Protokoll:
7116

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 116

  • date_rangeDatum: 19. September 1974

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:30 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:22 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 116. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Inhalt: Verzicht des Abg. Kahn-Ackermann auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und Eintritt des Abg. Wimmer als Nachfolger 7719 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1975 (Haushaltsgesetz 1975) — Drucksachen 7/2440, 7/2525 — Erste Beratung in Verbindung mit Beratung des Finanzplans und des Investitionsprogramms des Bundes 1974 bis 1978 — Drucksache 7/2503 Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 7733 D Kirst (FDP) . . . . . . . . . . 7745 B Dr. von Bülow (SPD) . . . . . . 7750 D Dr. Friderichs, Bundesminister . . . 7757 C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 7768 C Dr. Ehrenberg (SPD) . . . . . . 7774 C Dr. Graf Lambsdorff (FDP) 7778 B, 7804 A Arendt, Bundesminister . . . . . 7786 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 7791 B Staak (Hamburg) (SPD) . . . . . 7798 A Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . 7801 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Februar 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gemeinsame Staatsgrenze — Drucksache 7/2396 — Erste Beratung . . . . . . . . . 7805 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung und anderer Vorschriften — Drucksache 7/2376 — Erste Beratung 7805 D Entwurf eines Gesetzes über vereinfachte Verkündigungen und Bekanntgaben — Drucksache 7/2405 — Erste Beratung . . . . . . . . . 7805 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung — Drucksache 7/2280 — Erste Beratung . . . . . . . . . 7806 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung — Drucksache 7/2281 — Erste Beratung 7806 A Entwurf eines Gesetzes zu den Internationalen Übereinkommen vom 29. November 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ülverschmutzungsschäden und vom 18. Dezember 1971 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung von Ölverschmutzungsschäden — Drucksache 7/2299 — Erste Beratung 7806 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. April 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Trinidad und Tobago zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Förderung des internationalen Handels und der internationalen Investitionstätigkeit — Drucksache 7/2393 — Erste Beratung 7806 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. Mai 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Sambia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/2395 — Erste Beratung 7806 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes — Drucksache 7/2483 — Erste Beratung 7806 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/2515 — Erste Beratung 7806 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung — Drucksache 7/2315 — Erste Beratung 7806 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/2520 — Erste Beratung 7806 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 14. August 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Haiti über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 7/2398 — Erste Beratung 7806 D Entwurf eines Gesetzes über die statistische Erfassung der in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachten festen Brennstoffe — Drucksache 7/2350 — Erste Beratung 7806 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Wirtschaftsprüferordnung — Drucksache 7/2417 — Erste Beratung . . . . . . . . . 7807 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften über die Leistung von Kinderzulage, Kinderzuschuß und Waisenrente für behinderte Kinder (Antrag des Bundesrates) — Drucksache 7/2351 — Erste Beratung 7807 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahre 1970) — Drucksache 7/2394 — Erste Beratung 7807 A Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Auswanderer (Auswandererschutzgesetz) — Drucksache 7/2418 — Erste Beratung 7807 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundestierärzteordnung — Drucksache 7/2504 — Erste Beratung 7807 B Entwurf eines Gesetzes über die Statistik der Straßen in den Gemeinden 1976 — Drucksache 7/2518 — Erste Beratung 7807 B Entwurf eines Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter — Drucksache 7/2517 — Erste Beratung 7807 B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. März 1972 über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände — Drucksache 7/2323 — Erste Beratung . . . . . . . . . 7807 B Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes — Drucksache 7/2105 — Erste Beratung 7807 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und prämienrechtlicher Vorschriften — Drucksache 7/2397 — Erste Beratung 7807 C Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 7/2528 — 7807 D Antrag des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe (Nahrungsmittelhilfe für Entwicklungsländer) — Drucksachen 7/1343, 7/2340 — 7807 D Antrag des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1970 (Einzelplan 20) — Drucksachen VI/3497, 7/2403 — 7808 A Antrag des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1970 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes — Drucksachen 7/8, 7/2404 — 7808 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1972 (Jahresrechnung 1972) — Drucksache 7/2406 — 7808 B Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs — Drucksache 7/2282 — 7808 C Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1973 (Einzelplan 20) — Drucksache 7/2176 — 7808 C Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Bericht über Maßnahmen zur Verbesserung des Rettungswesens — Drucksachen 7/489, 7/2287 — 7808 D Fragestunde — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — Frage A 16 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/ CSU) : Meldungen über eine Zusage der USA gegenüber Ost-Berlin in der Frage der Errichtung weiterer Bundesbehörden in Berlin und über eine gleiche Zusage seitens der Bundesregierung Moersch, StMin (AA) 7719 C, D Dr. Jobst (CDU/CSU) 7719 C, D Frage A 17 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Biehle (CDU/CSU) : Bemühungen der Bundesregierung um eine verbindliche Zusage von Polen, Ausreiseanträge bedingungslos und zügig abzuwickeln Moersch, StMin (AA) . . 7720 A, B, C, D, 7721 A Biehle (CDU/CSU) . . . . . .7720 A, B Friedrich (SPD) 7720 C Dr. Hupka (CDU/CSU) 7720 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 7720 D Frage A 18 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Versorgung der deutschen Konsuln mit aktuellen Informationen Moersch, StMin (AA) . . . . 7721 A, B, C Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . . 7721 B Frage A 23 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/ CSU) : Gründe für die Unterbrechung der Gespräche zwischen den Rot-KreuzGesellschaften der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakei; Auswirkung auf die Aussiedlung Moersch, StMin (AA) . . . . . . 7721 D, 7722 A, B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . . 7722 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) 7722 C Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . 7722 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 7722 D IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Frage A 24 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/ CSU) : Maßnahmen der Bundesregierung wegen der Beschwerden über polnische Forderungen, Geburtsorte von Reisenden in polnischer Sprache anzugeben Moersch, StMin (AA) . . . . 7723 A, B, C Dr. Hupka (CDU/CSU) 7723 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) 7723 B Frage A 27 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Czaja (CDU/ CSU) : Nachweise über die individuelle Auszahlung von Hilfsleistungen an einzelne Opfer pseudomedizinischer Menschenversuche in Polen Moersch, StMin (AA) . 7723 D, 7724 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) . . 7723 D, 7724 A Dr. Hupka (CDU/CSU) 7724 A Fragen A 28 und A 29 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) : Zurückdrängen des Prozesses der europäischen Einigung über unabhängige gemeinsame Institutionen zugunsten einer Kooperation zwischen den Regierungen; Grund für die Mißerfolge der europäischen Gemeinschaften in den letzten Jahren Moersch, StMin (AA) 7724 B, D, 7725 A, C, 7726 A, B Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . . 7724 D, 7725 B, D Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 7726 B Frage A 88 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Forderung der Münchner Schutzpolizei, die Warnung vor polizeilichen Radarkontrollen zu verbieten und unter Strafe zu stellen Haar, PStSekr (BMV) . . . . . 7726 C, D Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 7726 D Frage A 92 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Peiter (SPD) : Meldungen von Lokalzeitungen über eine Zurückstellung des Baus der Bundesbahn-Schnellverbindung Köln—Groß Gerau Haar, PStSekr (BMV) . . 7726 D, 7727 A Peiter (SPD) . . . . . . . . . 7727 A Frage A 93 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Hösl (CDU/CSU): Organisation des Abschleppdienstes auf den Zugangswegen nach Berlin durch die „DDR" Haar, PStSekr (BMV) . . . . . 7727 B, C Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . 7727 B, C Frage A 94 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Blüm (CDU/CSU) : Kostenlose Beförderung von notwendigen Begleitpersonen hörgeschädigter Menschen durch die Deutsche Bundesbahn Haar, PStSekr (BMV) 7727 D Dr. Blüm (CDU/CSU) 7727 D Fragen A 95 und 96 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Wörner (CDU/CSU) : Medizinische Untersuchungen über Minderung der Verletzungsgefahr bei Unfällen durch Umkehr der Sitze in Flugzeugen, Schienenfahrzeugen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln; Durchführung oder Unterstützung der Erprobung umgekehrter Sitze in öffentlichen Verkehrsmitteln Haar, PStSekr (BMV) . . 7728 A, B, C, D Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . 7728 B, C Frage A 97 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) : Steigerung der Gebühren für die Nachrichtenlinien von Zeitungen und Zeitschriften Haar, PStSekr (BMP) . 7728 D, 7729 C, D, 7730 A, B, C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 7729 B, D Hoffie (FDP) . . . . . . . . . 7730 A Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . . . . 7730 A Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . . 7730 B Frage A 98 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Einwirkung der Bundesregierung auf die Fernsehanstalten ARD und ZDF hinsichtlich Ausstrahlung von Testbildern an Montagen Haar, PStSekr (BMP) . . 7730 C, 7731 A Dr. Jobst (CDU/CSU) 7730 D Stahl (Kempen) (SPD) 7731 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 V Frage A 8 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Hösl (CDU/CSU) : Nichtteilnahme des Leiters der Treuhandstelle für den Interzonenhandel und des Leiters der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland an dem Gespräch des Vorstandsvorsitzenden der Farbwerke Hoechst mit dem SED-Chef auf der Leipziger Messe Frau Schlei, PStSekr (BK) . . . 7731 B, C Hösl (CDU/CSU) 7731 C Frage A 9 Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Gründe für die widersprüchlichen Aussagen der Bundesregierung über die Vernichtung geheimer Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes Frau Schlei, PStSekr (BK) . . . . 7731 D, 7732 C, D, 7733 A, B, C Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . 7732 B, C Sick (CDU/CSU) . . . . . . . . 7732 D Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . . 7733 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 7733 A Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 7733 B Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . . . 7733 B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 7733 C Nächste Sitzung 7808 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7809* A Anlage 2 Antwort des BMin Franke (BMB) auf die Frage A 1 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Handlos (CDU/CSU) : Pressemeldung über vertragswidrige Behinderung des Touristenverkehrs durch ,,DDR"-Behörden; Maßnahmen der Bundesregierung hiergegen . . . 7809* B Anlage 3 Antwort des BMin Franke (BMB) auf die Frage A 2 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Wohlrabe (CDU/ CSU) : Sicherstellung des Rechtsschutzes im Falle von Strafverfahren vor DDR-Gerichten 7809* D Anlage 4 Antwort des PStSekr Dr. Glotz (BMBW) auf die Frage A 3 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Zebisch (SPD) : Einführung bezahlten Bildungsurlaubs 7809* D Anlage 5 Antwort des PStSekr Dr. Glotz (BMBW) auf die Frage A 4 — Drucksache7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) : Entwicklung der Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen seit 1972 . . . . 7810* B Anlage 6 Antwort des BMin Bahr (BMZ) auf die Frage A 5 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Roser (CDU/CSU) : Pressemeldung über die Äußerung des Bundesrechnungshofes zur Durchführung der bilateralen Technischen Hilfe 7811* A Anlage 7 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 6 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Kiechle (CDU/CSU) : Pressemeldung über die Planung Indiens, weitere Atomexplosionen durchzuführen 7811* A Anlage 8 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 11 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 - des Abg. Dr. Dollinger (CDU/ CSU) : Meldung der „Welt" vom 2. September 1974 über Verstimmung der amerikanischen Regierung wegen der Ratschläge des Bundeskanzlers zur amerikanischen Konjunkturpolitik . . . . 7811* B Anlage 9 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 12 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Gierenstein (CDU/ CSU) : Meldung der „Welt" vom 2. September 1974 über Vergrößerung der NVA der DDR; Schlußfolgerungen der Bundesregierung für ihre Entspannungspolitik und die MBFR-Konferenz 7811* C Anlage 10 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 13 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Schäuble (CDU/ CSU) : Überprüfung von Kraftfahrzeugen mit polizeilichem Kennzeichen der Bun- VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 desrepublik Deutschland bei Fahrten innerhalb von Staaten des Warschauer Paktes 7811* D Anlage 11 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 14 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Kiechle (CDU/CSU) : Prüfung der Zusage von 180 Millionen DM Entwicklungshilfe an Griechenland unter bündnis- und entwicklungspolitischen Gesichtspunkten . . 7811* D Anlage 12 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 15 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Gierenstein (CDU/ CSU) : Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 5. September 1974 über Erklärung der USA zur Frage der Verlegung von Bundesbehörden nach West-Berlin 7812* B Anlage 13 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 19 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) : Bewertung der Resolution des Deutschen Bundestages zu den Verträgen von Moskau und Warschau und des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Grundvertrag durch einen Berater des früheren Bundeskanzlers . . . . 7812* B Anlage 14 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 20 — Drucksache 7/2531 vom 13.9. 74 — des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) : Behandlung der Ostberliner Ordinarienkonferenz als unabhängige Institution durch den Heiligen Stuhl . . . . 7812* C Anlage 15 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage A 21 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) : Trennung ausreisewilliger deutscher Familien durch polnische Behörden . . 7812* D Anlage 16 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage A 22 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Haase (Fürth) (SPD) : Bereitschaft der Bundesregierung, mit den amerikanischen Streitkräften über neue Sicherheitsbestimmungen zu verhandeln 7812* D Anlage 17 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Fragen A 25 und A 26 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/CSU) : Schritte der Bundesregierung gegen eine einseitige Interpretation des Viermächteabkommens über Berlin durch die Sowjetunion; Auffassung der Bundesregierung zur Ersetzung des Wortes „Bindungen" durch „Verbindungen" 7812* A Anlage 18 Antwort des BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Frage A 30 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Konsequenzen für die Bundesgesetzgebung aus dem Bericht der schwedischen Dateninspektionsbehörde . . . 7813* D Anlage 19 Antwort des BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Frage A 31 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Franz (CDU/CSU) : Aussagen des von der Weltbevölkerungskonferenz verabschiedeten Aktionsplanes über die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland . . . 7814* D Anlage 20 Antwort des BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Fragen A 32 und A 33 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Damm (CDU/CSU) : Beurteilung der kommunistischen Parteien einschließlich der DKP als verfassungsfeindliche Parteien durch die Bundesregierung; Qualifikation der öffentlichen Diskussion über den stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Weber, durch Bundesminister Genscher 7815* C Anlage 21 Antwort des BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Frage A 34 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) : Verbesserung des aufenthaltsrechtlichen Status der ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland 7815* D Anlage 22 Antwort des BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Frage A 35 — Drucksache Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode —116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 VII 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Biehle (CDU/CSU) : Pressemeldung betreffend Zuleitung von Material des Bundesamtes für Verfassungsschutz und von Länderämtern für Verfassungsschutz an den SPD-Parteivorstand; Zusammenhang mit dem Fall Guillaume; persönliche Bindungen des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Nollau . . . . . 7816* B Anlage 23 Antwort des BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Frage A 36 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) : Vorwürfe des hessischen Landesjugendamtes gegen den Bundesgrenzschutz 7816* D Anlage 24 Antwort des BMin Dr. Dr. h. c. Maihofer (BMI) auf die Frage A 39 — Drucksache 7/2431 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) : Verfahren für die Einreise von Angehörigen arabischer Staaten; Verhinderung von Anschlägen palästinensischer Terroristen 7817* B Anlage 25 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage A 40 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Spranger (CDU/ CSU) : Schaffung der Möglichkeit, Anwälte aus dem freien Teil Deutschlands auch im anderen Teil Deutschlands als Verfahrensbevollmächtigte zu bestellen 7817* C Anlage 26 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage A 41 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Wohlrabe (CDU/ CSU) : Möglichkeit der Amtsausübung für Berliner Rechtsanwälte, die aus früherer Zeit eine Zulassung für Ost-Berlin besitzen 7817* D Anlage 27 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Fragen A 42 und 43 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Lampersbach (CDU/CSU) : Förderung der Arbeiten an dem internationalen Rechtshilfegesetz . . . . 7818* A Anlage 28 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Fragen A 44 und 45 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Verzicht der Bundesregierung auf die weitere Vorlage von Darlehensanträgen bei der Europäischen Investitionsbank bzw. auf die positive Befürwortung von Anträgen für Vorhaben in der Bundesrepublik Deutschland; Darlehenspraxis der Europäischen Investitionsbank bis zur Schaffung einer gemeinschaftlichen regionalen Wirtschaftspolitik 7818* B Anlage 29 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage A 46 — Drucksache 7/2531 vorn 13. 9. 74 — des Abg. Schedl (CDU/CSU) : Vom Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler veröffentlichte Untersuchung „Die Personalausgaben der Gebietskörperschaften" 7819* B Anlage 30 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage A 47 — Drucksache 7/2531 vorn 13. 9. 74 — des Abg. Röhner (CDU/CSU) : Pressemeldungen über in Italien gehegte Erwartungen betreffend eine Politik der Konjunkturbelebung seitens der Bundesregierung als „flankierende Maßnahme" neben der Gewährung des Währungskredites 7819* D Anlage 31 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage A 48 — Drucksache 7/2531 vorn 13. 9. 74 — des Abg. Roser (CDU/CSU) : Bewilligung eines Währungskredites an Italien; Aufhebung der italienischen Einfuhrbeschränkungen, die insbesondere die bayerische Landwirtschaft treffen 7820* A Anlage 32 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Fragen A 49 und 50 — Drucksache 7/2531 vorn 13. 9. 74 — des Abg. Ey (CDU/ CSU) : Riskante Industriebeteiligungs-Geschäfte von Kreditinstituten im Besitz von öffentlich-rechtlichen Banken . . 7820* B Anlage 33 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage A 53 — Drucksache 7/2531 vorn 13. 9. 74 — des Abg. Höcherl (CDU/CSU) : Umfang tatsächlich ergriffener Maßnahmen zur Steigerung der inländischen Energiebereitstellung . . . . 7820* D VIII Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Anlage 34 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage A 54 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Stücklen (CDU/CSU) : Einfluß des Mineralölpreisanstiegs auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten 7821* C Anlage 35 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage A 55 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Schedl (CDU/CSU) : Pressemeldung betreffend überproportional starken Rückgang der Zahl der Firmen aus dem Land Berlin, die auf der Leipziger Herbstmesse ausstellen 7821* D Anlage 36 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage A 62 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Zebisch (SPD) : Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in den bayerischen Fördergebieten durch die Bundesregierung; Maßnahmen zur Sicherheit der Arbeitsplätze in den besonders gefährdeten Wirtschaftszweigen Bauindustrie, Textil- und keramische Industrie . . . . . . . . 7822* B Anlage 37 Antwort des PStSekr Dr. Haack (BMBau) auf die Frage A 65 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Verstärkte Ausrichtung der Kontrollfunktionen und -positionen bei den Baugenehmigungsbehörden auf den Rationalisierungsfaktor . . . . . . . 7822 * C Anlage 38 Antwort des PStSekr Logemann (BML) auf die Fragen A 67 und 68 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Kater (SPD) : Soziale und wirtschaftliche Folgen des ab September dieses Jahres zu erwartenden „Schweineberges" für die Erzeuger und Verbraucher; Konsequenzen für die zukünftige Agrarpolitik . . 7823* B Anlage 39 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage A 76 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) : Einrichtung von Beratungsstellen zur Verbesserung der Eingliederung und der Einbürgerungsmöglichkeiten ausländischer Arbeitnehmer 7823* D Anlage 40 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage A 80 — Drucksache 7/2531 vom 13. 9. 74 — des Abg. Röhner (CDU/ CSU) : Behauptung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung betreffend den Netto-Einkommenszuwachs der Unselbständigen im Jahre 1974 . . . 7824* A Anlage 41 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Fragen A 81 und 82 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Schmidhuber (CDU/CSU) : Kosten für die Anzeigenkampagne „Markt und Mensch" der Bundesanstalt für Arbeit; Öffentlichkeitsarbeit der Bundesanstalt für Mitglieder der Bundesregierung . . . . . . . . . . 7824* B Anlage 42 Antwort des StSekr Dr. Wolters (BMJFG) auf die Fragen A 85 und 86 Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Auswirkungen einer Legalisierung von Haschisch und Marihuana in den Niederlanden auf den Rauschmittel- und Drogenkonsum junger Deutscher in Amsterdam und für die illegale Versorgung des Rauschmittel- und Drogenmarktes in Deutschland . . . . . 7824* D Anlage 43 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage A 89 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Franz (CDU/ CSU) : Meldung der Tageszeitung „Die Welt" vom 3. September 1974, einem Berliner sei von den „DDR"-Grenzbehörden am Kontrollpunkt Drewitz die Reise nach Westdeutschland verweigert worden 7825* B Anlage 44 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage A 90 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Entfernung von Verkehrsschildern im Zonenrandbereich, die die Entfernungen nach Städten wie Halberstadt, Magdeburg, Berlin usw. anzeigen . . 7825* C Anlage 45 Antwort des PStSekr Haar (BMV) auf die Frage A 91 — Drucksache 7/2531 vom 13.9.74 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Möglichkeit der Einführung einer Sonderbesoldung bzw. eines Sonderzulagensystems für Flugbetriebsprüfer . . 7825* D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7719 116. Sitzung Bonn, den 19. September 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 9.30 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7809* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 20. 9. Dr. Aigner * 20. 9. Behrendt * 20. 9. Dr. Burgbacher * 20. 9. Conradi 15. 11. Dr. Corterier * 19. 9. Dr. Dollinger 19. 9. Dr. Erhard 20. 9. Fellermaier* 20. 9. Freiherr von Fircks 20. 9. Dr. Fischer 27. 9. Dr. Freiwald 20. 9. Graaff 23. 9. Haase (Kassel) 20. 9. von Hassel 27. 9. Herold 20. 9. Dr. Kempfler 23. 9. Dr. Klepsch 20. 9. Krall * 19. 9. Krampe 20. 9. Lagershausen** 19. 9. Lange * 19. 9. Lautenschlager * 20. 9. Lemmrich** 21. 9. Lücker * 19. 9. Mertes (Stuttgart) 20. 9. Müller (Berlin) 20. 9. Dr. Müller (München) ** 21. 9. Müller (Remscheid) 30. 9. Pfeifer 19. 9. Richter ** 19. 9. Prinz zu Sayn-Wittgenstein- Hohenstein 20. 9. Schreiber 21. 9. Frau Schuchardt 19. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 19. 9. Dr. Starke (Franken) 20. 9. Tillmann 21. 9. Dr. Todenhöfer 22. 9. Frau Verhülsdonk 29. 9. Vogelsang 21. 9. Wienand 19. 10. Dr. Zimmermann 20. 9. *Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments **Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlage 2 Antwort des Bundesministers Franke auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Handlos (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 1) : Anlagen zum Stenographischen Bericht Trifft die Meldung des „Tagesspiegel" vom 4. September 1974 zu, die „DDR"-Behörden hätten für die Fahrt von über 100 Mitgliedern des Werratal-Vereins in Eschwege zur Gartenausstellung nach Erfurt und zur Wartburg die Genehmigung mit der Begründung veweigert, die „DDR" sei an einem Touristenverkehr mit der Bundesrepublik Deutschland nicht interessiert, und weiter hätten die DDR"-Behörden zur Begründung ihrer Weigerung angeführt, die Bundesregierung hätte mit der Errichtung des Umweltbundesamtes in Berlin die Verträge verletzt, und was hat die Bundesregierung - bejahendenfalls - gegen dieses vertragswidrige Verhalten Ost-Berlins, wie es sich auch in der "Zurückweisung von bisher sieben Besuchern der Leipziger Messe zeigt, unternommen? Es trifft zu, daß eine vom Werratal-Verein in Eschwege für den 15. September 1974 geplante Besichtigungsfahrt zur Gartenbauausstellung in Erfurt und nach Eisenach nicht durchgeführt werden konnte, da die erforderlichen Einreisegenehmigungen von den örtlich zuständigen DDR-Organen nicht erteilt wurden. Diese Maßnahme wurde -entgegen der Darstellung im „Tagesspiegel" vom 4. September 1974 - nicht begründet. Die in dieser Meldung als Ablehnungsgründe genannten Auffassungen wurden nicht von amtlichen Stellen der DDR geäußert, sondern waren Themen einer allgemein geführten längeren Unterhaltung zwischen dem Reisebus-Unternehmer aus dem Bundesgebiet und Vertretern des Reisebüros in Erfurt. Das Reisebus-Unternehmen hat im übrigen auch nach dieser ablehnenden Entscheidung im Falle des Werratal-Vereins eine Gruppenfahrt zum Besuch der Gartenbauausstellung in Erfurt ohne Schwierigkeiten durchgeführt. Anlage 3 Antwort des Bundesministers Franke auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wohlrabe (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 2) : In welcher Weise sorgt die Bundesregierung dafür, daß der Rechtsschutz des Angeklagten in Strafverfahren bei Gerichten in der DDR gewährleistet ist, und auf welchem „besonderen Weg" gedenkt die Bundesregieung die Bestellung eines Verteidigers „soweit wie möglich" sicherzustellen? Rechtsschutz für Bewohner der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), die in der DDR in Strafverfahren verwickelt werden, wird im Wege anwaltlichen Beistands gewährleistet. Die Einzelheiten sind Ihnen, wie ich annehmen darf, bekannt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/2531 Frage A 3) : In welchem Zeitraum plant die Bundesregierung, das Übereinkommen und die Empfehlung der 59. Internationalen Arbeitskonferenz zur schrittweisen Einführung des bezahlten Bildungsurlaubs zu verwirklichen? 7810* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Bei der 59. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz 1974 wurden ein Übereinkommen und eine Empfehlung einschließlich einer Resolution über den bezahlten Bildungsurlaub verabschiedet. Die Bundesregierung ist gemäß Artikel 19 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtet, die Urkunden spätestens 18 Monate nach Schluß der Konferenz den zuständigen Stellen im Hinblick auf ihre Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder durch andere Maßnahmen, insbesondere zur Ratifizierung des Übereinkommens zuzuleiten. Zur Verwirklichung des bezahlten Bildungsurlaubs ist nach Art. 2 des Übereinkommens von den Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation „eine Politik festzulegen und durchzuführen, die dazu bestimmt ist, mit den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepaßten Methoden und nötigenfalls schrittweise die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub zu fördern". Dabei kann nach Artikel 5 die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub durch die innerstaatliche Gesetzgebung, durch Tarifverträge, Schiedssprüche und sonstige Maßnahmen erfolgen. Der grundlegenden Verpflichtung des Art. 2 entsprechen somit bereits die schon bestehenden Bildungsurlaubsgesetze der Länder, Bildungsurlaubsregelungen in Tarifverträgen und einigen Bundesgesetzen sowie verschiedene Sonderurlaubsregelungen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 4) : Wie hat sich die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen bei den Ämtern der Bundesanstalt für Arbeit von 1972 bis heute entwickelt und welche Gründe sieht die Bundesregierung für den Rückgang der Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen? Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit sind im Monat August insgesamt 2 100 zusätzliche Ausbildungsstellen den Arbeitsämtern gemeldet worden. Damit erhöht sich das gesamte von Oktober 1973 bis einschließlich August 1974 registrierte Ausbildungsstellenangebot auf insgesamt 342 900. Es bleibt damit um 28 400 (7,7 %) hinter dem Angebot des Zeitraumes von Oktober 1972 bis September 1973 zurück. Berücksichtigt man, daß auch im September noch mit Neumeldungen zu rechnen ist, so erkennt man, daß sich der Rückgang der den Arbeitsämtern gemeldeten Ausbildungsstellen gegenüber den Vorjahren stark reduziert hat (1973 betrug der Rückgang gegenüber 1972: 24,5 %, 1972 gegenüber 1971: 18,5 %). Außerdem muß beachtet werden, daß sich die Inanspruchnahme der Arbeitsämter bei der Erfassung und Vermittlung von Ausbildungsstellen in den vergangenen Jahren laufend verringert hat: — während aus der Berufsberatungsstatistik in der Zeit von 1960 bis 1971 für über 70% der Schulabgänger ohne Abitur zu entnehmen war, wo sie innerhalb des beruflichen Ausbildungssystems einmündeten, waren es 1973 lediglich 45 %; — während 1960 bis 1971 die Inanspruchnahme der Arbeitsämter durch Schulabgänger bei 85% bis 90 % lag, war sie 1973 bereits auf 67% abgesunken; — auch in diesem Jahr ist sie nach einer Erhebung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft weiter zurückgegangen (auf etwa 61 %) . Folglich kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß das tatsächliche betriebliche Ausbildungsplatzangebot gegenüber dem Vorjahr nicht oder nur geringfügig gesunken ist. Dieses relativ erfreuliche Bild über die Gesamtsituation sollte jedoch nicht die regionalen Probleme und den Rückgang des Ausbildungsplatzangebots während der letzten Jahre verdecken. Beispielsweise lag das Ausbildungsstellenangebot in Arbeitsamtsbezirken von strukturschwachen Regionen bereits 1970 erheblich unter dem Bundesdurchschnitt. Z. B. war das Ausbildungsstellenangebot je 1 000 Schulabgänger im Bundesdurchschnitt 906; in Arbeitsamtsbezirken: Trier, Mayen, Nordhorn, Neuwied, Neukirchen, Bad Oldesloe dagegen durchschnittlich um ein Drittel niedriger. Hinzu kommt noch, daß das Ausbildungsstellenangebot in diesen Regionen sich auf relativ wenige Berufe konzentriert. Die wesentlichen Gründe für den während der Jahre bis 1974 zu beobachtenden Rückgang des Ausbildungsstellenangebots sind vom Bundesausschuß für Berufsbildung in seiner Entschließung vom 26. März 1974 wie folgt zusammengefaßt: „Zu den allgemeinen Gründen scheinen insbesondere auch die im Jahre 1973 abflachende Konjunktur, das verstärkte Kostenbewußtsein der Unternehmen und der Versuch zu gehören, die betriebliche Ausbildungskapazität dem vorgeschätzten eigenen Nachwuchsbedarf des Unternehmens anzupassen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der Berufsbildung und dem Beschäftigungssystem dürfte eine strukturelle Veränderung des Nachwuchsbedarfs insgesamt wie auch eine verstärkte Nachfrage nach qualifizierter Ausbildung einschließlich der Tendenz zu sogenannten „Modeberufen" stehen. Auch die Anforderungen, die auf Grund des Berufsbildungsgesetzes von 1969 an die betriebliche Berufsausbildung gestellt werden müssen und die Erhöhung der Anforderungen in einzelnen Ausbildungsberufen, die sich aus neuen verbesserten Ausbildungsanordnungen ergeben, haben dazu geführt, daß Betriebe, die diese erhöhten Qualitätsanforderungen nicht mehr erfüllen wollen oder können, die Ausbildung eingestellt oder entsprechend eingeschränkt haben. Diese Entwicklung ist durch Übergangsschwierigkeiten bei der Einführung des Berufsbildungsjahres, das von allen Beteiligten un- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7811* terstützt wird, noch verstärkt worden. Ähnliche Auswirkungen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit die erhöhten Anforderungen an die Ausbilder durch die Ausbildereignungsverordnung von 1972. In den Kostensteigerungen der Berufsausbildung sieht der Bundesausschuß einen weiteren Grund für den Rückgang der Ausbildungsplätze." Anlage 6 Antwort des Bundesministers Bahr auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Roser (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 5) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung (vgl. „Die Zeit" vom 12. Juli 1974), die gutachtliche Äußerung des Bundesrechnungshofes zur verwaltungsmäßigen Durchführung der bilateralen Technischen Hilfe übertreffe nach Meinung aller Sachkundigen an Schlampigkeit alles, was sie meinte rügen zu sollen? Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, zu Pressekonmmentaren Stellung zu nehmen. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 6) : Trifft die Meldung der „Welt" vom 9. September 1974 zu, Indien plane weitere Atomexplosionen, was zur Sperrung der amerikanischen Uranlieferungen an Indien geführt habe, und welche Folgen ergeben sich daraus für die Bundesregierung? Die indische Regierung hat erklärt, daß sie erst nach Auswertung des Kernsprengversuchs vom 18. Mai 1974 entscheiden werde, ob weitere Tests durchgeführt werden. Die amerikanische Regierung hat bisher keine Uran-Lieferungen an Indien gesperrt. Die Bundesregierung vertraut darauf, daß die indische Regierung nicht die Absicht hat, Kernwaffen herzustellen. Gleichwohl befürchtet die Bundesregierung, daß die von ihr und ihren Verbündeten verfolgte Politik der Nichtverbreitung von Kernwaffen Rückschläge erleiden könnte, da sich Kernwaffen und Kernsprengkörper für friedliche Zwecke technisch nur geringfügig unterscheiden. In Konsultationen mit ihren Bündnispartnern prüft die Bundesregierung die Folgen, die sich hieraus für die Nichtverbreitungspolitik ergeben. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Dollinger (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 11) : Trifft die Meldung der Tageszeitung „Welt" vom 2. September 1974 zu, die amerikanische Regierung sei über die öffentlichen, in der amerikanischen Presse erteilten „Ratschläge" des Bundeskanzlers zur amerikanischen Konjunkturpolitik verstimmt, und warum wurden angeblich notwendige deutsche Hinweise nicht auf dem normalen diplomatischen Weg gegeben? Die zitierte Meldung trifft nicht zu. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gierenstein (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 12) : Treffen Meldungen zu („Die Welt", 2. September 1974), nach denen die „DDR" die Nationale Volksarmee um mehr als ein Drittel vergrößern will, und welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus für ihre Entspannungspolitik und die MBFR-Konferenz in Wien? Für die Behauptung der von Ihnen zitierten Zeitung, die DDR wolle die Nationale Volksarmee um mehr als ein Drittel vergrößern, gibt es bei amtlichen Stellen keine konkreten Anhaltspunkte. Es trifft indessen allgemein zu, daß die Warschauer-Pakt-Staaten, unter ihnen die DDR, ihre Streitkräfte ständig modernisieren und verstärken. Die Bundesregierung hat wiederholt unterstrichen, daß sie die wachsenden Rüstungsanstrengungen des Warschauer Pakts mit Sorge betrachte. Es liegt auf der Hand, daß solche Entwicklungen der Politik des Spannungsabbaus und der Rüstungsbegrenzung und -kontrolle zuwiderlaufen. Sie unterstreichen aber auch die Bedeutung, die den Wiener Verhandlungen über beiderseitige und ausgewogene Truppenverminderungen zukommen, die dem Ziel dienen sollen, daß in Mitteleuropa ein stabileres militärisches Kräfteverhältnis hergestellt und gewährleistet wird. Anlage 10 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schäuble (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 13) : Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, daß Kraftfahrzeuge mit polizeilichem Kennzeichen der Bundesrepublik Deutschland bei Fahrten innerhalb von Staaten des Warschauer Paktes von der Polizei darauf überprüft worden sind, ob sich in den Wagen auch Bürger der DDR befanden und daß in solchen Fällen die Personalien sämtlicher Wageninsassen festgehalten wurden, und wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls derartige Vorfälle? Der Bundesregierung sind keine Fälle der von Ihnen geschilderten Art bekanntgeworden. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 14) : 7812* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Hat die Bundesregierung vor der Zusage von 180 Millionen DM Entwicklungshilfe an Griechenland die Überzeugung gewonnen, daß Griechenland in absehbarer und für den Auftrag des Nordatlantischen Bündnisses angemessener Zeit in dessen integrierte Militärorganisation zurückkehren wird, und ist, sollte dies nicht der Fall sein, die Entscheidung als solche sowie hinsichtlich der Höhe des Betrages unter bündnis- und entwicklungspolitischen Gesichtspunkten zu verantworten? Bei der Gewährung von Entwicklungshilfe an Griechenland stand für uns die Tatsache im Vordergrund, daß das Land beabsichtigt, sich noch enger als bisher an die Europäische Gemeinschaft anzuschließen, um später zur Vollmitgliedschaft zu kommen. Es liegt schon aus diesem Grunde in unserem deutschen und europäischen Interesse, Griechenland als einem von der OECD als Entwicklungsland anerkannten — wenn auch schon verhältnismäßig weit fortgeschrittenen Entwicklungsland — für eine Übergangszeit Entwicklungshilfe zu gewähren. Damit leisten wir auch einen Beitrag zur Stabilität des europäischen Mittelmeerbereichs und zur Bindung Griechenlands an die freie Welt. Die Höhe der Kapitalhilfe — die vorbehaltlich der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen und der Zustimmung der zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages in drei gleich hohen Jahresquoten abfließen soll — ist im Vergleich zu unseren Zusagen an andere Länder durchaus angemessen. Die rasche Entschlossenheit, mit der wir Griechenland in der schwierigen Phase seiner Rückkehr zur Demokratie diese Hilfe zugesagt bzw. in Aussicht gestellt haben, ist nicht nur von unseren griechischen Gesprächspartnern, sondern auch von unseren Freunden und Bündnispartnern in Europa und Übersee gewürdigt worden. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gierenstein (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 15) : Trifft die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 5. September 1974 zu, die USA hätten in einem Briefwechsel mit Ost-Berlin erklärt, es würden künftig keine Bundesbehörden mehr nach West-Berlin verlegt werden, und geht — bejahendenfalls — dies auf entsprechende Vorstellungen oder Erklärungen der Bundesregierung zurück? Ihre Frage beantworte ich mit „Nein" Anlage 13 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 19) : Ist aus der widerspruchslosen Hinnahme der von einem Berater des früheren Bundeskanzlers auf einem öffentlichen Forum aufgestellten Behauptung, die Resolution des Deutschen Bundestages zu den Verträgen von Moskau und Warschau „sei verlogen, dumm und unehrlich" und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundvertrag sei „juristischer Quark", durch den anwesenden Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und maßgeblichen Unterhändler beim Abschluß dieser Verträge zu schließen, daß die Bundesregierung diese Auffassung billigt? Der Ablauf des Forums führte dazu, daß weder der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit noch die beiden ebenfalls anwesenden Abgeordneten der CDU zu der freien Meinungsäußerung von Professor Richard Löwenthal Stellung genommen haben, Die Bundesregierung hat ihren früheren Erklärungen zu der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1972 zu den Verträgen mit der UdSSR und der Volksrepublik Polen nichts hinzuzufügen und respektiert selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundvertrag vom 31. Juli 1973. Anlage 14 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 20) : Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, die es dem Heiligen Stuhl erleichtert hätten, darauf zu verzichten, die Ostberliner Ordinarienkonferenz zumindest de facto als unabhängige, nicht länger mehr eine Untergruppe der Deutschen Bischofskonferenz bildende Institution zu behandeln, und welche Schritte der Bundesregierung können ihrerseits die Veränderung der Haltung des Heiligen Stuhles bewirkt oder mitbeeinflußt haben? Die Bundesregierung hat keine Schritte unternommen, die es dem Heiligen Stuhl erleichtern würden, die sogenannte Berliner Ordinarienkonferenz zumindest de facto als unabhängige, nicht länger mehr eine Untergruppe der Deutschen Bischofskonferenz bildende Institution zu behandeln. Anlage 15 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 21): Ist der Bundesregierung die Praxis polnischer Behörden bekannt, ausreisewillige deutsche Familien auseinanderzureißen, indem Eltern und unmündigen Kindern die Ausreise gestattet, den Kindern von 18 Jahren an aber verweigert wird, und was unternimmt die Bundesregierung gegen diese Schikanen? Ja, der Bundesregierung sind in letzter Zeit einige Fälle der von Ihnen geschilderten Art bekanntgeworden. Die Bundesregierung hat diese Fälle jeweils dem polnischen Außenministerium gegenüber zur Sprache gebracht. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Haase (Fürth) (SPD) (Drucksache 7/2531 Frage A 22) : Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19, September 1974 7813* Ich frage die Bundesregierung, ob sie bereit ist, mit den amerikanischen Streitkräften, vor allem im Hinblick auf die letzten Waffendiebstähle und die ungenaue Waffenstückzahlkontrolle, somit also die Gefahr für die Sicherheit der eingelagerten Waffen und damit wieder die Gefahr für die im Umkreis lebende deutsche Bevölkerung, über neue Sicherheitsbestimmungen zu verhandeln? Die Verhinderung von Waffendiebstählen ist bereits in früheren Jahren zwischen der Bundesregierung und den in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräften erörtert worden. Im Jahr 1972 wurden die Sicherheitsbestimmungen der amerikanischen Streitkräfte verschärft. Die Bundesregierung wird die Presseberichte über neue Vorkommnisse zum Anlaß nehmen, mit den amerikanischen Streitkräften erneut über die Effektivität der Sicherheitsbestimmung zu sprechen, damit Waffen- und Munitionsdiebstähle in Zukunft nach Möglichkeit ausgeschlossen sind. Anlage 17 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Fragen A 25 und 26) : Welche angemessenen und entspredienden Schritte hat die Bundesregierung gegenüber den sowjetischen Versuchen einer einseitigen Interpretation des Viermächteabkommens über Berlin vom 21. September 1971 unternommen, wie zum Beispiel angesichts der sowjetischen Verbalnote an die Vereinten Nationen vom 24. Juni 1974 und angesichts der sowjetischen Schritte und Erklärungen bei der Errichtung des Umweltbundesamtes? Welche Auffasung vertritt die Bundesregierung bezüglich der permanenten kommunistischen Praxis, das Wort „Bindungen" des Viermächteabkommens (Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin) stets durch „Verbindungen" zu ersetzen, oder ist die Bundesregierung der Auffassung, daß beide Begriffe dieselbe Bedeutung haben? Zu Frage A 25: Die Auslegung des Viermächte-Abkommens vom 3. 9. 1971 ist allein eine Angelegenheit der Vertragsparteien dieses Abkommens. Die Bundesregierung hält deshalb bei der bestehenden Rechtslage und zur Wahrung der Belange Berlins eine enge und sorgfältige Abstimmung mit den Drei Mächten als Signataren des Viermächte-Abkommens für unumgänglich. Das gleiche gilt für alle Fragen des Status von Berlin als Ganzes, für den die Vier Mächte verantwortlich sind. Wie ich dem Kollgen Dr. Jaeger auf dessen Frage bereits am 15. August 1974 mitgeteilt habe, hat die Bundesregierung wegen der in den zwei Noten der Sowjetunion an den Generalsekretär der Vereinten Nationen vom 24. Juni 1974 aufgestellten Behauptungen, die Fragen des Status von Berlin als Ganzes berühren, unverzüglich Konsultationen mit den Drei Mächten aufgenommen. Die sowjetischen Behauptungen werden in diesen Tagen durch die Drei Mächte in einer Note an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zurückgewiesen werden. Auch die Reaktion der Drei Mächte auf die sowjetischen Erklärungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Umweltbundesamtes ist mit der Bundesregierung laufend konsultiert worden. In einer durch ihre Botschaften in Bonn am 24. Juli 1974 veröffentlichen Erklärung haben die Regierungen der Drei Mächte ihre feste Auffassung bekräftigt, daß zivile Personen nicht von den Transitwegen nach Berlin ausgeschlossen werden dürfen, nur weil sie Bedienstete des Umweltbundesamtes sind. Das Viermächte-Abkommen bestimmt ausdrücklich, daß außer in eindeutig festgelegten besonderen Fällen Reisende nicht von den Transitwegen zwischen Berlin (West) und der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen werden, und diese besonderen Fälle beziehen sich nur auf den Mißbrauch der Transitwege selbst durch die Reisenden. Alle sonstigen vorgeschobenen Gründe für den Ausschluß von Reisenden von Transitwegen entbehren daher jeder rechtlichen Grundlage. Die Drei Mächte vertreten weiterhin den Standpunkt, daß die Errichtung des Umweltbundesamtes in Berlin (West) nicht gegen das Viermächte-Abkommen verstößt. Das Viermächte-Abkommen sieht ausdrücklich vor, daß die Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) aufrechterhalten und entwickelt werden. Die Drei Mächte haben schließlich die sowjetische Regierung auf ihre Verantwortlichkeit dafür hingewiesen, daß der Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen Berlin (West) und der Bundesrepublik Deutschland ohne Behinderungen bleibt. In einer Demarche sind die Botschafter der Drei Mächte am 5. August 1974 im sowjetischen Außenministerium vorstellig geworden und haben ihre Position nochmals dargelegt. Zu Frage A 26: Die Meinungsverschiedenheiten über die deutsche Übersetzung des Wortes, das in den verbindlichen Vertragstexten „ties", „liens" und „swjasi" lautet, sollten nicht überbewertet werden. Aus dem Aufbau und Gesamtzusammenhang des ViermächteAbkommens ergibt sich eindeutig, daß im Unterschied zu Teil II A — und entsprechend Anlage I —, der die „Verbindungen" im Sinne des Zugangs von und nach Berlin behandelt, Teil II B — und entsprechend Anlage II — etwas anderes regeln muß, nämlich die „Bindungen" im Sinne des wesentlichen und für die Lebensfähigkeit entscheidenden Bestandteils des Verhältnisses zur Bundesrepublik Deutschland, wie es sich mit Billigung der Drei Mächte als Inhaber der obersten Gewalt in Berlin (West) seit vielen Jahren entwickelt hat. Von diesem Verständnis sind auch die Drei Mächte bei den Verhandlungen über das Viermächte-Abkommen ausgegangen. Auf seiten der sowjetischen Verhandlungsführer konnte hierüber kein Zweifel bestehen. So gesehen verliert die Frage, mit welchem deutschen Wort die komplexen Beziehungen zwischen Berlin und dem Bund am treffendsten bezeichnet werden, an Bedeutung. Anlage 18 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt- 7814* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2531 Frage A 30) : Ergeben sich aus dem Bericht der schwedischen Dateninspektionsbehörde (,Datainspektionen") an die schwedische Regierung, der in Schweden zu einer heftigen öffentlichen Debatte geführt hat, auch Konsequenzen für die Bundesgesetzgebung? Es ist der Bundesregierung bekannt, daß der Datenschutz in letzter Zeit in Schweden wiederum im Mittelpunkt einer öffentlichen Diskussion steht. Anlaß ist wohl die publizierte Mitteilung des Generaldirektors der schwedischen Dateninspektionsbehörde an die Regierung über die Inbetriebnahme einer Reihe von elektronisch geführten Datensammlungen und Informationssystemen durch die öffentliche Hand, z. B. eines zentralen Einwohnerregisters. Damit wird in dieser Diskussion die Befürchtung verbunden, daß so Voraussetzungen für einen künftigen umfassenden Kontrollapparat geschaffen werden, der zu politischen Zwecken und insbesondere zu Eingriffen in ,die Privatsphäre des Bürgers mißbraucht werden könnte. Die Verwaltung solle deshalb nur solche Daten speichern dürfen, die für ihre Zwecke unumgänglich notwendig seien. In der Bundesrepublik Deutschland hat die schon seit Jahren anhaltende Diskussion um die Notwendigkeit eines Datenschutzes, also des Schutzes der Privatsphäre bei der Datenverarbeitung, zur Vorlage des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung — Bundes-Datenschutzgesetz (Bundestags-Drucksache 7/1027) — geführt. Wie in der allgemeinen Begründung zum Regierungsentwurf ausgeführt wird (Abschnitt 1.2, S. 14), wären öffentliche Verwaltung und Wirtschaft ohne die elektronische Datenverarbeitung und die mit ihr verbundenen Rationalisierungsmöglichkeiten nicht mehr funktionsfähig. Datenschutz lasse sich deshalb nicht einfach durch Beschränkungen der Datenverarbeitung verwirklichen. Es gelte vielmehr in den Prozeß der Datenverarbeitung solche Sicherungen einzubauen, die dem Bürger die Gewähr bieten, daß die von ihm zur Verfügung gestellten Daten grundsätzlich der von ihm damit gegebenen Zweckrichtung entsprechend verwendet werden und daß er im übrigen durch eine Reihe von Befugnissen in den Stand gesetzt wird, jederzeit ,die Richtigkeit der über ihn gespeicherten Daten zu prüfen. Die von den Bundesressorts angelegten bzw. noch im Planungs- oder Aufbaustadium befindlichen Datensammlungen und Informationssysteme — ein zentrales Einwohnerregister für die Bundesrepublik Deutschland ist nicht geplant — werden vom künftigen Bundes-Datenschutzgesetz nach der Konzeption des Regierungsentwurfs erfaßt, soweit sie personenbezogene Daten beinhalten. Danach ist deren ,Speicherung durch eine Behörde oder sonstige Stelle des Bundes nur zulässig mit Zustimmung des Betroffenen, aufgrund einer besonderen Rechtsvorschrift oder wenn die Kenntnis dieser Daten zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich ist (§ 2 Abs. 3, § 6). Ähnlich ist die Zulässigkeit des Datenaustausches innerhalb des öffentlichen Bereichs sowie der Datenveränderung und -löschung geregelt (§ 2 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 2, § 9 Abs. 2, § 12 Abs. 2). Da- neben sind die Behörden und sonstigen Stellen des Bundes grundsätzlich verpflichtet, die Art der gespeicherten personenbezogenen Daten, den betroffenen Personenkreis und die regelmäßigen Empfänger solcher Daten öffentlich bekanntzumachen, um so die Transparenz der Verwaltung für den Bürger zu erhöhen (§ 10). Außerdem wird dem Bürger unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Sperrung der zu seiner Person gespeicherten Daten gewährt (§§ 11, 12). Die Vorschriften des künftigen Datenschutzgesetzes können im übrigen durch fachspezifische Sonderregelungen ergänzt oder ersetzt werden, wie dies z. B. im Bundeszentralregistergesetz oder im Regierungsentwurf eines Bundesmeldegesetzes vorgesehen ist (vgl. § 37 des Regierungsentwurfs des Bundes-Datenschutzgesetzes). Die genannten Regelungen sollen nach dem Regierungsentwurf auch für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Behörden und sonstige Stellen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände gelten, soweit sie bei der Ausführung von Bundesrecht erfolgt (§ 5 Abs. 1 Satz 2). Im übrigen gilt für diesen Bereich Landesdatenschutzrecht. Im Interesse der Rechtseinheit wäre insoweit eine Übernahme der Bundesvorschriften wünschenswert. Eine Bereitschaft der Länder hierzu ist bereits weithin erkennbar geworden. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß ihr Entwurf eine ausgewogene Beratungsgrundlage für die gesetzgebenden Körperschaften darstellt und geeignet ist, die von Ihnen angesprochenen, in Schweden derzeit diskutierten Gefährdungen der Privatsphäre durch die Datenverarbeitung der öffentlichen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland wirksam zu begegnen. Anlage 19 Antwort ,des Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Franz (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 31) : Welche Aussagen in dem von der Weltbevölkerungskonferenz verabschiedeten und von der Bundesregierung begrüßten Aktionsplan beziehen sich auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland, und zu welchen Aktivitäten geben diese der Bundesregierung Anlaß? Der von der Weltbevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen am 30. August 1974 verabschiedete Weltbevölkerungsaktionsplan trägt den Charakter von Empfehlungen, die sich an alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wenden und nicht auf die besonderen Verhältnisse eines einzelnen Landes ausgerichtet sind. Die Bundesregierung mißt der Tatsache, daß es zum erstenmal in der Geschichte der Vereinten Nationen gelungen ist, einen weltweiten Bezugsrahmen zu erstellen, der die Entwicklung der Bevölkerung in Wechselwirkung mit wirtschaft- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7815* lichem, sozialem und kulturellem Fortschritt sieht, größte Bedeutung bei. Bezogen auf die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland, in der die derzeitige Bevölkerungsentwicklung durch einen Rückgang der Geburtenraten gekennzeichnet ist, enthält der Weltbevölkerungsaktionsplan eine Reihe von Empfehlungen, die auch unmittelbar zur Anwendung in unserem Lande bestimmt sind. Zu den wichtigsten Empfehlungen dieser Art gehören: 1. die verstärkte Forschungstätigkeit im Hinblick auf die Untersuchung der Ursachen des derzeitigen Geburtenrückgangs und seiner möglichen Folgewirkungen; dabei sind insbesondere die Zuverlässigkeit von Bevölkerungsprognosen einschließlich der Prognosen auf Teilgebieten wie Vorausschätzung der Zahl der Erwerbstätigen oder der regionalen Bevölkerungsentwicklung zu untersuchen und nach Möglichkeit zu verbessern. Hier wird u. a. das von meinem Hause errichtete Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung schwerpunktmäßig einzusetzen sein. 2. die Anregung des Weltbevölkerungsaktionsplanes, bei einem Rückgang der einheimischen Bevölkerungszahlen einen gleichbleibenden Bevölkerungsstand u. a. dadurch zu erreichen, daß die Möglichkeit der verstärkten Einwanderung von Ausländern eröffnet wird. Auf der Grundlage der bisherigen Entscheidungen der Bundesregierung auf diesem Gebiet bedarf die Frage der zusätzlichen Eröffnung von Einwanderungsmöglichkeiten für ausländische Arbeitskräfte und ihrer Familienangehörigen sorgfältiger Untersuchung. 3. die Aufforderung an die entwickelten Länder, angesichts ihres höheren Ressourcen-Verbrauchs pro Kopf der Bevölkerung, eine angemessene Politik zum Konsum, zu den Investitionen und zur Beölkerungsentwicklung zu konzipieren. Diese Aufforderung, die auf Antrag Schwedens und Kanadas und mit Unterstüzung der Mehrheit der Entwicklungsländer in den Plan aufgenommen wurde, bedarf sorgfältiger Überprüfung, wenn Lösungen gefunden werden sollen, die in Übereinstimmung mit unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung stehen. 4. die Aufforderung an die Industrieländer und die reicheren Entwicklungsländer, den Ländern der Dritten Welt auf Antrag Hilfe bei der Lösung der im Zusammenhang mit Bevölkerungsfragen stehenden Probleme zu gewähren. Die Bundesregierung wird dieser Aufforderung unter Beachtung ihrer entwicklungspolitischen Grundsätze und nach Maßgabe ihrer finanziellen Möglichkeiten nachkommen. Eine sorgfältige Analyse des Weltbevölkerungsaktionsplanes, zu dem während der Konferenz über 200 Änderungsanträge gestellt wurden, wird z. Z. unter Federführung meines Hauses erstellt und den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zur Unterrichtung vorgelegt werden. Anlage 20 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Damm (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2531 Fragen A 32 und 33) : Wird die Bundesregierung ihre bisherige Beurteilung, die kommunistischen Parteien einschließlich der DKP seien verfassungsfeindliche Parteien, korrigieren, nachdem der Landesausschuß der Hamburger FDP die Kommunisten ausdrücklich als „kritische Demokraten" bezeichnet hat? Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesaußenministers und früheren Bundesinnenministers, Genscher, es handele sich um eine üble Verleumdungskampagne der Presse", wenn die von der Hamburger Innenbehörde bestätigte Tatsache öffentlich diskutiert wird, daß der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Weber, vein Landesamt für Verfassungsschutz als „Sicherheitsrisiko" eingestuft worden ist, weil er häufig Kontakt mit Kommunisten hat? Zu Frage A 32: Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, daß sie die Zielsetzungen der in der Bundesrepublik tätigen kommunistischen Parteien einschließlich der DKP als verfassungsfeindlich beurteilt. Die Bundesregierung hält an dieser Beurteilung fest. Was die in Ihrer Fragestellung enthaltene Bezugnahme auf eine Erklärung des Landesausschusses der Hamburger FDP anlangt, so weise ich auf die Erklärung hin, die der Zweite Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Professor Dr. Biallas dazu am 11. 9. 1974 vor der Hamburger Bürgerschaft abgegeben hat: „Diese Gleichung ist von uns nie aufgemacht worden; sie wird von mir auch in keinem Falle unterstützt. Das ist auch gar nicht der Gegenstand des Beschlusses, von, dem Sie hier reden. Das Problem, um das es hier geht, ist, ob Leute, die sich selbst für kritische Demokraten halten, sich möglicherweise zu den Kommunisten geschlagen haben. Ich sage Ihnen, daß ich eine solche Entscheidung für einen grundsätzlichen Irrtum der Betroffenen halte. Kommunisten sind keine kritischen Demokraten. Das ist wahr. Aber daß jemand im Verfolg politischer Auseinandersetzungen sich irrtümlich auf eine verkehrte Front begibt, wäre nicht das erste Mal in der Geschichte unseres Landes." Zu Frage A 33: Herr Bundesminister Genscher hat die in der Frage behauptete Erklärung nicht abgegeben. Es besteht für die Bundesregierung daher kein Anlaß, sich dazu zu äußern. Anlage 21 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 34) : 7816* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 In welcher Weise soll der aufenthaltsrechtliche Status der ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland verbessert werden, und wie wird sichergestellt, daß die zuständigen Behörden im Gegensatz zu dem in der Vergangenheit zu beobachtenden Verfahren gleichmäßig entscheiden? Die Bundesregierung beabsichtigt, den aufenthaltsrechtlichen Status der ausländischen Arbeitnehmer durch eine Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz zu verbessern. Hiernach soll in Zukunft die Aufenthaltserlaubnis für ausländische Arbeitnehmer und ihre Familien im Regelfall nach einem Jahr zweimal um jeweils zwei Jahre verlängert und anschließend, also nach fünf Jahren, unbefristet erteilt werden. Nach einem achtjährigen Aufenthalt soll dieser Personenkreis im Regelfall eine Aufenthaltsberechtigung erhalten, die einen besonders gefestigten aufenthaltsrechtlichen Status gewährt. Diese Regelung in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz bindet alle Ausländerbehörden in gleicher Weise wie das Ausländergesetz. Eine bundeseinheitliche Durchführung ist damit sichergestellt. Die Änderung der Verwaltungsvorschrift werde ich nach Beschlußfassung durch das Kabinett demnächst dem Bundesrat zur Zustimmung zuleiten. Anlage 22 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Biehle (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 35) : Trifft die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 9. September 1974 zu, im Büro des verhafteten Kanzlerreferenten Guillaume sei Material des Bundesamtes für Verfassungsschutz und von Länderämtern für Verfassungsschutz gefunden worden, das dem SPD-Parteivorstand vom Bundesamt für Verfassungsschutz in einem Maße zugeleitet worden sei, das über die Unterrichtung der übrigen im Bundestag vertretenen Parteien erheblich hinausging, und geht dies — bejahendenfalls — auf persönliche Bindungen des jetzigen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zurück, die auf seine Berufung in dieses Amt wesentlichen Einfluß hatten? Die Beantwortung Ihrer Frage berührt Tatbestände, die Gegenstand des beim Generalbundesanwalt laufenden Ermittlungsverfahrens in Sachen Guillaume sind. Ich werde am morgigen Tage, in Abstimmung mit dem Bundesminister der Justiz, das Parlamentarische Vertrauensmännergremium umfassend über alle bisherigen Feststellungen und den derzeitigen Erkenntnisstand unterrichten. An dieser Stelle kann ich grundsätzlich erklären, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz seit jeher allen im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien die im Rahmen seines gesetzlichen Beobachtungsauftrags gewonnenen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen und nachrichtendienstliche Aktivitäten zuleitet, die eine Gefährdung der jeweiligen Partei bedeuten könnten. Diese Praxis liegt im staatspolitischen Interesse, weil sie die Parteien in die Lage versetzen soll, sich gegen verfassungsfeindliche Unterwanderung und nachrichtendienstliche Gefahren zu wehren. Dabei hängt der Umfang des den Parteien zugeleiteten Materials davon ab, wie viele sie betreffende Erkenntnisse beim Verfassungsschutz anfallen. Das Nachrichtenaufkommen wiederum steht in einem unmittelbaren Verhältnis zu der politischen Aktivität, die der verfassungsfeindliche oder nachrichtendienstliche Gegner gegen diese Partei entwickelt. Daß sich Ausspähungsbemühungen fremder Nachrichtendienste und Unterwanderungsversuche der DKP und anderer kommunistischer Organisationen. im besonderen Maße gegen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sowie die Gewerkschaften richten, kann ich als bekannt voraussetzen. Daraus ergibt sich, daß quantitativ und auch qualitativ beim Verfassungsschutz mehr zur Unterrichtung der SPD geeignetes Material anfällt als über andere Parteien. Selbstverständlich müssen auch bei dieser notwendigen und sich auf gegenseitiger Vertrauensbasis abspielenden Information der Parteien die Sicherheitslage, insbesondere die Vorschriften des Geheimschutzes und des Quellenschutzes, gewahrt werden. Ob hiergegen bei der von Ihnen angesprochenen Unterrichtung der SPD im Einzelfall verstoßen wurde, ist Gegenstand einer eingehenden Prüfung. Persönliche Bindungen haben mit der Information einer politischen Partei über potentielle Gefährdungen, deren Abwehr ein Gebot der Verteidigung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, nichts zu tun. Auch der in Ihrer Frage liegenden Unterstellung, solche persönlichen Bindungen hätten einen wesentlichen Einfluß auf die Berufung des jetzigen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz in dieses Amt gehabt, muß ich widersprechen. Die Bundesregierung hat den derzeitigen Präsidenten im Mai 1972 aus den gleichen fachlichen Erwägungen in dieses Amt berufen, wie sie — wie ich meinerseits unterstellen möchte — für die von der CDU/CSU gestellten Innenminister maßgeblich waren, unter denen der derzeitige Präsident von 1950 bis 1959 vom Angestellten der Vergütungsgruppe III TOA bis zum Leitenden Regierungsdirektor vorrückte und im Dezember 1966 zum Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz avancierte. Anlage 23 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 36) : Wird die Bundesregierung den Bundesgrenzschutz gegen die Angriffe des hessischen Landesjugendamtes schützen, daß dieser den Besuchergruppen an der Zonengrenze ein einseitiges Feindbild vermittele und sich der Sprache und Denkweise des kalten Krieges bediene? Der Bundesgrenzschutz informiert bei seinen Führungen sachlich über die offensichtlichen Tatsachen und hat diese Aufgabe einwandfrei wahrgenommen und dafür vielfältige Anerkennung gefunden. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7817* Der Grenzbeauftragte des Landes Hessen beim hessischen Ministerpräsidenten hat in einer Presseerklärung vom 13. 9. 1974 erklärt, daß zu keiner Zeit von Vertretern des Landes an der Art der Information bei Führungen durch Beamte des BGS Kritik geübt worden sei. Auch habe sich die Landesregierung kritische Aussagen Dritter nicht zu eigen gemacht. Der kritische Protokollvermerk des Berichts des Landesjugendamtes gibt nach einem Schreiben des Grenzbeauftragten vom 6. 9. 1974 lediglich Äußerungen wieder, die den Betreuungsstellen in Einzelfällen von Angehörigen der durch den Bundesgrenzschutz geführten Besuchergruppen bekanntgeworden seien. In einem Informationsgespräch am 12. 9. 1974 zwischen dem Grenzbeauftragten des Landes Hessen, Vertretern des Landesjugendamtes Hessen, der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und des Bundesgrenzschutzes ist abschließend vereinbart worten, in Zukunft verstärkt bei den Informationstagungen von Besuchergruppen zusammenzuarbeiten und den Bundesgrenzschutz in der bisherigen Form an den Grenzführungen zu beteiligen. Diese gemeinsame Auffassung aller beteiligten Dienststellen hat der Grenzbeauftragte des Landes Hessen in der vorerwähnten Presseerklärung vom 13. 9. 1974 bestätigt. Anlage 24 Antwort des Bundesministers Dr. Dr. h. c. Maihofer auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 39) : Wie stellt die Bundesregierung nach der Aufgabe des bisherigen Verfahrens für die Einreise von Angehörigen arabischer Staaten sicher, daß das Bundesgebiet in Zukunft vor Anschlägen palästinensischer Terroristen, die mit Pässen von arabischen Staaten einreisen, verschont bleibt? Das Auswärtige Amt hat mit meinem Einvernehmen durch Runderlaß vom 28. August 1974 das Verfahren für die Behandlung von Sichtvermerksanträgen von Staatsangehörigen der arabischen Staaten neu geregelt. Dabei bleibt sichergestellt, daß auch künftig Personen, von denen anzunehmen ist, daß sie ein Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik Deutschland darstellen, die Einreise nicht erlaubt wird. Sie haben sicher Verständnis dafür, daß ich dieses Verfahren im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland hier nicht im einzelnen darlegen kann. Ich bin jedoch gern bereit, es in dem zuständigen Innenausschuß des Deutschen Bundestages eingehend zu erläutern. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 40) : Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit Ost-Berlin über den Rechtshilfeverkehr darauf hinwirken, daß Anwälte aus dem freien Teil Deutschlands auch im anderen Teil als Verfahrensbevollmächtigte bestellt werden und auftreten können, und wird sie, wenn Ost-Berlin sich nicht dazu bereit zeigt, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Verfahrensrechts im freien Teil Deutschlands einbringen, der die Propagandaauftritte von SED-Anwälten in Verfahren dieserseits der Zonengrenze unmöglich macht? In Abschnitt II Ziffer 4 des Zusatzprotokolls zum Grundlagenvertrag haben die beiden deutschen Staaten ihre Bereitschaft erklärt, im Interesse der Rechtsuchenden den Rechtsverkehr so einfach und zweckmäßig wie möglich zu regeln. Dieser Verhandlungsauftrag ist umfassend. Er schließt auch Fragen des Auftretens der Rechtsanwälte des einen deutschen Staates vor Gerichten und Behörden des anderen deutschen Staates ein. Allerdings werden sich in diesem Zusammenhang schwierühren rige Fragen ergeben. Sie ru von der unterschiedlichen Rechtsentwicklung in den beiden deutschen Staaten her, welche die Ausbildung und die beruflichen Pflichten der Rechtsanwälte nicht unberührt gelassen hat. Von diesem erst in Zukunft zu erörternden Problem zu unterscheiden ist, daß es aus früherer Zeit einige Zulassungen von Rechtsanwälten mit Kanzlei in Berlin (Ost) bei Gerichten in Berlin (West) gibt. Diese Rechtsanwälte sind Mitglieder der Anwaltskammer in Berlin (West), sie haben die Rechte und Pflichten, die ein im Geltungsbereich der Bundesrechtsanwaltsordnung zugelassener Rechtsanwalt hat. Umgekehrt gibt es 3 Rechtsanwälte mit Sitz in Berlin (West), die noch bei Gerichten in Berlin (Ost) zugelassen sind. Die Bundesregierung hält es im Interesse des Fortgangs der deutsch-deutschen Verhandlungen über den Rechtsverkehr nicht für zweckmäßig, Erklärungen über den Status dieser Rechtsanwälte abzugeben. Die Frage, wie Versuchen von Prozeßbevollmächtigten und Verteidigern entgegengetreten werden kann, Erklärungsrechte zu verfahrensfremden Zwecken zu mißbrauchen, ist ein allgemeines Problem, das gegenwärtig — auch im Zusammenhang mit einem InitiativGesetzentwurf des Bundesrates — im einzelnen geprüft wird. Anlage 26 . Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wohlrabe (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 41): Was wird die Bundesregierung unternehmen, damit Berliner Rechtsanwälte, die aus früherer Zeit eine Zulassung für Ost-Berlin besitzen, in Zukunft wieder dort ihr Amt ausüben können, so, wie der DDR-Anwalt Kaul auch vor deutschen Gerichten auftreten kann? 7818* Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Es gibt gegenwärtig noch drei Rechtsanwälte, die aus früherer Zeit in Berlin (Ost) zugelassen sind. Diese Rechtsanwälte können, wie Rückfragen bei den zuständigen Stellen in Berlin ergeben haben, ihrer Berufstätigkeit in Berlin (Ost) nachgehen, allerdings haben sich in einem Fall Schwierigkeiten wegen der Einreiseerlaubnis ergeben. In Abschnitt II Ziffer 4 des Zusatzprotokolls zum Grundlagenvertrag haben die beiden deutschen Staaten ihre Bereitschaft erklärt, im Interesse der Rechtsuchenden den Rechtsverkehr so einfach und zweckmäßig wie möglich zu regeln. Zu diesem umfassenden Verhandlungsauftrag gehören auch Fragen, welche die Berufstätigkeit der noch in Berlin (Ost) zugelassenen Rechtsanwälte mit Sitz in Berlin (West) betreffen. Allerdings ist die Bundesregierung bestrebt, zunächst im Sinne eines schrittweisen Vorgehens Vereinbarungen über die gegenseitige Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen zu erzielen. Fragen der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte werden späteren Erörterungen vorbehalten sein. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lampersbach (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2531 Fragen A 42 und 43) : Ich frage die Bundesregierung, ob sie entgegen ihrer Auskunft vom 23. Juni 1974 bereit ist, die Arbeiten an dem internationalen Rechtshilfegesetz so zu fördern, daß ein Referentenentwurf noch in diesem Jahr vorgelegt werden kann? Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die Fertigstellung des IRG unbedingt Priorität genießen sollte? Zu Frage A 42: Die letzte Auskunft der Bundesregierung über den Stand der Arbeiten am Entwurf eines Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) habe ich mit Schreiben vom 23. Juli 1974 (nicht Juni) auf eine schriftliche Anfrage von Frau Kollegin Berger gegeben. Ich nehme an, daß sich Ihre Frage auf diese Auskunft bezieht. Die Antwort lautete dahin, daß ein genauer Termin für die Kabinettvorlage zur Zeit nicht in Aussicht gestellt werden kann, daß es jedoch beabsichtigt ist, den Entwurf noch in dieser Legislaturperiode vorzulegen (siehe BT-Drucks. 7/2465 zu Nr. 29, 30). Die Sachlage erlaubt mir jetzt, knapp zwei Monate nach dieser Antwort, noch keine präzisere Aussage. Wie ich Frau Kollegin Berger mitgeteilt habe, wird der Schwierigkeitsgrad des Vorhabens von der Komplexität der Sachgebiete bestimmt, die das IRG regeln soll. Es handelt sich bekanntlich nicht nur um die Einführung des sogenannten Exequaturverfahrens, das erstmalig die Übernahme der Vollstreckung von im Ausland gegen deutsche Staatsangehörige ergangenen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ermöglichen soll, sondern auch um die Teile Auslieferung, Durchlieferung und sonstige Rechtshilfe in Strafsachen. Auf allen diesen Gebieten sind infolge umfangreicher Äußerungen und Vorschläge der beteiligten Stellen und auch durch weiter anwachsende praktische Erkenntnisse zahlreiche Rechtsprobleme aufgeworfen worden, die bei der Vorbereitung des Referentenentwurfs sorgfältig geprüft werden müssen. Auch bei weitestmöglicher Förderung, die der Entwurf seitens der Bundesregierung bereits erfährt, bezweifele ich, daß er noch in diesem Jahr vorgelegt werden kann. Zu Frage A 43: Ich darf annehmen, daß Ihre Anfrage auf Überlegungen beruht, wie deutschen Staatsangehörigen geholfen werden kann, die im Ausland zum Teil unter besonders belastenden Bedingungen Freiheitsstrafen verbüßen, deren Dauer das bei uns in vergleichbaren Fällen übliche Maß bei weitem übersteigt. Die Bundesregierung hat in Beantwortung verschiedener Anfragen die Auffassung vertreten, daß ein Angebot an den Verurteilungsstaat, die dort verhängte Freiheitsstrafe hier weiter zu vollstrekken, in einzelnen Fällen Erfolg haben könnte. Eine erste Voraussetzung dafür ist bekanntlich die Einführung des Exequaturverfahrens, das im IRG geregelt werden soll. Deshalb strebt auch die Bundesregierung an, daß das vorgesehene Gesetz möglichst bald verabschiedet werden kann. Allerdings wird mit diesem Gesetz noch kein Allheilmittel geschaffen sein. Denn es kann, wie ich in meiner Antwort vom 23. Juli im einzelnen dargelegt habe, we- der mit dem Gesetz noch mit dem Inkrafttreten des Europäischen Übereinkommens über die internationale Geltung von Strafurteilen im Verhältnis zu einem bestimmten Staat eine Verpflichtung dieses Staates geschaffen werden, deutsche Staatsangehörige zur weiteren Strafvollstreckung nach Deutschland zu entlassen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Graf Lambs- dorff (FDP) (Drucksache 7/2531 Fragen A 44 und 45) : Ist die Bundesregierung angesichts der Zahlungsbilanzschwierigkeiten einiger Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bereit, auf die weitere Vorlage von Darlehensanträgen hei der Europäischen Investitionsbank bzw. auf die positive Befürwortung von Anträgen für Vorhaben in der Bundesrepublik Deutschland bis auf weiteres zu verzichten? Teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß die Darlehen der Europäischen Investitionsbank, jedenfalls solange es noch keine gemeinschaftliche regionale Wirtschaftspolitik gibt, noch stärker als bisher auf die weniger entwickelten Gebiete der Gemeinschaft (Art. 130 a EWGV) konzentriert werden sollen, und ist sie bereit, auf eine entsprechende Darlehenspraxis hinzuwirken? Zu Frage A 44: Die Europäische Investitionsbank ist kein Institut, das die Zahlungsbilanzdefizite der EG-Mitgliedstaaten finanziert. Ihre Aufgabe ist vielmehr die Finanzierung von Vorhaben zur Erschließung der Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7819* weniger entwickelten Gebiete der Gemeinschaft, ferner die Finanzierung von Modernisierungs- und Umstellungsvorhaben, vor allem auch zur Arbeitsplatzbeschaffung und die Finanzierung von Vorhaben, die im gemeinsamen Interesse mehrerer Mitgliedstaaten liegen, vor allem von solchen, die der industriellen Zusammenarbeit, der Forschung und der Entwicklung dienen. Ein Verzicht auf Kredite der EIB an Darlehensnehmer in der Bundesrepublik wäre eine von der Größenordnung her nur bescheidene und außerdem eine ungewisse Hilfe für andere Länder. Die Ausleihungen der Bank an Darlehensnehmer in der Bundesrepublik beliefen sich im Jahre 1973 auf rd. 200 Mill. RE. Es kann auch nicht garantiert werden, daß die durch einen solchen Verzicht freiwerdenden Mittel in die zahlungsbilanzschwachen Länder fließen. Außerdem müßten die für die Bundesrepublik bestimmten, für Fördergebiete vorgesehenen Darlehensbeträge durch teurere Kapitalmarktmittel oder durch Haushaltsmittel ersetzt werden. Schließlich würde die Versagung der Zustimmung zu Kreditgewährungen der EIB an Darlehensnehmer in der Bundesrepublik einen erheblichen Eingriff in den Geschäftsverkehr der EIB mit den Kreditnehmern bedeuten, der möglichst vermieden werden sollte. Im übrigen sollte nicht verkannt werden, daß EIB-Kredite geeignet sind, das europäische Bewußtsein in der Bundesrepublik zu stärken und der Vorstellung entgegenzuwirken, daß die europäischen Gemeinschaften den deutschen Steuerzahler und Verbraucher nur Geld kosten. Zu Frage A 45: Die Aufgabenstellung der EIB ist in Artikel 130 des EWG-Vertrags mit bindender Wirkung für die Mitgliedstaaten festgelegt. Danach haben die drei genannten Tätigkeitsbereiche der Bank — Erschließung der weniger entwickelten Gebiete, Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten und Gemeinschaftsvorhaben — gleichen Rang. Gleichwohl entfällt 1973 etwa die Hälfte des gesamten Finanzierungsvolumens der EIB auf die Regionalentwicklung. Eine über dieses Maß erheblich hinausgehende Konzentration der Ausleihungen auf einen Aufgabenbereich geriete in Konflikt mit wichtigen Vorhaben von gemeinsamem Interesse, vor allem im Energiebereich. Dies kann von der Bundesregierung nicht befürwortet werden und dürfte auch von anderen Mitgliedstaaten kaum akzeptiert werden. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 46) : Wie beurteilt die Bundesregierung die vom Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler veröffentlichte Untersuchung „Die Personalausgaben der Gebietskörperschaften", und welche der in der Untersuchung vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere für eine restriktive Personalpolitik, für eine zurückhaltende Besoldungspolitik und für eine Begrenzung der öffentlichen Aufgaben, wird die Bundesregierung für den Zuständigkeitsbereich des Bundes ergreifen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß alles unternommen werden muß, um das ständige Anwachsen der Personalausgaben in den öffentlichen Haushalten einzudämmen. Dabei ist es von wesentlicher Bedeutung, die Zunahme des Personals in den öffentlichen Verwaltungen zu begrenzen. In der Bundesverwaltung sind deshalb auf Grund haushaltsgesetzlicher Vorschriften in den Haushaltsjahren 1973 und 1974 insgesamt 3 400 Stellen eingespart worden. Für das Jahr 1975 hat die Bundesregierung die Einsparung weiterer 950 Stellen vorgeschlagen. 'Sie wissen, daß ich selbst immer wieder davor gewarnt habe, daß die Bundesrepublik zu einer Besoldungsrepublik wird. Die Bundesregierung begrüßt alle Anregungen, die geeignet sind, die Personalausgaben in Grenzen zu halten. Wir werden auch die in Ihrer Frage erwähnte Untersuchung in die Überlegungen einbeziehen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 47): Treffen Pressemeldungen zu, in Italien rechne man 'über die Gewährung des Währungskredites hinaus mit einer Politik der Konjunkturbelebung seitens der Bundesregierung als „flankierender Maßnahme", um auf eigene harte Dämpfungsmaßnahmen verzichten zu können, und hat der Bundeskanzler dem italienischen Ministerpräsidenten über jeden Zweifel deutlich gemacht, daß Italien zu vergleichbaren stabilitätspolitischen Anstrengungen bereit sein muß, wenn der ihm gewährte Kredit nicht in absehbarer Zeit aufgebraucht sein soll, und daß es mit weiterer auswärtiger Hilfe statt eigenen Bemühungen nicht rechnen kann? Nicht nur in Italien, sondern in mehreren europäischen Ländern mit schwacher Zahlungsbilanz wird der Bundesregierung mehr oder weniger deutlich nahegelegt, durch Lockerung ihrer eigenen Stabilitätspolitik die Lage für andere Länder zu erleichtern. Die Bundesregierung wird diesen Ratschlägen nicht folgen. Der Herr Bundeskanzler hat auch dem italienischen Minsterpräsidenten gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß Zahlungsbilanzhilfen nur vorübergehende Erleichterungen bringen und daß nur eigene Anstrengungen eine wirklich durchgreifende Bereinigung der zahlngsbilanz_ und stabilitätspolitischen Probleme erreichen können. Er hat von den Maßnahmen, die das italienische Parlament kürzlich gebilligt hat, Kenntnis genommen, aber auch vor einer vorzeitigen Lockerung dieser Maßnahmen gewarnt. Im übrigen kann ich sicher davon ausgehen, daß Sie es nicht beklagen, daß die Bundesbank mit ihren Reserven einem wichtigen Handelspartner mit ihren Reserven helfen kann. Denn immerhin betragen die Handelsströme zwischen unseren beiden Ländern die bedeutende Summe von fast 30 Milliarden DM. 7820* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Roser (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 48) : Hat der Bundeskanzler, bevor er auf Grund seiner Gespräche mit dem italienischen Ministerpräsidenten zu der Bewilligung eines Währungskredites an Italien kam, von Italien die verbindliche Zusage erhalten, die Einfuhrbeschränkungen, die insbesondere die bayerische Landwirtschaft treffen, unverzüglich aufzuheben, und wird er, sollte dies nicht der Fall sein, vor Abschluß entsprechender Verhandlungen mit Italien im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft auf einer solchen Zusage bestehen? Der Währungskredit der Deutschen Bundesbank an die Banca d'Italia ist nicht von Auflagen oder Zusicherungen der italienischen Regierung abhängig gemacht worden. Bei den Gesprächen des Herrn Bundeskanzlers mit dem italienischen Ministerpräsidenten wurde die europäische Agrarpolitik — wie viele andere Problemkreise — jedoch eingehend erörtert. Spezielle Verhandlungen über die noch verbleibende Belastung auf die Einfuhr von Rindfleisch werden von den Landwirtschaftsministern der europäischen Gemeinschaften anläßlich der Sitzung des Agrarrates in diesen Tagen, d. h. vom 17. bis 19. September, in Brüssel geführt. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Ey (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Fragen A 49 und 50) : Will die Bundesregierung es weiter zulassen, daß im Besitz von öffentlich-rechtlichen Banken befindliche Kreditinstitute riskante Industriebeteiligungen eingehen, dreistellige Millionenbeträge verlieren und schließlich den Steuerzahler mit diesen Verlusten belasten, und ist die Bundesregierung nach wie vor der Meinung, daß Privatbanken von daher gesehen den öffentlich-rechtlichen Banken wettbewerbsgleichgestellt sind (siehe meine schriftliche Frage vom 30. Juli 1974)? Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfange öffentlich-rechtliche Banken Industriebeteiligungen halten, und ist die Bundesregierung nach wie vor der Meinung, daß die Geschäftstätigkeit von Kreditinstituten auf anderen Gebieten als denen der Bankgeschäfte im Sinne des § 1 des Kreditwesengesetzes zu Beanstandungen keinen Anlaß bieten? Zu Frage A 49: In Ihrer Frage gehen Sie davon aus, daß Kreditinstitute, die sich im Besitz öffentlich-rechtlicher Banken befinden, riskante Industriebeteiligungen mit hohen Verlusten eingegangen sind. Dies trifft nicht zu. Abgesehen davon, möchte ich darauf hinweisen, daß der Erwerb von Beteiligungen und Grundstücken sowohl bei öffentlich-rechtlichen als auch bei privaten Kreditinstituten nur bis zur Höhe des haftenden Eigenkapitals gestattet ist. Möglicherweise meinen Sie mit Ihrer Frage sog. Großkredite. In der vorgesehenen Novelle zum Kreditwesengesetz wird dieser Gefahr durch eine Verschärfung der Vorschriften über die Kreditstreuung begegnet. Aus Ihrer Frage entnehme ich im übrigen, daß Sie der Auffassung sind, die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute würden in Anbetracht der Gewährträgerhaftung gegenüber Privatbanken einen Wettbewerbsvorteil genießen. Mein Kollege Pöhl hatte Ihnen bereits in seiner Antwort vom 26. August 1974 geschrieben, daß er diese Ansicht nicht teilt. Vielmehr dürften neben der Gewährträgerhaftung auch andere Kriterien für die Auswahl eines Kreditinstituts maßgeblich sein, z. B. die Frage der Gebühren und der Wohnungsnähe. Zu Frage A 50: Der Bundesregierung liegt keine Zusammenstellung über die Industriebeteiligungen der öffentlich-rechtlichen Banken vor. Den zweiten Teil Ihrer Frage hat Ihnen mein Kollege Pöhl bereits am 26. August 1974 beantwortet. In dem schon erwähnten Konzept für eine Novellierung des Kreditwesengesetzes ist gleichwohl die Einführung einer Meldepflicht für Nichtbankgeschäfte vorgesehen. Mit der Grundsatzfrage, ob Kreditinstitute überhaupt Industriebeteiligungen halten sollen, wird sich eine Studienkommission befassen, die demnächst eingesetzt werden soll. Das Ergebnis der Überlegungen dieser Kommission wird zunächst abzuwarten sein. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Höcherl (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 53) : Was ist seit Verkündung des Energieprogramms wirklich geschehen, um die inländische Energiebereitstellung zu steigern? Lassen Sie mich zunächst klarstellen: Das Energieprogramm vom September 1973 enthielt nicht das Ziel, die Bereitstellung von Energie aus inländischen Vorkommen generell zu steigern. Die Bundesregierung hat jedoch stets das Ziel verfolgt, daß die im Inland vorhandenen Energieträger in einem gesamtwirtschaftlich angemessenen und energiewirtschaftlich notwendigen Rahmen genutzt werden sollen und daß für Hindernisse, die einem bedarfsgerechten Ausbau der Energieversorgungsanlagen entgegenstehen, befriedigende Lösungen gefunden werden müssen. Hierzu verweise ich auf folgende Schritte aus jüngster Zeit: — Die Bundesregierung hat die deutschen Unternehmen des Steinkohlenbergbaus aufgefordert, in diesem Jahre ihre Fördermöglichkeiten voll auszufahren. - Für die mittelfristige Sicherung der Energieversorgung im Elektrizitätsbereich hat die Bundes- regierung den gesetzgebenden Körperschaften am 30. Januar 1974 den Entwurf eines 3. Verstro- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7821* mungsgesetzes vorgelegt, der im Einklang mit dem Energieprogramm noch den jährlichen Einsatz von 30 Millionen Tonnen Steinkohle bis 1980 vorsah. Die Bundesregierung wird bei den jetzt beginnenden parlamentarischen Beratungen einen höheren Kohleeinsatz vorschlagen. — Die Bundesregierung hat außerdem in Gesprächen mit der Elektrizitätswirtschaft deren Zusage erhalten, daß in den nächsten Jahren neue Kraftwerkskapazitäten von insgesamt 6000 Mega-Watt gebaut werden, die ausschließlich heimische Steinkohle einsetzen werden. — Das im Energieprogramm angekündigte Tiefbohrprogramm für heimisches Erdgas wird beschleunigt verwirklicht. Die Bundesregierung hat hierfür 40 Mio DM bereitgestellt. — Die Exploration des deutschen Teils der Nordsee wurde wieder aufgenommen. — Die Erschließung neuer Braunkohlenlagerstätten ist durch die Einführung von Sonderabschreibungen erleichtert worden. Die Bundesregierung hat sich verstärkt dafür eingesetzt, die Bauzeiten für Kernkraftwerke durch rechtzeitige Standortvorsorge, Standardisierung der Anlagen und Straffung der Genehmigungsverfahren zu verkürzen. — Mit dem „Rahmenprogramm Energieforschung" hat die Bundesregierung die Voraussetzung für eine gezielte Forschungsförderung im nichtnuklearen Bereich geschaffen, vor allem für Forschung und Entwicklung im Bereich der Kohleveredelung, der Bergtechnik sowie von Umwandlung, Transport und Speicherung von Energie. Die Bundesregierung bereitet gegenwärtig die Fortschreibung ihres Energieprogramms vor. Sie wird dabei im einzelnen darlegen, welche Konsequenzen sie aus den Erfahrungen der Versorgungsstörungen des letzten Winters bei Mineralöl und aus den weltweit veränderten Energiedaten für den Beitrag heimischer Energiequellen zieht. Ich möchte die Darstellung der Bemühungen um die Energieversorgung aus insländischen Quellen ergänzen durch den Hinweis, daß die Energiepolitik der Bundesregierung ebenso intensiv darauf gerichtet ist — erstens die Krisenvorsorge zu verbessern; in diesem Zusammenhang erinnere ich an die Anlage einer Bundesrohölreserve, die nach Fertigstellung der Kavernen noch in diesem Jahr beginnen wird; — zweitens, Bemühungen um eine Diversifizierung der Quellen für die — auch weiterhin — unentbehrlichen Importenergien; ich nenne als Beispiele die Unterstützung der Verhandlungen um weitere Erdgaslieferverträge mit der UdSSR, mit Algerien, dem Iran und aus Norwegen; — drittens, Anstrengungen zur Stärkung der deutschen Gruppe von Mineralölunternehmen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Stücklen (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 54) : Wie hoch beziffert die Bundesregierung den %-Anteil an den gestiegenen Lebenshaltungskosten, der durch den Mineralölpreisanstieg verursacht wurde? Sie schneiden eine sehr komplete Frage an, die sich mit den vorhandenen ökonomischen Methoden und den zur Verfügung stehenden statistischen Daten nur teilweise beantworten läßt. Man muß dabei zwischen direkten und indirekten Auswirkungen unterscheiden. Direkte Auswirkungen der Mineralölpreissteigerungen ergeben sich aus der Verteuerung der im Lebenshaltungsindex unmittelbar enthaltenen Mineralölerzeugnisse (leichtes Heizöl, Benzin, Dieselkraftstoff). Legt man die seit Oktober 1973 eingetretenen Verbraucherpreiserhöhungen dieser Produkte zugrunde, so läßt sich die direkte Auswirkung auf den Lebenshaltungsindex im Dezember 1973 mit 1,2 °/o-Punkten und — nach den inzwischen eingetretenen Preissenkungen — im August 1974 noch mit etwa 0,5 %-Punkten beziffern. Weit schwerwiegender dürften die indirekten Auswirkungen sein. Sie kommen dadurch zustande, daß Mineralölerzeugnisse in fast allen Wirtschaftsbereichen als Rohstoff oder Energieträger Verwendung finden und ihre Verteuerung damit zu einer Kostenmehrbelastung vieler im Warenkorb des Lebenshaltungsindex enthaltenen Güter führte. Das Ausmaß der Kostenerhöhungen differiert entsprechend der unterschiedlichen Bedeutung der Mineralölerzeugnisse im Produktionsprozeß von Produkt zu Produkt sehr stark und ist für die fast 1 000 einzelnen Indexpositionen schon mangels hinreichender statistischer Unterlagen fast ausnahmslos nicht berechenbar. Auch wenn dies möglich wäre, wäre nach wie vor offen, inwieweit der Markt die Weiterwälzung entstandener Mehrkosten im Preis zugelassen hat. Hinsichtlich der wohl wichtigeren indirekten Preiswirkungen kann ich Ihre Frage daher nicht quantitativ beantworten. Sicher dürfte aber sein, daß die Steigerungsrate des Lebenshaltungsindex ohne die hektische Preisentwicklung im Mineralölsektor heute deutlich niedriger liegen würde. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 55) : Trifft die Meldung der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. September 1974 zu, die Zahl der Firmen aus dem Land Berlin, die auf der Leipziger Herbstmesse ausstellen, sei im Verhältnis zum übrigen Bundesgebiet stark zurückgegangen, und welches sind die Ursachen, handelt es sich insbesondere um unmittel- 7822* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 bare oder mittelbare restriktive, gegen die Bindungen des Landes Berlin zum Bund gerichtete Maßnahmen der „DDR"-Behörden? Die Meldung der FAZ, daß die Zahl der in Leipzig vertretenen Berliner Firmen relativ stark abgenommen hat, die von ihnen in Anspruch genommenen Ausstellungsflächen aber fast gleich geblieben sind, trifft nach den Informationen der Bundesregierung zu. Die Ursachen dafür sind nicht eindeutig feststellbar. Allerdings hat auch die Beteiligung Berliner Firmen in den vergangenen Jahren z. T. nicht unerheblich geschwankt. Eine Beurteilung dieser Entwicklung wird schließlich dadurch erschwert, daß es keine offiziellen Angaben der DDR über die Messebeteiligung gibt, aus denen insbesondere die Zählweise zu entnehmen wäre. Bezieht man in die Zahlen nicht nur die ausstellenden sondern auch die durch sie vertretenen Firmen ein, so ergibt der Wegfall eines Ausstellers u. U. den Wegfall einer Vielzahl früher durch ihn in Leipzig vertretenen Firmen. Unmittelbare oder mittelbare gegen die Bindung Berlins zum Bund gerichtete „restriktive Maßnahmen" der DDR-Behörden sind nicht bekanntgeworden. Die Tatsache, daß die räumliche Repräsentanz der Aussteller aus Berlin (West) nahezu gleich groß geblieben ist, spricht eher gegen derartige Maßnahmen. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/2531 Frage A 62) : Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftliche Lage in den bayerischen Fördergebieten, und was wird sie unternehmen, um im Herbst und im Winter zur Sicherheit der Arbeitsplätze in den besonders gefährdeten Wirtschaftszweigen Bauindustrie, Textil- und keramische Industrie beizutragen? Die Bundesregierung beobachtet die wirtschaftliche Lage in den Fördergebieten und nach Sektoren, so auch die der Bau-, Textil- und Keramikindustrie besonders sorgfältig. Neben den bekannten regionalen Förderungsmöglichkeiten gibt es seit geraumer Zeit Sonderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die sog. M-Sonderkredite, mit deren Hilfe ausgewählte Industriezweige, zu denen die Bau- und die Textilindustrie gehören, zinsgünstige Kredite erhalten können, um damit teurere Kredite ablösen zu können. Daneben hat die Bundesregierung die Einfuhren aus Niedrigpreisländern und aus dem Ostblock, soweit es die Textilindustrie betrifft, nicht erhöht, sondern unter dem Eindruck der sich verschlechternden Situation Ende Dezember 1973 entschieden, daß die Einfuhrmöglichkeiten 1974 nicht auf einmal, sondern in zwei Raten bereitgestellt werden. Bei Porzellan wird die Erhöhung von Einfuhrkontingenten für Oststaaten davon abhängig gemacht, daß deutsches Porzellan nach dort geliefert wird. Gegenüber den Ländern der Länderliste B ist Porzellan als eine der wenigen Waren nicht liberalisiert, es bestehen nach wie vor noch Einfuhrkontingente. Auf die Hilfen zur Rationalisierung der Betriebe, die gleichzeitig der Sicherung der Arbeitsplätze dienen, mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", brauche ich nicht besonders hinzuweisen, sie sind dem hohen Hause bekannt. Eine weitere und zwar wesentliche Hilfe ist die Kapitalisierung der Frachthilfe, die für Anträge, die in der Zeit vom 1. Juli 1974 bis 31. Dezember 1975 gestellt werden, in der 10fachen Höhe des im Vorjahr gezahlten Frachthilfebetrages gewährt wird und in der Regel zu den sonst üblichen Hilfen hinzukommt. Mit ihrer Hilfe sollen Investitionen ermöglicht werden, die den einzelnen Betrieb frachtunabhängiger und damit krisenfester machen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2531 Frage A 65) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, in dein Rationalisierungskatalog des Bundes zumindest als Alternativregelung aufzunehmen, daß hei den Baugenehmigungsbehörden die Kontrollfunktionen und -positionen verstärkt auf den Rationalisierungsfaktor ausgerichtet werden? Der Rationalisierungskatalog ist in fast allen Bundesländern verbindlich eingeführt, zum mindesten aber den zuständigen Dienststellen zur Beachtung an die Hand gegeben worden. Als Ergänzung zum Rationalisierungskatalog wurden inzwischen die „Checklisten" herausgegeben (Heft Nr. 04.004 der Schriftenreihe des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau). In diesen Checklisten sind alle für die Planung, Ausschreibung und Bauvorbereitung wichtigen Rationalisierungsgesichtspunkte dargestellt. Sie sollen Planern und Bauausführenden Hinweise für die Bearbeitung geben, zugleich aber auch den Stellen, die seitens der Länder in die Prüfung eingeschaltet sind, einen Anhalt für die zu stellenden Anforderungen und für die Prüfung bieten. Die Prüfung der in dem Rationalisierungskatalog enthaltenen Auflagen wird von den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. In der Regel sind damit die Behörden beauftragt, die für die Bereitstellung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau zuständig sind. Sie können andere Dienststellen (auch Baugenehmigungsbehörden), Institute oder freiberuflich tätige Rationalisierungsfachleute hinzuziehen. In Anbetracht dieser unterschiedlichen Verfahrensweisen in den einzelnen Bundesländern haben die Checklisten auch die Aufgabe, die Anwendung möglichst einheitlicher Prüfkriterien sicherzustellen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7823* Grundsätzlich kann sich jede in die Prüfung von Rationalisierungsmaßnahmen im sozialen Wohnungsbau eingeschaltete Dienststelle über die zweckmäßigen Anforderungen orientieren und ggf. die Checklisten ganz oder teilweise zur Prüfung verwenden. Darüber hinaus werden aus Mitteln meines Hauses Arbeitsunterlagen für Seminare zum Rationalisierungskatalog erstellt. Die Rationalisierungsgemeinschaft Bauwesen im RKW und die jeweiligen Landesarchitektenkammern haben sich wegen der Veranstaltung von Seminaren mit den Ländern in Verbindung gesetzt. In Hessen, Niedersachsen und Bremen haben solche Seminare bereits stattgefunden, in anderen Ländern sind sie geplant. Wenn sich das im Rationalisierungskatalog und den zugehörigen Checklisten vorgeschlagene Verfahren zur Förderung der Rationalisierung im Wohnungsbau in den Bundesländern nur verhältnismäßig langsam einführt, so lag das bisher vielfach an der Überlastung des technischen Personals. Ich werde mich deshalb erneut an die Länder wenden und — Ihrer Anregung folgend — auch vorschlagen, die Baugenehmigungsbehörden mit dein Rationalisierungskatalog vertraut zu machen, soweit sie in die Wirtschaftlichkeitsprüfung eingeschaltet sind. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache 7/2531 Fragen A 67 und 68) : Zu welchen sozialen und wirtschaftlichen Folgen wird der ab September dieses Jahres zu erwartende „Schweineberg" in der Bundesrepublik Deutschland für die Erzeuger und Verbraucher führen? Trifft es zu, daß vor allem durch die zusätzliche Einfuhr von rund 190 000 Schweinen aus Drittländern außerhalb der EWG dieser „Schweineberg" entstanden ist, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Behauptungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die zukünftige Agrarpolitik? Zu Frage A 67: Die in den nächsten Monaten bei verstärktem Angebot zu erwartende Preisentwicklung auf dem Schweinesektor hängt weitgehend von der Verbrauchernachfrage ab. Seit einigen Monaten ist — nach vorübergehender Stagnation — insbesondere aufgrund rückläufiger Verbraucherpreise ein Anstieg der Verbrauchernachfrage bei Rind- und Schweinefleisch festzustellen. So konnten sich die Schweinepreise in den vergangenen Wochen wieder etwas erholen. Wenn Handel und Gewerbe, die auch für die nächsten Monate zu erwartenden niedrigeren Einstandspreise zügig an den Verbraucher weitergeben, ist damit zu rechnen, daß die günstige Verbrauchsentwicklung bei Schweinefleisch anhält. Dadurch kann das größere Angebot vom Markt aufgenommen werden, ohne daß sich allzu nachteilige Auswirkungen auf die Erzeugerpreise ergeben, die sonst zu unerwünscht starken Produktionseinschränkungen führen könnten. Zu Frage A 68: Es trifft nicht zu, daß der Schweineberg durch die Einfuhr von Schweinen aus Drittländern entstanden ist. Seit erstem Januar 1974 sind aus Drittländern ca. 55 000 Schlachtschweine in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt worden. Dagegen wurden aus den übrigen Ländern der EG im gleichen Zeitraum rd. 1 856 000 Schweine bezogen. Das inländische Angebot an Schlachtschweinen für das Wirtschaftsjahr 1974/75 wird auf ca. 30 Millionen Stück geschätzt. Die Drittlandseinfuhren an Schweinen sind im Vergleich zum Gesamtangebot aus eigener Erzeugung und Gemeinschaftsbezügen so gering, daß sie in keinem Zusammenhang zu dem zyklisch bedingten Mehrangebot in Schweinefleisch stehen. Es besteht daher auch keine Veranlassung, hieraus Konsequenzen für die zukünftige Agrarpolitik zu ziehen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 76) : Denkt die Bundesregierung daran, besondere Beratungsstellen einzurichten, um den ausländischen Arbeitnehmern die Eingliederung in die deutsche Gesellschaft zu ermöglichen und damit die Einbürgerungsmöglichkeiten zu verbessern? In der Bundesrepublik Deutschland gibt es rund 550 Beratungs- und Betreuungsstellen für ausländische Arbeitnehmer. Sie werden mit maßgeblicher Förderung durch die Bundesregierung von den großen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und von Gewerkschaften unterhalten und sind über das gesamte Bundesgebiet verteilt. Den ausländischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen stehen in diesen Einrichtungen sprach- und fachkundige Mitarbeiter mit Rat und Hilfe in allen Fragen des täglichen Lebens zur Verfügung. Dabei werden auch Fragen über Einbürgerungsmöglichkeiten gestellt. Häufig werden diese auch unmittelbar den hierfür fachlich zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörden vorgetragen. Die Tätigkeit der besonderen Betreuungs-und Beratungsstellen wird als bedeutende Hilfe bei der Eingliederung der ausländischen Arbeitnehmer — vor allem auch von deren Vertretern in Koordinierungskreisen und Ausländerbeiräten — anerkannt. Die Mittel im Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur Förderung dieser wichtigen Aufgabe betragen gegenwärtig rund 15 Mio DM, nachdem sie — und das möchte ich hier besonders dankbar hervorheben — mit Unter- 7824* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 stützung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung durch den Haushaltsausschuß des Bundestages verstärkt worden sind. Damit kann weiterhin an der Verbesserung und dem Ausbau der Beratungs- und Betreuungstätigkeit für ausländische Arbeitnehmer gearbeitet werden. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 80) : Wie begründet die Bundesregierung im einzelnen die Behauptung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, der Netto-Einkommenszuwachs der Unselbständigen werde auch in diesem Jahr über 4 % betragen, und warum kommen andere Berechnungen zu einer über 3 % geringeren Steigerungsrate? Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, daß Minister Arendt in dem von Ihnen angesprochenen Interview für das Jahr 1974 nicht die von Ihnen genannte Zahlenangabe gemacht hat. Er hat festgestellt, daß in den Jahren 1969 bis 1973 die Arbeitseinkommen alljährlich um 4,5 % und die Renteneinkommen um 4,9% netto real gestiegen sind. Für die Zukunft wird in dem Interview von ähnlichen Einkommenssteigerungen ausgegangen, wobei insbesondere auch die erheblichen Rentensteigerungen zu berücksichtigen sind. Im kommenden Jahr wird allein die Steuerreform die Arbeitnehmerhaushalte um rd. 13 Milliarden DM entlasten. Im übrigen geht die Bundesregierung davon aus, daß sich ihre Bemühungen um mehr Stabilität namentlich für die Arbeitnehmer- und Rentnerhaushalte günstig auswirken. Früheren Schätzungen der Bundesregierung, die in der Tat zu geringeren Einkommenssteigerungen kamen, lagen noch höhere Annahmen bei den Preissteigerungsraten zugrunde. So mußte man noch in den ersten Monaten dieses Jahres von einer Veränderungsrate für den privaten Konsum von 8% bis 9 % ausgehen, während nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen für die Monate Januar bis August 1974 der Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen, der üblicherweise den Realeinkommensberechnungen zugrunde gelegt wird, gegenüber der entsprechenden Vorjahreszeit im Durchschnitt nur um 6,9 °/o gestiegen ist. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Fragen A 81 und 82) : Wie hoch sind die Kosten für die Anzeigenkampagne „Markt und Mensch", mit der die Bundesanstalt für Arbeit aus Beitragsmitteln der Arbeitnehmer und Arbeitgeber Öffentlichkeitsarbeit für Mitglieder der Bundesregierung betreibt, und wie lassen sich diese Ausgaben mit der angespannten Finanzlage der Bundesanstalt und der Zweckbestimmung der Versichertenbeiträge t vereinbaren? Welche weiteren Mitglieder der gegenwärtigen Bundesregierung wird die Bundesanstalt für Arbeit noch mii persönlichen Aussagen in Zeitungsinseraten vorstellen? Mit der Anzeigenkampagne „Markt und Mensch" betreibt die Bundesanstalt für Arbeit keine Öffentlichkeitsarbeit für einzelne Personen; vielmehr kommt sie damit dem gesetzlichen Auftrag des § 3 Abs. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes nach, die Öffentlichkeit über die Dienste und Leistungen nach diesem Gesetz zu unterrichten. Die Kampagne, die Teil einer umfassenderen Informationsaktion ist, will über das besondere Leistungsangebot des Arbeitsförderungsgesetzes unterrichten; so etwa über Arbeitsvermittlung, Arbeitsberatung, Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und Einarbeitungszuschüsse. Besonders die letztgenannten Leistungen können bei den wirtschaftlich orientierten Überlegungen der Arbeitgeber, ob weiteres Personal eingestellt werden soll, den Ausschlag geben. Der Information hierüber kommt deshalb gerade bei der gegenwärtigen angespannten Arbeitsmarktlage erhöhte Bedeutung zu. Die Anzeigen sind nach werbetechnischen Gesichtspunkten aufgebaut. Eine prominente Person aus Wirtschaft, Gewerkschaft oder Politik macht eine sachbezogene Aussage und weckt damit das Interesse des Lesers für den informierenden Teil der Anzeige. Neben dem für die Arbeitsmarktpolitik zuständigen Bundesminister Walter Arendt und der für die berufliche Stellung der Frau zuständigen Ministerin Katharina Focke kommen der Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, der Vorsitzende des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit zu Wort. Die Kosten der Aktion belaufen sich auf 1,165 Millionen DM. Die Anzeigenaktion ist vom Vorstand der Bundesanstalt, in dem die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die öffentliche Hand paritätisch vertreten sind, gebilligt worden. Anlage 42 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wolters auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Rollmann (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Fragen A 85 und 86) : Welche Auswirkungen würde eine Legalisierung von Haschisch und Marihuana, wie sie von der Regierung der Niederlande beabsichtigt ist, für den Rauschmittel- und Drogenkonsum junger Deutscher in Amsterdam und für die illigale Versorgung des Rauschmittel- und Drogenmarktes in Deutschland haben? Was wird die Bundesregierung tun, um die ihr befreundete Regierung der Niederlande von ihrer Absicht abzubringen, den Besitz und den Gebrauch und damit letztlich auch den Handel von Haschisch und Marihuana zu legalisieren? Zu Frage A 85: Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 24. 1. 1974 das Auswärtige Amt ersucht, auf diplomatischem Wege die wirklichen Absichten der niederländischen Regierung erkunden Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7825* zu lassen. Dies war erforderlich, da sich stark widersprechende Meldungen bekanntgeworden waren. Nach dem jetzigen Stand der Erkenntnisse ist lediglich für Hanfprodukte eine strafrechtlich andere Behandlung als für sogenannte „harte Drogen" vorgesehen; für Hanfprodukte wird auch Straffreiheit diskutiert. Nach Auskunft der Deutschen Botschaft in Den Haag vom 11. 6. 1974 hat die niederländische Regierung mitgeteilt, daß Hanfprodukte wegen der internationalen Vertragsverpflichtungen vorerst nicht legalisiert werden können. Die Regierung der Niederlande beabsichtigt jedoch, eine Änderung dieser Verpflichtung anzustreben. Bei der Legalisierung von Hanfprodukten in den Niederlanden wäre zu befürchten, daß der Schmuggel dieser Drogen in die Bundesrepublik zunehmen würde. Das ist schon jetzt, wie die Drogenbeauftragten der Bundesländer wiederholt mitgeteilt haben, festzustellen, nachdem durch Personalverringerungen praktisch eine Lockerung der Aufsicht über den illegalen Drogenhandel in den Niederlanden festzustellen ist. Zu Frage A 86 Da ernste Konsequenzen aus einer Legalisierung von Hanfprodukten in den Niederlanden u. a. auch für die Bundesrepublik zu erwarten wären, beabsichtigt die Bundesregierung diese Frage mit gleich betroffenen Partnerstaaten zu erörtern und zum Gegenstand der im Rahmen der europäischen Kooperation zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs anstehenden 2. Ministerkonferenz zu machen. Die Bundesregierung wird sich darüber-hinaus, wie vermutlich auch eine große Zahl anderer Staaten, gegen eine Änderung der internationalen Verpflichtungen aussprechen. Die Bundesregierung hat bereits vor längerer Zeit einen Forschungsauftrag vergeben, der ausschließlich darauf zielt, die körperlichen Schädigungen durch Hanfprodukte zu dokumentieren. Der Ergebnisbericht liegt in den beiden ersten Teilen vor und besagt, daß diese Rauschdrogen keineswegs gesundheitlich unbedenklich seien, sondern im Gegenteil, zu bestimmten körperlichen Schädigungen führen. Diese Auffassung wird auch von neueren angloamerikanischen Forschungen gestützt. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Franz (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 89) : Trifft die Meldung der Tageszeitung „Die Welt" vom 3. September 1974 zu, einem Berliner sei von den ,,DDR"-Grenzbehörden am Kontrollpunkt Drewitz die Reise nach Westdeutschland verweigert worden, und was unternimmt die Bundesregierung gegen diese neuerliche Verletzung des Vier-Mächte-Abkommens? Die Meldung in der Tageszeitung „Die Welt" vom 3. September 1974 trifft zu. Die Bundesregierung untersucht diesen Vorfall. Vor Abschluß der Ermittlungen kann zur Frage, ob die DDR mit dieser Zu- I rückweisung gegen das Transitabkommen verstoßen hat, nicht Stellung genommen werden. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 90) : Trifft es zu, daß die Verkehrsschilder im Zonenrandhereich, die die Entfernungen nach Städten wie Halberstadt, Magdeburg, Berlin usw. anzeigen, entfernt werden sollen, und wenn ja, welche Begründung gibt die Bundesregierung zu diesem Schritt? Mit Schreiben vom 5. 7. 1973 hat der Bundesminister für Verkehr Grundsätze für die Gestaltung der wegweisenden Straßenbeschilderung im Bereich der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bekanntgegeben und die obersten Straßenbaubehörden der Länder angewiesen, die vorhandene Beschilderung zu überprüfen und erforderlichenfalls zu ändern. Bereits in der Fragestunde am 13. und 14. 9. vorigen Jahres habe ich Fragen Ihrer Kollegen Schedl und Dr. Kunz (Weiden), die sich auf diese Weisung bezogen, beantwortet. Ich kann daher im Grunde nur das wiederholen, was ich damals gesagt habe. Die Weisung des Bundesministers für Verkehr an die obersten Straßenbaubehörden der Länder, die im Einvernehmen mit dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen ergangen ist, hat zum Ziel, die wegweisende Straßenbeschilderung im Bereich der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR mit den allgemeingültigen Regeln der Wegweisung in Einklang zu bringen. Die entscheidende Regel besagt, daß nur solche Ziele angegeben werden dürfen, die im Verlauf des betreffenden Straßenzuges auch erreichbar sind. Auf die Verhältnisse im Bereich der Grenze zur DDR angewandt, besagt dies, daß Ziele in der DDR nicht angezeigt werden dürfen, wenn in dem betreffenden Straßenzug keine Grenzübergangsstelle vorhanden ist. Diese Regelung ist verkehrsnotwendig; denn würde man anders verfahren, bestünde die Gefahr, daß ortsunkundige Verkehrsteilnehmer fehlgeleitet werden. Selbstverständlich wird im Zuge von Straßen mit einer Grenzübergangsstelle auch weiterhin auf Ziele in der DDR hingewiesen. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2531 Frage A 91): Da es dem Luftfahrtbundesamt bisher nicht gelungen ist, die Besetzung der Flugbetriebsprüferstellen, die im wesentlichen nur durch Flugkapitäne erfolgen kann (von 21 notwendigen Flug- 7826* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 betriebsprüferstellen sind bisher nur sechs besetzt), vorzunehmen, frage ich die Bundesregierung, welche Möglichkeit sieht sie, über die Einführung einer Sonderbesoldung bzw. eines Sonderzulagensystems diese für die Luftsicherheit entscheidende Personalbesetzung zu ermöglichen? Für die Aufgaben der Flugbetriebsüberwachung der Luftfahrtunternehmen und Abnahme der Flugprüfung bedarf das Luftfahrt-Bundesamt hochqualifizierten fliegerischen Fachpersonals. Diese Spezialkräfte konnten bisher nicht in ausreichender Anzahl gewonnen werden, weil die nach dem Bundesangestelltentarif vorgesehenen Vergütungen nicht konkurrenzfähig sind mit den von den Luftfahrtunternehmen gebotenen Bezügen. Besondere Schwierigkeiten bereitet aber auch die fliegerische Inübunghaltung und Fortbildung dieses Fachpersonals. Zur Behebung dieser Schwierigkeiten hat das Bundesverkehrsministerium verschiedene Modelle entwickelt, von denen eines sowohl einen zusätzlichen finanziellen Anreiz bietet und gleichzeitig auch die Voraussetzungen zur fliegerischen Inübunghaltung und Fortbildung schafft. Die Verhandlungen hierüber sind soweit gediehen, daß in naher Zukunft mit der Verwirklichung dieses Modells und damit mit einer Verbesserung der personellen Ausstattung des Luftfahrt-Bundesamtes gerechnet werden kann.
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711600000
Die Sitzung ist eröffnet.
Der Herr Abgeordnete Kahn-Ackermann hat mit Wirkung vom 18. September 1974 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger ist Herr Abgeordneter Wimmer am gleichen Tag in den Bundestag eingetreten. Es war mir mitgeteilt worden, daß der neue Kollege schon anwesend sei. Aber offensichtlich hat ihn die Nachricht zu spät erreicht. Wir wünschen ihm alles Gute und eine erfolgreiche Arbeit im Hause.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
Drucksache 7/2531 —
Zunächst kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Moersch zur Verfügung.
Die Frage 11 des Abgeordneten Dr. Dollinger wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 12 des Abgeordneten Gierenstein wird auf dessen Wunsch ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Schäuble wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann wird auch die Frage 14 des Abgeordneten Kiechle auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Schließlich wird auch die Frage 15 des Abgeordneten Gierenstein auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Stehen Meldungen, Ost-Berlin habe bei der Aufnahme der Beziehungen von den USA die Zusage erhalten, es würden keine weiteren Bundesbehörden in Berlin errichtet werden, mit früheren Meldungen im Zusammenhang, während der Amtszeit des letzten Bundeskanzlers habe es in dieser Richtung mündliche Zusagen seitens der Bundesregierung gegeben, und sind diese etwa durch nicht der Bundesregierung angehörende oder in ihren Diensten stehende Personen übermittelt worden?
Herr Staatsminister!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711600100
Herr Abgeordneter, die DDR hat von der amerikanischen Regierung keine Zusage der von Ihnen erwähnten Art erhalten. Entsprechende Pressemeldungen sind von der amerikanischen Botschaft in Bonn offiziell dementiert worden. Auch die Bundesregierung hat keine diesbezügliche Erklärung abgegeben oder übermitteln lassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711600200
Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0711600300
Herr Staatsminister, hat sich die Bundesregierung bei der amerikanischen Regierung bemüht, daß die Frage der Errichtung des Umweltbundesamtes in Berlin in die Verhandlungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und der DDR einbezogen wird?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711600400
Herr Abgeordneter, Ihnen wird bekannt sein, daß die amerikanische Regierung in ihrer Verantwortung für Berlin im Zusammenhang mit den Reaktionen auf die Errichtung des Umweltbundesamts ihre Gespräche mit der DDR unterbrochen hatte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711600500
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0711600600
Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie Pressemeldungen, wonach der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Wehner, der DDR-Regierung in diese Richtung zielende Versicherungen gegeben haben soll?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711600700
Mir ist von solchen Meldungen und auch von solchen Versicherungen nichts bekannt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711600800
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Biehle auf:
Wird die Bundesregierung alles daransetzen, um — wie die Vereinigten Staaten von der Sowjetunion — von Polen die verbindliche Zusage zu erlangen, Ausreiseanträge bedingungslos und zügig abzuwickeln und unter die bisherige Politik der Verfolgung und Belästigung von Ausreisewilligen einen Schlußstrich zu ziehen, und wird sie insbesondere verlangen, daß die Antragsteller künftig weder Arbeitsplatzverluste noch ungewöhnlich lange Wartezeiten zu befürchten brauchen?
Herr Staatsminister!




