 7/2773 — auf. — Das Wort dazu hat Herr Abgeordneter Josten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz einige Bemerkungen zu diesem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP. In dieser Woche fand ein öffentliches Anhörverfahren mit multinationalen Unternehmen in unserem Hause statt. Aus diesem Grunde erlauben Sie mir einen wichtigen Hinweis zu dem vorliegenden Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP auf Drucksache 7/2791.
In dem erwähnten Anhörverfahren kamen neben bedeutenden, großen Industriefirmen auch Experten der Entwicklungshilfe und auch der DGB zu Wort. Sie alle konnten ihre Meinung zu den unter a, b und c des Antrags aufgeführten Problemen darlegen. Die Zeit ließ es jedoch nicht zu, alle Themen auszudiskutieren.
Darum habe ich zu diesem Entschließungsantrag eine Bitte an die Bundesregierung. Vom Kollegen Kaffka wurde der gemeinsame Wunsch bezüglich der gesonderten Regelungsvorschläge angeschnitten. Auch Kollege Zywietz und ebenso Kollege Dr. Köhler wie alle Kollegen aus unserem Ausschuß stehen hinter diesem Entschließungsantrag und haben den gemeinsamen Wunsch bezüglich der gesonderten Regelungsvorschläge. Ich möchte aber die Regierung bitten — ich sehe hier den Parlamentarischen Staatssekretär Brück, den ich besonders ansprechen möchte —, daß man die Protokolle unseres Hearings bei den Überlegungen mit heranzieht. Ich glaube, das ist sehr nützlich. Darüber hinaus, meine Damen und Herren, ist es gut, wenn zum gegebenen Zeitpunkt auch der zuständige Ausschuß gehört wird.
Meine Damen und Herren, damit ist der Entschließungsantrag begründet. In der Aussprache wird das Wort nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe nunmehr Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Sportpolitik
— Drucksachen 7/1680, 7/2592 —
b) Beratung des Bericht und des Antrags des Sportausschusses zum Antrag der Abgeordneten Dr. Evers, Dr. Kraske, Dr. Schäuble, Frau Hürland, Dr. Müller (München), Spilker, Tillmann, Weber (Heidelberg) und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Bundessportplan
— Drucksachen 7/622, 7/2288 — Berichterstatter:
Abgeordneter Wende Abgeordneter Dr. Schäuble
Ich frage, ob eine Ergänzung des Schriftlichen Berichts gewünscht wird. Das ist nicht der Fall.
Wir treten in die Beratungen ein. Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
— Meine Damen und Herren, der Sport hat es an sich, daß es gelegentlich sehr laut zugeht. Ich bitte nur, dem Redner die Möglichkeit zu geben, daß er auch gehört werden kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland stand in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt großer internationaler Sportveranstaltungen: 1972 die Weltspiele der Behinderten und die XX. Olympischen Sommerspiele, in diesem Jahr die Fußballweltmeisterschaft. Beide Sportereignisse, die gerade von der Jugend unseres Landes begeistert verfolgt wurden, fanden die nachdrückliche Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.
Wir haben immer wieder auch darauf hingewiesen, daß sich sportliche Ereignisse nicht in internationalen und teilweise auch spektakulären Großveranstaltungen erschöpfen dürfen, die erhebliche finanzielle Zuwendungen aus öffentlichen Kassen erfordern. Notwendig sind — und nur dann können Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften verantwortet werden — der weitere Ausbau des Breitensports in allen Lebensbereichen, die Förde-
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Metzgerrung des Sports als Beitrag zur Lebenshilfe und die Anerkennung des Sports im Rahmen der Freizeitgestaltung und Erholung.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verfolgt deshalb durch die heute zur Debatte stehende Große Anfrage die Absicht, neue sportpolitische Zielsetzungen deutlich zu machen. Dabei entspricht es unserer Auffassung, daß der Bundestag bei seiner Arbeit auch, über die Detailberatungen in den Ausschüssen hinaus, hier im Plenum Bedeutung und Aufgaben des Sports anerkennt und die Unterstützung durch Politik und Staat deutlich macht.
Das fällt der SPD um so leichter, als sie den vielfältigen Aufgaben des Sports und seiner Förderung stets einen hohen Stellenwert zuerkannt hat.Aus den Bindungen zu der großen demokratischen Tradition des Arbeitersports in Deutschland haben Sozialdemokraten nach 1945 — zunächst in den Gemeinden, dann in den Ländern und im Bund — ihre Erfahrungen in den Dienst des Sports und seiner veränderten Organisationsformen gestellt. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: die aktive Mitarbeit in den Vereinen und Verbänden, die Leitsätze der Sozialdemokratischen Partei zur Sportpolitik aus dem Jahre 1964, die Ergebnisse des Sportkongresses der SPD im November 1969, die Mitwirkung bei der Gründung der Deutschen Sportkonferenz und bei der Einsetzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, die Veröffentlichung der Neufassung der Leitsätze sozialdemokratischer Sportpolitik im Februar dieses Jahres. Dieser Katalog von Maßnahmen und Aktivitäten gibt eine klare und umfassende Darstellung der Ziele, die Sozialdemokraten in der Sportpolitik im Interesse der Bürger aller Altersgruppen anstreben und verwirklichen.Die Antworten auf die Große Anfrage bestätigen, daß wir mit der Bundesregierung in diesen Zielen und in der Art und Weise ihrer Verwirklichung weitgehend übereinstimmen. Wir begrüßen deshalb die ausführlichen und sachbezogenen Antworten der Bundesregierung, auch deshalb, weil sie die tatsächlichen Leistungen nüchtern darstellen und den Spielraum aufzeigen, den der Bund auf diesem Gebiet ausfüllen kann und ausfüllen muß.Da es bei der Entwicklung unserer Gesellschaft heute kaum noch Bereiche gibt, auf die der Sport nicht einwirkt, gilt es, auch hier die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig zu planen, bürgernah zu verwirklichen und die geschaffenen Einrichtungen optimal zu nutzen. Nur auf diese Weise kann den Sportlern rasch und unkompliziert geholfen werden. Dabei muß der Bürger die Möglichkeit haben, sich auch im Sport eigenverantwortlich, chancengleich, aber auch im Bewußtsein gesellschaftlicher Verpflichtungen frei zu entfalten.Die Bereiche Sport, Freizeit und Erholung gewinnen immer mehr an Bedeutung. Sie bedürfen im Interesse der Bevölkerung einer sinnvollen Berücksichtigung auch durch die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden und dort, wo es notwendig ist, auch im Rahmen der Gesetzgebung. Wir begrüßen es deshalb, daß die Bundesregierung für diese Aufgaben eine besondere Arbeitsgruppe eingesetzt und in der Antwort auf die Große Anfrage erklärt hat, daß sie ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen will und diese Hilfe im Interesse der Bürger als Angebot an die Bundesländer und die Sportorganisationen versteht. Dabei muß man allerdings wissen, daß es Grenzen dieser Unterstützungen durch den Bund gibt, die dort verlaufen, wo die Kompetenz des Bundes überschritten und in den Zuständigkeitsbereich der Länder eingegriffen wird.Lassen Sie mich hier eine kurze Anmerkung zu dem Bericht des Sportausschusses über den abgelehnten Antrag der Fraktion der CDU/CSU für einen sogenannten Bundessportplan machen.
Die Gründe für die ablehnende Haltung der Ausschußmehrheit sind bereits in der Drucksache 7/2288 dargelegt. Ich möchte noch hinzufügen, daß die grundsätzlichen Bedenken, die mein Kollege Wrede in der Bundestagssitzung am 13. September 1973 dargelegt hat, in den Ausschußberatungen nicht ausgeräumt werden konnten.
In diese Wertung können auch die Vorbehalte einbezogen werden, die die kommunalen Spitzenverbände durch den Deutschen Städte- und Gemeindebund gegenüber den Absichten der CDU/CSU angemeldet haben.Unsere Auffassung ist, daß bei der gegenwärtigen Zuständigkeitsregelung zwischen Bund und Ländern die wichtigsten Ziele des Oppositionsantrages nicht verwirklicht werden können. Dabei sind wir durchaus bereit — falls die CDU/CSU-regierten Bundesländer hierzu bereit sind —, hierüber neu zu verhandeln, wenn neue Zuständigkeiten geschaffen werden können.Ich bin überzeugt davon, daß wir uns in Übereinstimmung mit den Verantwortlichen der beteiligten Sportverbände und -vereine befinden, wenn wir davon ausgehen, daß diese Organisationen im Rahmen ihrer Eigenverantwortung Probleme, wie sie sich z. B. aus der Werbung ergeben, selbst lösen sollten und selbst lösen müssen. Allerdings ist die Behauptung, die Sportorganisationen befänden sich in fast totaler Abhängigkeit und in einer Bittstellerrolle, unzutreffend. Wir sind der Auffassung, daß der Freiraum der Sportorganisationen noch nie größer war als heute.
Gegenteilige Erklärungen von einzelnen Vertretern der Sportorganisationen
und auch von einzelnen Vertretern der CDU/CSUkönnen einer sachlichen Prüfung nicht standhalten.Bei dieser Gelegenheit sei noch einmal der Grundsatz sozialdemokratischer Sportpolitik unterstrichen,
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Metzgerder das Verhältnis zu den Sportorganisationen betrifft und in den Leitsätzen der SPD von 1974 zum Ausdruck kommt. Dort heißt es:Die im Deutschen Sportbund und seinen Verbänden zusammengeschlossenen mehr als 40 000 Sportvereine erfüllen für die Bevölkerung eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe. Sie übernehmen mit ihrem sportlichen und sozial integrierenden Wirken eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Die dem Gemeinwohl dienenden und zunehmenden Bemühungen im Interesse der Bürger können nur mit der Förderung durch Gemeinden, Länder und Bund erfüllt werden.Wir wissen, wieviel Idealismus, wieviel freie Zeit, wieviel Opfer hierbei aufgebracht werden. Ich möchte deshalb an dieser Stelle vor allem den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Sportvereine und -verbände unsere nachdrückliche Anerkennung und unseren Dank aussprechen.
Das Ergebnis der Bemühungen um eine Verbesserung der innerdeutschen Sportbeziehungen ist ein erfreuliches Beispiel für eine gute Zusammenarbeit zwischen den politisch Verantwortlichen des Deutschen Bundestages, der Bundesregierung und des Deutschen Sportbundes.
Diese innerdeutschen Sportbeziehungen müssen weiter ausgebaut werden. Das ist auch eine wichtige politische Aufgabe, bei der wir die Unterstützung der Sportverbände erbitten. Mit Interesse haben wir deshalb die — wenn auch kurze — Aussage im Sportprogramm der CDU zu den innerdeutschen Beziehungen zur Kenntnis genommen. Es wäre interessant, zu wissen, ob sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion — vielleicht werden wir dazu nachher einiges hören — diese Erklärung auch in der praktischen Politik zu eigen macht und die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung bei den Bemühungen um eine ständige Weiterentwicklung der innerdeutschen Sport- und Jugendbeziehungen wirkungsvoll unterstützen will.Es war nach unserer Auffassung eine verhängnisvolle Entwicklung, die mit der Forderung des damaligen CDU-Außenministers vor der Bundestagsfraktion der CDU/CSU am 27. September 1960, „mit dem gesamtdeutschen Sportverkehr endlich Schluß zu machen", eingeleitet wurde.Die SPD hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß die Vereinbarung vom 8. Mai 1974 ein erster Anfang ist, daß ein ständiger Dialog mit dem Ziel der konkreten Weiterentwicklung folgen muß. Das Treffen der beiden Sportbundführungen am 10. Oktober dieses Jahres war ein weiterer Schritt nach vorn. Der Verkehrs- und Grundvertrag sowie das Viermächteabkommen über Berlin geben dazu politische Hilfestellung. Wir müssen uns darüber im klaren sein, meine Damen und Herren, daß den Sportlern in Ost-Berlin, in Schwerin, in Dresden oder inErfurt wenig damit geholfen ist, wenn man an die Stelle schrittweiser Verbesserungen unerfüllbare Maximalforderungen setzt.Die CDU/CSU sollte sich aber auch davor hüten — und ich sage das mit allem Ernst und Nachdruck —, mit ihren Forderungen — teilweise propagandistischen Forderungen — den Auslandsthesen der SED- Führung Argumentationshilfe zu geben.
Gerade auf dem öffentlichkeitswirksamen Gebiet des Sports gilt es, deutlich zu machen, Herr Stücklen: Vereins- oder Verbandsbegegnungen von Sportlern aus beiden deutschen Staaten haben keinen Auslandscharakter. Ich glaube, dem sollten wir hier alle zustimmen. Es sind Veranstaltungen von Deutschen in Deutschland, eine Tatsache, die gerade auch im außerdeutschen Bereich verstanden wird.
So gibt es nach dem Selbstverständnis der Weltsportorganisation keinen kommunistischen deutschen Turn- und Sportbund und keinen sogenannten kapitalistischen deutschen Sportbund, wie es übereifrige Abgrenzungstaktiker auch in Ost-Berlin gern sehen möchten.Die Bundesregierung und die Sportorganisationen haben weiterhin den vollen Rückhalt der SPD für ihre Bemühungen, die bisher von der Opposition nicht unterstützt wurden.Wir appellieren aber — und das möchte ich mit Nachdruck sagen — an die Sportvereine, die Gemeinschaften und die Verbände, die Möglichkeiten der innerdeutschen Sportbeziehungen zu nutzen und damit auch einen wirkungsvollen Beitrag für eine friedliche Entwicklung des Weltsports zu leisten. In diesem Bemühen dürfen sie sich auch durch leichtfertige und unerfreuliche Einzelerscheinungen, wie sie bisweilen vorkommen, nicht beeinträchtigen lassen.Verständnis und Engagement ist bei den Mitarbeitern des Sports besonders dort notwendig, wo es immer noch bürokratische Schwierigkeiten und politische Hemmnisse zu überwinden gibt. Hier müssen auch die Hilfen der öffentlichen Sportverwaltung eingesetzt werden.In diesem Zusammenhang kommt einer Erklärung des Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herbert Wehner, besondere Bedeutung zu, die ich hier noch einmal in einem Satz zitieren möchte; sie ist heute genauso aktuell wie am 30. Januar 1969 anläßlich der Sportkonferenz der Sozialdemokratischen Partei. Damals sagte Herbert Wehner:Wir wünschen ungehinderten Sportverkehr und versuchen unsererseits, weil es unseren Anschauungen entspricht, in dem Bereich, den Sport und Politik gemeinsam haben, Hindernisse aus dem Weg zu räumen.Die Regeln und Bestimmungen der Weltsportorganisation, die Organisationseinheit des Deutschen
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8839
MetzgerSportbundes, der Fachverbände und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland, der Verkehrs- und Grundvertrag und das Viermächteabkommen über Berlin stellen zusammen eine tragfähige Grundlage für die dauerhafte Integration des Westberliner Sports nach innen und nach außen dar. Die Deutschland- und die Ostpolitik der sozialiberalen Koalition haben Bemühungen des Sports erleichtert, neben den traditionell freundschaftlichen Beziehungen zur westlichen Welt auch das Verhältnis zu den Sportorganisationen in Ost- und Südosteuropa sowie der Volksrepublik China spürbar zu verbessern.Das Engagement, mit dem gerade die Mitglieder der Jugendorganisationen die Verständnisbemühungen erfolgreich mit tragen, war eine ganz wesentliche Voraussetzung für die bisher erzielten Verbesserungen und die Schaffung eines neuen Vertrauensverhältnisse zu den Menschen in den ost- und südosteuropäischen Ländern. Hier bietet sich nach unserer Auffassung die beste Gelegenheit, von abstrakten Erklärungen zu sichtbaren Ergebnissen für die Menschen, vor allem für die junge Generation, zu kommen.Unter Berücksichtigung der Erklärungen der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zur Sportpolitik darf ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sagen: Wenn auch viele Wünsche verständlicherweise noch nicht erfüllt werden konnten, so bleibt doch festzustellen, daß wir vor allem im Bereich des Bundes seit 1969 qualitative und quantitative Verbesserungen in der Sportförderung geplant, eingeleitet und durchgesetzt haben, die zusammen mit den Maßnahmen der Länder, der Gemeinden und der Sportorganisationen eine günstige Grundlage für die weitere positive Entwicklung sicherstellen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäuble.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Beratung des Antrags der CDU/CSU-Fraktion auf Erarbeitung eines Bundessportplans fand am 13. September 1973 statt. Dazwischen, Herr Kollege Metzger, lag keineswegs eine intensive Beratung im Sportausschuß; denn die Koalitionsmehrheit lehnte den Antrag ohne jede Sachberatung ab und stimmte ihn gleich nieder.
Der Stellenwert der Sportförderung in der Politik dieser Bundesregierung ist in der Zwischenzeit nicht verbessert worden, und die Mitwirkung des Parlaments an der Sportpolitik wird durch die Verzögerungspraxis der Koalition erschwert. Mehr als ein Jahr etwa haben wir gebraucht, um im Sportausschuß eine Anhörung repräsentativer Verbände durchzusetzen, von der wir uns nun endlich in der kommenden Woche wichtige Aufschlüsse für unsere gemeinsame Arbeit erwarten.Diese Verzögerungspraxis, Herr Kollege Metzger, steht in offenbarem Widerspruch zu den hehren Beteuerungen vom Stellenwert des Sports.
Ob sie mit „mehr Demokratie" zu vereinbaren ist, muß bezweifelt werden; aber sie deckt sich mit den Klagen über die Abhängigkeit des Sports auf Bundesebene von der Bundesregierung. Der Präsident des Deutschen Sportbundes, Willi Weyer, hat vor der Deutschen Sportkonferenz kürzlich von der fatalen staatlichen Abhängigkeit des Deutschen Sportbundes von der Exekutive des Bundes gesprochen.
Der Bundessportplan, den meine Fraktion beantragt, will den Sport aus seiner Bittstellerrolle befreien. Der Gefahr, daß der Deutsche Sportbund zur nachgeordneten Behörde einer Unterabteilung des Bundesministeriums des Innern werde um noch einmal Willi Weyer zu zitieren —, muß begegnet werden.
Der Bundessportplan soll es diesem Hohen Hause ermöglichen, über die Grundsätze der Sportförderung des Bundes zu beschließen, um die Abhängigkeit der Sportverbände von der Regierung durch parlamentarische Transparenz und Kontrolle zu ersetzen.
Der Bundessportplan soll den Sportverbänden Klarheit verschaffen, unter welchen Bedingungen welche Förderungsleistungen erwartet werden können. Nur so werden wir die Sportverbände in die Lage versetzen, ihre eigene Arbeit auf gesicherter Grundlage langfristig zu planen und kontinuierlich durchzuführen. Der eigene Entscheidungsraum des Sports muß erweitert und verbindlich gesichert werden. Der Unfug muß aufhören, daß vom Bundesinnenministerium letztlich noch über die Personen- und Wettbewerbsauswahl bei internationalen Wettkämpfen entschieden wird.
Wir brauchen auch eine klarere Abgrenzung der Förderungszuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.Wichtiger noch scheint eine Beseitigung des Kompetenzwirrwarrs innerhalb der Bundesregierung zu sein. In den Beratungen des Haushalts 1975, meine Damen und Herren, im Sportausschuß war es nicht einmal möglich, zu klären, wieviel Mittel von welchen Ministerien für die Sportförderung angesetzt sind.
Dieser Zuständigkeitssalat innerhalb der Bundesregierung führt dann dazu, daß etwa das Auswärtige Amt eine Reise von Athleten nach Afrika bezuschußt, die zur selben Zeit an einem vom Bundesinnenministerium geförderten Lehrgang zur Vorbe-Dr. Schäublereitung auf internationale Meisterschaften teilnehmen sollen.
Unser Bundessportplan will dem durch die Aufstellung von verbindlichen Grundsätzen und Zuständigkeitsabgrenzungen für die Sportförderung begegnen. Der Deutsche Sportbund hat in seinem Memorandum zu unserem Antrag — ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten — erklärt:Die Erkenntnis, daß der Sport ein umfassendes Förderungssystem in genauer Zuweisung zu den einzelnen Ebenen und in enger Koordination der Ziele zu den betroffenen Bereichen braucht, ist besonders zu begrüßen. Die bisher geübten unübersichtlichen und auch unsicheren Verfahrensweisen sowie der Mangel an langfristiger Planung müssen angesichts der Vielschichtigkeit des Sports und seines außergewöhnlichen Wachstums beendet und es muß ein Instrumentarium geschaffen werden, mit dem Staat und Sport zielgerichteter als bisher arbeiten können. Der Bundessportplan der CDU/CSU stellt einen entschlossenen Versuch dar, diesen Mangel zu überwinden. Er bildet somit auf staatlicher Ebene eine sinnvolle Parallele zu jenem Planungsinstrument, daß sich die Sportbewegung im Sportplan 80 derzeit selbst zu schaffen bemüht.Es ist keine Frage, meine Damen und Herren, daß der jährliche Sportbericht der Bundesregierung diese Aufgabe nicht zu erfüllen vermag, weil er lediglich beschreibt, was die Bundesregierung in Vergangenheit und Gegenwart durchführt, ohne künftige Konzeptionen erkennen zu lassen oder gesicherte Verfahrensweisen für die Zukunft zu bieten.Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen von SPD und FDP ist zur Lösung dieser Probleme ebenso ungeeignet, stellt sie doch im Grunde nur einen Aufguß des letzten Sportberichts dar, wobei nur die Frage bleibt, weshalb die Bundesregierung zu dieser Antwort eigentlich so lange Zeit brauchte. Die klaren Grundsatzentscheidungen, die in der Sportpolitik not tun und an denen Sie sich, Herr Kollege Metzger, in Ihrer Rede hier vorbeigedrückt haben, sind in Anfrage und Antwort der Koalition nicht angesprochen. Der Sport braucht Antwort auf die Frage, wie die Sportförderung in Zukunft konkret sichergestellt und ausgestaltet werden soll.Wir alle müssen wissen, wie mit der Partnerschaft von Staat und Sport Ernst gemacht werden kann. Wir brauchen eine Antwort auf die Frage, wie es mit der Leistung im Sport bestellt sein soll und wie Leistungssport gefördert und sozial abgesichert werden soll. Wir wollen wissen, wie die großen Aufgaben des Sports in der Zukunft finanziert werden sollen, und wir müssen eine Entscheidung haben, ob der Sport den Weg in die staatliche oder kommerzielle Abhängigkeit gehen soll oder wie dieser Weg gestoppt werden kann. Die Organisationen des freien Sports sind dabei, für ihre Arbeit langfristige Konzeptionen aufzustellen. Der Staat muß das Seine dazu beitragen.Dies ist das Ziel unseres Bundesportplans, der klare Entscheidungen in der staatlichen Sportförderung fordert. Die Ablehnung des Bundessportplans bedeutet, solchen klaren Entscheidungen auszuweichen. Wer nicht sagen will, wie er es z. B. wirklich mit dem Leistungsprinzip hält oder wie er tatsächlich zum Subsidiaritätsprinzip steht, muß sich natürlich an den durch den Bundessportplan geforderten Entscheidungen vorbeidrücken.Wir werden den Verdacht nicht los, daß diese Ihre Unfähigkeit, sich zu diesen Grundfragen zu erklären, der Grund ist, warum Sie zu Ihrem eigenen Gesetzesantrag aus der letzten Legislaturperiode nicht mehr stehen, in dem Sie ja im Prinzip dasselbe beantragt haben, wie wir dies heute hier tun.
Die CDU/CSU weicht diesen Feststellungen nicht aus. Für uns ist Sport integraler Bestandteil der Struktur-, Gesundheits-, Sozial- und Gesellschaftspolitik. Der Sport bietet in seinem Bereich die Chance freiheitlicher eigenverantwortlicher Lebensgestaltung. Der Sport bietet auch die Chance freier Entscheidung zu freiwilliger individueller Leistung.
Wir bejahen die dramatisch gewachsenen Aufgaben des Sports im Sinne der Daseinsvorsorge, in einer bewegungsarmen Industriegesellschaft als Chance sinnvoller Freizeitgestaltung und als Mittel in einem als anonym empfundenen Staat und einer oft kontaktarmen Gesellschaft zu Engagement und menschlicher Begegnung zu finden, auch als Mittel der Völkerverständigung.
Deshalb ist für die CDU/CSU Sportförderung eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand. Deshalb fordern wir, daß die Vertreter des Sports bei allen relevanten Gesetzen als Vertreter des öffentlichen Interesses gehört und beteiligt werden.Dem Sport ist es gelungen, einen überragend wichtigen Aufgabenbereich in unserer Gesellschaft durch freie Initiative von Millionen Bürgern, durch freiwilliges Engagement zu bewältigen. Dies ist von unschätzbarem Wert nicht nur für den Sport, sondern auch für unseren Staat. Um diese Chance de Freiheit zu erhalten, werden wir den Sport nicht zu einem Mittel der Politik degradieren lassen. Sport und Staat sind für uns Partner. Die öffentliche Hand muß dem freien Sport helfen, seine immensen Aufgaben zu erfüllen.Aber diese Hilfe im Sinne des Subsidiaritätsprinzips darf nicht zum goldenen Zügel werden, an dem der Sport allmählich in die Abhängigkeit von Politik und Regierung geführt wird.
Deshalb wollen wir durch einen Bundessportplanden Freiheitsraum des organisierten Sports sichernund erweitern. Deshalb wollen wir die finanzielle
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Dr. SchäubleAusstattung der freien Sportverbände mit Mitteln sichern, welche die Abhängigkeit des Sports von den Regierungen verringern. So sind unsere Anträge zu verstehen, die wir bei den Beratungen der Abgabenordnung im Finanzausschuß eingebracht haben. Dem Sport sollen Einkünfte, die durch ehrenamtliche Tätigkeit engagierter Bürger erwirtschaftet werden, nicht weggesteuert werden, wenn sie dem gemeinnützigen Zweck des Sportvereins unmittelbar zugeführt werden.
Was ist das auch für eine merkwürdige Förderungspraxis der öffentlichen Hand, die den Sportvereinen aus öffentlichen Mitteln Zuschüsse gewährt und auf der anderen Seite eigene Erträge ehrenamtlicher Tätigkeit in gemeinnützigen Vereinen zu mehr als der Hälfte über die Steuern abkassiert!Deshalb auch fordern wir eine Werbekostenpauschale für Einkünfte aus nebenberuflicher Tätigkeit im Sport, und deshalb erwarten wir, daß die Bundesregierung endlich die Benachteiligung gemeinnütziger Sportvereine gegenüber anderen gemeinnützigen Vereinen beseitigt, die darin liegt, daß den gemeinnützigen Sportvereinen die Spendenbescheinigungskompetenz vorenthalten wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Metzger?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schäuble, können Sie uns sagen, wie das bei früheren CDU/CSU-Bundesregierungen war?
Herr Kollege Metzger, die Empfehlungen der Deutschen Sportkonferenz, auf die sich alle diese Anträge gründen, sind eben in der Verantwortung dieser Regierung mit der Zustimmung dieser Regierung gefaßt worden. Wir fordern von dieser Bundesregierung, daß sie ihre Doppelzüngigkeit endlich einmal aufgibt, in der Deutschen Sportkonferenz für diese Empfehlungen zu stimmen und hier im Bundestag die Verwirklichung dieser Empfehlungen zu verhindern.
Herr Kollege Mischnick, wir werden mit großem Interesse hören, wie Sie zu den Forderungen Ihres Sportprogramms der FDP stehen, in dem all diese Punkte ja in den letzten Wochen gefordert worden sind.
Herr Abgeordneter Schäuble, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Präsident, ich muß mich an meine Zeit halten.
Bitte!
Auf der gleichen Linie, meine Damen und Herren, einer Stärkung der Eigenfinanzierungsmöglichkeiten des freien Sports ist auch unsere entschiedene Forderung nach einer Fortführung der Sportbriefmarke und nach einer Beteiligung des Sports an dem Aufkommen von Funk- und Fernsehlotterien zu sehen. Je besser die Möglichkeiten des Zugangs des freien Sports zu anderen Finanzierungsquellen sind, um so geringer ist die Gefahr einer Abhängigkeit der Sportverbände von den jeweiligen Regierungen und um so geringer, Herr Kollege Metzger, ist die Gefahr, daß der Sport über die Werbung in kommerzielle Abhängigkeit gerät. Wer immer sich über die Gefahren der Werbung im Sport beklagt, der muß zugleich auch sagen, wie er den wachsenden Finanzbedarf des Sports auf andere Weise sicherstellen will. Unsere Konzeptionen der indirekten Finanzhilfen für die freien Sportorganisationen vermeiden die Gefahren einer Abhängigkeit vom Staat so gut wie von der Werbung.Das ehrenamtliche Engagement im freien Sport, Herr Kollege Metzger, muß in der Tat erhalten und gestärkt werden. Dazu genügt es nicht, dafür zu danken, sondern dazu muß man die konkreten Maßnahmen ergreifen, die wir beantragt haben und denen Sie bisher nicht zustimmen.
Dieses ehrenamtliche freiwillige Engagement ist nicht nur eine sehr viel kostengünstigere Bewältigung der großen Aufgaben im Sport, sondern es ist darüber hinaus von einer kaum zu überschätzenden Bedeutung für die Integration unseres Staates. Freiwilliges Engagement, ehrenamtliche Tätigkeit fördern in jedem Bereich Freiheit und Unabhängigkeit; sie schützen vor Manipulation, und sie geben unserem Staat die Kraft eines lebendigen Gemeinwesens. Vielleicht werden wir in wirtschaftlich schwieriger werdenden Zeiten schon bald erkennen, wie wichtig es für uns alle ist, daß in diesem Staat die Bereitschaft zum Engagement nicht verkümmert.Der Bundesinnenminister hat vor kurzer Zeit in seinen Antrittsreden beim Bundesinstitut für Sportwissenschaften und vor dem Sportausschuß des Deutschen Bundestages bemerkenswerte Grundsatzerklärungen über seine persönliche Position in der Sportpolitik abgegeben, die wir weitgehend teilen. Er hat sich klar zur Freiheit des Sports, zum Subsidiaritätsprinzip und zum Leistungsgedanken bekannt, und wir haben dies begrüßt. Er hat auch öffentlich über das Wesen des Sports nachgedacht, und er hat von dem Rätselhaften im Sport gesprochen. Das Rätselhafte, Herr Minister Maihofer, in der Sportpolitik Ihrer Bundesregierung scheint mir indes zu sein, wie Ihre Reden in Einklang zu bringen sind mit der Praxis dieser Koalition — einer Koalition, aus deren Reihen seit langem das Leistungsprinzip im Sport und anderswo diffamiert wird,
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Dr. Schäubleeiner Koalition, die jede Festlegung über die Grundsatzfragen und Konzeptionen in der Sportpolitik scheut und uns auch in der Beantwortung der Großen Anfrage eine entsprechende Antwort schuldig geblieben ist.
Herr Abgeordneter Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schirmer?
Herr Präsident! Wir hatten vereinbart, uns alle kurz zu fassen. Ich kann mich durch Zwischenfragen nicht an der Einhaltung der Redezeit hindern lassen. Ich bitte um Nachsicht.
Rätselhaft, Herr Minister Maihofer, bleibt auch, wie Sie sich für die Steueranträge der Deutschen Sportkonferenz aussprechen konnten, während Ihre Regierung die Verwirklichung ablehnt. Die Kette der rätselhaften Widersprüche ließe sich beliebig verlängern. Die Fortführung der Sportbriefmarke ist nicht nur von Herrn Maihofer befürwortet, sondern schon vom früheren Bundeskanzler versprochen worden. Gleichwohl steht sie noch immer aus.
Minister Maihofer hat sich engagiert für die Deutsche Sporthilfe ausgesprochen, aber die Bemühungen der CDU/CSU um Hilfe für die Deutsche Sporthilfe sind von der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition bisher vereitelt worden. Wir fordern mit allem Nachdruck, daß das große Sozialwerk des deutschen Sports, die Sporthilfe, nicht verkümmern darf.
Wir müssen uns unserer sozialen Verpflichtung für die Leistungssportler bewußt werden. Die Konzentration auf den Leistungssport darf für den jungen Menschen nicht zu einem Verlust an Bildungs-, Berufs- und Lebenschancen führen. Die Forderung z. B., die Benachteiligung von Leistungssportlern im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Studienplätze zu beseitigen, entspricht einer sozialen Verpflichtung unserer Gesellschaft.
Der Bundesinnenminister hat in seinem engagierten Plädoyer für den Leistungssport den Sport als ein Mittel nationaler Identifikation bezeichnet. Wir stimmen auch dem zu. Wir müssen aber davor warnen, die Zahl der errungenen Goldmedaillen zum Gradmesser der Leistungsfähigkeit des jeweiligen politischen Systems zu machen. Sosehr wir für den Wettbewerb in diesem Bereich sind, sowenig werden wir uns die Chance der Freiheit im Sport durch den Erfolgszwang eines totalitären Regimes nehmen lassen.
Wir wollen die Freiheit im Sport und für den Sport. Diese Freiheit zu sichern und zu erweitern ist Ziel unseres Antrages auf Erarbeitung eines Sportplans, ist Ziel unserer Anträge zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten der freien Sportorganisationen. Es geht gar nicht so sehr um mehr Geld für den Sport, sondern es geht zunächst um mehr Klarheit und mehr Durchsichtigkeit, die einen wirksameren Einsatz der vorhandenen Mittel und eine gezieltere Planung ermöglichen. Dazu müssen Grundentscheidungen getroffen werden, Entscheidungen, denen sich auch die Koalition nicht entziehen kann. Die CDU/CSU ist auch in der Sportpolitik für die Entscheidung zur Freiheit.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Nachdem wir, schon einige Zeit zurückliegend, die letzte Sportdebatte hatten, scheint es mir notwendig zu sein, nicht nur ein paar Bemerkungen zu den verschiedenen Anträgen der Großen Anfrage zu machen, sondern auch ein paar grundsätzliche Überlegungen in diese Sportdebatte einzubringen. Ich werde auf die Punkte, die der Kollege Schäuble hier angesprochen hat, in diesem Zusammenhang eingehen.Wir Freien Demokraten treten für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit des Sports mit der öffentlichen Hand zur Verwirklichung der gemeinsam als richtig und notwendig erkannten Pläne und Vorstellungen für den Sport an. Diese grundsätzliche Aussage ist ein Kernstück unserer Leitlinien zur Sportpolitik, die hier schon angesprochen worden sind. Wir haben offen dazu gesagt, daß wir diese Leitlinien zunächst in der Partei, in der Öffentlichkeit zur Diskussion stellen, und in dieser Diskussion befinden wir uns jetzt. Es ist unsere Überzeugung, daß der Sport Sache aller gesellschaftspolitisch Verantwortlichen in unserem Lande ist und, soweit das noch nicht geschehen ist, werden muß. Da nützt es gar nichts, wenn einmal bei einer Sportdebatte der eine oder andere, der sich sonst nicht um Sport kümmert, mit seinen Beitrag leistet. Es kommt vielmehr darauf an, daß alle gesellschaftspolitisch Verantwortlichen bei jeder Gelegenheit dazu stehen und nicht nur aus Anlaß von offiziellen Erklärungen oder offiziellen Veranstaltungen, wie das leider sehr oft geschieht.Es ist deutlich geworden, daß sich alle Fraktionen für die Belange des Sports einsetzen, daß es aber doch sehr wohl Auseinandersetzungen über Sachfragen gibt, die wir hier austragen müssen. Wir räumen dem Sport einen hohen gesellschaftspolitischen Rang ein. Er hat ständig wachsende Bedeutung für uns, für die Bildungspolitik, für die Sozial- und die Gesundheitspolitik, und es wird eben zunehmend klar und eigentlich auch kaum noch bestritten, daß gerade für den Menschen in einer Industriegesellschaft der Sport von entscheidender Bedeutung ist und ihm helfen kann. Ich will hier nicht
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MischnickEinzelgesichtspunkte darlegen, sondern nur darauf hinweisen, weil es immer wieder notwendig ist, zu betonen, daß der Sport helfen kann, Lebenssituationen besser zu gestalten und zu bewältigen, das physische und das psychische Wohlbefinden zu stärken, Gesundheit und Lebensfreude zu erhalten, die gesellschaftliche Integration zu erleichtern, eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu ermöglichen und auch die Entwicklung fairer Verhaltensweisen zu fördern. Ich weiß, manche halten dem die Fouls entgegen, die es in einem Spiel geben kann. Aber insgesamt gesehen sind doch diejenigen, die im Sport tätig sind, oft eher zu fairen Verhaltensweisen untereinander fähig als diejenigen, die das Erlebnis, in einer Mannschaft oder gemeinsam im Sport tätig gewesen zu sein, nicht gehabt haben. Dies sollen wir auch als eine Aufgabe in unserem demokratischen Staat sehen. Natürlich gehört der Sport auch zu einer Art angewandter Gesundheitspolitik. Ich denke hier an die Trimm-Dich-Bewegung, die ein besonders erfolgreiches Beispiel dafür ist.Aus der Einschätzung der Bedeutung des Sports ergeben sich dann natürlich Grundsätze für die Sportförderung. Wir sind der Meinung, Grundvoraussetzung der Förderung des Breiten- wie des Spitzensports sind leistungsfähige Vereine und Verbände des Sports. Ohne die Hunderttausende von freiwilligen, zum allergrößten Teil ehrenamtlichen Helfer — ich schließe mich hier dem Dank, den ihnen die Kollegen aus den beiden anderen Fraktionen ausgesprochen haben, voll an — könnte ein freiheitlich organisierter Sport überhaupt nicht bestehen. All diesen Helfern müssen wir immer wieder danken. Wir müssen ihnen dankbar dafür sein, daß sie dem Staat viele Aufgaben abnehmen, die er sonst in der Nachbehandlung zu erfüllen hätte. Darüber sollten wir uns völlig einig sein und dies auch wirklich unterstützen.
Für uns hier im Bundestag ist natürlich die Frage der Förderung des Sports durch den Bund das Entscheidende. Wir wissen, daß die Fragen der formellen Zuständigkeit eine große Rolle spielen.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein paar Bemerkungen zu dem Antrag bezüglich eines Bundessportplans machen. Herr Kollege Schäuble, Sie haben gesagt, daß es mit einem solchen Bundes-sportplan möglich wäre, zu konkreteren Ergebnissen zu kommen. Sie haben ferner gesagt, es seien keine Sachaussagen dazu gemacht worden. Sie wissen aber doch ganz genau, daß das bei den Beratungen im zuständigen Ausschuß geschehen ist. Wir haben bis ins Detail hinein dargestellt, aus welchen Gründen ein Bundessportplan bei den Zuständigkeitsverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland nicht sinnvoll sein kann. Wir wollen die Selbständigkeit des Sports ja gerade nicht gefährden. Sie werden mir zugeben müssen: Wenn ein Bundessportplan qua Verordnung, qua Gesetz, qua Beschluß aufgestellt wird, ist das natürlich ein Korsett, in das der Sport hineingezwängt wird.
Insoweit halten wir es nicht für richtig, einen Bundessportplan qua Bundesregierung aufzustellen.Wir wollen weitestgehende Beweglichkeit im Sport erhalten, wir wollen schnell reagieren können, wir wollen die Unabhängigkeit des Sports wahren und fördern, was aber nicht ausschließt — daran darf ich erinnern —, daß man im Rahmen der Deutschen Sportkonferenz zu der Überlegung kommt,
ob man einen gemeinsamen Sportplan entwickeln soll. Dort, wo Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam mit dem Sportbund vertreten sind, sollte man sich überlegen, ob man ein gemeinsames Konzept der Deutschen Sportkonferenz als eine Art Sportplan erarbeiten kann; denn dort ist die Frage der Zuständigkeit nicht von entscheidender Bedeutung. Hier kann man aber auch gleichzeitig festlegen, wer in welchen Bereichen was entscheiden soll. Genau das habe ich auch im Ausschuß als Beispiel genannt. Die Opposition ist allerdings auf diese Überlegungen nicht eingegangen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Spilker?
Bitte, Herr Kollege Spilker!
Herr Kollege Mischnick, können Sie sich vorstellen, daß bei so einem Modell Beschlüsse der Sportkonferenz überhaupt eine Chance hätten, jemals durchgesetzt zu werden? Wissen Sie — davon gehe ich aus —, daß in der Praxis von über 20 Empfehlungen der Deutschen Sportkonferenz ganze vier oder fünf, und zwar die unwichtigsten, realisiert worden sind?
Herr Kollege Spilker, ich werde zur Sportkonferenz noch ein paar Sätze sagen. Aber der entscheidende Punkt bei der gesamten Frage ist doch, daß es bei den Zuständigkeitsverhältnissen eben nicht die Frage ist, ob allein dieser oder jener Punkt, der sich mit bundespolitischen Dingen befaßt, erreicht wird; er muß auch da, wo es in die Länder, wo es in die Gemeinden hineinwirkt, verwirklicht werden. Und da kann ich nur feststellen, daß dies bis zur Stunde leider nicht geschehen ist. Deshalb müssen wir nach meiner Überzeugung zu einer gemeinsamen Haltung über die Sportkonferenz für einen Gesamtsportplan für Bund, Länder und Gemeinden kommen. Das kann vielleicht der Pep sein, den die Sportkonferenz braucht, um hier auf Dauer die Aufgabe zu erfüllen, die sie an sich erfüllen sollte, nämlich für Koordination zwischen den vielen Beteiligten in der Sportpolitik zu sorgen. Diese Aufgabe muß über die Sportkonferenz gelöst werden, aber nicht durch einen Bundessportplan, der als Gesetz oder Verordnung von der Bundesregierung kommt und den wir hier im Ausschuß beraten und festlegen.
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8844 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
MischnickMeine Damen und Herren, es ist hier vom Kollegen Schäuble der Eindruck erweckt worden, als würde die Frage des Leistungssports in der Koalition nicht positiv gesehen. Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten haben uns immer zur sportlichen Höchstleistung bekannt,
aber natürlich muß diese sportliche Höchstleistung auch eingebettet sein in alle Bereiche des Sports, auch wenn das zu manchen, zu komplizierten Konflikten führt. Der Bund kann hier gerade den Talenten des Höchstleistungssports, wenn sie in ihren Vereinen allein nicht mehr weiter gefördert werden können, durch die Einschaltung der Sportwissenschaft auf der einen Seite und die überregionalen Leistungszentren auf der anderen Seite besondere Hilfen geben. Dazu gehört auch, daß wir alles tun, um die Hochleistungssportler weder im Beruf noch in der Schule noch in der Hochschule zu benachteiligen. Hier würde man aber nicht mit allgemeinen Regelungen vorgehen müssen, sondern wir müssen hier die individuelle Regelung finden, d. h. wir müssen den Einzelfällen gerecht werden, müßten beispielsweise im Hochschulrahmengesetz über die Härtefälle-Regelung eine Lösung finden. Eine Pauschalklausel würde hier zu Berufungsfällen führen. Ich glaube, auch darüber können wir uns verständigen.
— Entschuldigung, im Wissenschaftsausschuß ist ausdrücklich bei der Beratung des Hochschulrahmengesetzes
zu Protokoll gegeben worden, daß dies bei der Festlegung der Härtefälle berücksichtigt wird. Das ist doch ein Punkt, den wir tun können, nicht mehr.
— Entschuldigen Sie, der Kollege Möllemann wird nachher dazu Stellung nehmen, wenn Ihnen das lieber ist. Er wird das im einzelnen noch einmal darlegen. Es ist zu Protokoll gegeben worden, daß in Härtefällen der Leistungsportler mit anerkannt werden muß und nicht ausgeschlossen wird. Dies ist gestern geschehen. Sie können das doch nicht bestreiten.
Herr Kollege Schäuble hat über die Fragen der Glücksspirale und der Briefmarken gesprochen. Hier ist unter den sportlich Interessierten immer Einmütigkeit gewesen, hier hat es nie eine andere Auffassung gegeben. Sie wissen sehr genau, daß ich gerade im Sportausschuß diese Frage mehrfach von mir aus zur Diskussion gestellt habe. Aber die Fortsetzung der Glücksspirale ist nicht eine Entscheidung der Bundesregierung, sondern eine Entscheidung der Landesregierungen, und Sie wissen ganz genau, daß die Widerstände hier aus verschiedenen Ländern immer wieder vorhanden gewesen sind.
— Aus verschiedenen Ländern! Da sind die Landesfinanzminister und da sind die Sozialminister, ganz gleich, ob sie aus dem Lager der SPD oder aus dem der CDU gekommen sind.
— Bei den Finanz- und Sozialministern, die ich genannt habe, sind wir nicht dabei. Bei den Innenministern ist nämlich durch den hessischen Innenminister Bielefeld unterstützt worden, diese Glücksspirale fortzusetzen.Hier wird es darauf ankommen — das ist ein typisches Beispiel dafür —, die Zusammenarbeit nicht hier zu verlangen und dann draußen zu verweigern. Es kommt darauf an, daß wir gemeinsam mit unseren Freunden in den Ländern dafür sorgen, daß die Möglichkeit zur Fortsetzung der Glücksspirale geschaffen wird.
— Das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Aber ich kenne manche, die Sport treiben und sich in den Ländern im Kabinett trotzdem nicht durchsetzen können. Da müssen Sie einmal bei Ihren Kollegen nachfragen, die das noch nicht geschafft haben.
Nun zur Frage der Briefmarke. Der Sportausschuß ist sich in dem Verlangen nach einer weiteren Briefmarke einig. Wir haben das dem Bundespostministerium in aller Deutlichkeit gesagt. Im Augenblick sind in diesem Bereich weitere Verhandlungen im Gange. Die Bedenken dagegen sind doch nicht etwa von der Regierung als Regierung gekommen. Sie wissen ganz genau, daß die Bedenken aus den verschiedenen freien Bereichen gekommen sind, sei es aus dem Wohlfahrtsbereich, sei es selbst aus dem Bereich der Spitzenorganisationen der Briefmarkensammler, was ich überhaupt nicht verstehe. In dieser Hinsicht gibt es aber eine übereinstimmende Meinung zwischen den Kollegen im Sportausschuß.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege, Sie können nicht in einem einzigen Fall den Beweis dafür liefern, daß ich dieses Anliegen nicht etwa von Anfang an unterstützt habe; im Gegenteil, ich habe mich dafür in aller Offentlichkeit eingesetzt. Deshalb bitte ich, hier nicht so zu tun, als sei das erst ab heute der Fall. Das ist die ganze Zeit so geschehen.
Meine Damen und Herren, wir müssen im Zuge der weiteren Entwicklung den Sport in den Gesetz-
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Mischnickentwürfen stärker verankern als bisher, d. h. bei jedem Gesetz — ob Baugesetz, ob Raumordnungsgesetz, ob es um Fragen des Schulbaus geht — ist nach unserer Auffassung der Sport von vornherein einzubeziehen; dem Sport — diese Auffassung teile ich — ist die Möglichkeit zu geben, auf allen Gebieten entsprechend mitzuwirken.Ich glaube, daß es notwendig ist, auch hier von dieser Stelle aus zu sagen, daß wir — selbst wenn wir keine unmittelbare Zuständigkeit haben — die Förderung und den Ausbau des Schulsports als eine ganz entscheidende Frage ansehen und hier, soweit der Bund mit Modellvorstellungen helfen kann, unterstützend tätig sein wollen, nicht zuletzt über das Bundesinstitut für die Sportwissenschaften. Ich halte es allerdings auch für notwendig, daß das Fach Sport — gerade bei den Sportstudenten — bei der Berechnung der Noten, wie es die Kultusministerkonferenz an sich vorsieht — es ist aber nicht immer gewährleistet, daß so verfahren wird —, mit in die Bewertung einbezogen wird. Auch scheint es mir notwendig zu sein, daß die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Sportvereinen stärker als bisher gefördert wird, um auf diese Art und Weise die Basis zu verbreitern.Ich habe schon davon gesprochen, daß der Hochleistungssport, der Spitzensport, gerade vom Bund besonders unterstützt werden kann. Hier wird es notwendig sein, die Förderung von Talenten beispielsweise durch den Internatsausbau — wir haben damit recht gute Erfahrungen gemacht — weiter zu fördern und selbstverständlich gleichzeitig den schulischen Erfolg der Betreffenden sicherzustellen. Dies gehört zusammen. Im Bereich des Turnens ist dies teilweise gut gelungen.Wir wissen, daß wir dem Sport an den Hochschulen mehr Gewicht geben müssen. Ich habe schon zu einem Punkt, nämlich zur Frage der Zulassung, Stellung genommen. Es scheint mir allerdings auch notwendig zu sein, daß das Angebot des Sports an den Hochschulen nicht nur für die Sportstudenten, sondern allgemein für alle Studenten erweitert wird und daß die Sportstundenten auch als Übungsleiter herangezogen werden, um auf diese Art und Weise schon während des Studiums in die praktische Arbeit eingeschaltet zu werden.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat ja 1970 ein Programm für den Sport an Schulen und Hochschulen verkündet. 1972 haben wir zusammen mit dem Deutschen Sportbund das Aktionsprogramm für den Schulsport festgelegt. Wir kennen die Zielsetzungen der Bildungsplanung. Wir sind der Meinung, daß gerade in der Bildungsforschung Modellversuche für den Sport im Bereich von Kindergärten, Schulen und Hochschulen geschaffen werden sollten, um von dieser Seite unterstützend zu wirken, denn eine Kompetenz für die unmittelbare Einwirkung haben wir ja nicht, aber die Möglichkeit, über Modelle mitzuwirken, ist gegeben.Ich darf auch darauf hinweisen, daß wir gerade über die Bundesjugendspiele, „Jugend trainiert für Olympia", im Sportausschuß eine ganze Menge vonAnregungen nicht nur aufgenommen, sondern sie auch gemeinsam durchgesetzt haben. Ich verstehe, daß man in einer solchen Debatte durchaus auch die Unterschiede herausstellen will, doch sollte man nicht ganz vergessen, was man durch gemeinsame Haltung quer durch die Fraktionen erfreulicherweise erreicht hat, wobei sich gezeigt hat, daß die im Sport Engagierten über die Parteigrenzen hinweg leichter zu einer gemeinsamen Auffassung zu bringen sind, als dies auf manchen anderen Gebieten der Fall ist.Meine Damen und Herren, eine kurze Bemerkung zur Frage des Sportstättenbaues. Es gibt immer wieder die Anfragen und den Vorwurf, daß hier nicht mehr getan wird. Es ist in der Antwort auf die Große Anfrage darauf hingewiesen worden, daß wir im Rahmen des Goldenen Planes ab 1. Januar 1975 nicht mehr mitfinanzieren können. Ob diese Entscheidung im Zuge der Finanzreform 1969 der Weisheit letzter Schluß war, möchte ich hier nicht untersuchen. Aber aus der Großen Anfrage — und hier verstehe ich nicht, wieso man von einer Reihe von Unverbindlichkeiten reden kann —, geht doch eindeutig hervor, welche Möglichkeiten wir zur Unterstützung und zur Förderung durch Modellversuche beispielsweise im Zonenrandgebiet, über die Gemeinschaftsaufgabe „regionale Wirtschaftsstruktur", über die Sonderprogramme für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen oder zur Schaffung von Sportleistungszentren haben und auch genutzt haben, um von seiten des Bundes das Richtige zu tun.Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung jetzt die Erarbeitung eines Leistungszentrenplanes als eine Art Leitplanung angeregt hat, denn wir wissen, daß die Bundesleistungszentren zwar in bestimmten Bereichen Voraussetzung für gute Erfolge waren, daß aber auch Mängel sichtbar geworden sind. Im Blick auf die Olympischen Spiele 1976 muß alles getan werden, um zu vermeiden, daß die bekannten Mängel fortwirken.Meine Damen und Herren, es wäre verführerisch, in die Fragen des Freizeitsportes und die detaillierten Überlegungen in diesem Bereich einzutreten. Ich möchte dies einem anderen Kollegen überlassen.Nur noch ein paar Bemerkungen zu den Fragen des innerdeutschen Sportverkehrs. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß es ein sehr schwieriges Kapitel war, aber daß es ein gutes Zusammenwirken zwischen der öffentlichen Hand und dem Sport gab, wo dies notwendig geworden ist. Es hat sich als richtig erwiesen, daß die Verhandlungen in der Hand des Sportes blieben. Die erzielten Ergebnisse stellen freilich nicht die Erfüllung unserer Maximalvorstellungen dar. Natürlich wären wir froh, wenn wir nicht über 40, 60 oder 80 Sportbegegnungen pro Jahr verhandeln müßten, sondern wenn es um Hunderte von Sportbegegnungen ginge. Wir müssen aber Schritt für Schritt weitergehen und dürfen das Erreichte nicht abwerten, müssen vielmehr deutlich machen, daß wir wieder einen Schritt vorwärts gekommen sind. Wir dürfen die weiteren Entwicklungen und Zielvorstellungen nicht aus den Augen verlieren. Wir dürfen auch nichts tun — ich möchte das, meine sehr verehrten Damen und Her-
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Mischnickren, genau so deutlich sagen —, was den Eindruck erweckt, als wären solche Veranstaltungen in den beiden deutschen Staaten mit Begegnungen zweier deutscher Mannschaften für uns ein Vorgang, den man nur vom Kommerziellen her zu sehen hat. Es kommt darauf an, daß auch die innere Einstellung zu diesen Sportbegegnungen zwischen den beiden deutschen Sportverbänden der Sache angemessen ist. Der Deutsche Sportbund und der Deutsche Fußballbund sollten dazu beitragen, daß sich dessen jeder bei jeder Entscheidung in diesem Bereich bewußt bleibt.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße es, daß mir diese Sportdebatte Gelegenheit gibt, die Sportpolitik der Bundesregierung in wesentlichen Hinsichten zu erläutern. Ich stelle zunächst mit Genugtuung fest, daß sich auf dem Gebiete des Sports gleichgerichtete Zielsetzungen aller Parteien dieses Hohen Hauses begegnen und daß viele Gemeinsamkeiten bestehen. Freilich gibt es auch hier Mißverständnisse und Mißdeutungen, die der Sache nicht gerecht werden. Ich muß auch an dieser Stelle einiges richtigstellen, was die Opposition heute und hier wieder in ein schiefes Licht gerückt hat. Das werden Sie mir nicht verdenken.Der bisherige Verlauf der Debatte hat mir erneut bestätigt, daß die politische Bedeutung des Sports überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Diese Auffassung wird von allen Seiten des Hauses geteilt. Daß dies auch der Auffassung der Bundesregierung für alle Bereiche des Sports entspricht, macht ihre Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP deutlich. Diese Antwort veranschaulicht zugleich die enge Verknüpfung der Sportpolitik insbesondere mit der Bildungs-, der Gesundheits-, aber auch der Jugendpolitik des Bundes.Lassen Sie mich in einigen einleitenden Bemerkungen zunächst die Konzeption von Sport verdeutlichen, die hinter diesem Konzept der Sportförderung steht. Das möchte ich mir auch hier im Plenum des Parlaments nicht versagen. Sie haben es vorhin wieder in Erinnerung gebracht, daß ich kürzlich vor dem Sportausschuß dieses Hohen Hauses den Sport, entgegen dem landläufigen Urteil, hier handle es sich um die „klarste Sache" der Welt, als eine „rätselhafte Sache" bezeichnet habe. Klar ist sicher, daß der Sport in unserer fast in Bewegungsstarre verfallenen technischen Zivilisation eine im wahrsten Sinne überlebensnotwendige Bedeutung schon als Bewegungsausgleich hat und dem Sport allein von daher eine politische Funktion der Gesunderhaltung und der Körperertüchtigung zukommt.Vieles, was wir heute — daran hat ja auch Herr Mischnick soeben erinnert — unter dem Markenzeichen „Fitness-Training" oder „Trimm Dich" als Freizeitsport für jedermann propagieren und in dem vielfach schon wettkampfmäßig betriebenen Breitensport organisieren, hat bereits darin seine politische Legitimation. Insoweit ist Sportpolitik, um es klar zu sagen, immer auch angewandte Gesundheitspolitik.Sport ist aber wesentlich mehr. Das möchte ich auch hier und heute nochmals unterstreichen. Sport bezieht sich nicht einfach auf den körperlichen Menschen, Sport bezieht sich auf den ganzen Menschen, von einer bestimmten Seite angesehen. Sport ist für mich eine der wenigen Betätigungen menschlicher Freiheit in einer hochspezialisierten Industriegesellschaft, in der sich — Sie werden mir als Liberalem dieses Wort nicht verargen — vor allem so etwas wie Spontaneität entfalten kann. Schon die kleinste sportliche Leistung geht aus einer — das ist die seltsame Sache — Verbindung von spielerischer Freiheit und strenger Gesetzmäßigkeit oder, um es mit anderen Worten zu sagen, von Spontaneität und Disziplin hervor. Dies ist eine beispielhafte Erfahrung gerade für den jungen Menschen — ich habe es an mir selber erlebt —, die nicht nur für den Bereich des Sports, sondern für den der Gesellschaft insgesamt gilt.Hinzu kommt, vor allem im Wettkampfsport, die Übung in Fairneß gegenüber dem sportlichen Gegner unter strenger Einhaltung gesetzter Regeln des „Fair play", aber auch das Erlebnis von — das ist ein heute fast immer nur in Gänsefüßchen gesetztes Wort — Kameradschaft oder, wenn man so will, von Solidarität im Mannschaftskampf, in voller Übernahme des jeweils zugefallenen Parts, ob als Steuermann oder Vorschotmann in einem Boot oder als Stürmer oder Verteidiger in einer Fußballmannschaft. Aus diesem spielerischen Vollzug sportlicher Rollen, dieser spontanen und doch disziplinierten, nicht nur individuellen, sondern auch kollegialen Aktivität entsteht schließlich das, was wir „Sportsgeist" nennen. Sportgeist und Staatsgesinnung aber stehen, wie vor allem das englische Beispiel zeigt, in hintergründiger Verbindung zueinander.
Und doch ist Sport selbst mehr noch als dies. Sport ist immer auch das Abtasten der Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit überhaupt. Ob wir es wollen oder nicht — das ist sicher ein Wort, das manche hier anstößig finden werden —, Sport als Spitzensport ist dabei immer auch Wettstreit der Nationen und der Kontinente. Daran führt überhaupt nichts vorbei. Als solcher wird er nicht nur von den Aktiven erlebt, als solcher begründet er auch die Faszination von Länderkämpfen und Weltmeisterschaften selbst für Bürger — und das ist ja wirklich ein Kuriosum —, die niemals einen Fuß in ein Fußballstadion oder in eine Leichtathletikarena gesetzt haben.Warum ist das eigentlich so? Ich meine, man kann darüber nur dann lächeln oder spötteln gar, wenn man übersieht, daß der Mensch auch und gerade im Hinblick auf den sportlichen Wettkampf, offenbar von den delphischen Spielen an, ein gefühlsmäßiges Bedürfnis zur Identifikation mit dem eigenen Verein, mit der eigenen Stadt, mit dem eigenen Land oder auch mit der eigenen Nation, ja selbst — wir
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihoferhaben es ja erlebt — mit dem eigenen Kontinent hat. Damit wird Sport gerade heute zu einer der Hauptsachen nationaler Identifikation — ich sage es ganz unverhohlen — und nationaler Repräsentation, ja in manchen Augen — nicht in den meinen — gar zu einem Gradmesser für die Leistungsfähigkeit des jeweiligen politischen Systems.Auch diese — ob wir dies nun wollen oder nicht— staatspolitische Bedeutung des Sports können wir neben seiner gesundheitspolitischen und gesellschaftspolitischen nicht hoch genug veranschlagen. Dieses grundsätzliche Verständnis von Sport in unserer heutigen Welt steht auch hinter der Sportpolitik dieser Bundesregierung. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der FDP macht dies für jedermann offenkundig. Entsprechend spannt sich der Bogen politischer Aktivitäten von zentralen Förderungsmaßnahmen, Modellvorhaben und Forschungsprojekten bis hin zum Sport in den internationalen Beziehungen und zum inzwischen vertraglich geregelten Sport mit der DDR.Das gute Verhältnis der Bundesregierung zum Sport wird schon durch nüchterne Zahlen belegt; ich kann sie in dieser Stunde hier nicht unterschlagen. Lassen Sie mich dies beispielhaft an der Entwicklung der Ausgaben für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports veranschaulichen. Der hierfür im Haushaltsplan meines Ressorts veranschlagte Titel ist seit 1969, dem Jahr, von dem an die sozialliberale Koalition die Regierungsverantwortung übernommen hat, mehr als verdreifacht worden.
Da sich die Sportpolitik der sozialliberalen Koalition erstmals im Jahre 1970 auswirken konnte — das ist ja immer so bei Haushaltsverhandlungen —, bitte ich Ihre Aufmerksamkeit besonders auf den sprunghaften Anstieg der Förderungsmittel von 11,26 Millionen DM im Jahre 1969 auf 17,40 Millionen DM im Jahre 1970 zu richten.
— Es geht ja weiter! Die kontinuierliche Aufwärtsentwicklung führte innerhalb weniger Jahre bereits 1974 zu einem Haushaltsansatz von 25,62 Millionen DM. 1975 werden es schon über 30 Millionen DM sein.
— Nein!
