Protokoll:
7080

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 80

  • date_rangeDatum: 15. Februar 1974

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:12 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 80. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Inhalt: Amtliche Mitteilungen 5137 A Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 7/1481) in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der SPD, FDP betr. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1974 (Drucksache 7/1670) Fortsetzung der Beratung Dr. Ehmke, Bundesminister (BMFT/ BMP) 5139 C Dr. Freiherr von Weizsäcker (CDU/ CSU) 5149 A Dr. Schöfberger (SPD) 5152 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister 5158 B Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 5162 D Brandt, Bundeskanzler 5165 B Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 5169 D Friedrich (SPD) 5175 C Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 5180 A Dr. Waigel (CDU/CSU) 5181 A Mischnick (FDP) 5184 D Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) 5189 D Dr. von Dohnanyi, Bundesminister (BMBW) 5194 A Metzger (SPD) 5195 A Frau Renger, Präsident 5195 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) 5198 D Dr. Glotz (SPD) 5202 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Drucksachen 7/226, 7/365); Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (Drucksache 7/1586) Zweite und dritte Beratung — 5205 A Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Verfahrensmängeln beim Erlaß einiger Gesetze (Drucksache 7/1000); Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (Drucksache 7/1587) - Zweite und dritte Beratung — 5205 C Entwurf eines Gesetzes über die Belegung der Sozialwohnungen (Abg. Mick, Dr. Schneider und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/843) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache 7/1544), Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksache 7/1445) — Zweite Beratung — 5205 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Juni 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien über das Einlaufen von Reaktorschiffen in brasilianische Gewässer und ihren Aufenthalt in brasilianischen Häfen (Drucksache 7/903) ; Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (Drucksache 7/1548) Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 5206 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 1. September 1970 über internationale Beförderungen leicht ver- II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 derblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderungen zu verwenden sind (ATP) (Drucksache 7/876) ; Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (Drucksache 7/1549) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 5206 B Entwurf eines Gesetzes über Statistiken des Personenverkehrs und der Kraftfahrzeugfahrleistungen 1974 (Drucksache 7/1005); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache 7/1598), Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (Drucksache 7/1564) — Zweite und dritte Beratung — 5206 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Geflügelstatistik (Drucksache 7/1141); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache 7/1683), Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 7/1602) - Zweite und dritte Beratung 5206 D Entwurf eines Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Bundesrat) (Drucksache 7,1575) — Erste Beratung — Hofmann (SPD) 5207 A Freiherr von Fircks (CDU/CSU) 5208 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung (Bundesrat) (Drucksache 7/1550) — Erste Beratung — 5210 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (SPD, FDP) (Drucksache 7/1590) — Erste Beratung — . . . . . Scheu (SPD) 5210 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung (Abg. Hölscher, von Schoeler, Biermann, Glombig und Fraktionen der FDP, SPD) (Drucksache 7/1588) — Erste Beratung — 5211 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vieh- und Fleischgesetzes (Drucksache 7/1570) — Erste Beratung — 5211 B Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften in der kreisfreien Stadt München und im Landkreis München sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg (Abg. Geisenhofer, Dr. Riedl (München), Schmidhuber, Dr. Wittmann (München), Dr. Kreile, Dr. Müller (München), Dr. Probst, Höcherl, Orgaß, Damm, Rollmann u. Gen.) (Drucksache 7/1576) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften in der kreisfreien Stadt München und im Landkreis München sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg (Abg. Dr. Schöfberger, Schmidt (München), Bredl, Marschall, Vahlberg, Frau Dr. Riedel-Martiny, Staak (Hamburg), Dr. Apel, Pawelczyk, Glombig, Engelhard, Frau Schuchardt u. Gen.) (Drucksache 7/1671) — Erste Beratung — 5211 B Beratung des Vierten Wohngeldberichts der Bundesregierung (Drucksache 7/1563) 5211 C Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP betr. Novellierung des Tierzuchtgesetzes (Drucksachen 7/1090, 7/1603) 5211 C Antrag des Innenausschusses zu dem Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden (Drucksachen 7/1286, 7/1552) 5211 D Antrag des Innenausschusses zu dem Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden (Drucksachen 7/1276, 7/1553) 5211 D Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr zu dem Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Innenausstattung von Kraftfahrzeugen (Widerstandsfähigkeit der Sitze und ihrer Verankerung) (Drucksachen 7/856, 7/1565) 5212 A Nächste Sitzung 5212 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 5213* A Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi (BMBW) auf die Frage A 84 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Slotta (SPD) : Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur 5213* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 III Anlage 3 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi (BMBW) auf die Frage A 85 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Hornhues (CDU/CSU) : Anerkennung des Abiturlehrgangs des Deutschen Blindenbildungswerks als Modellversuch 5213* D Anlage 4 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi (BMBW) auf die Frage A 90 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Vahlberg (SPD) : Maßnahmen, die es politischen Flüchtlingen ermöglichen, ihr Studium fortzusetzen 5214* A Anlage 5 Antwort des Bundesministers Dr. von Donanyi (BMBW) auf die Frage A 91 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Erlaß der Durchführungsverordnung zu § 14 a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; Förderung von Tagesheimschülern 5214* B Anlage 6 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 94 — Drucksache 7/1661 — der Abg. Frau Benedix (CDU/ CSU) : Änderung der Ruhensvorschriften im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinheitlichung der Beamtenversorgung in Bund und Ländern 52l4* D Anlage 7 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 106 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Einsatz technischer Geräte zur Durchsuchung von Personen auf deutschen Flughäfen 5214* D Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Fragen A 109 und 110 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Czaja (CDU/CSU) : Bedeutung der Gründe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 für die Auslegung des Grundvertrags vom 21. Dezember 1972 5215* C Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Frage A 111 — Drucksache 7/1661 — der Abg. Frau Dr Lepsius (SPD) : Wirksamere Gestaltung des Rechtsschutzes durch Reform des Armenrechts 5215* D Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 112 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) : Abzugsfähigkeit der sog. Bewirtungsspesen als Betriebsausgaben 5216* B Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 113 Drucksache 7/1661 — des Abg. Josten (CDU/ CSU) : Hilfe für Arbeitnehmer im ländlichen Raum hinsichtlich der Benzinverteuerung 5216* C Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 115 und 116 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Löher CDU/CSU) : Grundsteuerbefreiung für Sportvereine 5216* D Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 117 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Offergeld (SPD) : Vorschriften über die Länge des Kopfhaars der Zollbeamten 5217* B Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 118 und 119 — Drucksache 7/1661 - des Abg. Berger (CDU/CSU) : Steuerfreibetrag für Bewohner von Altenheimen und Altenpflegeheimen 5217* C Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 120 und 121 — Drucksache 7/1661 — des Abg Volmer (CDU; CSU) : Steuerliche Belastung der Bewohner von Altenheimen und Altenpflegeheimen5218* A Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 123 und 124 Drucksache 7/1661 — des Abg. Freiherr von Fircks (CDU/CSU): Bewertung deutscher Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten 5218* B Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 125 und 126 - Drucksache 7/1661 — des Abg. Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU) : Einheitswert und Verkehrswert der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten 5218* D Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 127 — Drucksache 7/1661 - des Abg. Müller (Berlin) (CDU/CSU): Bewertung von Hausratschäden in den Vertreibungsgebieten 5219* A Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 128 und 129 IV Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Kunz (Berlin) (CDU/CSU) : Verkehrswert 1945 der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten; Vorlegung von Dokumenten über deutsche Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten 5219* B Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 130 und 131 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Nordlohne (CDU/CSU) : Anhebung der Kilometerpauschale für Arbeitnehmer bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte; Berücksichtigung der erhöhten Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Werbungskosten 5219* C Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 133 und 134 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Haase (Kassel) (CDU/CSU) : Überwachung der Investitions- und Handelsbank in Frankfurt durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen; Rolle des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Hesselbach 5219* D Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 135 und 136 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Hauser (Krefeld) (CDU/CSU) : Überwachung der Investitions- und Handelsbank durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen; Erwerb der Aktienmehrheit durch die Hessische Landesbank 5220* A Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 137 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Wissebach (CDU/CSU: Überwachung der Investitions- und Handelsbank durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen; Rolle des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Hesselbach 5220* C Anlage 24 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler (BMZ) auf die Frage A 174 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Wende (SPD) : Tagung deutscher Sportpädagogen und Ressortvertreter in Afrika 5220* C Anlage 25 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler (BMZ) auf die Frage A 175 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Roser (CDU CSU) : Verhandlungen mit Jugoslawien über einen deutschen Kapitalhilfekredit in Höhe von 700 Millionen DM 5220* D Anlage 26 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler (BMZ) auf die Fragen A 176 und 177 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Todenhöfer (CDU/CSU): Verhandlungen über einen Kapitalhilfekredit von 700 Millionen DM an Jugoslawien 5221* B Anlage 27 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler (BMZ) auf die Frage A 178 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) : Gutachten des Bundesrechnungshofes zur Verwaltung der bilateralen Technischen Hilfe und mögliche organisatorische Veränderungen im Bereich der Entwicklungshilfe 5221* C Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Fragen B 1 und 2 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU): Meldung über Asylgesuch eines der an der seinerzeitigen Entführung des britischen Botschafters in Montevideo beteiligten uruguayanischen Tupamaros; Meldung über Asylgesuche von brasilianischen Entführern des Botschafters von Holleben 5221* D Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage B 3 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Wolfram (SPD) : Maßnahmen der griechischen Militärpolizei gegen das Athener Büro des „Spiegels" 5222* A Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage B 4 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Marx (CDU/ CSU) : Behauptung der Polnischen Militärmission in West-Berlin über Berechtigung einer Zurückweisung von Besucherwünschen im Falle der Angabe des deutschen Ortsnamens für den ostwärts von Oder und Neiße gelegenen Geburtsort im Paß 5222* B Anlage 31 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage B 5 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Schröder (Lüneburg) (CDU/'CSU) : Novelle zum Beamtenrechtsrahmengesetz betr. Ausschluß extremistischer Kräfte aus dem öffentlichen Dienst 5222* C Anlage 32 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage B 6 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Flämig (SPD) : Rauch- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 V gasentschwefelung bei Kohle- und Ölkraftwerken; Entschwefelung von Rohöl in Raffinerien 5222* D Anlage 33 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage B 7 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Flämig (SPD): Einsatz des Films „Rote Fahnen sieht man besser" 5223* A Anlage 34 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen B 8 und 9 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Büchler (Hof) (SPD) : Abwendung bedrohlicher Zustände im Bereich der Wasserwirtschaft; Berücksichtigung von Firmen des Bohr- und Rohrleitungsbaues des Zonenrandgebietes 5223* B Anlage 35 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage B 10 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) : Beschränkungen beim Bau von Atomreaktoren nach den Erfahrungen in den USA 5224* A Anlage 36 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen B 11 und 12 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Seefeld (SPD) : Meldung über die Uberschreitung der Toleranzgrenze beim Kernforschungszentrum Karlsruhe; Gerücht über radioaktive Strahlungen aus dem Munitionslager Friedrichstal 5224 * C Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Fragen B 13 und 14 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Kunz (Berlin) (CDU/CSU) : Reform des Hypothekenrechts; Aufwand für Versendung und Bearbeitung von Hypothekenbriefen 5224* D Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Frage B 15 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Zebisch (SPD) : Erhöhung der Gebühren für Rechtsanwälte; tragbare Kostenrisiken für den Rechtsuchenden 5225* C Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Porzner (BMF) auf die Fragen B 16 und 17 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) : Wert des Vermögens von Bund, Ländern und Gemeinden und Anteil des „werbenden Vermögens" ; Tauschverhandlungen zwischen dem Bund und München über ein Grundstück an der Ecke Schleißheimer-/Neuherbergstraße 5226* B Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Porzner (BMF) auf die Frage B 18 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Roser (CDU/CSU) : Erhöhung der steuerlichen Freibeträge für Päckchen und Pakete an Verwandte in der DDR 5227* A Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Porzner (BMF) auf die Frage B 19 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) : Erhöhung der Kilometerpauschale 5227* C Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 20 Drucksache 7/1661 — des Abg. Kiechle (CDU/CSU): Förderung der von der Konjunkturabschwächung in der Textilindustrie besonders hart betroffenen Wirtschaft, namentlich in der Stadt Lindenberg im Allgäu 5227* D Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Fragen B 21 und 22 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Kater (SPD) : Folgerungen aus der Preispolitik der Mineralölgesellschaften 5228* A Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 23 — (Drucksache 7/1661 — des Abg. Röhner (CDU/ CSU) : Maßnahmen gegen „Ausverkauf heimischen Bodens" an Ausländer 5230* A Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Fragen B 24 und 25 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Leicht (CDU/CSU): Abwehr von Arbeitslosigkeit in strukturschwachen Gebieten, insbesondere im Lande Rheinland-Pfalz; zusätzliche Verbesserung der Infrastruktur 5230* D Anlage 46 Antwort des Pari. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Fragen B 26 und 27 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Haase (Fürth) (SPD) : Diskrepanz zwischen Öl- und Benzinpreisen frei Rotterdam und Preisen der Erdölgesellschaften; Offenlegung der Einkaufs- und Kalkulationsdaten der Ölgesellschaften 5232* A Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 28 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Evers (CDU/ CSU) : Unterbreitung von Vorschlägen zur Änderung des Altölgesetzes wegen der veränderten Situation auf dem Mineralölmarkt 5232* B VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 29 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Immer (SPD) : Kriterien für Mittelvergabe in strukturschwachen Gebieten 5232* D Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 30 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Gewährung gleicher Kredit- und Kreditversicherungskonditionen durch die Mitgliedsländer der EWG für die auf Kreditbasis durchgeführten Projekte in den Staatshandelsländern 5234* B Anlage 50 Antwort des Pari. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 31 — Drucksache 7/1661 des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Einführung eines weltweit anzuwendenden Konsultationsverfahrens für Kooperationsabkommen der EG-Mitgliedstaaten mit Staatshandelsländern 5235* A Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 32 — Drucksache 7/1661 - des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU): Verstoß gegen das Stabilitätsgesetz durch Nichtvorlage des Jahreswirtschaftsberichts 1974 im Januar 5235* B Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann (BML) auf die Frage B 33 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Gölter (CDU/CSU) : Differenzierung der Weinbauzone A in zwei Zonen 5235* C Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann (BML) auf die Frage B 34 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Zimmermann (CDU/CSU) : Härtefälle durch Versäumnis der Antragsfrist für einen Ausgleich von Folgen der Aufwertung der DM auf dem Gebiet der Landwirtschaft 1973 5235* D Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann (BML) auf die Fragen B 35 und 36 Drucksache 7/1661 — des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) : Proteste der ostfriesischen Kutterfischer gegen die Fangtechnik des Muschelfangschiffes „Bernadette"; Ergebnis der wissenschaftlichen Kontrollen der Herzmuschelfischerei 5236* C Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann (BML) auf die Frage B 37 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Müller (Bayreuth) (SPD) : Termin für Rechtsverordnungen über die Mindestanforderungen an die tierschutzgerechte Massentierhaltung und über Halten, Pflege und Unterbringung von Tieren 5237* A Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann (BML) auf die Frage B 38 Drucksache 7/1661 — des Abg. Gansel (SPD) : Zahlung von Honoraren für von der Bundesanstalt für Milchforschung erstellte Gutachten an die „Gemeinschaft der Förderer und Freunde der Bundesanstalt für Milchforschung e. V. 5237* D Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage B 39 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) : Einführung von Vorschriften für Saisonarbeitskräfte nach schweizerischem Vorbild 5238* A Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage B 40 Drucksache 7/1661 — des Abg. Pieroth (CDU/CSU) : Erörterung des Rententransfers während des Besuchs des polnischen Außenministers in Bonn im Dezember 1973 5238* B Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage B 41 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) : Vereinheitlichung der Vielzahl der Muster für Renten der Frührentner 5238* C Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage B 42 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Roser (CDU/CSU) : Arbeit der „Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger" 5238* D Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage B 43 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Zahl der Arbeitslosen, insbesondere in der Bauwirtschaft im bayerischen Grenzland 5239* B Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Fragen B 44 und 45 — Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 VII Drucksache 7/1661 — des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Gesundheitsschädigungen bei den im Krieg an Malaria erkrankten Soldaten; Gesundheitskontrollen bei den in Betrieben der chemischen Reinigung Beschäftigten 5239* C Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage B 46 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Engelsberger (CDU/ CSU) : Lockerung des Anwerbestops für Ausländer im Fremdenverkehrsgewerbe 5240* B Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Fragen B 47 und 48 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Christ (FDP) : Entwicklung eines integrierten Konzepts der am Unfallrettungswesen beteiligten Organisationen; Einbeziehung der Rettungshubschrauber der Bundeswehr 5240* C Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Fragen B 49 und 50 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) : Absage einer Informationsreise von 15 Jugendoffizieren der Bundeswehr nach Israel; Anzahl der Bundeswehrreisen nach Israel seit 1969 5241* D Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage B 51 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Ey (CDU/CSU) : Ausbildungsstand der Truppe bei Verminderung der Zahl der Übungsfälle bei dem Waffentyp Üb-LAR 5242* B Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Frage B 52 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Beermann (SPD) : Beseitigung des Mangels an künstlichen Nieren in der Bundesrepublik Deutschland 5242* D Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann (BML) auf die Frage B 53 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Gansel (SPD) : Bundesmittel für die „Andreas LemkeStiftung" bzw. das „Institut für Virusforschung und experimentelle Medizin" 5243* A Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 54 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Kiechle (CDU/CSU) : Staatliche Hilfe für kleinere Städte — z. B. für Lindau i. B. — zur Aufrechterhaltung eines Omnibus-Stadtverkehrs 5243* B Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Fragen B 55 und 56 — Drucksache 7/1661 — der Abg. Frau Dr. Lepsius (SPD) : Erfahrungsbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen über Geschwindigkeitsbegrenzung und Unfallrückgang; wissenschaftliche Untersuchung über die Rückwirkungen einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Zahl und Art der Unfälle 5243* D Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 57 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung des Flughafens Frankfurt/Main als europäischen Luftverkehrsschwerpunktes 5244* A Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 58 — Drucksache 3/1661 — des Abg. Baron von Wrangel (CDU/CSU) : Ausbau der Zugverbindungen nach Schwarzenbek 5244* C Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Fragen B 59 und 60 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Köster (CDU/CSU) : Notwendigkeit des Widerrufs der Genehmigung zur Stillegung der Strecke Münster—Bocholt 5244* D Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 61 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Möhring (SPD) : Hinweise auf den nächstgelegenen Übergang zur DDR auf den Abfahrtsschildern der Bundesautobahnen 5245* B Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Fragen B 62 und 63 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Termin für den Anschluß Geesthachts an das Hamburger Nahverkehrsnetz und für die Entlastung des innerstädtischen Verkehrs 5245* C Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Fragen B 64 und 65 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Stillegung der Nebenbahnstrecke Hollfeld—Bayreuth; Pläne hinsichtlich der Nebenbahnstrecken Ebermannstadt—Behringermühle und Forchheim—Ebermannstadt 5246* A VIII Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Anlage 77 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 66 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Lenzer (CDU/CSU) : Pläne der Deutschen Bundesbahn zur Einstellung des Personenverkehrs auf der Strecke Wetzlar—Lollar 5246* C Anlage 78 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 67 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Immer (SPD) : Termin für die Elektrifizierung der Bundesbahnstrecke Troisdorf—Au—BetzdorfWeidenau 5246* D Anlage 79 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack (BMBau) auf die Fragen B 68 und 69 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Baier (CDU/CSU) : Veröffentlichung im Bundesbaublatt 1973 „So wohnt Europa" über das Zahlenverhältnis von Eigenheimen und Mietwohnungen; Maßnahmen zur Unterstützung des Strebens nach einem Eigenheim 5247* B Anlage 80 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack (BMBau) auf die Fragen B 70 und 71 — Drucksache 7/1661 des Abg. Dr. Slotta (SPD) : Energieeinsparung durch Anwendung von baulichem Wärmeschutz im Hochbau 5247* D Anlage 81 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage B 72 Drucksache 7/1661 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Anerkennung der aus der Mineralölpreiserhöhung und aus anderen Kostensteigerungen entstandenen Mehrbelastungen bei zu Festpreisen übernommenen Bauaufträgen des Bundes 5248* C Anlage 82 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage B 73 Drucksache 7/1661 — des Abg. Lenzer (CDU/CSU) : Vorstellungen über die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit in der Kohleforschung unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der nuklearen Prozeßwärme zur Kohleveredelung; Bau von Hochtemperaturreaktoren 5249* A Anlage 83 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen B 74 und 75 — Drucksache 7/1661 - des Abg. Pfeffermann (CDU/CSU) : Nutzen des im Rahmen der europäischen Weltraumpolitik geförderten Projekts eines Weltraumlabors im Vergleich zu dem Nutzen der Entwicklung eigener europäischer Trägerraketen; Förderung internationaler Projekte der Energieforschung, insbesondere Ausbau der deutsch-schweizerischen Kooperation im Bereich der Hochtemperaturentwicklung zu einem gemeinsamen deutsch-schweizerisch-amerikanischen Projekt 5249* C Anlage 84 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage B 76 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Vergleich der Gebühren der Deutschen Bundespost für Ferngespräche über eine Distanz von mehr als 210 km mit den Gebühren in der Schweiz, in Frankreich, Großbritannien, in den USA und in den Niederlanden 5250* C Anlage 85 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen B 77 und 78 — Drucksache 7/1661 - des Abg. Eigen (CDU/CSU) : Einschränkung des Postzeitungsdienstes; Beeinträchtigung der Informations- und Bildungsmöglichkeiten, insbesondere im ländlichen Raum 5251* B Anlage 86 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage B 79 — Drucksache 7/1661 — der Abg. Frau Dr. Walz (CDU/CSU): Anstieg der Postgebühren und Verlängerung der Beförderungsdauer 5251* C Anlage 87 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander (BMBW) auf die Frage B 80 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Zebisch (SPD) : Gesetzgeberische Initiativen zur Gewährung von Bildungsurlaub für alle Arbeitnehmer; Vorbereitung einer bundeseinheitlichen Regelung 5251* D Anlage 88 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler (BMZ) auf die Frage B 81 — Drucksache 7/1661 — des Abg. Höcherl (CDU/CSU) : Meldung über Verhandlungen der Bundesregierung mit der südwestafrikanischen Untergrundorganisation SWAPO über eine finanzielle Unterstützung; Errichtung der Südsternwarte 5252* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5137 80. Sitzung Bonn, den 15. Februar 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5085 C, 11. Zeile von oben und 5085 D, 6. Zeile von unten, ist statt „Oberlandesgericht" zu lesen: „Oberverwaltungsgericht". Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 15. 2. Dr. Achenbach * 16. 2. Adams * 15. 2. Dr. Ahrens ** 16. 2. Dr. Aigner * 16. 2. Dr. Artzinger * 16. 2. Dr. Bangemann * 16. 2. Dr. Barzel 22. 2. Dr. Beermann 19. 2. Behrendt * 16. 2. Benz 23. 2. Dr. von Bismarck 15. 2. Blumenfeld 15. 2. Bredl 18. 2. Dr. Burgbacher • 16. 2. Dr. Corterier * 16. 2. Dr. Dollinger 17. 2. Eckerland 23. 2. Egert 23. 2. Dr. Farthmann 15. 2. Fellermaier * 16. 2. Flämig * 16. 2. Frehsee * 16. 2. Dr. Freiwald 22. 2. Dr. Früh * 16. 2. Gerlach (Emsland) * 16. 2. Gewandt 15. 2. Graaff 22. 2. Härzschel * 16. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 16. 2. Dr. Jenniger 15. 2. Kater * 16. 2. Dr. Kempfler 15. 2. Kiep 15. 2. Dr. Klepsch * 16. 2. Krall ' 16. 2. Dr. Graf Lamsdorff 15. 2. Lampersbach 23. 2. Lange * 16. 2. Lautenschlager * 16. 2. Lücker * 16. 2. Memmel * 16. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 22. 2. Müller (Mülheim) * 16. 2. Mursch (Soltau-Harburg) * 16. 2. Frau Dr. Neumeister 15. 2. Frau Dr. Orth * 16. 2. Dr. Prassler 23. 2. Ronneburger 22. 2. Frau Schimschok 16. 2. Schmidt (Kempten) 15. 2. Dr. Schulz (Berlin) * 16. 2. Schwabe * 16. 2. Dr. Schwörer * 16. 2. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Slotta 25. 2. Spilker 15. 2. Springorum * 16. 2. Stahl (Kempen) 15. 2. Dr. Starke (Franken) * 16. 2. Walkhoff * 16. 2. Frau Dr. Walz * 16. 2. Weber (Heidelberg) 23. 2. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 12. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Slotta (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage A 84) : Hat die Bundesregierung die Absicht, auf die Kultusministerien der Bundesländer dahin gehend einzuwirken, daß die Schulzeit von dreizehn auf zwölf Jahre gesenkt wird, da die Bundesrepublik Deutschland neben Osterreich und einigen Kantonen der Schweiz der einzige Staat ist, in dem das Abitur erst nach dreizehn Schuljahren erworben werden kann, und will sie für einen solchen Schritt - sofern Schwierigkeiten auftauchen sollten - durch Forschungsaufträge eine wissenschaftliche Grundlage herstellen lassen? Die Bundesregierung bemüht sich seit längerer Zeit um eine Neuregelung der Schul- und Ausbildungszeiten im Bereich der Mittel- und Oberstufe des Schul- und Bildungsbereichs. In der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 wurde bereits darauf hingewiesen, daß Chancengleichheit nicht durch eine möglichst lange Ausbildung für wenige, sondern durch eine möglichst gute Ausbildung für alle erreicht werden muß. Ein Verkürzung der Schulzeit erscheint der Bundesregierung daher vernünftig und notwendig. Im Rahmen der Arbeiten der Bund-Länder-Kommission führt die Bundesregierung mit den Ländern ein intensives Gespräch über die mit diesem Problem zusammenhängenden inhaltlichen und organisatorischen Fragen. Anlage 3 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 12. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hornhues (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 85) : Hat der Bundeswissenschaftsminister den Abiturlehrgang des Deutschen Blindenbildungswerks als Modellversuch anerkannt bzw. gedenkt er dies zu tun? Der Abiturlehrgang des Deutschen Blindenbildungswerks wird vom Bundesminister für Bildung und Wisenschaft positiv beurteilt. Da der Modellversuch auch als eine Rehabilitationsmaßnahme angesehen werden kann, mußte zunächst mit dem 'Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 5214* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn Freitag den 15. Februar 1974 geklärt werden, ob das Vorhaben im Rahmen des Aktionsprogramms der Bundesregierung zur Förderung der Rehabilitation für Behinderte gefördert werden kann. Dies ist nach einer soeben eingegangenen Mitteilung wegen der besonderen Zweckbindung dieser Mittel nicht möglich. Im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft wird nunmehr im Hinblick auf die 1974 im Bereich Weiterbildung verfügbaren Mittel geprüft, ob und ggf. ab wann eine Förderung dieses Vorhabens möglich ist. Anlage 4 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Vahlberg (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage A 90) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um sicherzustellen, daß politischen Flüchtlingen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist und die aus diesem Grund keinen Anspruch auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem Graduiertenförderungsgesetz haben, die Fortsetzung ihres Studiums wirtschaftlich ermöglicht wird? Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Graduiertenförderungsgesetz gehören zu dem zu fördernden Personenkreis Ausländer nur, soweit es sich um Asylberechtigte handelt, die dem besonderen Schutz unseres Landes anvertraut sind. Aufgrund dieser Gesetze und Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Vergabe von Beihilfen zur Eingliederung junger Zuwanderer (sog. Garantiefonds) kommt eine Förderung des Studiums erst nach formellem Abschluß des Asylverfahrens in Betracht. Unbeschadet dieser Rechtslage beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen des eben genannten Fonds für die Altersstufen bis zu 35 Jahren bereits während des Asylverfahrens den Besuch von Sprachkursen zu fördern, um diesen jungen Menschen die Fortsetzung ihrer Ausbildung bzw. ihre berufliche Eingliederung zu erleichtern. Im übrigen fördert die Bundesregierung über die Otto-Benecke-Stiftung politische Flüchtlinge aus Spannungsgebieten durch Stipendien. Es handelt sich hier im wesentlichen um Studierende aus Afrika und dein Nahen Osten, die aus politischen Gründen von osteuropäischen Bildungseinrichtungen zu uns abgewandert sind. Allerdings ist diese Förderung auf solche Personen beschränkt, die die Absicht haben, in ihre Heimat zurückzukehren. Anlage 5 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Fuchs (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 91): Zu welchem Termin beabsichtigt die Bundesregierung die Durchführungsverordnung zu § 14 a des Bundesausbildungsforderungsgesetzes zu erlassen, und ist dabei daran gedacht, auch die Förderung von Tagesheimschülern mit einzubeziehen? Die Verordnung nach § 14 a Bundesausbildungsförderungsgesetz soll dem Bundesrat, dessen Zustimmung erforderlich ist, so rechtzeitig zugeleitet werden, daß sie am 1. Juli 1974 in Kraft treten kann. Sie wird nach Vorstellung der Bundesregierung aus folgenden Gründen den Kostenersatz für den Besuch von Tagesheimschulen nicht vorsehen: Nach § 14 a Bundesausbildungsförderungsgesetz ist die Bundesregierung nur ermächtigt zu bestimmen, daß über die Regelförderungsbeträge hinaus Ausbildungsförderung zur Deckung besonderer Aufwendungen des Auszubildenden für seine Ausbildung geleistet wird, wenn sie hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen und soweit dies zur Erreichung des Ausbildungszieles notwendig ist. Die Aufwendungen, die durch die Unterbringung in Tagesheimschulen entstehen, sind nicht als notwendig in diesem Sinn zu erachten. Die Unterbringung ist nicht zur Erreichung des Ausbildungszieles erforderlich, sondern entspringt anderen sozialen Gründen, deren Abdeckung nicht Sache des Bundesausbildungsförderungsgesetzes sein kann. Die Verordnungsermächtigung in § 14 a BAföG gibt für die Einbeziehung dieser Kosten daher keinen Raum. Anlage 6 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Benedix (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 94): Hat die Bundesregierung bei dem Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung der Beamtenversorgung in Bund und Ländern eine Änderung der Ruhensvorschriften vorgesehen, und ist dabei vorgesehen, daß Kriegerwitwen mit eigenem Pensionsanspruch auch ein Recht auf den Pensionsanspruch ihres Mannes bekommen? Ein beamtenrechtlicher Anspruch auf Ruhegehalt schließt den Anspruch auf Witwengeld aus einem Beamtenverhältnis des Ehegatten nicht aus. Beide Ansprüche bestehen dem Grunde nach nebeneinander; nur dürfen die Bezüge zusammen eine in § 160 des Bundesbeamtengesetzes näher bestimmte Höchstgrenze nicht überschreiten. Diese Regelung beläßt dem überlebenden Ehegatten im Ergebnis mindestens das höhere Ruhegehalt aus den beiden Beamtenverhältnissen. Insoweit gelten in allen Ländern gleiche Höchstgrenzenregelungen wie nach dem Bundesbeamtengesetz. Daher sieht der Referentenentwurf eines Beamtenversorgungsgesetzes, dessen Ziel in erster Linie die Vereinheitlichung des Beamtenversorgungsrechts in Bund und Ländern ist, eine Änderung der genannten Höchstgrenzenregelung nicht vor. Anlage 7 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5215* Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage A 106) : Wann ist auf deutschen Flughäfen mit dem Einsatz technischer Geräte zur Durchsuchung von Personen (z. B. Thor-Sonden, Detektoren-Geräte) und Sachen zu rechnen, so daß eine manuelle Kontrolle nicht mehr notwendig ist? Ihre Frage beantworte ich in Abstimmung mit dem Bundesminister für Verkehr wie folgt: Die Fluggastkontrollen auf den Verkehrsflughäfen im Bundesgebiet werden einheitlich und nach derzeitiger Gefahrenlage lückenlos bei allen Passagieren durchgeführt. Es liegt deshalb der Gedanke nahe, zur Bewältigung dieser Massenvorgänge technische Geräte, wie elektronische Detektorgeräte und Röntgengeräte heranzuziehen. Die Bundesregierung — damals noch der Bundesminister für Verkehr aufgrund seiner vormaligen Federführung — hat bereits im Jahre 1970, als Flugzeugentführungen erstmals eine ernstzunehmende Gefahr für die europäische Luftfahrt wurden, mehrere elektronische Detektorgeräte beschafft und den Luftaufsichtsbehörden der Länder zum Zwecke der Erprobung auf den Verkehrsflughäfen zur Verfügung gestellt. Das Erprobungsergebnis war nicht überzeugend genug, um die abwartende Haltung der Vollzugsbehörden zu verändern und die Beschaffung sowie den Einsatz technischer Geräte in breitem Umfang einzuleiten. Zudem bestand damals noch die Hoffnung, Flugzeugentführungen seien eine nur vorübergehende Gefahr. Es zeigte sich auch, daß der Geräteeinsatz größere Personaleinsparungen und eine wesentliche Beschleunigung der Fluggastabfertigung nicht zu bewirken vermag. Es fehlte zunächst auch an kundigem Bedienungs- und Wartungspersonal. Nachdem sich nunmehr immer mehr abzeichnet, daß die Abwehr äußerer Gefahren für den Luftverkehr eine Daueraufgabe ist, scheint sich die Auffassung über den Nutzen der technischen Geräte trotz der nicht unerheblichen Kosten (für ein Detektorgerät zwischen 25 000 und 30 000 DM und für ein Röntgengerät zwischen 80 000 und 100 000 DM) zu ändern. Unter ,dem Vorsitz des zuständigen Referenten meines Hauses, das seit Anfang vorigen Jahres für die Abwehr äußerer Gefahren für den Luftverkehr zuständig ist, beriet ,am 11. September 1973 eine Arbeitsgruppe alle Fragen im Zusammenhang mit der Verwendung technischer Geräte für die Fluggastkontrollen. Sie kam zu dem Ergebnis, daß die Verwendung elektronischer Detektorgeräte eine gründliche Durchsuchung von Hand nicht ersetzen, wohl aber als zusätzliches Hilfsmittel zur Erleichterung und Intensivierung der Kontrollen dienen kann. Die Arbeitsgruppe hat deshalb die Beschaffung von Geräten dieser Art in ausreichender Anzahl empfohlen. Hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten und -voraussetzungen für Röntgengeräte zur Gepäckkontrolle sollte nach einem Beschluß der Arbeitsgruppe mein Haus Erfahrungen sammeln. In Zusammenarbeit mit den zuständigen bayerischen Behörden ist es gelungen, eine mehrwöchige kostenlose Erprobung und Demonstration eines amerikanischen Röntgengerätes auf dem Flughafen München-Riem zu ermöglichen. Der Versuch läuft seit dem 18. Januar d. J. Am 15. Februar wird sich die Arbeitsgruppe auf dem Flughafen München-Riem an Ort und Stelle von der Wirkungsweise und Brauchbarkeit des Geräts überzeugen. Das Ergebnis könnte eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für weitere Maßnahmen sein. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 14, Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 109 und 110) : Ist dem Bundeskanzler bekannt, daß im Urteilstenor des Grundvertragsurteils das Bundesverfassungsgericht den Vertrag vom 21. Dezember 1972 nur „in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung" mit dein Grundgesetz für vereinbar erklärt hat und daher die Aussage, daß das Bundesverfassungsgericht schlechthin die Verfassungsmäßigkeit des Grundvertrags bestätigt hat (Bericht zur Lage der Nation), unvollständig und irreführend ist? Ist für den Bundeskanzler und alle Staatsorgane auf Grund des Urteilstenors vom 31. Juli 1973 und der damit in Einklang stehenden Feststellung des Gerichts, daß alle Ausführungen der Urteilsbegründung nötiges Teil der die Entscheidung tragenden Gründe sind, auch jeder sinnvolle Teil der Begründung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtslage Deutschlands und der Deutschen ebenso für sich allein wie im Zusammenhang verbindlich, nachdem die Auslegung und Durchsetzung der schrankensetzenden Gewalt der Verfassungsordnung auch gegenüber politischen Richtlinien dem Bundesverfassungsgericht ohne Verletzung des Spielraums der politischen Gestaltung innerhalb dieser Schranken obliegt? Zu Frage A 109: Wie ich bereits auf frühere Fragen von Ihnen erklärt habe, ist der Bundesregierung selbstverständlich bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht das Vertragsgesetz zum Grundlagenvertrag „in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung" für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt hat. In der Regierungserklärung vom 24. Januar 1974 hat der Herr Bundeskanzler nichts anderes festgestellt. Zu Frage A 110: Bereits auf frühere Fragen haben Ihnen Staatssekretär Herold, Bundesminister Genscher und ich wiederholt erklärt, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 1973 für die Bundesregierung gemäß § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht für die Bundesregierung verbindlich ist und daß „keine amtliche Äußerung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland — wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat —" dahin verstanden werden kann, daß sie bei der Interpretation des Vertrages diesen verfassungsrechtlichen Boden verlassen hat oder verläßt (B III 3 der Urteilsgründe). Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten 5216* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Frau Dr. Lepsius (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage A 111): Erwägt die Bundesregierung ergänzend neben einer Verbesserung der außergerichtlichen Rechtshilfe auch die notwendige Reform des Armenrechts, um den durch das Grundgesetz gewährleisteten Rechtsschutz wirksamer zu gestalten, und welche Vorstellungen liegen bereits vor? Neben Maßnahmen für einen Ausbau der vor- und außergerichtlichen Rechtsberatung werden im Bundesministerium der Justiz derzeit Lösungen gesucht, um den chancengleichen Zugang zu den Gerichten für alle, auch die minderbemittelten Bürger, zu gewährleisten. Auch die vom Bundesminister der Justiz eingesetzte Kommission für das Zivilprozeßrecht befaßt sich mit diesen Fragen. Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß der Reform des sogenannten „Armenrechts" in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zukommt. Aus dem geltenden sogenannten Armenrecht wird ein neues System zu entwickeln sein, das sozialen und rechtsstaatlichen Grundsätzen in verstärktem Maße gerecht wird. Bei der Ablösung des derzeitigen sogenannten Armenrechts wird an die Einführung eines Tabellensystems gedacht, mit dem für den Regelfall die zumutbare Kostenlast im Verhältnis zum Einkommen festgestellt werden kann. Besonders wichtig ist die Vorstellung, den Grundsatz des geltenden Rechts, nach dem die Kostenbefreiung nur vorläufig ist, zumindest erheblich einzuschränken oder von vornherein eine endgültige Kostenbefreiung vorzusehen. Außerdem wird erwogen, die — zur Verhinderung von Mißbräuchen unverzichtbare Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage zu erleichtern; sie soll auf diejenigen Gesichtspunkte reduziert werden, die auch für die Entscheidung des Bürgers maßgebend sind, der seinen Rechtsstreit aus eigenen Mitteln finanzieren kann. Ferner soll die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die minderbemittelte Partei erleichtert werden; wichtig ist hierbei die Überlegung, der wirtschaftlich schwachen Partei immer dann einen Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten ist. Die Reform wird einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung der faktischen Rechtswegsperre leisten, die insbesondere den wirtschaftlich schwachen Bürger heute daran hindern kann, sein Recht zu suchen und durchzusetzen. Die Gesellschaft muß bereit sein, zur Herstellung der Chancengleichheit finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn die Durchsetzung des Rechts allen möglich sein und das Recht nicht zu einer käuflichen Ware werden soll. Der Bundesminister der Justiz beabsichtigt, die Vorstellungen zur Reform des Armenrechts nach Möglichkeit noch in diesem Jahr in einem Gesetzentwurf zu konkretisieren. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 112): Wie ist die Absicht der Bundesregierung, in der Privatwirtschaft Bewirtungsspesen künftig nicht mehr als Betriebsausgaben anzuerkennen, vereinbar mit der Tatsache, daß die Bundesregierung ihre eigenen Gäste relativ aufwendig zu betreuen pflegt? Mit der im Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes vorgesehenen Regelung, daß sogenannte Bewirtungsspesen nicht mehr als Betriebsausgaben abzugsfähig sein sollen, will die Bundesregierung den offenkundigen Mißbrauch auf diesem Gebiet abstellen. Einen Zusammenhang zwischen der Beseitigung von Mißbrauchsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Betreuung von Gästen der Bundesregierung gibt es nicht. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Josten (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 113): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Arbeitnehmern im ländlichen Raum zu helfen, die täglich viele Kilometer zu ihrer Arbeitsstätte mit dem Auto oder Motorrad zurücklegen müssen und daher besonders hart von der Benzinverteuerung betroffen sind? Die Bundesregierung ist bemüht, im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung gerade in den wirtschaftsschwachen ländlichen Räumen durch die Ansiedlung neuer und die Erweiterung vorhandener Produktionsbetriebe qualifizierte zusätzliche Dauerarbeitsplätze für die ansässigen Arbeitnehmer in zumutbaren Entfernungen zu schaffen. Diese von Bund und Ländern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gemeinsam getragene regionale Wirtschaftsförderung ist bisher sehr erfolgreich gewesen. So wurde von 1969 bis Ende September 1973 die Schaffung von rd. 490 000 neuen Arbeitsplätzen mit einem Investitionsvolumen von rd. 35 Mrd. DM gefördert. Nach dem Rahmenplan für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist für die Jahre 1973 bis 1976 die Schaffung von weiteren 460 000 neuen Arbeitsplätzen und die Sicherung von rd. 240 000 bestehenden Arbeitsplätzen vorgesehen. Um dieses Ziel zu erreichen wird angestrebt, im genannten Planungszeitraum gewerbliche Investitionen mit einem Gesamtvolumen von rd. 14,8 Mrd. DM und öffentliche Investitionen für die Verbesserung der Infrastruktur von rd. 2,2 Mrd. DM zu fördern. Die Bundesregierung wird diese erfolgreiche Strukturpolitik auch in Zukunft im Interesse der Arbeitnehmer der betroffenen Gebiete fortsetzen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5217* Löher (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 115 und 116) : Handelt es sich um ein Versehen, oder ist es Absicht der Bundesregierung, Sportvereine ab 1974 mit Grundsteuer zu belasten, da das Grundsteuergesetz vom 7. August 1973 eine Grundsteuerbefreiung für Sportvereine, wie es in § 4 Ziffer 4 des Grundsteuergesetzes vom 1. Dezember 1936 zum Ausdruck kann, nicht mehr vorsieht? Waren bis einschließlich 1973 nur die in § 8 der GrundsteuerDurchführungsverordnung aufgezählten Gebäudeteile grundsteuerbegünstigt, soweit sie für sportliche Zwecke benutzt wurden, oder wäre es auch denkbar, daß darüber hinaus z. B. Stallgebäude der Reit- und Fahrvereine von der Grundsteuer befreit werden sollten? Zu Frage A 115: Sportvereine sind auch nach dem neuen Grundsteuergesetz nach wie vor von der Grundsteuer befreit, vorausgesetzt, daß sie als gemeinnützig anerkannt sind und der Grundbesitz für gemeinnützige Zwecke genutzt wird. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. i Nr. 3 des neuen Grundsteuergesetzes. Die bisher in § 4 Ziffer 4 des Grundsteuergesetzes 1936 enthaltene besondere Befreiung zugunsten des Sports war deshalb im neuen Grundsteuergesetz nicht mehr erforderlich. Zu Frage A 116: Nach § 8 Abs. 2 der zum 31. Dezember 1973 aufgehobenen Grundsteuer-Durchführungsverordnung waren Räume zur Aufbewahrung des Sportgeräts von der Grundsteuer befreit. Zu den befreiten Sportanlagen gehörten auch die Stallgebäude der Reit- und Fahrvereine, ohne daß diese ausdrücklich genannt waren. Der von den Ländern in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung erarbeitete Entwurf eines Erlasses über die grundsteuerliche Behandlung sportlicher Anlagen sieht auch künftig die Freistellung der Räume gemeinnütziger Sportvereine vor, die zur Aufbewahrung des Sportgeräts dienen. Die Steuerbefreiung wird wie bisher auch für die Stallgebäude der Reit- und Fahrvereine gelten. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Offergeld (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage A 117) : Welchen Anlaß hatte die Bundesregierung zur Herausgabe des sogenannten Haar-Erlasses vom 13. Dezember 1973, der Vorschriften über die Länge des Kopfhaars der Zollbeamten enthält, und ist die Bundesregierung der Ansicht, daß heutzutage das vertrauenerweckende Gesamtbild der Zollbeamten in Frage gestellt ist, wenn eine bestimmte Haarlänge überschritten wird? Es gibt keinen besonderen Haarerlaß für die Beamten der Zollverwaltung. In einer allgemeinen längeren Dienstanweisung für die uniformierten Beamten der Zollverwaltung wird in zwei Sätzen auch die Haartracht erwähnt. Der Hauptpersonalrat und die Gewerkschaften haben dieser Regelung ausdrücklich zugestimmt. Die Bundesregierung befürchtet zwar nicht, daß das Gesamtbild der Zollbeamten in Frage gestellt ist, wenn eine bestimmte Haarlänge überschritten wird. Sie ist gleichwohl der Ansicht, daß zu einem ansprechenden Äußeren des in der Öffentlichkeit besonders exponierten uniformierten Beamten der Zollverwaltung auch eine angemessene Haartracht gehört. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Berger (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 118 und 119): Hält die Bundesregierung es noch länger für vertretbar, daß Bewohnern von Alten- und Altenpflegeheimen trotz der hohen Preis- und Kostensteigerungen der letzten Jahre weder ein spezieller Steuerfreibetrag noch wenigstens der Freibetrag gewährt wird, der älteren Personen bei Beschäftigung einer Hausgehilfin zusteht, obwohl in den Leistungen der Alten- und Altenpflegeheime entsprechende Hilfsleistungen enthalten sind? Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, sowohl bisher als auch im Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes auf eine Neuregelung dieser Rechtslage zu verzichten, obwohl sie der Bundesfinanzminister in einem Schreiben an den Bund der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen selbst als unbefriedigend bezeichnet hat? Ein besonderer Freibetrag zur allgemeinen Berücksichtigung der auf hauswirtschaftliche Dienstleistungen entfallenden Aufwendungen der Bewohner von Alten- und Altenpflegeheimen kann aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung aller im hohen Lebensalter stehenden Steuerpflichtigen nach Auffassung der Bundesregierung nicht in Betracht gezogen werden. Schon die Steuerbegünstigung für die Beschäftigung einer Hausgehilfin oder Haushaltshilfe ist wegen der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises problematisch. Darauf hat gerade kürzlich der Finanzausschuß des Bundesrates hingewiesen. Im Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, der z. Z. im Finanzausschuß des Bundestages beraten wird, hat die Bundesregierung jedoch andere Maßnahmen vorgeschlagen, um die steuerliche Belastung der älteren Steuerpflichtigen zu senken. — Der neue Einkommensteuertarif wird zu Entlastungen bei kleinen und mittleren Einkommen führen. — Der Versorgungsfreibetrag für Versorgungsbezüge aus früheren Dienstleistungen, wie Beamten- und Werkspensionen, soll von bisher 25 v. H., höchstens 2 400 DM auf 40 v. H., höchstens 4 800 DM angehoben werden. — Über 64 Jahre alten Steuerpflichtigen soll für Einkünfte, die nicht in den bezeichneten Versorgungsbezügen oder in Renten aus Rentenversicherungen bestehen, ein besonderer neuer Altersentlastungsbetrag von 40 v. H., höchstens 2 400 DM, gewährt werden. — Der Altersfreibetrag von 720 DM und die Besteuerung der Renten nur mit dem Ertragsanteil werden weitergeführt. Diese Maßnahmen werden — unter anderen — dazu führen, daß, soweit eine Steuerpflicht über- 5218* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 haupt bestehen bleibt, Bewohner von Altenheimen und Altenpflegeheimen eine erhebliche Entlastung erhalten werden. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Volmer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 120 und 121): Trifft es zu, daß nach den Preis- und Kostensteigerungen der letzten Jahre immer mehr Bewohner von Altenheimen und Altenpflegeheimen Lohn- und Kirchensteuer zu zahlen haben, obwohl ihre verbleibenden Nettoeinkünfte nicht mehr ausreichen, um die notwendigen Kosten der Heimunterbringung zu bestreiten? Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß diese Besteuerung dem Grundsatz widerspricht, jedem Bürger — notfalls über die steuerliche Anerkennung von „außerordentlichen Aufwendungen" — von seinen Einkünften wenigstens das Existenzminimum einkommensteuerfrei zu belassen, und daß diese Besteuerung im Ergebnis auch auf eine ungerechtfertigte Belastung der zur Sozialhilfe verpflichteten Gemeinden mit Lohn- und Kirchensteuerbetragen hinausläuft? Es ist nicht auszuschließen, daß in Einzelfällen die Preis- und Kostenentwicklung bei Altenheimen und Altenpflegeheimen, vor allem bei privaten Einrichtungen, dazu geführt hat, daß die Kosten aus den Mitteln der Bewohner nicht mehr in vollem Umfang bestritten werden können. Dies kann auch bei Bewohnern zutreffen, deren Einkünfte besteuert werden. Im Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, der z. Z. im Finanzausschuß des Bundestages beraten wird, sind steuerliche Erleichterungen auch und gerade für diesen Personenkreis vorgesehen: — Der neue Einkommensteuertarif wird zu Entlastungen bei kleinen und mittleren Einkommen führen. — Der Versorgungsfreibetrag für Versorgungsbezüge aus früheren Dienstleistungen, wie Beamten- und Werkspensionen, soll von bisher 25 v. H. höchstens 2 400 DM, auf 40 v. H., höchstens 4 800 DM, angehoben werden. — Über 64 Jahre alten Steuerpflichtigen soll für Einkünfte, die nicht in den bezeichneten Versorgungsbezügen oder in Renten aus Rentenversicherungen bestehen, ein besonderer neuer Altersentlastungsbetrag von 40 v. H., höchstens 2 400 DM, gewährt werden. — Der Altersfreibetrag von 720 DM und die Besteuerung der Renten nur mit dem Ertragsanteil werden weitergeführt. Diese Maßnahmen werden — unter anderen dazu führen, daß, soweit eine Steuerpflicht überhaupt bestehen bleibt, Bewohner von Altenheimen und Altenpflegeheimen eine erhebliche Entlastung erhalten werden. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Freiherr von Fircks (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 123 und 124) : Ist die Bundesregierung in der Lage, insbesondere in Ansehung beispielsweise der Entwicklung des Bruttosozialprodukts in den Vertreibungsgebieten, wenigstens Annäherungswerte für die Umrechnung der in der Drucksache 7/1455 genannten Reichsmarkwerte von 1945 in Deutsche Mark des Jahres 1973 zu nennen? Wie hoch ist der Einheitswert und der Verkehrswert 1945 der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten derjenigen im Bundesgebiet wohnenden Deutschen, die nicht feststellungsberechtigt sind oder — obwohl feststellungsberechtigt — am 30. Juni 1973 in der Feststellungsstatistik noch nicht erfaßt waren, aufgegliedert nach Vermögenswerten und Vertreibungsgebieten entsprechend der Drucksache 7,1455? Zu Frage A 123: Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, Annäherungswerte für die Umrechnung der in der Bundestagsdrucksache 7/1455 genannten Reichsmarkwerte von 1945 in Deutsche Mark des Jahres 1973 zu nennen. Ich darf insoweit auf die Ausführungen verweisen, die die Bundesregierung zu Frage 4 der genannten Drucksache gemacht hat. Die Bundesregierung sieht auch keine Möglichkeit, unter Berücksichtigung der Entwicklung des Bruttosozialprodukts in den Vertreibungsgebieten Annäherungswerte zu errechnen. Sie ist jedoch gern bereit, diese Frage im Rahmen einer Gesamtdokumentation über die deutschen Vermögensverluste in den Vertreibungsgebieten, an der das Bundesausgleichsamt in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv und anderen Stellen zur Zeit noch arbeitet, erneut zu prüfen. Zu Frage A 124: Angaben über deutsche Vermögensverluste in den Vertreibungsgebieten der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Deutschen, die nicht feststellungsberechtigt sind, oder, obwohl feststellungsberechtigt, am 30. Juni 1973 in der Feststellungsstatistik noch nicht erfaßt waren, kann die Bundesregierung nicht machen. Nach Vorliegen der Ergebnisse der Volkszählung 1970, aus der sich die Anzahl und die Herkunftsgebiete der in der Bundesrepublik lebenden Vertriebenen ablesen lassen, werden Schätzungen hierzu möglich sein. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen 125 und 126) : Wie hoch ist der Einheitswert und Verkehrswert 1945 der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten derjenigen Deutschen, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in anderen Staaten und der „DDR" Aufnahm- gefunden haben, aufgegliedert nach Vermögenswerten und Vertreibungsgebieten entsprechend der Drucksache 7/1455? Wie hoch ist der Einheitswert und der Verkehrswert 1945 der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten für die in der Drucksache 7/1455 genannten Vermögensarten der juristischen Personen des privaten und öffentlichen Rechts aufgegliedert nach Vermögensarten und Vertreibungsgebieten entsprechend der Drucksache 7/1455 (soweit nicht bereits in der Drucksache 7/1455 als Anteilsvermögen ausgewiesen)? Zu Frage A 125: Angaben über die Vermögensverluste von Deutschen in den Vertreibungsgebieten, die nicht in der Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5219* Bundesrepublik Deutschland ihren Aufenthalt genommen haben, können nicht gemacht werden. Im Rahmen einer Gesamtdokumentation über die deutschen Vermögensverluste in den Vertreibungsgebieten wird eine derartige Schätzung vielleicht möglich sein. Zu Frage A 126: In der Antwort der Bundesregierung betr. Dokumentation der deutschen' Vermögensverluste in den Vertreibungsgebieten (Drucksache 7/1455) ist darauf hingewiesen worden, daß die Zahlenangaben sich nur auf die Verluste natürlicher Personen, nicht aber juristischer Personen beziehen. Zahlenangaben über die Einheitswerte bzw. Verkehrswerte von 1945 für die Vermögensverluste der juristischen Personen des privaten und öffentlichen Rechts liegen abschließend noch nicht vor. Sie werden erst in der erwähnten Gesamtdokumentation enthalten sein. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Müller (Berlin) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 127) : Worauf stützt sich die Bundesregierung in ihrer Antwort betr. Dokumentation der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten (Drucksache 7/1455), die Hausratsschäden im Schnitt mit etwa 100 RM je Kopf zu bewerten? Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort betreffend Dokumentation der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten, Bundestagsdrucksache 7/1455, einen Durchschnittsbetrag von etwa 1 000 Reichsmark je Kopf (in der Frage sind versehentlich 100 RM ausgedruckt) bei Hausratsschäden nicht angegeben. Eine solche Bewertung ergibt sich aber aus einer wissenschaftlichen Untersuchung über das deutsche Volksvermögen, das im „Finanzarchiv" 1948 Band 11 abgedruckt ist. Hiernach ist für 1939 ein Wert von durchschnittlich 3 000 Reichsmark für den Hausrat eines Haushalts angenommen worden. Zu einem Haushalt gehörten durchschnittlich drei Personen, so daß sich je Kopf ein Hausratswert von 1 000 Reichsmark ergibt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kunz (Berlin) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 128 und 129) : Wie hoch ist der Verkehrswert 1945 der deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten, die zum nicht werbenden öffentlichen Vermögen gehören, aufgegliedert nach Vertreibungsgebieten? Bis wann kann die Bundesregierung der deutschen Offentlichkeit alle vorhandenen Unterlagen als ausführliche Dokumente über deutsche Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten vorlegen? Zu Frage A 128: Die Verkehrswerte von 1945 der zum nicht werbenden öffentlichen Vermögen gehörenden deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten können noch nicht beziffert werden. Zahlenmaterial hierüber wird gesammelt und in die Gesamtdokumentation eingearbeitet werden, die zur Zeit vom Bundesausgleichsamt in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv und anderen Stellen erarbeitet wird. Zu Frage A 129: Die Bundesregierung kann den genauen Zeitpunkt, bis zu dem die Dokumentation über die deutschen Vermögenswerte in den Vertreibungsgebieten fertiggestellt sein wird, noch nicht angeben. Der Zeitpunkt liegt voraussichtlich nicht vor Ende des Jahres 1974. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Nordlohne (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 130 und 131) : Womit erklärt die Bundesregierung die widersprüchlichen Auffassungen des Bundeswirtschaftsministers und des Bundesfinanzministers in der Frage der Anhebung der Kilometerpauschale für Arbeitnehmer bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wonach in der Fragestunde der 66. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. November 1973 (Frage 69) der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, Grüner, die Anhebung der Kilometerpauschale im Rahmen der Steuerreform zum 1. Januar 1975 ankündigte und gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 2 des von der Bundesregierung durch den Bundesfinanzminister Schmidt in der 77. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Januar 1974 eingebrachten Gesetzentwurfes eines Dritten Steuerreformgesetzes mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens 1. Januar 1975 nach wie vor bei Benutzung eines eigenen Pkw als Werbungskostenpauschale ein Betrag von 0,36 DM pro Kilometer vorgesehen ist? Was gedenkt die Bundesregierung, nachdem im Rahmen der Reform des Einkommensteuergesetzes keine Erhöhung der Kilometerpauschale beabsichtigt ist, an anderen Maßnahmen zu ergreifen, um den berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer auf Berücksichtigung der erhöhten Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Werbungskosten endlich zu entsprechen? Die Bundesregierung hat aus verkehrspolitischen und haushaltsmäßigen Gründen davon abgesehen, die Kilometerpauschale zu erhöhen. Die Verkehrssituation hat sich vor allem in den Ballungszentren weiter verschärft. Es müssen deshalb auch im steuerlichen Bereich alle Maßnahmen vermieden werden, die diesen Prozeß noch beschleunigen würden. Zu den haushaltsmäßigen Auswirkungen ist zu sagen, daß eine Erhöhung der Kilometerpauschale auf den Betrag von z. B. 50 Pfennig zu Einnahmeausfällen in Höhe von rd. 1,2 Mrd. DM führen müßte. Die Bundesregierung hält einen Steuerausfall in dieser Höhe nicht für vertretbar. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten 5220* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Haase (Kassel) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 133 und 134) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß sich das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bei der laufenden Überwachung der Investitions- und Handelsbank in Frankfurt pflichtgemäß verhalten hat? Welche Rolle haben der Vorstand, der Aufsichtsrat, insbesondere der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Hesselbach, und die Wirtschaftsprüfer bei der Bewertung kritischer Linzelengagements der IHB durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gespielt? Zu Frage A 133: Ich beantworte die Frage mit ja. Zu Frage A 134: Die Aufgaben, die der Vorstand, der Aufsichtsrat und dessen Vorsitzender bei der Bewertung von Bilanzposten im Jahresabschluß einer Aktienbank erfüllen, folgen aus den Vorschriften des Aktiengesetzes. Beurteilungsgrundlage für das Bundesaufsichtsamt hinsichtlich der Kreditrisiken der Investitions- und Handelsbank (IHB) waren die Prüfungsberichte des Abschlußprüfers. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hauser (Krefeld) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 135 und 136) : Trifft es zu, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen erst im Herbst 1973 mit Auflagen an die Investitions- und Handelsbank herantrat, nachdem seit mindestens ein- bis eineinhalb Jahren bei diesem Kreditinstitut zwingende Vorschriften des KWG über Großkredite (I 13 Abs. 4) und des AktG über deren Bewertung (I 256 Abs. 5) verletzt waren? Trifft es zu, daß sich das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zu Verstößen gegen zwingende Strukturnormen des KWG erst nach und nicht vor dem Überyang des Mehrheitsbesitzes dieses Instituts an die Hessische Landesbank geäußert hat? Zu Frage A 135: Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat bereits Anfang 1972 die Aktionäre der Investitions- und Handelsbank veranlaßt, ausreichende Maßnahmen zur Sicherstellung der Bonität und Liquidität des Instituts zu treffen. Außerdem hat das Amt für eine Erhöhung des haftenden Eigenkapitals gesorgt. Zusätzlich wurden seitens der Aktionäre spezielle Maßnahmen zum Abbau der Risiken bei einzelnen Krediten getroffen. Im einzelnen können die Maßnahmen im Hinblick auf die Schweigepflicht nach § 9 des Kreditwesengesetzes nicht genannt werden. Zu Frage A 136: Dies trifft, wie sich aus meiner Antwort zu Ihrer ersten Frage ergibt, nicht zu. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Hessische Landesbank schon lange vor Erwerb der Aktienmehrheit an der Investitions- und Handelsbank Ende des Jahres 1972 eine Schachtelbeteiligung an dieser Bank besaß und im Aufsichtsrat vertreten war. Sie mußte daher alle mit dem Erwerb der Mehrheit der Aktien der Investitions- und Handelsbank verbundenen Risiken kennen. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wissebach (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 137): Hat sich der Präsident des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen bei seinen Entscheidungen und Verfügungen, die sich einseitig zu Lasten des späteren Mehrheitsaktionärs, der Hessischen Landesbank, ausgewirkt haben, auf Auskünfte des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Hesselbach und des Vorstandsvorsitzenden der IHB-Aktien abgebenden Westdeutschen Landesbank Poullain gestützt? Das Aufsichtsamt versucht, vor seinen Maßnahmen in ständigem Kontakt mit der zuständigen Landeszentralbank sachdienliche Auskünfte von möglichst vielen Stellen zu erhalten. Einzelheiten können im Hinblick auf die Schweigepflicht nach § 9 des Kreditwesengesetzes nicht bekannt gegeben werden. Es hat keine einseitigen Entscheidungen zu Lasten eines Aktionärs gegeben. Anlage 24 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wende (SPD) (Druckrache 7/1661 Frage A 174): Aus welchen Erwägungen heraus hat die Bundesregierung eine Tagung deutscher Sportpädagogen in Afrika mit Vertretern der an der Sportentwicklungshilfe beteiligten Ressorts der Bundesregierung durchgeführt, und zu welchen Ergebnissen ist es dabei gekommen? Die Bundesregierung hat vom 21. bis 24. Januar 1974 in Accra eine Arbeitstagung mit 11 im Rahmen der Förderung des Sports in Afrika entsandten Fachkräften durchgeführt. Diese Tagung hatte zum Ziel, die Erfahrungen der bisherigen Projekte in Afrika auszuwerten und auf dieser Grundlage die Konzeption der Sportförderung zu überprüfen, wie sie in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage vom 17. Juli 1973 dargelegt ist. Außerdem diente die Tagung dem fachlichen Informationsaustausch und der Überarbeitung des Förderungsinstrumentariums. Eine Auswertung der Einzelergebnisse wird zur Zeit von den Ressorts erarbeitet. Es kann aber schon jetzt festgestellt werden, daß die bisherigen Projekte von den Partnerländern und von den Sportfachkräften selbst positiv beurteilt werden und daß der bisher eingeschlagene Weg bestätigt wird. Im übrigen sind auf der Tagung Kriterien erarbeitet worden, auf deren Grundlage künftig Analysen der Sportstruktur durchgeführt werden sollen. Anlage 25 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom 14. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Roser (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 175): Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5221* Trifft die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 7. Februar 1974 zu, die Verhandlungen mit Jugoslawien über einen deutschen Kapitalhilfekredit in Höhe von 700 Millionen DM zu Entwicklungshilfebedingungen stünden unmittelbar vor dem Abschluß — nur noch ein Punkt sei zu klären —, und warum hat — bejahendenfalls — die Bundesregierung wiederum nicht den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für wirschaftliche Zusammenarbeit des Deutschen Bundestages unterrichtet, sondern vielmehr in Abrede gestellt, daß es sich bei den Gesprächen mit Jugoslawien bereits um die Verhandlungen selbst handelt? Seit Februar 1969 besteht ein deutsch-jugoslawischer Kooperationsausschuß, der regelmäßig zu Konsultationen zusammentrifft. In diesem offiziellen Rahmen wurde auch die Frage eines Kapitalhilfekredites angesprochen. Darauf bezogen sich meine Feststellungen in der Ausschußsitzung vom 19. September 1973. Die Bundesregierung hat dem Parlament, nicht nur den Ausschüssen, am 6. Dezember 1973 mitgeteilt, Vorgespräche hätten ergeben, daß ein Betrag von 700 Millionen DM, verteilt auf mehrere Jahre, für beide Seiten annehmbar erscheinen könnte. Diese Vorgespräche laufen außerhalb der offiziellen Konsultationen. Sie sind noch nicht abgeschlossen. Um Verhandlungen zu führen, brauche ich die Zustimmung des Kabinetts. Ich habe sie noch nicht eingeholt, weil noch nicht alle Voraussetzungen für eine Kreditgewährung erfüllt sind. Daher war es auch nicht möglich, die Ausschüsse gemäß der Erläuterung zu Titel 686 01 / Ep. 23 zu unterrichten. Die Bundesregierung ist verpflichtet, die Ausschüsse vor Eingehen einer Verpflichtung über 150 Millionen DM zu unterrichten. Sie ist nicht verpflichtet, die Ausschüsse über Gespräche zu unterrichten, in denen geklärt wird, ob sie selbst Verpflichtungen eingehen will. Anlage 26 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom 14. Februar 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Todenhöfer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen A 176 und 177) : Ist es zutreffend, daß die laufenden Verhandlungen über einen weiteren Kapitalhilfekredit von 700 Millionen DM an Jugoslawien kurz vor dem Abschluß stehen und daß nur noch die Frage der Projektbindung des Kredits offen ist? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sie ihre Zusage in der Fragestunde vom 24. Januar 1974, sie werde die zuständigen Ausschüsse vor Beginn der Verhandlungen unterrichten, mit ihren bisherigen Informationen gegenüber den zuständigen Ausschüssen eingehalten hat? Zu Frage A 176: Der Haushaltsvermerk lautet: „Rahmenzusagen, die im einzelnen den Betrag von 150 000 000 DM überschreiten, und Verpflichtungen für einzelne Projekte in gleicher Höhe dürfen nur nach vorheriger Unterrichtung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit des Deutschen Bundestages gegeben bzw. eingegangen werden." Ob die Bunderegierung eine Verpflichtung über 700 Millionen DM Kapitalhilfe eingehen will, wird in Vorgesprächen geklärt. Im übrigen verweise ich auf meine Antwort an Herrn Kollegen Roser, die ich als Anlage beifüge. Zu Frage A 177: Ja. Anlage 27 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom 13. Februar 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage A 178) : Hat die Bundesregierung — vertreten durch Bundesminister Dr. Eppler bzw. Staatssekretär Dr. Sohn — mit der Bundesstelle für Entwicklungshilfe (BfE) das Gutachten des Bundesrechnungshofs zur Verwaltung der bilateralen Technischen Hilfe und mögliche organisatorische Veränderungen im Bereich der Entwicklungshilfe erörtert, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Sowohl Staatssekretär Sohn als auch ich haben selbstverständlich wiederholt mit dem Präsidenten und der Personalvertretung der BfE das Gutachten des BRH und seine eventuellen Auswirkungen auf die Organisation des Durchführungsbereichs der Technischen Hilfe erörtert. Überdies hat der zuständige Abteilungsleiter des BMZ die Belegschaft der BfE über das Gutachten unterrichtet. Die Gespräche mit BfE, Treuarbeit sowie dem BMF sind noch nicht abgeschlossen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 12. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 1 und 2) : Bedeutet die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs heim Bundesminister des Auswärtigen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 1974 auf meine Frage „Trifft die Meldung zu, daß eine der uruguayanischen Tupamaros, die vor einiger Zeit den britischen Botschafter in Montevideo entführt haben, unter den Personen ist, die um sogenanntes Asyl in der Bundesrepublik Deutschland ersucht haben?", daß der Inhalt der Meldung nachgewiesenermaßen objektiv falsch ist? Trifft die Meldung zu, daß einer oder mehrere der brasilianischen Entführer des ehemaligen Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in Brasilien, Ehrenfried von Holleben, unter den Personen ist, die in Chile um sogenanntes Asyl in der Bundesrepublik Deutschland ersucht haben? Aus den der Bundesregierung zur Verfügung stehenden Unterlagen ergibt sich kein Hinweis darauf, daß Personen, die in Chile um Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland nachgesucht haben, an der Entführung des britischen Botschafters in Montevideo oder an der Entführung des Botschafters von Holleben in Rio de Janeiro beteiligt gewesen sein könnten. Ob die von Ihnen zitierten Meldungen objektiv falsch sind, läßt sich nicht feststellen, da nicht völlig ausgeschlossen werden kann, daß die vorliegenden, auf den Befragungen und sonstigen Ermittlungen beruhenden Unterlagen unvollständig sind. 5222* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Sollten Sie Ihrerseits Informationen haben, die für die Wahrung der Sicherheitsbelange der Bundesrepublik Deutschland wichtig sein könnten, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie der Bundesregierung mitteilen wollten. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal, wie von der Bundesregierung wiederholt dargelegt wurde, unterstreichen, daß von dem Grundsatz, Gewalttäter nicht aufzunehmen, nicht abgewichen wird. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 12. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wolfram (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 3) : Kann die Bundesregierung Berichte des „Spiegels" (Ausgabe Nr. 6 vom Februar 1974) bestätigen, wonach das Athener Büro des „Spiegels" von heimischer Militärpolizei durchsucht, der Spiegelkorrespondent verhaftet und Redaktionsmaterial beschlagnahmt worden ist, und welche Schritte hat die Bundesregierung gegen die Verletzung der Pressefreiheit bei der griechischen Regierung unternommen? Der griechische Spiegel-Korrespondent Konstantin Tsatsaronis hat am 31. Januar auf der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen erklärt, er sei am Vortage von Angehörigen der Militärpolizei in seiner Wohnung festgenommen und zum PolizeiHauptquartier gebracht worden. Man habe seinen Schreibtisch durchsucht und einen Aktenordner mit Erklärungen und Flugblättern der Opposition mitgenommen. Nach einigen Stunden sei er wieder freigelassen worden. Der Zwischenfall mit Herrn Tsatsaronis wurde, da er — obwohl griechischer Staatsangehöriger — Korrespondent eines deutschen Nachrichtenmagazins ist, offiziellen griechischen Stellen gegenüber in geeigneter Weise zur Sprache gebracht. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 12. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Marx (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 4) : Entsprechen Behauptungen der polnischen Militärmission in Westberlin den Tatsachen, wonach eine mündliche Absprache bei deutschpolnischen Verhandlungen getroffen worden sei, auf Grund deren Besucherwünsche von Personen zurückgewiesen werden, deren Geburtsorte ostwärts von Oder und Neiße mit der deutschen Bezeichnung in ihren Pässen eingedruckt sind? Die Frage der Geburtsortsbezeichnungen in den Pässen derjenigen Visumsbewerber, die in den ehemaligen deutschen Gebieten östlich Oder/Neiße geboren sind, ist durch eine deutsch-polnische Absprache aus dem Jahre 1970 geregelt. Danach ist für die Eintragung des Geburtsortes der Zeitpunkt der Geburt maßgebend. Bei Geburt vor Kriegsende ist nur die deutsche Geburtsortsbezeichnung, bei Geburt nach Kriegsende die polnische und dahinter in Klammern die deutsche Geburtsortsbezeichnung einzutragen. Davon abweichende Absprachen gibt es nicht. Anlage 31 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661) Frage B 5) : Wann beabsichtigt die Bundesregierung, entsprechend ihrer Vereinbarung mit den Ministerpräsidenten der Länder, dem Bundestag eine Novelle zum Beamtenrechtsrahmengesetz betreffend den Ausschluß extremistischer Kräfte aus dem öffentlichen Dienst vorzulegen, und welche Gründe haben dazu geführt, daß diese Vorlage bisher nicht erfolgt ist? Wie ich bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 23. Januar 1974 auf Fragen der Abgeordneten Gerlach, Berger und Volmer (Sitzungsprotokoll S. 4745-4748) mitgeteilt habe, beabsichtigt die Bundesregierung, den Gesetzentwurf unverzüglich zu beschließen, sobald eine Abstimmung hierüber mit den Ländern erfolgt ist. Eine solche gründliche und politisch abgesicherte Abstimmung zwischen Bund und Ländern ist in dieser staatspolitisch außerordentlich wichtigen Frage unverzichtbar. Dies ist auch der Grund dafür, weshalb bisher noch kein ausformulierter Gesetzentwurf vorgelegt werden konnte. Die Konferenz der Innenminister der Länder wird sich auf meinen Vorschlag hin auf ihrer nächsten Sitzung am 15. Februar 1974 mit dem Problem befassen. Anlage 32 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Flämig (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 6) : Sind die Antworten des Bundesinnenministers zum Thema Rauchgasentschwefelung bei Kohle- und Ölkraftwerken in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Dezember 1973 so auszulegen, daß der Bundesinnenminister der Rauchgasentschwefelung eine klare Priorität einräumt, oder ist er der Auffassung, daß die Entschwefelung von Rohöl in den Raffinerien mindestens die gleiche Bedeutung für den Umweltschutz hat wie die Rauchgasentschwefelung? Die Vorschriften der Bundesregierung für Maßnahmen zur Luftreinhaltung überlassen grundsätzlich dem Betreiber luftverunreinigender Anlagen die Wahl der technischen Mittel zur Einhaltung der vorgeschriebenen Werte zur Begrenzung der Emissionen und Immissionen. Bei der Genehmigung zur Errichtung von Kraftwerken über 300 Megawatt hat der Antragsteller demzufolge grundsätzlich die Wahl zwischen der Anwendung der Rauchgasentschwefelung, dem Einsatz schwefelarmer Brennstoffe oder der Kombination beider Möglichkeiten als Mittel, die geforderten Emissions- und Immissionsbegrenzungen einzuhalten. Dabei wird die Anwendung der Rauchgasent Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5223* schwefelung insbesondere dann, wenn schwefelarme Brennstoffe nur beschränkt verfügbar sind, den Einsatz von Brennstoffen mit höheren Schwefelgehalten ermöglichen. Dementsprechend werden sich die Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung für genehmigungsbedürftige Anlagen (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) und die Verordnungen zur Verminderung der Schwefelgehalte von Heizölen sinnvoll ergänzen. Anlage 33 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Flämig (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 7) : Nachdem der Bundesinnenminister sich in der Fragestunde am 17. Mai 1973 dafür aussprach, den Einsatz des Films „Rote Fahnen sieht man besser" von der vorherigen Stellungnahme des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung abhängig zu machen, und dieses Kuratorium sich mittlerweile für eine Freigabe ausgesprochen hat, frage ich die Bundesregierung, wann mit dem Einsatz dieses Films im Rahmen der Bundeszentrale für politische Bildung zu rechnen ist, und welche Gründe zu der Verzögerung geführt haben? Es trifft zu, daß sich das Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung für die Freigabe des Films „Rote Fahnen sieht man besser" ausgesprochen hat. Entsprechend einer Auflage des Kuratoriums zu diesem Votum sind inzwischen Begleitmaterialien zur Ergänzung des Films erarbeitet worden, die seinem einseitigen Charakter entgegenwirken sollen. Dieses Material wird gegenwärtig überarbeitet, um ein besseres Verständnis und eine kritische Betrachtung des Films zu ermöglichen. Wegen der verschiedenartigen Wirksamkeit der Medien auf den Betrachter (der Film wird leicht und ohne besondere Anstrengungen aufgenommen, das Lesen von Begleitmaterial bereitet erheblich mehr Mühe und Anstrengungen) halte ich es aber außerdem für notwendig, daß die Sozialpartner die Möglichkeit erhalten, in einem „Nachspann" im Anschluß an diesen Film einem Statement von jeweils 3 bis 5 Minuten Dauer zu den aus ihrer Sicht relevanten Problemen des Films Stellung zu nehmen. Entscheidend ist für mich hierbei, daß berufene und legitimierte Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sich zu den durch den Film aufgeworfenen sozialen Fragen äußern. Ich rechne damit, daß dieser „Nachspann" in Kürze fertiggestellt werden kann und dann der Verwendung des Films in der politischen Bildungsarbeit nichts mehr im Wege steht. Anlage 34 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Büchler (Hof) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 8 und 9) : Welche Überlegungen bestehen bei der Bundesregierung, bedrohliche Zustände ins Bereich der Wasserwirtschaft, die durch Unfälle, Notstände, Katastrophen und Sabotageakte entstehen können, abzuwehren? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung im Rahmen der Trinkwasserversorgung nach dem Wassersicherstellungsgesetz, Firmen des Bohr- und Rohrleitungsbaus, die im Zonenrandgebiet ansässig sind, besonders zu berücksichtigen? Zu Frage B 8: Die Abwehr von Gefahren im Bereich der Wasserwirtschaft, die durch Unfälle, Notstände, Katastrophen oder Sabotageakte in Normalzeiten entstehen können, ist nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes primär Sache der Länder. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß der Bundesgesetzgeber nach dem zur Zeit geltenden Verfassungsrecht auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft auf den Erlaß von Rahmenvorschriften beschränkt ist und daß die vom Bund aufgrund dieser Kompetenz erlassenen wasserrechtlichen Vorschriften von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden. Anders liegen die Verhältnisse, soweit es sich um Vorsorgemaßnahmen für den Verteidigungsfall handelt. Hier hat der Bund die Möglichkeit zu umfassenden Regelungen aufgrund seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung. Das aufgrund dieser Kompetenz erlassene Wassersicherstellungsgesetz des Bundes sieht Vorsorgemaßnahmen für die Zivilbevölkerung im gesamten Bereich der Wasserwirtschaft vor. Es wird von den Ländern in Auftragsverwaltung durchgeführt. Diese Maßnahmen werden entsprechend den im Bundeshaushalt hierfür zur Verfügung gestellten Mitteln ausgeführt. Da wegen der Beschränktheit dieser Mittel zunächst nur Vorhaben von besonderer Dringlichkeit abgedeckt werden können, kann vorerst nur Vorsorge für die Sicherstellung der Trinkwassernotversorgung getroffen werden. Dies geschieht durch den Bau netzunabhängiger Einzelbrunnen, von Quellfassungen und von vereinzelten kurzen Verbundleitungen. Diese Anlagen können gemäß § 8 WasSG bereits in Normalzeiten bei Unfällen, Notständen, Katastrophen und Sabotageakten nutzbar gemacht werden. Andere wichtige Vorsorgemaßnahmen zur Sicherstellung der Abwasserableitung und -behandlung sowie zum Schutz von Talsperren sind ähnlich dringlich. Für sie stehen jedoch noch keine Mittel zur Verfügung. Mit der Abwehr von Sabotageakten auf Wasserversorgungsanlagen hat sich im Jahre 1973 ein Expertenausschuß des BMI befaßt. Der von ihm erstellte Entwurf eines Sabotageabwehrplans wird zur Zeit mit den für die Wasserwirtschaft zuständigen obersten Landesbehörden abschließend abgestimmt; er soll auf der Grundlage neuer Erkenntnisse und Erfahrungen jeweils überarbeitet und ständig ergänzt werden. Zu Frage B 9: Die Vorsorgemaßnahmen nach dem Wassersicherstellungsgesetz werden von den Ländern und Ge- 5224* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 meinden in Bundesauftragsverwaltung durchgeführt. Zuständig für die Vergabe des einzelnen Auftrags ist der Leistungspflichtige im Sinne des § 5 Wassersicherstellungsgesetz. Dies sind in der Regel Gemeinden oder Gemeindeverbände, in Ausnahmefällen auch andere juristische Personen oder andere Körperschaften. Er hat nicht nur die allgemein für die Auftragsvergabe geltenden Bestimmungen zu berücksichtigen, sondern auch das Zonenrandförderungsgesetz und die hierzu ergangenen „Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung von Personen und Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin (West) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge" Anlage 35 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 10) : Welche Beschränkungen beim Bau von Atomreaktoren sind in den Vereinigten Staaten verfügt worden — mit welchen Begründungen —, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung für den Bau von Atomreaktoren in der Bundesrepublik Deutschland ziehen? Die amerikanische Atomic Energy Commission hat aus zweierlei Gründen Leistungsbeschränkungen ,für Leichtwasserreaktoren angeordnet: — Schäden an den Bor-Vergiftungsblechen, die bei Siedewasserreaktoren zwischen den Brennelement-Leitkästen zur besseren Aktivitätskontrolle des Erstkerns angeordnet sind, — Verdichtungseffekte im Brennstoff, die bei einigen amerikanischen Druckwasserreaktoren zum Kollabieren von Brennstäben führten und bei Siedewasserreaktoren Fragen im Zusammenhang mit der Notkühlung aufwarf en. In der Zwischenzeit wurde die auferlegte Leistungsreduzierung größtenteils wieder rückgängig gemacht, da man die Probleme erkannt und die Ursache beseitigt hat. Untersuchungen, ob die erwähnten Verdichtungseffekte bei Anlagen deutscher Hersteller möglicherweise relevant für die Auslegung des Reaktorkerns sind, sind noch im Gange. Die übrigen Vorkommnisse waren bei deutschen Anlagen von vornherein nicht zu erwarten, wegen — anderer Anordnung und Anströmung der BorVergiftungsbleche, — frühzeitigen Erkennens der Porenstruktur und Porenwanderung im Brennstoff, - des Einsatzes von Brennstäben mit Vorinnendruck. Grundsätzlich verfolgt das Bundesministerium des Innern die Fortentwicklung auf dem Gebiete der Reaktorsicherheit und die Genehmigungspraxis im Ausland, insbesondere in den USA, mit besonderer Sorgfalt und trägt für die Verbreitung der Kenntnisse und eine angemessene Berücksichtigung im deutschen atomrechtlichen Genehmigungsverfahren Sorge. Anlage 36 Antwort des Bundesministers Genscher vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache 7/1661 Fragen B 11 und 12) : Ist der Bundesregierung die von einer Bürgeraktion Umweltschutz aufgestellte Behauptung bekannt, bei Strahlenmessungen rings um das Kernforschungszentrum Karlsruhe in Leopoldshafen seien einige Male Meßwerte festgestellt worden, die ein Mehrfaches der Toleranzgrenze betrugen, und welche Stellungnahme gibt sie dazu ab? Wie beurteilt die Bundesregierung das in diesem Zusammenhang aufgekommene Gerücht, daß das Munitionslager Friedrichstal der Ausgangspunkt für radioaktive Strahlungen sein könnte? Zu Frage B 11: Die von der „Bürgeraktion Umweltschutz Zentrales Oberrheingebiet" aufgestellte Behauptung ist der Bundesregierung bekannt. Sie gibt dazu folgende Stellungnahme ab: Die Umgebung des Kernforschungszentrums Karlsruhe wird von der Abteilung Strahlenschutz und Sicherheit der Gesellschaft für Kernforschung (GfK) mit 324 Dosimetern, die in drei Ringen von 1 km, 2 km und 3 km Radius aufgestellt sind, ständig überwacht. Aufgrund der Behauptung der Bürgeraktion hat die Landesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Immissions- und Strahlenschutz, Karlsruhe (LAK), die als amtliche Meßstelle routinemäßig Überwachungsaufgaben in der Umgebung des Kernforschungszentrums wahrnimmt, zusätzliche Messungen durchgeführt. Nach Überprüfung sämtlicher Meßergebnisse der GfK und der LAK ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von der Bürgeraktion aufgestellten Behauptung. Es muß vielmehr angenommen werden, daß die Feststellungen der Bürgeraktion auf fehlerhaften Messungen beruhen. Diese lassen sich jedoch nicht aufklären, solange die Bürgeraktion keine Angaben zu den von ihr vorgenommenen Messungen, wie z. B. Ort der Messungen und Art des verwendeten Meßgerätes, macht. Zu Frage B 12: Das Bundesministerium der Verteidigung hält es für ausgeschlossen, daß das Munitionslager der US-Army bei Friedrichstal Ausgangspunkt für radioaktive Strahlungen sein könnte. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 12. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kunz (Berlin) (CDU/CSU) (Drucksache 7,1661 Fragen B 13 und 14) : Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5225* Verfolgt die Bundesregierung die im Jahr 1970 vom Bundesjustizminister in Aussicht gestellten Pläne zur Reform des Hypothekenrechts weiter, zu welchen Ergebnissen ist sie gelangt, und hat sie bereits einen Gesetzentwurf in Bearbeitung, durch den die mit der Eintragung von Löschungsvormerkungen nach § 1179 BGB verbundenen nachteiligen Auswirkungen, nämlich der außerordentliche Verwaltungsaufwand und die erheblichen Kosten für Grundbuchämter, Kreditinstitute und Darlehensnehmer, beseitigt werden? Hat die Bundesregierung Ermittlungen durchgeführt, wie hoch der Kostenaufwand ist, der durch die Versendung und Bearbeilung der Hypothekenbriefe den Grundbuchämtern entsteht, und wie beurteilt sie die Schätzungen des Bezirksnotars Jörg Bühler, Stuttgart. der den Aufwand der Grundbuchämter von Baden-Württemberg auf 792 000 DM im Jahr 1972 beziffert? Zu Frage B 13: In neuerer Zeit ist es weitgehend üblich geworden, im Zusammenhang mit der Eintragung von Grundpfandrechten Löschungsvormerkungen nach § 1179 BGB bei den vorgehenden oder gleichrangigen Grundpfandrechten einzutragen. Sind über diese vorrangigen oder gleichrangigen Rechte Briefe ausgestellt, so müssen diese für die Eintragung der Löschungsvormerkungen beim Grundbuchamt eingereicht werden. Die Übung, in weitem Umfange Löschungsvormerkungen eintragen zu lassen, belastet die Grundbuchämter und die sonstigen Beteiligten erheblich und macht das Grundbuch durch eine Vielzahl von Eintragungen leicht unübersichtlich. Das Bundesministerium der Justiz hatte bereits bei der Vorbereitung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Grundbuchwesens vom 20. Dezember 1963 eine Änderung des § 1179 BGB zur Erörterung gestellt. Dieses Vorhaben ist damals jedoch nicht weiterverfolgt worden, weil es schon im Grundsatz nur geteilte Aufnahme fand und es angezeigt erschien, zunächst die weitere Diskussion in Wissenschaft und Praxis abzuwarten. Die Entwicklung in den seither vergangenen Jahren hat gezeigt, daß die Gründe für eine Reform des Rechts der Löschungsvormerkungen fortbestehen und daß eine Neuregelung, welche in geeignter Weise die Eintragung der Löschungsvormerkungen oder in diesen Fällen zumindest die Einreichung der Briefe beim Grundbuchamt entbehrlich macht, heute voraussichtlich auf breitere Zustimmung stoßen würde. Das Bundesministerium der Justiz hat daher die Arbeiten an einem Gesetzentwurf aufgenommen, in welchem die erforderlichen und möglichen gesetzgeberischen Maßnahmen vorgeschlagen werden sollen. Zu Frage B 14 Die Bundesregierung hat bisher keine Ermittlungen der erwähnten Art angestellt, weil die grundsätzliche Entscheidung, ob ein Gesetzentwurf vorbereitet werden soll, von einer näheren Quantifizierung des Kostenaufwands der Grundbuchämter nicht abhängig war. Aus diesem Grunde hat sie bisher auch davon abgesehen, die in der Frage erwähnten Schätzungen über den Aufwand der Grundbuchämter in Baden-Württemberg im Benehmen mit der zuständigen Landesjustizverwaltung zu überprüfen. Die Kostenfrage soll, soweit erforderlich, bei den weiteren Arbeiten an dem Gesetzentwurf beachtet werden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 15): Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um den Forderungen der Rechtsanwälte nach Erhöhung ihrer Gebühren einerseits und andererseits auch dem Erfordernis des sozialen Rechtsstaats, für alle, vor allem auch für die minderbemittelten Burger, einen Rechtsschutz bei angemessenen und tragbaren Kostenrisiken zu gewährleisten, zu entsprechen? Um die Anwaltsgebühren der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, hat die Bundesregierung dem Bundesrat am 25. Januar 1974 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften zugeleitet (Bundesrats-Drucksache Nr. 71/74). Die Vorschläge des Entwurfs führen bei der Anwaltschaft im Durchschnitt zu einer Erhöhung der Einkünfte um etwa 10 %. Andererseits hält es die Bundesregierung bei ihren Bemühungen um die Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates für eine vordringliche Aufgabe, allen auch den wirtschaftlich schwachen Bürgern die Möglichkeit zu gehen, ihr Recht zu suchen und durchzusetzen. Es muß eindringlich darauf hingewiesen werden, daß die durch erhebliche Prozeßkosten entstehende faktische „Rechtswegsperre" abzubauen und ein chancengleicher Zugang zu den Gerichten für alle zu gewährleisten ist. Diesem vielschichtigen Problem widmet der Bundesminister der Justiz besondere Aufmerksamkeit. In die Überlegungen werden alle bisher zur Diskussion gestellten Vorschläge einbezogen. Die Vorschläge gehen von einem Ausbau der vor- und außergerichtlichen Rechtsberatung über eine Weiterentwicklung des heutigen sogenannten Armenrechts zu einem fortschrittlicheren System, den für einzelne Rechtsgebiete bereits verwirklichten Gedanken einer Streitwertherabsetzung nach Billigkeitsgrundsätzen, den Verzicht auf die generelle Kostenerstattungspflicht gegenüber der obsiegenden Partei sowie ganz allgemein eine Überprüfung der kostenrechtlichen Grundregeln der Zivilprozeßordnung und die Idee einer Rechtsschutz-Pflichtversicherung bis hin zur Einführung einer generellen Kostenfreiheit des Rechtsschutzes. Was die Verbesserung des Rechtsschutzes außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens angeht, hat das Bundesministerium der Justiz den Landesjustizverwaltungen zu Beginn dieses Monats die in Betracht kommenden Möglichkeiten dargelegt. Es ist zu erwarten, daß die Konferenz der Justizminister des Bundes und der Länder diesen Fragenkomplex noch im Frühsommer dieses Jahres erörtern wird. Die vom Bundesminister der Justiz gebildete Kommission für das Zivilprozeßrecht ist damit befaßt, die kostenrechtlichen Grundregeln der Zivilprozeßordnung zu überprüfen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere aus dem Armenrecht ein System zu entwickeln sein, das sozialen und rechtsstaatlichen Grundsätzen besser gerecht wird. 5226* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Ohne den noch nicht abgeschlossenen Überlegungen vorzugreifen, kann folgendes gesagt werden: Bei der Ablösung des derzeitigen sogenannten Armenrechts wird an die Einführung eines Tabellensystems gedacht, mit dem für den Regelfall die zumutbare Kostenlast im Verhältnis zum Einkommen festgestellt werden kann. Besonders wichtig ist die Vorstellung, den Grundsatz des geltenden Rechts, nach dem die Kostenbefreiung nur vorläufig ist, zumindest erheblich einzuschränken oder von vornherein eine endgültige Kostenbefreiung vorzusehen. Außerdem wird erwogen, die — zur Verhinderung von Mißbräuchen unverzichtbare Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage zu erleichtern; sie soll auf diejenigen Gesichtspunkte reduziert werden, die auch für die Entscheidung des Bürgers maßgebend sind, der seinen Rechtsstreit aus eigenen Mitteln finanzieren kann. Ferner soll die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die minderbemittelte Partei erleichtert werden; wichtig ist hierbei die Überlegung, der wirtschaftlich schwachen Partei immer dann einen Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten ist. Die Einführung einer Rechtsschutz-Pflichtversicherung könnte je nach ihrer Ausgestaltung der Wirkung eines Nulltarifs zumindest sehr nahekommen. Darin zeigt sich die finanzielle Tragweite einer solchen Lösung, und es werden die Grenzen der Realisierung deutlich. Die Verwirklichung der erwogenen Maßnahmen würde für die öffentlichen Haushalte eine Belastung bedeuten, die nicht zu gering eingeschätzt werden darf. Es wird gründlicher Untersuchungen bedürfen, um die Höhe dieser Kosten festzustellen. Eine Verbesserung des Rechtsschutzes darf jedenfalls nicht zu Lasten der Anwaltschaft oder des Gegners der wirtschaftlich schwachen Partei gehen. Die Gesellschaft muß bereit sein, zur Herstellung der Chancengleichheit finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn die Durchsetzung des Rechts allen möglich sein und das Recht nicht zu einer käuflichen Ware werden soll. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 12. Februar 1974 auf ,die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 16 und 17) : Wie hoch ist der Wert des Vermögens von Bund, Ländern und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland, und welchen Anteil hat an diesem Wert das „werbende Vermögen"? Sind Tauschverhandlungen zwischen der Stadt München und dem Bund, in denen seitens des Bundes ein Grundstück an der Ecke Schleißheimer-/Neuherbergstraße in München zur Verfügung gestellt werden soll, schon soweit gediehen, daß dieses Grundstück alsbald für städtebauliche Zwecke zur Verfügung steht? Zu Frage B 16: Genauere statistische Angaben über den gesamten Wert des Vermögens von Bund, Ländern und Gemeinden in der Bundesrepublik sowie den Anteil des „werbenden Vermögens" liegen nicht vor. Die nach § 5 des Gesetzes über die Finanzstatistik vorgesehene Statistik über das öffentliche Vermögen konnte wegen der Bedenken der Länder im Hinblick auf die besonderen Probleme bei der Bewertung des öffentlichen Sach- und Geldvermögens, insbesondere bei der Bewertung der Sachen im Gemeingebrauch (Straßen, Wasserstraßen) noch nicht durchgeführt werden; vor allem fehlen auch Maßstäbe für die Abschreibungen. Trotz der vorstehend dargelegten Problematik wird für den Bund und seine Sondervermögen (Lastenausgleichsfonds, ERP-Sondervermögen, Bundesbahn, Bundespost) nach den für sie geltenden Vorschriften ein Vermögensnachweis erbracht. Hierbei wird unterstellt, daß die Sachen im Gemeingebrauch im Jahre ihrer Erstellung voll abgeschrieben werden. Der letzte verfügbare Nachweis ist im Finanzbericht 1974 nach dem Stand vom 31. Dezember 1972 enthalten. Danach stellt sich das zu den jeweiligen Preisen im Jahre der Anschaffung bewertete Vermögen des Bundes ohne die nicht bewerteten Sachen im Gemeingebrauch auf 99 Mrd. DM, davon 37 Mrd. DM Allgemeines Verwaltungsvermögen (einschl. 2,5 Mrd. DM Konjunkturausgleichsrücklage), 5 Mrd. DM Betriebsvermögen (vorwiegend Beteiligungen), 3 Mrd. DM Sachvermögen, 49 Mrd. DM Allgemeines Kapitalvermögen (überwiegend Darlehensgewährungen, auch im Rahmen der Entwicklungshilfe) und 5 Mrd. DM Treuhandvermögen. Zum gleichen Stichtag werden ,die Vermögensbestände für den Lastenausgleichsfonds mit 6 Mrd. DM, für das ERP-Sondervermögen mit 10 Mrd. DM, für die Bundesbahn mit 17 Mrd. DM und für die Bundespost (nach Abbuchung der Verluste 1970, 1971 und 1972) mit 6 Mrd. DM ausgewiesen. Grenzt man den Begriff „werbendes Vermögen" wie im üblichen Sprachgebrauch so ab, daß dazu das erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienende Vermögen zählt, könnte unter diese Kategorie aus der Vermögensrechnung des Bundes das Betriebsvermögen, das Allgemeine Sach- und Kapitalvermögen gerechnet werden. Nimmt man ferner das Vermögen der Sonderrechnungen hinzu, so kommt man beim Bund für das „werbende Vermögen" auf einen Betrag von 96 Mrd. DM, das sind 70 v. H. des gesamten ausgewiesenen Vermögensbestandes von 138 Mrd. DM. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß bei den geldwerten Rechten (z. B. bei Darlehensgewährungen für Entwicklungshilfe u. a.) sowie auch in anderen Fällen eine Gewinnerzielung zumeist nicht beabsichtigt ist. Eine dem Bund ähnliche Vermögensrechnung —allerdings mit z. T. unterschiedlicher Abgrenzung und Bewertung — wird nur von drei Ländern durchgeführt; die anderen Länder weisen Teile ihres Vermögens nach oder beschränken sich auf eine Zusammenstellung der im Landesbesitz befindlichen Grundstücksflächen (ohne Bewertung). Sie mögen an diesen Ausführungen mein Bemühen erkennen, Ihre Frage zu beantworten, gleichzeitig jedoch auch die großen objektiven Schwierigkeiten, die einer genaueren Antwort entgegenstehen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5227* Zu Frage B 17: Der Bund hat sich bereits im Jahre 1971 bereit erklärt, eine Teilfläche von 10 ha des Übungsplatzes München-Feldmoching an der Schleißheimer-/ Neuherbergstraße im Zusammenhang mit der Abgabe städtischen Geländes zur Erweiterung der Stettenkaserne an die Stadt München zu veräußern. Im November 1973 wurde der Stadt ein konkretes Angebot unterbreitet, Die Verhandlungen hierüber wurden jedoch von der Stadt München zurückgestellt, weil die Stadt die Abwicklung dieses Einzelvorhabens von Überlegungen der Stadtentwicklung und der Stadtplanung, in die alle Bundeswehrplanungen im Bereich der Landeshauptstadt einbezogen werden sollen, abhängig macht. Von seiten des Bundes steht einem baldigen Austausch der Flächen nichts im Wege. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Porzner vom 12. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Roser (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 18) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die steuerabzugsfähigen Freibeträge für Päckchen und Pakete an Verwandte in der DDR, für die bisher 20 DM bzw. 30 DM angerechnet werden, zu erhöhen, angesichts der Tatsache, daß die Kosten für die vordringlich in der DDR benötigten oder nicht zu beschaffenden Gegenstände die derzeitigen Freibeträge bei weitem übersteigen? Aufwendungen für Unterhaltsleistungen an Verwandte und sonstige Angehörige in der DDR werden als außergewöhnliche Belastung nach § 33 a Abs. i des Einkommensteuergesetzes berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift wird die Einkommensteuer (Lohnsteuer) dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch 1 200 DM im Kalenderjahr, für jede unterhaltene Person vom Einkommen abgezogen werden. Die Aufwendungen müssen grundsätzlich nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. Aus Vereinfachungsgründen haben die obersten Finanzbehörden der Länder, von denen die Einkommensteuer (Lohnsteuer) nach der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland verwaltet wird, zugelassen, daß für jedes in die DDR versandte Paket ein Pauschbetrag von 30 DM und für jedes versandte Päckchen ein solcher von 20 DM ohne Einzelnachweis anerkannt wird. Bereits mehrfach, und zwar auch noch in jüngster Zeit, ist mit Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder die Frage erörtert worden, ob die genannten Pauschbeträge erhöht werden könnten. Die Besprechungen führten zu dem Ergebnis, daß die getroffene Vereinfachungsmaßnahme ausreicht, wenn man bedenkt, daß hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Empfänger der Sendungen keine Nachweise gefordert werden. Darüber hinaus ist aber auch zu berücksichtigen, daß die genannten Pauschbeträge nicht zu hoch festgesetzt sein dürfen, um die Gefahr einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme möglichst auszuschließen. Nach den Erfahrungen der Finanzverwaltungsbehörden haben bisher die Pauschbeträge von 30 DM und 20 DM im Durchschnitt der Fälle ausgereicht, um die tatsächlich entstandenen Aufwendungen abzugelten. Der Steuerpflichtige, dem tatsächlich höhere Aufwendungen erwachsen, kann diese geltend machen, wenn er sie nachweist oder glaubhaft macht, z. B. durch Vorlage der Einkaufsbelege, Bestätigung des Empfängers. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Porzner vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 19) : Was hat die Bundesregierung angesichts der ständig steigenden Unkosten auf dem Automobilsektor unternommen, um die derzeit gültige Kilometerpauschale von 0,36 DM auf eine der inflationären Entwicklung angemessene Höhe festzusetzen? Die Bundesregierung hat aus verkehrspolitischen und haushaltsmäßigen Gründen davon abgesehen, die Kilometerpauschale zu erhöhen. Die Verkehrssituation hat sich vor allem in den Ballungszentren weiter verschärft. Es müssen deshalb auch im steuerlichen Bereich alle Maßnahmen vermieden werden, die diesen Prozeß noch beschleunigen würden. Zu den haushaltsmäßigen Auswirkungen ist zu sagen, daß eine Erhöhung der Kilometerpauschale auf den Betrag von z. B. 50 Pfennig zu Einnahmeausfällen in Höhe von rd. 1,2 Mrd. DM führen müßte. Die Bundesregierung hält einen Steuerausfall in dieser Höhe nicht für vertretbar. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 12. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 20) : Wird die Bundesregierung im Zusammenhang mit ihren Überlegungen eines Sonderprogramms zur Strukturverbesserung und Sicherung von Arbeitsplätzen in benachteiligten Gebieten die von der Konjunkturabschwächung in der Textilindustrie besonders hart betroffene Wirtschaft und damit auch die Stadt Lindenberg im Allgäu gezielt unterstützen und fördern, und in welcher Weise und wann beabsichtigt sie, das zu tun? Die Bundesregierung hat am 6. Februar 1974 ein „Einmaliges Sonderprogramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen" beschlossen. Die vorgesehenen Finanzierungshilfen 300 Millionen DM für Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände, 300 Millionen DM für Bundesinvestitionen — sollen gezielt in solchen Gebieten oder Orten gewährt werden, die von besonderen Beschäftigungsrisiken betroffen oder bedroht sind oder deren Wirtschaftskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder erheblich darunter abzusin- 5228* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 ken droht. Ob die Stadt Lindenberg diese Kriterien (Indikatoren dafür sind z. B. übermäßige Arbeitslosen- oder Kurzarbeiterziffern, sehr niedriges Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wirtschaftsbevölkerung) erfüllt, kann von hier nicht beurteilt werden. Im positiven Fall kommen Finanzhilfen für gemeindliche Projekte der wirtschaftsnahen Infrastruktur oder im begründeten Einzelfall auch für Wohn- und Freizeitinvestitionen von erheblicher Bedeutung für das Gebiet in Frage, sofern diese Projekte baureif vorbereitet sind und bisher aus finanziellen Gründen noch nicht in eine anderweitige Förderung aufgenommen werden konnten. Entsprechende Förderungsanträge sind über das Land an den Bundesminister für Wirtschaft zu stellen. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache 7/1661 Fragen B 21 und 22) : Welches sind die inzwischen vorliegenden Ergebnisse und daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen aus der seitens der Bundesregierung veranlaßten Durchleuchtung der bisherigen Preispolitik der Mineralölgesellschaften? Kann die Bundesregierung Berichte bestätigen, wonach - zumindest in der ersten Phase der bei Mineralöl eingetretenen Versorgungsschwierigkeiten in den letzten Wochen — die Mineralölunternehmen eine ,,preisorientierte Angebotsstrategie" angewandt haben? Die Preispolitik der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Mineralölgesellschaften muß zeitlich differenziert betrachtet werden: — In den ersten drei Quartalen 1973 haben alle in Deutschland tätigen Gesellschaften ihre Preise angehoben und damit parallel zur internationalen Entwicklung ihre Ertragslage deutlich verbessert. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Erlössituation in den Jahren 1971 und 1972 infolge eines Überangebots sehr schlecht war. Im letzten Quartal 1973 bestand eine weitgehende Parallelität zwischen Kosten- und Preissteigerungen. Es ergab sich keine Verbesserung der Ertragslage gegenüber den ersten Quartalen 1973. - Ende Januar 1974 haben alle Gesellschaften kräftige Preiserhöhungen vorgenommen, die sich bei Vergaser- und Dieselkraftstoff und bei leichtem Heizöl auf durchschnittlich 9 Pfg/l belaufen. Der Preis für schweres Heizöl wurde um durchschnittlich 55,— DM/t angehoben, nachdem hier bereits Anfang Januar 1974 eine durchschnittliche Erhöhung von 20,— DM/t erfolgt war. Die neuen Preisanhebungen für Mineralölerzeugnisse sind durch die zum 1. Januar 1974 von den Lieferländern verfügten Preiserhöhungen für Rohöl ausgelöst worden. Sie bringen den Gesellschaften einen — auf die Tonne verarbeitetes Rohöl umgerechneten - durchschnittlichen Mehrerlds von ca. 100,— DM, der damit in etwa dem durchschnittlichen Anstieg der Rohölversorgungskosten entspricht. Die zuletzt eingetretenen Preiserhöhungen bewegen sich auf vergleichbarem Niveau mit den in den anderen europäischen Ländern, die über staatlich festgesetzte Höchstpreise verfügen, vorgenommenen oder beabsichtigten Preisanhebungen. Getrennt von der Preisentwicklung für die deutsche Produktion ist die Preisentwicklung am Rotterdamer Markt zu betrachten, die wegen des großen Importbedarfs der Bundesrepublik für das deutsche Preisniveau von erheblicher Bedeutung ist. Nach Ausbruch der Nahostkrise haben sich die dortigen Notierungen — insbesondere bei Dieselkraftstoff und leichtem Heizöl — sprunghaft erhöht. Dieser Anstieg stand in keinem Verhältnis zu den Kostensteigerungen auf der Rohölseite und führte zu der bekannten Marktspaltung in der Bundesrepublik. Seit Mitte Dezember ist die Preisentwicklung am Rotterdamer Markt wieder rückläufig; leichtes Heizöl und Dieselkraftstoff werden inzwischen zu Preisen angeboten, die teilweise schon wieder unter den Abgabepreisen der inländischen Raffinerien liegen. Die im November und Dezember beobachtete Marktspaltung ist damit beseitigt. Aus der geschilderten Preisentwicklung lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen: 1. Die Verbesserung der Ertragslage der in Deutschland tätigen Mineralölgesellschaften resultiert im wesentlichen aus den Erlösverbesserungen vor Ausbruch der Nahostkrise. Ob der dabei gebildete „Preissockel" gerechtfertigt oder überhöht war, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen. Ein Vergleich mit der Erlössituation der Jahre 1971 und 1972 ist insoweit problematisch, als die damalige Ertragslage der Unternehmen infolge eines Überangebotes sehr schlecht war. Eine Festschreibung der damaligen Ertragslage würde sich nachteilig auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und damit die künftige mengenmäßige Versorgung der Bundesrepublik auswirken. Auch aus einem internationalen Vergleich der Preisniveaus in den großen europäischen Ländern lassen sich dafür noch keine Schlußfolgerungen herleiten, da die in anderen Staaten zu erwartenden Preiserhöhungen infolge der dort bestehenden staatlichen Preisregelungen zum Teil noch nicht wirksam geworden sind. 2. Die im vierten Quartal in der Bundesrepublik eingetretenen Verteuerungen bei Mineralölprodukten — insbesondere bei leichtem Heizöl und Dieselkraftstoff — waren im wesentlichen durch den drastischen Anstieg der Importpreise am Rotterdamer Markt ausgelöst. Aus welchen Quellen dieser Markt beliefert wird, konnte im einzelnen noch nicht geklärt werden. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, daß ein beträchtlicher Teil aus den dort ansässigen Raffinerien stammte und diesen erhebliche Gewinne gebracht hat. Das Bundeskartellamt und - auf deutsche Initiative - die EG-Kommission haben Ermittlungen hierzu aufgenommen. Das Bundeskartellamt hat in diesem Zusammenhang festgestellt, daß unabhängige deutsche Importeure im Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5229* November 1973 für Mineralölprodukte aus holländischen Raffinerien einiger internationaler Gesellschaften erheblich höhere Preise zahlen mußten als den deutschen Tochtergesellschaften dieser internationalen Gesellschaften in Rechnung gestellt worden sind. Weitere Einzelheiten hierzu bitte ich der beiliegenden Pressemitteilung des BMWi zu entnehmen. 4. Die in der Bundesrepublik — vor allem im November — zeitweilig beobachtete Haltung der Verbraucher, sich insbesondere mit leichtem Heizöl ohne Rücksicht auf den geforderten Preis einzudecken, ist auch im Zusammenhang mit den von der Mineralölwirtschaft abgegebenen Prognosen über eine ab Dezember zu erwartende Unterversorgung des deutschen Marktes und der von ihr angekündigten Kürzung ihrer Auslieferungen in der Größenordnung von 15 % zu sehen. Dabei haben sich die Mineralölgesellschaften auf die angekündigten Lieferkürzungen der Förderländer gestützt, ohne beurteilen zu können, in welchem Umfange diese Ankündigungen realisiert werden würden. Die Dispositionen bei den internationalen Gesellschaften waren darüber hinaus mit der Notwendigkeit weltweiter Umleitungen der Rohöl- und Produktenströme im Zusammenhang mit der gezielten Boykottierung einzelner Länder belastet. Eine klare Aussage, ob damit gleichzeitig auch eine preisorientierte Angebotsstrategie verfolgt wurde oder verfolgt werden konnte, kann angesichts dieser weltweiten Verflechtung bei der Belieferung der einzelnen nationalen Märkte auch nachträglich kaum mit sachgerechten Gründen getroffen werden. Für die Bundesrepublik läßt sich jedenfalls in bezug auf ihre mengenmäßige Versorgung feststellen, daß sie im Verhältnis zu den tatsächlichen Lieferkürzungen der Förderländer keinesfalls zu den unterversorgten Verbraucherländern gehörte. Dabei hat zweifellos auch eine Rolle gespielt, daß die Bundesregierung den Zustrom von Produkten nicht durch Höchstpreisregelungen behindert hat. 4. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, daß von einigen Handelsunternehmen auf regionalen Märkten die zeitweilige Marktspaltung dazu benutzt worden ist, die relativ billigen Bezüge von den inländischen Raffineriegesellschaften auf der Preisbasis der teuren Importe abzusetzen. 5. Die Preiserhöhungen der Mineralölgesellschaften in der zweiten Januarhälfte 1974 sind — wie erwähnt — durch die zusätzlichen staatlichen Abgabeerhöhungen der Förderländer und die Preiserhähungen bei den ihnen zur Verfügung stehenden Rohölmengen ausgelöst worden. Bei der Beurteilung dieser zusätzlichen Belastungen des Rohöleinsatzes in den deutschen Raffinerien und der vorgenommenen Preiserhöhungen bei Mineralölprodukten ist zu berücksichtigen, daß die einzelnen Gesellschaftsgruppen von den Kostenerhöhungen sehr unterschiedlich betroffen werden. Am relativ günstigsten ist insoweit der Status der multinationalen Gesellschaften, die auf der Ba- sis früherer Konzessionsverträge von den Förderländern auf Grund der ihnen heute noch verbliebenen Beteiligungen Öl-Lieferungen zu Kostenpreisen erhalten. Diese Gesellschaften haben in der Regel außerdem die Möglichkeit des Rückkaufs von Öl aus dem Beteiligungsanteil der Förderländer und kommen auf diesem Wege zum Teil in den Genuß weiteren relativ billigen Rohöls. Wettbewerblich am ungünstigsten stehen die unabhängigen deutschen Gesellschaften, die ihren Rohölbedarf größtenteils zu Marktpreisen einkaufen müssen, die zum Teil erheblich über den vorgenannten Preisniveaus liegen. Das Versorgungsbild bei diesen Gesellschaften ist aber ebenfalls nicht einheitlich, da sie Rohöl auch noch im Rahmen langfristig laufender Lieferverträge beziehen. Pressemitteilung Das Bundeskartellamt hat in den vergangenen Wochen Ermittlungen über die Preisspaltung für Mineralölprodukte am Rotterdamer Markt angestellt. Der Hintergrund dieser Ermittlungen ist folgender: Bis in den Januar hinein bestanden bei Mineralölprodukten starke Unterschiede zwischen den Abgabepreisen der inländischen Raffineriegesellschaften und den Preisen für Produktenimporte vom Rotterdamer Markt. Am ausgeprägtesten war diese Entwicklung bei leichtem Heizöl. Während die Raffineriegesellschaften ihre diesbezüglichen Abgabepreise in der Bundesrepublik Deutschland seit Mitte Oktober auf einem Niveau von etwa 21 bis 30 Dpf/l konstant gehalten hatten, waren die Preise für importiertes Heizöl (überwiegend vom Rotterdamer Markt) bis zu 45 bis 55 Dpf/l angestiegen. Diese hohen Importpreise haben das deutsche Verbraucherpreisniveau maßgeblich beeinflußt, weil die von den inländischen Raffineriegesellschaften zu niedrigen Preisen abgegebenen Mengen die Nachfrage nicht in vollem Umfang deckten. Bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 1973 hatte das Bundeskartellamt der Generaldirektion Wettbewerb der EG-Kommission Anhaltspunkte dafür mitgeteilt, daß die teuren Mengen zum Teil aus den Rotterdamer Raffinerien internationaler Mineralölgesellschaften selbst stammten. Inzwischen hat das Amt in Erfahrung gebracht, daß unabhängige deutsche Importeure im November 1973 für Mineralölprodukte aus holländischen Raffinerien einiger internationaler Gesellschaften erheblich höhere Preise zahlen mußten als sie den deutschen Töchtern dieser internationalen Gesellschaften in Rechnung gestellt wurden. Das Bundeskartellamt hat dieses Ermittlungsergebnis mit Schreiben vom 5. Februar 1974 der Generaldirektion Wettbewerb der EG-Kommission mitgeteilt. Die weitere Aufklärung, insbesondere auch die Anhörung der betroffenen Gesellschaften, sowie — gegebenenfalls — die Verfolgung dieses Sachverhalts ist Sache der EG-Kommission. Das deutsche Wettbewerbsrecht hilft hier nicht weiter, da die betroffenen Unternehmen ihren Sitz außerhalb des Bundesgebietes haben. 5230* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 23) : Beabsichtigt die Bundesregierung, den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer im Bereich der Bundesrepublik Deutschland einem ebenso strengen amtlichen Genehmigungsverfahren zu unterwerfen wie etwa Dänemark und die Schweiz, um den „Ausverkauf heimischen Bodens" mit unerwünschten sozialen und wirtschaftlichen Folgen zu verhindern? 1. Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich in letzter Zeit die Fälle mehren, in denen ausländische Unternehmen deutsche Grundstücke kaufen. Nach der Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank sind diese Käufe von 5 Millionen DM im Jahre 1972 auf 186 Millionen DM im Jahre 1973 angestiegen. Diese Zahlen geben nur die unmittelbaren Käufe durch Ausländer wieder. In welchem Umfang Ausländer mittelbar, insbesondere über inländische Gesellschaften, Grundstücke erworben haben, geht aus ihnen nicht hervor. Auf der anderen Seite gibt es bisher keinen Anlaß zu der Befürchtung, daß die Käufe ein wirtschafts- und sozialpolitisch bedenkliches Ausmaß annehmen könnten. Denn gleichzeitig haben Ausländer in Höhe von 108 Millionen DM im Jahre 1972 und in Höhe von 72 Millionen DM 1973 inländische Grundstücke an Inländer verkauft. Außerdem übersteigen die deutschen Grundstückskäufe im Ausland die ausländischen Grundstückskäufe in der Bundesrepublik bei weitem. In den Jahren 1972 und 1973 haben deutsche Gebietsangehörige insgesamt im Wert von einer dreiviertel Milliarde DM mehr Grundstücke im Ausland erworben als veräußert. 2. Die Frage nach Beschränkungsmöglichkeiten für den Erwerb von inländischen Grundstücken durch Ausländer betrifft einen Teilbereich der deutschen Investitionspolitik gegenüber dem Ausland. Dabei kommt der Kapitalanlagepolitik der Erdölförderländer wegen des stark steigenden Devisenpotentials dieser Staaten und der zu erwartenden Belastungen der Leistungsbilanzen der Olverbraucherländer aktuelle Bedeutung zu. Sollten sich die anlagesuchenden Staaten auf einzelne Zuflußländer und sektorale Bereiche konzentrieren, so könnte dies in der Tat zu Schwierigkeiten führen. Die Bundesreigerung wird deshalb die Entwicklung weiterhin sorgfältig beobachten. Außerdem ist sie bemüht, in internationalen Verhandlungen vernünftige Regelungen anzustreben. Schon jetzt erlaubt § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) Beschränkungen des Grundstückserwerbs durch Ausländer, wenn die Beschränkungen erforderlich sind, „um einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der Deutschen Mark entgegenzuwirken oder das Gleichgewicht. der Zahlungsbilanz sicherzustellen". 3. Im übrigen sollte nicht übersehen werden, daß auch die deutsche Wirtschaft ein erhebliches Interesse an Investitionen und - wie die obigen Zahlen zeigen — auch an Grundstückskäufen im Ausland hat. Die Bundesrepublik hat sich zudem durch Investitionsförderungs- und Niederlassungsverträge verpflichtet, den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer in gewissem Umfang zuzulassen. Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften ist die Bundesrepublik an die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften gebunden. Dieses Rechts verbietet grundsätzlich jede Diskriminierung der Angehörigen der Partnerländer. Für den Bereich des Kapitalverkehrs ist auf die erste Richtlinie des Rates vom 11. Mai 1960 (Amtsbl. S. 921) zu verweisen. Hiernach müssen die Mitgliedstaaten für den Fall der Übertragung von Grundeigentum unter Deviseninländern in den EWG-Mitgliedstaaten die erforderlichen devisenrechtlichen Genehmigungen erteilen. Ferner sind die Regelungen für den Niederlassungs- und Dienstleistungsbereich zu beachten, die bereits für eine Vielzahl von Tätigkeiten gelten. Der EWG-Vertrag untersagt darüber hinaus den Mitgliedstaaten grundsätzlich, die bei seinem Inkrafttreten erreichte Freiheit des Dienstleistungsverkehrs neuen Beschränkungen zu unterwerfen (Art. 62 EWG-Vertrag) oder für Angehörige der anderen Mitgliedstaaten neue Niederlassungsbeschränkungen einzuführen (Art. 53 EWG-Vertrag). Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Leicht (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 24 und 25) : Wann und welche zusätzlichen Maßnahmen für strukturschwache Gebiete, insbesondere im Land Rheinland-Pfalz (Bereich Mittelrhein-Lahn-Sieg, Eifel-Hunsrückraum, Westpfalz) wird die Bundesregierung zur Abwehr von Arbeitslosigkeit ergreifen? Wie lautet der genaue Auftrag, den das Bundeskabinett dem Bundeswirtschaftsminister erteilt hat, möglichst umgehend Vorschläge für eine zusätzliche Verbesserung der Infrastruktur in den wirtschaftlichen Problemgebieten des Landes Rheinland-Pfalz vorzulegen, und welche Zusagen hat der Bundesfinanzminister für die Finanzierung solcher zusätzlicher Maßnahmen bereits gemacht? Das Bundeskabinett hatte am 19. Dezember 1973 den Bundesminister für Wirtschaft beauftragt, „Vorschläge für zusätzliche gezielte Maßnahmen, insbesondere zur Verbesserung der Infrastruktur in strukturschwachen Gebieten" vorzulegen. Am 6. Februar 1974 hat die Bundesregierung das daraufhin erarbeitete „Einmalige Sonderprogramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen" beschlossen. Damit sollen unverzüglich in Gebieten und Orten, in denen sich im Zusammenhang mit der konjunkturellen Beruhigung 1974 besondere strukturelle Schwierigkeiten und Beschäftigungsrisiken ergeben, 300 Millionen DM Finanzierungshilfen für Infrastrukturinvestitionen vorzugsweise der Kommunen und zusätzlich 300 Millionen DM für Bundesinvestitionen eingesetzt werden. Das Land Rheinland-Pfalz wird an den bereitgestellten Mitteln angemessen beteiligt, wobei besondere Bedingungen wie z. B. in der Westpfalz ausdrücklich berücksichtigt werden sollen. Zu Ihrer Unterrichtung füge ich den Abdruck des Kabinettbeschlusses über das „Einmalige Sonderpro- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5231* gramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen" bei. Der Bundesminister für Wirtschaft Der Bundesminister der Finanzen Bonn, den 6. Februar 1974 Einmaliges Sonderprogramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen Die Bundesregierung hat für Gebiete, in denen sich im Zusammenhang mit der konjunkturellen Beruhigung 1974 besondere strukturelle Schwierigkeiten und Beschäftigungsrisiken ergeben, folgendes Sonderprogramm beschlossen, das aus dem z. Z. bei der Bundesbank stillgelegten Mineralölsteuermehraufkommen des Jahres 1973 in Höhe von rd. 600 Millionen DM finanziert wird. Teil A (1) Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch besondere regionale und sektorale Schwierigkeiten gewährt der Bund gem. Art. 104 a (4) GG gezielt und befristet Finanzhilfen in Höhe von einmalig 300 Millionen DM a) zum Ausbau der Infrastruktur, soweit es für die Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft erforderlich ist (z. B. Industriegeländeerschließung, Abwasser- und Abfallbeseitigungsanlagen, Ausbau von Verkehrsverbindungen, Energie- und Wasserversorgungsanlagen, sowie öffentliche Fremdenverkehrseinrichtungen, Errichtung oder Ausbau von Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsstätten) b) im begründeten Einzelfall für Infrastrukturinvestitionen zur Erhöhung des Wohn- und Freizeitwertes, die für die Entwicklung des betreffenden Gebietes von erheblicher Bedeutung sind. (2) Die im Absatz 1 genannten Finanzhilfen werden in Gebieten oder Orten gewährt, 1. die von besonderen Beschäftigungsrisiken betroffen oder bedroht sind, da Wirtschaftszweige vorherrschen, die vom Strukturwandel und der konjunkturellen Entwicklung in einer Weise betroffen oder bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder absehbar sind, 2. deren Wirtschaftskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder erheblich darunter abzusinken droht. Dabei sollen im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt bestehende regionale Disparitäten in der Infrastrukturausstattung insbesondere auch im ländlichen Raum — sowie die besondere Lage des Zonenrandgebietes berücksichtigt werden. (3) Soweit neben den Maßnahmen dieses Programms und den sonst bestehenden Förderungsmöglichkeiten in besonderen Fällen auch eine zusätzliche Förderung gewerblicher Investitionen zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen erforderlich ist, erwartet die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen der Länder. II. (1) Träger der in I. Abs. i aufgeführten Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur sind vorzugsweise Gemeinden und Gemeindeverbände; nicht gefördert werden Maßnahmen des Bundes und der Länder sowie natürlicher und juristischer Personen, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. (2) Es soll sich um genehmigungsreife Anträge handeln, die aus finanziellen Gründen noch nicht in eine anderweitige Förderung aufgenommen werden konnten. III. Die Finanzhilfen des Bundes werden in Form von Investitionszuschüssen gewährt; diese können bis zu 50 v. H. der Investitionskosten betragen. Ausnahmen von dieser Begrenzung sind möglich. IV. Die Länder übersenden die Förderungsanträge mit ihrer Stellungnahme dem Bundesminister für Wirtschaft. Dieser entscheidet darüber im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen unter Beteiligung der fachlich zuständigen Bundesressorts. Bis zum 31. März 1974 werden den Ländern bestimmte Einplanungsbeträge reserviert. Danach wird der nicht belegte Teil des Programmvolumens nach der Dringlichkeit der noch vorliegenden Projekte vergeben. V. Die Allgemeinen Bewirtschaftungsgrundsätze — Gebietskörperschaften — Anlage zu den Vorläufigen Verwaltungsvorschriften Nr. 18.2 zu § 44 BHO sowie die für dieses Programm zu erlassenden Besonderen Bewirtschaftungsgrundsätze finden Anwendung. Der Mittelansatz wird dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für die Schlußberatungen des Bundeshaushalts 1974 zur Einstellung vorgeschlagen. Teil B Für Investitionsvorhaben des Bundes werden im Jahre 1974 zusätzlich 300 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Damit sollen Investitionsvorhaben bestimmter Ressorts in Gebieten finanziert werden, 1. die von besonderen Beschäftigungsrisiken betroffen oder bedroht sind, da Wirtschaftszweige vorherrschen, die vom Strukturwandel und der konjunkturellen Entwicklung in einer Weise betroffen oder bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder absehbar sind, 2. deren Wirtschaftskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder erheblich darunter abzusinken droht. 5232* Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Die Vorhaben werden dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für die Schlußberatungen des Bundeshaushalts 1974 vorn Bundesminister der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem jeweils zuständigen Fachminister vorgeschlagen. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Haase (Fürth) (SPD) (Drucksache 7/1661 Fragen B 26 und 27) : Kann die Bundesregierung mitteilen, welche Folgerungen sie aus der Tatsache zieht, daß Heiz- und Dieselöl z. Z. mit 125 Dollar je Tonne und Benzin mit 135 Dollar je Tonne frei Rotterdam angeboten werden, während die Erdölgesellschaften ihre Preise in der letzten Woche um 6 Pfennig bis 8 Pfennig erhöht haben? Ist die Bundesregierung bereit, im Plenum oder im Ausschuß für Wirtschaft die Einkaufs- und Kalkulationsdaten der Ölgesellschaften offenzulegen? Zu Frage B 26: Die Preisnotierungen am Rotterdamer Markt sind im Vergleich zum Dezember 1973 erheblich zurückgegangen; sie entsprechen bei leichtem Heizöl mit ca. 300,— DM/t den derzeitigen Raffinerieabgabepreisen der deutschen Gesellschaften, so daß die bisherige Marktspaltung wieder beseitigt ist. Bei Benzin liegen die Rotterdamer Preise mit ca. 420,00 DM/t für Normalbenzin und 440,00 DM/t für Superbenzin noch über den deutschen Preisen. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn die Preisentwicklung in Rotterdam wieder dazu beitragen würde, den Wettbewerb auf dem deutschen Markt zu verstärken; das derzeitige Preisniveau in Rotterdam gibt allerdings bisher keine Veranlassung, Folgerungen in Bezug auf die Preisgestaltung der deutschen Gesellschaften zu ziehen. Zu Frage B 27: Die Übermittlung der Daten zur Kosten- und Ertragslage der Mineralölunternehmen erfolgt aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung mit diesen Gesellschaften, denen dabei eine vertrauliche Behandlung der übermittelten Unterlagen zugesagt worden ist. Die Bundesregierung sieht sich daher ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Unternehmen nicht in der Lage, diese Unterlagen offenzulegen. Wir würden es allerdings begrüßen, wenn — wie seitens einiger Gesellschaften bereits geschehen — diese Daten zur besseren Unterrichtung der Öffentlichkeit von den Mineralölunternehmen von sich aus publik gemacht würden. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Evers (CDU 'CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 28) : Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag Vorschläge zur Änderung des Altölgesetzes, das die Abholung von Altöl durch die Altölfirmen subventioniert, zu unterbreiten, da bei der veränderten Situation auf dem Mineralölinarkt des Altöl ein hochwertiges Regenerat geworden ist, dessen Wiederverwertung auch ohne Subventionierung möglich erscheint? Die Bundesregierung ist gegenwärtig nicht bereit, dem Deutschen Bundestag Vorschläge zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen zur Sicherung der Altölbeseitigung (Altölgesetz) zu unterbreiten. Hierfür sind mehrere Gründe maßgeblich. Nach dem Altölgesetz werden Zuschüsse nur gewährt, soweit sie im Durchschnitt vergleichbarer Unternehmen zum Ausgleich ungedeckter Beseitigungskosten erforderlich sind. In Richtlinien sind Einzelheiten wie die Höhe der Zuschußsätze geregelt. Zu deren Anpassung wäre es daher nicht erforderlich, das Gesetz zu ändern. Die Höhe der Zuschußsätze wird durch jährliche Kostenprüfungen überwacht. Dem Bundestag wurde insbesondere über die Möglichkeit einer Ermäßigung der laufenden Zuschüsse und der Ausgleichsabgabe Bericht erstattet (Bundestagsdrucksache VI/3312 vorn 5. April 1972). Der nächste Bericht ist zum 31. März 1975 vorzulegen (vgl. § 4 Abs. 2 des Gesetzes). Zu dem der Frage zugrunde liegenden Sachproblem gebe ich folgendes zu bedenken: Soweit es sich um Altöle mit geringer Verschmutzung und verhältnismäßig geringen Sammelkosten handelt, besteht ein Interesse der Altölbesitzer, diese Mengen nicht den Altölsammelstellen zum Abholen anzudienen, sondern als Ersatz für Heizöl, als Schmiermittel für geringe Anforderungen stellende Schmierzwecke oder in gewissen Fällen auch zum Erzeugen von Zweitraffinat selbst zu nutzen oder an einen unmittelbaren Verwender für diese Zwecke zu veräußern. Dieses Interesse der Besitzer guten Altöls dürfte durch die veränderte Situation auf dem Mineralölmarkt gestiegen sein. Aus Gründen des Gewässerschutzes ist es aber unabweisbar, auch die übrigen Altöle umweltunschädlich zu beseitigen. Hierunter fallen insbesondere Altöle, die in kleinen Mengen, mit verhältnismäßig großer Verschmutzung und in mittlerer oder großer Entfernung von den Beseitigungsbetrieben anfallen. In diesem Bereich gibt es bisher keine Anhaltspunkte dafür, daß die Kosten der umweltunschädlichen Altölbeseitigung durch Erlöse für Zweitraffinate oder Energiegewinnung gedeckt werden können. Die Abholpflicht der Zuschußempfänger für diese problematischen Altöl-mengen ist die entscheidende Basis für einen nachhaltigen Gewässerschutz. Ergänzend darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß die Kommission der Europäischen Gemeinschaft dem Ministerrat im Februar 1974 den Entwurf einer Richtlinie zur Harmonisierung der Altölregelungen in den Ländern der Gemeinschaft vorlegen will. Es ist zu erwarten, daß sich der Ministerrat in den nächsten Monaten mit diesem Vorschlag befassen wird. Vorher wird eine evtl. Änderung des deutschen Altölgesetzes, das sich gut bewährt hat, nicht abschließend geprüft werden können. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 29) : Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80, Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5233* Nach welchen Kriterien werden Mittel des an! 19. Dezember 1973 beschlossenen Investitionsprogramms in strukturschwachen Gebieten für die Sicherung von Arbeitsplätzen im Bausektor einerseits und für den Ausbau der Wasserversorgung, des Straßenbaus und der Verkehrseinrichtungen andererseits vergeben? Die Bundesregierung hat am G. Februar 1974 ein „Einmaliges Sonderprogramm für Gebiete und Orte mit speziellen Strukturproblemen" beschlossen. Damit soll in Gebieten und Orten, die von besonderen Beschäftigungsrisiken betroffen oder bedroht sind (hohe Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit) und besonders wirtschaftsschwach sind, gezielt und sofort geholfen werden. Vorwiegend wirtschaftsnahe Infrastrukturinvestitionen der betroffenen Gemeinden können mit Investitionszuschüssen bis zu 50 v. H., im Ausnahmefall auch darüber, gefördert werden. Dabei sollen auch im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt bestehende regionale Disparitäten in der Infrastrukturausstattung — insbesondere auch im ländlichen Raum — sowie die besondere Lage des Zonenrandgebietes berücksichtigt werden. Für diesen Teil A des Programms stehen 300 Millionen DM zur Verfügung. In einem Teil B werden in denselben Gebieten 300 Millionen DM zusätzlich für Bundesinvestitionen zur Verfügung gestellt. Die Aufteilung auf die einzelnen Fachbereiche erfolgt in den nächsten Tagen. Die Bundesregierung hofft, daß mit dieser schnellen, gezielten und befristeten Aktion die besonderen Beschäftigungsprobleme bestimmter Gebiete erheblich gemildert werden können. Für den Einsatz eines allgemeinen Konjunkturprogramms, das vorsorglich von der Bundesregierung vorbereitet wird, besteht gegenwärtig kein Anlaß. Zu Ihrer Unterrichtung füge ich Abdruck des Kabinettsbeschlusses vom 6. Februar 1974 über das „Einmalige Sonderprogramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen" bei. Einmaliges Sonderprogramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen Die Bundesregierung hat für Gebiete, in denen sich im Zusammenhang mit der konjunkturellen Beruhigung 1974 besondere strukturelle Schwierigkeiten und Beschäftigungsrisiken ergeben, folgendes Sonderprogramm beschlossen, das aus dem z. Z. bei der Bundesbank stillgelegten Mineralölsteuermehraufkommen des Jahres 1973 in Höhe von rd. 600 Millionen DM finanziert wird. Teil A I. (1) Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch besondere regionale und sektorale Schwierigkeiten gewährt der Bund gem. Art. 104 a (4) GG gezielt und befristet Finanzhilfen in Höhe von einmalig 300 Millionen DM a) zum Ausbau der Infrastruktur, soweit es für die Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft erforderlich ist (z. B. Industriegeländeerschließung, Abwasser- und Abfallbeseitigungsanlagen, Ausbau von Verkehrsverbindungen, Energie- und Wasserversorgungsanlagen, sowie öffentliche Fremdenverkehrseinrichtungen, Errichtung oder Ausbau von Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsstätten) b) im begründeten Einzelfall für Infrastrukturinvestitionen zur Erhöhung des Wohn- und Freizeitwertes, die für die Entwicklung des betreffenden Gebietes von erheblicher Bedeutung sind. (2) Die im Absatz 1 genannten Finanzhilfen werden in Gebieten oder Orten gewährt, 1. die von besonderen Beschäftigungsrisiken betroffen oder bedroht sind, da Wirtschaftszweige vorherrschen, die vom Strukturwandel und der konjunkturellen Entwicklung in einer Weise betroffen oder bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder absehbar sind, 2. deren Wirtschaftskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder erheblich darunter abzusinken droht. Dabei sollen im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt bestehende regionale Disparitäten in der Infrastrukturausstattung — insbesondere auch im ländlichen Raum sowie die besondere Lage des Zonenrandgebietes berücksichtigt werden. (3) Soweit neben den Maßnahmen dieses Programms und den sonst bestehenden Förderungsmöglichkeiten in besonderen Fällen auch eine zusätzliche Förderung gewerblicher Investitionen zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen erforderlich ist, erwartet die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen der Länder. II. (1) Träger der in I. Abs. 1 aufgeführten Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur sind vorzugsweise Gemeinden und Gemeindeverbände; nicht gefördert werden Maßnahmen des Bundes und der Länder sowie natürlicher und juristischer Personen, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. (2) Es soll sich um genehmigungsreife Anträge handeln, die aus finanziellen Gründen noch nicht in eine anderweitige Förderung aufgenommen werden konnten. III. Die Finanzhilfen des Bundes werden in Form von Investitionszuschüssen gewährt; diese können bis zu 50 v. H. der Investitionenskosten betragen. Ausnahmen von dieser Begrenzung sind möglich. IV. Die Länder übersenden die Förderungsanträge mit ihrer Stellungnahme dem Bundesminister für Wirtschaft. Dieser entscheidet darüber im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen unter Beteiligung der fachlich zuständigen Bundesressorts. Bis 5234* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 zum 31. März 1974 werden den Ländern bestimmte Einplanungsbeträge reserviert. Danach wird der nicht belegte Teil des Programmvolumens nach der Dringlichkeit der noch vorliegenden Projekte vergeben. V. Die Allgemeinen Bewirtschaftungsgrundsätze — Gebietskörperschaften — Anlage zu den Vorläufigen Verwaltungsvorschriften Nr. 18.2 zu § 44 BHO sowie die für dieses Programm zu erlassenden Besonderen Bewirtschaftungsgrundsätze finden Anwendung. Der Mittelansatz wird dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für die Schlußberatungen des Bundeshaushalts 1974 zur Einstellung vorgeschlagen. Teil B Für Investitionsvorhaben des Bundes werden im Jahre 1974 zusätzlich 300 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Damit sollen Investitionsvorhaben bestimmter Ressorts in Gebieten finanziert werden. 1. die von besonderen Beschäftigungsrisiken betroffen oder bedroht sind, da Wirtschaftszweige vorherrschen, die vom Strukturwandel und der konjunkturellen Entwicklung in einer Weise betroffen oder bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder absehbar sind, 2. deren Wirtschaftskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder erheblich darunter abzusinken droht. Die Vorhaben werden dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für die Schlußberatungen des Bundeshaushalts 1974 vom Bundesminister der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem jeweils zuständigen Fachminister vorgeschlagen. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 30) : Ist die Bundesregierung bereit, in der EWG dafür einzutreten, daß die umfangreichen Projekte, die in den Staatshandelständern auf Kreditbasis durchgeführt werden, durch die Mitgliedsländer zu gleichen Kredit- und Kreditversicherungskonditionen (Mindestzinssatz., Laufzeit usw.) gewährt werden, um die durch staatliche Eingriffe bereits eingetretenen Weltbewerbsverzerrungen abzubauen und in der Zukunft unmöglich zu machen, und wenn ja, welche Vorschläge gedenkt die Bundesregierung in Brüssel zu unterbreiten? Hinsichtlich der Harmonisierung der Exportkredite innerhalb der EG ist zu unterscheiden zwischen den eigentlichen Kreditkonditionen, zu denen insbesondere die Laufzeit und die Höhe der An- und Zwischenzahlungen gehört, der Ausgestaltung der staatlichen Exportkreditversicherung und schließlich der Höhe des Zinssatzes. Was die Laufzeit und die Höhe der An- und Zwischenzahlungen anbelangt, so hat das gut funktionierende EG-Konsultationsverfahren zu einer weitgehenden Angleichung geführt. In dem Verfahren sind alle in Aussicht genommenen Ausfuhrkredite mit mehr als 5jähriger Laufzeit so rechtzeitig vor der Zusage einer Ausfuhrbürgschaft zu konsultieren, daß gegebenenfalls in der zuständigen EG-Arbeitsgruppe eine Diskussion stattfinden kann. Die An- und Zwischenzahlungen betragen mindestens 15 % des Auftragswertes, die Kreditlaufzeit gegenüber osteuropäischen Ländern überschreitet in der Regel nicht 8'/2 Jahre. Was die Ausgestaltung der nationalen staatlichen Exportkreditversicherungen anbelangt, so hatten sich die Sechs bereits in wesentlichen Teilen auf eine völlige Harmonisierung der Versicherungsbedingungen geeinigt. Die Inkraftsetzung der schon erzielten Ergebnisse und die Fortführung dieser Arbeiten ist jedoch durch die Erweiterung der EG ins Stocken geraten, weil Großbritannien ein von den kontinentalen Systemen völlig abweichendes Versicherungssystem besitzt. Wahrscheinlich wird die Gemeinschaft nun zunächst die Harmonisierung auf die wesentlichen Versicherungsgrundsätze beschränken und durch möglichst enge Kooperation in der zuständigen Arbeitsgruppe zu einer fortschreitenden faktischen Angleichung der Versicherungspraxis zu gelangen suchen, Sehr viel schwieriger liegen die Dinge auf dem bei allen langfristigen Finanzierungen für die Konkurrenzsituation bedeutendsten Gebiet der Zinsen für Exportkredite. Im Gegensatz zur Bundesrepublik haben die übrigen im Export von Maschinen und Anlagen bedeutendsten Staaten (zu denen innerhalb der EG Frankreich, Großbritannien und Italien, außerhalb der EG die USA und Japan gehören) Finanzierungssysteme, die mit unterschiedlichen technischen Mitteln den Zins für längerfristige Exportkredite unabhängig von der Entwicklung der Marktzinsen auf 6-7 % herabschleusen. Dieser Exportzins gilt jedoch jeweils weltweit und nicht etwa nur für osteuropäische Länder und wird lediglich bei Exporten innerhalb der EG nicht angewandt. Die genannten Länder lehnen es aus vielerlei Gründen, insbesondere unter Hinweis auf ihre Zahlungsbilanzsituation, ab, auf diese Herabschleusung ihrer Exportzinsen zu verzichten, so daß alle in den letzten Jahren von der Bundesregierung mit dieser Zielsetzung in EG und OECD unternommenen Bemühungen erfolglos geblieben sind. Diese Bemühungen konzentrieren sich gegenwärtig auf die Unterstützung und Verbesserung eines Vorschlages der EG-Kommission, der die Einführung eines Mindestzinses für Exportkredite zum Ziele hat. Allerdings dürfte sich dieser Mindestzins, wenn er innerhalb der EG annehmbar sein soll, immer noch deutlich unterhalb der gegenwärtigen Marktzinsen bewegen. Die Chancen für die Festlegung eines Export-Mindestzinses dürften durch die kürzliche Anhebung des Zinssatzes der US-Eximbank von 6 auf 7 % zwar gestiegen sein, sind aber leider trotzdem noch als ungewiß zu beurteilen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5235* Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vorn 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 31): Ist die Bundesregierung bereit, dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und des Europäischen Parlaments zur Einführung eines Konsultationsverfahrens für Kooperationsabkommen der Mitgliedstaaten mit Staatshandelsländern insoweit zuzustimmen, als dieses Verfahren weltweite Anwendung finden soll, um die im Entstehen begriffene gemeinsame Handelspolitik nicht zu gefährden, das nationalistische Vorgehen einzelner Mitglieder einzuschränken bzw. zu beenden und einheitliche Grundsätze für die Kooperationspolitik in Brüssel vorzulegen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das von der Kommission vorgeschlagene Konsultationsverfahren für Kooperationsabkommen der Mitgliedstaaten weltweite Anwendung finden soll, und setzt sich hierfür bei den Beratungen in Brüssel ein. Sie unterstützt die Zielsetzungen des Kommissionsvorschlags, mit Hilfe des Verfahrens eine Behandlung der zur Zeit noch in nationaler Kompetenz der Mitgliedstaaten liegenden Kooperationspolitik auf Gemeinschaftsebene zu ermöglichen. Das Verfahren soll dazu dienen, die Überwachung der Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere der Vorschriften über die Handelspolitik, zu ermöglichen und den Austausch von Meinungen über eine Abstimmung der nationalen Kooperationspolitiken untereinander und mit der Gemeinschaftspolitik zu erleichtern. Das Verfahren bietet damit eine gute Grundlage für die Entwicklung gemeinsamer Grundsätze der Kooperationspolitik. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vorn 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 32) : Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß die Nichtvorlage des Jahreswirtschaftsberichts 1974 im Januar gegen das Stabilitätsgesetz verstößt, und welche Gründe will die Bundesregierung anführen, urn einen Gesetzesverstoß zu rechtfertigen? Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft sieht in § 2 Abs. 1 vor, daß die Bundesregierung im Januar eines jeden Jahres dem Bundestag und dem Bundesrat einen Jahreswirtschaftsbericht vorlegt. Die Bundesregierung hat den Jahreswirtschaftsbericht 1974 unmittelbar nach der Verabschiedung im Kabinett am 6. Februar 1974 den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet. Um die Abgeordneten schon vor dem Erscheinen der Parlamentsdrucksache über die wichtigsten Passagen des Berichts zu informieren, habe ich am 6. Februar 1974 einen Auszug übersandt. Die kurze zeitliche Verzögerung in der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts war notwendig, um die neuesten Konjunkturdaten die am 1. Februar 1974 vorlagen — berücksichtigen zu können. Gerade angesichts der in diesem Jahr ungewöhnlich großen Schwierigkeit der Konjunkturprognose erschien die Einbeziehung der neuen Daten in die dem Bericht zugrunde liegenden Überlegungen gerechtfertigt. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 7. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Gölter (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 33) : Beabsichtigt die Bundesregierung, sich in Brüssel für eine Ditterenzierung der Weinbauzone A in zwei Zonen ähnlich der Differenzierung der südlichen europäischen Weinbaugebiete einzusetzen? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, sich in Brüssel für eine Unterteilung der Weinbauzone A einzusetzen. Die im Anhang III der VO Nr. 816/70 (EWG) aufgeführten Weinbauzonen sind Teil des Globalkompromisses der EWG-Weinmarktordnung vom Jahre 1970. Die Zoneneinteilung trägt den ökologischen Bedingungen des Weinbaues in der Gemeinschaft Rechnung. Die Weinbauzone C umfaßt die südlichen Anbaugebiete Frankreichs und ganz Italiens und damit mehr als 2 Millionen ha Rebfläche. Für die Zone A, die rd. 70 000 ha umfaßt, ist eine vergleichbare Unterteilung nicht sinnvoll. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vorn 12. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Zimmermann (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 34) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den bayerischen Regierungsbezirken Niederbayern und Oberpfalz etwa 3 000 Landwirte die Antragstrist für einen Ausgleich für Folgen der Aufwertung der DM auf dem Gebiet der Landwirtschaft 1973 versäumt haben, und ist die Bundesregierung bereit, in diesen Härlefällen eine Sonderregelung zu finden? Aufgrund der bei der landwirtschaftlichen Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz eingeholten Auskünfte ist der Bundesregierung bekannt, daß im Jahre 1973 (Stand: 31. 12. 1973) in den Regierungsbezirken Niederbayern und Oberpfalz insgesamt 78 729 Landwirte den Aufwertungsausgleich geltend gemacht haben, davon 77 404 (= 98,32 %) fristgerecht und 1 325 ( - 1,68 %) verspätet. Die Abweichung der letztgenannten Zahl zu den von Ihnen erwähnten rd. 3 000 angeblichen Fristversäumnissen erklärt sich nach den Angaben der Alterskasse folgendermaßen: Die Zahl 3 000, die nach neuester Schätzung der Alterskasse auf etwa 2 500 bis 2 600 Fälle zu berichtigen ist, kommt nur dann zustande, wenn man zu den 1 325 Fällen verspäteter Antragstellung (davon 1 178 Alterskassen-Landwirte und 147 Nicht- 5236* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Alterskassen-Landwirte) die Fälle hinzuzählt, in denen im Amtsverfahren (Alterskassenmitglieder) oder im Antragsverfahren (Nichtmitglieder) versandte Fragebögen nicht zurückgereicht worden sind. Über die Gründe, die diese rd. 1 300 Personen veranlaßt haben, von einer Anmeldung ihres Anspruchs abzusehen, lassen sich keine durch statistische Erhebungen gesicherten Aussagen machen. Es gibt jedoch einige auf der Erfahrung beruhende Anhaltspunkte, anhand deren sich diese rd. 1 300 Fälle unterlassener Geltendmachung des Aufwertungsausgleichs in folgende Gruppen einteilen lassen: a) Personen, die aufgrund der im Vorjahr (1972) gemachten Angaben im Mitgliederverzeichnis der Alterskasse als landwirtschaftliche Unternehmer geführt waren, denen deshalb im Mai 1973 der Fragebogen von Amts wegen zugeschickt wurde, die jedoch zuvor ohne Wissen der Alterskasse ihren Betrieb aufgegeben hatten; b) der Alterskasse nicht angehörende Landwirte, die zwar rechtzeitig einen Antrag auf Aufwertungsausgleich 1973 gestellt hatten, den ihnen daraufhin von der Alterskasse übersandten Fragebogen jedoch nicht zurückreichten, weil sie eine Kleinstfläche von 1 ha und weniger bewirtschafteten und beim Lesen des Fragebogens erkannten, daß sie deswegen keinen Anspruch hatten; c) der Alterskasse nicht angehörende Landwirte, die auf Antrag einen Fragebogen erhalten hatten, die ihn jedoch deswegen nicht zurückreichten, weil ihnen bei der Kleinheit des von ihnen bewirtschafteten Betriebes (z. B. in der Größenklasse unter 5 ha) der zu erwartende Ausgleichsbetrag nicht lohnend erschien; d) Landwirte beider Kategorien (Alterskassenmitglieder und Nichtmitglieder), die die ihnen bekannte Rücksendungsfrist übersehen und deshalb ihren Anspruch nicht geltend gemacht haben. In welchem Größenverhältnis die zu a) und d) genannten Fallgruppen zueinander stehen, läßt sich nicht feststellen. Selbst wenn man die Fallgruppe d) den 1 325 festgestellten Versäumnisfällen hinzurechnet, kann die Gesamtzahl bei weitem nicht 2 500 Fälle, geschweige denn 3 000 Fälle betragen. Die Fristen waren sowohl für Mitglieder der Alterskassen als auch für Nichtmitglieder reichlich bemessen und konnten ohne Zeitdruck eingehalten werden. Die Beantwortung der wenigen Fragen des gemeinverständlich gehaltenen Fragebogens erforderte keinen nennenswerten Zeitaufwand. Die Information über die Fristen und die Folgen ihrer Versäumnis war breitgestreut, wurde mehrfach wiederholt und war so sorgfältig organisiert, daß sich jeder Landwirt mühelos darauf einstellen konnte. Die fahrlässige Versäumung der aufgrund des Durchführungsgesetzes zum Aufwertungsausgleichgesetz in Verbindung mit der Ausführungsverordnung geltenden Ausschlußfristen führte — wie in anderen Rechtsgebieten auch — zum Erlöschen des Anspruchs. In den Ausnahmefällen, in denen die Säumnis nicht verschuldet ist, gewähren die Alterskassen nach § 8 der o. a. Verordnung bei glaubhaft gemachten Hinderungsgründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Auf diese Rechtspflicht sind die Alterskassen durch Rundschreiben des Ministeriums nochmals hingewiesen worden. Insofern enthält das geltende Recht eine Sonderregelung für Härtefälle. Dort indessen, wo die Frist fahrlässigerweise versäumt wurde, läßt sich der Verfall des Anspruchs nicht rückgängig machen. Auch mit Hilfe einer allgemeinen Fristverlängerung wäre dies nicht möglich, weil die nach § 1 Nr. 3 des Durchführungsgesetzes zum Aufwertungsausgleichgesetz für 1973 bereitgestellten 590 Millionen DM bis zum Ende des Haushaltsjahres 1973 restlos an die berechtigten Landwirte, d. h. diejenigen, die die Frist eingehalten haben, dem Gesetzesauftrag gemäß ausgegeben worden sind. Für eine nachträgliche generelle Berücksichtigung der Versäumnisfälle des Aufwertungsausgleichs 1973 wäre daher keine Deckung im Haushalt vorhanden. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 12. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 35 und 36) : Sind der Bundesregierung die erneuten Proteste der ostfriesischen Kutterfischer gegen die Fangtechnik des an der dortigen Küste eingesetzten Muschelfangschiffes „Bernadette" bekannt? Was haben die in der Antwort auf meine schriftlichen Fragen vom 14. September 1973 erwähnten wissenschaftlichen Kontrollen der Herzmuschelfischerei durch die Bundesforschungsanstalt für Fischerei und die Aufsicht durch die niedersächsische Fischereiverwaltung ergeben, und welche Schritte beabsichtigt die Bundesregierung daraufhin? Ihre Anfragen beantworte ich im Einvernehmen mit dem Niedersächsischen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt: Der Bundesregierung ist bekannt, daß Krabbenfischer aus Norddeich wiederholt gegen den Einsatz des Muschelfangschiffes „Bernadette" im ostfriesischen Wattenmeer protestiert haben. Die laufende Beobachtung der befischten Fanggebiete durch die Bundesforschungsanstalt für Fischerei und die Kontrollen der niedersächsischen Fischereiaufsichtsbehörden haben jedoch bisher nicht ergeben, daß der unter einschränkenden Auflagen vorgenommene Herzmuschelfang mit dem genannten Fahrzeug zu einer Gefährdung der übrigen Fischerei oder zu nachteiligen Auswirkungen auf die Fanggründe im Wattenmeer führt. Die niedersächsische Fischereiverwaltung erwägt daher, im Benehmen mit der Bundesforschungsanstalt für Fischerei und den übrigen beteiligten Behörden sowie nach Anhörung der interessierten Fischereikreise die von Monat zu Monat befristete Genehmigung zum Herzmuschelfang zu verlängern. Die Erlaubnis zum Fang von Herzmuscheln soll weiterhin befristet und mit einem Widerrufsvorbehalt für den Fall versehen werden, daß gegen die Auflagen verstoßen wird oder nicht vorhersehbare Nachteile für die Küstenfischerei entstehen. Zur Ver- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5237* meidung etwaiger Behinderungen für die Krabbenfischerei ist beabsichtigt, zusätzlich zu den bisher erteilten Auflagen zu verlangen, daß der Muschelschill (Muschelschalen) an Land gebracht oder vor dem Überbordwerfen durch geeignete Vorrichtungen zerkleinert wird. Eine unkontrollierte Zulassung der Herzmuschelfischerei ist auch weiterhin nicht vorgesehen. Die BFA für Fischerei befaßt sich mit den Folgeerscheinungen der bisherigen Nutzung auf den betreffenden Herzmuschelbänken und hält das Fanggebiet unter ständiger wissenschaftlicher Kontrolle. Angesichts dieser Sachlage beabsichtigt die Bundesregierung keine Schritte, zumal die Angelegenheit in die Zuständigkeit des Niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten fällt. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 11. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Müller (Bayreuth) (SPD) (Drucksache 7/166l Frage B 37) : Wann gedenkt die Bundesregierung, die entsprechenden Rechtsverordnungen über die Mindestanforderungen an die tierschutzgerechte Massentierhaltung und über die Haltung, Pflege und Unterbringung von Tieren zu erlassen, damit durch die Länder eine einheitliche und sachgerechte Handhabung des Tierschutzgesetzes gewährleistet werden kann? Das am 1. Oktober 1972 in Kraft getretene Tierschutzgesetz (TierSchG) enthält für jedermann verständlich klare und bindende Vorschriften, so auch über das Halten, die Pflege und die Unterbringung von Tieren. Insbesondere ist die Haltung von Tieren durch die Vorschriften des § 2 TierSchG grundsätzlich geregelt. Es trifft zu, daß die heutige Haltung großer gleichartiger Nutztierbestände auf begrenztem Raum in neuzeitlichen Haltungssystemen spezielle tierschutzrelevante Fragen aufwirft. Das Tierschutzgesetz enthält zu diesem Zweck im § 13 Abs. 1 und 3 die notwendigen Ermächtigungen zum Erlaß von Durchführungsvorschriften zum Schutze der Tiere unter diesen besonderen Haltungs- bzw. Transportbedingungen. Die hier den Durchführungsverordnungen zugrunde zu legenden Mindestforderungen des Tierschutzes beinhalten zahlreiche wissenschaftliche und fachtechnische Aspekte, mit deren Abklärung in Form von Gutachten auf meine Veranlassung hin seit einiger Zeit besondere Arbeitsgruppen von Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis unter Beteiligung namhafter Verhaltenswissenschaftler befaßt sind. Im Falle der Haltung von Schweinen (1971) und Kälbern (1973) sind diese Gutachten bereits vorgelegt und von mir unverzüglich veröffentlicht worden (Anlagen i u. 2). Neben den nach dem derzeitigen Wissensstand hier normierten Tierschutz-Mindestforderungen enthalten die Gutachten dringliche Hinweise auf die notwendige wissenschaftliche Bearbeitung noch offener Fragen. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mittel sind bereits einzelne dieser Forschungsvorhaben initiiert worden. Die nach Abklärung dieser wissenschaftlichen und fachtechnischen Fragen zu erwartenden Ergebnisse sowie die Aussagen der o. a. Gutachten werden dann als materielle Grundlage zur fachlichen Ausrichtung der betreffenden Durchführungsvorschriften nach § 13 TierSchG dienen. Auf die ausführliche Behandlung dieses Fragen-. komplexes unter der Überschrift „Reform des Tierschutzrechts geht zügig voran" in BMELF-Informationen Nr. 14 (s. Anlage 3) vom 2. April 1973, S. 8 f sowie unter der Überschrift „Tierschutz in unserem Lande" im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 152, S. 1516 und 1517 vom 28. November 1973 und auf meine Antworten zu Anfragen der Herren Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen — Drucksache 7/1044, Frage A 53, Fragestunde vom 3. bis 5. Oktober 1973, Baack — Drucksache 7/769, Frage B 19, Fragestunde vorn 20. Juni 1973, Richard Müller — Drucksache 7/1380, Frage 69, Fragestunde vom 12./13. Dezember 1973, der Frau Abgeordneten Verhülsdonk — Deutscher Bundestag 7 / S. 4750, Frage 66 C, Fragestunde vom 23. bis 25. Januar 1974, des Herrn Abgeordneten Dr. Hans Evers — Drucksache 7/1555, Frage 30 B, Fragestunde vom 23. bis 25. Januar 1974 sowie auf die Kleine Anfrage der Herren Abgeordneten Gallus, Dr. Schmidt (Gellersen), Saxowski, Lemp, Frau Dr. Riedel-Martiny, Ronneburger und Genossen —Drucksache 7/1533 — darf ich in diesem Zusammenhang hinweisen. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 11. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 38) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Unternehmen, die bei der „Bundesanstalt für Milchforschung" Gutachten haben erstellen lassen, in mehreren Fällen die Honorare nicht an die Bundeskasse, sondern an die „Gemeinschaft der Förderer und Freunde der Bundesanstalt für Milchforschung e. V." gezahlt haben, deren zweiter Vorsitzender zugleich Präsident der Bundesanstalt ist, und welche disziplinarischen und finanziellen Konsequenzen hat die Bundesregierung aus diesen Vorgängen gezogen? Der von Ihnen angesprochene Fragenkomplex wird u. a. im Rahmen eines Disziplinarverfahrens geprüft, das ein Beamter der BA für Milchforschung gegen sich beantragt hat. Erst nach Abschluß dieses Verfahrens wird es möglich sein, Ihre Frage zu beantworten. Im übrigen möchte ich noch darauf hinweisen, daß ein Beamter meines Hauses vorübergehend von seinen Dienstgeschäften freigestellt worden ist, um alle Vorgänge an der BA für Milchforschung zu untersuchen, die in jüngerer Zeit in der Offentlichkeit erörtert oder dem Ministerium sonst bekanntgeworden sind. Das Ergebnis dieser Untersuchung bleibt ebenfalls abzuwarten. 5238* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretär Rohde vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 39) : Nachdem in der Schweiz neue Bestimmungen über „erwerbstätige Ausländer" im Juli 1973 beschlossen und in Kraft gesetzt worden sind, frage ich den Bundesarbeitsminister, ob auch für die Bundesrepublik Deutschland entsprechende Vorschriften, vor allem für Saisonarbeitskräfte, eingeführt werden sollten, und könnten nach Auffassung der Bundesregierung entsprechend der Schweizer Regelung wenigstens für den Bereich der saisonabhängigen Fremdenverkehrsbetriebe besondere Regelungen für Gastarbeiter eingeführt werden? Bei ,der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verfolgt die Schweiz seit Jahren eine Politik, die sowohl in ihrer Grundanlage als auch bei den administrativen Maßnahmen nicht mit der Politik der Bundesregierung vergleichbar ist. Es wäre daher kaum möglich, bei uns Regelungen einzuführen, die den neuen Bestimmungen der Schweiz vom Juli 1973 entsprechen. Dies gilt auch für die Saisonarbeitskräfte. Hier wird in der Schweiz von Zeit zu Zeit ein bestimmter Höchstbestand für das ganze Land festgesetzt. Es ist derzeit nicht beabsichtigt, eine derartige Kontingentierung einzuführen. Im übrigen erlaubt es der am 23. November 1973 angeordnete Anwerbestop für Arbeitnehmer aus dem Ausland gegenwärtig nicht, Arbeitskräfte für einen eng begrenzten Zeitraum aus den Anwerbeländern — außer Italien — anzufordern. Die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt dürfte aber dazu beitragen, die Einstellungsmöglichkeiten für Arbeitskräfte auch in dem von Ihnen genannten Bereich zu fördern. Die Arbeitsverwaltung hat hierzu entsprechende Vorkehrungen getroffen. So hat die Bundesanstalt für Arbeit ein besonderes überregionales Vermittlungssystem eingerichtet, um z. B. eine rasche Wiedereingliederung von arbeitslosen Ausländern zu ermöglichen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 12. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 40) : Hat sich, wie aus Presseberichten (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. November 1973, S. 5) zu entnehmen war, während der Gespräche, zu denen der polnische Außenminister Olszowski am 6. und 7. Dezember 1973 nach Bonn gekommen war, eine der deutsch-polnischen Arbeitsgruppen auch mit der Frage der Rententransferierung befaßt, und wenn ja, hat die Bundesregierung, obwohl dieses Thema auf polnischen Vorschlag in die Tagesordnung aufgenommen worden sein soll und nur von einem einseitigen Transfer die Rede war, darauf bestanden, daß auch das Problem des wechselseitigen Transfers von Rentenleistungen erörtert wurde und einer Lösung zugeführt wird? Im Rahmen des Besuches des polnischen Außenministers Olszowski am 6. und 7. Dezember 1973 in Bonn hat sich eine deutsch-polnische Arbeitsgruppe für Renten- und Sozialversicherungsfragen auch mit Fragen des Transfers von Sozialleistungen befaßt. Da es sich um einen ersten Meinungsaustausch handelte, haben beide Seiten zunächst lediglich ihren Standpunkt dargelegt. Sie sind daraufhin übereingekommen, ihre jeweiligen Auffassungen zu prüfen und bei einem weiteren Zusammentreffen hierzu Stellung zu nehmen. Dieses Treffen hat am 7. und 8. Februar 1974 in Warschau stattgefunden. Der Schwerpunkt der Gespräche lag auf dem Gebiet der Renten- und Unfallversicherung. Es wurde vereinbart, so bald wie möglich in Verhandlungen über den Abschluß eines Sozialversicherungsabkommens auf der Basis der Gegenseitigkeit einzutreten. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 41) : Welche Möglichkeiten wird die Bundesregierung ergreifen, um unverzüglich „die Vielzahl der Muster für Renten" der Frührentner so zu vereinheitlichen, daß dieser Personenkreis die Vorteile erhalten kann, die allen Rentnern z. B. von der Deutschen Bundesbahn zugedacht sind? Die von Ihnen angesprochene Frage des Nachweises der Rentnereigenschaft zur Erlangung von Vergünstigungen wird im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geprüft. Sie konnte aus verschiedenen Gründen bisher noch nicht befriedigend gelöst werden. Hierbei stellen die von Ihnen besonders genannten Fahrpreisermäßigungen bei der Bundesbahn einen wichtigen Anwendungsfall dar. Darüber hinaus geht es auch um Vergünstigungen, die andere Einrichtungen - z. B. für den Besuch kultureller Veranstaltungen für Rentner — einräumen. Einer Lösung steht allerdings bisher eine Reihe von Schwierigkeiten entgegen. Einmal ist der Personenkreis, der solche Nachweise erhalten müßte, sehr verschiedenartig, zum anderen werden auch hinsichtlich der Voraussetzungen, die die Inhaber solcher Nachweise erfüllen müssen, unterschiedliche Anforderungen gestellt. Um diese Fragen zu lösen, muß mit zahlreichen Stellen und Einrichtungen Kontakt aufgenommen werden. Ich bitte deshalb um Ihr Verständnis, wenn die eingangs erwähnte Prüfung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Roser (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 42): Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, ob und in welcher Form die „Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger" (Rentenreformgesetz von 1972, § 77 Abs. 3) funktionsfähig arbeitet, besteht die Absicht, die Antragsfrist zu verlängern, und werden der Stiftung Bundesmittel zur Verfügung gestellt? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5239* Die Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger hat ihre Tätigkeit mit dein Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes aufgenommen. Stiftungsvorstand ist der Vorstand der Lastenausgleichsbank. Dieser führt die laufenden Geschäfte und nimmt der Konzeption der Stiftung entsprechend bis zum Ablauf der Antragsfrist die Anträge entgegen. Er hat die bisher eingegangenen Anträge nach berufsständischen Merkmalen aufgegliedert und auf dieser Grundlage Gespräche mit den Berufsverbänden der Wirtschaft sowie den Selbständigen über die Finanzierung aufgenommen. Insoweit ist eine zeitgerechte Funktionsfähigkeit der Stiftung gegeben. Die Bundesregierung hat mehrfach auch im Parlament zum Ausdruck gebracht, daß eine Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Stiftung schwerwiegende Probleme aufwerfen würde. Nach ihrer Auffassung entspricht es der Zielsetzung des Gesetzes, daß sich die Selbständigen untereinander für die Finanzierung der Stiftung verantwortlich fühlen, und sie bedauert, daß diesbezügliche Bemühungen bisher noch keinen Erfolg gehabt haben. Eine finanzielle Beteiligung des Bundes würde im übrigen eine bestimmte Personengruppe bevorzugen. Die durch das Rentenreformgesetz geschaffenen Nachentrichtungsregelungen bringen ohnehin für Selbständige eine besondere Möglichkeit zum nachträglichen Aufbau einer Alterssicherung in der Rentenversicherung. Eine weitere Vergünstigung in Form einer Finanzierung durch Steuermittel würde in breiten Bevölkerungskreisen wenig Verständnis finden, insbesondere bei den die Rentenversicherung tragenden Pflichtversicherten. Die Frist zur Stellung von Anträgen an die Stiftung läuft erst am 18. April dieses Jahres ab. Daher ist eine etwaige Verlängerung der Antragsfrist bisher noch nicht geprüft worden. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 43) : Trifft die Ansicht von vielen Sachverständigen aus der Bauwirtschaft und aus Kreisen der Gewerkschaften zu, daß die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen, insbesondere in der Bauwirtschaft des bayerischen Grenzlandes, höher sei als die offiziell bekanntgegebene, da offenbar tatsächliche Arbeitslose als Bezieher von Schlechtwettergeld erfaßt werden, und wie hoch liegt für diesen Fall die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen absolut und in Prozenten, gemessen an der Zahl der Beschäftigten in den Arbeitsamtsbezirken des bayerischen Zonenrandgebiets? Die im Jahre 1959 eingeführte Schlechtwettergeldregelung hatte das sozialpolitische Ziel, die jährlich wiederkehrende Winterarbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft zu senken. Insofern besteht ein vom Gesetzgeber beabsichtigter Zusammenhang zwischen der Zahl der Arbeitslosen und der Zahl der Schlechtwettergeldbezieher. Es ist jedoch kaum möglich, mit der Zahl der Schlechtwettergeldbezieher oder mit dem Umfang der Ausfalltagewerke auch nur annähernd eine durch die Schlechtwettergeldregelung vermiedene Arbeitslosigkeit zu quantifizieren. Keinesfalls wäre es vertretbar, Schlechtwettergeldbezieher als „tatsächliche Arbeitslose" im Sinne Ihrer Frage zu bezeichnen und deren Zahl mit der von der Bundesanstalt für Arbeit ausgewiesenen Arbeitslosenzahl zusammenzuziehen. Soweit in Ihrer Frage die Vermutung zum Ausdruck kommt, daß auch die derzeitige Wirtschaftslage einen Einfluß auf die Zahl der Schlechtwettergeldbezieher haben könnte, stehen keinerlei Angaben zur Verfügung. Im übrigen spricht — auch wenn man die günstigen Witterungsbedingungen in Rechnung stellt — gegen eine solche Annahme, daß die Zahl von 3,8 Millionen Ausfalltagewerken im Januar 1974 um 30 Prozent niedriger lag als i Jahr zuvor. Die von Ihnen angeregte Berechnung ist daher nicht möglich. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Härzschel (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 44 und 45) : Hat die Bundesregierung darüber Informationen, ob bei den im Krieg an Malaria erkrankten Soldaten heute noch Gesundheitsschädigungen — und vor allem Leber — aufgetreten sind oder auftreten können? Werden die in chemischen Reinigungen Beschäftigten regelmäßig einer Gesundheitskontrolle unterzogen, und sind Gesundheitsschädigungen — bedingt durch die verwandten Chemikalien — festgestellt worden? Zu Frage B 44: Vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung werden als Zusammenfassung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Begutachtungsmedizin die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen" herausgegeben. Diese „Anhaltspunkte" werden von Zeit zu Zeit mit Wissenschaftlern und besonders erfahrenen Gutachterärzten überarbeitet. Die letzte Ausgabe ist 1973 erschienen, nachdem alle Kapitel gründlich überprüft worden sind. Ich darf Sie zu Ihrer Unterrichtung insbesondere auf die Ausführungen auf Seite 80 (letzter Absatz) hinweisen. Daraus geht hervor, daß mit Gesundheitsfolgen nur sehr selten zu rechnen ist. Sie treten auch nur in akuten Krankheitsphasen auf. Bleibende Leberschäden werden nicht als Malariafolge beobachtet. Sollten Ihnen demgegenüber Fälle bekannt sein, in denen zu solchen Befürchtungen Anlaß besteht, bitte ich um Ihre Unterrichtung. Zu Frage B 45: Nach den geltenden Vorschriften der Berufsgenossenschaften für Chemischreinigungen sind Gesundheitskontrollen der Beschäftigten nicht vorgesehen. Der Verzicht auf ärztliche Untersuchungen wurde bisher damit begründet, daß die Reinigungsmittel nur in geschlossenen Maschinen verwendet werden dürfen. Trotzdem sind in den letzten Jahren aus Be- 5240* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 trieben der Chemischreinigung jährlich etwa 10-15 Erkrankungsfälle wegen des Verdachts der Einwirkung halogenierter Kohlenwasserstoffe als Berufskrankheit angezeigt worden. Rund ein Fünftel dieser Krankheitsfälle hat zu einer Anerkennung als Berufskrankheit geführt. Nach Angaben der zuständigen Berufsgenossenschaft sind die angezeigten Krankheitsfälle in Chemischreinigungen aufgetreten, in denen Reinigungsapparate sicherheitstechnisch nicht einwandfrei betrieben oder bei denen technische Störungen nicht unverzüglich behoben worden sind. Im übrigen möchte ich bemerken, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vor kurzer Zeit die Berufsgenossenschaften aufgefordert hat, die Unfallverhütungsvorschriften für Chemischreinigungen zu überarbeiten. Ein in Auftrag gegebenes Gutachten soll Aufschluß über die sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinisch-toxikologischen Maßnahmen beim Betrieb von Chemischreinigungen mit gesundheitsschädlichen Reinigungsmitteln bringen. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage der Zweckmäßigkeit ärztlicher Vorsorgeuntersuchungen in die Beratungen der Fachgremien einbezogen werden. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 46) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Bereich der Gastronomie nach wie vor Personalmangel besteht, und ist aus diesem Grunde die Bundesregierung bereit, den Anwerbestopp für Ausländer, die im Fremdenverkehr tätig sind, wieder zu lockern? Die Anwerbung von Arbeitnehmern aus dem Ausland bis auf Widerruf einzustellen, ist eine Entscheidung, bei der ,die Arbeitsmarktsituation im ganzen in Betracht gezogen werden muß. Das ist auch bei gewissen Anpassungsproblemen in einzelnen Betrieben und Wirtschaftszweigen zu berücksichtigen. Aus den Angaben der Bundesanstalt für Arbeit geht hervor, daß von einem allgemeinen Personalmangel im Fremdenverkehrsgewerbe nicht gesprochen werden kann. Ende Januar 1974 registrierte die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Bereich 10 595 Arbeitsuchende, für die 7 471 offene Stellen gemeldet waren. Es besteht danach ein Überhang stellensuchender Fachkräfte des Fremdenverkehrsgewerbes. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß die Bundesanstalt für Arbeit eine überbezirkliche Vermittlung eingerichtet hat, um den oftmals schwierigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage zwischen den Regionen zu erleichtern. Die Bundesanstalt für Arbeit empfiehlt den Fremdenverkehrsbetrieben, sich dieser Möglichkeit zu bedienen. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Christ (FDP) (Drucksache 7/1661 Fragen B 47 und 48) : Ist die Bundesregierung bereit, gemeinsam mit den anderen am Unfallrettungswesen beteiligten Organisationen, ein integriertes Konzept zu entwickeln, welches die Rettungshubschrauber der Bundeswehr mit einbezieht? Trifft die Meldung des Fernsehmagazins „Monitor" vom 21. Januar 1974 zu, daß in Bayern, trotz der guten Erfahrungen der letzten drei Jahre, in diesem Jahr die Rettungshubschrauber der Bundeswehr nicht mehr während der Urlaubszeit bei Verkehrsunfällen zur Verfügung stehen? Bereits im Jahre 1958 richtete die Bundeswehr vornehmlich mit besonders ausgerüsteten Hubschraubern einen militärischen Such- und Rettungsdienst (SAR) ein, der zunächst nur die Aufgabe hatte, vermißte oder abgestürzte militärische Luftfahrzeuge zu suchen und die Insassen zu retten. Die gleichen Aufgaben für alle zivilen Luftfahrzeuge ohne Rücksicht auf deren Nationalität oblagen dem Bundesminister für Verkehr, nachdem die Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz vom 7. April 1956 dem Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt aus dem Jahre 1944 beigetreten war. Da nach diesem Abkommen nicht nur das eigene Hoheitsgebiet, sondern auch bestimmte Teile der Nord- und Ostsee abzusichern waren, wurde der Such- und Rettungsdienst im Laufe der Jahre auch auf in Seenot befindliche Schiffe ausgedehnt. Dem Bundesminister für Verkehr standen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben keine speziellen Luftrettungsmittel zur Verfügung. Daher wurde 1965 der Bundeswehr durch eine Verwaltungsvereinbarung die Durchführung der Suche und Rettung übertragen, während bei dem Bundesminister für Verkehr nur der Alarmierungsdienst verblieb. Der Such- und Rettungsdienst der Bundeswehr hat demnach die Aufgabe — der Hilfeleistung bei allen Luft- und Seenotfällen von militärischen und zivilen Luftfahrzeugen und Schiffen — der Versorgung der Soldaten der Bundeswehr und des Personals der verbündeten Streitkräfte bei allen Notfällen. Von diesen Aufgaben des SAR-Dienstes sind die des allgemeinen zivilen Rettungswesens zu unterscheiden. Letzteres dient der medizinischen Versorgung aller Bürger in Notfällen. Obwohl nach dem Grundgesetz das allgemeine Rettungswesen ausschließlich in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, arbeitet die Bundesregierung durch ihre Ressorts in der Ständigen Konferenz „Rettungswesen" und in den einzelnen Bund-/Länderausschüssen an einer Verbesserung des Rettungswesens. Darin sind neben den Bundesministerien des Innern, der Verteidigung, für Verkehr, für das Post- und Fernmeldewesen, für Arbeit und Sozialordnung, für Jugend, Familie und Gesundheit die zuständigen Länderressorts und alle maßgeblichen Hilfsorganisationen vertreten. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5241* Zur Zeit überfordert die Rettung aus der Luft die personellen, technischen und organisatorischen Mögleichkeiten der eigentlichen Träger des Rettungswesens. Deshalb leistet die Bundeswehr bereits seit dem Jahre 1958 in akuten Notfällen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der dringenden Nothilfe mit den Hubschraubern ihres Such- und Rettungsdienstes Hilfe für den zivilen Bereich. Die Hilfeleistungen machten im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 85 % aller Einsätze der SAR-Mittel aus. Allein 1973 wurden 1 777 Rettungsflüge dieser Art durchgeführt. Darüber hinaus hat die Bundeswehr bei ihren Rettungszentren in Hamburg, Koblenz und Ulm Hubschrauber stationiert, die mit allen für die Notfallerstversorgung erforderlichen medizinischen Geräten ausgestattet sind und auch für das allgemeine zivile Rettungswesen ständig verfügungsbereit gehalten werden. Diese haben 1973 weitere 640 Rettungseinsätze geflogen. Schließlich hat die Bundeswehr SAR-Hubschrauber mit Besatzungen über mehrere Wochen in München und Hannover als Ersatz zur Verfügung gestellt, als die Rettungshubschrauber des ADAC und des Bundesinnenministers vorübergehend ausfielen. Dabei wurden im letzten Jahr insgesamt 177 Einsätze durchgeführt. Selbstverständlich waren dabei nicht alle Hubschrauber der Bundeswehr eingesetzt. Für den Luftrettungsdienst ist z. Z. nur ein Hubschraubermuster (UH 1 D) wirklich geeignet. Von den Hubschraubern dieses Typs genügen nur die drei bei den Rettungszentren den Anforderungen der Ständigen Konferenz „Rettungswesen". Die Hubschrauber des SAR-Dienstes sind lediglich für den Transport von Notfallpatienten eingerichtet. Ihnen fehlen die zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen notwendigen medizinischen Geräte; sie sind, abgesehen von Ausnahmefällen, nicht mit Notärzten besetzt. Alle übrigen Hubschrauber der Bundeswehr sind nicht für den Krankentransport ausgestattet, sie sind für militärische Transporte von Truppen und Gerät vorgesehen. Die Umrüstung zum Rettungshubschrauber würde jeweils ca. DM 60 000,— erfordern. Die notwendigen Haushaltsmittel stehen der Bundeswehr jedoch nicht zur Verfügung, da — wie schon erwähnt -- das zivile Rettungswesen nicht ihre Aufgabe ist. Aus den genannten Gründen ist es auch nicht möglich, Hubschrauber ausschließlich für Einsätze im zivilen Rettungswesen abzustellen. Solange der Bundeswehr gesetzlich nicht eigene Aufgaben auf diesem Gebiet und entsprechende Haushaltsmittel zugewiesen werden, kann daher die für SAR-Zwecke eingerichtete ständige Verfügungsbereitschaft für Zivilpersonen nur in akuten Notfällen genutzt werden. Hierbei sind diese Hubschrauber insbesondere aus einsatz-, fernmelde-, wartungs- und versorgungstechnischen Gründen an ihre Standorte gebunden. Bereits jetzt ist durch die 14 bestehenden SAR-Kommandos und die Leistungen der zivilen Organisationen bei einem Einsatzbereich von 50 km Radius um den jeweiligen Standort ein großer Teil des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland abgedeckt. Zusätzlich wird die Bundeswehr in den Standorten Faßberg bei Celle, Achum bei Bückeburg, Fritzlar und Roth bei Nürnberg weitere SAR-Kommandos einrichten und dort Hubschrauber ständig verfügungsbereit halten, die dann auch vom zivilen Bereich in Anspruch genommen werden können. Durch den neuen Einsatzbereich Roth soll den Belangen auch des zivilen Rettungsdienstes in Bayern Rechnung getragen werden. Im übrigen sind die Aussagen der Fernsehsendung „Monitor" vom 21. Januar 1974 nur teilweise richtig. Zutreffend ist, daß die Bundeswehr auf Grund eines Beschlusses der Bundesregierung aus Anlaß der Olympischen Spiele im Jahre 1972 eine ständige Verfügungsbereitschaft sowohl für das zivile Rettungswesen wie auch für die Verkehrsüberwachung eingerichtet hat. In den übrigen Jahren wie auch in Zukunft konnte und kann unter dem Gesichtspunkt der dringenden Nothilfe lediglich in akuten Notfällen geholfen werden. Wird Gefahr für Leib und Leben von einem zuständigen Arzt bestätigt, kann also jeder die Hilfe der Bundeswehr durch ihre Rettungstransportmittel anfordern. Aus all dem ergibt sich, daß ein neues Konzept für die Rettung aus der Luft ohne eine gesetzliche Neuregelung der Zuständigkeiten nicht möglich und derzeit auch nicht erforderlich ist, da schon das der Bundeswehr Mögliche geschieht. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wohlrabe (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 49 und 50) : Trifft es zu, daß fünfzehn Jugendoffiziere der Bundeswehr eine Informationsreise nach Israel auf Wunsch des Bundesverteidigungsministeriums absagen mußten? Wieviel Bundeswehrreisen nach Israel haben in den Jahren 1969, 1970, 1971, 1972 und 1973 stattgefunden, und werden derartige Maßnahmen in Zukunft verstärkt durchgeführt? Seit mehreren Jahren führen die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung und — insbesondere — die Bundeszentrale für politische Bildung für ihre Partner in der politischen Bildungsarbeit Studienreisen nach Israel durch. Zu diesen Studienreisen werden auch in gewissem Umfang Soldaten eingeladen. Entgegen der seit vielen Jahren bewährten Form der Organisation von Studienreisen für einen pluralen Teilnehmerkreis aus allen Bereichen der politischen Bildungsarbeit, die nicht nur ein breit gefächertes Informationsangebot in Israel gewährleistet, sondern auch Möglichkeiten eines vielfältigen und reichen Erfahrungsaustausches zwischen den Mitarbeitern der zahlreichen Bildungsinstitutionen in der Bundesrepublik Deutschland schafft, beabsichtigt die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung nunmehr die Veranstaltung einer besonderen Bundeswehr-Studienreise für 15 Offiziere für die Zeit vom 3. bis 17. März 1974. Für die Teilnahme waren Soldaten aus mehreren Großverbänden im Wehrbereich II vorgesehen, die in der 5242e Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr tätig sind. Die Gruppe sollte sich also nicht nur aus Jugendoffizieren zusammensetzen. Die Initiative der Landeszentrale ist zweifellos dankbar und als besonderes Entgegenkommen zu begrüßen. Dennoch halte ich sie nicht für optimal, weil sie weder das breite Informationsangebot zu gewährleisten verspricht noch den Offizieren die Chance der Integration in eine Gruppe von Trägern der politischen Bildungsarbeit bietet. Ich habe deshalb dem Wehrbereichskommando II mitteilen lassen, daß bei allen Gruppenreisen nach Israel an der Regel einer Teilnahme von 2 Soldaten an gemischten Reisegruppen festgehalten werden soll. Ich habe aber in Würdigung der besonderen Initiative Niedersachsens als einmalige Ausnahme einer Teilnahme von 5 Offizieren mit Erstattung ihrer Eigenkosten zugestimmt. Auch den übrigen 10 Offizieren soll keineswegs die Chance einer Studienreise nach Israel genommen sein, sie sollen für weitere Reisen der Niedersächsischen Landeszentrale vorgemerkt bleiben. Bundeswehrreisen nach Israel hat es bisher nicht gegeben und soll es auch in Zukunft nicht geben. Reisen von Soldaten und zivilen Angehörigen der Bundeswehr nach Israel erfolgen im Rahmen der Einladungen der Bundeszentrale für politische Bildung, die seit 1969 vereinzelt, seit 1971 fast regelmäßig für zwei Soldaten ausgesprochen werden. Ich hoffe zuversichtlich, daß die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung auch weiterhin der Bundeswehr die Teilnahme von Soldaten an ihren Israel-Studienreisen anbieten werden. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Ey (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 51) : Hält die Bundesregierung den Ausbildungsstand der Truppe trotz der Verminderung der Übungsfälle von 9 000 auf angeblich 3 000 bei dem Waffentyp Üb-LAR für ausreichend? Bei der Beantwortung Ihrer Frage nach dem Ausbildungsstand der Truppe bei dem Waffensystem LAR (Raketenwerfer 110 SF) gehe ich davon aus, daß Sie sich bei der „Verminderung der Übungsfälle von 9 000 auf angeblich 3 000" auf die verringerte Anzahl der Übungsraketen beziehen, die der Truppe pro Jahr für die Ausbildung zur Verfügung steht. Es trifft zu, daß die jährliche Zuweisung an Übungsraketen, die seit Einführung des Waffensystems im Jahre 1969 je Werfer pro Jahr 54 Schuß (ca. 9 000 Raketen) betrug, im Zuge von Einsparungsmaßnahmen ab 1973 auf 36 Schuß je Werfer/ Jahr (ca. 6 000 Raketen) gekürzt wurde. Die aufgrund dieser Kürzung verfügbaren 6 000 Raketen reichen aus, die Funktion der gesamten Waffenanlage des Werfers einschließlich sämtlicher 36 Rohre des Raketeneinstell-, -prüf- und -abfeuerungsgerätes (REPAG) und der Verkabelung bis zu den einzelnen Kontakten jeder Rakete einmal im Jahr zu überprüfen. Für die Ausbildung der Kanoniere in der Ladetätigkeit sind Exerzierraketen in ausreichender Anzahl beschafft und an die Truppe verteilt worden. Für die Ausbildung von Beobachtern entfällt jeder Munitionsbedarf, da beim Raketenwerfer 110 SF — im Gegensatz zur Rohrartillerie — kein „Einschießen" erfolgt. Für die Entwicklung und Erprobung eines neuen Schießverfahrens wurden 1973/74 erhebliche Munitionsmengen (ca. 3 000 Stück) erforderlich. Die für diese Entwicklung benötigten 3 000 Raketen mußten aus dem Bestand der Ausbildungsmunition des Jahres genommen werden, so daß der Truppe tatsächlich in diesem Jahr nur 3 000 Raketen für Übungsschießen zur Verfügung stehen. Ein ernsthaftes Absinken des Ausbildungsstandes der Werferbedienungen durch diese Reduzierung ist fast nicht zu verzeichnen. Abschließend bemerke ich, daß ab Ende 1974 wieder die volle Menge von 6 000 Schuß Übungsmunition zur Verfügung steht. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Beermann (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 52) : Welche Förderungsmaßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, um den Mangel an künstlichen Nieren in der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen? Mit der Bereitstellung erheblicher Bundesmittel im Rahmen der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und der Förderung des Ausbaus und Neubaus der Hochschulen einschließlich der Universitätskliniken sind durch die Bundesregierung die Voraussetzungen zur Behebung von Mängeln in einzelnen klinischen Bereichen wesentlich verbessert worden. Nach den verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten obliegt es aber in erster Linie den Ländern, darüber zu entscheiden, in welcher Weise die Hochschulen ausgebaut und die Krankenhäuser geplant werden. Es ist davon auszugehen, daß die Länder bei diesen Maßnahmen dem auch von der Gesundheitsministerkonferenz wiederholt unterstrichenen Mangel an Dialyseplätzen Rechnung tragen. Die Länder werden Ende Februar 1974 über ihre Erfahrungen bei der Aufstellung der Landeskrankenhausbedarfspläne berichten. Dabei wird auch die Frage der notwendigen Bereitstellung zusätzlicher Dialyseplätze erörtert werden. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5243' Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 12. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 53) : Erhält oder erhielt die „Andreas Lembke-Stiftung" bzw. das „Institut für Virusforschung und expertimentelle Medizin" aus Bundesmitteln Zuwendungen, und wenn ja, zu welchen Zwecken? Die Andreas Lembke-Stiftung bzw. das Institut für Virusforschung und experimentelle Medizin erhielt und erhält keine Zuwendung aus meinem Einzelplan. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 54) : Ist die Bundesregierung bereit, die Förderung des Nahverkehrs dahin gehend umzugestalten, daß neben den Ballungsräumen auch kleinere Städte eine ausreichende staatliche Hilfe zur Aufrechterhaltung eines sogenannten Omnibus-Stadtverkehrs erhellen, um über das erträgliche Maß hinausgehende Tariferhöhungen, wie sie im Fall der Stadt Lindau i. B. trotz Ausnutzung aller Rationalisierungsmöglichkeiten durch den Verkehrsträger Bundesbahn, jetzt erfolgen mußten (Steigerungen von 50 % bis 162,5 %) zu vermeiden, und wenn ja, wie wird eine solche Hilfe im Beispielsfall Lindau aussehen? Die Bundesregierung hat wiederholt, u. a. im verkehrspolitischen Programm für die Jahre 1968 bis 1972, im Verkehrsbericht 1970 und vor allem in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 darauf hingewiesen, daß der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiv gestaltet werden muß. Dies gilt generell, also auch für den Nahverkehr in kleineren Städten. Vorschläge zur Erreichung dieses Zieles hat sie im „Konzept zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs" des Bundesministers für Verkehr (Schriftenreihe des Bundesministers für Verkehr, Heft 41) der Öffentlichkeit vorgelegt. Wesentliche Teile davon sind bereits verwirklicht. Dazu gehören insbesondere die Entlastung der Linienverkehrsunternehmen von der Mineralölsteuer durch die Gewährung einer Gasölbetriebsbeihilfe sowie eine Reihe von Maßnahmen im Bereich des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes wie z. B. die Verdoppelung der Finanzhilfen des Bundes durch das Verkehrsfinanzgesetz 1971, die Änderung des Aufteilungsverhältnisses der nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gewährten Mittel zugunsten des ÖPNV von 55 % für den kommunalen Straßenbau und 45 % für den ÖPNV in das neue Verhältnis von 50 : 50, die Erhöhung des Bundesanteils an der Förderung der einzelnen Vorhaben von 50 % auf 60% (im Zonenrandgebiet auf 75 %) der zuwendungsfähigen Kosten zur Erleichterung der Gegenfinanzierung durch Länder und Gemeinden, sowie die Erweiterung des Katalogs der zuwendungsfähigen Vorhaben um den Bau und Ausbau von Betriebshöfen und zentralen Werkstätten. Darüber hinaus sieht der Entwurf des Bundeshaushalts 1974 zusätzlich zu den Mitteln nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 200 Millionen DM für Investitionen im Bereich des ÖPNV vor. Alle diese Hilfen haben allerdings nicht ausgereicht, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten oder wieder herzustellen. Die Bundesregierung hat deshalb zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vorgelegt. Sie sehen vor, daß der Unternehmer einen Ausgleich erhält, wenn und soweit der Ertrag aus dem Verkauf für Zeitfahrausweise, insbesondere für Auszubildende und Berufstätige, zur Deckung der daraus entstehenden Kosten nicht ausreicht. Entsprechend der gesetzlich verankerten Verwaltungskompetenz sehen die Entwürfe vor, daß der Ausgleich vom Land zu gewähren ist, soweit es sich nicht um die Bundesverkehrsanstalten handelt, für die der Bund zuständig ist. Die Gesetzentwürfe liegen zur Zeit dem Bundesrat zur Stellungnahme vor. Die Bundesregierung hofft zuversichtlich, daß die Entwürfe alsbald verabschiedet werden können, damit die Ertragslage der Betriebe im Interesse der Sicherung eines leistungsfähigen Verkehrsangebotes weiter verbessert werden kann. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius (SPD) (Drucksache 7/1661 Fragen B 55 und 56) : Trifft es zu --- wie in der Sendung „Das Rasthaus" vom 18. Januar 1974 behauptet wurde —, daß von seiten der Bundesregierung im Hinblick auf den Einfluß von Geschwindigkeitsbegrenzung und Unfallrückgang lediglich ein Erfahrungsbericht bei der Bundesanstalt für Straßenwesen angefordert wurde? Hat die Bundesregierung eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben, die eindeutige Schlüsse erwarten läßt über die Rückwirkungen der im Zusammenhang mit der Energiekrise verfügten allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung sowie anderer Faktoren auf die Höhe und Art der Unfälle im Straßenverkehr, die zur Beurteilung der Frage einer zukünftigen allgemeinen Regelung der Geschwindigkeiten im Straßenverkehr beitragen kann? Die Bundesanstalt für Straßenwesen ist beauftragt, bevorzugt und vordringlich umfassende Untersuchungen über die Auswirkungen der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen (100 km/h) sowie auf den anderen Außerortsstraßen (80 km/h) durchzuführen. Die Untersuchungen erstrecken sich auf folgende Punkte: Höhe der Geschwindigkeit, Abstandsverhalten, Pulkbildung, Überholvorgänge, Fahrleistungen und insbesondere Art und Umfang des Unfallgeschehens und seiner Ursachen, wobei im einzelnen vor allem der Einfluß aller in Betracht kommenden Faktoren auf die Unfallentwicklung festgestellt werden soll. Auch die Länder werden Zahlen über die Straßenverkehrsunfälle in den Monaten Dezember 1973 und Januar 1974 mit den Vergleichszahlen der entsprechenden Monate der drei vorhergehenden Jahre zur Verfügung stellen. 5244* Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Die Ergebnisse der Bundesanstalt für Straßenwesen wie auch der Länder sollen bis Mitte März 1974 vorliegen. Eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung erfordert angemessene Zeit (s. Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zum Großversuch „Tempo 100"), so daß eine solche Untersuchung kurzfristig nicht erstellt werden kann. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 57) : Ist es richtig, daß nach der Systemstudie „Flugsicherung der 80er Jahre" für die Kapazität des Flughafens Frankfurt Main eine dritte Bahn nicht gebraucht wird, und welche weiteren Maßnahmen in den Bereichen Raumordnung, Verkehr, Wirtschaft und Finanzen wird die Bundesregierung in Abstimmung mit der hessischen Landesregierung ergreifen, um den Flughafen Frankturt/Main als europäischen Luftverkehrsschwerpunkt zu erhalten und zu verbessern? Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand und insbesondere auch dem Inhalt der Studie trifft es nicht zu, daß für eine Erhöhung der Kapazität des Flughafens Frankfurt/Main eine 3. Bahn nicht gebraucht wird. Als eigentliches Ergebnis der Studie ist vielmehr anzusehen, daß nur durch den Neubau einer 3. Bahn eine vernünftige Verbesserung des Luftverkehrs und die auch von der Studie als notwendig angesehene Kapazitätserhöhung erreicht werden kann. Die von der Studie aufgezeigten Planungsalternativen sind hingegen theoretische Überlegungen, die das oben erwähnte Ergebnis nicht in Frage stellen. Auf den Gebieten der Raumordnung und des Verkehrs sind die Planungen für eine Bundesbahnschnellverbindung Köln—Groß Gerau weit fortgeschritten. Damit wird sich das ohnehin bereits recht große und keineswegs nur lokal orientierte Einzugsgebiet für den Flughafen Frankfurt weiter vergrößern. Im übrigen soll durch eine großangelegte Untersuchung eine optimale Führung der DB-Neubaustrecke im Rhein-Main-Gebiet gefunden werden, wobei auch der unmittelbare Anschluß des Frankfurter Flughafens an die Neubaustrecke in die Prüfung einbezogen ist. Die Beteiligung der Stadt Frankfurt, des Landes Hessen und des Bundes an der Flughafen AG läßt erwarten, daß keine ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten eintreten. Die Bedeutung des Flughafens Frankfurt als zentraler Luftverkehrsschwerpunkt wird auch dadurch erhalten und verbessert, daß dem Frachtsektor — trotz gewisser Nachtbetriebsbeschränkungen — die volle Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eine weitere Ausdehnung der derzeitigen Nachtbetriebsbeschränkungen würde sich aber nicht mit Ihrem Anliegen vereinbaren lassen, daß der Frankfurter Flughafen europäischer Luftverkehrsschwerpunkt bleibt. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Baron von Wrangel (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 58) : Ist die Bundesregierung bereit, sielt für einen Ausbau der Zugverbindungen nach Schwarzenbek einzusetzen, zumal Schwarzenbek als Achsenendpunkt eine besondere Bedeutung für die Erschließung des Zonengrenzgebiets in diesem Raum darstellt? Nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn, die nach den Bestimmungen des Bundesbahngesetzes ihren Fahrplan eigenverantwortlich gestaltet, wird Schwarzenbek entsprechend der Verkehrsnachfrage mit Nahverkehrszügen bedient. Die Zugverbindungen in und aus Richtung Hamburg sind auf einen Anschluß an die S-Bahn in Aumühle ausgerichtet. Die Deutsche Bundesbahn hält es auf Grund des derzeitigen Verkehrsaufkommens nicht für wirtschaftlich vertretbar, das Zugangebot zwischen Aumühle und Schwarzenbek zu erhöhen. Auch für eine Verlängerung der S-Bahn bis Schwarzenbek besteht z. Z. kein Erfordernis. Das Gebiet des Hamburger Verkehrsverbundes und damit der Geltungsbereich des Gemeinschaftstarifs ist durch die Verträge vom Hamburger Verkehrsverbund festgelegt. Derzeit wird über eine Revision dieser Verträge zwischen dem Bund und der Freien und Hansestadt Hamburg beraten. Eine Ausdehnung des Geltungsbereichs wird davon abhängen, inwieweit sich das Land Schleswig-Holstein an den 1 Verträgen, vor allem an der Finanzierung beteiligen wird. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Köster (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 59 und 60) : Will die Bundesregierung hinnehmen, daß einerseits eine wirtschaftlich schwache Region in das öffentliche Förderungsprogramm aufgenommen wird, andererseits aber durch die vom Bundesverkehrsminister genehmigte Stillegung der Strecke Münster—Bocholt, der einzigen Strecke, die das Westmünsterland mit seinem Oberzentrum Münster auf dem Schienenweg verbindet, eine Voraussetzung für eine erforderliche Stärkung der Wirtschaftskraft entfällt? Ist die Bundesregierung bereit, die Genehmigung der Stilllegung zu widerrufen und gegebenenfalls über den § 28 a des Bundesbahngesetzes die Deutsche Bundesbahn in die Lage zu versetzen, den Verkehr aufrechtzuerhalten und wo nötig zu verbessern, bevor die Wirtschaftskraft des Raums so geschwächt ist, daß Notmaßnahmen Platz greifen müssen? Es trifft nicht zu, daß der Bundesminister für Verkehr die Stillegung der Strecke Münster—Bocholt genehmigt hat. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat lediglich die Genehmigung erhalten, den Reisezugbetrieb der Teilstrecke Coesfeld—Bocholt (—Isselburg—Anholt) für dauernd einzustellen. Die Erfahrung bei einer Vielzahl von Stillegungen hat gezeigt, daß in keinem Fall die Einstellung des Reise- Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5245* zugbetriebes einer Strecke zu einer Schwächung der Wirtschaftskraft einer Region geführt hat. Im Gegenteil konnte vielfach eine Zunahme der Reisendenzahlen festgestellt werden, die auf die verkehrsmäßig bessere Erschließung des Einzugsgebietes durch Busse zurückzuführen war. Im übrigen handelt es sich im vorliegenden Falle ohnehin nur um einen Restverkehr, der noch auf der Schiene abgewickelt wird, Der weitaus größte Teil der Reisenden benutzt heute bereits den Straßenbus, z. B. auf der Teilstrecke Bocholt—Borken rd. 2 800 Reisende. Auf der Schiene werden im selben Abschnitt nur rd. 350 Reisende befördert. An Sonntagen wird bereits der gesamte Reiseverkehr auf der Straße abgewickelt. Die Deutsche Bundesbahn sah sich bereits vor Jahren wegen des stark rückläufigen Reiseverkehrs zur Einrichtung der Buslinien gezwungen, die dann auch von der Bevölkerung gut angenommen wurden. Aus diesen Gründen konnte auch nicht in Erwägung gezogen werden, den Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn abzulehnen und den nur schwach ausgenutzten Verkehr auf der Schiene mit Steuermitteln aufrechtzuerhalten. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Möhring (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 61): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, an den Abfahrtsschildern der Bundesautobahnen im Bereich der innerdeutschen Grenze (z. B. Autobahn Hamburg—Hannover und weitere südliche Streckenführung) auch zusätzliche Hinweise auf den nächstgelegenen Übergang zur DDR anbringen zu lassen? An den Transitautobahnen nach Berlin und anderen Orten in der DDR sind Hinweise auf die Übergänge zur DDR vorhanden. An den entlang der Grenze zur DDR verlaufenden Bundesautobahnen wird nicht auf die nach dem Grundvertrag neugeschaffenen Übergänge zur DDR hingewiesen. Maßgebend für die Beschilderung an Autobahnanschlußstellen ist die Straßenverkehrsordnung, die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung und die Richtlinien für die wegweisende Beschilderung an Bundesautobahnen. Danach sind Ausfahrtziele solche Zielorte, die nach Verlassen der Autobahn über das nachgeordnete Straßennetz erreicht werden. Als Ausfahrtziele sollen dabei Fern- und Nahziele der angeschlossenen Straße oder anderer verkehrswichtiger Orte im Einzugsbereich der Anschlußstelle angezeigt werden. In den Autobahn-Anschlußstellen neben den Ausfahrtzielen auch noch einen besonderen Hinweis auf die nach dem Grundvertrag neugeschaffenen Übergänge im kleinen Grenzverkehr zur DDR anzubringen, ist unzweckmäßig, da diese Grenzübergänge von mehreren Autobahn-Anschlußstellen aus angefahren werden können, von diesen z. T. sehr weit entfernt sind und diese Grenzübergänge lediglich für den grenznahen Vekehr gedacht sind. Somit dürften derartige Hinweise für den Fernverkehr auf Autobahnen ohne Bedeutung sein und unter Umständen zu Irreführungen Anlaß geben. Die Bundesregierung sieht daher keine Möglichkeit, in Autobahn-Anschlußstellen zusätzliche Hinweise auf diese Übergänge zur DDR anbringen zu lassen. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Rollmann (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 62 und 63) : Für wann plant die Bundesregierung den längst fälligen Anschluß Geesthachts an das Hamburger Nahverkehrsnetz durch den Bau einer S-Bahn? Für wann plant die Bundesregierung, die Bundesstraße 5 um Geesthacht herumzuführen, um damit den innerstädtischen Verkehr von Geesthacht zu entlasten? Zu Frage B 62: Der Hamburger Verkehrs- und Tarifverbund (HVV) hat zwar dem Vernehmen nach unter Hinzuziehung der DB Erhebungen für eine S-Bahnverbindung von Bergedorf nach Geesthacht durchgeführt. An die Bundesregierung ist dieses Vorhaben bisher weder von der Landesregierung Schleswig-Holstein noch von der DB herangetragen worden. Nach Ansicht der Beteiligten besteht z. Z. auch noch kein Erfordernis, dieses Vorhaben durchzuführen. Im verkehrspolitischen Programm der Landesregierung Schleswig-Holstein vom Oktober 1973 ist dieser Ausbau erst in der 3. Dringlichkeitsstufe vorgesehen. Ohne entsprechende Anträge nach den Vorschriften des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, initiativ tätig zu werden. Zu Frage B 63: Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen enthält die Umgehungsstraße Geesthacht im Zuge der B 5 als Maßnahme der Dringlichkeitsstufe II. Nach Lage der Dinge kann damit diese Planung erst nach 1985 verwirklicht werden. Indessen ist im Einvernehmen zwischen dem BMV und dem gem. Art. 90 Grundgesetz als Auftragsbehörde für den Bund tätigen Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein beabsichtigt, den westlich der B 404 liegenden Teil der geplanten Umgehungsstraße in Dringlichkeitsstufe I des Bedarfsplanes aufzunehmen. Dieser Abschnitt dient der verkehrlichen Entlastung desjenigen Teils der Ortsdurchfahrt Geesthacht im Zuge der B 5, für den bislang ein vierspuriger Ausbau vorgesehen war, der dadurch entbehrlich wird. Der östlich anschließende Teil der Ortsdurchfahrt ist bereits vierspurig ausgebaut. 5246* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 Die Änderung des Bedarfsplanes ist gem. der in § 4 des „Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1973 bis 1985 vom 30. Juni 1971" nach Ablauf von jeweils 5 Jahren vorgeschriebenen Prüfung frühestens 1976 möglich. Die Verwirklichung des oben genannten Teilabschnitts der Umgehungsstraße Geesthacht im Zuge der B 5 kann somit erst nach diesem Zeitpunkt in Betracht gezogen werden. Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretär Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 64 und 65) : Hält die Bundesregierung trotz der Energiesituation und der Geschwindigkeitsbegrenzung sowie der kurvenreichen und engen Straßenverhältnisse der Bundesstraße B 22 von Hollfeld nach Bayreuth und der engen und kurvenreichen Staatsstraße Plankenfels—Bayreuth an dem Beschluß über die Stillegung der Nebenbahnstrecke Hollfeld—Bayreuth fest? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung nunmehr Tiber die Zukunft der Nebenbahnstrecke Ebermannstadt-Behringersmühle unter Berücksichtigung der schlecht ausgebauten Straßenverhältnisse und der derzeitigen Energielage, und bestehen außerdem Pläne, auch die Strecke Forchheim-Ebermannstadt stillzulegen? Zu Frage B 64: Ja, sie hält an der getroffenen Entscheidung fest. Auf der Nebenbahn Bayreuth–Hollfeld sind dieselbetriebene Fahrzeuge im Einsatz, die bei geringer Auslastung mehr Brennkraftstoff verbrauchen, als die zur Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses erforderlichen Kraftomnibusse. Der geringe zusätzliche Verkehr bei Verlagerung des Reiseverkehrs kann nach den Angaben der zuständigen Straßenbaubehörden ohne Schwierigkeiten von den vorhandenen Straßen aufgenommen werden. Darüber hinaus wird bei Einstellung des Betriebes ein Teil der Eisenbahntrasse für Straßenbaumaßnahmen verwendet werden. Für die Bundesregierung besteht aus den vorerwähnten Gründen kein Anlaß, an dem Beschluß über die Stillegung der Nebenbahn Bayreuth–Hollfeld nicht festzuhalten. Zu Frage B 65: Das Einzugsgebiet der Nebenbahn EbermannstadtBehringersmühle und der gesamte Großraum Forchhem-Bamberg–Bayreuth ist von einem dichten Omnibusliniennetz erschlossen, das eine wesentlich ortsnähere Bedienung als das Schienennetz und ein unmittelbare Verbindung zu den größeren Städten Nürnberg, Bayreuth und Bamberg bietet. In Zusammenarbeit der beteiligten Verkehrsträger (Deutsche Bundesbahn, Deutsche Bundespost und private Unternehmen) mit den örtlichen Stellen soll eine Gesamtplanung für die Busbedienung dieses Raumes erarbeitet werden, die auch die Verlagerung des Schienenreiseverkehrs der Nebenbahn Ebermannstadt–Behringermühle mit einbezieht. Ziel dieser Lösung ist die Verbesserung der gesamten Verkehrsbedienung dieses Raumes. Die Energiesituation erlaubt hierbei keine andere Betrachtungsweise. Auf der vorgenannten Nebenbahn sind dieselbetriebene Fahrzeuge eingesetzt, die bei geringer Auslastung mehr Brennkraftstoff verbrauchen, als die für die Beförderung der Reisenden erforderlichen Straßenomnibusse. Darüber hinaus wird die Mehrbelastung der in Frage kommenden Straßen durch die wenigen zusätzlichen Busfahrten über den Tag verteilt die Verkehrsabwicklung in diesem Bereich nicht beeinträchtigen. Nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn bestehen keine Pläne, den Betrieb auf der Strecke Forchheim–Ebermannstadt einzuschränken. Anlage 77 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 66): Bestehen bei der Deutschen Bundesbahn Pläne, den Personenverkehr auf der Strecke Wetzlar—Lollar einzustellen, und kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, ob zu diesen Plänen die betroffenen Städte, Gemeinden, Landkreise und die Regionale Planungsgemeinschaft Mittelhessen gehört worden sind? Die Deutsche Bundesbahn hat sich zum Ziel gesetzt, ihr Leistungsangebot den Erfordernissen des Verkehrsmarktes anzupassen. Dies geschieht durch Streckenneu- und ausbau dort, wo die Grenze der Kapazität erreicht ist, und durch eine Konzentration auf die Bereiche, in denen die Leistungsvorteile der Eisenbahn voll zum Tragen kommen. Dazu gehört auch die Überprüfung der Strecken, deren Verkehrsaufkommen sehr schwach ist. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird von der Deutschen Bundesbahn die Strecke Wetzlar—Lollar überprüft. Ob die Verlagerung des Reiseverkehrs von der Schiene auf die Straße zu einem wirtschaftlichen Erfolg führt, wird sich erst nach Abschluß der Untersuchung ergeben. Erst dann wird der Vorstand der Deutschen Bundesbahn entscheiden, ob ein Stillegungsverfahren nach Bundesbahngesetz eingeleitet werden wird. In einem solchen Verfahren wird den obersten Landesverkehrsbehörden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die wiederum die Beteiligten — in diesem Falle auch die von Ihnen genannten Städte und Gemeinden — hören wird. Anlage 78 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 13. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 67): Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5247* Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, im Sinn ihres Verkehrskonzepts, nämlich der Verbesserung und Erweiterung des öffentlichen Personennahverkehrs, die Bundesbahnstrecke Troisdorf—Au—Betzdorf—Weidenau zu elektrifizieren, und wann ist mit der Inangriffnahme dieser Maßnahme zu rechnen? In Übereinstimmung mit den im „Kursbuch für die Verkehrspolitik" sowie im Bundesverkehrswegeplan entwickelten verkehrspolitischen Konzeptionen beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn, die Umstellung der Strecke Troisdorf—Betzdorf—Siegen/ Haiger auf elektrische Zugbeförderungsart durchzuführen. Die Deutsche Bundesbahn erstellt hierzu z. Z. eine Wirtschaftlichkeitsrechnung. Anhand der Ergebnisse wird sie die Konditionen für die Finanzierungssicherung durch die beteiligten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen ermitteln. Erst im Anschluß daran kann die Frage einer Einstellung des Vorhabens in den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn behandelt werden. Mit einem Beginn der Bauarbeiten ist daher nicht vor 1975 zu rechnen. Die Elektrifizierung der Siegstrecke wird nicht nur eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs auf der Schiene bedeuten, sondern auch den Fernverkehr für Personen und Güter in seiner Attraktivität und Leistungsfähigkeit weiter steigern. Anlage 79 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Baier (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 68 und 69) : Bestätigt die Bundesregierung die Veröffentlichung im Bundesbaublatt Juni 1973 „So wohnt Europa", wonach die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die erstellten Eigenheime mit einem Anteil von 34 Eigenheimen an je 100 Wohnungen an letzter Stelle in der Europäischen Gemeinschaft steht? Trifft es zu, daß auch in der Bundesrepublik Deutschland das Bestreben, ein Eigenheim zu besitzen, weitaus größer ist als die Zahl der vorhandenen bzw. jährlich neuerstellten Eigenheime, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dieses Bestreben nachhaltig zu unterstützen? Das unter der Überschrift „So wohnt Europa" im Bundesbaublatt vom Juni 1973 abgedruckte Schaubild beruht auf Angaben im „Jahrbuch der Sozialstatistik" des Statistischen Amts der Europäischen Gemeinschaften (Jahrgang 1972). Es handelt sich um Angaben über den Anteil der Wohnungen im Eigentum der Bewohner am gesamten Wohnungsbestand „um das Jahr 1970". Das Statistische Amt der EG selbst weist jedoch in den Vorbemerkungen vorsorglich darauf hin, daß eine strenge Vergleichbarkeit der Angaben nicht gegeben ist. Dabei ist wohl an definitorische Unterschiede in den Zählungskonzepten der einzelnen Länder zu denken, die jeden internationalen Vergleich erschweren. In der Tendenz trifft aber wohl die Aussage zu, daß die Bundesrepublik traditionell über einen relativ hohen Anteil an Mietwohnungen verfügt, was zum Teil natürlich mit dem Grad der Industrialisierung und Verstädterung, zum Teil aber auch mit Wohngewohnheiten zusammenhängt. Sicher ist die Zahl derer, die gern ein Eigenheim hätten, größer als die Zahl derer, die das Ziel, ein Eigenheim zu erwerben, mit konkreten Schritten und entsprechenden eigenen Anstrengungen verfolgen. Die wirtschaftlichen Daten — von den vor allem in Verdichtungsräumen hohen Bodenpreisen über die Baukosten bis zu den Kapitalkosten - führen dabei noch mehr als bei Gütern mit geringeren Anschaffungskosten und geringerer Lebensdauer zwangsläufig zu einer Begrenzung der Wunschvorstellungen. Bund, Länder und Gemeinden fördern aber gerade den Eigenheimbau in besonders hohem Maße durch direkte Hilfen und Einnahmeverzichte. 1. Vor allem die Bausparförderung, die überwiegend dem Eigenheimbau zugute kommt, gewinnt von Jahr zu Jahr zunehmendes Gewicht. Nach dem Vierten Subventionsbericht der Bundesregierung (Drucksache 7/1144) betrugen 1972 allein die Ausgaben des Bundes für Wohnungsbauprämien 1,25 Milliarden DM. Zusammen mit den entsprechenden Ausgaben der Länder und den Steuermindereinnahmen auf Grund der steuerlichen Begünstigung von Beiträgen an Bausparkassen ergab sich bereits für 1972 ein Gesamtaufwand für die Bausparförderung von rd. 3,2 Mrd. DM (zum Vergleich 1966: 1,75 Mrd. DM). 2. Auch mit der vorwiegend dem Eigenheimbau zugute kommenden Vorschrift des § 7 b EStG leistet die öffentliche Hand in erheblichem Maße (vorläufige oder endgültige) Steuerverzichte. Diese Steuerverzichte sind im Vierten Subventionsbericht für 1972 mit 960 Millionen DM veranschlagt. 3. Auf die Bedeutung des Eigenheimbaues im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues wird jeweils in den Jahresberichten des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau näher eingegangen. Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz sieht im übrigen eine gesteigerte Berücksichtigung des Wohnungseigentums (Eigenheime und eigengenutzte Eigentumswohnungen) und die Einführung des sogenannten Wohnbesitzbriefes im sozialen Wohnungsbau vor. 4. Schließlich ist auf weitere Hilfen, wie die Grundsteuervergünstigung, die Grunderwerbsteuerbefreiung und das Wohngeld, zu verweisen, die auch Bauherren und Erwerbern von Eigenheimen zugute kommen. Anlage 80 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Slotta (SPD) (Drucksache 7/1661 Fragen B 70 und 71): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Anwendung von baulichem Wärmeschutz im Hochbau erhebliche Mengen an Energie einspart und dadurch den Heizaufwand des einzelnen Kostenträgers für die gesamte Dauer der Benutzung niedrig hält, den volkswirtschaftlichen Schaden mindert und schließlich die Umweltbelastung verringert, und verfügt die Bundesregierung über statistisches Material, das die Angaben aus der Praxis — wie der Bund deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e. V., Landesverband Saar, in einem Fernsehfilm dargelegt hat — bestätigt, nach denen durch eine Erhöhung der Baukosten um 1% bis 2 % die Heizkosten bis zu 40 % gesenkt werden können? Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß durch ihr Einwirken auf die einschlägigen Vorschriften eine Verbesserung des baulichen Wärmeschutzes erreicht werden sollte, weil eine solche Maßnahme in ein umfassendes energiepolitisches Konzept gehört? Zu Frage B 70: Die Bundesregierung hat die in Ihrer Frage dargelegten Sachverhalte in den vergangenen Monaten eingehend geprüft. Sie war hierzu um so leichter in der Lage, als sie auf eine Reihe diesbezüglicher Forschungsergebnisse und Vergleichsuntersuchungen zurückgreifen konnte. Sie bestätigt im wesentlichen Ihre Ausführungen und bemerkt hierzu im einzelnen: Die heute geltenden Anforderungen im Wärmeschutz im Hochbau sind bauaufsichtliche Mindestanforderungen. Dieser Wärmeschutz hat sich bautechnisch bewährt, ist aber insbesondere unter Berücksichtigung der gestiegenen Energiekosten unwirtschaftlich. Eine Erhöhung der Anforderungen für die wärmetechnische Ausbildung der Bauteile und Gebäude erscheint erforderlich; das Maß dieser Erhöhung ist z. Z. Gegenstand näherer Prüfungen. Bei wirtschaftlicher Auslegung des Wärmeschutzes werden die Energieeinsparungen im üblichen Wohnungsbau mit rd. 20 v. H. bis rd. 33 v. H. angenommen. Bauphysikalische Vergleichsuntersuchungen bestätigen aufgrund von Messungen und theoretischen Arbeiten diese Schätzung. Auch die Erhöhung der Baukosten durch eine Verbesserung des Wärmeschutzes wurde in den vergangenen Jahren untersucht. Hierbei dürfte die Größenordnung bezüglich der Angaben aus der in der Anfrage angeführten Fernsehsendung zutreffend sein. Zur Zeit wird eine Überprüfung aufgrund der derzeitigen Baupreissituation vorgenommen. Ein erhöhter Wärmeschutz für Gebäude ist umweltfreundlich, da er geringere Energie- und Schadstoffemissionen an die Umwelt verursacht. Zu Frage B 71: Die Bundesregierung ist bemüht, in den einschlägigen Vorschriften eine Verbesserung des baulichen Wärmeschutzes zu erreichen. Die Prüfung der gegebenen Möglichkeiten konnte noch nicht abgeschlossen werden. Die Bundesregierung hat auf dem Erlaßwege für Bauten in ihrem Bereich eine Erhöhung der wärmeschutztechnischen Anforderungen eingeleitet. Sie wird für den Bereich des sozialen Wohnungsbaues mit den Ländern den Gesamtkomplex eingehend beraten. Die Einsatzrichtlinien des Bundes für den sozialen Wohnungsbau (Fassung Dezember 1972) haben bislang schon einschränkende Anforderungen für den spezifischen Wärmebedarf der Wohngebäude enthalten. Für den allgemeinen Hochbau wird z. Z. unter Beteiligung des Bundes in der Fachkommission „Bauaufsicht" der ARGEBAU eine Erhöhung des Wärmeschutzes überprüft. Hierbei ist zu bemerken, daß das Bauordnungsrecht in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung entsprechende Aktivitäten in Normungs- und Fachgremien, um schnellstmöglich bautechnische Empfehlungen für Anwendungen in der Praxis bereitzustellen. Eine Reihe weiterer wichtiger Fragestellungen zu Energieeinsparungen im Hochbau durch bessere Wärmeschutzmaßnahmen wird durch die Fortsetzung und Initiierung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben vorrangig weiter untersucht. Anlage 81 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 15. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 72) : Ist die Bundesregierung bereit, die aus der Mineralpreiserhöhung und die durch andere unerwartete, unverschuldete und unzumutbare Kostensteigerungen entstandenen Mehrbelastungen hei zu Festpreisen übernommenen Bauaufträgen des Bundes anzuerkennen und die daraus resultierenden Anpassungen zu genehmigen, soweit die von der jeweiligen Firma nicht zu vertretenden Mehraufwendungen einen Umfang erreicht haben, der eine Ausführung des Auftrags unzumutbar werden läßt? Die Bundesregierung geht bei der Anpassung der Vergütung bei Bauaufträgen des Bundes an die Mehrbelastungen des Auftragnehmers infolge von Preiserhöhungen bei Mineralölerzeugnissen von den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 242 BGB aus. In den bisher im Bereich des Bundesministers für Verkehr aufgetretenen Fällen hat sich die Bundesregierung bereit erklärt, die Frage einer Anpassung der Vergütung zu prüfen, wenn die Mehraufwendungen 10' v. H. der Abrechnungssumme überschreiten werden. Die Anpassung der Vergütung kann nur nach Prüfung eines jeden Einzelfalles erfolgen. Dabei hat der Auftragnehmer den Nachweis über Grund und Höhe eines etwaigen Anpassungsanspruchs zu führen. Sollten die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vorliegen, kann ausnahmsweise eine Anpassung der Vergütung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BHO über eine Vertragsänderung zum Nachteil des Bundes in Betracht kommen. Nach den vorläufigen Verwaltungsvorschriften Nr. 1.4 zu § 58 BHO (MinBlFin 1973 S. 190) ist jedoch insoweit Voraussetzung, daß den Auftragnehmer ein Festhalten am Vertrag nach Lage des Einzelfalles unbillig benachteiligen würde, weil sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse bei Vertragserfüllung infolge ihm nicht zuzurechnender Umstände erheblich verschlechterten. Anlage 82 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 73): Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Bereich der Kohleforschung unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der nuklearen Prozeßwärme zur Kohleveredlung, und was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um möglichst schnell den Bau von Hochtemperaturreaktoren zur Erzeugung nuklearer Prozeßwärme in Angriff zu nehmen? Die Bundesregierung ist über die Bemühungen der Vereinigten Staaten im Bereich der Kohleveredlung unterrichtet. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den Ländern mit größeren Kohlevorkommen. Da sie von jeher eine führende Rolle in der Technologie der Gewinnung, Aufbereitung und Veredlung von Kohle einnahm, hält die Bundesregierung es für notwendig, durch eigene Anstrengungen die Fähigkeit zu internationaler Kooperation zu erhalten. Die Bereitschaft hierzu wurde im Rahmenprogramm Energieforschung hervorgehoben. Die Vereinigten Staaten bereiten zur Zeit umfangreiche Programme im Bereich der Kohleveredlung vor. Die Bundesregierung beabsichtigt, sich in den Monaten Februar/März 1974 ein genaues Bild vom Stand dieser Bemühungen zu machen. Sie ist davon überzeugt, daß durch gemeinsame Anstrengungen ein besonders effektiver Einsatz der Mittel erreicht wird. Die Bundesregierung wird sich daher bemühen, zu einer umfassenden Kooperation auf diesem Gebiet zu gelangen. Das vom Bundesministerium für Forschung und Technologie geförderte Programm „Entwicklung von Verfahren zur Umwandlung fester fossiler Rohstoffe mit Wärme aus Hochtemperaturreaktoren" zielt in der ersten Phase auf die Erstellung baureifer Unterlagen für großtechnische nukleare Kohlevergasungsanlagen ab. Die im Programm bisher vorgesehenen reaktortechnischen Arbeiten der Kernforschungsanlage Jülich sollen durch ein von der Reaktorindustrie durchzuführendes reaktortechnisches Entwicklungsprogramm ergänzt werden. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie hat Untersuchungen über Gegenstand und Umfang dieses ergänzenden Programms eingeleitet und wird hierbei als wesentlichen Punkt auch die Überprüfung des Terminplanes des Gesamtprogramms ansehen. Die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den USA auf dem Gebiet der nuklearen Kohleveredlung wird maßgeblich von der verfahrenstechnischen Seite her vorgegeben. Die industriellen Voraussetzungen für eine deutsch-amerikanische Zusammenarbeit auf der Basis der in den USA bisher primär privatwirtschaftlich verfolgten nuklearen Veredelungsverfahren, die auf das amerikanische Hochtemperaturreaktor-Konzept abgestellt sind, sind durch die vorhandenen Bindungen der ideutschen und amerikanischen Hochtemperaturreaktor-Baufirmen gegeben. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie sieht vor, sich im Zusammenhang mit der Überprüfung des deutschen Programms auch eingehend über weitergehende amerikanische Programmvorstellungen zu informieren im Hinblick auf Möglichkeiten und Zweckmäßigkeiten einer vertieften deutsch-amerikanischen Kooperation. Anlage 83 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeffermann (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 74 und 75): Auf Grund welcher Untersuchungen, die allgemein zugänglich sind, ist das Bundesforschungsministerium der Ansicht, daß dis im Rahmen der europäischen Weltraumpolitik geförderte Projekt eines Weltraumlabors einen größeren gesellschaftlichen Nutzen aufweist als die Entwicklung eigener europäischer Trägerraketen? Was hat die Bundesregierung unternommen, um Projekte im Bereich der Energieforschung international durchzuführen und zu finanzieren, und wie beurteilt sie in diesem Zusammenhang insbesondere den weiteren Ausbau der deutsch-schweizerischen Kooperation im Bereich der Hochtemperaturentwicklung zu einem gemeinsamen deutsch-schweizerisch-amerikanischen Projekt? Zu Frage B 74: In den Beratungen der Europäischen Weltraumkonferenzen der letzten Jahre hat die Bundesregierung die Entwicklung eigener europäischer Trägerraketen und die Beteiligung am Apollo-Nachfolgeprogramm nicht als Alternativen betrachtet. Das zeigen die Programmbeschlüsse vom 31. Juli 1973, die dem wesentlichen Ziel ,der deutschen Weltraumpolitik Rechnung tragen, nämlich die europäisch-amerikanische Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzung des Weltraumes auf die bemannte Raumfahrt auszudehnen, aber gleichzeitig für den Fall, daß sich die amerikanische Trägerzusage für europäische Anwendungssatelliten auf die Dauer als nicht ausreichend erweisen sollte, eine begrenzte Beteiligung an dem französischen ARIANE-Trägerprogramm vorzusehen. Die neun, im Rahmen der ESRO an der Entwicklung des Raumlaboratoriums SPACELAB beteiligten europäischen Staaten stimmen mit den USA überein, ,daß die nach umfangreichen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von der amerikanischen Regierung beschlossene Entwicklung des wiederverwendbaren Transportsystems SPACE SHUTTLE, zu dem auch das SPACELAB als integraler Bestandteil gehört, Anwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten eröffnet, die mit konventionellen Transportsystemen und unbemannten Raumflugkörpern überhaupt nicht oder aber nur auf sehr unwirtschaftliche Weise zu eröffnen wären. Eine Weiterführung der bisherigen europäischen ELDO-Trägerprogramme hätte zu weiteren, hohen Investitionen geführt, die finanziell und politisch nicht zu rechtfertigen gewesen wären, weil die Entwicklung konventioneller Träger nur den Nachvollzug einer Entwicklung bedeutet hätte, die in den USA aus wirtschaftlichen Erwägungen bereits abgeschlossen worden 5250* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 ist. Hinzu kommt daß der europäische Bedarf und die weltweiten Marktchancen eigener Träger im Hinblick auf die Überlegenheit amerikanischer Produkte gering ist. Dem steht gegenüber, daß die Zusage der USA, Europa Träger für eigene Zwecke zu liefern, zwar nach deutscher Auffassung ausreichend ist, daß ihre Bewährung in der Praxis jedoch erst abgewartet werden muß. Außerdem werden durch die Beschränkung der europäischen Trägeraktivitäten Mittel und Kapazitäten frei, das Angebot der USA, das SPACELAB zu entwickeln, realisieren zu können. Damit eröffnet sich Europa die Möglichkeit, in eine andere Dimension der Forschung und Nutzung des Weltraumes vorzustoßen. Der europäischen Industrie wird die Chance geboten, eigene Erfahrungen in der bemannten Raumfahrt zu sammeln und an dem technologisch fortschrittlichsten Raumfahrtprojekt der Zukunft teilzunehmen. Das ganze Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten des SPACELAB ist noch keineswegs ausgelotet. Studien der ESRO und der Teilnehmerstaaten beschäftigen sich zur Zeit damit. In Betracht kommen neben wissenschaftlichen Aufgaben die Erderkundung, die Meteorologie, Verfahrensforschung für industrielle Zwecke und Tests unter Weltraumbedingungen. Die gesellschaftspolitische Relevanz dieser Tätigkeiten liegt auf der Hand. Schließlich ist das SPACELAB für die Europäer der Anfang einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den großen Weltraummächten bei der weiteren Erforschung und Nutzung des Weltraumes. Zu Frage B 75: Die Bemühungen der Bundesregierung um eine Intensivierung der Forschungszusammenarbeit im europäischen Rahmen haben entscheidend dazu beigetragen, daß ,der Rat der Europäischen Gemeinschaften am 14. 1. 1974 mit der Verabschiedung des wissenschaftlich-technologischen Aktionsprogramms der Gemeinschaft die Grundlage für die Entwicklung und Durchführung gemeinsamer Programme und Projekte auch außerhalb des Euratom-Vertrages geschaffen hat. Die Bundesregierung wird sich besonders dafür einsetzen, daß mit Hilfe der neu geschaffenen Mechanismen vor allen Dingen auf dem Gebiet der Energieforschung möglichst rasch eine wirksame Zusammenarbeit zustande kommt. Im übrigen hat die Bundesregierung bereits bei einer Reihe ihrer wichtigsten Forschungs- und Entwicklungsprojekte (z. B. Schnelle Brüter, Urananreicherung) eine enge europäische Zusammenarbeit verwirklicht. Die Antwort auf die große Anfrage zur Forschungspolitik vom 23. 11. 1973 (Drucks. 7/1279) hat darüber im einzelnen berichtet. Die Entwicklung der Hochtemperaturreaktoren in der Bundesrepublik Deutschland war bereits sehr früh in eine europäische Zusammenarbeit eingebettet; die geringe Bereitschaft der Partner im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, sich in der weiteren Entwicklung der Hochtemperaturreaktoren (insbesondere HHT-Programm) stärker zu engagieren, hat dazu gezwungen, andere geeignete Partner zu interessieren, um so die technische, finanzielle und industrielle Basis dieser Entwicklungslinie zu verbreitern. Dies ist durch eine kürzlich vertraglich vereinbarte 10 %ige Beteiligung der Schweiz an der ersten Phase des deutschen HHT-Programms mit einer möglichen Beteiligung in den weiteren Phasen dieses Programms gelungen. Außerdem werden in Übereinstimmung mit den Schweizer Partnern die Möglichkeiten einer Beteiligung der amerikanischen Firma Gulf am HHT-Programm untersucht. Eine stärkere Verbindung der Entwicklung der Hochtemperaturreaktoren mit den amerikanischen Anstrengungen könnte nach Auffassung der Bundesregierung angesichts des jetzt auch auf amerikanischer Seite anerkannten breiten Anwendungspotentials der Hochtemperaturreaktoren (nukleare Prozeßwärme, Kohlevergasung usw.) dieser Reaktorlinie eher zum Durchbruch verhelfen. Anlage 84 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 76) : Ist eine in der Schweiz veröffentlichte Untersuchung zutreffend, wonach Ferngespräche über eine Distanz von mehr als 210 km in der Schweiz, in Frankreich, in Großbritannien, in den USA und in den Niederlanden wesentlich billiger sind als im Bereich der Deutschen Bundespost? Es trifft zu, daß die Gebühren für Ferngespräche über eine Entfernung von mehr als 210 km in den erwähnten Ländern geringer sind als in der Bundesrepublik Deutschland. Internationale Gebührenvergleiche sind jedoch äußerst schwierig und problematisch, weil stets darauf zu achten wäre, nur vergleichbare Daten gegenüberzustellen. Effektivitätsvergleiche zwischen den nationalen Postdiensten sind wegen der Vielfalt der zu berücksichtigenden Faktoren praktisch unmöglich. Insbesondere beeinflussen starke Schwankungen der Währungsparitäten (z. B. beim Floaten) internationale Gebührenvergleiche. Allein durch die Änderungen ,der Währungsparitäten der letzten Monate haben sich ohne Gebührenmaßnahmen die Gebühren der Deutschen Bundespost im internationalen Vergleich „scheinbar" um 15 v. H. erhöht. Die Kostenstrukturen sind in den einzelnen Ländern sehr verschieden. So arbeiten z. B. die Schweizerischen PTT-Betriebe aufgrund einer doppelt so hohen Verkehrsdichte pro 100 Einwohner im Post- und Fernmeldewesen mit erheblichen Kostenvorteilen. Die Haushalte verschiedener Post- und Fernmeldeverwaltungen sind Teil der allgemeinen Staatshaushalte. Durch Einnahmen nicht gedeckte Ausgaben werden dort durch Steuern abgedeckt. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 5251* Die Deutsche Bundespost dagegen muß ihre sämtlichen Ausgaben selbst erwirtschaften. Einzelne Volkswirtschaften stellen ihren Post- und Fernmeldeverwaltungen nahezu das gesamte benötigte Kapital zinslos zur Verfügung. Die Aufwandsrechnung der Deutschen Bundespost von 1972 ist dagegen mit Zinsaufwendungen in Höhe von fast 1,7 Mrd. DM für geliehenes Kapital belastet. Die Unterschiede in der Dienstleistungsstruktur sind im Fernsprechdienst besonders ausgeprägt durch Differenzierungen in der — Ausdehnung der Ortsnetze, — Staffelung der Grundgebühr, — Einteilung der Fernzonen, — Einzelgesprächszählungen, Pauschal- oder Teilpauschalgebühr bei Ortsgesprächen, — Zeitimpulszählung oder zeitunabhängige Zählung bei Ortsgesprächen, — Beginn der gebührenpflichtigen Zeitzählung beim Zustandekommen der Verbindung oder beim Abheben des Handapparates oder beim Beginn des Wählens, — Automatisierung, — Technik und Dienstgüte, — Entwicklung der Nebenstellentechnik, — Dichte der Hauptanschlüsse. Anlage 85 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 14. Februar 1974 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Fragen B 77 und 78) : Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost erwägt, den Postzeitungsdienst stark einzuschränken und insbesondere den Vertrieb von Fachzeitschriften zu reduzieren? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß bei rigoroser Einschränkung des Postzeitungsdienstes besonders die Informations- und Bildungsmöglichkeiten der Menschen im ländlichen Raum in unvertretbarem Maße beeinträchtigt würden, und wie ist dies gegebenenfalls mit der Forderung der Bundesregierung nach Chancengleichheit im Bereich von Bildung und Ausbildung zu vereinbaren? 1. Der Postzeitungsdienst schloß im Jahre 1972 mit einer Kostenunterdeckung von 468 Millionen DM ab. Der Kostendeckungsgrad lag bei 34 v. H. Trotz der zum 1. Januar 1975 vorgesehenen Gebührenerhöhung wird sich der Kostendeckungsgrad kaum verbessern; der absolute Betrag der Unterdeckung wird voraussichtlich auf über 600 Millionen DM anwachsen. Bei dieser Situation muß die Deutsche Bundespost untersuchen, ob der Postzeitungsdienst in seiner derzeitigen Form beibehalten werden kann. Zu diesem Zweck wurde auch eine Kommission „Post/ Verleger" ins Leben gerufen, in der alle denkbaren und sinnvollen Möglichkeiten der Kostensenkung oder Ertragssteigerung erörtert werden sollen. Ob das wirtschaftliche Ergebnis des Postzeitungsdienstes nur durch Einschränkungen dieses Dienstes entscheidend verbessert werden kann und welche Einschränkungen realisierbar sind, muß die Arbeit in der Kommission zeigen. 2. Die Bundesregierung wird darauf achten, daß keine unvertretbare Benachteiligung der Menschen im ländlichen Raum eintritt. Anlage 86 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Walz (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 79) : Nach postalischen Erfahrungen im Januar 1974 (von 1 600 Einladungen für eine Landestagung brauchten mehr als 40 % von Bonn nach Darmstadt, Hanau, Offenbach und Nordhessen neun Tage und mehr, so daß die Empfänger zu ihrem berechtigten Zorn nicht mehr teilnehmen konnten) frage ich die Bundesregierung, ob die Gebühren künftig proportional zur Beförderungsdauer weiter ansteigen sollen? Die Bundesregierung sieht keinen sachlichen Zusammenhang zwischen in Einzelfällen auftretenden längeren Laufzeiten und Änderungen der Gebühren für Massendrucksachen. In Ihrem Schreiben vom 24. Januar 1974 an Herrn Bundesminister Prof. Dr. Ehmke haben Sie — wie auch in Ihrer Anfrage — die Beförderungsdauer für bestimmte Massendrucksachen angesprochen. Wie Sie dem Schreiben des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen vom 7. 2. 1974 entnehmen konnten, wird Ihnen das Ergebnis der eingeleiteten Untersuchung so bald wie möglich mitgeteilt. Anlage 87 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/1661 Frage B 80): Wie weit sind die gesetzlichen Vorbereitungen für einen bundeseinheitlichen Bildungsurlaub für alle Arbeitnehmer schon gediehen, und welche Initiativen bzw. Gesetze sind zur Regelung des Bildungsurlaubs für alle Arbeitnehmer in den einzelnen Bundesländern derzeit schon eingeleitet worden? Um zunächst zum zweiten Teil Ihrer Frage Stellung zu nehmen: Länderinitiativen für einen Bildungsurlaub, der allen Arbeitnehmern zugute kommt, sind mir bisher nur aus Hamburg und Niedersachsen bekannt. Die Hamburger Bürgerschaft hat vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, das allen Arbeitnehmern innerhalb von jeweils zwei Jahren einen zweiwöchigen Bildungsurlaub zuspricht. Im Landtag des Landes Niedersachsen wird ein Gesetzentwurf beraten, demzufolge allen Arbeitnehmern ein Anrecht auf einen zweiwöchigen Bildungsurlaub 5252* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1974 pro Jahr gegeben werden soll, allerdings eingeschränkt auf 6 von Tausend der Gesamtzahl der Arbeitstage des jeweils betroffenen Betriebes. Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft überprüft, wie Vorstellungen, die sich an die im Bildungsgesamtplan niedergelegten Ziele anlehnen, berücksichtigt werden können. Anlage 88 Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom 14. Februar 1974 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Höcherl (CDU/CSU) (Drucksache 7/1661 Frage B 81) : Trifft die Meldung der Frankfurter Rundschau vom 17. Januar 1974 zu, die Bundesregierung verhandele mit der südwestafrikanischen Untergrundorganisation SWAPO über Unterstützungsmaßnahmen in Höhe von 500 000 DM, wobei deren Antrag wohlwollend geprüft werde, und wie vereinbart die Bundesregierung ihre Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Franz vom 8. November 1973, eine Entscheidung über die Errichtung der Südsternwarte der Max-Planck-Gesellschaft sei noch nicht getroffen, mit der Erklärung des Sprechers der SWAPO, in dem Verzicht auf dieses Projekt äußere sich ein Durchbruch im Denken Bonns? 1. Die Meldung der Frankfurter Rundschau, die Bundesregierung verhandele mit der namibischen Befreiungsbewegung Swapo und werde deren Antrag auf Unterstützung in Höhe von 500 000,— DM wohlwollend prüfen, ist unzutreffend. Vielmehr hat die Swapo ein Hilfeersuchen, welches sie ursprünglich durch Vermittlung der UNO an die Bundesregierung gerichtet hatte, an die Friedrich-EbertStiftung herangetragen. Es handelt sich dabei um Hilfe beim Ausbau eines Lagers von Flüchtlingen aus Namibia, das sich in Sambia befindet und mit Unterstützung der dortigen Regierung eingerichtet wurde. Dabei sollen Unterkünfte, ein Sozialzentrum, Werkstätten für Erwachsene und eine Schule errichtet werden, um für die Flüchtlinge eine menschenwürdige Existenz zu schaffen und sie von Hilfe von außen unabhängig zu machen. Die Friedrich-EbertStiftung prüft z. Z., ob und inwieweit sie dieses Anliegen der Swapo im Rahmen ihrer gesellschaftspolitischen Entwicklungshilfe unterstützen kann. 2. Die Errichtung einer sogenannten Südsternwarte betrifft ausschließlich den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Ich möchte Ihnen daher insoweit die Stellungnahme meines Kollegen, Herrn Dr. Ehmke, mitteilen: Die von der Bundesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Franz am 8. 11. 1973 gegebene Antwort, eine Entscheidung über den Standort für die Südsternwarte der Max-Planck-Gesellschaft sei noch nicht getroffen, ist nach wie vor zutreffend. Der Sprecher der Swapo hat offensichtlich die Entscheidung der Max-Planck-Gesellschaft, das im Bau befindliche 3,5-m-Teleskop in Südspanien aufzustellen, mißverstanden. Mit dieser Entscheidung sind die Überlegungen der Max-Planck-Gesellschaft zum Standort eines Observatoriums auf der Südhalbkugel noch nicht abgeschlossen.
Gesamtes Protokol
Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708000000
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat mit Schreiben vom 8. Februar 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Damm, Dr. Wörner, Dr. Marx, Haase (Kassel), Frau Tübler, Wohlrabe und Genossen betr. Waffenexporte nach Chile — Drucksache 7/1616 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 711699 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 11. Februar 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter, Frau Stommel und Genossen betr. Europäisches Jugendwerk — Drucksache 7/1608 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1684 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 12. Februar 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Meermann, Frau Filers (Bielefeld), Frau Schlei, Frau Dr. Timm, Frau Dr. Lepsius, Liedtke, Frau Funcke, Groß, Frau Lüdemann und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst — Drucksache 7/1609 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1689 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 12. und 13. Februar 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung der Wirtschaftsregeln und der Regeln über die Überwachung des Internationalen Kakaoabkommens von 1972
— Drucksache 7/1109 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Erhöhung des Gemeinschaftszollkontingents für Rohmagnesium der Tarifstelle 77.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs
— Drucksache 7/1225 —
Verordnung (EWG) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung von autonomen Zollsätzen des gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Waren
— Drucksache 7/1226 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Haselnüsse, frisch oder getrocknet, auch ohne äußere Schalen oder enthäutet, der Tarifstelle ex 08.05 G des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Türkei
- Drucksache 7/1270 —Verordnung (EWG) des Rates
über die Durchführung des Beschlusses Nr. 9/73 des durch das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Osterreich eingesetzten Gemischten Ausschusses zur Ergänzung und Änderung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung 1n" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen
über die Durchführung des Beschlusses Nr. 9/73 des durch das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Island eingesetzten Gemischtten Ausschusses zur Ergänzung und Änderung des Begriffs
„Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen
über die Durchführung des Beschlusses Nr. 9/73 des durch das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Portugal eingesetzten Gemischten Ausschusses zur Ergänzung und Änderung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen
über die Durchführung des Beschlusses Nr. 9/73 des durch das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Schweden eingesetzten Gemischten Ausschusses zur Ergänzung und Änderung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen
über die Durchführung des Beschlusses Nr. 9/73 des durch das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft eingesetzten Gemischten Ausschusses zur Ergänzung und Änderung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen
über die Durchführung des Beschlusses Nr. 7/73 des durch das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen eingesetzten Gemischten Ausschusses zur Ergänzung und Änderung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen
— Drucksache 7/1274 —
Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kolophonium, einschließlich „Brais résineux", der Tarifstelle 38.08 A des Gemeinsamen Zolltarifs
— Drucksache 7/1300 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Berichtigung von Artikel 3 des Protokolls Nr. 1 zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen und zur Festlegung entsprechender Durchführungsbestimmungen
— Drucksache 7/1275 — Verordnung (EWG) des Rates
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Grége, weder gedreht noch gezwirnt, der Tarifnummer 50.02 des Gemeinsamen Zolltarifs
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Garne, ganz aus Seide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.04 des Gemeinsamen Zolltarifs
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Garne, ganz aus Schappeseide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.05 des Gemeinsamen Zolltarifs
— Drucksache 7/1327 —
Beschluß des Assoziationsrates EWG-Griecheniand über die Anwendung von Artikel 8 des Assoziierungsabkommens auf die In den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft hergestellten Waren
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 610/72 über die Anwendung von im Rahmen der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland erlassenen Vorschriften betreffend den Verkehr von Waren, die unter Verwendung von Waren aus dritten Ländern hergestellt sind, welche sich weder in der Gemeinschaft noch in Griechenland im freien Verkehr befanden
— Drucksache 7/1243 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Aufnahme weiterer Waren
in die im Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 1025/70 zur