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711600900
Die Bundesregierung ist seit langem gegenüber der Volksrepublik Polen um die Verwirklichung der diesbezüglichen, von polnischer Seite als bindend bekräftigten Zusagen bemüht. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Benachteiligung von Ausreisebewerbern und die Frage der Wartefristen. Die Bundesregierung wird sich weiterhin intensiv für die Lösung dieses für die Betroffenen und für die deutsch-polnischen Beziehungen wichtigen Problems einsetzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711601000
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Biehle.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0711601100
Herr Staatsminister, unabhängig von der Tatsache, daß Sie zu früheren Zeitpunkten diese Benachteiligung verneint haben, frage ich Sie, ob Sie nicht mit mir und mit vielen Bürgern in diesem Land der Meinung sind, daß bei konkreteren Aushandlungen und Verhandlungen über die Verträge mit Polen und bei einem verstärkten Engagement in den nachfolgenden Verhandlungen mehr Rechtspositionen für die Aussiedlungswilligen erreicht und damit das Sinken der Ausreisezahlen — Sie selbst haben 50 000 Ausreisende für dieses Jahr angekündigt — und die zunehmenden Schikanen beseitigt worden wären.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711601200
Herr Abgeordneter, zunächst darf ich darauf verweisen, daß die von Ihnen aufgestellte Behauptung keine Stütze in den Protokollen des Bundestages finden dürfte. Zum zweiten muß ich Ihnen sagen, daß die Bundesregierung mit Grund der Überzeugung ist, daß ein anderes Ergebnis als das, welches erzielt worden ist, nicht zu erzielen war. Wenn es zu erzielen gewesen wäre, wäre das zugleich ein Vorwurf gegen alle früheren Bundesregierungen, die kein Ergebnis erreicht haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711601300
Eine weitere Zusatzfrage.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0711601400
Herr Staatsminister, hat sich nicht gezeigt, daß das, was die CDU/CSU seit langem gefordert hat, gerade bei nachfolgenden Verhandlungen, wenigstens jetzt im Wirtschafts- und Kreditbereich — und bedauerlicherweise hatte Herr Minister Bahr das noch im März 1974 abgelehnt —, von den Amerikanern in Moskau vorbildlich praktiziert worden ist, und sollte man daraus nicht durch die Bundesregierung die Konsequenzen ziehen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711601500
Herr Kollege, ich bitte, bei der Vorformulierung von Zusatzfragen freundlicherweise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu achten. — Bitte!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711601600
Herr Abgeordneter, Sie können in der Politik vergleichbare Tatbestände vergleichen, aber nicht unvergleichbare Tatbestände.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711601700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Friedrich.

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0711601800
Herr Staatsminister Moersch, der Kollege Biehle hat in seiner Frage das Wort „bedingungslos" eingeführt. Wenn wir das schon nach der „bedingungslosen Kapitulation" erstmals wieder verwenden, glauben Sie, daß in Verhandlungen dieser Art ein bedingungsloser Imperativ irgendwelche Chancen gibt, und hat es in den 25 Jahren der Bundesrepublik schon einmal den Versuch einer Regierung gegeben, in diplomatischen Fragen mit einem bedingungslosen Imperativ an den Verhandlungspartner heranzugehen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711601900
Herr Abgeordneter, die Frage ist so gestellt, daß man sie selbstverständlich verneinen muß. Aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß den Kollegen im Hause, die seit langem Beobachter der deutschen Politik sind, sicherlich aufgefallen ist, mit welchem Realismus Konrad Adenauer seine Westpolitik begonnen hatte, um die Bundesrepublik Deutschland überhaupt wieder sozusagen in die Weltpolitik einzuführen. Ich wundere mich, daß der dort viel gelobte Realismus offensichtlich für andere Bereiche nicht gelten soll.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711602000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0711602100
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Aussiedlungswillige ihren Arbeitsplatz verloren haben, nur weil sie einen Antrag auf Aussiedlung gestellt haben, und ist die Bundesregierung bereit, falls sie über die Zahlen verfügt, diese der Öffentlichkeit mitzuteilen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711602200
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, daß Sie in eine Zusatzfrage nicht gleich zwei Fragen einpacken können.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711602300
Die Bundesregierung ist bereit, das den Abgeordneten mitzuteilen, wenn sie exakte Zahlen bekommen kann. Ich müßte prüfen, in welcher Form das möglich ist. Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses haben Sie dann sicher Gelegenheit, alle Aspekte dieser Frage kennenzulernen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711602400
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0711602500
Herr Staatsminister, berührt die bisherige Nichterfüllung der auch von Ihnen als amtliche Zusage bezeichneten „Information", die in allen Einzelheiten mit der Bundesregierung abgestimmt und von ihr akzeptiert worden ist,



Dr. Czaja
also ein Dokument im Zusammenhang mit dem Vertrag im Sinne von Art. 31 der Wiener Vertragskonvention ist, nicht die Wirksamkeit des Vertrages?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711602600
Herr Abgeordneter, die Probleme, die jetzt hier zur Debatte stehen und die leider seit langem zur Debatte stehen, berühren selbstverständlich die deutsch-polnischen Beziehungen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711602700
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) auf:
Auf welche Weise gewährleistet die Bundesregierung, daß die deutschen Konsuln hinreichend mit aktuellen Informationen versorgt werden, damit sie ihre wichtige Aufgabe im jeweiligen Land erfüllen können?
Herr Staatsminister!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711602800
Die berufskonsularischen Vertretungen, Herr Abgeordneter, erhalten zur Durchführung ihrer Aufgaben laufend generelle und spezielle Weisungen des Auswärtigen Amtes. Ferner unterrichten die diplomatischen Vertretungen die konsularischen Vertretungen über die für ihren Amtsbereich wichtigen politischen Vorgänge und über allgemeine politische Vorgänge, deren Kenntnis zur Wahrung der politischen Linie der Bundesregierung im Gastland nötig ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711602900
Zusatzfrage!

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0711603000
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß zu einer ausreichenden Information, zu einer aktuellen Information, vor allem auch der Wahlkonsulate, der Bezug wenigstens einer großen deutschen Zeitung gehört?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711603100
Herr Abgeordneter, es wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, daß im Haushaltsplan dafür Mittel vorhanden sind und daß die deutschen Vertretungen draußen vier Zeitungen beziehen können. Die Wahlkonsuln werden von unserem Material unterrichtet, zum Teil auch von dpa-Material. Wie der Zeitungsbezug dort geregelt ist, muß ich prüfen. Sie dürfen aber bitte nicht übersehen, daß ein Unterschied zwischen Wahlkonsulaten und eigentlichen Behörden besteht. Die Wahlkonsuln sind im allgemeinen Personen, die dem deutschen öffentlichen Leben auch durch die Lektüre von deutschen Zeitungen längst verbunden sind; sonst hätten sie sicher kein Wahlkonsulat für die Bundesrepublik Deutschland übernommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711603200
Eine weitere Zusatzfrage.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0711603300
Herr Staatsminister, glauben Sie nicht, daß es trotzdem äußerst wünschenswert wäre, daß zur Aufrechterhaltung ihrer Funktion, die unsere Konsuln übernommen haben, auch tatsächlich die Genehmigung des Bezugs wenigstens einer großen deutschen Tageszeitung durch das Auswärtige Amt gehört?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711603400
Herr Abgeordneter, diese Frage richtet sich nicht an das Auswärtige Amt. Wir treten heute in Haushaltsberatungen ein. Die Kollegen im Haushaltsausschuß bemühen sich nach Kräften, den Bedürfnissen auch der Auslandsvertretungen gerecht zu werden. Wir haben vor einiger Zeit auf diesem Gebiet für 600 000 DM Zeitungsbezüge und anderes ausgerechnet. Ich darf Ihnen sagen, daß ein großer Teil der Berufskonsulate und auch der Wahlkonsulate sogar per Luftpost bestimmte Dienste und Informationen erhält. Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß werden über Portokosten in bestimmte Bereiche der Welt sicher noch einige nähere Angaben machen können. Sie sind enorm, und das ist der Grund, weshalb wir eben mit den Mitteln auskommen müssen, die wir haben. Wir müssen hier Entscheidungen treffen, und die fallen natürlich zunächst zugunsten der Informierung unserer Botschaften und der Generalkonsulate, die praktisch politische Aufgaben mit wahrzunehmen haben. Wenn Sie in der Lage sind, den Etat des Auswärtigen Amtes bei den Beratungen hier entsprechend zu verbessern, so ist das Auswärtige Amt sofort bereit, alles zu tun, was Sie sich vorstellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711603500
Meine Damen und Herren, es schmerzt mich etwas, daß ich hier nicht hinzufügen kann: wer die Strapazen eines Wahlkonsulats auf sich nimmt, kann sich vielleicht auch noch eine deutsche Tageszeitung leisten.
Herr Abgeordneter Dr. Wittmann und Herr Abgeordneter Gerlach haben um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen 19, 20 und 21 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die nächste Frage, die Frage 23, ist von Herrn Abgeordneten Dr. Hupka eingereicht:
Welches sind die Gründe dafür, daß die vor Ratifizierung des Prager Vertrages im Juni 1974 begonnenen Gespräche zwischen den Rot-Kreuz-Gesellschaften der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakei trotz entgegengesetzter Ankündigungen noch nicht wieder fortgesetzt werden konnten, und besteht Grund zu der Befürchtung, daß dadurch die sich eröffnenden Möglichkeiten zur Aussiedlung entgegen dem Briefwechsel zum Prager Vertrag überhaupt nicht wahrgenommen werden können?
Herr Staatsminister, bitte!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711603600
Herr Abgeordneter! Die Gespräche zwischen dem Deutschen und dem Tschechoslowakischen Roten Kreuz über gegenseitige Zusammenarbeit bei der Durchführung des zum Prager Vertrags gehörenden humanitären Briefwechsels werden in der Zeit vom 1. bis 4. Oktober 1974 in Bonn fortgesetzt werden. Die Bundesregierung hatte bereits den Besuch des tschechoslowakischen Außenministers Chnoupek im Juli dieses Jahres zum Anlaß genommen, auf eine zügige Fortsetzung der Rot-Kreuz-Gespräche hinzuwirken. Es war der tschechoslowakischen Seite jedoch mit Rücksicht auf die Sommerpause und wegen



Staatsminister Moersch
einer Sitzung des Präsidiums des Tschechoslowakischen Roten Kreuzes von Anfang September, auf der formell über die Fortführung der Gespräche entschieden werden mußte, nicht möglich, einen früheren Termin zu akzeptieren. Die in der ersten Gesprächsrunde vereinbarte Aktualisierung der Ausreisewünsche durch das DRK und die Übermittlung von überprüften Einzelfällen an das Tschechoslowakische Rote Kreuz sind in der Zwischenzeit in die Wege geleitet worden. Befürchtungen, daß durch die Gesprächspause eine Beeinträchtigung der im Briefwechsel zum Prager Vertrag vorgesehenen Möglichkeiten in bezug auf eine Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland eingetreten sein könnte, sind deshalb, wie auch die vereinbarte Fortsetzung der Rot-Kreuz-Gespräche zeigt, nicht begründet.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711603700
Zusatzfrage!

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0711603800
Ist Ihnen, Herr Staatsminister bekannt, daß die Zahl der Aussiedler aus der Tschechoslowakei erschreckend rückläufig ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711603900
Herr Abgeordneter, ich kann zu den Zahlen im einzelnen jetzt nicht Stellung nehmen. Ihre Frage ist aber insofern interessant, als durch den Einspruch des Bundesrates — einen Vorgang, den es bislang im auswärtigen Bereich nicht gegeben hatte — die Inkraftsetzung der Vereinbarungen in diesem Sommer hinausgezögert worden war.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711604000
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0711604100
Es steht doch fest, Herr Staatsminister, daß ein Vierteljahr lang die Verhandlungen des Deutschen Roten Kreuzes mit dem Roten Kreuz der Tschechoslowakischen Republik geruht haben, obwohl vorgesehen war, gleich im Juli die Verhandlungen wieder aufzunehmen, so daß das, was im Briefwechsel unter Satz 3 steht, gar nicht in die Tat umgesetzt werden konnte, nämlich die Aussiedlung durch Verhandlungen der RoteKreuz-Gesellschaften zu fördern?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711604200
Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen hier die Termine genannt, die die tschechoslowakische Seite uns mitgeteilt hat, und ich darf nur darauf verweisen, daß wir keinen Anlaß gesehen haben, diese Termine, die die andere Seite aus zwingenden Gründen vorgetragen hatte, am Ende nicht zu akzeptieren. Wenn wir jedoch von Terminfragen sprechen, dann müssen wir natürlich auch berücksichtigen, daß unsere Meinung — und ich bekenne mich dazu — zunächst die war, daß der Vertrag früher in Kraft treten könne, weil ich in der Tat nicht damit gerechnet hatte, daß eine so sinnlose Aktion wie ein Einspruch gegen ein auswärtiges Gesetz vom Bundesrat unternommen würde.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711604300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0711604400
Ist die Bundesregierung bereit, in dringenden Einzelfällen nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen auch über die deutschen Auslandsvertretungen und nicht nur über das Rote Kreuz die Schutzpflicht gegenüber Deutschen in der Tschechoslowakei wahrzunehmen, wie auch früher die Bundesregierung ohne Vertrag über die Schutzmächte in Prag interveniert hatte?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711604500
Die Bundesregierung hat die Absicht, im Interesse deutscher Bürger genauso zu verfahren, wie sie das immer getan hat, und sie hat deswegen noch nie mit Recht Vorwürfe entgegennehmen müssen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711604600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hösl.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0711604700
Herr Staatsminister, ist in Einzelfragen die Intervention Ihres Hauses in Anspruch zu nehmen, wenn es sich um einen Petenten in unserem Lande handelt, der ohne Genehmigung der Regierung der CSSR in der Zeit des Prager Frühlings das Land verlassen und hier nun eine Dauerexistenz gefunden hat?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711604800
Herr Abgeordneter, wenn Sie bestimmte Einzelfälle im Auge haben, sind Sie sicher jederzeit in der Lage, es uns mitzuteilen, damit wir den Fall im einzelnen prüfen können. In Personenfragen gibt es, wie Sie wissen, immer Kontakte. Nur muß man den Fall im einzelnen kennen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711604900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0711605000
Herr Staatsminister, sind Sie angesichts der Tatsache, daß der Bundesrat — ein im Grundgesetz vorgesehenes Organ — eine Mehrheitsentscheidung getroffen hat, bereit, Ihre Behauptung, dieses Organ habe sinnlos gehandelt, noch einmal zu überprüfen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711605100
Nein, ich bin dazu nicht bereit. Ich bin hier in kritischer Weise auf Termine angesprochen worden. Ich halte es für sinnlos, einen Vertrag für vier Wochen in seinem Inkrafttreten zu behindern, wenn man vorher weiß, daß man das Inkrafttreten mit einem Einspruch gar nicht verhindern kann. Ich halte einen Einspruch für sinnvoll, bei dem man glaubt, daß man damit eine politische Wirkung erzielen kann. Aber ich halte einen Einspruch nicht für sinnvoll, sondern für sinnlos, wenn man damit — wie wir eben gesehen haben — nur die Verhandlungen verzögert.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP — Widerspruch bei der CDU/CSU)

— Das ist eine politische Wertung, keine rechtliche Darlegung.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711605200
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie erklärt es sich, daß immer wieder Reiseunternehmungen entgegen den deutsch-polnischen Absprachen die Geburtsorte der Reisenden, soweit sie vor 1945 geboren sind, auf Grund amtlicher polnischer Forderungen ausschließlich in polnischer Sprache einsetzen und zum Teil neue Pässe erstellen lassen müssen, und was hat die Bundesregierung, der dieser Sachverhalt durch zahlreiche Beschwerden bekannt ist, dagegen unternommen?
Herr Staatsminister.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711605300
Die Bundesregierung hat verschiedentlich den Deutschen Reisebüroverband über die deutsch-polnische Absprache vom Dezember 1970 unterrichtet. Sie hat zuletzt am 4. Juli 1974 diesem Verband ein Merkblatt über Reisen nach Polen übermittelt, in dem die Frage der Ortsbezeichnungen behandelt wird. Sofern sich Reiseunternehmen in der Frage der Ortsbezeichnungen unmittelbar an das Auswärtige Amt gewandt haben, wurden sie über die bestehende Regelung unterrichtet.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711605400
Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0711605500
Aber, Herr Staatsminister, Sie werden doch darin mit mir übereinstimmen müssen, daß zwar die Regelung bekannt ist, aber leider die andere Seite sich an diese Regelung offenbar nicht hält.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711605600
Nein, Herr Abgeordneter. Soweit wir Verstöße feststellen konnten, haben wir uns an die andere Seite gewandt. Ihre Frage zielt doch offensichtlich auf den ebenfalls bekannten Tatbestand ab, daß bestimmte Reiseunternehmen von diesem Merkblatt, das wir verteilt haben, keine Notiz genommen haben und deswegen in einer nach unserer Meinung nicht korrekten Weise die Anträge gestellt haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711605700
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0711605800
Herr Staatsminister, führen Sie das nur auf nicht korrekt gestellte Anträge zurück oder nicht vielmehr auf das Verhalten von polnischen Verwaltungsdienststellen, die eben diese Forderungen an unsere Reisebüros stellen — sonst kämen die Antragsteller gar nicht dazu, eine Reise antreten zu können —?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711605900
Herr Abgeordneter, ich kann nur von Tatsachen ausgehen. Ich kenne die Motive nicht, aber ich hatte aus Ihrer Frage den Eindruck — der sicherlich richtig ist — gewonnen, daß dieses Merkblatt tatsächlich nicht überall beachtet wird. Das bedauere ich; denn wir haben es deswegen gemacht, damit es beachtet wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711606000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0711606100
Herr Staatsminister, Sie haben eben gesagt, Sie hätten sich in mehreren Fällen an die Volksrepublik Polen gewandt. War aus diesem Sich-Wenden erkennbar, daß es sich um Interventionen des Völkerrechtssubjekts Bundesrepublik Deutschland handelt, und wie waren die Antworten der polnischen Seite?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711606200
Herr Abgeordneter, wir reden nicht in komplizierten Termini, sondern wir haben das getan, was wir immer tun: Wenn wir Anstände mit einem Staat haben, mit dem wir diplomatische Beziehungen haben, tragen wir sie vor. Der Gesprächspartner wird im allgemeinen, wie das im diplomatischen Verkehr üblich ist, eine Prüfung zusagen. Wenn dann die Anstände nicht mehr stattfinden, gehe ich davon aus, daß sie erfolgreich vorgebracht worden sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711606300
Ich rufe die Fragen 25 und 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf. — Ich habe ihn zwar eben noch gesehen, aber er ist nicht im Saal. Die Fragen werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt
Ich rufe Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesregierung inzwischen Nachweise über die individuelle Auszahlung von Hilfsleistungen an einzelne Opfer pseudomedizinischer Menschenversuche aus den seitens der Bundesrepublik Deutschland im Dezember 1972 und im Herbst 1973 der Volksrepublik Polen überwiesenen 100 Millionen DM — worüber sie „selbstverständlich" berichten wollte (Staatssekretär Moersch: Protokoll der 15. Sitzung des Deutschen Bundestages, S. 649) —, und zwar Nachweise über die Zahl der mit deutschen Mitteln bedachten Opfer sowie die Durchschnittssumme der je Person tatsächlich ausgezahlten Förderung?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711606400
Herr Abgeordneter, soweit der Bundesregierung bekannt, sind die Auszahlungen auf Grund des deutsch-polnischen Abkommens vom 16. November 1972 noch nicht abgeschlossen. Die von mir angekündigte Unterrichtung erfolgt, sobald dies möglich ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711606500
Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0711606600
Herr Staatsminister, Sie haben am 16. Februar 1973 — also vor eineinhalb Jahren — ausdrücklich erklärt, daß Sie die Erfahrungen über die Auszahlung und die Nachweise darüber dem Hohen Hause zugänglich machen wollen. Nach eineinhalb Jahren müßte doch etwas ausgezahlt sein. Haben Sie darüber Nachweise?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711606700
Herr Abgeordneter, der polnische Gesundheitsminister hat unserem Botschafter in Warschau bereits Mitte 1973 zugesagt, daß wir eine Mitteilung über die Verwendung der Mittel erhalten würden, sobald sie verteilt seien. Da sie ganz offensichtlich noch nicht verteilt sind, ist diese Mitteilung noch nicht erfolgt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711606800
Eine weitere Zusatzfrage.




Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0711606900
Herr Staatsminister, angesichts der Tatsache, daß in Warschau Demonstrationen wegen dieser Sache stattfinden — auch vor der deutschen Botschaft —, frage ich Sie, ob es nicht wegen der zweckbestimmten Verwendung von Haushaltsmitteln binnen angemessener Frist und wegen des unbedingt notwendigen direkten deutschen Kontakts mit den Opfern dieser Versuche nach den Erfahrungen mit der Tschechoslowakei geboten wäre, die direkte Auszahlung an die Betroffenen zu gewährleisten?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711607000
Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie kennen die ganzen Verhandlungen, die dazu geführt haben und die über Jahre gingen, und Sie kennen sicherlich auch den Wortlaut des Abkommens. Dies beantwortet Ihre Frage.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711607100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0711607200
Herr Staatsminister, ist es nicht ein außergewöhnlicher Vorgang, daß, während Zahlungen die Empfänger offenbar noch nicht ereicht haben, gleichzeitig aus Warschau neue Forderungen in ähnlicher Kompetenz und mit ähnlichen Komplexen an uns gerichtet werden?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711607300
Herr Abgeordneter, der Vorgang, der hier mit angesprochen ist, ist und bleibt ebenso außergewöhnlich, so hoffe ich, wie der gesamte Zweite Weltkrieg und die Folgen waren.

(Dr. Hupka [CDU/CSU] : Darüber brauchen Sie mich nicht zu belehren! Das ist doch keine Antwort!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711607400
Herr Abgeordneter, ich bitte um Verständnis. Sie haben das Recht auf eine Antwort, aber Sie können dann die Antwort nur zur Kenntnis nehmen. Eine weitere Zusatzfrage ist nach der Geschäftsordnung nicht möglich.
Herr Abgeordneter Dr. Wagner, ich rufe Ihre Frage 28 auf:
Treffen Pressemeldungen zu, denen zufolge Bundeskanzler Schmidt sich mit dem französischen Staatspräsidenten darauf geeinigt haben soll, den in den Gemeinschaftsverträgen vorgesehenen Prozeß der europäischen Einigung über unabhängige gemeinsame Institutionen zugunsten einer Kooperation zwischen den Regierungen zurückzudrängen und zu diesem Zweck die Kommission der europäischen Gemeinschaften zu „entmachten"?
Bitte, Herr Staatsminister!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711607500
Herr Abgeordneter, nein. Im Prozeß der europäischen Einigung kommt der Europäischen Gemeinschaft nach Auffassung der Bundesregierung unverändert die zentrale Rolle zu. Ich glaube, ich darf mich hier auch auf die Erklärung der Bundesregierung, die der Bundesaußenminister gestern in diesem Zusammenhang abgegeben hat, beziehen. Insbesondere hat sich die Einrichtung unabhängiger Gemeinschaftsinstitutionen bewährt, da diese im Bereich der gemeinsamen Politiken verbindliche Entscheidungen wirksam treffen können. Wie der bisherige Gang der Einigung gezeigt hat, ist es jedoch in manchen Phasen der Entwicklung mehr, in anderen weniger dringlich, daß die Regierungen den Boden für eine gemeinsame Politik durch unmittelbare Kontakte und Koordinierungen ihrer nationalen Politiken bereiten. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die gegenwärtige Lage, die von großen, aber für die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Problemen gekennzeichnet ist, rege Kontakte der Regierungen erforderlich macht.
Im übrigen ist das Einvernehmen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich immer eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung der europäischen Gemeinschaft gewesen. In diesem Geiste findet auch die Abstimmung des Bundeskanzlers mit dem französischen Staatspräsidenten statt.
Von einer Entmachtung der EG-Kommission kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Die Kommission ist ein für das institutionelle Gleichgewicht in der Gemeinschaft unentbehrliches Organ. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sie ihre vertraglichen Aufgaben in vollem Umfang erfüllen soll.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711607600
Eine Zusatzfrage? Bitte, Herr Abgeordneter!

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0711607700
Herr Staatsminister, sind Sie der Auffassung, daß der EG-Kommission die Aufgabe, die sie nach Auffassung der Bundesregierung voll erfüllen soll, erleichtert wird, wenn führende Mitglieder der Bundesregierung, namentlich der Bundeskanzler, z. B. in seinem Interview im Bulletin der Bundesregierung vom 10. September, immer wieder die Tätigkeit der Kommission massiv kritisieren, ihr Funktionsuntüchtigkeit, Überbürokratismus und ähnliche Schwächen vorwerfen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711607800
Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine weitere Frage gestellt, deren Beantwortung Sie jetzt geradezu vorwegnehmen. Aber ich darf nachher das Interview vielleicht selbst zitieren und auch noch eine Meinung über die Frage sagen, ob Institutionen Kritik ertragen können oder ob sie im Einzelfall nicht kritisiert werden dürfen. Ich gehe davon aus, daß Sie sich auf Grund Ihrer europäischen Erfahrungen durchaus bewußt sind, daß ein Vorschlag der Kommission nicht unbedingt mit den Vorstellungen der Bundesregierung übereinstimmen muß, und daß man deswegen nicht nur kritisch an solche Vorschläge herangeht, sondern auch öffentlich bekennen kann, daß man nicht mit allen Vorschlägen einverstanden ist. Ich glaube nicht, daß demokratische Institutionen dadurch Schaden leiden.
Aber wenn Sie gestatten, will ich die Frage 29 beantworten; das würde die Sache vielleicht erleichtern.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711607900
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) auf:
Glaubt die Bundesregierung, daß die Auffassung vertreten werden kann, die Mißerfolge der europäischen Gemeinschaften in den letzten Jahren seien nicht durch fehlenden politischen Willen in den Mitgliedstaaten und auch nicht durch ein Versagen des Ministerrates verursacht, sondern seien das Resultat einer zu großen Machtfülle der Kommission?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711608000
Herr Abgeordneter, auch hier lautet die Antwort: nein. Die Bundesregierung will die Schwierigkeiten, mit denen die Europäische Gemeinschaft zu kämpfen hat, weder der Kommission, noch dem Rat, noch ihren Partnern in der EG in die Schuhe schieben. Sie ist auch nicht bereit, die Entwicklung der Gemeinschaft in den letzten Jahren lediglich unter negativen Vorzeichen zu sehen. Gewiß ist es noch nicht gelungen, alle neuen Projekte zu verwirklichen, und gewiß hat es auch kritische Momente gegeben, in denen man Einbrüche in den Gemeinschaftsbestand befürchten mußte. Dazu haben verschiedene Faktoren beigetragen, nicht zuletzt die tiefgreifenden Veränderungen im internationalen Wirtschafts- und Währungssystem, ferner der Prozeß der Umstellung auf eine erweiterte Gemeinschaft und namentlich die Tatsache, daß die EG sich anschickt, in schwierigere Bereiche der Integration vorzustoßen.
Das in dieser Situation Geleistete verbietet es nach Auffassung der Bundesregierung, von mangelndem politischen Willen in den Mitgliedstaaten oder einem Versagen der Gemeinschaftsorgane zu sprechen. Die Bundesregierung glaubt auch nicht, daß die Römischen Verträge einem einzelnen Organ eine ungebührliche Machtfülle eingeräumt haben. Allerdings betrachtet sie die Arbeit der Institutionen als verbesserungsfähig. Sie ist immer dafür eingetreten, das Funktionieren aller Institutionen zu verbessern, sie leistungsfähiger zu machen und ihre demokratische Komponente zu stärken.
Ich darf auf die Frage von vorhin, Herr Abgeordneter, hinzufügen: Keine Institution ich betone es noch einmal — ist über Kritik erhaben. Wenn deutscherseits gelegentlich an der Kommission Kritik geäußert wurde, so richtet sich diese nicht gegen die Kommission als solche, sondern gegen einzelne Entscheidungen, gegen ein Vorgehen in einem bestimmten Bereich oder gegen bürokratische Auswüchse, die ja in diesem Hause wiederholt moniert wurden. Gegen eine solche Kritik sollte man nicht überempfindlich sein, sie sicherlich auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Jedenfalls wäre es verfehlt, darin irgendeinen Angriff auf die vertragliche Stellung der Kommission als Gemeinschaftsorgan zu sehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711608100
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0711608200
Herr Staatsminister, Sie tragen hier vor, daß nach Auffassung der Bundesregierung das Funktionieren aller Gemeinschaftsinstitutionen verbessert werden müsse. Wie
verträgt sich mit dieser Auffassung die Äußerung des Bundeskanzlers in dem erwähnten Interview im „Bulletin" vom 10. September, in welcher er klar zum Ausdruck gebracht hat, daß eine Verbesserung der Funktionstüchtigkeit des Ministerrates angestrebt werden müsse, daß er dagegen hinsichtlich jeder Möglichkeit einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Kommission sehr skeptisch sei, daß also, um es einfach auszudrücken, bei der Kommission nach seiner Auffassung gewissermaßen Hopfen und Malz verloren sei?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711608300
Ich weiß nicht, ob der Bundeskanzler mit seinen Bemerkungen in den Bereich der Bierbrauerei vorgedrungen ist. Daran erinnere ich mich jedenfalls nicht. Ich meine nicht, daß er von Hopfen und Malz gesprochen hat. Ich wundere mich, daß ausgerechnet ein Abgeordneter aus Trier diese Wendung gebraucht.

(Dr. Wagner [Trier] [CDU/CSU] : Es lief darauf hinaus, Herr Staatsminister!)

— Na gut, das gibt ja einige Hinweise auf die Mentalität an der Mosel.
Die Tatsache ist, daß der Bundeskanzler zu Recht bemerkt hat, das Gewicht der Kommission solle nicht absolut abnehmen, sondern man müsse hauptsächlich gegenüber gewissen übertriebenen Vorstellungen Einwände erheben, die man zeitweilig von der Kommission als der Keimzelle einer europäischen Regierung gehabt habe. Die Frage nach der demokratischen Legitimation ist doch in diesem Hause wiederholt gestellt worden. Der Bundeskanzler hat also lediglich Begriffe aufgenommen, die wohl der Meinung des ganzen Hauses entsprechen.
Tatsache, Herr Abgeordneter, ist wohl auch, daß bei so eminent politischen, und zwar innenpolitischen Entscheidungen, nämlich Währungs- und Wirtschaftsentscheidungen, Entscheidungen der Zentralbankinstitute der einzelnen Staaten, um die es heute geht, eine Kommission in der jetzigen Konstruktion doch keine bestimmenden Möglichkeiten besitzt. Zunächst einmal muß hier der politische Wille der Regierungen koordiniert werden, bevor die eigentlichen Gemeinschaftsorgane tätig werden können. Der Vorbereitung eines solchen gemeinsamen politischen Willens dienen auch die unmittelbaren Kontakte der Regierungschefs. Wir sollten doch froh sein, wenn auf eine vielleicht ursprünglich nicht vorgesehene Art des direkten Kontakts bestimmte Probleme überhaupt angegangen werden, statt daß sie einfach weiter unlösbar bleiben, weil die Organe keine Kompetenz, keine Souveränität haben, Entscheidungen zu treffen, die Entscheidungen der Regierungen bzw. der Zentralbanken sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711608400
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0711608500
Ist es nicht die Auffassung der Bundesregierung, daß durch eine Serie von Äußerungen wie die des Herrn Bundeskanzlers, die ich geschildert habe, und anderer Mit-
7726 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode —116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974
Dr. Wagner (Trier)

glieder der Bundesregierung, die über eine Kritik des Verhaltens der Kommission im Einzelfall hinausgehen und ihre Funktionsfähigkeit generell in Frage stellen, zumindest Zweifel in der öffentlichen Meinung darüber aufkommen können, aufkommen müssen, ob die Bundesregierung das Funktionieren der Organe so wünscht, wie es in den Römischen Verträgen vorgesehen ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711608600
Herr Abgeordneter, zu diesen Zweifeln besteht wohl auch nach den Darlegungen, die der Außenminister gestern gemacht hat, und der vorbereiteten Antwort, die ich Ihnen hier geben konnte, kein Anlaß. Aber es besteht auch gar keine Notwendigkeit zum Zweifel, wenn Sie die Dokumente heranziehen, die Ihnen ebenfalls zur Verfügung stehen, zum Beispiel die Niederschrift über die Pressekonferenz, die der Herr Bundeskanzler gegeben hat und wo er zu dieser Frage gefragt wurde. Ich darf hier ziteren:
Ich würde hier meinen, daß jede Bürokratie nur das ausführt, was ihr an Aufträgen gegeben wird. Es wäre ein Mißverständnis, wenn man die Verantwortung dafür dieser überaus fruchtbaren Bürokratie zuschieben wollte, nur der Kommission zuschieben wollte. Sie kann nichts verabschieden, was nicht diese vielen Räte, von denen es nach meiner Meinung zu viele gibt, vorher gebilligt haben.
Das war also eine Kritik an Institutionen, an die ursprünglich nicht im Vertrag gedacht war, nämlich die Fachministerräte, die gelegentlich unkoordiniert nebeneinanderher getagt und auch Entscheidungen vorbereitet haben. Ich glaube, Herr Abgeordneter, bei der Prüfung des Gesamtmaterials werden Sie sicherlich zu einer differenzierteren Meinung kommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711608700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0711608800
Herr Staatsminister, nachdem Sie alle diese Fragen des Kollegen Wagner mit Nein beantwortet haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es der Zweck dieser Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers gewesen ist, rein innenpolitisch vom Versagen der nationalen Regierungen abzulenken und die Schuld für die mangelnden Fortschritte in Europa auf die Kommission zu schieben.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711608900
Diese Frage beantworte ich ebenfalls mit Nein.