Ich bitte Sie, dabei zu beachten, daß die Sportwissenschaft entgegen den früheren Jahren seit 1970 über das Bundesinstitut für Sportwissenschaft zusätzlich aus einem eigenen Haushaltstitel gefördert wird. Der Förderungssumme von — ich fasse nochmals zusammen — 11,26 Millionen DM im Jahre 1969 steht also 1975 in Wirklichkeit, wenn Sie alles zusammennehmen, nur für die zentralen Maßnahmen bitte, für sonst nichts, ein Förderungsbetrag von bereits knapp 40 Millionen DM gegenüber. Das ist immerhin fast ein Vervierfachung, jedenfalls eine Verdreifachung der ursprünglichen Ansätze.Ich greife nur noch ein einziges weiteres Beispiel heraus, das die effektiven Relationen zeigt. Für die Förderung des Sports in den Entwicklungsländern sind im Jahre 1969 913 000 DM ausgegeben worden. Die Aufwendungen 1974 betragen ca 7,3 Millionen DM, für 1975 sind es bereits 8,8 Millionen DM. Setzt man das Jahr 1969 zu 1975 in Beziehung, so ergibt sich danach eine Steigerung um das über Neunfache.Lassen Sie mich den Fortschritt, der durch diese Bundesregierung erreicht wurde — Sie werden mir nicht verübeln, daß ich Ihnen in dieser Stunde unsere Erfolgsbilanz noch einmal vor Augen rücke —
— sicher, das kann ich unbefangen tun, weil ich mich ja nicht selbst zu rühmen habe, sondern meinen Vorgänger
und den Finanzminister und damit seinen Vertreter— noch durch folgende Fakten verdeutlichen, die grundsätzliche Fragen des Sports in unserem Lande betreffen.Erstens. 1969 hat es neun funktionsfähige Bundesleistungszentren gegeben. Nunmehr stehen über 20 überwiegend aus Bundesmitteln finanzierte zur Verfügung. Die Landesleistungszentren mit Bundesnutzung und deren Mitfinanzierung sind ein Mittel der Sportförderung des Bundes überhaupt erst nach 1969 geworden. Heute haben wir 32 dieser Landesleistungszentren, die mit Bundesmitteln errichtet worden sind und die das Angebot an hervorragenden Trainingsstätten erweitern.Zweitens. 1969 wurde die Beschäftigung von 55 hauptamtlichen Bundestrainern aus Bundesmitteln ermöglicht. 1974 übernimmt die Regierung die Kosten der Beschäftigung von bereits 72 Bundestrainern. Nach der mittelfristigen Planung werden im Jahre 1976 95 hauptamtliche Bundestrainer zur Verfügung stehen. Hierbei bleibt noch unberücksichtigt, daß die Bundesregierung zusätzlich die Aufwendungen für eine Vielzahl nebenamtlicher Bundestrainer trägt; hier sind nur die hauptamtlichen genannt.Drittens. Die Bezahlung hauptamtlicher Führungskräfte — ein weiteres Beispiel — ist ein Mittel der Sportführung erst im Jahre 1970 geworden. Diese Bundesregierung hat sich hierbei von der Erkenntnis leiten lassen, daß verbesserte Führungsstrukturen für die weitere Entwicklung des Sports unabdingbar sind und letztlich auch einer angemessenen und wirtschaftlichen Verwendung der Bundesmittel zugute kommen. In diesem Jahr stehen Bundesmittel für über 30 hauptamtliche Führungskräfte zur Verfügung. Im Jahre 1976 wird die Beschäftigung von 50 Führungskräften finanziell sichergestellt sein.Die Fragestellung im Rahmen der Großen Anfrage der Regierungskoalition hat wichtige Akti-
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihof ervitäten meines Hauses ausgeklammert. Um in dieser Debatte heute kein unzutreffendes Bild entstehen zu lassen, möchte ich diese Lücke wenigstens durch skizzenhafte Darstellung der in der Beantwortung der Großen Anfrage nicht oder nur beiläufig angesprochenen Förderungsmaßnahmen zugunsten des Sports ausfüllen.Solche Schwerpunkte der Förderung meines Hauses sind ja nicht nur erstens Förderung des Spitzensports — worauf ich anschließend noch näher eingehen werde —; sondern auch zweitens die Förderung des Versehrtensports; drittens die Stärkung der Selbstverwaltung bei den zentralen Sportorganisationen, die auch die institutionelle Förderung des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees einschließt; viertens verstärkte Förderung des Sportwissenschaft mit der zentralen Aufgabe der Forschungskoordinierung; fünftens Ausbau der organisatorischen und personellen Voraussetzungen zur verbesserten Förderung des Sports in den Entwicklungsländern; und schließlich sechstens zentrale Förderungsmaßnahmen, die dem Breiten- und Freizeitsport dienen, wie beispielsweise die Übernahme von Kosten für zentrale Modellehrgänge und modellhafte Lehrhilfen, zentrale Maßnahmen der Werbung mit Bewußtseinsbildung sowie für die Entwicklung fachspezifischer Freizeitsportprogramme.Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang — ich glaube, das ist hier der rechte Ort — auch einen kleinen Exkurs zu einem ganz wichtigen Thema eben dieses Breiten- und Freizeitsports: den allgemeinen Sportstättenbau. Denn dies ist zugleich der Punkt, den der Deutsche Sportbund die Kernfrage der Entwicklung des Sports genannt hat. Daß dieses Thema besonders aktuell ist, verdeutlicht nicht nur die Prognose des Deutschen Sportbundes, nach der es in den achtziger Jahren mehr als 30 Millionen sporttreibende Menschen geben wird. Eindringlich wird uns die Problematik auch durch einen „Zwischenbericht zum Stand der Arbeiten am Forschungsprojekt zur Soziologie des Sportvereins" nahegebracht. Darin wird darauf hingewiesen, daß sich die Vereine mit ihrer räumlichen und personellen Ausstattung der Sportnachfrage nicht mehr gewachsen sehen werden. Das Problem der Vereine sei nicht die Mobilisierung neuer Mitglieder — daran ist kein Mangel —, sondern vor allem die Beschaffung von Übungsstätten.
Bei dieser Situation ist es bedauerlich — ich kann das nur noch einmal unterstreichen, was schon Herr Mischnick gesagt hat , daß die Bemühungen der Bundesregierung, im Rahmen der Finanzreform den Sportstättenbau in den Katalog der Gemeinschaftsaufgaben aufzunehmen, keinen Erfolg hatten. Auf Grund der Ergebnisse der Finanzreform können Sportanlagen im Rahmen des „Goldenen Plans" vom Bund nur noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres mitfinanziert werden. Das ist ein bedauerlicher Rückschritt, ich möchte schon sagen: ein klarer Rückschlag; jedenfalls empfinde ich es so.
Nach Ablauf der Beteiligung des Bundes am Goldenen Plan kann die Bundesregierung den Sportstättenbau in den Gemeinden nur noch im Rahmen spezieller Finanzierungsmöglichkeiten, wie etwa der Zonenrandprogramme, fördern.
— Mich freut besonders, wenn S i e das hier feststellen; denn diese Entwicklung, das kann man nicht verschweigen,
ist maßgeblich von den CDU/CSU-regierten Ländern mit getragen worden.
Das ist völlig unbestreitbar. Aber allen voran die CDU/CSU-regierten Länder!
Ich halte deshalb gelegentliche Versuche für unvertretbar, dies der Bundesregierung oder der sozialliberalen Koalition anzulasten. Hier sollten wir, wenn Sie so empfinden wie ich, gemeinsam möglicherweise nochmals einen neuen Versuch machen, diesen für mich wirklich schmerzlichen Rückschlag in gemeinsamer Anstrengung aufzuholen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Evers?
Bitte sehr!
Herr Bundesminister, nachdem Sie versucht haben, die Leistungen der gegenwärtigen Bundesregierung so zu loben: Sind Sie bereit, einzuräumen, daß der Antrag, den allgemeinen Sportstättenbau zu einer Gemeinschaftsaufgabe zu machen, ein Antrag der Bundesregierung Kiesinger gewesen ist? Ist Ihnen bekannt, daß wir mehrfach versucht haben, die gegenwärtige Bundesregierung dazu zu bewegen, diese Initiative erneut aufzugreifen?
Ich habe Ihnen ja gerade eben schon in der Antwort auf diese Zwischenrufe gesagt, daß das genauso auch meiner persönlichen Überzeugung entspricht. Ich halte da gar nichts vom Schwarzer-Peter-Spiel hin und her.
— Ja, sicher! Ich habe ja, noch bevor Sie Ihre erneute Frage stellten, gesagt, daß ich das auch von
Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
meiner Seite als einen empfindlichen Rückschlag in einer wichtigen Frage der künftigen Sportförderung ansehe.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zum Kernpunkt dessen, was ich hier vorzutragen habe. Die überwiegenden Aktivitäten meines Hauses auf dem Gebiete der Sportförderung beziehen sich, wie Sie ja wissen, auf den Spitzensport. Hierbei sehe ich meine Hauptaufgabe darin, das Leistungssportprogramm der Bundesregierung — denn um ein solches handelt es sich weiter zu vervollständigen. Jedem sinnvollen Leistungssportprogramm muß eine dynamische, aber auch eine systematische Konzeption zugrunde liegen. Es ist davon auszugehen, daß der Sportler in einer freiheitlichen Gesellschaft einen anderen Entwicklungs- und Ausbildungsweg hat, als etwa der Staatsamateur in den Ländern Osteuropas. Auch die Sportförderungsmaßnahmen, die auf die jeweiligen Entwicklungsstufen abgestimmt sein müssen, von denen ich gleich reden werde, sehen in einer freiheitlichen Gesellschaft anders aus als in Ländern mit anderen Gesellschaftssystemen. Gleich ist allen nur eines: Höchstleistungen wachsen vor allem aus Initiativen von unten — sei es der Schule oder des Vereins — heraus. Das aber heißt: Die lokalen und regionalen Initiativen dürfen nicht ausgetrocknet, sie müssen — im Gegenteil! — gefördert werden. Spitzenförderung kann sowenig allein auf der Bundesebene angesiedelt werden wie der Spitzensport selbst.
Überall, wo Sportler Höchstleistungen erstreben, sieht sich der Sportler einer Vielzahl von Bedingungen gegenüber, die er allein nicht schaffen kann, noch nicht einmal ein Krösus unter den Sportlern — in manchen Sportarten zumindest. Hier müssen die Maßnahmen ansetzen, die die jeweilige Gesellschaft mit den ihr gemäßen Mitteln treffen kann. Deren Ziel ist: jedem Sportler eine faire Chance in der internationalen Konkurrenz zu geben. Sind doch sonst alle Mühen und aller Schweiß — selbst der Besten — vergeblich vertan!
Unserer freiheitlichen Gesellschaft entspricht es dabei, daß die fachliche Heranbildung des Sportlers, der aus Schule und Verein heraus den Anschluß an die Weltspitze sucht, grundsätzlich bei den Sportorganisationen liegt; dafür gibt es für mich keinen Ersatz. Unserem föderativen System entspricht es zugleich, daß die Verantwortung dafür, möglichst günstige Bedingungen für die Entwicklung des Spitzensportlers sicherzustellen, verschiedene Finanzierungsträger trifft, und zwar von unten nach oben: zuerst die private Initiative der Vereine, der Landes- und der Bundessportorganisatieonn und danach erst die entsprechenden staatlichen Initiativen von Gemeinden, Ländern und Bund, die jeweils auf jeder Stufe — Gemeinde und Verein, Land und Landessportverband, Bund und Bundessportverbände — in partnerschaftlichem Zusammenwirken stehen. Diese doppelte Stufenleiter ist Ausdruck auch — ich sage es durchaus ohne Vorbehalt und irgendwelche Gänsefüßchen — des Subsidiaritätsprinzips, nach dem die höhere Organisationseinheit jeweils nur das übernehmen soll, was die orts- oder sachnähere selbst nicht leisten kann.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eilers?
Aber gern!
Herr Minister, darf ich diese Ausführungen so verstehen, daß Sie bereit wären, die damalige Initiative der Bundesregierung Kiesinger wiederaufzunehmen, den Sportstättenbau zur Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern zu erklären?
Ich habe das ja vorhin schon gesagt.
— Ich habe vorhin schon gesagt, daß ich diese Überlegungen wiederaufgreifen möchte.
— Sicher; das ergibt sich doch daraus. Sie wollen es offenbar doppelt und dreifach genagelt haben.Diese grundsätzlichen Überlegungen vorausgeschickt, möchte ich einige Grundzüge des Leistungssportprogramms der Bundesregierung erläutern. Die Förderungsmaßnahmen der Bundesregierung sind darauf abgestellt, daß sich die Förderung des Spitzensportlers in verschiedenen Stufen vollzieht. Der Talentsuche folgt die Phase der Talentförderung auf seinem Weg zur Leistungsspitze, dem wiederum der Abschnitt der Talentbetreuung folgt, in dem das Leistungsvermögen des Spitzensportlers erhalten und nach Möglichkeit noch weiter gesteigert werden soll. Ich möchte vor allem diese dritte Phase der Betreuung des Spitzensportlers noch einmal in drei Aspekte auseinanderlegen: den sportfachlichen, den sportmedizinischen wie den sozialen Aspekt; denn all das fällt ja hier ineinander.Dieses Grundschema der Entwicklung des Spitzensportlers ist zugleich Orientierungsrahmen für den Einsatz jeweils stufenspezifischer Förderungsmaßnahmen. Es sind dies im Bereich der Talentsuche und Talentförderung in Schule und Verein — ich zähle sie hier ausdrücklich auf —: das Programm „Sport an Schule und Hochschule", das den Beitrag der Bundesregierung zum Aktionsprogramm für den Schulsport darstellt; der vom Bund mitfinanzierte Schulmannschaftswettbewerb „Jugend trainiert für Olympia" ; Forschungsvorhaben, die der Entwicklung von Auswahlmethoden und Wettkampfsystemen für die Früherkennung von Talenten dienen, und zuletzt Modellvorhaben und flankierende sportwissenschaftliche Untersuchungen, welche die Integration von Schule und Verein fördern sollen.Wie wir wissen, setzt sich die Talentsuche in der Verbandsarbeit fort. Die Bundesregierung sieht hier Schwerpunkte ihrer Unterstützungsmaßnahmen insbesondere — auch das zähle ich auf — in der Finanzierung von Sichtungslehrgängen und Vergleichs-
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihoferwettkämpfen; dort, wo es sich anbietet, in der Gewährleistung der sportfachlichen Ausbildung in Sportinternaten, von denen ich aus eigener Anschauung sehr viel halte, welche die Bundesregierung bereits für Turnen in Frankfurt, für Schwimmen in Saarbrücken, für Fechten in Bonn, für Modernen Fünfkampf in Warendorf und für Skisport in Berchtesgaden fördert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Einbeziehung der talentiertesten Sportler aus dem Förderungsbereich der Länder, für die sich der von meinem Haus geprägte Begriff „D-Kader" eingebürgert hat, in die zentralen Ausbildungsmaßnahmen der Bundessportfachverbände.In dem Bereich, den ich die „Betreuungsphase der Spitzensportler” genannt habe, konzentrieren sich die Förderungsmaßnahmen des Bundes vor allem — auch hier haben wir eine entsprechende Bilanz aufzuweisen — auf die finanzielle Sicherstellung der zentralen Schulungs- und Wettkampfprogramme der Bundessportfachverbände; auf die Mithilfe beim Aufbau eines bis in die Vereine hineinreichenden dezentralen Stützpunktsystems, worunter Trainingsmöglichkeiten zu verstehen sind, die nach bestimmten Kriterien in Schwerpunktorten des Hochleistungssports geschaffen werden.Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Ausbau eines Netzes von Bundes- und Landesleistungszentren, von denen ich gesprochen habe, deren primäre Funktion es ist, zentrale Ausbildungsstätten des Spitzensports zu sein. Ein anderer Schwerpunkt besteht in der Zuwendung für die Anstellung von Bundestrainern sowie in der Trainerausbildung und -fortbildung, die besonderen Auftrieb mit der Einrichtung einer Trainerakademie in Köln erfährt, die ihren Lehrbetrieb am 1. Oktober 1974 aufgenommen hat. Schließlich ist hier die Bereitstellung von Geräten zu nennen, die der stürmischen Entwicklung des Leistungsniveaus im Hochleistungssport gerecht werden.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller ?
Aber gerne.
Herr Minister, wie halten Sie diese Lobeshymne auf den Spitzensport für vereinbar mit der Feststellung in der über die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichten Illustrierten „PZ", in der Leistungssportler als „Fachidioten" bezeichnet werden, die von „phrasendreschenden Sportfunktionären" geführt werden,
in der es weiter heißt, daß die Olympiade eine „Veranstaltung des miesesten Nationalismus" sei? Halten Sie das für vereinbar, oder ist das ein Bestandteil von Doppelstrategie?
Ich kenne diese Nummer nicht im Detail; sie lag vor meiner Zeit. Sie müssen aber einmal das Ganze lesen.
Diese ganzen Nummern sind so aufgebaut, daß alle diese Phrasen und der ganze Jargon zunächst einmal vorgeführt werden. Das ist in den späteren Nummern auch so.
— So ist es doch. Das ist beim Wohnungsbau oder wo immer genau dasselbe. Dann wird in anderen Artikeln nachgehakt, und es wird dem eine positive Wertung entgegengesetzt. Sie brauchen gar nicht zu lachen; ich bin gern bereit dazu, Ihnen das auch anhand dieser Nummer vorzuführen.
Das wissen Sie ganz genau, die Sie im Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung sitzen, in der wir uns ja schon dutzendfach — auch in meiner Zeit schon mehrfach — damit auseinandergesetzt haben, daß das so ist.
— Nein, wir wollen ja um 13.30 Uhr schließen.
— Nein, es ist gar nicht peinlich, das wird nur lächerlich,
wenn wir uns an solchen Lappalien und Quisquilien aufhalten. Ich finde das wirklich lächerlich. Hier geht es um wichtigere Dinge.
Darüber reden wir einmal an einem anderen Ort,und darüber haben wir schon mehrfach gesprochen.
— Aber nein, ich bitte Sie! Das ist doch im Grunde einfach ein Schaugeschäft, was Sie hier veranstalten. Das bringt uns nicht weiter.
Ich möchte Ihnen eines sagen: Wenn Sie nicht lernen, daß Sport jedenfalls kein Feld für parteipolitische Profilierungskämpfe ist, dann kann ich Ihnen nicht helfen.
Die sportmedizinische Versorgung der Spitzensportler ist ein weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld im Rahmen der Betreuung der Spitzensportler. Die Bun-
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihoferdesregierung hat es ermöglicht, daß zur Zeit" 16 sportmedizinische Untersuchungsstellen für Spitzensportler zur Verfügung stehen. Sie sorgt generell dafür, daß Spitzensportler bei Lehrgängen und Wettkämpfen sportärztlich und physiotherapeutisch versorgt werden. Geprüft wird zur Zeit, ob die Ausbildung und Weiterbildung von Sportphysiotherapeuten gezielt gefördert werden kann, um auch auf diesem Gebiet wirksamere Leistungen anzubieten.Grenzen der unmittelbaren Förderungszuständigkeit der Bundesregierung scheinen mir in unserem Gesellschaftssystem jedoch dort zu liegen, wo es um die außerschulische soziale Betreuung des Sportlers bis hin zu seiner beruflichen Ausbildung und Weiterbildung geht. Dies ist Sache privater Initiative, und das heißt, dies ist Sache der Stiftung Deutsche Sporthilfe.Talentsuche, Talentförderung und Talentbetreuung des Hochleistungssportlers bedürfen selbstverständlich der begleitenden sportwissenschaftlichen Arbeit und Forschung. Über Mittel und Wege hat die Bundesregierung einiges in der Antwort auf die Große Anfrage betr. Sportpolitik und vor allem in ihrem Sportbericht 1973 dargelegt. Die Sportwissenschaft kann und soll uns helfen, Probleme auch im Sportstättenausbau zu bewältigen, sie soll uns, beispielsweise durch den Forschungsauftrag „Effektivität der Leistungszentren", neue Erkenntnisse verschaffen, um die wirtschaftliche Nutzung und Auslastung der Leistungszentren zu verbessern.Um es klar zu sagen: Ohne Sportwissenschaft heute kein Leistungsfortschritt, ohne Sportwissenschaft aber auch unzureichender Schutz des Menschen. Dabei meine ich durchaus, daß der Sportler auch vor den Gefahren geschützt werden muß, die Übertreibungen stetiger Leistungssteigerungen heraufbeschwören; ich meine die Gefahren des Dopings. Die Bundesregierung hat es dementsprechend als ihre Aufgabe angesehen, einen Beauftragten für Forschungen und Untersuchungen auf dem Gebiet des Dopings zu bestellen, der neben seiner praktischen Arbeit die Aufgabe hat, grundsätzliche Erkenntnisse in diesem Bereiche zu sammeln.Meine Damen und Herren, Sie mögen aus diesen Darlegungen ersehen, daß die Bundesregierung bestrebt ist, die große Bedeutung, die sie dem Sport beimißt, in entsprechende Förderungsmaßnahmen umzusetzen. Es besteht jedoch kein Anlaß — darin möchte ich der Opposition durchaus beipflichten —, sich zufrieden auszuruhen. Es gilt weiter zu suchen, wie das Zusammenwirken der privaten Initiativen des Sports mit den staatlichen Hilfen verbessert werden kann. Dies bedeutet auch, die Wirksamkeit der einzelnen Förderungsmethoden und -maßnahmen immer wieder neu zu durchdenken, im Bereich des Freizeit- und Breitensports ebenso wie auf dem Gebiet des Spitzensports, wo optimale Erfolge im internationalen Bereich erreicht werden sollen.Jeden Rat — damit komme ich zu meiner abschließenden Betrachtung - den wir für einen noch besseren Weg halten, wollen wir gerne annehmen, wenn er Erfolg verspricht. Ein solcher Rat liegt in der Form des Antrags betr. Bundessportplan der CDU/CSU vor. Die Bundesregierung kann jedoch auch nach sorgfältiger Prüfung der Vorschläge darin keine bessere Alternative gegenüber der bisherigen Förderungspraxis erkennen. Der von der Opposition erstrebte Plan berücksichtigt nur in unzulänglicher Form Verfassungsrecht und Förderungswirklichkeit. Er will Strukturen festschreiben, die von Haus aus flexibel gestaltet werden müssen. Ich werde Ihnen das gleich im einzelnen belegen. Er will durch starre Regelungen bürokratisieren, wo die Dynamik des Sports Spielräume einvernehmlichen Handelns zwischen Staat und Sport fordert.
Die allgemeinen Richtlinien für einen Bundessportplan sollen nach Ziffer 1 enthalten: Grundsätze, Faktoren und Verfahren, nach denen Lage und Bedarf des Sports in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt werden können.Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wie soll ein Plan bei solch unbestimmten Begriffen, ohne sich in Allgemeinplätzen zu verlieren, zu klaren Aussagen kommen? Die allgemeinen Richtlinien des von der CDU/CSU für wünschenswert gehaltenen Plans sollen — um noch ein weiteres herauszugreifen — nach Ziffer 3 enthalten: die Aufstellung von verbindlichen Grundsätzen in allen geeigneten Bereichen der Staats- und Gesellschaftspolitik des Bundes. Ich frage Sie: Wie sollen solche Grundsätze ausgestaltet werden, es sei denn, sie erschöpften sich in der Allerweltsformel: der Sport ist in allen geeigneten Bereichen der Staats- und Gesellschaftspolitik des Bundes angemessen zu berücksichtigen?Auffällige Mängel des Bundessportplanes — und hier will ich nun deutlich werden — liegen insbesondere in folgenden Punkten:Erstens. Nach der Konzeption des CDU/CSU-Antrags soll der Durchführungserlaß jährlich rechtzeitig zu den Haushaltsberatungen ausgearbeitet werden. Die Hauhaltsberatungen für das nachfolgende Jahr finden jedoch jeweils schon in den ersten Monaten des laufenden Jahres statt, wie Sie ja wissen.
— Das genügt doch nicht. Ich bitte Sie!Zu diesem Zeitpunkt sind die Veranstaltungs- und Lehrgangsprogramme der Verbände für das nachfolgende Jahr überhaupt noch nicht bekannt. Ein Durchführungserlaß mit Angaben über die im nachfolgenden Jahr zu fördernden Einzelmaßnahmen könnte danach noch gar nicht ausgearbeitet werden. Sollte mit der Forderung der Opposition, den Durchführungserlaß jährlich rechtzeitig zu den Haushaltsberatungen auszuarbeiten, allerdings ein Zeitpunkt unmittelbar nach den Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß gemeint sein, so käme ein so terminierter Durchführungserlaß für die Sportverbände wiederum viel zu spät. Die Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß werden, wie Sie wissen, frühestens im November eines Jahres durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt muß beispielsweise — ich brauche Ihnen das wohl kaum im einzelnen auseinander-
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihoferzulegen — den Wintersportverbänden längst bekannt sein,
wie sie für das nachfolgende Jahr planen können. Nur durch einen kontinuierlichen Prozeß der Abstimmung mit dem Bundesausschuß zur Förderung des Leistungssports und den Bundessportfachverbänden, wie dies bisher schon geschieht, kann sichergestellt werden— und sicher kann man in diesem Verfahren noch manches verbessern —,
daß die Verbände rechtzeitig die Informationen erhalten, die Grundlagen ihrer Planungen sind. Zeitliche Fixierungen auf bestimmte Stichtage sind aus der Natur der Sache hier nicht möglich. Daraus ergibt sich, daß eben das Kernstück des Bundessportplanes der CDU/CSU, der jährliche Durchführungserlaß, nicht praktikabel ist.
— Aber nein!Zweitens. Nach dem von der Opposition vorgeschlagenen jährlichen Durchführungserlaß sind die vom Bund zu fördernden zentralen und Einzelmaßnahmen in einen Förderungskatalog aufzunehmen. Auch das möchte ich hier in seinen praktischen Konsequenzen auseinanderlegen. Diese Forderung verkennt, daß bei etwa 50 Bundessportfachverbänden pro Verband im Durchschnitt etwa 100 Einzelmaßnahmen gefördert werden. Eine Förderungsliste mit ca. 5 000 Positionen für Einzelmaßnahmen — hierbei noch nicht einmal die Modellmaßnahmen und Forschungsvorhaben berücksichtigt — wäre jedoch ein Meisterstück der Bürokratie. Sie wäre keine Hilfe für die Verbände. Die Arbeit der Verbände ist im Gegenteil durch Umplanungen zunächst beabsichtigter Maßnahmen gekennzeichnet. Wir brauchen eher mehr Flexibilität als weniger gegenüber dem bisherigen Verfahren.
Allzuleicht machen Wetter, Verschiebungen innerhalb des internationalen Terminkalenders und andere Umstände, auf die die Verbände keinen Einfluß haben, die ursprünglichen Planungen zunichte. Vorgesehene Maßnahmen müssen durch andere ersetzt werden. Wie ein Durchführungserlaß unter diesen Voraussetzungen Bestand haben und welchen Charakter der Verbindlichkeit — wem gegenüber denn auch? — er haben soll, ist mir völlig unverständlich.
Drittens. Das Ziel des Durchführungserlasses, nämlich speziell den Bundessportfachverbänden bei der Aufstellung der Jahresarbeitspläne Gewißheit über Berechnung und Höhe der zu erwartenden Bundesmittel zu geben, wird seit geraumer Zeit bereits durch die Jahresplanungsgespräche des Bundesinnenministeriums mit dem Bundesausschuß zur Förderung des Leistungssports des Deutschen Sportbundes und den einzelnen Sportfachverbänden voll erreicht. Diese Gespräche haben sich — das ist unsere allgemeine Überzeugung — bewährt. Sie geben den einzelnen Verbünden vorausschauend Klarheit über die Projekte, die die Bundesregierung jeweils fördern wird. Die Jahresplanungsgespräche gehen von der Erkenntnis aus, daß es ohne Einzelgespräche mit dem Bundesausschuß zur Förderung des Leistungssports und den jeweils betroffenen Bundessportfachverbänden überhaupt nicht möglich wäre, die zu fördernden Maßnahmen zu bestimmen. Erst im Dialog läßt sich das konkretisieren. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Förderungsmaßnahmen auf die völlig unterschiedlichen Strukturen und Situationen der Bundessportfachverbände Rücksicht nehmen müssen.Viertens. Der Durchsichtigkeit der Sportförderung, auf die der Antrag betr. Bundessportplan abzielt, dienen in hohem Maße bereits die Sportförderungsberichte der Bundesregierung, die diese Regierung erstmals im Jahre 1970 vorgelegt hat. Sie geben alle zwei Jahre einen umfassenden Überblick über Art und Umfang der Sportförderungsmaßnahmen und über die Höhe der Aufwendungen des Bundes. Sie beschränken sich nicht auf rückschauende Betrachtungen, sondern befassen sich eingehend — hier muß ich richtigstellen, was Sie dazu sagten — auch mit künftigen Förderungsaktivitäten und mit der Finanzplanung.Fünftens. Nach Buchstabe B des Antrags der CDU/CSU betr. Bundessportplan müssen Maßstab für das finanzielle Förderungsvolumen des Bundes die der Entwicklung anzupassenden Aufwendungen bleiben, die der Bund im Haushaltsjahr 1972 insgesamt für die Bundessportförderung bereitstellte. Diese Förderung versucht, formale Kriterien an die Stelle dessen zu setzen, was allein hier entscheidend sein kann, nämlich der tatsächliche Finanzbedarf der jeweiligen Sportorganisation.Meine kritischen Bemerkungen zusammenfassend möchte ich zum Abschluß sagen, daß der von der Opposition in ihrem Antrag vorgezeichnete Weg nicht begehbar ist. Er führt nicht, wie hier behauptet worden ist, zu mehr Freiheit, sondern zu mehr Verplanung des Menschen, auch und gerade hier im Sport.
Der Antrag enthält andererseits Anregungen, die die Bundesregierung durchaus dankbar entgegennimmt. Sie sollten mir auch meine Kritik ihrer Kritik nicht verargen. Das ist ja das Geschäft von Regierung und Opposition. Sie betreffen zwar nicht — das habe ich hier darzustellen versucht — den materiellen Inhalt der Sportförderung, weil insoweit bereits effektivere Verfahren gefunden worden sind. Sie betreffen jedoch die Frage, wie die Sportförderung der Bundesregierung noch durchsichtiger gemacht werden kann, und hier möchte ich gern einiges aufgreifen. Dies gilt vor allem für die Darstellung der Aufgabenverteilung und der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern, die auf Initiative meines Hauses schon vor Jahren festgelegt wurde und die sich als wichtige Orien-
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofertierungshilfe bei den Jahresplanungsgesprächen bewährt hat. Ich beabsichtige, diesen Finanzierungsabgrenzungskatalog in künftige Sportförderungsberichte aufzunehmen.Meine Damen und Herren, noch viele aktuelle Themen bedrängen uns: Glücksspirale, Sportbriefmarke, Sicherstellung des Finanzbedarfs der Stiftung Deutsche Sporthilfe, um nur einige zu nennen. Ich persönlich habe die Überzeugung, daß wir auch diese Fragen befriedigend lösen werden, ja daß wir den Lösungen in den letzten Wochen bereits sehr viel näher gekommen sind.
Das zeigen mir auch die Vorbereitungen etwa für einige dieser Vorhaben in der Innenministerkonferenz, die in vollem Gange sind.
An meinem positiven Engagement in allen diesen Hinsichten wird es — das habe ich ja mehrfach öffentlich erklärt — auch weiter nicht fehlen.Nun, nicht in jedem Falle ist der Bund unmittelbar angesprochen. Zum Teil sind es die Länder, zum Teil auch die Gemeinden; das wissen Sie sehr genau. Ich baue darauf, daß die Deutsche Sportkonferenz die große Chance einer gedeihlichen Zusammenarbeit und einer sinnvollen Abstimmung all der vorhin aufgezählten privaten und staatlichen Initiativen nutzt. Dazu will ich auch als Präsident der Deutschen Sportkonferenz in den nächsten Jahren nach Kräften beitragen. Nicht zuletzt vertraue ich aber darauf, daß der Sportausschuß des Deutschen Bundestages und dieses Hohe Haus insgesamt dazu beitragen werden, die Sportförderung in der Bundesrepublik Deutschland zeitgemäß auszugestalten und damit die Eigeninitiative der Vereine, der Verbände und damit der Aktiven wie der Experten auf allen Ebenen zu stärken.Wir wollen das in gemeinsamer Anstrengung tun. Und um es hier abschließend nochmals zu sagen: Parteipolitik sollte auf dem Felde der Sportpolitik in dem edlen Wettstreit bestehen, daß jeder den anderen in ehrlichem Bemühen und mit förderlichen Anregungen zu übertreffen sucht. Das gilt für alle Seiten dieses Hauses.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stücklen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeitdisposition des Präsidiums, abgesprochen mit den Fraktionen, fordert von mir, daß ich meine Ausführungen bis halb zwei beende. Ich möchte daher darum bitten, daß die mir nachfolgenden Redner dann die Möglichkeit haben, auf die Qualifikation, die der Herr Bundesinnenminister zu unserem Sportplan gegeben hat, noch gründlich einzugehen,
denn mir schien das doch von der Ausgangsposition her sehr negativ betrachtet worden zu sein,
obwohl ja die SPD-FDP-Koalition 1970 selber einen Sportplan eingereicht hat. Aber dazu später mehr.Nun, über die Bedeutung des Sports als eines wichtigen Faktors der Gesundheits-, Bildungs- und Sozialpolitik und über seine Stellung in unserer Gesellschaft sollten sich alle in diesem Bundestag vertretenen Parteien einig sein. Es ist viel darüber geschrieben und gesprochen worden, und ich meine, daß der Sport insgesamt den Eindruck haben muß, daß die platonischen Liebeserklärungen nun reichlich ausgebreitet worden sind. Ich könnte mir vorstellen, daß der Sport in seiner Gesamtheit erwartet — und zu Recht erwartet —, daß nun auch entsprechende Taten folgen.
Wie die Freunde aus dem Rheinland in meiner Fraktion sagen: Butter bei die Fische — das ist das Entscheidende, was uns weiterbringt, nicht platonische Erklärungen. Sollten diese Taten ausbleiben, so müßte sich der Sport — und auch zu Recht, sage ich — verschaukelt vorkommen, denn von diesen schönen Deklarationen hat der Sport nun allmählich genug. Da und dort habe ich auch schon Ansätze von Resignation festgestellt. Dabei ist gerade jetzt wahrzunehmen, daß die Gelegenheit, den Sport aktiv an der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft teilhaben zu lassen, nie so günstig gewesen ist wie heute.Die Politik, so scheint es, hat die Aufgaben des Sports nicht immer richtig erkannt und auch nicht immer in dem richtigen Maße anerkannt. Das beweisen die vorliegenden Programme, die auf der einen Seite sehr positiv zu bewerten sind, auf der anderen Seite aber vielleicht nicht in vollem Sinne ausgereift sind.Meine sehr verehrten Damen und Herren, für meine Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion, darf ich sagen, daß der Sport ein unverzichtbarer Bestandteil unserer CDU/CSU-Politik ist.
Dies ist eine Feststellung, die nicht neu ist; es schadet aber nicht, wenn sie wiederholt wird, gerade da, wo Sie einige Schwierigkeiten haben, dies in toto zu sagen. Den noch vor Jahresfrist anläßlich einer Akademietagung in Tutzing erhobenen Vorwurf, der Sport sei bei den Parteien das fünfte Rad am Wagen, lasse ich für uns, für die CDU/CSU nicht gelten.Aber auch der Sport hat erkannt, daß seine Aufgabe über das Erreichen von Toren, Punkten oder Sekunden hinausgeht. Er ist sich seiner staatspolitischen Aufgabe bewußt geworden. Die in den Satzungen der Sportvereine und Sportverbände postulierte parteipolitische Neutralität bedeutet nicht politische Abstinenz. Wer die Forderung von politischer Neutralität mit der Forderung nach politischer Abstinenz gleichsetzte, schlösse diese große Gruppe
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Stücklenunserer Gesellschaft ja weitgehend von der weiteren demokratischen Entwicklung aus.In dieser für die Weiterentwicklung des Verhältnisses von Sport und Politik wichtigen und günstigen Phase laufen wir jedoch Gefahr, daß die positiven Ansätze zerredet werden. Mir scheint, daß die an diesem Entwicklungsprozeß Beteiligten und die davon Betroffenen weniger miteinander als öfter übereinander reden. Es zeigt sich nämlich in der Praxis, daß — entgegen vielen schönen Reden — der Stellenwert des Sports in den einzelnen Fraktionen sicherlich unterschiedlich bewertet wird.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedaure auch die geringe Effizienz der Arbeit der Deutschen Sportkonferenz. Die Deutsche Sportkonferenz ist in mehr als vier Jahren leider nicht zur Drehscheibe zwischen Sport und Politik geworden. Sie hat sich auch nicht zum Parlament des deutschen Sports entwickelt. Die Diskussion über die Weiterentwicklung des Sports in der Bundesrepublik fand leider nicht in der Deutschen Sportkonferenz statt. Wesentliche Veränderungen im Verhältnis von Sport und Politik haben sich bisher nicht in ihr vollzogen. Ich möchte an dieser Stelle den Wunsch äußern, daß sich dies entscheidend ändern möge, denn hier könnte in der Tat die erforderliche Strukturdiskussion geführt werden, an deren Ende dann die Möglichkeit der Verwirklichung des Rechts auf Sport und Spiel für alle Menschen in unserem Lande stehen müßte.
Grundvoraussetzung hierfür aber ist, daß ein Weg gefunden wird, der den einstimmig gefaßten Empfehlungen eine echte Chance auf Verwirklichung bietet. Was nützt es, wenn — wie bisher — die Verwirklichung gemeinsam beschlossener Empfehlungen nachher daran scheitert, daß ein Partner — Herr Wende, jetzt meine ich besonders Sie — so tut, als sei das alles nicht so gewesen, oder in einem anderen Fall die nachgeordneten Stellen die Beschlüsse der Deutschen Sportkonferenz blokkieren?
— Ich spreche von der Sportkonferenz, mein verehrter Freund Hoffie, und beziehe mich auf die Beschlüsse, die in der Sportkonferenz gefaßt worden sind.
Die Bayern haben auch mitgezogen, und die Bayern stehen auch zu ihrem Wort. Darauf können Sie sich verlassen!
Wir wollen endlich wissen, Herr Bundesinnenminister, was das Wort des zuständigen Ministers im Kabinett wert ist. Die Sportkonferenz, in der hervorragende Vertreter des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Parlamente vertreten sind, muß sich doch auf den Arm genommen vorkommen,wenn die einstimmig gefaßten Beschlüsse nicht verwirklicht werden.
Mehrere derartige Empfehlungen, die eine direkte Auswirkung auf die Arbeit unserer Sportvereine hätten, drohen Makulatur zu werden. Hierbei denke ich vor allem an die Empfehlungen vom 18. Juni 1971, die §§ 52 und 65 des Entwurfs der Bundesabgabenordnung im Sinne einer zeit- und aufgabengerechten Beurteilung des Sports und der ihn tragenden freien Organisationen abzuändern, ferner an die Empfehlungen vom 23. Juni 1972, den als gemeinnützig anerkannten Sportvereinen endlich die Spendenbescheinigungskompetenz einzuräumen.
Die Verwirklichung dieser Forderungen scheint mir unerläßlich, denn sie würde ganz erheblich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Vielzahl unserer Turn- und Sportvereine beitragen.Die Deutsche Sportkonferenz — will man an ihr ernsthaft festhalten — kann ihre Aufgaben nur dann erfüllen oder neue Aufgaben in Angriff nehmen — Herr Kollege Mischnick, ähnlich wie ein Sportplan —, wenn sie nicht länger als das ungeliebte Kind gilt, für das sich niemand so richtig zuständig fühlt.
— Freut mich, Herr Kollege Mischnick.Es müssen Wege gefunden werden, der Deutschen Sportkonferenz auch eine stärkere öffentliche Resonanz zu geben. Als Zweites müßten die Chancen erschlossen werden, daß Sinnvolles verwirklicht wird, was womöglich sogar einstimmig mit diesen Repräsentanten aus allen Bereichen heraus beschlossen worden ist.Mit dieser Kritik — die ich nicht gegenüber der Deutschen Sportkonferenz übe, sondern die ich deshalb übe, weil keine Auswirkungen aus diesen Beratungen zu erkennen sind — möchte ich aber gleichzeitig auch ein ganz klares Bekenntnis zur Deutschen Sportkonferenz abgeben, denn ich bin der Meinung, daß sie in der Tat ein Gremium sein kann, das alle die Bereiche innerhalb unseres Verfassungsgefüges zusammenhält, die die Voraussetzungen für eine harmonische Zusammenarbeit der freien Sportbewegung und Vereine und Verbände mit den staatlichen Organen, sei es Kommune, Land oder Bund, schaffen könnten.Deshalb bekennt sich die CDU/CSU nach wie vor zur Deutschen Sportkonferenz. Ich gebe hier die Versicherung ab, daß wir weiterhin aktiv und konstruktiv mitarbeiten werden.Es gehört zu den Grundelementen der CDU/CSU- Politik, diejenigen Kräfte in unserer Gesellschaft vorrangig zu unterstützen und zu fördern, die aus Mitverantwortung heraus bereit sind, freiwillig Aufgaben im Interesse der Gemeinschaft zu übernehmen. Dies gilt auch ganz besonders für den Bereich des Sports. Die in 41 000 Vereinen organisierte deutsche Turn- und Sportbewegung zeigt uns Tag für Tag, daß freie Kräfte in einer freien Gesellschaft
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Stücklensehr wohl in der Lage sind, durch Freiwilligkeit und Eigeninitiative, durch Bereitschaft zum persönlichen Engagement und durch Liebe zur Sache mehr zu erreichen und zu bewegen, als staatliche Stellen das bisher vermocht haben. Gäbe es diese Bürgerinitiative „Sport" nicht oder würde man sie bewußt oder unbewußt verkümmern lassen, müßten zur Bewältigung der gestellten und unverzichtbaren Aufgaben neue Institutionen geschaffen werden. Es lohnt sicherlich, dieses Faktum auch einmal völlig wertfrei unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu überprüfen, denn die im Zuge einer derartigen Entwicklung entstehenden Kosten würden um ein Vielfaches dessen höher liegen, was heute aufgewendet wird, um die freien Träger in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen.Aus der Sicht der CDU/CSU wäre es bedauerlich, wenn die Turn- und Sportvereine aus fehlender Einsicht in die Funktionen des Sports durch staatliche Stellen und infolge mangelnder Unterstützung den gestellten Aufgaben und Anforderungen nicht gerecht werden könnten. Eine solche Entwicklung würde zwangsläufig den Bereich des staatlich versorgten und verwalteten oder kommerziell verwirtschafteten Menschen erheblich ausweiten und langfristig zu einer Aushöhlung unserer gesellschaftspolitischen Systeme führen. Ich sage das hier deshalb so deutlich, weil noch vor kurzem der seinerzeit für die Sportförderung zuständige Parlamentarische Staatssekretär Jung — er ist im Augenblick nicht da - davon gesprochen hat, daß der Staat seine Funktion und seine Verantwortung in der Daseinsvorsorge für den Sport wahrnehmen und erkennen müsse.Man kann mit Worten viel umschreiben, aber die Weigerung der Koalitionsfraktionen, durch Zustimmung zu dem von uns beantragten Bundessportplan, die Freiheit des Sports materiell abzusichern, veranlaßt uns, die Entwicklung gerade auf diesem Gebiet mit äußerster Wachsamkeit zu beachten.Das kommunalpolitische Konzept der SPD, den kommunalen Sport auszuweiten, findet nicht unsere Zustimmung; denn eine solche Entwicklung würde zwangsläufig zu der unerträglichen Bevormundung des Sports führen.Die CDU/CSU wird dafür Sorge tragen, daß diejenigen, die freiwillig Aufgaben im öffentlichen Interesse übernehmen, weiterhin ihren Aufgaben entsprechend unterstützt und nicht an das Gängelband oder die Kommandostrippe staatlicher Institutionen gehängt werden.
Die CDU/CSU-Fraktion wird es auch nicht unwidersprochen hinnehmen, daß der für den Sport zuständige Minister hier und auch anderswo vernünftige Vorstellungen zur Förderung des Sports entwickelt, die Regierung aber das Gegenteil von dem praktiziert, was er verkündet.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schirmer?
Bitte!
Herr Kollege, würden Sie bereit sein, zur Kenntnis zu nehmen, daß die SPD ganz im Gegensatz zu Ihrer Darstellung für die Förderung des Sports auch auf kommunalem Gebiet — und dort besonders — ist, sich aber zu keinem Zeitpunkt für einen kommunalen Sport eingesetzt hat, der damit im Gegensatz zu dem freien Sport stünde, den Sie wie wir fördern und wollen?
Herr Kollege Schirmer, ich bestreite gar nicht, daß wir in dieser Frage völlig einig sind. Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Beweisen auf den Tisch legen, die zeigen würden, wie man die Kommunalisierung des Sports durch gewisse Kommunen vollziehen würde. Das würde aber zu weit führen. Ich bin gern bereit, Ihnen das zu sagen, und zwar was Aufkäufe von Sporteinrichtungen, Gelände und ganzen privaten Anlagen von Vereinen betrifft.
— Ja, wir machen das einmal zusammen, Herr Schirmer.
Der weiteren Entwicklung des Sports in unserer Gesellschaft kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Haltung der Bundesregierung dazu wird letztlich an ihren Taten gemessen werden und nicht an dem persönlichen Bekenntnis ihres Ministers, des Sportfreundes Maihofer. Daß Sie diese Frage mit dem Herzen aufgegriffen haben, das habe ich Ihnen auch schon in der Sitzung des Sportausschusses des Bundestages gesagt. Aber das ist zuwenig. Sie müssen sich — früher als Eiskunstläufer mit Pirouetten — jetzt in den Sturm einer Eishockeymannschaft begeben und Tore schießen, aber nicht Eigentore, sondern Tore für den Sport!
Herr Kollege gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Möllemann?
Wir müssen um halb zwei fertig werden, mein Freund.
Herr Kollege Stücklen, könnte es sein, daß der Grund für den neuerlichen Mißerfolg der bayerischen Eishockeymannschaft darin liegt, daß sie sich mit Pirouetten in den Sturm begeben hat?
Herr Kollege, Sie müssen immer die ganze Runde abwarten. Bevor nicht das letzte Spiel gespielt ist, wissen Sie nicht, wer da oben ist. Und wenn sich heute Eintracht Frankfurt freut — ich freue mich mit —, so unterschätzen Sie Bayern nicht, meine Damen und Herren!
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8856 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Stücklen, könnten Sie dem Kollegen Möllemann noch sagen, daß er bei dieser Aufstellung die „glänzenden" Erfolge von EV Landshut völlig übersehen hat?
Das sehe ich ihm nach; denn er ist ja Fußballspieler und befaßt sich nur so am Rande über den Bildschirm mit Eishockey. Deshalb ist es kein Fauxpas. Wir verstehen uns. Die Bayern sind schon dran.Sportförderung kann und darf nicht nur an der Höhe der bereitgestellten Mittel gemessen werden, Herr Minister Maihofer. Sonst könnte man leicht in den Irrtum verfallen, daß aus inflationsbedingten Erhöhungen und Steigerungsraten auch eine permanente Anhebung des Stellenwertes des Sportes abzuleiten wäre. Theorie und Praxis der Sportförderung durch den Bund klaffen — das kann nicht geleugnet werden — wie in fast allen anderen Bereichen weit auseinander. In öffentlichen Auftritten wird für die Fortsetzung der Glücksspirale zugunsten des Sports, für die Sportsonderbriefmarke, für eine befriedigende Regelung des Hochschulzugangs für Hochleistungssportler, für die sportgerechte Reform der Abgabenordnung und die Bewilligung der Spendenbescheinigungskompetenz geworben.Wie sieht es aber in Wirklichkeit aus? — Regierungsvorschläge zur Verwirklichung all dieser Maßnahmen unterbleiben, und Initiativen unserer Fraktion werden abgeschmiert, ohne daß bessere Projekte an ihre Stelle gesetzt werden.Gerade das Sozialwerk des deutschen Sports, die Stiftung Deutsche Sporthilfe, bedarf einer konjunkturunabhängigen Sicherstellung ihrer langfristig angelegten Arbeit, die sich ja nicht allein auf die momentane Förderung besonders talentierter und qualifizierter Jugendlicher oder Spitzensportler beschränkt, sondern darüber hinaus dem Leistungssportler nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn auf dem Wege von Stipendien Möglichkeiten verschafft, sich im Beruf behaupten zu können. Der Staat sollte sich seiner sozialen Verpflichtung gegenüber dem Hochleistungssportler bewußt sein. Es geht nicht an, daß auf der einen Seite Jugendliche durch öffentliche Förderung angehalten werden, Sport zu treiben, daß ihnen aber anschließend eine entsprechende Hilfe zur sozialen Sicherung verwehrt wird.Ebenso verhält es sich bei der ideellen Förderung des Leistungswettbewerbs der jungen Menschen. Man kann nicht auf der einen Seite das Leistungsprinzip verteufeln und auf der anderen Seite Leistung erwarten. Das paßt nicht zusammen. Es besteht sicherlich Einvernehmen darüber, daß sich Leistungssport nicht gegen den Menschen und nicht gegen den humanen Auftrag des Sports richten darf. Leisten zu können, ohne leisten zu müssen so hat es ein Soziologe einmal formuliert —, scheint mir völlig richtig zu sein. Leistungsfreude und Leistungsbereitschaft muß man erhalten und fördern und darf sie nicht ständig mies machen.Ich glaube nicht, daß der Staatssport des anderen Teils Deutschlands für uns Vorbild sein kann. Sie, Herr Minister Maihofer, sprachen im Ausschuß einmal von der Motivation. Sicherlich sind Sie nicht der Meinung, daß die Heranbildung des Leistungssportlers im anderen Teil Deutschlands bei uns eingeführt werden sollte. Ich möchte hier gern auch zu Protokoll festhalten, daß Sie im Ausschuß die zuversichtliche Äußerung getan haben, daß wir in Montreal wesentlich besser abschneiden werden als bei der Olympiade in München.
Dieses Ziel, Herr Minister, wird von uns nicht nur mitgefördert und unterstützt, sondern wir werden Sie auch an dieses Wort erinnern. Und sollten Sie recht haben, dürfen Sie sicher sein, daß Sie eine sehr feuchte Einladung von mir erhalten werden.Nun das Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der junge Mensch muß das Gefühl haben, daß es sich lohnt, sich anzustrengen und abzumühen. Er darf nicht ständig in Gefahr leben, für Leistung auch noch abgewertet oder gar bestraft zu werden. Es muß möglich sein, sachlich und vorurteilsfrei über die Möglichkeiten und Wege einer aktiven Förderung des Sports zu diskutieren, wobei uns das gemeinsame Ziel aller in diesem Bundestag vertretenen Parteien von Augen steht, die Freiheit und Selbständigkeit des Sports zu wahren und ihn entsprechend seiner Bedeutung zu fördern.Daß es hierbei in den einzelnen Parteien unterschiedliche Vorstellungen gibt, sollte auch seitens des Sports nicht etwa nur bedauert werden. Es macht nämlich deutlich, wo die einzelnen Parteien bestimmte Schwerpunkte zu setzen bereit sind. Daraus ergibt sich notwendigerweise eine Diskussion zwischen den Parteien einerseits und dem Sport und der Politik andererseits. Diese Diskussion kann und muß stattfinden, sonst kann nichts im Bereich der Sport- und Gesellschaftspolitik bewegt werden.Auf Grund der gesellschaftspolitischen Grundhaltung der Parteien wird diese Diskussion vor allem dann kontrovers geführt werden müssen, wenn man die Frage nach der Zielsetzung, nach dem Weg, nach den Methoden stellt. Eine kontroverse Diskussion sollte es aber nicht bei der Frage geben, ob Sportförderung überhaupt erforderlich ist, und es sollte überhaupt nicht die Frage gestellt werden, ob es nicht besser sei, den Sport zu verstaatlichen. Wer die Probleme des Sports und ihre Lösung von dieser Seite aus angehen will, der stellt sich von vornherein ins Abseits.Wir wollen eine sportliche Konzeption, von der man nicht stillschweigend, sondern ausdrücklich ausgeht. Deshalb legen wir den Antrag an die Bundesregierung vor, einen Bundessportplan zu beschließen; mein Kollege Evers wird noch näher darauf eingehen. Wir fordern zunächst einmal nicht einmal mehr Geld, sondern daß der Rahmen geschaffen werde, in dem sich der Sport, die Vereine, die Verbände frei entfalten können, aber wissend, wohin die Reise geht, wissend auf Jahre hinaus, daß sie
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8857
Stücklenhier geborgen sind in der Obsorge, die wir, Parlament und Regierung, ihnen angedeihen lassen wollen.
Denn ohne die Förderung durch den Staat lassen sich die großen Aufgaben des Sports in seiner Gesamtheit heute nicht mehr hinreichend erfüllen. So wie CDU und CSU in der Vergangenheit im Bund die Voraussetzungen und Grundlagen für eine aufgabengerechte Sportförderung durch extensive Auslegung der Bundesmöglichkeiten im Sportstättenbau, in der Förderung der Spitzenorganisationen des Sportes, in der Erstellung des Konzepts für die Bundesleistungszentren geschaffen haben und durch nachgeordnete Initiativen in den Ländern und Gemeinden aufgezeigt haben, wie der Staat helfend eingreifen kann, ohne dirigistischen Einfluß zu nehmen, so werden wir auch in Zukunkt ein verläßlicher Partner des Sports bei der Bewältigung seiner großen Aufgabe sein.
Meine Damen und Herren, wir unterbrechen an dieser Stelle die Aussprache zum Sport für die Fragestunde. Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 1:
Fragestunde
— Drucksachen 7/2767, 7/2780 —
Hierzu liegen uns aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern zwei Dringliche Fragen des Abg. Wohlrabe vor:
Welche Sofortmaßnahmen hat die Bundesregierung auf Grund des heimtückischen Mords an dem Präsidenten des Berliner Kammergerichts, Günter von Drenkmann, getroffen, um weitere Verbrechen dieser Art zu verhindern?
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung insbesondere zur Überwachung des für derartige Terrorakte in Frage kommenden Personenkreises getroffen?
Der Fragesteller ist mit einer gemeinsamen Beantwortung einverstanden. — Zur Beantwortung hat Herr Bundesminister Maihofer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung vom gestrigen Tage hat mit aller Deutlichkeit herausgestellt, daß Bund und Länder nach dem abscheulichen Mord an dem Berliner Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenkmann sofort alle Maßnahmen präventiver und repressiver Art im Rahmen der gemeinsam entwickelten Gesamtkonzeption zur Bekämpfung anarchistischer Gewalttäter ergriffen haben. Ich glaube daher, daß ich mich auf meine im Stenographischen Bericht nachzulesenden Ausführungen von gestern insgesamt beziehen kann, bin aber selbstverständlich gerne bereit, für Sie, Herr Kollege Wohlrabe, die wichtigsten Punkte noch einmal zusammenzufassen.
Schon die bisherige Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden hat nicht nur zur Zerschlagung des harten Kerns der kriminellen Vereinigung Baader/ Meinhof geführt, sondern zu einer Vielfalt von weiteren Erfolgen, unter denen vor allem die Ergreifung der Anarchisten Margret Schiller, Ilse Stachowiak, Helmut Pohl und des Rechtsanwalts Rolf Becker im
Februar dieses Jahres zu nennen ist, wobei Material von Andreas Baader mit Anweisungen zur Gefangenenbefreiung sichergestellt werden konnte. Bund und Länder haben bereits in der Vergangenheit alle Anstrengungen zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten — denn um solche handelt es sich hier —unternommen.
Die Sicherheitsbehörden werden auch jetzt alles daransetzen, den Mord an dem Präsidenten des Berliner Kammergerichts aufzuklären. Bei der Ermittlung der Täter, für deren Ergreifung ich eine Belohnung von 50 000 DM ausgesetzt habe, werden die Berliner Behörden durch das Bundeskriminalamt unterstützt. Die diesem Amt bereits 1971 und 1972 erteilten Aufträge zu polizeilichen Strafverfolgungsmaßnahmen gegen anarchistische Gewalttäter bestehen weiter fort. Auf meine Anregung hat am Dienstag die Innenministerkonferenz die nach den jüngsten Ereignissen entstandene Lage analysiert und konkrete Beschlüsse über die zu treffenden Maßnahmen gefaßt, die ich hier in öffentlicher Sitzung, wie Sie begreifen werden, nicht im einzelnen erörtern kann. Der Innenausschuß — das geschah schon gestern — wird darüber laufend und eingehend in vertraulicher Sitzung unterrichtet.
Ich darf abschließend die Feststellungen bekräftigen, die ich hier gestern vor diesem Hause getroffen habe:
1. Die Innenminister der Länder und der Bundesinnenminister sind sich über das operative Konzept der Sicherheitsbehörden einig.
2. Die erforderlichen Maßnahmen werden in enger Zusammenarbeit von Bund und Ländern durchgeführt, um ein Höchstmaß an Kooperation und Effektivität zu gewährleisten.
3. Bund und Länder werden alles tun, um möglicherweise gefährdete Personen und Einrichtungen — danach haben Sie in Ihrer zweiten Frage gefragt —, insbesondere auch solche der Justiz, vor verbrecherischen Anschlägen zu schützen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, unter Bezugnahme auf Ihre Antwort und auch unter Hinzuziehung dessen, was gestern ausgeführt worden ist, stelle ich die Frage: Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um weitere Terrorakte durch die Anarchisten zu verhindern und um vor allen Dingen auch derartige Anschläge für diese Personengruppe so risikoreich wie nur möglich zu machen
Herr Abgeordneter, ich habe das eben schon in meiner ersten Antwort gesagt: Wir wären hier alle Narren, wenn wir in der Öffentlichkeit das strategische Konzept von Polizei und Justiz ausbreiten würden, mit dem wir innere Sicherheit in unserem Lande herstellen.
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8858 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Bundesminister Dr. Dr. h. c. MaihoferWo kämen wir denn hin, wenn wir über operative Details in Parlamenten öffentlich verhandeln würden!
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wir hatten ja ähnliche Situtationen in den letzten Jahren mehrfach. Können Sie bestätigen, daß die Maßnahmen, die Sie hier nicht schildern möchten — wofür ich Verständnis habe —,
auch in der gesamten Vergangenheit praktiziert wurden, und wenn dem so war, wie erklären Sie sich, daß der Eindruck entstehen konnte, daß die Sicherheitsmaßnahmen, wie wir sie in einer gewissen Zeit in diesem Lande gekannt haben, heute — oder zumindest vor dem Mord an Herrn von Drenkmann — nicht mehr so gewesen sind, wie sie eigentlich hätten sein sollen?
Herr Abgeordneter, dieser Eindruck konnte überhaupt nur bei jemandem entstehen, der die Dinge nicht aus der Nähe verfolgt hat.
Ich habe gestern Erfolge — und das war nur eine ganz schmale Auswahl; ich könnte hier eine Fülle solcher Meldungen nachtragen — genannt, die allein im letzten Jahr in der Verfolgung anarchistischer Gewalttäter erzielt wurden. Das ist eine stolze Erfolgsbilanz, die wir hier aufzuweisen haben. Sie widerlegt vollständig die Unterstellung, die Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben. Hier ist von Bund und Ländern das Äußerste getan worden — laufend! —, um die innere Sicherheit gegenüber terroristischen Aktivitäten zu bewahren.
Noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß bei Terrorakten in Zukunft — ich lege auf das Wort „Zukunft" hier Wert — schnellere Ermittlungen und Urteile erfolgen, und was wird die Bundesregierung über die Einbringung von Strafanträgen hinaus tun — konkret einleiten, gegebenenfalls auch gesetzgeberisch einleiten —, um die verleumderischen Behauptungen von Vernichtungshaft, Isolationsfolter und Mord auf Raten — in Straftanstalten der Bundesrepublik Deutschland würde dies praktiziert, so läßt man sich ein —, als unannehmbar zurückzuweisen?
Wir haben gestern schon in den beiden Regierungserklärungen dargelegt, daß wir durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit dem Publikum in unserem Lande die Augen darüber öffnen werden, welche Gesamtstrategie von seiten dieser anarchistischen Gewalttäter hier verabredet ist und durchgeführt wird. Wir haben auf der Innenministerkonferenz am Beginn dieser Woche konkrete Verabredungen auch dazu getroffen, wie diese laufende Öffentlichkeitsaufklärung, auf die es — allein auch schon um der Mobilisierung der Bevölkerung willen — ankommt, in den kommenden Monaten betrieben werden soll.
Ich glaube, auch Sie können versichert sein, hier wird nicht das Geringste unterlassen. Hier wird im Gegenteil das Äußerste getan, um dem Bürger das Vertrauen zu geben und ihm zugleich auch die Entschlossenheit zu zeigen, daß diese Bundesregierung das Menschenmögliche tut, um innere Sicherheit in unserem Lande zu gewährleisten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, teilt die Bundesregierung die Auffassung, die der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herr Weyer, hier gestern vorgetragen hat, daß die Berichterstattung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht optimal sei? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, und wie will sie sicherstellen, daß tendenziöse Berichterstattung, insbesondere der „Tagesschau", durch den Norddeutschen Rundfunk in Zukunft unterbleibt?
Nun, wir haben eine staatsunabhängige Presse und wir haben einen staatsunabhängigen Rundfunk und ein staatsunabhängiges Fernsehen. Wir können Mißstände und Mißbräuche zwar in den öffentlichen Aufsichtsgremien und Kontrollorganen rügen, aber wir können in unseren öffentlichen Medien keine Regierungspropaganda treiben; dafür müssen Sie in einer freiheitlichen Gesellschaft Verständnis haben. Daß wir uns aber gegen Mißstände und Mißbräuche mit allen in den Rundfunk- und Fernsehanstalten möglichen Maßnahmen wenden werden, ist hier gestern nachdrücklich in den Erklärungen vor diesem Hause zum Ausdruck gebracht worden. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kunz .
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen von Sofortmaßnahmen dem Haus zur wirksamen Bekämpfung krimineller Verhaltensweisen aus der Mitte des Baader-Meinhof-Sympathisantenkreises alsbald einen Entwurf gegen den Mißbrauch des Versammlungs-
und Demonstrationsrechts zuzuleiten?
Wir sind in dieser Bundesregierung — das wissen Sie sehr genau — davon überzeugt, daß das geltende Demonstrationsrecht und die geltenden Versammlungsregelungen, wenn sie nur voll an-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8859
Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofergewendet werden, jede Handhabe bieten, mögliche Mißstände zu unterbinden.
— Aber nein, nicht auf dem Rücken der Polizei!Ganz sicherlich werden wir — das wird ja schon morgen oder möglicherweise in einer Debatte im Dezember geschehen — uns fragen müssen, ob es auf anderem Felde, etwa im Bereich der Strafprozeßordnung, Erfahrungen aus dem zu ziehen gilt, was wir hier an operativem Konzept organisierter Kriminalität — ich möchte es wirklich so nennen — vor uns haben. Das sind ganz neue Erscheinungen, auf die wir uns mit ganz neuen Maßnahmen einzustellen haben. Hier gibt es sicherlich Anlaß, einiges gründlich, vielleicht sogar grundsätzlich zu überdenken.
— Aber nein! Diese Art von Erscheinungen ist neu.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, mir zu bestätigen, daß zu den möglichen und denkbaren Maßnahmen nicht die Umkehrung der Grundtendenz der Großen Strafrechtsreform gehört, die alle Parteien hier im Hause gemeinsam tragen — zugleich auch als ein Vermächtnis des in Berlin ermordeten Präsidenten des Kammergrichts, Günter von Drenkmann, der sie in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen in Berlin, mit erarbeitet hat?
Ich habe schon eingangs meiner vorigen Antwort gesagt, daß wir in dieser Bundesregierung überzeugt sind, daß das geltende Recht, wenn es richtig angewandt, voll gehandhabt wird, alle Mittel bietet, mit solchen Erscheinungen fertig zu werden.
Ich habe lediglich für den Bereich der Strafprozeßordnung gesagt — das war auch die Auffassung der Innenministerkonferenz —, daß wir auf Grund dieser besonderen Erscheinungen, mit denen wir es hier zu tun haben, in bestimmter Hinsicht — etwa im Hinblick auf die Anwälte, die bei diesen anarchistischen Gewalttätern als Verteidiger tätig
sind —
grundsätzliche Überlegungen anzustellen haben — im formellen, aber nicht im materiellen Strafrecht!
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ostman von der Leye.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß man sich sehr davor hüten muß, auf die bewußte Taktik der Baader-Meinhof-Vereinigung hereinzufallen,
die auf übersteigerte Maßnahmen hinausgeht? — Ich gebrauche hier die Formulierung des § 129 des Strafgesetzbuches. — Es wäre doch geradezu gefährlich und äußerst dumm, darauf mit übersteigerten Maßnahmen zu reagieren und damit wieder eine Konfliktsituation zu schaffen, die nach deren Bewußtsein wiederum eine revolutionäre Situation herstellt?