Vizepräsident Frau Funcke
Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus dritten Ländern aufgeführte Liste
— Drucksache 7/1372 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung eines Zollkontingentes für Frühkartoffeln mit Ursprung in Zypern
— Drucksache 7/1424 —Verordnung (EWG) des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in der Türkei
— Drucksache 7/1447 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosilizium mit einem Gehalt an Silizium von mehr als 75 Gewichtshundertteilen der Tarifstelle 73.02 C des Gemeinsamen Zolltarifs
— Drucksache 7/1469 --
Verordnung (EWG) des Rates zur Verlängerung der mit der Verordnung (EWG) Nr. 1253/73 getroffenen Einfuhrregelung für das Weinbauerzeugnis mit Ursprung in und Herkunft aus Zypern, das unter der Bezeichnung „Cyprus sherry" ausgeführt wird, sowie der Beihilferegelung für gleichartige Weinbauerzeugnisse, die In der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung erzeugt und nach Irland und dem Vereinigten Königreich ausgeführt werden
— Drucksache 7/1529 — Verordnung (EWG) des Rates
über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Finnland sowie zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen
über die im Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Finnland vorgesehenen Schutzmaßnahmen
— Drucksache 7/1288 —
Überweisung von Zollvorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Einunddreißigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
— Drucksache 7/1640 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um
Vorlage des Berichts rechtzeitig zum Plenum am 15. Mai 1974
Überweisungen von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung (EWG) des Rates über die Gemeinschaftsfinanzierung der Ausgaben für die Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe
— Drucksache 7/1604 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nebelscheinwerfer für Kraftfahrzeuge
— Drucksache 7/1605 -
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Verfahren für die Überführung von Waren in den zollrechtlichen freien Verkehr
— Drucksache 7/1606 —
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts reditzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 922/72 über die Grundregeln für die Gewährung der Beihilfe für Seidenraupen
— Drucksache 7;1607 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Erstes Programm der Gemeinschaft zur Unterrichtung und zum Schutz der Verbraucher
— Drucksache 7/1610 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates betreffend die Verlängerung der Frist für die Inkraftsetzung der Richtlinie des Rates Nr. 72/160/ EWG zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und der Verwendung der landwirtschaftlich genutzten Fläche für Zwecke der Strukturverbesserung vom 17. April 1972 im Königreich Dänemark
— Drucksache 7/1611 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die vorstehenden Außenkanten
— Drucksache 7/1612 -
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über eine Regelung des Handels mit Verarbeitungserzeugnissen aus Obst und Gemüse mit Drittländern
— Drucksache 7/1629 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richlinie des Rates zur Ergänzung der Richtlinie Nr. 71/286/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden statistischen Erhebungen zur Ermittlung des Produktionspotentials bestimmter Baumobstanlagen
— Drucksache 7/1630 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie (Euratom) des Rates zur Abänderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt wurden
— Drucksache 7/1637 --
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Entscheidung des Rates über den innergemeinschaftlichen Handel mit Erdöl und Erdölerzeugnissen
Entscheidung des Rates über die Ausfuhr von Erdölerzeugnissen nach Drittländern
Empfehlung des Rates an die Mitgliedstaaten betreffend die Aufrechterhaltung und Harmonisierung der Maßnahmen zur freiwilligen Beschränkung des Energieverbrauchs in der Gemeinschaft
Entscheidung des Rates über die von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Maßnahmen zur konzertierten und harmonisierten Einschränkung des Verbrauchs von Erdölerzeugnissen
Beschluß des Rates über die Einsetzung eines Energieausschusses
Verordnung des Rates betreffend die für die Aufstellung einer umfassenden Energiebilanz für die Gemeinschaft bestimmten Informationen
— Drucksache 7/1638 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung EWG) des Rates zur Änderung einiger Verordnungen über die Finanzierung der Interventionen des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie
— Drucksache 7/1639 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Europäische Kooperationsvereinigung (EKV)