(Dr. Wagner [Trier] [CDU/CSU] : Hoffentlich stimmt es!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711609000
Die Frage 6 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Kiechle, schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister!
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Die Frage 88 ist von dem Abgeordneten Dr. Riedl (München) eingereicht:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung der Münchner Schutzpolizei, künftig die Warnung vor polizeilichen Radarkontrollen zu verbieten und unter Strafe zu stellen, und ist damit zu rechnen, daß die Bundesregierung hierzu eine entsprechende Gesetzesinitiative ergreift?
Herr Staatssekretär!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711609100
Herr Kollege, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, diesem Vorschlag zu folgen. Die bestehenden Möglichkeiten des Polizeirechts reichen aus, Auswüchse auf diesem Gebiet zu verhindern. Die Bundesregierung hat deshalb nicht die Absicht, an der bestehenden Rechtslage etwas zu ändern.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711609200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0711609300
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen und gehe ich recht in der Annahme, daß dieser Vorschlag der Münchener Schutzpolizei, künftig das Warnen vor Radarkontrollen unter Strafe zu stellen, auch von der bayerischen Staatsregierung nicht weiter verfolgt wird?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711609400
Das ist der Fall, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711609500
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 89 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Franz eingebracht. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 90 und 91 sind von dem Herrn Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) gestellt. Diese beiden Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Peiter auf:
Treffen Meldungen von Lokalzeitungen zu, daß der Bau der Bundesbahn-Schnellverbindung Köln—Groß-Gerau zurückgestellt ist?
Herr Staatssekretär!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711609600
Bei der Neubaustrecke Köln–Groß-Gerau kann we-



Parl. Staatssekretär Haar
der von einem nahen Baubeginn noch von einer Zurückstellung gesprochen werden, da die für einen Baubeginn erforderlichen rechtlichen Verfahren noch nicht weit genug fortgeschritten sind, Herr Kollege. Außerdem sind noch verschiedene Einzeluntersuchungen durchzuführen, deren Ergebnisse gegenwärtig noch nicht abgesehen werden können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711609700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Willi Peiter (SPD):
Rede ID: ID0711609800
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß diese Zeitungsmeldungen unzutreffend sind?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711609900
Sie sind unzutreffend und in der Sache auch nicht konkret, da Entscheidungen der angedeuteten Art nicht gefallen sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711610000
Herr Kollege, Sie haben keine weitere Zusatzfrage zu dem Fragenkomplex? Sie sind mit der Antwort zufrieden?
Dann rufe ich die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Hösl auf:
Was hat die Bundesregierung unternommen, um die „DDR" zu veranlassen, den Abschleppdienst auf den Zugangswegen nach Berlin so zu organisieren, daß ihre in Artikel 14 des Durchführungsverfahrens zum Vier-Mächte-Abkommen übernommenen Verpflichtungen erfüllt werden?
Bitte, Herr Staatsekretär!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711610100
Die Bundesregierung hat schon mehrfach Fragen des Pannen- und Abschleppdienstes auf den Transitstrecken von und nach Berlin in der Transitkommission angesprochen. Sie verfolgt auch die in jüngster Vergangenheit neuerlich aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Pannen- und Abschlepphilfe und wird diesen Fragenkomplex in der nächsten Sitzung der Kommission erneut zur Sprache bringen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711610200
Eine Zusatzfrage.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0711610300
Herr Staatssekretär, haben Sie die berechtigte Hoffnung, daß angesichts Ihrer Antwort, daß bei der nächsten Zusammenkunft der Transitkommission wirklich Schritte unternommen werden, damit der gesetzlichen Verpflichtung — so möchte ich es einmal nennen — nach § 14 von der DDR her Rechnung getragen wird?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711610400
Die Frage nach berechtigten Hoffnungen und dem, was in Verhandlungen und Gesprächen zur Klärung derartiger Vorfälle erreicht werden kann, ist, glaube ich, weniger entscheidend als unsere Absicht, diese Frage in der Kommission erneut konkret anzusprechen und für eine Abstellung der Probleme und der
hier entstandenen Schwierigkeiten zu sorgen, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711610500
Eine Zusatzfrage.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0711610600
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Ihre Willenserklärung vor die Hoffnung gestellt wird, oder sind Sie jetzt selbst im Zweifel, und kann ich daraus ableiten, daß Sie hier Ihr pflichtgemäßes Handeln begründen und damit als gerechtfertigt ansehen, aber nicht die Hoffnung hegen, daß es zu einem besseren Ergebnis, als es hier in dieser Zeitungsmeldung zum Ausdruck kam, kommen wird?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711610700
Das dürfen Sie meiner Antwort nicht entnehmen, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711610800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Dr. Blüm auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Deutsche Bundesbahn zu veranlassen, notwendigen Begleitpersonen von hörgeschädigten Menschen kostenlose Beförderung zu gewähren?
Herr Staatssekretär!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711610900
Herr Kollege, der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bereitet einen Gesetzentwurf vor, nach dem Begleitpersonen von Schwerbehinderten im Sinne des § 1 des Schwerbehindertengesetzes, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, und Begleitpersonen Schwerbehinderter, sofern eine ständige Begleitung notwendig ist, unentgeltlich befördert werden sollen. In diesem Rahmen können auch die Begleiter von hörgeschädigten Menschen unentgeltlich befördert werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711611000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0711611100
Herr Staatssekretär, können Sie mir etwas zu den zeitlichen Vorstellungen der Bundesregierung sagen, dazu, wann diese Verbesserung eingeführt werden soll?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711611200
Wenn ich richtig informiert bin, Herr Kollege, wird der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung einen entsprechenden Entwurf noch in diesem Jahr dem Parlament zuleiten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711611300
Sie haben keine weiteren Zusatzfragen? — Danke.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner auf:



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Sind der Bundesregierung medizinische Untersuchungen bekannt, wonach die Umkehr der Sitze in Flugzeugen, Schienenfahrzeugen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln bei Unfällen die Verletzungsgefahr mindern und u. U. sogar Flug- und Fahrgästen das Leben retten könnten?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711611400
Es ist auf Grund von Untersuchungen, vor allem in den USA, bekannt, daß eine Anordnung der Sitze in Flugzeugen mit der Rückenlehne in Flugrichtung bei Unfällen die Verletzungsgefahr optimal herabmindern würde. Psychologische Gründe, wie z. B. Furcht der Fluggäste vor Reisekrankheit haben die Fluggesellschaften jedoch bisher davon abgehalten, derartige Sitzanordnungen einzuführen. Da durch eine entsprechende Auslegung der Fluggastsitze durch Anschnallgurte und eine bei bevorstehenden Flugunfällen einzunehmende, vorn übergeneigte Körperhaltung ein fast gleichwertiger Schutz der Fluggäste gegeben ist, besteht wenig Anlaß zu einer Änderung.
In den Reisezugwagen der Deutschen Bundesbahn und in den übrigen öffentlichen Verkehrsmitteln ist es den Reisenden freigestellt, ihren Sitzplatz in oder entgegen der Fahrtrichtung zu wählen. Untersuchungen, wonach die Umkehr der Sitze die Verletzungsgefahr bei Unfällen gegebenenfalls mindert, wurden bisher von der Deutschen Bundesbahn nicht durchgeführt. Bei der konstruktiven Gestaltung der Sitzplätze in den Schienenfahrzeugen werden jedoch die ergonomischen und sicherheitstechnischen Empfehlungen des Max-Planck-Instituts berücksichtigt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711611500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0711611600
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß diese psychologische Schranke, die es zweifelsohne gibt, dadurch herabgesetzt oder beseitigt werden könnte, daß man für eine Aufklärung der Passagiere Sorge trägt, ihnen also darstellt, daß dadurch Verletzungsgefahren vermindert werden könnten?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711611700
Ich halte das nicht für ausgeschlossen. Sie dürfen sicher sein, daß auch Untersuchungen des BVM in Aussicht stehen und wir prüfen, was mit den zuständigen Stellen in dieser Richtung abzustimmen ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711611800
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0711611900
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die mir vorliegenden Informationen noch einmal nachprüfen zu lassen, daß eben gerade der Sitzgurt und das Vornüberbeugen für den Fall etwa von Notlandungen keinen ausreichenden Schutz oder jedenfalls keinen vergleichbaren Schutz wie eine Umkehr der Sitze bieten?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711612000

Herr Kollege, wenn ich richtig unterrichtet bin, liegen die flugmedizinischen Untersuchungen in den USA und in Australien sowie in England über Sitzanordnungen in Flugzeugen mehr als zehn Jahre zurück. Wenn Sie neuere Untersuchungen und Ergebnisse haben, lasse ich diese gern noch einmal prüfen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711612100
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 96 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Versuche zur Erprobung umgekehrter Sitze in öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen oder zu unterstützen?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711612200
Die Bundesregierung wird die Möglichkeiten für eine versuchsweise Einführung einer entsprechenden Sitzordnung im Flug- bzw. Schienenfahrzeugverkehr prüfen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711612300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0711612400
Sind Sie also bereit, wenn entsprechende Untersuchungen, etwa im Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe oder anderswo, erfolgen, diese Untersuchungen gegebenenfalls zu unterstützen, vorausgesetzt, daß ihre Seriosität nachgewiesen wird?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711612500
Herr Kollege, das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe hat, soweit ich informiert bin, in letzter Zeit Flugunfälle in dieser Hinsicht ausgewertet. Diese Untersuchung liegt meinem Hause noch nicht vor. Wenn die Ergebnisse vorliegen, dürfen Sie sicher sein, daß wir überlegen, ob die Vergabe eines Forschungsauftrages oder die versuchsweise Einführung der Sitzordnung mit Rückenlehne in Flug- oder Fahrtrichtung in Frage kommt. Wenn Sie neuere Unterlagen zur Verfügung haben, wäre ich für ihre Zurverfügungstellung dankbar.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711612600
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg, auf:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus der Feststellung ziehen: „Die Gebühren für die Nachrichtenlinien, auf die der SPIEGEL angewiesen ist, sämtlich im öffentlichen Monopol, sind in der Bundesrepublik in einem Malle gestiegen, das im internationalen Vergleich ohne jedes Beispiel dasteht." (Der SPIEGEL, Nr. 36, Seite 3), da alle Zeitschriften und Zeitungen der Bundesrepublik diesen Gebührensteigerungen „ohne jedes Beispiel" ausgesetzt sind?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711612700
Auf Grund der 2. Verordnung zur Änderung der Fernmeldeordnung vom 12. Februar 1974 werden Nachrichtenagenturen für Telegrafenstromwege mit einer Länge bis zu 50 km die Gebühren um die Hälfte der neuen Gebührensätze ermäßigt, vorausgesetzt, daß die Stromwege ausschließlich für die



Parl. Staatssekretär Haar
Übermittlung von Nachrichten für Zeitungsunternehmen, Rundfunkanstalten und Behörden benutzt werden. Ferner wird unter den gleichen Bedingungen auf die Erhebung der Ausgleichsgebühren verzichtet. Die Gebühren für Telegrafenstromwege auf einer Länge von mehr als 50 km wurden nicht erhöht. Die Nachrichtenagenturen werden also, soweit es die Telegrafenstromwege unter den genannten Voraussetzungen betrifft, von den ab 1. Juli 1974 wirksam gewordenen Gebührenerhöhungen ausgenommen. Durch diese Präferenzen erleidet die Deutsche Bundespost einen Gebührenverlust von jährlich rund 3 Millionen DM. Von den Gebührenvergünstigungen für Telegrafenstromwege wird der größte Teil aller Übertragungswege der Nachrichtenagenturen erfaßt.
Bei den Fernsprechstromwegen werden der Presse keine Präferenzen eingeräumt. Die Nachrichtenagenturen betreiben die von der Deutschen Bundespost überlassenen Stromwege als Bestandteil genehmigungspflichtiger Drahtfernmeldeanlagen. Für die Genehmigung zum Errichten und Betreiben einer Drahtfernmeldeanlage werden allgemein monatliche Genehmigungsgebühren neben den Stromweggebühren erhoben. Die Nachrichtenagenturen sind von der Zahlung der Genehmigungsgebühren befreit, soweit posteigene Telegrafenstromwege benutzt werden und alle auf einem Grundstück vorhandenen Betriebsstellen sich bei Zeitungsunternehmen, Rundfunkanstalten, Behörden oder Nachrichtenagenturen befinden. Wenn nicht nur posteigene Telegrafenstromwege verwendet werden, beträgt die Gebühr die Hälfte der normalen Gebühr. Nach groben Schätzungen dürfte die Deutsche Bundespost durch den Erlaß bzw. die Ermäßigung der Genehmigungsgebühr etwa 0,5 Millionen DM im Jahr einbüßen, so daß die Pressepräferenzen im Fernmeldewesen jährlich rund 3,5 Millionen DM betragen.
Die aufgezeigten Gebührenvergünstigungen sollen insbesondere kleinen und mittleren Presseunternehmen zugute kommen, da diese überwiegend von Nachrichtenagenturen versorgt werden.
Auf Grund ihrer wirtschaftlichen Lage muß die Deutsche Bundespost von den Presseunternehmen für andere Leistungen im Fernmeldewesen die gleichen Gebühren erheben wie von jedem anderen Fernsprechkunden Es handelt sich dabei z. B. um Gebühren für Nebenstellenanlagen und Stromwege zum Betreiben von Fernsetzeinrichtungen. Derartige Leistungen nehmen insbesondere Großunternehmen des Pressewesens in Anspruch, die über ein eigenes Netz von Berichterstattern verfügen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711612800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0711612900
Herr Staatssekretär, in Ihrer ausführlichen Antwort fällt auf, daß Sie auf die Behauptung des „Spiegel", daß die Postgebühren für die Nachrichtenlinien — wörtlich — „in einer Weise gestiegen sind, die im internationalen Vergleich ohne jedes Beispiel dasteht", überhaupt nicht eingingen. Lassen Sie mich darum konkret fragen, ob nicht schon durch die vorletzte Gebührenerhöhung um 700 % für Standleitungen,
womit die Monopolstellung der Post gegen Treu und Glauben ausgenutzt worden ist, Gefahren für die Pressefreiheit heraufbeschworen werden, weil die notwendigen Nachrichtenverbindungen dadurch wirklich ungeheuer verteuert worden sind — gerade bei den von Ihnen angesprochenen mittleren und kleineren Zeitungen — und ob diese Maßnahme der Deutschen Bundespost nicht in krassem Widerspruch zu den Empfehlungen der UNESCO, der international zuständigen Organisation, steht.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711613000
Herr Kollege, ich habe in meiner sehr ausführlichen Antwort auf die Präferenzen gegenüber der Presse hingewiesen, die allein im Fernmeldewesen in einem Umfang von 3,5 Millionen DM gewährt werden. Im übrigen will ich gern einräumen, daß unsere Postgebühren im internationalen Vergleich durchaus in der Spitzengruppe liegen. Aber ein solcher Vergleich ist sehr problematisch. Nur ein Beispiel, Herr Kollege: Die Deutsche Bundespost hat den Wiederaufbau ihres fast völlig zerstörten Post- und Fernmeldebereichs erheblich teurer und unter anderen Voraussetzungen finanziert als vergleichbare Unternehmen in anderen Staaten, bei denen der Betrieb gerade im Post- und Fernmeldebereich kontinuierlich ausgebaut werden konnte. Ich will auf Dienstleistungen, die auch heute noch von der Öffentlichkeit als Daseinsvorsorge angesehen werden, im einzelnen nicht hinweisen. Aber ich glaube, ein Beispiel darf hier genannt werden. Pro Tag werden 7,5 Millionen Zeitungen wie selbstverständlich aus dem norddeutschen Bereich bis hin zum Bayerischen Wald geliefert. Jeder nimmt diese Leistungen in Anspruch, obwohl man weiß, daß sie der Deutschen Bundespost 600 Millionen DM im Jahr Kostenunterdeckung bringen und kein Privatmann bereit und in der Lage wäre, zum gleichen Preis diese Leistung zu erbringen.
Das gehört, glaube ich, zu einem solchen Vergleich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711613100
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0711613200
Herr Staatssekretär, da Sie die großartigen Aufbauleistungen der Deutschen Bundespost, die im übrigen unmittelbar mit der ersten Bundesregierung eingesetzt haben, herausgestellt haben, darf ich Sie fragen: Wie erklären Sie daß Sie die Gebühren für die Fernschreibstandleitungen für Zeitungen und Zeitschriften mit einem Schlag um bis- zu 700% verteuert haben? Ist dadurch — um es noch einmal zu fragen — nicht die Behauptung gerechtfertigt, daß solche Gebührenerhöhungen international ohne jedes Beispiel dastehen? Darf ich das noch einmal fragen.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711613300
Ich halte diese Fragestellung — bezogen auf einen



Parl. Staatssekretär Haar
Detailbereich - nicht für eine Auseinandersetzung mit sachlichen Argumenten, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711613400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hoffie.

Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID0711613500
Herr Staatssekretär, können Sie dem Kollegen bestätigen, daß es insbesondere die Vertreter der CDU und CSU im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost, dem auch ich angehöre, waren, die sich für diese Gebührenerhöhung in dieser einmaligen Größenordnung eingesetzt und im Gegensatz z. B. zu dem Vertreter der FDP dafür gestimmt haben.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711613600
Ich nehme das mit Interesse zur Kenntnis, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711613700
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0711613800
Herr Staatssekretär, obwohl Sie der Meinung sind, daß die Frage des Kollegen Schulze-Vorberg nicht zu beantworten ist, möchte ich doch noch einmal die gleiche Frage stellen: Sind Sie nicht der Auffassung, daß diese Gebührenerhöhung auf diesem Gebiet weit über das Normale hinausgegangen ist und daß hier eine Sparte getroffen wird — das Pressewesen, das Nachrichtenwesen —, die in einer Demokratie von außerordentlicher Bedeutung ist.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711613900
Herr Kollege Jobst, ich bin überrascht, daß gerade Sie, der die Zusammenhänge von Leistungen in einem Dienstleistungsbereich wie etwa auch bei der Deutschen Bundesbahn sieht und erkennt, hier versuchen, einen Einzelbereich herauszunehmen, obwohl Sie vor zwei Minuten durch einen unserer Kollegen in diesem Hohen Hause erfahren haben, daß im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost bei der Erörterung dieser Entwicklung auch die Vertreter Ihrer Fraktion in der Sache wie hinsichtlich der politischen Wirkungen der Regelungen, die hier gefunden worden sind, einig waren.
Dabei muß ich noch einmal betonen, daß Präferenzen für die Presse, soweit das im Rahmen der Möglichkeiten lag und politisch vertretbar war, auch heute noch gewährt werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711614000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hösl.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0711614100
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Erhaltung der Pressefreiheit und der Vielfalt unserer Presse in ihrem Querschnitt eine wesentliche Grundlage unserer demokratischen Grundordnung darstellt, und sind Sie nicht ebenfalls der Meinung, daß hier unter
diesen politischen Aspekten eine besondere Behandlung notwendig wäre?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711614200
Diese besondere Behandlung erfolgt durch die Post auf Kosten anderer Dienstleistungsbereiche. Das ist allen Fachleuten in diesem Hause und außerhalb bekannt, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711614300
Ich rufe die nächste Frage, Frage 98, des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Fernsehanstalten ARD und ZDF einzuwirken, daß diese ihren Entschluß zurücknehmen, an Montagen keine Testbilder mehr auszustrahlen, um die erheblichen Nachteile für Verbraucher und das einschlägige Gewerbe wieder zu beseitigen?
Herr Staatssekretär!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711614400
Die Testbildausstrahlung wurde auf Grund eines Intendantenbeschlusses der Landesrundfunkanstalten der ARD und des ZDF vom 14. auf den 15. Mai eingestellt. Diese Regelung wurde versuchsweise eingeführt an Stelle der in den vergangenen Jahren vorgenommenen vollständigen Abschaltung der Fernsehsender der dritten Programme während der Sommerpause. Die Rundfunkanstalten erwarten hierdurch eine Kostenersparnis von rund 1 Million DM.
Gegenüber der Deutschen Bundespost sind die Rundfunkanstalten der Kostenträger für das Betreiben der Fernsehsendeanlagen. Die Bundespost betreibt daher diese Anlagen nur in dem zeitlichen Umfang, wie die Rundfunkanstalten bereit und in der Lage sind, die Aufwendungen hierfür finanziell abzugelten.
Da die Bundesregierung keine unmittelbare Möglichkeit hat, auf die finanzielle Situation der Rundfunkanstalten und damit auf die Höhe ihrer Aufwendungen für den Sendebetrieb einzuwirken, entzieht sich auch die Festlegung der Testbildsendezeiten einer maßgeblichen Einflußnahme durch die Deutsche Bundespost. Im Oktober 1974 soll, wie auch vor Einführung dieser Regelung im April 1974, ein erneutes Gespräch mit Vertretern von Handel, Handwerk, Industrie sowie den Rundfunkanstalten und der Deutschen Bundespost geführt werden. Hierbei sollen die Erfahrungen mit dem zur Zeit praktizierten Verfahren gegenseitig ausgetauscht werden, und nach Möglichkeit soll dann eine allseits zufriedenstellende Regelung gefunden werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711614500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0711614600
Herr Staatssekretär, meine Frage geht dahin, ob die Bundesregierung bereit ist, auf die Fernsehanstalten dahin einzuwirken, daß diese Testbilder montags wieder ausgestrahlt werden, damit die Fernsehreparaturen auch an diesem Tage wie bisher vorgenommen werden können, und ob nicht — es wird unterstellt, daß Einsparungen



Dr. Jobst
durchaus sinnvoll sind — im Austausch dafür unter Umständen an einem anderen Tag, beispielsweise am Samstag, wenn die Verbraucher und das Gewerbe nicht so betroffen sind, auf die Austrahlung der Testbilder verzichtet werden kann.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711614700
Herr Kollege, ich habe schon in meiner Antwort auf Ihre Frage darauf hingewiesen, daß die Erfahrungen mit dem zur Zeit praktizierten Verfahren mit allen Beteiligten erörtert werden. Daraus werden sich wohl Schlußfolgerungen ergeben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711614800
Keine weiteren Zusatzfragen. — Herr Abgeordneter Stahl, bitte!

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID0711614900
Herr Staatssekretär, können Sie einmal darstellen, welche erheblichen Nachteile durch die Nichtsendung von Testbildern für Verbraucher entstehen, die Herr Dr. Jobst soeben hier dargestellt hat, und wie hoch die Kosteneinsparungen bei den beiden angesprochenen Fernsehanstalten sind?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0711615000
Ich kann konkret über Nachteile hier keine Antwort geben. Ich darf Ihnen aber sagen, daß die Einsparungen durch die Maßnahmen, die im Mai 1974 von den Landesrundfunkanstalten der ARD vorgesehen worden sind, rund 1 Million DM betragen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711615100
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen beantwortet.
Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Ihnen die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Schlei zur Verfügung. Ich danke Ihnen und rufe jetzt die Frage 7 des Abgeordneten Graf Stauffenberg auf. Der Abgeordnete hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Dies wird wunschgemäß erfolgen. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die nächste Frage, die Frage 8, ist von dem Abgeordneten Hösl gestellt worden:
Warum hat an dem Gespräch des Vorstandsvorsitzenden der Farbwerke Hoechst mit dem SED-Chef auf der Leipziger Messe nicht der allein zuständige Leiter der Treuhandstelle für den Interzonenhandel teilgenommen, und wurde nicht durch die Teilnahme des für diese Fragen nicht zuständigen Leiters der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin dem Standpunkt der „DDR" Rechnung getragen?
Bitte, Frau Staatssekretär!

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711615200
Herr Kollege Hösl, die Treuhandstelle für den Interzonenhandel ist für Verhandlungen mit der DDR über den innerdeutschen Handel zuständig.
Diese Zuständigkeit ist unverändert. Am Messestand der Farbwerke Hoechst fanden jedoch keine Verhandlungen statt. Hier ging es um die Repräsentanz der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist eine Aufgabe der Ständigen Vertretung. Deshalb war mit dem Leiter der Treuhandstelle für den Interzonenhandel abgestimmt, daß er an dem Gespräch des Vorstandsvorsitzenden der Farbwerke mit dem Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED nicht teilnimmt. Es trifft also nicht zu, daß einem Standpunkt der DDR Rechnung getragen wurde.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711615300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0711615400
Frau Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es, wenn Handelsbeziehungen — so Aussagen beiderseits — erörtert werden und Herr Gaus erklärt hat, daß er auf Grund einer Höflichkeitsverpflichtung an diesem Gespräch teilgenommen hat, doch im Sinne der gebotenen Kontinuität richtiger gewesen wäre, hier jetzt nicht zwischen Verhandlungen und Gesprächen zu differenzieren? Wäre es nicht richtiger gewesen, daß der Vertreter für den innerdeutschen Handel anwesend gewesen wäre?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711615500
Herr Kollege Hösl, dies ist so abgestimmt worden. Wenn Sie von Kontinuität sprechen, dann stimme ich Ihnen zu, daß diese wichtig ist. Sie hat auch stattgefunden, weil nämlich auch in der Vergangenheit der Leiter der Treuhandstelle für den Interzonenhandel nicht an solchen Gesprächen an Messeständen in Leipzig teilgenommen hat.
Wir haben hier einmal notiert, mit welchen Firmen in den vergangenen Jahren gesprochen worden ist. Jeweils sind nur Firmenvertreter für diese Gespräche herangezogen worden, Firmenvertreter von den jeweiligen Ständen. Der Leiter der Treuhandstelle ist bei solchen Gesprächen nie dabeigewesen.

(Hösl [CDU/CSU] : Ich nehme das zur Kenntnis!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711615600
Ich rufe jetzt die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) auf:
Was waren die Gründe, daß die Bundesregierung in meiner mündlichen Anfrage vom 6. Juni 1974 (105. Sitzung) meine Vermutung über die Vernichtung geheimer Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes über führende SPD-Politiker auf Weisung des damaligen Kanzleramtsministers Dr. Ehmke zuerst eindeutig und nachhaltig bestritten hat, um sie dann nach dem Eingeständnis des anwesenden Abgeordneten Dr. Ehmke ebenso unmißverständlich zuzugestehen?
Bitte, Frau Staatssekretär!

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711615700
Herr Kollege Dr. Kunz, die Bundesregierung hat in der 105. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Juni 1974 nicht eine Vermutung bestritten und wieder zugestanden, sondern sie hat Ihre Frage beantwortet. Diese Frage lautete:
Trifft es zu, daß unter der Verantwortung des
früheren Chefs des Bundeskanzleramts, Dr.



Parl. Staatssekretär Frau Schlei
Ehmke, 1971 Aktenvermerke aus den geheimen Archiven des Bundesnachrichtendienstes über Ostkontakte prominenter SPD-Politiker entnommen wurden und seitdem verschwunden sind, wo befinden sich diese Akten, und auf wessen Veranlassung wurde diese Aktion durchgeführt?
Die Bundesregierung hat damals mit einem klaren Nein geantwortet, und diese Fragenbeantwortung gilt auch heute ohne Einschränkung. Damals ist die Bundesregierung über Ihre Frage hinaus noch auf die Möglichkeit eingegangen, daß Sie, Herr Kollege Dr. Kunz, mit den für Ihre Fragestellung formulierten Vorgängen des Entnehmens und des Verschwindens von Aktenvermerken vielleicht jene Vorgänge gemeint haben könnten, die Gegenstand der Ziffer 14 des Antrags auf Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses sind, also des Antrags Ihrer Fraktion.
Die Bundesregierung hat darauf hingewiesen, daß über diese Vorgänge bereits zweimal das parlamentarische Vertrauensmännergremium und am 21. September 1972 auch das Plenum des Deutschen Bundestages eingehend unterrichtet worden waren. Der frühere Chef des Bundeskanzleramtes, Kollege Dr. Ehmke, hat daraufhin mit einer Zwischenfrage, die Sie jetzt als Eingeständnis gewertet wissen wollen, lediglich noch einmal den Tatbestand verdeutlichen wollen.
Er hat also dem Hohen Hause über das bereits am 21. September 1972 Berichtete hinaus noch einmal Auskunft gegeben. Er hat in der Wortaddition mehr gesagt als ich, aber er hat nichts anderes gesagt, Herr Kollege Dr. Kunz. Darin können wir keinen Widerspruch erkennen, wie Sie ihn jetzt zum Ausgangspunkt Ihrer Frage machen wollen.
Lassen Sie mich für die Regierung zum wiederholten Male ganz klar sagen: In Ausübung der Aufgabenstellung des Bundesnachrichtendienstes angefertigte Akten wurden nicht vernichtet. Es ging seinerzeit lediglich darum, die Sammlung von Unterlagen oder — um mit Herrn Löwenthal, den wir ja alle kennen, zu sprechen — BND-Dossiers zu vernichten, die dem Auftrag des Nachrichtendienstes nicht entsprachen.
Sie wissen, daß diese Unterlagen Mitglieder aller Parteien dieses Hauses betrafen. Die Betroffenen sind im übrigen auf alle verschiedenen Gruppierungen verteilt, so daß die Unterstellung eines parteipolitischen Interesses bei der Beendigung eines rechtswidrigen Prozesses — korrekter gesagt: bei der Beendigung einer rechtswidrigen Praxis — schon aus diesem Grunde absurd erscheinen muß.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711615800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0711615900
Frau Staatssekretärin, ist nicht einer der Gründe möglicherweise der, daß die Bundesregierung es nicht mehr als eine legitime und notwendige Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes betrachtet, Bundesbürger aus dem Inland — und das ist ja die konkrete Frage gewesen — zu observieren, wenn sie im Ausland Kontakte mit Verfassungsfeinden oder Gegnern unseres freiheitlichen Rechtsstaates pflegen?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711616000
Herr Kollege Dr. Kunz, jetzt gehen Sie wieder zurück auf Grundsatzfragen, die meines Erachtens nicht unmittelbar hier zu klären sind, die aber sicherlich auch zur Sprache kommen werden, wenn Herr Dr. Ehmke — und er hofft, daß das sehr bald geschehen wird — dem Untersuchungsausschuß Rede und Antwort steht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711616100
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0711616200
Wird die Bundesregierung — vielleicht können Sie diese Frage beantworten — unterbinden oder künftig darauf verzichten, daß der Bundesnachrichtendienst beispielsweise die deutschen Bürger aus dem Inland, wenn sie im Ausland mit Verfassungsfeinden verhandeln, künftig observieren läßt?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711616300
Wir werden mit aller Kraft dafür sorgen, daß dieser Nachrichtendienst seinen Verpflichtungen in der Weise nachkommt, daß wir überzeugt sein können, daß nicht wieder in unzulässiger Art und Weise Bände von Akten angelegt werden. Herr Kollege, Sie werden in der nachfolgenden Auswertung der Aussagen erkennen, daß das, was Herr Ehmke damals getan hat, auch im Interesse Ihrer eigenen Fraktion lag und richtig war.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711616400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sick.

Willi-Peter Sick (CDU):
Rede ID: ID0711616500
Frau Staatssekretär, da es hier um die Gründe für das seinerzeitige widersprüchliche Verhalten geht, darf ich Sie fragen, ob vielleicht einer der Gründe für Ihre damals abweichende Darstellung derjenige war, daß Sie vermuten konnten, daß der damalige Chef des Bundeskanzleramts, als er den dann eingestandenen Auftrag zur Vernichtung der Papiere zugab, davon bereits Abschriften oder Kopien für eigene Zwecke hatte anfertigen lassen?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711616600
Ich kann Ihnen nur immer wiederholen, daß Herr Bundesminister Ehmke in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Präsidenten Wessel Akten vernichten ließ, die unrechtmäßig angefertigt worden sind. Wir haben zur Unterscheidung von Akten — dieser Ausdruck gilt ja immer für rechtmäßig angefertigte Vermerke — immer das Wort „Dossiers" gebraucht. Es sind also lediglich Dossiers vernichtet worden, Herr Kollege. Soweit ich hier zu referieren habe, geht es nur um die zu Unrecht angefertigten Dossiers.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711616700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Hösl.

Alex Hösl (CSU):
Rede ID: ID0711616800
Frau Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause versichern, daß über die Vernichtung von Akten die üblichen Vernichtungsverhandlungen oder Niederschriften geführt wurden und diese dem Vertrauensmännergremium dieses Hauses zur Einsicht übergeben werden können?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711616900
Herr Kollege, über die Vernichtung amtlicher Unterlagen gibt es, wie Sie mit Recht vermuten, selbstverständlich Vorschriften, die das Verfahren einschließlich der aktenmäßigen Belege des Vorgangs regeln. Diese Vorschriften wurden eingehalten, und über dieses Verhalten wird man sicherlich auch im Vertrauensmännergremium noch einmal Rede und Antwort stehen, wenn dort gefragt wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711617000

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0711617100
Frau Staatssekretärin, teilen Sie nicht meine Auffassung, daß die jüngsten Erkenntnisse über die Sicherheitsbelange der Bundesrepublik Deutschland eigentlich nicht die Vernichtung von Dossiers, sondern vielmehr den sorgfältigeren Umgang mit bestehenden Dossiers erfordern würden?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711617200
Jedes zu seiner Zeit, Herr Kollege!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711617300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0711617400
Frau Staatssekretärin, können Sie mir den Widerspruch erklären, daß Sie einerseits in Ihren Eingangsausführungen von rechtswidrigen Maßnahmen des Bundesnachrichtendienstes sprechen, aber andererseits auf eine eventuell noch zu erwartende Aussage des Herrn Kollegen Ehmke vor dem 2. Untersuchungsausschuß Bezug nehmen, die dann diese Frage klären soll?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711617500
So dürfen Sie meine Antwort nicht verstehen, Herr Kollege Dr. Wittmann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711617600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0711617700
Frau Staatssekretärin, können Sie uns informieren, auf welche Weise der Beschluß zustande kam, daß es sich um unrechtmäßig geführte Akten gehandelt habe?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711617800
Ja, Herr Kollege Dr. Ehmke hat damals Stichproben gemacht und erkannt, daß hier ohne Auftrag und gegen Vorschriften gehandelt wurde. Er hat dies in Absprache mit dem zuständigen Präsidenten festgestellt und daraus dann die Folgerungen gezogen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711617900
Zu einer letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0711618000
Frau Staatssekretärin, Ihre wiederholte Feststellung, hier seien unrechtmäßig Akten angelegt worden, veranlaßt mich zu der Frage: Wen trifft der Vorwurf der Unrechtmäßigkeit konkret?

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0711618100
Diejenigen, die sich ohne Auftrag solche Aufgaben angemaßt haben

(Dr. Schulze-Vorberg [CDU/CSU]: Das ist klar! Aber wer ist das?)

— Diese Namen kann ich Ihnen hier nicht nennen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711618200
Die Frage 10 des Abgeordneten Sieglerschmidt ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin!
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Beratungen des Deutschen Bundestages bis 11 Uhr zur Aufnahme der Haushaltsberatungen.

(Unterbrechung von 10.35 bis 11.01 Uhr)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711618300
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1975

(Haushaltsgesetz 1975)

— Drucksachen 7/2440, 7/2525 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
b) Beratung des von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplans und des Investitionsprogramms des Bundes 1974 bis 1978
— Drucksache 7/2503 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Ich eröffne die Debatte und erteile dem Abgeordneten Dr. Strauß das Wort.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0711618400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gestern die Einführungsrede zum Haushalt 1975 aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers vernom-



Strauß
men. Der Herr Bundesfinanzminister ist den Anforderungen der Einbringungsrede für den Haushalt 1975 angesichts der gegebenen Probleme höchst unzulänglich nachgekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Erstens. Er hat so gut wie nichts über die inneren Zusammenhänge und tieferen Hintergründe der finanz- und wirtschaftspolitischen Krise gesagt.
Zweitens. Er hat Mahnungen, Warnungen, Weisheiten und Erkenntnisse meistens in Form von Gemeinplätzen geboten, deren Adressat weder die Öffentlichkeit noch die Opposition, sondern ausschließlich die Bundesregierung seit 1969

(Beifall bei der CDU/CSU)

und vornehmlich sein heutiger Kanzler sein müßten. Nach diesen von ihm gesetzten Maßstäben hätte Helmut Schmidt nicht Kanzler werden dürfen, es sei denn, man huldigt dem Grundsatz, daß der beste Bock der beste Gärtner sei.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist sehr aufschlußreich, was die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" heute auf der ersten Seite unter der Überschrift „Was Apel nicht sagte" schreibt. Dort heißt es:
Unter dem Diktat der leeren Kassen und dem Druck der von Inflation und Progression geschröpften Steuerzahler haben die Sozialdemokraten, voran der Bundeskanzler und sein Finanzminister, eine bemerkenswerte Kursänderung in der Finanzpolitik vollzogen.
Sie haben jedenfalls versucht, diese Kursänderung hier verbal zu demonstrieren. Ob dahinter die Wirklichkeit steht — dafür fehlen bis jetzt die Beweise. Aber ganz gleich, wie es ist, Sie bemühen sich, jetzt den Eindruck zu erwecken, der dem entspricht, was wir in der Wirklichkeit seit 1969 gefordert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es heißt in der „FAZ" weiter:
Der Minister hat sich leider gescheut, über den
Tellerrand des nächsten Jahres hinauszublicken.
Das kann man wirklich sagen, weil von mehrjähriger Finanzplanung fast nichts mehr übriggeblieben ist. Wenn man daran denkt, was mehrjährige Finanzplanung ursprünglich sein sollte, Herr Kollege Möller, und was nun hier daraus geworden ist, verstehe ich um so mehr, daß Sie zurückgetreten sind und Ihr Rücktrittsbrief als Staatsgeheimnis behandelt worden ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist gewiß kein Zufall,
— so heißt es weiter —
daß in seiner Haushaltsrede jeder Hinweis darauf fehlte, die Regierung werde daran festhalten, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. In Schmidts Regierungserklärung vor gut drei Monaten war dieser Satz noch zu finden gewesen.
So die „FAZ".
Drittens. So verworren wie das Zahlenwerk scheint auch der politische Wille der Verantwortlichen zu sein. So aussageschwach wie das Zahlenwerk scheint auch die Erkenntnis- und Erinnerungsfähigkeit der Regierenden zu sein.
Viertens. Auch Herr Apel hat sich der Vertuschung der wirklichen Verantwortlichkeiten schuldig gemacht, denn diese liegen ausschließlich bei den Bundesregierungen seit Herbst 1969.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was ist das für eine Ausdrucksweise, daß „die öffentlichen Hände" sich in den letzten Jahren viel zugemutet hätten? Das ist ja entweder ein Komödienstadel oder eine Geisterkomödie. Nicht die öffentlichen Hände haben sich zuviel zugemutet! Diese Regierung hat Programme aufgestellt und Reformen verkündet, deren Finanzierung vom ersten Augenblick an als irreal hätte bezeichnet werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Fünftens. Der Bundesfinanzminister hat sich einer klaren Darstellung der bei uns bestehenden oder auf uns zukommenden Zwangsläufigkeiten entzogen, z. B. die unausweichliche Alternative verschwiegen, daß im Jahre 1975 entweder einschneidende Steuererhöhungen oder noch höhere Verschuldung als hier ausgewiesen in Betracht gezogen werden müssen, wenn nicht die öffentlichen Investitionen noch weiter absinken, noch mehr Schulden aufgenommen oder Abstriche an beschlossenen Leistungen vorgenommen werden sollen.
Sechstens. Er hat keinerlei Angaben gemacht, wie die offiziell zugegebene, aber sicherlich noch nicht voll ausreichende geplante Verschuldung auf dem Geldkapitalmarkt überhaupt aufgebracht werden soll.
Siebtens. Er hat keine Rangfolge der zu lösenden Aufgaben aufgestellt und damit die Wertung des Haushalts und der Finanzplanung vermieden.
Achtens. Er hat sich wie seine Vorgänger um die Einsicht herumgedrückt, daß es einen großen hausgemachten Teil der Inflation gibt, und demgemäß neuntens versäumt, d. h. geflissentlich unterlassen, mit dem von seinem heutigen Kanzler früher benutzten Vulgärargument Schluß zu machen, daß eben die Inflation der Preis der Vollbeschäftigung sei —, eine Verdummungspolitik, deren politischer Zweck es war, der Opposition wegen ihrer Forderungen nach Stabilitätspolitik eine gewollte Arbeitslosigkeit vorzuwerfen, genau die Arbeitslosigkeit, die wir heute wegen Mißachtung der Vorschläge und Forderungen der Opposition seit 1969 im Verein mit anhaltender Inflation haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zehntens. Er hat es verstanden, die durch die Beschwörungsparolen seiner Vorgänger auf höherer Ebene entstandene Verwirrung auf niedriger Ebene fortzusetzen, was offenbar mit den verheißungsvollen Formeln „Kontinuität" und „Konzentration" gerechtfertigt werden sollte.



Strauß
Elftens. Er hat in der Darstellung der Steuerreform, ihres Werdegangs und der Standpunkte der Opposition zu ihr Geschichtsklitterung begangen.

(Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme darauf noch zurück.

Zwölftens. Er hat sich in Ton und Stil wenig erfreulich von den Anforderungen unterschieden, die bei diesem Anlaß gestellt werden müssen. Er hat sich einer Leichtfertigkeit der Darstellung ebenso beflissen wie der Ausfälle gegen die Opposition, was bei diesem Anlaß völlig unangebracht ist.

(Gansel [SPD] : Da bin ich gespannt auf Ihre Rede!)

— Sehr verehrter Herr Kollege, Sie haben wenig parlamentarische Erfahrung. Sonst würden Sie wissen, daß die Einbringungsrede eines Finanzministers anläßlich eines Haushalts etwas ganz anderes ist als eine Stellungnahme eines Oppositionssprechers zu diesem Haushalt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Narrenfreiheit!)

Einige wenige Worte zur Konjunkturlage. Die Konjunkturlage ist geprägt durch zunehmende Arbeitslosigkeit bei anhaltender Inflation. Das Zusammentreffen von Arbeitslosigkeit und anhaltender Inflation ist nach den Worten des Bundesbankpräsidenten „die schwierigste Wirtschaftslage von allen". Sie wurde früher als englische Krankheit wie die Pest gefürchtet. Jetzt ist sie auch eine deutsche Krankheit geworden. Das ist das sichtbarste Ergebnis von fünf Jahren sozialdemokratisch geprägter Politik.
Von den vier Zielen des Stabilitätsgesetzes hat bezeichnenderweise der dafür zuständige Minister kein Wort gesagt. Er ist doch seit der Kompetenzänderung zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium für die Konjunkturpolitik in erster Linie zuständig.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es!)

Man hätte doch hier in der Gesamtdarstellung der Probleme ein Wort vernehmen müssen, in welchem Umfange die vier Ziele nach der gegenwärtigen Situation erreicht oder verfehlt sind. Von diesen vier Zielen — stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stabile Preise — sind wir heute weiter entfernt denn je.
Die wirtschaftliche Entwicklung steht still. Wir bewegen uns auf der Linie eines Nullwachstums. Soweit noch reales Wachstum vorhanden ist, geht es in der Hauptsache auf Konto des Exportes, nicht mehr zugunsten der Inlandswirtschaft. Die insgesamt real rückläufigen Auftragseingänge, noch immer branchenmäßig stark unterschiedlich, deuten auf eine Talfahrt mit der Gefahr der Beschleunigung hin.
Wie steht es denn heute mit den großsprecherischen Erklärungen, bei einer SPD-Regierung gebe es keine Rezession und keine Arbeitslosigkeit? Die Wahrheit ist doch anders. Die Arbeitslosigkeit ist
mittlerweile wesentlich höher als in den vergleichbaren Monaten des Rezessionsjahres 1967.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

Im Juli 1967 hatten wir 377 000 Arbeitslose, im Jahre 1974 491 000, im August 1967 hatten wir 359 000 Arbeitslose, 1974 527 000. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, unter Umständen, die man auch mal miteinander vergleichen muß: Im Sommer 1967 setzte wieder Vertrauen ein und deuteten alle Signale auf Aufschwung. Heute ist genau das Gegenteil der Fall.
Und was haben wir damals über die angeblich gewollte Rezession der Jahre 1966/67 zu hören bekommen! Ich brauche das hier im einzelnen nicht zu wiederholen. Die Lage im Rezessionswinter 1966/67 beurteilte der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende und heutige Bundeskanzler mit folgenden Worten: „Die wachsenden Arbeitslosenziffern zeigten, daß aus dem Abschwung ein Absturz zu werden drohte." War diese Einschätzung der Gefahren im Winter 1966/67 richtig, dann sind bloß beruhigende Erklärungen, mit denen der Kanzler heute die Gefahr verniedlicht, fehl am Platze.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann müßte auch jetzt ein Absturz drohen; denn obwohl die Beschäftigungslage üblicherweise im Sommer wesentlich günstiger als im Winter ist, hatten wir im Juli und August dieses Jahres noch mehr Arbeitslose und Kurzarbeiter als im Dezember 1966.
Hier ist auch bemerkenswert, was der heutige Bundeskanzler im Wahlkampf 1972 sagte:
Heute wissen wir, daß 2 % Arbeitslosigkeit
— wir haben zur Zeit 2,4 % mit steigender Tendenz —
doch schon einhergehen mit einer erheblichen Rezession und schweren psychologischen und politischen Rückwirkungen. Wir würden also aus politischen Gründen — und als Sozialdemokrat sage ich: auch aus sozialen Gründen —2% Arbeitslosigkeit als eine schwere Fehlentwicklung der Wirtschaft ansehen.

(Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU: Herr Bundeskanzler, stehen Sie heute noch zu diesen Worten? Heute, wo wir 2,4 % Arbeitslosigkeit haben, hat er im Juli 1974 auf einer Betriebsversammlung bei Mannesmann erklärt, in der raschen Beurteilung der Weltlage, die bei ihm üblich ist: „ Wir haben etwas Kurzarbeit und einige Arbeitslose." (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Kommen Sie mal in die Kreise mit 7 bis 8 °/o!)


(Hört! Hört! — Sehr wahr!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor zwei Jahren waren 2% Arbeitslose für den jetzigen Bundeskanzler Grund — ich zitiere wieder wörtlich — „für schwerste innenpolitische Verwerfungen". Jetzt auf einmal sind mehr als 2 % — saisonbereinigt wären es sogar 3% — nicht beunruhigend;



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jetzt soll es offenbar erst bei 5 % ernst werden; denn derselbe Bundeskanzler sagte laut „Spiegel" am 19. August 1974: „Ich würde zu jedwedem Zeitpunkt glauben, daß wir in Deutschland eine Arbeitslosigkeit von 5 % der Arbeitskräfte nicht hinnehmen würden."

(Lachen bei der CDU/CSU)

Das erinnert in fataler Weise an die Erklärung seines Amtsvorgängers — der hier leider nicht anwesend ist —, bei 4 % Inflation werde es ernst werden, und dazu werde er es nicht kommen lassen; er werde persönlich eingreifen.

(Erneutes Lachen bei der CDU/CSU)

Es dauerte damals noch kein Jahr, bis diese magische Marke überschritten war. Als er von der politischen Bühne abtrat, hatten wir 7 %. Ich kann nur hoffen, daß unserem Volke wenigstens hinsichtlich der Arbeitslosigkeit eine ähnliche Entwicklung erspart bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn sich im gegenwärtigen Konjunkturabschwung die Arbeitslosigkeit nur so entwickelt wie während der zweiten Jahreshälfte 1967, die schon im Anzeichen des beginnenden Aufschwungs stand, und zwar materiell wie psychologisch, müssen wir im nächsten Winter mit 800 000 Arbeitslosen rechnen. Möglicherweise werden es sogar noch mehr sein; denn anders als damals sind die Anzeichen für den bis vor wenigen Wochen angekündigten Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte 1974 nicht zu erkennen. Eine noch höhere Arbeitslosigkeit konnte bisher überhaupt nur durch eine Entwicklung vermieden werden, die für die Grundsätze und Konsequenz, aber auch Prognoserichtigkeit sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik geradezu als eine Katastrophe bezeichnet werden muß; d. h., eine doch weitergehende Arbeitslosigkeit konnte nur durch eine Entwicklung vermieden werden, die im Widerspruch zum dritten Ziel des Stabilitätsgesetzes steht, nämlich zum außenwirtschaftlichen Gleichgewicht. Nur eine ausgeprägte Exportkonjunktur, die zu nie zuvor dagewesenen Überschüssen im Außenhandel führte, hat eine Reihe von Branchen bisher von den Folgen des Konjunkturrückschlags verschont und eine sich um Hunderttausende höher belaufende Arbeitslosigkeit verhindert.
Nach der Regierungserklärung der SPD/FDP-Regierung aus dem Jahre 1969 war es ein ganz entscheidendes Ziel der Finanzpolitik, „das Güterangebot graduell auf den Binnenmarkt hin umzuorientieren". Die langanhaltende Exportkonjunktur bedeutete, daß die Regierung auch mit dieser Zielsetzung gescheitert ist. Der jahrelang verteufelte Export, der in den Zeiten der von der CDU/CSU getragenen Regierungen sowohl absolut als auch prozentual gegenüber dem Sozialprodukt niedriger war und der damals als ein Zeichen verfehlter Wirtschafts- und Finanzpolitik bezeichnet worden ist, angekündigt mit der Notwendigkeit einer Umstrukturierung auf stärkeren Binnenverbrauch, ist heute der Rettungsanker dieser Regierung, der verhinderte, daß sie nicht schon im Sommer 800 000 Arbeitslose und mehr erreicht hat. Paradoxer kann es 1 doch nicht mehr sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir im ersten Halbjahr einen Exportüberschuß von 25 Milliarden DM haben, dann ist das für das erste Halbjahr absolut und prozentual wesentlich mehr, als es jemals bei uns gewesen ist, obwohl man uns damals die Höhe unseres Exportanteils als eine die Interessen der deutschen Wirtschaft und der Ausstattung der deutschen Infrastruktur schädlich hohe Belastung unseres Sozialprodukts angelastet hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Aus einer nur durch solche Exportüberschüsse gestützten Beschäftigung ergeben sich schwerwiegende Gefahren. Die Überschüsse im eigenen Lande sind die Defizite im Ausland, und aus den dadurch bedingten chronischen wirtschaftlichen Schwierigkeiten unserer Partnerstaaten bis hin zur Massenarbeitslosigkeit können sich, schneller als manche erwarten, böse Rückwirkungen auch für uns ergeben.
Bezeichnend ist, was Walter Wannenmacher in der Deutschen Zeitung „Christ und Welt" vor einigen Tagen geschrieben hat. Er sagt nämlich — und darüber würden wir gern ein Wort des Herrn Finanzministers, notfalls des Herrn Wirtschaftsministers, hören — folgendes: Prüft man nun, woher der statistische Überschuß von 25 Milliarden DM im Export und 12,9 Milliarden DM in der Leistungsbilanz kommt, dann gibt es eine Überraschung; denn von dem Handelsbilanzüberschuß, der den Leistungsbilanzüberschuß trägt, entfallen auf die Länder mit gefährdeter Solvenz, mit gefährdeter Zahlungsfähigkeit, die daher früher oder später ihre Warenbezüge drosseln müssen, wenn wir sie nicht kreditieren, 18,4 Milliarden DM — im Vorjahr 7,3 Milliarden DM —, auf alle übrigen Länder nur 6,8 Milliarden DM — im Vorjahr 5,5 Milliarden DM —. Weit mehr als die Zunahme des Leistungsbilanzüberschusses geht auf vermehrte Exporte in den neuralgischen, also gefährdeten Bereich, zurück. Diese Exporte werden bisher entweder aus den Devisenreserven bezahlt — Frankreich — oder aus Krediten Dritter — England — oder aus unseren eigenen Krediten — Italien, Entwicklungsländer — oder wie beim Ostblock aus Krediten, die noch gewährt werden müssen, weil wir die Waren, die als Gegenlieferung angeboten werden, nicht brauchen können.
Wir leisten uns die Illusion eines Exportbooms, den wir zum großen Teil selbst bezahlen. Der Arbeitsbeschaffungseffekt ist unbestreitbar; aber derselbe Effekt wäre gegeben, ließen wir die Lieferfirmen durch die Bundesbank bezahlen und versenkten wir ihre Erzeugnisse im Atlantik. So Walter Wannenmacher.
Bei alledem haben wir alles andere als stabile Preise. Die Tendenzwende bei den Preisen, die die Regierung schon für das vorige Jahr versprochen hat, ist immer noch nicht eingetreten und ist trotz allem nicht abzusehen, wie sich am immer noch zweistelligen, ununterbrochen starken Anstieg der industriellen Erzeugerpreise und der Großhandelspreise ablesen läßt; denn der Anstieg der industriel-



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len Erzeugerpreise zwischen Juli 1973 und Juli 1974 war plus 13,9 %, bei den Großhandelspreisen im gleichen Zeitraum plus 15,3 %.
Auch wenn wir bei den Lebenshaltungskosten statt der vom Wirtschaftsministerium befürchteten 10 % „nur" — so heißt es jetzt, wie bescheiden sind wir doch geworden — 7 % haben: 7% Inflation haben bereits Rückschritte für den Lebensstandard zur Folge und sind in Deutschland ein trauriger Inflationsrekord. Dieser Inflationsrekord bei uns läßt sich nicht mehr auf den Anstieg der Ölpreise als dem nunmehr Hauptschuldigen zurückführen. Es gab hier ja jahrelang eine Jagd nach Schuldigen.
Ich darf aber auch zu den 6,9 % hier einmal ein kritisches Wort sagen. Ich bestreite nicht, daß die Zahl bei dem ausgewählten Warenkorb statistisch richtig ist. Wenn Sie aber unsere Hausfrauen fragen, was, wenn die Kinder im Herbst wieder in die Schule gehen, die Einkleidung kostet, was die Ausstattung kostet, dann werden Sie feststellen, daß die Preise, die nicht im Warenkorb berücksichtigt sind, wesentlich stärker gestiegen sind als die im Warenkorb erfaßten Preise, für die die 6,9 % gelten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man wird ja draußen ausgelacht, wenn man den Leuten erzählt, es seien doch nur 6,9 oder 7 % Preissteigerung, wenn sie Schuhe, Kleidung, Wäsche, Schultaschen usw. einkaufen. Im übrigen ist es keine Beruhigung für einen Patienten, wenn die Patienten im Nachbarzimmer noch ein paar Grad höheres Fieber haben als er selber, als das eigene Fieber.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

In der gerade von der SPD gegen uns immer so propagandistisch und demagogisch herausgestellten Rezession des Jahres 1967 sind die Preissteigerungen von 3,6% im Jahre 1966 wenigstens auf 1,6 % zurückgegangen. Das schmerzliche Opfer an Einbrüchen in die Beschäftigung von damals — unerfreulich genug — ist aber mit einer Halbierung der Inflationsrate, d. h. mit einer Inflationsrate erkauft worden, von der heute niemand mehr zu träumen wagt.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

In der Rezession 1974 haben wir mit 7 % eine ebenso hohe Inflationsrate wie im vorigen Jahr, und sie wird nach Aussage des Wirtschaftsministers zumindest in den kommenden Monaten noch höher werden.
Ich darf noch ein Wort zu dieser, wie man sagt, im internationalen Vergleich so niedrigen und erfreulichen Inflationsrate sagen. Auch hier sind kritische Bemerkungen, auch wenn sie mißdeutet werden, durchaus angebracht, denn die angeblich niedrige Inflationsrate ist bisher in erster Linie auf Kosten der Landwirtschaft erreicht worden,

(Beifall bei der CDU/CSU)

deren Erzeugerpreise trotz erhöhter Kosten rückläufig sind. Ich darf nur daran erinnern, daß 1973/74 der Index der Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte gegenüber der Hunderterbasis von 1962/63 128 betrug, im Juli 1974 aber 120,1, ein Absinken
also um acht Punkte, während die Betriebsmittelpreise — 1962/63 als 100 genommen — im Durchschnitt 1973/74 152,2 erreicht hatten, im Juli 1974 sogar auf 156,4 gestiegen waren. Das heißt, daß die im internationalen Vergleich durchaus erfreuliche Inflationsrate von nur 6,9 %, wie man immer sagt, zu Lasten eines Berufsstandes erreicht worden ist, dem man jetzt wieder durch andere Mittel helfen muß, diese Verluste einigermaßen auszugleichen und zu überwinden. Es ist eine denkbar unerfreuliche Entwicklung, daß die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in den letzten Monaten erheblich gesunken sind, der Verbraucher davon aber nichts hat, während die Betriebsmittelausgaben wesentlich gestiegen sind und die Folgen davon nunmehr als eine im internationalen Vergleich erfreuliche Entwicklung unserer Inflationsrate ausgegeben wird.
Wir wären froh, wenn wir eine Inflationsrate von nur 4 % oder 3 % oder 2 % hätten, aber dann bei einer Landwirtschaft, deren Erzeugerpreise mit dem Wachsen der Betriebskosten in etwa Schritt halten würden. Das wäre eine gesunde Entwicklung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich muß noch etwas Weiteres sagen. Auch in anderen Bereichen wurden Kostensteigerungen teilweise zu Lasten der Erträge aufgefangen, was letztlich zu Lasten der Investitionen und damit zu Lasten der Sicherheit der Arbeitsplätze in der Zukunft geht und zu Konkursen führt.
Wir alle hätten deshalb auch gern etwas gehört über die Entwicklung der Insolvenzen, der Konkurse und der Vergleichsverfahren in der deutschen Wirtschaft als Folge dieser Roßkur. Wir hatten im Jahre 1967 3159 Zahlungsunfähigkeiten; im Jahre 1973 waren es 4000; im Jahre 1974 hatten wir von Januar bis Juli schon 3180 solcher Fälle, davon allein im Juli 630, das heißt, der Anstieg in Prozenten von Januar bis Juli 1974 — auf 1973 bezogen — beträgt plus 57,7 %.
Diese Konkurse sind nicht, Herr Bundeskanzler, so zu bewerten, wie Sie einmal sagten, es wäre ganz gut und ganz gesund, wenn ein paar Unternehmer Pleite machten, oder wie ein anderer Minister dieser Regierung sagte, das sei nur Wildwuchs, der beschnitten werden müßte. In der Zwischenzeit haben diese Konkurse und Vergleichsverfahren ein Ausmaß angenommen, bei dem man nicht mehr Schadenfreude über ein paar Unternehmer oder ein paar Baulöwen oder über ein paar unsolide Kalkulierende im Kreditgeschäft oder in einem anderen Geschäft empfinden und das meistens mit der linken Hand abtun kann.
Sie haben ein Ausmaß erreicht, bei dem die Arbeitnehmer, Arbeiter und Angestellte — vor allen Dingen ältere Angestellte —, aufs schwerste in ihrer Existenz in Mitleidenschaft gezogen werden. Sie haben ein Ausmaß erreicht, wo zahlreiche mittelständische Zulieferanten, Handwerker und Einzelhändler, die ihre Lieferungen bei der heutigen starken Konkurrenz, bloß um den Auftrag zu kriegen, zum Teil mit Krediten bei hohen Zinsen finanziert haben und heute von den pleite gegangenen Firmen keine Zahlungen mehr erhalten, ihrerseits



Strauß
auf Jahre hinaus — wenn es gutgeht — um den Ertrag ihrer Arbeit geprellt werden, wenn sie nicht überhaupt ihrer Existenz verlustig gehen.
Das ist hier ebenfalls drin, wenn eine Wirtschaft ihre Kosten nicht mehr abwälzen kann. Warum kann sie ihre Kosten nicht mehr abwälzen? Weil heute der Kaufkraftüberhang, den wir in den ersten Jahren dieser Bundesregierung hatten, vor dem wir gewarnt haben, nicht mehr vorhanden ist. Der Kaufkraftüberhang ist durch den drastischen Preisanstieg aufgezehrt worden.
Deshalb stellen wir heute bei den Konsumenten gerade in bezug auf kostspieligere Konsumgüter, auf langlebige Gebrauchsgüter und Qualitätsgüter eine starke Zurückhaltung fest. Diese Zurückhaltung führt zu einer erfreulichen Verschärfung des Wettbewerbs, aber die erfreuliche Verschärfung des Wettbewerbs führt zu dem unerfreulichen Zustand, daß zum Teil unter Kosten verkauft wird. Das halten die Kleinen und Mittleren nur viel kürzere Zeit aus, als es die Großen aushalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darum führt diese Politik nicht zu der erfreulichen Strukturbereinigung, wie man immer sagt; sie führt zur Strukturverzerrung und zu einer ungesunden Entwicklung in der Zusammensetzung unserer Wirtschaftsunternehmungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der heutige Bundeskanzler sagte als Finanzminister, 5 % Inflation seien leichter zu verkraften als
5 % Arbeitslose. Das ist eine dieser vulgären Aussagen, deren oberflächliche Richtigkeit wie immer die Tiefe der Probleme verschweigt. Damit wollte er sein Versagen bei der Inflationsbekämpfung bemänteln und den betroffenen Arbeitnehmern vorgaukeln, die Inflation sei eben der notwendige Preis für Vollbeschäftigung. Gerade die Arbeitnehmer merken, daß das ein unverantwortlicher Irreführungsversuch war,

(Beifall bei der CDU/CSU)

daß nämlich Inflation nur vorübergehend als Aufputschmittel für die Beschäftigungslage verwendbar ist, daß aber lang anhaltende Inflation niemals die Gefahr der Arbeitslosigkeit bekämpfen kann, sondern immer neue Arbeitslosigkeit — anhaltend und steigend erzeugen muß, wie hier fortzeugend Böses Böses gebärt.
Die Inflation ist für sich allein schon die unsozialste und brutalste Besteuerung des kleinen Mannes. Sie ist nicht der Preis für Vollbeschäftigung. Im Gegenteil, sie führt letztlich zur Arbeitslosigkeit. Eine jahrelang ungebremste, überschäumende Konjunktur und die dadurch bedingte Flucht in die Sachwerte haben enorme Fehlinvestitionen und Fehlausgaben hervorgerufen. Sie führen zur Fehlleitung von Kapitalströmen, zu leerstehenden und unverkäuflichen Eigentumswohnungen, zum Aufbau von Überkapazitäten, zur Aufrechterhaltung überholter Wirtschaftsstrukturen, zur Befriedigung einer nur durch die Inflation bedingten und erklärbaren Übernachfrage.
Die dadurch geschaffenen schweren strukturellen Mängel in der deutschen Wirtschaft haben jetzt vor allem die Strukturkrise in der Bauwirtschaft und in der Automobilwirtschaft zur Folge. Beides sind Schlüsselindustrien, deren schlechte Ertragslage zwangsläufig auf alle anderen Bereiche ausstrahlt, die nicht von dem gegenwärtig noch vorhandenen Exportboom — wie Großchemie und Elektrotechnik und ein Teil des Maschinenbaus — gestützt werden.
Das ist ja doch das Paradoxe daran, daß diese Bundesregierung die Strukturkrise, die strukturellen Probleme und die strukturellen Verzerrungen erst durch diese Politik der ersten drei, vier Jahre, herbeigeführt hat und jetzt ihre Roßkur als unvermeidliche Wundermedizin zur Bereinigung dieser Krise vor der Öffentlichkeit auszugeben unternimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch immer glaubt die Regierung, glaubt der Kanzler entschuldigend darauf hinweisen zu müssen, im Ausland sei es noch schlimmer. Das ist weder eine Entschuldigung noch ein Trost. Daß es in anderen Ländern noch schlimmer steht, macht die Lösung unserer Probleme nicht einfacher, sondern schwerer.
Professor Ortlieb, Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs hat vor wenigen Monaten in einem lesenswerten Aufsatz in der „Zeit" folgendes ausgeführt:
Dabei ist es gar nicht einmal der internationale Preiszusammenhang, der die Inflation von außen über die Landesgrenzen schwappen läßt, das Hauptübel, auch nicht die internationalen Rücksichten, die verbieten, ausschließlich das binnenwirtschaftlich Notwendige zu tun. Weit gefährlicher ist das moralische Alibi, das desolate Zustände in anderen Ländern unseren Politikern zu liefern scheinen.
Der bloß entschuldigende Hinweis auf das Ausland ist deshalb — laut Ortlieb — eine Drückebergerargumentation, die nur dazu benutzt wird, die eigene Hilflosigkeit, Verworrenheit oder Verfehltheit damit zu bemänteln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man sich dann noch erkundigt, welch politischen Hintergrundes Professor Ortlieb ist, — er ist wohl in erster Linie seinem wissenschaftlichen Gewissen und seinem Expertenruf verpflichtet —, so ist er beim besten Willen nicht der CDU/CSU zuzuschreiben. Aber nach diesen Ausführungen kommt er jetzt natürlich auch in den Bereich der Demagogen, der Panikmacher, der Unruhestifter und der Hetzkampagnebetreiber hinein.

(Breidbach [CDU/CSU] : SPD-Mitglied!)

Selbst für den Bundeskanzler ist die Zeit vorbei, in der er versuchen konnte, den falschen Eindruck zu erwecken, wir seien nur das unschuldige Opfer einer importierten Inflation. Diese Legende ist nur kurzfristig für wahltechnische Zwecke unterbrochen worden durch die Aktion „Gelber Punkt", wo es hieß, die Unternehmer seien schuld. Das ist das berühmte Rechtskartell, von dem Sie, Herr Kollege



Strauß
Willy Brandt, neuerdings immer wieder sprechen, seit Sie den Zylinder wieder mit der Ballonmütze vertauscht haben.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Siehe die Rede vor IG Metall vor einigen Tagen! Es ist die Legende, in der man versucht hat, die Unternehmer als die an der Inflation eigentlich Schuldigen hinzustellen, die natürlich im Verein mit anderen anonymen und konspirativen Kräften des Rechtskartells — dazu gehört natürlich selbstverständlich die CDU/CSU in der neuen Mythenbildung diffamierender Art, dazu gehören die Wirtschaftsverbände und die Unternehmer, vielleicht noch einige andere magische Kräfte, die im Untergrund wirken — der „einzig richtigen" Reformpolitik möglichst viele Schwierigkeiten bereiten, um der „einzig richtigen Regierung", die Deutschland jemals hatte, ein möglichst schnelles Ende zu bereiten. Das ist eine wunderbare Legende. Sie ist vorübergehend eingewoben worden. Jetzt ist aber wieder mehr das Ausland schuld, weil man die Unternehmer jetzt nämlich braucht; sonst geht es in unserem Lande überhaupt nicht mehr aufwärts, wenn diese Krise, die in erster Linie eine Vertrauenskrise ist, nicht wieder überwunden werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man hat sich immer gegen stabilitätspolitische Alleingänge nationaler Art gewandt. Aber jetzt hört man es doch anders. Denn sonst wären die scharfen monetären Beschränkungsmaßnahmen der Bundesbank, der Stabilitätszuschlag, die Einführung der Investitionssteuer, im vergangenen Jahr nach jahrelangem Zaudern und Nichtstun beschlossen, doch ein völlig nutzloses Opfer zu Lasten der Betroffenen gewesen. Auch international setzt sich jetzt die Erkenntnis durch, die zwar in diesem Haus schon mehrfach vertreten, aber nie ernsthaft angewandt worden ist: „Stability begins at home". So sagten prominente Vertreter sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik. Die Verkünder dieser Erkenntnis sind aber nach der verbalen Bekundung so erschöpft, daß sie in der Praxis das Gegenteil davon gemacht haben.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Zur Inflationsbekämpfung fehlten dieser Regierung doch niemals die Waffen. Zur Inflationsbekämpfung fehlte ihr erstens einmal die Einsicht, daß die Opposition ausnahmsweise auch einmal recht haben könnte. Weiter fehlten ihr der Wille, der Mut und die Fähigkeit. Das baden wir jetzt alle aus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Voraussetzung, von der das Stabilitätsgesetz eine Konjunkturankurbelung abhängig macht, nämlich — wie es heißt — „eine Wachstums- und Vollbeschäftigung gefährende Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit", liegt an sich längst vor. Dennoch dürfen wir jetzt — da gebe ich der Bundesregierung recht -- nicht ungehemmt Gas geben. Ich kann nur hoffen, daß das regionale Mini-Programm von 900 Millionen DM nicht schon als falsches Signal verstanden wird; das würde mit Sicherheit zu noch mehr Inflation führen und auf die Dauer die Gefahr für die Arbeitsplätze noch stärker erhöhen.
So wie die Fraktion der CDU/CSU früher, wenn auch vergeblich, vor den Gefahren der Inflation gewarnt und immer wieder Dämpfungsmaßnahmen in einem Zeitpunkt gefordert hat, als diese noch ohne Gefahren für die Arbeitsplätze zu verwirklichen gewesen wären, so warnen wir jetzt davor, vorzeitig durchzustarten. Wir warnen noch mehr davor, den Ablauf der wirtschaftspolitischen Ereignisse im Hinblick auf zukünftige Wahltermine steuern zu wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir stellen aber unmißverständlich fest: Die Verantwortung, daß es so weit gekommen ist, daß die im Stabilitätsgesetz vorgesehenen Instrumente zur Konjunkturankurbelung nicht schon längst angewandt werden können, trifft allein die Bundesregierungen seit 1969, weil sie die Inflation zu spät und unzureichend bekämpft haben, trifft auch und nicht zuletzt den jetzigen Kanzler, der früher alle Stabilitätsmaßnahmen mit den Worten verhöhnt und vom Tisch gewischt hat: „Stabilität ist doch ein Modewort; midi. kümmert die Sorge um die Stabilität nicht so wie andere" ; wörtlich zitiert. Den Preis zahlen jetzt die Arbeitslosen, die Sparer und alle anderen Inflationsgeschädigten.
Das Groteske und Paradoxe der durch diese Bundesregierung geschaffenen Wirtschaftslage ist doch die Tatsache, daß die Wirtschaftslage heute ungleicher ist denn je. In gewissen Bereichen wie Elektrotechnik, Großchemie und in einem Teil des Maschinenbaus haben wir, wenn auch mit abschwächender Tendenz, meistens exportbedingt, noch eine hohe Konjunktur und keinerlei Einbrüche irgendwelcher Art. In anderen Bereichen wie Automobilbau, Bau, Textil haben wir eine denkbar schwache Konjunktur mit viel Arbeitslosigkeit, mit Kurzarbeit, mit ernsten Krisenerscheinungen. Jetzt ist es nicht mehr möglich, ein konjunkturpolitisches Instrument anzuwenden, ohne daß ein anderes Übel dadurch hervorgerufen wird. Wenn man im Interesse der blühenden Wirtschaftszweige, der noch gesunden Wirtschaftszweige die Dämpfungspolitik fortsetzt, was notwendig ist, dann kommen die anderen noch tiefer in die Krise hinein. Verfährt man aber umgekehrt, daß man jetzt Gas gibt, um den bedrohten Branchen und Regionen zu helfen, dann vermehrt man das Übel der Inflation.
Daß das Stabilitätsgesetz nicht mehr anwendbar geworden ist, auf das man sich vorher mit so viel Stolz berufen hat, es vorgezeigt hat, um es nie eigentlich in vollem Sinne des Wortes anzuwenden, Herr Bundeskanzler, das geht allein auf das Konto Ihrer Vorgänger, auf Ihr eigenes Konto und auf das der jeweils beteiligten Finanz- und Wirtschaftsminister, auf unser Konto bestimmt nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber auch ohne Durchstarten braucht die Regierung nicht in Tatenlosigkeit zu erstarren. Konjunkturpolitik ist, was viel zuwenig verstanden wird, vor allen Dingen in den Kreisen der Regierungsmenschen, in erster Linie Psychologie. Jeder konjunktur-



Strauß
politische Abschwung signalisiert auch eine Vertrauenskrise. Jeder Aufschwung setzt die Wiedergewinnung des Vertrauens voraus. Nur dann kann die seit Jahren stillstehende Investitionstätigkeit — stillstehend im Sinne einer gleichbleibenden, aber nicht mehr steigenden, zum Teil sogar nachlassenden Investitionsrate der deutschen Wirtschaft —, die auch der Wirtschaftsminister bei der letzten konzertierten Aktion mit Recht als große Gefahr herausgestellt hat, überwunden werden.
Was aber zur Überwindung notwendig ist, dazu ist diese Regierung trotz einiger guter Formulierungen, die sie braucht, nicht imstande, weil dafür der vertrauenswürdige Hintergrund fehlt. Ich möchte hier nicht Gespenster an die Wand malen, aber wenn man immer wieder die Beschlüsse von Parteitagen vernimmt über Preis- und vor allen Dingen Investitionskontrollen, Investitionsplanung oder gar Investitionslenkung als dem Heilmittel gegen die Übel der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation, wenn man vom Bundesausschuß der Jungsozialisten vernimmt, daß sie die Verstaatlichung wesentlicher Wirtschaftsbereiche und dazu Investitionskontrolle verlangen, wenn der Vorsitzende der Jungsozialisten in München zu einer sowjetischen Wirtschaftsdelegation im Rathaus erklärt, wir hätten Arbeitslosigkeit, Inflation, wir hätten Krisenerscheinungen und die könnten nur abgestellt werden, wenn wir auch das sozialistische System übernehmen,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

worauf der Fraktionsvorsitzende der SPD im Münchener Stadtrat, Herr Preisinger, einen Protestbrief geschrieben hat und mit aller Schärfe — ich muß hier auch das Gegenteil darlegen — gegen diese Äußerungen Stellung genommen hat, dann sind das doch die Hintergründe, die Bleigewichte, die Belastungen für eine Wiedererholung des Vertrauens bei uns. Die materiellen Fehler, die eingetreten sind, sind leichter behebbar als die psychologischen Fehler, weil Sie zur Behebung psychologischer Fehler offensichtlich nicht in der Lage sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0711618500
Herr Abgeordneter Strauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0711618600
Bitte sehr!

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711618700
Herr Kollege Strauß, sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie mit Ihrer vorhin geübten pauschalen Kritik an den Mitteln der Globalsteuerung denjenigen Wasser auf die Mühle liefern, die nach Investitionskontrolle und Investitionslenkung fragen?

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0711618800
Diesen Zusammenhang, Herr Kollege Lambsdorff, kann man nur herstellen, wenn
man seit Jahren innerhalb der Scheuklappen dieser Koalition leben muß.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch und Buh-Rufe bei der SPD und der FDP)

Trägt es denn nicht zu dieser Unsicherheit in der Öffentlichkeit, zu dieser Vertrauenskrise bei, wenn der letzte Bundeskanzler, kaum daß er sein Amt aufgegeben hat, vor einer großen und wichtigen Gewerkschaft von der „Mobilisierung der CDU/CSU durch das große Geld" spricht, wenn er von deren Mobilisierung durch die „Verbandsspitzen der sogenannten Wirtschaft" spricht, wenn er von einer „Blockadepolitik der Einstimmenmehrheit im Bundesrat" spricht, wenn er davon spricht, daß Unternehmerverbände und deren Gesinnungsfreunde im politischen Raume in ihrem Anrennen gegen die Interessen der breiten arbeitenden Schichten einen alten ideologischen Dampfhammer neu in Schwung gesetzt haben, wenn er die Arbeit der CDU/CSU so darstellt, daß in 20 Jahren ein Unternehmerstaat geschaffen worden sei? Das sind doch Klassenkampfparolen, das ist doch Vergiftung der Atmosphäre

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

und das ist, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, auch ein Dolchstoß gegen die Bemühungen, die Sie in Ihren neu zustande gekommenen Erkenntnissen nunmehr offensichtlich in die Wirklichkeit umsetzen wollten.
Meine Damen und Herren, was sind denn die Hauptsünden? Erstens die Vollbeschäftigungsgarantien im falschen Zeitpunkt statt Stabilitätspolitik im richtigen Zeitpunkt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Wer hat denn die frühere Regierung veranlaßt, in den Jahren 1969, 1970 usw. Vollbeschäftigungsgarantien bei 21/2 Millionen Gastarbeitern, 1 Million offener Stellen und 80 000 — meistens statistischen — Arbeitslosen zu geben? Damals hat man so getan, als ob die Vollbeschäftigung bedroht wäre. als ob wir mit der Forderung nach Stabilität die Arbeitnehmer durch Arbeitslosigkeit disziplinieren wollten; auch eine der diffamierenden, selbst in diesem Hause immer wieder herumgeisternden Behauptungen.

(Zuruf von der SPD)

Eine zweite Hauptsünde: Überforderung des Sozialprodukts durch private Kaufkraft und öffentlichen Verbrauch. Jahrelang hat die Bundesregierung in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwekken versucht, man könne mehr als 100 % des Sozialprodukts verteilen; nur die böse CDU/CSU habe dies bisher verhindert, weil sie dem Volke den großen Erfolg und das neue Glück nicht gegönnt habe.
Drittens die Leugnung, Verharmlosung und Ursachenverfälschung bei der Inflation. Wir haben doch gehört: Inflation gibt es nicht, eine Erfindung der Opposition. Dann hat es geheißen, so schlimm sei sie nicht, sondern sie sei nur der notwendige Preis für die Vollbeschäftigung. Und dann kam die Ur-



Strauß
sachenverfälschung, wie ich sie heute bereits dargestellt habe. Was der Bundesfinanzminister heute fordert, ist doch von der Opposition seit 1969 laufend in diesem Hause zur Sprache gebracht, angemahnt und gefordert worden. Die Reaktion war Hohn, Spott und Verleumdung.
Eine weitere Hauptsünde ist, die Belastbarkeit der Wirtschaft materiell und psychologisch bis zum äußersten zu erproben: durch Steuern, Abgaben und psychologische Belastungen; siehe Jochen Steffen, man müsse sie eben bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit erproben.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Fünftens: Eine weitere Hauptsünde ich sage
es hier wieder — ist die verspätete Steuererleichterung. Herr Bundesfinanzminister, was Sie gestern hier gesagt haben, ist in diesem Hause im Kreise derer, die die ganze Diskussion mitgemacht haben, einfach als eine Unwahrheit im Bewußtsein des wahren Ablaufs der Vorgänge zu bezeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nachdem die ursprüngliche Inflationsursache — überhöhte Kaufkraft — einer anderen Inflationsursache, nämlich dem Kostendruck, gewichen war, haben wir, um den Kostendruck, dessen Hauptelement der Lohnkostendruck ist, etwas zu mildern, eine Steuererleichterung ab 1. Januar 1974 mit einer Wirkung von rund 8, ansteigend auf 9, 10 und später mehr Milliarden vorgeschlagen; im Oktober 1973 und Anfang des Jahres 1974 wieder. Wir sind damals immer wieder niedergestimmt worden mit dem dümmlichen Wort, das sei ein Inflationsförderungsgesetz. Es war ein Inflationsentlastungsgesetz!

(Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

Wäre man unserem Vorschlag gefolgt, wäre die steuerliche Entlastung am 1. Januar 1974 und nicht am 1. Januar 1975 eingetreten; und daß sie am 1. Januar 1975 überhaupt zustande kam, ist doch nur unter dem Druck der von uns erhobenen Forderungen geschehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihr Termin war doch der 1. Januar 1976. Als der Bundeskanzler — der frühere, meine ich — laut dachte, man könne zum 1. Januar 1974 etwas tun, ist er doch von Ihnen — dem heutigen Bundeskanzler — zurückgepfiffen worden. Man erklärte, er könne so etwas schon sagen, aber das sei nur lautes Denken, verbindlich sei das nicht. Als man aber merkte, wie stark der Druck der Öffentlichkeit und
auch der Gewerkschaften war, hat man sich dann bequemt, den Termin vom 1. Januar 1976 auf den 1. Januar 1975 vorzuziehen. Deshalb dürfen Sie nicht sagen, dieses Steueränderungsgesetz, das Sie hochstaplerisch als „Steuerreform" ausgeben — das ist nämlich eine Hochstapelei —, sei der Opposition aufgezwungen worden. Das ist doch eine Verkehrung der Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist eine Fälschung des Tatsachenablaufs. Das stimmt doch nicht.
Auch das Ausmaß der steuerlichen Entlastung von heute — ab 1. Januar 1975 — ist doch nur der Ausgleich für einen Teil dessen, was inflationäre Steuerpolitik den Arbeitnehmern und anderen Einkommensbeziehern an Mehrsteuern vorher abverlangt hat.
Sie kennen doch die Tatsache, daß die Lohnsteuer im Jahre 1964 16 Milliarden DM erbracht hat, im Jahre 1974 jedoch 74 Milliarden DM erbringt, also verviereinhalbfacht worden ist.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Die Lohnsteuer machte damals 16 19 Prozent des Steuerertrages aus. In diesem Jahr macht sie 28,45 Prozent aus. Die Einkommensteuer ist demgegenüber von 14 Milliarden DM auf 28 Milliarden DM gestiegen, hat sich also nur verdoppelt. Die Körperschaftsteuer ist demgegenüber nur etwa um 40 Prozent gestiegen. Die Umsatzsteuer ist demgegenüber von 22 Milliarden auf 61 Milliarden DM gestiegen.

(Breidbach [CDU/CSU] : Die Reichen werden jetzt geringer belastet!)