Das kann ich nur bestätigen. Ein Rechtsstaat kann nur mit rechtsstaatlichen Mitteln verteidigt werden, sonst macht er sich selbst unglaubwürdig.
Wir sollten gerade hier das Äußerste tun, den Feinden des Rechtsstaats nicht Vorwände für einen Kampf gegen diesen Rechtsstaat mit Justizkampagnen und Solidarisierungsaktionen zu liefern.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Reddemann.
Herr Minister, wenn Sie die Auffassung vertreten, daß die gesetzliche Grundlage ausreicht, sofern die entsprechende Institutionen des Staates diese gesetzlichen Grundlagen auch voll anwenden, muß ich Sie fragen, ob Sie damit an irgendwelchen Institutionen in der Bundesrepublik Kritik üben wollen und an welchen?
Aber nein! Es geht darum, daß wir in unserem Demonstrationsstrafrecht — das habe ich selbst in öffentlichen Diskussionen schon gesagt — eine Ordnungswidrigkeit haben, die an die Stelle des früheren Straftatbestandes des Auflaufs getreten ist. Sie wird nur überhaupt nie angewandt. Nur darum geht es, daß wir gesetzliche Regelungen haben, die nur heute einen Dornröschenschlaf halten. Das muß auch mit Polizei und Justiz besprochen werden, daß hier das geltende Recht aktualisiert und aktiviert werden sollte.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Höcherl.
Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich die Tatsache, daß sich die an der Front der Verbrechensbekämpfung stehenden Poli-
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8860 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Höcherlzeibeamten mit dieser Regelung fast übereinstimmend absolut unzufrieden zeigen?
Wir werden sicher noch eine Debatte über das Demonstrationsstrafrecht in diesem Hause haben. Darauf zielen Sie ja ab. Das ist bei jeder Regelung — bei der früheren Regelung des Auflaufs wie bei der heutigen Ausgestaltung als Ordnungswidrigkeit — überall dasselbe Problem. Wenn sich eine unfriedliche Demonstration nach dreimaliger Aufforderung nicht auflöst, steht man immer vor dem Problem, wie man, nachdem dieser Auflösungsverfügung nicht Gehorsam geleistet wurde, mit der konkreten Situation fertig werden soll. Das Problem stellt sich unabhängig davon — und genauso schwerwiegend —, ob die Zuwiderhandlung als Straftatbestand oder als Ordnungswidrigkeit qualifiziert ist. Unser praktisches Problem ist, daß unsere Polizei am Ort — das wird häufig beklagt — mit wirklich überlegenen Kräften in Erscheinung treten muß, um sich wirklich durchzusetzen, ohne daß es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Vor allem darum wird es in künftigen Fällen gehen. Da haben wir auch aus den Krawallaktionen der vergangenen Monate sicher manches zu lernen. Man muß, auch was die überlegene Zahl anlangt, bei polizeilichen Aktionen Waffengleichheit herstellen.
Wichtig ist aber vor allem — dies ist zu meiner großen Befriedigung gestern in diesem Hause einhellig zum Ausdruck gebracht worden —, daß sich die Polizisten der vollen Unterstützung, auch der moralischen Unterstützung, durch alle unsere Bürger bei ihrem Kampf für die Verteidigung unseres Rechtsstaats sicher sein können.
Meine Damen und Herren, ich möchte nur bitten, sich bei allen Fragen bewußt zu sein, wie die Ausgangsfrage ist. Sonst muß ich die Fragen zurückweisen.
Jetzt eine Frage von Herrn Professor Abelein.
Herr Minister, teilen Sie nicht auch den Eindruck, daß in der Diskussion draußen und teilweise auch in diesem Hause der Begriff „rechtsstaatlich" verwechselt wird mit Verständnis gegenüber Kriminellen, mit Nachgeben und teilweise sogar mit Untätigkeit?
Herr Abelein, wenn Sie mir ein sehr offenes Wort gestatten: Eine so ernste Sache wie die, über die wir hier verhandeln, nämlich die Herausforderung unseres Rechtsstaates durch terroristische Anarchisten, sehe ich nicht als ein Feld für parteipolitische Polemiken an, und Ihrer Frage kann ich nur solche entnehmen.
Eine Frage der Frau Abgeordneten Berger.
Herr Minister, weil Ihre Antwort auf die entsprechende Frage meines Kollegen Wohlrabe nicht klar war, frage ich nochmals, ob die Bundesregierung die Auffassung von Herrn Minister Weyer teilt, daß die Berichterstattung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht optimal war, sondern teilweise tendenziös.
Wer könnte das hier in diesem Hause bestreiten! Die Frage ist nur, wie wir ganz offenkundige Informationsmängel in den entsprechenden Aufsichtsgremien zur Geltung bringen. Das ist doch allein die Frage!
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kunz.
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, gerade auf Grund der eklatanten Mißbräuche anwaltlicher Rechte in der letzten Zeit, dem Hause einen Entwurf über wirksame Sanktionen gegen diese erwiesenen Mißbräuche und mögliche in der Zukunft liegende Mißbräuche in bezug auf die Rechtsstellung des Verteidigers zuzuleiten, einen Entwurf, der über die gegenwärtig unzureichenden Vorstellungen der Bundesregierung, wie sie im Zweiten Strafverfahrensrechtsreformgesetz enthalten sind, hinausgeht?
Das ist eine zu schwerwiegende Frage, als daß man sie in einem solchen improvisierten Votum beantworten könnte.
Aber ich sage Ihnen ganz klar: Wir haben gestern im Innenausschuß des Bundestages verabredet, daß wir uns zusammen mit dem Rechtsausschuß am Buß-
und Bettag treffen werden,
um alle juristischen Konsequenzen zu diskutieren, die sich aus diesen neuen Erscheinungen organisierter Kriminalität ergeben, mit denen wir hier zu tun haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8861
Herr Minister, teilen Sie bei Beobachtung der Berichterstattung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten mit mir die Sorge, daß es auch dort einige Kräfte gibt, die sich ebensowenig schützend für den demokratischen Staat verhalten wie die Rechtsanwälte, die Verteidiger der Baader-MeinhofBande sind?
Herr Kollege, ich muß diese Frage jetzt wirklich zurückweisen. Sie hat mit der Ursprungsfrage nichts mehr zu tun. Wir müssen uns an die Richtlinien der Fragestunde halten.
Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind die Dringlichen Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Wohlrabe beantwortet.
Die Dringliche Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Vielen Dank, Herr Bundesminister!
Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Ertl zur Verfügung.
Ist die Bundesregierung wie Bundesminister Dr. Friderichs in seinem Buch „Mut zum Markt" der Ansicht, daß bei zukünftigen Preisfindungen für Agrarprodukte die Entwicklung der Betriebsmittelpreise und Löhne keine Rolle oder nur eine untergeordnete Rolle zu spielen hat?
Bitte schön, Herr Minister!
Verehrte Kollegin Dr. Riede, die von Ihnen angeführte Aussage ist in dem Buch von Herrn Bundesminister Friderichs nicht enthalten. Damit entfällt auch die Beantwortung Ihrer Frage. Es ist für die Bundesregierung selbstverständlich, daß bei Agrarpreisbeschlüssen auch Faktoren wie Betriebsmittelpreise und Löhne berücksichtigt werden. Aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Sie stellen hier eine Frage zu einer Aussage, die in jenem Buch gar nicht gemacht wurde.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß sich Herr Minister Friderichs in seinem Buch im Abschschnitt Agrarpolitik auf eine Studie stützt, die im Bundeswirtschaftsministerium zur Agrarproblematik der EG aus gesamtwirtschaftlicher Sicht erstellt worden war. Diese Studie war vom Herrn Bundeskanzler für die Beratungen des Kabinetts über aktuelle Probleme der Agrarpolitik am 11. September 1974 veranlaßt worden. Diese Studie wurde zusammen mit der von mir gefertigten Kabinettsvorlage und meiner Stellungnahme zu dieser Studie für diese Kabinettssitzung allen Bundesministern übersandt. Die Studie des Bundeswirtschaftsministeriums ist im Kabinett nicht erörtert worden; vielmehr habe ich als der für die Agrarpolitik zuständige Ressortminister den Auftrag erhalten, eine Vorlage zur Bestandsaufnahme der EG-Agrarpolitik für eine in Kürze stattfindende Kabinettssitzung vorzulegen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie mir sagen, wo in dem erwähnten Buch „Mut zum Markt" steht, daß für die Preisbildung bei landwirtschaftlichen Produkten die Betriebsmittelpreise berücksichtigt werden müssen?
Das steht nicht drin, aber es steht auch Ihre Feststellung nicht drin. Sie haben hier falsch zitiert.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz.
Herr Bundesminister, wenn es in dem Buch von Herrn Minister Friderichs wörtlich heißt: „In Brüssel werden gemeinsame Preise beschlossen, deren Raten sich primär an der Marktsituation orientieren", stimmen Sie da nicht mit mir darin überein, daß die Schlußfolgerung daraus ist, daß eben nicht mehr primär auch die Betriebsmittelpreisentwicklung zugrunde gelegt wird?
Ich stimme mit Ihnen nicht überein, weil es betriebswirtschaftlich falsch wäre. Für die Betriebswirtschaft und für die Ertragslage sind beide Faktoren bestimmend, Marktpreise und Kostensituation. Das ist für einen Betriebswirtschaftler selbstverständlich, Herr Kollege Ritz.
— Das ist eine eigenwillige Interpretation, die möglicherweise falsch aufgeschrieben wurde, wie bei der Frau Kollegin Riede.
— Das muß man ja sagen. Wenn zitiert wird, muß man richtig zitieren.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Spies von Büllesheim.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, haben Sie eine Erklärung dafür, wieso das gerade von Ihnen zitierte Schlecht-Papier mit diesem beziehungsreichen Namen vorzeitig in die Presse gelangte, und könnte es
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8862 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Dr. Freiherr Spies von Büllesheimsich dabei nach Ihrer Auffassung um eine gezielte Indiskretion handeln?
Sie wissen, in Bonn ist immer alles möglich, bei allen Regierungen und zu allen Zeiten.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Bundesminister, würden Sie angesichts des folgenden Zitats aus dem Buch von Herrn Dr. Friderichs, Seite 111: „Absolute Einkommenseinbußen der Landwirtschaft würden in einem kombinierten System nicht eintreten, da die Agrarpreise auch künftig angehoben werden sollen, nur mit geringeren Steigerungsraten", immer noch behaupten, daß Herr Dr. Friderichs damit nicht zum Ausdruck bringen will, daß die Preise der Landwirtschaft künftig nicht mehr der Hauptbestandteil des Einkommens sein könnten?
Nein, weil genau das Gegenteil drinsteht, wenn Sie nämlich das lesen, was vorher steht, Herr Kollege Kiechle. So ist es immer, wenn man zitiert. Es steht z. B. in dem Buch, das ich sehr genau kenne,
daß man auf eine Preispolitik nicht verzichten kann, daß man aber möglicherweise prüfen sollte, ob es zu kombinierten Preis- und Einkommensübertragungen kommen sollte — übrigens ein uralter Hut, solange es die Agrarpolitik in Deutschland gibt.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Horstmeier.
Herr Minister, treffen Pressemeldungen zu, nach denen Herr Lardinois auf Grund der Auffassungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers differenzierte Preisanhebungen in den einzelnen Ländern vorschlagen will?
Mir sind solche Meldungen von Herrn Lardinois nicht bekannt.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten von Kühlmann-Stumm auf:
Teilt die Bundesregierung die von Bundesminister Dr. Friderichs in seinem Buch „Mut zum Markt" dargelegte Auffassung, wonach die (landwirtschaftlichen) Preise primär nach den Einkommenszielen der Landwirte an ungünstigen Standorten bestimmt werden?
Es ist immer gut, wenn andere Leute besser informiert sind.
.
Herr Bundesminister, wir sind bei Frage 36.
Ich warte immer auf Zusatzfragen.
Herr Kollege von Kühlmann-Stumm, Grundlage der jährlichen Agrarpreisbeschlüsse sind die Kommissionsvorschläge, die bislang an den Erfordernissen für moderne Betriebe ausgerichtet wurden. Bei ihren eigenen Preisvorstellungen hat sich die Bundesregierung an die Kommissionsvorschläge angelehnt. Allerdings sind im Rahmen der politischen Kompromißentscheidungen in den letzten Jahren diese Beschlüsse verstärkt durch die unterschiedliche Wirtschaftsentwicklung natürlich mit beeinflußt worden. Bei oberflächlicher Betrachtungsweise könnte der Eindruck entstehen, daß primär die Einkommensziele der Landwirte an ungünstigen Standorten bestimmend waren.
Herr Bundesminister, wenn Sie schon feststellen, daß hier eine oberflächliche Betrachtung an den Tag gelegt worden ist, würden Sie diese Ansicht auch bezüglich des ganzen Buches von Herrn Friderichs teilen, soweit es die Landwirtschaft betrifft?
Das würde ich nicht unbedingt sagen. Wie bei allen Denkmodellen gibt es richtige und falsche Schlußfolgerungen.
Herr Minister, nachdem eine Fülle von Erklärungen der verschiedensten prominentesten Persönlichkeiten über die veränderte Agrarpolitik vorliegen — Ihre beiden Staatssekretäre, der schon genannte Staatssekretär Schlecht, Herr Bundesminister Friderichs und andere —, würden Sie mir und diesem Hause mitteilen, welche Grundprinzipien Sie bei einer zu verändernden Agrarpolitik als wichtigste herausstellen wollen?
Herr Kollege von Kühlmann-Stumm, dazu habe ich bereits gestern auf eine Frage des Herrn Kollegen Susset geantwortet. Im übrigen wird die Bundesregierung, wenn sie in der
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8863
Bundesminister ErtlKabinettsitzung eine Entscheidung über die Bestandsaufnahme gefällt hat, selbstverständlich das Parlament und die deutsche Öffentlichkeit darüber informieren, in welcher Form Beschlüsse gefaßt worden sind.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ritz.
Herr Bundesminister, da diese Aussage für den analytischen Teil doch eine sehr zentrale Bedeutung hat: Würden Sie nicht meine Meinung teilen, daß — nachdem Sie selbst diese Aussage als oberflächlich betrachtet haben — auch die Schlußfolgerungen, die sich aus der Analyse ableiten, oberflächlich sein müssen?
Da kann ich Ihnen nur sagen: Darüber reden wir, wenn die Beschlüsse des Kabinetts vorliegen, Herr Kollege Ritz. Das ist eine Interpretation der Opposition, die ich zur Kenntnis nehme.
— Richtig, ich habe ja gesagt: in der Sache. Sie müssen bei meiner Antwort gut zuhören und nicht versuchen, immer nur Worte zu interpretieren. Ich habe Ihnen gesagt: Bei oberflächlicher Betrachtungsweise könnte man zu solchen Schlußfolgerungen kommen.
Fest steht, Herr Kollege Ritz — das sagen wir hier immer sehr deutlich; ich habe das auch in meiner Antwort erklärt, und ich habe mich gewundert, warum darauf nicht eingegangen wurde —, daß sich bei unterschiedlichen Inflationsraten andere Kostensituationen in den einzelnen Teillandwirtschaften ergeben. Das ist erwiesen, und dabei ist die Bundesrepublik Deutschland mit Abstand in einer vorteilhaften Position, weil einfach von der geringeren Inflationsrate her ein geringerer Kostendruck — in Relation zu den übrigen Landwirtschaften in der Gemeinschaft — besteht.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Spies von Büllesheim.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, würden Sie, nachdem Sie, wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, gerade gesagt haben, Sie wollten dem Papier nicht unbedingt Oberflächlichkeit bescheinigen, dann aber einräumen, daß Sie es bedingt tun müssen, und auf welche Teile würden Sie diese Oberflächlichkeit dann beziehen?
Herr Kollege Spies, ich würde Ihnen sehr gern antworten. Aber da muß ich die verschiedenen Punkte heranziehen. Ich will Ihnen aus dem Schlecht-Papier nur einmal darstellen, wie es der Verfasser sieht. Ich verweise dabei nur auf
einen Punkt — inzwischen ist ja alles veröffentlicht —: Auf Seite 17 heißt es: b) Lösungsansatz. Das heißt, daß die Verfasser selbst es in einer sehr — sagen wir — unbestimmten Form als Lösungsansatz bezeichnen, also als Diskussionsansatz und Denkansatz. Das möchte ich hier doch einmal festgestellt haben. Daraus sehen Sie, wie sehr hier interpretiert wird, was möglicherweise den Tatsachen nicht entspricht. Ich stelle Ihnen anheim, es nachzulesen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Immer.
Herr Minister, würden Sie bestätigen, daß ähnliche Vorstellungen, wie sie als Möglichkeiten in dem Buch von Herrn Minister Friderichs aufgezeigt worden sind, vor einigen Jahren auch vom Wirtschaftsrat der CDU in einem Gutachten sehr präzise und sehr konsequent als Empfehlung für eine neue Agrarpolitik aufgestellt worden sind?
Herr Kollege, ich bedanke mich für den Hinweis. Ich kenne das Gutachten leider nicht; ich würde es aber gern nachlesen. Ich sehe jedoch bei dem verehrten Amtsvorgänger und Freund Hermann Höcherl Denkansätze in dieser Richtung; sie sind auch in seinem Buch enthalten, das ich kenne. Ich betrachte alle Denkansätze — ich habe das als bedeutendes testamentarisches Überbleibsel aufgenommen — als sehr nützlich.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Eigen.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß, wenn Wirtschaftsminister Friderichs hier oberflächliche Betrachtungen angestellt hat, ja, sogar falsche, weil die Disparität eben aufzeigt, daß der Preis nicht am ungünstigen Standort orientiert ist, damit der Landwirtschaft und Ihrem Hause Schaden zugefügt wird?
So sehe ich das nicht, verehrter Herr Kollege Eigen. Es ist die Aufgabe des zuständigen Ressortministers, mögliche Mißinterpretationen in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Ich habe daher gern die Fragestunde hier wahrgenommen, um zu sagen: Zu glauben, daß bei Preisen — wollen wir lieber zur Frage zurückkehren, verehrte Frau Präsidentin — nur die ungünstigen Standorte berücksichtigt sind, das ist in meinen Augen oberflächlich. Es gibt aber sicherlich Akzente, die möglicherweise zu einem solchen Trugschluß führen könnten.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Bundesminister, würden Sie Ihre Aussage von vorhin, daß die Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland die gün-RíMetadaten/Kopzeile:
64 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Kiechlestigste Entwicklung bezüglich der Inflationsrate hatte, auch angesichts dessen aufrechterhalten, daß im Jahre 1973 der Erzeugerpreisindex für landwirtschaftliche Produkte den Betriebsmittelpreisindex in der Bundesrepublik nur mit 89,6 %, in Frankreich dagegen mit 104,1 % gedeckt hat?
Herr Kollege Kiechle, ich halte sie auch dabei aufrecht, weil Sie dann nämlich genau die einzelnen Details verfolgen müssen. Der Index spiegelt nämlich nicht die 7,6 Milliarden DM Aufwertungsausgleich infolge von 3 % Mehrwertsteuer und Flächenausgleich wider, und das ist ein Punkt, den Sie dann in den Index einrechnen müßten, was theoretisch und praktisch nicht möglich ist. Aus dieser Situation ergibt sich ein ganz anderer Zusammenhang.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.
Herr Bundesminister, ist es nicht so, daß diesen Ausführungen Ihres Kollegen Friderichs eine viel größere Bedeutung zukommt, als Sie hier zugeben, weil auch der Herr Bundeskanzler veranlaßt war, sich neue agrarpolitische Überlegungen nicht aus Ihrem Hause, sondern aus dem Wirtschaftsministerium zu holen?
Herr Kollege Höcherl, der Bundeskanzler hat auf diese Frage durch Frau Schlei antworten lassen. Insoweit können Sie das Protokoll des Bundestages nachlesen.
Der Herr Bundeskanzler hat jederzeit das Recht, sich für seinen persönlichen Gebrauch und zu seiner Information Gutachten erstellen zu lassen. Entscheidungen werden entsprechend der Geschäftsordnung des Bundeskabinetts gefällt; die ist Ihnen wohl bekannt, Herr Kollege Höcherl.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 37 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Kann die Bundesregierung angeben, bei welchen Agrarprodukten — in Anlehnung an die von Bundesminister Dr. Friderichs in seinem Buch „Mut zum Markt" dargelegte Auffassung — Überschüsse vorhanden sind, wie hoch sie sind und welcher Anteil davon als fürsorgliche Vorratshaltung für rund 260 Millionen Verbraucher in der EG anzusehen ist?
Herr Kollege Eigen, eine Überschußerzeugung innerhalb der EWG ist nicht grundsätzlich negativ zu beurteilen. Problematisch wird sie erst dann, wenn die in der Gemeinschaft nicht absetzbaren Mengen auch auf dem Drittländermarkt nicht zu tragbaren kommerziellen Bedingungen verkauft werden können und die Gemeinschaft in Erfüllung ihrer Preisgarantie bei Interventionsbeständen mit hohen Kosten einsteigen muß, die über die notwendige Vorratshaltung hinausgehen.
Zur Zeit betragen die Interventionsbestände in staatlicher und privater Lagerhaltung bei Butter ca. 250 000 t — immer auf die Gemeinschaft bezogen —, bei Magermilchpulver ca. 340 000 t, bei Rindfleisch ca. 200 000 t und bei Wein ca. 10 Millionen Hektoliter. Die Mengen dürften bei Magermilchpulver und Wein das in der EG notwendige Maß einer fürsorglichen Vorratshaltung überschreiten. Der Interventionsbestand bei Rindfleisch entspricht einem Verbrauch in der Gemeinschaft von zehn Tagen. Bei Butter ist in der letzten Zeit eine erhebliche Verringerung des Interventionsbestands festzustellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Bundesminister, wenn Sie es als den Dollpunkt der Lagerhaltung ansehen, daß gegenüber Drittländern billig verschleudert werden muß, stelle ich die Frage an Sie: Warum haben Sie nicht alle Möglichkeiten, die der Ministerrat geboten hat, für die Verbilligung von Nahrungsmitteln für die deutschen Verbraucher ausgeschöpft?
Weil sich auch hier in der Kostenfrage dasselbe Problem stellt. Im übrigen kann ich Ihnen sagen, daß wir gerade die Butterbestände deshalb reduzieren konnten, weil es die Sozialaktion bei der Butter gibt.
— Beim Fleisch läßt es sich verwaltungsmäßig nicht durchführen. Wir haben es aber für Sozialeinrichtungen praktiziert. Auch hier stellt sich natürlich die Frage der Kosten. Da die Haushaltslage nicht so ist, daß wir mit den Kosten ins Unendliche steigen können, müssen wir hier abwägen: was ist sinnvoll, was ist zweckmäßig, was ist effektiv?
Darf ich fragen, wie die Sozialaktion bei Rindfleisch in anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft verwaltungsmäßig gelaufen ist?
Ganz unterschiedlich, zum Teil mit sehr schlechten Erfolgen für Erzeuger und Verbraucher.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Bundesminister, darf ich den zweiten Teil der Frage von Herrn Eigen wiederholen, da Sie ihn nicht beantwortet haben: Welcher Anteil davon — also von den Vorratsbeständen — ist als fürsorgliche Vorratshaltung für rund 260 Millionen Verbraucher in der EG anzusehen?
Herr Kollege Kiechle, ich
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8865
Bundesminister Ertlhabe diese Frage genau dadurch beantwortet, daß ich gesagt habe, bei Wein und bei Magermilchpulver ist diese Position überschritten.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 38 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Kann die Bundesregierung für die Mitgliedstaaten der EG angeben, wie sich — ausgedrückt in jeweiliger Landeswährung — die Erzeugerpreise für Agrarprodukte und die landwirtschaftlichen Betriebsmittelpreise von 1969 bis in die jüngste Zeit entwickelt haben?
Die Bundesregierung wird Ihnen die geforderten Preisangaben zur Verfügung stellen. Es würde allerdings zu weit führen, die einzelnen Zahlen jetzt zu verlesen; das würde wahrscheinlich die Fragestunde zu sehr verkürzen. Ich würde gern diskutieren, wie Sie wissen.
Eine Betrachtung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise — darauf habe ich schon hingewiesen — muß auch den Aufwertungsausgleich von 1,7 Milliarden DM auf der Basis der nationalen Währungen mit berücksichtigen. Eine solche Betrachtung auf der Basis der nationalen Währungen zeigt, daß die Agrarpreise in Deutschland neben den Preisen in den Niederlanden und in Belgien von 1969 bis 1974 am schwächsten angestiegen sind. Allerdings gehört Deutschland auch zu den Mitgliedstaaten mit den relativ geringsten Steigerungsraten bei den Betriebsmittelpreisen. Dabei muß ich jedoch hervorheben, daß die Betriebsmittelindizes wegen der unterschiedlichen Bewertung der Einzelkosten nur bedingt vergleichbar sind. Herr Kollege Eigen, die in meinem Hause zu diesem Thema vorliegenden Unterlagen werde ich Ihnen schriftlich zuleiten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, Ihre Aussage gegenüber dem Kollegen Kiechle zu verbessern, in der Sie gesagt haben, daß die volle Mehrwertsteuer der Landwirtschaft nicht inbegriffen wäre? Die Zahlen, die Herr Kollege Kiechle genannt hat, sind inklusive Mehrwertsteuer und sagen aus, daß die Differenz zwischen den Erzeugerpreisen für Agrarprodukte und den Betriebsmittelpreisen in Deutschland in der gesamten Europäischen Gemeinschaft am größten ist.
Nein, diese Aussage brauche ich gar nicht zurückzunehmen. Sonst hätte ich Ihre Frage ja falsch beantwortet. Es sei denn, Sie legen mir andere glaubwürdige Zahlen vor — dann bin ich bereit, das zurückzunehmen. Sie müssen den Aufwertungsausgleich — Mehrwertsteuer und Flächenausgleich — infolge Einkommenswirksamkeit voll berechnen, aber Sie können ihn nicht indizieren. Das ist das Problem. Insoweit sagen die Indexzahlen infolge Aufwertungsausgleich und Fortsetzung der Mehrwertsteuer, die für das abgelaufene Wirtschaftsjahr mehr als 1 Milliarde DM beträgt, nichts aus.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, habe ich Sie recht verstanden, daß die Zahlen so, wie sie dort stehen, nicht auswertbar sind, und würden Sie sich dahin gehend korrigieren, daß die Zahlen der anderen Länder in gleicher Weise erstellt worden sind?
Nein. Der Vergleich ist gar nicht möglich, da andere Länder keinen Mehrwersteuer- und keinen Aufwertungsausgleich bekommen haben.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Alten-Nordheim auf:
Worauf gründet das interne Agrarpapier des Staatssekretärs Dr. Schlecht aus dem Bundeswirtschaftsministerium seine Aussage, nach der das durchschnittliche Einkommen des unteren Viertels deutscher Landwirte sich zum durchschnittlichen Einkommen des oberen Viertels wie 1 : 47 verhält oder anders, daß jeder vierte Landwirt nur mit durchschnittlich 10 000 DM auskommen muß, jeder vierte aber durchschnittlich 470 000 DM kassiert?
In der Aufzeichnung des BMWi ist lediglich ausgesagt, daß die Spannweite der landwirtschaftlichen Einkommen je Arbeitskraft zwischen dem unteren und dem oberen Viertel der Einkommensskala 1972/73 bei 11 % bis 472 % des durchschnittlichen Reineinkommens aller landwirtschaftlichen Testbetriebe lag. Diese Zahlen lassen sich aus den Ergebnissen ableiten, die in der Übersicht 11 des Textbandes des Agrarberichts 1974 — Bundestagsdrucksache 7/1650 Seite 36 — für die Marktfruchtbetriebe angegeben werden. Dort sind für das untere Viertel der kleinen Betriebe 2 129 DM und für das obere der größeren Betriebe 94 517 DM Reineinkommen je Familien-Arbeitskraft ausgewiesen. Sie beziehen sich also nur auf eine ganz bestimmte Gruppe von Betrieben und nur auf ein einzelnes Wirtschaftsjahr.Im Durchschnitt mehrerer Wirtschaftsjahre würde dieses Verhältnis nicht annähernd so hoch ausfallen. Eine Verallgemeinerung dieser Zahlen auf das untere und das obere Viertel der Landwirtschaft insgesamt ist unsinnig.Die in den Pressemeldungen enthaltenen Zahlen von 10 000 DM bzw. 470 000 DM je Arbeitskraft sind in dem genannten Papier des BMWi nicht enthalten. Vielmehr wurde auf der Basis des Verhältnisses 1 : 47, das sich aus den vorher genannten Zahlen bei grober Abrundung ergibt, von den Verfassern der Pressemeldung eine willkürliche Rechnung aufgemacht, die ohne jeglichen realen Bezug ist. Insoweit möchte ich mich auf meine Antwort auf die
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8866 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Bundesminister ErtlFrage des Kollegen Kiechle, die noch aufgerufen wird, berufen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wären Sie, wenn diese Zahlen aus der Presseverlautbarung nicht stimmen, bereit, den Fehler korrigieren zu lassen? Ist die Bundesregierung zu dieser Korrektur bereit?
Die Bundesregierung informiert laufend über diese Frage; sie hat auch laufend die Journalisten informiert. Eine andere Frage ist allerdings, ob es abgedruckt wird. Insoweit begrüße ich auch Ihre Anfrage, weil diese Anfrage mir erneut die Möglichkeit gegeben hat, die Zahlen in die richtige Relation zu setzen, so wie es den Tatsachen entspricht. Ich bedanke mich diesbezüglich für Ihre Anfrage.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine derartig falsche und auch polemische Berichterstattung nicht geeignet ist, beim Verbraucher das erforderliche Verständnis für agrarpolitische Notwendigkeiten und Maßnahmen der Bundesregierung zu wecken, und sieht die Bundesregierung nicht eine wichtige Aufgabe darin, um die ständige Verbesserung des Verhältnisses Erzeuger/Verbraucher bemüht zu sein?
Ich bin der Meinung, daß es deshalb notwendig ist, daß der Agrarbericht so ausführlich wie möglich gestaltet wird, weil er die beste Quelle ist. Selbstverständlich hat die Bundesregierung die Pflicht, die objektiven Zahlen so gut wie möglich der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es ist aber nicht nur die Pflicht der Bundesregierung, sondern die Pflicht aller — ich kann Sie darin nur unterstützen — in der Publikation Tätigen, einschließlich der landwirtschaftlichen Fachblätter, diese Zahlen so objektiv wie nur irgend möglich zu verwerten.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Spies von Büllesheim.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, unterliegt das sogenannte Schlecht-Papier noch der Vertraulichkeit, oder ist Ihr Haus bereit, sowohl das Papier wie auch etwaige Berechnungsunterlagen Angehörigen dieses Hauses auf Anforderung zur Verfügung zu stellen?
Das ist gar nicht notwendig, weil es schon in vollem Wortlaut veröffentlicht worden ist, verehrter Herr Kollege. Bevor es der Minister veröffentlichen konnte, war es schon veröffentlicht, wie es in dieser Stadt üblich ist.
Keine Zusatzfrage?
Dann rufe ich die Frage 40 des Abgeordneten von Alten-Nordheim auf:
Vertritt die Bundesregierung wie Bundesminister Dr. Friderichs in seinem Buch „Mut zum Markt" die Auffassung, daß die (agrarischen) Überschüsse überwiegend eine Folge überhöht festgesetzter Agrarpreise sind, die die Stabilitätspolitik im Durchschnitt der Jahre belasten?
Herr Kollege von Alten-Nordheim, bei den Erzeugnissen, bei denen zur Zeit in der EG Überschüsse bestehen — Milchprodukte, Rindfleisch —, sind in den letzten Jahren überdurchschnittliche Anhebungen der Marktordnungspreise vorgenommen worden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß gerade diese Produkte in weiten Teilen der Gemeinschaft in Gebieten mit schlechtstrukturierten Betrieben erzeugt wurden, für die es keine landwirtschaftlichen oder außerlandwirtschaftlichen Erwerbsalternativen gibt. Das trifft spezifisch auf weite Gebiete Frankreichs, Irlands, aber auch auf andere Länder in der Gemeinschaft zu.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim.
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß diese in dem Agrarpapier zum Ausdruck gebrachte Meinung mehr historische als Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung hat angesichts der Tatsache, daß an manchen agrarischen Produkten, die früher zum Teil im Überfluß vorhanden waren, heute erheblicher Mangel besteht?
Ja, nur muß ich zur Relativierung sagen: nicht im Augenblick bei Fleisch. Aber niemand kann für das nächste Jahr eine Garantie abgeben, wie sich der Fleischmarkt entwickeln wird. Denn sicherlich wird die Anhebung der Futtergetreidepreise in der Welt auf Grund großer Knappheit von Futtergetreide weltweit zur Reduzierung der Rinderbestände führen und zur gegebenen Zeit möglicherweise Auswirkungen auf die Fleischversorgung haben. Insoweit gebe ich Ihnen recht. Hier sind wahrscheinlich vergangene Tatbestände aufgeführt. Aber das wird es in der Politik immer geben. Jedes Papier, das angefertigt wird, ist nach seiner Fertigstellung zum Teil schon wieder historisch. So schnell ist die Entwicklung in unserer Zeit.
Zweite Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8867
Herr Minister, können Sie mir sagen, um wieviel wohl diese Preise überhöht sind und vor allem bei welchen Produkten? Oder, anders ausgedrückt: Welche Preise hätten diese Produkte haben müssen, damit keine Überschüsse hätten entstehen können?
Fest steht auf jeden Fall, daß die Marktordnungspreise so festgesetzt sind, daß die tatsächlichen Marktpreise im Augenblick erheblich unter dem Orientierungsniveau liegen. Das ist ein Faktum. Die Frage ist: Will man hohe Orientierungspreise haben, die theoretisch sind, oder Preise, die auf dem Markt realisiert werden können? Das bei Rindern beschlossene derzeitige Orientierungsniveau wird vom Markt gegenwärtig nicht realisiert. Das ist bedauerlich, aber es ist so.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Meinike.
Nachdem Sie, Herr Minister, zu dem Buch Ihres Kollegen Friderichs inzwischen sechs Fragen und mehr als zehn Zusatzfragen beantwortet haben und noch weitere zehn Fragen der Beantwortung harren, möchte ich Sie fragen, ob Sie diese Art der Buchbesprechung als eine neue Form der Fragestunde betrachten und wie Sie die zukünftigen Verkaufschancen dieses Buches einkalkulieren.
Ich betrachte es als eine gute Verkaufswerbung für meinen Kollegen Friderichs und für seine Mitarbeiter. Ich weiß, daß er das Honorar auf seine Mitarbeiter aufteilt, die im wesentlichen ja die Verfasser sind. Deshalb freue ich mich, daß die Beamten in dieser Form eine zusätzliche Dotierung bekommen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, dem letzten Halbsatz in der in Rede stehenden Frage, nämlich den Worten „die die Stabilitätspolitik im Durchschnitt der Jahre belasten" klar vor dem Hause hier zu widersprechen angesichts der Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Logemann anläßlich der Studientagung „Landwirtschaft — Verbraucher" ? Denn diese Ausführungen lauten wie folgt:
So haben sich die Nahrungsmittelpreise von 1963 bis 1973 zwar um 33 %, die Kosten der übrigen Lebenshaltung jedoch um 45 % verteuert.
Ich kann bestätigen, daß diese Zahlen stimmen. Insoweit sind die Rechnungen in den Papieren möglicherweise nicht ganz up to date.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Höcherl.
Herr Bundesminister, würden Sie es nicht für richtig halten, daß Sie in Bad Wiessee an der Kirche Antithesen gegen dieses Friderichs-Buch anschlagen?
Nein, das wäre eine zu große Aufwertung.
Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Ritz auf:
Stimmt die Bundesregierung mit der von Bundesminister Dr. Friderichs in seinem Buch „Mut zum Markt" dargelegten Auffassung überein, daß die (landwirtschaftlichen) Interventionspreise und der davon abgeleitete Außenschutz, gemessen an den Marktverhältnissen, überhöht festgesetzt worden seien und daß sich eine ökonomisch-sinnvolle Arbeitsteilung nicht herausbilden kann?
Herr Kollege Ritz, ich bitte um Entschuldigung; jetzt war ich bei der Kirche und den Antithesen.
— Das wäre reichlich vermessen.
Für den Außenschutz, Herr Kollege Ritz, ist nicht die Höhe des gemeinschaftlichen Agrarpreisniveaus, sondern die Gemeinschaftspräferenz, die Differenz zwischen der vom Richtpreis abgeleiteten Einfuhrschwelle und dem Interventionspreis, maßgebend. Die Gemeinschaftspräferenz ist eine der wichtigsten Grundlagen der Gemeinschaft. Durch die Gemeinschaftspräferenz, die eine Verstärkung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs zur Folge hat, können sich zwangsläufig gewisse Schwierigkeiten im Drittlandhandel ergeben. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es gelungen, auch im Agrarbereich einen Ausgleich zwischen dem Ziel des verstärkten innergemeinschaftlichen Warenaustausches und den Interessen des Drittlandhandels global herbeizuführen. In Einzelfällen haben sich jedoch immer wieder handelspolitische Schwierigkeiten ergeben, z. B. infolge des gegenwärtigen Importstopps bei Rindfleisch. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft bemüht bleiben, die Drittlandinteressen gebührend zu berücksichtigen, um die ökonomisch sinnvolle internationale Arbeitsteilung zu verbessern.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, da sich diese Aussage in der Fragestellung nicht auf Einzelprobleme konzentriert, sondern eine Global-aussage beinhaltet, darf ich Sie fragen, ob Sie es in der Tat für vertretbar halten, in dieser Form eine Aussage zu tätigen, die im völligen Widerspruch zu der Entwicklung steht, wie wir sie etwa heute auf
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8868 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Dr. Ritzdem Weltmarkt für Zucker und Getreide vorliegen haben.
Herr Kollege Ritz, ich habe schon wiederholt gesagt und tue es noch einmal: Man darf nicht nur einzelne Passagen herausgreifen. Zugegebenermaßen war die Entwicklung am Weltmarkt zumindest bei Getreide bei der Abfassung dieses Gutachtens nicht voraussehbar.
— Nein, Herr Kollege Ritz, das will ich Ihnen an einem Beispiel beweisen, damit Sie sehen, daß Sie nicht immer ganz informiert sind. Niemand konnte im August sehen, daß es am 5. Oktober im ganzen Mittelwesten einen solchen Frost gibt, bei dem ein großer Teil des Weizens, der Futtergerste und der Sojabohnen erfroren ist. Das ist ein Faktum, das sich sehr schnell ergeben kann. Das beweist wiederum, wie vorsichtig man in der Agrarpolitik mit fixierten Prognosen umgehen muß. Das gilt für jedermann.
Zweite Zusatzfrage.
Ich stimme Ihnen in dieser Schlußfolgerung zwar zu. Nur, Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, daß am 5. August — auf dieses Datum hoben Sie ab — der Weltmarktpreis für Getreide höher war als der Preis innerhalb der EWG?
Sicherlich, da stimme ich Ihnen vollauf zu. Aber die damaligen Prognosen — so ist es eben, wenn man möglicherweise die Marktgeschehnisse nicht immer ganz übersieht und vielleicht auch nicht ganz genügend in der Materie steckt —, Ernteschätzungen, die noch im August von den Amerikanern veröffentlicht wurden — das können Sie nachlesen —, lauteten auf eine Rekordernte. Aber genau das Gegenteil ist, durch Witterungseinflüsse bedingt, eingetreten. Übrigens gab es das nicht nur in Nordamerika. Es kam auch zu einer Riesenüberschwemmungswelle in Jugoslawien, in Ungarn und in anderen getreideexportierenden Ländern. Mit diesen Risiken wird die Agrarpolitik immer rechnen müssen.
Keine Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Sauter auf:
Ist die Bundesregierung mit Bundesminister Dr. Friderichs der Ansicht , daß durch die jährlich vereinbarten Steigerungsraten der Interventionspreise Erwartungshorizonte geschaffen werden, die nicht zu realisieren sind, und wer schafft konkret solche Erwartungshorizonte?
Herr Kollege Sauter, die Bundesregierung hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß von der Gemeinschaft nur die administrierten Agrarpreise festgesetzt werden und daß sich zumindest bei einigen wichtigen Agrarprodukten die tatsächlichen Verkaufspreise der Landwirtschaft am Markt bilden. Insbesondere bei der jüngsten Agrarpreisanhebung um 5 % habe ich besonders hervorgehoben, daß auf Grund der bestehenden Marktverhältnisse die Preisanhebungen vor allem bei Rind- und Schweinefleisch im Augenblick nicht am Markt zu realisieren sind. Die von Ihnen angesprochenen Erwartungshorizonte sind daher von der Bundesregierung nicht geschaffen worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, besteht in der Bundesregierung die Absicht oder die Tendenz, in den europäischen Gremien dahin gehend zu wirken, daß das Interventionssystem abgebaut wird?
Mir ist das nicht bekannt. Aber ich sage Ihnen, daß ich z. B. ein leidenschaftlicher Gegner einer permanenten Intervention bei Fleisch bin, weil sie den Markt total denaturiert und möglicherweise weder für die Erzeuger noch für die Verbraucher die gewünschte Wirkung erzielt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, teilen Sie meine Auffassung, daß in den letzten fünf Jahren durch diese Bundesregierung Erwartungshorizonte illusionärer Art geweckt worden sind — um dieses politchinesische Wort zu gebrauchen —, die wesentlich dazu beigetragen haben, daß sich diese Bundesregierung zur Zeit in einer so hoffnungslosen Situation befindet?
Diese Auffassung teile ich gar nicht, weil sie nicht richtig, sondern falsch ist. Sie können die Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft seit 1969 an Hand des Agrarberichts vergleichen. Daraus könen Sie ersehen, welche Steigerungsraten in den letzten fünf Jahren vorhanden gewesen sind und wie es vorher war. Insoweit kann ich das an Hand tatsächlicher Zahlen belegen, Herr Kollege Sauter.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Bundesminister, würden Sie meiner Meinung zustimmen, daß durch Behauptungen eines Mitglieds dieser Bundesregierung — unterstützt durch ein Foto —, nämlich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, er habe innerhalb von drei Jahren die Getreidepreise um 11,3 %, die Zuckerrübenpreise um 10,6 % und die Milchpreise um 30,2 % erhöht, doch Erwartungshorizonte geschaffen wurden?
Nein, gar nicht, weil das die
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8869
Bundesminister Ertltatsächlich ausgehandelten Zahlen sind. Das war vorher nicht der Fall.
— Sie sind nicht voll realisiert worden. Herr Kollege Kiechle, ich bin nicht verantwortlich für das Festsetzungssystem bei den Marktordnungspreisen. Dafür trägt Ihre Partei die maßgebliche Verantwortung.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Löffler.
Herr Minister, teilen Sie meine Auffassung, daß diejenigen falsche Erwartungen wecken, die sich vor anstehenden Preisbeschlüssen in Brüssel bei ihren Forderungen nur der Prozentrechnung bedienen und den Landwirten nicht sagen, daß die Preise über den Markt hereinkommen müssen?
Ich teile Ihre Auffassung. Ich habe im übrigen dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes schon vor drei Jahren vorgeschlagen, im Berufsstand einmal darüber zu diskutieren, ob man nicht möglicherweise von dieser reinen Prozentrechnung wegkommen sollte. Ich bin dazu nach wie vor bereit.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Eigen.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir einer Meinung, daß bei der Frage der Höhe des Einkommens der Landwirte nicht nur die Preisanhebungen berücksichtigt werden müssen, sondern vor allem auch die Kostenentwicklung, so daß man also Jahre, in denen die Inflationsrate völlig anders war, nicht mit Jahren der Stabilitätspolitik vergleichen kann?
Herr Kollege Eigen, dazu kann ich Ihnen nun wieder eine betriebswirtschaftliche Antwort geben. Die Kostenentwicklung spiegelt sich natürlich in der Ertragslage und der Einkommenssituation wider. Da aber können Sie die Zahlen in den Agrarberichten der letzten Jahre nachlesen. Diese Zahlen ergeben sich aus den Erträgen minus Kosten, und daraus werden dann Reineinkommen bis hin zum Gewinn oder zum Verlust errechnet. Insoweit gibt der Agrarbericht vollgültige Zahlen. Vergleichen Sie diese Zahlen der letzten Jahre, und stellen Sie Vergleiche mit den Jahren vorher an! Das ergibt, glaube ich, das objektive Bild.
Ich rufe die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Sauter auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß der EG-Ministerrat im Jahr 1973 mit Zustimmung der Bundesregierung 200 000 t Butter zu einem äußerst niedrigen Preis an die Sowjetunion geliefert hat, und wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Butter sozial Schwachen zum gleich niedrigen Preis zukommen zu lassen?
Die Voraussetzungen für die Butterlieferung an die Sowjetunion wurden durch Entscheidung der Kommission der Gemeinschaft vom 6. 4. 1973 nach Anhörung des Verwaltungsausschusses für Milch und Milcherzeugnisse geschaffen. Aus Gründen der Kompetenzaufteilung zwischen Ministerrat und Kommission bedurfte es nicht der Zustimmung durch den Ministerrat.
Sozialhilfeempfänger, gemeinnützige Einrichtungen und Streitkräfte erhalten seit 1969 mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1972 verbilligte Butter. So können Sozialhilfeempfänger auf Grund der ihnen ausgehändigten Gutscheine im Monat zweimal 250 g Butter um jeweils 1,05 DM — gleich 4,20 DM/kg — verbilligt einkaufen. Trotz der verschiedenen Verbilligungsaktionen war der Butterkonsum je Kopf der Bevölkerung im Wirtschaftsjahr 1973/74 um 0,2 Kilogramm auf 7,1 Kilogramm rückläufig.
Wenn es Sie interessiert, Herr Kollege Sauter: Sozialhilfeempfänger in der Bundesrepublik: 1973 8 100 Tonnen, 1974 ca. 12 000 Tonnen; Streitkräfte: 1973 2 700 Tonnen, 1974 ca. 4 700 Tonnen; gemeinnützige Einrichtungen: 1973 4 500 Tonnen, 1974 ca. 5 300 Tonnen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, halten Sie es für möglich, daß sich ähnliche Buttergeschäfte, wie mit der Sowjetunion getätigt, in Zukunft wiederholen?
Herr Kollege Sauter, selbstverständlich ist die Kritik daran berechtigt. Man muß allerdings auch die Situation kennen. Ich weiß nicht, was man mir entgegengehalten hätte, wenn ich gesagt hätte: Bei der Bewältigung der Intervention muß durch Erzeugerabgaben auch eine Mitverantwortung herbeigeführt werden. Insoweit war das eine außerordentliche Situation.
Solche Geschäfte sollten, wenn irgend möglich, vermieden werden. Das bedarf aber wiederum der Produktion in Marktgleisen; denn sonst werden wir zwangsläufig wieder in eine ähnliche Situation kommen. Das ist eine Frage, bei der Politik und Berufsstand gleichermaßen Verantwortung tragen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, da wir im Augenblick bei dem Problem der Überschüsse sind, möchte ich Sie fragen, ob Sie die
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8870 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Sauter
Mengensteuerung für eine Möglichkeit halten, die Überschüsse zu beseitigen.
Herr Kollege Sauter, das wäre schon eine Möglichkeit. Ob ich sie für eine realisierbare Möglichkeit halte, ist eine andere Frage. Ich muß Ihnen einfach sagen, daß es hier von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich ist. Was bei Zucker vorzüglich klappt, wird möglicherweise bei Butter und Fleisch nicht klappen a) wegen der Vielzahl der Anbieter und b) auch wegen der unterschiedlichen Verwaltungen. Das sind die Schwierigkeiten, die ich kenne. Ich weiß z. B. sehr genau, daß Italien in einer solchen Phase überhaupt nicht mitmachen würde. Das sind die Probleme.
Hier muß man alle Möglichkeiten ausloten. Ich bin im Prinzip nicht dagegen. Nur eines möchte ich nicht haben — dafür würde ich mich nie hergeben —: einen reglementierten Markt, wie schon einmal geschehen ist, mit Hofkarten und Produktionsanweisungen; sondern ich möchte einen auf Wettbewerb und Leistungsfähigkeit beruhenden Agrarmarkt haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Löffler.
Herr Minister, können Sie bestätigen, daß das wegen seiner Größe etwas fragwürdige Buttergeschäft mit der Sowjetunion a) durchaus im System des gemeinsamen Agrarmarktes liegt und b) eine große Marktentlastung gebracht hat, womit der deutschen Landwirtschaft indirekt ein außerordentlich großer Nutzen zuteil geworden ist?
Herr Kollege Löffler, ich kann Ihnen nur zustimmen, und ich muß sagen: Wenn die Verbraucher Kritik üben, habe ich volles Verständnis. Aber wenn die Erzeuger daran Kritik üben, dann frage ich mich, aus welchen Gründen.
Letzter Punkt — auch das darf ich sagen —: An diesem Geschäft hat ein Partnerstaat aus vielerlei politischen Gründen — mehr will ich nicht sagen — großes Interesse gehabt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Bremm auf:
Kann die Bundesregierung den von Bundesminister Dr. Friderichs geäußerten Verdacht bestätigen, daß zwischen Grenzausgleich und Import und Export von Agrargütern ein Zusammenhang besteht?
Herr Kollege Bremm, erlauben Sie mir, daß ich die Fragen, die im Sachzusammenhang stehen, gemeinsam beantworte?
Vizepräsident Frau 'Funcke: Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Bremm auf:
Hält die Bundesregierung es für eine im Sinne der objektiven Darstellung von Import- und Exportbeziehungen zulässige Methode, wenn Bundesminister Dr. Friderichs zur Beurteilung der Im- und Exportbeziehungen lediglich die Zuwachsraten angibt?
In der 128. Sitzung des Deutschen Bundestags habe ich auf eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Früh zum Grenzausgleich zu den Darstellungen in dem Buch „Mut zum Markt" von meinem Kollegen Friderichs eingehend Stellung genommen. Ich möchte mich daher auf diese Antwort beziehen; denn ich nehme an, daß sie Ihnen bekannt ist. Ich bin aber bereit, diese Antwort auch noch einmal zu verlesen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie es für richtig, daß in dem Schlecht-Papier und darauf fußend in Friderichs' Buch „Mut zum Markt" die Entwicklung des deutschen Agraraußenhandels lediglich für die Jahre 1971 bis 1973 dargestellt ist, und warum ist kein Vergleich aus früheren Jahren gegeben?
Nein, das halte ich eben nicht für richtig, obwohl die Preissteigerungsraten in diesen Jahren überdimensional waren. Das muß man dann langfristig im Durchschnitt sehen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Zur Frage 45: Herr Minister, können Sie mir bestätigen, daß es immer auf die früheren Ausgangswerte bezüglich der Zuwachsraten ankommt, und warum ist das hier verzerrend dargestellt?
Ich bin nicht Verfasser des Buches, und ich nehme an, die Verfasser des Buches werden Ihre Frage lesen. Deshalb kann ich dazu nicht Stellung nehmen. Ich kann nur grundsätzlich sagen: Im Wesen des gemeinsamen Agrarmarktes liegt es, daß wir Agrarexportsteigerungsraten dort, wo wir sie erreichen können, durchaus wahrnehmen. Wir stellen auch Marktanteile zur Verfügung. Wie Sie wissen, ist in diesem Hohen Hause ja oft darüber diskutiert worden. Ich sage immer, man kann nicht Marktanteile so einfach pauschal aufteilen, denn natürlich haben Niederländer und Dänen einen beachtlichen Markt hier zusätzlich für sich in Anspruch genommen. Aber wir müssen auch sagen: Wir haben einen großen Markt in Italien bekommen, der immerhin in diesem Jahre eine Summe von 3 Milliarden DM ausmacht. Insoweit halte ich die Betrachtungsweise in dieser Form
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Bundesminister Ertlfür nicht ganz sinnvoll und auch nicht für ganz der Realität entsprechend. Die Frage ist natürlich immer, inwieweit Grenzausgleich als solcher stimulierend wirkt. Darüber werden sich immer die Experten streiten — und übrigens auch die Praktiker.
Keine Zusatzfrage mehr. Dann rufe ich auf die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Schröder .
Hält die Bundesregierung es für sachlich richtig und im Interesse der deutschen Verhandlungsposition liegend, wenn Bundesminister Dr. Friderichs , unter der Überschrift „Neue Wettbewerbsverzerrungen" einzig und allein den deutschen Grenzausgleich anführt?
Kann die Bundesregierung angeben, wenn sie, dem Vorschlag, von Bundesminister Dr. Friderichs folgend, dafür eintritt, den deutschen Grenzausgleich abzubauen, wie die dann entstehenden Einkommensverluste der deutschen Landwirtschaft ausgeglichen werden sollen?
Herr Kollege Schröder, ich nehme an, daß ich auch hier so verfahren darf. Auf diese beiden Fragen habe ich in der Antwort auf die Frage des Abg. Dr. Früh Stellung bezogen. Ich darf ergänzend bemerken, daß der Grenzausgleich schon deshalb keine neue Wettbewerbsverzerrung darstellen kann, weil es sich um ein gemeinschaftlich erlassenes und gemeinsam finanziertes Ausgleichssystem handelt. Im Gegensatz dazu stehen die vertragswidrigen nationalen Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft in einigen Mitgliedstaaten, gegen die die Kommission das entsprechende Verfahren eingeleitet hat.
Eine Zusatzfrage!
Ich darf also feststellen, daß Sie genauso wie wir den Grenzausgleich nicht als eine neue Wettbewerbsverzerrung bezeichnen, sondern im Gegenteil mit uns der Auffassung sind, daß der Grenzausgleich das Ziel hat, währungsbedingte Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Vielleicht darf ich dann noch fragen: Sind die von Herrn Friderichs genannten Ungleichheiten im Außenhandel, die er als Argument gegen den Grenzausgleich heranzieht, nicht in erster Linie die Folge einer vernachlässigten Stabilitätspolitik in den betroffenen Ländern?
Das ist mit eine Wirkung. Herr Kollege Schröder, ich muß aber in aller Offenheit sagen, daß die italienische Regierung — einschließlich des italienischen Bauernverbandes; deshalb kam es ja auch zu gewissen Vorkommnissen am Brenner, die ich nicht billige, sondern die ich sehr verurteile immer darauf hingewiesen hat, daß z. B. bei Rindern und Milch das einheimische Erzeugerpreisniveau unterlaufen wurde. Ich habe mich dagegen immer entschieden gewehrt, aber ich muß Ihnen sagen, mir sind Zahlen darüber vorgelegt worden, und das führt natürlich dann zu solchen Spekulationen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihrer ersten Aussage entnehmen, daß also Pressekommentare, in denen davon ausgegangen wird, daß es schon als ausgemachte Sache gilt, daß die Bundesregierung in aller Kürze einem Abbau des deutschen Grenzausgleichs zustimmen wird, nicht den Tatsachen entsprechen?
Mir ist auf jeden Fall im Augenblick darüber nichts bekannt. Wir werden in einer Bestandsaufnahme sicherlich auch über den Grenzausgleich zu sprechen haben, und ich möchte in dieser Situation und heute den Beschlüssen der Bundesregierung nicht vorgreifen. Aber ich glaube immer, daß der Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Währungsunion gewahrt bleiben muß und daß sich sonst die Frage der Preiseinheit im Prinzip stellt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz.
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß gerade diese Aussage zum Grenzausgleich das eigentlich Gefährliche dieser ganzen Friderichs- bzw. Schlechtstudie deshalb ist, weil die Partnerländer inzwischen genau diesen Punkt als voll zustimmungspflichtig aufgegriffen haben, und treffen Informationen zu, wonach schon für die nächste Preisrunde der Beginn des Grenzausgleichs für die deutsche Landwirtschaft eingebaut ist?
Mir sind solche Vorschläge bisher nicht bekannt, Herr Kollege Ritz. Aber daß solche Vorschläge immer wieder kommen können, ist gar nicht zu bezweifeln. Der Versuch wird sicherlich immer wieder gemacht werden.
Ich darf Sie nur daran erinnern: Der Bundesminister, der diese Fragen beantwortet, hat in dieser Frage schon einmal einen Flug nach München angetreten, mit allen politischen Konsequenzen, und er wird auch vor einem zweiten Flug nicht zurückschrecken.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mertes!
Herr Bundesminister, wie stellen sich diejenigen Mitglieder der Bundesregierung, die die Auffassung von Herrn Bundesminister Friderichs teilen, angesichts unserer Haushaltslage den Abbau des Grenzausgleichs finanziell vor, d. h., aus welchem Topf soll nach Auffassung dieser Mitglieder der Bundesregierung das entsprechende Geld kommen?
Diese Frage wäre erst dänn zu
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Bundesminister Ertlprüfen, wenn solche Beschlüsse gefaßt würden, Herr Kollege.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Ist die Bundesregierung mit Bundesminister Dr. Friderichs der Auffassung , daß eine Abstimmung der Agrarpolitik mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik auf Gemeinschaftsebene kaum stattfindet, und wie soll eine derartige Abstimmung stattfinden, wenn es eine allgemeine Wirtschaftspolitik in der EG gar nicht oder nur in mehr oder weniger unverbindlichen Absprachen gibt?
Herr Kollege Horstmeier, die Bundesregierung hat sich bisher um eine Koordinierung der Agrarpolitik mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft bemüht. Es ist Herrn Bundesminister Friderichs zuzustimmen, daß diese Koordinierung verbessert werden muß.
Andererseits muß aber auch die allgemeine Wirtschaftspolitik in verbindlicherer Weise als bisher für die Mitgliedstaaten, und zwar im ganzen Komplex der Konjunktur- und Wirtschaftspolitik, gestaltet werden.
Herr Minister, da Sie auf eine zusammenhängende Darstellung Wert legen — auch ich halte das für richtig —, möchte ich Sie fragen: Teilen Sie auch den Standpunkt Ihres Kollegen Friderichs, der im nächsten Satz dieser Frage zum Ausdruck kommt, daß Marktstörungen auf die falsch festgesetzten Preise durch den Ministerrat zurückzuführen sind?
Das kann bei einigen Produkten möglicherweise der Fall sein. Wir haben deshalb einen Teil korrigiert — im übrigen ist das ein Bestandteil meiner Antwort, die ich, wenn ich noch so viel Zeit habe, bei der Beantwortung der Fragen des Kollegen Höcherl geben muß —, z. B. was das Verhältnis Eiweiß/Fett — um nur ein Beispiel zu nennen — oder das Verhältnis Futter/Brotgetreide angeht. Das sind spezifische Probleme, aber man kann das nicht globalisieren.
Aber zu der Gesamtaussage: Ist, wenn die Kosten- und Preissteigerungen — das müssen wir doch wohl zugeben — Ergebnisse der Wirtschaftspolitiken in den einzelnen Ländern sind und sich daraus gewisse Sachzwänge für die EG-Agrarpolitik ergeben, diese These des Wirtschaftsministers überhaupt haltbar?
Sie stellen die Dinge hier immer so dar, als ob jeder Satz eine These sei, Herr Kollege Horstmeier. Sie sollten jeden Satz im Kontext sehen. Ich glaube, es ist ein Novum in der Geschichte, daß ein Buch immer nur satzweise zitiert wird.
Mit Sätzen kann ich zwar alles interpretieren; wenn Sie aber das ganze Buch lesen, werden Sie auch die Fragezeichen mitlesen. So sollten Sie u. a. auch die Einleitung lesen. Es ist hier der Versuch gemacht worden — ob es ein guter Versuch war oder nicht, darüber kann man streiten —, Denkanstöße zu geben. Ich kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal erwidern, daß ich der Auffassung bin, daß natürlich dadurch, daß die Hypothese von der Wirtschafts- und Währungsunion nicht Wirklichkeit geworden ist, der Agrarmarkt in der Konstruktion erschüttert wurde. Das ist ein politisch bedeutsamer Faktor, von dem wir nicht herunter können. Daher werden wir uns um pragmatische Lösungen, die für alle erträglich sein müssen, bemühen.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Kann die Bundesregierung die Auffassung von Bundesminister Dr. Friderichs bestätigen , wonach der EG-Ministerrat die Erzeugerpreise für Rindfleisch in den letzten vier Jahren um 27 % angehoben hat, und wie ist die Diskrepanz zu den Zahlenangaben im Statistischen Monatsbericht des Bundesernährungsministeriums zu erklären, wonach die Erzeugerpreise für Rindfleisch von 1969/1970 bis 1973/1974 lediglich um 17 % gestiegen sind bei gleichzeitigem Ansteigen der Produktionsmittelpreise um 36 %?
Die von Ihnen angegebenen Preisentwicklungen sind zutreffend. Es ist jedoch notwendig, zwischen den vom Ministerrat festgesetzten Agrarpreisen einerseits und den auf dem Markt erzielbaren Erzeugerpreisen andererseits zu unterscheiden. In meiner Antwort auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Sauter habe ich darauf hingewiesen.
Die von Ihnen genannte Steigerung der Produktionsmittelpreise im angegebenen Zeitraum entspricht der globalen Kostenentwicklung. Bei der Anhebung der Rinderorientierungspreise ist die Entwicklung der besonderen Produktionskosten dieses Bereichs mitberücksichtigt worden.
Herr Minister, könnte dem Bundeswirtschaftsminister als Hintergrundmaterial die Studie des EG-Wirtschafts- und Sozialausschusses gedient haben, worin festgestellt wird, daß die Weltmarktpreise — und nicht unsere — für Rindfleisch von 1972 bis 1973 um 27 % gestiegen sind?
Allerdings müssen Sie dann auch sagen, wie sie von 1973 auf 1974 gefallen sind, Herr Kollege Horstmeier,
und wie hoch sie vorher waren.Aber ich gebe Ihnen zu: Die Agrarpolitik der Gemeinschaft hat sich für den Verbraucher in den letz-
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Bundesminister Ertlten Jahren als stabilisierendes Element erwiesen, und das muß man auch den Landwirten honorieren.
Darf ich davon ausgehen, Herr Minister, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten diesen Eindruck, der falsch entstanden ist, in der Offentlichkeit korrigieren wird?
Das habe ich soeben getan, Herr Kollege Horstmeier. Aber das tue ich schon so oft, daß ich es bald selber nicht mehr hören kann.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Ostman von der Leye.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit, den Fragestellern das inkriminierte Buch kostenlos zur Verfügung zu stellen, damit diese Fragestunde auch einmal für andere Themen und andere Fragebereiche zur Verfügung steht?
Herr Ostman von der Leye, die Kollegen haben es leider alle schon. Ich möchte dafür auch keine Subventionen ausgeben. Das soll ruhig zu Marktpreisen gehen, soweit dieses Buch einen Marktpreis hat.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Dr. Ritgen auf:
Hält die Bundesregierung es im Interesse einer objektiven Betrachtung der Ausgaben des EG-Agrarfonds für angebracht, wenn Bundesminister Dr. Friderichs lediglich die Steigerungsraten der Ausgaben angibt oder eine Beziehung zur Wertschöpfung der Landwirtschaft herstellt, und wäre es nicht richtiger, die Ausgaben in eine Relation zum gesamten Sozialprodukt oder zu den Staatsausgaben zu setzen?
Herr Bundesminister!