— Drucksache 7/1644 —
überwiesen an den Rechtsausschuß (federführend), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Vorschlag der Kommission an den Rat betreffend die Festsetzung der Preise für verschiedene landwirtschaftliche Erzeugnisse und bestimmte im Memorandum über die Anpassung der gemeinsamen Agrarpolitik genannte Maßnahmen — Drucksache 7,1647 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts reditzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat



Vizepräsident Frau Funcke
Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf die Arbeitnehmer und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
— Drucksache 7/1648 —
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie (EWG) des Rates betreffend Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten
— Drucksache 7/1649 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Ausschuß für
Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung für das Jahr 1974 der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Aluminium und Blei
— Drucksache 7/1653 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte mit Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Rückstrahler für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger
— Drucksache 7/1654 -
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie (EWG) des Rates zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit in der Lebens-Direktversicherung
- Drucksache 7/1655 -
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EWG, Mindestvorräte an Brennstoffen bei den Wärmekraftwerken zu halten
— Drucksache 7/1656 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uns Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen
— Drucksache 7/1669 —
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Ratsbeschluß über die Beteiligung des Europäischen Sozialfonds an Maßnahmen zugunsten der im Schlafbau Beschäftigten
— Drucksache 7/1672 -
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates
zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1055/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über die Mitteilung der Einfuhr von Kohlenwasserstoffen an die Kommission auf die Erdölerzeugnisse der Tarifstellen 27.10 A, B, C I und C II des Gemeinsamen Zolltarifs
über ein gemeinschaftliches und vorübergehendes System der Überwachung der Preise für Erdölerzeugnisse
- Drucksache 7/1673 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Wir fahren in der Aussprache über den Tagesordnungspunkt 2 fort:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland
—Drucksache 7/1481 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP betr. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1974
— Drucksache 7/1670 —Überweisungswunsch:
Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Das Wort hat Herr Bundesminister Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0708000100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Opposition hatte ursprünglich vorgeschlagen, diese Debatte am Reichsgründungstag zu führen. Ich habe das für einen sehr interessanten Vorschlag gehalten, weil man sich fragen konnte, ob die CDU diesen Tag nutzen wollte, um von Bismarck zu lernen, sei es von seinem außenpolitischen Realismus, sei es von seinen innenpolitischen Fehlern.
Eine kurze Überlegung hat mir dann natürlich gezeigt, daß wir in der Außenpolitik nichts zu erwarten haben; denn der von Herrn Kollegen Barzel unternommene Versuch, die Opposition von den Restbeständen an Wilhelminismus in ihrem Denken, an Realitätsferne und Überheblichkeit wegzuführen, ist ja in seiner eigenen Partei gescheitert und hat zu seiner Ablösung geführt. Daß es unter denjenigen besser werden würde, die ihn abgelöst haben, den Herren Carstens und Strauß, war nicht zu erwarten, wobei die Abstimmung in ihrer Fraktion über den Atomwaffensperrvertrag noch einmal gezeigt hat, daß Herr Strauß der Koch und Herr Carstens der Kellner ist. Auf außenpolitischem Gebiet kann man also eigentlich nur hoffen, daß nicht wieder eine Rückkehr zu dem Mißbrauch stattfindet, den wir schon oft von Ihnen erlebt haben, daß nämlich die Leiden der Teilung Deutschlands für das parteipolitische Geschäft mißbraucht werden.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

Es bleibt also die Frage, ob Sie innenpolitisch aus den Fehlern Bismarcks lernen wollen. Sie wissen, daß es große deutsche Geister gegeben hat, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Max Weber hat die Klage einmal dahin zusammengefaßt, Bismarck habe das deutsche Volk und vor allen Dingen das deutsche Bürgertum ohne politische Erziehung gelassen, und die Mischung von Obrigkeitsstaat und Rechtsstaat, wie sie für die deutsche Entwicklung typisch war, habe zu einem verkürzten Freiheitsverständnis des deutschen Bürgertums geführt. Die Geschichte des deutschen Bürgertums ist ohne diesen Widerspruch von 1848 und 1871 nicht zu verstehen, einschließlich der verhängnisvollen Verfolgung des demokratischen Sozialismus und des politischen Katholizismus im Bismarck-Reich.
Über diese Fragen, meine Herren von der Opposition, ist übrigens nach 1945 auch von Ihnen mehr gesprochen worden, als 1974 davon gesprochen wird. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß wir das Grundgesetz nicht nur im formalen Sinne gemeinsam beschlossen haben, sondern daß damals, als die CDU noch auf dem Boden des Ahlener Programms stand,



Bundesminister Dr. Ehmke
eben auch in der Sache größere Gemeinsamkeit vorhanden war. Dabei nehme ich den föderativen Aufbau des Grundgesetzes aus, der ja dazu geführt hat, daß die CSU diesem Grundgesetz, dessen Vierteljahrhundert-Jubiläum wir in diesem Jahr feiern, nicht zugestimmt hat. Ich glaube, auch Sie werden zugeben: daß dieser Staat mit seiner Finanzverfassung und in den Bundeskompetenzen überhaupt handlungsfähig ist, verdankt er den Sozialdemokraten unter Kurt Schumacher.

(Beifall bei der SPD.)

Wie gesagt, die Zeit des gemeinsamen Beschlusses des Grundgesetzes war die Zeit Ihres Ahlener Programms. Eines der Probleme in der heutigen Verfassungsdebatte besteht darin, daß der Weg der CDU nach 1945 ein steter Weg nach rechts gewesen ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Heck.)

— Das meine ich keineswegs ganz allgemein, Herr Heck; sonst hätte ich nicht immer noch persönliche Freunde auch in Ihren Reihen. Aber, Herr Heck, da Sie so empört sind, darf ich Ihnen das einmal an einem Beispiel zeigen.
1946 schrieb Ferdinand Friedensburg, sicher ein konservativer Vertreter der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands, in seinem Buch über die Weimarer Republik über die Ermordung von Rosa Luxemburg folgendes:
Das Ende von Rosa Luxemburg beraubte das deutsche Volk einer Persönlichkeit von hohem geistigen und sittlichen Rang.
So schrieb ein konservativer Vertreter der CDU im Jahre 1946. Wenn wir im Jahre 1974 eine RosaLuxemburg-Marke herausbringen, erklärt Herr Stücklen: der Postminister, der das tue, marschiere im Geiste bei der SED mit. Wenn das nicht für den Weg symbolisch ist, den die CDU/CSU in den letz, ten 25 Jahren genommen hat!

(Beifall bei der SPD! — Abg. Rawe: Lesen Sie einmal, was der „Vorwärts" dazu geschrieben hat!)

Das Ironische dabei ist, Herr Heck, daß Herr Stücklen das, was er mir hier unqualifiziert vorwirft, selber tut. Er selber hilft der SED mit dieser Bemerkung, diese Frau für sich in Anspruch zu nehmen. Da Sie im Gegensatz zu Richard Stücklen sicher ihre Schriften kennen und wissen, mit welcher Schärfe sie sich über die russischen Bolschewisten geäußert hat, wissen Sie auch, was sie über diese SED sagen würde. Sie würde vielleicht in ihr die Traditionen des obrigkeitsstaatlichen Bürokratismus in diesem Lande wiederentdecken, aber sicher nichts von dem Sozialismus, wie sie ihn selbst verstand.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, es ist doch nun sicher auch kein Zeichen gegen eine Bewegung nach rechts, daß für Sie in dieser Verfassungsdebatte ausgerechnet Ihr rechter Flügelmann — ich glaube, er versteht sich selbst so — Alfred Dregger sprach. Gestatten Sie mir hier eine persönliche Anmerkung: Seine Rede hat mir allerdings in einem geholfen. Ich bin kürzlich von einer Zeitung gefragt worden, was ich
von Alfred Tetzlaff halte, weil er mich in seiner Fernsehsendung neulich so zwischengenommen hat. Ich habe geantwortet, eigentlich hätte ich mir noch kein festes Urteil gebildet, weil manche meiner Freunde die Sendung ganz hervorragend und manche meiner Freunde die Sendung ganz schlimm fanden. Nachdem ich gestern Alfred Dregger zugehört habe, bin ich aber zu einem Urteil gekommen. Ich finde Alfred Tetzlaff — verglichen mit Alfred Dregger — eigentlich ganz sympathisch,

(Beifall bei der SPD)

vor allem deshalb, weil er unverblümt und unverstellt sagt, was er eigentlich meint. Nun möchte ich mich hier nicht mit Alfred Dregger beschäftigen. Ich möchte vielmehr dem Vorbild meines früheren Freiburger Kollegen, des bayerischen Kultusministers Hans Maier, folgen, der hier gestern eine sehr beachtenswerte Rede gehalten hat, mit der ich natürlich keineswegs in allen Punkten übereinstimme, in der aber doch der Versuch gemacht wurde, einmal die gemeinsame Problematik für beide Parteien zu zeigen.
Ich will nun einmal umgekehrt so verfahren und sagen: Der Weg der CDU/CSU nach rechts war natürlich auch in vielem geschichtlich bedingt, unter anderem dadurch, daß man in einem Land Politik machen und regieren mußte, das zwölf Jahre Hitler hinter sich hatte. Deswegen sind sicher manche Kompromisse geschlossen worden, vielleicht mußten sie geschlossen werden, die — hierin liegt auch ein Grund für die Unruhe der Jugend — von der nachfolgenden Generation mit Recht nicht akzeptiert werden.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn wir heute über Verfassung reden, dürfen wir aber auch nicht vergessen, in welch zynischer Weise von Adenauer, der sonst ein großer Mann war, zum Teil mit der Verfassung in diesem Lande umgegangen worden ist:

(Zustimmung bei der SPD)

ob es das Bund-Länder-Verhältnis war — ich erinnere nur an den Fernsehstreit —, ob es das schlimme Spiel mit dem Bundespräsidentenamt war, im Übergang von Adenauer zu Erhard, ob es der schlimme Versuch der Verschiebung der Gewichte vom Parlament zur Exekutive in den ersten Notstandsentwürfen war — Herr Schröder sagte damals, der Notstand sei die Stunde der Exekutive; es hat lange gedauert, bis die Rechte des Parlaments dann wieder zur Geltung gebracht wurden — oder ob es um die Grundrechte ging, die im SpiegelProzeß zum Cour célèbre einer die Verfassung nicht achtenden Politik der Unionsparteien geworden sind. Daß die sozialliberale Koalition mit den Jahren so viel Zustimmung im Volke gefunden hat, beruht doch unter anderem darauf, daß die Menschen dieses Landes den zynischen Umgang mit der Macht und mit der Verfassung durch die Unionsparteien satt hatten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Da dies so ist, müssen Sie verstehen, wenn wir
etwas erheitert zur Kenntnis nehmen, daß ausge-



Bundesminister Dr. Ehmke
rechnet Sie uns heute ein schiefes oder problematisches Verhältnis zur Verfassung unterstellen wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Herr Heck, dann kam die Große Koalition. Sie hatte erhebliche pädagogische Wirkungen auf die Union. Wir haben uns z. B. — Ausgangspunkt war dabei der Spiegel-Prozeß — hingesetzt und das Staatsschutzrecht reformiert. Das war eine gemeinsame Leistung, an der auch Herr Güde wesentlich beteiligt war. Damals gab es Kollegen unter Ihnen
— z. B. Herrn Jaeger —, die der Meinung waren: Ihr geht viel zu weit. Ihr dürft das Staatsschutzrecht nicht so abbauen; es müßte viel härter sein.