Die einzige Steuer, die sich verviereinhalbfacht hat und damit an der Spitze der Steuerzuwächse steht, ist doch die Lohnsteuer. Bei Ihrer jetzigen Steueränderung konnten wir noch einige Änderungen anbringen, die im Interesse einer Politik liegen, nach der nicht für die Leistung ein steigendes Bußgeld verlangt wird.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Sie reden immer wieder von Großverdienern, die wir begünstigen wollen. Das geht doch schon beim normal verdienenden Facharbeiter an, der durch diese Steuerpolitik stärker belastet würde, auch angesichts der normalen Einkommenszuwächse, die wir noch erwarten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit diesem Inflationsgeld haben Sie Ihre Politik finanziert, und jetzt jammern Sie, wenn ein Teil dieses Inflationsgeldes durch eine Steueränderung am 1. Januar 1975 verlorengeht. Denn die Lohnsteuerkomponente in den heutigen 74 Milliarden DM, die inflationär bedingt ist, beläuft sich doch auf rund 30 Milliarden DM. Von diesen 30 Milliarden DM werden etwa 13 Milliarden DM, für alle Steuerzahler zusammengenommen, wieder zurückerstattet. Sie haben doch inflationär finanziert. Diese inflationären Lohnsteuermehreinnahmen hätten längst stillgelegt werden müssen. Deshalb kommen Sie jetzt in die Situation, hier erklären zu müssen, wir hätten solche Einnahmeausfälle, daß wir deshalb nunmehr eine maßlose Verschuldung in Kauf nehmen müßten. Das sind doch die wirklichen Zusammenhänge — und nicht anders.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einen Zustand erreicht — —

(Lachen bei der SPD)

— Daß Sie darüber lachen, wird Ihnen in der Öffentlichkeit wenig Freude machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Strauß
Sie haben den doppelten Zielkonflikt geschaffen: Inflation bekämpfen, dann mehr Arbeitslosigkeit oder Arbeitslosigkeit bekämpfen, dann mehr Inflation.
Und Sie haben in dieser Regierung noch etwas versäumt, was Ihnen einmal gesagt werden muß. Sie haben versäumt, Orientierungsdaten — was Ihre gesetzliche Pflicht ist — für die Gebietskörperschaften und für die Tarifparteien zu setzen. Ich rede nicht von Lohnleitlinien, aber von Orientierungsdaten, um die man sich dauernd herumdrückt.
Zum Schluß, Herr Bundesminister Apel, haben Sie auch noch eine grobe Unwahrheit gesagt, als Sie davon sprachen, daß diese Kindergeldregelung der Opposition aufgezwungen werden mußte. Darf ich Ihnen aus dem Finanzplan 1968, der von mir stammt, vorlesen — Seite 28, Ziffer 17 —:
Es soll eine Neuregelung des Familienlastenausgleichs ab 1971 vorgenommen werden, in der die steuerlichen Erleichterungen und die unmittelbaren Zahlungen zu einem einheitlichen System zusammengefaßt werden.
— Ab 1. Januar 1971!

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Was wir heute verlangen, möchte ich in wenigen Punkten zusammenfassen. Stabilität ist für gesunde soziale Verhältnisse und für eine gesunde Wirtschaft unabdingbare Voraussetzung. Deshalb muß der Wille zur Stabilität durch eine sparsame und solide Finanzplanung auch in der Rezession glaubhaft gemacht werden.
Zweitens. Nur rückhaltlose Ehrlichkeit in der Finanz- und Wirtschaftspolitik kann verlorenes Vertrauen wiedergewinnen. Wir fordern deshalb Abkehr von den bisherigen Versuchen, mit unehrlichen Dementis, frisierten Zahlen und falschen Parolen die Öffentlichkeit irrezuführen.
Drittens. Selbst der Wirtschaftsminister hat bei der letzten Konzertierten Aktion die Notwendigkeit ausgesprochen, in der Finanzpolitik aller Gebietskörperschaften, also auch der des Bundes, das Wachstum des Staatskonsums zugunsten öffentlicher Investitionen zurückzudrängen. Wir fordern, daß darüber nicht nur meditiert wird, sondern daß diese Erkenntnis in der Finanzplanung der Regierung verwirklicht wird; in der vorliegenden ist das Gegenteil der Fall.
Viertens. Wir fordern, daß die investitions- und leistungshemmende Steuerbelastung nicht noch weiter ansteigt. Soweit die Regierung jedoch die durch ihre Inflationspolitik und Reformhudelei herbeigeführten Fehlbeträge im Staatshaushalt nicht durch hinreichende Ausgabenkürzungen, sondern durch Steuererhöhungen decken will, muß sie darüber bald Klarheit schaffen und darf es nicht im Dunkel lassen. Ungewißheit schadet dem Vertrauen mehr als kalkulierbare Risiken.
Fünftens. Sozialistische Experimente in der Lehrlingsbildung haben zu einer ständigen Verringerung der Ausbildungsplätze geführt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Wir fordern die alsbaldige Vorlage einer sachgerechten Konzeption, die die Unsicherheit endgültig beseitigt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sechstens. Das von der Bundesregierung vorgelegte Mitbestimmungsmodell führt zur Funktionärsherrschaft und zur Ausschaltung der Minderheiten. Auch dadurch wird die Investitionsbereitschaft gehemmt. Wir fordern eine grundlegende Umarbeitung zu einem Modell, das den Interessen der Arbeitnehmer in den Betrieben besser gerecht wird und die anderen Nachteile vermeidet. Mitbestimmung am Arbeitsplatz dient dem arbeitenden Menschen und der Leistungsfähigkeit des Betriebes, verhindert die Umfunktionierung der Betriebe in Stätten machtpolitischer oder klassenkämpferischer Auseinandersetzung. Das ist der Unterschied zwischen den Konzeptionen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Siebtens. Wir fordern, daß die Mehrheitspartei in der Regierung sich einmal von denen trennt, die auch heute noch in der Öffentlichkeit ganz klar erkennbar marxistische Ziele verlangen. Nach außen versucht der Bundeskanzler, sich von den Jusos zu distanzieren, um den Eindruck eines besonnenen Politikers zu machen. Aber vor bestimmten Parteigremien wird wiederum eine ganz andere Sprache geführt, als sie in der Öffentlichkeit geführt wird. Mit dem muß einmal ein Ende gemacht werden!
Diesen Notwendigkeiten wird die Regierung nicht gerecht. Vor allem Haushalt und Finanzplan offenbaren den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wir haben wieder frisierte Zahlen, eine beispiellose Schuldenlawine und das gescheiterte Bemühen, die konsumtiven zugunsten der investiven Ausgaben zurückzudrängen, und das macht eben die Stabilitätsbemühungen unglaubwürdig. Kanzler und Finanzminister lassen sich als sparsam feiern, weil die Zuwachsrate des Haushaltes angeblich auf 8 Prozent herabgesetzt worden sei. In Wirklichkeit beträgt der Ausgabenzuwachs mindestens 13 Prozent.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Wenn ich Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, auch in dem einen Punkt, den Sie gestern erwähnt haben, recht gebe — ich komme darauf noch mit einem Satz zu sprechen —, vermindert das den Zuwachs nur um dreiviertel Prozent. Dann geht es von 14 Prozent, die wir Ihnen vorwerfen, auf mindestens 13 Prozent zurück. Warum sind es nicht 8 Prozent? Hier ist ein erster Täuschungsversuch: der EWG-Beitrag für Brüssel wird im Haushalt 1974 in Höhe von 1,85 Milliarden DM auf der Ausgabenseite ausgewiesen. Im Haushalt 1975 gibt es diese Ausgabe wegen der Umstellung des Finanzierungssystems nicht mehr. Dafür leisten wir 3 Milliarden DM Einnahmenverzicht zugunsten der EWG. Diese Änderung der Basis wird bei der 8-Prozent-Rechnung bewußt und geflissentlich ausgeschaltet. Das ist doch eine Irreführung! Das ist doch das System: ein Streichholz am Thermometer ergibt die Temperatur im Zimmer.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)




Strauß
Das zweite Täuschungsmanöver: die Ausgaben für die Kohleverstromung, im Haushaltsplan 1974 mit 236 Millionen DM ausgewiesen, fehlen im Haushalt 1975. Aber sie fallen doch nicht weg! Sie werden nach dem dritten Verstromungsgesetz über einen neuen Schattenhaushalt außerhalb des Bundeshaushalts geleistet und finanziert.
Täuschungsmanöver Nummer 3: die Ausgaben des Haushaltsplans 1974 können doch wegen der erwarteten Steuerausfälle in Höhe von 1,9 Milliarden DM gar nicht mehr geleistet werden, was die Richtigkeit unserer Sparvorschläge bei den letzten Haushaltsberatungen erweist. Darum müßte die Vergleichsbasis um diesen Betrag herabgesetzt werden und die Zuwachsrate für 1975 neu aufgestockt werden.
Täuschungsmanöver Nummer 4: die Zuschüsse an die Rentenversicherungsträger. Was haben die Sozialdemokraten als Opposition in diesem Hause gesagt, als frühere Regierungen Schuldbuchforderungen für die Rentenversicherungsträger ausgegeben haben!

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Ich habe zum letztenmal im Jahre 1967 unter dem Druck der finanziellen Zwangsverhältnisse in geringer Höhe noch Schuldbuchforderungen ausgegeben. 1968 und 1969 haben wir das ganz abgestellt. Jetzt gibt es keine Schuldbuchforderungen mehr, jetzt gibt es Stundungen mit einem Kredit etwa in der Höhe des Diskontsatzes. Das ist doch Kreditschöpfung. Das fällt doch in die Berechnung der Zuwachsraten des Haushaltes.
Ich gehe davon aus, wie vorher gesagt, daß die Strukturmittel von 900 Millionen DM im Jahre 1974 dazugerechnet werden dürfen und deshalb die Basis 1974 erhöhen, weshalb dann der Zuwachs 1975 geringer ist. Dann machen die 900 Millionen DM nur 3/4 % aus. Dann müssen wir von unserer 14-%-Rechnung ein knappes Prozent absetzen. Dann sind es 13 %. Sie haben bezeichnenderweise vor der Öffentlichkeit und dem Parlament nur diesen einen Fall erwähnt, aber zu den anderen Fällen nicht Stellung genommen. Das können Sie dann allerdings in der folgenden Diskussion noch tun.
Das erneute Manöver zur Verschleierung der Ausgabensteigerung kann nur als Ausdruck eines schlechten Gewissens gedeutet werden. Bundeskanzler Schmidt hat im Jahre 1966 einen Ausgabenzuwachs von 7 % beim Bund als Gipfel der Unsolidität bezeichnet.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Am 13. September 1966 schrieb er im „Münchener Abendblatt" :
Den Gipfel der Unsolidität hat die Bundesregierung im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr erreicht.
Wenn 7% ein Gipfel der Unsolidität sind, was sind denn dann 13 °/o, Herr Bundeskanzler?
Der Bundeskanzler stellte 1966 in der „Münchener Abendzeitung" die Frage, mit welcher moralischen Autorität eine Regierung die Sozialpartner
noch ermahnen könne, wenn der Zuwachs des eigenen Haushalts den Produktivitätszuwachs eklatant überschreite. — Das ist doch bei dem von Ihnen vorgelegten Haushalt in einem noch wesentlich größeren Maße der Fall als damals. All Ihre damaligen schmückenden Beiworte, mit denen Sie uns treffen wollten, fallen heute mit doppelter und dreifacher Wucht und Wirkung auf Sie und Ihre Mitarbeiter zurück. Etwas anderes kann man daraus doch nicht entnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kommen Sie ja nicht mit der Ausrede, es sei unmöglich, mehr zu sparen. Wir haben in den vergangenen Haushaltsjahren immer Sparvorschläge gemacht, und sie sind immer abgelehnt worden. Aber dafür haben Sie am Jahresende 1973 ohne parlamentarische Genehmigung 4 Milliarden DM außerplanmäßig oder überplanmäßig finanziert. Der Vorgang wird noch an anderer Stelle gewürdigt werden.

(Stücklen [CDU/CSU] : Nacht und Nebel!)

Die hohe Ausgabensteigerung von 13 % beleuchtet zugleich die Gründe für die Schuldenlawine nach
dem neuen Finanzplan. Der erreichte absolute Schuldenrekord für 1975, nämlich nicht nur 15 Milliarden DM, sondern einschließlich der versteckten Kreditaufnahme bei der Rentenversicherung 18 Milliarden DM ist ja kein einmaliger Sonderfall. Bis 1978 soll es so weitergehen. Darüber hinaus gibt es noch keine Angaben.
Die Gesamtverschuldung des Bundes aus Krediten zur Haushaltsfinanzierung belief sich Ende 1973 für die ganze Zeit der Bundesrepublik auf 41 Milliarden DM. Nach dem neuen Finanzplan der Regierung Schmidt sollen sich diese Schulden in fünf Jahren von 1974 bis 1978 um 85 Milliarden DM erhöhen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Das heißt, in fünf Jahren soll der Schuldenbestand, dessen Ansammlung früher 24 Jahre gedauert hat, verdreifacht werden.

(Stücklen [CDU/CSU] : Ohne Bahn und Post!)

Nach dem Kanzler, der unser Volk mit einer abenteuerlichen Reformpolitik beglückt hat und der Inflationskanzler geworden ist, haben wir jetzt als Verwalter seines Nachlasses einen Nachfolger, der keinen anderen Ausweg mehr sieht, als Schuldenkanzler zu werden. Eine solche Staatsverschuldung ist angesichts der privaten Verschuldung in unserem Lande eine echte wirtschafts- und finanzpolitische Gefahr. Für den öffentlichen öffentlichen Gesamthaushalt von Bund, Ländern und Gemeinden einschließlich Bahn und Post erhöht sich nach den Zahlen des Finanzministers die Neuverschuldung nach 15 Milliarden DM im Jahre 1973 um 25 Milliarden DM im Jahre 1974 und um 40 Milliarden DM — Bund, Länder, Gemeinden, Bahn und Post — im Jahre 1975. Jetzt wiederholen wir unsere Frage: Wie sollen denn diese Beträge am Kreditmarkt, am Geldkapitalmarkt aufgetrieben werden? Wir haben keine Antwort erhalten. Wir haben Ausflüchte dazu gehört. Wir haben auch auf unsere Kleine Anfrage



Strauß
nur eine Fülle von Ausflüchten und eine Fülle von Ausweichmanövern vernommen. Wir wollten schon in der Kleinen Anfrage von Ihnen wissen, wie diese ungeheuren und in Zukunft noch lawinenartig steigenden Beträge aufgebracht werden sollen.

(Breidbach [CDU/CSU] : Durch Steuererhöhungen!)

Wenn sie auf dem Geldkapitalmarkt ohne Geldschöpfung aufgebracht werden sollen, geht das doch abermals 'zu Lasten der privaten Investitionen und zu Lasten der privaten Kreditnehmer. Damit schließt sich doch dieser Ring des Unheils, weil die Decke dann niemals mehr reicht, weder für die öffentliche Hand noch für die privaten Investitionsbedürfnisse. Wenn es 1973 noch jede fünfte Mark war, auf die der Staat Anspruch erhob, so ist es 1974 jede dritte gesparte Mark, und 1975 wird es fast jede zweite gesparte Mark sein. Wollen Sie, Herr Bundeskanzler, daß für die Investitionen der Wirtschaft, ohne die ein Konjunkturaufschwung unmöglich ist, immer weniger übrigbleibt, daß entgegen den konjunkturellen Notwendigkeiten die Wirtschaft ihre Investitionsprogramme noch massiver kürzen muß, oder wollen Sie Geld drucken, inflationäre Geldschöpfung treiben, um damit die Inflation immer weiter anzuheizen? Wollen Sie aber beides nicht, dann ist Ihr Haushalt nicht ausgeglichen. Dann können Sie nicht ausgeben, was Sie jetzt verplant haben oder Sie müssen bald erneut massiv an der Steuerschraube drehen. Früher oder später wird dieser Regierung die Rechnung präsentiert, wenn man bedenkenlos auf Pump leben will.
Ich möchte fragen: Was stellen sich die Regierenden denn eigentlich vor? Wir wollen hier darüber eine Auskunft erhalten: Steuererhöhungen, weitere Streichung der Investitionen, Eingriffe in das Leistungssystem oder abermalige Erhöhung der Verschuldung — und wenn ja, woher? Das sind doch die Fragen, die heute die ganze Fachpresse beschäftigen, die heute alle Experten behandeln, die sich in allen Gutachten niederschlagen. Hier aber kommt es zu einer Neuauflage von Grimms Märchen, letzter Band: wirtschaftspolitische Legenden und Märchen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir in den letzten Jahren in Wirklichkeit erlebt haben, ist doch nichts anderes als die Kunst, wie man eine blühende Volkswirtschaft langsam, aber sicher in den Ruin treiben kann. Es geht nur schrittweise in diese Richtung, weil die Substanz noch sehr gesund ist, aber bisher geht es auf diesem Wege langsam und schrittweise, aber in Richtung auf die unvermeidliche Endstation weiter.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Die rote Lampe brennt!)

Sie sollten als Parlamentarier für das, was die Opposition zu sagen hat, mehr Höflichkeit aufbringen. Ich verstehe, daß Ihnen das unbequem ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin auch gleich fertig, aber das sage ich noch:
Die Methode, mein sehr verehrter Herr Kollege
Ehrenberg, daß man hier etwa versucht, die Opposition wegen einiger Minuten an Ausführungen zu
hindern, die Ihnen unbequem sind, spricht für sich.

(Lachen bei der SPD und der FDP)

Der Anteil der Investitionsausgaben am Haushalt des Bundes betrug im Jahre 1972 171/2%, 1973 17 %, 1974 16 %. 1975 wird er 15,2 % betragen und 1978 auf unter 13% zurückfallen. Das heißt doch, daß der größte Teil der Neuverschuldung, die jetzt eingegangen wird, nicht für Investitionen verwendet wird. Die gesamte Neuverschuldung wird doch für konsumtive Ausgaben und nicht für Investitionen in Anspruch genommen. Darum ist Ihr Argument, auch die Kinder sollten morgen die Investitionen von heute bezahlen, doch falsch. Wenn es wenigstens noch Investitionen wären, die die Infrastruktur verbessern, die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand fördern! Wo sind denn jetzt die Parolen, daß wir mehr und bessere Schulen, mehr und bessere Universitäten, mehr und bessere Verkehrswege, mehr und bessere Krankenhäuser, mehr und bessere Umweltschutzeinrichtungen bekommen, bei einem laufenden Rückgang des prozentualen Anteils der Investitionen im Bundeshaushalt und in den anderen öffentlichen Haushalten zugunsten einer durch langjährige Inflationspolitik bedingten unausweichlichen Steigerung der konsumtiven Rate? Herr Bundesfinanzminister, Sie sollen darüber Auskunft geben, wie dieses Problem gelöst werden soll. Das wäre einer Etatrede würdig. Das wünschten wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt hören wir im Finanzplan auf einmal, daß der Prozentsatz der Investitionsausgaben kein entscheidendes Beurteilungskriterium mehr sein soll. Haben
wir denn nicht jahrelang — auch als Vorwürfe an
die Adresse von CDU/CSU-Regierungen — genau
das Gegenteil gehört? Die Investitionsausgaben sind ein bestimmtes Kriterium für Reformpolitik, für Fortschritt, für Verbesserung der Lebensqualität und für all die Dinge, die Sie als Phrasen in die Welt gesetzt, aber in der Wirklichkeit niemals ernstgenommen und bedient haben, weil es Ihnen dafür an Solidität fehlte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, Sie haben auch die Risiken, die in diesem Haushalt stecken, einfach nicht eingesetzt, nicht einmal angedeutet. Die Kürze der Zeit verbietet es mir, diese Risiken hier noch anzuführen. Von diesen Risiken wird erfahrungsgemäß mindestens die Hälfte Wirklichkeit. Die Risiken belaufen sich auf 4 bis 5 Milliarden DM. Dann müssen Sie die Verschuldung noch um diesen Teil von 2 bis 21/2 Milliarden DM erhöhen, weil doch auf keinen Fall mit mehr Steuereinnahmen zu rechnen sein wird.
Damit die Zusammenfassung: eine beispiellose Schuldenlawine und unvermeidliche Steuererhöhungen siehe Heizölsteuer, die jetzt ohne Grund verlängert wird, früher hat man wenigstens gesagt: im Zusammenhang mit der Lösung des Energieproblems , deswegen drohende weitere Steuererhöhungen, nicht berücksichtigte hohe Haushaltsrisiken, nicht haltbare internationale Zusagen — was haben Sie in Nairobi gesagt, Herr Bundeskanzler?—,



Straub
alarmierender Rückgang der öffentlichen Investitionen, bei alledem eine bedrohliche Wirtschaftslage mit Inflation und Arbeitslosigkeit ohne Wachstum sowie eine krisenanfällige Zahlungsbilanz, weil auf überhöhten Exportüberschüssen beruhend. Das sind letztlich die Folgen jahrelanger Schlamperei in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, einer Schlamperei, vor der wir immer wieder gewarnt haben. Statt dessen flüchtet die Regierung auch jetzt wieder in die Verniedlichung und Verharmlosung und bezichtigt denjenigen, der die Dinge beim Namen nennt, der Panikmache. Dadurch verbaut sie sich doch selbst den Weg, das zu tun, was notwendig ist. Das ist keine echte Umkehr, das ist kein echter Neubeginn, das ist keine Rückkehr zur Solidität. Das ist die Fortsetzung auf einem Weg, auf dem die Bundesregierung nicht mehr das wird, was frühere Bundesregierungen gewesen sind, bei dem auch die Bundesrepublik nicht mehr das wird, was sie früher war, ein Ordnungsfaktor wirtschaftspolitischer, gesellschaftspolitischer und außenpolitischer Art. Wenn aber die Bundesrepublik es nicht wird, wird auch Europa nicht gesund werden. Auch der Kredit an Italien ist dann ein Kredit in ein Faß ohne Boden mit ganz schwerwiegenden außenpolitischen und internationalen, bilateralen psychologischen Problemen zwischen Italien und Deutschland. Unter dieser Regierung mit den ihr anhängenden Bleigewichten ist es heute schon nachweisbar nicht mehr möglich, aus der Bundesrepublik wieder ein ordnendes Element national und international zu machen, was wir angesichts der eingetretenen Verhältnisse so bitter notwendig sollten.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711618900
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711619000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst sagen, daß wir Befriedigung und Genugtuung darüber empfinden, daß es in diesem Jahre möglich gewesen ist, den Haushalt zeitgerecht einzubringen. Ich sage bewußt: „möglich gewesen ist" ; denn daß es in den vergangenen Jahren anders war, war kein Verschulden. Ich glaube, wir sollten dieses zeitgerechte, den gesetzlichen Vorschriften genau entsprechende Einbringen bei uns im Haushaltsauschuß als eine Verpflichtung zu einer zügigen Beratung empfinden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711619100
Meine Damen und Herren, soweit Sie jetzt den Wunsch haben, den Plenarsaal zu verlassen, bitte ich, das ohne Gespräche zu tun, um den Redner nicht zu stören.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711619200
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe ja Verständnis dafür, daß der Kollege Strauß seine eigene Fraktion mit seiner Rede mehr erschöpft hat als die Koalition.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich habe im Gegensatz zum Kollegen Strauß die Absicht, mich primär dem Haushalt zu widmen. Denn
über weite Strecken — ich würde sagen, 40 Minuten lang — habe ich mir die Frage gestellt: war der Kollege Strauß eigentlich falsch programmiert, machen wir hier eine Jahreswirtschaftsberichtsdebatte oder reden wir über den Haushalt 1975? Im übrigen sollte der Kollege Strauß auch in diesem Punkt nicht so furchtbar ungeduldig sein. Es hat sich ja inzwischen herumgesprochen, daß in vernünftiger Arbeitsteilung nach der gestern auf den Haushalt konzentrierten Rede des Bundesfinanzministers im Laufe der Debatte — heute nachmittag oder wann das sein wird — der Wirtschaftsminister auch noch das Wort ergreifen wird. Dann wird Herr Strauß viele Antworten auf Fragen finden, die er eigentlich gar nicht hätte zu stellen brauchen; denn ich gehe davon aus, daß dies dann zu einer zufriedenstellenden Beantwortung dieser Fragen führen wird.
Meine Damen und Herren, es hat in der öffentlichen Auseinandersetzung — und ich gebe zu: in den letzten Minuten der Rede des Herrn Strauß; wie konnte es anders sein! — die Frage der Zuwachsraten eine Rolle gespielt. Wir haben uns immer darüber auseinandergesetzt, ob die Höhe der Zuwachsrate berechtigt sei, und in zunehmendem Maße auch darüber, ob sie exakt berechnet ist. Ich habe schon immer — und ich bleibe dabei — vor diesem Zuwachsratenfetischismus gewarnt, weil er nämlich die wirklichen Dinge nicht berücksichtigt und sie zu pauschal darstellt. Vielleicht würde auch Herr Strauß, wenn er zuhörte, zugeben müssen, daß unter konjunktureller Betrachtung — das war und ist eigentlich der vernünftige Ansatz, über die Zuwachsrate zu reden — beim Haushalt nicht Mark gleich Mark ist. Ich will versuchen, an einem extremen Beispiel klarzumachen, daß es nicht auf die quantitative, sondern, wie ich vor gut einem Jahr sagte, auf die qualitative Betrachtung ankommt.
Es ist doch in der konjunkturpolitischen Auswirkung etwas ganz anderes, ob ich einen Betrag X als Investitionshilfen einsetze oder ob ich den gleichen Betrag X für Rüstungskäufe im Ausland verwende. Aber in Ihrer Zuwachsratenberechnung oder in der Zuwachsratenberechnung allgemein haben diese Beträge den gleichen Wert. Ich meine, daß wir uns doch hier einer etwas differenzierteren Betrachtung befleißigen sollten.
Davon unabhängig wird in diesem Jahr vordergründig die Zuwachsrate völlig durcheinandergebracht, wird die Struktur fast erschüttert durch die haushaltspolitischen Auswirkungen, und zwar, wie wir wissen, ausschließlich im Bundeshaushalt die haushaltspolitischen Auswirkungen des Kindergeldes. Wir wissen ja, daß von den rund 15 Milliarden, die das Kindergeld in Zukunft kosten wird, bisher der geringste Teil als Haushaltsausgabe aufgetreten ist, während das andere etwa in einer Größenordnung von 8 bis 9 Milliarden dadurch nicht haushaltswirksam wurde, daß die Freibeträge in der Einkommen- und Lohnsteuer zur Steuerminderung führten. Das Jahr 1975 macht also solche Vergleiche besonders schwierig.
Ich meine, die methodische Umrechnung, die hier von der Bundesregierung vorgenommen worden ist, ist die einzig mögliche Form; sie ist akkurat, und sie



Kirst
ist richtig. Wir müssen die Berechnung nach dem Soll des Jahres 1974 gegenüber dem Soll des Jahres 1975 durchführen. Etwas anderes kann man vernünftigerweise am 19. September nicht tun. Was Herr Strauß hier vor wenigen Minuten, indirekt zumindest, gefordert hat, das war, in die Vergleichsberechnung ein antizipiertes Ist des Jahres 1974 aufzunehmen. Das ist natürlich nicht möglich. Das weiß er auch, aber es macht sich so schön, das alles so zu sagen.
Wer dies nicht anerkennt, wer von Steigerungsraten von 14% oder jetzt zurückgenommen von 13 % spricht, der muß sich den Vorwurf zuziehen, daß es ihm in erster Linie auf Zahlenspielerei ankommt, nicht auf Argumentieren, sondern auf Verdummen, um es mal sehr deutlich zu sagen.
Die Ausklammerung der einmaligen Ausgaben — was soll diese Forderung eigentlich bedeuten? Auch im neuen Haushalt sind natürlich einmalige Ausgaben enthalten. Man kann dies eigentlich nur als Ausdruck eines statischen Denkens betrachten und käme dann dazu, überhaupt nur noch isolierte Gruppen im Haushalt miteinander zu vergleichen.
Nun, meine Damen und Herren, viel wesentlicher ist natürlich die Auseinandersetzung, die hier um die Frage der hohen Kreditaufnahme im Haushalt 1975 geführt werden muß. Es kann gar kein Zweifel bestehen, daß diese große Verschuldung von rund 15 Milliarden DM — es sind 15 Milliarden DM und nicht 18 Milliarden DM, weil die Stundung keine Verschuldung ist; das kann man auch nicht durch noch so lange Reden in Frage stellen; das ist nun einmal so — sicherlich finanzpolitisch für sich gesehen absolut vertretbar ist; denn sie entspricht einem Volumen von etwa 10% des Haushalts 1975. Wenn man sich einmal ansieht, was wir im laufenden Haushalt als Schuldendienst brauchen — etwa 5 bis 6 Milliarden DM — dann sind das maximal 4 % unseres Haushaltes. Das ist, glaube ich, eine durchaus vertretbare Größenordnung; viele andere Gebietskörperschaften wären sicher sehr glücklich, wenn sie einen so guten finanziellen Status hätten. Sicherlich muß man diese Verschuldungsquote für 1975 nicht nur auf das Jahr 1975 bezogen, sondern einmal mittelfristig sehen. Wir haben in den Jahren 1970 bis 1973 insgesamt — nicht in jedem Jahr, sondern in diesen vier Jahren — nur 7 Milliarden DM an Nettokreditaufnahme gehabt. 1974 haben wir voraussichtlich eine Nettokreditaufnahme von 71/2 Milliarden DM zu erwarten.
Man kann natürlich den Umstand, daß die geplante Verschuldung 1975 so groß wie die Verschuldung der Jahre 1970 bis 1974 insgesamt sein wird, unterschiedlich beurteilen, unterschiedlich bewerten. Man kann, wie das Herr Kollege Strauß hier versucht hat, von einer explosionsartigen Entwicklung sprechen. Ich meine aber, der Vergleich darf nicht dazu führen, daß die Regierung und die Mehrheit sozusagen nachträglich dafür bestraft werden, daß sie eine so zurückhaltende Kreditfinanzierungspolitik in den letzten Jahren geführt haben. Es wäre durchaus vertretbar gewesen, auch in den letzten Jahren schon Kredite in erheblich höherem Ausmaße aufzunehmen; das war einfach nicht nötig.
Ich meine also, daß wir hier die mittelfristige Betrachtung berücksichtigen müssen.
Es ist natürlich so, daß sich die Kreditaufnahme in der Finanzplanung für die kommenden Jahre 1976, 1977 und folgende noch höher darstellt. In diesem Zusammenhang kann ich nur auf die Erfahrung verweisen, die zeigt, daß sich bisher alle Schätzungen über die erforderlichen Nettokreditaufnahmen, über die vorhandenen Finanzierungslücken, als übertrieben herausgestellt haben — das war aber gar nicht anders möglich —, wenn es nicht zu einem solchen Einbruch kommt, wie er jetzt durch die Steuerreform bedingt eintritt. Darauf komme ich gleich noch einmal. Es ist nicht das erste Mal, daß gerade Herr Strauß Finanzierungsdefizite an die Wand gemalt hat, die dann nicht eingetreten sind. Ich bezweifle nicht, daß die Lage 1975 wirklich so ernst wird, wie wir es alle erwarten. Aber ich schränke ein: Hinter die weitere Entwicklung als 1976 können wir Fragezeichen setzen. Diese Entwicklung kann durchaus positiv sein, positiv insofern, als mir das letzte Wort über das Ausmaß der dann eintretenden notwendigen Nettokreditaufnahme noch nicht gesprochen zu sein scheint. Wichtig ist auf jeden Fall — darüber gibt es keinen Zweifel —, daß der Vorwurf — auch der ist erhoben worden; nicht heute morgen, sondern die Opposition gibt gelegentlich auch einmal etwas schriftlich von sich —, wir würden anfangen, laufende Ausgaben mit Krediten zu finanzieren, natürlich absolut unberechtigt ist. Bei allen Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen laufenden Ausgaben und investiven Ausgaben — wobei wir manches nicht unmittelbar als Bund investieren, sondern durch Zuschüsse Investitionen in anderen Bereichen ermöglichen — und auch unter Ausklammerung der 11 bis 12 Milliarden DM für militärische Beschaffungen kann kein Zweifel darüber bestehen, daß auch in kommenden Jahren die investiven Ausgaben um viele Milliarden über der vorgesehenen Nettokreditaufnahme liegen werden. Es ist also ein Märchen, zu behaupten, wir würden laufende Ausgaben mit Krediten finanzieren, was das Volumen anbelangt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn ich sage, „was das Volumen anbelangt", dann wissen wir alle, daß Geld eine vertretbare Ware ist und man natürlich nie nachweisen kann, wo das Geld konkret bleibt. Es geht hierbei immer um die Relation.
Wir dürfen, meine Damen und Herren, die Ursachen der Schwierigkeiten für den Haushalt 1975 nicht verkennen. Niemand hat hier für den Bundeshaushalt 1975 eine heile Welt vorgezaubert. Die Ursachen liegen in der erstmaligen Auswirkung der Steuerreform. Nebenbei: Diese Steuerreform ist seit 1957 versprochen worden. Man muß das immer wieder in die Erinnerung rufen, und es ist eben erst mit dieser Regierung möglich gewesen, die Steuerreform, wenn auch in Etappen, zu verwirklichen.

(Breidbach [CDU/ CSU] : Sie ist immer an der FDP gescheitert!)

Das, was am 1. 1. 1975 in Kraft tritt, Herr Kollege
Breidbach — ich möchte das noch einmal betonen —,



Kirst
ist nicht der erste Schritt der Steuerreform. Wir haben schon einiges in Kraft seit dem 1. Januar 1974, und — weil es gerade so paßt, sage ich es noch einmal — es ist nicht der letzte Schritt. Es folgt z. B. am 1. Januar 1976 die Körperschaftsteuerreform.

(Breidbach [CDU/CSU] : Das ist doch keine Reform!)

— Wenn Sie das alles nicht als Reform betrachten, dann ist das für Sie eine Frage der Definition; aber es ist ja schwierig, mit Ihnen über Steuerreform zu reden, weil Sie bis heute noch kein Konzept für die Steuerreform haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie erfinden nur immer schnell mal ein paar Gegenpositionen. Ich meine, das Inflationsförderungsgesetz oder das Steuerreformverhinderungsgesetz, das Sie uns in drei- oder viermaliger Auflage vorgelegt haben, war doch wohl keine Steuerreform.

(Nordlohne [CDU/CSU] : Kein Wunder, daß die Leute alle hinauslaufen!)

Aber es hätte dazu geführt, Herr Breidbach

(Breidbach [CDU/CSU] : Wir sind doch keine Hochstapler!)

— Ich weiß nicht, ob dieser Ausdruck unbedingt parlamentarisch ist, aber das ist nicht meine Zuständigkeit; das beruhigt mich.

(Dr. Carstens {Fehmarn] [CDU/CSU] : Hoch-und tiefstapeln sind doch gängige Worte!)

— Das liegt vielleicht daran, daß ich in juristischen Kategorien im Moment etwas empfindlich bin, weil ich zur Zeit auch anderweitig beschäftigt bin.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711619300
Beim Sitzungsvorstand wurde das Wort nicht vernommen. Ich werde das im Protokoll nachprüfen.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711619400
Meine Damen und Herren! Ich wollte darauf hinweisen, daß der entscheidende Grund für die Schwierigkeiten des Haushalts 1975 die Steuerreform ist. Das soll aber überhaupt keine Einschränkung unseres Ja zur Steuerrreform bedeuten, wenngleich wir noch einmal in die Erinnerung zurückrufen dürfen, daß sie ja durch das Wirken der Opposition, insbesondere der Opposition als Bundesratsmehrheit, nochmals um rund 2 Milliarden DM teurer geworden ist, als sie es ohnehin war. Man muß dabei sehen: Diese Steuerreform — ich will sinngemäß etwas aufgreifen, was der Finanzminister gestern sagte — war ja in Wirklichkeit ein Kompromiß hoch drei und ist entsprechend schwierig zu verabschieden gewesen.
Mit der Steuerreform verbunden und insofern Bestandteil der Haushaltsaufstellung — das sagt auch die Regierung sehr deutlich — ist die sogenannte Revisionsklausel, bei der sich alle Beteiligten schon Anfang 1974 darauf verständigt haben, daß die Steuerreform die Anteile der einzelnen Ebenen der Gebietskörperschaften am Steueraufkommen nicht beeinträchtigen soll. Ich glaube, das Parlament sollte einmütig, ohne die Grenzen zwischen Regierung und Opposition zu sehen, der Regierung den Rücken stärken, wenn sie hier auf der vollen Anwendung der Revisisonsklausel besteht.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich meine allerdings auch, daß wir zunächst einmal bis zum Beweis des Gegenteils den Ländern das Vertrauen entgegenbringen sollten, daß sie hier faire und loyale Partner sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, die wirkliche faire Ausführung — es ist ja noch eine Rechenaufgabe, die nicht ganz einfach sein wird — der Revisionsklausel kann man durchaus als eine Bewährungsprobe dessen bezeichnen, was so unter dem Namen „kooperativer Föderalismus" in unserem Lande läuft.
Nun wird argumentiert — auch das war Gegenstand einer Veröffentlichung des Kollegen Strauß und Gegenstand seiner heutigen Ausführungen —, diese hohe Kreditaufnahme sei ja eine Inflationsquelle. Ich kann mir nicht helfen: Ich habe immer noch den Eindruck, daß hier mit Vorstellungen argumentiert wird, die einfach von falschen Voraussetzungen ausgehen. Natürlich ist die Staatsverschuldung unter ganz bestimmten Voraussetzungen eine ganz gefährliche Inflationsquelle. Allerdings nur dann, wenn der Staat in der Lage ist — wir haben das früher, vor 40 Jahren, einmal erlebt —, für sich allein die Notenpresse in Gang zu setzen, und wenn er nicht gezwungen ist, wie es erfreulicherweise bei uns der Fall ist, sich die Beträge, die er braucht, als Kredit genauso wie jeder andere Nachfrager auf dem Kapitalmarkt zu holen. Insofern liegt hier ein ganz entscheidender Unterschied; denn die Geldmenge, die letzten Endes das Wesentliche für den weiteren Verlauf der Preisentwicklung ist, wird nicht dadurch in ihrer Größenordnung verändert, daß ein anderer, z. B. der Staat, mehr Kredite in Anspruch nimmt, wenn sich dadurch nicht das Ausmaß der Geldschöpfung insgesamt ändert, und das ist damit nicht verbunden.
Nun hat Kollege Leicht zur Debatte gestellt, ob man nicht die Reserven bei der Bundesbank, die uns allerdings — wenn ich das richtig im Kopf habe — nur zu zwei Dritteln gehören, in Angriff nehmen, ob man sie nicht heranziehen sollte zur Finanzierung der Finanzierungsdefizite. Ich glaube, das ist für Haushaltsmenschen unter sich eine verständliche Überlegung. Bloß, sie geht an den konjunkturpolitischen Notwendigkeiten und konjunkturpolitischen Möglichkeiten vorbei; denn die Mobilisierung einmal aus konjunkturpolitischen Gründen stillgelegter Gelder wäre natürlich exakt eine Verstärkung des Geldumlaufs und hätte in der Tat einen inflatorischen Effekt. Darüber gibt es gar keinen Zweifel.
Man muß dabei noch sehen, daß die stillgelegten Gelder insofern von unterschiedlicher Qualität sind, als es sich bei dem einen Betrag um eine Summe handelt, die nicht nur stilliegt und nichts bringt, sondern zusätzlich noch Kosten verursacht. Ich meine dabei die Stabilitätsanleihe. Da sind natürlich



Kirst
solche Überlegungen — ich gebe das ganz offen zu besonders naheliegend.
Aber es muß doch unter den gegenwärtigen Umständen richtig erscheinen, nicht über das Maß der Entnahme hinauszugehen, das im Rahmen des 900Millionen-Programms jetzt vorgesehen ist.
In diesem Zusammenhang darf ich schließlich noch folgendes sagen. Ich habe hier in den vergangenen Jahren wiederholt davon gesprochen, daß es mir angenehmer erscheint, daß der Staat Kredite aufnimmt, als daß er die Steuern erhöht. Das ist hier vielfach von mir gesagt worden. Ich meine, das gilt jetzt natürlich auch im Umkehrschluß, nämlich daß es besser ist, daß der Staat Kredite aufnimmt, als daß er die Steuern nicht senkt. Wir haben diese Steuerreform ja nicht als aufkommensneutral gestaltet, wie das ursprünglich einmal vorgesehen war, sondern wir haben sie mit einer kräftigen Entlastung der Bürger verbunden. Diese Überlegung beruht ja darauf, daß für die betroffenen Bürger sparen besser ist als Steuern zahlen. Was an Steuern gezahlt wird, ist endgültig weg. Was man spart und dann auf dem Umweg über den Kapitalmarkt zur Verfügung stellt, bleibt ja im eigenen Vermögen.
Ich will jetzt nicht ausführlich auf konjunkturpolitische Fragen eingehen. Das wird im Laufe des Nachmittags geschehen. Kollege Lambsdorff wird dazu dann sprechen. Ich will nur wenige Bemerkungen machen.
Die Konjunkturpolitik hat in den vergangenen fünf Jahren die haushaltspolitische Auseinandersetzung vielfach allgemein so total überschattet, wie es hier heute auch in der Rede des Kollegen Strauß zum Ausdruck kam. Der Haushalt ist in den vergangenen Jahren vielfach nur als reine Funktion der Konjunkturpolitik betrachtet worden. Ich habe mich immer dagegen gewandt. Ich halte das auch nach wie vor für falsch. Ich glaube aber, wir dürfen in diesen kurzen Betrachtungen mit Sicherheit feststellen, daß der Haushalt 1975 jedenfalls unter dem Gesichtspunkt, daß er keine weitere Verschärfung hinsichtlich des Preisauftriebs bewirkt, absolut stabilitätsgerecht ist.
Herr Kollege Carstens hat ja auch in Berlin — ich habe das selber am Fernsehschirm verfolgt — gesagt, das Ganze, vor dem wir jetzt stünden, sei eigentlich nur die Folge der eigenen Politik der Regierung und der Koalition. In den Worten des Kollegen Strauß zeigte sich das ähnlich, indem er von dem dreieinhalbjährigen Zaudern usw. sprach.

(van Delden [CDU/CSU] : So ist es!)

— So ist es eben nicht, Herr Kollege. Sie sind wahrscheinlich leicht vergeßlich. Es ist eben nicht wahr — wir haben uns in diesem Hause viele Jahre darüber gestritten —, daß die Haushaltspolitik der Jahre 1970 bis 1974 die Inflation gefördert habe. Das werden Sie auch durch noch so häufige Wiederholung einfach nicht beweisen können. Denn, meine Damen und Herren, diese Behauptung, daß die Haushaltspolitik des Bundes die Inflation gefördert habe, war falsch, ist falsch und wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahr.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711619500
Herr Abgeordneter Kirst, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711619600
Herr Kollege Kirst, wollen Sie diese Formulierungen auch auf die ganz klaren Aussagen der Deutschen Bundesbank zur Wirkung der Haushaltsgebarung des Bundes anwenden?

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711619700
Ich habe nie zu denen gehört, die — bei aller Hochachtung vor den Herren, die dort sitzen — sklavisch das übernommen haben, was Bundesbank oder Sachverständige ausgesagt haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711619800
Herr Abgeordneter Kirst, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711619900
Herr Kollege Kirst, würden Sie die Freundlichkeit haben, dem Kollegen Althammer zu erklären, daß die Deutsche Bundesbank in ihrem letzten Jahresbericht ausdrücklich bestätigt hat, daß die Politik der Bundesregierung die Stabilitätspolitik der Bundesbank nachhaltig unterstütz hat?

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711620000
Vielen Dank!

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Wir reden über die Jahre 1970 bis 1973!)

— Sicher, sicher! Da gingen eben die Meinungen auseinander.
Hinzu kommt, Kollege Althammer, daß die Bundesbank immer pauschal von den öffentlichen Händen insgesamt gesprochen, aber nie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden differenziert hat. Wer einmal die Zuwachsraten der Haushalte der letzten Jahre ansieht— bei allem Vorbehalt gegen diese globale Betrachtung —, wird sehen, daß die Länder dem Bund immer frisch voranmarschiert sind, die CDU-regierten Länder erst recht. Das können Sie auch nicht aus der Welt schaffen.
Nur erscheint an dieser Behauptung des Kollegen Carstens von den dreieinhalb Jahren selbstverschuldeter Politik wichtig, daß er — dabei will ich der konjunkturpolitischen Debatte hier nicht vorgreifen — dabei zweierlei übersieht. Er übersieht einmal, daß es nicht so ist, daß in den Jahren 1970 und danach nichts geschehen ist. Ich erinnere an den Konjunkturzuschlag, ich erinnere an die haushaltspolitischen Maßnahmen des Jahres 1970 und anderes. Die Investitionssteuer hatten wir damals auch schon einmal usw. Ich erinnere daran. Das ist die eine Seite. Es ist nicht so, daß wir erstmals im Jahre 1973 Konjunkturpolitik in diesem Sinne gemacht haben. Nur, der entscheidende Punkt ist doch der: Erst mit der außenwirtschaftlichen Absicherung, wie sei aus politischen Gründen erst ab vergangenem Frühjahr möglich war, waren die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Politik im Innern geschaffen. Wenn das mit den Devisenzuflüssen wei-



Kirst
tergegangen wäre, die alle binnenwirtschaftlichen Maßnahmen in den Jahren zuvor unterlaufen haben, dann hätten wir heute auch nicht den Erfolg. Nur weil es uns möglich war, seit — Mai war es wohl —1973 diese ganz konsequente, harte außenwirtschaftliche Absicherung durchzuführen, konnte das, was danach kam, erfolgreich sein. Deshalb entfällt Ihr Vorwurf, es sei hier dreieinhalb Jahre nichts geschehen.
Im übrigen muß man sagen: Wer die konjunkturpolitischen Kassandrarufe der Opposition, die sich nicht nur in den Äußerungen der offiziellen Sprecher in diesem Hause, sondern auch draußen im Lande, besonders in bestimmten Ländern zur Zeit, widerspiegeln, hört und wer dies ernst nimmt, wie schlimm dies sei, der müßte jetzt natürlich Anträge auf eine expansive Haushaltsgestaltung erwarten. Insofern gibt es da viele Widersprüche. Aber wir warten seit fast fünf Jahren, um es so zu formulieren, nicht auf Godot, wie ein Theaterstück heißt, sondern wir warten seit fünf Jahren auf eine widerspruchsfreie, konkrete, realistische und überzeugende Alternative der Opposition.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn Herr Strauß gestern schriftlich erklärt, es seien immer noch zuviel Ausgaben: ach Gott, das kann man notfalls unterschreiben; da sind wir uns alle einig, daß es zuviel ist, wenn man das als rein platonische Bemerkung verstehen will. Aber wenn man das als politische Aussage ernst nehmen soll, dann genügt es nicht, daß man immer nur den Mund spitzt, dann muß man auch mal pfeifen. Das heißt, wir möchten endlich einmal wissen, und zwar nicht im Sinne von globalen Minderausgaben: Wo soll weniger ausgegeben werden? Das wollen wir wissen, ganz genau. Wo sind sozusagen die negativen Prioritäten der Opposition, wo sind Sie zuerst bereit, Abstriche zu machen? Sagen Sie das doch endlich einmal.

(Beifall bei SPD und FDP — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711620100
Herr Abgeordneter Kirst, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711620200
Herr Kollege Kirst, ist Ihnen nicht erinnerlich, daß wir im Haushalt 1973 ganz konkrete Kürzungsanträge gestellt haben, daß sie von Ihnen abgelehnt worden sind und daß zum Jahresende nicht die von uns vorgeschlagenen 2 Milliarden DM, sondern 4,5 Milliarden DM übriggeblieben sind?
Herr Kollege Kirst, ich darf Ihnen noch eine zweite Frage stellen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß wir in diesem laufenden Haushaltsjahr 1974 2 Milliarden DM Kürzungen verlangt hatten, was von Ihnen abgelehnt worden ist, und daß eine Woche später Ihr Finanzminister erklärt hat, daß er 1,9 Milliarden DM einsparen will?

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711620300
Herr Kollege Althammer, ich habe eben gesagt: wir wollen keine globalen Anträge.
Nun ist es richtig, das Ergebnis der Beratungen des Haushalts 1974 im Haushaltsausschuß — ich habe das noch sehr genau in Erinnerung — waren Oppositionsanträge mit einem Streichungsvolumen, Herr Leicht, von 40, 50 Millionen DM — mehr war das nicht — bei einem Haushalt von 136 Milliarden DM. Sie haben sicher manchmal Streichungsanträge gestellt, auch konkret, weil Ihnen bestimmte Dinge nicht paßten. Sie können doch nicht Anträge, die Sie 1973 gestellt haben — das Ergebnis des Jahres 1973 war haushaltspolitisch ein glänzendes, darüber kann gar kein Zweifel bestehen —, weil Ihnen bei bestimmten Vorhaben die Richtung nicht paßte, als Alibi dafür verwenden, daß Sie heute, in der Situation des Jahres 1974, wo wir den Haushalt 1975 beraten, sagen: Nein, Fehlanzeige; wo wirklich weniger gemacht werden soll, das sagen wir nicht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711620400
Herr Abgeordneter Kirst, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leicht?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0711620500
Herr Kollege Kirst, würden Sie den Antrag meiner Fraktion auf Kürzung von 2 Milliarden DM noch einmal durchlesen uñd sich dann vom Bundesfinanzministerium die Ist-Zahlen, die Sie unter Umständen eher bekommen als ich, einschließlich des Juli 1974 geben lassen, um dann festzustellen, vielleicht hier in der Öffentlichkeit, daß die Opposition mit ihren Streichungsanträgen — wenn auch global, aber gesagt, wo gar nicht so unrecht hat?
Zweitens: Gestehen Sie nur der Regierung zu, mit globalen Maßnahmen zu kommen, oder gestehen Sie das auch diesem Hause und damit auch der Opposition zu?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehen Sie, wir können viel sparen, wenn wir globale Maßnahmen treffen, wenn wir, wie der Finanzminister, sagen „10 % Kürzung".

(Stücklen [CDU/CSU]: Geben Sie zu, der Finanzminister hat hier ein bißchen gemogelt!)

— Nein, das tut er grundsätzlich nicht; wir kommen doch beide aus Hamburg.

(Franke [Osnabrück] [CDU/CSU] : Herr Weber [FDP] aber auch!)

— Das ändert an dieser Feststellung nichts.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711620600
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Leicht, ich wollte Ihnen eben antworten. Sicherlich bin ich immer für gleiches Recht für alle — darüber gibt es gar keinen Zweifel —, auch für Regierung und Opposition; nur sind die Situationen manchmal unterschiedlich, und Gleichbehandlung bedeutet eben immer, daß man Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt, von der Ausgangsposition her. Wenn Sie global sagen, es werde viel ausgegeben, dann sagen Sie bitte konkret: „Das wollen wir weniger!" Dann scheint uns das berechtigt. Wenn die Regierung sagt, wir müssen sparen, weil die Steuern weniger



Kirst
werden — sagen wir mal, zwei Milliarden —, wir wissen nur, daß das aus haushaltsmäßigen Ablauferfahrungen ohnehin übrigbleibt, und können das dann sozusagen als Deckung einsetzen, dann ist das doch ein Unterschied.
Das ist, glaube ich, zwar sehr fein finanzwissenschaftlich, stimmt aber trotzdem.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711620700
Herr Abgeordneter Kirst, gestatten Sie nun eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leicht?

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711620800
Ja, bitte!

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0711620900
Herr Kollege Kirst! Sollten wir nicht alle miteinander ehrlich sein und fragen: Ist denn Sparen in den öffentlichen Haushalten überhaupt möglich, und wenn ja, ist es nicht nur dadurch möglich, daß ich die Bürokratie zwinge, am Ende des Jahres mit Globalmaßnahmen gespart zu haben?

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0711621000
Sicher ist das eine, allerdings natürlich im Umfang begrenzte Möglichkeit. Trotzdem muß ich aber, wenn man hier so globale Vorwürfe erhebt, sagen: Herr Kollege Leicht, Sie sind ja Experte, und wir kennen uns aus der sachlichen Arbeit des Ausschusses, und das bewährt sich anders, als wenn der Kollege Strauß draußen im Lande herumdonnert und den Eindruck erwecken zu müssen meint, man könnte 10 oder 12 Milliarden auf einen Streich einsparen. Diese Vorstellungen werden doch erweckt, und dagegen muß man sich wehren.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich wollte aber sagen, meine Damen und Herren: Ungeachtet alles dessen, was wir eben hier im Fragespiel miteinander ausgemacht haben, und ungeachtet anderer Überlegungen glaube ich doch, daß die Haushaltsenge des Jahres 1975 durchaus auch lehrsam für die Bürger in diesem Lande sein kann. Das muß man durchaus feststellen. Die Portemonnaies der Bürger und des Staates sind nämlich sozusagen kommunizierende Röhren, und es wird hier wieder einmal sehr deutlich: Wenn der Staat dem Bürger mehr für sein eigenes Portemonnaie beläßt, kann er ihm weniger auf dem Wege des öffentlichen Dienstleistungsbetriebes geben. Das ist nun mal so. Umgekehrt wird dem Bürger dabei vielleicht auch wieder einmal bewußt, daß alles, was der Staat ihm gibt, dieser ihm als Steuerzahler vorher nehmen muß, denn auch der Staat — das sollte man angesichts der immer wieder kommenden Forderungen nach Mehrausgaben seitens aller möglichen Gruppen, wo immer sie sind, sozial und regional sagen — hat eben keinen Gleisanschluß an das Schlaraffenland, das es im übrigen nicht gibt.

(Stücklen [CDU/CSU]: Sie haben es ja versprochen!)

— Nein, das haben wir nie versprochen, Herr Kol-
lege Stücklen. Wenn Sie das so verstanden haben,
tut es mir leid, aber wir haben es nicht versprochen.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Wieder mal nicht zugehört! — Weiterer Zuruf)

Ich möchte langsam zum Schluß kommen. Diese erste Lesung ist ja im übrigen kein Anlaß, hier detailliert zu Einzelhaushalten Stellung zu nehmen. Wichtig scheint mir aber doch die Feststellung: Dieser Haushalt 1975 garantiert trotz allen Schwierigkeiten, die wir ganz offen eingestehen, unvermindert die äußere, innere und soziale Sicherheit für unser Land und für unsere Bürger, soweit diese finanziell abzusichern sind. Die Arbeit des Haushaltsausschusses, die nun beginnen wird, Herr Kollege Leicht, wird angesichts dieser Haushaltssituation, falls eine Steigerungsfähigkeit hier besteht, noch verantwortungsbewußter sein als in den vergangenen Jahren. Ohne die Zwangsläufigkeiten, die wir alle kennen, dabei zu leugnen, werden wir besonders kritische Maßstäbe anzulegen haben. Haushaltsberatungen sind es im allgemeinen nicht, und diesmal werden sie es ganz besonders nicht sein; sie sind keine heiteren Spiele, um das einmal so zu formulieren.
Was ich jetzt sage, das sage ich einmal nicht als Vertreter meiner Fraktion, sondern das sage ich als Mitglied des Haushaltsausschusses: Wir als Haushaltsausschußmitglieder sollten am Beginn dieser Haushaltsberatungen einen Appell an die Kollegen aus den anderen Ausschüssen richten: Sagt uns also mal nicht zuerst — und überhaupt nur —, was da zu fehlen scheint, sondern helft uns zu finden, was entbehrlich ist! Das, glaube ich, sollten wir den Kollegen aus den Fachausschüssen sagen;

(Beifall bei der SPD und der FDP)

denn die bitteren Erfahrungen, die wir, Herr Kollege Leicht und die anderen Kollegen, gemeinsam gemacht haben, sind doch, daß wir von den Fachausschüssen immer nur Wünsche nach Mehrausgaben bekommen. Das muß man sehr deutlich sagen.
Nach diesem Ausflug als Haushaltsausschußmitglied zurück zur Fraktion: Dieser Haushaltsentwurf bestätigt für uns Freie Demokraten, daß die Regierung nach der Devise handelt, unter der sie hier vor wenigen Monaten angetreten ist: Kontinuität und Konzentration. Auf diesem Wege wird sie unserer Loyalität und unserer Unterstützung gewiß sein können.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711621100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Bülow.

Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0711621200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat den Haushalt 1975 noch in der letzten Woche der Sommerpause dem Parlament zugeleitet. Diese sehr frühe Zuleitung verdient besondere Anerkennung, weil sich die Etatberatungen auf Grund der durch die Steuerreform gesetzten Daten ungewöhnlich schwierig und hart gestalten mußten. Der Haushaltsausschuß wird sich unverzüglich an die



Dr. von Bülow
Arbeit machen, um auch seinerseits die Beratungen zeitig im Frühjahr zu Ende zu bringen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, die Ankündigungen Ihres Fraktionsvorsitzenden aus Berlin und das, was man so aus Ihrem Planungsstab hört, lassen uns sehr neugierig auf das werden, was Sie der Öffentlichkeit unter dem Motto „Strategie der Konfrontation und der Alternativen" vorführen wollen. Aber wenn ich die Ausführungen von Herrn Strauß heute morgen überdenke, dann scheint mir, daß Sie wohl immer noch im Stadium der ersten Analysen und beim Entwickeln sind. Jedenfalls war der Auftakt reichlich enttäuschend, den Herr Strauß für das Ende der ersten hundert Tage Regierungszeit unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und für den Eintritt dieses 7. Bundestages in seine zweite Halbzeit gab.

(Beifall bei der SPD)

Da war nichts Neues, aber wirklich gar nichts Neues, nur eine wortgewaltige Verbrämung Ihrer konzeptionellen Hilflosigkeit,

(Beifall bei der SPD)

erweitert um einige ziemlich lange Zitate aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und aus anderen Zeitschriften.
Herr Strauß, Sie sprachen von Reformhudeleien; ich würde ein bißchen vorsichtiger in der Wortwahl sein. Die Ausgaben für die Agrarsozialpolitik z. B. haben sich in den letzten vier bis fünf Jahren verfünffacht. Ich würde nicht sagen, daß z. B. das Altersgeld für die Landwirte, die Subventionierung des Krankengeldes Reformhudeleien gewesen sind, sondern das ist ganz sachbezogene und gut wirkende Reformpolitik dieser Regierung. Die Beispiele ließen sich mehren.
Der uns vorgelegte Haushalt sieht Ausgaben und Einnahmen in der Höhe von 154 Milliarden DM vor, gegenüber dem Vorjahr eine Steigerungsrate von 8,7 %. Sie liegt deutlich unter der voraussichtlichen Steigerungsrate des Bruttosozialprodukts, die für dieses Jahr angenommen wird. Sie übererfüllt sogar die Forderung des Finanzplanungsrates vom 24. Juni 1974, in diesem Jahr die öffentlichen Haushalte nicht mehr als um 10 % zu steigern.
Zur Steigerungsrate selbst und ihrer Berechnung hat Herr Kollege Kirst schon Ausführungen gemacht.
Eine Frage, die sich jedes Jahr aufs neue stellt, ist die nach der Einpassung des Bundeshaushalts in die konjunkturelle Landschaft. Auf die Lage unserer Wirtschaft mit Beschäftigung, Auftragseingängen, Preissituation, internationalen Währungszusammenhängen wird im Verlauf dieser Debatte noch ausführlicher einzugehen sein. Ich will nur konzentriert feststellen, daß wir einen sehr verhaltenen, gedämpften Konjunkturverlauf haben, der in einigen Branchen zwar überdurchschnittlich gut ist, in anderen jedoch, wie etwa im Bereich der Bauwirtschaft, der Automobilindustrie und Teilen der Textilwirtschaft und der Bekleidungsindustrie, erhebliche Schwierigkeiten und besondere Strukturprobleme mit sich bringt.
Insgesamt betrachtet hat die Bundesrepublik Deutschland aber dank der Wirtschafts- und Stabilitätspolitik von Bundesregierung und Bundesbank die aus der internationalen Inflation und der ungeheuren Verteuerung der Rohstoffimporte einschließlich der 300 % bis 400% teurer gewordenen Ölzufuhren hervorgerufenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten von allen westlichen Industriestaaten mit Abstand am besten verkraftet.
Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über 60% — der Finanzminister nannte gestern diese Zahl — der Währungsreserven aller europäischen Länder.

(Stücklen: Die stammen zum größten Teil noch von uns!)

Sie hat mit derzeit 6,9 % die niedrigste Inflationsrate der westlichen Welt. Der Durchschnitt aller anderen Industriestaaten bewegt sich mit 12 % deutlich im zweistelligen Bereich. Unser Nachbar Frankreich liegt bei einer Preissteigerung von 14,5%, Großbritannien bei 17,1 %. Die neuesten Zahlen aus Italien liegen bei 21,2 %, die USA liegen bei 11,8 %.
Aber auch beim Vergleich der Reallöhne liegt die Bundesrepublik in der Spitzengruppe der westlichen Länder. Für 1974 wird der Zuwachs auf 2 % geschätzt. 1975 ist schon wegen der Auswirkungen der Steuerreform wieder mit einer Zunahme der realen Nettoeinkommen zu rechnen. Das heißt: der Lohnanteil wächst und stagniert nicht, der nach Abzug der Preissteigerungen sowie der Steuern und Sozialabgaben den Arbeitnehmern unter dem Strich bleibt. Das steht im übrigen auch im Gegensatz zu den Verhältnissen in anderen westlichen Ländern.
Die Arbeitslosigkeit liegt in unserem Lande bei 2,3 %; gleichzeitig beschäftigen wir 2,5 Millionen ausländische Arbeitnehmer in unserem Lande. Diese Arbeitslosigkeit von 2,3% ist gewiß bitter, und sie darf auch nicht bagatellisiert werden. Aber im Vergleich zu den Schwierigkeiten, vor die sich andere Länder, z. B. die USA, gestellt sehen, ist unsere Lage vergleichsweise günstig. Hinzu kommt, daß die soziale Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls deutlich zur Spitzengruppe der westlichen Welt gehört.
Dies alles muß man bei der Feststellung einrechnen, wie erfolgreich die deutsche Politik im internationalen Vergleich war und ist. Auch das von der Bundesregierung beschlossene 900-Millionen-Programm paßt sich in diese Stabilitätspolitik ein, die zum Ziel hat, regional und lokal auftretende Härten zu mildern und die Beschäftigung abzustützen. Wenn die Opposition die erfolgreiche Politik der Bundes regierung aus Wahlkampferwägungen dem Volk durch Zweckpessimismus vermiesen will, kann man an ihren finanz- und wirtschaftspolitischen Sprecher Franz Josef Strauß nur die Frage richten: Herr Strauß, in welchem anderen Land der westlichen Welt sind die Probleme eigentlich kleiner als bei uns? Wo sind sie besser als bei uns gelöst, und wo würden Sie lieber die Verantwortung für die Finanz- und Wirtschaftspolitik übernehmen wollen?

(Dr. Schellenberg [SPD] : In Luxemburg!)




Dr. von Bülow
Im übrigen kann ich Herrn Strauß nur empfehlen, die Rede, die er heute gehalten hat, z. B. seinen christdemokratischen Kollegen in Italien zur Hand zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Die würden darin wahrscheinlich einige Anregungen finden. Christdemokraten sind in Italien ja seit Kriegsende an der Regierung und für die dortigen Zustände mit verantwortlich. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Bericht in der heutigen „Welt" über die Rede des Vorsitzenden der Geschäftsleitung der Prognos AG in Basel vor dem Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft. In dieser Rede führt er aus, daß es in einigen Branchen große Schwierigkeiten geben werde, und fährt dann fort:
Dennoch hat der Industriestandort Bundesrepublik im internationalen Vergleich seine besten Zeiten keineswegs hinter sich.
Er warnte vor den Mitgliedern des Rationalisierungskuratoriums der deutschen Wirtschaft davor, „sich von der nicht zu übersehenden Welle von Pessimismus und Resignation" — die Sie natürlich auch zusätzlich schüren — „überrollen zu lassen."
Bilde man einen „Index der Standortqualität" verschiedener Länder, dann werde schnell deutlich, „daß nicht Hongkong oder Irland, nicht Spanien oder Tunesien, sondern ganz allgemein die Bundesrepublik im internationalen Standortvergleich nach wie vor überdurchschnittlich gut abschneidet".

(Beifall bei der SPD)

Daß sie das tut — da ist ja nicht nur die Infrastruktur als solche gemeint, da ist auch das ganze Sozialsystem gemeint —, ist natürlich auch eine Folge einer erfolgreichen Politik. Das sollte sich weder der Wähler noch der Bürger draußen vermiesen lassen.
Lassen Sie mich nach diesen kurzen Bemerkungen zur wirtschaftlichen Lage zum Bundeshaushalt 1975 zurückkommen. Der Etat 1975 ist der Haushalt der Steuer- und Kindergeldreform. Bereits in seiner Regierungserklärung hat Bundeskanzler Schmidt eines deutlich gemacht: Die Verwirklichung dieser Reform wird die öffentlichen Haushalte allesamt in einem Ausmaß belasten, daß 1975 den Leistungsmöglichkeiten des Staates in den übrigen Bereichen sehr enge Grenzen gesetzt sind, und dies gilt für Länder, Gemeinden und den Bund gleicherweise. Der Bundeskanzler sagte damals:
Man kann nicht ab Januar 1975 für den Verlauf des Jahres 1975 den Steuerzahlern um 10 bis 12 Milliarden DM die Steuerlast erleichtern
— ich füge hinzu: es sind durch den Steuerkompromiß inzwischen 14 Milliarden DM geworden
und glauben, denselben Betrag gleichzeitig noch einmal ausgeben zu können.
Der Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede gestern erneut und mit allem Nachdruck diesen Tatbestand aufgezeigt. Ich schließe mich dem für meine Fraktion voll an.
Für die öffentlichen Haushalte bedeutet die Steuer- und Kindergeldreform für 1975 erstens einen Verzicht auf Steuereinnahmen von rund 10,5 Milliarden DM bei gleichzeitigen Mehreinnahmen von rund 7 Milliarden DM, also im Saldo ein Steuerminus von rund 3,5 Milliarden DM.
Zweitens bedeutet sie Mehrausgaben von rund 15,6 Milliarden DM, denen ein Weniger von 5,6 Milliarden DM gegenübersteht, so daß sich im Saldo eine neue Ausgabenbelastung von rund 10 Milliarden DM ergibt.
Zu dieser Belastung kommt drittens ein Steuerverzicht auf rund 500 Millionen DM im Saldo aus der Veränderung bei der Gewerbe-, der Vermögen- und der Grundsteuer durch das Zweite Steuerreformgesetz hinzu.
Viertens. Insgesamt belastet die Steuer- und Kindergeldreform den öffentlichen Haushalt 1975 mit über 14 Milliarden DM. Damit wird der normale Steuerzuwachs von 1974 auf 1975 rund zur Hälfte aufgebraucht.
Das Ausmaß dieser Steuerreform bringt Wirkungen mit sich, die sich sowohl auf der Ausgabenseite des Etats als auch bei der Höhe der staatlichen Kreditaufnahme niederschlagen müssen. Diese Konsequenz haben alle zu tragen und zu bejahen, die auch die Steuer- und Kindergeldreform bejaht und beschlossen haben.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Funcke)

Meine Damen und Herren von der Opposition, schon der Finanzminister und mein Vorredner haben diese wichtige Tatsache betont. Wir haben gemeinsam in diesem Parlament die Steuer- und Kindergeldreform beschlossen. Der Kompromiß wurde mit den Finanzministern und Ministerpräsidenten auch der von der CDU regierten Bundesländer ausgehandelt und in seinen finanziellen Auswirkungen für tragbar erklärt. Es wäre ein unredliches Verhalten, wenn diejenigen, die zuvor die Steuerreform im Bundesrat mit ihren zwangsläufigen Folgen für die öffentlichen Haushalte gebilligt haben, hier im Bundestag als Opposition den Bundesetat kritisieren und ablehnen wollen. Wer A sagt, muß auch B sagen.

(Beifall bei der SPD)

Mich 'hat das Verhalten von Herrn Strauß heute morgen an die Spiegel-Krise erinnert. Auch daran war Herr Strauß nicht beteiligt, obwohl wir z. B. bei der Steuerreform genau wissen, daß er bei der Aushandlung des Kompromisses anwesend war und infolgedessen genau gewußt hat, welche Steuerausfälle für Bund, Länder und Gemeinden auf uns zukommen. Dann muß eben auch die Konsequenz voll getragen werden, daß man zu diesen Folgen ja sagt.
Die sozialdemokratische Fraktion wird sich hieran jedenfalls halten. Wir haben die Strukturreform des Steuersystems und des Familienlastenausgleichs als eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Ziele in unser Regierungsprogramm für diese 7. Wahlperiode aufgenommen. Wir sind stolz und froh, schon in der ersten Halbzeit und trotz der mannigfachen



Dr. von Bülow
Störversuche von seiten der CDU/CSU dieses Ziel mit Erfolg erreicht zu haben. Wir sind bereit, die finanziellen Auswirkungen dieser Reform auf den Staatshaushalt zu tragen, auch wenn damit verwehrt wird — dies sei hier klar zum Ausdruck gebracht —, in bevorstehenden Wahlkampfauseinandersetzungen ein Füllhorn goldener Versprechen unter das Wahlvolk zu streuen. Das ist unsere Auffassung von solider Haushalts- und Finanzpolitik. Die nunmehr notwendige harte Disziplin in der Beurteilung und Prioritätensetzung der öffentlichen Ausgaben ist uns die Steuer- und Kindergeldreform wert.
Was diese Reform den einzelnen Bürgern in unserem Land an Vorteilen bringt, ist leider weithin noch unbekannt. Deshalb kann nur jedermann empfohlen werden, die neue Broschüre zur Steuerreform zur Hand zu nehmen, die unter sinnvoller Verwendung der Öffentlichkeitsmittel vom Bundesfinanzministerium herausgegeben worden ist. In dieser Broschüre wird mit vielen Rechenbeispielen über die künftig gerechtere Verteilung der Steuerlasten informiert. Es werden die Verbesserungen beim Einkommensteuertarif erklärt. Es wird die Reform des Familienlastenausgleichs durch das einheitliche und gerechtere Kindergeldsystem dargestellt. Es wird der Sonderausgabenabzug in der beschlossenen Form erläutert. Es wird über die vielfältigen sozialpolitischen Teile der Steuerreform sowie über den Arbeitnehmerfreibetrag, den neuen Sparerfreibetrag, die Ausbildungsfreibeträge usw. berichtet.
Im übrigen werden die Lohnsteuerzahler in Bälde zusammen mit ihrer Lohnsteuerkarte 1975 eine Steuerfibel erhalten, die ihnen spezielle Lohnsteuertips gibt und die meisten Steuerfragen der Arbeitnehmer eingehend beantwortet. Sie werden dann selbst berechnen können, wie ihre Steuerlast 1975 sinkt.
Im übrigen möchte ich diese Gelegenheit benutzen und auf die Aufrufe des Familienministers aufmerksam machen, daß alle Familien mit Kindern umgehend ihre Rechte wahrnehmen und entsprechende Anträge bei den Arbeitsämtern stellen.
Die Bundesrepublik Deutschland wird — auch als Folge der Steuerreform — finanzwirtschaftlich in einem wesentlich stärkeren Umfang als bisher die Staatsverschuldung zu einem Instrument der Ausgabendeckung machen. Herr 'Strauß, um die Ausgangsbasis genau festzuhalten: Der Schuldenstand der Bundesrepublik 'beläuft sich Ende dieses Jahres auf 62 721 000 000 DM. Das macht 40,2 % des Bundeshaushalts ,eines Jahres aus. Am Bruttosozialprodukt gemessen. macht es etwa 19 % aus im Vergleich zu 56 % in ,den USA, 81% in Großbritannien, 50 % in den Niederlanden. Das heißt, die Staatsverschuldung der Bundesrepublik ist außergewöhnlich niedrig. Das ist die Ausgangsbasis, wenn wir jetzt auf Grund der Steuerreform zu einer höheren Staatsverschuldung kommen müssen.
Wir gehen mit der Regierung davon aus, daß gerade in der jetzigen konjunkturellen Situation eine Kreditaufnahme in Höhe von 15,6 Milliarden DM durch den Bund im nächsten Jahr ohne zinssteigernde Tendenzen am Kapitalmarkt untergebracht
werden kann. Schließlich beträgt die Vermögensbildung, die Jahr für Jahr in der Bundesrepublik vorgenommen wird, im Jahre 1973 127 Milliarden DM.
Daß einer solchen Verschuldungspolitik Grenzen auch finanzwirtschaftlicher Art gesteckt sind, braucht nicht verschwiegen zu werden. Daß wir diese Grenzen nicht überschritten haben, hat der Bundesfinanzminister gestern deutlich gemacht. Ich halte diese vor uns liegende Phase hoher Kreditaufnahmen auch deshalb für vertretbar, weil vorauszusehen ist, daß sich die Zeit des intensiven Ausbaus der Infrastruktur in unserem Lande in den 80er Jahren auf einem hohen Niveau stabilisieren wird. Wir haben schon jetzt einen Stand der Infrastruktur erreicht, der einen Vergleich mit allen Ländern in West und Ost standhält. Ich habe mit Interesse vermerkt, daß die Prognos AG in Basel in ihrem Report Nr. 6 über die Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre 1985 davon ausgeht, daß die Infrastruktur auf Grund der stagnierenden Bevölkerungsentwicklung allmählich aufhöre, ein Engpaß der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zu sein.
In diesem Zusammenhang sollte man sich auch vor Augen halten, daß in den letzten 25 Jahren nicht nur der Investitions- und Infrastrukturrückgang aufzuholen war, der durch den zweiten Weltkrieg erzwungen wurde, sondern auch die Infrastruktur für weitere 12 Millionen Menschen geschaffen werden mußte, die auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland nach Kriegsende ihre neue Heimat gefunden haben. Auch von daher halte ich es für durchaus vertretbar, für eine absehbare Zeit eine deutlich erhöhte Schuldaufnahme des Staates zu rechtfertigen und dafür auch gerade den Arbeitnehmer von seinen sehr hohen Steuerbeiträgen zu entlasten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit einiges zur sogenannten Investitionsquote sagen, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, so gern zum falschen, wie ich meine, Aufhänger nehmen, um der Bundesregierung angebliches Versagen in der Finanzpolitik vorzuwerfen. Im übrigen sinkt die Investitionsquote am Gesamthaushalt nicht erst seit Beginn dieser Regierung im Jahre 1969, der sozialliberalen Koalition. Sie sinkt seit 1961 unter der Kanzlerschaft Ludwig Erhards kontinuierlich ab.

(Leicht [CDU/CSU] : Nein, das stimmt nicht!)

— Herr Leicht, schauen Sie sich bitte die Zahlen in der Finanzstatistik an!

(Leicht [CDU/CSU] : Ich kenne sie seit 1967!)

- Seit 1961, meine ich. 1967 ist ein statistisch aus-
gefallenes Jahr, weil da mit den Ankurbelungsprogrammen natürlich ein sehr hoher Stand erreicht wurde. Sie müssen das Ausgangsjahr 1960 oder 1961 nehmen. Dann kommen Sie zu den ausgezogenen Kurven, die Ihnen die entsprechenden Angaben machen.
Die Bundesregierung hat mit dem Haushalt 1975 erneut alle Anstrengungen gemacht, die Investi-
7754 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode —116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974
Dr. von Bülow
tionsquote hoch zu halten. Das ist nicht zuletzt im Hinblick auf die problematische Situation, in der sich zur Zeit die Bauwirtschaft nach den langen Jahren der Übernachfrage und den starken Auftragsrückgängen der letzten Monate befindet, von besonderer Bedeutung. Die Sachinvestitionen zusammen mit den Investitionszuschüssen und -darlehen betragen ebenso wie im letzten Jahr 23,4 Milliarden DM. Prozentual ergibt sich zwar ein leichter Abfall der Investitionsquote. Dieser ist jedoch zum Teil rein rechnerisch darauf zurückzuführen, daß durch die Zahlung des neuen Kindergeldes das Volumen des Haushalts erhöht wird, während dies früher als Steuerausfall nicht in die Ausgabenseite eingerechnet wurde. Allein das drückt die Investitionsquote um durchschnittlich 1 %.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0711621300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leicht?

Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0711621400
Ja, bitte.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0711621500
Herr Kollege von Bülow, sind Sie meiner Meinung, daß auf Grund Ihrer genannten Zahl — 23 Milliarden DM Investitionen für dieses Jahr und für 1975 - bei einer Verschuldung von der dopelten Größe wie in diesem Jahr der größere Teil der Neuverschuldung eben in andere Bereiche und nicht in die Investitionen fließt?

Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0711621600
Herr Leicht, entscheidend ist ja auch nach der Bundeshaushaltsordnung, ob die Kreditaufnahme die Investitionsquote übersteigt oder nicht. Die Investitionen liegen in einer Höhe von 23,4 Milliarden DM, die Kreditaufnahme liegt bei 15,6 Milliarden DM. Das sind die beiden Bezugsgrößen.

(Leicht [CDU/CSU] : Nein, voriges Jahr!)