Mit der Angabe einer einzigen Steigerungsrate für die Ausgaben der gemeinsamen Agrarpolitik ist die Entwicklung der gemeinsamen Agrarfinanzierung nur unzureichend beschrieben. Bei der Steigerung der Agrarausgaben, die sich für das Jahr 1975 auf 3 980 Millionen Rechnungseinheiten belaufen werden, ist zu berücksichtigen, daß ursprünglich nur eine Teilfinanzierung bestand, der Agrarmarkt stufenweise durch neue Marktorganisationen im Laufe der Jahre vervollständigt wurde, und die Kosten durch die Erweiterung der Gemeinschaft im Jahre 1973 durch den Beitritt der drei Länder zusätzlich angestiegen sind.
Es können daher weder die absoluten Ausgaben-zahlen noch die prozentualen Steigerungsraten der einzelnen Jahre miteinander verglichen werden. Die Beziehung der Kosten der Agrarpolitik auf andere Bezugsgrößen — z. B. das Bruttosozialprodukt
oder die nationalen Budgets — scheitert an der Vergleichbarkeit der Daten. Außerdem blieben bei einem solchen Vergleich die zusätzlichen nationalen Ausgaben für die EG-Agrarpolitik unberücksichtigt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß eine Zahl von x Milliarden, in den Raum gestellt, in der Öffentlichkeit natürlich eine falschen Eindruck erweckt, wenn man sie nicht in die Relation zu einer Bezugsgröße, z. B. zum Bruttosozialprodukt, bringt?
Nein, Herr Kollege Dr. Ritgen. Ich habe große Bedenken dagegen — aber das ist meine ganz persönliche Meinung, hier antworte ich nicht für die Bundesregierung —, daß wir in allen Bereichen, wo immer es geht, vom Sport — ich sage das, weil wir vorhin die Sportdebatte hatten und ich, wie Sie wissen, leidenschaftlicher Sportler und im Augenblick Sportbetroffener bin — über die Landwirtschaft bis zur Verteidigung sagen: soundso viel Prozent vom Sozialprodukt. Ich glaube, das ist zwar theoretisch eine schöne Größe, aber sie sagt über die Aktivitäten und die Fakten nichts aus. Ich halte von diesen Schablonenberechnungen, ehrlich gesagt, gar nichts.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich wollte von Ihnen nur wissen, ob die Sozialprodukte aller EWG-Staaten zu den Ausgaben, die der Fonds in Brüssel leistet, in Relation gesetzt werden könnten.
Das könnte geschehen, Herr Kollege Dr. Ritgen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Löffler.
Herr Minister, halten Sie es mit mir für objektiver, wenn man die Zusammenhänge über die Ausgabenhöhe der Marktordnungen innerhalb Europas so darstellt, daß man zu der Feststellung kommt, daß jeder in Europa Werktätige im Jahr eine Sondersteuer von 131 DM aufzubringen hat, um die Marktordnungsausgaben für den gemeinsamen Argrarmarkt abzudecken?
Herr Kollege Löffler, hier muß ich natürlich auch ein wenig korrigieren. Man könnte selbstverständlich auch diese Bezugsgröße wählen. Ich würde sie aber auch nicht begrüßen. Wir müssen feststellen, daß durch die gesamte EG-Politik in den letzten Jahren in diesem Lande ein großes wirtschaftliches Wachstum möglich war. Das bedeutet auch eine beachtliche Verbesserung des Lebensstan-
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Bundesminister Ertldards, was wiederum mehr Kaufkraft für alle bedingt, auch mehr Kaufkraft für Nahrungsgüter, was indirekt auch der Marktpolitik der Landwirtschaft zugute kommt.
Keine Zusatzfragen. Ich rufe dann die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf:
Ist die Bundesregierung mit Staatssekretär Dr. Schlecht der Auffassung, daß der Preis für Agrargüter als Faktor der Einkommensbildung in der Landwirtschaft ausgesetzt werden soll und daß stagnierende reale Agrarpreise durch direkte Einkommensübertragungen ausgeglichen werden sollen, und wenn ja, welche Vorstellungen hinsichtlich der Höhe einer erforderlichen Finanzierung hat die Bundesregierung?
Herr Kollege Kiechle, Staatssekretär Dr. Schlecht hat nicht die Auffassung vertreten, daß der Preis für Agrargüter als Faktor der Einkommensbildung in der Landwirtschaft ausgesetzt werden soll. Daher erübrigt sich eine Stellungnahme der Bundesregierung zu der Herrn Staatssekretär Dr. Schlecht unterstellten, im übrigen abwegigen Meinung.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, da Sie sich offensichtlich an ein Wort klammern, will ich so formulieren: „teilweise ausgesetzt". Würden Sie mir dann die Frage beantworten?
Nein, weil er auch das in dieser Form nicht gesagt hat, Herr Kollege Kiechle. In der Form steht es nicht drin, es sei denn, ich habe es nicht in Erinnerung. Ich lese hier nur: eine Vielzahl von Vorschlägen — ich habe das ganze Papier hier —, Einführung von Produktionskontingenten z. B. kein praktikabler Weg. Dann heißt es hier: „Ansatzpunkte und Überlegungen". Ich will hier nur einige zitieren. Hier heißt es z. B.: „Für den Landwirt muß ein ausreichendes Einkommen erzielbar sein." Danach hat mich bisher niemand gefragt. Es wäre auch einmal eine nützliche Frage gewesen, ob das auch in diesem Papier steht. Dann heißt es: „Gleichzeitig sind die aktuellen und latent vorhandenen Störungen des Marktgleichgewichts zu beseitigen. Schließlich muß den sich ausbreitenden Wettbewerbsverzerrungen entgegengewirkt werden." Und dann heißt es: „Theoretisch denkbare Lösungsmöglichkeiten". Daraus ersehen Sie wiederum, wie sehr der Konjunktiv und die theoretischen Lösungsmöglichkeiten hier vorherrschen. Ich muß das doch einmal in aller Deutlichkeit sagen, weil hier etwas ganz anderes hineininterpretiert wird, als tatsächlich gesagt wird. Dann lese ich, Herr Kollege Kiechle, unter 2.: „Eine allgemeine Preissenkung für Agrarerzeuger zur Erreichung des Marktgleichgewichts ist wegen strukturpolitisch unerwünschter Nebenwirkungen ebenfalls abzulehnen." Ich glaube, daß ich jetzt sehr präzise einmal an Hand
des Textes geantwortet habe. Ich muß wirklich feststellen, Frau Präsidentin: hier werden Fragen gestellt, die einfach mit dem Text nicht in Übereinstimmung stehen, und diese Tatsache zwingt mich dann, in langen Ausführungen den Sachverhalt richtigzustellen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Bundesminister, da Sie sich jetzt offensichtlich an Formfragen klammern, möchte ich präzisieren: Die stagnierenden realen Agrarpreise, von denen Herr Staatssekretär Dr. Schlecht spricht, müssen ja kompensiert werden. Welche Vorstellungen hinsichtlich der Höhe einer erforderlichen Finanzierung hat die Bundesregierung?
Die Bundesregierung hat sich mit dem Papier überhaupt nicht befaßt. Infolgedessen braucht sie diese Frage in dieser Form gar nicht zu beantworten.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Gallus.
Herr Bundesminister, können Sie Herrn Kollegen Kiechle bestätigen, daß Herr Schlecht in seinem Papier, wenn ich das richtig gelesen habe, Einkommenszahlungen anspricht, die die EWG heute schon tätigt oder in der Zukunft tätigen will, z. B. im Bergbauernprogramm?
Herr Kollege Gallus, ich muß wiederum zitieren. Ich beginne jetzt hier eine Vorlesungsstunde über dieses Papier. Hier heißt es wortwörtlich: „Lösungsansatz kombiniertes Preisbeihilfensystem". Dazu meine Antwort: Im Bergbauernprogramm ist genau dieser Lösungsansatz realisiert. Ich halte das auch sektoral für eine Möglichkeit, aber global würde ich große Zweifel anmelden.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Eigen.
Herr Bundesminister, kann ich mit Recht feststellen, daß Sie sich in bezug auf die wirklichen Essentials vom Schlecht-Papier und vom Friderichs-Buch hier heute klar distanziert haben?
Das will ich so nicht sagen. Ich will Ihnen dazu in aller Deutlichkeit erklären, daß ich viele Denkansätze für nicht richtig halte. Deshalb hat auch mein Haus, als dieses Papier weitergeleitet wurde, eine drei Seiten lange Stellungnahme
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Bundesminister Ertlabgegeben, und aus dieser Stellungnahme können Sie alle meine Meinung ablesen, und ich brauche mich gar nicht zu distanzieren. Im übrigen bin ich Demokrat und Liberaler, der durchaus Denkansätze anderer, auch wenn sie anderer Meinung sind, respektiert und damit kein politisches Pokerspiel betreibt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf.
— Gut; dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Ist die Bundesregierung bereit, landtechnische Lohnbetriebe in das Förderungsprogramm für landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe aufzunehmen und wenn ja, unter welchen Kriterien?
Herr Kollege Ey, im Rahmen des Förderungsprogramms für landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe ist wegen dessen besonderer Zielsetzung nicht beabsichtigt, landtechnische Lohnbetriebe, soweit sie gewerblicher Art sind, in der Förderung besonders zu berücksichtigen.
Landtechnische Lohnbetriebe können jedoch bereits gegenwärtig dann gefördert werden, wenn deren Betriebsinhaber gleichzeitig Haupterwerbslandwirt oder landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte ist und seinen landwirtschaftlichen Betrieb nebenberuflich bewirtschaftet. Dieser Unternehmer kann dann — wie jeder andere Landwirt auch — eine Förderung von Maschineninvestitionen erhalten. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß er sich an einer Kooperation mit unmittelbarer Flächenbewirtschaftung — z. B. Maschinenring — beteiligt und die Maschineninvestitionen im Interesse dieser Kooperation vorgenommen werden.
Im übrigen weise ich darauf hin, daß die gewerblichen Lohnunternehmer nicht in meine Ressortzuständigkeit fallen, sondern in die Ressortzuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers. Grundsätzlich halte ich aber an dem Prinzip fest, daß Maschinengemeinschaften, Maschinenringe und Lohnunternehmen gleichrangig wertvoll sind, und werde auch mit Herrn Kollegen Friderichs über diese Frage noch einmal sprechen, ob es entweder eine Lösung in seinem Hause oder gemeinsam Lösungen gibt, die die Chancengleichheit mehr berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, was hat die Bundesregierung veranlaßt, Nebenerwerbsbetriebe, die
Lohnunternehmen betreiben, hinsichtlich der Förderung davon abhängig zu machen, ob sie die Mitgliedschaft in einem Maschinenring haben?
Herr Kollege Ey, die Grundsätze für die Gemeinschaftsaufgabe — und dazu gehört das ja auch — werden im Planungsausschuß beraten. Ich berufe mich hier auf die Übereinstimmung mit den Ländern, bin auch dazu verpflichtet, eine Übereinstimmung zu finden. Ich glaube auch, daß es im Prinzip richtig ist. Ich bin in dieser Frage sehr offen.
Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Dr. Jahn auf. Zur Beantwortung, bitte, Herr Bundesminister.
Ich glaube, der Abgeordnete ist nicht anwesend.
Ist der Fragesteller anwesend?
— Dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gilt auch für die Frage 55 des Abgeordneten Dr. Jahn .
Die Frage 56 des Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Desgleichen seine Frage 57. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Höcherl auf:
Hat die Bundesregierung das Memorandum der EG-Kommission vom 5. November 1973 zur Neuorientierung der EG-Agrarpolitik zur Kenntnis genommen?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Bundesminister.
Herr Kollege Höcherl, gestatten Sie mir, daß ich Ihre beiden Fragen, die in einem Zusammenhang stehen, zusammen beantworte.
Dann rufe ich auch noch die Frage 59 des Abgeordneten Höcherl auf:
Warum hat die deutsche Präsidentschaft nicht darauf gedrängt, dieses Memorandum im Ministerrat zu behandeln?
Die Bundesregierung hat das Memorandum der EG-Kommission vom 5. November 73 zur Neuorientierung der EG-Agrarpolitik nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch im Rahmen der deutschen Präsidentschaft mehrfache Erörterungen des Memorandums im Ministerrat veranlaßt. Bei den Agrarpreisbeschlüssen vom 23. März 1974 wurde ein großer Teil der Anregungen — man kann sogar sagen: der überwiegende Teil der Anregungen — der EG-Kommission entweder vollständig oder in der Zielsetzung teilweise verwirklicht.
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8876 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Bundesminister ErtlBei wichtigen Bereichen wurden Grundsatzbeschlüsse gefaßt, für deren Verwirklichung feste Termine vorgesehen worden sind. Außerdem hat der Ministerrat am 5. Oktober 1974 auf deutschen Antrag beschlossen, eine Bestandsaufnahme der EG-Agrarpolitik vorzunehmen. Die Kommission ist gebeten worden, entsprechende Unterlagen mit eventuellen Schlußfolgerungen bis Ende Februar 1975 vorzulegen.Ich darf vielleicht hierzu zitieren, welche Zielsetzungen inzwischen vollständig verwirklicht wurden: Änderung des Verhältnisses Fett/Eiweiß bei Milch; Verbesserung der Preisrelation zwischen Brot- und Futtergetreide — darauf habe ich vorher schon hingewiesen —; schrittweise Abschaffung der Denaturierung bei Getreide; Abbau der Produktionserstattung bei Stärke; Vereinheitlichung der Reports und Streichung der Übergangsvergütung bei Getreide; Abschaffung der Regionalisierung bei Gerste; Änderung der regionalen Preisstaffelung für Raps und Wegfall der besonderen Beihilfe für Italien; Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Trockenfutter; Marktorganisation Soja.Grundsatzbeschlüsse wurden gefaßt über Maßnahmen zur Stabilisierung des Milchmarktes bei übermäßigen Butterbeständen — zusätzlich deutsche Protokollerklärung zur Erzeugermitverantwortung und zur Höhe der „übermäßigen Bestände" ab 300 000 Tonnen — sowie zur Neuregelung des Beihilfesystems für Hartweizen und Olivenöl.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Höcherl.
Herr Bundesminister, sind Sie angesichts des großartigen Katalogs, den Sie hier vorgetragen haben, nicht der Meinung, daß die Kommission und der Ministerrat zu Unrecht vom Bundeskanzler wegen angeblicher agrarpolitischer Untätigkeit gescholten wurden?
Ich glaube, das hat der Herr Bundeskanzler nicht gemacht. Dem Herrn Bundeskanzler sind vielmehr die Verordnungen zu viel, wie ich es im Bundestagsprotokoll oder sonstwo einmal gelesen habe, es kann auch sein, in der Presse. Er sagt, es seien zu viele Verordnungen, und man müsse doch den Weg finden, Agrarpolitik auch mit weniger Verordnungen zu machen. In dieser Auffassung möchte ich ihm nicht widersprechen, im Gegenteil, mir ist auch manchmal die Perfektion des Guten zu viel.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 60 der Abgeordneten Frau Dr. Riede auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Anordnung über Rückstände von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln in Lebensmitteln vom 28. Juni 1971 der DDR das Zehnfache an DDT zulässig ist wie nach der Höchstmengenverordnung der Bundesrepublik Deutschland, und, wenn ja, welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die Einfuhr von
Lebensmitteln aus der DDR, die nach unserer Verordnung unzulässige Rückstandsmengen von DDT aufweisen, zu verhindern?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Bundesminister!
Frau Dr. Riede, nach den Bestimmungen einer Reihe von Ländern, auch aus dem Westen, sind für DDT vielfach höhere Rückstände in oder auf Lebensmitteln erlaubt als in der Bundesrepublik. Für Einfuhren in die Bundesrepublik, gleichgültig, welcher Herkunft, sind jedoch nur diejenigen Höchstmengen duldbar, die auch für Inlandserzeugnisse Gültigkeit haben.
Eine Zusatzfrage, die Abgeordnete Frau Dr. Riede.
Sind Sie, Herr Bundesminister, mit mir der Meinung, daß es bei der unterschiedlichen Auffassung über die Gesundheitsschädlichkeit von DDT in der Bundesrepublik und der DDR unabdingbar ist, daß sämtliche Lebensmittelimporte aus der DDR auf Rückstände untersucht werden?
Das werden sie auch, Frau Dr. Riede. Ich bin davon überzeugt, daß die zuständigen Behörden Stichproben durchführen. Sonst würden sie ja den Rechtsbestimmungen nicht entsprechen. Selbstverständlich wird man schon wegen des nicht ausreichend vorhandenen Personals immer nur Stichproben machen können. Aber es wird generell jede Sendung untersucht.
Keine weitere Zusatzfrage. Wir sind am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers Ertl angekommen. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, für die Beantwortung.
Wir haben noch eine Dreiviertelminute Zeit. Sollen wir noch den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes aufrufen? — Ich rufe aus diesem Geschäftsbereich die Frage 127 des Abgeordneten Hösl auf:
Zu welchen Ergebnissen ist der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, Staatssekretär Gaus, bei seinen Verhandlungen zur Unterlassung von Störungen auf den Transitstrecken gekommen?
Ist der Abgeordnete anwesend? — Ja. Zur Beantwortung, Frau Parlamentarische Staatssekretärin Schlei.
Herr Abgeordneter Hösl, Staatssekretär Gaus führt keine Verhandlungen über Störungen auf den Transitwegen, die in die Zuständigkeit der Kommission nach Art. 19 des Abkommens über den Transitverkehr vom 17. Dezember 1971 fallen. Staatssekretär Gaus hat jedoch aus gegebenem Anlaß im Rahmen der politischen Gespräche, die er im Außenministerium der DDR laufend führt, nachdrücklich auf den Schaden hingewiesen, der für die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8877
Parl. Staatssekretär Frau Schleientstehen kann, wenn es zu Störungen auf den Transitwegen kommt.Welche Ergebnisse nun der fachlichen und welche der politischen Gesprächsebene zuzurechnen sind, ist naturgemäß nicht zu sagen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Hösl.
Frau Staatssekretär, ist der Kommission wenigstens die Zusicherung seitens der DDR gegeben worden, in Zukunft die Bestimmungen des Transitabkommens strikt einzuhalten?
Das kann man annehmen. Man ist in der gestrigen Sitzung zu folgendem Ergebnis gekommen. Die Delegation der Deutschen Demokratischen Republik hat in der gestrigen Sitzung nachdrücklich erklärt, daß die Abfertigung des Transitverkehrs auf der Straße an den Wochenenden und den anderen erörterten Tagen im Oktober und November nicht bewußt verzögert worden sei.
Sie hat betont, daß es das Anliegen der DDR sei — das war Ihre Frage —, gelegentlich auftretende unvermeidbare Abfertigungshindernisse auf ein Minimum zu reduzieren, also von sich aus darauf hinzuwirken, daß es zu keinen Behinderungen kommt, Herr Kollege Hösl.
Frau Staatssekretär, hat die Bundesregierung die Überzeugung gewonnen, daß die andere Seite den ehrlichen Willen dazu hat?
Die Bundesregierung geht von der Erwartung aus, daß sich die DDR ehrlich darum bemühen wird, daß es zu keinen Verzögerungen bei der Abfertigung kommt, Herr Kollege Hösl.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der 90minütigen Fragestunde angelangt. Ich muß hier abbrechen, da wir noch vor einer Aktuellen Stunde stehen. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen und gebe folgendes bekannt.
Die Fragen 129 und 130 sind vom Fragesteller Hansen zurückgezogen worden, ebenfalls die Frage 134 des Abgeordneten Dr. Marx, die Fragen 141 und 142 des Abgeordneten Wohlrabe, außerdem die Fragen 63 und 64 des Abgeordneten Maucher sowie die Frage 66 des Abgeordneten Schröder . Ferner sind folgende Fragen zurückgezogen worden: die Fragen 72 und 73 des Abgeordneten Reiser, die Frage 133 des Abgeordneten Zoglmann, die Frage 90 des Abgeordneten Müller (Berlin), die Frage 99 des Abgeordneten Huonker, die Frage 105 des Abgeordneten Müller (Berlin), die Frage 115 des Abgeordneten Meinicke (Oberhausen). Soweit die Bekanntgabe über die Zurückziehung der Fragen. Die
Fragestunde ist beendet. Die nicht aufgerufenen Fragen dieser Woche werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Es ist gemäß Nr. 1 der vorläufigen Bestimmungen über Aussprachen zu Fragen von allgemeinem aktuellen Interesse von der Fraktion der CDU/CSU ein Antrag gestellt worden, in eine
Aktuelle Stunde
einzutreten zu dem Thema: Verhandlungen der gemeinsamen Grenzkommission über die Grenzmarkierung der Zonengrenze im Elbebereich und über die Behinderung im Transitverkehr.
Zur Begründung hat der Abgeordnete Professor Abelein das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind in Sorge über die Verhandlungen der Grenzkommission zum Grenzverlauf auf der Elbe zwischen Schnackenburg und Lauenburg. Die ausweichenden Antworten der Bundesregierung zu diesem Thema und das beharrliche Schweigen auf eine in der Öffentlichkeit in der Zwischenzeit entfachte sehr besorgte Diskussion zu diesem Thema stimmen uns nachdenklich und machen uns mißtrauisch. Die Bundesregierung erzeugt durch ihr Verhalten den Eindruck, als ob es in diesen Verhandlungen um Dinge geht, die auch, was die Ergebnisse angeht, das Licht der Öffentlichkeit scheuen.Die Rechtsauffassung, die die Bundesregierung bisher hierzu gehabt und die sie auch in langen Jahren praktiziert hat, ging davon aus, daß der Elbstrom in seiner gesamten Breite zwischen Schnackenburg und Lauenburg zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört. Diese Rechtsauffassung — sage ich — ist in einer langen Praxis auch vollzogen worden.Die Praxis wurde, wie sich an Hand einer Reihe von Ereignissen zeigt, von seiten der Alliierten unterstützt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur — davon wird noch die Rede sein — an den Zwischenfall mit dem Vermessungsschiff „Kugelbake", als die Briten mit massivem militärischen Nachdruck diese Rechtsposition — Grenze verläuft östlich der Elbe — unterstützt haben.Auch Bestimmungen im Verkehrsvertrag über die Kennzeichnung von Schiffen der DDR, die in diesen Abschnitt einfahren, akzeptieren diese Rechtsposition. Hier geht es jedoch nicht nur um ökonomische, sportliche, verwaltungstechnische Fragen, obwohl uns auch interessieren würde, was die Bundesregierung dazu anbietet.Die entscheidende Frage — die Überschrift für die Behandlung dieses Problems für uns — lautet genau wie die Überschrift, die die Bundesregierung ihren gesamten Verträgen in diesem Zusammenhang gegeben hat, nämlich: Was wird gewonnen für die betroffenen Menschen?
Um es noch mehr zu präzisieren: Bisher war dieSituation so, daß in unserem geteilten Lande Flücht-
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Dr. Abeleinlinge, die das Leben in Unfreiheit drüben unerträglich fanden, in dem Augenblick, wo sie das Wasser in der Elbe erreicht hatten, die Freiheit gewonnen hatten. Sie brauchten nur noch gegen das Wasser zu kämpfen. Wird aber eine Regelung getroffen, die die Grenze auf Strommitte zurücknimmt, dann sind diese Flüchtlinge in der hilflosesten Situation, in der ein Mensch sein kann: Auf sie wird — im Wasser treibend — dann auch geschossen. Ist sich die Bundesregierung denn über diese Problematik im klaren? Welche Lösungsmöglichkeiten will sie denn hier anbieten? Bislang, bei der gegenwärtigen Praxis konnten bzw. können die Instanzen der Bundesrepublik Deutschland diesen Menschen helfen. Für den Fall, daß es zutreffen sollte, daß die Bundesregierung bereit ist, auf die Strommitte zurückzugehen, würde dies einen empfindlichen Schlag für die Interessen der Menschen in beiden Teilen Deutschlands, für die deutschen Interessen bedeuten; hauptsächlich — das sage ich noch einmal — für die Menschen, die drüben in der DDR eine weitere Möglichkeit verloren sehen, die Freiheit über die Elbe zu erreichen.Es komme niemand mit der billigen Ausrede, all diesen Gesichtspunkten würde Rechnung getragen. Die Bunderegierung hat selbst ebenfalls feststellen müssen, daß die Abmachungen, die sie getroffen hat, von der anderen Seite hernach nicht eingehalten worden sind. Darauf möchten wir in dieser Aktuellen Stunde, da die Bundesregierung bisher auf unsere Fragen nicht geantwortet hat, eine Antwort haben. Die Opposition fordert deshalb in dieser Angelegenheit: Erstens. Die Bundesregierung darf keinesfalls der Konstituierung einer neuen Grenze im Elbe-Bereich zustimmen. Zweitens. Die Bundesregierung muß sofort den zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages über den Stand der Verhandlungen der Grenzkommission und ihre Absichten unterrichten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern, Herr Professor Maihofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den klaren Regelungen zum Grundvertrag im Zusatzprotokoll und einer Erklärung zu Protokoll über die Aufgaben der Grenzkommission ist die Grenzkommission bei ihrer Markierungsaufgabe ausschließlich auf die Vereinbarungen der früheren Besatzungsmächte verwiesen. Es handelt sich dabei um das Londoner Protokoll vom 12. September 1944 und hiervon örtlich abweichende spätere Vereinbarungen. Die Bundesregierung hat dies bereits in der Denkschrift zum Grundvertrag hervorgehoben und dabei auch betont, daß bei dieser Rechtslage, die mit Art. 2 des Deutschlandvertrags in Einklang steht, Grenzänderungen nicht zu den Aufgaben der Grenzkommission gehören. All dies gilt auch für den Elbabschnitt der Grenze zur DDR.Auf eine Frage des Herrn Kollegen Dr. Schröder hat die Bundesregierung schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, daß es für die Grenzfeststellung nicht darauf ankommt, ob der einen oder anderen Seite dieser oder jener Grenzverlauf erwünscht sei; es komme vielmehr ausschließlich auf die Rechtslage an.Ich begrüße es, daß die Opposition, wie die für diese Woche gestellten mündlichen Fragen zeigen, grundsätzlich von demselben Rechtsstandpunkt wie die Bundesregierung, der eben dargelegt wurde, ausgeht. Es ist selbstverständlich, daß diese gemeinsame Rechtsauffassung von Bundesregierung und Opposition in den bisher 16 Sitzungen der Grenzkommission und im übrigen auch in den bisher 15 Sitzungen der Arbeitsgruppe „Grenzmarkierung" der Grenzkommission ständige und deutlich zum Ausdruck gebrachte Voraussetzung für jedes Vorbringen unserer Seite war.Zeitungsveröffentlichungen, die sich auf angebliche vertrauliche Protokollauszüge berufen, vermitteln einen völlig irreführenden Eindruck über den wahren Verlauf der seit längerem mit der DDR geführten Gespräche über die Elbeproblematik. Die Bundesregierung will die nachteiligen Folgen solcher Berichte und der daran geknüpften Mutmaßungen nicht noch dadurch verstärken, daß sie hier in öffentlicher Erörterung auf Einzelheiten eingeht. In diesem Hohen Haus ist bereits gesagt worden, daß die Bundesregierung Richtigkeit und Vollständigkeit der Veröffentlichungen nicht bestätigen kann. Wenn hier Erörterungen über diese komplizierte Sach- und Rechtslage geführt werden können, wie wir mehrfach gesagt haben, dann können dies nur nichtöffentliche Erörterungen in den zuständigen Ausschüssen sein, wie sie gerade wiederum angeregt worden sind. Nur das dient unseren nationalen Interessen.Im Elbeabschnitt der Grenze zur DDR hat die Bundesrepublik Deutschland Interessen, die sich auf die volle Breite des Stromes beziehen. Die Bevölkerung in diesem Gebiet hat ein spezielles Interesse an gesicherten Regelungen, die ihren besonderen Belangen gerecht werden. Hieran sollte auch die Opposition bei ihrer Behandlung der Elb-Problematik denken. Wir sollten gemeinsam davon ausgehen, daß sich alle Bundesregierungen seit 1949 für das gleiche Ziel eingesetzt haben, und zwar mit den ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln. Das tun wir auch jetzt mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln.Ich will nicht von mir aus auf die sehr interessante Frage eingehen — auch das könnte einmal Gegenstand vertraulicher Erörterungen sein —, ob die von der CDU/CSU geführten früheren Bundesregierungen alles getan haben, was nach ihren eigenen Rechtsansichten erforderlich gewesen wäre. Tatsache ist jedenfalls, daß sich auf der Elbe nicht nur der Zollgrenzdienst, die hamburgische Wasserschutzpolizei und der Bundesgrenzschutz hoheitlich betätigen, sondern auch bewaffnete Organe der DDR, und zwar auch auf der uns zugewandten Seite des Stromes, wo immer die von diesen Booten befahrene Fahrrinne auf unsere Seite überwechselt. Dies ist der Fall, solange die DDR existiert. Es gibt keine ernstlichen Versuche früherer Bundesregie-
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihoferrungen, diese hoheitliche Betätigung der DDR auf der Elbe zu unterbinden. Alle in der Vergangenheit geschaffenen Fakten, die Grundlage für die Gespräche mit der DDR bilden und die unsere Betätigung auf der Elbe wenigstens bis zu den östlichen Buhnenköpfen stützen, haben auch wir in diese Verhandlungen mit eingebracht. Erfreulicherweise hat sich die westliche Seite in dieser Beziehung auch gewaltsam, wie eben nochmals erwähnt wurde, gegenüber Übergriffen der DDR zur Wehr gesetzt, etwa bei dem Zwischenfall bei Gorleben im Jahre 1966. Damals wurden — und das ist heute schon weithin vergessen — die für die Unterhaltung des Stromes erforderlichen Querpeilungen, die nun ganz anders vertraglich gesichert werden sollen, von der DDR zu behindern versucht. Bekanntlich kann man die Flußschiffahrt nur dann aufrecht erhalten und einen solchen Flußlauf nur dann instandhalten, wenn man das gegenüberliegende Ufer betritt.Inzwischen ist durch den Verkehrsvertrag mit der DDR eine erste zuverlässige Grundlage für den Bereich der Binnenschiffahrt geschaffen. Auf dieser Grundlage wird diese Bundesregierung aufbauen und in Gesprächen und Verhandlungen mit der DDR alles weitere absichern und ausbauen. Sie wird dies auch in den Bereichen tun, wo frühere Bundesregierungen nur verbal tätig wurden, aber nicht real durch Vereinbarungen Regelungen schaffen konnten, wie dies eben erst auf der Grundlage der nunmehr bestehenden Verträge möglich geworden ist.
Herr Bundesminister, die Redezeit auch für Regierungsmitglieder ist fünf Minuten. Sie können nachher nochmals das Wort nehmen.
Ich bin sofort fertig.
Die Bundesregierung vertritt die für uns günstigste Auffassung, die sich auf Vereinbarungen der Besatzungsmächte stützen läßt. In den sehr schwierigen Gesprächen mit der DDR spielen dabei zahlreiche Einzelfragen eine Rolle. Die Bundesregierung bedauert, daß in Erörterungen in der Öffentlichkeit gerade solche Argumente hochgespielt worden sind, die unsere Position nicht stützen, weil sie zum Teil dubios sind. Eine weitere öffentliche Diskussion auf dieser Basis kann dem Gang der Gespräche mit der DDR nicht förderlich sein. Wir werden sie, und das ist meine abschließende Feststellung, wie schon in der Lübecker Bucht mit einem Ergebnis abschließen, das unseren nationalen Interessen und den berechtigten Belangen der nächstbetroffenen Bevölkerung an der Elbgrenze entspricht und das ihnen über den gegenwärtig ungesicherten Rechtszustand hinaus klare Rechte zur freien Schiffahrt und Fischerei auf der Elbe sichert.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für dieArbeit der Grenzkommission gilt das gleiche, was für alle Ostverträge überhaupt gilt: Sie soll keine rechtlichen Regelungen treffen, weder neue Rechte begründen noch alte Rechte ändern oder aufheben. Sie soll praktische Regelungen, die ungeachtet rechtlicher Meinungsdifferenzen möglich sind, für die Menschen konkret schaffen. Über die Grenze, auch an der Elbe, wird also nicht verhandelt; sie wird nicht konstitutiv festgestellt. Sie wird lediglich deklaratorisch behandelt und markiert, soweit das bei einem fließenden Wasser wie der Elbe überhaupt möglich und sinnvoll ist.Gleichzeitig werden unter Ausklammerung der Rechts- und Statusfragen praktische Regelungen geschaffen und zu schaffen sein, etwa zur Uferinstandhaltung, zur Wasserversorgung, zum Verkehr und zu ähnlichem. Das betrifft gerade Verkehrsregelungen etwa auf Grund des § 23 des Verkehrsvertrags, dem auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, damals zugestimmt haben, jenem ersten Vertrag, der die DDR damals als Staat von Vertrags wegen anerkannt hat.
— Ich habe Sie, Frau Kollegin, leider akustisch nicht verstanden.Das zentrale Anliegen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, meine Damen und Herren, ist, den Menschen zu helfen, insbesondere hier auch wieder konkret denjenigen, die über die Elbe zu uns als Flüchtlinge kommen wollen. Ich darf Ihnen dazu sagen, daß ich fast ein Jahrzehnt lang im Rahmen des Dienstes beim Hamburger Senat eine besondere Verantwortung in diesem Bereich dadurch getragen habe, daß ich den Aufgabenbereich der Hamburger Wasserschutzpolizei zu bearbeiten hatte, die der Behörde für Inneres, der ich damals angehörte, unterstellt ist, und die für die ganze Länge bis Schnakkenburg zuständig ist. Wir haben schon damals unzähligen Menschen durch unsere Wasserschutzpolizei helfen können. Wir werden dafür sorgen, daß dies weiter geschehen kann, daß es aufrechterhalten bleibt.Aber, meine Damen und Herren, Sie wissen alle, welche Bedeutung in der zwischenstaatlichen Praxis die Ausübung und die Nichtausübung von Rechten hat. Ich muß hier etwas deutlicher als der Bundesminister eben mit Nachdruck darauf hinweisen, daß es eine Situation gegeben hat, wo der Hamburger Senat mit seiner Polizei allein stand, nämlich zu jenem Zeitpunkt, als nach Beendigung der unmittelbaren britischen Verantwortung auf diesem Stromabschnitt die Nationale Volksarmee der DDR begann, den Elbabschnitt zwischen Schnackenburg und Lauenburg-Bolzenburg mit bewaffneten und hoheitliche Tätigkeit ausübenden Booten zu befahren. Wir allein vermochten damals als Freie und Hansestadt Hamburg und damit als hamburgische Polizei nicht das zu tun, was Sie auf Grund Ihrer Rechtsauffassung heute hier fordern. Wir hätten damals die Hilfe der Bundesregierung gebraucht
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Dr. Arndt
unter den Kanzlern Adenauer und Erhard. Wir haben sie nicht bekommen. So ist die staatsrechtliche Praxis entstanden, daß heute auch dort Boote der Nationalen Volksarmee fahren und hoheitliche Befugnisse ausüben. Das ist eine Praxis, die jetzt anderthalb Jahrzehnte andauert und die wir Sozialdemokraten uns jedenfalls nicht zuschreiben können. Der Hamburger Senat, damals geführt von der sozialdemokratischen Regierungsmehrheit, hat sich eingehend in Bonn bemüht, aber es ist ihm nicht gelungen, hier eine Aktivität aus der Bundesregierung herauszulocken, eine Aktivität, die über verbale Dinge und ähnliches hinausgegangen wäre.Hier gilt wie allgemein: Wie sollen wir, wie die Dinge heute liegen, das aufholen, was in jener Zeit, als die CDU/CSU in Deutschland die politische Verantwortung getragen hat, versäumt wurde? Dies ist vorbei. Wir können es nicht wiedergutmachen. Helfen Sie uns daher heute, in dieser Verhandlungssituation das zu tun, was heute noch möglich ist. Das wäre die Aufgabe, die wir in diesem Hause gemeinsam zu lösen hätten. Die Antwort auf die Frage, ob manche Fragestellung dazu dient, muß ich Ihnen allerdings selber überlassen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schröder .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Presseveröffentlichungen über die Schweriner Sitzung der Grenzkommission, die erst in diesen Tagen erschienen sind, haben nicht ohne Grund in der deutschen Öffentlichkeit eine große und verständliche Unruhe ausgelöst. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stellt deshalb ihre Haltung zu den Grenzmarkierungsverhandlungen an der Elbe in den folgenden fünf Punkten deutlich klar.Erstens. Herr Bundesminister, nicht nur die alliierten Vereinbarungen aus den Jahren 1944 und 1945, sondern auch das konkludente Handeln, von dem der Staatssekretär Jung noch in einem Schreiben vom 25. Mai des Jahres 1973 gesprochen hat, sind Grundlagen für die Verhandlungen über die Grenzziehung an der Elbe.Zweitens. Es besteht nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht die geringste Veranlassung, auf die Forderung der anderen Seite, die Grenze in der Strommitte zu markieren, einzugehen. Denn erstens war die Handhabung durch die englische Besatzungsmacht völlig eindeutig und klar und ist von den Sowjets auch niemals in Frage gestellt worden, auf der Elbe uneingeschränkt Hoheitsakte auszuüben und das östliche Elbufer als Grenze anzusehen. Zweitens haben die Engländer — mein Kollege Abelein hat schon darauf hingewiesen — noch im Jahre 1966 im Zusammenhang mit der „Aktion Kugelbake", bei der sie am Westufer sogar Panzer auffahren ließen, deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie ein Eingreifen der DDR oder der Sowjets in Hoheitsbereiche der Bundesrepublik Deutschland nicht zulassen würden. Drittens bringt— und auch das ist schon angesprochen worden — Art. 23 des Verkehrsvertrages zum Ausdruck, daß selbst die DDR von der Voraussetzung ausging und ausgeht — zumindest noch bis zum Jahre 1972 —, daß auf der Elbe im Prinzip Hoheitsakte der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt werden. Denn aus welchem Grunde, meine Damen und Herren, läßt man sich vertraglich — wie im Protokollvermerk zu Art. 23 — sanktionieren, daß die Schiffe im internen Verkehr zwischen den DDR-Häfen von uns nicht kontrolliert werden sollten, wenn man nicht selber davon ausgeht, daß alle übrigen Hoheitsakte eben durch den anderen Partner, durch die Bundesrepublik Deutschland, ausgeübt werden?
Das sind doch praktizierte Rechte, die wir hier nicht ohne Grund vergessen sollten.Lassen Sie mich in diesem Zusamenhang eine Bemerkung an Sie richten, Herr Kollege Arndt: Ich verhehle keineswegs, daß es von 1950 bis heute Durchlöcherungen dieses Prinzips gegeben hat. Aber das hat doch nichts daran geändert, daß wir selber und, wie ich soeben darzulegen versucht habe, sogar die andere Seite im Prinzip davon ausgegangen sind, daß es sich hier um einen Bereich handelt, in dem — mit Durchlöcherungen — grundsätzlich Hoheitsakte der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt werden.Drittens. Eine von dieser Auffassung abweichende Regelung könnten die Grenzkommission und die Bundesregierung auch schon deshalb nicht mitmachen, weil die Grenzkommission nach dem Grundlagenvertrag nicht die Kompetenz hat, neue rechtsetzende, konstitutive Akte zu vollziehen.Ich möchte in diesem Zusammenhang an das erinnern, was der Herr Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen — allerdings zwei Tage vor der letzten Bundestagswahl — wie ich hinzufügen möchte — in einem sehr breit angelegten Interview in den Zeitungen meines Zonengrenz-Wahlkreises zum Ausdruck gebracht hat. Er hat dort wörtlich erklärt:Die Regelung der Grenzfrage auf dem Elbe-abschnitt zwischen Lauenburg und Schnakenburg gehört nicht zu den Aufgaben der in Art. 3 des Zusatzprotokolls zum Grundvertrag vorgesehenen gemeinsamen Kommission. Denn die praktischen Fragen— so Egon Franke am 17. November 1972 —des Verkehrs in diesem Grenzabschnitt sind ja durch den Verkehrsvertrag geregelt.Und er hat einleitend — und das hat manchen Wähler damals nicht unbeeindruckt gelassen —
zwei Tage vor der Bundestagswahl hinzugefügt — ich darf ihn wörtlich zitieren —:Auf der Oberelbe zwischen Lauenburg undSchnakenburg wird nicht die Mitte des Stromes, sondern das Nordostufer durch den Grund-
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Schröder
vertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR bestätigt.
So Egon Franke zwei Tage vor der letzten Bundestagswahl.
Viertens. Die praktische Handhabung seit 1945 bis heute und die Interessen der ansässigen Bevölkerung in bezug auf die Fischerei und den Wassersport lassen nur eine Vereinbarung zu, derzufolge die Elbe von Lauenburg bis Schnackenburg zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört; denn anderenfalls träten in diesen Bereichen für die ortsansässige Bevölkerung schwere Beeinträchtigungen ein. Auch der Hinweis auf mögliche Sonderabkommen über diese Fragenkomplexe kann uns nicht beruhigen angesichts der ständigen Verletzungen, die wir beispielsweise beim Transitabkommen erleben.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich für die CDU/CSU-Fraktion zum Schluß zum Ausdruck bringen, daß wir im übrigen nicht das geringste Verständnis dafür hätten, wenn man in dieser Frage irgendeine Eile an den Tag legt; denn ein mögliches Eingehen auf die Forderung der anderen Seite würde nicht nur — wie ich versucht habe anzudeuten — eine Beeinträchtigung unserer Rechtsposition, auch nicht nur die Aufgabe — die verfassungswidrige Aufgabe — von Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland bedeuten, sondern für die ansässige Bevölkerung eine Verschlechterung gegenüber der jetzigen Situation.Es gibt im niedersächsischen Bereich ein altes, Ihnen allen bekanntes Sprichwort, mit dem ich in Abwandlung schließen möchte: Landgraf, bleibe hart! Bundesregierung, bleibe hart in dieser Frage; denn es besteht nicht der geringste Anlaß, aus irgendeinem Grunde auf die Prestigeforderung der anderen Seite einzugehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Opposition ist offenbar kein Wasser zu seicht, um darin im trüben zu fischen.
Mit dieser politischen Umweltverschmutzung sollten wir erst gar nicht anfangen.
Es mag ja wahr sein, daß der Bundesregierung in den Fragen der Deutschlandpolitik der Wind ins Gesicht weht.
Es ist deshalb ja auch durchaus verständlich, wenndie Opposition das Feuer schürt, um sich in eingutes Licht zu rücken. Aber dabei sollten die Grenzen der fairen Auseinandersetzung zu keiner Zeit überschritten werden.
Was hier an Unterstellungen und Verdächtigungen gegen die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Arbeit der Transitkommission vorgebracht worden ist, überschreitet nach meiner Meinung diese Grenze auch dann,
wenn Sie Sorge vorschützen.
Hier ist doch wirklich Sorge nur Mittel und Methode.Die Opposition kann an dieser Stelle nicht einmal ein Informationsdefizit vorschützen.
Die Mitglieder des innerdeutschen Ausschusses dieses Parlaments sind bei ihrer Zonnenrandbereisung im September über die Tätigkeit der Grenzkommission und der Verkehrskommission im Elbeabschnitt umfassend schriftlich und mündlich unterrichtet worden. Der verehrte Herr Kollege Abelein hat uns allerdings damals nicht die Ehre seiner Anwesenheit gegeben. Auch der Kollege Schröder war nur mit Stippvisiten anwesend, um seine Presseerklärungen legitimiert abzugeben.
Wenn die Opposition dennoch zu einem Zeitpunkt, an dem die Gespräche nicht abgeschlossen sind, diesen Weg beschreitet und sich dabei der Hilfe unseriöser Argumente aus der öffentlichen Diskussion bedient, fördert sie die Bemühungen der Bundesregierung um vernünftige Ergebnisse nicht. Nein, sie belastet die Gespräche nur.Um die Aufgabe der Grenzkommission klar in Erinnerung zu bringen: Sie ist nicht befugt, die Grenze zu verändern, weder zu unseren Gunsten noch zu unseren Lasten. Sie hat lediglich festzustellen, wo die Grenze nach besatzungsrechtlichen Festlegungen verläuft. Gebietsabtretungen sind deshalb außerhalb jeder Diskussion. Maßgebend ist nicht, was der einen oder der anderen Seite wünschenswert erscheint; maßgebend ist allein, was die Besatzungsmächte hier verfügt und vereinbart haben.
Meine Damen und Herren, wir haben ein elementares Interesse daran, daß der Binnenschiffahrtsverkehr auf der Elbe reibungslos verläuft. Schließlich ist nahezu die Hälfte des gesamten Schiffsverkehrs, der die Abfertigung in Schnackenburg durchläuft, Verkehr von und nach Berlin. Vordringlich ist es auch, für die Sportschiffahrt Klarheit und Sicherheit zu schaffen. Naturgemäß müssen wir deshalb ein
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Hoppegroßes Interesse daran haben, daß die Wasserstraße ordnungsgemäß unterhalten werden kann. Der Fischfang muß entsprechend den hergebrachten Fischereirechten im ganzen Umfang der Fischereigerechtigkeit ungestört ausgeübt werden können. Dies ist zur Zeit noch nicht gewährleistet.Nicht zuletzt muß auch sichergestellt sein, daß es unter dem Vorwand des ungeklärten Grenzverlaufs nicht zu Übergriffen der DDR auf das Bundesgebiet kommen kann. Diese Probleme stehen für uns im Vordergrund; sie berühren die Menschen unmittelbar.Bei der Lösung dieser für uns so im Vordergrund stehenden Probleme besteht für die Verhandlungskommission auch ein Verhandlungsspielraum, dagegegen nicht, meine Damen und Herren, bei der Festlegung des Grenzverlaufs. Für uns alle geht es darum, diese Grenze, die hier genauso bedrückend ist wie überall, wo sie zwischen den beiden deutschen Staaten verläuft, durch die Regelung praktischer Fragen menschlicher zu machen. Ansatzpunkte hierfür sind vorhanden.Mit Recht ist auf die von der Grenzkommission getroffenen Vereinbarungen über eine Schadensbekämpfung, eine Instandhaltung von Grenzgewässern und den Fischfang vor der mecklenburgischen Küste hingewiesen worden. Auch darüber ist die Opposition eingehend in jenem Informationspapier unterrichtet worden, von dem ich bereits gesprochen habe. Hieran sollte weitergearbeitet werden. Dafür gebührt der Bundesregierung nachdrückliche Unterstützung. Auch die Opposition sollte sie hier nicht versagen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Höhmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Veranstaltungen dieser Art, in denen die Opposition ihrer großen Sorge Ausdruck gibt, haben wir in letzter Zeit sehr häufig gehabt.
Und daß das Wohl der Stadt Sie fast umbringt, das führen Sie uns hier jedesmal vor. Nur, der etwas operettenhafte Charakter dieser Veranstaltungen fällt uns dabei auch auf.
Sie haben dieses Thema ja schon einmal ausgiebig behandelt in der Fragestunde der vergangenen Woche.
Herr Kollege Jäger, Sie haben seinerzeit den Herrn Staatssekretär Dr. Schmude gefragt:
Können Sie sich denn nicht vorstellen, daß es auch
in dieser Phase der Verhandlungen eine ausgesprochene Rückenstärkung für unsere Verhandlungsvertreter sein könnte, wenn die auch dartun könnten, daß dieses Parlament so schrecklich wachsam ist?
Der Herr Staatssekretär Dr. Schmude hat in seiner Art darauf geantwortet. Er hat dieses verneint. Denn in der Tat, Rückenstärkung kann diese öffentliche Auseinandersetzung über Gegenstände, über die gerade verhandelt wird, nicht sein.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Herr Kollege Jäger, da Sie immer wieder lachen und Ihr eingefrorenes Grinsen zur Schau tragen,
möchte ich Ihnen einmal sagen, Sie sollten auf diese Art und Weise nicht versuchen, jemanden, der eine andere Meinung vertritt, hier lächerlich zu machen. Das entspricht auch nicht dem Stil dieses Hauses.
Herr Kollege Höhmann, diese Worte „angeborenes Grinsen" halte ich nicht für einen besonders guten parlamentarischen Ausdruck.
Ich habe nicht von „angeborenem Grinsen" gesprochen, Herr Präsident.
So war es hier verstanden. Dann bitte ich um Entschuldigung, falls es hier falsch verstanden worden sein sollte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es tatsächlich Zweck dieser Veranstaltung sein sollte, der Regierung zu helfen, dann ist doch das ganze Unternehmen falsch angelegt. Wenn dieses Problem nicht in der Form von öffentlicher Regierungsbeschimpfung behandelt wird, sondern intensiv in den zuständigen Ausschüssen beraten wird, dann haben wir die richtige Form. Und gerade die Redner, die hier auftreten und dem innerdeutschen Ausschuß angehören, sind ausführlich über den Grenzverlauf unterrichtet worden
und sind auch mit Schiffen bis zu den Buhnenköpfen auf der anderen Elbseite gefahren. Sie haben alles in Augenschein nehmen können. Aus dem Grund verstehe ich überhaupt nicht, wie es zu einer solchen Fragestunde wie in der letzten Woche kommen konnte und wie es jetzt zu einer solchen Aktuellen
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HöhmannStunde kommen kann. Denn natürlich sind die Ausschüsse dafür die geeignetsten Orte. Sie wissen doch ganz genau:
Nein, ich bin nur Lehrer, nicht Oberlehrer, falls dieses zu wissen gewünscht wird und Sie es wissen wollen; es gibt übrigens auch ein Handbuch, Herr Kollege!
Die Regierung kann, während sie in Verhandlungen steht, ihre Verhandlungsposition doch nicht schon öffentlich bekanntgeben. Es ist doch ausgeschlossen, daß man dieses von ihr verlangen kann. Es ist, glaube ich, geradezu eine kindliche Vorstellung von Verhandlungskunst, wenn gefordert wird, die Regierung solle ihre „Geheimniskrämerei" aufgeben, denn das sei schuld daran, daß sich die Opposition solche Sorgen machen müsse. Damit wird ja der Verhandler der anderen Seite über die Verhandlungspositionen unserer Seite vorzeitig unterrichtet,
und wir brauchten gar nicht mehr zu verhandeln.Wir brauchten nur noch Erklärungen abzugeben von unserer Seite, von der anderen Seite, und dann kämen wir wieder in das Vereisungsklima hinein, das in früheren Jahren die Deutschlandpolitik beherrscht hat, in dem Sie sich so wohlgefühlt haben. In der Zeit, als Sie regierten, als eben keine Verhandlungen stattfanden, da brauchten Sie sich auch keine Sorgen zu machen, natürlich nicht. Das Stadium der öffentlichen Erklärungen ist sicher nicht das, das wir uns wünschen können. Sie haben ganz offensichtlich, nachdem Sie sich in der Vereisungszeit der deutsch-deutschen Beziehungen so wohlgefühlt haben, auch den Drang, wieder dahin zurückzukommen. Es erleichtert auch das Nachdenken. Dann ersetzt nämlich Propaganda die Politik und die Überzeugung.Wenn die Frage also gestellt wird, meine Damen und Herren von der Opposition, ob das hilfreich ist und rückenstärkend, dann muß man sagen: Genau das Gegenteil ist der Fall!
Wir gehen davon aus, daß die Opposition in ihrem Drang, die Regierung anzugreifen oder Unsicherheiten in der Regierung aufzudecken, manchmal etwas zu weit geht. Aber in dieser Phase der Verhandlung ist es geradezu schädlich und leichtfertig, öffentlich in der Weise, wie Sie es tun, über diesen Verhandlungsgegenstand zu reden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Straßmeir.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will meine kostbaren fünf Minuten nicht mit einer Replik auf den Kollegen Hoppe verschwenden,
aber ich würde Ihnen empfehlen, Herr KollegeHoppe, in Berlin einmal genau so zu reden wie hierund nicht immer das „doppelte Lottchen" zu spielen.
Weg von Herrn Hoppe, zurück zur Sachlichkeit. Ein anderes Beispiel für unvertretbares Wohlverhalten der Bundesregierung ist die Frage, wie sie die Schikanen im Interzonenverkehr auf den Transitstrecken behandelt. Seit Beginn des Jahres — oder genauer genommen, schon seit dem Oktober des vorigen Jahres — haben wir in regelmäßigen .Abständen schikanöse Behinderungen durch die DDR im Berlin-Verkehr zu verzeichnen, ohne daß die Bundesregierung auch nur irgendein greifbares Ergebnis zur Unterbindung dieser Vertragsverletzungen vorweisen könnte.
Unsere Anfragen, wie denn die Bundesregierung diesen Vertragsverletzungen wirksam begegnen könnte, ergaben Antworten, die von totaler Hilflosigkeit, aber auch von totaler Einfallslosigkeit zeugen. Sie beschränken sich im Regelfall auf den schlichten Hinweis auf den Art. 19 des Transitabkommens und auf diese Kommission. Hat denn die Bundesregierung noch immer nicht zur Kenntnis genommen, daß die Beschwerden in dieser Kommission bei politisch begründeten Behinderungen völlig wirkungslos bleiben müssen, weil sie nur auf Technik angelegt ist? Das ist um so schlimmer, als die Bundesregierung diese Beschwerden nicht einmal ausreichend belegen kann, weil sie weder einen guten Überblick über die Verkehrsabläufe auf den Transitstrecken hat, noch die Möglichkeit einer wirksamen Kontrolle über die einzelnen Schikanen besitzt.Wir fordern deshalb, daß die Bundesregierung dies nachholt und solche Vorkehrungen trifft, damit sie ihre Beschwerden wenigstens künftig besser als bisher untermauern kann. Wir fordern die Bundesregierung weiterhin auf, über diese Regelungen in der Transitkommission und nach dem Transitabkommen hinaus einen Katalog wirksamer Maßnahmen zu erstellen, damit sie künftig diese Behinderungen wirksam unterbinden kann;
denn die Bundesregierung muß davon ausgehen, daß auch in den kommenden Monaten und Jahren die Behinderung auf den Transitstrecken zum Repertoire der DDR-Regierung in der Auseinandersetzung um Berlin gehören wird.
In diesem Zusammenhang ist es uns, der CDU/CSU-Fraktion, völlig unverständlich, daß der Herr
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StraßmeirBundeskanzler bei seinem Bericht über seine Reise nach Moskau vor dem Plenum des Deutschen Bundestages keinen Satz darüber verloren hat, ob und wie er seinem sowjetischen Gesprächspartner in der Frage der Behinderungen des Berlin-Verkehrs entgegengetreten ist. Dagegen gibt es eine andere Äußerung, die ich hier noch einmal in die Erinnerung zurückrufen möchte. Im Sommer dieses Jahres hat der Bundespräsident Heinemann von Berlin aus zur Wachsamkeit aufgerufen, weil die DDR nicht nachlasse in ihrem Bemühen, den freien Teil Berlins eines Tages zu schlucken. Ich glaube nicht, daß er damit nur die Berliner angesprochen hat; die braucht man zur Wachsamkeit nicht aufzurufen, die sind ohnehin hellwach. Ich glaube vielmehr, daß er hier die Bonner Ohren und insbesondere die der Bundesregierung damit gemeint hat.Der schwerste Schaden aber wird der Sache Berlins zugefügt, wenn die Bundesregierung in Passivität verharrt und zum Ausgleich dafür um so wortreicheren Protest dem Regierenden Bürgermeister von Berlin überläßt, ihn sozusagen als einzigen Sozialdemokraten mit parteiamtlicher Lizenz entgegen der sonstigen Sprachregelung in Fragen der Ostpolitik den strammen Max markieren läßt.
Diese Diskrepanz zwischen dem politischen Handeln einerseits und der politischen Aussage andererseits macht die Position der Bundesregierung und des Regierenden Bürgermeisters in Berlin gleichermaßen unglaubwürdig, und zwar nicht nur vor den Bürgern Berlins, sondern auch bei den Vertrags- und Verhandlungspartnern auf der anderen Seite.Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, diese Doppelstrategie zum Schaden Berlins aufzugeben, damit die Interessen Berlins, seine Sicherheit und die Sicherung der Zugangswege gewährleistet bleiben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Herr Franke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der von Ihnen gesuchten Debatte auf die Verdächtigungen und die unsachliche Kritik der Opposition einzugehen, ist allein deswegen schwierig, weil die Delegationen der Bundesrepublik verhandeln und weiter verhandeln müssen. Der Erfolg ihrer Arbeit wird mit davon abhängen, daß man die Verhandlungschancen nicht im öffentlichen Streit vertut und zerredet. Das ist die Seite der Medaille, die ich im Auge zu halten habe.Im übrigen: wenn Sie hier von Ihrer Sorge um mögliche Dinge sprechen, die in Verbindung mit diesen Verhandlungen eine Rolle spielen können, kann ich Ihnen das überhaupt nicht abnehmen. Ich habe in der vergangenen Woche im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen angeboten, daß eine umfassende Information über den Sachstand dieser Verhandlungen erfolgen kann, sobald Sie es wollen.Ich habe nur ein Empfinden gehabt, als Sie mit dieser Begründung die Aktuelle Stunde hier heute gesucht haben: Sie hatten die Sorge, daß Ihnen eine gewisse Propagandachance entgehen könnte.
Denn wenn Sie ernsthaft an der sachlichen Prüfung interessiert wären, hätten Sie sich dieses Angebotes bedienen sollen. Ich meine, dieses Thema ist in der Tat nicht angetan, in dieser Weise behandelt zu werden.Ich darf noch auf etwas anderes verweisen: Zu einer Zeit, als Sie einmal den politischen Minister für diesen Sachbereich zu stellen hatten, hat er in ähnlichen Situationen uns mit einer Formel bedient. Er hat gesagt: In Fragen der Deutschlandpolitik muß man auch schweigen können. Damit hat er die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit gemeint. Ich glaube, das gilt heute wie damals, wenn man ernsthaft interessiert ist.
Festzuhalten und festzustellen bleibt: Bei ihrer Arbeit haben unsere Delegationen für den Bereich der Elbe von der Demarkationslinie zwischen der ehemaligen britischen Besatzungszone und der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone Deutschlands auszugehen, weil die Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen der ehemaligen Westzonen entstanden und an diese Festlegungen gebunden ist und nichts anderes. Dies ist unstreitig, auch im Verhältnis zur DDR. Das ist entsprechend auch im Grundvertrag festgelegt worden. Die heutige Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten geht auf das Londoner Protokoll vom 12. September 1944 zwischen Großbritannien, den Vereinigten Staaten und der UdSSR sowie spätere alliierte Vereinbarungen zurück.
— Herr Kollege Marx, wenn Sie sagen, daß Sie das alles wissen: wir wiederholen es immer, weil Sie es nicht behalten. Das ist unsere Aufgabe.
Sie versuchen doch längst geklärte Probleme immer wieder als Neuerscheinung zu verkaufen, um eine Wirkung zu erzielen, die nicht der sachlichen Lösung dient.Diese Vereinbarungen zwischen den ehemaligen Besatzungsmächten sind für die Erfüllung der Aufgaben der Grenzkommission maßgeblich. Dazu heißt es in der Erklärung beider Delegationsleiter zu Protokoll über die Aufgaben der Kommission:Der Verlauf der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bestimmt sich nach den diesbezüglichen Festlegungen des Londoner Protokolls vom 12. September 1944.
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Bundesminister Franke— Sie werden es noch wiederholt hören, weil Sie das Thema hier behandelt wissen wollen.
Soweit örtlich die Grenze von diesen Festlegungen auf Grund späterer Vereinbarungen der damaligen Besatzungsmächte abweicht, wird ihr genauer Verlauf durch die Kommission an Ort und Stelle unter Beiziehung aller Unterlagen festgelegt und markiert.Zweitens ist es Aufgabe der Kommission, die sonstigen Probleme, die mit dem Grenzverlauf im Zusammenhang stehen, zu lösen, d. h. unsere Interessen im Elbe-Bereich zu sichern.
Bei der Definition unserer Interessen gehen wir sowohl von der Sicherung des Zustandes aus, der seit 1945 hier entstanden ist, als auch von der Absicht, unbefriedigende Verhältnisse zu verbessern.Ich möchte darauf verweisen, daß diese Verhandlungsgrundlage auch in der Vergangenheit zu beiderseits befriedigenden Regelungen mit der DDR geführt hat. Grenzfeststellungen und Interessenwahrnehmung schließen einander nicht aus. Zur Frage der Interessenwahrnehmung möchte ich hier nur noch betonen, Herr Kollege Schröder, daß aus dieser Sicht heraus meine Aussagen damals, als wir in ein akutes Stadium kamen, zu verstehen sind. Sie stehen nicht im Widerspruch zu dem, was wir tun.
Das eine eröffnet vielmehr oft erst den Weg für das andere.Erst die Politik dieser Regierungskoalition hat die Möglichkeit geschaffen, bezüglich der gegenwärtig in der Öffentlichkeit oft zitierten Belange des Verkehrs, der Fischerei, des Wassersports usw. im Elbe-Bereich mit der DDR über eine vertragliche Absicherung und Verbesserung zu verhandeln. Vorher gab es keine Möglichkeiten. Ich möchte aber dieses Thema hier nicht vertiefen.Sie meinen nun auch, meine Damen und Herren von der Opposition, der Bundesregierung weitere Vorwürfe wegen ihres Verhaltens in der Transitfrage machen zu müssen. Ich kann unterstreichen, was bereits gesagt wurde, und betone noch einmal:1. Es gibt keine Meinungsverschiedenheit — ich hoffe das feststellen zu dürfen — zwischen Regierung und Opposition darüber, daß der ungehinderte und reibungslose Verkehr von und nach Berlin den Stand des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten widerspiegelt.2. Die Bundesregierung nimmt deshalb Störungen und Behinderungen des Berlin-Verkehrs sehr ernst.3. Das Transitabkommen und die darin vorgesehenen Instrumente zur Klärung von Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten haben ihreFunktionsfähigkeit in den fast zweieinhalb Jahren seit Inkrafttreten des Abkommens bewiesen.Die Transitkommission hat gestern getagt. Soweit Schwierigkeiten festzustellen sind, wurden diese auch angesprochen. Dies hat seine Wirkung.Meine Damen und Herren, was im übrigen über einzelne Vorgänge festgestellt wird und gesagt werden muß,
muß vor folgendem Hintergrund betrachtet werden: Seit Inkrafttreten des Transitabkommens haben bis zum 31. Oktober dieses Jahres über 28 750 000 Personen die Transitwege in beiden Richtungen benutzt.
Täglich fahren mehr als 35 000 Personen auf den Landwegen von und nach Berlin. Dies ist nicht nur zahlenmäßig eine erhebliche Steigerung gegenüber dem Vergleichszeitraum vor Inkrafttreten des Transitabkommens, .. .