Daß die alte Frage nach der Aufteilung in konsumtive und investive Aufgaben mehr als problematisch ist, versuchte ich bereits in meiner Rede zum Haushalt 1974 darzulegen. Außerdem sind die Abgrenzungen in verschiedenen Statistiken wie volkswirtschaftliche Gesamtrechnung oder Finanzstatistik zum Teil außerordentlich willkürlich. Ich erinnere nur daran, daß die Wohnungsbauprämie, an den Bausparer gezahlt, statistisch zu den Investitionen gerechnet wird, während die normale Sparprämie, die möglicherweise ebenfalls volkswirtschaftlich zu einer Investition führt, unter die konsumtiven Ausgaben zählt.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das war immer so!)

— Ich rede hier nur über die grundsätzliche Problematik der Einführung des Begriffs Investitionsquote und der Einteilung in gut und schlecht, konsumtiv schlecht, investiv gut. Ähnliches gilt auch für die Bereiche des Verteidigungshaushalts. Im Verteidigungshaushalt werden Zahlungen, die für Anschaffungen geleistet werden, die sonst in der Statistik als investiv gezählt werden, in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als konsumtiv angesehen. Überhaupt ist die Unterscheidung nach den guten investiven und den schlechten konsumtiven Ausgaben sowohl ökonomisch als auch nach dem gesunden Menschenverstand nicht mehr zu halten. Es ist widersinnig, den Bau eines Kindergartens als Investition zu feiern, die Bezahlung der Kindergärtnerin als schlechte konsumtive Ausgabe zu verteufeln.

(Beifall bei der SPD)

Schon der Nationalökonom Friedrich List hat diesem Unsinn wie folgt widersprochen:
Allerdings sind die, welche Schweine großziehen, Dudelsäcke oder Pillen fabrizieren, produktiv, aber die Lehrer der Jugend und der Erwachsenen, die Virtuosen, die Ärzte, die Richter und Administratoren sind es in einem noch viel höheren Grade.
Hieraus folgt, daß die kategorische Unterscheidung der Investitions- und Konsumausgaben in gut und böse nicht zu halten ist.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich — ich will versuchen, es kurz zu machen — zu wichtigen Aufgabenbereichen des Etatentwurfs 1975 einige Ausführungen machen und die Erläuterungen des Finanzministers und meines FDP-Kollegen Kirst ergänzen. Ich sehe mich dazu gezwungen, weil der Oppositionsredner mit seinen Negativbildern ein völlig falsches Bild der bundesrepublikanischen Wirklichkeit gezeichnet hat.
Ich muß deshalb für meine Fraktion ganz klar und mit Nachdruck wiederholen: Bei aller Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Mittel ist es der Regierung für 1975 gelungen, in den wichtigen Bereichen die Leistungen für den Bürger aufrechtzuerhalten und teilweise sogar auszubauen.
Ich nenne als Beispiel und an erster Stelle die Sozialpolitik. Der Haushalt des Bundessozialministeriums ist mit 28,8 Milliarden DM kurz hinter dem Verteidigungsbereich der zweitgrößte Einzelplan des Gesamthaushalts. Jede fünfte Mark der Bundesausgaben fließt in diesen Ausgabenbereich.
Die größten Positionen sind hier die Zuschüsse an die Sozialversicherung mit rund 17,2 Milliarden DM und die Ausgaben für die Kriegsopfer mit rund 11 Milliarden DM. Die Zahlung von weiteren 2,5 Milliarden DM an die Arbeiterrentenversicherung wird verschoben. Der Betrag wird, mit dem Diskontsatz verzinst, in gleichen Teilbeträgen in den Haushaltsjahren 1982 und 1983 geleistet und dann natürlich auch in den Haushaltsplan eingestellt. Sowohl über die Höhe wie auch über die Modalität besteht Einvernehmen mit den Rentenversicherungsträgern.
In der Kriegsopferversorgung ist ein Mehrbetrag von 880 Millionen vorgesehen, etwa je die Hälfte zur Erhöhung der Versorgungsleistungen um 11,1% und als Auswirkung der Ergänzungen aus früheren Anpassungsgesetzen. Man muß sich einmal klarmachen, was das bedeutet. Am 1. Juli 1975 werden sich die monatlichen Kriegsopferrenten gegenüber 1969 verdoppelt haben, und die Kriegsopferrenten werden jetzt ebenso wie die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung und Unfallversicherung



Dr. von Bülow
zum 1. Juli — also ein halbes Jahr früher — erhöht; nach diesem Haushaltsentwurf — wie bereits gesagt — um 11,1 %.
Erlauben Sie mir für den Sozialbereich noch eine Randbemerkung. Hier sind wir — und gerade bei Etatdebatten — geneigt, nur nach der großen Zahl, nach den großen Ausgabenblöcken zu sehen. Dabei gelangen wir leider allzu oft in einen Bereich großer Abstraktion und Anonymität. Das ist schade; denn wir sollten erkennen, wie ganz entscheidend und segensreich dem einzelnen Menschen mit staatlichen Mitteln der Lebensweg erleichtert wird. Ich möchte als Beispiel die Mittel für die Eingliederung der Behinderten in unsere Gesellschaft hervorheben.

(Beifall bei der SPD)

In ihnen findet das Aktionsprogramm der Bundesregierung für 1970 auch im nächsten Jahr seinen finanziellen Niederschlag. Was die Bundesregierung seit dieser Zeit für die Förderung beruflicher Rehabilitationseinrichtungen geleistet hat, ist seit der Gründung der Bundesrepublik ohne Beispiel. Ich darf das einmal aufzählen.
Das angestrebte bundesweite Netz von Berufsförderungswerken für erwachsene Behinderte ist nahezu vollendet. Von den geplanten 21 Einrichtungen sind jetzt 16 fertiggestellt oder im Bau.
Der Ausbau von Ausbildungsstätten für behinderte Jugendliche geht zügig weiter. Von den geplanten 20 Einrichtungen sind 9 fertiggestellt oder im Bau.
Von den geplanten 10 Modellzentren für spezielle Behinderungsarten sind inzwischen 8 fertiggestellt oder im Bau.
Wenn wir die Gesetze hinzunehmen, die wir für Behinderte verabschiedet haben — das neue Schwerbehindertengesetz, das Gesetz zur Verbesserung der Rehabilitationsleistungen —, dann können wir nicht ohne Stolz sagen, daß diese Koalition für die Behinderten außerordentlich viel getan hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Nach wie vor gehört auch der Verkehrshaushalt mit zu den Schwerpunkten des finanziellen und damit politischen Engagements der Bundesregierung. Rund 75 % aller Sachinvestitionen entfallen auf den Verkehr. Bei dieser Schwerpunktsetzung wird es auch künftig bleiben. Ganz falsch wäre es, in Panik zu machen, wie dies die Opposition teilweise versucht. Sie wendet sich beispielsweise gegen die angebliche Verschwendung von Mitteln im öffentlichen Nahverkehr und fordert gleichzeitig durch die von ihr getragenen Landesregierungen mehr Mittel für den U-Bahn-Bau. Eine solche Haltung läßt sich vor der Öffentlichkeit nicht rechtfertigen.
Die Bundesregierung hat einer solchen Politik die sogenannte integrierte Verkehrswegeplanung gegenübergestellt, deren Ziel es ist, eine bessere Kooperation im Verkehr zu erreichen. Im Rahmen dieses Systems sollen die einzelnen Verkehrswege und -mittel die Transportaufgaben übernehmen, für die sie die besten Voraussetzungen mitbringen.
Für die Deutsche Bundesbahn sind für 1975 Bundeszuschüsse in Höhe von rund 9 Milliarden DM vorgesehen. Dieser Betrag setzt sich zusammen — und das sollte man immer wieder vor Augen führen, um in der Öffentlichkeit keinen Irrtum entstehen zu lassen — aus der Abgeltung von Belastungen im Schienenpersonennahverkehr in Höhe von 1,7 Milliarden, der Beseitigung höhengleicher Kreuzungen in Höhe von 418 Millionen und anderen Ausgleichszahlungen von 1,1 Milliarden, das macht zusammen 3,2 Milliarden DM. Hinzu kommt die Verstärkung des Eigenkapitals mit Zuschüssen von 2,3 Milliarden DM, die alten Lasten, die noch von der Reichsbahn übernommen werden mußten, mit 1,9 Milliarden DM, dazu Investitionszuschüsse in Höhe von 500 Millionen DM und die Mittel für die Neubaustrecken in Höhe von 60 Millionen DM; alles zusammen rund 9 Milliarden DM. Die finanzielle Entwicklung bei der Deutschen Bundesbahn erfüllt uns mit großer Sorge. Wir warnen jedoch vor dem Anbieten von Patentrezepten; denn Patentrezepte — das weiß jeder, der sich mit diesem Problem zu befassen hat — gibt es für diesen Bereich nicht. Es wird sehr schwierig werden, bei der Deutschen Bundesbahn eine Tendenzwende herbeizuführen. Bei allen Maßnahmen müssen aber die Interessen der vielen tausend Mitarbeiter gewahrt werden, die Tag für Tag durch ihren Einsatz die Leistungen des Unternehmens überhaupt erst möglich machen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Im Straßenbau wird der Mitteleinsatz 1975 um rund 176 Millionen DM erhöht, und zwar auf 5,83 Milliarden DM. Mit diesem Haushaltsansatz ist sichergestellt, daß ein kontinuierlicher Baufortschritt erreicht wird und nach Fertigstellung der Erdarbeiten kein Baustillstand eintritt.
Für den öffentlichen Personennahverkehr hat die Opposition einen Antrag auf Feststellung der Folgekosten eingebracht. Die Situation im Nahverkehr ist schwierig. Hier kann manches verbessert werden. Gleichwohl sollte die Opposition wissen, daß der Nahverkehr nicht zu 100 % aus eigenen Erträgen betrieben werden kann. Das gibt es nirgendwo auf der Welt, und das wird es auch in unserem Lande nicht geben können. Diese Erkenntnisse dürfen aber nicht dazu führen, betriebswirtschaftlich blind zu werden. Nach wie vor ist der starke Anstieg der Betriebskosten das größte Problem. Trotzdem muß nach der Auffassung meiner Fraktion der öffentliche Nahverkehr ein Schwerpunkt unserer Politik bleiben.
Schließlich begrüße ich im Namen meiner Fraktion die Anstrengungen der Bundesregierung zur Hebung der Verkehrssicherheit, zum Ausbau der Flugsicherung und zur Verbesserung der Schifffahrtswege, wie sie im Haushaltsjahr 1975 fortgeführt werden.
Meine Damen und Herren, es gibt jedoch einen Ausgabenbereich des Bundeshaushalts, den ich in aller Kürze noch anschneiden möchte und der in den meisten Debatten in den Hintergrund tritt: die Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen. Diese Unternehmen sind besonders wichtig für die Auf-



Dr. von Bülow
rechterhaltung eines ausreichenden Wettbewerbs, da sie flexibler sind, wenn es gilt, sich den Marktlagen anzupassen und in Marktlücken vorzudringen. Gerade in der derzeitigen Konjunkturlage sollte es unser aller Aufgabe sein, diese Unternehmen auf die Hilfen des Bundeshaushalts für eine Vielzahl von unternehmerischen Maßnahmen hinzuweisen. Es ist oft erstaunlich, wenn man feststellen muß, wie weit die Unkenntnis hierüber bis zum heutigen Tage verbreitet geblieben ist. Zum Teil liegt das auch an dem Bankenapparat, der oft nicht willens ist, entsprechende Informationen weiterzugeben. So sind im Bundeshaushalt 1975 Förderungsmaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen des Handwerks, des Handels, des Hotel- und Gaststättengewerbes und des Fremdenverkehrs in Höhe von 135 Millionen DM vorgesehen. Darunter fällt z. B. auch ein Betrag von 45 Millionen DM zur Förderung von Forschung und Entwicklung, die in diesen Unternehmungen betrieben wird oder betrieben werden soll.
Ein 475-Millionen-DM-Programm wird mit Mitteln des ERP-Sondervermögens gespeist. Im Rahmen dieses Programms erhalten kleine und mittlere Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen langfristige Darlehen mit einem Zinssatz von in der Regel 7,5 %. Diese Mittel werden für die Errichtung, Erweiterung, Umstellung und Rationalisierung von Betrieben in Fördergebieten, die Existenzgründung von Nachwuchskräften, die Errichtung von Betrieben in neuen Wohnsiedlungen, für richtungweisende Kooperationen von Unternehmen, die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung, die Refinanzierung von Beteiligungen, die Umstellung von Produktionsbetrieben, für die Binnenschiffahrt und für betriebliche Umweltschutzinvestitionen gegeben; das ist ein sehr großer Katalog. Ich wäre froh, wenn die entsprechenden Unternehmen hierüber gerade durch den Bankenapparat in der Zukunft besser informiert würden.
Auch von den Vergünstigungen, die die Steuerreform mit sich bringt, profitieren die kleinen und mittleren Unternehmen. So berücksichtigen die neue Erbschaftsteuer und die Vermögensteuer, die schon am 1. Januar 1974 in Kraft getreten sind, die besondere Situation der kleinen und mittleren Unternehmen. Mittelstandsfreundlich ist auch die Reform der Gewerbesteuer; durch die Freibetragserhöhung wird rund die Hälfte aller 1,6 Millionen Gewerbebetriebe ganz von der Gewerbesteuer freigestellt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch auf ein Thema eingehen, daß in den letzten Wochen und Monaten sehr stark im Vordergrund der öffentlichen Diskussion gestanden hat. Es ist dies die Personalkostenentwicklung im öffentlichen Haushalt. Es ist nicht zu bezweifeln, daß sich in den letzten Jahren nicht nur die Besoldung im öffentlichen Dienst wesentlich verbessert hat, sondern daß sich vor allen Dingen auch bei den Ländern und bei den Gemeinden die Stellen zum Teil explosionsartig vermehrt haben.
Zunächst zu den Personalkosten. Sie werden im Jahre 1975 beim Bund voraussichtlich 17,2 % aller
Bundesausgaben betragen. Diese 17,2 % sind wesentlich weniger als die Prozentzahlen für die Länder und die Gemeinden, und zwar aus verständlichen Gründen. Die Länder sind inzwischen bei einem Personalkostenanteil ihrer Haushalte von 42% angelangt; die Gemeinden liegen bei durchschnittlich 28 %.
Was nun die Ausweitung der Zahl der Stellen anbelangt, so hat der Haushaltsausschuß Hand in Hand mit den Bemühungen des Finanzministers dafür gesorgt, daß in den vergangenen drei Jahren nahezu keine Stellenvermehrungen vorgenommen worden sind. Alle neu geschaffenen Stellen sind an anderer Stelle eingespart worden. Daß neue Stellen von Zeit zu Zeit auszubringen sind, daran kann kein Zweifel bestehen. Die Aufgaben der öffentlichen Hand weiten sich aus. Das Thema des Umweltschutzes kann nicht allein eine Angelegenheit philosophischer und wirtschaftlicher Betrachtungen sein; hier muß die Funktion der Exekutive, der Verwaltung, verstärkt werden. Das heißt an dieser Stelle, mehr Personal einzusetzen.
Gleiches gilt für das Thema der öffentlichen Sicherheit. Das Bundeskriminalamt und der Bundesgrenzschutz wurden in den letzten drei Jahren personell erheblich verstärkt.
Ähnliches gilt für das Bundeskartellamt, das für mehr Wettbewerb in der sich immer mehr verkrustenden Marktwirtschaft sorgen soll.
Aber alle diese Stellenvermehrungen sind durch die gleichzeitige Einsparung von Stellen aufgefangen worden. Auch im Jahre 1975 werden die 935 ausgebrachten Stellen — von denen noch keineswegs feststeht, daß der Haushaltsausschuß sie, wie von der Regierung vorgeschlagen, akzeptieren wird — durch den gleichzeitigen Wegfall von 950 Stellen neutralisiert.
Zu erwähnen ist auch noch, daß die Arbeitszeitverkürzung keineswegs zu einer Ausweitung des Personalbestandes führen wird. Rein rechnerisch müßten mit der Einführung der 40-Stunden-Woche 11 550 neue Stellen in den Bundeshaushalt eingestellt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, eine derartige Stellenvermehrung zu fordern. Es gäbe auch im Haushaltsausschuß des Parlaments keinerlei Chance hierfür.
Damit verstärkt sich der Druck in Richtung auf eine Rationalisierung des öffentlichen Dienstes, der öffentlichen Verwaltung, die in den nächsten Jahren im Vordergrund aller unserer Bemühungen stehen muß, wenn wir nicht in einer Flut von Personalkosten untergehen wollen.
Die gerade unter dem Slogan „Personalaufblähung im öffentlichen Dienst" häufig mit falschen Zahlen operierende Opposition möchte ich auf das interessante Beispiel des Landes Rheinland-Pfalz hinweisen, das ja derzeit von einem möglichen Kanzlerkandidaten der CDU, dem Herrn Kohl, geführt wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU])




Dr. von Bülow
Zwar weisen die Länder, so auch das Land Rheinland-Pfalz, stets darauf hin, daß ihr Personalzuwachs weitgehend dem Bildungsbereich zuzuordnen ist; das ist auch durchaus richtig. Aber zumindest in Rheinland-Pfalz liegen die Schwerpunkte teilweise in ganz anderen Bereichen, Herr Carstens.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Führen ist ein falscher Ausdruck! Sie gehen von falschen Vorstellungen aus!)

Dort nahm in den Jahren von 1969 bis 1974 die Zahl der Ministerialstellen insgesamt um 21 %, bei der Staatskanzlei um 50 % und in der Bonner Landesvertretung sogar um 150 °/o zu.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Auch die Stellenverbesserungen, die in dem gelobten Land vorgenommen worden sind, gehen weit über das hinaus, was der Bund im gleichen Zeitraum seinen Beamten eingeräumt hat.
Meine Damen und Herren, ausgehend von der letzten Lohnrunde des öffentlichen Dienstes ist es Mode geworden, sich kritisch über den öffentlichen Dienst zu äußern Alles, was in diesem Staat langsam vorangeht oder mit fehlerhaften Entscheidungen verbunden ist, wird neuerdings als typisch für eine gewisse Unfähigkeit des öffentlichen Dienstes angesehen, sich den Erfordernissen der modernen Industriewelt anzupassen. Natürlich gibt es diese Erscheinungen; wer wollte dies leugnen. Aber es gibt sie auch in privaten Unternehmungen. Wir alle tun uns jedoch keinen Gefallen, wenn wir um billiger Effekthascherei willen in diesen Chor der sogenannten Beamtenjäger einstimmen. Die Mehrzahl der Angehörigen des öffentlichen Dienstes leistet in diesem Land hervorragende Arbeit. Wie anders wäre es sonst zu verstehen, daß die Bundesrepublik im großen und ganzen als ein gut verwaltetes Gemeinwesen angesehen werden kann! Dies ändert nichts daran, daß wir versuchen müssen, im öffentlichen Dienst noch mehr als bisher das Leistungsprinzip durchzusetzen, die Personalauslese und -ausbildung zu verbessern.
Auf Bitten des Bundestages hat die Bundesregierung eine Kommission zur Reform des öffentlichen Dienstes eingesetzt. Diese Kommission hat im vergangenen Jahr ihre Ergebnisse vorgelegt. Die Bundesregierung wird in den nächsten Monaten ihre Vorstellungen zur Verwirklichung des dort vorgeschlagenen Konzepts darlegen. Der Innenausschuß, der Haushaltsausschuß, aber auch das ganze Parlament werden sich dann diesem Thema mit Energie widmen müssen und auch gegen erhebliche Widerstände Schritt für Schritt entsprechende Folgerungen ziehen müssen.
Meine Damen und Herren, der uns verbleibende Finanzierungsspielraum ist durch die Steuerreform und durch die Reform des Kindesgelds außerordentlich eng geworden. Das hat seine Nachteile, die auf der Hand liegen, kann sich jedoch auf Dauer als Vorteil erweisen. Not macht bekanntlich erfinderisch. Schon oft sind überfällige Strukturveränderungen und unbequeme Entscheidungen unter dem
Druck einer zu knappen Finanzdecke durchsetzbar geworden.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Fraktion der Sozialdemokraten wird den Bundesfinanzminister in diesem Bestreben mit Nachdruck unterstützen. Sie hält den Haushalt für einen Ausdruck der Kontinuität und Konzentration, die Bundeskanzler Schmidt in seiner Regierungserklärung vom Frühjahr dieses Jahres angekündigt hat. Diese Politik wird durch diesen Haushalt um einen weiteren Schritt verwirklicht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0711621700
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Friderichs.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0711621800
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Die Rede des Abgeordneten Dr. Strauß sollte uns eigentlich alle zu der Erkenntnis gebracht haben, daß christlich-demokratische Politiker aus dem Süden unseres Landes die Lage in Italien trefflich zu beschreiben wissen.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

Das ist eigentlich auch ganz verständlich; denn räumliche und politische Nähe zur dortigen Regierung geben natürlich einen besseren Einblick in die Verhältnisse dieses Landes.

(Erneute Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

Ich vermag in der Rede von Dr. Strauß eigentlich wenig Beschreibendes über die Situation in der Bundesrepublik zu erkennen, aber sehr viel aus dem anderen Land.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dies hat mich heute besonders gewundert, weil der Herr Abgeordnete Dr. Strauß ebenso wie ich selbst in den letzten Wochen und Monaten ja eine Reihe von Ländern in der Welt besucht hat; gewiß in unterschiedlichen Funktionen: er als Vorsitzender des .Aufsichtsrats der Deutschen Airbus

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

und ich in meiner dienstlichen Funktion. Ich sage das sehr ernst, weil es um den Verkauf dieses Gemeinschaftsprojektes in diesen Ländern ging.
Ich will das nur sagen, weil genau in diesen Ländern, in denen wir mit minuziösem Abstand teilweise mit denselben Persönlichkeiten gesprochen haben, wir eigentlich immer wieder gefragt wurden: Wie macht ihr das eigentlich bei euch, daß ihr im Vergleich zu allen — bei den weltwirtschaftlichen Problemen, die der Herr Finanzminister gestern nach meiner Meinung sehr zutreffend skizziert hat , bei all den Problemen weltwirtschaftlicher Art, die auf euch zukommen, alles in allem eine so tadellose Figur macht bei der Preissteigerungsrate, beim Beschäftigungsstand, beim Strukturwandel?
Ich gestehe offen: Man kommt sich manchmal nahezu schizophren vor, wenn man von draußen her-



Bundesminister Dr. Friderichs
einkommt und hier eigentlich nichts anderes hört, als ob wir in der miesesten Republik dieser Welt mit der miesesten Wirtschaftslage und den schlechtesten Aussichten stünden, obwohl uns draußen permanent bescheinigt wird, es sei — —

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Obwohl wir die mieseste Opposition haben! — Heiterkeit bei der SPD)

— Herr Abgeordneter, verstehen Sie bitte, daß ich nicht in der Lage bin, mir das als Regierungsmitglied unmittelbar zu eigen zu machen.

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP — Zuruf von der SPD: Aber es stimmt!)

Ich will hier nur kurz etwas zur Wirtschaftslage sagen; denn die Bundesregierung hat sich im Kabinett mit der Frage am 11. September beschäftigt, und ich finde, sie hat gut daran getan, die der Kabinettsberatung zugrunde liegende Gesamtanalyse allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Verfügung zu stellen. Das ist eine Analyse, die sich nicht nur auf den analytischen Teil konzentriert, sondern die auch Perspektiven enthält. Wenn schon bemängelt wurde, daß der zuständige Minister heute morgen nicht vor den Abgeordneten gesprochen hat — was die Regierung bewußt nicht getan hat, weil sie einen Respekt vor dem Parlament hat und der Meinung ist, daß zunächst eine Runde des Parlaments laufen sollte —, wundert mich gleichwohl, daß auf diese Analyse in der Oppositionsrede eigentlich mit keinem einzigen Satz eingegangen worden ist.

(Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller [SPD] : Er hat sie nicht gelesen! Das ist doch ganz einfach!)

Ich will mir dennoch ersparen, sie zu wiederholen; denn die Regierung hat daraus auch Konsequenzen gezogen. Sie hat gesagt, was sie global will und zu tun beabsichtigt. Sie hat die Grundzüge eines Programms beschlossen, das sie im Moment mit den Ländern abstimmt, um es am 25. September zu verwirklichen. Dieses Programm ist mit einem Satz erwähnt worden, aber nicht mit einem Satz, aus dem hervorging, ob man es für richtig oder für falsch hält.
Ich weiß, Herr Dr. Strauß, bis zur Stunde wirklich nicht, was Sie zur Konjunkturpolitik dieser Bundesregierung am heutigen Tage sagen wollten. Ich meine Sie jetzt nicht persönlich, sondern die Opposition als Ganzes.
Ich glaube, dieses Programm fügt sich nahtlos an die Regierungserklärung vom 17. Mai 1974 an, in der nämlich im Grunde genommen inhaltlich das umschrieben worden ist, was in der konkreten Situation jetzt ausgeführt wird. Bitte, ich bin für Kritik offen, aber dann lassen Sie sie uns doch Punkt für Punkt durchgehen!
Ich will auf ein paar Punkte eingehen. Sie haben — das steht in der Analyse — die starken Branchendifferenzierungen hervorgehoben und so getan, als ob auch dies eine negative Wirkung der Politik dieser Bundesregierung sei. Herr Dr. Strauß, ich glaube einfach nicht, daß Sie selbst nicht wissen, daß in Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs oder
einer konjunkturellen Stagnation — diesmal zu einem nicht unerheblichen Teil herbeigeführt durch aktives Handeln der Regierung, nämlich durch Maßnahmen vom Mai vorigen Jahres, um die Differenz zwischen nominalem und realem Wachstum kleiner werden zu lassen — die Branchen, die zu den schwächeren gehören, am besten davon erfaßt werden. Diese Branchen wird es immer geben; denn wenn man einen Durchschnitt von eineinhalb Prozent für das reale Wachstum hat, dann hat man immer Branchen, die darüber liegen, und andere, die darunter liegen. Das führt dazu, daß in einer solchen Phase der globalen Anpassung die schwachen Strukturen früher signalisieren, daß sie schwach sind, und in der Tat früher entweder zum Ausscheiden oder zur Umwandlung ihrer Produktionen, ihrer Marktorientierungen, ihrer betriebswirtschaftlichen Daten gezwungen werden. Das ist einfach so.
Ich glaube, das ist sogar gut so. Denn diese Schwachstellen müssen sich in dieser Lage verändern und bieten, wenn sie sich verändern, eigentlich die Ressourcen für den nächsten Wachstumszyklus. Das haben wir in der Unterlage ganz nüchtern beschrieben, ich würde sagen: ohne Beschönigung.
Ich weiß, daß sich dahinter auch größenstrukturpolitische Probleme verbergen. Ich gebe zu, Herr Dr. Strauß, daß diese auch uns nicht gefallen, weil wir wissen, daß da einige Mittlere — beispielsweise in der Bauwirtschaft — härter getroffen werden als die ganz Großen, die in das Ausland ausweichen können, oder die ganz Kleinen, die wegen weniger großer Kapitalintensität in ihrer Anpassungsstrategie flexibler sein können.
Es geht doch nicht darum, ob einem das eine oder andere nicht gefällt, sondern die Frage ist: Bin ich, weil es mir nicht gefällt, bereit, die Globalstrategie zu ändern mit dem Erfolg, Herr Dr. Strauß, daß dann doch die Mittleren erst recht geschädigt sind? Denn von einer anhaltend steigenden Inflationsrate werden am Ende diejenigen, von denen Sie vorgeben, Sie wollten sie schützen, noch viel mehr betroffen als von einem notwendigen Anpassungsprozeß.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie haben die Insolvenzen angesprochen. Ich will Sie hier nicht mit einer Statistik darüber langweilen, wieviel Unternehmer welcher Branchen in welchen Regionen betroffen sind. Ich bin, wenn die Opposition daran Interesse hat, gern bereit, ihr diese Statistik zukommen zu lassen. Nur sie ist nicht aussagekräftig, weil sie eben nur statistisch die Zahl der Beschäftigten und ähnliches mehr erfaßt.
Ich habe mich u. a. zur Vorbereitung der heutigen Debatte gestern mittag mit einer Reihe von Hauptgeschäftsführern von Industrie- und Handelskammern getroffen, um sie einmal zu fragen, ob sie einen Einblick in die Struktur der insolvent Gewordenen hätten. Dort ist mir gesagt worden — einige Kammern hatten das sehr exakt erfaßt —, daß es sich nahezu ausnahmslos um Betriebe handle, die entweder von Anfang an schlecht finanziert worden seien oder mit einem ausgesprochen schlechten Ma-



Bundesminister Dr. Friderichs
nagement versehen gewesen seien, daß sich jedenfalls in der Statistik nicht diejenigen fänden, die solide finanziert, mit solidem Management ausgestattet seien und sich nur in schwachen Branchen befänden.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das ist genau falsch!)

— Herr Müller-Hermann, ich zitiere hier, weil ich Ihnen noch einmal sage, daß die Statistik es nicht widergibt, jedenfalls nicht mit ausreichender Genauigkeit.
Eines ist doch wohl keine Frage: daß es hier keine Verantwortung eines einzelnen gibt, sondern eine gemeinsame. Denn es ist wohl keine Frage, Herr Dr. Strauß, daß das, was jetzt ist, letztlich das Ergebnis von einer Summe von Entscheidungen unterschiedlicher Entscheidungsträger und ihrer Verhaltensstrategien ist. Die Regierung hat wiederholt auf dieses Problem hingewiesen. Sie hat nicht nur darauf hingewiesen, sondern sie hat auch gesagt, daß sie die entsprechenden Rahmendaten setzt, und sie hat es getan.
Ein Beispiel: Ich selbst habe der Konzertierten Aktion des Herbstes 1973 gesagt: Wenn die Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien — und ich stelle mich eben nicht hin, wie andere dies tun, und schimpfe nur auf einen Teil der Parteien; denn zum Tarifvertrag gehören zwei Unterschriften —,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

eine bestimmte Marge überschreiten, dann sind entweder die Regierung und die Notenbank bereit, laissez faire zu machen, die Leine locker zu lassen; letzteres aber geht in die Inflationsrate. Ist sie dazu nicht bereit, dann geht das ins Beschäftigungsrisiko. Das ist alles in der Konzertierten Aktion dargelegt worden. Ich habe fast den Eindruck, daß beide Beteiligten nicht geglaubt haben, daß die Regierung bei ihrer Haltung bliebe, sondern vielleicht gehofft hatten, daß — wie früher so oft — ein Fehlverhalten anschließend durch Freigabe von eingegrenzten Spielräumen und damit mit der Chance gebilligt würde, alles schlicht und einfach zu überwälzen. Ich sage noch einmal: dies gilt für beide Beteiligten, und wir werden ja sehen, wie sie sich in diesem Jahr verhalten.
Ein Wort zum Arbeitsmarkt. Ich gehöre nicht zu denen, die die Lage bei 2,3 % Arbeitslosen gleich rund 500 000 dramatisieren, ich gehöre auch nicht zu denen, die dies beschönigen. Ich weiß nicht, ob die Opposition mit ihren Reden draußen — Sie meinten, das sei keine Dramatisierung — der Lage in Wahrheit nutzt oder ob sie ihr nicht mehr schadet. Hinter dieser Zahl verbergen sich doch zwei Komplexe: einmal das Schicksal eines jeden einzelnen, dem es gar nichts nutzt, zu wissen, ob wir 2,4, 2,0 oder 1,8 % haben, sondern für den entscheidend ist, ob er arbeitslos ist oder nicht.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Ich glaube, daß dieses Schicksal den Respekt aller und die Verantwortung — ich werde mich dazu noch äußern — bei der Gesetzgebung in diesem Hause verdient. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist, daß wir dem Arbeitsminister doch dankbar sein müssen — ich habe das offen und mehrfach öffentlich bekundet —, daß er den Mut und das Verantwortungsbewußtsein hatte, öffentlich zu sagen, was hinter dieser Zahl steckt, und zwar aus seiner arbeitspolitischen Sicht: nämlich wieviel dieser 500 000 voll vermittlungsfähig seien, wieviel aus welchen Branchen kommen, wie viele von ihnen nur Teilzeitarbeit und diese nur am eigenen Ort suchen. Er wollte verhindern, daß wir uns durch eine absolute und ständig so hervorgehobene Zahl zu falschem konjunkturpolitischem Verhalten veranlaßt sehen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: dies bedeutet für den Arbeitsminister, egal welcher Regierung, mehr an Mut und an Verantwortungsbewußtsein, als wenn das der Wirtschaftsminister sagt, der für die anderen Teile der Wirtschaftspolitik zuständig ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich bin überzeugt davon, daß er, wenn Sie Interesse daran haben, dies noch einmal zu hören, in der Lage ist, Ihnen hier erneut deutlich zu machen, was sich hinter dieser Zahl verbirgt.
Aus der Sicht des Wirtschaftsministers verbirgt sich noch etwas dahinter, nämlich daß bei dem hohen Stand an Produktion, Sozialprodukt, Wohlstand etc. in unserem Lande wir auch in Zukunft — da gibt es keine Meinungsverschiedenheit innerhalb dieser Bundesregierung — mit Strukturwandlungen beachtlichen Ausmaßes werden leben müssen, die automatisch auch vorübergehende Beschäftigungsrisiken in diesen Branchen mit sich bringen. Das sehen Sie doch in jeder Volkswirtschaft der westlichen Welt, die unser Niveau erreicht hat und die daher im Prinzip vor denselben Problemen steht. Das hat nichts mit der Tatsache zu tun, daß diese Problematik noch einmal konjunkturpolitisch überlagert werden kann, nur wäre es eben falsch, diese strukturellen Ursachen mit prozeßpolitischen, nämlich nur konjunkturpolitischen Mitteln bekämpfen zu wollen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dann wissen wir aber, wo Sie landen. Manchmal hat man fast den Eindruck, Sie wünschten dies, um vielleicht andere Ausgangsbasen zu haben. Sie, Herr Dr. Strauß, haben nämlich gesagt, es dürfe doch wohl nicht sein — ich zitiere sinngemäß, weil ich das Redeprotokoll noch nicht habe —, daß die Bundesregierung ökonomische Maßnahmen irgendwie im Hinblick auf künftige Wahltermine wähle.
Ich stimme ihnen uneingeschränkt zu, aber es dürfte eigentlich auch nicht sein, daß um billigster und minimaler Platzvorteile bei Landtagswahlen willen Sie es der gesamten Öffentlichkeit erschweren, eine vernünftige ökonomische Linie durchzuhalten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dies lassen Sie mich nach wenigen Tagen Einsatzes im bayerischen Landtagswahlkampf in aller Deutlichkeit sagen: Was dort unten alles verkündet wird, ist doch geradezu — —

(Zuruf)




Bundesminister Dr. Friderichs
Der Bildungsstand dort unten ist allerdings genauso hoch wie hier, und deswegen glaubt man Ihnen dies auch nicht mehr so ohne weiteres.

(Beifall bei der SPD und der FDP) Das sollte Ihnen eigentlich zu denken geben.


(Seiters [CDU/CSU]: Leitartikel FAZ heute: genau das Gegenteil!)

— Stichwort; ich bedanke mich. Sie haben FAZ gesagt. Ich bin nicht immer so schnell wie die Opposition. Ich habe die FAZ auch dabei, aber nicht die heutige Ausgabe.

(Seiters [CDU/CSU] : Die ist aber wichtig! — Dr. von Bismarck [CDU/CSU] : Doch nicht ganz so schnell!)

— Die hier ist genauso wichtig. Ich habe die vom 21. August mit dem Leitartikel von Herrn Fack, in dem er sich mit dem Opportunismus der Opposition auseinandersetzt. Diesen Artikel finde ich lesenswert; ich kann ihn Ihnen gerne überreichen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

In diesem hervorragenden Artikel ist zu Ihrem Nutzen keine destruktive, sondern eine aufbauende Kritik dargelegt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zu der Arbeitslosenfrage noch ein Wort sagen, ohne dem Arbeitsminister in irgendeiner Weise vorgreifen zu können. Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dahinter verbergen sich Einzelschicksale, aber ich habe mich auch gefragt: Wie kommt es, daß wir trotz 500 000 Arbeitslosen und einer Anzahl von Kurzarbeitern — ich will die zweieinhalb Millionen Gastarbeiter, die Sie für frühere Zeiten erwähnt haben, hier nur ergänzend hinzufügen; die sind nämlich auch noch da — in unserem Lande keine Unruheprobleme haben wie andere Länder? Ich glaube, daß dazu die Sozialgesetzgebung dieses Bundestages beigetragen hat. Jedenfalls hat sie dazu beigetragen, das materielle Schicksal dieser Menschen in der Zeit der Arbeitslosigkeit oder der Kurzarbeit erträglich zu gestalten, auch wenn sie in dieser Zeit Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Ich erwähne das aus einem ganz bestimmten Grund aus der Sicht des Wirtschaftsministers. Mir wird nämlich draußen nicht selten von Unternehmern gesagt, Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld seien ja so hoch, daß die statistische Zahl der Arbeitslosen geradezu angereizt werde, größer zu werden. Ich wage zu behaupten, meine Damen und Herren, daß ohne eine soziale Gesetzgebung auf diesem Sektor ein Durchhalten unserer wirtschaftspolitischen Richtung im Sinne der Restriktion und der Rückführung der Inflationsrate nicht möglich wäre, weil die Unruhe im Lande überhandnähme.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich sage das ganz bewußt, weil ich unter Reformen richtig verstanden solche Reformen verstehe,
die den Menschen nützen, aber gleichzeitig den
Handlungsspielraum des Staates im richtigen Sinne weiterhin eröffnen. Dies ist ein Beispiel dafür.

(Beifall bei der SPD und der FDP) Gehen Sie doch in andere Länder!


(Zuruf des Abg. Dr. Sprung [CDU/CSU])

— Ich richte mich immer an die, die ich gerade meine.

(Heiterkeit)

— Nein, das war genau an Sie gerichtet, weil Sie über eine weite Kampagne hinweg diesen Begriff einfach diffamiert haben; das ist doch gar keine Frage.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Welchen?)

— Den Begriff „Reform". — Es hat Ihnen nichts genutzt, daß sie ihn diffamiert haben.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

— Sicher haben Sie das getan, gar keine Frage. (Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Aber zur Sache zurück! Ich will damit nur folgendes sagen: So kommt es, daß wir uns eine solche Ökonomiepolitik leisten können, ohne Unruhen zu haben — weil wir nämlich der Gesamtgesellschaft angemessene Entwicklungen betrieben haben —, Unruhen, wie Sie sie heute in Frankreich erleben können, wo man diese Entwicklungen nicht betrieben hat.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Ich glaube, wir sollten uns gerade in diesem Augenblick ein wenig an diese Frage erinnern.
Nun lassen Sie mich noch ein paar Worte als Übergang zur Prognose sagen, auch die ist ja in der Regierungsvorlage enthalten. Es ist schwierig für die Bundesregierung, sich in einem Debattenbeitrag auf die Opposition einzustellen. Warum? Weil von ihr vormittags zur jetzigen Lage praktisch kaum etwas gesagt worden ist, und weil ihre öffentlichen Äußerungen eigentlich alles hergeben.
Ich will es nicht bei dieser Behauptung bewenden lassen. Sehen Sie, da gibt es ein Zitat — jetzt greife ich in das Ressort meines Kollegen Apel ein von Dr. Strauß: Die Zuwachsrate beim Bundeshaushalt betrage nicht 8 Prozent, wie der Kanzler „wahrheitswidrig" — ich zitiere wörtlich — behauptet habe, sondern 14 Prozent. — Da gibt es ein Zitat von der außerparlamentarischen Opposition — ich meine Herrn Stoltenberg — —

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

— Das ist doch wohl so. Das ist ein neuer Inhalt für einen alten Begriff.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Wo fängt Ihr parlamentarisches Verständnis an?)

— Man muß ja in der Mittagspause ein bißchen auflockern.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Sie sind ja auch nicht Angehöriger des Parlaments und insofern auch in der Opposition!)




Bundesminister Dr. Friderichs
— Ich war in der Opposition, aber in der parlamentarischen,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

und zwar, als Herr Strauß mit Herrn Schiller die Ankurbelung betrieben hat, zu der ich mich nachher noch äußern will.

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das waren noch Zeiten!)

Also, Herr Strauß sagt jedenfals: 8% sind falsch, 14 % sind richtig. Herr Stoltenberg — ich zitiere — sagt:
Der Bund hat das Haushaltswachstum nominal auf etwa 8, real auf über 9 % gehalten.
Da ich hier nicht gern mit Zahlen herumoperiere, möchte ich an dieser Stelle nur eine Wertung geben, die ich wiederum Äußerungen der CDU entnehme. Dazu sagt der Pressesprecher Pruys:
Für die Wirtschaftspolitik ist Gerhard Stoltenberg zuständig. Wenn man sich an ihn hält, hat man die Stellungnahme der CDU.
Herzlichen Dank, also, das Problem ist gelöst!

(Große Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

— Nur Zitate, sonst gar nichts!
Wollen wir das ein bißchen fortsetzen, um uns langsam an die ökonomische Realität heranzuarbeiten: Zimmermann, CSU — ich zitiere —: „Unzureichende Dämpfungsmaßnahmen in der Stabilitätspolitik." Strauß: empfiehlt Senkung der Mineralölsteuer, Halbierung der Mehrwertsteuer für Kauf von Gebrauchtwagen. Höcherl: Zur Belebung der Konjunktur halber Mehrwertsteuersatz auf Fernsehgeräte, Elektroherde, Spülmaschinen und Textilien.

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

Das war die Zitatgruppe Stabilität.
Wir kommen zur Zitatgruppe Automobilbranche. Müller-Hermann: Maßnahmen für die notleidende Automobilbranche. Narjes empfiehlt: Eine Revision der Wachstumserwartungen im Verkauf von Automobilen sowie eine Korrektur der Standorte. — Das sind alles Zitate. Ich sage gar nichts dazu. — Biedenkopf: „Man muß bei den Forderungen nach staatlichen Hilfen vorsichtig sein." Es muß vermieden werden, auf Dauer Strukturen zu erhalten, die sich in der internationalen Arbeitsteilung a s nicht mehr optimal erwiesen haben. — Das deckt sich mit der Studie der Bundesregierung zur Situation der Automobilindustrie.
Geld- und Kreditpolitik: Biedenkopf: verlangt die Fortsetzung der restriktiven Geld- und Kreditpolitik. Ich zitiere wörtlich:
daß ein Volk, das die Inflation wieder in den Griff bekommen will, das also seinen Haushalt stabilisieren möchte, sich einfach damit abfinden muß, daß gespart werden muß.
Von Bethmann: Wirtschaftsrat der CDU, fordert die Bundesbank auf, „das Zinsruder schnell herumzuwerfen und auf Gegenkurs zu gehen".
Erlauben Sie mir, daß ich es bei dieser Blüte bewenden lasse, um darzustellen, wie die Lage in der Argumentation der Opposition augenblicklich ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Von der Regierung erwarten Sie mit Recht eine einheitliche Stellungnahme. Die ist Ihnen sogar in Form ,der Konjunkturanalyse und -prognose schriftlich gegeben worden. Ich will hier nur die wichtigsten Punkte wiederholen: Wir haben ein reales Wachstum von 1,3 % im ersten Halbjahr. Ich erwarte im gesamten Jahr ein reales Wachstum von etwa 1,5 %. Im Jahreswirtschaftsbericht hatten wir maximal 2 °/o prognostiziert. Sie selbst wissen, daß es um die Jahreswende herum viele Menschen gab — ich habe nicht zu ihnen gehört — die geglaubt haben, wir hätten sogar eine negative Wachstumsrate in diesem Jahr wegen der Ereignisse von außen und der Problematik, genügend Energie zur Aufrechterhaltung der deutschen Produktion bereitstellen zu müssen. Das ist alles längst vergessen, wie ich den Eindruck habe.
Wir hatten im August eine Preissteigerungsrate von 6,9 %. Wir rechnen — bitte, mit allen Vorbehalten — im Durchschnitt des Jahres mit 7 bis 7,5%, wobei wir davon ausgehen, daß es möglicherweise in diesem und im nächsten Monat etwas mehr, dann aber wieder etwas weniger sein wird. Was ich aber für wichtiger halte — Sie haben einen Anspruch, darüber zu diskutieren — ist folgendes! Wir rechnen damit, daß wir beim Preis einen Überhang von 3 Prozent haben, mit dem wir aus dem Jahre 1974 in das Jahr 1975 gehen. Dieser Überhang ist nach meiner Meinung ganz wichtig, weil er kurvenbestimmend ist, weil er die Inflationserwartung letztlich ein bißchen quantitativ mitausdrückt. Dieser Überhang betrug vor einem Jahr 3,5 %. Ich muß Ihnen sagen: wir haben zum ersten Mal — ich glaube sogar seit der Rezession 1966/67 oder dem, was man so genannt hat —, wieder eine niedrigere Überhangrate als im Vorjahr.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Warum?)

— Das ist gar keine Frage, warum: Weil wir im Mai vorigen Jahres in der Tat eine Stabilisierungspolitik begonnen, eingeleitet und durchgesetzt haben, die härter war, als viele im Lande, einschließlich der Mitglieder der Opposition, es sich vorstellen konnten, und weil wir sie trotz einer psychologisch nicht immer ganz einfachen Lage durchgehalten haben.
Herr Dr. Strauß, nun machen Sie es sich natürlich ein bißchen einfach, wenn Sie sagen: Diese niedrige Preissteigerungsrate liegt unter Ihrer Projektion — die übrigens nicht 10, sondern 8,5% bis 9,5% betrug; auch das können Sie nachlesen —; da stecken ja die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise drin! — Das ist völlig richtig. Sie stecken natürlich darin. Das bestreite ich auch gar nicht, und das steht auch in der Vorlage, wenn ich mich recht entsinne. Aber wenn Sie dann in demselben Atemzug die Situation in der Landwirtschaft beklagen, müssen Sie sich ent-



Bundesminister Dr. Friderichs
scheiden: entweder — oder. Das ist das Problem, vor dem Sie im Augenblick stehen. Sie wollen eigentlich beides zur gleichen Zeit, obwohl Sie wissen, daß die Ziele miteinander im Zielkonflikt liegen.
Ich will sagen: die Tatsache, daß wir im Moment „nur" 3 % Überhang haben und daß ich nie beschönigt habe, daß 6,9 % oder 7% natürlich unbefriedigend sind, daß sie aber trotzdem dazu geführt haben, daß wir nicht nur im Fußball, sondern sogar da Weltmeister sind, muß doch zu denken geben. Sind Sie wirklich in der Lage, über die Entwicklungen unserer Nachbarländer einfach hinwegzugehen, ohne zu sehen, daß unsere unmittelbaren Nachbarn, unsere unmittelbaren Handelspartner — Frankreich, Italien, England, USA und die Schweiz — nicht nur höhere Raten als wir haben, sondern daß der Abstand 100 %, ja 200 % beträgt? Es geht doch nicht um eine Erhöhung der Rate von 7 % auf 8%, sondern es geht um eine Erhöhung von 7 % auf 14 % und von 7 % auf 20 %. Es ist richtig, wenn Sie sagen: Ergo exportiert ihr reales Sozialprodukt. Nur dürfen Sie dann keinen Punkt machen, sondern müssen fortfahren: und importiert ein bißchen Inflation. Das ist unbestritten. Wollen wir uns als eine der beiden größten Handelsnationen der Welt denn aus diesem Warenaustausch zurückziehen? Ich will das nicht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0711621900
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0711622000
Bitte, selbstverständlich!

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0711622100
Herr Bundesminister Friderichs, wollten Sie mit den Darlegungen der letzten fünf Minuten wirklich ausdrücken, daß Sie der Überzeugung sind, daß diese Regierungen seit 1969 von den Bestimmungen des Stabilitätsgesetzes jeweils zur rechten Zeit den richtigen und angemessenen Gebrauch gemacht haben und infolgedessen an den Arbeitslosenzahlen und den Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Alteren, die arbeitslos geworden sind, völlig unschuldig sind?

(Zuruf von der CDU/CSU: Er lächelt jetzt schon!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0711622200
Herr von Bismarck, ich würde niemals — ich glaube, Sie kennen mich dafür gut genug — behaupten, daß eine Regierung immer und zu allen Zeiten zum rechten Zeitpunkt den richtigen Gebrauch macht. Dies zu behaupten, wäre eine Unverschämtheit. Nur eine Regierung, die nichts tut, macht keine Fehler.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre der größte Fehler!)

— Natürlich wäre das der größte Fehler. Den Men-
schen geht es übrigens meistens ganz genauso.
Das ist doch gar keine Frage. Wir wissen doch
ganz genau, wie das in den sechziger Jahren war. Wir können lange philosophieren, ob das Gasgeben 1966/67 zu viel, zu wenig und zum richtigen Zeitpunkt war. Nur, was die Einleitung des Programms im Mai vorigen Jahres anbelangt, an dem ich vielleicht nicht ganz unbeteiligt war, wann, wie und in welcher Form es durchgeführt wurde, muß ich Ihnen sagen: eine Außenvoraussetzung war, daß wir von den festen Wechselkursen wegkamen. Das ist doch keine Frage. Wir hätten doch sonst voriges Jahr — nehmen wir einmal den Januar — bei der damaligen Weltwährungssituation das, was die Deutsche Bundesbank und die Bundesregierung taten, einfach nicht tun können.
Ich will damit nicht sagen, daß nicht zu anderen Zeiten in anderer Form anderes hätte getan werden können; genauso wie ich offen zugebe, daß es auch im Mai vorigen Jahres eine Reihe alternativer Überlegungen gab, unbestritten. Lassen Sie mich das ganz deutlich sagen. Ich will nur eine erwähnen: Natürlich haben wir darüber diskutiert, ob wir die Stabilitätsabgabe in den lohnkonsumtiven Bereich herunterziehen sollten oder nicht. Wir haben lange darüber diskutiert, ob das politisch durchsetzbar ist. Das spielt dabei doch eine Rolle. Wir haben aber auch durchdiskutiert, wie es auf die Tarife wirkt. Wir haben das nicht nur mit den Arbeitnehmern diskutiert. Nein, ich habe auch mit den Arbeitgeberorganisationen diskutiert, was sie sagen, wenn wir unten ansetzen, ob das zu einem neuen Druck an die Tariffront führen würde, solange Angebot und Nachfrage auf keinem Markt ausgeglichen sind.
Bitte, niemand sollte behaupten, daß er damals ein Patentrezept gehabt hat oder es heute hat.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Nur muß man wenigstens ein Rezept haben, kein Patentrezept. Das, was heute morgen geboten worden ist, war eben kein Patentrezept,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

sondern war ein Aneinanderreihen von Kritiken, von Persiflagen und sicherlich, wie ich zugebe, einer ganzen Reihe netter Gags.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es war wenigstens ein Patent!)

Ich möchte auf den außenwirtschaftlichen Teil, soweit er insbesondere monetär ist, nicht im einzelnen eingehen. Kollege Apel hat dies gestern, wie ich finde, trefflich dargestellt und wohl auch deutlich gemacht, in welchem Ausmaß jetzt endlich auch die Finanzminister anderer Länder bereit sind zu erkennen ,daß sie mit einer inflationären Politik — ich wage Italien oder auch andere zu nennen — nicht überholen können, was sie glaubten überholen zu können.
Ich möchte ihm nur wenig hinzufügen. Neben all den Risiken — Recycling der Ölmilliarden etc. — müssen wir natürlich wissen, daß auf Dauer die größte Gefahr eine Weltinflation ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, meinen Sie wirklich, daß Sie es sich als einziges Land — noch dazu in einer europäischen Gemeinschaft, aber lassen wir



Bundesminister Dr. Friderichs
das ruhig einmal beiseite — bei unserer weltwirtschaftlichen Verflechtung leisten können, zu sagen: Wir machen eine Preissteigerungsrate von null, während sie um uns herum 15 %, 20 %, 25 % beträgt? Könnten Sie sagen, das interessiert uns überhaupt nicht? Das ist doch grotesk. Wer das meint, kennt doch wohl die weltwirtschaftlichen Zusammenhänge nicht.
Ich will hier keine Rechnung aufmachen, was home made, was importiert ist. Beide haben wir, unbestritten.

(Dr. Zeitel [CDU/CSU] : Na also!)

— Moment, nur wie Sie es darstellen, Herr Zeitel, ist doch das Problem. Deswegen würde ich mich lieber auf Herrn E m m i n g e r beziehen. Er meinte kürzlich in einem Vortrag darstellen zu sollen — er ist in diesem Punkt sicher nicht von der Bundesregierung beeinflußt —, daß man im Augenblick — ich sage: im Augenblick — sagen könne, das sei etwa halbe-halbe. Wenn Sie das bei 7 % rechnen und sich in der Welt umschauen, dann stehen wir zwar nicht zufrieden da, aber unstreitig besser als alle anderen miteinander. Ich sage Ihnen: alle anderen miteinander.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Daraus ergeben sich für die staatliche Politik Folgerungen.
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang noch ein Wort zu der Frage: „Starten, ja oder nein" sagen. Herr Dr. Strauß, Sie haben die Gefahr an die Wand gemalt, daß die Konjunktur, soweit sie überhaupt laufe — und sie läuft nur sehr bescheiden — von den Auslandsnachfragen getragen wird und nicht von der Binnenkonjunktur. Richtig, steht alles in unserer Analyse. Nur, Konsequenz: Wollen Sie damit sagen: „Produziere jetzt eine parallele Binnennachfrage!"? Eine Regierung kann doch eigentlich nur abwarten, was die — von Ihnen als Insolvenzländer bezeichneten — Länder tun. Wenn sie wirklich Stabilitätspolitik machen — ich wünschte es —, dann steht fest, daß die Nachfrage aus diesen Ländern zurückgeht. Dann ist der Zeitpunkt gekommen

(Zuruf von der CDU/CSU: Was sagt der Bundeskanzler an die Adresse der USA?)

— ach, machen Sie es sich doch bitte nicht so einfach —, um parallel zu diesem Prozeß die Binnennachfrage im entsprechenden Umfange zu beleben. Aber wo kommen wir denn hin, wenn wir, solange die Nachfrage von draußen anhält — ob das Motiv dafür eine höhere Inflationsrate oder was auch immer ist - parallel dazu sagen: Ich stärke die
Binnennachfrage? Dann haben wir doch wieder dasselbe mit Übernachfrage von drinnen und draußen und finden uns auf dem nächsthöheren Niveau wieder. Dann allerdings, Herr Strauß, waren alle Maßnahmen seit Mai vorigen Jahres umsonst. Das kann man den Betroffenen, wer auch immer es ist, allerdings nicht zumuten. In dieser Hinsicht stimme ich Ihnen zu.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sagen Sie mal, wer das gefordert hat!)

Deswegen glaube ich, wir sollten uns hüten, zu früh durchzustarten, obwohl dies vielleicht in manchen Gebieten der Bundesrepublik populärer wäre, als noch bei dem jetzigen Kurs zu bleiben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat mit der Realität gar nichts zu tun!)

Ich meine, daß die Überschrift im Wirtschaftsteil der „Zeit" von heute richtig ist, die da heißt: „Inflation noch nicht besiegt, aber in die Ecke gedrängt." Ich glaube, diese Überschrift umschreibt das, was wir haben, gut. Daraus resultiert eben eine global insoweit weiterhin restriktive Politik, als die Bundesbank noch ein bißchen vorhält, allerdings mit der nötigen Feinsteuerung. Aber auf der anderen Seite bemühen wir uns, mit dem 900-Millionen-Programm, von dem ich hoffe, daß wir es mit den Ländern zu ihrer Zufriedenheit abstimmen können, die Bereiche abfedern, die — aus welchen Gründen auch immer
— besonders betroffen sind.
Ich sagte: aus welchen Gründen auch immer. Erlauben Sie mir auch dazu ein Wort. Es ist doch geradezu eine Irreführung der Bevölkerung, wenn man ihr weismachen will, daß die Probleme beim Hochbau ausschließlich konjunkturbedingt seien.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr! — Zuruf von der CDU/CSU: Wer sagt denn das?)

— Gehen Sie einmal in den Wahlkampf hinaus und hören Sie einmal Ihre eigenen Freunde an. Das ist doch gar keine Frage! Ich war in Bayern.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Wir auch! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie tun ja fast so, als ob Sie den Wahlkampf allein bestritten!)

— Sie brauchen mir doch nicht zu erzählen, wie dort operiert wird. Wo sagt denn jemand in einer kritischen Zone, also dort, wo die Betroffenen sitzen, schlicht und einfach: Ihr habt im Hochbau eine Überkapazität, die wir auf das Maß zurückführen müssen, das mittelfristig gebraucht wird? So steht es in der Erklärung der Bundesregierung.

(Dr. von Bismarck [CDU/CSU] : Inflationsinduziert! Das wissen Sie doch! Das kann man in der Diskussion doch nicht einfach unterdrücken!)

— Herr von Bismarck, selbst wenn wir in der Beurteilung der Vergangenheit einer Meinung wären, sollten wir in dieser Lage eigentlich den Mut haben, einmal zusammen nach vorn zu schauen. Bis jetzt war auf Ihrer Seite heute davon noch nichts zu merken, überhaupt nichts.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich habe Ihnen klar gesagt: Wir wollen diese Politik weiterbetreiben. Ich erwarte von der Opposition, daß sie entweder sagt: Nun gut! — wie das Herr Kohl und, etwas abgewandelt, auch Herr Stoltenberg sagen —, oder daß sie sagt: Nein! Dann sagen Sie aber bitte, w a s Sie wollen. Wollen Sie Gas geben? Wollen Sie das bei den Autos machen oder nicht? Um es deutlich zu sagen: Die Vor-



Bundesminister Dr. Friderichs
schläge von Herrn Strauß im Hinblick auf den Automobilbereich sind doch nachgerade ein Witz.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Glauben Sie ernsthaft, daß durch die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich durch eine Erhöhung der Kilometergeldpauschale, die doch voraussetzt, daß man Auto fährt — sonst kann man die Pauschale ja nicht in Anspruch nehmen —, der Automobilabsatz belebt wird, von dem Herr Strauß genausogut weiß wie ich, daß sein Rückgang ganz bestimmte Ursachen — struktureller Art, Marktsättigung — hat? Die Automobilindustrie selbst sieht das ganz gelassen und sagt: Wir wissen, daß wir in Zukunft in einem hohen Teil unserer Produktion für die Ersatzbeschaffung fertigen müssen, weil der Motorisierungsgrad bei uns ein Ausmaß erreicht hat, das zusätzliche Absatzreserven fast oder gar ganz erschöpft hat. Das bedeutet gleichzeitig, daß, wenn die Bevölkerung sich entschließt, das Auto ein halbes Jahr länger zu fahren, plötzlich andere Mengensteuerungen auf die Unternehmungen zukommen. In einem Land mit einem so hohen Sättigungsgrad wie Amerika ist das eine Selbstverständlichkeit. Und dann bekommen wir jetzt mit freundlichen Grüßen solche merkwürdigen Empfehlungen, die die von Herrn Strauß vielzitierte „dramatische Haushaltslage" noch weiter verschlechtern würden. Das ist doch wohl gar keine Frage.

(Beifall bei der FDP und der SPD) Rechnen Sie sich das doch einmal aus!

Wofür ich Verständnis habe — das ist ein Punkt, den ich mit Herrn Müller-Hermann besprochen habe —, ist folgendes: Wie kann man dafür sorgen, daß dieser Prozeß durchgestanden wird, von dem nicht die Autoindustrie dramatisch getroffen wird, sondern der Kraftfahrzeughandel und das Kraftfahrzeughandwerk peinlich berührt werden, weil sie sich auf Empfehlungen ihrer Herstellerwerke verlassen und investiert haben und ihnen nun plötzlich die Einnahmen ausbleiben? Da liegt ein kritischer Bereich. Deswegen habe ich gesagt: Jawohl, wir müssen mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau über die Frage Mittelstandsprogramm für diese Firmen reden, um ihnen die Investitionsfinanzierung zu erleichtern. Aber wir dürfen nicht auf der anderen Seite Steuermittel verschenken, damit diejenigen, die kapitalkräftig genug sind, um eine solche Anpassung durchzustehen, noch aus dem Staatshaushalt durch Einkommensübertragungen subventioniert werden. Das macht Ihre Politik so unglaubwürdig, daß Sie das hier alles verkünden und noch erwarten, daß man Ihnen das abnimmt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

In diesem Zusammenhang reden Sie natürlich denen das Wort, die sagen, die Globalsteuerung habe versagt. Ich gehöre nicht zu denen. Denn das müssen Sie wissen, die ganzen sektoralen Ankurbeleien, die bei Ihnen von jedem für etwas anderes vorgeschlagen werden, gehen alle in dieselbe Richtung. Was soll man eigentlich davon halten, wenn jemand das Wort Marktwirtschaft im Munde führt, der in diesem Punkt wegen seiner Vergangenheit mit hohem Grad an Glaubwürdigkeit ausgestattet ist, aber
in seinen faktischen Handlungen permanent dagegen verstößt? Denn das, was Sie uns hier empfehlen, läuft doch auf solche Verstöße hinaus. Das sind fast verkehrte Fronten; das ist ganz merkwürdig. Sie haben den Markenartikel aus vergangener Zeit ererbt, und offensichtlich polieren Sie ihn auch hin und wieder. Aber das reicht nicht. Sie müssen ihn mit praktischer Politik ausfüllen. Da können Sie nicht dauernd sagen: Wir sind für Marktwirt-. schaft, da verstoßen wir ein bißchen, da machen wir ein bißchen Sektoralpolitik, da machen wir ein bißchen Indexierung.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Was machen Sie mit den 900 Millionen?)

— Die setzen wir eben nicht sektoral ein,

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Gar nichts für das Baugewerbe, überhaupt nichts?!)

abgesehen davon, daß ich gar nichts dagegen habe, daß Sie unter dem Schirm der Globalsteuerung auch sektorale Politiken betreiben.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

— Nun, es kommt doch darauf an, wie Sie es machen, ob Sie nun wirklich sagen, mit der Kanne übers Land, — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Das will doch niemand! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Bauen Sie doch nicht dauernd Pappkameraden auf!)

— Moment, Moment! Ich will Ihnen gleich sagen, wo der Unterschied ist. Ich will diese 900 Millionen DM, soweit ihre Ausgabe in der Zielrichtung nicht nur beschäftigungspolitisch ist — darüber müssen wir im Moment mit den Ländern sprechen —, soweit sie also in einen Sektor gehen, z. B. in die Bauwirtschaft, eben nicht benutzen, um diesen Bereich auf einer Kapazität zu halten, die mittelfristig nicht gebraucht wird. Es geht vielmehr darum, sie sich an den mittelfristig erforderlichen Bedarf anpassen zu lassen und sie im Augenblick nicht daruntersausen zu lassen. Denn wenn ich Kapazitäten vernichte, die ich im nächsten Jahr brauche, ist das nicht sehr klug. Die Vorschläge bezüglich der Autos tragen dazu überhaupt nicht bei.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Also doch sektoral! — Gegenrufe von der SPD)

— Ich habe versucht, es zu erklären. Ich will das Beispiel zu Ende bringen. — Sie tragen deswegen dazu nicht bei, weil dort niemand dabei ist, später benötigte Kapazitäten zu vernichten. Ich sage noch einmal, ich unterscheide das sehr wohl von den Diskussionen mit Herrn Müller-Hermann über die Frage, was man für den mittelständisch strukturierten Bereich des Kraftfahrzeughandwerks und des Kraftfahrzeughandels tun muß.
Solche Politik branchenstruktureller Art in dieser Einbettung müssen Sie und können Sie natürlich machen. Aber das andere, was da vorgeschlagen wird, ist eben schlicht und einfach anderes. Denn es beinhaltet auch noch die Gefahr, daß Sie damit am Ende, was früher so häufig getan worden ist, nicht



Bundesminister Dr. Friderichs
einen strukturellen Prozeß weiter fördern, sondern sich im Gegenteil dazu verleiten lassen, Strukturen, die einer Wandlung im Sinne langfristigen Wachstums bedürfen, mit staatlichen Mitteln zu erhalten. Und dazu bekenne ich mich nicht, weil ich der Meinung bin, die Sicherung der Arbeitsplätze von übermorgen ist der Strukturwandel von heute. Dazu muß man stehen, auch wenn er weh tut.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Und er tut weh; das wissen wir. Strukturwandel ohne schmerzliche Anpassungsprozesse gibt es nicht. Da können Sie allenfalls weiße Salbe draufschmieren; aber das sollten wir lieber lassen.
Das heißt, ich bekenne mich zur Globalsteuerung, nicht ihrer Vermengung mit Strukturpolitik, sondern zu einer Strukturpolitik, die der Globalsteuerung an die Seite gestellt wird und die daher bewußt und gezielt neben ihr eingesetzt wird. Ich betone dies. Das ist nämlich ein Unterschied, ob Sie das alles zu einem Mixtum compositum zusammenmachen oder nicht.

(Dr. Zeitel [CDU/CSU] : Was soll denn das? Wir haben ja keine Differenzen!)

Na gut, das ist ja prima!
Im übrigen ist diese Problematik — wie ich finde — hervorragend beschrieben in einem Vortrag eines Mitarbeiters des Prognos-Instituts, der heute auszugsweise in der „Welt" veröffentlicht ist, wo er in wenigen Sätzen dies Problem darlegt. Ich war sehr froh, heute morgen feststellen zu können, daß exakt dies, was er darlegt, Grundlage der Kabinettsvorlage und damit auch der Strategie geworden ist, die wir am 11. September in Fortführung der Regierungserklärung beschlossen haben.
Wenn Sie zur Prognose noch etwas hören wollen: In Wahrheit ist es doch so, daß ein Teil wachstumsbelebender Impulse ohnehin auf uns zukommt. Da ist einmal die Tatsache der Stufentarifverträge des vergangenen Herbstes, die im zweiten Halbjahr einen Zusatz an Kaufkraft mit sich bringen. Da ist die Rentenerhöhung. Da sind die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden, die im Verlauf des Jahres 1974 konjunkturpolitisch eine expansive Wirkung haben; das ist, glaube ich, unbestritten, wenn Sie sich aller Gebietskörperschaften einmal annehmen. Da ist die Kreditpolitik der Bundesbank, die, wie ich noch einmal sagen muß, nicht darauf gerichtet ist, stur an irgendeinem Restriktionskurs festzuhalten, sondern die darauf gerichtet ist, mit den Mitteln der Feinsteuerung die Geldmenge so anzupassen, wie sie dem jetzigen Ablauf entspricht. Dies ist nach meiner Meinung das sollte man der Bundesbank auch einmal positiv öffentlich sagen — in den letzten Monaten hervorragend gelungen, auch wenn Sie sich die Geldmengen-Prozentzuwachsraten einmal ansehen. Da ist kein Gegensteuern, sondern eine ganz behutsame Politik, die darauf hindeutet, den Stabilisierungszipfel zu ergreifen, um ihn festzuhalten, die aber nicht darauf gerichtet ist, nach der einen oder nach der anderen Seite zu übersteuern.
Meine Damen und Herren von der Opposition, es ist nicht einfach für die Bundesregierung — dem Kanzler am Samstag in Paris und dem Finanzminister am Wochenende vorher bei seinen Kollegen die Vorwürfe von draußen aus der Gemeinschaft abzuwehren, wir seien mit unserer Politik der eigentliche Störenfried. Es ist doch wohl keine Frage, daß diese Vorwürfe massiv kommen. Wir sind der Meinung, hier werden Ursache und Wirkung verwechselt, und haben den Kollegen gesagt: macht selber eine Stabilitätspolitik, und haben uns allerdings — da meine ich, das muß man tun, wenn man zur Gemeinschaft nicht nur ein Lippenbekenntnis abgibt zu einer Aktion zugunsten von Italien entschieden, nicht leichten Herzens, wie ich dazu sagen will, um Schlimmeres von der Gemeinschaft übrigens auch von unserer eigenen Volkswirtschaft — abzuwenden. Auch dieser Regierung wäre es sympathischer gewesen, dies hätte die Gemeinschaft als Ganzes gemacht. Sie hätte es aber nicht zu dem Termin machen können, zu dem der Begriff, den Herr Dr. Strauß für diese Länder geprägt hat, den ich nicht gern übernehmen möchte, nämlich Insolvenz, ins Haus gestanden hätte. Das war ganz einfach die Entscheidungsvoraussetzung, vor der wir standen, —ob es uns gepaßt hat oder nicht. Alles in allem sah ich dazu keine Alternative. Das muß man dann auch vor der Öffentlichkeit vertreten, auch vor der Öffentlichkeit, die es kritisiert, weil sie sagt, Schwierigkeiten bei Schuhen und Textilien kommen zum Teil von Importen aus Italien. Richtig ist allerdings, daß ich den Beschwerden dieser Wirtschaftszweige über die Frage, wie die Preise in den Ländern zustande kommen, über die Europäische Gemeinschaft mit Nachdruck nachgehen werde.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu einem Punkt sagen, der in den nächsten Wochen wahrscheinlich für uns eine große Bedeutung haben wird. Ich glaube, daß die Frage der Einkommenspolitik für das, was wir erreichen wollen, von ganz entscheidender Bedeutung ist. Es ist gar keine Frage, daß wir im Augenblick und auch im letzten Jahr ein Auseinandergehen der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen auf der einen Seite und der Arbeitnehmer auf der anderen Seite haben. Es ist unbestritten, Herr Dr. Strauß, daß wir eine solche Entwicklung vorübergehend haben können. Sie mag dann sogar aus mancher Sicht heraus zweckmäßig sein; denn das Programm vom Mai zielte ja ein bißchen in diese Richtung, das nicht in einer anderen Richtung auseinanderlaufen zu lassen. Aber auf Dauer brauchen Sie natürlich eine Einkommensentwicklung die auch bei den Selbständigen und Unternehmern so ist, daß sie ihre Investitionen finanzieren können. Das ist unbestritten. Daher wird sehr viel von der Frage abhängen, ob und wie sich die Tarifauseinandersetzungen im Herbst dieses Jahres abspielen werden.
Sie haben in diesem Zusammenhang etwas wiederholt, was Herr Dr. Stoltenberg immer wieder fordert, nämlich wir sollten nun endlich einmal Orientierungsdaten geben; wir gäben ja keine. Ich will noch einmal versuchen, dieser Phantomdis-



Bundesminister Dr. Friderichs
kussion ein Ende zu machen. Sie müssen endlich einmal sagen, was Sie darunter verstehen.
Ich habe Herrn Stoltenberg am 5. Juni geschrieben, er habe sich in einem „Spiegel"-Interview am 20. Mai dazu geäußert und gesagt, wir machten das alles nicht, und ich sei der Meinung, wir hätten es getan. Ich bat Herrn Stoltenberg in diesem Schreiben, er möge mir doch bitte einmal sagen, was er unter Orientierungsdaten verstehe. Es kam ein Brief, in dem er mir einiges gesagt hat, aber nicht, was er unter Orientierungsdaten versteht.
Ich habe ihm, weil er sich jetzt wieder geäußert hat, am 11. September ein Fernschreiben geschickt. Aus diesem Fernschreiben geht eigentlich hervor, warum wir nicht übereinkommen, ob wir die Orientierungsdaten geben oder nicht geben. Das sollten wir wirklich einmal in dieser Debatte klären, damit vor der Konzertierten Aktion klar ist, ob das, was wir sagen, Orientierungsdaten in Ihrem Sinne sind oder nicht.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Ich zitiere aus dem Fernschreiben. Ich schrieb wörtlich:
Da es meines Erachtens in einer für die Volkswirtschaft so wichtigen Frage keine Gegensätze nur wegen Unklarheiten geben darf, möchte ich Sie heute noch einmal bitten, mir dies konkret zu erläutern (was Sie darunter verstehen).
Dann geht es weiter:
Meinen Sie Eckwerte für Projektionen in der Form der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, unter anderem also die Eckwerte für die Entstehung, die Verwendung, die Preisentwicklung und die Verteilung des Sozialprodukts? Damit werden ja bekanntlich auch Eckwerte für die Einkommensentwicklung aus Unternehmertätigkeit und Vermögen einerseits als auch aus unselbständiger Arbeit andererseits gegeben. Wir haben diese Orientierungsdaten gemäß § 3 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes stets zum angemessenen Zeitpunkt bekanntgegeben und in den Gesprächen im Rahmen der Konzertierten Aktion die laufende Entwicklung ausführlich erörtert. Wie Sie wissen, ist das nächste Gespräch am 24. September. Oder meinen Sie
— und diese Fage müssen Sie nun einmal beantworten —
regelrechte Lohnleitlinien für das Tarifniveau oder gar für einzelne Tarifabschlüsse? Dies würde allerdings
— so fahre ich mit meiner Meinung fort —
unter anderem bedeuten aus den Eckwerten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung z. B. die Differenz zwischen Effektiv- und Tariflöhnen, den statistischen Überhang jeder Durchschnittsrechnung aus dem vorangegangenen Jahr, die Entwicklung der Beschäftigtenzahl sowie die zeitliche Verteilung und Gewichtung der Tarifabschlüsse herauszurechnen.
Das sind die beiden Positionen.
Ich verstehe unter Orientierungsdaten im Sinne des § 3 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes das, was ich anfangs beschrieben habe. Ich verstehe dies nicht deswegen darunter, weil das für mich bequemer ist, sondern deswegen, weil ich das Gesetz gelesen habe. Da das Gesetz keine ausreichende Auskunft über diesen Tatbestand gibt, habe ich dann die Protokolle des Wirtschaftsausschusses nachgelesen. Die Beschlußfassung und die Erörterung im Wirtschaftsausschuß — wenn ich mich recht entsinne, meine Damen und Herren, waren CDU und SPD damals in einer gemeinsamen Regierung, ich in der Opposition; wenn ich mich jetzt auf etwas beziehe, beziehe ich mich auf Sie, nicht auf mich — gehen nach den Materialien zum Gesetzentwurf eindeutig in diese von mir zitierte Richtung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Bitte, nehmen Sie zur Kenntnis: Diese Orientierungsdaten wird es auch in diesem Jahr zum richtigen Zeitpunkt und vor dem richtigen Gremium, nämlich in der Konzertierten Aktion, geben. Wenn Sie Lohnleitlinien wollen, dann sagen Sie dies bitte. Damit Sie es aber gleich wissen: Ich sage Ihnen dazu ein eindeutiges Nein.

(Beifall bei SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0711622300
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711622400
Herr Minister, nachdem Sie soeben die bevorstehenden Auseinandersetzungen auf dem Lohnsektor im Herbst angesprochen haben: Wären Sie Ihrerseits bereit, Ihre Meinung und Ihre Orientierung dazu bekanntzugeben, ob zweistellige Lohnerhöhungen vertretbar sind?

(Lachen und Zurufe von der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0711622500
Ich darf also zur Kenntnis nehmen: Sie wollen gern Lohnleitlinien haben.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Nein! — Zurufe von der SPD: Natürlich! — Was denn sonst?)

— Aber pardon! Was denn sonst? Entschuldigen Sie bitte. Wenn ich sage, keine zweistelligen Prozentzahlen — wir wollen das einmal so unterstellen —, dann kommt doch gleich die nächste Frage: 9,5 %, 9 % oder?

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Ich kann leider nichts dazu, daß die meistgelesene oder erfühlte deutsche Zeitung nichts darüber geschrieben hat, wie diese meine Aussage zustande gekommen ist. Um es Ihnen klar zu sagen: „Bild am Sonntag" hat am vergangenen Sonntag ein Interview mit mir veröffentlicht mit der ersten Frage, die diesem Thema galt, und mit meiner Antwort. Dieses Interview war fernschriftlich gegeben; heute muß ich sagen: gottlob! In dem Fernschreiben war weder die Frage noch die Antwort enthal-
Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7767
Bundesminister Dr. Friderichs
ten. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen; weder die Frage noch die Antwort. Das wird übrigens von der Redaktion nicht bestritten.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Ich möchte aber ausdrücklich sagen, damit kein Mißtrauen von Ihnen gegenüber Bonner Korrespondenten aufkommt: Es ist auch nicht in Bonn herein-geschrieben worden.

(Aha! bei der SPD)

Da haben Sie meine Lohnleitlinien, nicht wahr? Ich habe Herrn Althammer klar gesagt: volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, alle Eckdaten. Daraus können Sie alles herausrechnen. Die werden wir geben, und das will das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz.
Nun kann ich mit Ihnen über die Frage diskutieren: Wären Lohnleitlinien zweckmäßig oder unzweckmäßig? Ich sage noch einmal: Das Gesetz sieht sie nicht vor. Ich gehe sogar so weit zu sagen: Lohnleitlinien sind eigentlich nicht Bestandteil einer marktwirtschaftlichen Ordnung, weil sie nämlich in die Tarifpolitik hineingehen. Das ist doch keine Frage.