Herr Bundesminister, Ihre Zeit läuft ab.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
... sondern die überwiegende Mehrheit dieser Beteiligten kann auch die Qualität des Erreichten am eigenen Leibe spüren und überprüfen. Sie müssen auch das Erreichte mit würdigen, wenn Sie das Thema hier behandeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Jäger .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst zwei Vorbemerkungen machen, eine noch einmal zum Thema des Grenzverlaufes an der Elbe. Herr Bundesminister Maihofer, kein einziges Wort haben Sie zu der Frage verloren, wie die Bundesregierung die Fragen der Sicherheit für die Menschen sieht, die dort durch eine eventuelle neue Feststellung der Grenze in Gefahr geraten. Wenn der Herr Kollege Arndt von der SPD hier gerade diesen Bereich herausgestrichen hat, muß ich doch fragen, warum es die Bundesregierung nicht für notwendig gefunden hat, auf diesen Punkt einzugehen. Liegt der Bundesregierung dieses Problem der Menschlichkeit weniger am Herzen als den Kollegen dieses Hauses, oder warum haben Sie zu diesem Thema geschwiegen?Zweite Vorbemerkung: Herr Bundesminister Franke, Sie sprechen davon, daß wir im Ausschuß eine umfassende Unterrichtung über all die Fragen
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8886 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Jäger
erfahren, die heute zur Debatte stehen. Die Fülle dessen, was uns dort vorgetragen wird, kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir gerade in den brenzligen Fragen, in den politisch interessanten Fragen so kümmerlich unterrichtet werden, daß wir froh sind, daß es bei einer großen deutschen Tageszeitung Gott sei Dank einen Journalisten gibt, über den wir gelegentlich auch noch die wirklichen Essentialia Ihrer Politik erfahren können.
Deswegen müssen wir die Dinge hier im Plenum zur Sprache bringen, weil Sie uns eben nicht die selbstverständliche Pflicht einlösen, uns im Ausschuß wirklich und echt zu informieren.
Meine Damen und Herren, nun zum Transitverkehr, der uns wirklich, Herr Kollege Höhmann, ernste Sorge bereitet und nicht das ist, was Sie unter „operettenhaftem Stil" verstehen, den Sie und der Herr Kollege Hoppe übrigens selbst erst in die Debatte eingeführt haben.
Alle Behinderungen des Transitverkehrs in diesem Jahr mit langen Wartezeiten und scharfen Kontrollen dürfen doch nicht, wie das in der Antwort der Frau Staatssekretärin Schlei vorhin in der Fragestunde zum Ausdruck kam, auf ein mehr oder weniger gegen den Willen der Regierung zustande gekommenes Handeln nachgeordneter Behörden zurückgeführt werden. Denn der gravierendste Fall dieser Störung war doch kein Versehen oder kein Ausrutscher. Da ging es doch um die Verweigerung der Einreise eines Bediensteten des Umweltamtes der Bundesregierung in Bonn, dem eine ausdrückliche Drohung des Herrn Ministerpräsidenten Sindermann voranging, eine Drohung, die in der Substanz bis zu dieser Stunde nicht aufgehoben worden ist.
Auch dazu hat die Bundesregierung kein einziges Wort gesagt. Dieses Schwert der Drohung hängt nach wie vor über den Transitwegen, und wir möchten gerne wissen, wann dieses Schwert beseitigt wird.
Das Transitabkommen, meine Damen und Herren, ist in seinen Aussagen völlig klar. In Art. 2 heißt es: „Der Transitverkehr wird erleichtert werden und ohne Behinderung sein", und in Art. 9 Ziffer 4:Die Reisenden, ihre Transportmittel und ihr persönliches Gepäck werden nicht der Durchsuchung und der Festnahme unterliegen oder von der Benutzung der vorgesehenen Wege ausgeschlossen werden...Ausnahme: der Mißbrauchstatbestand nach Art. 16. Das sind klare und eindeutige Bestimmungen.Herr Minister Franke, ob sich ein solches Abkommen bewährt hat, bemißt sich nicht danach, wie viele Millionen nach diesem Abkommen ordnungsgemäß fahren konnten, sondern es bemißt sich danach, wie oft dieser Vertrag verletzt worden ist.
Ich bitte Sie, das endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten.Die Instrumente, von denen Sie sprachen, gibt es in der Tat. Aber, Herr Bundesminister, wir haben bislang noch nicht feststellen können, daß die Bundesregierung diese Instrumente nutzt. Das einzige Instrument, das genutzt wird, aber offenbar bisher trotz der anerkennenswerten Bemühungen seiner Mitglieder nicht zum Ziel gelangt ist, ist die Transitkommission, die sich sicherlich Mühe gibt und auch mit großem Engagement arbeitet. Aber gerade im Fall der Drohung des Ministerratsvorsitzenden Sindermann und der Zurückweisung eines Mitglieds des Umweltbundesamtes wäre es notwendig gewesen, eine Stufe höher zu gehen und die in Art. 19 Ziffer 5 vorgesehenen Regierungsverhandlungen zu führen. Warum haben Sie das nicht getan? Ich will die Antwort darauf geben — Sie geben sie nicht, und deswegen möchte ich sie geben —: weil es die Maxime dieser Regierung ist, eine Politik der Leisetreterei zu betreiben, und weil es nur eines gibt, was Sie scheuen wie der Teufel das Weihwasser, nämlich der DDR gegenüber einmal in aller Klarheit nein zu sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu diesem Thema drei Bemerkungen machen, erstens eine Bemerkung allgemeiner Natur. Aktuelle Stunden können natürlich nützlich sein, wenn sie Dinge befördern. Sie können aber auch eher schaden, wenn sie Dinge erschweren, und zwar dadurch, daß sie bestimmte sehr wichtige Teilgebiete zur unrechten Zeit in den Mittelpunkt einer Erörterung stellen, bei der es auch noch andere Zusammenhänge zu beachten gilt.
Ich darf Ihnen zum Elbe-Problem, zu dem ich gleich noch kommen werde, sagen, daß damit noch eine ganze Reihe anderer Fragen in Zusammenhang stehen. Es sind, wenn ich an Niedersachsen denke, Fragen der grenznahen Wasserversorgung, der Talsperren im Harz, der Lagerstätten im Grenzgebiet und anderes mehr. Also eine isolierte Betrachtungsweise ist sicherlich nicht am Platze.Ich komme aber nun zum Grenzproblem an der Elbe. Im Grunde sollte man doch mit Genugtuung feststellen, daß sowohl die Bundesregierung als auch alle im Bundestag vertretenen Fraktionen einstimmig der Meinung sind, daß — erstens — Gegenstand der Verhandlung nicht eine Grenzziehung, sondern nur eine Beschreibung dessen ist, was hier Rechtens ist und daß — zweitens die Grenze am Ostufer der Elbe verläuft. Das ist die Rechtslage, von der die
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Dr. WendigBundesregierung und wir alle ausgehen und vonder auch die Besatzungsmacht 1945 ausgegangen ist.
— Das ist — ich komme noch darauf — eine Beschreibung dessen, was ist. Daß es darüber hinaus natürlich bestimmter Regelungen bedarf — ich denke z. B. an Fahrwasserfragen und an das, was dazugehört —, ist eine andere Frage. Aber ich glaube, wir dürfen das Vertrauen zur Bundesregierung haben, daß diese Regelungen mit der nötigen Umsicht getroffen werden.Gestatten Sie mir drittens folgende persönliche Bemerkung. Ich bin vielleicht der einzige in diesem Hause, der in dieser Gegend an der Elbe, die hier in Rede steht, einmal lange Jahre gewohnt hat. Ich weiß, wie sehr die Bevölkerung in diesem Gebiet — und zwar nicht erst jetzt, sondern schon seit über 25 Jahren — sehr sorgfältig beobachtet, was dort an der Elbe geschieht und wie man darauf reagiert.
— Jawohl! Und so hat sie gespürt — und zwar schon von 1950 an fortschreitend —, daß natürlich die andere Seite immer wieder bemüht war, Fakten zu schaffen, die die Situation verändern sollten. Es war schon nach 1950 nicht einfach so, daß meinetwegen der Flüchtling, von dem die Rede war, der das Wasser der Elbe erreicht hatte, damit schon in Freiheit war, wenn er nur gegen den Strom ankam. Wir wissen, daß dort schon Fakten gesetzt worden sind, und wir haben nie gehört, daß in der damaligen Zeit — gerade in den 50er, 60er Jahren, und ich habe das sehr genau beobachtet — sich nun die Bundesregierung dazu groß nach außen geäußert hat. Vielleicht konnte sie es auch gar nicht, vielleicht war sie klüger und hat derartige Dinge mit den Besatzungsmächten abgesprochen. Aber bitte, meine Damen und Herren von der Opposition, dann erwarten Sie auch, daß diese Bundesregierung mit der gebotenen Vorsicht und Zurückhaltung an die Verhandlungen herangeht, um die es hier im Augenblick geht.
Wenn ich mir die Fragen ansehe, die von Ihnen beispielsweise in der Fragestunde gestellt werden, dann stelle ich fest, es schadet den Verhandlungen der Bundesregierung, wenn da — und ich habe es gezählt — sechs- oder siebenmal immer nur steht: widersprüchliche Hinnahme, widersprüchliche Hinnahme von ... Meine Damen und Herren, wenn dies der Ton ist, dann kann keine Regierung, auch wenn Sie sie stellen würden, solche Verhandlungen führen!
— Ich habe jetzt nicht das Papier gemeint, sondern die Einzelanfragen,
die in der Fragestunde gestellt worden sind, wo immer wieder nur von dem Wort der widersprüchlich Hinnahme die Rede war.
— Widerspruchslose Hinnahme, jawohl, das habe ich gesagt!
— Verzeihen Sie mir den Versprecher; Sie wissen, was ich gemeint habe.
Wir haben die Überzeugung, daß die Bundesregierung auf allen Feldern mit Beharrlichkeit und mit dem Blick auf das Interesse des Staates und seiner Bürger die Verhandlungen führt. Daran sollten wir sie nicht durch spektakuläre Demonstrationen hindern.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern, Herr Professor Maihofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein Wort zu dem, was Herr Jäger hier gesagt hat: Die Bundesregierung hat den Schußwaffengebrauch durch Grenztruppen der DDR wiederholt öffentlich verurteilt. Sie tut es auch aus Anlaß dieser Anfrage. Die Politik der Bundesregierung ist darauf gerichtet, den Gebrauch von Schußwaffen gegen Flüchtlinge an der gesamten Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten zu beenden. Dies gilt auch für die zur Zeit laufenden Verhandlungen über Grenzprobleme im Bereich der Elbe. Alle weiteren vorzeitigen öffentlichen Erörterungen — und das möchte ich gerade Ihnen sagen, Herr Kollege Jäger
— können den Erfolg dieser Verhandlungen, der in unserem nationalen Interesse liegt, nur behindern.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heyen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Straßmeir und Herr Jäger haben sich hier mit Ereignissen auf den Transitwegen beschäftigt. Das ist gut so. Aber wir verlangen von Ihnen jedesmal, wenn Sie diese Politik der Bundesregierugn kritisieren und wenn Sie diese in Frage stellen, Herr Straßmeir, die Antwort darauf, ob Sie die Zeit vor dem Transitabkommen wiederhaben möchten oder nicht; diese Antwort haben Sie bisher noch nicht gegeben.
Ich meine die Zeit vor dem Transitabkommen, wowir mit stundenlangen und tagelangen Wartezeiten
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Heyenrechnen mußten und wo der Berlin-Verkehr teilweise auf lange Zeit blockiert war.Es lohnt sich nicht, sich mit Ihren Argumenten auseinanderzusetzen; sie sind weder hilfreich noch bringen sie uns weiter.
— Und auf die Gefahr hin, Herr Reddemann, auch zum „strammen Maxen" ernannt zu werden — wie Sie unseren Regierenden Bürgermeister Schütz bezeichnet haben —, möchte ich mich nicht mit Ihnen auseinandersetzen, sondern mit der DDR.
— Ja, das ist eine Sache, die wahrscheinlich wichtiger ist, weil Sie nur demagogische Sprüche machen und wir uns mit der DDR auseinandersetzen müssen, damit sie die Verträge, die sie mit uns geschlossen hat, auch einhält. Das ist das Entscheidende.
— Ja, selbstverständlich. Deshalb ist für uns Maßstab für die Beurteilung des Transitverkehrs von und nach Berlin das Transitabkommen und der Inhalt dieses Transitabkommens. Hieran wird die DDR gemessen, sowohl von der Bundesregierung als auch vom Berliner Senat. Hier gibt es keine Unterschiede zwischen dieser Bundesregierung und dem Berliner Senat. Wenn Sie Herrn Hoppe soeben sagten, er möchte seine Rede, die er hier gehalten hat, auch in Berlin halten, dann möchte ich, was Klaus Schütz betrifft, daß Sie die Rede, die Sie gehalten haben, Herr Straßmeir, auch einmal in Berlin halten. Die Berliner stehen hinter ihrem Regierenden Bürgermeister und unterstützen ihn. Es gibt eine volle Übereinstimmung zwischen dieser Bundesregierung und dem Senat von Berlin.
Wir haben aus der gestrigen Sitzung der Transitkommission gehört, daß die DDR einige Argumente als Begründung für das vorgetragen hat, was auf den Transitstrecken passiert. Da wurde gesagt, daß unzulängliche Ausweispapiere teilweise der Grund für verzögerliche Abfertigung seien. Für uns kann dies kein Grund sein; denn jemand, der unzulängliche Ausweispapiere hat, wird aus den Kolonnen herausgenommen, und die Kolonnen selbst müssen nach wie vor so abgefertigt werden, wie es auch in den letzten Jahren, also in der ganzen Zeit des Transitabkommens, war.Da wird ein anderes Argument von der DDR gebracht, nämlich daß an dem beschränkten Bahnübergang bei Boizenburg dadurch Stauungen entstehen, daß täglich gegen Abend die Schranken unten sind und dort dann 500 bis 1 000 Autos stehen, die nachher nicht richtig oder nicht in der zügigen Weise, wie es im Transitabkommen vorgesehenist, abgefertigt werden können. Auch dies ist für uns kein Argument, weil wir meinen, daß sich die DDR gerade dann, wenn sie weiß, wann die Schranken unten sind, organisatorisch auf diesen Pulk einzustellen hat.Dann gibt es ein drittes Argument, nämlich daß auf Grund des verstärkten Berlin-Verkehrs — der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen hat dies ja heute auch angeschnitten — die Beamten an den Grenzen öfter eine Pause machen müßten. Auch dies ist keine Entschuldigung. Die DDR hat sich an das Transitabkommen zu halten,
und sie hat die organisatorischen Probleme so zu lösen, wie es im Abkommen vorgeschrieben ist. Sie ist auf anderen Gebieten ja manchmal sehr grausam organisatorisch perfekt. Insofern kann sie ihre organisatorische Perfektion auch auf andere Gebiete übertragen. Dies fordern wir Berliner; dies fordern wir Berliner Sozialdemokraten.
— Sie machen es in einer demagogischen Weise gegen diese Bundesregierung, und Sie unterstützen sie nicht, sondern wollen sie bei den Verhandlungen mit der DDR in Schwierigkeiten bringen. Das ist Ihre Taktik.
Sie wollen nichts für die Reisenden und nichts für die Berliner erreichen. Sie wollen etwas für Ihre primitiven Wahlziele erreichen. Das ist Ihre Taktik.
Die Bundesregierung hat der DDR Kommunikationsmöglichkeiten angeboten, womit auf Stauungen auf den Transitwegen vorweg hingewiesen werden kann. Die DDR sollte, wenn sie gestern gesagt hat, daß sie Abfertigungshindernisse auf ein Minimum reduzieren will, von diesem Angebot der Bundesregierung Gebrauch machen.Nun noch ein letztes Wort zur CDU. Wir Sozialdemokraten und diese Koalition bestehen auf einer korrekten Auslegung des Transitabkommens.
Wir werden jedesmal ganz klar der DDR entgegentreten, wenn wir den Eindruck haben, daß dies nicht geschieht. Ihre Argumentation sieht mir aber so aus, als ob Sie sich manchmal freuen, wenn etwas passiert, damit Sie wieder demagogische Argumente haben.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter von Wrangel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine sehr merkwürdige Sache, daß Sie, Herr Kollege Heyen, hier erklären, die SPD dürfe Kritik an der DDR üben und dies sei richtig, wenn aber w i r Kritik üben, sei dies destruktiv. Was ist das für eine merkwürdige Auffassung von Verhandlungen, meine Damen und Herren!
Ich möchte für die CDU/CSU eines in Anspruch nehmen: Wir haben hier mit einer sehr sachlichen und sehr vom Ernst der Probleme getragenen Diskussion begonnen. Leider haben die Herren Kollegen Hoppe und Höhmann versucht, die Aktuelle Stunde, ein selbstverständliches Instrument dieses Parlaments, zu desavouieren. Ich glaube, diese Denaturierung des Parlaments dürfen wir uns nicht gefallen lassen.
Meine Damen und Herren, ich muß eines richtigstellen: Zunächst einmal bestreiten wir ja gar nicht, daß im Ausschuß über diese Fragen gesprochen worden ist. Aber wir können uns doch nicht darauf einlassen, daß Ausschußberatungen Plenaraussprachen über diese Themen überflüssig oder gar unmöglich machen.
Dies wäre ebenfalls eine Denaturierung des Parlaments, und deshalb kann ich nur eines mit aller Entschiedenheit sagen: Eben durch die vielen widersprüchlichen Veröffentlichungen erwartet doch die Öffentlichkeit von diesem Parlament klare Worte und die wollen wir sprechen und sprechen wir hier.
Zur Frage sachkundiger Verhandlungen: Wir wollen keine Verhandlungen stören und werden keine Verhandlungen stören. Aber es liegt an Ihnen, dieses Parlament auch als Instrument für Ihre Verhandlungen zu benutzen; nur tun Sie das leider nicht. Ich muß bedauerlicherweise eines hinzufügen: Wer ist es denn gewesen, der jeweils vor Wahlen große Verhandlungsergebnisse an die Öffentlichkeit getragen hat, um damit innenpolitische Effekte zu erhaschen?! Das waren doch nicht wir, sondern das war die SPD und die damalige Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, man muß manchmal schweigen können, auch in der Deutschlandpolitik, und ich würde hinzufügen: auch vor Wahlen; aber das haben Sie nicht getan.
Worum geht es noch? Gerade in der Frage der Transitschikanen warten wir doch im Interesse der Verhandlungsposition der Bundesrepublik Deutschland darauf, daß demonstrativ und hart aufgetreten wird, und daß man nicht den Eindruck erweckt, als
seien dies alles nur technische Vorgänge, mit denen man es zu tun habe.
In vielen Bereichen müssen wir sagen: Gut, wir leben mit diesen Verträgen.
Aber wir werden sie an allem, was Sie zu diesen Verträgen gesagt haben, messen.
Und wenn wir Sie daran messen, müssen Sie uns sagen, wie weit Sie hinter dem zurückgeblieben sind, was Sie seinerzeit euphorisch erklärten, als Sie die Verträge abgeschlossen haben.
Oder, Herr Kollege Marx, um es anders zu sagen: Mit den Verträgen müssen wir leben, aber mit Rechtsbrüchen werden wir nicht leben.
Darauf kommt es doch an.
Meine Damen und Herren, ich finde es auch nicht gut, wenn die Ernsthaftigkeit dessen, was wir hier sagen, durch Diskussionsbeiträge auf Nebenkriegsschauplätze abgeschoben wird. Ich habe Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung in solchen Situationen verteidigt. Ich würde mich mehr darüber freuen, wenn sie mit größerer Intensität die nationalen Interessen, von denen hier die Rede war, unserer Bundesrepublik und unseres Volkes verteidigen würde.
Es stehen noch insgesamt drei Minuten zur Verfügung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag sein, daß es die Kollegen der Opposition betroffen gemacht hat, daß ich in meinem Diskussionsbeitrag eine harte Zielansprache gewählt habe. Aber, verehrter Herr Kollege Straßmeir, ich spreche nun einmal so deutlich, und zwar in allen Fragen und an allen Plätzen, an denen ich zu sprechen habe. Ich habe dabei keine Probleme mit dem eigenen politischen Standort und auch keine Schwierigkeiten mit den verschiedenen Örtlichkeiten. Ich wäre nur dankbar, wenn wir unsere Öffentlichkeitsarbeit im Parlament auch mit unserer Ausschußarbeit und unserem dortigen Verhalten bei inhaltlich gleichbleibender Sach- und Interessenlage synchronisieren würden.Meine Damen und Herren von der Opposition, dann müßten Sie zugeben, daß das Thema Transitwege gestern in Berlin in der Sitzung des Innerdeutschen Ausschusses einvernehmlich behandelt worden ist. Wir haben gemeinsam ein unterstützendes Votum für die Regierungspolitik und die konsequente Haltung des Senats mit der Bekräftigung unserer Vorstellungen von Vertragspolitik,
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HoppeVertragstreue und Durchsetzung vertraglicher Rechte formuliert.Zweitens müßten Sie anerkennen, daß er sich im Bereich der von Ihnen hier heute gewählten Thematik der Zonengrenzproblematik im Elbabschnitt aus der Sache heraus eigentlich verbietet, ausgerechnet damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Verehrter Herr von Wrangel, Ihnen und der Opposition, will doch niemand das Recht nehmen, hier dann zu debattieren, wenn tatsächlich Fragen anstehen, bei denen Sie mit Informationen zu kurz gehalten worden sind und bei denen es im Interesse der Sache nötig ist, sie vor der ganzen Öffentlichkeit zu behandeln, um die Bundesregierung endlich zum Jagen zu bringen. Sie wußten ganz genau — und nur dagegen habe ich mich gewehrt —, daß dies bei der Tätigkeit der Grenzkommission eben nicht der Fall war. Hier hatten Sie die volle Information. Hier hatten Sie die Gewißheit, daß unsere Interessen durch die Bundesregierung voll gewahrt werden. Wenn Sie dennoch mit dem Vorwurf operieren, die Opposition solle in ihren Rechten beschränkt und das Parlament solle denaturiert werden, dann gehen wir miteinander, so meine ich, nicht aufrichtig um.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der in unserer Geschäftsordnung vorgesehenen Zeit für die Aktuelle Stunde angelangt. Ich schließe die Aktuelle Stunde.
Wir fahren in unserer Tagesordnung fort, und zwar mit der Aussprache zu Punkt 4 a und b — Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Sportpolitik und Beratung des Berichts und des Antrags des Sportausschusses zu einem Antrag betr. Bundessportplan —.
Die Geschäftslage sieht zur Zeit so aus, daß elf Wortmeldungen vorliegen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich von der Aktuellen Stunde zu der Sportdebatte zurückführen und einige Ausführungen zu den Problemen der internationalen Beziehungen im Rahmen des Sports machen.Wenn heute aus der Sicht der Bundesrepublik die Frage gestellt wird, ob die Olympischen Spiele 1972 eine erfreuliche Langzeitwirkung zur Folge hatten und auch heute noch haben, so können wir feststellen: Die Spiele hatten eine überaus günstige Auswirkung erstens auf das innerdeutsche Verhältnis, zweitens auf die Beziehungen zu den ost- und südosteuropäischen Ländern und drittens auf die Zusammenarbeit mit den Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Sicher ist auch die Feststellung gerechtfertigt, die wohl von dem gesamten Hause geteilt wird, daß die Fußballweltmeisterschaft 1974 die gleiche Wirkung hatte und auch in Zukunft noch haben wird.Durch die Deutschland- und Ostpolitik der Regierung, die gerade vorhin in der Aktuellen Stunde eine große Rolle gespielt hat, wurden ganz fraglos Vorbehalte abgebaut und neue Beziehungen eingeleitet und entwickelt. Es wäre allerdings eine Täuschung, wenn man annähme, daß in den Beziehungen mit der UdSSR, mit Polen, der CSSR, Ungarn oder Bulgarien nun alles völlig reibungs- und problemlos ginge.Die Zugehörigkeit des Westberliner Sports zu den Sportorganisationen der Bundesrepublik Deutschland wird von uns auf der Basis der Regeln und Bestimmungen des Internationalen Olympischen Komitees und der internationalen Sportföderationen sowie gestützt auf das Viermächteabkommen über Berlin und auf die verschiedenen bilateralen Verträge fest und beharrlich vertreten. Diese Zugehörigkeit ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Gemeinsam mit den deutschen Sportorganisationen haben wir allen Grund, dem Internationalen Olympischen Komitee und den internationalen Sportföderationen für die positive Haltung in dieser elementaren Frage zu danken.Wir von der SPD sehen in Übereinstimmung mit unserem Koalitionspartner in den Bemühungen um einen Ausgleich mit den ost- und südosteuropäischen Ländern die Sport- und Jugendkontakte als einen hochrangigen politischen Faktor an.
— Ich bin froh, Herr Kollege Stücklen, daß wir uns einig sind. Wenn wir uns aber einig sind, sollten wir dies gemeinsam feiern.
Ausdruck dieser Einschätzung sind auch die Förderungsmittel, die seit 1970 im Etat des Auswärtigen Amtes für die Durchfürung von Begegnungen mit Sportlern aus ost- und südosteuropäischen Ländern neben den Förderungsmitteln für die von den Sportverbänden direkt organisierten Begegnungen zur Verfügung stehen. Mit den bisher bereitgestellten Förderungsmitteln in Höhe von rund 1 Million DM konnten — und das ist eine große Zahl — 260 zusätzliche Begegnungen ermöglicht werden, also Begegnungen, die über die von den Verbänden vereinbarten Treffen hinaus zustande gekommen sind.Wenn in diesem Bereich von der Opposition, Herr Kollege Stücklen, mehr gefordert wird oder wenn andere Akzente gesetzt werden, so müssen wir im Interesse der Klarheit darauf verweisen, daß der zuständige CDU-Innenminister bis zum Jahre 1969 gegenüber Sportlern aus Polen, Ungarn oder der UdSSR, die zu Wettkämpfen in die Bundesrepublik kommen wollten, sehr oft mit Visa-Verweigerungen operiert hat.
Auch daran sollten Sie sich in der heutigen Stunde einmal erinnern.
In diesem Zusammenhang möchte ich dem Deutschen Sportbund den Vorschlag machen, eine er-
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Dr. Müller-Emmertneute Initiative dahin gehend zu unternehmen, daß mit den sowjetischen Sportorganisationen eine formelle Vereinbarung über beiderseitige Sportbeziehungen — selbstverständlich unter Einbeziehung der Sportorganisationen von West-Berlin — abgeschlossen wird. Der zu erwartende deutsch-sowjetische Erfahrungsaustausch im Hinblick auf die Tatsache, daß die Spiele der XXII. Olympiade 1980 in Moskau stattfinden werden, bietet nach unserer Auffassung eine günstige Gelegenheit, dieses Vorhaben im beiderseitigen Interesse der Verwirklichung zuzuführen. Entsprechende Äußerungen des Vorsitzenden des staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport der UdSSR in den letzten Tagen bestärken uns in dieser Einschätzung. In einem Interview vom 1. November 1974 in der Zeitschrift „Sowjetunion heute" hat Minister Pawlow hierzu immerhin Interessantes gesagt, woraus ich mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten wenige Sätze zitieren möchte. U. a. heißt es dort:... geht es um die Unterzeichnung von langfristigen zweiseitigen Abkommen über die Prinzipien der sportlichen. Zusammenarbeit. Die sowjetischen Sportorganisationen haben solche Abkommen mit Finnland, Frankreich, Schweden und anderen westlichen Ländern unterzeichnet. Ein solches Dokument würde zweifellos die Formen der Kontakte zwischen den Sportorganisationen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland bereichern und sie vielseitiger gestalten. Die Lösung dieser Frage hängt aber nicht nur von den sowjetischen Sportorganisationen ab.Soweit dieses interessante Zitat.Gemäß dem Prinzip der Universalität des Sportes haben wir uns in der Vergangenheit auch bemüht, Anstöße für die Verbesserung der Sport- und Jugendbeziehungen zu der Volksrepublik China zu geben und solche Beziehungen durch die Bereitstellung von Zuschüssen zu fördern. Trotz der großen Entfernung zwischen den beiden Ländern haben sich die Kontakte sehr günstig und problemlos entwickelt. Auch für die Zukunft gibt es gute Möglichkeiten der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit in der Jugend- und Sportpolitik, die es zu nutzen gilt.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch auf eine weitere Tatsache hinweisen. Vom 27. bis zum 30. Mai 1975 findet in Dresden die zweite europäische Sportkonferenz statt. Der Deutsche Turn- und Sportbund der DDR legt als Ausrichter — wie schon die Vorbereitungsphase sehr deutlich zeigt — besonderen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit. Es ist für uns selbstverständlich, daß wir die Förderung der Zusammenarbeit in den Bereichen von Jugend und Sport innerhalb der westeuropäischen Gremien genauso nachdrücklich unterstützen wie eine gezielte und vertrauensvolle Zusammenarbeit im gesamteuropäischen Bereich. Aber auch hier muß die Zielsetzung von Anfang an sehr klar sein. Die Menschen müssen durch die Begegnungen und den Austausch von Informationen spürbar positive Einwirkungen erfahren. Bürokratische Hemmnisse und starre Austauschquoten bei Sport- und Jugendgruppen müssen schrittweise abgebaut und durch teilnehmerfreundliche Regelungen ersetzt werden. Sport- und Jugendbegegnungen erzielen nämlich nach allen Erfahrungen nur dann ihre volle Wirkung, wenn über den engeren Veranstaltungszweck hinaus Gelegenheit geboten wird, menschliche Kontakte zu entwickeln und Informationen über Geschichte, Kultur und Gesellschafts- und Sozialstruktur der in Frage stehenden Länder zu erhalten. Über diesen Problembereich spreche ich aus eigenen Erfahrungen.Es gehört sicher auch zu dieser Sportdebatte, daß einmal darauf hingewiesen wird, daß sich eine größere Anzahl von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen — in sehe schon ein freudiges Gesicht, das freudige Gesicht des Herrn Kollegen Schäuble — zu einer aktiven Fußballmannschaft zusammengefunden hat,
die ihre sehr strengen Regeln auch an Donnerstagen, selbst wenn über Sport debattiert wird, insofern einhält, daß sie in der Mittagspause aktiv Fußball spielt.
— Es wäre schön, Herr Kollege Stücklen, wenn wir Sie ab und zu auch dabei fänden. Das wäre Ihrer Gesundheit mit Sicherheit sehr dienlich; gar keine Frage.
— Wir haben so gute Ärzte in der Bundesrepublik, daß Ihr Hinweis auf den Meniskus jedenfalls für mich nicht ganz überzeugend ist, Herr Kollege Stücklen.
— Herr Kollege Reddemann, auch Sie habe ich donnerstags noch nie bei uns auf dem Fußballplatz gesehen.
— Gut. Lassen wir dieses Zwiegespräch. Ich wende mich in dieser Frage lieber an den Herrn Kollegen Schäuble, der in diesem Punkt sicher aufnahmebereiter ist als Sie.Jedenfalls möchte ich die Feststellung treffen, daß wir eine aktive Fußballmannschaft haben, daß wir nicht nur trainieren, sondern daß wir auch schon, gewissermaßen im weiteren Sinne als Botschafter der Bundesrepublik und des Bundestages, in verschiedenen Ländern waren und dort mit unseren Parlamentskollegen dieser anderen Länder Fußballsport getrieben haben. Das war aber nicht unser eigentlicher Veranstaltungszweck, wie ich gesagt hatte, sondern wir haben über dieses Fußballspielen hinaus noch eine Fülle von freundschaftlichen Kontakten zu unseren Parlamentskollegen gewonnen, und ich darf Ihnen sagen, daß diese freundschaftlichen Kontakte auch heute zum Nutzen von uns allen andauern.8892 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, aen 14. November 1974Dr. Müller-EmmertWir waren schon in der Schweiz, in Osterreich, in Frankreich. Aber Mannschaften dieser Länder waren auch schon bei uns. Wir haben darüber hinaus auch schon in Israel und in Togo Fußball gespielt, und nicht nur dieses: Wir hatten einen Achtungserfolg in Togo, auch das soll einmal gesagt werden, weil es manche Kollegen nicht wissen, — aber es gehört zu dieser Sportdebatte —, einen Achtungserfolg, der manche Bundesligamannschaft vor Neid erblassen lassen würde. Denn als wir in Lome in Togo Fußball spielten, war das Stadion überfüllt, und 35 000 Zuschauer — ich darf es sagen — jubelten unserem Siege zu.
Meine Damen und Herren, damit habe ich ein Stichwort für einen weiteren Punkt gefunden, den ich auch noch ansprechen möchte, nämlich die Frage der Sport-Entwicklungshilfe. Für die Bundesrepublik Deutschland sind gegenwärtig 30 Sportfachleute in Afrika, Asien und Lateinamerika tätig. Sie helfen insbesondere den jungen Nationen beim Aufbau und der Fortentwicklung des Sports. Da die Sozialdemokratische Bundestagsfraktion diesem Wirken eine sehr hohe Bedeutung beimißt, darf ich diese Gelegenheit benutzen, diesen von unserem Lande beauftragten Fachleuten für ihre schwierige, verantwortungsvolle Tätigkeit Dank zu sagen.
Der Bundesregierung werden im kommenden Jahr Förderungsmittel für den personellen, sachlichen und beratenden Aufwand dieser Sport-Entwicklungshilfe in Höhe von rund 9 Millionen DM zur Verfügung stehen. Dabei ist es für die künftige Arbeit dringend erforderlich, die bisher gewonnenen Erfahrungen intensiv auszuwerten. Meine Fraktion hat deshalb der Bundesregierung Vorschläge unterbreitet, die darauf abzielen, die bisherigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen kritisch zu überprüfen und im Interesse einer erfolgreichen Zusammenarbeit weiter zu verbessern.Dies betrifft sowohl die laufenden Kooperationsvorhaben — wie z. B. den Aufbau und die Betreuung von Sporthochschulen im Iran, in Brasilien, in Venezuela — als auch den Einsatz, die Betreuung und die Nachbetreuung der deutschen Sportfachleute und die Zusammenarbeit mit den Sportorganisationen in den Gastländern und in der Bundesrepublik.In diesem Zusammenhang, meine sehr geehrten Damen und Herren, muß besonders beachtet werden, daß die DDR große Anstrengungen auf dem Gebiet der Sport-Entwicklungshilfe unternimmt und auch über beachtliche Erfahrungen verfügt. Dabei stellt sich auf Dauer die Frage, wem es nützt, wenn die beiden deutschen Staaten zu einem Wettlauf antreten, dessen Ergebnis letztlich nur optische Prestigeerfolge sein können. Im Rahmen der Weiterentwicklung der innerdeutschen Sportbeziehungen könnte nach unserer Auffassung einmal ein Zeitpunkt kommen, der eine gewisse Abstimmung oder Zusammenarbeit in der deutschen Sport-Entwicklungshilfe möglich machen sollte.
Hierüber, meine Damen und Herren, muß man wohl nachdenken.Lassen Sie mich nun zu meinem letzten Punkt kommen. Bei der Aussöhnung der Deutschen und Franzosen hat sich das Deutsch-Französische Jugendwerk fraglos große Verdienste erworben. In den Programmen des Jugendwerks hat der Sport als unkomplizierte Begegnungsform einen erheblichen Anteil. Das Kuratorium, dem auch ein Vertreter der Deutschen Sportjugend angehört, hat mit Wirkung vom 1. Januar 1974 neue Richtlinien beschlossen, die sicherlich auch eine Überprüfung der jugendsportlichen Maßnahmen erfordert haben. In seiner letzten Sitzung hat das Kuratorium des Deutsch-Französischen Jugendwerks grundsätzlich einer schrittweisen Verlagerung der Förderungsschwerpunkte von den sogenannten Informations-und Kontaktprogrammen zu den vertiefenden Maßnahmen, wie Seminaren, Kolloquien und Intensivsportprogrammen, zugestimmt.Als Programme dieser Art wurden in der Vergangenheit die gemeinsamen Trainingslehrgänge deutscher und französischer Nationalkader — A-, B- und C-Kader — in erheblichem Umfange gefördert. Die neuen Richtlinien des Deutsch-Französischen Jugendwerkes erlauben es nun auch den Vereinen und Landesverbänden — darauf möchte ich ganz besonders hinweisen —, solche gemeinsamen Trainingsprogramme mit vertiefender sportfachlicher, sportpolitischer, methodisch-didaktischer und gesellschaftspolitischer Thematik durchzuführen. Dadurch erfährt der Sport im Deutsch-Französischen Jugendwerk offenbar eine Anhebung seines Stellenwertes, da zudem an eine einseitige Kürzung des Gesamtbereiches Sport im Verhältnis zu den übrigen Förderungsmaßnahmen nicht gedacht wird. Die Änderung der Förderungsrichtlinien macht allerdings zwangsläufig eine Verlagerung des überwiegenden Betrages der Förderungsmittel von halbtouristischen Begegnungsprogrammen zu den Intensivsportprogrammen notwendig. Dadurch sind die Sportvereine und -verbände zu einem nach unserer Meinung sinnvollen Umdenken in ihrer Jugend- und Freizeitarbeit im Rahmen des Deutsch-Französischen Jugendwerkes angehalten.Zur Finanzierung noch folgende Bemerkung. Es ist richtig, daß eine Senkung der Förderungsmittel des Deutsch-Französischen Jugendwerkes als Folge der Verringerung der Gesamtmittel feststellbar ist. Diese Verringerung der Gesamtmittel wurde sowohl durch die festgelegte Parität der Höhe der Förderungsmittel auf der deutschen und der französischen Seite als auch durch die DM-Aufwertung und durch die Franc-Abwertung hervorgerufen. Eine einseitige Kürzung der Mittel für die Sportmaßnahmen hat jedoch nicht stattgefunden. Bei den Sportprogrammen der deutschen Träger konnte von 1973 bis 1974 sogar eine leichte Steigerung auf mehr als 13 % erzielt werden.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nach diesen Bemerkungen zu dem Gebiet „Internationale Sportbeziehungen" mit der Feststellung schließen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in ihrer Sportpolitik auch in Zukunft die Voraussetzun-
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Dr. Müller-Emmertgen dafür schaffen wird, daß die deutschen Sportorganisationen als zuverlässiger Partner einen dynamischen, fortschrittlichen Beitrag im internationalen Sport leisten werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Kollegen Schäuble und Stücklen haben in ihren Beiträgen wiederholt eine Antwort auf die Frage gefordert, wie es bei uns, wie es bei den Regierungsparteien mit dem Leistungsgedanken im Sport bestellt sei, und sie haben es als das Rätselhafte in der Sportpolitik dieser Regierung bezeichnet, daß die Reden des auch für den Sport zuständigen Ministers Maihofer nicht mit der Praxis dieser Koalition in Einklang zu bringen seien, aus deren Reihen, wie gesagt wurde, seit langem das Leistungsprinzip diffamiert werde. Und Herr Stücklen ist dann so weit gegangen, in diesem Zusammenhang allen Ernstes Verstaatlichungstendenzen im Sport an die Wand zu malen. Ich glaube, dieses schiefe Bild, meine Damen und Herren, muß zurechtgerückt werden. Lassen Sie mich deshalb einige notwendige Ausführungen zu diesem Thema machen.Die FDP geht davon aus, daß Sport ohne den Gedanken des Wettbewerbs und der Leistung seinem ureigenen Wesen widerspricht. Die Freien Demokraten bekennen sich deshalb auch ganz ausdrücklich zur Chance der Selbstverwirklichung durch die sportliche Höchstleistung, die ja nicht nur dem einzelnen Aktiven, sondern dem ganzen Verein oder Verband, ja, dem ganzen Volk oder Staat einen befriedigenden Beweis des eigenen Leistungsvermögens gibt und — wie Minister Maihofer das vorhin formuliert hat — auch die Faszination von Länderkämpfen und Meisterschaften selbst für den Bürger begründet, der nie den Fuß auf den Rasen eines Stadions oder in eine Leichtathletikarena gesetzt hat.Spitzensport schafft ja nicht nur Gemeinschaft und schafft nicht nur Identifikation mit dem Staat oder der Nation, mit dem Klub oder der Mannschaft; er ist — und das halte ich für das eigentlich Entscheidende — auch Promotor für den Freizeit- und den Breitensport. Die Förderung des Spitzensports ist deshalb für die FDP die zentrale Aufgabe der Sportförderung des Bundes. Aber wir wenden uns entschieden gegen alle Störungen, die den Spitzensport von den übrigen Bereichen des Sports absondern wollen. Ihn jedoch wegen seiner gerade angesprochenen Bedeutung bejahen heißt, ihn dann aber auch so zu fördern, daß er Anschluß an die internationale Entwicklung halten kann.Wir haben in unseren Leitlinien zur Sportpolitik die Voraussetzungen genannt, unter denen Spitzensport zum Tragen kommt: Die Bundesregierung muß sicherstellen, daß den Spitzenverbänden im Rahmen der verfassungsmäßigen und finanziellen Möglichkeiten die notwendigen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben bereitstehen. Das gilt auch hinsichtlich derMittelbewilligung gegenüber dem DSB und dem Nationalen Olympischen Komitee. Ganz zentrale Bedeutung muß nach unserer Meinung der Förderung der Spitzenverbände zukommen, die mit ihren Lehrgangs- und Wettkampfprogrammen unserem Höchstleistungssport die eigentliche Basis geben. Wir meinen aber auch, daß unsere Aufmerksamkeit sich über die D-Kader hinaus dabei noch mehr auf den talentierten Nachwuchs richten muß, und mein Kollege Möllemann wird nachher diesen Bereich, soweit er Schule und Hochschule angeht, im einzelnen ausloten. Unsere Aufmerksamkeit muß also auf den talentierten Nachwuchs gerichtet sein, der in die Ausbildungsmaßnahmen der Bundessportfachverbände und damit in die Finanzierung des Bundes einbezogen werden muß.Um den Hochleistungssport und darüber hinaus den gesamten Leistungssport weiter zu entwickeln, müssen aber auch mehr qualifizierte Trainer vorhanden sein. Die FDP begrüßt deshalb die Errichtung der Trainer-Akademie, mit der die Trainer-Aus- und Weiterbildung sichergestellt wird. Man muß hier noch einmal in aller Offentlichkeit darauf hinweisen, daß wir neben den zwanzig Bundesleistungszentren und den zweiunddreißig Landesleistungszentren sowie zweiunddreißig weiteren Anlagen für den Spitzensport, die ja alle auch unter Bundesbenutzung stehen, den Aufbau eines Netzes von wohnungs- und arbeitsnahen Leistungsstützpunkten erreichen wollen und für erforderlich halten, um ein tägliches Leistungstraining ohne großen Zeit- und Kostenaufwand direkt am Ort und am Mann zu ermöglichen und eine bessere — dies ist eine weitere Forderung — begleitende ärztliche Versorgung der Spitzensportler sicherzustellen, wobei wir nicht die bisherigen Leistungen des Bundes in den sechzehn sportmedizinischen Untersuchungsstellen mindern wollen. Beratung und medizinische Betreuung nur bei Wettkampf und Training erweisen sich angesichts der wachsenden Anforderungen an die Sportler, angesichts der erhöhten Verletzungsgefahr und der körperlichen Überbeanspruchungen heute sicher als unzureichend. Die FDP spricht sich deshalb für den weiteren Ausbau sportmedizinischer Untersuchungsstellen aus und fordert auch die Medizinischen Fakultäten auf, mit der Ausbildung von Sportmedizinern zu beginnen.Letztlich gilt es — und darauf hat Herr Mischnick ja schon hingewiesen —, sicherzustellen, daß Sportler, die nach Höchstleistung streben, weder beruflich noch in den Schulen benachteiligt werden und stärker auch vor den Gefahren des Spitzensports gewarnt werden, ohne daß deshalb diejenigen, die darauf hinweisen, so hingestellt werden, als würden sie den Leistungssport ganz generell verteufeln. Ich glaube, diese Taktik sollten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nun endlich einmal aufgeben.Lassen Sie mich — schon abschließend — erklären, daß Bundesminister Maihofer als der zuständige Sportminister, gerade was seine — wie wir meinen — gesunde und ausgewogene Einstellung zum Spitzensport anbelangt, die volle Unterstützung der FDP-Fraktion hat. Seine besonderen Vorstel-
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Hoffielungen in diesem Bereich hat er in den grundsätzlichen Ausführungen zur Sportförderung durch die Bundesregierung hier und auch im Ausschuß schon erfrischend klar dargelegt.Ich hoffe, daß das im Ausschußprotokoll festgehaltene Bekenntnis auch der Opposition zu diesen Grundsätzlichkeiten, durch den Kollegen Stücklen zum Ausdruck gebracht, kein reines Lippenbekenntnis bleibt und er es zusammen mit der gesamten Opposition wirklich ernst meint, wenn er erklärt hat, daß die CDU/CSU-Fraktion den Bundesminister in seinen Bestrebungen, das zu verwirklichen, was er sich selbst vorgestellt hat, ganz uneingeschränkt unterstützen wird. Davon hat man heute hier nicht mehr ganz soviel gehört, was aber sicher der Sache einer solchen parlamentarischen Auseinandersetzung aus Ihrer Sicht dienlich ist.
— Nein, Herr Schäuble, Sie sollten doch in gewissen Bereichen einmal wirklich den Mut haben, auch anzuerkennen, was diese Regierung auf dem Gebiete des Sports leistet. Ich glaube, in weiteren Einzelbeiträgen unserer Redner wird das hier noch sehr deutlich zum Ausdruck kommen, etwa wenn wir nachher über Sport bei der Bundeswehr oder beim Bundesgrenzschutz oder in anderen Bereichen zu sprechen haben; aber darüber können wir uns nachher noch verständigen.
Herr Stücklen hat für die Opposition im Ausschuß weiter erklärt, daß es vielleicht ein ganz seltener Fall sei, daß die Opposition so rückhaltlos hinter einem Mitglied der Bundesregierung stehe. Ich glaube, daß diese Aussage des Oppositionssprechers eine sehr geeignete Grundlage für die Bestimmung des weiteren und dann gemeinsameren Kurses in der Sportpolitik der Zukunft sein kann.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte heute morgen und auch heute nachmittag hat gezeigt, wie vielfältig der Sport ist, seine Fächerung in Leistungs-, Breiten- und Spitzensport, in verschiedenen Lebensabschnitten: Kindergarten, Schule, sportliche Jugend, Freizeit, als Trimm-Dich-Sport und schließlich Sport in der Geriatrie. Ein Gebiet jedoch, das für etwa 4 Millionen Menschen von besonderer, weil oft lebenserhaltender Bedeutung ist, nämlich der Versehrtensport und analog der Fortentwicklung im Sprachgebrauch in der übrigen Sozialgesetzgebung — der Behindertensport, scheint im Bereich des allgemeinen Sports die Sache einer Randgruppezu bleiben, für die wenig Verständnis aufgebracht wird.Dem 1951 gegründeten Deutschen Versehrtensportverband ist es zu verdanken, daß die in der Nachkriegszeit an vielen Stellen einsetzenden Aktivitäten, Kriegsbehinderten auch nach Ablauf der Behandlung Sportmöglichkeiten zur Erhaltung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit und ihres Wohlbefindens zu erschließen, sinnvoll geordnet wurden. Grundlage war und ist auch heute noch das Bundesversorgungsgesetz.Gerade der behinderte Mensch, der durch seine Lage nicht selten in die Isolation gedrängt wird, findet im Sportverein Kontakte und Selbstbestätigung. Er hat dort die dringend notwendigen Erfolgserlebnisse. Nicht nur die hohe Zahl der jährlich erworbenen Sportabzeichen beweist dies. Haben Sie, meine Damen und Herren, einmal erlebt, wie ein Querschnittgelähmter neuen Lebensmut beim Reiten findet, einer Sportart, die diesem Kreis Behinderter auf Grund mangelnder Erfahrung bis vor ganz kurzer Zeit vorenthalten war, weil niemand glaubte, daß ein Querschnittgelähmter zum Reiten überhaupt fähig sei? Die Praxis beweist das Gegenteil.Der Deutsche Versehrtensportverband hat es bis zum heutigen Tage bei überwiegend ehrenamtlicher Tätigkeit der Mitglieder verstanden, seiner Idee durch entsprechende Breitenwirkung zum Durchbruch zu verhelfen. Ihm ist es gelungen, auf fast alle Behindertensportgruppen Einfluß zu nehmen. Das Erreichte ist nicht genug. Leider gibt es bis heute keine empirischen Untersuchungen zum Behindertensport. Es gibt keine Lehrprogramme, die auf einzelne Behinderungsarten zugeschnitten sind. Das ist aber dringend erforderlich. Die Konsequenzen aus den Leistungen des Deutschen Versehrtensportverbandes wurden nicht gezogen. Wir müssen sie aber ziehen, um zu einer befriedigenden Lösung für alle Behinderten zu kommen. Die Menschen, um die es hier geht, haben kein Verständnis dafür, daß man sich außerstande sieht, eine sinnvolle Neuordnung anzugehen, weil man sich, wie so oft, auf verfassungsrechtliche Gründe beruft. Damit ist aber den behinderten Menschen nicht gedient.Die Bundesregierung selbst hat in ihrer Antwort auf die Anfrage gesagt, daß die aus dem Versehrten-sport gewonnenen Erkenntnisse, die sicher zum großen Teil übertragbar sind, für den allgemeinen Behindertensport umgesetzt werden müssen. Aber wann soll das denn geschehen? Es geht um eine größere Öffnung des Versehrtensportverbandes für alle Behinderten, mit allen notwendigen Folgerungen auch finanzieller Art. Die Bundesregierung wird aufgefordert, hier initiativ zu werden. Nur der Kompetenzwirrwarr innerhalb der Bundesregierung steht einer vernünftigen Lösung entgegen. Nach der Verabschiedung des Rehabilitationsangleichungsgesetzes gehören die Bundesregierung, die Träger des Sports sowie die Träger der Rehabilitation an einen Tisch, um Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß jeder Behinderte auf möglichst unbürokratische und unkomplizierte Weise die Möglichkeit erhält, Sport als eine Möglichkeit der gesundheitlichen Stabilisierung,
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Frau Hürlandaber auch des gesellschaftlichen Zusammenlebens auszuüben.
Je weniger Verwaltungsaufwand, um so mehr Bereitschaft bei den Sportvereinen zur Ehrlichkeit, um so weniger Anlaß zur Verschleierung. Der Behinderte darf einfach nicht das Gefühl haben: Ich treibe Sport, weil ich auf den letzten Krücken gehe. Diese, fast möchte ich sagen: Zumutung für den Behinderten, Sport auf Krankenschein zu bekommen, dient nicht dazu, ihn in seinem Selbstbewußtsein zu stärken. Sport hat längst einen Stellenwert sowohl für Behinderte wie für Nichtbehinderte; nur wurde dem Sport für Nichtbehinderte bisher größere Aufmerksamkeit geschenkt.Wir haben viele Bundesleistungszentren für verschiedene Sportarten. Herr Minister, ich habe mich heute morgen gefreut, daß Sie sagten, Sie hätten weitere in der Planung. Nach Ihrer Rede im Sportausschuß hatte ich vermutet, daß Sie sich auch einmal dem Sport der Randgruppen etwas mehr zuwenden würden. Wir haben nämlich kein einziges Zentrum für Behindertensport, obwohl gerade für diesen Personenkreis ein solches Zentrum dringend notwendig wäre.
Der Behinderte treibt Sport unter besonderen physiologischen und psychischen Belastungen. Darum sind auch für bestimmte verschiedene Behinderungsarten besondere Lehrprogramme aufzustellen. Wir alle wissen, daß etwa bei geistig Behinderten Rhythmik mit Musik das motorische Verhalten entwickeln kann, daß aber für Querschnittsgelähmte oder Wirbelsäulenbehinderte andere Übungsmethoden Anwendung finden müssen. In einem Sportzentrum für Behinderte müßten mit der Praxis einhergehende wissenschaftliche Untersuchungen über den Behindertensport betrieben werden, und die gewonnenen Erkenntnisse sollten Eingang in die Praxis finden. Ausbildungsordnungen für Übungsleiter für Behinderte sind auf die gewonnenen Erkenntnisse abzustimmen.Man sollte versuchen, möglichst viele Sportarten den Behinderten zugänglich zu machen. Seit etwa sechs Jahren wird z. B. auf rein private Initiative hin auch unter Einsatz hoher finanzieller Opfer versucht, bei Spastikern therapeutische Erfolge durch Reiten zu erzielen. Solche begrüßenswerten Initiativen drohen leider zu scheitern, weil sie keinerlei Förderung erfahren, weder im institutionellen noch im individuellen Bereich. Ein Bundeszentrum für Behindertensport ist also dringend erforderlich, das z. B. auch Erfahrungen von Spastikern und Querschnittsgelähmten mit dem Reiten auf ihren Wert hin untersucht, die dann diesen Behinderten vermehrt angeboten werden können. Heidelberg, das in der Richtung Forschung und Behindertensport in der Praxis Schrittmacherdienste leistet, bietet sich hier vielleicht, Herr Minister, für eine erste Ausbaustufe an. Das wäre natürlich zu prüfen.Abschließend ist zu sagen: Die Situation der Behinderten, die Sport treiben wollen und solltenund die nicht dem Versehrtensportverband angehören, ist nicht zufriedenstellend. Eine Lösung wäre auf Grund der langjährigen guten Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Versehrtensportverband, dem Bund und den Ländern — das sollte hier durchaus einmal lobend anerkannt werden — möglich. Auf dem Gebiet der Leibesübungen für Kriegs-, Wehrdienst- und Unfallopfer sollte versucht werden, allen Behinderten in geeigneter Form Zugang zum Deutschen Versehrtensportverband zu verschaffen.Wenn Sport für den Behinderten mehr als für den Nichtbehinderten gesundheitsstabilisierend und darüber hinaus oft die einzige Gelegenheit ist, Gemeinschaft zu erleben und nicht unbeteiligt abseits stehen zu müssen, dann ist es Pflicht und Notwendigkeit, allen Behinderten unabhängig von Behinderungsart und Behinderungsursache die Möglichkeit zu geben, sich sportlich zu betätigen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Büchner.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat die Prinzipien einer ausgewogenen Sportförderung niedergelegt, bevor in diesem Lande der olympische Aufwind einsetzte und dann auch andere politische Kräfte in diesem Hause sportpolitische Konzeptionen entwickelten. Heute gilt es festzuhalten: Zu keiner Zeit hat es in diesem Lande eine umfassendere Sportförderung gegeben als unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung. Dies trifft in besonderem Maße für die Sportmöglichkeiten bei Bundeswehr und Bundesgrenzschutz zu. Sollten Sie von der Opposition nach einer Gelegenheit suchen, sich ausnahmsweise einmal positiv zu der erfolgreichen Sportförderungspolitik der Bundesregierung zu äußern, finden Sie dafür bei Bundeswehr und Bundesgrenzschutz ein sehr weites Feld. Man sieht: dort, wo der Bund die volle Kompetenz zur Förderung des Sports hat, wie z. B. bei Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, erfüllt die Regierung ihre Aufgabe in hervorragender Weise. Die CDU/CSU hat die Bedeutung des Sports in diesem Bereich leider nicht erkannt. In dem sogenannten Sportprogramm der CDU wird diese wichtige Aufgabe auf ein paar inhaltsarme Sätze zum Sportstättenbau reduziert.
— Natürlich stimmt das, das können Sie doch nachlesen!Meine Damen und Herren, unser ausdrücklicher Dank gilt den sozialdemokratischen Verteidigungsministern Helmut Schmidt und Georg Leber, die den Sport bei der Bundeswehr in einer Weise gefördert haben, die im gesamten NATO-Bereich Anerkennung findet.Aus den bisher erzielten Ergebnissen müssen Erfahrungen für weitere Maßnahmen gewonnen werden. Unser Ziel bleibt es, konkrete und für jeden Angehörigen und Mitarbeiter der Bundeswehr und
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Büchner
des Bundesgrenzschutzes positiv erfahrbare Sportförderung zu betreiben. Der Breitensport bei der Bundeswehr wird zügig ausgebaut und verbessert. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen beweist die überzeugende Arbeit des Verteidigungsministers und seiner Mitarbeiter, die auf dem Weißbuch und den dort dargelegten Erkenntnissen, Maßnahmen und Zielen beruht.Durch den 1970 beschlossenen Bau der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf, für die morgen der Grundstein gelegt wird, und durch die neue Dienstvorschrift für den Sport bei der Bundeswehr werden weitere Fortschritte ermöglicht. Zahlen beweisen die positive Bilanz: 1973 nahmen rund 301 000 Bundeswehrangehörige am Soldatensportwettkampf teil. 24 300 absolvierten die Prüfungen für das Deutsche Sportabzeichen, 45 700 errangen das Freischwimmer- und 24 300 das Rettungsschwimmerzeugnis. 1973 und 1974 wurden fast 1 800 Sportleiter und Fachsportleiter in der Sportschule der Bundeswehr in Sonthofen ausgebildet. Hinzu kommen rund 230 Übungsleiter mit der Lizenz des Deutschen Sportbundes. Besonders die langfristige Deckung des Bedarfs an Sportlehrern und Sportleitern hängt in ganz entscheidendem Maße von den Wirkungsmöglichkeiten der neuen Sportschule in Warendorf ab.Meine Damen und Herren, besonders erfreulich ist die enge Verbindung des Sports bei der Bundeswehr mit dem zivilen Sport. Gute Zusammenarbeit wird dadurch ermöglicht, daß der Bundeswehrsport kein Eigenleben führt, sondern sich an den Normen der Sportverbände und -vereine orientiert. Sportlehrer und Übungsleiter der Bundeswehr wirken über den militärischen Bereich hinaus; sie geben oft wesentliche Hilfe und Unterstützung bei der Arbeit der Sportvereine. Wir ermuntern dazu, Herr Minister, daß auch weiterhin die Sportbaumaßnahmen der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes mit den Interessen der Gemeinden abgestimmt werden, um günstige Finanzierung, optimale Nutzung und möglichst geringe Folgekosten zu erreichen. Viele Gemeinden haben durch die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr das Sportstättenangebot für ihre Bürger wesentlich erweitern können. Die dabei gewonnenen Erfahrungen müssen im Interesse aller Beteiligten gründlich ausgewertet und bei der weiteren Zusammenarbeit nutzbar gemacht werden. Dies betrifft auch die Kooperation mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft.Meine Damen und Herren, ein wesentliches Prinzip sozialdemokratischer Sportförderung im Bereich von Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Zivildienst und Polizei verdient in Zukunft noch stärkere Beachtung: Freude an Spiel und Sport, Selbstbestätigung durch Erfolg und Leistung und die Stärkung des Gemeinschaftssinnes stehen dienstlichen Erfordernissen und der Gesunderhaltung nicht entgegen, sondern fördern und ergänzen sie. Gesicherte Erkenntnisse moderner Sportpädagogik müssen dabei noch wirkungsvoller in die Praxis umgesetzt werden. Eine Vielzahl von Bundeswehrangehörigen haben seit ihrer Schulzeit wenn überhaupt, dann nur noch sporadisch Sport getrieben. Die Bemühungen, diese Bürger für Spiel und Sport neu zu gewinnen, sollen dadurch verbessert werden, daß auch der außerdienstliche Sport umfassend unterstützt wird.Für Spitzensportler bestehen in der Bundeswehr fast optimale Voraussetzungen. Die Nachteile, die es früher gegenüber nicht Wehrdienst leistenden Sportlern gab, konnten mehr als ausgeglichen werden. Von 1970 bis 1974 stieg die Zahl der geförderten wehrpflichtigen Spitzensportler in der Bundeswehr um das Zehnfache. Im ersten Halbjahr 1974 wurden in 20 Zentren mit 27 Sportarten nahezu 500 Spitzensportler gefördert. Auch die Beteiligung und die Erfolge von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr bei internationalen Sportveranstaltungen zeigen, daß sich die Bundesregierung hier auf gutem Weg befindet. Dies beweisen auch die Sportförderungsmittel im Haushalt dieses Bereiches. Ohne die Personalkosten sind sie für die Bundeswehr von rund 44 Millionen DM im Jahre 1971 auf mehr als 73 Millionen DM im laufenden Jahr gestiegen. Zusammen mit den Maßnahmen zur Förderung des Leistungssports, die nunmehr auch trotz der angespannten Personalsituation für die Zeit- und die Berufssoldaten immer wirksamer werden, ergibt sich ein sehr erfreuliches Bild.Im Gegensatz zu der positiven Entwicklung der Sportförderung bei der Bundeswehr und im Bundesgrenzschutz sind die gleichen Voraussetzungen für die Angehörigen der Polizei überwiegend leider noch nicht gegeben. Wir begrüßen deshalb die schon mehrfach betonte Bereitschaft der Bundesregierung, die bei Bundeswehr und Grenzschutz gewonnenen Erfahrungen in geeigneter Weise auch den Bundesländern für die Verbesserung der Sportmöglichkeiten der Polizeiangehörigen zugänglich zu machen.
Dem Polizeisportkuratorium, das in diesen Tagen 25 Jahre alt wurde, kommt bei der Ausschöpfung der Sportmöglichkeiten und der Entwicklung fortschrittlicher Konzeptionen für die Polizeiangehörigen im Bereich des Sports besondere Bedeutung zu. Die SPD dankt dem Kuratorium für diese Arbeit.Meine Damen und Herren, Zivildienstleistende haben wie Wehrdienstleistende einen Anspruch auf Sport. Aus der anderen Organisationsform des Zivildienstes ergeben sich dabei naturgemäß besondere Schwierigkeiten. Bisher sind hier viele Wünsche noch offengeblieben. Wir begrüßen deshalb, daß die Bundesregierung, wie aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgeht, bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet hat. Es muß sichergestellt werden, daß die Sporteinrichtungen der Dienststellen innerhalb und außerhalb des Dienstes auch den Zivildienstleistenden zur Verfügung stehen und daß Spitzensportler ebenso intensiv gefördert werden wie bei der Bundeswehr. Wir bitten die Regierung und das Bundesamt für den Zivildienst, in Zusammenarbeit mit den in diesem Bereich tätigen Organisationen zu prüfen, in welcher Weise Zivildienstleistende mit entsprechender sportlicher und pädagogischer Erfahrung oder Qualifikation im gemeinnützigen Bereich des Sports eingesetzt werden können.
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Bei der Bundeswehr und bei der Ableistung des Zivildienstes eröffnet sich für viele junge Menschen oftmals die letzte Möglichkeit, praktisch zu erfahren, daß Sport Spaß machen kann und ein Faktor einer sinnvollen Lebensgestaltung sein kann. Unsere gemeinsamen Anstrengungen müssen darauf gerichtet sein, diese Chance für den Sport und den Menschen bestmöglich zu nutzen.
Die Bundesregierung der sozialliberalen Koalition hat hier in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dankt dafür und wird alle diesbezüglichen Bemühungen weiter unterstützen.
Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktioen der SPD und der FDP, die darauf bezogene Antwort der Bundesregierung sowie diese Debatte haben bislang deutlich gemacht, daß eine Vielzahl von begrüßenswerten Überlegungen und Initiativen auf dem Gebiet der Sportpolitik vorliegt, auch bundespolitische Initiativen, soweit dies die rechtliche Regelung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern und die faktische Verteilung der Aufgaben auf staatliche und private Institutionen zulassen. Wir Freien Demokraten begrüßen die positive Konzeption der Bundesregierung zur Sportpolitik und besonders die fundierten Überlegungen unseres Innenministers Professor Maihofer. Ob die Sportpolitik außer an bestimmten Tagen auch in allen Fraktionen den hohen Rang einnimmt, der hier ab und zu anklang, kann unter Umständen dann bezweifelt werden, wenn man weiter als in die ersten zwei Reihen dieses Plenarsaals blickt.Ich muß hier klarstellen, was heute morgen vom Kollegen Müller aus München gesagt worden ist, als er unserem Innenminister vorwarf, er rede sozusagen mit zweierlei Zungen.