(Beifall bei der FDP und SPD)

Sie gehen hinein in die Tarifautonomie, die ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht in diesem Lande ist.
Aber nun kommt noch eine Zweckmäßigkeitsantwort.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Genau das war meine Frage!)

Ich gebe Ihnen noch eine Antwort, die nichts mit dem Gesetz zu tun hat, nichts mit der Ordnungspolitik, sondern mit der Zweckmäßigkeit. Auch die kriegen Sie. Wenn ich befürchten muß, daß eine Lohnleitlinie X, die ja notwendigerweise eine Durchschnittszahl sein muß, die sich zusammensetzt aus Tarifbereichen, die darunter liegen, und aus Tarifbereichen, die darüber liegen, im politischen Alltag draußen nicht als Durchschnittszahl, sondern als die Meßlatte empfunden wird, über die erst einmal jeder springt, wobei die Kraft des Springers dann auch daran gemessen wird, wie hoch er darüber hinwegspringt, dann wäre ich auch politisch-taktisch schön dumm, wenn ich so etwas täte. Das ist der zweite Punkt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich will diese Haushaltsdebatte dazu benutzen, um endlich in diese Dinge Klarheit zu kriegen, damit nicht Prediger durchs Land laufen und sagen: Diese Bundesregierung gibt keine Orientierungsdaten", obwohl sie genau wissen, daß sie Daten nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz gibt, und dabei den Leuten immer wieder suggerieren: Die müssen Lohnleitlinien geben. Bei einigen - bei weitem nicht bei allem — habe ich das Gefühl, daß sie mich eigentlich nur verleiten wollen, Lohnleitlinien zu geben, um nachher zu beweisen: Du hast es nicht geschafft.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der SPD)


Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711622600
Obgleich ich soeben nicht nach diesen Lohnleitlinien gefragt habe,

(Zurufe von der SPD: Doch!)

möchte ich jetzt noch einmal folgendes fragen: Glauben Sie, daß Sie bei den konkreten Auseinandersetzungen, nicht über Lohnleitlinien, sondern über konkrete Lohnforderungen, die jetzt bevorstehen, damit durchkommen werden, daß Sie sich zu der konkreten Frage der jetzt im Raum stehenden Prozentzahlen überhaupt nicht äußern?

(Zurufe von der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0711622700
Herr Althammer, es ist ein Unterschied, ob der Wirtschaftsminister sich einfach in die Öffentlichkeit stellt und global sagt: ,X oder nicht mehr als X", oder ob er durch eine Reihe von bilateralen Gesprächen — die nicht nur von ihm, sondern auch von anderen Mitgliedern der Regierung und anschließend in dem nach dem Gesetz vorgesehenen Gremium, der Konzertierten Aktion, geführt werden — einen Gesamtdatenkranz auf den Tisch legt, aus dem hervorgeht, was im Jahre 1975 passieren würde, wenn man a) oder b) entscheiden würde. Das sind doch die Orientierungsdaten. Wir tun immer so, als ob es nur eine variable Größe gäbe. So ist es doch nicht. Dies ist eine variable Größe, die Bundesbankpolitik ist eine andere variable Größe. Der Staatsverbrauch ist eine dritte variable Größe.
Was ich tun werde in der Konzertierten Aktion: diesen Datenkranz hinlegen, wenn Sie so wollen. Ich werde auch zu erkennen geben, was diese Bundesregierung für das nächste Jahr im Gesamtdatenkranz möchte, nämlich ein reales Wachstum von etwa 3 bis 3,5 °/o. Dazu sind bestimmte Daten erforderlich.
Keine Sorge, da geht keiner heraus, der am Ende nicht wüßte, welche Daten dort gesetzt werden müßten, um dieses Ziel zu erreichen. Das ist die Orientierung. Aber Sie werden es nicht erreichen, nur aus politisch-taktischen Gründen öffentliche Äußerungen hervorzulocken, die am Ende über Prestigebedürfnisse, Pressionen und ähnliches uns eher in die falsche als in die richtige Richtung bringen. Dies zur Projektion.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das ist eben die Grundlinie für 1975: Grundlinie der Gesamtökonomiepolitik durchhalten; Unternehmern und Gewerkschaften den Rahmen ihrer Entscheidungen deutlich machen, d. h. ihnen den eigenen Spielraum zeigen, der von Branche zu Branche unterschiedlich sein wird, weil die Lage sehr unterschiedlich ist; vom Ausland kommende neue und zusätzliche Risiken möglichst fernhalten, soweit wir dazu überhaupt in der Lage sind.
Dann, so meine ich, dürfte in der Tat ein reales Wachstum des BSP von 3 bis 3,5 °/o möglich sein. Ja, ich gehe sogar so weit, ohne daß das der Jahreswirtschaftsbericht wäre — dafür reichen die Daten noch nicht; ich sage das ohne Netz, ungesichert —, zu sagen, daß es bei einem ökonomisch richtigen Verhalten nicht nur der Regierung, sondern auch



Bundesminister Dr. Friderichs
der Länder, des Parlaments — im Rahmen der Haushaltsberatungen hinterher — und der Tarifvertragsparteien — möglich ist, die Preissteigerungsrate des kommenden Jahres unter der Rate von 1974 zu halten. Das ist im Datenkranz alles enthalten. Dies ist Gegenstand der Konzertierten Aktion. Dazu muß man jetzt Stellung nehmen und sich auch bekennen.
Lassen Sie mich auch noch ein offenes Wort zu einem Themenbereich sagen, der heute in der Presse zu lesen ist. Da hat sich ein Gewerkschaftskongreß mit der Frage der Investitionslenkung auseinandergesetzt. Sie wissen, daß ich die Dinge offen anspreche, egal, wem das nun gerade in diesem Hause oder auch draußen unangenehm ist; was soll das alles? Man kann Lohnleitlinien nicht ablehnen, wenn man Investitionsleitlinien verlangt. Das geht nicht.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Entweder beides oder beides nicht. Meine Haltung habe ich Ihnen vorhin bei dem einen Punkt gesagt. Damit wissen Sie sie auch bei dem zweiten.
Ich gebe Ihnen eine Begründung: Ich bin nach wie vor der Meinung, daß die Überlegenheit der einzelwirtschaftlichen dezentralisierten Entscheidungen oder des Entscheidungssystems gegenüber einem kollektiven Entscheidungssystem auch insoweit den Vorzug hat. Meine Befürchtung wäre, daß Investitionsleitlinien — oder wie immer Sie das nennen wollen — letztendlich zu Investitionskartellen führten und daß globale Fehlentscheidungen zentraler Lenkungsinstanzen für die Gesamtwirtschaft weitaus gravierender wären als Fehlentscheidungen einzelner Unternehmer, die wir ja auch haben — siehe Überkapazitäten und ähnliches mehr —.
Es kann nach meiner Meinung nicht bei einer Investitionslenkung bleiben; denn sie erfordert in der zweiten Stufe die Kontrolle, die Planung der Produktionsstruktur. Das ist doch ganz unvermeidbar. Wenn Sie das eine machen, brauchen Sie das andere auch.
Das heißt, Sie kommen von daher auch zu den Gewinnen und von den Gewinnen kommen Sie mit Sicherheit zu den Lohnleitlinien. Es geht gar nicht anders. Anders ausgedrückt: Die sogenannte Ölflecktheorie würde sich beweisen. Da halte ich es mit dem jetzt in Osterreich lebenden früheren Freiburger Professor Hayek, der gewarnt hat, diesen Weg in diese Art Knechtschaft anzutreten.
Lassen Sie mich am Schluß sagen: Diese Bundesregierung versucht, mit Augenmaß die Beeinflussung des Wirtschaftsablaufs vorzunehmen, d. h. sie will keine Überreaktionen. Sie versucht einen kühlen Kopf gegenüber Strukturveränderungen zu haben, d. h. sie will sich nicht dem Opportunismus der Strukturkonservierung anheimgeben.
Sie stellt die Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Tarifparteien klar und gibt die erforderlichen Orientierungsdaten in der Form, die das Gesetz vorschreibt. Sie erklärt ihre Kooperationsbereitschaft mit den Partnerländern und ist sich ihrer eigenen Mitverantwortung für die weltwirtschaftliche Entwicklung bewußt, weil unsere eigene
Verantwortung wegen unserer ökonomischen Größe größer ist als die mancher anderer Partnerländer.
Lassen Sie mich, weil die Psychologie zitiert worden ist, hierzu ein letztes sagen. Ich weiß, daß in diesem Land mehr als in allen anderen und in unseren Nachbarländern auch ökonomisches Verhalten und damit die Relativität von Machbarkeit von zwei Komplexen mitbestimmt ist: von der Angst vor der Inflation, weil man sie zweimal erlebt hat — andere Länder nicht —, und von der Angst vor einer großen Arbeitslosigkeit, weil man auch sie erlebt hat.
Meine Damen und Herren, unsere Verantwortung — ich sage jetzt: uns e r e Verantwortung — wird darin beruhen, beide Angstkomplexe nicht aus Opportunismus zu schüren, sondern sie dort zu lassen, wo sie eigentlich hingehören, nämlich in der Relativität im Verhältnis zur tatsächlichen Situation. Warum? Um nicht am Ende durch eine geschürte Angst vor Komplex A oder Komplex B nicht mehr in der Lage zu sein, eine an der Sache orientierte Wirtschaftspolitik zu betreiben. Wir lassen uns daran, wie ich hoffe, nicht hindern. Aber ich fordere Sie auf, dazu auch einen Beitrag zu leisten.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0711622800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0711622900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ursprünglich hatte ich nicht vor, nach den Worten des Kollegen Strauß noch einmal in eine Diskussion über die Analyse der gegenwärtigen konjunkturellen Lage einzutreten. Nach den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers sehe ich mich dazu allerdings doch genötigt. Damit Sie beruhigt sind, Herr Friderichs, will ich mich in erster Linie auf die Aussagen berufen, die uns vom Statistischen Bundesamt und von der Bundesbank in ihrem heute vorgelegten Monatsbericht vorliegen.
Was Sie hier zur Konjunkturanalyse beigetragen haben, war eine Mischung von Wahrheiten, Pappkameraden, Vernebelungsversuchen — was die Verantwortlichkeiten betrifft — und einer ganz gehörigen Portion Baldriantropfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zuerst noch einmal etwas zur Inflationsrate. Die Bundesbank sagt dazu:
Der für zahlreiche Unternehmen sehr prekären Kostensituation war es vor allem zuzuschreiben, daß die Preise in den vergangenen Monaten weiter kräftig stiegen. Wenn die Steigerungsrate der Verbraucherpreise mit rund 7 °/o zuletzt dennoch eher etwas niedriger als im Frühjahr war, so beruhte das u. a. darauf, daß sich die Nahrungsmittel zeitweise stärker verbilligten und auch die noch zu Jahresbeginn drastisch gestiegenen Preie für Mineralölprodukte inzwischen wieder merklich abgebröckelt sind.
Ihnen von der Regierung kommt bei den rein jahresstatistischen Vergleichen in den nächsten Monaten
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode —116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. September 1974 7769
Dr. Müller-Hermann
natürlich zugute, was als Sprung in den Kosten im letzten Quartal des Jahres 1973 vor allem bei den Erdölpreisen die Statistik verschlechtert hat. Ich warne also davor, der Bevölkerung zu suggerieren, wir könnten uns bei der Wiedergewinnung der Stabilität schon auf dem Ruhekissen ausruhen. Hier bleibt nach wie vor sehr viel zu tun.
Zum zweiten Themenbereich, der Vollbeschäftigung, schreibt die Bundesbank — ich wiederhole es nur; es ist schon gesagt worden —:
Ende August betrug die Arbeitslosenquote den nicht saisonbereinigten Werten nach 2,3 und saisonbereinigt rund 3 %. Sie lag damit höher als während der Konjunkturflaute der Jahre 1966/67, obwohl bisher das reale Bruttosozialprodukt im Gegensatz zu jenen Jahren nicht zurückgeht.
Tatsächlich hat sich die Arbeitslosenquote im Vergleich August 1974 zu August 1973 um 138% erhöht.
Wir müssen, wie ich meine, alle sehen, daß die derzeitig noch relativ gute Auslastung der Wirtschaft und die damit verbundene Beschäftigungssituation mit der immer noch günstigen Exportsituation zusammenhängt. Wenn sich eine weltweite Beruhigung auf Grund von Bemühungen auch an anderen Plätzen der Welt in der weltweiten Nachfrage ergibt, wird das naturgemäß besonders stark auch auf uns zurückschlagen, und gerade deshalb, Herr Friderichs, verstehe ich nicht, daß Bundeskanzler Schmidt sich bemüßigt sah, den Präsidenten Ford schwer zu attackieren oder ihm belehrende Warnungen zu erteilen, er provoziere eine weltweite Rezession, wenn die Amerikaner — aus Ihrer Sicht wahrscheinlich „endlich" — auch größere .Anstrengungen für die Wiedergewinnung der Stabilität machen.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Ich meine, daß wir diesen Zusammenhang zwischen der nach unserer Auffassung zu 'bedrohlichen Exportlastigkeit unserer Wirtschaft und den Gefahren sehen müssen, die sich daraus auch für die Beschäftigungslage bei uns ergeben. Wenn Sie fragen: Wie ist es zu dieser Exportlastigkeit gekommen?, so hängt das natürlich einmal mit der inflationären Entwicklung in anderen Abnehmerländern zusammen, aber eben auch damit, daß die deutsche Industrie in Ermangelung von Absatzmöglichkeiten im Binnenland auf Grund der verunsicherten Nachfrage andere Überwälzungs- und Auslastungsspielräume sucht. Auf jeden Fall können wir doch wohl festhalten und feststellen, daß gerade diese volkswirtschaftliche Entwicklung in völligem Gegensatz zu dem steht, was diese Koalition 1969 in ihr Programm geschrieben hatte, nämlich die deutsche Produktionskraft mehr zur Befriedigung der Binnennachfrage einzusetzen.
Sie haben dann, Herr Minister Friderichs, sehr viel über die Strukturprobleme gesprochen, die sich in unserer Wirtschaft stellen. Niemand wird hier bestreiten, daß eine auf Wachstum ausgerichtete Volkswirtschaft unter dem ständigen Zwang der Elastizität, der Mobilität steht, daß niemand
daran interessiert sein kann, Bereiche oder Unternehmen zu konservieren, die den veränderten Nachfragebedingungen und technologischen Bedingungen eben nicht mehr entsprechen. Aber, Herr Minister Friderichs, diese Regierung und auch Sie selbst versuchen, einen nicht geringen Teil der als Folge der Inflationspolitik verursachten Probleme unserer Wirtschaft als Strukturprobleme darzustellen, obwohl sie es nicht sind.

(Breidbach [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Sicherlich gibt es, beispielsweise in der Bauwirtschaft, Zwänge zur Anpassung an den künftigen Bedarf. Das gibt es sicherlich auch in anderen Bereichen. Sie haben auf eine Unterhaltung Bezug genommen, die wir gehabt haben, wo wir uns, wie ich meine, darin einig waren: Es ist Aufgabe der Politik, bei diesen Anpassungsprozessen dafür zu sorgen, daß jetzt nicht unter dem Kostendruck auf der einen Seite und der rückläufigen Binnennachfrage auf der anderen Seite Unternehmen aus dem Wettbewerb ausscheiden, die wir bei einem normalen Konjunkturverlauf später wieder brauchen, d. h, die, wenn sie jetzt ausfielen, uns später als Leistungsanbieter für den Wettbewerb fehlen. Ich weigere mich zuzugestehen, daß das, was wir im Augenblick an Rekorden von Konkursen verzeichnen, nur, ja, in erster Linie zurückzuführen ist auf schlechtes Management und unsolide Finanzierung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister, damit werden Sie den Gegebenheiten in unserer Wirtschaft einfach nicht gerecht. Ich sehe im Gegenteil das Bedenkliche an der gegenwärtigen Entwicklung darin, daß gerade solide finanzierte Unternehmen unter den Folgen dieser Inflationspolitik, unter der Zangenbewegung des Kostendrucks, vor allem auch der Kreditkosten, und der rückläufigen Nachfrage zusammenzubrechen drohen, obwohl sie für die Zukunft gebraucht werden. Hier müssen wir, wie ich hoffe, in Übereinstimmung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ein gewisses Netz spannen.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Leider wahr!)

Sie haben dann — und das war der Grund, weswegen ich Ihre Fehlbeurteilung nochmals zitiert habe — insbesondere die Entwicklung in der deutschen Automobilwirtschaft als ein Strukturproblem dargestellt. Herr Friderichs, Strukturprobleme spielen da sicherlich mit eine Rolle. Die großen Zuwachsquoten der fünfziger und sechziger Jahre sind eben vorbei, obwohl ich glaube, es wird immer noch eine weitere Zunahme auch der Motorisierung geben. Die Leute kaufen zurückhaltender und gehen auf sparsamere Modelle über. Im Grunde aber ist das, was Sie als Strukturkrise bezeichnen, eben ausschließlich eine Folge der Kosteninflation, der Tatsache, daß wir mit einem ganz wichtigen Produkt im Ausland — genauer, auf dem amerikanischen Markt — unter den derzeitigen Bedingungen nicht konkurrenzfähig sind. Der Volkswagen ist eben, ob es uns gefällt oder nicht, auf dem amerikanischen Markt um einige hundert Dollar zu teuer. Das können Sie aber nicht als Strukturproblem ab-



Dr. Müller-Hermann
tun, sondern das ist eine Folge falscher Regierungspolitik. An dieser Tatsache müssen wir wohl sehr deutlich festhalten.

(Dr. Wulff [CDU/CSU] : Die Vws sind zu teuer!)

Übrigens sagt das der Bundesbankbericht auch in einer etwas verklausulierten Form. Er sagt:
Mehr als damals — nämlich 1966/67 —
beruht die Arbeitslosigkeit gegenwärtig darauf, daß sich die Absatzschwierigkeiten auf Wirtschaftszweige konzentrieren, die arbeitsintensiv produzieren.
Hier wird ein sehr klarer Zusammenhang zwischen der Kosten-, vor allem der Lohnkostenbewegung und den Absatzmöglichkeiten sowohl im Inland als vor allem auch im harten internationalen Wettbewerb auf den Weltmärkten hergestellt.
Ich will ein weiteres aus dem Bericht der Bundesbank zitieren. Da wird zunächst festgehalten, daß für 1974 die reale Verteilungsposition der Arbeitnehmer nochmals verbessert werden konnte, dies jedoch bei wachsender Gefährdung der Arbeitsplätze, die vor allem aus der abnehmenden Investitionsneigung im Inland resultiert und letztlich nur durch einen erneuten Aufschwung der Investitionen gebannt werden kann.
Damit komme ich schon hier zu der Frage, die uns nachher noch im Zusammenhang mit den Orientierungsdaten beschäftigen wird, nämlich welche Bedeutung den vor uns liegenden Tarifverhandlungen für die wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 1975 zweifellos zukommt. Die Bundesbank sagt:
Die kommenden Tarifverhandlungen werden daher in starkem Maße mitentscheiden, welche der Alternativen für die weitere Entwicklung maßgeblich sein wird: entweder weitere Kostensteigerungen und weniger Beschäftigung oder keine Kostensteigerungen und allmähliche Wiederzunahme der Investitionen und der Beschäftigung.
Daß wir in diese Situation einer Gratwanderung zwischen Geldentwertung und Beschäftigungsrisiken gekommen sind, das ist eben die Folge der Regierungspolitik, die Sie mit Herrn Schmidt und Herrn Apel verantworten müssen. Vieles von dem, was Herr Apel und Sie heute zum besten gegeben haben, bietet durchaus auch vernünftige Ansatzpunkte; nur tun Sie immer so, als ob die Gegenwart mit der Stunde Null anfange und als ob es eine Vergangenheit nicht gegeben hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben eine Regierungskoalition, die seit 1969 im Amte ist, sehr verehrter Herr Friderichs, und es wäre sehr viel besser und nützlicher gewesen, Sie hätten die vielen Weisheiten, die Sie auch heute wieder vorgetragen haben, vor drei Jahren nicht nur bei uns, sondern auch Ihren Parteien und den sie tragenden Koalitionsfraktionen vorgebracht, dann
wären wir heute mit unserer Volkswirtschaft nicht in dieser miserablen Situation.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Zu spät! -Beifall bei der CDU/CSU)

Sehen Sie, Herr Friderichs und Herr Ehrenberg — Sie werden sicher nachher noch sprechen —, die Bundesbank drückt es etwas vornehmer aus, und ich will es etwas brutaler ausdrücken: Die heutige volkswirtschaftliche Situation ist im Grunde wesentlich alarmierender als 1966/67. Ich versuche, mir manchmal bildlich vorzustellen, was in Deutschland los wäre, wenn die SPD auf den Bänken der Opposition säße.

(Zurufe von der CDU/CSU: Und in den Gewerkschaften!)

Sie haben es mit einer ungewöhnlich soliden und loyalen Opposition zu tun, die Ihnen auch zugesteht, daß es internationale Probleme gibt, die Sie bei Ihren Überlegungen mit berücksichtigen müssen. Aber, wenn Sie hier meinen, wir malten das Bild dramatisch, muß ich Ihnen sagen: Daran glauben Sie doch wohl selbst nicht, meine Damen und Herren!
Die ungewöhnliche Zurückhaltung der Käufer, die ungewöhnliche Zurückhaltung der Investoren in der privaten Wirtschaft, die sind doch im Grunde das tagtägliche Mißtrauensvotum der deutschen Öffentlichkeit gegen diese Regierung und nicht die Folge einer von der Opposition aufgeputschten Öffentlichkeit.

(Beifall von der CDU/CSU)

Im Grunde befindet sich die deutsche Wirtschaft genau in der Stabilisierungskrise, vor der wir wiederholt und leider vergeblich gewarnt haben und wo Sie bagatellisiert haben — Sie vielleicht weniger als andere, aber Sie tragen nun einmal mit dieser Regierung die volle Verantwortung. Was einen stört und was einen wirklich auf die Palme bringt, meine Damen und Herren in der Koalition und in der Regierung, ist, daß Sie noch nicht ein einziges Mal den Mut aufgebracht haben, zu sagen: Jawohl, wir tragen ein ganz gehöriges Stück Verantwortung für diese heutige Situation,

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das ist sehr gut!)

sondern daß Sie am laufenden Band Entschuldigungen suchen, wo immer Sie sie finden können — aber immer an den falschen Plätzen.
Nun zu Ihren internationalen Vergleichen. Gut, das hört sich ganz schön an

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Das ist auch schön!)

und wird von Ihnen benutzt, um die Blößen zu verdecken. Aber hier werden auch am laufenden Band Äpfel mit Birnen verglichen, meine lieben Damen und Herren. Die Warenkörbe hier und im Ausland sind eben völlig unterschiedlich strukturiert. Wenn Herr Helmut Schmidt als Kanzler in seinen weisen Ermahnungen an den neuen Präsidenten Ford sagt: Ihr bösen Leute, Ihr habt schon 5,2 Prozent Arbeitslosigkeit, dann muß er eben wissen, daß diese Zahl falsch ist, wenn sie zu der



Dr. Müller-Hermann
jetzigen Arbeitslosenziffer von 2,3 Prozent in Vergleich gesetzt wird. In den Vereinigten Staaten beträgt unter Einbeziehung derjenigen, die länger als 15 Wochen arbeitslos sind, die Arbeitslosenziffer 1,2 Prozent. Bitte, Herr Friderichs, sorgen Sie dafür, daß man bei den vielen Entschuldigungsversuchen wenigstens die Kirche im Dorf läßt und der Wahrheit nicht ständig so zuwider redet, wie das leider eine übliche Praxis geworden ist!

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Herr Friderichs, Sie schieben in der Rede auch immer wieder die Vergleiche mit dem Ausland vor. Wir brauchen uns nicht mit dem zu vergleichen, was in Brasilien, Jugoslawien oder Italien vor sich geht. Wir haben in unserem Lande eigene Maßstäbe, an denen wir uns orientieren.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Wir haben ein Stabilitäts- und Wachstumsgesetz mit Zielsetzungen, für die die Regierung verantwortlich ist. An denen können wir die Regierung messen, und daran muß sich die Regierung messen lassen. Da schneiden Sie eben sehr schlecht ab.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Vielleicht befindet sich die Bundesregierung in einer Art Lernprozeß. Das wäre nützlich. Den können wir eigentlich auch nur begrüßen. Nur meine ich — ich drücke mich jetzt sehr drastisch aus —: Eine Koalition, die jahrelang — ich sage das so — Mist gebaut hat, die hat jetzt für die Wiedergutmachung der Schäden, die sie selbst verursacht hat, keinen Anspruch auf die Belobigung durch die Öffentlichkeit und die Wähler. Ich glaube, das sollte man auch einmal festhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Friderichs, ich kann mir vorstellen, daß es Ihnen eine Freude, ein Genuß war, einige Äußerungen aus dem Lager der Opposition zu zitieren und sie etwas gegeneinander auszuspielen. Das nehme ich Ihnen gar nicht übel. Das einzige, was ich dagegen sagen muß und sagen kann, ist: Gucken Sie mal, was alles aus dem Lager der Koalition oder den beiden Parteien, die die Koalition tragen, an widersprüchlichen Äußerungen an die Öffentlichkeit kommt! Zerbrechen Sie sich bitte den Kopf über den Zündstoff in Ihren eigenen Reihen und weniger über die Meinungsverschiedenheiten, die es möglicherweise bei uns gibt. Dazu sage ich gleich, Herr Friderichs, weil ich mich auch manchmal ärgere —: Es gibt innerhalb unserer Bundestagsfraktion und auch mit den Kräften in den beiden zur Fraktion gehörigen Parteien, die auf die Dinge Einfluß zu nehmen haben und dafür die Verantwortung tragen, keine sachlichen Meinungsverschiedenheiten in der Beurteilung der Konjunktur und über die Folgerungen, die aus der gegenwärtigen Lage zu ziehen sind. Davon wollen Sie bitte ausgehen. Im übrigen steht nirgendwo geschrieben — da Sie nach den Alternativen fragen —, daß die Opposition dabei helfen soll, eine Regierung aus der Zwickmühle herauszuholen, in die sie sich selbst hineinmanövriert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort stammt nicht von mir, sondern das stammt von Helmut Schmidt vom 30. November 1965. Ich finde es gut, das dem Kanzler und der Regierung wieder einmal in Erinnerung zu rufen. Die Folgerungen, die ich zunächst daraus ziehe: wir werden Sie, ob es Ihnen paßt oder nicht, aus der Kritik über das, was Sie tun oder unterlassen haben, nicht entlassen. Wir werden die Regierung unterstützen, wo endlich etwas Vernünftiges geschieht oder wo sie den Vorstellungen und Vorschlägen der Opposition zu folgen bereit ist, und unsere Kritik wird immer positiv sein. Das möchte ich jetzt an sechs Themen verdeutlichen.
Erstens. Herr Friderichs, aus den Reihen der Opposition werden Sie weder ein Signal zum Durchstarten auf einen expansiven Kurs noch die Forderung an die Regierung zu hören bekommen, so zu handeln. Gerade weil wir wissen, welche verhängnisvollen Folgen von der Inflation auf Dauer ausgehen müssen, für Vollbeschäftigung, für internationale Wettbewerbsfähigkeit, für Strukturverbesserung, werden wir hartnäckig daran festhalten, daß eine Politik betrieben wird, die durch ein Bündel verschiedener Maßnahmen und durch eine große Kraftanstregung und notfalls auch durch Opferbereitschaft aller Gruppen alles daransetzt, diese Geißel der Inflation wegzuschaffen. Ich will Ihnen, Herr Friderichs, sagen: ich bedaure, auch bei Ihnen immer wieder herauszuhören, daß Sie sich im Grunde mit der jetzigen Situation, von der wir alle wissen, mit welchen Risiken sie behaftet ist, abfinden, daß Sie es schon als einen Erfolg ansehen, 7 0/o Inflationsrate einzufrieren. Ich vermisse bei Ihnen wie bei anderen in der Regierung die Entschlossenheit, die Inflationsrate auf ein tieferes Maß herabzudrükken, und sehe wenigstens im Augenblick keinen Anlaß für den Optimismus, den Sie hier zur Schau getragen haben, daß uns im nächsten Jahr mehr Stabilität wie eine reife Frucht in die Hand fallen werde.

(Breidbach [CDU/CSU]: Das muß er! In zwei Wochen sind Wahlen!)

Zweitens. Die differenzierte Konjunkturlage erfordert sicherlich auch differenzierte Antworten, differenzierte Aktionen. Deshalb treten wir seit langem für gezielte Hilfen ein. Aber ich füge gleich hinzu: diese gezielten Hilfen müssen — ich glaube, hier befinden wir uns in Übereinstimmung — so angelegt sein, daß sie die globalen Stabilitätsbemühungen nicht unterlaufen oder durchbrechen. Deswegen plädieren wir insbesondere für regionale Hilfsprogramme, bei denen man sektorale Gegebenheiten — sprich: Probleme der Bauwirtschaft — berücksichtigen kann. Diese regionalen Hilfsprogramme sollten mit ihren Schwerpunkten auf solche Räume ausgerichtet sein, in denen heute schon ein besonders hohes Maß an Arbeitslosigkeit besteht und bei denen ohnehin ein ungewöhnlich großer Nachholbedarf an Infrastruktur besteht.
Wenn wir uns darin in Übereinstimmung befinden, wäre das für mich schon sehr erfreulich. Ich weise darauf hin, daß man auch bei der Lösung der agrarischen Strukturprobleme den Zusammenhang mit diesen regionalen Aufbauhilfen sehen



Dr. Müller-Hermann
muß. Ich habe nur die Sorge, daß von Ihrem 900Millionen-Programm die Mittel nicht mit dem Schwerpunkt dorthin kommen, wo sie gebraucht werden — die Eigenbeteiligung der am meisten betroffenen Kommunen, Kreise und Länder ist erforderlich —, weil der Eigenanteil nicht aufgebracht werden kann, der erforderlich ist, um diese Strukturhilfen zu verwirklichen.
Der dritte Punkt. Die Hochzinspolitik ist seit langem Gegenstand ernster und, wie ich auch meine, ernst zu nehmender Kritik. Unsere Kritik richtet sich in erster Linie nicht an die Adresse der Bundesbank, die, weil die öffentlichen Hände und die Tarifpartner ihren Pflichten nicht angemessen nachkamen, für einen langen Zeitraum die Last des Bremsens allein übernehmen mußte. Aber auch bei der Bundesbank ist lange Zeit übersehen worden, daß die hohen Kreditkosten in zunehmendem Maße auch ein Kostenfaktor sind, der wieder inflationstreibende Impulse auslöst. Das ist wohl nicht zu übersehen. Gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich müssen wir die mörderischen Folgewirkungen dieser Hochzinspolitik für den ganzen Mittelstand, der mit Eigenkapital so außerordentlich schwach ausgestattet ist, besonders ernst nehmen. Oder wir laufen Gefahr, einen Konzentrationsprozeß in unserer Wirtschaft heraufzubeschwören, den wir alle, meine Damen und Herren, im Grunde nicht verantworten können, weil ein breit gestreuter Mittelstand mit gesunden, soliden Unternehmen für die Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft unerläßlich ist.
Wir müssen daher — dazu fordere ich die Regierung auf die Voraussetzungen schaffen, um die Hochzinspolitik abzubauen, sicherlich nicht in Sprüngen, aber zielstrebig und systematisch. Nur dann wird es uns gelingen, die Investitionsbereitschaft wieder zu beleben, auf die Sie so große Hoffnungen setzen. Nur dann wird es uns gelingen, den sicherlich in unserer Wirtschaft notwendigen Strukturanpassungsprozeß ohne Friktionen, ohne soziale Schäden zu bewältigen. Nur dann wird es möglich sein, die jetzt freigesetzten Arbeitskräfte schnellstens wieder in den Arbeitsprozeß, in zukunftssichere Arbeitsplätze einzugliedern.
Der vierte Punkt betrifft die Stellung der Tarifpartner. Damit komme ich auch zu dem Thema Orientierungsdaten, das Sie hier sehr breit behandelt haben. Ich möchte zunächst einmal für meine Fraktion erklären, daß wir uns bis zur letzten Konsequenz für die Freiheit der Tarifpartner engagieren und daß wir die Freiheit der Tarifpartner als einen unersetzlichen, wesentlichen Bestandteil unserer marktwirtschaftlichen Ordnung, unserer Politik der Sozialen Marktwirtschaft betrachten. Schon daraus ergibt sich zwangsläufig, Herr Kollege Ehrenberg, daß wir die Setzung von Lohnleitlinien ablehnen, weil dadurch im Grunde die Verantwortlichkeit, die Selbstverantwortung der Tarifpartner aufgehoben würde.
Wir vermissen allerdings in der Vergangenheit und auch heute, Herr Friderichs, daß die Bundesregierung mit der Autorität des Amtes, das ihr zufällt, an die Verantwortung der Tarifpartner für das Allgemeinwohl mit der nötigen Deutlichkeit appelliert. Ein anderer Wirtschaftsminister vor Ihnen hat einmal nicht zu Unrecht von der offenen Flanke gesprochen, welche die Einkommenspolitik für eine wirtschaftliche Entwicklung immer bildet. Hier kommt unabhängig von der Freiheit, die wir den Tarifpartnern gesichert und erhalten wissen wollen, dem Staat doch eine psychologische Führungsaufgabe zu, indem er mit klaren, eindeutigen Orientierungen den Rahmen abzustecken versucht, welche Zielvorstellungen er selbst für die vor ihm liegende Periode hat, an welchen Rahmen er für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung denkt, und indem er den Tarifpartnern sagen wir es einmal so — mit der nötigen Eindeutigkeit die Wahrheit sagt. Das ist ja im Grunde auch unter Orientierungsdaten zu verstehen.
Ich beziehe mich hier auf den Jahreswirtschaftsbericht 1971, wo es heißt:
Die Orientierungsdaten verdeutlichen die Grenzen, die bei den Entscheidungen derer, die für den wirtschaftlichen Ablauf eine besondere Verantwortung tragen, nicht überschritten werden dürfen, ohne daß die Chancen für die Realisierung ihrer eigenen Zielsetzungen als auch gleichzeitig der gesamtwirtschaftlichen Ziele der Preisniveaustabilisierung und der Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes sowie angemessenen und stetigen Wachstums vermindert werden.
Wenn wir uns auf diese Position verständigen und Sie jetzt erklären, Sie werden zum gegebenen Zeitpunkt, d. h. bei der unmittelbar bevorstehenden Konzertierten Aktion Ihre Orientierungsdaten aktualisiert vorlegen, so bin ich jetzt zunächst einmal mit der Antwort zufrieden.
Sehr verehrter Herr Friedrichs, ich möchte aber im Hinblick auf die Lohnleitlinien — es war die Rede davon, daß die Abschlüsse nicht über 10 % liegen sollten — folgendes hinzufügen. Ich habe hier den „Kölner Stadt-Anzeiger , der auf eine dpa-Meldung Bezug nimmt. Dort heißt es:
Vor Lohnabschlüssen von über 10 % hat Bundeswirtschaftsminister Friderichs gewarnt: „Generell scheinen mir zweistellige Zuwachsraten im Jahre 1975 zu hoch gegriffen zu sein."
Das steht etwas im Widerspruch zu dem, was Sie hier eben dem Hohen Hause erklärt haben. Ich möchte aber noch anfügen: Der einzige Politiker, der sich bisher mit Lohnleitlinien versucht hat, war der ehemalige Bundeskanzler Brandt. Er hat dem öffentlichen Dienst Lohnleitlinien gestellt und ist damit böse auf den Bauch gefallen. Ich weiß noch immer nicht ganz, wer seinerzeit wen in die Pfanne gehauen hat. Deshalb ist man ja auch erstaunt, wenn man auf einem Gewerkschaftskongreß in Hannover jetzt so freundlichen Applaus für Herrn Brandt zu hören bekommt.

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen)

Hier ist doch noch die Vergangenheit zu bewältigen.



Dr. Müller-Hermann
Meine Damen und Herren, bei diesen Lohnleitlinien von Herrn Brandt ist nicht nur ein Stück Stabilität verlorengegangen, weil er sie nicht hat durchsetzen können, weil er im Stich gelassen worden ist;

(Breidbach [CDU/CSU] : Autorität!)

es ist auch ein Stück Autorität verlorengegangen, die wir jetzt und in Zukunft brauchen würden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711623000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0711623100
Bitte!

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711623200
Herr Kollege Müller-Hermann, können Sie vielleicht mit mir einen Unterschied darin sehen, ob nun der Bundeswirtschaftsminister Lohnleitlinien nennen soll oder ob sich der Tarifpartner — das ist nämlich der Bundeskanzler — zu den Abschlüssen einer bevorstehenden Tarifverhandlung äußert?

(Zustimmung bei der FDP und der SPD)


Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0711623300
Herr Lambsdorff, wenn ich mich richtig erinnere, hat Herr Brandt seinerzeit auf die Folgewirkungen hingewiesen, die sich aus Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst für den gesamten Ablauf der daran anschließenden Tarifverhandlungen ergeben. Es handelte sich um so etwas wie Lohnleitlinien für die ganze Volkswirtschaft. Ich habe ja nur darauf hingewiesen, daß es damit nicht geklappt hat. Bitte richten Sie jetzt nicht an unsere Adresse falsche Vorwürfe, als ob wir uns für Lohnleitlinien engagierten. Wir treten für die volle Verantwortung der Regierung ein. Für uns gehört ein Stück Autorität und Regierungsverantwortung in dem Sinne dazu, daß die Regierung auch den Gruppen in unserer Gesellschaft Hinweise darauf gibt, was sie für vertretbar hält und wo die Grenzen sind, wenn nicht das Ganze darunter leiden soll.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein fünfter Punkt. Herr Friderichs, eine Wiederbelebung der Konjunktur sollte nach unseren Auffassungen nicht von einer übermäßigen Ausweitung der Konsumentennachfrage ausgehen. Ich habe den Eindruck, daß es hier auch gewisse Berührungspunkte mit dem gibt, was Sie ausgeführt haben. Konsumentennachfrage ist ja im Grunde bei uns vorhanden. Die Käufer kaufen bloß nicht auf Grund der politischen Verunsicherung, der Ungewißheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung und über die Sicherheit der Arbeitsplätze. Es kommt ja noch Konsumentennachfrage dazu, nicht nur durch die automatischen Rentenanhebungen, nicht nur durch die Lohnrunden, die ja zu irgendeinem Ergebnis führen werden, sondern auch durch das Steuerentlastungsprogramm. Ich möchte also davon ausgehen, daß es volkswirtschaftlich im Sinne unserer Stabilitätsbemühungen unerwünscht wäre, die Konsumentennachfrage in der gegenwärtigen Situation durch einen Schub noch einmal aus- I zuweiten.
Die Wiederbelebung der Konjunktur muß nach unserer Überzeugung von der Investitionsseite ausgehen. Herr Minister Friderichs, dies ist nicht nur eine Frage der privaten Investitionstätigkeit. Es ist auch eine Frage, die an die Regierung und die sie tragende Koalition gerichtet ist, ob bei den Haushaltsberatungen auch für die öffentlichen Investitionen wirklich neue Schwerpunkte gesetzt werden können. Wir erleben im Laufe der letzten Jahre einen Abstieg der öffentlichen Investitionen, der volkswirtschaftlich höchst unerwünschte Folgewirkungen haben muß.
Meine Damen und Herren, wir bekennen uns ausdrücklich und nachdrücklich zum Gedanken des wirtschaftlichen Wachstums. Es ist ja bemerkenswert, daß die größten Wachstumsfetischisten der letzten Jahre das Wachstum jetzt auf einmal zu einer Todsünde unserer Gesellschaft erklären wollen. Nein, meine Damen und Herren, wir wollen reales, solides, qualifiziertes wirtschaftliches Wachstum — wie immer Sie das nennen wollen. Wir wollen, daß alle Kräfte in den volkswirtschaftlichen Schöpfungsprozeß eingesetzt sind, um das Gesamtergebnis der Wirtschaft zu verbessern. Nur dann werden wir das Warenangebot vergrößern können, nur dann werden wir unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit behaupten und stärken können, nur dann werden wir mit den Strukturanpassungsproblemen fertig, nur dann gibt es mehr zu verteilen. Denn in der gegenwärtigen Situation, wo das Wachstum auf etwas über 1 % abgesunken ist, gibt es im Grunde nichts mehr zu verteilen. Diesen Zustand wollen wir nicht zu einem Dauerzustand gemacht wissen.
Damit bin ich bei der sechsten und letzten Frage: Wie können wir wirtschaftliches Wachstum erzeugen? Ich fühle mich erinnert an ein Wort eines Ihrer Vorgänger, Herrn Schillers, der davon sprach, die Pferde saufen nicht. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß die Ertragskraft der Unternehmen so schlecht geworden ist, daß auch die Unternehmen in immer größere Verschuldung geraten; das hängt auch damit zusammen, daß der Erwartungshorizont der Wirtschaft gerade in dieser politischen Konstellation sehr, sehr niedrig ist. Das hängt damit zusammen, daß ein günstiges politisches Klima für die Investitionsbereitschaft nicht vorhanden ist. Das ist vor allem eine Frage des Vertrauens. Die Verunsicherung im Bereiche der privaten Wirtschaft hat ihre Hauptursache darin, daß man nur mit Sorgen und großer Ungewißheit registriert, was sich vor allem innerhalb der stärksten Regierungspartei vollzieht. Solange die ordnungspolitische Diskussion innerhalb der SPD von den Systemüberwindern, den Radikalen und dem Klassenkampfdenken bestimmt wird, solange Leistung bestraft und die Belastbarkeit der Unternehmen erprobt werden soll, solange man das zum obersten Prinzip erhebt, solange Forderungen nach Investitionslenkung und Verstaatlichung immer lauter werden, wird sich niemand animiert, geschweige denn ermutigt fühlen, sich mit-



Dr. Müller-Hermann
tel- und langfristig mit Kapital in der Bundesrepublik zu engagieren.
Herr Bundesminister Friderichs hat auf das Prognos-Gutachten hingewiesen, das heute veröffentlicht worden ist, wo der Widerspruch deutlich gemacht wird zwischen den ständig wachsenden Ansprüchen, die die Politik an die unternehmerische Wirtschaft richtet, und der mangelnden Verständnisbereitschaft dafür, was Unternehmen brauchen, wenn sie diesen Anforderungen an die Wirtschaft gerecht werden wollen.
Hier ist, wie ich meine, auch der Kanzler Schmidt persönlich angesprochen. Er versucht ja, mit der ihm eigenen opportunistisch-pragmatischen Art den Eindruck zu erwecken, als kümmere ihn im Grunde das Geschwätz der Intellektuellen und der Theoretiker innerhalb der SPD ganz und gar nicht, als sei die Partei de facto nur eine Maschinerie für die Durchführung von Wahlkämpfen. Nein, nein, so ist die Lage nicht, vergessen wir doch nicht, daß Helmut Schmidt als Vorsitzender der Langzeit-Kommission der Vorkämpfer mancher solcher radikaler Ideen gewesen ist, die heute in der SPD herumgeistern und herumgären. Er ist ein Teil der SPD — so sieht es die Öffentlichkeit, und so sieht es die Wirtschaft —, er ist ein Teil jener SPD, in der die Systemüberwinder im Augenblick zwar kuschen, sehr verehrter Herr Ehrenberg, und sich nur Zurückhaltung auferlegen, um die Wähler nicht zu verwirren, die aber de facto — das wissen Sie genauso gut wie ich — Position um Position in der SPD vorrücken und letztlich den Ton, wenn nicht heute, dann für morgen, bestimmen.

(Breidbach [CDU/CSU]: Die Systemüberwinder bauen Häuser!)

Die Radikalen in der SPD, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, halten im Augenblick das Maul, aber sie geben ihre Ziele deswegen nicht auf. Das ist, glaube ich, die Beschreibung der Situation der SPD, wie sie der Wirklichkeit entspricht. Unter solchen Voraussetzungen kann ein günstiges Wachstumsklima nicht entstehen. Und das ist auch der wesentliche Grund dafür, daß wir die Euphorie der Bundesregierung in der Beurteilung der gegenwärtigen Konjunkturlage und in der Voraussicht für 1975 nicht zu teilen vermögen, daß wir uns eher in der skeptischen Einschätzung der Lage tagtäglich von neuem bestätigt sehen.
In dem, was die Minister Apel und Friderichs heute hier vorgetragen haben, gibt es — ich wiederhole das — durchaus manches, was wir als vernünftige und unterstützungswürdige Ansätze betrachten. Das gilt besonders für vieles, was Minister Friderichs für die internationale Politik, für die Währungs- und Handelsproblematik gesagt hat. Ich sage das noch einmal mit aller Deutlichkeit, damit niemand meint, wir betrieben eine Konfrontationspolitik um jeden Preis. Nur soll daraus niemand die falsche Schlußfolgerung ziehen, daß wir irgendwelchen Anlaß hätten, der Regierung und der sie tragenden Koalition aus SPD und FDP irgendwelche guten Noten auszustellen. Die Regierung hat ihre Pflichten in vielen Bereichen sträflich vernachlässigt.
Sie hat vielfältige Ermahnungen zu besserer Einsicht und mehr Disziplin in den Wind geschlagen. Das, was wir heute an Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Konkursen, Existenzsorgen und Existenzvernichtungen erleben, geht auf Konto dieser von der SPD und FDP getragenen Regierung, und aus dieser Verantwortung werden wir Sie nicht entlassen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711623400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehrenberg.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0711623500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundeswirtschaftsminister Friderichs hat in sehr umfassender, sehr gründlicher,

(van Delden [CDU/CSU] : Sehr einseitiger!)

sehr präziser Darstellung zwei Analysen gegeben. Er hat — erstens — sehr konkret die Situation der deutschen Volkswirtschaft mit ihren Risiken und ihren Stärken dargestellt, und er hat die dazu notwendige, wohlabgewogene, einer marktwirtschaftlichen, aber sozial gebundenen Wirtschaftsordnung entsprechende Politik dargestellt.
Er hat — zweitens — in einer genauso glänzenden Analyse das Unvermögen der Opposition dargestellt, diese im europäischen und nordatlantischen Zusammenhang hervorragende Position der deutschen Volkswirtschaft zu erkennen, und das noch größere Unvermögen, dieser Position entsprechende marktwirtschaftliche Vorschläge für Wirtschaftspolitik zu entwickeln.

(Breidbach [CDU/CSU] : Herr Kollege Ehrenberg, fragen Sie mal den Arbeitslosen in Gelsenkirchen, ob er sich mit den amerikanischen Arbeitslosen tröstet!)

— Herr Breidbach, Sie haben vielleicht noch Gelegenheit, etwas zu sagen.
Nun kann man vieles an den publizistischen Vorläufern, die es um diese Haushaltsdebatte am Wochenende und auch schon früher gegeben hat und vielleicht auch die nichtssagende, stundenlange Rede von Herrn Strauß damit entschuldigen, daß Sie diese glänzende Analyse des Bundeswirtschaftsministers nicht kannten und die Bestandsaufnahme der Bundesregierung vom 11. September nicht gelesen hatten. Wer liest denn schon auf der Oppositionsbank, was die Regierung schreibt!

(Dr. Zeitel [CDU/CSU] : Seien Sie doch nicht so eingebildet! So geht das ja auch nicht! — Breidbach [CDU/CSU] : Weihrauch und Einbildung! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— So billig geht's mit Zurufen nicht! — Aber nach der Analyse des Wirtschaftsministers hier ist das, was Herr Müller-Hermann geboten hat, schlicht gesagt, unverzeihlich. Es ist unverzeihlich, auch nach dieser Rede des Bundeswirtschaftsministers so unkonkret und so ungenau davon zu reden, die Regierung hätte Mist gebaut, und der Regierung Versäumnisse vorzuwerfen, ohne ein einziges Ver-



Dr. Ehrenberg
säumnis konkret und im Detail zu belegen. Herr Müller-Hermann, ich habe nicht einen einzigen konkret nachweisbaren Satz bei Ihnen gehört, was denn die Regierung nun wirklich Ihrer Meinung nach seit 1970 hätte tun sollen.

(Rawe [CDU/CSU] : Fragen Sie mal die 5,2 °/o Arbeitslosen in Gelsenkirchen!)

Ich frage Herrn Müller-Hermann, warum er uns das nicht gesagt hat,

(Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie das nicht selber gemerkt?)

und er hat es uns auch nach der Darstellung des Bundeswirtschaftsministers eben nicht gesagt.
So bleibt nach all dem, nach jener Vielzahl von Widersprüchen und auch nach dem Slalom, in dem Herr Strauß heute um alle internationalen und nationalen Wirtschafts- und Finanzprobleme sorgfältig mehr oder weniger elegant herumgegangen ist

(Breidbach [CDU/CSU] : Aber elegant ist ein gutes Prädikat!)

— das ist eine Ansichtssache, Herr Breidbach —, nach diesen beiden Reden von heute der Gesamteindruck übrig, wie er schon die Wochenendpublizistik erfüllt hat und wie Herr Minister Friderichs das hier so präzis und deutlich klargemacht hat, daß ich mir diese Gegenüberstellungen der Vielfalt des oppositionellen Meinungsspektrums ersparen kann, nämlich daß diese Opposition mehr als den pauschalen Vorwurf der Versäumniss an die Bundesregierung nicht erheben kann. Mehr scheint sie nicht zu wissen. Ich glaube darum, daß es, auch wenn es vielleicht zu Wiederholungen führt — das ist bei diesem Tatbestand unvermeidbar —, der Prüfung der nationalen und internationalen Wirtschaftsstatistik bedarf, um vielleicht dann in dieser Statistik feststellen zu können, ob man Begründungen für diesen Pauschalvorwurf der Versäumnisse in der Wirtschaftspolitik findet, nachdem die Redner wie die Wochenendschreiber der Opposition diese Beweise nicht geliefert haben. Schaut man sich die internationale Statistik über den Arbeitsmarkt, über das Preisniveau, über das Produktionsniveau, über die Investitionen in all ihren Facetten an, dann kann man allerdings höchstens zu der Feststellung kommen, daß die Opposition der Bundesregierung vorwerfen kann, daß sie es versäumt hat, dafür zu sorgen, daß sich die Bundesrepublik an die Spitze des weltweiten Inflationstrends gesetzt hat; statt deseen belegt die Bundesrepublik so hartnäckig wie erfolgreich dort den letzten, ehrenvollen Platz. Und die Opposition kann der Bundesregierung weiterhin vorwerfen, daß sie im Anschluß an den Nahostkonflikt hohe Zahlungsbilanzdefizite produziert hat; statt dessen weist die Bundesrepublik die höchsten Devisenvorräte der Welt auf. Man kann der Bundesregierung natürlich auch vorwerfen, daß sie es versäumt hat, das von der CDU/CSU geforderte, ebenso populäre wie inflationsträchtige sogenannte „Inflationsentlastungsgesetz" aufzunehmen. Statt dessen wird sie mit einer gezielten Steuerreform für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgen. Das sind Vorwürfe, die man erheben kann. Nur, ich glaube: Zu diesen Taten kann sich die Bundesregierung guten Mutes bekennen. Sie kann stolz darauf sein, diese „Versäumnisse" begangen zu haben, wie sie auch stolz darauf sein kann — vielleicht wäre das ein besonders schwerer Vorwurf —, daß sie nicht, vergangenen Beispielen schwieriger Wirtschaftssituationen folgend, die Sozialleistungen gekürzt hat. Das hat sie nicht getan und das wird sie nicht tun!

(Breidbach [CDU/CSU] : Warten wir mal 1975 ab!)

Aber was bleibt übrig von dem, was die Opposition hier zu bieten hat, wenn diese Vorwürfe nicht zutreffen? Ich glaube, es wäre gut und würde der wirtschaftlichen Situation und vor allen Dingen dem, was Herr Müller-Hermann mit Recht angesprochen hat, nämlich der Notwendigkeit, weitere Stärkung der Investitionsneigung zu betreiben, sehr entgegenkommen, wenn auch auf der Oppositionsbank eine nüchterne, objektive Beobachtung und Darstellung der ökonomischen Fakten endlich Platz greifen würde.

(Breidbach [CDU/CSU] : Nur die Regierung ist objektiv, allein seligmachend!)

Wenn auch die Opposition das, was die Bundesminister Apel und Friderichs hier in der Bestandsaufnahme zielstrebiger Wirtschafts- und Finanzpolitik dargestellt haben, nicht loben würde — das kann nicht Aufgabe der Opposition sein —,

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Aber warum denn nicht?)

so könnte sie doch die Fakten, wenn auch murrend, zur Kenntnis nehmen, und nicht so tun, als gäbe es sie nicht. Hier ist dargelegt worden, daß die Bundesrepublik weiterhin auf dem unruhigen und unsicheren Meer der Weltkonjunktur einen klaren Kurs steuern wird und daß dieser klare Kurs für die Bundesrepublik auf dem sicheren Polster von rund 10 Milliarden DM angesammelter Konjunkturrücklagen fortgesetzt wird. Ist das vielleicht auch ein Versäumnis, daß wir diese 10 Milliarden DM Konjunkturrücklagen in der Vergangenheit angesammelt haben? Wir haben dies aus guten Gründen und mit gezielter Politik getan. Das auf dieser Basis sehr gezielt vorgelegte regionale und lokale Sonderprogramm zusammen mit dem Bundeshaushalt 1975 setzt nicht die Globalsteuerung außer Kraft. Es ergänzt aber die Globalsteuerung gezielt, wo es nötig ist, um gleichzeitig dafür zu sorgen, daß zusätzliche Investitionen nur dort erfolgen, wo unausgelastete Kapazitäten zur Verfügung stehen, womit sichergestellt ist, daß keine zusätzlichen Impulse auf das Preisniveau von diesen Investitionen ausgehen und daß gleichzeitig unvermeidbare Strukturveränderungen nicht hinter einer allgemeinen Ankurbelungswelle verdeckt und damit weiter in die Zukunft vertagt werden, sondern daß diese Strukturveränderungen in entsprechender sozialer Absicherung vor sich gehen können und daß der gerade in den wirtschaftsschwachen Gebieten notwendige Ausbau der Infrastruktur gezielt vorangetrieben werden kann. Mit dieser Verbesserung der Infrastruktur in den wirtschaftsschwachen Regionen wird gleichzeitig eine der wesentlichen Vorausset-



Dr. Ehrenberg
zungen für eine bessere und ausgeglichenere Wirtschaftsstruktur von morgen geschaffen.
Das sind Fakten, die bekannt sind, die aber vielleicht auch auf den Oppositionsbänken dieses Hauses in Zukunft zur Kenntnis genommen werden sollten. Ich glaube, es ist zum Verständnis dessen, was wirtschaftspolitisch in der Zukunft getan werden muß und was den uneinheitlichen Chor der oppositionellen Begleitstimmen betrifft, notwendig, noch einmal auf einen Punkt der vielfältigen und schon von Minister Friderichs so deutlich dargestellten Palette hier einzugehen, und zwar deshalb, weil wohl zu Recht vom Pressesprecher der CDU Herr Stoltenberg als der kompetente wirtschaftspolitische Sprecher der Union herausgestellt worden ist.
Wenn er das ist -- die bisherige Debatte in diesem Hause hat den Beweis dafür geliefert, daß er jedenfalls bisher hier nicht aufgetreten ist, der kompetente wirtschaftspolitische Sprecher der Opposition —, dann muß man sich allerdings mit dem, was Herr Stoltenberg sagt, in diesem Hause besonders ernsthaft befassen. Dazu ist es notwendig, dem Kieler Ministerpräsidenten vorweg das Kompliment zu machen, daß er weniger polemisch und weniger unobjektiv an die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung herangeht, als es bisher in dieser Debatte hier geschehen ist, denn er hat das vorgelegte Programm der Bundesregierung vom 11. September im Gegensatz zu vielen anderen Sprechern der Opposition für grundsätzlich richtig befunden. Dafür verdient er Respekt. Nur, was Herr Stoltenberg in der gleichen Verlautbarung dann gesagt hat und was hier einige Male auch bei Herrn Müller-Hermann und bei Herrn Strauß durchgeschimmert ist, das bedarf allerdings sehr kritischer Anmerkungen. Herr Stoltenberg hat nämlich gleichzeitig mit seiner grundsätzlichen Zustimmung die Forderung an die Bundesregierung verbunden, Orientierungsdaten für die Tarifpolitik — ausdrücklich nur auf die Tarifpolitik bezogen — zu geben. Gleichzeitig hat er die Bundesregierung davor gewarnt, mit ihren umstrittenen Gesetzentwürfen vor allem zur Mitbestimmung und zur Pressefusionskontrolle das Vertrauen der Wirtschaft weiterhin zu untergraben.
Meine Damen und Herren, wenn das der kompetente wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsparteien sagt, dann bedarf das allerdings besonderer Beachtung. Diese Beachtung ist um so notwendiger, nachdem Minister Friderichs hier seinen Briefwechsel mit Herrn Stoltenberg über Orientierungsdaten dargestellt hat. Zumindest nach diesem Briefwechsel dürfte es auch Herrn Stoltenberg nicht mehr verborgen geblieben sein, daß das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz Orientierungsdaten ausschließlich für die Tarifpolitik nicht kennt, sondern daß mit Orientierungsdaten nur die ganze Palette der wirtschaftspolitischen Daten, der Größenordnungen für Produktion, Investitionen und Einkommen gemeint ist, daß diese Orientierungsdaten also nicht ausschließlich an die Adresse der Tarifpolitik gerichtet sein dürfen. Wenn Herr Stoltenberg die Forderung nach Orientierungsdaten ausschließlich für die Tarifpolitik trotz dieses Briefwechsels mit dem Bundeswirtschaftsminister wiederholt hat, so kann man
hieraus nur die Schlußfolgerung ziehen, daß einmal dem Bürger eingeredet werden soll, allein die Lohnverhandlungen hätten mit Preisen und wirtschaftlicher Entwicklung etwas zu tun und nicht eine Vielzahl von anderen Größen, und daß zum anderen mit so eindeutiger Stellungnahme für die Arbeitgeberpositionen in der künftigen Tarifverhandlung jene zweifellos sehr schwierige und mit größter Sorgfalt zu beobachtende und zu führende Tarifrunde in diesem Herbst nicht leichter, sondern wesentlich erschwert wird. Außerdem — das klang auch bei Herrn Strauß und bei Herrn Müller-Hermann an, ebenso wie in den Verlautbarungen von Herrn Stoltenberg — soll mit dieser ständigen Forderung nach dem Setzen von Orientierungsdaten doch dem Bürger suggeriert werden, daß diese Bundesregierung die Verpflichtungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz nicht erfüllt. Diese Vorspiegelung einer falschen Tatsache erfolgt wider besseren Wissens. Zumindest nach dem, was der Bundeswirtschaftsminister hier gesagt hat, kann an der Ernsthaftigkeit, mit der diese Bundesregierung das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz behandelt, wohl kein Zweifel mehr sein.
Zum anderen — dieser Punkt ist in dem Zusammenhang zumindest genauso wichtig — warnt Herr Stoltenberg vor der Verunsicherung der Investitionsneigung durch die umstrittenen Gesetzentwürfe der Mitbestimmung und der Pressefusionskontrolle. Präzise ausgedrückt wird auch hier von Herrn Stoltenberg der Standpunkt der Arbeitgeber zur Mitbestimmung — noch präziser: gar nicht der Standpunkt der Unternehmer oder Arbeitgeber, I sondern der Standpunkt der Antimitbestimmungskampagnen der wirtschaftlichen Verbände — wiederholt und nichts anderes. Fortschrittliche Unternehmer haben längst gelernt, nicht nur mit der Mitbestimmung zu leben, sondern den Ausbau der paritätischen Mitbestimmung als ein wesentliches konstitutives Element unserer freiheitlichen, aber sozial gebundenen Wirtschaftsordnung anzusehen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es auch vielleicht schwer fällt, von der CDU/CSU zu erwarten, der Mitbestimmung diese Reverenz zu erweisen, so sollte doch zumindest der Zusammenhang mit der Investitionsneigung — jedenfalls von ernsthaften Ökonomen — hier nicht gebracht werden können.
Das Ifo-Institut — sicher kein Institut, das besonderer sozialdemokratischer Neigungen verdächtig ist — kommt in seiner neuesten „Prognose 100" vom 4. September 1974 zu der Feststellung, daß insgesamt wieder mit einer Festigung der Investitionsneigung zu rechnen ist; das Institut hat seine Untersuchung bei den 100 größten Unternehmen, also dort, wo die Mitbestimmung in Zukunft eingeführt werden wird —, gemacht.
Wer auf Institutsmeinungen nichts gibt, der sollte sich doch zumindest von den realen Investitionsziffern leiten lassen. Oft wird ja auch behauptet — auch in diesem Hause ist es schon ausgesprochen worden —, daß gerade ausländische Investoren in Zukunft die Bundesrepublik meiden würden, weil sie jene angeblichen Gefahren der



Dr. Ehrenberg
Mitbestimmung als so schrecklich einschätzen würden. Die nackte Wirtschaftsstatistik widerlegt diese Befürchtungen völlig. Im Jahre 1973 haben in der Bundesrepublik die ausländischen Investitionen den Betrag von 6 Milliarden DM überschritten. Das war der relativ und absolut höchste Betrag ausländischen Investitionskapitals, der jemals in der nach Stoltenbergs und anderer Meinung so verunsicherten deutschen Wirtschaft angelegt worden ist und sie somit als bevorzugten Anlageplatz für zukunftsträchtige Investitionen kenntlich macht. Meine Damen und Herren von der Opposition, vielleicht hilft Ihnen dieser Hinweis ein wenig, zu der auch in diesem Hause noch zu führenden Mitbestimmungsdebatte eine andere Einstellung zu finden.
Nun zu einem nächsten, von Herrn Stoltenberg angesprochenen Punkt. Die Konzentration der publizistischen Hilfstruppen, deren sich die CDU zu erfreuen hat,

(Breidbach [CDU/CSU] : Die SPD hat wohl keine?)

macht es zwar verständlich, daß die beabsichtigte Pressefusionskontrolle hier nur höchst mißtrauisch betrachtet wird, aber wer eine Pressefusionskontrolle nicht will, soll das offen sagen, der soll sagen, daß ihm an der Vielfalt der Meinungsbildung in diesem Land nichts liegt, und seine Einwendungen nicht hinter dem Mäntelchen verstecken, dadurch würde die Investitionsneigung der Unternehmen leiden. Das ist keine faire und keine ehrliche Argumentation.
Die Bundesregierung hat einen gegenüber dieser heillosen Verwirrung der Opposition wirtschafts- und haushaltspolitisch klaren Kurs vorgelegt. Sie hat die im vergangenen Herbst begonnene Linie einer Differenzierung der Globalsteuerung erfolgreich fortgesetzt. Das 900-Millionen-DM-Programm bietet hier gezielte Hilfen. Es ist allerdings auch in aller Deutlichkeit zu sagen, daß für alle künftigen Eventualfälle weitere vergabereife Projekte griffbereit in der Schublage bleiben müssen.
Damit kein Zweifel daran besteht, daß die Lage auch innerhalb der die Regierung tragenden Fraktionen nüchtern und objektiv gesehen wird, sei noch einmal gesagt: Die künftige Entwicklung ist allein von den Gegebenheiten des Weltmarkts her voller Risiken. Aber diese sind auf dem sicheren Polster von mehr als 9 Milliarden DM Konjunkturrücklagen besser zu überstehen. Diese Rücklagen sind angeblich durch Versäumnisse entstanden. Sie sind in Zukunft entsprechend dem, was die Bundesregierung hier vorgetragen hat, gezielt einzusetzen.
Die SPD-Bundestagsfraktion weiß sich mit Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister darin einig, daß Stabilitätspolitik nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer erfolgen darf.

(Beifall bei der SPD — Breidbach [CDU/ CSU] : Bei 3 % Arbeitslosigkeit und 7 % Preissteigerung!)

An zwei Beispielen — von vielen — sei Ihnen das
hier kurz demonstriert. Die Bundesregierung und
die hinter ihr stehenden Fraktionen haben diese
Entschlossenheit durch das Gesetz über die Zahlung eines Konkursausfallgeldes und durch die bevorstehende Sicherung der betrieblichen Altersversorgung gegen Illiquidität hinreichend unter Beweis gestellt. Das sind zwei Beispiele dafür, wie richtig es ist, daß beide, der Bundesfinanz- und der Bundeswirtschaftsminister, in ihren Reden betont haben, wie entscheidend der Ausbau der sozialen Sicherung auch für die Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zu dem 900-Millionen-DM-Programm sagen, das ja in den Augen der Opposition wohl gar nicht stattgefunden hat.

(Breidbach [CDU/CSU] : Das hat es auch noch nicht! Wo hat es denn stattgefunden?)

Dieses Programm, das beschlossen ist und an dem gearbeitet wird — —

(Breidbach [CDU/CSU] : Stattfinden und beschließen sind zweierlei!)

— Herr Breidbach, ein Beschluß hat stattgefunden. Wenn Sie andere Sprachgewohnheiten haben, dann tut es mir leid.
Dieses Programm wird auf Regionen mit besonders schwierigen Arbeitsmarktzahlen gezielt. Gerade in diesen Regionen gibt es auch einen besonders hohen Fehlbedarf an öffentlichen, vorwiegend kommunalen Einrichtungen, Einrichtungen, die selten bauliche Großprojekte erfordern, sondern Projekte mittleren Ausmaßes sind, die den Vorzug haben, erstens schnell und zweitens auf Grund ihrer Größe und ihrer Lokalbezogenheit vorwiegend an mittlere Baufirmen vergeben werden zu können. Das ist deshalb besonders wichtig, weil gerade bei den mittleren Baufirmen die Beschäftigungssituation schwieriger ist als bei den großen und bei den ganz kleinen; bei den großen, weil sie Auslandsaufträge haben, und bei den kleinen, weil dort vom Reparaturbestand her die Beschäftigung sicherer ist.
So wird dieses 900-Millionen-DM-Programm, vorwiegend auf den öffentlichen Hochbau gezielt, genau dort einsetzen, wo es am notwendigsten ist. Es wird dabei helfen, jene Phase des Übergangs zu überwinden, in der wir uns wirtschaftlich zur Zeit befinden. Es schließt damit nahtlos an das ERP-Mittelstandsprogramm und die in zwei Programmen aufgelegten Liquiditätshilfen der Kreditanstalt für Wiederaufbau an. Doch die CDU/CSU ignoriert dies genauso, wie sie die vergleichsweise positive Situation der Bundesrepublik in der Weltwirtschaft ignoriert.
Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: alles in allem muß man zu den publizistischen Vorläufern aus den Reihen der Opposition zu dieser Haushaltsdebatte wie zu den bisher hier gehörten Beiträgen feststellen: Die Forderungen der Opposition in ihrer sich widersprechenden Vielfalt, ihre Kritik an allem, auch an den Maßnahmen, die sie einst selber, wenn auch zur Unzeit, gefordert hat, und ihr Unvermögen, alternative Vorstellungen konkret und in sich konsistent zu entwickeln, das alles zeigt, daß die CDU/CSU das schwierige Geschäft der



Dr. Ehrenberg
parlamentarischen Opposition immer noch nicht gelernt hat.

(Stücklen [CDU/CSU]: Machen Sie es doch wieder!)

— Manche brauchen halt eine längere Lehrzeit, Herr Stücklen, und diese Lehrzeit wollen wir Ihnen gönnen, noch auf lange, lange Zeit. Wir sind so großzügig, wir tun das.

(Breidbach [CDU/CSU] : Jawohl, Herr Oberlehrer!)

Es zeigt außerdem, wie recht jener CDU-Abgeordnete der ersten Bank hatte, der vor kurzem, auf die Oppositionsrolle der CDU angesprochen, folgendes feststellte. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, wie ich hoffe, drei Sätze zitieren.

(Stücklen [CDU/CSU] : Wer war das?)

— Das sage ich Ihnen nach dem Zitat; ein CDU-Abgeordneter der ersten Bank. Ich möchte nur Ihre Neugierde ein bißchen auf die Folter spannen. Er hat zur Oppositionsrolle der CDU, und wie sie dieser Rolle gerecht wurde, folgendes gesagt:
Erstens müssen wir uns außenpolitisch auf den Boden der Verträge stellen. Zweitens müssen wir in der Wirtschaftspolitik ein Programm und endlich den Mann haben, der dieses Programm darstellt. Und drittens müssen wir die gesellschaftspolitischen Beschlüsse des Hamburger Parteitags endlich als Alternative umsetzen und erst dann die Vorlagen der Bundesregierung, etwa zur Mitbestimmung, ablehnen.
So Dr. Rainer Barzel im „Handelsblatt" vom 9. September 1974, Seite 18. Meine Damen und Herren, diesem Kommentar habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Stücklen [CDU/CSU] : Den Barzel wolltet Ihr doch nicht haben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711623600
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Graf Lambsdorff.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711623700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich darf zunächst, Herr Müller-Hermann, weil wir sicher darin einig sind, daß unsere außenwirtschaftlichen und damit auch außenpolitischen Beziehungen besonders pfleglicher Behandlung bedürfen, eine Bemerkung von Ihnen richtigstellen, wobei ich Ihnen allerdings einräume, daß Sie sich vielleicht auf mißverständliche oder mißverstandene Pressenotizen stützen. Nämlich die Behauptung, der Bundeskanzler habe die beabsichtigte Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten kritisiert und damit Belehrungen an unseren größten Wirtschafts- und Handelspartner erteilt.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : So ist das auch aufgefaßt worden!)

Richtig ist, Herr Müller-Hermann, daß der Bundeskanzler — ich habe selber das Interview von James
Reston gelesen — auf die Frage „Welches Gewicht messen Sie der amerikanischen Wirtschaftspolitik für die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland bei?" gesagt hat: Wenn es in den Vereinigten Staaten eine Deflationspolitik geben sollte, so können wir uns einer solchen Entwicklung ohne Schaden für uns nicht entziehen. Dieser Konditionalsatz bleibt ganz sicherlich richtig. Eine Deflationspolitik wird erfreulicherweise in den Vereinigten Staaten nicht beabsichtigt; dieses Beispiel ist zutreffend.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711623800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Herr Abgeordneter Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0711623900
Herr Kollege Lambsdorff, sind Sie auch, als dieses Interview erschien, zufällig in den USA gewesen wie ich und konnten die Reaktion feststellen? Würden Sie mir dann bestätigen, daß in den Vereinigten Staaten allein schon diese schulmeisterliche Art, die in diesem Interview von A bis Z durchklang, sehr übel aufgenommen worden ist?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711624000
Ich teile nicht die Auffassung, daß es sich um eine schulmeisterliche Art gehandelt hat. Ich habe mich allerdings zur gleichen Zeit im südlichen Teil dieser Hemisphäre befunden und nicht im nördlichen; deswegen kann ich Ihren Eindruck nicht bestätigen. Aber ich bin sicher, Herr Müller-Hermann, daß Sie im Interesse deutscher Politik sofort versucht haben, einen etwa so entstandenen Eindruck zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711624100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrade des Kollegen Moersch?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711624200
Wenn mir das auf die Redezeit nicht angerechnet wird, Herr Präsident, immer und gerne.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0711624300
Würden Sie bitte zur Kenntnis und damit auch nochmals zu Protokoll nehmen, daß heute in der Fragestunde eine entsprechende Frage eines CDU-Kollegen schriftlich beantwortet werden mußte und verneint worden ist? Hätte sie mündlich beantwortet werden können, so wäre ergänzend gesagt worden, daß aus einem Bericht der Botschaft in Washington ein völlig anderer Eindruck hervorgeht als der, den Herr Dr. Müller-Hermann in den Vereinigten Staaten gewonnen hat, nämlich ein sehr positiver Eindruck, den unsere Botschaft aus dem State Department vermittelt hat?

(Beifall bei der FDP und bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Dr. MüllerHermann [CDU/CSU] : Es gibt auch so etwas wie diplomatische Höflichkeit!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711624400
Herr Kollege, Sie haben allerdings das Fragerecht etwas sehr strapaziert. — Bitte!




Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711624500
Ich bedanke mich sehr für diese ausführliche, aber klarstellende Frage.

(Heiterkeit und Zurufe)

Meine Damen und Herren! Da wir gerade dabei sind, uns über die Auslassungen zu unterhalten, die wir als Mitglieder dieses Hauses im Ausland von uns geben, so mußte ich im südlichen Teil der eben erwähnten Hemisphäre, Herr Dr. Müller-Hermann, feststellen, daß man den Äußerungen der Opposition auch dort nicht entgehen kann. Ich muß gestehen, es hat mich wenig befriedigt — um es milde auszudrücken —, daß ich dem „Argentinischen Tageblatt" vom 2. September, passend zu unserem heutigen Thema, aus der Feder eines prominenten CDU-Kollegen und -Politikers dieses Hauses folgende Formulierungen entnehmen mußte, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf:
Das Verantwortungsbewußtsein heutiger Wirtschaftspolitiker
-- ich füge hinzu: in Deutschland —
ist wahrscheinlich wenig entwickelt. wickelt. Nicht, daß
sic resignierend vor den Zeitströmungen die
Entwicklung laufen lassen, weil es ihnen zu schwer ist, gegen den Zeitgeist anzukämpfen, noch dazu etwa mit bloßer Vernunft. Nein, sie selbst haben die Vernunft fahren lassen und sind in der sich epidemisch verbreitenden zeitgenössischen Unvernunft zum besonders kritischen Krankheitsherd geworden. Zu vernünftiger Wirtschaftspolitik — und das ist besonders schlimm — und zur objektiven Aufklärung der Bevölkerung ist vor allem auch kaum noch ein Wirtschaftspolitiker bereit.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Und weiter:
Die ordnungspolitisch so wichtige Frage der Konzentration ist einer neuerrichteten Monopolkommission übertragen worden, die keinerlei wirtschaftspolitische Kompetenz hat. Beschäftigt sich regierungsseitig etwa noch wer mit der Erarbeitung und Durchführung von Konzepten zur Wiedergewinnung der Geldwertstabilität?
Und schließlich drittens:
Der Eindruck ist nicht absurd, daß sich hier einige Wirtschaftspolitiker zusammengetan haben, um einige interessante, aus ideologischen Neigungen selbstgebastelte Aufgaben zu lösen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711624600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711624700
Darf ich das eben noch zu Ende führen, Herr Kollege Müller-Hermann?
Ich muß zu meinem Bedauern mitteilen, daß der Verfasser dieser Schimpfkanonade — man kann es wohl nicht anders nennen — im Ausland — —
Meine Damen und Herren, wie haben Sie sich erregt über Äußerungen im Ausland, die von Mitgliedern dieses Hauses getan worden sind!

(Stücklen [CDU/CSU] : Wo schauen Sie denn hin? Da hinüber [zur SPD] ?)

— Herr Kollege Stücklen, Sie sitzen heute so weit links, das irritiert mich geradezu.

(Heiterkeit und Zurufe)

Der Verfasser dieser Schimpfkanonade ist — ich muß es leider sagen — Herr Professor Ludwig Erhard. Meine Damen und Herren, es ist ein Vergnügen, sich hier mit Ihren Argumenten auseinanderzusetzen, aber es ist kein Vergnügen, sich im Ausland mit solchen Argumenten und mit dieser Tonart auseinandersetzen zu müssen.
Entschuldigung, Herr Dr. Müller-Hermann, Sie warten noch auf die Gelegenheit zu einer Zwischenfrage.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0711624800
Ich wollte eigentlich an Sie die Frage richten, die Kollege Stücklen indirekt schon gestellt hat: ob Sie diese Äußerungen, von denen ich nicht weiß, ob sie im Ausland gefallen oder hier gefallen sind und im Ausland nur zitiert wurden, nicht für relativ harmlos gegenüber dem halten, was der Fraktionsvorsitzende der SPD über den amtierenden Kanzler in Moskau gesagt hat?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711624900
Herr Kollege Müller-Hermann, wir sind im Augenblick dabei, jedenfalls war ich dabei, mich über wirtschaftspolitische Diskussionen — ob wir sie besser hier oder im Ausland führen — zu unterhalten.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Ihren Blick da hinüber hätten wir gerne noch deutlicher gehabt!)