Er hat die Ausführungen unseres Innenministers gelobt und dann gesagt, aber in der „PZ", dem Organ der Bundeszentrale für politische Bildung, seien die unflätigsten Beschimpfungen gegen den Leistungssport veröffentlicht worden. Wenn man das nachliest, findet man ganz erstaunt über dem entsprechenden Artikel in der „PZ", der tatsächlich veröffentlicht worden ist, einen Vorspann, in dem es heißt: „Es sind Worte eines Wütenden, die nicht mit der Meinung des Herausgebers übereinstimmen. Der darf so einseitig nicht sein. Wer antwortet Walter Otto? — so heißt der Verfasser des Artikels.Ich finde es etwas eigenartig, wenn man dergleichen zitiert und nicht darauf hinweist, daß dies gar nicht die Meinung des Innenministeriums oder der Bundeszentrale der politischen Bildung ist.
— Ja, das ist Methode, und ich wage zu bezweifeln, daß es eine sehr sportliche Methode ist.Es ist aber auch festzustellen, daß in einigen Bereichen die theoretisch vorhandenen positiven Ansätze praktisch noch unzureichend entwickelt sind. Dies gilt vor allem für den Sport im Bildungsbereich, also in Vorschule, Schule und Hochschule. Wie nahezu in allen Bereichen der Bildungspolitik sind die Einflußmöglichkeiten des Bundes auch auf diesem Sektor durch die Kompetenzverteilung sehr begrenzt. Ich denke, es leuchtet ein, daß die von der FDP immer wieder geforderte erweiterte Bundeskompetenz für das Bildungswesen z. B. die Umsetzung von Erkenntnissen, die in Modellversuchen gewonnen werden können, welche die Bundesregierung fördert, in die Praxis von Vorschule und Schule erleichtert würde. Dies nur als ein Beispiel aus einem Bereich. Wir werden von daher diese grundsätzliche Position weiter darstellen und versuchen, sie durchzusetzen.Derzeit leistet die sozialliberale Bundesregierung einige wichtige Beiträge für die Verbesserung des Schulsports. Die hier bereits angesprochenen Modellversuche sind für eine zeitgemäße Entwicklung dieses Bereichs sehr wesentlich. So ist es besonders zu begrüßen, wenn im Rahmen dieser Versuche die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen ein Vorhaben zur Förderung der Lehrerfort- und -weiterbildung unterstützt. Denn insgesamt muß die gegenwärtige Situation an unseren Schulen in sportlicher Hinsicht schon noch als unbefriedigend gelten. Nicht nur, daß die Hälfte aller Sportstunden von Lehrern gehalten wird, die hierfür nicht ausgebildet sind, nein, auch die Tatsache, daß die durchschnittliche Zahl der Unterrichtsstunden im Sport auf den Stundenplänen mit zwei oder drei oder weniger Stunden angesetzt ist, muß als unzureichend bezeichnet werden; dies um so mehr, als viele Pädagogen die Erfahrung werden bestätigen können, die ich selbst während meiner Dienstzeit als Lehrer gemacht habe: Wann immer Unterricht aus irgendwelchen wichtigen oder unwichtigen Gründen gekürzt werden muß, sind es zu allererst die Sportstunden, die gestrichen werden. Ich meine, hier ist ein Umdenken notwendig, das bei den Kultusministerien beginnen und in den Schulleitungen fortgesetzt werden muß. Dies wird jeder einsehen, wenn er sich die erschreckende Tatsache vor Augen hält, daß derzeit ein Drittel aller Schulanfänger mit Haltungsschwächen oder Haltungsschäden ins Schulleben eintritt. Dies ist ein wichtiger Grund.Über die pädagogisch wichtigen Aspekte des Sportunterrichts, über seine Elemente der Persönlichkeitsprägung ist hier bereits zutreffend gesprochen worden. Um die bei diesem Aufgabenbereich anstehenden quantitativen Probleme schneller lösen zu können, empfiehlt die FDP, in enger Verbindung von Schule und Verein freiwillige Sportgemeinschaften einzurichten, in denen in entsprechenden Neigungs- und Leistungsgruppen auch freizeitorientierte Formen aufgenommen werden. Ich denke, die Förderung des Sports an den Schulen ist auch deswegen so besonders wichtig, weil mehr und mehr
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Möllemannder Großteil der Leistungssportler sich im Schulalter befindet und her besonders gefördert werden kann und muß.Meine Damen und Herren, es wurde zu Recht darauf hingewiesen, daß die Situation des Sports an berufsbildenden Schulen besonders schwierig ist, wie sich überhaupt die Lage an diesen Einrichtungen kaum als positiv darstellen läßt. Wir alle sollten uns in unseren Bundesländern dafür einsetzen, daß im Zuge der Reform des schulischen Teils im Berufsbildungswesen — ich hoffe auch der andere wird reformiert werden — auch der Sport angemessen berücksichtigt wird.Hier, Herr Kollege Schäuble und Ihre weiteren Kollegen, die gesprochen haben, gibt es keinen Vorsprung etwa der CDU vor Ländern mit einer sozialliberalen Regierung. Hier sind wir beide angesprochen, wie überhaupt mit Recht darauf hingewiesen worden ist, daß eigentlich eine solche sportpolitische Debatte kein Anlaß zu dem Versuch sein sollte, parteipolitische Lorbeeren zu ernten.
— Herr Kollege Schäuble, wenn ich das jetzt im sportlichen Sinne mache, muß ich für dieses Argument die gelbe Karte zeigen. Wenn Sie das fortsetzen, bekommen Sie unter Umständen die auch hier vorhandene rote Karte. — Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung dafür gesorgt hat, daß der Sport an diesen Schulen — —
— Herr Kollege Barzel, ich freue mich, daß Sie mittlerweile auch eingetroffen sind. Ich habe darüber nicht gelacht; ich habe das nicht als Witz empfunden, daß Sie dem Sport Ihre besondere Aufmerksamkeit, jedenfalls um diese Tageszeit, widmen.
— Bitte sehr!
— Herr Kollege, es wäre fast schon einfach, alle Kollegen hier zu begrüßen. Ich habe darauf schon hingewiesen. Es ist ja im Augenblick nicht sehr schwierig.Gestatten Sie mir also, meine verehrten Damen und Herren — —
Ach, Herr Kollege, würden Sie vielleicht fortfahren?
Ja, ich bin bereit fortzufahren. Aber das müßte man einmal durchrechnen. Wenn Sie einmal addieren: Das sind hier vier, auf
der Regierungsbank dann noch ein Fünfter, ein Sechster. Damit ist der prozentuale Anteil sicherlich höher als bei den anderen Fraktionen.
— Ja, mittlerweile sind wir eindeutig die stärkste Fraktion im Hause.
Gestatten Sie mir einige abschließende Bernerkungen zum Thema: Sport im Bereich der Hochschulen. Auch das hat heute morgen eine Rolle gespielt. Es ist zutreffend, wenn festgestellt wird, daß unsere Hochschulen den Studenten wohl auf die Arbeitswelt, nicht aber auf eine aktive Freizeitgestaltung vorbereiten. Aufgabe der Hochschulen muß es sein, mehr als bisher für den Bau ausreichender Sportanlagen und die Einstellung von genügend Sportlehrern oder Übungsleitern zu sorgen, damit die Studierenden in der Studienphase regelmäßig Sport treiben können; hiermit meinen wir nicht nur die Sportstudenten.
Alle Fraktionen des Bundestages haben bei der Beratung des Hochschulrahmengesetzes diese Aufgabenstellung dadurch verdeutlicht, daß sie in § 2 die Förderung des Sports ausdrücklich als eine der grundlegenden Aufgaben der Hochschulen festgeschrieben haben. Wir halten es dabei für wünschenswert, wenn Menschen aus allen Bevölkerungskreisen Gelegenheit gegeben wird, zusammen mit Studenten Sport zu treiben und gemeinsam die Hochschuleinrichtungen zu nutzen. Es muß nicht unbedingt nach dem Motto geschehen: So spielt man mit Studenten. Eine solche erwünschte Integration ist am besten durch Veranstaltungen der Hochschulen zu erreichen, die auch für Personen außerhalb der Hochschulen zugänglich sind.
Ein weiterer Aspekt — und das war das, was heute morgen strittig war — bei der Beratung des Hochschulrahmengesetzes war die Auffassung der FDP, daß die Probleme, die jungen Hochleistungssportlern angesichts der Zulassungsregelung in Numerus-clausus-Fächern durch ihren Leistungssport entstehen, bei der Vergabe der Studienplätze angemessen berücksichtigt werden sollten.
Dies habe ich gestern im Ausschuß deutlich gemacht, und dies ist auch weiterhin unsere Auffassung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte schön!
Herr Kollege Möllemann, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß diese Forderung von der CDU/CSU-Fraktion schon lange gestellt worden ist und daß der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft dieser unserer offenbar gemeinsamen Forderung gestern im Ausschuß widersprochen hat?
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Erstens ist es wohl zutreffend, daß Sie diese Auffassung ebenfalls vertreten — seit wann, kann ich nicht im einzelnen verfolgen. Darüber hinaus ist es auch zutreffend, daß es in einigen Bereichen, z. B. in dieser Frage, auch Unterschiede zwischen den Koalitionspartnern gibt. Dies ist aber, glaube ich, keine Neuigkeit, und dies habe ich damit deutlich machen wollen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schirmer?
Möllemann . Bitte!
Herr Kollege, sind Sie mit mir der Auffassung, daß es unser Ziel sein sollte, die von der Deutschen Sportkonferenz zu diesem Fragenkreis erhobene Forderung zu realisieren, unter ganz bestimmten Voraussetzungen solche Zulassungsmöglichkeiten auf dem Ausnahmewege zu erreichen, und daß sich alle — ich hoffe, auch die Opposition — dazu verstanden haben, dies zu realisieren? Das ist das Wichtige. Die globale Forderung wird doch — ich denke, Sie stimmen mit mir überein — inzwischen auch vom Präsidium des Deutschen Sportbundes nicht mehr erhoben.
Der Kollege Mischnick hat heute zutreffend darauf hingewiesen, daß wir uns hier keine Pauschalregelung wünschen, bei der einfach ein undefinierbarer Begriff eingesetzt wird, sondern natürlich eine Entscheidung in den einzelnen Fällen unter besonderer Berücksichtigung der Gegebenheiten.
Meine Damen und Herren, wir glauben, daß eine solche Sportdebatte wie die heutige natürlich die Probleme, die noch bestehen, nur anreißen kann. Wir werden bemüht sein, in Kooperation mit den verschiedenen Verantwortlichen im Bereich des Sports dafür zu arbeiten, daß die hier angestrebten Verbesserungen auch möglich werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spilker.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden es mir nicht übelnehmen, daß ich Sie zu dieser etwas vorgerückten Nachmittagsstunde nicht einzeln begrüße.
Ich freue mich aber sehr, daß ich Gelegenheit habe, mit einem wenn auch nicht ausführlichen Beitrag zu einigen Fragen des Sports Stellung zu nehmen und auch über einige Mißverständnisse zu sprechen, die da oder dort auftreten, z. B., Herr Möllemann, auch bei Ihnen. Wenn Sie sich, Ihrem Beruf entsprechend, auf die Schulpolitik konzentrieren: Vielleicht haben Sie den 27. Oktober schon vergessen, an dem Ihnen die Wähler in Hessen doch ausdrücklich bestätigt haben, was Sie in der Schulpolitik
nicht getan haben. Ihre Schulen in Hessen sind nicht in Ordnung, meine Herren.
— Ich wollte Sie nur daran erinnern. Und wenn die Schulen nicht in Ordnung sind, kann auch der Schulsport nicht in Ordnung sein, über den wir hier als einen Teil des Sports sprechen wollen. — Sie können sich ruhig ärgern; Sie haben mich vorhin auch geärgert. Das macht nichts.
— Herr Mischnick, wir waren doch eben so friedlich miteinander.
— Das ist gut. Wir haben zwar den gleichen Sakko an; das habe ich Ihnen heute schon einmal gesagt. Das hat aber nicht zur Folge, daß wir in allen Fragen der gleichen Meinung sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
in Gemeinden, in Städten, in Länderparlamenten und schließlich auch hier in diesem Hohen Hause.Erinnern wir uns einmal an die letzte Legislaturperiode. Da gab es auch schon einmal den Antrag— nicht ganz wörtlich —, der heute zur Entscheidung steht. Ich meine den Antrag der CDU/CSUFraktion, den der Rundfunk heute früh in seiner Nachrichtengebung offensichtlich vergessen hatte, als er dreimal die heutige Sportdebatte ankündigte.
Ich darf auch einmal daran erinnern, daß wir schon einmal über diesen Sportplan, über unseren Antrag debattiert haben. Und im Gegensatz zu dem, was heute früh vom Sprecher der SPD erwähnt wurde, möchte ich ausdrücklich noch einmal wiederholen, was mein Freund Schäuble schon gesagt hat: Die Diskussion über diesen Antrag ist nicht so geführt worden, wie wir das in den Ausschüssen gewöhnt sind. Darüber kann es gar keinen Zweifel geben. Unser Antrag ist nicht ausdiskutiert worden. Sie, meine Herren von der Regierungskoalition, haben einfach von Ihrer Mehrheit Gebrauch gemacht und gesagt: Schluß, wir stimmen ab.
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8900 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Spilker— So war es und nicht anders. — In toto ist der Sportplan, wie wir wissen, dann abgelehnt worden. Im übrigen ist dieses Verfahren nicht so ganz sportlich.
— Lieber Wolfgang Mischnick,
wir sitzen so oft bei Fußballspielen nebeneinander. Tore haben nur dann einen Sinn, wenn sie beim Gegner geschossen werden. Die Selbsttore, die entstehen, sind meist oder immer unerwünscht. Da lassen wir es lieber dabei.
Meine Damen und Herren, ich sagte eben, wir haben bei vielen Anlässen auf die Bedeutung des Sports hingewiesen. Nun ist es mehr als an der Zeit— das ist der eigentliche Ernst der Sache —, daß Taten folgen. Auch hier gilt, was mein Freund Schäuble heute früh sagte und was Sie nachher noch von Herrn Kollegen Evers hören werden: Dieser Forderung dient u. a. auch der von uns vorgelegte Antrag, der Bundessportplan. Wenn wir von Ihnen, Herr Minister, und auch von anderen Kollegen des Hauses hören, daß Sie da oder dort am Sportplan etwas auszusetzen hatten: Wer hat Sie denn daran gehindert, in dem zuständigen Ausschuß dafür zu sorgen, daß es Änderungen gibt? Sie haben doch die Mehrheit. Ist das nicht bei anderen Vorlagen in anderen Ausschüssen auch so? Reden wir da nicht miteinander, diskutieren wir nicht miteinander? Das muß ich Ihnen schon sagen: es hat mich als Sportler befremdet, daß Sie diese Diskussion, ich will nicht sagen kurzfristig, aber relativ kurzfristig zum Abschluß gebracht haben.Wichtig aber ist eines — und das gilt für uns alle —: An dem, was wir geredet, was wir versprochen, was wir in Aussicht gestellt, was wir an Hoffnungen erweckt haben und was nicht realisiert wurde, werden wir höchstens im Negativen gemessen. Allein bewertet werden wir an dem, was wir getan haben. Wir haben keine sportlichen Richtlinien zu erlassen. Das widerspricht der Einstellung, die wir zum Sport haben. Wir haben Politik zu machen. Wir sollten aber denjenigen, die die Richtlinien zu erlassen haben, dem Deutschen Sportbund, die Möglichkeit geben, diese Richtlinien auch in die Tat umzusetzen. Vor Jahren wurde in den Diskussionen manchmal die Forderung erhoben, das Grundgesetz zu ergänzen: so eine Art Grundrecht des Sports .einzufügen. Ich. muß Ihnen gestehen, ich war nie ein Anhänger einer solchen Forderung, weil wir doch die Möglichkeit haben, das in der Praxis zu tun, nämlich durch unser Verhalten und durch unsere Entscheidung dafür zu sorgen, daß sich hier ein Gewohnheitsrecht entwickelt. Ich sagte: Wir haben die Möglichkeit. Besser sollte ich dies sagen: Bei der Bedeutung des Sports — und darüber gibt es überhaupt. keine Meinungsverschiedenheit — sind wir eigentlich verpflichtet, so zu handeln, wie es im Interesse aller, die auf uns schauen, erforderlich ist. Ich glaube, daß darauf der Sport wartet und nicht auf mehr oder weniger formale Feststellungen, die nicht viel nützen.Hier wollen wir helfen mit unserem Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt und den mein Freund Evers nachher im einzelnen begründen wird.
— Herr Wende, wir versprechen im Moment gar nichts, sondern wir haben einen Antrag vorgelegt, über den wir zu entscheiden haben. Ich möchte hier nichts vorwegnehmen; aber dieser Antrag beinhaltet das, was wir gemeinsam mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, in der Sportkonferenz beschlossen, was wir aber anschließend politisch nicht realisiert haben. Das, meine ich, ist keine Politik, jedenfalls keine erfolgreiche.
Meine Damen und Herren, so eine Entwicklung nützt dem Sport nichts. Er sucht einen verläßlichen Partner. Die Repräsentanten des Sports wissen, daß sie auf uns angewiesen sind, und wir, meine Damen und Herren, sollten genauso wissen, daß wir auf den Sport angewiesen sind. Diese Partnerschaft sollte vor Jahren gefunden werden. Ich spreche von der Deutschen Sportkonferenz. Heute früh ist schon manches über diese Deutsche Sportkonferenz gesprochen worden, über einige Reden, die auf ihr gehalten worden sind, auch von der Rede des jetzigen Präsidenten des Deutschen Sportbundes, Herrn Weyer, der sich bitter beklagt hat über die Abhängigkeit des Sports, wie er sagte, von der Exekutive. Das sind keine Worte der Opposition, sondern das sind ernste Worte des Präsidenten des Deutschen Sportbundes.
Das war gezielt gesprochen von einem Minister, der leider kein Sportminister ist,
vielleicht auch deshalb gezielt, weil sein Parteifreund, der Herr Bundesminister des Innern, neben ihm saß. Er wollte ihm sicherlich einen Tip mit auf den Weg geben; denn dieser übernimmt nun den Vorsitz in der Deutschen Sportkonferenz.Meine Damen und Herren, was ich eigentlich meine, ist: Wir sind verpflichtet, die Voraussetzungen für die weitere Entwicklung des Sports zu schaffen. Die Vereine allein können das nicht mehr. Sie haben nicht mehr die Kraft dazu, sie haben nicht mehr die finanziellen Mittel, vor allen Dingen dann nicht, wenn wir sie hängenlassen.
— Meine Herren, gehen Sie doch einmal davon aus,daß wir in der Bundesrepublik etwa 10, 12, 13 Millionen Menschen haben, die Sport treiben. Das wäre
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Spilkerohne unsere Vereine, ohne etwa 42 000 Vereine, gar nicht möglich.
Gehen Sie einmal davon aus, daß auch die öffentlichen Hände einiges getan haben: die Gemeinden, die immer vergessen werden, die viel mehr getan haben, als man hört und liest, die Länder natürlich und auch der Bund; das ist ganz unbestritten. Aber, meine Damen und Herren, haben wir einmal überlegt, was die Vereine eigentlich leisten, was sie selbst aufbringen? Haben wir einmal überlegt, wieviel Hunderte von Millionen aufgebracht werden durch Beitragszahlungen, Veranstaltungserlöse und andere Zahlungseingänge, die die Vereine Gott sei Dank noch haben. Ich glaube, man spricht im Deutschen Sportbund von einer Größenordnung von rund 700 Millionen DM.
Dazu kommen die Eigenleistungen der ehrenamtlich Tätigen, der Übungsleiter, Jugendleiter, Betreuer etc., Leistungen, die insgesamt, soweit ich mich erinnern kann, mit 800 Millionen DM beziffert werden.Aber, meine Damen und Herren, die Vereine sind hier am Ende, sie können nicht mehr. Und auch hier finden Sie in unserem Entschließungsantrag einige Gesichtspunkte, die diesem Zustand Rechnung tragen.Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einige Zahlen zurückkommen, die ich nicht erfunden habe, die den Sport berühren. Damit greife ich ein gesundheitspolitisches, ein sozialpolitisches und sicherlich auch ein gesellschaftspolitisches Thema auf. Ich glaube, daß es richtig ist, wenn veröffentlicht wird, daß mehr als 50 % aller arbeitenden Menschen bei uns frühzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, weil sie nicht mehr gesund sind. Es ist, glaube ich, richtig, wenn man in Verlautbarungen liest, daß die Hälfte aller Menschen, die bei uns krank sind, an Herz- und Kreislaufschäden leiden und in der Bundesrepublik im Jahr etwa eine halbe Million Herzinfarkte registriert werden. Man hat weiter errechnet, daß zur Bekämpfung dieser Krankheiten, die ja wohl auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind, jährlich viele Milliarden DM aufzubringen sind.Wo, meine Damen und Herren, liegt denn hier unsere Aufgabe, wo müssen wir hier handeln, wofür müssen wir sorgen? Oder, meine Damen und Herren, wollen wir mithelfen, daß der von uns gewollte Fortschritt in unserer Gesellschaft, in der Zivilisation — mit all ihren Erscheinungen — schließlich alle Menschen ärmer macht, ihnen schadet und möglicherweise sogar noch ihr Leben verkürzt?!
Herr Abgeordneter, ich darf Sie an das Ende Ihrer Redezeit erinnern.
Ich bedanke mich, Frau Präsident; ich werde das natürlich respektieren. Aber Sie gestatten mir, daß ich diesen Gedankengang noch zu Ende bringe?
Selbstverständlich!
Meine Damen und Herren, was nutzen diese vielen großartigen Erfolge der Mediziner, der Forscher, der Pharmazeuten, wenn der Mensch selbst nicht bereit ist, mitzuhelfen!
Wir sollten die entsprechenden Anreize dafür schaffen, daß der Mensch von sich aus nicht nur bereit, sondern auch willens ist, seine Gesundheit wieder in den Mittelpunkt zu stellen.
— Ich werde diesen Gedankengang zu Ende führen; dazu habe ich die Genehmigung der Frau Präsident, meine Herren von der FDP. Ich habe hier weder eine rote noch eine gelbe Karte, weil ich meine, daß das auf den Sportplatz, aber nicht unbedingt in das Plenum eines Parlaments gehört.
— Sie bringen mich so nicht aus der Fassung. Da müssen Sie sich schon ein bißchen mehr Mühe geben und ins Mikrophon sprechen, weil ich Ihnen sonst
— rein stimmlich natürlich —überlegen bin.
Herr Abgeordneter, nun müssen Sie allmählich doch mit dem Gedankengang zu Ende kommen.
Meine Herren, ich wollte Ihnen an sich noch etwas über den Leistungssport sagen, wozu ich jetzt leider nicht mehr komme. Ich wollte fordern, daß sich der Bund hier ein wenig aufdrängt.
Denn wir brauchen diesen Leistungssport, diesen Spitzensport wohl zu mehr als nur zum Bewundern. Ich glaube, von diesem Spitzensport geht viel mehr aus. Er begeistert uns nicht nur, sondern er bildet sicherlich für viele Millionen Menschen und damit für den Sport, den man gemeinhin mit Breitensport bezeichnet, besondere Anreize.
Im Prinzip gilt das, was ich für den allgemeinen Sport gesagt habe — damit bin ich am Ende, Frau Präsident —, auch für den Spitzensport. Wir wollen
— das ist der Sinn des Bundessportplans und der Entschließung — nicht mehr Staat, sondern wir wollen mehr Sport,
wir wollen mehr Sport und weniger Staat, wir wollen mehr Hilfe für den Sport und für den Bürger, wir wollen weniger Machtausübung.
Wir wollen in der Praxis eigentlich beweisen, daß wir alle in der großen Sportfamilie, nämlich Sportler und Politiker, wissen, daß wir aufeinander angewiesen sind, wenn es darum geht, dem Bürger in dieser freiheitlichen Bundesrepublik helfend zur Seite zu stehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schirmer. Ich darf darauf hinwei-
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8902 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Präsident Frau Rengersen, daß wir verabredet haben, nur 15 Minuten Redezeit zu gewähren. Kürzer geht's, aber nicht länger.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders die von den Kollegen Dr. Schäuble und Stücklen in dieser Debatte heute vormittag gegebenen Beiträge machen es doch notwendig, daran zu erinnern, daß 1968 der Entwurf für eine Bundeszentrale für Sport vom damaligen Bundesinnenminister Ernst Benda auf den Tisch gelegt wurde und daß diese Planung vom Deutschen Sportbund wie von uns einhellig abgelehnt worden ist, weil wir alle meinten, daß dadurch der Freiraum für den Sport unerträglich eingeschränkt werden sollte.
Es muß auch daran erinnert werden, daß alle von der CDU/CSU gestellten Bundesregierungen in all den vielen Jahren, in denen Sie regiert haben, doch keine Koordination der Bundesmaßnahmen für die Sportförderung erreicht oder nur angestrebt haben. Oder, meine Damen und Herren, wußten Sie dies nicht?
Lassen Sie sich auch daran erinnern, daß erst durch diese Bundesregierung in den Jahren 1970 und 1973 die Sportberichte eine erste überschaubare Maßnahme waren, um den Sportlern und ihren Organisationen zu verdeutlichen, was denn die Bundesregierung auf diesem Feld überhaupt getan hat und tun wird und daß es Angebote an den Sport gibt. Auch dies war bei Ihnen im Dunklen und nicht erkennbar.
Lassen Sie mich auch betonen, daß wir nach Verhandlungen mit dem Bundesausschuß Leistungssport des Deutschen Sportbundes bereits die Förderungsmaßnahmen für den Hochleistungssport zumeist hier in Bonn, gelegentlich auch in der DSB-Zentrale in Frankfurt, abgestimmt haben und daß es dabei bleiben soll. Wir sind der Auffassung, daß so die direkte Einflußnahme der Sportorganisationen erreichbar ist, gefestigt wird und erhalten bleibt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Spilker?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schirmer, habe ich Sie richtig verstanden? Sagten Sie, der Sportbund sei gegen den Sportplan gewesen? Oder war das ein Mißverständnis?
Herr Spilker, ich darf wiederholen, was ich gesagt habe.
Ich bitte darum; ich habe es nicht ganz mitbekommen.
Der Bundesinnenminister Ernst Benda hat das von Ihnen sicherlich auch sehr genau gelesene Papier mit der Überschrift „Bundeszentrale für. Sport" in die Diskussion gegeben. Ich habe dann angefügt: Das Präsidium des Sportbundes und wir haben dies abgelehnt, weil wir meinten, daß hier eine unangemessene, nicht erlaubte Einschränkung des Freiraums für den Sport gewollt geplant würde.
Zweite Zusatzfrage.
Ist Ihnen, Herr Kollege Schirmer, bekannt, daß der Deutsche Sportbund ausdrücklich die Notwendigkeit eines Sportplans, insbesondere des vorliegenden Bundessportplans, bestätigt hat?
Herr Kollege Spilker, ich habe von dem Konzept Ihres damaligen CDU-Innenministers gesprochen. Ihre Frage hat sich in ihrem zweiten Teil auf den von Ihnen vorgelegten Antrag bezogen. Ich werde mir erlauben, zum Abschluß darauf zurückzukommen.Meine Damen und Herren, nach den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko City und auch nach den Münchner Spielen wurde oft die These verbreitet, dafür, daß es weniger Medaillen gegeben habe, als man erwartet habe, sei das Versagen des Schulsports verantwortlich. Dann stellt sich die Frage, für welche sportlichen Aufgaben die Schulen und Hochschulen bei uns im Lande verfügbar sein und welche Aufgaben sie übernehmen sollen.Die SPD hat 1964 in ihren Leitsätzen aufgezeigt — wir haben es in diesem Jahr in deren Fortschreibung unterstrichen —, daß der Sport für uns ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung von Begabungen, Anlagen und Fähigkeiten besonders der Kinder und der Jugendlichen in Schulen sowie in Bildungs- und Ausbildungsstätten ist.Folgerichtig bezeichnet die Bundesregierung in ihrem 1970 veröffentlichten Programm „Der Sport an Schule und Hochschule" eine Intensivierung des Sports in allen Bildungsbereichen als erforderlich. Dieses Konzept war ein wesentlicher Beitrag zu den 1972 nach übereinstimmenden Beschlüssen der Ständigen Konferenz der Kultusminister, des Deutschen Sportbundes, der kommunalen Spitzenverbände und des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft verabschiedeten ersten bundeseinheitlichen Aktionsprogramm für den Schulsport. Seither hat es im Schulsport eine Reihe wesentlicher Verbesserungen gegeben, wenn leider auch nicht in dem Umfang, um berechtigte und hohe Erwartungen zufriedenzustellen. Noch immer fehlt es — wir alle wissen es — an Lehrern und geeigneten Sportstätten. Dies gilt besonders für die Berufsschulen, für die Grund- und Hauptschulen, auch für die Kindergärten und für die Vorschulerziehung.Die vorhin von Herrn Bundesinnenminister Maihofer gegebene Zusage, er wolle sich für eine weiterführende Bundesbeteiligung am Sportstättenbau einsetzen, begrüße ich sehr, und ich wünsche Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, bei Ihren Bemühun-Deutscher Bundestag— 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8903Schirmergen guten Erfolg. Besonders gilt das für die Beratungen mit den Bundesländern.
Unsere ausdrückliche Aufmerksamkeit gilt der Tatsache, daß an den berufsbildenden Schulen noch immer wenig oder gar kein Sportunterricht gegeben wird. Hier bestehen zwischen den einzelnen Bundesländern Unterschiede; wenn man diesen ein wenig nachforscht, ergeben sich ganz interessante Aspekte. Vom Bund geförderte Modelle müssen besonders auf diesem Gebiet verstärkt werden, um bald generellen und konstruktiven Wandel zu schaffen.Wir möchten, daß allen Schülern ermöglicht wird, ihre Leistungsfortschritte in Einzel- und Mannschaftswettkämpfen zu überprüfen. Nach der im vergangenen Jahre erreichten Vereinbarung über die Durchführung sportlicher Wettkämpfe für die Jugend durch Schule und Sportverbände hat eine Vertiefung und Ergänzung dieser Wettkämpfe in Verbänden und Schulen begonnen, die es fortzusetzen, auszubauen, aber auch kritisch zu prüfen gilt, damit organisatorische Überschneidungen ebenso vermieden werden wie personelle Überforderungen. Darüber werden wir Mitglieder der Bundestagsausschüsse für Sport und für Jugend, Familie und Gesundheit in naher Zukunft sicher die gemeinsamen Beratungen führen.Es geht, meine Damen und Herren, nicht darum, unberechtigten Optimismus zu verbreiten, aber Sie mögen aus diesen wenigen Beispielen erkennen, daß die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mehr leisten, als das bei CDU/CSU-Regierungen in den Jahrzehnten zuvor erkennbar gewesen ist.
Das gilt in besonderem Maße auch für den Sport an Hochschulen. Im Entwurf des Hochschulrahmengesetzes, auf den vorhin schon hingewiesen wurde, ist nun vorgesehen, die Förderung des Sports gesetzlich als eine Aufgabe der Hochschulen zu verankern. Das ist ein wichtiger Fortschritt, denn inzwischen ist damit begonnen worden, nicht nur Hochschulen die geforderten Fachbereiche für Sportwissenschaften zuzubilligen, sondern sie auch in ihren gesamten Betrieb einzuordnen. Außerdem gilt es, daß wir — auch hierzu kamen Hinweise; lassen Sie mich das aber dennoch verdeutlichen — für alle Studierenden, aber auch für die Bediensteten an den Hochschulen Sportmöglichkeiten anbieten, damit wir nicht ein Getto für Sportstudierende oder nur für einen bestimmten Kreis haben, sondern die Öffnung zu allen Bürgern, die unmittelbar dort studieren oder dort beruflich tätig sind.Wir haben sehr früh eine enge Zusammenarbeit mit anderen Bereichen des Sports empfohlen und angeregt, Leistungszentren für Spitzensportler räumlich und personell mit Hochschuleinrichtungen zu verbinden. Das- bietet mehr optimale Wirksamkeit und auch eine gute Chance für leistungswillige junge Sportler, ihr Studium mit Training und Wettkampf für nationale oder gar internationale sportliche Aufgaben zu verbinden.Bei den bedauerlichen Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen muß aber gleiches Recht für alle Bürger gelten. Bei Würdigung dieses Grundsatzes haben wir in der Deutschen Sportkonferenz eine Empfehlung entwickelt und mit getragen, Spitzensportler unter bestirr ten Bedingungen im Einzelfall bei der Entscheidung über die Zulassung zum Studium als Härtefall anzuerkennen. Dabei muß es bleiben, und darauf sollten wir uns konzentrieren, meine Damen und Herren auch von der Opposition, denn wenn dies erreichbar wäre, hätten wir den berechtigten Forderungen dieser jungen Leistungssportler, die Studenten sind, einen guten Weg geebnet. Mehr wird sicherlich auch von der Opposition vernünftigerweise nicht gefordert werden. Noch wichtiger aber ist, für Hochleistungssportler schon in der Schule möglichst ein auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmtes schulisches Betreuungsprogramm durchzuführen, das die Ergebnisse bringt, gar nicht erst in die Schwierigkeiten mit dem Numerus clausus hineinzukommen.Meine Damen und Herren, mehr als beim Sport an Schule und Hochschule ist die Zuständigkeit des Bundes für die Förderung des Spitzensports gegeben. Bundesinnenminister Maihofer hat ja heute vormittag beeindruckende Zahlen genannt, an die ich -nur zu erinnern brauche. Dabei soll es Aufgabe des Sports und seiner Organisation vom Verein bis zum DSB bleiben, die Athleten auszuwählen, zu trainieren, vorzubereiten und in Wettkämpfen zu betreuen. Aufgabe der Sportpolitik muß es sein, die Möglichkeiten für die Entfaltung aller Talente und Anlagen zu schaffen. Meine Fraktion und die SPD insgesamt haben die sportlichen Höchstleistungen, anders als es heute morgen hier gesagt wurde, nie in Frage gestellt, denn jeder hat das Recht auf Ausübung von Leistung und Spitzensport, für dessen Förderung durch Staat und Gesellschaft allerdings die organisatorischen, -fachlichen und personellen Voraussetzungen zu schaffen sind. Für den Berufssport gelten andere Kriterien.In dem erst kürzlich veröffentlichten CDU-Sportprogramm finden sich ganze zwei spezielle Sätze zum Leistungssport, nämlich — ich darf zitieren —:Für die gezielte Förderung des Leistungssports muß die Überlegung gelten: Wie läßt sich ein Höchstmaß an Leistung erzielen?
Wir wollen bestimmte Voraussetzungen erfüllt wissen. Das Engagement des Spitzensportlers muß auf seiner freien Entscheidung beruhen. Die Sportverbände müssen möglichst die Chancengleichheit sichern, und wir wollen dazu beitragen. Der Sportler muß vor sozialen, physischen, auch vor psychischen Schädigungen, aber auch vor einer unvertretbaren Verwertung seiner Leistung durch Wirtschaft, Organisationen, Staat, auch durch politische Parteien und Gesellschaften bewahrt werden. Sportliche Siege werden uns nicht zum politischen Prestigedenken verleiten oder gar hinführen zu nationalistischen und chauvinistischen Tendenzen, so sehr wir uns auch über unsere Erfolge auf dem Gebiet des Sportes freuen. Wir schätzen den selbstverantwortlichen,
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Schirmerden selbständigen und den kritischen Spitzensportler, dessen Persönlichkeit sich möglichst mit der sportlichen Leistung entwickelt.Deshalb unterstützen wir die Wünsche des Deutschen Sportbundes und seiner Fachverbände, Hochleistungssportler durch hauptamtliche Trainer menschlich betreuen und sportlich trainieren zu lassen. Die Zahlen wurden genannt. Inzwischen sind 72 Sportlehrer und Trainer für solche Aufgaben angestellt. Wir gewähren dafür finanzielle Zuwendungen. In der vor wenigen Wochen gegründeten Trainerakademie sollen diese qualifizierten Kräfte nun ausgebildet und fortgebildet werden. Der Bundesinnenminister und einige Kollegen haben auf die bedeutende Förderung in den Bundesleistungszentren durch den Bund hingewiesen und auch deutlich gemacht, wie sehr wir mitgeholfen haben, daß Landesleistungszentren und Stützpunkte verfügbar sind. Ergänzt und ausgefüllt werden diese Maßnahmen durch die parallelen Organisationsformen des Deutschen Sportbundes und seiner Fachverbände.Aber trotz dieser großen Fortschritte begrüßen und fördern wir die vom Bundesinnenminister heute vormittag angekündigte Weiterentwicklung für Bundesleistungszentren. Die Arbeit in diesen Zentren und andere Bemühungen der Sportfachverbände, ebenso die Aufgaben für den Sport an Schule und Hochschule werden durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft unterstützt, das zu einer sportwissenschaftlichen Zentralstelle mit umfassenden nationalen und internationalen Kooperationsangeboten ausgebaut wird. Training und Wettkampf im modernen Hochleistungssport bringen für Amateursportler oft berufliche, schulische und finanzielle Nachteile mit sich. Um einen angemessenen Ausgleich bemüht sich in besonderem Maße — und das ist anzuerkennen — die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Wir hoffen darauf, daß deren Bemühungen zielbestimmt weitergeführt und die derzeitigen Finanzierungsverhandlungen zufriedenstellend abgeschlossen werden. Denn wer sich über sportliche Erfolge freut, meine Damen und Herren — wir alle tun das —, muß auch zu ihrer Förderung bereit sein.Die Bundesregierung und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion haben den Leistungssport planvoll und zielgerichtet gefördert. Das soll im Einvernehmen mit Sportlern und ihren Organisationen fortgesetzt werden. Dazu sind nicht die von der Opposition geforderten Verwaltungsvorschriften — Erlasse und Richtlinien sind stets einengend — notwendig, die reglementierend wirken würden.
Dazu bedarf es vielmehr des mit Fachkunde und sportlichem Engagement verbundenen politischen Willens, wie er durch unsere Maßnahmen deutlich geworden ist und fortgesetzt werden muß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Evers.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entscheidung, um die es hier und heute geht, ist die Beschlußfassung des Deutschen Bundestages über die Frage, ob die Bundesregierung einen Sportplan zu entwerfen und diesem Hause vorzulegen hat.
Wir haben den Ausführungen, die im Sportausschuß und die hier von den Rednern der Koalition vorgetragen worden sind, entnehmen müssen, daß Sie entschlossen sind, den zur Abstimmung stehenden Antrag abzulehnen. Sie verhindern damit, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Sportplan zu erarbeiten und diesen Sportplan hier zur Diskussion vorzulegen. Sie erweisen mit diesem Nein niemandem einen Dienst. Sie erweisen dem deutschen Sport keinen Dienst, denn er erwartet und begrüßt einen Bundessportplan ausdrücklich, weil durch eine derartige mittelfristige Konzeption weniger Bürokratie und mehr Klarheit und Sicherheit in die Sportförderung durch den Bund gebracht werden kann.
Der Deutsche Sportbund hat dies in seinem Memorandum zum Bundessportplan der CDU/CSU eindeutig zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere aus diesem Memorandum mit Genehmigung der Präsidentin einen Satz:
Der Bundessportplan der CDU/CSU stellt einen entschlossenen Versuch dar, diesen Mangel zu überwinden.
Gemeint sind der Mangel an langfristiger Planung und der Mangel an Durchsichtigkeit der öffentlichen Sportförderung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
entweder kennen Sie die Sorgen und Wünsche der Verbände nicht — entschuldigen Sie, dies ist hier so verstanden worden —,
oder Sie glauben, daß Sie in der Lage sind, die Sorgen der Verbände richtiger einzuschätzen, als diese selbst es tun. Ich zitiere hier aus dem Memorandum des Deutschen Sportbundes „Sport 1980" :Zur Abstimmung der Förderung des Sports als besonderer gemeinschaftlicher Aufgabe der öffentlichen Hände und für die kurz-, mittel- und langfristige Planung wird man nicht ohne die Entwicklung von Bundes- und Landessportplänen auskommen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8905
Dr. EversDies ist die Aussage des Deutschen Sportbundes. Mit Ihrer Entscheidung, solche Sportpläne abzulehnen, setzen Sie sich nicht nur in Gegensatz zu der Opposition in diesem Hause, sondern damit setzen Sie sich auch in Gegensatz zu den Führungsgremien des deutschen Sports.Sie erweisen mit Ihrem Nein aber auch dem Deutschen Bundestag keinen Dienst, denn Sie belassen damit die Sportförderung in der Sphäre der Administration, und Sie verzichten zu Lasten des Parlaments darauf, die Grundsatz- und Richtlinienkompetenz dieses Hauses rechtzeitig wirksam werden zu lassen. Es mag für Sie nicht ganz uninteressant sein, daß die erste Stellungnahme aus dem Bundesministerium des Innern zu dem Gedanken eines Bundessportplans durchaus positiv gewesen ist.
Es wird Ihnen schwerfallen, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, mit Ihrem Nein die Organisationen des Sports davon zu überzeugen, daß bei Ihrer Entscheidung für Sie die Interessen des Sports im Vordergrund gestanden hätten. Und deswegen leisten auch Sie selbst sich mit diesem Nein keinen Dienst, denn Sie selbst haben ja ursprünglich einmal in dieser Richtung die Initiative ergriffen und haben gemeinschaftlich, SPD und FDP, auf Drucksache VI/664 einen Sportförderungsplan für die Bundesrepublik Deutschland gefordert, und sie könnten damit ja vielleicht sogar einen gewissen Prioritätsanspruch geltend machen.Nun wissen Sie so gut wie wir, daß Ihr damaliger Antrag in der Form verunglückt war, weil es sich bei ihm Grunde genommen um nichts anderes gehandelt hat als um das abgeschriebene Inhaltsverzeichnis einer SPD-Parteibroschüre. Nachdem die Freien Demokraten damals aus Koalitionssolidarität diesem falschen Antrag zugestimmt haben, lehnen sie heute — wiederum aus Koalitionssolidarität — einen richtigen Antrag ab.Ich will hier keine alten Wunden aufreißen und möchte deswegen zu Ihrem damaligen Antrag nur in die Erinnerung zurückrufen, daß es nicht möglich ist, die Deutsche Sportkonferenz, wie es auch hier heute verschiedentlich anklang, mit der Ausarbeitung eines solchen Planes zu beauftragen oder etwa hier zu beschließen, die Bundesregierung habe in der Deutschen Sportkonferenz bestimmte Grundsätze zu vertreten. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat in der Deutschen Sportkonferenz eine Stimme; die in diesem Bundestag vertretenen Parteien haben in der Deutschen Sportkonferenz 16 Stimmen. Sie brauchen in der Sportkonferenz also mit Sicherheit nicht die Hilfe der Bundesregierung. Aber wir brauchen die Bundesregierung dazu, daß sie ihre Vorschläge hier in diesem Hause unterbreitet.Wir waren deshalb damals zu der übereinstimenden Auffassung gelang, aus Ihrem und aus unserem Antrag eine gemeinsame Basis für einen Bundessportplan herauszudestillieren, weil die Ausgangsbasen für Ihren und für unseren Antrag in der 6. Legislaturperiode Gemeinsamkeiten aufwiesen. Diese Linie wird jetzt von Ihnen verlassen, verlassen zugunsten eines Nein, das der Sache nicht dienen kann. Und mit diesem Nein verlassen Sie gleichzeitig den sportpolitischen Konsens im Deutschen Bundestag auf einem Gebiet, auf dem er durchaus noch weiterhin sinnvoll sein könnte.Lassen Sie mich, bevor Sie nachher Ihre negative Entscheidung, zu der Sie offensichtlich. entschlossen sind, treffen, noch einmal klarstellen, um welche Hauptziele es uns bei unserem Antrag geht. Wir möchten, daß die Bundesregierung hier deutlich macht, welches ihre Ziele und Absichten sind. Und wenn dies geschieht und wir hierüber beraten, diskutieren und übereinstimmend oder kontrovers beschließen, wie diese Konzeption der Bundesregierung durchzuführen oder modifiziert durchzuführen ist, dann dient dies der Selbstbindung des Deutschen Bundestages, der Selbstbindung von Parlament und Regierung im Sinne einer Verpflichtung zur Sportförderung.Wir haben gleichzeitig mit unserem Antrag auf Drucksache 7/622 Hinweise darauf gegeben, wie ein solcher Plan aussehen und was er beinhalten kann. Diese Hinweise und Anregungen hatten und haben keinen zwingenden Charakter; über sie kann beraten werden; sie können präzisiert, unter Umständen aber auch allgemeiner gehalten werden. Sie haben ein Nein gesagt, ohne in die Einzelerörterung dieser Teilvorschläge, die nicht zwingender Natur sind, überhaupt einzutreten.Wir halten nach wie vor die Gliederung in allgemeine Richtlinien für den Bundessportplan und einen jährlichen Durchführungserlaß für den Bundessportplan für eine vernünftige und praktikable Zweiteilung. Aber auch dies ist kein Essential. Wer Bedenken gegen die zeitliche Terminierung eines jährlichen Durchführungserlasses hat, der sollte diese Bedenken fairerweise nicht dazu benutzen, das Anliegen eines Bundessportplans überhaupt heute und damit sicher für längere Zeit zum Scheitern zu bringen.Auch hier, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, befindet sich Ihre Argumentation nicht in Übereinstimmung mit den Wünschen der Vertreter der Sportverbände. Wir haben über diese Frage mit den Vertretern der Sportverbände eine längere Diskussion geführt, und ich darf Ihnen aus dem Protokoll über diese Sitzung einige Sätze zitieren:Es wird deutlich, daß das bisher praktizierte System des BMI, im Herbst Planungsgespräche durchzuführen, nicht wirkungsvoll ist, da diese Gespräche ganz einfach zu spät erfolgen. Diese Praxis führt dazu, daß die Verbände in der Regel zunächst Abschlagszahlungen auf die Etats der laufenden Jahre erhalten. Dadurch sind sie gezwungen, die Aufrechterhaltung ihres . Geschäftsbetriebes mit Hilfe von kostenteuren Bankkrediten sicherzustellen. Dieses Verfahren wird z. B. beim Deutschen Skiverband sehr intensiv angewendet, und beim Deutschen Handballbund beläuft sich der laufende Bankkredit auf zirka 150 000 DM pro Jahr bei einem gesamten Bundeszuschuß von 325 000 DM.
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8906 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Dr. EversHerr Minister Maihofer, ziehen Sie bitte von diesem Bundeszuschuß dann die Zinsen ab, die der Verband zahlen muß, um eine Zwischenfinanzierung vorzunehmen, weil beim gegenwärtigen Verfahren die Auszahlung der Beträge einfach viel zu spät erfolgt! Für diese laufenden Kredite müssen die Verbände selbstverständlich die geltenden hohen Bankzinsen zahlen, und sie müssen außerdem den Banken gegenüber Sicherheiten nachweisen.Der Bundessportplan — dies ist die Meinung der Verbandsvertreter — würde die Verbände natürlich zu einer präziseren Planung anhalten, was schließlich dazu führen würde, daß die Finanzwirtschaft der Verbände übersichtlicher und besser würde. Die Diskussion machte deutlich, daß die Organisationen des Sports langfristiger und früher planen können und auch planen wollen. Stellen Sie dies bitte in Rechnung. Wenn Sie bei Ihrem Nein bleiben, meine Damen und Herren, müssen Sie wissen, daß Sie dieses Nein gegen die ausgedrückten Interessen der Vertreter der Sportverbände sprechen. Sie können sich nicht auf die Verbände berufen.Wir wollen — das ist unser zweites Hauptanliegen —, daß die Sportförderungskonzeption der Bundesregierung im Deutschen Bundestag beraten, diskutiert und verabschiedet wird als eine Richtlinie für die künftige Arbeit, die allen, insbesondere aber dem Sport mehr Klarheit darüber gibt, was zu erwarten ist und was nicht. Dabei gehen wir davon aus, daß es die der parlamentarischen Demokratie gemäße Form ist, die Regierung mit der Erarbeitung und Darlegung ihrer Konzeption zu beauftragen und dann darüber zu beraten.Sie verhindern mit Ihrem Nein die Erstellung eines Bundessportplans in einem Zeitpunkt, in dem die Bundesländer dazu übergehen, durch Sportgesetze oder Sportpläne die Sportförderung aus der Grauzone rein administrativer Behandlung zu lösen, und in dem gleichzeitig die Kommunen in zunehmendem Maße den gleichen Weg einschlagen. Sie selbst binden sich damit die Hände für zukünftige Initiativen.Es kann Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, doch nicht verborgen geblieben sein, daß sich das sportpolitische Ansehen der SPD in der Offentlichkeit und bei den freien Trägern des Sports in den letzten Jahren deutlich verringert hat. Sie wissen so gut wie ich, daß die Initiativen zugunsten des Sports in den letzten Jahren entweder von seiten der freien Träger oder von der CDU/CSU ausgegangen sind. Soweit es sich um Anregungen der freien Träger handelt, ist die Union die einzige politische Kraft, die diese Anregungen ohne unangemessene Einschränkungen und mit dem notwendigen Nachdruck unterstützt.
Sie selbst sind gegenüber den Initiativen zugunsten des Sports immer stärker in die Rolle des Bremsers geraten, der verzögert, abschwächt oder ablehnt. Ich nenne als Beispiel hierfür das Verbandshearing. Ich nenne die steuerlichen Initiativen, die in ihrem wesentlichen Kern bereits auf das Jahr 1971 zurückgehen. Ich nenne die Zusammenarbeit zwischen demSportausschuß und dem Präsidium des DSB. Ich nenne schließlich die Frage des Bundessportplans.Es wird Ihnen sehr viele Schwierigkeiten bereiten, meine Damen und Herren von der SPD, den fast 13 Millionen Sporttreibenden klarzumachen, daß Ihre negative Haltung zu einer zentralen Frage der deutschen Sportpolitik den Interessen des Sports dient.
Sie wissen oder Sie müßten doch wissen — auch Sie, Herr Kollege Büchner —, daß die Vertreter der SPD in den sportpolitischen Diskussionen schon heute einen fast aussichtslosen Stand haben, daß weithin Unbehagen und Mißtrauen gegenüber Ihren sportpolitischen Zielsetzungen und hinsichtlich Ihrer Einstellung zu den freien Trägern des Sports entstanden sind.
Sie wissen, daß die Ideologisierung der Sportdiskussion auf Ausführungen der Frankfurter Schule von Adorno und Horkheimer zurückgeht und daß die Leute, die dies in den Sport hineingebracht haben, in Ihrer Partei tätig sind oder Ihnen doch sehr nahestehen. Ich nenne als Beispiel hier die hessischen Rahmenrichtlinien. Ich nenne die Bestrebungen, auch sogenannte Kneipen- oder Thekenvereine in die Bezuschussung einzubeziehen. Ich nenne die Regelung in manchen der von Ihnen regierten Länder, daß die Sportausübung über Volkshochschulen zu einer 100%igen Bezuschussung der Übungsleiter führt, während die Vereine nur mit einem Drittel ihre Übungsleiter bezuschußt erhalten.
Meine Damen und Herren, dies ist ein Faktum, das Sie bei Ihrer Entscheidung ernsthaft berücksichtigen sollten.Angesichts der bis vor kurzem gelegentlich kritisierten Übereinstimmung in den sportpolitischen Aussagen der Parteien können Sie das entstandene Mißtrauen nur sich selbst zuschreiben. Sie können es mit Sicherheit nicht der Union anlasten, und Sie müssen sich wirklich selbstkritisch überlegen, wie es Ihnen oder den Ihnen politisch Nahestehenden gelingen konnte, Sie so in ein sportpolitisches Abseits zu bringen. Sie werden dieses NegativImage nicht verbessern, wenn Sie mit Ihrer Mehrheit verhindern, daß ein Sportplan erstellt wird, bei dessen Beratung im Deutschen Bundestag Sie Farbe bekennen müssen: Farbe bekennen müssen, wie Sie stehen zu den Fragen in der Vereinsförderung, Farbe bekennen, wie Sie stehen zu den Fragen der steuerlichen Entlastung, denen Sie in der Deutschen Sportkonferenz zustimmen und die Sie in den Entscheidungsgremien ablehnen, und Sie werden Farbe bekennen müssen zu den Parolen, die Sie in die Welt setzen, wenn Sie, wie es kürzlich geschehen ist, ständig von der Aufgabe der Demokratisierung unserer Vereine als einer der wichtigsten anliegenden Aufgaben sprechen. Darum gehtDeutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8907Dr. Everses uns und nicht um Einzelheiten in der Drucksache 7/622.Wir setzen uns dafür ein — und dies ist der Gegenstand des Entschließungsantrags, den wir heute diesem Hause vorgelegt haben —, daß die Vereine die sogenannte Spendenbescheinigungs-Kompetenz eingeräumt erhalten, um damit eine Benachteiligung gegenüber anderen gemeinnützigen Vereinen aus der Welt zu schaffen. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, daß unser Antrag in Übereinstimmung mit dem Beschluß der DSK, der einstimmig zustande gekommen ist, auch mit Ihren Stimmen, die Abgabenordnung reformiert wird. Ich muß sagen, die von Ihnen genannte Zahl von 8 000 DM für steuerunschädliche Nebeneinnahmen ist für uns keine Basis einer übereinstimmenden Regelung. Hier muß zu einer übereinstimmenden Regelung eine deutliche Erhöhung erfolgen. Ich verweise auf die Pauschale für nebenamtliche Übungskräfte in Sportvereinen, für Übungsleiter, eine Empfehlung, die ebenfalls mit den Stimmen aller Vertreter in der Deutschen Sportkonferenz zustande gekommen ist.Wir möchten mit unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung auffordern, die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, und uns alle auffordern, die Geschäftsordnung des Bundestages so zu ändern, daß die freien Verbünde des Sports in Zukunft anerkannt werden können als Vertreter des öffentlichen Interesses und dadurch gewährleistet ist, daß sie rechtzeitig bei der Erarbeitung von Gesetzen auf. Bundesebene beteiligt werden, so wie wir dies auch auf der Landesebene und auf der kommunalen Ebene wünschen. Wir möchten ganz generell, daß die Freiheitlichkeit des Sportes gewahrt wird. Wir haben es uns nicht so einfach gemacht, einfach mehr Geld für die Sportbewegung zu fordern, sondern wir meinen, daß die Unabhängigkeit des Sports angesichts seiner wachsenden Abhängigkeit bei den Spitzenverbänden nur dann gewährleistet werden kann, wenn wir die Basis des Sportes so stärken, daß das ehrenamtliche Element nicht verkümmert, sondern sich kraftvoll entwikkeln kann, um auf dieser Basis die Aufgaben zu erfüllen, die die Sportbewegung in unserem Lande hat.Deswegen bitten wir Sie noch einmal, dem Antrag, einen Bundessportplan zu erstellen, nicht Ihre Zustimmung zu versagen, und wir bitten Sie des weiteren, bei den Beratungen über unseren Entschließungsantrag positiv mitzuwirken.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Porzner.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Ich darf eingangs all die Vorhaltungen zurückweisen, als ob die Bundesregierung auch nur andeutungsweise den Versuch machen wollte, die freie Tätigkeit von Sportvereinen und Sportverbänden irgendwie einzuschränken. Wer hier im Bundestag versucht, das in Reden unterschwellig anklingen zu lassen, der muß wissen, daß er die ganze Entwicklung des Sports, die gefördert wurde von den Bundesregierungen seit 1949, damit diskreditiert. Wir haben zum Glück freie Sportvereine und freie Sportverbände,
und wir werden uns nicht davon beeinflussen lassen, daß heute gesagt wird, dies sei in Gefahr.In letzter Zeit wird immer häufiger behauptet, daß der Staat die Sportvereine steuerlich höher belaste. Herr Schäuble von der CDU/CSU-Fraktion hat sich heute mit seinem Beitrag in einer sehr unsportlichen Weise daran. beteiligt. Er hat die sportlichen Spielregeln hier nicht eingehalten.
Wenn es hier einen Schiedsrichter gäbe, Herr Schäuble, dann wäre Ihnen die gelbe Karte gezeigt worden.
Im Wiederholungsfall gibt es beim Fußballspiel dafür die rote Karte.
Aber wie steht es tatsächlich? Durch Steuergesetze, sind die Sportvereine wie folgt von Steuern entlastet oder befreit:1. Umsatzsteuer. Amateursportvereine unterliegen mit Einnahmen aus ihren Sportveranstaltungen als gemeinnützige Vereine dem ermäßigten Steuersatz.2. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Gemeinnützige Sportvereine sind grundsätzlich von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer befreit. Besteuert werden sie nur mit ihren sogenannten wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, also Klubgaststätten, bei der kommerziellen Werbung, bei Sportveranstaltungen usw. Auch diese sind jedoch steuerfrei, soweit es sich um kulturelle, gesellige und sportliche Veranstaltungen handelt und der Überschuß der Einnahmen über die Kosten nicht mehr als die Hälfte der Einnahmen, höchstens aber 5 000 DM beträgt und für gemeinnützige Zwecke des Vereins verwendet wird. Da bei der Ermittlung des Überschusses aus Sportveranstaltungen sämtliche Kosten des Vereins zu berücksichtigen sind, kommt es insoweit, von Ausnahmefällen abgesehen, zu keiner Besteuerung.3. Einkommen- und Lohnsteuer. Spenden für den Sport sind bis zur Höhe von 5 % des Gesamtbetrages der Einkünfte oder von 2 vom Tausend der Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig.4. Vermögensteuer. Gemeinnützige Vereine sind von der Vermögensteuer befreit. Für steuerschäd-
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Parl. Staatssekretär Porznerliche wirtschaftliche Geschäftsbetriebe besteht eine Freigrenze von 10 000 DM.5. Grundsteuer. Gemeinnützige Vereine sind mit ihrem eigenen, für sportliche Zwecke genutzten Grundbesitz von der Grundsteuer befreit. Ist der für sportliche Zwecke genutzte Grundbesitz von privater Seite gepachtet, so kann ein Erlaß der Grundsteuer durch die Gemeinden in Betracht kommen. Darüber entscheidet also die Gemeinde.6. Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer ist landesrechtlich geregelt. In allen Ländern ist der Erwerb von Grundstücken zur Schaffung öffentlicher Erholungsanlagen von der Steuer befreit.7. Erbschaftsteuer. Zuwendungen an gemeinnützige Turn- und Sportvereine sind erbschaftsteuerfrei.8. Mineralölsteuer. Eine Befreiung von der Mineralölsteuer gibt es einmal für Sportboote im Seebereich, und zweitens ist der Flugsport nicht mit Mineralölsteuer belastet.Das ist der Stand. Hier zu behaupten, die Sportvereine würden durch Steuern belastet oder neuerdings geradezu mehr belastet, wie das heute vormittag Herr Schäuble getan hat, widerspricht den gesetzlichen Regelungen und den Tatsachen.
Und nun zum Stand der Erörterung der Rechtsänderungen zugunsten des Sports. Sie haben beantragt, Sportvereine in die Lage zu versetzen, künftig Spendenbescheinigungen auszugeben. Die Bundesregierung hat mit dem Deutschen Sportbund darüber Kontakt aufgenommen. Wir haben das alles mit Vertretern des Deutschen Sportbundes besprochen. Die Bundesregierung wird den Finanzministern und Finanzsenatoren der Länder vorschlagen, Vereinen das Recht zu geben, eventuell bis zu einer bestimmten Höhe Spendenbescheinigungen auszugeben. Bisher haben die Länderfinanzminister- und -senatoren die Erteilung des Rechts zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen abgelehnt, zuletzt 1972. Auch in der Stellungnahme des Bundesrats zum Reformentwurf der Bundesregierung zur Einkommensteuer ist kein Vorschlag enthalten — wenn ich mich recht erinnere —, daß hier eine Änderung vorgenommen werden sollte. Die Bundesregierung wird aber dieses Thema mit den Ländern besprechen. Wir hoffen, daß die Länder darauf eingehen. Ich wiederhole: Bisher sind sie nicht darauf eingegangen.Die Bundesregierung hat mit den Ländern — und ich habe sehr darauf gedrängt, daß die Verhandlungen zügig vorankamen — die steuerliche Behandlung der ehrenamtlich tätigen Übungsleiter erörtert, mit dem Ergebnis, daß bei Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit im Sport Werbungskosten oder Betriebsausgaben bis zu 1200 DM jährlich, aber nicht mehr als 25 % der tatsächlich erzielten Einnahmen, ohne Einzelnachweis anerkannt werden. Es ist also gelungen, hier zusammen mit den Ländern eine Regelung zu finden, die der Deutsche Sportbund gewünscht hat. Diese Bestimmung soll noch für das Jahr 1974 in Kraft treten, so daß die Ziffer 2 des Antrags der CDU/CSU-Fraktion schon erledigt ist.Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß Voraussetzung für die Leistungen unserer Sportvereine und -verbände die ehrenamtliche Tätigkeit ist und daß vor allem die vielen Tausenden von Jugend- und Schülermannschaften gar nicht trainiert werden könnten, wenn sich nicht viele Tausende von Übungsleitern dafür zur Verfügung stellten und ihre Freizeit opferten. Wir kommen mit der Regelung, die ich soeben genannt habe, den Übungsleitern sehr entgegen. Im übrigen ist es auch noch ein Stück Vereinfachung für die Finanzverwaltung, weil sie Werbungskosten und Betriebsausgaben gar nicht erst noch gesondert berücksichtigen muß.Nun zu einem Thema, das in der Offentlichkeit ebenfalls diskutiert wird: In der Abgabenordnung, die die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode vorgelegt hatte und die dem Bundestag wiederum vorliegt und in den nächsten Monaten im Finanzausschuß des Bundestages beraten werden wird, sind weitere Erleichterungen vorgesehen. Wie Sie wissen, sollen sportliche Maßnahmen und sportliche Veranstaltungen wie nach geltendem Recht unter bestimmten Voraussetzungen als Zweckbetrieb angesehen werden. Um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen: Es handelt sich hier um den § 68 Nr. 8 des Entwurfs der Abgabenordnung.Nach dem Regierungsentwurf soll Grundlage für die Bemessung des Höchstbetrages von 5 000 DM das einzelne Jahr sein. Im Rahmen der Beratung über die Reform der Abgabenordnung wird wohl vorgeschlagen, die Freigrenze von 5 000 DM anzuheben. Daneben soll für die Bemessung des Höchstbetrages nicht das Ergebnis eines einzigen Jahres, sondern den Durchschnitt der letzten drei Jahre maßgeblich sein. Hierdurch soll eine ungerechtfertigte Besteuerung eventuell großer Einnahmen in einem einzigen Jahr vermieden werden.Bei der steuerlichen Behandlung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gemeinnütziger Sportvereine allerdings geht es um folgendes. Gemeinnützige Sportvereine genießen die mit der Gemeinnützigkeit verbundenen Vergünstigungen — das sind u. a. Steuerfreiheit bei der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer, der Vermögensteuer und der Umsatzsteuer — nur soweit als sie ausschließlich gemeinnützige, also sportliche Zwecke verfolgen. Rein wirtschaftliche Zwecke sind grundsätzlich nicht gemeinnützig. Soweit sich die Vereine also wirtschaftlich betätigen, unterliegen sie nach geltendem Recht der normalen Besteuerung. Mit den Einnahmen aus solchen wirtschaftlichen Betätigungen sind die Sportvereine also uneingeschränkt steuerpflichtig. In diesem Zusammenhang sind einmal Vereinsgaststätten, vor allem aber die kommerzielle Werbung für Wirtschaftsunternehmen in den Sportstadien und auf den Trikots der Sportler zu nennen.Hier setzen die Wünsche von Sportverbänden an. Viele Sportvereine fordern eine generelle Steuerbefreiung, soweit sie die Einnahmen aus wirtschaftlicher Betätigung für ihre gemeinnützigen Vereinszwecke verwenden. Das Bundesfinanzministerium hat auf Grund einer stichprobenartigen Überprüfung in mehreren Orten unterschiedlicher Größe festgestellt, daß bisher nur rund 1 % aller Amateursport-
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Parl. Staatssekretär Porznervereine zur Körperschaftsteuer herangezogen werden. Trotzdem unterstützt die Bundesregierung die Wünsche der Sportverbände, soweit es um die Ausweitung der bereits bestehenden Steuervergünstigungen für die Einnahmen aus gesellschaftlichen und sportlichen Veranstaltungen geht.Darüber hinausgehende Forderungen, vor allem die nach einer Steuerbefreiung der Einnahmen aus Werbung, lassen sich dagegen nach Auffassung der Bundesregierung nicht verwirklichen, ohne daß wichtige Grundsätze des Steuerrechts aufgegeben werden müßten. Sportvereine, die sich mit wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben am allgemeinen Wirtschaftsleben beteiligen, treten in Wettbewerb zu voll steuerpflichtigen Betrieben der gewerblichen Wirtschaft. Der Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung läßt nicht zu, daß Sportvereinen insoweit Steuervergünstigungen und damit Wettbewerbsvorteile eingeräumt werden. Das würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, die der steuerzahlenden gewerblichen Wirtschaft, z. B. dem Gaststättengewerbe, nicht zugemutet werden können.Die Aufzählung der Vergünstigungen, die die Sportvereine erhalten, und die Verbesserungen, die vorgesehen und schon beschlossen sind, sind ein Beweis dafür, daß in unserem Staat von der Steuergesetzgebung her das Mögliche getan wird. Die Leistungen des Staates für den Sport waren zu keiner Zeit größer als in diesen Jahren. Fast überall im Land werden die Möglichkeiten, Sport zu treiben, besser. Der Bund, die Länder und die Gemeinden tun, was sie können, um die Sportvereine und Sportverbände zu unterstützen. Wir haben keinen Anlaß zu klagen, wir können vielmehr auf das Erreichte auch stolz sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller .
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Heute vormittag gab es eine kleine Kontroverse, auf die der Kollege Möllemann in seinem Diskussionsbeitrag noch einmal eingegangen ist.
Es ist um die „PZ" gegangen, die er offensichtlich nicht kannte. Ich habe das Organ noch einmal mitgenommen. Das war der Anlaß, mich zu Wort zu melden.Der Kollege Möllemann hat in seiner Einlassung so getan, als ob das dort irgend jemand als eine Art Aufmacher provozierend geschrieben hätte, damit man dann auch ein positives Echo dazu zur Kenntnis bringen könne. In dieser ganzen Schrift ist kein einziges positives Echo zum Sport und zu Sportfragen zu finden. Derjenige, der diesen Artikel verfaßt hat, Herr Kollege Büchner, ist niemand anderes als einMitglied der verantwortlichen Redaktion laut Impressum dieser „PZ", wo es heißt: Walter Otte.
— Herr Kollege Büchner, Sie müssen das erst nachlesen. Aber ich weiß, Sie sind verunsichert.
— Wir können noch im einzelnen darauf zu sprechen kommen.Das, was in der „PZ" stattfand, ist ja nur ein kleiner Bestandteil der Systemveränderung, die heute auch im Bereich des Sportes angestrebt wird.
Hier ist immer pauschal behauptet worden, daß die Freiheit des Sportes nicht gefährdet sei. Es wurde gesagt, es gäbe keine Beweise für eine Gefährdung. Das ist auch ein Anlaß für mich, mich noch zu Wort zu melden, um Ihnen einfach ein paar Beweise dafür vorzulegen.Ich habe hier die Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik", die der Deutschen Kommunistischen Partei nahesteht. In dieser Zeitschrift schreibt ein bei der sozialdemokratischen Reformuniversität Bremen Beschäftigter Peter Weinberg einen Aufsatz „Zur Situation des Sports in der Bundesrepublik". Er fordert, die Sportorganisationen zu unterwandern. Er sagt, eine Sportorganisation außerhalb der bestehenden Organisation habe keine Chance, politisch wirksam zu werden. Deswegen sei es notwendig, innerhalb der Sportorganisation dem „progressiven" Denken zum Durchbruch zu verhelfen. Zu diesem Durchbruch und zu diesem progressiven Denken zählt er — und ich zitiere aus diesem Aufsatz — fortschrittliche Programme im Rahmen der Volkshochschularbeit, Durchführung des Betriebssports unter Leitung der Gewerkschaften. Dies sind also zwei Ansätze, wie man gegen die freien Sportvereine und Sportverbände, „progressiv" sportlich tätig werden könnte.Es war für mich auch sehr interessant, Herr Kollege Büchner, daß das Zentralorgan der Deutschen Kommunistischen Partei „Unsere Zeit" in einem Artikel, der erst vor kurzem erschienen ist, sich sehr lobend über Ihre Fraktion ausgesprochen hat. Es schrieb, daß es Ihrer Fraktion, daß es den Koalitionsfraktionen mit zu verdanken sei,
daß der Allgemeine Deutsche Hochschulverband, entgegen der Meinung der CDU/CSU, bei diesem Hearing anwesend sein könne; denn das setze neue — ich zitiere wörtlich — „sportpolitische Prioritäten, die jedoch nur in Zusammenarbeit und mit Unterstützung aller fortschrittlichen Kräfte und Organisationen ausgebaut werden können".Meine Damen und Herren, wir sollten diese Dinge nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ein Mann, derR91(Metadaten/Kopzeile:
1 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Dr. Müller
sich schon öfter gesellschaftsreformerisch geäußert hat, Heinrich Böll, hat auch zu Sportfragen Stellung genommen. Ich darf aus der „Abendzeitung", München, zitieren. Er meint, daß der Rekord mit dem Akkord am Arbeitsplatz in Vergleich zu setzen sei und daß das, was im Kapitalismus der Akkord darstelle, seine Verwirklichung im Sport durch den Rekord finde und daß der Sport eine Hilfsorganisation des Kapitalismus sei. Er wendet sich weiter, meine Damen und Herren, und das ist ein besonders bösartiges Wort, gegen Ausscheidungskämpfe und sagt wörtlich:Ausscheidung ist ein ominöses Wort. Hieß es nicht einmal „Selektion"?Meine Damen und Herren, wer so etwas in Zusammenhang mit der Diskussion über den Sport in den Mund nimmt, hat von denen, die draußen in den Sportvereinen, sei es als ehrenamtliche Funktionäre, sei es als praktische Sportler, tätig sind, keine Ahnung. Böll versucht hier, den Sport als einen Bestandteil des kapitalistischen Systems darzustellen, der keine andere Aufgabe habe, als den Arbeiter — oder den Arbeitnehmer — auf die Ausbeutung in diesem Kapitalismus vorzubereiten.Herr Kollege Büchner, ich muß Ihnen hier leider nun etwas aus Ihrer eigenen Partei sagen. Ich habe hier den Beschluß der Bundeskonferenz der Jungsozialisten zu Fragen des Sports.
— Ich darf zitieren, Herr Möllemann; auch für Sie ist es interessant; ich weiß, daß Sie von diesem Flügel der FDP denen ja besonders nahestehen, insofern ist es ja für Sie ganz interessant auch, damit Sie wissen, was hier dazu gesagt wird.
— Niemandem! Das ist der Unterschied!
Die ideologische Funktion des Sports in der Bundesrepublik widerspricht grundsätzlich den Zielvorstellungen der Jungsozialisten von einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft. Die organisierte Sportbewegung , und damit weitgehend auch der praktizierte Sport, ergänzt und intensiviert maßgeblich das Bestreben kapitalistischer Politik, die Individuen unserer Gesellschaft noch stärker und enger in den kapitalistischen Verwertungsprozeß zu integrieren.
In Angleichung an das Kirchenpapier der FDP — jetzt komme ich zu Ihnen — heißt es in diesem Zusammenhang:
Der Sport hat Funktionen übernommen, die einmal die Religion innehatte, indem sie die Massen an das Bestehende fesselte, ohne jedoch auf etwas anderes zu verweisen.Meine Damen und Herren, das ist eine Gesinnung, ob hier beim Kirchenpapier, ob hier bei den Jungsozialisten zu Fragen des Sportes. Man geht von einem völlig falschen Gesellschaftsverständnis aus. Man wehrt sich gegen die pluralistische Gesellschaft, man sieht überall nur Mittel, die bestimmten Zwecken dienen sollen. Diese Resolution der Jungsozialisten, die nicht vom Unterbezirk München oder vom Landesverband Niedersachsen, sondern von einem Bundeskongreß der Jungsozialisten gefaßt wurde, kommt schließlich zu folgender Schlußfolgerung — und jetzt achten Sie bitte genau auf den Geisteszustand, der dort herrscht —:Sport nützt sicherlich der Gesundheit, jedoch diese Gesundheit dient letztlich nicht dem arbeitenden Individuum, sondern demjenigen, der die Arbeitskraft ausbeutet.Folglich ist Sport abzulehnen!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemp?
Bitte, gern!
Herr Kollege, haben Sie das Gefühl, daß es sich lohnt, auf Grund der Polemik, die Sie hier an den Tag legen, eine Zwischenfrage zu stellen?
Herr Kollege Lemp, mir steht es nicht zu, Sie zu qualifizieren. Aber Sie waren offensichtlich nicht in der Lage, eine Zwischenfrage zu stellen — das hat sich ja jetzt herausgestellt —, die zu dem Inhalt dessen Stellung nimmt, was ich ausgesagt habe.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann?
Bitte, Herr Kollege Reddemann!
Herr Kollege Müller, ich glaube, Sie haben den sozialdemokratischen Kollegen falsch verstanden. Ich hatte den Eindruck,
er wollte die Ausführungen der Jungsozialisten hier als Polemik bezeichnen.
Herr Kollege Reddemann, Sie haben mich gefragt, ob ich der Meinung sei, daß nach Auffassung des Herrn Kolgen Lemp ein Bundesbeschluß der Jungsozialisten
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8911
Dr. Müller
Polemik darstelle. — Ich teile Ihre Meinung, Herr Kollege Reddemann.
Es gibt keinen Zweifel, daß in diesem Beschluß des Bundeskongresses der Jungsozialisten Polemik gegen die freien Sportverbände und die Sportorganisationen in der Bundesrepublik ausgesprochen wird.Sie mögen an diesem Beispiel erkennen, meine Damen und Herren, daß sich in der Bundesrepublik heute zwei Kräfte im Clinch gegenüberstehen.
Auf der einen Seite stehen diejenigen, die die Leistung bejahen — die gibt es auch in Ihrer Partei, Herr Kollege Büchner; ich zähle Sie persönlich, den Kollegen Schirmer oder andere, die man ja aus der praktischen Tätigkeit, auch im Sportausschuß, kennt, dazu —; und auf der anderen Seite stehen die Kräfte, die der Meinung sind, daß Sport eben nur ein nutzbringendes Element des Kapitalismus sei und daß dieser Sport abzulehnen und die damit verbundene Leistungsanforderung zurückzuweisen sei. Diese beiden Kräfte liegen in Ihrer Partei im Clinch, und gegenüber diesen beiden Kräften müssen Sie eine Entscheidung treffen.
Und Sie können nur eine Entscheidung im Interesse des deutschen Sportes treffen, wenn Sie dafür sorgen, daß diejenigen Kräfte — unter denen, die das beschlossen haben, waren auch Bundestags- und Landtagsabgeordnete —, die hier gegen den Sport und gegen die Freiheit des Sportes angetreten sind, in ihre Schranken gewiesen werden. Sie in der SPD haben vielleicht noch die Kraft dazu, obwohl ich nach den Zurufen und Zwischenfragen, auch des Kollegen Lemp, bezweifle, ob Sie das Problem überhaupt verstanden haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Vohrer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die Debatte mit dem Beitrag des Kollegen Müller folkloristische Züge angenommen hat, möchte ich doch noch gern auf die Ausführungen von Herrn Spilker zurückkommen, der hier eine sehr originelle Wahlanalyse geliefert hat, indem er das schlechte Abschneiden der Koalitionsparteien in Hessen auf den Schulsport zurückgeführt hat.
Entsprechend seiner Analyse müßte sich das gute Abschneiden der CSU in Bayern auch auf die dortigen strammen Schulsportübungen zurückführen lassen.Doch zurück zum Kollegen Müller. Sie haben hier mit Ihrem Beitrag meiner Ansicht nach die einzigen Berührungspunkte zum Sport durch IhreRundschläge, Ihr Schattenboxen und Ihre Gedankensprünge geliefert, mit denen Sie sogar bei den Jusos und beim FDP-Kirchenpapier angekommen sind. Herzlichen Glückwunsch dazu! Ich freue mich sehr, daß Ihnen das gelungen ist.
Nachdem Kollege Porzner in sehr ausführlicher und systematischer Weise die steuerliche Situation der Sportvereine hier dargelegt hat, wollte ich in meinem Beitrag lediglich noch etwas über die Unterschiede sagen, die zwischen den parteipolitischen Zielsetzungen und Leitlinien und der praktischen Politik von Parteien, die in der Regierungsverantwortung stehen, bestehen.Wir haben als FDP mit unseren sportpolitischen Leitlinien ganz klar die Aussage gemacht, daß wir eine Steuergesetzgebung wünschen, die dem Grundsatz der Eigenständigkeit des Sports Rechnung trägt. Wir wünschen als Konsequenz daraus eine weitgehende Befreiung der Vereine von Steuern und Abgaben. Wir haben der Forderung eine ganze Liste von solchen Möglichkeiten angefügt, wie die Vereine entlastet werden können. Die Mehrzahl dieser Möglichkeiten wurde im Laufe des Tages hier genannt. Die Spendenbescheinigung steht da mit drin.
Da steht die teilweise steuerliche Befreiung von Einkünften aus nebenberuflicher Tätigkeit in Sportorganisationen. Da ist auch die Frage der Vergnügungssteuerpflicht aufgeführt und all die Probleme, die hier nicht mehr aufzuführen sind, weil sie im Verlauf der heutigen Debatte lang diskutiert wurden.Das Entscheidende, worauf es mir ankommt, liegt darin, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition in Ihrem Entschließungsantrag als Punkt 1 die Spendenbescheinigungskompetenz für die Vereine fordern, aber dort, wo Sie Verantwortung tragen, nämlich in einigen Ländern, jener Forderung nicht nachkommen. Mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich hier gern eine Stellungnahme des baden-württembergischen Finanzministers zitieren, die neueren Datums ist — 11. Juni 1974 —,
in welcher der Finanzminister ausführt:Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden ist bei den Gebern von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bewußt von der Voraussetzung abhängig gemacht worden, daß Empfänger der Zuwendungen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle sein muß.Die Landesregierung hält die bestehenden Beschränkungen beim Spendenabzug sachlich für gerechtfertigt, um Mißbräuche auszuschließen und eine ordnungsgemäße Überwachung der Verwendung der Zuwendung zu gewährleisten.
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8912 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Dr. VohrerFinanzminister Gleichauf macht dann darauf aufmerksam, daß sonst auch die Beiträge abzugsfähig würden und Millionenbeträge dem Staat verlorengingen. Das alles ist hier als Zitat nachzulesen.Sie werden feststellen, daß Ihre eigenen Landesfinanzminister Ihre Forderungen nicht tragen, sondern daß Teile dieser Forderungen in aller Ausführlichkeit abgelehnt werden. Ich bitte Sie deshalb, jenes Fairplay in der Argumentation, das Sie immer von uns fordern, hier selber zu zeigen, wenn es darum geht, den Unterschied zwischen Ihren Maximalforderungen und dem zu finden, was Sie dort, wo Sie mit politische Verantwortung tragen, tatsächlich befürworten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Herr Kollege Evers vorhin hier gesprochen hat, hatte ich zunächst den Eindruck: statt Boxen führe er ein Schattenboxen durch. Aber im Verlauf seiner Rede bin ich zu der Auffassung gekommen, daß es mehr Catch-as-catch-can war, was er heute abend hier vorgeführt hat.
Dabei hat er sich nicht einmal jener Sekundanten bedient, die sonst immer diensteifrig bei solchen Debatten auf die Bundesratsbank bemüht werden, um bei schwachen Stellungnahmen der Opposition beizuspringen.
Es ist auch ganz einfach zu erklären, warum diese Bundesratsbank heute leer blieb oder kein Beitrag geleistet wurde: Sie haben hier doch in den Wind über Dinge gesprochen, die in den Ländern von Ihren eigenen Ministern so nicht unterstützt würden.
Gestatten Sie, Herr Abgeordneter Dr. Schmitt-Vockenhausen, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reddemann?
Aber gern, Herr Präsident. Bitte!
Herr Kollege Dr. Schmitt-Vockenhausen, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Minister Geissler von Rheinland-Pfalz nicht nur auf der Bundesratsbank gesessen hat, sondern auch gern gesprochen hätte, wenn nicht durch eine Verschiebung in der Tagesordnung bei ihm Terminschwierigkeiten aufgetreten wären.
Herr Kollege Reddemann, ich habe ihn auch einige Minuten auf der Bundesratsbank gesehen. Entscheidend ist, daß weder Frau Minister Griesinger noch Herr Minister Huber noch sonst ein Mitglied einer Landesregierung hier war, um die Sekundantendienste zu leisten, die Sie sonst in Anspruch nehmen, wenn hier Debatten geführt werden.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Reddemann?
Aber selbstverständlich! Nach der Geschäftsordnung hat der Herr Kollege zwei Zwischenfragen.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ganz abgesehen davon, daß Frau Kollegin Griesinger in Baden-Württemberg für dieses Ressort nicht zuständig ist, darf ich Sie fragen, da Sie sich in der vergangenen Woche beispielsweise des nordrhein-westfälischen Finanzministers Wertz als Sekundanten bedienten, warum denn die Minister Ihrer Fakultät nicht ebenfalls zu dieser Debatte gekommen sind.
Herr Kollege, in der vergangenen Woche hat Ihre Fraktion sehr schlechte Erfahrungen bei der Kommunaldebatte gemacht,
denn das, was Sie gehofft hatten, ist nicht eingetreten, und deswegen haben Sie heute lieber die Leutezu Hause gelassen. Machen wir uns doch nichts vor!
— Herr Kollege Reddemann, Sie sind ja geradezu der Ali Reddemann, muß ich fast sagen, was Zwischenfragen betrifft; jedenfalls nach Ihrer eigenen Meinung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun komme ich zu dem entscheidenden Punkt: Es geht heute nicht um Ja oder Nein zum Sport und zu seiner Förderung, sondern es geht um den Weg, wie der Sport gefördert wird. Sie versuchen, diese Art der Debatte umzuändern und an der falschen Front zu kämpfen. Hier ist überhaupt niemand, der nicht bereit ist, im Rahmen der Möglichkeiten den Sport zu unterstützen. Die Bilanz der Bundesregierung ist doch eindrucksvoll, nachdem 15 Jahre lang CDUInnenminister alljährlich hier Fehlanzeige melden mußten.
Nun komme ich zu der Frage des Sports überhaupt. Ich wage hier die Behauptung: der deutsche Sport bedarf keiner politischen Patronage, auch nicht der des Kollegen Evers.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8913
Dr. Schmitt-VockenhausenLassen sie mich ein Weiteres sagen, meine Damen und Herren.
— Wissen Sie, Herr Kollege, ich habe in meinem Leben immer den gleichen Standpunkt mit Erfolg vertreten, und wie Sie wissen, werde ich in meinem Wahlkreis jedesmal mit 75, 80 % der Stimmen bei fast 60 % Wählerbeteiligung bestätigt. Kein Neid. Ich werde das auch weiterhin so halten!
— Herr Kollege, Ihre Daumen brauche ich nicht. Das Wichtigste ist: ich brauche Wähler, die mich wieder hierher schicken, und diese habe ich bisher durch meine Arbeit immer gefunden.
Meine Damen und Herren, was ist denn hier gesagt worden? Hier ist doch nichts anderes gesagt worden, als daß die Regierung einen Plan vorlegen soll. Es erscheint mir fraglich, ob das, was die Regierung tun kann, in Plänen fixiert werden muß. Im übrigen haben Sie früher hier immer recht abfällige Äußerungen zu Plänen gemacht. Erst seit Sie in der Opposition sind, sind Sie so planfreudig geworden, weil Sie das der Aufgabe enthebt, eigene Vorstellungen vorzulegen.
Deswegen verlangen Sie Pläne von der Regierung. Das ist doch Ihre Ausrede; seien wir doch einmal ehrlich! Wenn Sie hier vorlegen sollten, was in dem Plan drinstehen, wie es finanziert werden soll und wie die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern verteilt werden sollen, meine Damen und Herren, dann müßten Sie doch Fehlanzeige melden. Das wissen Sie doch genausogut wie ich. Deswegen wird ein Plan verlangt und es wird gesagt: da muß alles drinstehen. Am Schluß soll der Bundesinnenminister in dem Gestrüpp von Bund, Ländern und Gemeinden alles zurechtbringen, was er, wie Sie genau wissen, auch nicht kann, weil die Bundesländer nun einmal wie beim Sportstättenbau — das ist heute morgen hier deutlich geworden — gesagt haben: So geht es nicht.Da bin ich an einem weiteren Punkt: Der Herr Kollege Eilers hat hier den Bundesinnenminister auf die Frage einer Gemeinschaftsaufgabe für den Sport festgenagelt. Meine Damen und Herren, vor acht Tagen hat derselbe Herr Eilers donnernd Beifall geklatscht, als der Kollege Waffenschmidt gesagt hat: Die Töpfchenwirtschaft der Gemeinschaftsaufgaben muß aufhören, die Gemeinden müssen das Geld direkt bekommen. Heute war die Gelegenheit anders; da wird von einer anderen Basis aus geredet.
Davon, daß da 7 Millionen DM in der Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern zur Rede stehen, hat vorsorglich gar niemand gesprochen. Das überläßt man nachher den Finanzverhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler. Aber hier hat man ein Alibi, was man alles für den Sport tun wollte. So geht es nicht. Lassen Sie mich dazu hier noch einige weitere Bemerkungen machen.Meine Damen und Herren, wo wird denn die eigentliche Arbeit für den Sport geleistet? Die eigentliche Arbeit wird im wesentlichen in den Städten und Gemeinden geleistet. Ich muß sagen, das ist auch bei Ihrer Betrachtungsweise heute erheblich zu kurz gekommen.
— Nein, entschuldigen Sie, ich meinte die Leistungenfür den Sportstättenbau, ansonsten haben Sie recht.Es geht hier um die konkreten Entscheidungen. Ich hätte gern gehört, daß heute beispielsweise der Herr Kollege Evers den Nulltarif für Sportstätten empfohlen hätte, wie er das einmal in der Sportkonferenz getan hat — wo Sie doch sonst so gegen Nulltarife sind. Die Kommunen würden gerne alle Sportstätten, z. B. Schwimmbäder, kostenfrei zur Verfügung stellen. Damit wäre aber dem Bürger nicht gedient, da andererseits die erforderlichen Mittel für den Bau von Kindergärten, Krankenhäusern, Straßen und anderen Einrichtungen verringert würden. Sosehr es die Gemeinden in manchen Bereichen aus den verschiedensten Gründen geschafft haben, Sportstätten kostenlos zur Verfügung zu stellen, so muß doch jedem klar sein, daß ein allgemeiner Nulltarif bei den augenblicklichen Strukturen und Kostenentwicklungen keine Chancen hat.Meine Damen und Herren, ich bin dankbar, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bei vielen Gelegenheiten die großen Leistungen, die die Städte, Gemeinden und Kreise im Bereich des Sport- und Freizeitstättenbaus erbracht haben, gewürdigt und unterstützt hat, denn die Bürger erwarten nicht von uns, sondern in den Gemeinden, daß ihnen Gelegenheit zu Spiel, Sport und Freizeitbeschäftigung geboten wird. Ich meine, daß sich diese Leistungen durchaus mit den Leistungen des Bundes und der Länder messen können. Die Kommunen sind ihrer Verantwortung für die Sportförderung in großem Umfange nachgekommen.Ich möchte hier einmal einige Zahlen einführen, damit sie hier nicht aus der Erinnerung kommen: Zwischen 1961 und 1972 wurden mehr als 10 000 Sporthallen, mehr als 1 800 Hallen- und rund 1 000 Freibäder sowie 9 500 Sportanlagen errichtet. Hinzu kommen die Um- und Ausbauten. Es ist besonders interessant, daß allein 1972 165 Schwimmbäder fertiggestellt worden sind, weitere 118 im Jahre 1973. Der Bestand an Hallen- und Freibädern in der Bundesrepublik hat Ende 1973 erstmals die
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Dr. Schmitt-VockenhausenFünftausendermarke überschritten und betrug 5 142. Meine Damen und Herren, ich wage hier die Behauptung: Die Bundesrepublik und die Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik liegen im Sportstättenbau in Europa, ja, ich behaupte, in der Welt an der Spitze! Das können Sie von jedem erfahren, der die Dinge auch in anderen Ländern kennt. Das hätte man bei einer solchen Gelegenheit deutlich machen können, aber davon haben Sie kein Wort gesagt.
Meine Damen und Herren, die Gemeinden und Städte sollten an der Erfüllung des „Goldenen Planes" mit 30 % der Kosten beteiligt werden, die Länder mit 50 %, der Bund mit 20 %. Wie sehen die Dinge aus? Bis 1972 wurden 12,3 Milliarden DM für die Verwirklichung der Ziele des „Goldenen Planes" aufgewendet. Davon haben die Städte und Gemeinden fast 8 Milliarden DM aufgebracht und damit nicht 30 %, sondern mehr als 60 % finanziert. Wenn ich an die Zuschüsse für die Vereine denke, wenn ich an die Erschließungskosten und vieles andere denke, dann muß ich sagen: das sind Leistungen in einer Größenordnung, wie sie auch unseren Vorstellungen im Interesse der Volksgesundheit entsprechen.Für die Sportvereine ist es entscheidend, daß keine negativen Konkurrenzsituationen herbeigeführt werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß es wichtig ist, beispielsweise die Fragen der Übungsleiter zwischen den Volkshochschulen und den Sportvereinen so abzustimmen, daß die negative Konkurrenzsituation nicht zu Lasten der Vereine geht. Es kann hier deutlich gesagt werden: die Sozialdemokraten haben auf allen Ebenen, im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden, wirkungsvoll den Sport unterstützt. Herr Kollege Evers, die Zustimmung des Deutschen Sportbundes zu den Leitsätzen sozialdemokratischer Sportpolitik ist ein beredtes Zeichen dafür, daß der deutsche Sport gar nicht garan denkt, sich in eine einseitige Parteinahme von Ihnen einverleiben zu lassen, sondern mit allen Parteien des Deutschen Bundestages zusammenarbeiten will.
Es wäre schön gewesen, wenn die Länder damals das Angebot des Bundes angenommen hätten, den Sport als Gemeinschaftsaufgabe zu finanzieren. Sie haben es damals nicht angenommen; darüber gibt es keinen Zweifel. Aber für die künftigen Entwicklungen werden wir sehen, wie es weitergeht. Ich meine, im Bereich des Sportstättenbaus hat der Bund auch nach dem Auslaufen des „Goldenen Planes" noch erhebliche Zuständigkeiten, um deren volle Ausschöpfung im Interesse auch der Kommunen sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mit dem Koalitionspartner und der Bundesregierung und, wenn möglich, auch mit der Opposition bemühen wird.Dazu gehört der Sportstättenbau im Zonenrandgebiet, wofür vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft eine Strukturuntersuchung eingeleitet wurde.Die in der Antwort der Bundesregierung dargelegten Förderungsmaßnahmen haben erheblich zur Verbesserung der Lebensgestaltung der Bevölkerung in den Zonenrandgebieten beigetragen. Die Hilfe durch die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, das ERP-Gemeindeprogramm, das Städtebauförderungsgesetz, die Mitfinanzierung von Modellversuchen für den Bau von Sport-, Freizeit und Erholungsanlagen durch den Bund, all das wird heute hier deutlich gemacht, weil es großartige Leistungen für den Sport und für die Menschen draußen im Lande sind.Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat zuletzt bei dem kommunalpolitischen Kongreß in Nürnberg diesen Aufgaben erneut einen hohen Rang gegeben. Wir haben es als nachteilig empfunden, daß erst 1971 eine Projektliste für die Bundesleistungszentren erstellt werden konnte. Deshalb hat meine Fraktion auch wesentlich dazu beigetragen, daß der Sportausschuß Anhörungen durchführte, um Erkenntnisse für die zumindest teilweise Beseitigung von Mängeln zu gewinnen, die sich aus unzureichenden Voruntersuchungen über den Standort und die tatsächliche Aulastung ergeben haben. Mit gegenwärtig 20 Bundesleistungszentren — zwei weitere sind noch im Bau — und 30 durch den Bund geförderten Landesleistungszentren ist eine Phase erreicht, die erneut eine kritische Bestandsaufnahme erfordert.Angesichts einer Situation, wie sie in der heutigen Debatte deutlich geworden ist, können wir hier nur feststellen: Die Bundesregierung hat ihren Beitrag zur Förderung des Sportes geleistet. Die Koalitionsfraktionen haben sie dabei anregend und positiv begleitet. Wir werden auf diesem Wege fortfahren und werden uns davon auch nicht durch falsche Alternativen, wie sie Herr Evers hier aufgestellt hat, abhalten lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäuble.
Das Wort hat der Abgeordnete Wende.
— Er verzichtet.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein paar kurze Bemerkungen zu einigen Diskussionsbeiträgen machen.
Der Kollege Müller hat sich hier noch einmal auf „PZ" bezogen und versucht, es so darzustellen, als sei hier etwas sehr Schwerwiegendes geschehen. Offensichtlich haben Sie aus dem Gedächtnis verloren, weil das schon 1972 war, daß Sie, wenn ich richtig informiert bin, schriftlich aufgefordert worden sind, in einem Artikel, der dann veröffentlicht
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Mischnickwerden sollte, zu diesen Fragen selbst Stellung zu nehmen.
Ich verstehe nicht recht, weshalb Sie diese Gelegenheit zu einer Gegendarstellung nicht genutzt und selbst etwas dazu geschrieben haben. Oder sollte die Information falsch sein?
Gestatten Sie eine Zwischenfragedes Abgeordneten Dr. Müller ?
Bitte!
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen nicht bekannt, daß diese Information falsch ist, weil es besondere Umstände im Jahre 1972 nicht mehr jedem Abgeordneten erlaubt haben, diejenigen Artikel zu schreiben, zu deren Vorlage er ursprünglich in einem Gespräch aufgefordert worden war?
Aber, Herr Kollege Müller, dann verstehe ich nicht ganz, weshalb es möglich war, daß Sie, wie Sie selber gesagt haben, Artikel unter einem anderen Namen geschrieben haben, um auszuprobieren, ob sie veröffentlicht würden, daß Sie das aber nicht getan haben, als Sie dazu aufgefordert wurden. Ich kapiere nicht, wieso es hier zu diesem Durcheinander gekommen ist, denn dafür gibt es ja Unterlagen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?
Bitte!
Herr Kollege Mischnick, können Sie sich vorstellen, daß es mir einigermaßen heikel erscheint, diese Aussage meines Kollegen zu hören und gleichzeitig wenige Minuten zuvor als Mitglied des Kuratoriums ein Schreiben desselben zu bekommen, in dem der Kollege Müller ausdrücklich aufgefordert worden ist, zu diesem Thema Stellung zu nehmen?
Ich wiederhole, daß ein solches Schreiben verschickt worden ist. Aber er kann sich vielleicht im Augenblick nicht daran erinnern. Das ist eine Frage, die er selbst prüfen muß.
Ich komme nun zu den Ausführungen des Kollegen Spilker. Der Kollege Spilker hat hier dargelegt, daß der Sportplan der CDU/CSU nicht ausführlich beraten worden sei. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, soweit Sie nicht dem Sportausschuß angehören — die im Sportausschuß sind, wissen es —: allein die Anlage zu der Sitzung umfaßt über zehn Seiten, auf denen im Detail dargelegt worden ist, warum bestimmte Punkte dieses Vorschlags nicht verwirklicht werden können.
Wenn ich über zehn Seiten Detaildarlegungen habe, ist das doch schon ein Hinweis darauf, daß es eben nicht leichtfertig behandelt worden ist, sondern daß in der Diskussion sehr wohl im einzelnen behandelt worden ist, um was es hier geht.
Der Kollege Evers hat dann hier den Versuch gemacht, zu beweisen, als wäre mit dem Nein zum Sportplan-Vorschlag der Opposition ein Nein zu Sportförderungsmaßnahmen verbunden. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Sie haben einen Organisationsvorschlag gemacht, der nach Ihrer eigenen Meinung, als er von den Koalitionsparteien eingebracht wurde, für schlecht zu erachten war. Wir haben daraus die Konsequenzen gezogen, wir haben daraus gelernt — Sie offensichtlich nicht. Ich bedaure, daß Sie nichts daraus gelernt haben.
Wenn Sie nun sagen, wir würden das draußen schwer zu büßen haben: Da können Sie ganz beruhigt sein. Es wird uns gelingen, deutlich zu machen, warum wir es anders beurteilen als Sie.
Sie haben darauf hingewiesen, wir stünden im Widerspruch zu den Verbänden, zu den Organisationen, wenn wir nein sagten. Sehen Sie, ich will nur eine einzige Frage herausgreifen. Gerade bei der Diskussion mit Verbänden, mit Vereinen über die Frage der Spendenbescheinigung habe ich immer wieder feststellen müssen, daß auch in den Vereinen durchaus unterschiedliche Meinungen darüber bestehen, ob es richtig oder nicht richtig ist, diesen Weg zu gehen. Deshalb kann es doch nur sinnvoll sein, daß man sich darüber noch in aller Ruhe unterhält und versucht, den besten Weg zu finden.
— Ich sage ja, auf Grund des Sportprogramms haben wir diese Diskussion geführt und dabei festgestellt, daß es durchaus unterschiedliche Meinungen gibt. Wir sind eben bereit, diese unterschiedlichen Meinungen aufzunehmen und in die praktische Arbeit einzubeziehen, und stellen uns nicht auf den Standpunkt: Ein Dogma, das irgendwo einmal in Leitsätzen festgehalten worden ist, muß auch immer gelten. Deshalb wollen wir diese Diskussion weiterführen, und am Ende werden wir feststellen, welcher Weg der günstigste ist, um diesem Grundverlangen wirklich Rechnung zu tragen. Ob über die Verbände, ob über die Sportkreise oder ob über die Vereine, diese Frage muß noch geklärt werden, und dabei sind wir.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble?
Aber bitte!
Herr Kollege Mischnick, können Sie mir, nachdem Sie sagen, daß Sie diese Diskussion auf Grund Ihres Sportprogramms geführt haben, bestätigen, daß Sie dieses Sportprogramm erst unter dem Datum vom 11. Oktober 1974 vorgelegt haben?
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Selbst danach sind diese Gespräche schon gewesen. Hier sitzt unter anderem ein Zeuge dafür. Der Kollege Hoffie war nämlich dabei. Wir sind sofort danach in diese weiteren Diskussionen eingetreten. Aber das ist doch nichts Ungewöhnliches. Nur sind wir bereit, auch diese Stimmen mit einzubringen, und wir tun nicht so, als gebe es da nicht unterschiedliche Meinungen.
Zum nächsten Punkt, der hier angeführt worden ist, nämlich zur Frage, ob nicht das Parlament, wenn es keinem solchen Sportplan zustimmt, selbst Möglichkeiten aus der Hand gibt:
Ich habe bei all den Betrachtungsweisen den Eindruck, daß gar nicht genügend bedacht worden ist, daß natürlich eine Gesamtplanung dieser Art nicht den geringsten Sinn hat, nicht den geringsten Zweck erfüllt, wenn ich nicht gleichzeitig die haushaltsrechtlichen Seiten dazunehme. Wenn man beispielsweise Drei-, Vier-, Fünfjahrespläne wirtschaftlicher Art nach dem Haushaltsrecht aufstellen könnte, sähen manche dieser Überlegungen, die Sie in Ihren Sportplan hineinhaben wollen, ganz anders aus. Da wir von Jahr zu Jahr Haushalte aufstellen, ist es einfach nicht möglich, eine solch weitschauende Überlegung darzustellen, es sei denn, man legte, wie wir es tun, in der mittelfristigen Finanzplanung etwa Grundpositionen fest, in deren Rahmen wir uns bewegen wollen. Aber wir wollen eben beweglich sein, um sofort reagieren zu können, und wollen uns nicht durch einen solchen Plan praktisch ein Korsett anlegen, das dem Sport nur schaden und ihm nicht nützen kann. Das ist der Ausgangspunkt unserer Ablehnung.
Und eine letzte Bemerkung: Sie, Herr Kollege Evers, sagen, mit Ihrer Entschließung versuchten Sie, die Mängel zu überwinden, die durch ein Nein zu Ihrem Plan entstehen. Natürlich sind da Punkte drin, über die wir in aller Ruhe im Sportausschuß reden werden.
Es gibt manche Dinge, die wir wahrscheinlich auch gemeinsam erfüllen können — genau wie im Entschließungsantrag der Koalition. Nur, über eines können Sie damit nicht hinwegtäuschen, nämlich über das, was der Kollege Schmitt-Vockenhausen hier mit aller Deutlichkeit gesagt hat: Auch in diesem Entschließungsantrag sind eine ganze Menge Punkte enthalten, die wir hier zwar beschließen können, von denen wir aber nicht wissen, ob die Länder entsprechend mitziehen werden, ob es möglich ist, sie auch in den Gemeinden zu verwirklichen. Deshalb wird es darauf ankommen, im Rahmen der Koordinierungsmöglichkeit über die Sportkonferenz auch einmal zu hören, wie die verantwortlichen Vertreter dazu stehen. Ich bin sehr gespannt, ob Ihre Vertreter aus den Ländern dort dem zustimmen werden, was Sie hier als Grundkonzept vorgelegt haben. Wenn das geschieht und dann hier im Bundestag zugestimmt wird, im Bundesrat selbst ja gesagt
wird, sind wir in einer neuen Situation. Bis zur Stunde ist es Ihnen allerdings nicht gelungen, in Ihren eigenen Landesregierungen die Widerstände zu überwinden, die bisher gegen uns vorhanden gewesen sind.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Herr Professor Maihofer.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir als dem verantwortlichen Sportminister von seiten der Regierung noch ein kurzes Wort zum Abschluß dieser langen Aussprache. Ein Wort des Dankes für konstruktive Kritik, auch von einigen der Redner der Opposition. Wir sind nicht so weit auseinander, wie vor allem Sie, Herr Kollege Schäuble, dies mit Ihrer vereinfachenden Zuspitzung der künftigen Sportförderung auf die Frage „Bundessportplan — ja oder nein?" darstellen. Diese Darstellung dient, wie ich es empfinde, nicht der Erhellung, sondern mehr der Verdunkelung der Sache der staatlichen Sportförderung in einer freiheitlichen Gesellschaft. Sicher stecken gerade in Ihrem Vorschlag eines Bundessportplans einige bedenkenswerte Anregungen. Das habe ich ja bereits ausdrücklich festgestellt. Aber er bringt eben nicht — dies ist unser Gesamturteil — mehr Freiheit, sondern mehr Verplanung von Freiheit im Sport. Er bringt nicht weniger, sondern mehr Bürokratie. Er bringt nicht mehr, sondern weniger Dynamik. Er bringt nicht mehr, sondern weniger Effizienz. Er bringt nicht mehr, sondern weniger Transparenz. Einzig und allein darum sehen wir in Ihrem Bundessportplan keine konstruktive Alternative. Mit unserem Leistungssportplan haben wir ein sportpolitisches Konzept, das unbürokratischer, dynamischer, leistungsfähiger und durchsichtiger ist.
Noch ein leichtes Wort zu Ihrem Satyrspiel am Schluß, Herr Kollege Müller. Wenn ich es auch so spaßig machen darf, wie es hier, glaube ich, einzig und allein angeht: Im „Grünen Heinrich" von Gottfried Keller ist einmal von einem Hund die Rede, der mit seinem Kopf in einen Topf von Quarkkäse gerät und dem von nun an die ganze Welt nach Quarkkäse schmeckt.
So schmeckt offenbar — wenn Sie mir diese etwas leichtfertige Bemerkung gestatten — auch Ihnen, nachdem Sie den Kopf nun einmal sozusagen ganz im Topf hatten, die ganze Welt, auch die des Sports nach Quarkkäse. Deshalb schmeckt aber auch das, was sie über den Sport sagten, nach allem möglichen, nur nicht nach dem Geist des Sports!
Weitere Wortmeldungen in der Aussprache liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
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Vizepräsident von HasselWir kommen zur Abstimmung. Auf den Drucksachen 7/2790 und 7/2800 liegen Ihnen zwei Entschließungsanträge vor. Es wird vorgeschlagen, sie dem Sportausschuß zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Wir müssen dann über den Antrag des Ausschusses in Drucksache 7/2288 Seite 3 abstimmen:Der Bundestag wolle beschließen,den Antrag — Drucksache 7/622 — abzulehnen.Wer dem Antrag des Ausschusses entsprechen will, den Antrag insgesamt abzulehnen, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
— Verzeihung, dem Ausschußantrag wurde zugestimmt. Damit ist die eigentliche Vorlage abgelehnt.Zur Abgabe einer persönlichen Bemerkung nach § 35 der Geschäftsordnung hat sich der Abgeordnete Dr. Müller gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Erklärung, die der Kollege Mischnick vorhin abgegeben hat — ich qualifiziere sie nicht als Käse, denn das ist nicht parlamentarisches Niveau — darf ich folgendes erklären: Im Frühjahr 1972 erhielt ich von einem Bediensteten oder Angestellten der Bundeszentrale für politische Bildung, nachdem ich in einer Sitzung des Kuratoriums jene Nummer der PZ kritisiert hatte, die ich vorhin zitiert habe, einen Brief, in dem ich gebeten wurde, dazu eine Stellungnahme für eine der nächsten Nummern abzugeben.
Nach meinem Ausschluß aus der SPD-Fraktion
in Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Kommunistenspezi Geiselberger in München,
mit dem sich die SPD-Fraktion soeben solidarisiert hat,
wurde ich aufgefordert, daß diese Stellungnahme nicht mehr erwünscht sei, weil sich inzwischen die Voraussetzungen geändert hätten.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls
— Drucksachen 7/853, 7/1550 —
Bericht und Antrag des Rechtsausschusses
— Drucksache 7/2769 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Emmerlich
Abgeordneter Dr. Hauser (Erste Beratung 48., 80. Sitzung)
Ich danke den Berichterstattern. Wortmeldungen zur zweiten Beratung liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe die Artikel 1 bis 10, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort hat Herr Dr. Emmerlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls sind zunächst zwei Bundesratsinitiativen zusammengefaßt, nämlich der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit und der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung. Im übrigen übernimmt der vorliegende Entwurf die Vorschläge der Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, welche die Neufassung der Vorschriften über die gerichtliche Protokollführung zum Inhalt haben, insbesondere die Zulassung des Tonbandprotokolls.Die Entlastung der Landgerichte ist erforderlich, weil in den Zivilsachen der Geschäftsanfall bei den Landgerichten überproportional in einem solchen Ausmaß gestiegen ist, daß die Funktionsfähigkeit der Landgerichte beeinträchtigt zu werden droht. Einer der Gründe für diese übermäßige Belastung der Landgerichte liegt darin, daß infolge der Geldwertentwicklung viele Rechtsstreitigkeiten, für die früher die Amtsgerichte zuständig waren, nunmehr in die Zuständigkeit der Landgerichte hineingewachsen sind. Dem begegnet der vorliegende Gesetzentwurf durch die Anhebung der Streitwertgrenze von 1500 auf 3000 DM.Der Deutsche Richterbund hat vorgetragen, die Amtsgerichte seien nicht in der Lage, den durch diese Maßnahme auf sie zukommenden zusätzlichen Geschäftsanfall zu erledigen. Die Bundesländer haben nach Prüfung das Gegenteil festgestellt. Wir haben keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Feststellung der Bundesländer zu zweifeln.Zur Entlastung der Landgerichte sieht der Gesetzentwurf ferner vor, daß an den Landgerichten Zivilrechtsstreitigkeiten ebenso wie an den Amtsgerichten von Einzelrichtern bearbeitet und entschieden werden können, es sei denn, es liegen besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur vor oder die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeu-
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8918 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Dr. Emmerlich tung. Dadurch wird die Leistungsfähigkeit der Landgerichte vergrößert.Über den akuten Anlaß dieser Gesetzgebung, nämlich die Entlastung der Landgerichte, hinaus ist bei dieser Regelung bedeutsam, daß in Zivilsachen nicht mehr wie bisher die Zahl der mit einer Sache befaßten Richter von einem formalen Kriterium, dem Streitwert, bestimmt wird, der bekanntlich weder zuverlässige Anhaltspunkte über die Schwierigkeit einer Sache noch über ihre Bedeutung für die Allgemeinheit und die Parteien hergibt. Wir begrüßen daher, daß der personelle Aufwand für Zivilrechtsstreitigkeiten zukünftig nach einem materiellen Ansatz bemessen werden kann, nämlich dem der Schwierigkeit der Rechtssache und ihrer Bedeutung. Damit erfüllt der Gesetzentwurf eine von uns Sozialdemokraten seit langem erhobene justizpolitische Forderung.Mit der Einführung des sogenannten entscheidenden Einzelrichters an den Landgerichten ist nach dem hier vorliegenden Gesetzentwurf die Ablösung der Institution des sogenannten vorbereitenden Einzelrichters nach §§ 348 bis 350 ZPO verbunden. Dieser vorbereitende Einzelrichter hat die Entscheidung der Kammer vorzubreiten. Er kann zu diesem Zweck auch einzelne Beweise erheben. Jedoch soll das nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Prozeßgericht wünschenswert und von vornherein anzunehmen ist, daß dieses das Beweisergebnis auch ohne unmitelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.Von dieser, dem vorbereitenden Einzelrichter geltenden Rechts eingeräumten Befugnis ist in unterschiedlichem Ausmaß Gebrauch gemacht worden. An nicht wenigen Landgerichten finden die gesamte Verhandlung und auch die gesamte Beweisaufnahme vor dem vorbereitenden Einzelrichter statt, so daß der abschließenden Verhandlung vor der Kammer nur noch eine mehr oder weniger formelle Bedeutung zukommt. Das ist mit dem tragenden prozessualen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Verhandlung und der Beweisaufnahme nicht vereinbar.Wir verkennen nicht, daß die Gerichte wegen ihrer Arbeitsbelastung und im Interesse der Erledigung der anfallenden Rechtsstreitigkeiten zu einer so extensiven Handhabung des § 349 ZPO gekommen sind. Wir halten es aber für notwendig, dafür zu sorgen, daß dem Unmittelbarkeitsgrundsatz wieder mehr Geltung verschafft wird. Das ist infolge der Einführung des entscheidenden Einzelrichters an den Landgerichten auch praktisch möglich, aber nur dann, wenn nicht daneben der vorbereitende Einzelrichter erhalten wird.
In der Beibehaltung des vorbereitenden Einzelrichters liegt darüber hinaus die Gefahr, daß von der neuen Möglichkeit, Zivilrechtsstreitigkeiten an den Landgerichten Einzelrichtern zur Verhandlung und Entscheidung zu überlassen, nicht in dem gewünschten Ausmaß Gebrauch gemacht werden könnte.Hinzu kommt die Erwägung, daß ein Nebeneinander von vorbereitendem und entscheidendem Einzelrichter nicht nur bei den Rechtssuchenden, sondern auch bei den Rechtsanwälten und selbst bei den Richtern Verwirrung auslösen muß. Die Bürger und ihre Prozeßbevollmächtigten sollten nicht gezwungen sein, ständig zu überlegen, ob sie es mit einem vorbereitenden Einzelrichter zu tun haben oder mit einem entscheidenden Einzelrichter. Die Prozeßbevollmächtigten sollten nicht in die Lage kommen, von Fall zu Fall die Regeln für den vorbereitenden oder diejenigen für den entscheidenden Einzelrichter beachten zu müssen. Auch den Richtern selbst sollten wir es ersparen, im Laufe eines Sitzungstages mehrfach aus der Rolle des vorbereitenden in die des entscheidenden Einzelrichters und umgekehrt schlüpfen zu müssen.Wir sind auch der Auffassung, daß es an den Oberlandesgerichten künftig keine vorbereitenden Einzelrichter mehr geben soll. Wir sind uns dabei bewußt, daß dadurch auf die Oberlandesgerichte eine gewisse zusätzliche Belastung zukommt. Dem steht eine Entlastung durch die Heraufsetzung der Berufungssumme gegenüber. Andererseits ist zu bedenken, daß die Oberlandesgerichte sich in den gegebenen gesetzlichen Grenzen des ersuchten und des beauftragten Richters weiterhin bedienen können.Im übrigen ist eine nennenswerte Entlastung durch den vorbereitenden Einzelrichter bei den Oberlandesgerichten nur bei größeren Beweisaufnahmen, und zwar nur dann eingetreten, wenn diese vor dem vorbereitenden Einzelrichter durchgeführt worden sind. Dann aber ist § 349 ZPO in der Regel so extensiv interpretiert worden, daß das mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen ist. Das wiegt um so schwerer, als die Oberlandesgerichte die letzte Tatsacheninstanz sind. Gerade bei ihnen ist es erforderlich, daß eine in zweiter Instanz notwendige Beweisaufnahme vor allen entscheidenden Richtern durchgeführt wird, und zwar selbst dann, wenn es sich um eine umfängliche Beweisaufnahme handelt.Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch erwähnen, daß wir uns die Heraufsetzung der Berufungssumme von bisher 200 DM auf 500 DM nicht leicht gemacht haben. Wir sind jedoch zu der Überzeugung gekommen, daß diese Maßnahme zur Entlastung der Landgerichte und Oberlandesgerichte angezeigt ist und angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung den rechtsuchenden Bürgern gegenüber verantwortet werden kann.Zusammenfassend ist festzustellen: Der vorliegende Entwurf wird nicht nur die Arbeitsmöglichkeiten der Justiz verbessern, sondern auch den Rechtsschutz der Bürger. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt ihm deshalb zu. Wir hoffen, daß der Bundesrat unsere Entscheidung richtig würdigt und daß das Gesetz wie vorgesehen am 1. Januar 1975 in Kraft treten kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauser .
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was im Interesse einer geordneten Rechtspflege längst überfällig ist und vor mehr als einem Jahr bereits hätte in Ordnung gebracht werden können, wird heute endlich wahr. Die beiden Kernstücke dieser Novelle, die Anhebung der Streitwertgrenze bei den Amtsgerichten und die Möglichkeit, neben den Kammern auch den Einzelrichter bei den Landgerichten mit der Durchführung und Entscheidung einer anhängigen Sache zu betrauen, forderte die Praxis immer nachhaltiger.
Die Landesregierung von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein nahmen die Anliegen auf und brachten sie in der Form einer Gesetzesinitiative über den Bundesrat ein, um damit die Funktionsfähigkeit unserer Justiz im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit zu erhalten und abzusichern; war doch der Geschäftsanfall gerade bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit in alarmierender Weise angestiegen, ja, seit 1973 zu einer Prozeßflut angewachsen — ohne Zweifel eine unmittelbare Folge der rapiden Geldentwertung.
Besonders unsere Landgerichte sind davon betroffen, erreicht doch bereits ein kleiner Verkehrsunfall, der noch bis vor wenigen Jahren vom Amtsrichter entschieden werden konnte, heute schnell die Streitwertgrenze von 1 500 DM und fällt damit in die Zuständigkeit einer Kammer mit drei Richtern.
Kein Wunder, daß die Streitsachen bei den Landgerichten in Bayern — um nur dieses eine Beispiel zu nennen — von 1965 bis zum Jahre 1973 um 71,2 % zugenommen haben; ja, im ersten Halbjahr 1974 um weitere 23 % angestiegen sind. Kein Wunder aber auch, daß die Rückstände dort trozt allem anerkannten Einsatz unserer Richter und erheblich vermehrten Richterstellen Ende 1973 um 33 % zugenommen haben.
Statt aber diese Initiativen der Länder aufzugreifen und dem Mißstand unverzüglich abzuhelfen, statt die Landgerichte zu entlasten und einen rein an den Bedürfnissen der Geschäftsbelastung orientierten Ausgleich zu schaffen, hat der frühere Justizminister unter den fadenscheinigsten Gründen diese Vorlage blockiert.
Er ritt, um mit der „FAZ" zu reden, sein Steckenpferd der großen Justizreform weiter und weigerte sich, wirklich vermeidbare Schäden abzuwenden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Emmerlich?
Bitte!
Herr Kollege Hauser, haben Sie aus der Erinnerung verloren, daß wir im Rechtsausschuß nach der ersten Beratung des Wertgrenzengesetzes übereinstimmend zu der Überzeugung gelangt sind, daß die Herbeischaffung weiterer Daten durch die Justizverwaltung erforderlich sei, um zu einer Entscheidung zu kommen?
Darf ich Ihnen nur sagen, daß das verdammt lange gedauert hat, bis das endlich gekommen ist.
Aber der Chor der Mahner wurde immer größer, als die Länder unisono drängten, die Oberlandesgerichtspräsidenten und die Bundesrechtsanwaltskammer die gleiche Forderung erhoben, und als die CDU/CSU-Fraktion mit immer größerem Nachdruck in dieser Frage Augenmaß verlangte, statt verstiegenen Politologismen nachzujagen, — als alle verantwortlichen Stimmen im Rechtsbereich auf den akuten Notstand hinwiesen, hat der derzeitige Bundesjustizminister wenigstens in diesem Punkt die falsch programmierte Rechtspolitik gestoppt.Mit der Anhebung des Streitwertes auf 3 000 DM bei den Amtsgerichten — wie jetzt die Vorlage lautet — wird zumindest erreicht, daß es zu einem tragbareren Ausgleich in der Geschäftsbelastung zwischen Amtsgerichten und Landgerichten kommen kann. Allerdings erreichen wir, Herr Emmerlich, bei der leider anhaltenden inflatorischen Entwicklung nicht mehr das Verhältnis von 1 : 6,2, wie es sich als vernünftiger Ausgleich zwischen Landgerichten und Amtsgerichten nach der letzten Wertgrenzenänderung im Jahre 1965 ergeben hat. Ja, selbst die Verhältniszahl von 1 : 4,7, wie sie für das Jahr 1973 noch festgestellt worden war, wird bereits wieder unterschritten. Aber immerhin: eine gewisse Entlastung für die Landgerichte bringt diese Novelle, auch wenn sie reichlich spät kommt.Auch das zweite Kernstück dieser Novelle, die Initiative des Landes Schleswig-Holstein mit der Übertragung eines Prozesses an den streitentscheidenden Einzelrichter, führt zu einer Entlastung unserer überforderten Landgerichte. Dabei läßt die flexible Regelung, wonach die Kammer von dieser Übertragung Gebrauch machen kann — nicht Gebrauch machen muß genügend Spielraum für eine sachgerechte Behandlung des einzelnen Verfahrens. Diese Erweiterung der Verweisungsmöglichkeit an den Einzelrichter verstößt auch keineswegs gegen die Bestimmung des Grundgesetzes, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Hierzu haben wir im Rechtsausschuß nach eingehender Beratung unsere Entscheidung übereinstimmend getroffen.Wir bedauern nur, daß nicht gleichzeitig auch einem weiteren Bedürfnis der Praxis entsprochen wurde und neben dem streitentscheidenden Einzelrichter auch der sogenannte vorbereitende Richter zur Entlastung der Kammern bei den Landgerichten wie der Senate bei den Oberlandesgerichten beibehalten wurde, so wie das im geltenden Recht vorgesehen ist.
Diese Institution, wie sie vor 50 Jahren in die Zivilprozeßordnung aufgenommen wurde, dient doch durch die vorausgehende Sichtung und Konzentration des Streitstoffs der Beschleunigung des Prozesses, um so möglichst in einer mündlichen
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Dr. Hauser
Verhandlung des Prozeßgerichtes den Rechtsstreit abzuschließen. Abgesehen davon — Sie haben davon gesprochen —, daß die Arbeit bei den Oberlandesgerichten erschwert wird, wenn nunmehr nach dem Wegfall dieser Institution der geschlossene Senat bereits mit der ganzen Vorbereitung jedes einzelnen Prozesses befaßt wird — eine Ausnahme gibt es nicht —,
war der vorbereitende Richter besonders in Verfahren vor den Landgerichten von Nutzen, die nach dem Stuttgarter Modell in einer einzigen zusammenfassenden Verhandlung einen Rechtsstreit vor den Kammern abschließen. Aber auch in umfangreichen Prozessen, die nach der neuen Bestimmung allein vor dem Kollegialgericht verhandelt werden dürfen, brächte die Bestellung eines Einzelrichters, der den Rechtsstreit in der Vorbereitung schürzt, ohne Zweifel eine schnellere Entscheidung. Vor allem aber, Herr Kollege Emmerlich, diente die Einrichtung der Institution des vorbereitenden Richters der Einführung der jungen Richter, die frisch vom Examen weg erst einmal mit der richterlichen Praxis in eigener Verantwortung vertraut werden müssen.
— Bei den Kammern, bei den Landgerichten.All diesen praxisnahen Argumenten gegenüber wiegen Ihre Vorbehalte gering, etwa der, daß der Grundsatz der Unmittelbarkeit einer Beweisaufnahme unbeachtet bleiben könnte. Diese Einwendungen, Herr Emmerlich, sind mir viel zu theoretisierend, kommt es doch jeweils ganz entscheidend auf die Übung an, die bei einem Spruchkörper, sei es nun bei einem Landgericht oder bei einem Oberlandesgericht, herrscht.
— Die Befürchtung, der vorbereitende Einzelrichter könnte etwas allzu forsch die Unmittelbarkeit einer Beweisaufnahme durch das Kollegium unterlaufen, muß dann doch ebenso bei einem Mitglied des Kollegiums durchgreifen, das mit der Beweisaufnahme nach ergangenem Beweisbeschluß besonders beauftragt wurde. Konsequenterweise müßten Sie dann auch den § 361 der Zivilprozeßordnung streichen.