-- Der Blick da hinüber bestand nur darin, Herr Kollege Althammer, daß Ihnen die Aufregung über Äußerungen im Ausland jedenfalls dann schlecht ansteht, wenn Sie dies in Ihren eigenen Reihen für richtig halten.
Hier im Hause, Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, kommt immer wieder der alte Ruf: „Die Stabilitätspolitik kam zu spät!" Herr Kollege Strauß, Sie haben gestern in Ihrer schriftlichen Stellungnahme zu der Haushaltsrede des Bundesfinanzministers genau dasselbe wieder vorgetragen: Alles ist zu spät gekommen! Der Herr vorgetragen
hat heute schon den Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank zitiert, der in dem erwähnten Vortrag kürzlich gesagt hat:
Wir haben einen zeitlichen Vorsprung unserer Stabilitätsbemühungen gegenüber fast allen anderen Ländern.
Es kann doch überhaupt nicht bestritten werden,
Herr Strauß, daß wir im Rennen aller dieser offensichtlich zu spät Gekommenen oder zu spät Gestar-



Dr. Graf Lambsdorff
teten immer noch mit weitem Abstand die ersten sind.

(Dr. Narjes [CDU/CSU]: Das ist eine andere Frage!)

— Nein, das ist keine andere Frage, Herr Narjes, weil feststeht, daß die erste Regierung in einem wirtschaftlich wesentlichen Lande, die sich zu einer ernsthaften Stabilitätspolitik und den dazu gehörenden Maßnahmen entschlossen hat, die Bundesregierung der sozialliberalen Koalition gewesen ist. Das war im Mai 1973, als — wie der Herr Bundeswirtschaftsminister heute zum wiederholten Male und richtig gesagt hat — durch die Einführung des Floatings die Voraussetzungen für eine wirksame Stabilitätspolitik geschaffen worden sind.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : 1970 wäre es richtig gewesen!)

Das Ergebnis ist, daß wir in der internationalen Vergleichsskala an letzter Stelle stehen.
Wir betonen hier noch einmal und wiederholen, daß wir uns natürlich mit dem jetzt Erreichten nicht zufriedengeben wollen, daß das Ziel einer Wiederherstellung der Geldwertstabilität noch nicht erreicht ist. Aber wir betonen auch, daß wir uns auf dem richtigen und zur Zeit sichtbar erfolgreichen Weg befinden.
Herr Dr. Friderichs hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß es mit der Klage, wir holten uns nach wie vor über den Import 30%ige Preiserhöhungen herein, selbstverständlich so aussieht, daß die Klagen in anderen Ländern über ihre Inflationsraten, die dort um das Doppelte, wenn nicht gar um das Dreifache höher liegen, viel größer sind. Daran beteiligen wir uns mit dem von Ihnen zitierten Export, gegen den ich im übrigen nichts habe. Das ist Ausnutzung der Marktchancen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711625000
Herr Abgeordneter Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711625100
Bitte sehr, Herr Professor Zeitel.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0711625200
Graf Lambsdorff, in der Finanzplanung wird im Durchschnitt der Jahre bis 1978 mit einer Preissteigerungsrate von 5 bis 6 % gerechnet; ich wiederhole: im Durchschnitt. Ist das nach Ihrer Meinung der richtige Weg?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711625300
Herr Professor Zeitel, ich glaube, daß dies eine realistische Betrachtungsweise ist.

(Dr. Zeitel [CDU/CSU] : Ist das der Weg, den Sie meinen?)

- Es ist ganz ohne Frage der richtige Weg, mit
einer Preissteigerungsrate zu rechnen, die man zur Zeit selbst bei optimistischer Betrachtung und der Bundesfinanzminister hat ein vorsichtiger Mann zu sein — lieber zu hoch ansetzt als zu niedrig. Ich will mich aber nachher zur Entwicklung der Preissteigerungsrate äußern und meine persönliche Meinung zu diesem Thema sagen.
Kaum aber, meine Damen und Herren, haben wir dieses Ergebnis erreicht, so hören wir aus dem Lager der Opposition, daß man eigentlich doch an dieser Stabilitätspolitik, die ja viel Mühe und Last und Beschwernis mit sich bringt — wer wollte das bestreiten? —, möglichst wieder Abstriche machen sollte, weil das eben zu lästig ist, weil es Schmerzen bereitet.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Wer hat das heute gesagt?)

— Ich werde gleich darauf zurückkommen, Herr Müller-Hermann. Sie haben eben schon in Ihren Ausführungen gemeint, dies sei aus Ihren Reihen nicht gesagt worden, obwohl der Bundeswirtschaftsminister mit einer Serie von Zitaten aufwarten konnte, die doch recht überzeugend waren. Sie jedenfalls behandeln Stabilitätspolitik offensichtlich wie die Echternacher Springprozession — so geht es aber nicht — oder nach dem Verfahren: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß. Auch darüber sind wir schon vor Monaten einig gewesen — zumindest haben wir es versucht, Sie zu überzeugen —, daß dieser Weg nicht erfolgreich sein kann.
Wenn Sie fragen wollen, woher wir denn den Eindruck hätten außer aus den Zitaten, die der Herr Bundeswirtschaftsminister gebracht hat , so darf ich noch einmal zurückkommen auf den Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die wir selbstverständlich ebenso aufmerksam lesen, Herr Dr. Strauß, wie Sie das offenbar zu tun pflegen.

(Strauß [CDU/CSU] : Daß Sie lesen können, habe ich Ihnen nie abgestritten!)

— Na, das ist aber sehr entgegenkommend, daß Sie uns wenigstens so viel noch lassen, Herr Strauß. Im übrigen muß ich, nach dem, was Sie heute morgen hier gesagt haben, feststellen: Die Bundestagstribüne und Vilshofen sind zwei Paar Stiefel, schreibt der.

(Strauß [CDU/CSU] : Wer schreibt das?)

— Herr Fritz Ullrich Fack. Nur weiß ich nicht, ob Herr Strauß die Stiefel heute verwechselt hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Kollege Strauß, bei dem, was Sie heute morgen an Gangart und Tonart hier geliefert haben, kann ich, nachdem Sie den Vergleich von Zylinder und Ballonmütze brachten, nur sagen: Hut ab — und Helm auf!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber, Herr Müller-Hermann, Sie wollten gerne noch hören, worauf wir uns beziehen. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — ich hoffe, es ist das letzte Mal, daß ich darum ersuchen muß — darf ich das vorlesen, was Herr Fack hier geschrieben hat:
So ist es, um ein Beispiel zu geben, ein dubio-
ses Manöver, heute als Opposition kaum ver-



Dr. Graf Lambsdorff
hüllt nach staatlichen Konjunkturspritzen zu
rufen, wenn man bis gestern noch — mit
Recht --
- wie er schreibt, wie ich nicht meine —
die ständige Überbeschäftigung und ihre inflatorischen Folgen angeprangert hat. In einigen Bundesländern sind Unionsregierungen dabei, ohne Rücksicht auf den bundesstaatlichen Gleichschritt spezielle Branchenankurbelungsprogramme ins Werk zu setzen. Da macht der sozialdemokratische Bundeskanzler, der auf dem Felde der Beschäftigungspolitik sicherlich unter einem ungleich stärkeren Druck seiner Parteifreunde steht als die Opposition, mit seinen gelassenen Äußerungen zu diesem Thema eine bessere Figur.
Ich stimme diesem Zitat zu.

(Stücklen [CDU/CSU] : Auch Herr Fack ist nicht unfehlbar!)

Herr Müller-Hermann, hier möchte ich mich mit einigem von dem auseinandersetzen, was Sie vorgetragen haben. Sie sagten, es gebe aus Ihren Reihen kein Signal zum Durchstarten. Wenn das jetzt dabei bleibt — Herr Strauß hat das heute morgen erfreulicherweise auch noch erklärt —, wenn Sie wieder den Gleichschritt in dieser Richtung gefunden haben, so soll uns das nur zufriedenstellen. Es geht uns hier nicht um Rechthaberei, sondern es geht uns genau um die zukünftige Entwicklung und nicht so sehr um die Vergangenheitsbewältigung, die Sie noch sehr ausgiebig versucht haben, wobei ich Ihnen aber das Kompliment mache, daß Sie dann in Ihren sechs Thesen wenigstens teilweise versucht haben — im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Strauß, heute morgen vorgetragen haben —, sich mit der Zukunft zu beschäftigen.

(Breidbach [CDU/CSU] : Das ist vernünftige Arbeitsteilung!)

Sie haben gesagt, die Höhe des VW-Preises in den USA sei kein struktureller Fehler. Man wird lange darüber streiten können, ob das die Folge von Struktur- oder Konjunkturpolitik ist. Aber ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung, daß diese schwierige Situation die Folge falscher Regierungspolitik ist, Herr Müller-Hermann. Da haben Sie völlig recht; das ist nämlich die Folge falscher Wechselkurspolitik.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Genau!)

Deswegen wurden die Volkswagen seit langen Jahren nicht dort drüben gebaut, sondern unter einem falschen, täuschenden Wechselkurs von hier exportiert, bis dies eines Tages nicht mehr ging. Sie dürfen sich fragen, wer für diese Wechselkurspolitik verantwortlich gewesen ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das ist mit ein Grund, aber nicht der entscheidende!)

— Natürlich ist das der entscheidende Grund dafür, daß die Exportsituation heute so schwierig geworden ist und man nicht selber drüben bauen und liefern kann.
Herr Müller-Hermann, Sie haben erneut die Hochzinspolitik beklagt. Nun wissen wir aber, daß die Hochzinspolitik beinahe das einzige Mittel der Globalsteuerung ist, das uns neben der Geldmengenpolitik — die Geldmengenbeschränkung führt aber zum Hochzins — wirklich noch übriggeblieben ist, Es hilft einfach nichts: Wenn die Inflationsrate X beträgt, so wird der Zinssatz X plus 1 oder X plus 2 betragen. Von dieser Realzinstheorie lassen wir uns jedenfalls nicht abbringen. Ich glaube, Sie sind der gleichen Ansicht. Natürlich sind Zinsen Kosten; aber Zinsen sind auch Preise, und wenn alles teurer wird, wird eben auch Geld teurer, und Sie werden das nicht verhindern können. Sie werden das nicht einmal verhindern wollen, es sei denn, Herr Müller-Hermann, Sie wollen die Globalpolitik einschränken.
Herr Strauß, ich wiederhole das, was ich heute morgen gesagt habe: sollten wir dazu übergehen, die Globalpolitik und die Globalsteuerung pauschal zu kritisieren, sollten wir auch nur dazu übergehen, sie zu durchlöchern und sie damit in den Bereich der Abschaffung bringen — denn die durchlöcherte Globalsteuerung funktioniert eben nicht mehr —, dann sind wir mit dem ersten gedanklichen und praktischen Schritt auf dem Wege zur Investitionslenkung, zu der der Herr Bundeswirtschaftsminister soeben in überzeugender Form Stellung genommen hat. Herr Strauß, das Übergreifen in sektorale und regionale Konjunktursteuerung ist gedanklich der erste Schritt dorthin.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711625400
Abgeordneter Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711625500
Bitte sehr!

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0711625600
Graf Lambsdorff, sind wir uns darin einig, daß die Zinspolitik der Bundesbank nicht im luftleeren Raum steht, sondern natürlich gegenüber den Anforderungen an das Sozialprodukt abgestimmt und reguliert werden muß und daß die Hochzinspolitik aus der Sicht der Bundesbank besonders hoch geschraubt werden mußte, weil sich die öffentlichen Hände und auch die Tarifpartner nicht stabilitätsgerecht verhalten haben?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711625700
Dies sind sicherlich nicht die einzigen Gründe, aus denen die Bundesbank zur Hochzinspolitik übergegangen ist; aber die Hochzinspolitik — ich darf das wiederholen — ist nur eine Folge der Geldmengenverknappung durch die Bundesbank, und an dieser Stelle hat sie angesetzt; denn einen unmittelbaren Zugriff zum Zins hat sie, da der Diskontsatz seine Marktsteuerungsfunktion längst verloren hat, auch über die Offenmarktpolitik heute kaum noch.
Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben weiter gesagt, die Wiederbelebung der Konjunktur sollte nicht durch Konsumentennachfrage angekurbelt werden. Ich stimme Ihnen zu. Nur würden Sie die Güte haben, das dann auch bei Ihrem Petitum im Hin-



Dr. Graf Lambsdorff
blick auf die Autoproduktion und ,die Unterstützung für die Automobilindustrie zu bedenken und es vielleicht auch dem Herrn Kollegen Höcherl zu sagen, wenn er für Steuersenkungen bei Kühlschränken, Fernsehapparaten und ähnlichen „langlebigen" Investitionsgütern aufruft? Hier ist wieder ein Beispiel, daß es bei Ihnen doch wohl nicht so ganz einheitlich zugeht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Beschäftigungsprobleme, zu denen der Herr Bundeswirtschaftsminister heute schon Stellung genommen hat, wollen wir um alles in der Welt nicht verkleinern und nicht herunterspielen. Wir wollen auch ganz deutlich sagen — ich sage das im Namen meiner Fraktion —, daß im Falle der Arbeitslosigkeit beim persönlichen Schicksal natürlich auch die Länge die Last trägt. Wir haben uns deshalb dieses Problems mit besonderem Nachdruck anzunehmen.
Auf der anderen Seite müssen wir aber strukturelle Prozesse durchstehen, um die Grundlagen neuen und — jetzt betone ich — realen und nicht nominalen Wachstums zu schaffen. Wir wissen doch heute, Herr Kollege Strauß — ich mache daraus niemandem einen Vorwurf, aber man kann doch aus den Erfahrungen lernen —, daß das Ankurbeln 1967/ 68 falsch gemacht worden ist. Man hat auf einem zu hohen inflationären Sockel, nämlich bei hohen Preissteigerungsraten in der industriellen Produktion, die auf den Verbraucherindex nicht durchschlagen konnten, wieder Gas gegeben und damit freie Fahrt für eine weitere inflationäre Entwicklung. Dieser Fehler darf nicht noch einmal gemacht werden. Herr Kollege Strauß, ich bin gerne bereit, das noch einmal zu erläutern. Wir haben auch heute noch einen starken Kostendruck aus der Vergangenheit. Diesen Kostendruck aus der Vergangenheit würden Sie sofort freisetzen und in die Verbraucherpreise überleiten, überwälzen lassen, wenn Sie heute von der Geldmengenpolitik der Bundesbank Abstand nähmen. Es muß bei dieser straffen Geldmengenpolitik bleiben.
Für meine Fraktion unterstreiche ich ausdrücklich, was der Herr Bundeswirtschaftsminister zu den unterschiedlichen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit 1966/67 und jetzt gesagt hat. Wir sind der Ansicht, daß die konsequente sozialpolitische Haltung dieser Regierung, die konsequente Haltung in der Frage der Arbeitslosengelder und der Kurzarbeitsgelder, wesentlich dazu beigetragen hat, daß es zu einer so relativ ruhigen Lage und Haltung in unserem Volke kommt. Wir wehren uns gegen jede hämische Kritik, die immer wieder im Lande laut wird, wo es dann heißt, das Arbeiten lohne sich gar nicht mehr, für Arbeitslosengeld könne man ja friedlich zu Hause sitzen oder gar noch Schwarzarbeit betreiben. Nur auf dieser Basis — auch, Herr Bundesarbeitsminister, an Ihre Adresse sei das gesagt —, ist das überhaupt möglich gewesen. Herr Kollege Ehrenberg, die Erwähnung von Konkursausfallgeld und betrieblicher Altersversorgung findet unsere Zustimmung. Wir begrüßen darüber hinaus — und sind auch da sicherlich mit Ihnen einig , daß die Wirtschaft durch eine Einrichtung für Insolvenzsicherungen von sich aus alles dazu beitragen will, dieses Absicherungsverfahren noch zu vervollkommnen.
Herr Kollege Zeitel, ich will mich auch zu der weiteren Entwicklung aus meiner Sicht äußern. Das Ergebnis ist zunächst einmal eine Inflation, eine Preissteigerungsrate im Verbraucherpreisindex von zirka 7 N. Als Abgeordneter kann man eine Prophezeiung etwas freimütiger wagen, als das eine Regierung tun könnte. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir 1974 mit einer durchschnittlichen Preissteigerungsrate enden werden, die unter 6,5 °/o liegt.

(Zuruf des Abg. Zeitel[CDU/CSU])

Herr Zeitel, ich bin gern bereit, am 2. Januar 1975 oder wenn die Zahlen vorliegen, darüber mit Ihnen zu diskutieren. Wir sind beim Verbraucherpreisindex eindeutig auf dem Wege nach unten. Wichtiger ist aber ein Gesichtspunkt, der heute auch schon erwähnt worden ist. Wir haben nicht nur die letzte Rangstelle erreicht — oder die erste, wie immer Sie wollen —, sondern wir gehen zum erstenmal mit einem niedrigeren Überhang, nämlich mit 3%, in das nächste Jahr. Von 1973 zu 1974 waren es noch 3,5 %. Dies ist der entscheidende Gesichtspunkt für die Beurteilung der Inflationserwartung. Nichts ist so wesentlich wie die psychologische Seite, wie die Inflationsmentalität.Wenn wir unserer Bevölkerung und — ich sage es ganz deutlich — wenn wir auch den Tarifpartnern klarmachen können, daß die Inflationserwartung heute nach unten gerichtet sein muß und daß der Vorgriff auf das, was aller Voraussicht nach kommen muß und deswegen jetzt schon hereingeholt werden muß, in diesem Umfang nicht mehr zutreffend und richtig ist, dann sind wir einen ganz erheblichen Schritt weiter. Deswegen, meine Damen und Herren, muß man auf diesen Umstand ganz besonders hinweisen. Deswegen wäre es in der gegenwärtigen Situation besonders verantwortungslos, weiter Inflationsangst zu schüren. Die Bundesrepublik wird nach unserer Überzeugung die weitere konjunkturelle Beruhigung in der Anpassungsphase besser durchstehen und überstehen können als viele andere Länder. Der Kollege Ehrenberg hat auf die vergleichsweise günstige Situation aufmerksam gemacht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711625800
Herr Abgeordneter, der Herr Kollege Stücklen möchte eine Zwischenfrage an Sie richten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0711625900
Herr Kollege Lambsdorff, nach Ihren Ausführungen zu schließen, sind Sie also nicht der Meinung, daß Stabilität ein Modewort ist?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711626000
Ich bin nie dieser Meinung gewesen.

(Breidbach [CDU/CSU] : Das war trocken und präzise!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Stücklen, es bleibt aber — das hat der Herr Bundesfinanzminister gestern mit vollem Recht dargestellt — die



Dr. Graf Lambsdorff
schwierige weltwirtschaftliche Situation. Der Internationale Währungsfonds hat in seinem Halbjahresbericht vor wenigen Tagen klargemacht, wie kompliziert, wie unübersichtlich und vielleicht sogar — jedenfalls gegenwärtig — unlösbar die internationalen Währungsverhältnisse sind. Die Zahlungsbilanzdefizite sind ja in einem speziellen Fall, der uns interessiert, der Grund gewesen, warum wir einen Kredit an unser Nachbarland und unseren Handelspartner Italien gegeben haben. Ich möchte für meine Fraktion erklären, daß wir diese Maßnahme der Regierung billigen, daß wir diese Unterstützung für notwendig gehalten haben. Wir hätten es begrüßt, wenn es möglich gewesen wäre — der Bundeswirtschaftsminister hat eben einleuchtend dargelegt, warum das nicht ging —, einen solchen Kredit über eine dritte Organisation, etwa über eine europäische Einrichtung, zu leisten. Wir gehen natürlich davon aus, daß das, was in der Regierungserklärung als Vorbedingung für solche Maßnahmen genannt worden ist, auch im Falle Italien — offensichtlich ist dem ja auch so — durchgesetzt und erwartet werden kann.
Wir haben in den vergangenen Diskussionen klarzumachen versucht, daß auf das sogenannte Recycling als Lösung der internationalen Zahlungsbilanzprobleme kein ausreichender Verlaß sein kann. Wie die vergangenen Monate unter Beweis gestellt haben, war diese Befürchtung richtig.
Es gibt also besorgniserregende Faktoren, die wir nicht wegspielen können, die nicht unserer Beeinflussung unterliegen, mit denen wir aber rechnen müssen und auf die wir uns einzustellen haben. Wir können allenfalls dazu beitragen — ich füge hinzu: wir müssen dies sogar —, durch internationale Währungskooperation über diese Hürden hinwegzukommen. Die Folge ist doch, daß die Laufzeiten für Kredite immer kürzer werden. Man nennt das am Euro-
Markt heute vornehm Roll-over-Kredite. Früher hieß das „aus kurz mach lang" und verstieß gegen jede manierliche Bankregel.
Auch in der Bundesrepublik ist das nicht unbedenklich. Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern darauf hingewiesen, daß man langfristige Investitionen schließlich auch noch von der Generation unserer Kinder mitbezahlen lassen kann. Dies halte ich für richtig. Herr Bundesfinanzminister, ich wünsche Ihnen und meinen Kindern aber, daß sie noch länger als fünf oder zehn Jahre leben können. Längeres Geld bekommen Sie nämlich zur Zeit gar nicht. Das ist der Zustand am Kapitalmarkt. Wir finanzieren also auch hier langfristige Investitionen mit fünfjährigen Schuldscheindarlehen und refinanzieren 25jährige Hypotheken mit 10jährigen Pfandbriefen. Dies ist ganz zweifellos eine besorgniserregende Situation, die wir im Auge behalten müssen und aus der Gefahren erwachsen können. Es muß eben festgestellt werden, daß die Inflation die Kapitalmärkte schwer beschädigt hat und daß diese Beschädigung der Kapitalmärkte durch die Ölpreiskrise noch verschärft worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Bemerkungen zu aktuellen Problemen machen, die sich in den letzten Wochen ergeben haben. Ich will mich nicht nur in den großen weltwirtschaftlichen Theorien tummeln. Wenn man über weltwirtschaftliche Probleme spricht, muß man immer zugeben, daß es nicht in unserer Macht steht, diese Probleme zu lösen. Es gibt ja noch ein paar Dinge, die wir im eigenen Hause selbst bestellen und, wenn es geht, in Ordnung bringen können.

(Dr. Frerichs [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

— Herr Kollege Frerichs, beim Kapitel „Wettbewerbsrecht" kommen Sie gleich an die Reihe.
Ich möchte noch einige Bemerkungen zu den Folgen der Insolvenz des Bankhauses Herstatt machen. Meine Fraktion ist — dies ist sicherlich keine neue Weisheit — der Auffassung, daß es sich hier um einen Einzelfall und nicht um ein Symptom für einen Zustand des deutschen Kreditwesens handelt. Im übrigen wissen wir inzwischen, daß Verluste aus Devisentermingeschäften auch bei anderen Banken in Deutschland, vor allem aber auch in den Vereinigten Staaten, in England und in der Schweiz aufgetreten sind. Nur möchten wir deutlich sagen, daß es sich hier nicht um eine Folge des Floatens handelt und daß man nicht dem Floaten die Schuld dafür geben kann, daß Devisenterminspekulationen mit negativem Ergebnis gemacht werden. Es handelt sich vielmehr um die Folge mindestens leichtfertiger, wenn nicht sogar strafbarer Handlungen auf diesem Geschäftssektor.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711626100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711626200
Darf ich das eben noch zu Ende führen. Dann sofort, Herr Kollege Dr. Althammer. — Wir sind deswegen sehr zufrieden, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen dafür gesorgt hat, daß die offenen Devisentermingeschäfte ab 1. Oktober 30 % des haftenden Eigenkapitals einer Bank nicht mehr übersteigen dürfen.
Wir möchten allerdings — vielleicht darf man das im nachhinein noch kurz sagen — die Frage stellen dürfen, ob eigentlich der Zeitpunkt der Schließung des Bankhauses Herstatt so überaus glücklich gewählt war.

(Dr. Barzel [CDU]: Sehr wahr!)

Wir möchten auch die Frage stellen, ob es eigentlich richtig war, daß die Bundesbank in dem kritischen Zeitpunkt nur mit den drei Großbanken verhandelt und nicht Gelegenheit genommen hat, das gesamte Kreditwesen dazu heranzuziehen. Daß allerdings die Beschwerden über das Nichtheranziehen nun gerade aus Düsseldorf kamen, kann man sich vielleicht nur damit erklären, daß es sich um ein Institut handelt, das seine besonderen Erfahrungen in der Abwicklung von Verlusten aus Devisentermingeschäften anbieten wollte.

(Allgemeine Heiterkeit)




Dr. Graf Lambsdorff
Ich bin der Bundesbank sehr dankbar, daß sie erfolgreich die Initiative ergriffen hat, die Liquiditätskonsortialbank auf die Beine zu stellen. Dies scheint der richtige Weg zu sein, um weitere Schwierigkeiten schnell verhindern zu können.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das werden wir noch prüfen! — Abg. Dr. Zeitel [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711626300
Einen Augenblick, Herr Kollege Zeitel. Ich muß erst noch feststellen, Graf Lambsdorff, ob Sie noch auf die Frage des Kollegen Althammer zurückkommen wollen.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711626400
Herr Kollege Graf Lambsdorff, ich wollte Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob Sie die Auffassung von Minister Dr. Apel teilen, die er in der Ankündigung seines Programms in diesem Bereich geäußert hat, daß man nämlich künftig keine neuen Privatbanken gesetzlich mehr zulassen will.
Dr. Graf Lambsdorff: (FDP): Herr Kollege Althammer, ich kann immer nur eines nach dem anderen machen. Das kommt auch. — Herr Professor Zeitel, bitte!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711626500
Sie haben die Möglichkeit, wegen der Zwischenfragen einige Minuten länger zu sprechen.

Dr. Gerhard Zeitel (CDU):
Rede ID: ID0711626600
Würden sie der Auffassung sein, Herr Kollege Graf Lambsdorff, daß in die Überlegungen, wie ähnliche Schwierigkeiten vermieden werden können, auch das Kapitel Helaba hineingehört, das zumindest, wenn auch aus etwas anderen Gründen, zu gleichen Vorsorgemaßnahmen Anlaß gibt?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711626700
Herr Kollege Zeitel, hier handelt es sich — das muß man, glaube ich klarstellen — nicht um Devisentermingeschäfte, sondern hier handelt es sich um Fragen der Bauzwischenfinanzierung und einer schiefgelaufenen Beteiligung. In der Frage der Beaufsichtigung von Banken, auch in der Frage der Einrichtung von Aufsichtsgremien in Banken werden wir allerdings im Zusammenhang mit der Neuformulierung des Kreditwesengesetzes über einiges nachzudenken haben.

(Reddemann [CDU/CSU] : Da wird Herr Osswald seinen Hut nehmen müssen!)

In der Frage, welche Weiterungen eventuell aus der Insolvenz des Bankhauses Herstatt entstehen können, meine ich, daß größte Zurückhaltung am Platze ist. Wir würden es für richtig oder jedenfalls für möglich halten und der Bundesregierung empfehlen, sollte es zu einer Konsortialbank oder zu einem Konsortium zum Auffang von anderen Beteiligungen kommen, die Kreditanstalt für Wiederaufbau als eine neutrale Instanz zur Verfügung zu stellen. Wir finden, Treuhänderfunktionen, bei denen
der Treuhänder den größten Appetit auf Verspeisen des Treugutes hat, sind nicht unbedingt das Ideale. Wir möchten allerdings sagen, daß im Ergebnis aus einer Neuordnung im Versicherungsbereich nicht eine neue Bankenbeteiligung werden sollte, da wir — ich glaube, darin besteht Übereinstimmung bei der ganzen Breite des Hauses — nicht gerade eine Ausweitung der industriellen Beteiligungen im Kreditwesen wünschen, eher doch wohl das Gegenteil.
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung liegen natürlich auch im Bereich des Kreditwesengesetzes. Der Herr Bundesfinanzminister ist hier in der Sommerpause erfreulich aktiv und initiativ geworden. Herr Bundesfinanzminister, wir sind mit Ihnen der Meinung, daß im Kreditwesengesetz schnell das reformiert und geändert werden sollte, was sich als unbedingt notwendig erweist, um solche Fälle zu verhindern. Wir bitten aber darum, sich jetzt auf diese schnellen, dringlich notwendigen Verbesserungen des Gesetzes zu konzentrieren, um das schnell durchbringen zu können und von allem Beiwerk zu befreien. Das ist sehr viel; denn über das Kreditwesengesetz sind ganze Büchereien geschrieben worden. Das Kreditwesengesetz bedarf einer völligen Reformierung. Meine Fraktion meint, daß dieser größere Reformteil in dieser Legislaturperiode in Ihrem Hause vorbereitet und in der nächsten Legislaturperiode zur Entscheidung vorgelegt werden müßte. Wir befürchten aber, daß wir, wenn man jetzt alles machen will, das nicht schnell geregelt bekommen, was schnell und dringend gemacht werden muß.
Zu dem, was schnell erledigt werden muß, gehört eine Verbesserung der Einlagensicherung. Allerdings stellen wir uns die Frage, ob man nicht mit gewissen Vorstellungen und Plänen über das Ziel hinausschießt. Die Bedenken gegen die staatliche Einlagensicherung müssen zumindest einmal gründlich diskutiert werden. Ob das wirklich ein Weg ist, auf dem man weiterkommt, erscheint mir zweifelhaft. Das amerikanische Beispiel zieht nicht; denn dort bezieht sich die staatliche Einlagensicherung auf sage und schreibe 20 000 Dollar. Das haben wir schon mit dem Feuerwehrfonds, der selbstverständlich nicht ausreicht; um das hier ganz deutlich zu sagen.
Aber eine staatliche, etwa gar unbegrenzte Einlagensicherung müßte dazu führen, daß bei der Kredithergabe unangebrachte Großzügigkeit auftritt, daß Zinszugeständnisse bei der Hereinnahme von Geldern gemacht werden und daß dann, wenn wegen solcher Zinszugeständnisse neue Bankzusammenbrüche und damit Inanspruchnahme der staatlichen Einlagensicherung erfolgen, der Ruf nach einer neuen Höchstpreisverordnung für Zinsen, die wir glücklicherweise vor ein paar Jahren losgeworden sind, ertönt.
Für das Banksystem ist die Kreditfähigkeit am Bankenmarkt und am internationalen Bankenmarkt ein wesentliches Kriterium für ihre Geschäftsmöglichkeiten und für ihre Geschäftstätigkeit. Schon aus diesem Grunde meinen wir, daß Bank- und Versicherungseinlagen, also institutionelle Anleger, niemals unter eine staatliche Einlagensicherung fal-



Dr. Graf Lambsdorff
len dürfen. Ich kann nicht einsehen, daß in solchen Fällen die staatliche Einlagensicherung antreten müßte. Man müßte eine solche staatliche Einlagensicherung wohl mindestens auf alle diejenigen beschränken, die nicht Vollkaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches sind, also irgendwo eine Grenze finden. Man kann jedenfalls das eigentliche Berufsrisiko nicht ausschließen.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Darüber muß man noch mal nachdenken!)

— Sicher! Ich stelle das hier nur zur Diskussion, Herr Kollege Dr. Müller-Hermann. Ich habe ja gesagt, daß das grundsätzlich diskutiert werden muß. Dafür gibt es hier und heute noch keine Patentrezepte. Aber man wird zu dieser Diskussion auch an dieser Stelle — ich glaube, das interessiert uns wohl alle — beitragen dürfen.
Die sommerliche Diskussion hat einige erstaunliche Blüten getrieben. Ich will mich nicht länger darüber aufhalten, daß es mich verwundert, wenn ein Frankfurter Privatbankier staatliche Einlagensicherung fordert, im nächsten Satz aber die Verstaatlichung der Kreditinstitute ablehnt. Wer Verluste — ich will nicht sagen: sozialisiert — vergesellschaftet, der wird auch wohl hinnehmen müssen und wollen, daß demnächst auch seine Gewinne vergesellschaftet werden;

(Beifall bei der FDP und SPD)

anders kann es doch wohl nicht gehen.
Unter diesen merkwürdigen sommerlichen Blüten war auch eine Entschließung der CDU-Mittelstandsvereinigung Köln. Wenn ich bei Ihnen, meine Damen und Herren, „Mittelstand" sehe, wo immer das auch sei — ich komme noch auf ein zweites Beispiel zurück —, dann wittere ich hohe Gefahr für marktwirtschaftliche Entwicklung. Deswegen lese ich das immer sehr sorgfältig, und das habe ich auch diesmal getan. Hier steht drin, im Falle Her-statt soll der Bund die Forderungen privater Sparer bis zur Höhe von i Million je Geschädigten aufkaufen und sie gegenüber der Bank geltend machen; anschließend soll er die Sparer entschädigen. Die von der Bank in den letzten fünf Jahren gezahlten Steuern sollen rückerstattet werden und in die Liquidationsmasse einfließen. — Dies, meine Damen und Herren, ist ja wohl die klare Form der Sozialisierung der Verluste. Solche Ideen aus der CDU-Mittelstandsvereinigung Köln verwundern; mich allerdings nicht mehr.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das endet dann mit der Behauptung, dieses spezielle Risiko aus den Devisentermingeschäften sei erst durch die Wechselkursfreigabe und damit durch das Floaten der Deutschen Mark entstanden, für das die Bundesregierung verantwortlich sei. Demnächst wird noch irgend jemand sagen, daß Herr Dany Dattel von der Bundesregierung dorthin gesetzt worden ist und daß sie deswegen Schadenersatz leisten müsse.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Die Argumentation der Regierung gegen die Opposition!)

Meine Damen und Herren, ich möchte hier noch eine letzte Blüte, aus dem sommerlichen Strauß pflücken, Herr Professor Carstens. Es ist im Sommer auf der Bundesebene der CDU auch über wirtschaftspolitische Dinge diskutiert worden. Ganz zuletzt hat der Kollege Windelen — ich weiß nicht, ob er zur Zeit im Hause ist — einen Ausflug in die Wirtschaftspolitik gestartet. Das war mir neu. Er hat damit die große Zahl der wirtschaftspolitischen Sprecher wiederum um einen vermehrt.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Es ist sehr gut, wenn sich viele dafür interessieren!)

— Es ist sehr gut, wenn sich viele dafür interessieren. Ein gewisses Maß an Beurteilungsvermögen
sollte dem Interesse zumindest beigeordnet sein.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Natürlich!)

Er hat die Wirtschaftspolitik aber sehr pauschal verurteilt. Mich hat nur ein Satz interessiert, Herr Professor Carstens. Herr Windelen hat erklärt — das ging dann wohl ein bißchen auf Nordrhein-Westfalen , mit dieser FPD sei eine Veränderung nicht möglich. Das hat mich ungeheuer überrascht, weil ich Herrn Windelen bisher nie auf der Seite der Politiker vermutet hatte, die für Veränderungen eintreten. Das ist für mich ein völlig neues Bild.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Professor Carstens, trotz vorhergegangener Warnungen haben auch Sie sich vor einigen Wochen wieder zu wirtschafts- und ordnungspolitischen Fragen geäußert,

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

und zwar im Zusammenhang mit einer Vorlage des Diskussionskreises „Mittelstand" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ich will nicht wieder über die Einstandspreise und das Verkaufen unter denselben sprechen; denn da können sich die Kollegen dieses Arbeitskreises die Belehrung bei Herrn Frerichs holen. Aber ich möchte doch diesen Vorgang gern erläutern.
Meine Damen und Herren, der CDU-Mittelstandskreis hat sich dafür ausgesprochen, in der Bundesrepublik Deutschland nach französischem Muster das sogenannte Loi Royer einzuführen. Kernpunkt dieses Gesetzes ist die Beschränkung der Verkaufsfläche je nach der Einwohnerzahl einer Stadt bei der Neuzulassung von Einzelhandelsunternehmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

— Herr Kollege Ehrenberg, ich kann dazu sagen, nicht einmal die Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels, die unter kräftigem Druck von unten steht, hat es fertiggebracht, sich diese Forderung zu eigen zu machen, wofür ich ihrem Präsidium übrigens meine Hochachtung ausspreche.

(Strauß [CDU/CSU] : Wir können heute auch über die FDP in Hamburg reden!)

Die CDU-Mittelstandsvereinigung hingegen, meine Damen und Herren, hat diese dirigistische Vor-



Dr. Graf Lambsdorff
Stellung — das ist nun wirklich dirigistisch; das ist das Letzte, was man sich überhaupt vorstellen kann — zum Ziel ihrer politischen Arbeit erhoben. Dies ist Naturschutzparkdenken, das dem Mittelstand nicht nützt und das dem Verbraucher schadet.
Meine Damen und Herren, es wäre sehr viel besser, wenn Sie sich das zunutze gemacht hätten, was der Herr Bundeswirtschaftsminister vor wenigen Wochen auf eine Anfrage mitgeteilt hat und was leider in den Bereichen der mittelständischen Wirtschaft noch nicht voll ins Bewußtsein gedrungen ist, nämlich die Kooperations- und die Konzentrationserleichterungen, die wir mit der Verabschiedung der Kartellnovelle angeboten haben und die, wie Herr Dr. Friderichs dankenswerterweise klargestellt hat, sogar bis in den Bereich von Preisabsprachen möglich sind und in der Tat ein Förderungsmittel für den Mittelstand darstellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja nicht eingeplant!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711626800
Herr Abgeordneter Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Bismarck.

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0711626900
Graf Lambsdorff, Sie werden aber so freundlich sein, dem Hause zu bestätigen, daß Sie hier von Absichten, Ideen und Gedanken sprechen, nicht etwa von einem Standpunkt der Fraktion.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch nicht von einem Gesetzentwurf!)


Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711627000
Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, Herr von Bismarck; denn zu diesem Vorschlag hat Ihr Fraktionsvorsitzender Stellung genommen. Der spricht doch für die Fraktion. Ist das richtig?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Professor Carstens hat dazu gesagt: „Damit hat der Diskussionskreis zugleich auch das Recht auf Freiheit verteidigt und die Chance des Aufstiegs gefördert, die allein die Marktwirtschaft bietet."

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Bitte sehr!

Dr. Karl Carstens (CDU):
Rede ID: ID0711627100
Herr Kollege Graf Lambsdorff, würden Sie mir zugeben, daß sich meine von Ihnen zitierte Bemerkung nicht auf den Vorschlag des Mittelstandskreises bezog, von dem Sie gerade gesprochen haben.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711627200
Nein, dazu bin ich keineswegs bereit. Hier steht ausdrücklich — ich zitiere noch einmal —: „Der Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion der CDU/CSU, Karl Carstens, urteilt über den Bericht des Mittelstandskreises wie folgt." Und dann kommt das Zitat.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Handelsblatt vom 2. und 3. August 1974.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das stimmt mit Sicherheit nicht! — Dr. MüllerHermann [CDU/CSU] : Ihr vergleicht dauernd Äpfel mit Birnen! Das geht den ganzen Tag so! — Dr. von Bismarck [CDU/ CSU] : Das war nicht von gräflichem Niveau! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Herr Professor Carstens, ich will meine Beurteilung dieses Vorganges konditional fassen; es gibt in diesem Hause den einen oder anderen, der meint, Ihre außenpolitischen Vorstellungen wurzelten in den 50er Jahren. Ich bleibe bei meinem Leisten. Das ist nicht meine Beurteilung. Aber wenn Sie dies wirklich gesagt haben sollten und wenn das Ihre Meinung ist, dann gehören Ihre ordnungspolitischen Vorstellungen in die Zunftordnung des Mittelalters.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711627300
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711627400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer als unbefangener, aber interessierter Bürger die Verlautbarungen und Erklärungen in der Öffentlichkeit vor dieser Debatte verfolgt hat, der hätte zu dem Eindruck kommen können, daß die Opposition unter der Führung von Professor Carstens zu einem gezielten Rundschlag ansetzt und die Regierung zur Strecke bringt.

(Stücklen [CDU/CSU] : Kommt noch!)

Was Sie bisher geboten haben, meine Damen und Herren, war mehr, um in der Sprache zu bleiben, ein Heumacher, weit ausgeholt, aber nicht sehr viel dahinter. Da Sie, Herr Carstens, davon gesprochen haben, Sie wollten diese Debatte dazu benutzen, einen Generalangriff zu fahren, und dabei insbesondere auf die Mitbestimmung und auf den Arbeitsmarkt abgehoben haben, erlauben Sie mir dazu einige Anmerkungen.
Ich weiß natürlich, daß es seit einiger Zeit starke Versuche gibt, in der Öffentlichkeit und insbesondere bei den Arbeitnehmern den Eindruck zu erwecken, als würde die Einführung der Mitbestimmung die Investitionsneigung, insbesondere die Investitionsneigung ausländischer Investoren, lähmen. Damit ist die Mitbestimmung sozusagen mitschuldig an den Arbeitslosenziffern. Die Lage ist so, meine Damen und Herren: Es gibt zwei Bereiche, in denen die paritätische Mitbestimmung aus dem Jahre 1951 existiert. Das ist einmal die eisen- und stahlerzeugende Industrie, und das ist zum anderen der Kohlebergbau. In beiden Industrien ist trotz



Bundesminister Arendt
der Mitbestimmung eine hohe Beschäftigungslage, eine gute Ertragslage. Manche Unternehmen und manche Wirtschaftszweige wären froh und würden sich ganz sicher die Finger — wenn ich das so despektierlich sagen darf — danach lecken, die Mitbestimmung zu bekommen, wenn damit eine Verbesserung ihrer Ertragslage einherginge, wie das in den genannten Branchen der Fall ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber auch das mit den Investitionen stimmt nicht. Sehen Sie, 1971 gab es rund 26 Milliarden DM Investitionen. Trotz der Ankündigung der Vorlage eines Mitbestimmungsgesetzes durch die Bundesregierung haben sich die Investitionen im Jahre 1973 auf 35 Milliarden DM erhöht. Sie sehen daran, diese Tendenz ist aufsteigend, und das wird sicherlich auch in der nächsten Zeit so bleiben.
Drittens möchte ich sagen: Diese Bundesrepublik Deutschland hat wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch stabile Verhältnisse, nicht zuletzt deshalb, weil auch die Sozialverfassung dieser Bundesrepublik durch die Reformbemühungen der sozialliberalen Koalition aus dem Jahre 1969 einen solchen Stand erreicht hat daß die Bürger in Sicherheit und Geborgenheit leben können.
Lassen Sie mich aber jetzt zu diesem schwarz in schwarz gemalten Problem des Arbeitsmarktes kommen. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Ihnen ein paar Zahlen vortragen muß. Da hatten wir 527 000 Arbeitslose in der Statistik; davon waren 273 000 Männer und 253 000 Frauen. Außerdem sind in dieser Zahl 50 000 ausländische Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, enthalten. Die Arbeitslosenziffer beträgt bei den Männern 1,9 % und bei den Frauen 3,1%, bei den ausländischen Arbeitnehmern 2%. Nun muß man aber auch hinzufügen, daß wir zu diesem Tage 340 000 offene Stellen hatten. Wenn man sich das im einzelnen ein wenig anschaut, dann wird man folgendes feststellen: Die beruflichen Schwerpunkte der Arbeitslosigkeit nach der Statistik liegen in den Organisations-, Verwaltungs- und in den Büroberufen

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU])

mit 73 000. Dem stehen in diesem Bereich offene Stellen in der Größenordnung von 37 500 gegenüber.
Es gibt eine zweite große Kategorie; die Warenkaufleute mit 47 000 Arbeitslosen; denen stehen in diesem Bereich 22 000 offene Stellen gegenüber.
Ich will es bei diesen beiden Beispielen belassen. Aus ihnen wird deutlich, wie sehr wir uns bemühen müssen, die Möglichkeiten, die das Arbeitsförderungsgesetz bietet, zu nutzen, nämlich zu einer überregionalen Vermittlung zu kommen und dadurch die Möglichkeiten auszunützen, die der Arbeitsmarkt bietet.
Man muß dabei auch sehen, daß 60% der arbeitslos Gemeldeten zu den ungelernten oder angelernten Berufsgruppen gehören und daß deshalb die These der Bundesregierung richtig ist, daß alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um die berufliche Qualifikation des Arbeitslosen zu verbessern und dadurch seine Chancen in der Wirtschaft zu erhöhen. Die Bundesanstalt für Arbeit hat das im Zusammenwirken mit der Bundesregierung getan. Wir haben nicht nur eine große Zahl von beruflichen Fort- und Umschulungsmaßnahmen eingeleitet, sondern wir haben gleichzeitig auch die Cancen der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt entscheidend verbessert. An einem Beispiel wird das ganz besonders deutlich. Durch Strukturveränderungen — darauf ist im Laufe der Debatte schon hingewiesen worden — hat das Baugewerbe über 200 000 Arbeitskräfte verloren. In der Statistik sind aber nur etwa 29 000 Bauarbeiter arbeitslos gemeldet. Sie sehen daran, daß die Vermittlungs- und Umschulungstätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit dazu geführt hat, daß diese freigesetzten Arbeitskräfte in anderen Bereichen einen Arbeitsplatz bekommen konnten.
Nun muß ich Ihnen aber ganz offen sagen, meine Damen und Herren — das hat auch schon mein Kollege Friderichs gesagt; ich könnte eigentlich sagen: ich schließe mich voll inhaltlich seinen Ausführungen an, soweit dieser Teil in Frage kommt —

(Dr. Barzel [CDU/CSU] Was sollte die Einschränkung?)

— ich wollte das noch ein bißchen ergänzen, Herr Barzel —, daß es dem einzelnen, der betroffen wird, natürlich völlig gleichgültig ist, ob die allgemeine Arbeitslosenziffer 2,5% oder 0,8 % beträgt. Wenn Sie sich die Arbeitslosenziffern in einzelnen Arbeitsamtsbezirken ansehen, werden sie feststellen: da gibt es den Arbeitsamtsbezirk Leer mit 5,5 % Arbeitslosen, es gibt aber auch den Arbeitsamtsbezirk Reutlingen mit 0,8 % Arbeitslosen; es gibt Pirmasens mit 5,3 % Arbeitslosen, und es gibt Ulm mit 1,3 % Arbeitslosen. Sie sehen, es gibt hier keine einheitliche Beurteilungsmöglichkeit, sondern es ist von Region zu Region und von Branche zu Branche recht unterschiedlich.
Aber wenn ich sage, meine Damen und Herren, es kommt auf den einzelnen an, dann möchte ich Ihnen auch gleich sagen, daß die Bundesregierung — das ist in der Vergangenheit deutlich geworden — dem einzelnen ein hohes Maß von Interesse zumißt. Wenn wir, wie ich vorhin gesagt habe, ein stabiles wirtschaftliches und gesellschaftliches System haben, hängt das nicht zuletzt damit zusammen, daß die Lage für die breiten Schichten in unserem Volke durch die Politik der sozialliberalen Koalition ganz entscheidend verbessert worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich brauche hier gar nicht die Einzelheiten aufzuführen, sie sind Ihnen ja bekannt. Das fängt bei der Rentenreform an und hört bei der Verbesserung im Kriegsopferbereich auf.
Aber lassen Sie mich, soweit das Schicksal des einzelnen in Frage kommt, sagen, was wir hier beabsichtigen. Das Arbeitslosengeld — das ist für die arbeitslos Gemeldeten natürlich ein ganz wichtiges Thema — beträgt im Augenblick zwischen 62 und 67 % des Nettoverdienstes. Wir beabsichtigen auch im Rahmen der Steuerreform, dieses Arbeitslosen-



Bundesminister Arendt
geld am 1. Januar 1975 auf eine andere Grundlage zu stellen. Vom 1. Januar 1975 an wird das Arbeitslosengeld durchgehend für alle Gruppen und Sparten 68 % des Nettoverdienstes betragen. Dazu kommt — das muß man sehen —, daß es durch die Neuregelung des Familienlastenausgleichs ab Januar nicht mehr so sein wird, wie es jetzt noch ist, daß es Familienzuschläge gibt und der Arbeitslose hiervon noch prozentuale Abzüge hinnehmen muß. Vielmehr wird er ab 1. Januar 1975, sofern er anspruchsberechtigt ist, das volle Kindergeld ausgezahlt bekommen, so daß sich die wirtschaftliche, die materielle Position des Arbeitslosen ab 1. Januar 1975 entscheidend verbessert. Ich glaube, darauf kommt es an.
Wenn man die Position des einzelnen verbessern will, kann man das natürlich nicht nur auf die Arbeitslosenunterstützung beziehen, sondern muß das im Gesamtzusammenhang sehen. Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir haben bei diesen Auseinandersetzungen bisher immer geflissentlich verschwiegen, daß im Augenblick in der Bundesrepublik 2,5 Millionen ausländische Arbeitnehmer tätig sind. Wir alle wissen, glaube ich, was wir diesen ausländischen Arbeitskräften in den hinter uns liegenden Jahren zu verdanken hatten und daß die ausländischen Arbeitnehmer auch ein Recht auf Arbeit in ihrem Land haben, nicht in diesem, meine Damen und Herren. Ich muß das ganz eindeutig sagen. Die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland werden nicht in der Lage sein, die Arbeitsmarktprobleme vieler Länder auf dieser Welt hier in der Bundesrepublik zu lösen. Deshalb muß man sich diesem Kapitel zuwenden.
Nun wäre es ja ganz gut, wenn die Opposition hilfreiche und konkrete Vorschläge machte. Aber was mein Kollege Friderichs heute morgen an anderer Stelle in unterschiedlichen Zitaten wiedergegeben hat, kann man auch bei dem Problem der ausländischen Arbeitnehmer feststellen. Da hat nämlich der eine Abgeordnete, Paul Öser, angekündigt: Wir machen einmal von der Opposition einen Antrag und fordern die Bundesregierung auf, aus dem Steueraufkommen staatliche Rückkehrprämien an die ausländischen Arbeitnehmer zu geben, damit sie in die Herkunftsländer zurückexpediert werden können.

(Franke [Osnabrück] [CDU/CSU] : Welcher Abgeordnete ist das?)

— Öser.

(Franke [Osnabrück] [CDU/CSU] : Den gibt es nicht! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

— Das steht aber hier. Vielleicht haben Sie einen neuen.

(Franke [Osnabrück] [CDU/CSU]: Aber Ihre Abteilung wird doch wohl noch in der Lage sein, Ihnen wenigstens den richtigen Abgeordnetennamen zu sagen!)

— Herr Franke, da müssen Sie sich an die Zeitung wenden. Das steht in der Zeitung. Das habe ich nicht aufgeschrieben.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Sie haben in der Vergangenheit so viele Fraktionswechsel gehabt, daß es sein könnte, daß einmal ein neuer kommt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Mit Ihren Regierungswechseln kommen wir nicht mit! — So schnell, wie ihr die Minister wechselt!)

— Sehen Sie, meine Damen und Herren, Herr Blüm hat gesagt: Man sollte sich davor hüten, die Gastarbeiter als Manipulationsmasse zu betrachten und nicht abzuschieben.

(Dr. Althammer [CDU/CSU] : Das ist richtig, jawohl!)

— Da müssen Sie zunächst einmal, Herr Althammer, in Ihrer eigenen Frakion klären, wie Sie sich denn zu dem Problem der ausländischen Arbeitnehmer stellen.

(Beifall bei der SPD. — Dr. Althammer [CDU/CSU] : Wir haben keinen solchen Abgeordneten, wie Sie ihn zitierten!)


(V o r s i tz : Vizepräsident Dr. Jaeger)

Wir sind der Meinung, daß die ausländischen Arbeitnehmer einen wertvollen Beitrag leisten. Wir haben — auch auf europäischer Ebene — alle Anstrengungen unternommen, um die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung der ausländischen mit den deutschen Arbeitnehmern vorzunehmen. Aber nach dem Arbeitsförderungsgesetz — es ist in diesem Hause einstimmig beschlossen worden — besteht auch die Verpflichtung, die Umstände und die Einzelheiten des Arbeitsmarkts zu prüfen, um die Beschäftigung für den deutschen Arbeitnehmer zu garantieren.
Aber es geht nicht nur um Arbeitslosengeld, meine Damen und Herren. Wenn Sie sich wie in der Vergangenheit und in der Gegenwart auch in den nächsten Tagen noch darum bemühen werden, ein tiefschwarzes, düsteres Kolossalgemälde für die staunende Umwelt an die Wand zu werfen, dann muß ich Ihnen sagen, was wir für den einzelnen getan haben. Seit dem 20. Juli dieses Jahres ist das Konkursausfallgeld in Kraft.

(Zuruf)

— Ja, Sie können sich die Zahl anschauen, Herr Barzel! Sie werden sehen, daß es auch früher Konkurse gab, daß es jetzt Konkurse gibt und auch in Zukunft Konkurse gibt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Nur wie viele?) nur mit einem Unterschied:


(Franke [Osnabrück] [CDU/CSU] : Jetzt gibt es mehr!)

In früherer Zeit verlor der Arbeitnehmer in einem Unternehmen, das Konkurs anmelden mußte, nicht nur den Arbeitsplatz, sondern in vielen Fällen konnten auch seine erworbenen Lohn- und Gehaltsansprüche nicht befriedigt werden. Er wurde also gleich zweimal oder gar dreimal bestraft. Das gibt es jetzt nicht, und das macht deutlich, wie sehr wir den einzelnen, das Individuum, in diesen Auseinandersetzungen betrachten und einschätzen.



Bundesminister Arendt
Ich muß ein zweites Beispiel anführen. Wenn Sie die Vorgänge auf dem Arbeitsmarkt im einzelnen verfolgen, werden Sie feststellen, daß berufliche Bildung und Fortbildung eine wichtige Position einnehmen, daß aber auf der anderen Seite festzustellen ist, daß die Mobilität der Arbeitskräfte nicht so groß ist, wie das manchmal wünschenswert wäre. Ein Hinderungsgrund ist doch zweifellos, daß es in einer großen Zahl von Unternehmen sogenannte betriebliche Altersversorgungseinrichtungen gibt, die aber an das Unternehmen gebunden sind und bei einem Arbeitsplatzwechsel verlorengehen. Aus dieser Erkenntnis hat die Bundesregierung dem Parlament einen Gesetzentwurf zugeleitet, um die Nachteile, die mit dieser Pensionsregelung betrieblicher Art für den einzelnen Arbeitnehmer verbunden sind, abzulösen. Ich bin sicher, daß der zuständige Ausschuß die Beratungen über dieses Gesetz über betriebliche Altersversorgungsleistungen so zügig durchführt, daß noch in diesem Jahr eine endgültige Verabschiedung möglich ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes würden
nicht nur die Fragen Auszehrung oder Fragen der Unverfallbarkeit geregelt, sondern dieses Gesetz
ist ein Beitrag, um Arbeitnehmern eine größere Mobilität zu verleihen. Denn wenn diese Ansprüche, die jemand im Unternehmen erwirbt, auch bei einem Arbeitsplatzwechsel unverfallbar sind, wird manches dieser Arbeitsmarktprobleme auch von der Vermittlungstätigkeit her gelöst werden können.
Noch ein Drittes muß ich sagen, meine Damen und Herren. Wir haben in diesem Jahr schon eine ganze Reihe von Gesetzen verabschiedet und in Kraft treten lassen, die von vielen zur Kenntnis genommen werden, ohne sich daran zu erinnern, daß vor gar nicht langer Zeit ein ganz anderer Zustand herrschte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711627500
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pfeffermann?

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0711627600
Herr Minister, da Sie eben ausführten, daß die Arbeitslosigkeit zu einem hohen Prozentsatz offensichtlich eine Frage der Mobilität der Arbeitnehmer ist: Würden Sie dem Hohen Hause einmal verdeutlichen, wo diese Arbeitsplätze sind, die zu verteilen und anzubieten Sie sich offensichtlich im Moment in der Lage sehen?

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711627700
Ich habe Ihnen mit der Vorlage der Zahlen der Arbeitslosen den Berufsgruppen auch die
Zahl der offenen Stellen genannt. Ich habe Ihnen einige Arbeitsamtsbezirke genannt, die eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote aufweisen. Ich könnte Ihnen jetzt auch noch sagen, in welchen Arbeitsamtsbezirken die offenen Stellen sind. Da sind z. B. im Landesarbeitsamtsbezirk Nordrhein-Westfalen 99 000 offene Stellen, und im Landesarbeitsamtsbezirk Baden-Württemberg sind 54 000 offene Stellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zahlen Sie die Umzugskosten?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711627800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (CDU):
Rede ID: ID0711627900
Herr Minister, können Sie mir sagen, wie Sie bei der Problematik der offenen Stellen, die Sie selbst darstellen, 300 000 freie Stellen auf 600 000 Arbeitslose verteilen wollen?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711628000
Das ist natürlich kein einfaches Problem, diese Mobilität der Arbeitnehmer so einzusetzen, daß die offenen Stellen auch besetzt werden. Das ist ja gar keine Frage. Es ist beispielsweise nicht einfach, Arbeitslose aus Berchtesgaden in den Arbeitsamtsbezirk Leer zu bringen. Deshalb — sage ich — muß die Mobilität erhöht werden, und diese von mir erwähnten Gesetze tragen dazu bei, die Mobilität der Arbeitnehmer zu erhöhen. Das ist das eine.
Das Dritte, was ich noch anfügen wollte, ist ein
großes Problem. Es besteht überhaupt keine Veranlassung, meine Damen und Herren, da hochmütig
oder vom hohen Roß herunter zu urteilen. Wir haben in dieser Legislaturperiode mit dieser sozialliberalen Koalition eine große Anstrengung unternommen, um unsere behinderten Mitbürger — und davon gibt es vier Millionen — wieder vollwertig in Beruf und Gesellschaft einzugliedern. Das neue Behindertengesetz oder die Angleichung der Rehabilitationsleistungen schaffen hier natürlich einen besseren gesetzlichen Untergrund, um diese Probleme zu bewältigen. Die Hälfte dieser in der Statistik arbeitslos Gemeldeten aber, meine Damen und Herren, sind nur schwer einzusetzen und zu vermitteln, weil sie gesundheitlich angeschlagen sind. Wenn Sie als Opposition bei der Rentenreform nicht so stur gewesen wären und mit uns gemeinsam die Frage der flexiblen Altersgrenze angepackt hätten, dann wäre jetzt auch die Zahl jener Menschen niedriger, die zwar arbeitslos gemeldet sind, aber nur darauf warten, das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Behinderte und Rehabilitanten, die umgeschult worden sind, mit Erfolg in einen Beruf einzubringen, ist
nicht einfach und erfordert große Anstrengungen.
Darum bemühen wir uns. Es ist aber nicht gut, wenn
Sie den Eindruck erwecken, als sei hier eine katastrophale Arbeitsmarktlage. Die ist nicht so. Bei näherer und ruhigerer Betrachtung werden Sie
sehen, daß es zwar Probleme gibt, daß diese aber in gemeinsamer Anstrengung — natürlich im Interesse des einzelnen — einer Lösung zugeführt werden können.
Herr Maucher, Sie haben noch eine Frage. Bitte schön!

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0711628100
Herr Minister, würden Sie so lieb sein und einmal nachlesen, wie Sie Ende 1966, Anfang 1967 die Arbeitslosigkeit beurteilt haben,



Maucher
und würden Sie uns zugestehen, mindestens so zu urteilen, wie Sie damals geurteilt haben?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711628200
Damals war es ganz anders, Herr Maucher.

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Ritz [CDU/ CSU] : Da waren es weniger, da haben Sie recht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Es gab damals in einigen Branchen — das habe ich noch gut in Erinnerung, darauf können Sie sich verlassen — eine massive Arbeitslosigkeit und keine Chance, den Arbeitsplatz zu wechseln, wie das heute möglich ist. Es gab auch keine Eingliederungshilfen, soweit es sich um Rehabilitanten und Geschädigte handelte. Wir haben hier die Grundposition ganz entscheidend verbessert. Das wollen Sie nur nicht wahrhaben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711628300
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher?

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711628400
Nein, jetzt gestatte ich eine von Herrn Franke.

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0711628500
Herr Minister, ich wollte die Frage stellen, ob das von 1966 zu 1974 lediglich ein quantitativer Unterschied ist und ob es damals dadurch anders war, daß es nur 371 000 Arbeitslose waren, während es jetzt im Sommer des Jahres 1974 571 000 Arbeitslose sind. Ist Ihnen klar, daß der quantitative Unterschied von ca. 200 000 Arbeitslosen heute mehr bedeutet und daß daher der Ausdruck „anders" richtig ist?

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711628600
Herr Franke, ich werde veranlassen, daß Sie eine genaue Gegenüberstellung der Zahlen des Jahres 1966 und der Zahlen von 1974, aufgeteilt nach Branchen und Regionen, bekommen.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Hat nichts miteinander zu tun!)

Dann werden Sie zu dem Ergebnis kommen, daß 1966 eine andere Situation gegeben war.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711628700
Gestatten Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Maucher?

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711628800
Bitte!

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0711628900
Herr Minister, ich darf Sie in diesem Zusammenhang fragen: Teilen Sie die Kritik des Bundesgeschäftsführers der SPD an der Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen durch die Bundesanstalt?

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711629000
Ich weiß nicht, was Sie meinen, Herr Maucher.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0711629100
Ich habe es deutlich gesagt. Damals wurde Herr Stingl, Präsident der Bundesanstalt, kritisiert, weil er die Zahlen veröffentlicht hat.

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711629200
Es wird doch wohl das gute Recht eines Abgeordneten sein, zu veröffentlichten Zahlen und zu Interpretationen Stellung zu nehmen.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0711629300
Ich frage nur Sie, ob Sie diese Meinung teilen.

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711629400
Ich habe die Zahlen des Präsidenten der Bundesanstalt rechtzeitig zur Verfügung bekommen — das geschieht auch regelmäßig —, und die Interpretation dieser Zahlen obliegt in den meisten Fällen den Journalisten, die diese Zahlen bekommen. Der Präsident gibt, soweit ich weiß, offiziell nicht diese Interpretation, die dann zum Teil von einigen hineingelegt wird.

(Maucher [CDU/CSU] : Und Ihre Meinung dazu?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711629500
Jetzt kommt eine Zusatzfrage des Abgeordneten Börner, wenn Sie sie annehmen wollen, Herr Bundesminister.

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711629600
Bitte schön!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0711629700
Herr Minister, würden Sie den Herrn Fragesteller darüber belehren, daß es sich nicht um die Veröffentlichung von Zahlen, sondern um ein Fernsehinterview gehandelt hat, das der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit gegeben hat und wofür er Kritik und Lob genauso hinnehmen muß wie jeder Politiker.

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711629800
Herr Kollege Börner, wenn der Herr Maucher so genau Bescheid weiß, welchen Briefwechsel Sie führen, dann wird er das sicherlich auch wissen.
Sie wollen wissen, wie ich darüber denke; ich will es Ihnen sagen: In manchen Gebieten — insbesondere, soweit die Behinderten in Frage kommen — besorgt uns die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Aber es ist überhaupt kein Anlaß gegeben, das so dramatisch darzustellen, wie das zum Teil von Ihnen geschieht.
Sie müssen doch auch einmal über folgendes nachdenken: In einer Zeit, als 900 000 offene Stellen vorhanden waren — bei weniger ausländischen Arbeitnehmern allerdings —, gab es 200 000 arbeitslos Gemeldete in der Statistik. Da wurde nichts gesagt. Ich glaube, wir alle sollten einmal darüber nachdenken, daß das plötzlich ein Problem wird,



Bundesminister Arendt
obwohl der einzelne — das sage ich noch einmal — überhaupt keine Befriedigung erfahren kann, wenn die Zahl der Arbeitslosen niedriger ist.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Verniedlichen Sie das doch nicht dauernd!)

— Herr Barzel, Sie dürfen es nicht dramatisieren; so dramatisch ist es nicht, wie es zum Teil dargestellt wird.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Ihr seid unwahrhaftig! — Dr. Zeitel [CDU/CSU] : 1966 haben Sie das viel schlimmer gemacht!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711629900
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe, damit der Herr Bundesminister die Zwischenfragen beantworten kann und wir — wenn es Ihnen recht ist — zur Frage des Abgeordneten Franke (Osnabrück) kommen können.

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0711630000
Vielen Dank! Herr Franke, ich möchte jetzt zum Schluß kommen. Wir können uns gerne bei Gelegenheit noch darüber unterhalten. Ich werde Ihnen die Unterlagen zur Verfügung stellen.

(Franke [Osnabrück] [CDU/CSU] : Was heißt hier „bei Gelegenheit"? Hier muß man sich unterhalten! — Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Ihr seid feige in der Verantwortung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Das möchten Sie gerne, weil Sie nämlich schwarzmalen wollen.
Ich sage noch einmal: Wir wollen diese Probleme nicht verniedlichen. Wir wollen sie aber auch nicht schwarz in schwarz malen. Sie können sicher sein, daß diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen alles tun werden, um diesen Kurs, der 1969 eingeschlagen wurde, fortzusetzen und zu einem Ausbau des Schutzes der Arbeitnehmer, der Rentner, der Jungen, der Gesunden und der Behinderten zu kommen. Wir lassen uns von diesem Kurs nicht abbringen. Wir machen weiter!

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711630100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711630200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist, glaube ich, im Verlauf der heutigen Debatte klar geworden, was wir dieser Regierung und was wir insbesondere der Einbringungsrede dieses Finanzministers vorwerfen.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Leider nicht!)

— Um es noch einmal zusammenzufassen, Herr Kollege Ehrenberg: Wir werfen ihr konkret vor, daß die Sachaussage dieser Einbringungsrede zum Bundeshaushalt 1975 dem Ernst der Situation in keinerlei Weise angemessen war.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, es gibt kaum ein Beispiel, an dem das deutlicher geworden ist, als das, was wir jetzt im Augenblick erlebt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe die Rede des Herrn Finanzministers heute früh noch einmal nachgelesen. Sie finden keinen einzigen Absatz, in dem sich der Herr Bundesfinanzminister mit der Frage der Arbeitslosigkeit beschäftigt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Offenbar hat die Regierung diesen Mangel selbst empfunden und sich genötigt gesehen, jetzt eben durch den Minister Arendt diesen Punkt noch nachzutragen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und das war schwach!)

Ich glaube aber, aus der Art, wie das erfolgt, kann man wirklich nicht sehen, daß von dem zuständigen Fachminister das Ausmaß und die Tragweite dieser Probleme eindeutig gesehen werden. Während der Bundesfinanzminister noch erklärt, daß wir hier und heute einen hohen Beschäftigungsstand — so in seiner Rede — hätten, hat nun der Arbeitsminister den Versuch unternommen, die Situation total zu verharmlosen.
Weil man der CDU/CSU, wenn sie diese Dinge anspricht, immer so gerne Panikmache nachsagt, möchte ich, Herr Minister, ein Zitat von einer Stelle bringen, die Ihnen bestimmt nicht fernsteht. Ich habe hier den DGB-Nachrichtendienst vom 20. August mit der Überschrift: „Höchster Juli-Arbeitslosenstand seit 18 Jahren". Nun möchte ich Ihnen das entscheidende Zitat bringen:
Konjunktur- und Strukturprobleme wirken zusammen und finden inzwischen einen alarmierenden Niederschlag auf dem Arbeitsmarkt. Mit 2,2 °/o erreichte die Arbeitslosenquote im Juli 1972 im Juli-Vergleich den Höchststand seit 18 Jahren. Bedenkt man, daß neben der registrierten Zahl der Arbeitslosen (ca. 490 000) noch ca. 140 000 Kurzarbeiter und über 100 000 sich vollzeitlich Weiterbildende und Umschüler zu berücksichtigen sind, so wird der jetzt erreichte hohe Sockel deutlich, von dem aus die weitere saisonbedingte Entwicklung im kommenden Herbst und Winter ihren Ausgang nehmen wird.
Man könnte diesem Zitat noch hinzufügen, daß die Zahl, die dort vom Juli genannt ist, sich inzwischen im August weiter erhöht hat,

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

daß in diesem Zitat eine Situation nicht enthalten ist, die auch damit zusammenhängt, nämlich die Situation bei den Lehrstellen,

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : So ist es!)

daß die jungen Menschen heute, wenn sie ins Arbeitsstellen eintreten, die Situation vorfinden, daß sie weithin keine Lehrstellen finden. Wenn Sie fragen, worauf das mit zurückzuführen ist, kommen Sie auf den famosen Referentenentwurf des früheren Bildungsministers von Dohnanyi. Die Dinge, die



Dr. Althammer
darin stehen, haben bei uns im Lande eine solche Situation geschaffen, daß viele, besonders kleine und mittlere, Unternehmer begonnen haben zu resignieren und unter den Androhungen dieses Gesetzentwurfes nicht mehr bereit sind, weiter Lehrstellen in diesem Umfang zur Verfügung zu stellen. Sie haben diesen Gesetzentwurf inzwischen übrigens schleunigst zurückgezogen.

(Dr. von Dohnanyi [SPD] : Dummes Zeug!)

— Herr Kollege, Sie sollten sich wirklich einmal die Mühe machen, sich anzusehen, wie in diesem Entwurf gestanden hat: nämlich die strafrechtliche Bedrohung von Personen, wenn z. B. von irgendeinem Auszubildenden der Eindruck entstehen sollte, daß er nicht entsprechend ausgebildet wird.

(Franke [Osnabrück] [CDU/CSU]: Das hat er als Minister gar nicht gelesen!)

Darin steht z. B. auch der Ersatz der freien Träger, Handwerkskammern, Industrie- und Handwerkskammern, durch staatliche Stellen, durch Regierungsstellen, die dort die Aufsicht über die Lehrlingsausbildung nehmen sollen. — Herr Kollege von Dohnanyi, Sie winken jetzt ab. Sie wissen genau, wie die Diskussion in der Öffentlichkeit war und welches Ergebnis sie hatte. Sie wissen ebenso genau, daß Ihr Amtsnachfolger jetzt alle Hände voll zu tun hat, um den Flurschaden, der durch diesen Entwurf verursacht worden ist, wieder einigermaßen zu beseitigen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Wagner [Trier] [CDU/CSU] : Deshalb hat er wohl seinen Hut genommen!)

Nun hat Arendt auch den zweiten Punkt angesprochen, und es wird gesagt, die Zahl der Konkurse sei ebensowenig von wesentlicher Bedeutung wie die Zahl der Arbeitslosen, die wir gegenwärtig haben. Unser Kollege Strauß hat heute früh die Zahlen genannt: im Jahre 1973 gab es rund 4 000 Konkurse, im ersten Halbjahr 1974 war eine Verdoppelung dieser Zahl zu verzeichnen, es gab nämlich bis Juli schon 3 180 Konkurse.
Dahinter stecken natürlich auch eine ganze Masse von Einzelschicksalen von Arbeitnehmern. Es geht nicht nur um die Betriebe, die davon betroffen sind — vor allem sind es die mittelständischen Betriebe —, es geht um das Schicksal der vielen Arbeitnehmer, die durch solche Katastrophen unmittelbar auf die Straße gesetzt worden sind. Ich glaube, jeder von uns kennt aus seinem engeren Bereich solche Fälle und die ungeheuren Nöte, die daraus entstanden sind.

(Zuruf von der SPD: Dann müssen Sie die Konkurse analysieren, dann müssen Sie die Ursachen feststellen!)

Darum wundern wir uns, wenn der Bundesarbeitsminister nun glaubt, durch eine bloße Gegenüberstellung von offenen Stellen und Arbeitslosen diese Sache erledigen zu können.
Herr Minister Arendt, auch im Jahre 1966/67 war es so, daß offene Stellen vorhanden waren, daß ausländische Arbeitskräfte vorhanden waren; aber
damals war man sich darüber einig, daß man durch ein bloßes Abziehen dieser Zahlen nicht das Ergebnis und die Konsequenz dieser Situation darstellen kann. Denn es ist ja klar, daß das nie zusammenpassen kann, daß es nicht jedem möglich ist, von einem Gebiet der Bundesrepublik ins andere zu ziehen. Dazu kommen all die anderen Schwierigkeiten. Mit einem bloßen Vergleich der Zahlen, mit statistischen Operationen können wir der Situation sicher nicht gerecht werden.
Herr Minister, Sie haben noch über die ausländischen Arbeitnehmer gesprochen und gesagt, man hätte dazu auch von der Opposition einmal etwas erwartet, und das noch mit dem kuriosen Nebeneffekt, daß Sie hier einen Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU einführen, den es offenbar gar nicht gibt und den Sie dann in Gegensatz zu unserem Kollegen Blüm stellen wollen. Ich muß Ihnen sagen, was unser Kollege Blüm zu diesem Punkt gesagt hat, ist unsere Meinung. Man kann die ausländischen Arbeitskräfte nicht heute hereinholen und morgen wieder ohne Rücksicht auf ihre Situation zurückschicken.
Ich habe mich mit dieser Frage etwas ausführlicher beschäftigt. Wir haben im Haushaltsausschuß vor Jahren die Bundesregierung ermutigt, Rückgliederungsprogramme für türkische Arbeitnehmer zu erarbeiten. Ich selber habe veranlaßt, daß von einer Stelle außerhalb dieses Hauses eine Studie über Rückgliederungsprogramme in Griechenland vorgelegt werden kann. Ich habe vom zuständigen Ministerium — das betrifft jetzt nicht Sie; das ist in beiden Fällen das Entwicklungshilfeministerium — auf diese Studie über eine Rückgliederung griechischer Arbeitnehmer bis heute nicht einmal eine Antwort erhalten. So sieht also die Situation konkret aus.
Wir beschäftigen uns mit diesen Fragen. Es ist klar, daß man versuchen muß, die Arbeitnehmer in der heutigen Situation dorthin zu bringen, wo sie dringend gebraucht werden und damit auch den deutschen Arbeitsmarkt zu entlasten. Aber so einfach, wie sich das unser Arbeitsminister hier eben gemacht hat, kann man diese zentrale Frage wirklich nicht behandeln.
Das war also der erste Punkt, an dem die Einbringungsrede des Finanzministers völlig vorbeigegangen ist, nämlich an der Arbeitslosigkeit bei uns im Lande, einer Frage, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Leider sieht es nicht so aus, als ob in der nächsten Zeit eine Änderung zum Positiven bevorsteht.
Derselbe Versuch, die Dinge zu verharmlosen, zu vernebeln und zu verniedlichen, findet sich auch in der Problematik der Inflationsentwicklung. Da wird nicht davon gesprochen, daß wir jetzt schon seit langer Zeit permanent eine durchschnittliche Preissteigerungs- und Inflationsrate von über 7 °/o haben. Der Finanzminister sagt, die Bundesrepublik habe einen Spitzenplatz in der Stabilitätsrangliste. Sein Wirtschaftsminister war da ein bißchen objektiver und hat hinzugesetzt, natürlich sei eine solche Inflationsrate auch ihm nicht angenehm. Aber so



Dr. Althammer
kann man doch die Dinge nicht auf den Kopf stellen, daß man sagt, weil in anderen Ländern noch höhere, zum Teil wesentlich höhere Raten seien, würden wir eine Spitzenstellung einnehmen.

(Geiger [SPD] : Wir sind nicht allein auf der Welt!)

Es kommt in dieser Frage einfach auf die Maßstäbe an. Unser Maßstab ist, wie die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland in den 20 Jahren der CDU/CSU-Regierung gewesen ist.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Das ist gut!)

Sie müssen sich daran messen lassen, was die CDU/CSU in diesen 20 Jahren dargestellt und erreicht hat; um es pauschal zu sagen: bei Stabilität Vollbeschäftigung und ein angemessenes Wirtschaftswachstum.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist für uns die Ausgangslage in der Diskussion. Daran muß sich auch die gegenwärtige Regierung messen lassen.

(Zurufe von der SPD)

Dann ist von Herrn Kollegen Ehrenberg bemängelt worden, —

(Dr. Ehrenberg [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ja, bitte!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711630300
Herr Abgeordneter Ehrenberg!

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0711630400
Herr Kollege Althammer, wollen Sie im Ernst behaupten, daß sich — wie Sie eben mit Ihrem Maßstab unterstellt haben — die Bundesrepublik als eine Volkswirtschaft mit mehr als 20 % Exportanteil voll und ganz aus weltwirtschaftlichen Zusammenhängen voll und ganz lösen kann?

(Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir früher auch nicht gesagt!)


Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711630500
Diese Dinge sind ja immer wieder ausführlich erörtert worden.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Warum wiederholen Sie es dann?)

Wir können Ihnen nicht immer wieder vorbuchstabieren, daß man heute doch der gesicherten Auffassung ist — das hat ja heute auch eine Rolle gespielt —, wie hoch der Eigenanteil an dieser Inflationsentwicklung ist. Es gab sogar einen Minister, der heute erklärt hat, so um 50% herum — wenn das Zitat eines anderen Gutachters stimmt — sei die Eigenbeteiligung an dieser Entwicklung. Wir sind der Meinung, daß es mehr als 50% sind. Im übrigen kann eine wesentlich von der SPD getragene Regierung, die in den Jahren, als die SPD in der Opposition war, immer gesagt hat, sie hätte das Instrumentarium zur Verfügung, um auch hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Komponente die richtige Konjunktur- und Wirtschaftspolitik zu machen, jetzt
nicht plötzlich so tun, als ob dieses Instrumentarium für sie nicht vorhanden wäre.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Das funktioniert doch!)