Hier haben aber die Länder aus ihrer unmittelbaren Erfahrung heraus zu prüfen, ob sie diesen vorbereitenden Richter als Institution nicht doch dringend brauchen, um wirklich zu der immer wieder angestrebten funktionierenden Prozeßerledigung zu kommen.Alle weiteren noch vorgesehenen Neuordnungen, ob es sich um die größeren Befugnisse handelt, die künftig der Vorsitzende bei den Kammern für Handelssachen erhalten soll, oder ob zweckmäßigere, unseren technischen Neuerungen entsprechende Protokollbestimmungen in Rede stehen, dienen der Vereinfachung des Verfahrens.Diese Novelle, die auch mit ihrer Überschrift nur schlicht und einfach den Zweck des Gesetzes umreißt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Deshalb wird ihr auch meine Fraktion die Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Herren Vorredner haben, wie das uns in der dritten Reihe so oft geschieht, das meiste schon gesagt. Herr Hauser, auf schwäbisch — ich habe mich eben noch mal genau bei einem Landsmann erkundigt — sagt man: Nur net hudele! Das heißt ja Verschiedenes. Das heißt nicht nur, daß man nicht übereilt an eine Sache herangehen sollte, sondern auch, daß man dabei sachlich nicht etwas unbedacht lassen sollte.Wenn wir nun — nicht übereilt jedenfalls — dieses Gesetz heute hier verabschieden, dann darf ich doch Ihren Schlußworten entnehmen, daß Sie in der Sache jedenfalls mit dem letzten Endes zustande gekommenen Ergebnis einer etwas längeren, dafür aber, wie ich dem Ergebnis entnehme, um so erfolgreicheren gedanklichen Bemühung einverstanden sind. Ich begrüße mit Ihnen den besonders pragmatischen Charakter dieser Veranstaltung und die Tatsache, daß wir uns hier nur nach der Praxis auszurichten versucht haben und daß bei dieser Gelegenheit — das kann man ja ganz offen ansprechen; das hat den Prozeß natürlich etwas verlangsamt — eine doch in etwas dogmatischen Formen erstarrte Diskussion über das Thema Einzelrichter oder Kammer zwar nicht zu einem Ende, aber doch zu einem Zwischenergebnis gebracht worden ist; das steht ja hier für den Sachkenner mit darin.Ich mache überhaupt kein Geheimnis daraus, daß ich sehr froh darüber bin, daß wir hier mit der Kann-Bestimmung für die Verweisungsmöglichkeit der Kammer an den Einzelrichter in den zutreffend skizzierten Fällen von dem Gedanken weggekommen sind, man müsse möglichst viel Einzelrichter und möglichst wenig Kammer haben. Ich glaube hinsichtlich des Einzelrichters nicht an die großen Ersparnismöglichkeiten, sondern ich glaube vielmehr, daß es sehr sinnvoll ist, wenn sich drei Kollegen untereinander beraten können und wenn man unter drei anzusprechenden Richtern, z. B. als Prozeßvertreter, die statistisch dreimal so große Möglichkeit hat, mindestens einen zu finden, der in etwa nicht nur auf der gleichen Wellenlänge sendet, sondern auch empfängt, und dem man dann sein Problem besonders gut darlegen kann. Das halte ich bei diesem Gesetz für ein sehr wichtiges Ergebnis. Da es auf den ersten Blick nicht so deutlich wird, wollte ich es hier noch einmal unterstreichen.Bei den Streitwertgrenzen bin ich bedauerlicherweise mit Ihnen nicht einig. Ich glaube nämlich, die
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8921
KleinertDinge werden sich eher noch wieder zuungunsten der Amtsgerichte entwickeln, weil ja die Neuregulierung des Eheverfahrens ins Haus steht. Nach allem, was abzusehen ist, kommt damit eine erhebliche zusätzliche Belastung — von den Landgerichten weg — auf die Amtsgerichte zu. Auf diese zukünftige Möglichkeit hin, deren Termin wir auch noch nicht kennen, die Dinge weiter aufzuschieben und das jetzt bestehende Mißverhältnis bestehen zu lassen, war unserer übereinstimmenden Ansicht nach nicht zu verantworten, und darum haben wir jetzt erst einmal entschieden. Wir werden die Dinge überprüfen müssen und im übrigen darum bitten, daß das Justizministerium für die etwa notwendige nächste Korrektur die Zahlen vielleicht etwas früher zur Hand hat, als das beim letzten Mal, wie hier in besonders schwäbischer und jedenfalls deutlicher Weise zum Ausdruck gekommen ist, der Fall war.Eine Bemerkung noch zu den Beschwerdegrenzen. Die Beschwerdegrenzen sind — im Gegensatz zu dem Entwurf der Bundesregierung — nicht geändert worden. Es war beabsichtigt, die Grenze von jetzt 50 DM auf 100 DM anzuheben. Ich freue mich, daß sich der Rechtsausschuß in der Auffassung einig geworden ist, daß es hier nicht um einen Rationalisierungs- oder um einen Anpassungseffekt geht —wie bei den Streitwerten —, sondern daß es hier um die Kontrolle der Justiz in sich selbst geht und daß Zahlen dabei keine entscheidende Rolle spielen dürfen, sondern ein verhältnismäßig geringer Unterschied kontrollierbar bleiben muß — auch für eine weitere Instanz; das halten wir für durchaus wichtig.Zu dem wörtlichen Protokoll — hier ist von den Tonbandaufnahmen gesprochen worden, die möglich sind — möchte ich folgendes sagen. Neben dem wörtlichen Protokoll gibt es natürlich auch noch das Stenogramm. Wir haben uns darauf verständigt, einzuführen, daß auf Antrag einer Partei auch die wörtliche Aufnahme von Äußerungen gefordert werden kann. Das scheint mir von nicht unerheblicher Bedeutung zu sein. Wenn es einmal um diffizile Fragen geht, sollte der Spruchkörper Gelegenheit haben, sich das noch einmal ganz genau anzuschauen, damit sich kein noch so unbeabsichtigter falscher Zungenschlag einschleicht.Hinsichtlich des vorbereitenden Richters — damit komme ich zum Schluß — habe ich die interessante Feststellung gemacht, daß aus völlig derselben Motivation heraus entgegengesetzte Folgerungen gezogen werden. Es wird befürchtet, daß die Kammer in ihrer Bedeutung zu sehr zurücktreten könnte gegenüber dem Einzelrichter, wenn man die Institution des vorbereitenden Richters, so wie das jetzt vorgesehen ist, streicht. Daraus ziehen die Kollegen nun unterschiedliche Schlüsse. Die einen sagen: Haben wir den vorbereitenden Richter, dann besteht nicht so sehr die Versuchung für die Kammer, das gleich ganz und gar an einen Einzelrichter abzugeben. Die anderen sagen: Nein, wenn wir schon den Einzelrichter haben, dann brauchen wir den vorbereitenden Richter nicht mehr; denn in Wirklichkeit — das ist allerdings meine Überzeugung; da stimme ich vollkommen mit Herrn Dr. Emmerlich überein — ist es so, daß der vorbereitende Richter bisher der vomGesetz nicht vorgesehene Einzelrichter war, den wir nunmehr legaliter geschaffen haben. Deshalb hat der vorbereitende Richter in der Prozeßordnung keinen Platz mehr.Was sich da abgespielt hat, haben doch einige von uns in der Praxis gesehen: besonders Punktesachen mit Vertreterabrechnungen über 80 Positionen oder die beliebten Baustreitigkeiten mit ebenfalls etwa gleicher Zahl von Positionen. Die wurden dann dem angeblich vorbereitenden Richter übertragen. Ich mache mich stark, zu sagen, daß die Kammer nach einer solchen Beweisaufnahme dieses vorbereitenden Richters diese Vorbereitung niemals in dem Umfang zur Kenntnis genommen hat, daß sie als Vorbereitung hätte hilfreich sein können.Darum wollten wir mit dieser Sache Schluß machen. Ich glaube, das wird für die grundsätzliche Frage, die jetzt in der Praxis sehr wichtig werden wird, nämlich wie sehr vom Institut des Einzelrichters Gebrauch gemacht wird und wie oft die Kammer die Dinge in der kollegialen Verhandlung belassen wird, keine Rolle spielen. Diese Frage wird jedoch entscheidend dafür sein, was wir nach zwei- oder dreijähriger Erfahrung über das sagen müssen, was hier eingeführt worden ist. Das wird auch entscheidend für das sein, was wir an Konsequenzen in demselben pragmatischen Sinn zu ziehen haben, in dem das hier, wie wir alle meinen, sehr vernünftig geregelt worden ist.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz, Herr Dr. de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Empfehlung des Rechtsausschusses dieses Hohen Hauses, die Initiativentwürfe zur Erhöhung der Wertgrenzen in der Zivilgerichtsbarkeit und zur Stärkung der Stellung des Einzelrichters beim Landgericht zu einem einheitlichen Gesetzentwurf zusammenzufassen und als zusätzlichen Bereich eine Überarbeitung der Vorschriften über das gerichtliche Protokoll in den Entwurf aufzunehmen.Die entsprechenden Maßnahmen sind durch mein Haus vorbereitet worden. Sie haben zuletzt Niederschlag in dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, der sogenannten Vereinfachungsnovelle, gefunden, der in Kürze zur ersten Lesung ansteht und neben den heute zur Diskussion stehenden Komplexen weitere wichtige Verbesserungen für das zivilprozessuale Verfahren bringen soll.Die heute und jetzt vorgesehenen Maßnahmen sind ein erster, vordringlicher Beitrag dazu, die Justiz in besonders belasteten Bereichen funktionsfähig zu erhalten. Sie haben im Rechtsausschuß nicht nur nahezu durchgehend die Unterstützung aller Fraktionen gefunden — wie ich sehe, erfreulicherweise auch hier im Plenum —, sondern diese Maßnahmen
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8922 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Parl. Staatssekretär Dr. de Withsind auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie die Justizminister der Länder in diesen Tagen nochmals versichert haben, ohne zeitlichen Übergang realisierbar.Bei dieser Sachlage darf die Vorlage im Interesse des rechtsuchenden Bürgers keinen Aufschub erleiden. Sie findet die volle Zustimmung der Bundesregierung, die damit einen Teil ihres umfassenderen Gesetzgebungsprogramms zur Verbesserung des Rechtsschutzes in zivilprozessualen Streitigkeiten durch Vorwegmaßnahmen verwirklicht sieht.Gestatten Sie mir drei Hinweise auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Hauser.1. Herr Kollege Hauser, wir müssen immer davon ausgehen, daß dieses Gesetz natürlich keine Reform auf Dauer bringt, denn hier geht es darum, im Grunde genommen wohl nur für einen kürzeren Zeitraum Abhilfe zu schaffen. Im Grunde müssen wir immerwährend danach trachten, daß Urteile in angemessener Zeit ergehen.2. Wenn Sie darauf hinweisen, daß es — ich glaube, ich darf Sie zitieren — „verdammt lange" gedauert habe, bis die Statistiken vorgelegen hätten, dann darf ich mit allem Respekt darauf verweisen, daß wir insoweit auf die Berichte der Länder angewiesen sind.3. Ich will nicht unbedingt sagen, daß hier der Satz gelte: „Gut Ding will Weile haben." Diese Vorlage verdient Beschleunigung. Aber Sie dürfen auch nicht vergessen, daß wir ohne Hast vorzugehen haben. Dies kann belegt werden, denn erst in jüngster Zeit mußten wir erleben, daß der Deutsche Richterbund Vorstellung erhoben hatte mit dem Hinweis, daß die Umverteilung der Prozeßdauer am Amtsgericht schade, und erst durch eine Rückfrage bei den Länderjustizministern mußten wir diesen Hinweis ausräumen.Zu dem Inhalt der Ausschußvorlage kann ich mich auf wenige Worte beschränken.Erstens. Die Erhöhung der Wertgrenzen für die Zuständigkeit der Landgerichte von 1 500 DM auf 3 000 DM ist übereinstimmend mit der Vereinfachungsnovelle der Bundesregierung und mit dem einschlägigen Initiativentwurf des Bundesrates vorgeschlagen worden. Sie soll — worauf alle übereinstimmend hingewiesen haben — in erster Linie die Verteilung des Geschäftsanfalles in den erstinstanzlichen Zivilsachen zwischen dem Amtsgericht und dem Landgericht wieder in ein ausgeglichenes Verhältnis — man kann wohl sagen: erstmals seit einigen Jahren — bringen. Seit der letzten Anhebung der Wertgrenze für die Zuständigkeit der Landgerichte im Jahre 1965 ist der Geschäftsanfall vor allem bei den Landgerichten unverhältnismäßig gestiegen. Das hat zu einer einseitigen Überlastung dieser Gerichte geführt. Die neue Wertgrenze soll rasch und wirksam Abhilfe schaffen. Sie wird darüber hinaus zu einer Entlastung auch der Oberlandesgerichte führen.Die Anhebung der Berufungssumme von 200 DM auf 500 DM ist von der Bundesregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode im Rahmen desEntwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung vorgeschlagen worden, der wegen der vorzeitigen Beendigung der Legislaturperiode allerdings nicht mehr — wie Sie alle wissen — abschließend behandelt werden konnte. Auch in der Vereinfachungsnovelle ist die gleiche Maßnahme vorgesehen. Sie entspricht damit einem seit langem verfolgten Anliegen der Bundesregierung, das sich der Bundesrat mit seinem Bleichlautenden Vorschlag in dem einschlägigen Initiativentwurf zu eigen gemacht hat. Auch insoweit geht es vor allem darum, die seit 1965 bestehende Wertgrenze den geänderten Verhältnissen anzupassen.Zweitens. Was den Ausschußbericht bezüglich der Frage des Einzelrichters anlangt, ist eigentlich schon das Erforderliche gesagt worden. Die jetzt vom Rechtsausschuß hierzu vorgeschlagene Lösung ist ein Kompromiß zwischen den Änderungsvorschlägen des Bundesrates und der Konzeption der Bundesregierung. Mit dem Bundesrat und gegen den Vorschlag der Bundesregierung sieht die Ausschußvorlage vor, daß die Übertragung des Rechtsstreites auf den Einzelrichter in das Ermessen der Kammer gestellt ist. Die Bundesregierung hatte insoweit eine zwingende Regelung empfohlen. Andererseits verzichtet die Ausschußvorlage mit dem Lösungsvorschlag der Bundesregierung und gegen das Votum des Bundesrates auf den vorbereitenden Einzelrichter der damit ganz zugunsten des allein entscheidenden Einzelrichters aufgegeben werden soll.Ich halte, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese neue Konzeption des Einzelrichters als eines stets auch allein mit der Fallentscheidung betrauten Richters für so wichtig, daß gewisse Bedenken gegen eine Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter nur nach dem Ermessen der Kammer zurückgestellt werden können. Insgesamt vertrete ich die Auffassung, daß die jetzt vorgeschlagene Lösung einen Kompromiß darstellt, der für alle Beteiligten annehmbar ist. In der Sache wird die angestrebte Erweiterung der Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters zu einer spürbaren Entlastung der Landgerichte führen. Sie rundet damit in sinnvoller Weise die bereits mit der Anhebung der Wertgrenzen vorgesehenen Maßnahmen zur Entlastung des Landgerichts ab.Drittens. Die Überarbeitung der Vorschriften über das gerichtliche Protokoll als dritter und letzter Teil der Ausschußvorlage ist praktisch unverändert aus dem Regierungsentwurf der Vereinfachungsnovelle übernommen worden. Geringfügige Ergänzungen tragen Änderungsvorschlägen des Bundesrates aus dem ersten Durchgang der Vereinfachungsnovelle Rechnung. In der Sache sind die vorgesehenen Maßnahmen unstreitig. Der Schwerpunkt liegt auf der Einführung des Tonbandprotokolls, das auf eine sichere gesetzliche Grundlage gestellt werden muß. Mit der Einführung des Tonbandprotokolls werden auch technische Neuerungen in sinnvoller Weise für den Geschäftsablauf der Gerichte nutzbar gemacht. Insbesondere kann den Schwierigkeiten entgegengewirkt werden, die sich für die gerichtliche Praxis aus dem Mangel an Kräften für die Protokollführung ergeben.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8923
Parl. Staatssekretär Dr. de WithAls Zeitpunkt des Inkrafttretens — und damit komme ich zum Schluß — hat der Rechtsausschuß den 1. Januar 1975 vorgeschlagen. Damit wird einem dringenden Anliegen der Länder Rechnung getragen. Ich bitte alle Beteiligten, dieses Anliegen bei der weiteren gesetzgeberischen Behandlung des Entwurfs im Auge zu behalten
zum Wohle der Beschleunigung der Verfahren ab 1. Januar 1975.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in dritter Beratung.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir müssen noch abstimmen über die Ausschußempfehlung Nr. 2 auf Seite 16 der Drucksache. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Müller , Frau Schroeder (Detmold), Frau Stommel, Dr. Götz, Frau Hürland, Burger und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Förderung sozialer Hilfsdienste— Drucksache 7/2085 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 7/2699 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Lepsius
Idh danke den Berichterstattern. Wünschen die Berichterstatter eine Ergänzung? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die zweite Beratung.Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Art. 1, 2, 3, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich eröffne diedritte Beratung.Wird das Wort in dritter Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die dritte Beratung.Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundes-Tierärzteordnung— Drucksache 7/2504 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 7/2701 —Berichterstatter: Abgeordneter Jaunich
Ich danke den Berichterstattern. Wünscht von den Berichterstattern jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die zweite Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die zweite Beratung.Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer den Art. 1, 2, 3, 4, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung— Drucksache 7/2569 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 7/2698 —Berichterstatter: Abgeordneter Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Jenninger, Köster, Frau Dr. Neumeister, Dr. Hammans, Frau Schleicher, Braun und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung— Drucksache 7/2373 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 7/2698 —Berichterstatter: Abgeordneter Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein
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8924 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Vizepräsident von HasselIch danke den Berichterstattern. Wünschen diese das Wort? — Das Wort wird nicht gewünscht.Ich eröffne die zweite Beratung. — Das Wort wird nicht begehrt. — Ich schließe die zweite Beratung. Wer dem Gesetz in den Art. 1, 2, 3, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe diedritte Beratungauf. Es liegen Wortmeldungen vor, zunächst die von Prinz zu Sayn-Wittgenstein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf zur Änderung der Bundesärzteordnung — Drucksache 7/2569 — zu, auch wenn mit Bedauern festgestellt werden muß, daß die Koalitionsparteien nicht bereit waren, den sehr viel früher eingebrachten Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Grundlage der heutigen Entscheidung zu machen.Im übrigen hätte die Bundesregierung viel Unruhe und Ärger vermeiden können, wenn sie, nachdem sie noch frühzeitiger durch zwei Kleine Anfragen der CDU/CSU-Fraktion auf die Probleme der Durchführbarkeit der Approbationsordnung aufmerksam gemacht worden war, in der ersten Hälfte dieses Jahres selbst die Initiative zur Gesetzesänderung ergriffen hätte. Noch immer sind nicht alle Fragen, die sich aus der Anwendung der neuen Approbationsordnung ergeben, beantwortet. Aus diesem Grunde legt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag auf Drucksache 7/2799 vor, den ich gleichzeitig kurz begründen darf.Nach Auffassung meiner Fraktion muß die Bundesregierung, und zwar stärker als bisher, zusammen mit den Bundesländern die bekannten Schwierigkeiten bei der Durchführung der Approbationsordnung ausräumen und sich davon überzeugen, daß alle Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße und möglichst gleichwertige Ausbildung in Lehrkrankenhäusern geschaffen werden. Die Durchführung des praktischen Jahres in der Ausbildung von Medizinstudenten erfordert eine zusätzliche Personal- und Sachausstattung der akademischen Lehrkrankenhäuser. Die Erstellung von Gegenstandskatalogen ist ebenso notwendig wie die Erarbeitung von Rahmenprogrammen für die Ausbildung in den verschiedenen klinisch-praktischen Fachgebieten. Prüfstoffübersichten und Gegenstandskataloge müssen ebenfalls den mit der Ausbildung der Studenten betrauten Ärzten bekanntgemacht werden, damit sich die Ausbildung auch an diesen Anforderungen orientiert.Wegen der erheblichen zusätzlichen finanziellen Aufwendungen, zu denen die Bundesländer durch die Einführung der praktischen Ausbildung in Krankenhäusern veranlaßt werden, und der großen Schwierigkeiten, darüber hinaus qualifizierte Ärzte für die Ausbildung der Studenten zu gewinnen, sollte auf die Einführung zusätzlichen poliklinischenUnterrichts und ebenso auf die Neueinrichtung von poliklinischen Abteilungen an Lehrkrankenhäusern verzichtet werden. Auch aus anderen Gründen eignet sich der poliklinische Unterricht nicht für die Ausbildung von Studenten, die nach der Approbationsordnung ihre Famulatur künftig in anderen Einrichtungen unseres Gesundheitssystems durchführen werden und daher das volle Jahr im letzten Ausbildungsabschnitt nutzen sollten, um am Krankenbett ausgebildet zu werden.Die CDU/CSU hält auch eine umfassende Prüfung der Frage für unerläßlich, ob die Studenten während ihrer Tätigkeit in Krankenhäusern vollen Versicherungsschutz erhalten, wie ihn alle anderen im Krankenhausbereich Tätigen genießen. Bevor die Ausbildung des ersten Studenten nach der neuen Approbationsordnung am 1. August 1976 in Lehrkrankenhäusern beginnt, muß diese Frage befriedigend, und zwar abschließend, geregelt werden.Es sollte auch geprüft werden, ob durch die Verlegung der Ausbildung an andere Orte als den Hochschulort für die Studenten eine unzumutbare finanzielle Belastung entsteht.Nach Meinung der Bundesregierung erbringen die Studenten während ihrer praktischen Ausbildung im Krankenhaus keine Dienstleistungen, die die Zahlung eines angemessenen Entgelts erfordern. Diese Meinung kann sich die CDU/CSU nicht zu eigen machen.
Sie fordert daher die Regierung auf, diese Frage gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft noch einmal zu untersuchen.Da der Student während seiner Ausbildung insbesondere im Krankenhaus — das würde um so mehr für die hier und da geforderten Polikliniken gelten — nur ausgesuchtem und „gefiltertem" Patientengut begegnet, wird das Ausbildungsangebot in den Bereichen, die vor allem für die künftige Tätigkeit in der Allgemeinmedizin wichtig sind, weiterhin vernachlässigt. Im Hinblick auf den erheblichen Bedarf an gut ausgebildeten Ärzten für Allgemeinmedizin für die ambulante Versorgung der Bevölkerung werden von der Bundesregierung und den Ländern verstärkte Anstrengungen erwartet, um das Ausbildungsangebot in der Allgemeinmedizin zu verbessern. Man darf nicht einerseits gewisse strukturelle und regionale Mängel in der ambulanten Krankenversorgung beklagen, wenn man andererseits nicht bereit ist, entsprechende Gegenmaßnahmen durch die Ausbildung der künftigen Ärzte vorzusehen.Schließlich hat sich herausgestellt, daß sich durch die Anpassung an die Regelung der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der Studiendauer im Medizinstudium für einige hundert Studenten der Zwang ergibt, ein zusätzliches Semester ohne Lehrinhalt zu studieren. Dies ist aus verschiedenen Gründen unerwünscht. Vor allem entstünden hier zusätzliche finanzielle Belastungen für den Staat und den Studenten, aber auch für die Hochschule.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8925
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Hier erwarten wir, daß die Bundesregierung baldmöglichst eine gerechte Lösung findet, die unnötige Belastungen für den Staat und die Gesellschaft vermeidet.Aus diesem Grund stimmen wir insofern auch dem Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 7/2805 zu, weil hier diesen Problemen ebenfalls Rechnung getragen werden soll, auch wenn unter Umständen andere Lösungen als die dort vorgeschlagene die richtigeren sein könnten. Wir hoffen zuversichtlich, daß die Regierung hier in den nächsten Wochen gemeinsam mit dem Fachausschuß den geeigneten Weg findet.Zusammenfassend möchte ich feststellen, daß noch zahlreiche Probleme, von denen die wichtigsten hier vorgetragen wurden, in der Durchführung der Approbationsordnung bestehen. Wir fordern die Regierung auf, entsprechend unserem Entschließungsantrag gemeinsam mit den Ländern tätig zu werden, um offensichtliche Mängel abzustellen. Hierzu sind Bund und Länder verpflichtet, um eine optimale Ausbildung unserer künftigen Ärzte sicherzustellen.Ich darf Sie bitten, unseren Entschließungsantrag auf Drucksache 7/2799 dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bardens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch ganz kurz Stellung nehmen zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und zu dem Entschließungsantrag, der nicht nur von der SPD, sondern von SPD und FDP hier vorgelegt worden ist.
Es ist sicher so, daß in dem Entschließungsantrag der Opposition eine ganze Reihe von Fragen angesprochen worden ist, die weiterer Behandlung bedürfen, die auch im zuständigen Fachausschuß noch mit Vertretern der Länder — möglicherweise auch mit Sachverständigen — besprochen werden müssen. Wir würden deshalb darum bitten, diesen Entschließungsantrag an den zuständigen Fachausschuß zu überweisen. Dies ist ganz sicher keine Beerdigung dieses Entschließungsantrags, denn auch wir sind daran interessiert, die in diesem Antrag angeschnittenen Themen wirklich zu beraten, weil wir ja wissen, daß die Medizinerausbildung eine neue Entwicklung nimmt.
Nur muß ich wenigstens eines kritisch dazu bemerken. Im zweiten Punkt des Entschließungsantrags der CDU/CSU wird der Verzicht auf Einführung von poliklinischem Unterricht in Lehrkrankenhäusern gefordert. Übrigens haben Sie sich dann, Herr Kollege, in Ihrer Begründung zu Punkt 6 — es tut mir leid — etwas widersprochen, weil Sie sagten, es sollte nun auch gleichzeitig viel stärker in die Probleme der Allgemeinmedizin und der praktischen Medizin eingeführt werden. Dieser Punkt könnte ja so aufgefaßt werden, als ob unterstellt würde, daß im Augenblick irgend jemand die Einführung von Ambulatorien oder von poliklinischer Ausbildung an den Lehrkrankenhäusern forderte. Ich habe in der ersten Lesung zu diesem Gesetz unwidersprochen festgestellt, daß dieses Gesetz zunächst einmal praktiziert werden sollte, bevor überhaupt irgend jemand darangeht, es wieder ändern zu wollen.
Wir bleiben bei diesem Standpunkt, und wir meinen, deshalb sei die möglicherweise vorhandene Unterstellung, die hinter Punkt 2 des Entschließungsantrages der CDU/CSU steht, nicht erforderlich.
Wir stimmen gern dem zu, was in Punkt 6 steht, daß nämlich vermehrte Bemühungen um ein verbessertes Ausbildungsangebot für die Allgemeinmedizin unternommen werden müßten.
Wir stimmen auch dem Punkt 7 zu, den wir in unserem Entschließungsantrag allerdings etwas präzisiert, etwas ergänzt haben, weil wir meinen, die Lösung, die notwendig sei, müsse zweierlei gewährleisten, nämlich erstens, daß niemand unnötigerweise ein Semester zu lange studiert, und zweitens, daß auch der Studienabschluß — das Examen, die Approbation — der Studentengruppe, die hier betroffen ist, in der EG anerkannt bleibt. Wir meinen, daß man das dadurch bewerkstelligen könnte, daß man dieses elfte Semester zum Examenssemester macht. Rechtlich wäre es zulässig, wenn man den Studienabschluß unmittelbar nach dem Ende des elften Semesters vorsieht. Wir empfehlen deshalb, den Antrag der CDU/CSU zu weiterer, durchaus gründlicher Beratung dem Fachausschuß zu überweisen und den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Namens der FDPFraktion darf ich erklären, daß wir dem Gesetzentwurf in der vom Ausschuß vorgelegten Fassung selbstverständlich zustimmen. Ich möchte zu den Ausführungen des Kollegen Prinz zu Sayn-Wittgenstein nur bemerken, daß die Schwierigkeiten, die bei der Durchführung des Bundesärzteordnung und der Approbationsordnung eingetreten sind, natürlich nicht nur die Bundesregierung zu verantworten hat, sondern daß hier eine gemeinsame Verantwortung der Bundesregierung und der Landesregierungen zu sehen ist.Wir stimmen der beantragten Überweisung des Entschließungsantrags der CDU/CSU-Fraktion in den Ausschuß zu und begrüßen es, daß damit eine Möglichkeit besteht, sich über die angeschnittenen Fragen im Ausschuß in aller Sachlichkeit zu unter-
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8926 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Spitzmüllerhalten, zu informieren und unter Umständen die entsprechenden Beschlüsse zu fassen.Der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP, der auch von der CDU/CSU zur Annahme empfohlen worden ist, soll deutlich machen, daß wir die Bundesregierung schon heute beauftragen, dafür Sorge zu tragen, daß für 100 bis 300 Studenten, die durch dieses Gesetz wieder nicht so erfaßt werden, wie wir es gerne hätten, keine Härten eintreten. Dieser Entschließungsantrag macht aber auch deutlich, daß wir bei der deutschen Gesetzgebung in Zukunft immer mehr darauf achten müssen, was wir in Deutschland tun dürfen, ohne gegen EG-Richtlinien zu verstoßen.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Herr Zander.
Her Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Initiative, die alle Fraktionen dieses Hauses ergriffen haben, um praktikable Übergangsregelungen bei der Einführung der neuen Prüfungsbestimmungen der Bundesärzteordnung zu schaffen. Das Ergebnis dieser Initiative ist das jetzt hier zur Verabschiedung anstehende Gesetz, bei dessen Erarbeitung die Bundesregierung ebenso selbstverständlich sachbezogen kooperiert hat, wie sie dies hier im Hinblick auf eventuell notwendig werdende Fälle auf diesem Gebiet in Zukunft zusagen kann.
Die Bundesregierung mußte allerdings nach den ihr vorliegenden Informationen in der ersten Hälfte des Jahres 1974 davon ausgehen, daß die Länder die erforderliche Ausbildungskapazität zum vorgesehenen Zeitpunkt schaffen würden. Das war der Grund, warum die Bundesregierung Anfang des Jahres keine Veranlassung sah, auf diesem Gebiet initiativ zu werden.
Die Änderung der Bundesärztordnung ist Voraussetzung für die notwendige Änderung der Approbabationsordnung für Ärzte. Die Bundesregierung hat dazu die entsprechenden Vorbereitungen bereits getroffen. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend an die für die Durchführung der Approbationsordnung für Ärzte zuständigen Stellen appellieren, alles zu tun, damit ab 1. Oktober 1976 die praktische Ausbildung im letzten Jahr des Medizinstudiums ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Der erreichte Zeitgewinn muß genutzt werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in dritter Beratung.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Wir müssen dann noch über die Nrn. 2 und 3 des Antrags des Ausschusses abstimmen. Danach soll der Gesetzentwurf Drucksache 7/2373 durch die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 7/2569 für erledigt erklärt werden. Außerdem sollen die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt erklärt werden. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Wir müssen ferner noch über zwei Entschließungsanträge abstimmen.Das eine ist der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2799. Es ist beantragt worden, ihn an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Dann gibt es noch den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD/FDP auf Drucksache 7/2805. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen— Drucksache 7/100 —Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/2712 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Sprung Abgeordneter Dr. Weber
Ich danke den Berichterstattern. Wünschen diese noch das Wort zur Ergänzung? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die zweite Beratung. — Eine Aussprache in der zweiten Beratung wird nicht gewünscht. Ich schließe die zweite Beratung. Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Wer den Art. 1, 1 a), 1 b), 2, 2 a), 3, 4, 5, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich eröffne diedritte Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. — Ich schließe diedritte Beratung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8927
Vizepräsident von Hasselerheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich muß jetzt die Punkte 26 und 27 aufrufen.Ich rufe zunächst Punkt 26 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes— Drucksache 7/2105 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/2771 —Berichterstatter:Abgeordneter Hauser
b) Bericht und Antrag des Verteidigungsausschusses
— Drucksache 7/2770 — Berichterstatter:Abgeordneter de Terra
Wünschen die Berichterstatter, denen ich danke, zur Ergänzung das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.Wer dem Gesetz in seinen Art. 1 und 2, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich eröffne diedritte Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die dritte Beratung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 27 a) der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und prämienrechtlicher Vorschriften— Drucksache 7/2397 —aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/2798 —Berichterstatter:Abgeordneter Haase
bb) Erster Bericht und Antrag des Verteidigungsausschusses
— Drucksache 7/2796 —Berichterstatter: Abgeordneter Löher
Ich danken den Berichterstattern. Wünschen diese das Wort zur Ergänzung? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe diese Beratung.Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Wer den Art. 1, 2, 3, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich eröffne diedritte Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe sie. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir haben noch über die Nr. 2 des Antrages des Ausschusses, die im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf stehenden Petitionen für erledigt zu erklären, abzustimmen. — Ich höre keinen Widerspruch gegen diesen Antrag. Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 27 b) der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und prämienrechtlicher Vorschriften— Drucksache 7/2397 —Zweiter Bericht und Antrag des Verteidigungsausschusses
— Drucksache 7/2797 —Berichterstatter: Abgeordneter Löher
Ich eröffne die zweite Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die zweite Beratung. Wer dem Gesetz in den Art. 1, 2, 3 und 4, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich eröffne diedritte Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht? — Ich schließe die dritte Beratung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir haben auch hier noch über die Nr. 2 des Ausschußantrages, die im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf stehenden Petitionen für erledigt zu erklären, abzustimmen. — Ich höre keinen Widerspruch gegen diesen Antrag. Es ist so beschlossen.Wir kehren zur alten Reihenfolge der Tagesordnung zurück, und ich rufe Punkt 10 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes
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8928 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Vizepräsident von Hasselzur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes— Drucksache 7/2705 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß gemäß § 96 GODas Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.Der Überweisungsvorschlag findet sich auf der ausgedruckten Tagesordnung. — Ich sehe keinen Widerspruch; die Überweisung ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz— Drucksache 7/2722 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und SozialordnungHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GODas Wort wird von Herrn Dr. Häfele gewünscht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz will 33 Steuer- und Sozialgesetze ändern. Dabei handelt es sich weitgehend um redaktionelle und formelle Rechtsangleichungen, die unbestritten notwendig sind und im Finanzausschuß auch verhältnismäßig rasch behandelt werden können. Andere Änderungen sind inhaltlicher Art, die strenggenommen eigentlich schon bei dem sogenannten Einkommensteuerreformgesetz hätten verabschiedet werden sollen, z. B. der Verzicht auf die Ordnungsgemäßheit der Buchführung für Steuervergünstigungen.Die Beratungen stehen unter einem Zeitdruck. Die Drucksache ist erst am 31. Oktober dieses Jahres beim Bundestag angekommen. Nach dem Vorschlag des Ältestenrates werden nicht einmal alle Fachausschüsse mit der Beratung dieses Gesetzentwurfs befaßt werden können, obwohl das an sich notwendig wäre. Der Zeitdruck ist um so problematischer, als wir bei der sogenannten Steuerreform schlechte Erfahrungen mit hektischen Beratungen und den zeitlichen Beengungen gemacht haben. Es war ein unverantwortlicher Zeitplan, wie wir meinen, der zu dem berühmten Endergebnis geführt hat, das Fredersdorf nicht zu Unrecht als „das schlechteste Steueränderungsgesetz der Nachkriegszeit" bezeichnet hat.In diesem Zusammenhang bleiben — das wären an sich Fragen, die auch bei diesem Einführungsgesetz gestellt werden müßten — als Nachlese einige inhaltliche Probleme. Die Frage ist, ob es in der Tat gerecht ist, daß das Einkommensteuerreformgesetz die Frührentner mit Kindern benachteiligt, daß ihnen teilweise nicht einmal der Status quo gewährt wird, ob es etwa im Vergleich mit den Beamten gerecht ist, bei denen es jetzt eine Ortszuschlagsverbesserung — wenngleich bei mittleren und höheren Chargen „gekappt" — gibt. Kann man das als gerecht bezeichnen? Oder ist es gerecht, daß die geschiedenen Unterhaltszahler und die nichtehelichenVäter bei der neuen Kindergeldregelung benachteiligt werden? Oder kann nicht eine sparerfreundlichere Übergangslösung hinsichtlich bestehender Sparverträge für diejenigen gefunden werden, die — rückwirkend — nicht mehr in den Genuß des prämienbegünstigten Sparens kommen?Das Gesetz selber bringt Besitzstandseinbußen durch eine Neuregelung beim Arbeitslosengeld in Verbindung mit dem Kindergeld. Auch hier ist zu fragen, ob das tatsächlich gerecht ist.Daneben häuft sich in den letzten Monaten immer mehr eine Pannenliste an. Infolge der hektischen Beratungen der sogenannten Steuerreform hat sich doch gezeigt, daß verschiedene Pannen passiert sind. Wir möchten die Bundesregierung auffordern, nicht etwa den Versuch zu machen, im Erlaßwege das zu tun, was an sich der Gesetzgeber tun sollte, womöglich gegen den Willen des Gesetzgebers in Einzelfällen; oder, was etwa die Berlin-Hilfe anlangt, gravierende Änderungen im Erlaßwege vorzunehmen; das würde die sowieso schon schwierige Situation in Berlin sicher nicht verbessern.Insgesamt handelt es sich sozusagen um einen notwendigen „Lumpensammler" der Einkommensteuerreform, um da und dort noch das Notwendige einzusammeln, was auf dem Wege liegengeblieben ist. Es handelt sich eigentlich nicht um das, was die Stunde verlangen würde, nämlich daß wir jetzt die Steuerprobleme, die in diesen Monaten anstehen, diskutieren, und daß die Regierung einen Versuch macht, hier Lösungen aufzuzeigen. Denn es zeigt sich doch immer mehr, daß in zunehmendem Maße heute echte Fragen zur Steuerpolitik bestehen. So wird etwa die ohnedies schon geschwächte Investitionsfähigkeit der Unternehmen durch die Überbesteuerung, vor der wir immer gewarnt haben, wie sie aber bei der Steuerreform durchgesetzt wurde, noch mehr beeinträchtigt.Zeigt sich jetzt nicht, daß das angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung im nächsten Jahr eine Fehlentwicklung ist? Und zeigt sich nicht, daß etwa das Problem der Scheingewinnbesteuerung nicht mehr länger aufzuschieben ist? Weil mit der Lösung dieses Problems nicht einmal angefangen wurde, haben wir eben auch aus diesem Grunde eine Investitionshemmung, die vom Steuerrecht ausgeht.Wir halten die Bundesregierung an ihren Erklärungen der letzten Tage und Wochen fest, daß sie im nächsten Jahr keine Steuererhöhungen vornehmen werde. Es wäre in der Tat ein großer Fehler, wenn sie es täte; denn es darf nicht geschehen, daß der endlich — wenn auch verspätet — erfolgende Teilabbau der jahrelangen heimlichen Steuererhöhungen teilweise wieder durch neue Steuererhöhungen demontiert wird, die in dieser Lage preistreibend wirken und/oder Arbeitsplätze gefährden würden.Wir möchten die Bundesregierung auffordern, künftig in ihrer Steuerpolitik die Fehler der letzten Jahre nicht zu wiederholen und nicht allzusehr den SPD-Steuerparteitag vom November des Jahres 1971 oder das Langzeitprogramm der SPD, das ja unter der Führung des jetzigen Bundeskanzlers, Helmut
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8929
Dr. HäfeleSchmidt, ausgearbeitet wurde, zur Leitlinie ihrer Steuerpolitik zu machen. Die finanzpolitische Situation ist schwierig genug. Man darf sich nicht mit der Brille der Ideologie diese Wirklichkeit verstellen lassen. Wenn Sie mit der Brille der Ideologie — wie in den letzten Jahren zu sehr geschehen — an die Steuerpolitik herangehen, werden Sie an der Wirklichkeit scheitern. Und diese Wirklichkeit schaut finanzpolitisch sehr düster aus.
Das Wort hat Herr Dr. Weber .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Häfele hat erwähnt, wie viele Bestimmungen dieses Gesetz aufweist. Ich meine, allein daraus ergibt sich schon, daß diese Bundesregierung nicht aus Faulpelzen besteht, sondern mit großem Fleiß die sich aus der Steuerreform ergebenden Eingriffe und Auswirkungen auf andere Gesetze angleicht und die Vorschriften aufeinander abstimmt. Wir werden diesen Gesetzentwurf deshalb sehr sorgfältig beraten, allerdings auch sehr zügig.
Entgegentreten möchte ich der Meinung der Opposition, daß dieses Einführungsgesetz deshalb notwendig sei, weil die Steuerreformgesetze überhastet durchgezogen worden seien. Es ist doch ganz zwangsläufig, daß alle Gesetze, die ihre Grundlage z. B. im bisherigen Kinderfreibetrag hatten, welcher durch das gerechtere System des Familienlastenausgleichs ersetzt worden ist, geändert werden müssen. Das gleiche gilt für andere steuerliche Grundsätze, die strukturell mit den Lohn- und Einkommensteuergesetzen zusammenhängen.
Aber lassen Sie mich ein anderes feststellen: Sie tun so, als sei ein Einführungsgesetz bei uns etwas völlig Neues. Selbst zu einer Zeit, Herr Kollege Häfele, als die Gesetzgebungsorgane noch sehr viel Zeit hatten und in Ruhe und Betulichkeit beraten konnten — z. B. beim Bürgerlichen Gesetzbuch oder beim Strafgesetzbuch im vergangenen Jahrhundert —, mußte man ein Einführungsgesetz schaffen, das heute noch eine Pfründe für zahlreiche Doktorarbeiten darstellt.
— Herr Häfele, Sie haben dem, wie Sie es nannten, schlechtesten Steuergesetz zugestimmt. Dieses Steuergesetz ist hier mit Ihren Stimmen verabschiedet worden. Es ist kein arbeitsplatzgefährdendes Steuergesetz, es ist auch kein ideologisch durchsetztes Steuergesetz, sondern ein Gesetz, das die steuerlichen Belastungen, insbesondere der Arbeitnehmer, ein ganzes Stück gerechter gestalten soll. Deswegen einige Bemerkungen zum Inhalt dieses Gesetzes.
Der Entwurf sieht vor, daß für die Gewährung von steuerlichen Vergünstigungen in der Zukunft nicht mehr verlangt wird, daß der Steuerpflichtige den Gewinn auf Grund ordnungsgemäßer Buchführung ermittelt haben muß. Auf diese Voraussetzung hat das Einkommensteuerreformgesetz bereits bei allen im Einkommensteuergesetz gewährten Vergünstigungen verzichtet. Insoweit ist Ihr Vorwurf also auch nicht berechtigt; denn wir haben das bei den Bestimmungen, die unmittelbar im Einkommensteuerreformgesetz geregelt werden konnten, bereits berücksichtigt. Das Einführungsgesetz verwirklicht diesen Grundsatz nunmehr auch für den gesamten Bereich der steuerlichen Vergünstigungen und kommt damit zugleich auch einem vom Finanzausschuß des Deutschen Bundestages während der Beratungen zum Einkommensteuerreformgesetz geäußerten Wunsche nach.
Ein Weiteres, worüber Sie auch hinweggegangen sind: Das Gesetz enthält sehr viele Vergünstigungen, und zwar abgestellt auf den Inhalt des Steuerreformgesetzes, für den Berliner Arbeitnehmer, sei es für das Konkursausfallgeld oder sei es für den Fall der Erkrankung.
Sie haben Ungereimtheiten, die es, wenn Sie das System dieser Steuerreformgesetze betrachten, in Wirklichkeit gar nicht gibt, angesprochen. Nach dem Familienlastenausgleich, dem wir alle einstimmig zugestimmt haben — Sie waren ursprünglich zwar einmal anderer Meinung —, wird die Mehrbelastung der Familien mit Kindern künftig allein durch das erhöhte Kindergeld ausgeglichen. Es war demnach folgerichtig, daß z. B. in den Regelungen, die sich mit der Anpassung des Arbeitsförderungsgesetzes befassen, die Höhe der Lohnersatzleistung, nämlich das Arbeitslosengeld, unabhängig von der Zahl der Kinder festgesetzt wird. Die höheren Kindergeldsätze führen dabei nun einmal dazu, daß ein Arbeitnehmer mit Kindern im Falle der Arbeitslosigkeit einen prozentual höheren Anteil seines bisherigen Gesamteinkommens behält als ein lediger oder ein verheirateter Arbeitnehmer ohne Kinder.
Während diese nach dem Vorschlag der Bundesregierung 68 v. H. ihres bisherigen Nettolohnes erhalten sollen, wirkt sich das Kindergeld dahin aus, daß z. B. ein Arbeitsloser mit vier Kindern und einem monatlichen Bruttoverdienst von 1 800 DM in der Zukunft eben rund 75 v. H. seines bisherigen Einkommens behält; also eine eindeutige Verbesserung nach diesem Gesetz. Dieser Vomhundertsatz kann noch höher liegen, wenn zu dem Gesamteinkommen des Arbeitnehmers weitere Sozialleistungen gehören, die seine Belastung durch die Kinder berücksichtigen, z. B. bei der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.
Nach dem Vorschlag der Bundesregierung werden Arbeitslose mit Kindern bei dem gebotenen Gesamtvergleich, der das Kindergeld einbezieht, trotz des Wegfalls der Familienzuschläge durchweg höhere Leistungen erhalten.
Namens meiner Fraktion bitte ich deshalb um Überweisung an die Ausschüsse.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vohrer.
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8930 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nachdem Kollege Weber auf den sachlichen Inhalt des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuergesetz eingegangen ist, möchte ich einige Erwiderungen auf die Ausführungen von Herrn Häfele machen, der uns nochmals das alte Märchen von dem unverantwortlichen Zeitdruck aufgetischt hat.
Kollege Häfele, in dem Moment, wo Sie das Gesetz als Lumpensammler auffassen und wo Sie mit dem Gesetz alle steuerpolitischen Probleme, die Sie in diesen Monaten sehen, nachträglich lösen wollen, machen Sie etwas ganz anderes, als eigentlich gedacht ist.
Wenn Sie mit dem Einführungsgesetz das Problem der Überbesteuerung der Unternehmen lösen wollen, wenn Sie damit das Problem der Scheingewinnbesteuerung lösen wollen, verändern Sie das Gesetz in essentiellen Teilen.
Wir sind der Ansicht, daß wir mit der Steuerreform keine Überbesteuerung der Unternehmungen vornehmen, zumal wir uns unter allen vier Parteien hier im Hause einig sind, daß der Spitzensteuersatz von 53 auf 56 % angehoben werden soll.
Zum zweiten: Wenn Sie hier die Scheingewinnbesteuerung kritisieren, dann müßten Sie doch zu dem alten und in diesem Hause weitgehend ausdiskutierten Thema der Indexierung zurückkommen; denn nur über eine konsequente Indexierung können Sie Scheingewinne aus der Besteuerung heraushalten.
Herr Kollege Häfele, wir machen Ihre finanzpolitische Schwarzmalerei nicht mit,
im Gegenteil, wir glauben, daß wir mit der Steuerreform einen Beitrag leisten, um aus der jetzigen konjunkturellen Situation herauszukommen, indem wir die inländische Nachfrage steigern. In dem Moment, wo wir rund 13,5 Milliarden DM mehr Kaufkraft in die Volkswirtschaft leiten, wird ein wesentlicher Impuls für die Konjunkturbelebung gegeben.
Wir sind sicher, daß wir durch das Einführungsgesetz, das wir zügig beraten wollen, einen Beitrag dazu leisten, daß die Steuerreform am 1. Januar 1975 zum Tragen kommt und auch konjunkturell in die Landschaft paßt. Die Steuerreform ist unser Beitrag, die finanzpolitische und konjunkturpolitische Schwarzmalerei der Opposition zu widerlegen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung in erster Lesung.
Es ist begehrt worden, die Überweisung wie in der Tagesordnung ausgedruckt vorzunehmen. Durch
interfraktionelle Vereinbarung ist ferner begehrt worden, die Vorlage zusätzlich zur Mitberatung auch an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen zu überweisen. Ich sehe keinen Widerspruch. — Dann ist die gesamte Überweisung so beschlossen.
Ich rufe dann Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 11. Oktober 1973 zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage
— Drucksache 7/2704 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Forschung und Technologie Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort in erster Lesung wird nicht gewünscht. — Ich schließe die Beratung in erster Lesung. Die Überweisungsvorrschläge ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. — Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Bericht über die fortdauernden Folgekosten des öffentlichen Personennahverkehrs
— Drucksachen 7/2495, 7/2725 —
Ich danke dem Berichterstatter. Wünscht er das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Beratung. Es ist vereinbart worden, daß Erklärungen abgegeben werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Milz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU gebe ich zur zweiten und dritten Beratung des Antrages meiner Fraktion betreffend Bericht über die fortdauernden Folgekosten des öffentlichen Personennahverkehrs folgende Erklärung ab:Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt, daß die Regierungskoalition voll und ganz der hier zu verabschiedenden Initiative meiner Fraktion zustimmt. Die Bundesregierung glaubt allerdings immer noch, bekräftigen zu müssen, sie werde den verkehrspolitischen Kurs der vergangenen Jahre fortsetzen. Dabei stellt sich die Frage, ob dies nun der Kurs des Verkehrsministers Leber oder der Kurs des so erfolgreichen Verkehrsministers Lauritzen oder möglicherweise ein neuer verkehrspolitischer Kurs ist.
Meine Damen und Herren, gerade die Zustimmung zu dieser Initiative der CDU/CSU macht deutlich, daß dies wohl längst zu einem Lippenbekenntnis geworden ist. Es soll damit offensichtlich die Tatsache verdeckt werden, daß die Koalition sich mehr und mehr dem überzeugenden Nahverkehrskonzept der CDU/CSU zuwendet, vielleicht jetzt noch nicht einmal auf Grund gewachsener Einsicht,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8931
Milzsondern einfach unter dem Zwang leergewirtschafteter Staatskassen.
„Verkehrspolitik ist Gesellschaftspolitik" — unter diesem auf den öffentlichen Personennahverkehr bezogenen Slogan hat sich die ÖPNV-Politik der Regierungskoalition in den vergangenen Jahren mehr um das gekümmert, was Illusion oder Ideologie war, als um das, was machbar gewesen ist. Dem, der Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit bestimmter öffentlicher Personennahverkehre oder hinsichtlich der Belastbarkeit der öffentlichen Haushalte mit den explosiv wachsenden Defiziten der Nahverkehrsbetriebe geltend machte, wurde regierungsamtlich die hohe Reife der einzig richtigen Erkenntnis aberkannt, dem wurden die Stempel „ÖPNV-feindlich" und „autofreundlich" aufgedrückt. Daß die amtliche Verkehrspolitik jetzt so sehr bemüht ist, den Geruch der Autofeindlichkeit loszuwerden, zeigt, wie leicht derartig ideologisierte Pauschalurteile zu einem Bumerang werden können.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, namens der CDU/CSU-Fraktion hier betonen: Die Vorstellungen der Union von öffentlichem Personennahverkehr lassen sich von den Grundüberlegungen leiten, daß die Verkehrsprobleme unserer Städte und Ballungsräume ohne einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr nicht lösbar sind. Unsere Städte dürfen nicht für einen hunderttausendfachen Individualverkehr denaturiert werden. Andererseits wird es eine ÖPNV-gerechte Großstadt ebenso wenig geben, wie es eine autogerechte Stadt geben kann.Ob es den in aller Regel bestens motorisierten Ideologen paßt oder nicht: Verkehrsgerechte Städte und Ballungsräume sind nicht mit einem Entweder- Oder, sondern nur mit einem Sowohl-Als auch von öffentlichem Personennahverkehr und Individualverkehr zu realisieren.
Die Schwierigkeit, meine Damen und Herren, liegt zugegebenermaßen darin, daß es heute nicht möglich ist, mit Kosten-Nutzen-Berechnungen die gesamtwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit des Individualverkehrs einerseits und des öffentlichen Personennahverkehrs andererseits für den konkreten Einzelfall zu ermitteln. Wer allerdings wie die Bundesregierung daraus den Schluß ziehen zu können glaubt, auf Wirtschaftlichkeit vollends verzichten zu können, hat damit schon die kritische Grenze zwischen frommen Wünschen und echten Möglichkeiten überschritten und bewegt sich in Regionen nicht mehr machbarer Politik.Gegenwärtig, meine Damen und Herren, sind es die vielen öffentlichen Nahverkehrsunternehmen, die die Zeche einer Nahverkehrspolitik ohne Augenmaß zu tragen haben.
Ihnen steht das Wasser — lassen Sie mich das etwas salopp sagen — bis zur Unterkante Oberlippe.Meine Damen und Herren, das muß sich ändern, sonst geht es an die Substanz dieser Betriebe mit der zwangsläufigen Folge: schlechtere Verkehrsleistungen im öffentlichen Nahverkehr — also genau das Gegenteil dessen, was die Regierung dem Wähler seit 1969 und auch heute immer wieder verspricht.Meine Damen und Herren, die hier und heute zu verabschiedende Initiative der CDU/CSU soll keineswegs laufende Gesetzgebungsverfahren verzögern, sondern sie soll einen entscheidenden Anstoß dazu geben, daß hier bald brauchbare Lösungen verwirklicht werden können. Ein entscheidender Anstoß soll auch dazu gegeben werden, beim Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in unseren Städten und Ballungsräumen nicht immer nur mit Milliarden-Beträgen auf großartig Neues zu setzen. Mit einer Politik der kleinen Schritte auf Vorhandenes aufzubauen oder Vorhandenes zu verbessern, kann oftmals viel lohnender sein und die Attraktivität des Nahverkehrs schneller und besser steigern.Wir haben im Nahverkehrskonzept der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dazu beispielsweise konkret vorgeschlagen: Sanierter Schienenverkehr, d. h. Ausbau und Verbesserung bestehender Straßenbahnen und S-Bahn-Netze durch mehr kreuzungsfreie Linienführung; grüne Welle bei Signalen und verbessertes Wagenangebot — es muß nicht immer U-Bahn sein, meine Damen und Herren! —;
beschleunigter Omnibuslinienverkehr, d. h. erhöhte Umlaufgeschwindigkeiten, und verbesserte Pünktlichkeit, insbesondere durch verstärkte Schaffung und Bereitstellung von Sonderfahrspuren auf stadtnahen Zubringerstraßen; integrierter Taxiverkehr im Rahmen der auf freiwilliger Kooperation basierenden Verkehrsverbände bei der öffentlichen Verkehrsbedienung in verkehrsschwachen Zeiten und aufkommensschwachen Stadtregionen; flexible Verkehrszonen durch tageszeitlich begrenzte verkehrsfreie Zonen, wo sich in Stadt- bzw. Ortskernen die Konzeptionen der reinen Verkehrszone nicht realisieren lassen; schließlich verbesserte Park-and-ride-Systeme an den End- und Haltepunkten des öffentlichen Nahverkehrs als Alternative einer humanen Siedlungsstruktur gegenüber betonierten Massenwohnlandschaften.Zum Schluß darf ich die Auffassung der CDU/CSU in der Weise zusammenfassen, daß ich feststelle: Hier gilt es nach unserer Meinung, in Zukunft konkrete Nahverkehrspolitik zu betreiben, die auch bezahlt werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Wiefel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hätte zu dieser spätabendlichen Stunde dieses gewaltigen Wortausbruchs sicher nicht bedurft. Ich meine, wir hätten uns diese Runde vielleicht sparen können; denn wir haben ja den Bericht über die fortdauernden Folge-
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8932 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Wiefelkosten des öffentlichen Personennahverkehrs in diesem Hause am 26. September beraten. Zumindest haben an jenem Tage alle Fraktionen ihre Erklärungen abgegeben, und der Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat einstimmig empfohlen, den Antrag auf Drucksache 7/2495 unverändert anzunehmen.Es hat also gar nichts Kontroverses gegeben.
Dies hat auch der mitberatende Haushaltsausschuß beschlossen. Damit ist der Auftrag eindeutig, der die Bundesregierung verpflichtet, bis zum 1. Januar 1976 einen Bericht über die zukünftige Entwicklung der fortdauernden Folgekosten des öffentlichen Personennahverkehrs für die öffentlichen Hände zu erstellen. Das ist übrigens nichts Neues; das hat es, soweit mir erinnerlich, im Jahre 1963 oder 1964 schon einmal gegeben.Ich glaube, der Sinn dieses Unternehmens ist eindeutig dargestellt und ja wohl auch unstrittig. Um so verwunderter bin ich allerdings, daß es hier zur erneuten Diskussion über einen Fragenkomplex kommt, der im Ausschuß und in diesem Hause durchdiskutiert war und der erst dann neue Aspekte bringt, wenn der Bericht der Bundesregierung auf dem Tisch liegt. Dies soll bis zum 1. Januar 1976 der Fall sein.Ich sage dies nicht, um jemanden daran zu hindern, hier seine Meinung zu sagen, sondern nur, um festzustellen: Die Arbeit in diesem Hause, deren Effizienz ja so oft beklagt wird, wäre sinnvoller, wenn man unnötigen Doppeldiskussionen aus dem Wege ginge.
Lassen Sie mich folgendes sagen, Herr Kollege Milz. Wir haben gar nicht die Absicht, Ihrer Politik beizutreten. Wir haben uns Ihrem Antrag gegenüber — lassen Sie mich das einmal etwas salopp sagen — recht jovial verhalten. Schon gar nicht wollen wir Ihrer Politik beitreten.
Wenn Sie gelesen waben, was Herr Minister Gscheidle kürzlich aktualisiert noch einmal zu diesen Positionen der Verkehrspolitik gesagt hat, werden Sie festgestellt haben, daß er verdeutlicht hat, daß sich an den grundsätzlichen Zielen nichts ändert.
— Darüber habe ich ja in diesem Hause in der ersten Runde schon gesprochen. Ich habe gesagt, daß die Kommunalpolitiker in den Bereichen, in denen sie etwas zu sagen haben, das Ihrige dazu tun und daß sie hier sehr oft über das Ziel hinausschießen.
Es ist deutlich geworden, daß hinsichtlich der grundsätzlichen Ziele — so hat der Minister gesagt —, wie sie in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 genannt sind, keine Änderungeneintreten sollen. Er hat allerdings darauf hingewiesen, daß aus stabilitätspolitischen Gründen die in der Planung entwickelten Zeitvorstellungen in der Verwirklichung Korrekturen erfahren sollen. Das muß jeder real denkende Mensch wohl akzeptieren.Auch nach den Vorstellungen meiner politischen Freunde wird der öffentliche Personennahverkehr ein Schwerpunkt der Verkehrspolitik bleiben, Herr Milz; dazu brauchen Sie uns nicht aufzufordern. Wir sind mit Minister Gscheidle der Auffassung, daß der öffentliche Personennahverkehr eine wichtige gemeinwirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen hat. Andererseits sind wir keineswegs der Meinung, wie hier auch etwas versteckt unterstellt wurde, daß der Individualverkehr völlig zum Erliegen gebracht werden sollte. Wer dies behauptet, sagt einfach nicht die Wahrheit. Das kann und will niemand. Der Individualverkehr muß einen großen Teil des Nahverkehrs aufnehmen. Das sehen wir gar nicht anders. Das Ziel muß bleiben — so hat es auch der Minister ausgeführt —, den ÖPNV entsprechend dem jeweiligen Zweck in der jeweiligen Region optimal zu organisieren.Das Problem ist der starke Anstieg der Betriebskosten in allen Nahverkehrssystemen. Daran können auch Sie nichts ändern. Darum kommt es vor allen Dingen darauf an, vorhandene Nahverkehrssysteme — jetzt komme ich auf das, was Sie gesagt haben — und Organisationsstrukturen durch begrenzte Eingriffe und investorische Hilfestellungen zu verbessern helfen.Wenn der Minister objektive Kriterien in Form von Mindeststandards zur Bewertung von ÖPNVInvestitionen ansteuert, um die Mittelvergabe für Investitionen im Nahverkehrsbereich auf eine ökonomische Grundlage zu stellen, so begrüßt das meine Fraktion. Wenn dabei noch die Organisationsformen, Zuständigkeiten und Finanzierungen im Nahverkehr überdacht und die im Ausland gemachten Erfahrungen für alle Systeme nutzbar gemacht werden, dann kann schließlich der Auftrag des Parlaments sehr bald seine Erfüllung finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich bedauere sehr, daß auch ich Ihre Zeit zu diesem Thema noch in Anspruch nehmen muß. Nach der unstrittigen Beratung des Antrags im Plenum und nach einmütigen und unveränderten Billigungen im Ausschuß hätte sich eine erneute Behandlung wirklich erübrigt; sie erfolgt nur auf Wunsch der Opposition. Aber ich möchte Ihre seltenen Erfolgserlebnisse in diesem Hause nicht behindern. Ich kann nochmals in völliger Übereinstimmung mit dem Koalitionspartner und mit Ihnen selbst von der Opposition für die FDP-Fraktion erklären, daß der von der Bundesregierung bis zum 1. Januar 1976 verlangte Bericht über die fortdauernden Folgekosten des öffentlichen Personennahverkehrs als hilfreich betrachtet werden kann für Entscheidungen über Art und Umfang bisheriger und
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974 8933
Hoffiekünftiger Infrastrukturinvestitionen im Verkehr, hilfreich vor allem für die Länder und insbesondere für die Kommunen, bei denen ja die Initiative und die Planungshoheit für Projekte des öffentlichen Personennahverkehrs liegen.Wenn die Kostenunterdeckung im gesamten öffentlichen Personennahverkehr 1973 rund 4,4 Milliarden DM betragen hat und sich bis 1980 fast verdreifachen wird, ist sicher die Frage nötig und berechtigt, ob gerade die Kommunen, die oftmals nur 10 0/o der gesamten Investitionskosten tragen, sich angesichts wachsender Defizite und steigender Verkehrstarife auch immer der tatsächlichen Größenordnung der dann auf ihre eigenen Unternehmen zukommenden drückenden finanziellen Belastungen bewußt waren. Was eine mit dem Antrag wohl auch beabsichtigte kritischere Gewährung von Bundeszuschüssen anlangt, sind wir mit dem Bundesverkehrsministerium der Meinung, daß ein weitergehendes Einwirken auf die Sachentscheidungen von Land und Gemeinde logischerweise einen entsprechenden Niederschlag im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz finden müßte. Wir hoffen, daß die Euphorie der Opposition auch noch im Bundesrat anhält, wenn es zu entsprechenden gesetzgeberischen Maßnahmen kommen sollte.Wie wir gestern erst im Ausschuß erfahren konnten, haben die Länder offenbar bereits Befürchtungen angemeldet, daß sich der Bund in deren Planungs- und Kompetenzhoheit einmischen wolle, und das aus Anlaß gerade dieser Folgekostenerhebung.Ich möchte aber vor allem vor der Illusion der Opposition warnen, daß öffentliche Nahverkehrsdienste immer und überall kostendeckend betrieben werden können, sobald man nur die Folgekosten genauer abschätzen könne. Ich glaube, davor sollten wir uns alle hüten und dieses nicht mit falschen Hoffnungen bei allen, die draußen davon betroffen sind und die zur Kasse gebeten werden, so stehenlassen.
— Das haben Sie gesagt. Sie haben nämlich wörtlich gesagt: Wir wollen eine konkrete Nahverkehrspolitik, die auch bezahlbar ist und bezahlt werden kann. Das setzt ja wohl voraus, wenn Sie Folgekostenermittlung wollen, dann mit der Absicht, Größenordnungen zu erhalten, aus denen Sie ableiten können, wann ein öffentlicher Personennahverkehr rentabel ist und wann nicht. Sie haben ja eingehend und ausführlich betont, daß dieses Ihre Zielsetzung ist, unsere übrigens auch, nur wird sie nicht erreichbar sein.Wir sind der Meinung, daß Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr auch in Zukunft nicht nur nach eigenwirtschaftlichen Maßstäben beurteilt werden können. Das Ergebnis betriebswirtschaftlicher Rechnungen wird vielmehr immer in einer gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Betrachtung zu gewichten sein. Es wird auch in Zukunft so sein, daß, unabhängig vom Ergebnis des Berichts der Bundesregierung, weder der öffentliche Personennahverkehr noch der Individualverkehr für sich allein die notwendigen Verkehrsleistungen erbringen kann. Da sind wir uns sicher völlig einig. Ich wiederhole die Auffassung der FDP, daß nur eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen beiden Bereichen die anstehenden Verkehrsprobleme lösen kann, und ich wiederhole auch unsere Meinung, daß eine generelle Einschränkung des öffentlichen Personennahverkehrs auf Grund besserer Kenntnisse über die Folgekosten fehl am Platz ist, solange er noch immer am besten geeignet ist, die großen Verkehrsmengen zu bewältigen, eine geordnete Stadtentwicklung und bestmöglichen Umweltschutz zu gewährleisten. Daß wir uns in Zukunft dabei allerdings strengere Bewertungsmaßstäbe für die Beurteilung solcher Verkehrsmaßnahmen auferlegen müssen, steht außer Zweifel.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Der Ausschuß hat den Antrag gestellt, den Antrag auf Drucksache 7/2495 unverändert anzunehmen. — Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Punkt 14 der Tagesordnung haben wir erledigt.Ich rufe nunmehr auf — und ich glaube, Sie stimmen mir zu, wenn ich das zusammen tue — die Punkte 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21 und 22 der Tagesordnung:15. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über das Betäuben von Tieren vor dem Schlachten— Drucksachen 7/1993, 7/2752 — Berichterstatter: Abgeordneter Vit16. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend eine Aufklärungskampagne über RindfleischVerordnung des Rates über die Finanzierung der Aufklärungskampagne über Rindfleisch— Drucksachen 7/2476, 7/2707 —Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Kühlmann-Stumm17. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaf und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2824/72 betreffend die Finanzierung bestimmter Maßnahmen des
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8934 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1974
Vizepräsident von HasselEuropäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie— Drucksachen 7/2474, 7/2708 —Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Kühlmann-Stumm18. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung des Zeitraums für die Festsetzung des Pauschalwerts zur Berechnung des finanziellen Ausgleichs für Fischereierzeugnisse— Drucksachen 7/2165, 7/2728 —Berichterstatter: Abgeordneter Grunenberg19. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dein von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Förderung forstwirtschaftlicher Maßnahmen— Drucksachen 7/1848, 7/2730 —Berichterstatter: Abgeordneter Lemp20. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 15. Februar 1971 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim Handelsverkehr mit frischem Geflügelfleisch— Drucksachen 7/1815, 7/2733 — Berichterstatter: Abgeordneter Egert21. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine I Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1968/73 zur Festlegung der im Falle von Störungen auf dem Getreidesektor anzuwendenden Grundregeln— Drucksachen 7/2389, 7/2746 —Berichterstatter: Abgeordneter Müller
22. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung des Artikels 107 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern— Drucksachen 7/2364, 7/2750 — Berichterstatter: Abgeordneter BredlIch danke den Berichterstattern. Wünschen diese das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ist das Haus damit einverstanden, daß wir zusammen abstimmen? — Ich höre keinen Widerspruch.Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/2752, 7/2707, 7/2708, 7/2728, 7/2730, 7/2733, 7/2746 und 7/2750. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung angelangt. Ich darf Ihnen im Namen der Sitzungsleitung dafür danken, daß Sie uns geholfen haben, das Arbeitspensum, was wir uns gesetzt hatten, fast ohne Verspätung zu erreichen.Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 15. November, 9 Uhr ein.