— Wenn Sie sagen „Das funktioniert", dann wundert man sich über die konkreten Ergebnisse, die diese Wirtschaftspolitik gehabt hat. Herr Kollege Ehrenberg, Sie haben vorhin wiederum gesagt, von unserer Seite sei nicht belegt worden, inwiefern hier in den Jahren 1970 bis 1974 Fehler und Unterlassungen begangen worden seien. Ich möchte Sie sehr freundlich bitten: Lesen Sie einmal nach, was in diesem Parlament zu diesen Punkten von verschiedenen Rednern von uns, unter anderem auch von mir, gesagt worden ist.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Sagen Sie es uns doch jetzt!)

— Ich kann es Ihnen auch jetzt wiederholen.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Bitte!)

Erinnern Sie sich an die Vorschläge, die die Deutsche Bundesbank im Februar 1970 gemacht hat! Es ging um drei ganz konkrete Punkte.
Erster Punkt. Die Ausgaben der öffentlichen Hand, vor allem auch die Bundesausgaben, müssen rigoros eingeschränkt werden.
Zweiter Punkt. Das Stabilitätsgesetz muß mit den Maßnahmen, die möglich sind, zur Dämpfung der Konjunktur angewendet werden.
Dritter Punkt. Man muß die Konsumausgaben beschränken, was Sie dann später durch einen zeitweiligen Konjunkturzuschlag getan haben.
Der damalige Wirtschaftsminister, Herr Schiller, dessen Name hier im Hause nicht mehr so gern fällt, hat dann in seiner farbigen Sprache gesagt, mit diesen Vorschlägen der Bundesbank werde er seine Schlacht am Skagerrak schlagen. Er ist dann ins Kabinett gegangen — Sie waren ja damals auch mit beteiligt — und hat weder im Kabinett noch in Ihrer Fraktion eine Zustimmung zu diesen Maßnahmen erhalten. Das war 1970.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Und weil wir nichts getan haben, haben wir jetzt die 10 Milliarden da liegen?!)

— Die 10 Milliarden stammen nicht aus dem Jahr 1970.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Aber ein Teil davon!)

— Herr Kollege, ich bitte Sie noch einmal dringend: Lesen Sie das nach, was über die Stationen der Jahre 1970, 1971, 1972 von uns und von anderer Seite, auch von Außenstehenden, dazu gesagt worden ist! Es läßt sich heute ohne weiteres nachweisen, daß die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Situation, in der Sie sich heute befinden, nicht vom Himmel gefallen ist, daß sie nicht nur oder überwiegend auf Einflüsse aus dem Ausland zurückzuführen ist, sondern daß der zentrale Grund die Untätigkeit sowie die falschen und sich widersprechenden Maßnahmen waren, die Ihre Regierungen in dieser Zeit getroffen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Dr. Althammer
Man kann das in einem Bild auch so darstellen: Sie haben diese Riesenkarambolage auf all diesen Gebieten — auf die nächsten Punkte komme ich noch zu sprechen — verursacht, und zwar in der Frage der Vollbeschäftigung — jetzt zunehmende Arbeitslosigkeit —, in der Frage der Stabilität —steigende Quoten beim Kaufpreis — und auf anderen Gebieten. Dies alles haben Sie verursacht. Und jetzt wollen Sie dafür gelobt werden, weil Sie einen Krankenwagen schicken, der da oder dort einige mildernde Maßnahmen vornimmt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711630600
Herr Abgeordneter Dr. Althammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. von Dohnanyi?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711630700
Ja, wenn es mir auf die Zeit nicht angerechnet wird.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0711630800
Herr Kollege Althammer, ist Ihnen die Veröffentlichung der „Arbeitsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft", die in diesen Tagen den Abgeordneten zugegangen ist und den Titel trägt „Konjunkturelle Hilfen — nein, strukturelle Hilfen -- ja", bekannt?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711630900
Sicherlich, Herr Minister.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist doch kein Minister mehr!)


Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0711631000
Darf ich daraus eine Passage zitieren und Sie fragen, ob Sie dem zustimmen. In dieser im ganzen kritischen Analyse heißt es:
Einen gewichtigen Anstoß zur Inflation gab dann die CDU/CSU unter dem besonderen Einfluß von Franz Josef Strauß mit der Verweigerung der D-Mark-Aufwertung, — einer der allergrößten sozialen, wirtschaftlichen, politischen und wahltaktischen Fehler dieser Partei.
Stimmen Sie dem zu?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711631100
Herr Kollege von Dohnanyi, Sie müssen dann aber dazusagen, daß sich das im Frühjahr 1969 abgespielt hat und wir damals eine Preissteigerungsrate von rund 3 % hatten, daß wir inzwischen in den Jahren seit 1969, seit Sie die Regierungsverantwortung haben, aber auf eine Preissteigerungsrate von über 7% gekommen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711631200
Gestatten Sie eine Zusatzfrage?

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0711631300
Würden Sie mir nicht zugeben, daß diese Feststellung aus dem Jahre 1974 von einer Organisation, die durchaus kritisch gegenüber sozialliberaler Wirtschaftspolitik sein kann, dafür spricht, daß Ihre Darstellung — soweit hausgemachte Inflation in Frage komme, sei dies in erster Linie eine Angelegenheit der sozialliberalen Koalition — eine unzulässige Vereinfachung ist?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0711631400
Herr von Dohnanyi, wenn Sie diese Dinge jetzt in dieser Ausführlichkeit bringen, müssen Sie auch folgendes hinzusetzen. Ich muß jetzt auch daran erinnern, wie die Situation damals war. Die SPD hat den Wahlkampf 1969 unter der Parole geführt, es drohe eine Preissteigerungslawine. Sie hat das Thema Aufwertung oder nicht Aufwertung in den Mittelpunkt gestellt. Als sie dann die Regierungsverantwortung übernommen hatte, hat sie keineswegs das getan, was die Opposition damals vorgeschlagen hat. Sie hat nämlich nicht ein Stabilitätsprogramm durchgesetzt, sondern dann kam der Warenhauskatalog des Herrn Brandt, der mit dieser Unsinnigkeit von Reförmchen — damals wurde zusammengezählt , sind es 150 oder 240 Reformen — erst den Startschuß in die Inflation gegeben hat. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute hier auch eine sehr besorgniserregende Zahl genannt. Er hat gesagt, man müsse damit rechnen, daß das reale Wirtschaftswachstum bei etwa 1,5 % liegen werde. Ich möchte zunächst einmal eines deutlich machen: Wenn wir von Zuwachsrate des Haushaltes sprechen, wird von Ihrer Seite regelmäßig die nominale Zuwachsrate als Basis genommen. Sie haben damit automatisch den sogenannten Inflator bereits drin, während unter dem stabilitätspolitischen Gesichtspunkt eigentlich die reale Zuwachsrate von 1,5 % maßgeblich ist.

(Bundesminister Dr. Apel: So wird der Haushaltszuwachs sein!)

— Damit hängt natürlich die Frage zusammen, ob der Bundeshaushalt einen Beitrag zur Stabilität leisten kann oder ob er ihn nicht leisten wird. Es ist ganz interessant, daß beim jeweiligen Bundeshaushalt von Ihrer Seite immer behauptet wird, dieser Haushalt sei zumindest stabilitätsgerecht, wenn nicht sogar stabilitätsfördernd, während heute wieder der Bundeswirtschaftsminister gesagt hat, man müsse jetzt sagen, daß dieser laufende Bundeshaushalt — bitte, erinnern Sie sich — im Augenblick expansiven Charakter habe. Es zeigt sich also ganz deutlich, daß diese Probleme wohl nicht in aller Klarheit gesehen werden. Wenn dazu noch kommt, daß heute schon behauptet wird, es sei ja gar nicht so schlimm, wenn die reale Zuwachsrate bei null liege, wenn das Wirtschaftswachstum schrumpfe, dann müssen wir uns darüber klar sein, daß von einer angemessenen realen Zuwachsrate unseres Wirtschaftswachstums unser ganzes soziales Leistungssystem abhängt, das ja niemand von uns einschränken oder beseitigen will.
Der nächste Punkt, wo der Bundesfinanzminister, anstatt ein reales Bild zu geben, wieder in Ausflüchte verfallen ist, ist das Problem der gescheiterten Reformen. Heute ist hier wieder gesagt worden, dies sei ein Haushalt der Konzentration. Was meint denn die Koalition, wenn sie „Konzentration" sagt? Ins Deutsche übersetzt heißt das doch, daß man genötigt war, eine Vielzahl von Reformversprechungen zurückzunehmen. So ist ja wohl auch



Dr. Althammer
die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schmidt in der deutschen Öffentlichkeit aufgefaßt worden. Statt nun aber jetzt beim ersten Bundeshaushalt, den diese Regierung vorlegt, mit dieser Ankündigung, daß man sich konzentrieren wolle, daß man also unsinnige, unerfüllbare Reformversprechen zurücknehmen müsse, ernst zu machen, wird hier wieder versucht, zu vernebeln, um sich nicht, vielleicht mit Blick auf die linksextreme Seite bei der SPD, den Vorwurf einzuhandeln, daß man die Reformen jetzt abgeschrieben habe.
Aber schon die paar als einschränkend bekanntgegebenen Positionen zeigen wiederum das ganze Dilemma, das sich hier ergibt. Vom Minister ist gesagt worden, daß z. B. im Hochschulbau die Etatansätze beim Bund faktisch halbiert worden sind. Wir haben, Herr Minister, lange Auseinandersetzungen über die Frage gehabt: Welche Mittel für den Hochschulbau? Wir waren uns über die Schwierigkeiten im klaren, die sich für die Länder ergeben. Trotzdem war es unsere Überzeugung, daß es notwendig ist, zusätzliche Studienplätze zu schaffen. In welche Situation, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt denn eigentlich heute unsere Jugend? Auf der Seite fehlen der beruflichen Ausbildung Idie Lehrstellen. Viele unserer Jugendlichen können heute keinen Lehrplatz bekommen. Auf der anderen Seite wächst die Zahl derer, die vom Numerus clausus betroffen werden, von Jahr zu Jahr an. Und hier sagt der Bundesfinanzminister schlicht und einfach, man werde die Mittel für den Hochschulneubau drastisch reduzieren.

(Parl. Staatssekretär Haehser: Sie wissen doch, was abgeflossen ist!)

Ich glaube, daß in dieser Frage, welche Zukunftschancen unsere Jugend hat, eine der entscheidenden Fehlerquellen und möglichen Schwierigkeiten der künftigen Jahre liegen wird; lassen Sie mich das hier in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der letzte Punkt, den ich bei den Fehlanzeigen noch ansprechen wollte, ist die Frage, ob diese Regierung und ihre verantwortlichen Minister geneigt sind, ein klares, ein deutliches Wort an die Sozialpartner zu sagen. Der Bundesfinanzminister hat in seiner Einbringungsrede gesagt, nur wenn der Bund selber bei seinen Ausgaben Stabilität betreibe, könne er auch an andere glaubwürdig den Anspruch erheben, ,daß auch dort Stabilitätspolitik gemacht werden muß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist das, was wir jahrelang dieser Regierung vorgeworfen haben: daß sie bei sich Steigerungsraten bei den Ausgaben von 10, 12, 14 °/o habe, daß sie den anderen aber Stabilitätspolitik vorschreiben wolle.
In dem Zusammenhang ist die Frage interessant, die vorher in der Diskussion eine Rolle gespielt hat, ob unser Bundeswirtschaftsminister bereit ist, in den konkreten Lohnauseinandersetzungen dieser Wochen ein klares Wort zu sagen. Es liegen jetzt konkrete Lohnforderungen einzelner Sparten auf dem Tisch des Hauses. Und der Minister hat gesagt, weil er keine Lohnleitlinie geben wolle, werde er
sich zu der Frage, welcher Prozentsatz, nicht äußern. Er hat dann ein angebliches Interview mit ihm in der „Bild"-Zeitung in diesem Punkt dementiert; das habe er nicht gesagt. Das haben wir zur Kenntnis genommen.
Nun haben wir aber wiederum eine Mitteilung vorliegen, daß in der neuesten Ausgabe der Zweiwochen-Zeitschrift „Weltbild" ein Interview mit Wirtschaftsminister Friderichs enthalten ist, und ich zitiere daraus: „Generell erscheinen mir zweistellige Zuwachsraten im Jahre 1975 zu hoch gegriffen zu sein. Das gilt nicht nur für den Tarifbereich." Also es gilt offenbar auch für den Tarifbereich. Es ist einigermaßen merkwürdig, wenn der Herr Minister im Parlament, wenn er gefragt wird, sich weigert, eine klare Antwort zu diesem Problem zu geben, man andererseits aber in der Zeitung solche Aussagen von ihm lesen muß.
Es war auch sehr interessant, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister zu der Frage Stellung genommen hat, wie es sich mit überzogenen Lohnansprüchen und der Reaktion der Bundesregierung darauf verhalte. Er hat gesagt — ich habe das im Wortlaut noch nicht vorliegen, aber ich habe es mir sehr gut aufgeschrieben —, man habe den Sozialpartnern erklärt, wenn überzogene Lohnforderungen gestellt würden, gebe es nur zwei Möglichkeiten: Entweder geht das Ganze in den Inflationsindex ein, oder es würde ein Risiko für die Arbeitsplätze entstehen. Er hat hinzugesetzt, man habe das nicht ernstgenommen, man habe gemeint, die Bundesregierung werde hier schon nachgeben; aber das sei nicht der Fall gewesen. Das heißt in deutsch übersetzt, daß damit der Bundeswirtschaftsminister klipp und klar erklärt hat: Die Bundesregierung hat sich für die Alternative des Arbeitsplatzrisikos entschieden.

(Zurufe der Minister Dr. Apel und Friderichs)

Ich gebe das so wieder, wie die Schlußfolgerungen aus dieser Alternative sind. Bitte, lesen Sie nach, was Sie zu diesem Punkt gesagt haben. Ich darf Sie daran erinnern, wie Sie ähnliche Aussagen der CDU/CSU in der Situation der Jahre 1965/66 interpretiert haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum zentralen Punkt dieses Bundeshaushalts 1975 kommen. Auch das ist etwas verklausuliert wiedergegeben worden. Der zentrale Punkt ist, daß wir jetzt — nicht nur für 1975 — eine gewaltige und beispiellose Verschuldung erleben werden. Das wird verschieden zu begründen versucht. Fs wird z. B. gesagt, es müsse doch das. was an Einkommen- und Lohnsteuerausfall entsteht, irgendwie ausgeglichen werden. Aber, der Ausgangspunkt der Diskussion über die Steuersenkungen war doch der, daß man festgestellt hat, daß durch die Inflationsentwicklung eben die Lohn- und Einkommensteuer überproportional und nicht vertretbar angewachsen war. Darum war es richtig, daß die CDU/CSU schon 1973 gefordert hat, daß dieses unvertretbare, inflationsbedingte Anwachsen gerade auf diesem Steuersektor durch eine möglichst schnelle Maßnahme korrigiert werden sollte.



Dr. Althammer
Man hat das nicht getan und versucht jetzt, den Ausgleich zu finden, indem man die Neuverschuldung ganz rigoros anhebt.
Wenn Sie das zusammennehmen, was auf Bund und Länder im nächsten Jahr zukommt, dann kommen Sie auf über 40 Milliarden DM Neuverschuldung in einem Jahr. Auf den Bund entfallen — die Zahl ist genannt worden — 15,6 Milliarden DM. Dazu kommt dann noch die Streitfrage, wie die 2,5 Milliarden DM Stundung zu bewerten sind. Dafür wird der bankenübliche Zins bezahlt. Trotzdem will die Regierung das nicht als zusätzliche Verschuldung anerkennen. Ich stelle das nur in den Raum. Auf Länder und Gemeinden zusammen entfällt etwa noch einmal die gleiche Summe von 16 Milliarden DM Neuverschuldung. Für Bahn und Post sind, grob gerechnet, etwa 8 Milliarden DM vorgesehen. Dann kommen noch die Schwierigkeiten, die wir durch die Steuermindereinnahmen haben hinzu, wo also noch einmal die Frage entsteht, ob nicht zusätzliche Neuverschuldung notwendig ist. Man rechnet heute damit, daß es sich hier um Größenordnungen von rund 6 Milliarden DM handeln kann.
Ich habe mir manchmal die Frage gestellt: Was hätte eigentlich die SPD als Opposition dazu gesagt, wenn eine CDU/CSU-Regierung genötigt gewesen wäre, zur Abdeckung eines Haushaltsdefizits allein beim Bund eine solche Neuverschuldung von 15 Milliarden DM einzugehen.

(Zurufe von der SPD)

Daß das kein einmaliger Ausnahmefall ist, der nur auf das Jahr 1975 beschränkt sein soll, ergeben die Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung. Der Bund allein will sich danach im Jahre 1976 um 19 Milliarden DM weiter verschulden, 1977 um 20,2 Milliarden DM, 1978 wiederum um 19,2 Milliarden DM. Das macht insgesamt eine mittelfristig geplante Neuverschuldung von 84 Milliarden DM für 1975 bis 1978.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann einfach nicht akzeptieren, wenn hier gesagt wird, das sei gar keine Affäre; denn die Bundesrepublik Deutschland sei im Vergleich zu anderen Industriestaaten so wenig verschuldet. Das ist für die Vergangenheit richtig. Wenn Sie die Zahl von 84 Milliarden DM in dieser mittelfristigen Finanzplanung mit der Zahl von 34 Milliarden DM der bisherigen Verschuldung der Bundesrepublik von 1949 bis 1973 insgesamt vergleichen, dann stellen Sie fest, daß Sie sich also in fünf Jahren fast dreimal so hoch verschulden wollen, wie die bisherige Verschuldung seit 1949 gewesen ist. Warum haben wir uns so wenig verschuldet? Wir haben das deshalb getan, weil wir hier eine Reserve haben wollten, wenn es zu einem wirklich tiefen Konjunktureinbruch kommen sollte. Sie erinnern sich, wie man 1966/67 die Entwicklung durch ein deutliches Programm der Neuverschuldung aufgefangen hat. Wenn wir aber in einer Situation, bei der wir Preissteigerungsraten von durchschnittlich 7 % und mehr haben, diese Möglichkeiten so ausschöpfen, wie es diese Regierung mit dieser exorbitanten Neuverschuldung vorhat, dann ist eben in wirklichen Krisensituationen diese Möglichkeit nicht mehr gegeben. Sie verbrauchen hier also wiederum eine Reservekasse für Krisensituationen in einer Zeit, in der das nicht verantwortbar ist.
Die zweite Frage liegt natürlich auf der Hand, nämlich die Frage: Wie soll das eigentlich der deutsche Kapitalmarkt hergeben? Allein von der öffentlichen Hand sollen 1975 rund 50 Milliarden DM aufgenommen werden. Der Herr Bundesfinanzminister hat dazu einige beruhigende Erklärungen abgegeben. Er hat gesagt: Nun ja, die Konjunktur wird sich wieder bessern, und die Sparer werden dann bereit sein, wieder mehr zu sparen. Aber ich sehe wirklich keinen realen Ansatzpunkt dafür, daß diese optimistische Prognose zutreffen wird. Wir werden im nächsten Jahr ungeheure Schwierigkeiten haben, eine solche öffentliche Verschuldungslast aufzunehmen, wenn auch noch erwartet wird, daß auch die Privatwirtschaft investiert und dafür ebenfalls den Kapitalmarkt braucht.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber eine grundsätzliche Bemerkung machen. Die Frage, ob wir so gute Wirtschaftsverhältnisse haben werden, daß der Kapitalmarkt so funktioniert, hängt auch mit der allgemeinen Vertrauensfrage zusammen. Es ist ganz konkret die heute schon wiederholt angesprochene Frage gestellt: Wird die deutsche Öffentlichkeit, wird das deutsche Publikum, wird der deutsche Sparer, wird die deutsche Wirtschaft dieses Vertrauen in diese Regierung und in ihre Politik haben? Was wir hier in der jüngsten Zeit erleben, kann uns nur zu dem Ergebnis führen, daß dieses Vertrauen auf die Weise, wie das gegenwärtig geschieht, auf gar keinen Fall hergestellt werden kann.
Die Sprecher der Regierungsseite haben auch immer wieder darauf hingewiesen, daß wir trotz der momentanen Schwierigkeiten bei uns noch eine Situation des sozialen Friedens haben. Sie haben gesagt, das hänge wohl auch damit zusammen, daß man in der Vergangenheit das Richtige getan habe, um dieses Klima zu schaffen. Das ist richtig. Ich glaube, geschichtlich betrachtet wird es eine der bleibenden und zentralen Leistungen der Regierungszeit der CDU/CSU sein, daß sie soziale Partnerschaft und sozialen Frieden in dieser Zeit geschaffen und erhalten hat.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sehen aber leider, daß Spitzenpolitiker der gegenwärtigen Regierung diesen sozialen Frieden, diese soziale Partnerschaft in gröblichster Weise aufs Spiel setzen. Hier wird Klassenkampfpolitik gemacht, die nur verderbliche Auswirkungen haben kann. Es gibt die Feststellungen der Jusos nach dem Bundestagswahlkampf 1972, daß die Art, wie dieser Wahlkampf von der SPD geführt worden sei, die Jusos in ihren Zielen des Klassenkampfes weiter vorangebracht habe als jahrelange Agitation. Das soll sich offenbar jetzt fortsetzen, wenn wir uns eine Rede vergegenwärtigen, die Willy Brandt vor einem Funktionärstag der IG Metall jüngst gehalten hat. Franz Josef Strauß hat auf diese Rede bereits hingewiesen.



Dr. Althammer
Es wird hier zu Klassenkampf ermutigt, Klassenkampf gepredigt; es wird den Funktionären einer großen Gewerkschaftsorganisation gesagt, sie sollten sich nicht zu politischer Neutralität verführen lassen, — das also mit Blick auf die parteipolitische Neutralität einer großen Einheitsgewerkschaft. Wenn aber andere Teile unserer Bevölkerung sich ebenfalls politisch äußern, dann wird das als die Herrschaft und die Politik des großen Geldes diffamiert; dann versucht man, durch die Aktion „Gelber Punkt" solche Gruppen abzuwerten; dann versucht man, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu Buhmännern unserer politischen Entwicklung zu machen.

(Zuruf von der SPD: Das machen Sie schon selber!)

— Weil Sie gerade den Zwischenruf machen: „Das machen Sie schon selber." Das paßt gut in das, was ich jetzt sagen will. Es kommt die Lawine der Korruptionsfälle hinzu, die wir jetzt in Bonn erleben. Das ist der Punkt, den Sie schon selber machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte Ihnen das jetzt nicht in aller Ausführlichkeit ausbreiten, aber wenn eine Mitteilung in einer Zeitung der letzten Tage stimmt, dann soll auch der Bundeskanzler bereits bemerkt haben, daß alle Versuche, diese Korruptionsfälle zu vernebeln und unter den Teppich zu kehren, nur die Konsequenz haben, daß die Dinge um so länger weitergehen und daß sie am Ende noch viel schlimmer werden. Das gilt sowohl für die Affaire Wienand wie auch für die Spionageaffaire Guillaume.

( Zuruf von der CDU/CSU: Und die Affaire Wehner!)

Ich glaube, es wäre wirklich an der Zeit, diese Angelegenheiten zu Ende zu bringen und offenzulegen und uns nicht immer wieder zu zwingen, durch neue Anläufe und durch neue Maßnahmen dafür zu sorgen, daß Klarheit in diese Dinge kommt.
Ein weiterer zentraler Punkt ist, daß wir leider feststellen müssen, daß man mehr und mehr versucht, diesen Graben auch auf der politischen Ebene aufzureißen, nämlich zwischen sogenannten Rechten auf der einen Seite und Linken auf der anderen Seite. Da hat der Fraktionsvorsitzende Ihrer Fraktion, der Abgeordnete Wehner, nicht nur in einem Kommentar in der „Augsburger Allgemeinen" die Äußerung von sich gegeben, daß die CDU/CSU den Versuch eines kalten Staatsstreiches mache,

(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

sondern er hat diese Behauptung wiederholt vorgetragen. Das geht dann so weit, daß ein prominenter Landespolitiker der FDP in Hamburg erklären kann, man wende sich gegen die Maßnahmen gegen Kommunisten, weil diese Kommunisten „kritische Demokraten" seien.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Ja, ja, ja! Ihr seid mir schöne Demokraten!)

Wenn man die Frage stellt, wo die politischen Probleme unserer Nachbarländer Italien und Frankreich liegen — sie wurden ja auch angesprochen —,
dann zeigt sich in Italien leider die Situation, daß eben keine große Oppositionspartei da ist, die in der Lage wäre, bei einem demokratischen Regierungswechsel einen neuen Anfang zu machen und die Dinge weiter voran zu bringen. Noch besorgniserregender, wenn auch im Augenblick nicht beachtet, scheint mir die parteipolitische Situation in Frankreich zu sein. Dort ist es doch so, daß eine haarscharfe Trennung zwischen den politischen Gruppen besteht, die auf der einen Seite die gegenwärtige Regierung in Frankreich tragen, und der anderen Gruppe unter Mitterand, der sogenannten Volksfront, die von Sozialisten bis zu den Kommunisten reicht. Und nun erklärt der Finanzminister Apel in dieser Wahlauseinandersetzung, er wünsche sich einen Wahlsieg der Richtung Mitterand mit der Volksfront.

(Zurufe von der SPD — Gegenrufe von der CDU/CSU)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wollte damit nur sagen: sorgen wir bitte dafür, daß bei uns in der Bundesrepublik dieses Grabensystem nicht einsetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Anhaltende Zurufe von der SPD)

Lassen Sie mich einen letzten Punkt zur Haushaltssituation des Jahres 1975 anschneiden. Es ist viel von den 900 Millionen DM Konjunkturprogramm, die jetzt eingesetzt werden sollen, die Rede gewesen. Ich habe mir die Frage gestellt, welche Beteiligung eigentlich dieses Parlament bei der Ingangsetzung und Verteilung eines solchen Konjunkturprogramms hatte. Es gibt hier eine Reihe von wichtigen Problemen: Wie soll das verteilt werden? Welche Schwierigkeiten haben die steuerschwachen Länder, die nicht ihren Proportionsanteil so zur Verfügung stellen können wie die steuerstarken Länder. Wir stellen fest, daß diese Dinge am Parlament völlig vorbeilaufen. Vielleicht können wir hinterher dazu noch ein paar Anmerkungen machen. Hier werden Verträge und Abmachungen zwischen Bürokratien des Bundes und der Länder getroffen — das Parlament hat dazu nichts zu sagen. Ich möchte den Kollegen der Koalition, die sich über diese Frage einige Gedanken machen, wie das Parlament in so zentrale Probleme der Geldverteilung eingeschaltet werden kann, dringend raten, uns in unserem Bemühen zu unterstützen, daß durch Eventualhaushalte, durch Ergänzungshaushalte oder Nachtragshaushalte oder auf anderem Wege das Parlament in die Situation versetzt wird, hier mitzureden. Ich glaube, es muß
für das ganze Parlament eine demütigende Situation
sein, wenn es zu solchen zentralen und wichtigen Fragen nichts zu sagen hat. Wenn der Satz einer früheren SPD/FDP-Regierung von „Mehr Demokratie" noch gilt, dann sollte mit diesem Mehr an Demokratie hier in diesem Parlament begonnen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711631500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Staak.




Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0711631600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem „Hammer" der ideologischen Verbrämung von vielen Zeitungsmeldungen, so meine ich,

(Zuruf von der SPD: Das war ein „alter Hammer" !)

müsen wir noch einmal auf die Diskussion um die Arbeitslosigkeit zurückkommen, die hier an die Wand gemalt worden ist. Wir müssen die Diskussion um die Arbeitslosigkeit in der Rezession 1966/67 im Vergleich zu heute hier etwas genauer nachvollziehen. Es wurde behauptet, daß die Zahl damals niedriger gewesen sei. Sie war im Januar bei 621 000 und betrug 1967 im August dann knapp 400 000. Im Vergleich dazu sind es heute im August 527 000.
Dieser rein statistische Vergleich erweckt doch den Eindruck, als hätte das Parlament in dieser Zeit die politische und soziale Absicherung der Arbeitnehmerschaft durch Gesetze nicht vollzogen. Er läßt völlig außer acht, daß die Opposition, die damals die Regierung stellte, unfähig war, weiter zu regieren.

(Niegel [CDU/CSU]: Sind Sie schon lange!)

Er läßt den Ansatz außer acht, daß es zur Großen Koalition kam und wir dann 1969 das Arbeitsförderungsgesetz geschaffen haben, von dem der Bundesarbeitsminister hier sprach. Das Arbeitsförderungsgesetz hat eine Reihe von Absicherungen für die Arbeitslosen zum Inhalt. Ich will hier dazu folgendes feststellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war Katzer!)

Der pauschale Vorwurf der Opposition, diese Bundesregierung habe die Arbeitslosigkeit verschuldet, kann von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nicht unwidersprochen hingenommen werden, da diese Behauptung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711631700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Philipp von Bismarck?

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0711631800
Herr Kollege, würden Sie, nachdem Sie soeben über die Große Koalition gesprochen haben, allen Zuhörern vielleicht auch noch sagen, wer der Minister war, der dieses Gesetz damals eingebracht und verantwortet hat?

(Zurufe von der SPD)


Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0711631900
Wissen Sie, hier geht es um die Initiativen. Sie hatten damals nicht die Kraft, die Dinge so zu formulieren, daß sie heute tragen. Wenn es von Ihnen wirklich Beispiele und Initiativen gegeben hat — das läßt sich ja nachvollziehen —, dann wundere ich mich, daß Sie das den Menschen nicht sagen, die sich heute fragen, wie es denn weitergeht. Da ist mir die schonungslose Offenheit der Regierung lieber, die hier die Zahlen auf den Tisch legt und nichts beschönigt. Das ist die Situation.

(Beifall bei der SPD — Dr. Jobst [CDU/CSU] : Das ist die Ratlosigkeit der Regierung!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711632000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0711632100
Meinen Sie mi der „schonungslosen Offenheit der Regierung" die Aussage des Kanzlers Schmidt aus dem Jahre 1972, daß 2% Arbeitslosigkeit Ausdruck totaler Unfähigkeit der Regierung ist?

Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0711632200
Wissen Sie, dieses Spiel der Zahlen ob es 2 % oder jetzt 2,3 % sind — mit effektiv höheren Zahlen in einigen Arbeitsamtsbezirken in diesem Land —, eignet sich überhaupt nicht, in eine Auseinandersetzung um Prozentsätze einzutreten, sondern es muß hier auf den Tisch gelegt werden, welche Sorgen die einzelnen Arbeitslosen bedrängen und wo wir etwas getan haben, eine solche Situation abzusichern. Das ist der Punkt. Darüber hat Herr Dr. Friderichs gesprochen, und darüber hat Herr Bundesminister Walter Arendt gesprochen. Wenn Bundeskanzler Helmut Schmidt aus der Sicht des damaligen Zusammenhangs eine solche Zahl genannt hat, dann muß man doch sagen, daß eine solche Zielsetzung gar nicht verwerflich ist. Hier geht es darum, wie wir uns heute auseinandersetzen.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das ist richtig! Bloß die Wirklichkeit ist anders!)

Meine Damen und Herren, ich habe aus dieser Debatte den Verdacht gewonnen, daß Sie versuchen, Millionen von Menschen, Millionen von Arbeitnehmern, die feste Arbeitsplätze haben, zu verunsichern, ohne hier wirklich taugliche Alternativen zur Politik der sozialliberalen Koalition auf den Tisch zu legen; das letzte hat bisher niemand von Ihnen gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Besonders verwerflich war nach meiner Meinung der Versuch einiger Oppositionspolitiker im Sommer dieses Jahres, den Arbeitnehmern zu suggerieren, die Bundesanstalt für Arbeit könne ihre Leistungen bald nicht mehr finanzieren. Hier muß ich doch zunächst einmal darauf hinweisen, daß dem für dieses Jahr zu erwartenden Defizit der Bundesanstalt für Arbeit deren Rücklagen in Höhe von 4,5 Milliarden DM gegenüberstehen. Ein Teil dieser Rücklagen ist, wie Sie wissen, kurzfristig angelegt; der andere Teil ist langfristig anzulegen. Das Arbeitsförderungsgesetz bestimmt das so. Kann die Bundesanstalt jedoch ihren Bedarf nicht aus den Einnahmen und den kurzfristig angelegten Rücklagen decken, so ist der Bund verpflichtet, ein Darlehen bis zur Höhe der langfristigen Anlagen der Bundesanstalt bereitzustellen. Reicht auch diese Hilfe nicht aus, dann zahlt der Bund nach Art. 120 des Grundgesetzes die erforderlichen Zuschüsse. Die Kosten der Arbeitslosenhilfe mit Ausnahme der Verwaltungskosten trägt nach den Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes der Bund ohnehin voll. Auf diese Weise sind die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit auf jeden Fall voll abgesichert. Diese Sicherheit haben die Arbeitslosen, und hier



Staak (Hamburg)

darf niemand versuchen, eine Unsicherheit hineinzubringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir Sozialdemokraten werden uns jedoch mit unseren Bemühungen um die Erhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes mit solchen Parolen nicht den Rang ablaufen lassen. Wir wissen, was Arbeitslosigkeit für den einzelnen bedeutet. Wir wissen, wie hart die Auswirkungen auf Familie, auf Ausbildung und auf die Verpflichtungen, die die Familie hat, sind. Jeder Arbeitswillige muß deshalb die Möglichkeit zur Beschäftigung haben. Dieses Vollbeschäftigungsziel ist doch niemals von uns in Frage gestellt worden. Wir haben hier heute gehört, daß die Wirtschafts-, die Finanz- und die Arbeitsmarktpolitik gemeinsam dieses Ziel anvisieren müssen. Das ist doch eine ganz andere Situation als 1966 und 1967.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711632300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ageordneten Dr. von Bismarck?

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0711632400
Herr Kollege, Sie haben soeben die an sich löbliche Forderung aufgestellt, daß man offen sprechen sollte. Ist es nicht auf Ihrer Seite notwendig, daß Sie einmal sagen, ob Sie eingesehen haben, daß Stabilitätspolitik die beste Sicherung der Arbeitsplätze ist, daß Sie das bisher sträflich vernachlässigt haben und infolgedessen an der großen Zahl der Notfälle schuldig sind, die Sie immer verdrängen, indem Sie immer von dem einzelnen sprechen?

Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0711632500
Herr Kollege von Bismarck, dieser Zusammenhang ist nicht richtig. Die Zahl der Arbeitslosen konnte bisher auf diesem Stand gehalten werden, weil die Politik der Bundesregierung die strukturellen Schwierigkeiten, die sich aus den ökonomischen Bedingungen der weltwirtschaftlichen Veränderungen ergeben haben, aufgefangen hat. Die Zahlen sind doch hier auf den Tisch gelegt worden,

(Beifall bei der SPD)

und Sie haben bis heute nicht gesagt — auch nicht Herr Stoltenberg —, wie Sie es besser machen wollen. Ich will Ihnen nicht vorwerfen, daß Sie sehenden Auges eine solche Arbeitslosigkeit, wie sie in der Zahl von 527 000 mit einem Anteil von 2,3 % zum Ausdruck kommt, herbeigeführt haben wollten. Das war doch wohl nicht Ihre Absicht. Sie hätten uns helfen können, wenn Sie Rezepte haben.

(Dr. von Bismarck [CDU/CSU]: Das haben wir getan! Wir haben unendlich oft genug gesagt: Stabilität ist die Voraussetzung! Das haben Sie nur nicht begriffen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711632600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schellenberg?

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0711632700
Herr Kollege Staak, würden Sie den Kollegen der CDU bestätigen, daß die Zahl der Arbeitnehmer, die heute arbeiten, um
über eine Million höher ist als damals und daß damit heute viel mehr Menschen tatsächlich in Arbeit sind?

Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0711632800
Vielen Dank, Kollege Dr. Schellenberg. Dieser Aspekt muß in die Debatte. Hier redet niemand von den rund 22 Millionen beschäftigten Arbeitnehmern. Es ist auch richtig, daß wir den Teil herausnehmen, der arbeitslos ist, und an diesem Beispiel darstellen, welche sozialen Sicherungssysteme, welche Stabilitätsbemühungen diese Regierung unternommen hat, um dies alles zu einer gemeinsamen Politik zu vereinen, die langfristig die Schwächen beseitigt, unter denen heute einige zu leiden haben.
Analysiert man die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik unter dem Gesichtspunkt, welche Gruppen in erster Linie von ihr betroffen werden, so gibt das ein aufschlußreiches und sehr differenziertes Bild. Walter Arendt hat schon gesagt: Die Hälfte der Personen, die in die Arbeitslosenstatistik Eingang gefunden haben, sind in ihrer Vermittlung beeinträchtigt. Das sind Zahlen, die man auch nennen muß. Das sind Frauen, Arbeitslose, deren schlechter Gesundheitszustand sich negativ auf die Vermittlungsfähigkeit auswirkt, Rentner wie Sozialplan- und -leistungsempfänger. Dieser Gesichtspunkt muß von uns neben anderen, neben regionalen und sektoralen Gesichtspunkten mit in die Debatte eingeführt werden und ein weiterer Aspekt unserer künftigen Arbeitsmarktpolitik sein, die ja nicht statisch ist und nicht allein auf unternehmerische Fehlentscheidungen reagiert, sondern dynamisch langfristig angelegt ist, wie es jetzt von der Bundesanstalt und vom Bundesarbeitsministerium im ersten Drittel dieses Jahres gemeinsam festgestellt worden ist.
Ein Wort zur Angestelltenarbeitslosigkeit: Allein diese Angestelltenarbeitslosigkeit, die Bundesminister Walter Arendt hier dargestellt hat, beweist, daß z. B. bei einem Kapazitätsabbau die Angestellten gegenüber den Arbeitern nicht mehr privilegiert sind, vielmehr auch von diesen strukturellen Schwierigkeiten betroffen werden, die ja — das beweist diese Zahl — keine konjunkturellen Schwierigkeiten sind. In Büro- und Verwaltungsberufen hat die Arbeitslosigkeit stärker zugenommen — Walter Arendt nannte hier die Zahl von 70 000 , und es gibt auch Bemühungen, nicht mehr nur Kurzarbeit zu beantragen, vielmehr gibt es, wie die Bundesanstalt feststellt, hier auch vereinzelte, allerdings nicht massenhafte Entlassungen.
Bei der Senkung der Arbeitslosenquote ist also ohne Zweifel die Beschränkung der Vermittlungsfähigkeit ein Punkt, den wir mit in unsere Überlegungen einbeziehen müssen. Diese Beschränkung der Vermittlungsfähigkeit ist z. B. bei ausländischen Arbeitnehmern am wenigsten wirksam. Bei der überregionalen Vermittlung, die bei ihnen greift, sind die deutschen Arbeitnehmer allerdings deshalb beschränkt vermittelbar, weil die sozialen Bindungen der Familien nicht willkürlich gekappt werden können; sie geben nicht ohne weiteres ihren Freundes- oder Bekanntenkreis auf. Dies ist ein



Staak (Hamburg)

Hemmnis, das auch von jenen Theoretikern nicht hinwegdiskutiert werden kann, die eine bedingungslose Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit gefordert haben. Nur wer die Kontakte zur Arbeitswelt und zu den Menschen mit ihren Familien völlig verloren hat, kann hier leichtfertige Urteile fällen und Forderungen stellen. Allein der kann dann, anders ausgedrückt, im Grunde hohe Arbeitslosenzahlen fordern.
Die Rezession von 1966 und 1967, die hier immer wieder beschworen worden ist, ist noch nicht so lange her, meine Damen und Herren von der Opposition, als daß wir die damaligen Äußerungen von Herrn Strauß, Herrn Schmücker und anderen schon vergessen hätten. Da war von einer Reinigungskrise die Rede, die den Übermut der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften dämpfen sollte. Diese freimütigen Äußerungen gipfelten in der Feststellung, man wolle eine Rezession als Disziplinierungsinstrument der Arbeitnehmer. Wir haben dagegen in dieser Zeit den Freiheitsraum der Arbeitnehmer durch Mitbestimmungsrechte ausgeweitet.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Frauen sagen. Ihr Anteil betrug Ende August 3,1%. Bei Frauen ist die Vermittlungsfähigkeit eingeschränkt. Sie wollen oft nur halbtags arbeiten. Die Hälfte aller Frauen wollen nur Halbtagsbeschäftigung, und es mangelt an derartigen Arbeitsplätzen aus vielerlei Gründen.
Ich möchte hier nur einen Punkt nennen, der für uns mehr als nur ein Schönheitsfehler ist. Diese Zahlen der Bundesanstalt machen doch deutlich, daß die wieder ins Berufleben eingetretenen Frauen am unteren Ende der Qualifikationsskala der beruflichen Ausbildung stehen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Sie sind meist ungelernte oder angelernte Arbeitnehmerinnen. Hier stellt sich die Frage nach den Ursachen. Die Chancen dieser Frauen, die ihre Berufsausbildung in den fünfziger und sechziger Jahren hatten, waren doch in der Regel gering. Die damaligen Ausbildungssysteme und die Rollenerwartungen in unserem Lande haben doch dazu geführt,

(Zuruf von der CDU/CSU)

daß die Frauen ihre Chance zur Ausbildung nicht bekommen haben. Diese mangelnden Chancen dieser Frauen in unserem Lande haben Sie zu vertreten; daran geht kein Weg vorbei.

(Niegel [CDU/CSU]: Da lachen ja die Hühner!)

— Nur die Frauen nicht, die betroffen sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711632900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. von Bismarck?

Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0711633000
Bitte!

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0711633100
Herr Kollege, Sie haben erneut das Märchen ausgestreut, das hier im Parlament schon zweimal richtiggestellt worden
ist, daß von unserer Seite gesagt worden wäre, wir wollten die Rezession. Ich will den Vorgang noch einmal schildern und Sie bitten — --

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711633200
Herr Abgeordneter, Sie können nur eine Frage stellen.

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0711633300
Dann frage ich Sie nochmals, ob Ihnen nicht bekannt ist, daß Sie hier ein Märchen erzählen, daß damals nicht von Rezession, sondern von Restriktion gesprochen wurde und daß der Versprecher in derselben Sekunde klargestellt worden ist?

Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0711633400
Wissen Sie, die Arbeitnehmer haben sich in den darauffolgenden Wahlen eindeutig für diese Koalition entschieden und haben damit gesagt, wer ihre Interessen in diesem Lande vertreten soll.
Ich möchte Ihnen jetzt zu dem sozialen Fangnetz, das wir aufgebaut haben, etwas sagen: Da ist einmal das Konkursausfallgeld zu nennen, das der Bundesarbeitsminister hier schon erläutert hat, ferner das Heimarbeitsänderungsgesetz, in dem wir die Kündigungsfristen für 300 000 Heimarbeiter erheblich verlängert haben. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, über das in diesem Hause Einvernehmen bestand, hätte bereits wirksam sein und zum Schutz der Heimarbeiter vor Arbeitslosigkeit beitragen können. Da jedoch die mit diesem Gesetz verknüpften Verbesserungen des Tarifvertragsrechts im Bundesrat auf Ihren Widerstand gestoßen sind, konnte es bisher leider nicht in Kraft treten.

(Dr. Schellenberg [SPD] : Diese Zangenbewegung der CDU im Bundesrat!)

Dafür tragen Sie, meine Damen und Herren von der
Opposition, die alleinige und volle Verantwortung.
Ein großer Teil der Arbeitslosen ist auch deshalb nur beschränkt vermittlungsfähig, weil er gesundheitlichen Schaden genommen hat. Wir haben die gesundheitlichen Risiken im Arbeitsleben abgebaut. Wir haben das Arbeitssicherheitsgesetz geschaffen, das die Arbeitgeber verpflichtet, Betriebsärzte und Arbeitssicherheitsfachkräfte zu bestellen. Die Arbeitsstättenverordnung und der Jugendarbeitsschutz werden diese Maßnahmen ergänzen.

(Zurufe von der CDU/CSU) Machen Sie sich darüber nicht lustig.

Ein älterer Arbeitnehmer, der gesundheitliche Beeinträchtigungen hat, ist nicht mehr einzusetzen. Wir haben deshalb in der Frage der älteren Arbeitnehmer versucht, eine ganze Reihe von Möglichkeiten zu schaffen. Ich erinnere an die flexible Altersgrenze. Sie ist von 320 000 Arbeitnehmern in Anspruch genommen worden. Wir haben Möglichkeiten geschaffen im Betriebsverfassungsgesetz, bei der betrieblichen Personalplanung — hier vor allen Dingen bei der Planung über den gegenwärtigen und den künftigen Personalbedarf — und bei der Aufstellung der Auswahlrichtlinien. Gerade diese betriebliche Personalplanung kann dazu beitragen, den Arbeitnehmern insbesondere bei technischen und organisa-



Staak (Hamburg)

torischen Veränderungen im Betrieb eine ihrem Leistungsvermögen gerechte und gemäße Tätigkeit zu sichern. Ich muß allerdings zugeben, daß diese Möglichkeit von den Unternehmen bisher wenig und nur unzureichend genutzt wird.
An dieser Stelle müssen wir zu den Betriebsräten sagen, daß sie es sind, die die Situation in den Betrieben und Unternehmen jeden Tag neu aufrollen und versuchen, im Betrieb so viele Arbeitnehmer wie möglich in Beschäftigung zu halten. Daß die Personalplanung von den Unternehmungen noch nicht mehr aufgegriffen worden ist, um die Fähigkeiten, die die Arbeitnehmer im Betrieb erworben haben — auch die älteren —, auch einzusetzen, ist etwas, was ich sehr bedauere, worum wir uns aber alle gemeinsam noch sehr kümmern müssen.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage zur Situation der älteren Arbeitnehmer, aus der hervorgeht, daß sie nur noch mit einem Anteil von 20% — jetzt 13% - an der Arbeitslosenzahl beteiligt sind. Ihre Zahl ist zwar von 40 000 auf 60 000 gestiegen. Hier sind aber die Maßnahmen der Bundesregierung zur Absicherung ihres Besitzstandes zweifellos wirksam geworden.
Ebenfalls zu nennen sind das Arbeitssicherheits-
und das Schwerbehindertengesetz. Ferner sind die Bemühungen der Tarifpartner zu nennen. Diese haben zum Schutz der älteren Arbeitnehmer, z. B. durch Rationalisierungsabkommen für 9 Millionen Arbeitnehmer, Sicherheiten geschaffen, die wirklich wirksam geworden sind. Die Bundesregierung hat in dem Zusammenhang angekündigt, daß der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer noch verbessert werden kann. Wir würden das sehr begrüßen.
Meine Damen und Herren, wir sind der Bundesregierung dankbar, daß sie dieses ungeschminkte Bild der Lage am Arbeitsmarkt gegeben hat. Wir haben gerne die Gelegenheit genommen, die Basis der arbeitsmarktpolitischen Aktivitäten hier im einzelnen darzustellen. Diese Offenheit hilft den Arbeitnehmern, sich zu entscheiden und sich auf veränderte Situationen vorzubereiten, die im strukturellen Bereich auf sie zukommen. Sie brauchen diese Entscheidungshilfen, weil sie ja kaum weniger intelligent sind als ihre Vertreter hier im Bundestag. Weil sie maßvoll und vernünftig ihre Situation einschätzen, ist es zu dieser sozialen Ausgewogenheit in unserem Lande gekommen, die uns auch hohe Aufträge für unsere Exportwirtschaft sichert. Diese Auftragseingänge, die hier ebenfalls von der Opposition kritisiert worden sind, weil sie zu einer Kopflastigkeit im Export führe sind auch darauf zurückzuführen, daß in Deutschland die Arbeit ohne Störungen gemacht wird, daß sich die Arbeitnehmer hier nicht ständig im Streik befinden, sondern ihre Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern in geordneten Bahnen führen.
Ich will zum Schluß an die Regierungserklärung erinnern, die ebenfalls ganz nüchtern von den Fakten ausgegangen ist. Dort heißt es:
Wir werden uns wie bisher anstrengen, den
hohen Beschäftigungsstand zu erhalten. ... Unsere Arbeitsplätze sind sicher, unsere Löhne können sich sehen lassen, und bei uns ist der Arbeitsfriede gewahrt. Dabei gehen die Leistungen der Arbeiter und der Angestellten und die Leistungen der Gewerkschaften weit über das Materielle hinaus. Wenn die Demokratie in diesem Lande gefestigt ist, so verdanken wir dies ganz wesentlich der Tatsache, daß die Arbeitnehmer zu dieser zweiten deutschen Republik stehen. Nur solange dies so bleibt, bleibt die Demokratie stabil.
Reformpolitik ist von dieser Regierung mit wirtschaftlichem Wachstum in Einklang gebracht worden. Die Schwierigkeiten, die wir in einzelnen Bereichen haben, sind dargestellt. Ich glaube, daß wir der Regierung insgesamt nur wünschen können, daß sie konzentriert weiterarbeit und an dem Konzept festhält, das sie hier dargelegt hat. Nach Ihren Konzepten, meine Damen und Herren von der Opposition, können wir uns leider nicht richten; wir haben schmerzliche Erfahrungen damit gemacht.

(Beifall bei der SDP und der FDP)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0711633500
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0711633600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Staak hat seiner Rede mit der Darstellung der Arbeitslosensituation sehr viel Schminke aufgelegt. Ich bin der Meinung, wir müssen die Schminke etwas entfernen und uns der Wirklichkeit zuwenden. Es geht nicht allein um die Arbeitslosigkeit als der solchen. Ich darf Sie daran erinnern, welchen Veitstanz Sie damals 1966 aufgeführt haben und wie die SPD aus einer kleinen Rezession eine große Krise gemacht hat, um sich politisch einzuführen. So war es doch.
Bei der jetzigen Situation, die wir gemeinsam bedauern und der wir gemeinsam abhelfen müssen, ist es so, daß nicht nur höhere Zahlen an Arbeitslosigkeit vorhanden sind, sondern daß darüber hinaus — das scheint mir für den Trend das Entscheidende zu sein — diese Zahlen in den Monaten Juli und August erheblich gestiegen sind mit der Aussicht, in den kommenden Herbst- und Wintermonaten noch viel höhere Zahlen zu erreichen. Der Trend und nicht die punktuelle Situation ist das Entscheidende.
Darüber hinaus ist aber zu beachten, daß auch die offenen Stellen — also die Möglichkeiten —, wieder Arbeit zu bekommen, kräftig zurückgegangen sind. 170 000 bis 200 000 Arbeitskräfte befinden sich in Umschulung. Es ist noch ganz offen und fraglich, wie eine Vermittlung und eine Wiedereinführung in den Arbeitsprozeß möglich gemacht werden soll. Darüber hinaus haben wir steigende und täglich neue Kurzarbeiterzahlen, bei denen man immer noch nicht weiß, wie sich die Dinge schließlich wenden werden, so daß in Wirklichkeit Zahlen von 800 000 bis 900 000 'als Krankheitsbefall in unserem Arbeitsmarkt festzustellen sind. Das ist die Wirklichkeit. Es würde der Regierung sehr gut anstehen,



Höcherl
hier die Wahrheit zu sagen und nicht zu versuchen, die Dinge zu verschleiern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich meine, das wäre die Aufgabe gewesen. Das wäre auch ein Ausgangspunkt für eine gemeinsame Anstrengung.
Nun möchte ich mich doch noch etwas der Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers zuwenden. Jede Haushaltsrede hat im Parlament einen ganz besonderen, hohen Rang. Alle bisherigen Finanzminister — mit einer Ausnahme, wie wir gestern feststellen mußten — haben sich bemüht, der Haushaltsrede eine staatsmännische Linie zu geben. Dem Bundesfinanzminister neuester Ausgabe bleibt es vorbehalten, sie mit Polemik und überflüssigen und unnützen Angriffen gegen die Opposition auszustatten. Ich meine, der Stil allein ist schon ein Gütezeichen oder das Gegenteil davon! Wer glaubt, bei einem so verantwortungsvollen Akt wie der Haushaltsrede billige Polemik machen zu müssen, von dem weiß ich nicht, ob er sonderlich für die Aufgaben qualifiziert ist, die es zu lösen gilt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister ist sehr stolz darauf, daß der Haushalt früh eingebracht worden ist. Ja, das ist eine gesetzliche Pflicht und bedarf gar keiner Hervorhebung. Das war vielmehr schon Anfang September fällig.
Er beruft sich interessanterweise auch darauf, daß er einen sehr sparsamen Haushalt vorgelegt habe. Ich denke daran, wie die SPD und die FDP früher mit dem Wort Sparsamkeit — das wir, die CDU/ CSU, in dieses Haus eingeführt haben — umgegangen sind. Dann muß ich sagen: es ist eine Erkenntnis, wenn auch eine sehr späte Erkenntnis, Herr Bundesfinanzminister. Es ist auch kein freiwilliger moralischer Akt. Das Geld ist Ihnen ausgegangen, deswegen mußten Sie sparen, nicht weil Sie zum Sparen aufgelegt und dazu entschlossen wären.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wir stellen dabei fest, daß schon im Jahre 1970 — ich darf es hier wiederholen; es ist ein einmaliger politischer Vorgang — der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, als die ersten Zeichen eines Booms und einer steigenden Konjunktur festzustellen waren, Ihnen von der Opposition Mithilfe und Beistand angeboten hat. Herr Wehner meinte, sie brauchten die Opposition nicht. Sie haben sich sehr lange bis zum Frühjahr 1973 Zeit gelassen, nachdem von außen her 30 Milliarden DM in den Kreislauf gekommen sind, weil Sie nicht rechtzeitig die Kraft hatten, die Türen zuzumachen. Dann sind Sie im Mai mit Ihrem Programm gekommen. In der Zwischenzeit stellt sich heraus, daß dieser Verspätungsschaden nicht mehr zu beheben ist und daß wir uns gemeinsam damit abzuplagen haben.
In dieser Haushaltsrede sind, wie es Herr Strauß heute schon zum Ausdruck gebracht hat, noch ganz interessante Dinge festzustellen, zum Beispiel was die Personalkosten betrifft. Der Tarifabschluß im öffentlichen Dienst wird so dargestellt, als ob unbekannte Partner diesen Abschluß gemacht hätten. Sie
als Regierung sind schwach geworden und haben sich nicht durchsetzen können. Das war doch der Grund.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Koalition ist die Aktion Sündenbock üblich. Wir wissen schon, was alles als Sündenbock herhalten mußte. Früher war es der Vietnamkrieg. Dann waren es andere Vorkommnisse. Auf keinen Fall aber war es eigene Schuld. Nach dieser Aktion Sündenbock sind es die Rohstoffpreise und die Ölpreise. Zweifellos, das rechnen wir Ihnen auch gar nicht an. Das ist völlig klar. Das ist ein noch keineswegs abgeschlossener Vorgang, der unter Umständen noch sehr, sehr schwerwiegende Auswirkungen hat. Aber diese Situation trifft uns ja in eigenen Schwierigkeiten, die wir selbst verursacht haben. Deswegen sind die Befürchtungen, wie ich meine, so groß.
Nun wird hier erklärt, die Inflation müsse bekämpft werden, das sei das Hauptziel. Sie sollten nicht meinen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, daß wir diesen politischen Vorgang nicht sehen. Sie haben versucht, uns das Stabilitätsthema wegzunehmen. Das ist doch Ihre politische Absicht, weil Sie sehr, sehr spät begriffen haben, daß die Stabilität die Grundlage jedes gesunden Staatswesens ist und daß die Arbeitslosigkeit nicht zuletzt von der Inflation und der instabilen Regierungspolitik herrührt. Aber Sie werden keinen Erfolg haben. Sie werden die breite Öffentlichkeit nicht darüber hinwegtäuschen können, daß Sie Jahre hindurch, wichtige und entscheidende Jahre hindurch, mit dieser Inflation leichtfertig umgegangen sind und sie nicht ernst genommen haben. Das werden wir draußen der Öffentlichkeit schon klarmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es ist auch die Frage, ob dieses sehr verspätete 900-Millionen-Programm die gewünschte Wirkung hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß entscheidende Aktionen und Maßnahmen vor dem Frühjahr überhaupt möglich sind. Wir werden sehr darauf achtgeben, daß bei der Ausführung dieses Programms die Länderrechte gewahrt bleiben und die autonomen Entscheidungen sowohl der Gemeinden als auch der Länder gewährleistet bleiben. Es sind Gerüchte lautgeworden, daß Sie sich ein Veto vorbehalten wollen. Diese Art von Ausdehnung, das Mit-Hineinregieren und das Mischregieren werden wir Ihnen schon austreiben.

(Oho-Rufe bei der SPD)

Die entscheidende Frage, auf die der Herr Kollege Althammer hingewiesen hat, ist aber eine ganz andere. Sie haben einen Haushalt mit einem Volumen von 154 Milliarden DM vorgelegt. Ich will mich mit den Prozentsätzen gar nicht befassen. Ob die Steigerungsrate nun 9, 10, 11 oder 12% beträgt, ist für mich nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, Herr Bundesfinanzminister — und darüber haben Sie überhaupt kein Wort gesagt —, woher Sie die 40 Milliarden DM in den drei Ebenen nehmen wollen. Sie haben kürzlich in einem Interview erklärt, daß ungefähr 120 Milliarden DM jähr-



Höcherl
lich gespart würden. Der private Sparer hat im letzten Jahr, glaube ich, 80 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Darüber, ob er nun bereit ist, als Anleger mit 40 Milliarden DM einzusteigen und Ihnen die teuren Papiere abzukaufen, gibt es keine Gewißheit. Darüber können Sie gar nichts aussagen. Wenn ich den Verlauf des Absatzes der Postanleihe und anderer Anleihen nehme, habe ich die größten Befürchtungen, daß das nicht möglich ist.

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. SchmidtVockenhausen)

Dieser Haushalt beinhaltet darüber hinaus noch Risiken, die Sie nicht quantifizieren können. Sie bekommen erst die allerneuesten Zahlen über die Steuerschätzungen. Im Zusammenhang mit den Steuerausfällen ist zu sagen, daß Sie bei der Darstellung der sogenannten Steuerreform eine sehr merkwürdige Rolle gespielt haben. Sie haben nicht anerkannt, daß wir uns gemeinsam bemüht und gemeinsam ein Steueränderungsgesetz — Steuerreform kann man es ja nicht nennen — beschlossen haben. Sie haben die Stirn, sich hierher zu stellen und zu sagen, diese sogenannte Steuerreform sei uns, der Opposition abgezwungen worden Nein wir
mußten Sie in einigen wichtigen Fragen auf den richtigen Weg der gerechten Besteuerung zurückführen! So war die Geschichte und nicht anders!
Wie groß der Steuerausfall angesichts der Ertragssituation, angesichts der Arbeitslosigkeit, angesichts der Exportsituation usw. sein wird, muß
abgewartet werden. Darüber hinaus enthält der Haushalt eine Reihe von unsicheren Positionen. Heute weiß noch niemand abzuschätzen, welche Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die Bundesbahn wirklich zu erbringen sind. Wie sich die politischen Zahlungen, die am 1. Juli 1975 neu zu definieren sind, also die Ausgleichsleistungen gestalten werden, ist nach wie vor offen. Ich glaube, schon bisher ist allein durch die Ankündigung, daß Sie rund 40 Milliarden DM brauchen, der Effekt eingetreten, daß die Zinssituation, die sowieso zu ganz einschneidenden Veränderungen bei uns führt, neuerdings angespannt worden ist. Ich wüßte dann auch gern, wie Sie das Kapital der Zinsleistungen im Bundeshaushalt bei einer Inanspruchnahme von 40 Milliarden DM in den drei Ebenen ausstatten wollen. Wir haben neckischerweise von Herrn Koschnick aus Bremen gehört, wie die Gemeinden sich die Dinge denken und in welchen Schwierigkeiten sie sich befinden.
Das Grundgesetz schreibt Ihnen vor, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und, soweit Schuldenaufnahmen in Betracht kommen, die Schulden so zu orientieren, daß sie sich mit den Investitionen decken. Meine Damen und Herren, diesen beiden Forderungen sind Sie mit dieser Vorlage nicht nachgekommen. Wir werden beim Vollzug des Haushaltes und in den kommenden Beratungen scharf aufpassen, daß etwas, was Sie sich vorstellen, sich nicht ereignet. Sie sind nämlich schon auf Wahlkurs gegangen. Alle Reaktionen und Aktionen, die aus Ihrem Lager stammen, tragen schon das Vorzeichen 1976. Nur nach diesem Datum soll
das alles gehen. Wir sind der Meinung: es muß bis dahin ordentlich gearbeitet werden und es darf nicht auf den Wahlschlitz gesehen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Interessant ist auch, was Sie zur Landwirtschaft gesagt haben. Nach langem Hin und Her, auf der Kriechspur, möchte ich fast sagen, und nach Hängen und Würgen haben Sie sich jetzt zu dem Entschluß durchgerungen, die Vorsteuerpauschale, die wegen der gestiegenen Betriebsmittelkosten schon längst fällig gewesen wäre, zu verordnen, haben aber gleichzeitig wieder 80 Millionen DM aus dem Gemeinschaftstopf herausgenommen, so daß ein richtiger Wechselbalg entstanden ist. Hinsichtlich der Preissituation in Brüssel waren Sie nach dem, was wir bisher gehört haben, die einzige Delegation, die sich diesen Forderungen bisher verschlossen hat. Wir lassen uns überraschen.

(Löffler [SPD] : Das ist nicht wahr, was Sie da erzählen, die Bundesregierung sei die einzige Regierung gewesen!)

— Da waren Sie in einer schlechten Gesellschaft. Das ändert an der Situation und an Ihrer Schuld
gar nichts, wenn der eine oder andere sich genauso verhalten hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711633700
Herr Abgeordneter Höcherl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Löffler?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0711633800
Ja, bitte sehr!

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0711633900
Herr Kollege Höcherl, habe ich richtig verstanden, daß diejenigen, die sich um Preisstabilität bemühen, sich untereinander in einer schlechten Gesellschaft befinden? Das würde allerdings dem widersprechen, was die Mitglieder Ihrer Fraktion heute hier gesagt haben.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0711634000
Herr Löffler, Preisstabilität ist in Ordnung, aber sie darf nicht auf Kosten eines Berufsstandes ausgetragen und erreicht werden. Die Landwirtschaft hat durch die schlechten Preise einen entscheidenden Teil beigetragen, damit diese Art von Stabilität, wie Sie sie bezeichnen, überhaupt möglich war. Hier ist Gerechtigkeit und ein Ausgleich am Platz.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711634100
Herr Kollege Höcherl, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0711634200
Herr Kollege Höcherl, Sie wissen doch genauso gut wie jeder andere, daß in den Partnerländern der EWG die Preissteigerungen sehr viel höher sind und daß die Stabilitätsbemühungen insgesamt nur dann Fuß fassen können, wenn das ausgewogen durchgeführt wird.




Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0711634300
Ja, auf diese Ausgewogenheit warten wir in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Verantwortung dieser Regierung und ihrer Vorgänger — man muß sie als Einheit sehen; es ist keinem möglich, sich hier vor einer Verantwortung zu drücken, auch wenn in diesen fünf Jahren im Regierungslager überraschend viele Umbildungen und Veränderungen festzustellen waren — ist unteilbar, sie ist eine einheitliche. Diese Phase fing einmal damit an, daß der öffentliche Korridor richtig bedient werden sollte. Heute muß der Bundesfinanzminister sagen: damit ist es vorbei, weil die Inflation ihre eigenen Kinder verschlingt. So ist es in diesem Fall gewesen. Wenn Sie als Regierung uns mit anständigen, offenen Informationen bedienen und wenn Sie sich zu dem bekennen, was wir hier als eine sehr, sehr schwierige Situation vor uns haben, dann haben Sie die Chance, die Unterstützung von uns zu bekommen. Wir haben 20 Jahre hindurch eine Stabilität vorgelebt und vorgezeigt. Bitte, machen Sie das nach!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711634400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711634500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich darf für meine Fraktion den zweiten Aufguß, dafür auch sehr viel kürzer, liefern, aber doch, Herr Höcherl, Sie noch ein wenig vertrösten und um Geduld bitten. Denn bis wir so in Sack und Asche wandeln, daß wir, wie Sie gesagt haben, bekennen, zugeben, offenlegen, um Ihre Zustimmung und Ihre Billigung zu erhalten, müssen Sie uns noch eine kleine Atempause gewähren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es wird also noch ein Weilchen dauern, bis Sie uns dabei finden, daß wir diesen Wehklagen, die Sie hier soeben vorgetragen haben, zustimmen und ihnen nicht widersprechen.
Herr Kollege Höcherl, ich möchte hier noch auf zwei Punkte eingehen. Es kann nicht im Ernst noch lange zwischen uns streitig sein, daß eine erfolgreiche und wirksame Antiinflations-, eine Stabilitätspolitik, wie Sie sie für notwendig halten und wie wir sie betrieben haben, vor Mai 1973 nicht in Angriff genommen werden konnte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist nicht wahr!)

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, stehen mit dieser Erklärung einsam und allein in der Wiese, ich möchte eher sagen, in der Wüste.

(Widerspruch der CDU/CSU)

Lesen Sie sich die Bundesbankberichte durch, lesen Sie sich den Bericht des Internationalen Währungsfonds durch, lesen Sie sich alles durch, was in der Fachliteratur und in der Wissenschaft zu dieser Frage geäußert worden ist! Solange Sie offene Grenzen haben, die nicht durch Floaten abgesichert sind, sondern in denen Sie verpflichtet sind, zu festen Kursen fremde Währungen anzukaufen und damit in die eigene Währung umzutauschen, damit den Geldmengenumlauf unkontrollierbar zu erhöhen, so lange ist, wenn Sie die Geldmengentheorie nicht völlig ablehnen — das tun Sie nicht, großartig! —, eine Inflation nicht erfolgreich zu bekämpfen. Ich meine, wir sollten uns wirklich darauf einigen, daß dieser alte Hut nicht mehr aufgesetzt wird. Der ist wenig widerstandsfähig, und mit dem können Sie nichts anfangen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711634600
Herr Abgeordneter Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen)?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711634700
Ja, gern!

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0711634800
Herr Kollege Graf Lambsdorff, halten Sie den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Herrn Klasen, für so uninformiert daß er entgegen dem, was Sie eben sagten, schon 1970 und 1971 davon reden konnte, daß unsere Inflation überwiegend eine hausgemachte Inflation sei?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711634900
Herr Kollege Jäger, wir haben niemals bestritten — über die Anteile haben wir hier schon häufig genug diskutiert —, daß es in jeder inflationären Entwicklung — der Bundeswirtschaftsminister hat das heute übrigens auch noch mal gesagt — einen gewissen hausgemachten Teil gibt. Aber wenn Sie den Präsidenten Klasen aus den Jahren 1970 und 1971 zitieren, dann müssen Sie das auch für die Jahre 1973 und 1974 tun, in denen Sie aus den Bundesbankberichten entnehmen können, daß alle eigenen Anstrengungen und selbst völlige Sündenfreiheit, was hausgemachte Inflation anbelangt, vergeblich sind, solange man sich nicht durch Floaten von solchen Währungs- und Geldmengenzuflüssen abhängt. Über diesen Punkt sollten wir eigentlich die streitige Diskussion in diesem Haus einstellen.
Es bleibt immer noch eine ganze Menge, Herr Kollege Höcherl, was Sie uns vorwerfen können und sicher aus Ihrer Sicht vorzuwerfen haben. Nur eins ist schwierig: Früher haben Sie die weitere Öffnung des sogenannten öffentlichen Korridors, die weitere Inanspruchnahme von Steuermitteln für staatliche Ausgaben lebhaft kritisiert, lebhaft beanstandet. Heute stehen Sie vor einem Haushalt, der sich durch äußerste Sparsamkeit auszeichnet.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU)

— Darüber kann vielleicht noch diskutiert werden. Sie müssen uns in den Beratungen des Haushaltsausschusses beweisen, wie Sie einen solch sparsamen Haushalt weiter einschränken wollen. Jedenfalls hat es keinen Zweck, jetzt andersherum zu kritisieren und der Regierung vorzuwerfen, daß diese Entwicklung, die Sie früher als bedrohlich betrachtet haben, jetzt nicht eintritt. Sie müssen uns also schon sagen, was Sie eigentlich wollen.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711635000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeorneten Höcherl?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711635100
Aber mit Vergnügen!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0711635200
Herr Graf Lambsdorff, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Bundesnotenbankpräsident Klasen vom ersten Tage seines Amtsantrittes an, ab 1. Januar 1970, in allen Berichten zum Ausdruck gebracht hat, es wäre höchste Zeit für eine Antiinflationspolitik?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711635300
Und diese betreiben wir nunmehr.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

— Die betreiben wir schon eine ganze Weile. Wenn Sie den Jahresbericht, Herr Kollege Höcherl, der Bundesbank für 1973 durchlesen — ich konnte das heute hier schon einmal vortragen —, werden Sie sehen, daß dort die ausdrückliche Feststellung ent- halten ist , daß die Bundebank durch die Politik der
öffentlichen Hände unterstützt worden ist.
Nur eins möchte ich doch zu bedenken geben. Herr Kollege Höcherl, Sie kommen aus einem Bundesland, in dem Sie die sparsame Finanzwirtschaft vorexerzieren könnten. Wenn Sie uns das hier alles immer vortragen, dann kommt mir dies — mit Verlaub, entschuldigen Sie bitte — wie die Theorie eines Haremswächters vor: Er weiß es alles, aber er kann es nicht.

(Große Heiterkeit)

So sieht es doch aus.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711635400
Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711635500
Aber gern!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0711635600
Herr Graf Lambsdorff, mir ist nicht bekannt, daß wir in Bayern unsolide wirtschaften und solche Schulden machen. Ist das Ihre Meinung?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711635700
Wenn Sie sich einmal die Zuwachsraten in Bayern und in anderen von Ihren Parteifreunden regierten Ländern ansehen, übrigens auch bei dem obersten Sparkommissar — ich weiß nicht, ob Sparen bei Ihnen noch „in" ist; ich habe manchmal den Eindruck, als sei das heute nicht mehr modern; aber lassen wir es einmal bei der alten Diktion —, dann werden Sie feststellen, daß die Zuwachsraten auch im schleswig-holsteinischen Haushalt immer noch erheblich über denen liegen, um die es hier geht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711635800
Herr Abgeordneter Lambsdorff, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711635900
Ja bitte!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0711636000
Herr Lambsdorff, ist Ihnen nicht bekannt, daß Sie Gesetz auf Gesetz produzieren und die Länder damit pausenlos belasten?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0711636100
Es ist ohne Zweifel richtig, Herr Kollege Höcherl, daß ein Teil der Länderausgaben natürlich auch durch Gesetze initiiert wird, die wir hier teilweise mit und teilweise ohne Ihre Zustimmung verabschieden. Das haben wir niemals bestritten. Dennoch gibt es in einigen Ländern überdurchschnittliche Zuwachsraten und besonders häufig gerade in den Ländern, die in besonderem Maße nach Stabilität rufen. Keiner ist von Sünde frei in diesem Zusammenhang. Darüber will ich mit Ihnen gar nicht streiten.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns das Fazit des heutigen Tages und dieses Abends vor Augen führen, Herr Professor Carstens, dann müssen wir eigentlich fragen — aber vielleicht haben Sie das morgen vor , wo denn nun die schreckliche Generalabrechnung mit der Regierung, die Sie nach der Sommerpause vorhatten, geblieben ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Auf dem Gebiet der Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik kann ich das eigentlich nicht sehen. Vielleicht ist das für morgen aufgespart, vielleicht sind morgen attraktivere Fernsehzeiten angeboten, so daß das noch einmal versucht werden kann.

(Heiterkeit bei der FDP und SPD) Wir warten mit Spannung darauf.


(Erneute Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0711636200
Meine Damen und Herren, entsprechend einer interfraktionellen Vereinbarung unterbrechen wir nach diesem Beitrag die Aussprache.
Ich rufe nunmehr die Punkte 5 bis 28 der Tagesordnung auf:
5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Februar 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gemeinsame Staatsgrenze
— Drucksache 7/2396
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß
6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung und anderer Vorschriften
— Drucksache 7/2376
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
vereinfachte Verkündungen und Bekanntgaben
— Drucksache 7/2405 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Haushaltsausschuß
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung
— Drucksache 7/2280 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung
— Drucksache 7/2281 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Internationalen Übereinkommen vom 29. November 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden und vom 18. Dezember 1971 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung von Ölverschmutzungsschäden
— Drucksache 7/2299 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. April 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Trinidad und Tobago zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Förderung des internationalen Handels und der internationalen Investitionstätigkeit
— Drucksache 7/2393 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. Mai 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Sambia zur Vermeidung der Doppel-
besteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 7/2395 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes
— Drucksache 7/2483 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 7/2515 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung
— Drucksache 7/2315
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 7/2520
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 14. August 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Haiti über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache 7/2398 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
18. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die statistische Erfassung der in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachten festen Brennstoffe
— Drucksache 7/2350
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Wirtschaftsprüferordnung
— Drucksache 7/2417 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Finanzausschuß
Rechtsausschuß
20. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften über die Leistung von Kinderzulage, Kinderzuschuß und Waisenrente für behinderte Kinder
— Drucksache 7/2351 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahre 1970)

— Drucksache 7/2394 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
22. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Auswanderer (Auswandererschutzgesetz)

— Drucksache 7/2418 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundes-Tierärzteordnung
— Drucksache 7/2504 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
24. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Straßen in den Gemeinden 1976
— Drucksache 7/2518 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (federführend)

Innenausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
25. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter
— Drucksache 7/2517 -
Üherweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
26. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. März 1972 über
die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände
— Drucksache 7/2323 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Rechtsausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
27. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes
— Drucksache 7/2105 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Verteidigungsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
28. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und prämienrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 7/2397 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Verteidigungsausschuß (federführend)

Finanzausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Ich frage, ob dazu im einzelnen das Wort gewünscht wird. Die Überweisungsvorschläge des Altestenrates bitte ich aus der Tagesordnung zu entnehmen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 29 auf:
Beratung der Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 7/2528 —
Berichterstatter ist die Abgeordnete Frau Berger.
— Das Wort wird von der Frau Berichterstatterin nicht gewünscht. — In der Aussprache wird das Wort nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, die enthaltenen Anträge anzunehmen, den bitte ich um das Zeichen.
— Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich darf einstimmige Annahme feststellen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte doch, freundlicherweise, soweit Sie Gespräche führen wollen, diese außerhalb des Hauses zu führen, damit wir die Tagesordnung ordnungsgemäß abwickeln können. Es würde die Sache vielleicht auch erleichtern, wenn sich nicht alle Mitarbeiter der Ministerien gleichzeitig nach draußen begeben.
Ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 686 24 (Nahrungsmittelhilfe für Entwicklungsländer)
— Drucksachen 7/1343, 7/2340 —Berichterstatter: Abgeordneter Esters



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ergänzend das Wort wünscht. — Das Wort wird von dem Herrn Berichterstatter nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 31 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) über den Antrag des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1970 — Einzelplan 20
— Drucksachen VI/3497, 7/2403 —Berichterstatter: Abgeordneter Kulawig
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht? — Das Wort wird nicht begehrt. Meine Damen und Herren, der Antrag liegt Ihnen auf der Drucksache 7/2403 vor. — Keine Wortmeldungen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Punkt 32 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1970 aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
— Drucksachen 7/8, 7/2404 —
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ergänzend das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zu Punkt 33 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1972 (Jahresrechnung 1972)

— Drucksache 7/2406
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt vor,
die Vorlage dem Haushaltsausschuß zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf:
Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 9/74 Zollpräferenzen 1974 gegenüber Entwicklungsländern — EGKS)

— Drucksache 7/2282 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
Das Wort wird nicht begehrt. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 35 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1973 Einzelplan 20
— Drucksache 7/2176 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Das Wort wird nicht begehrt. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Haushaltsausschuß zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Punkt 36 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Bericht über Maßnahmen zur Verbesserung des Rettungswesens
— Drucksachen 7/489, 7/2287 —
Berichterstatter: Abgeordneter Seefeld
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Das Wort wird vom Herrn Berichterstatter nicht begehrt. — Auch zur Aussprache wird das Wort nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so be- schlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die 117. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 20. September 1974, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.