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Ist es möglich oder nicht möglich, darüber nachzudenken?)

- Aber, Herr Vogel, Sie sind voreilig. Wir haben in der Großen Koalition damals zusammen mit dem liberalen Teil der CDU die Reform gemacht. Die Konservativen, der rechte Flügel von Ihnen, war dagegen.
Gucken Sie einmal, jetzt passiert etwas ganz Seltsames. Jetzt sind Sie eines Tages nicht mehr mit in der Regierung. Jetzt wird eine Außenpolitik gemacht, die Ihnen nicht paßt, und jetzt findet die Veröffentlichung von Dokumenten statt, von der keine Frage ist, daß sie unter diese liberalisierten, Ihrem rechten Flügel nicht weit genug gehenden Staatsschutzbestimmungen fällt. Ich habe von der CDU nichts dahin gehend gehört, daß sie sich energisch dagegen verwahrt hätte. Ja, dieser Tage haben Sie einen Kommentar über einen Journalisten gemacht, der damals Material in dieser Frage an die Staatsanwaltschaft gegeben hatte. Ich habe nicht vernommen, daß Sie da aufgestanden wären und gesagt hätten: Jawohl, der Staat muß geschützt werden; es geht nicht an, daß so in seine Geheimnissphäre eingebrochen wird. Es war alles nicht mehr wahr.

(Zuruf des Abg. Dr. Heck.)

— Ach, Herr Heck! Die CDU ist für mich auf diesem Gebiet so lange unglaubwürdig, solange es z. B. in Fragen des Staatsschutzes für Sie immer nur der CDU-Staat ist, der diesen Schutz verdient.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Jemand, der kein Sozialdemokrat ist, nämlich der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Paul Frank, hat am 9. August 1971 einen Artikel zu dieser Frage im Bulletin geschrieben, den ich Ihrer Erinnerung empfehle.
Meine Herren, es war aber nicht nur so, daß wir zu Ihren Regierungszeiten einen ständig leichtfertigen Umgang mit der Verfassung erlebt haben. Es war auch so, daß die CDU mitverantwortlich für das ist, was der verstorbene Adolf Arndt, dessen das Hohe Haus gestern morgen gedacht hat, „das nichterfüllt Grundgesetz" genannt hat.
Der Auftrag für ein Parteiengesetz stand seit 1949 im Grundgesetz. Erst in der Großen Koalition, 1967, ist dieser Auftrag erfüllt worden. Das gleiche gilt für das Recht der außerehelichen Kinder. Sie nennen sich eine christliche Partei. Aber was auf dem Gebiet des Außerehelichenrechts passiert ist, hatte
damit nichts zu tun, sondern da waren Sie eine Partei zur Erhaltung bürgerlicher Vorurteile gegen unterprivilegierte Menschen in diesem Land,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und das nicht nur gegen den Geist, sondern gegen den ausdrücklichen Auftrag der Verfassung. Es bedurfte des ersten sozialdemokratischen Justizministers, unseres heutigen Bundespräsidenten, um das in Ordnung zu bringen.
Das gilt erst recht - es ist gestern schon gesagt worden — für die Sozialstaatsverfassung. Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin ein Zitat verlesen, dem ich voll zustimme; es lautet:
Man sollte wirklich die Verfassung nicht nehmen als Abwehrinstrument in erster Linie gegen Verfassungsfeinde, sondern eben als Auftrag, selbst die Gesellschaft zu gestalten und vor allem eines zu gestalten und zu verändern, nämlich die große Lücke, die nach wie vor besteht zwischen dem Anspruch der Verfassung auf der einen Seite und der Verfassungswirklichkeit auf der anderen Seite.
Dies hat jetzt der Vorsitzende der Jungen Union, Herr Wissmann, gesagt.
Von diesem Verfassungsverständnis sind Sie bisher nicht geleitet gewesen, egal, ob es um Fragen der Betriebsverfassung, der Mitbestimmung, des Bodensrechts, der Städteentwicklung, des Umweltschutzes, der Vermögensbildung, der Steuerreform oder der Bildungsreform ging.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Herr Heck, ich denke noch daran, wie lange Sie über die katholische Kirche hinaus die Konfessionsschulen in diesem Lande als hohes Prinzip verteidigt haben, und ich erinnere mich auch noch der Nacht, wo in Baden-Württemberg die Große Koalition gebildet wurde und dieses hehre Prinzip in zwei Minuten weg war, damit man zur Koalition kam.

(Beifall bei der SPD.)

Aber über diesen Mangel an Entwicklung der Verfassung, an Erfüllung seines Auftrag hinaus gibt es auch noch etwas anderes, nämlich den Versuch, das Grundgesetz reaktionär auszulegen und auf diese Weise zu mißbrauchen. Sie tun immer wieder so, als ob das Gundgesetz eine bestimmte Wirtschaftsordnung garantiere. Das ist nicht nur gegen die Verfassung, sondern auch gegen die einhellige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Waren Sie gestern nicht da?)

und zwar nicht nur was Art. 15 GG betrifft.
Ich muß schon sagen: Was gestern hier der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg an Unkenntnis auf diesem Gebiet produziert hat, war erschreckend.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich stelle als baden-württembergischer Bundestagsabgeordneter mit Entsetzen fest: Wir haben einen
Ministerpräsidenten, den man wohl als „Reaktionär



Bundesminister Dr. Ehmke
im öffentlichen Dienst" bezeichnen muß. Ich will allerdings auch ihm gegenüber bei der Linie bleiben, daß man im wesentlichen mit Diskussionen weiterkommen sollte. Ich habe daher meinem Kollegen Eppler nach der gestrigen Debatte empfohlen, Herrn Filbinger nicht nur ein Exemplar des Godesberger Programms, sondern auch ein Exemplar des Grundgesetzes zu schicken, damit er sich einmal ansehen kann, was eigentlich in Art. 14 und Art. 15 steht.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ja, meine Herren, diese Einschränkung der Verfassung durch den Versuch, bestimmte wirtschaftliche Positionen abzusichern, die nicht durch die Verfassung gesichert sind, ist ein verfassungswidriges Verfassungsverständnis und als solches nicht besser als eines, das die Verfassung pneumatisch aufzuweichen sucht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn ich jetzt einmal zu den Auseinandersetzungen mit den Jungsozialisten kommen darf, so müssen Sie bei dem Gummibegriff „Radikalität" zunächst einmal sehr sauber unterscheiden: Will man die politische Ordnung ändern oder will man die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ändern? Die Jungsozialisten machen keinen Hehl daraus: Sie wollen die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ändern; damit befinden sie sich in Übereinstimmung mit dem Godesberger Programm und auch mit dem Sozialstaatsauftrag des Grundgesetzes.
Es wäre gut, Herr Dregger, wenn Sie schon den Münchener Kongreß zitieren, wenn Sie auch zitiert hätten, was dort über Freiheitswerte, die Informationsfreiheit, den Pluralismus, die Nichteinparteienherrschaft usw. gesagt worden ist, und zwar auch in sehr deutlicher Abgrenzung gegen die unfreiheitlichen Systeme im Osten. Es wäre sehr gut, wenn Sie das auch nennen und mit diskutieren würden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und was ist mit der Investitionslenkung?)

— Ich komme noch auf die Investitionslenkung. Sie wollen doch nicht erzählen, daß die verfassungswidrig ist!? Sie wollen eine Verfassungsauslegung, die so aussieht, daß sich der Staat gegenüber den Kapitalinteressen überhaupt nicht mehr bewegen kann, und meinen, das sei konform mit der Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und gucken Sie mal, wenn Sie die Kritik aufnehmen: Ich bin gegen jedes imperative Mandat. Es gibt übrigens auch gar keinen Beschluß der Jungsozialisten dazu.

(Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal].)

— Es gibt keinen, Herr Vogel. Zeigen Sie ihn mir. Es gibt aber etwas anderes: Es gibt nämlich auf der einen Seite die Ablehnung des imperativen Mandats; aber auf der anderen Seite muß es dann auch geben die Ablehnung des zum Teil recht zynischen Umgangs mit Mandaten, mit dem Willen des Wählers und auch mit Parteitagsbeschlüssen. Das ist die andere Seite der Medaille.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn wir es auch mit Art. 21 des Grundgesetzes ernst nehmen, der den Parteien bei der Willensbildung eine wichtige Rolle zuweist, kann man das nicht einfach von der Hand weisen, als ob das keine Frage sei.
Es gibt auch andere Dinge. Sehen Sie mal: Wir müssen uns doch selbst überlegen, wieviel Handlungsfähigkeit diese Regierung und wieviel Handlungsfähigkeit dieses Parlament haben, mit den Problemen dieses Landes fertig zu werden. Was haben Sie über die Jungsozialisten gesagt, als sie das Problem der multinationalen Konzerne aufbrachten? Was haben Sie alles gesagt? Ich nehme an, die Ölkonzerne, von denen wir ja noch gar nicht wissen, was sie alles gemacht haben, werden Sie inzwischen belehrt haben, daß hier wenigstens ein Problem liegt. Man soll doch nicht immer versuchen, Probleme, weil sie einem unangenehm sind, wegzuschieben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708000200
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0708000300
Nicht von Herrn Müller.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Müller [München]. — Abg. Nordlohne: Das ist Demokratieverständnis! Das ist ja toll! — Zuruf von der CDU/CSU: Arroganz!)

— Stellen Sie doch eine Frage, Herr Kollege, statt zu schreien. Bitte.

(Beifall bei der SPD.)

Nun möchte ich mich an die gestern ausgesprochene Ermahnung von Hans Maier halten, der gesagt hat, man müsse doch auch die andere Seite sehen und man dürfe hier nichts verniedlichen. Ich verniedliche nichts. Meine Herren von der Opposition, es ist gar keine Frage: In der Diskussion unter den jungen Leuten, in der Diskussion auf dem linken Spektrum unserer Politik, auch in der Diskussion bei den Jungsozialisten, werden Meinungen vertreten, die ich nicht billigen kann, die ich nicht für vereinbar halte mit den Grundvoraussetzungen des demokratischen Sozialismus. Es ist ein weiter Weg von der kritischen Befragung der Handlungsfähigkeit des Staates zu einer simplen Theorie, der Staat sei doch nur die Agentur der Monopole; in der ganz einfachen Form wird das allerdings selbst von den extremen Gruppen der Jungsozialisten noch nicht einmal vertreten. Aber das gibt es und daher muß man sich damit auseinandersetzen. Daraus mache ich gar kein Hehl.
Ich mache auch kein Hehl daraus, daß in bezug auf die Verletzung des Gesetzes und der Gewalt in diesem Lande nicht alles in Ordnung ist. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. Ich möchte nun allerdings auch nicht in die Pose von Herrn Filbinger verfallen, der sich — ich muß sagen: in einer un-



Bundesminister Dr. Ehmke
gewöhnlichen Weise — hier als Ministerpräsident eines Landes hingestellt hat, um über die Zustände in anderen Ländern und im Bund zu urteilen. Der soll sich um sein eigenes Land kümmern.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: Das gilt auch für Herrn Oswald!)

Darum bleibe ich beim Bund. Sicher waren wir, als der Bombenterror mit Baader-Meinhof losging, nicht ausgerüstet — zum Teil auf Grund Ihrer früheren Versäumnisse damit fertig zu werden. Aber Sie werden doch wohl zugeben — ein Verdienst unseres Kollegen Genscher —, daß wir die Zeit seitdem genutzt haben. Die Aktionen der letzten Tage haben gezeigt, wie sehr unsere Schlagkraft und die Kooperation von Bund und Ländern gewachsen sind, mit solchen Terrordingen fertig zu werden.

(Beifall bei der SPD.)

Ich habe in APO-Zeiten gesagt — ich bin von dieser Meinung nicht abgewichen; ich wiederhole sie —: Gesetz ist Gesetz; wir dürfen weder Gewalt noch irgendeine Gesetzesverletzung dulden. Ich mache dabei auch keinen Unterschied zwischen der Gewaltanwendung gegen Personen und der Gewaltanwendung gegen Sachen. Einen Unterschied macht das Gesetz selbst, aber in bezug auf die Anwendung des Gesetzes kann es keinen Unterschied geben.
Es ist zuzugeben, daß es hier Probleme gibt. Kein Mensch behauptet, daß die Zustände an den Universitäten alle in Ordnung sind, am allerwenigsten diejenigen, die sehen, wie die Reformergruppen in den Universitäten immer in der Gefahr sind, eingeschnürt zu werden zwischen Radikalinskis auf der einen Seite und unbeweglichen Konservativen auf der anderen Seite. Natürlich gibt es hier Probleme, und kein Mensch bestreitet das. Das möchte ich Hans Maier hier noch einmal sagen. Es hat aber keinen Zweck, es sich damit so einfach zu machen, wie es ein Teil von Ihnen tut.
Ich glaube, daß es von der CDU falsch wäre zu meinen, dieser große Veränderungsdruck, der in unserer Gesellschaft da ist, würde abnehmen. Ich bin der Meinung, es wäre richtiger, die CDU entwikkelte sachlich-politische Alternativen zu unserer Reformpolitik, statt den Versuch zu machen, auf der Welle der Angstreaktionen zu schwimmen, die natürlich gegenüber dem stärker werdenden Veränderungsdruck in dieser Gesellschaft zunehmen werden. Es ist völlig richtig, und das gebe ich zu — ich glaube, Herr Dregger hat es gesagt, aber auch von unserer Seite wurde darauf hingewiesen , daß in diesem Land die Gefahr einer ganz starken Polarisierung besteht. Wir müssen hier auch zugeben
ich weiß nicht, ob es Herr Dregger war, der mich gestern insoweit zitierte , daß der Problemdruck größer wird als unsere Möglichkeit, Probleme zu lösen. Nur: Das sollte die CDU nicht zum Anlaß von Kritik nehmen, denn den großen Stau dieser Probleme hat sie zu verantworten.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sind der Meinung: Es hat keinen Zweck, diese Probleme so lösen zu wollen, daß man auf das kochende Wasser — auch auf der linken Seite wird mit Wasser gekocht — den Deckel hält. Das kann doch nur zum Druck und zur Explosion führen. Das Problem ist, die Flamme unter dem Wasserkessel wegzukriegen. Das heißt, die Probleme zu lösen, vor denen dieses Land steht.

(Beifall bei der SPD.)

Sehen Sie, meine Herren, ich sage auch das hier ganz offen: Natürlich ist die Reformpolitik nicht so gelaufen, wie wir das gedacht haben.

(Abg. Gerster [Mainz] : Es ist überhaupt nichts gelaufen!)

— Das ist doch wieder nicht wahr. Warum so einseitig? Ich sage Ihnen: Sicher haben wir in vier Jahren Regierungszeit gelernt, daß es schwieriger ist, in diesem Lande etwas zu verändern, als wir uns das in unseren Jugendträumen gedacht haben. Warum sollte man das nicht zugeben? Natürlich ist das so.
Ich sehe eine ganz andere Gefahr. Wir haben noch nicht diejenigen Probleme gelöst, die Sie uns aus Ihrer Regierungszeit hinterlassen haben, und schon kommen ganz andere Probleme noch größerer Dimension auf uns zu: Krise des Weltwährungssystems, Energiekrise, Industriestruktur, Weltwirtschaftssystem. Natürlich sehen wir das. Ich weiß gar nicht, warum das für Sie ein Grund zum Lachen ist, wenn ich von den Problemen spreche, vor denen dieses Land stehen wird. Die Probleme, die sich aus der Energiekrise ergeben, sind noch gar nicht ausgelotet.

(Abg. Nordlohne: In die man sich selber hineinmanövriert hat! Das muß man doch erkennen!)

— Wenn uns jemand in die Energiekrise hineinmanövriert hat, dann eine CDU-Regierung, die der Marktwirtschaft nachgelaufen ist. Das ist doch kindisch, Probleme, die von außen auf uns zukommen, so zu behandeln. Lassen Sie das doch!

(Beifall bei der SPD.)

Wenn man Sie hört, dann hat man den Eindruck, Sie wissen, daß Sie überhaupt nicht fertig würden mit den Problemen, die wir heute schon haben, und daß Sie deshalb sehr froh sind, daß wir weiter in diesem Land regieren. Und dabei soll es auch bleiben!

(Beifall bei der SPD.)

Über die Punkte, an denen Sie allergisch werden, wenn die Jungen, aber auch andere, fragen, was der Markt eigentlich bringt, etwa auf dem Energiesektor, muß man in Wirklichkeit in Ruhe reden. Ist es nicht so, daß das, was dieses Land braucht, das Geltendmachen von gesamtgesellschaftlichen Interessen gegenüber den reinen Marktmechanismen ist? Sollte das kein Thema sein, über das Sie selbst mit nachdenken?
Und wie ist es mit den Wahlen? Es gibt zwei Arten von Kritik. Die einen sagen, alle vier Jahre Wahlen sei zuviel, wie könne man dann mit einem Parlament und einer Regierung, die unter dem ständigen Druck der Interessen stünden, überhaupt



Bundesminister Dr. Ehmke
eine langfristige Planung und Politik betreiben. Die anderen sagen: Alle vier Jahre Wahlen ist ja viel zuwenig; wir müssen mehr Beteiligung des Bürgers haben. Das sind doch kritische Fragen, die wir ernst nehmen und über die wir nicht nur grinsen sollten. Es gibt ja glücklicherweise auch bei Ihnen viele — ich komme noch darauf —, die das ernst nehmen.
Eine der besten Arbeiten — wenn ich das sagen darf — zu diesem ganzen Problem, Herr von Weizsäcker, ist Ihr zweiter Bericht der CDU-Grundsatzkommission über die Arbeit an einem Grundsatzprogramm, die Sie für den Hamburger Parteitag vorgelegt haben. Ich darf mich vor dieser Leistung verbeugen und muß sagen: Wenn die CDU eine Partei wäre, die dieses Programm annimmt und an diesem Programm arbeitet, würden wir in diesem Hause nicht diese Debatten führen, die wir jetzt wieder seit einem Jahr führen, sondern wir würden Debatten darum führen, wie wir gemeinsam mit den Problemen dieser Gesellschaft am besten fertig werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Meine Herren, ich höre aus Ihren Bemerkungen: Sie haben Herrn von Weizsäcker noch nicht gelesen. Herr von Weizsäcker wird mir erlauben, daß ich einiges zitiere.
In diesem Papier steht:
Der fortschreitende Konzentrationsprozeß in unserer Wirtschaft verstärkt bestehende Ungleichgewichte. Die Unterschiede dürfen nicht unter mißbräuchlicher Verwendung des Gedankens der sozialen Partnerschaft verharmlost und verleugnet werden.
Wenn man den Hamburger Parteitag verfolgt hat, muß man sagen: sehr richtig!
Oder, was die selbstkritische Einschätzung der Unionsparteien angeht — Zitat —:
Die CDU kann die soziale Herausforderung unserer Zeit nicht mit bloßen Appellen beantworten.
Und weiter unten heißt es:
Wir
— gemeint sind die Unionsparteien —haben uns in der Vergangenheit zuweilen in den Verdacht bloßer Gruppenpolitik gebracht und die wirtschaftliche Leistung überbetont.
Und weiter:
Die CDU ist an den Mängeln und Zweifeln im Staatsverständnis nicht unbeteiligt. Wir haben kein klares Bild vom Staat entwickelt.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist richtig, Herr von Weizsäcker; diese Feststellung ehrt Sie. Sie steht nur im Widerspruch zu der
Selbstgewißheit, mit der Sie meinen, uns hier beibringen zu können, was ein Staat und was eine Verfassung ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es ist auch sehr interessant, einmal auf die programmatischen Bemühungen der CDU einzugehen. Hier machen Sie eine große Verfassungsdebatte, und auf der anderen Seite findet ein ganz anderer Prozeß statt: Sie sind nämlich dabei, Godesberg nachzuarbeiten.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

— Es tut mir leid, Herr von Weizsäcker, feststellen zu müssen, daß Ihre Kollegen Ihren Bemühungen offenbar mit viel geringerer Aufmerksamkeit folgen, als wir das tun. Was in der Grundsatzkommission passiert, ist die Übernahme des Godesberger Programms. Schon im ersten Entwurf der Grundsatzkommission stand ja, die drei Grundwerte der CDU seien die drei Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. So fängt bekanntlich das Godesberger Programm an.

(Abg. Dr. Kiesinger: Wie interpretieren Sie das?)

— Herr Kiesinger, auf die Interpretation komme ich noch; Sie kennen mich doch.

(Abg. van Delden: Das ist es ja! — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

- Ich weiß gar nicht, warum Sie so nervös sind, wenn ich Herrn von Weizsäcker lobe.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich muß zunächst einmal sagen: Wir Sozialdemokraten sind stolz darauf, daß wir offenbar mit dem Godesberger Programm Ihren Überlegungen so weit voraus waren, daß Sie nun, nach so vielen Jahren, das nacharbeiten müssen. Darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Stücklen.)

Nun komme ich auf die Interpretation, Herr Kiesinger. Ich darf hier etwas sagen, was ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Herr von Weizsäcker, wenn Sie sagen, Freiheit und Verantwortung müßten zusammen betrachtet werden, so ist das natürlich richtig. Aber sagen Sie das bitte doch einmal denjenigen Besitzenden in unserem Lande, die ihre Freiheit für Steuerflucht, Grundstücksspekulation, Subventionsschwindel und ausgekochte Wirtschaftsverbrechen mißbrauchen

(Beifall bei der SPD)

und aus der Sozialbindung des Eigentums ausbrechen, wann immer sie nur können! Und noch besser wäre es, wenn Sie es diesen Herrschaften nicht nur sagten, sondern mit der SPD zusammen etwas dagegen täten.

(Abg. van Delden: Fangen Sie mal an!)

Natürlich ist es so, Herr von Weizsäcker, daß ein Zusammenhang besteht zwischen Gerechtigkeit und Leistung. Sie könnten z. B. auf dem Gebiet der Reform des Bodenrechts diese Einsicht praktisch werden lassen, indem Sie mit dazu beitragen, daß



Bundesminister Dr. Ehmke
Grundstücksspekulanten nicht — wie zu CDU-Regierungszeiten — enorme Gewinne ohne eigene Leistung auf Kosten der Gemeinden und der Mieter machen.

(Beifall bei der SPD. Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Müller [München] : Steglitzer Kreisel!)

Dabei gebe ich zu, daß ja der Vorstand in Hamburg probiert hat, die Partei auf diesem Gebiet etwas vorwärtszubringen. Nur ist der Hamburger Parteitag dem Vorstand da leider nicht gefolgt.

(Abg. Dr. Müller [München] : Drei haben schon von der SPD in Berlin das Mandat niedergelegt!)

— Herr Müller, es ist interessant, daß Sie für die Politik eigentlich immer nur dann Interesse haben, wenn es um Korruptionsgeschichten geht.

(Große Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich finde es sehr interessant, daß auf den Ruf „Bodenrecht", das uns alle beschäftigt, Herrn Müller nichts einfiel als der „Steglitzer Kreisel". Das finde ich wirklich interessant, Herr Müller. Ein bißchen weiter muß man bei den Problemen dieser Gesellschaft schon denken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr von Weizsäcker, Chancengleichheit und Solidarität ja, aber Sie haben die Solidarität nicht nur den außerehelichen Kindern jahrelang vorenthalten, sondern jahrelang auch all den Gruppen, die — wie z. B. die katholischen Kinder — vom geltenden Bildungsrecht diffamiert werden. Herr von Weizsäcker, wenn Sie sagen, der Grundwert der Solidarität erfordere einen Ausbau der sozialen Dienste, so haben Sie ganz recht. Nur muß ich Sie auf eines aufmerksam machen: man darf sich nicht wundern über den Mangel an sozialen Diensten in diesem Lande, wenn man seit 20 Jahren die Profitmaxime zum eigentlichen Lebensprinzip dieser Gesellschaft erklärt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Kroll-Schlüter: Wie kann man nur so viel Unsinn reden!)

Aber, Herr von Weizsäcker, ich gebe zu — ich habe ja schon in der Haushaltsdebatte am 25. Oktober 1973 den Versuch gemacht, zu einer Diskussion zu kommen —: Ihr Grundsatzpapier ist ein sehr interessanter Ansatz. Ich habe eigentlich nur eine Bitte: daß all das, was Sie dort entwickeln, nun vor sich gehen könnte ohne eine Verballhornung des demokratischen Sozialismus und ohne unterschwellige Unterstellungen, wie sie zwar der Tradition der deutschen Rechten entsprechen, aber seit Hitler eigentlich nicht mehr möglich sein sollten, insbesondere für eine Partei, die die Solidarität der Demokraten so stark auf den Lippen zu tragen pflegt, wie Sie das tun. Meine Herren, Sie hätten nichts davon, und dieses Land hätte nichts davon, wenn Sie den Versuch machten, das alte Hetzwort von den „vaterlandslosen Gesellen" durch das Hetzwort von den „verfassungslosen Gesellen" zu ersetzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr von Weizsäcker, beides können Sie nicht machen: auf der einen Seite unser Programm abschreiben und auf der anderen Seite uns als undemokratisch diffamieren. Da muß ich mit Fritz Reuter sagen: „Ich habe ja sehr viel Gefühl, doch was zuviel ist, ist zuviel".

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Nun könnte man natürlich fragen — Herr von Weizsäcker, ich bin da leider ganz skeptisch —, wie weit Sie mit Ihrem Programm kommen. Ich bin da vor allen Dingen ganz skeptisch und beunruhigt, wenn ich sehe, was der Generalsekretär der CDU auf diesen Gebieten sagt. Ich stehe hier, meine Kollegen von der CDU, offen gesagt vor einem Problem: Ich möchte mich hier kritisch mit Herrn Biedenkopf auseinandersetzen. Er ist aber nicht Mitglied des Bundestages. Ich habe mir überlegt, ob es fair ist, das zu machen, wenn er hier nicht antworten kann. Ich bin der Meinung, bei seiner Position in Ihrer Partei muß man das hier können. Aber ich sage hierzu, daß ich gern bereit bin, mich an jeder anderen Stelle, wo er will, einer Diskussion mit ihm zu stellen.

(Abg. Lenzer: Haben Sie darauf schon Rücksicht genommen?)

— Im Gegensatz zu Ihnen ja.
Sehen Sie, als Herr Kollege Biedenkopf Generalsekretär der CDU wurde, habe ich mich gefreut, wie sich übrigens viele bei uns gefreut haben, weil wir glaubten, einen interessanten, im meinem Fall auch noch gleichaltrigen und aus der gleichen Profession kommender Partner zu bekommen, nicht nur für Probleme der CDU, sondern auch für Probleme der SPD und zwischen den Parteien. Seine Premiere, der Artikel in der „Wirtschaftswoche" vom 11. Mai 1973, „Eine Volksfront in der SPD", war kein sehr verheißender Auftakt.

(Abg. Dr. Marx: Aber richtig war es!)

Die Primitivität des Zerrbildes von Sozialismus, das er dort gezeichnet hat, war nicht nur bestürzend, sondern leider ging das bis zu einer taktischen Art der Argumentation, ja bis zur Manipulation von Zitaten. Unser Kollege Peter Glotz hat das in der Beilage zum „Parlament" vom 9. Juni 1973 im einzelnen auseinandergenommen. Ich kann darauf verweisen.
Nun komme ich aber mit Herrn Biedenkopf noch einmal zurück auf eine Diskussion, Herr Dregger, die gestern geführt worden ist, denn leider scheint das Manipulieren von Zitaten, das Herrn Professor Biedenkopf nun weiß Gott nicht ausgezeichnet hat, zum Stil des Generalsekretärs der CDU zu werden. Er schreibt in seinem viel zitierten Münchener Vortrag, auf den ich jetzt im einzelnen eingehe:
Das Godesberger Programm erklärt: Sozialismus wird nur durch die Demokratie verwirklicht. Die Demokratie wird durch den Sozialismus erfüllt.



Bundesminister Dr. Ehmke Weiter Biedenkopf:
Gerade diese Formel ist ein typisches Beispiel für die Unbestimmtheit sozialdemokratischer Grundsatzaussagen. Sie läßt offen, ob sie die Ausschließlichkeit des Wortes „nur" lediglich auf den ersten Teil oder die ganze Aussage bezieht.
Ich muß wirklich sagen: das ist eine Art von Argumentation, die so mies ist, daß sie Herrn Biedenkopf wirklich schlecht zu Gesicht steht.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn ich einen Satz mit zwei Satzteilen habe und im einen Satzteil „nur" steht und im zweiten nichts, dann kann ich nicht sagen, dieser Satz läßt es unklar, ob das „nur" auch im zweiten Satzteil steht.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist doch wohl keine Art, miteinander umzugehen.

(Beifall bei der SPD. — Lachen bei. der CDU/CSU.)

-- Nein, es ist keine Art.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich meine die von Ihnen, die überhaupt ernsthaft mit uns diskutieren können, aber doch nicht die, die sich hier nur durch Zwischenrufe auszeichnen.
Das Programm sagt im zweiten Satzteil aus seinem Verständnis der pluralistischen Demokratie heraus — Fritz Schäfer hat dazu gestern das Nötige gesagt — gerade nicht „nur". Ich als individueller Sozialdemokrat mache keinen Hehl daraus: Für mich kann sich die Demokratie nur im Sozialismus erfüllen; sonst wäre ich ja gar nicht in dieser Partei. Ich selbst, als Person, bin überzeugt: nur dieser Weg wird uns dazu führen, die Demokratie wirklich sozial zu verankern, genau wie Sie doch eine andere feste Überzeugung haben.

(Abg. Dr. Dregger: Das steht da aber nicht drin!)

Aber ich respektiere andere Meinungen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich respektiere natürlich andere Meinungen, wie ich ,die Meinung von Hans Maier hier ausdrücklich respektiert habe. Machen Sie doch diesen Krampf nicht! Das Land hat andere Probleme, als Krampf zu machen.

(Beifall bei der SPD.)

Und ich sage nur: dann muß auch auf Ihrer Seite nicht so mit Zitaten umgegangen werden. Lesen Sie doch einmal die Kunststücke von Herrn Biedenkopf auf Seite 3! Er sagt da in einem Satz etwas über Jochen Steffen, was es leider im Ungewissen läßt, ob er ihn zum freiheitlichen Sozialismus zählt oder nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da ist doch kein Zweifel!)

Ich will darauf nicht weiter eingehen.
Das Problem, vor dem die CDU/CSU steht — Fritz Schäfer hat es gestern gesagt -, ist, daß sie nun das Ahlener Programm und die Düsseldorfer Leitsätze zusammenbringen muß, während Herr Biedenkopf die programmatische Unfruchtbarkeit der CDU seit dem Ahlener Programm damit entschuldigt, daß Sie in der Regierungsverantwortung gewesen wären. Die im ständigen Kampf von Wirtschaftsausschüssen und Sozialausschüssen der CDU

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Sehr gut!) ganz klar zutage tretende Unvereinbarkeit


(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Sehr gut!)

von christlicher Soziallehre und Neoliberalismus versucht Herr Biedenkopf nun auf der einen Seite, nach außen, zu verkleistern und auf der anderen Seite, nach innen, im Sinne der neoliberalen Konzepte zu entscheiden, wie auch auf dem Hamburger Parteitag, der in dieser Hinsicht ein Anfang vom Ende der Sozialausschüsse dargestellt hat.
Alles dies geschieht im übrigen auch bei Herrn Biedenkopf unter Übernahme der drei Grundwerte des Godesberger Programms.
Hier muß ich nun einmal etwas Kritisches — man sollte es ja nicht tun, aber ich muß es sagen — zur Presse sagen. Wenn ich sehe, welche Aufmerksamkeit bisher das Weizsäcker-Programm erreicht hat, nämlich keine große, und dann sehe, daß eine, wie ich meinte, liberale und so angesehene Zeitung wie die „Süddeutsche Zeitung" diesen schlimmen Vortrag voller Banalitäten — so kann ich es nur nennen — von Herrn Biedenkopf

(Zuruf von der CDU/CSU: Die haben ihn begriffen, im Gegensatz zu Ihnen!)

als höchste Weisheit des politischen Gebiets auf einer ganzen Seite bringt, dann fange ich an, sowohl an der Liberalität als auch am Qualitätssinn dieser Zeitung zu zweifeln.

(Abg. Strauß: Daher Ehmke-Zensur über Faksimilezeitung!)

— Herr Strauß, zu Ihnen komme ich noch; Sie brauchen sich nicht zu melden; ich vergesse Sie nie!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Dregger: Demokratie wird durch Sie erfüllt, Herr Ehmke!)

Nun will ich das aber auch noch ein bißchen begründen. Bei der Solidarität wird von Herrn Biedenkopf „christlich" argumentiert, und zwar in einer metaphysisch-primitiven Weise, wie ich es lange von einem führenden CDU-Mann nicht gehört habe. Von der Diskussion, die in den Kirchen darüber geführt wird, scheint Herr Biedenkopf nicht viel zu wissen. Im Grunde ist das, was er dazu sagt — im Gegensatz zu dem, was bei Ihnen, Herr von Weizsäcker, steht —, nicht viel mehr als pastorales Gerede, das seine neoliberalen Ansichten von der Marktwirtschaft christlich verbrämen soll. Was Herr Biedenkopf hier aus der Solidarität herausholt, besteht vor allem darin, etwas christliches Erbgut zu zitieren, um den Kirchgängern klarzumachen, daß es doch besser ist, weiter CDU zu wählen.
Was er dann als Abgrenzung, als Schreckbild der Soldidarität der Sozialisten darstellt, übertrifft in



Bundesminister Dr. Ehmke
seiner Primitivität die Stalinisten. Im Grunde scheint es so zu sein, daß Herr Biedenkopf weder von der Geschichte des Sozialismus noch von der der christlichen Soziallehre allzu viel kennt.
Bei der Gleichheit ist dann mit dem Christentum auch gleich Schluß. Von der fundamentalen Gleichheit aller, die Menschenantlitz tragen, die Gottes Kinder sind, ist nicht die Rede. Nein, da kommt der publikumswirksame Satz, die CDU wolle Gleichheit der Chancen, und die SPD wolle Gleichheit der Resultate — was ein gut formulierter Satz ist, der aber zwei Dinge verdeckt. Erstens geht es in vielen Bereichen der Gleichheit tatsächlich um die Gleichheit der Resultate. Und Herr von Weizsäcker, eines der interessantesten Teile ihres Programms ist das, was Sie über Lohngleichheit gesagt haben. Vielleicht sollte man das einmal zusammen etwa mit dem zweiten schwedischen Gleichheitsbericht diskutieren. Was da drinsteht, ist beachtenswert; ich kann dem fast in allem zustimmen.
Zweitens geht es in Bereichen, wie etwa der Bildung und der Ausbildung, wo es wirklich auf individuelle Talente und Fähigkeiten ankommt, um das Problem der wirklichen Chancengleichheit. Natürlich haben die Menschen verschiedene Talente, und kein Mensch ist für stupide Gleichmacherei; aber die Gleichheitschance, die eigenen Talente auch voll zu verwirklichen, haben im heutigen Schulsystem nicht alle. Das müssen wir doch zugeben. Es reicht ja nicht aus, daß die Schulen allen offenstehen. Es ist auch noch keine Gleichheit, daß kein Schulgeld bezahlt wird. Die Arbeiterkinder sind schon von Hause aus, von der Sprache her im Nachteil. Es ist doch auch für viele von Ihnen, die auf diesem Gebiet fortschrittlich tätig sind, keine Frage: Unser Bildungssystem privilegiert und diskriminiert bestimmte Klassen.
Ich darf hier noch einmal auf die hessischen Rahmenrichtlinen zurückkommen. Die sollte man doch in dem Teil, der den Deutschunterricht betrifft, gerade unter diesem Gesichtspunkt auch von Ihnen ernster nehmen, wenn ich auch persönlich nicht mit meiner Meinung zurückhalte, daß sie in diesem Teil, dem ich kritischer gegenüberstehe als dem gesellschaftspolitischen Teil, den Sie vor allem kritisieren, einen berechtigten kritischen Ansatz etwas überzogen haben.
Wenn man nun zum Begriff der Freiheit im Vortrag von Herrn Biedenkopf kommt, so erschöpft sich das im wesentlichen in seiner Lieblingsidee als Rechtslehrer, die ich als Kollege respektiere, daß das Privatrecht sehr viel liberaler sei als das öffentliche Recht. An dieser These finde ich zweierlei interessant, nämlich einerseits die Art, in der der Herr Generalsekretär aus seiner professoralen Meinung einen CDU-Programmsatz macht — ich habe das im CDU-Programm nie gefunden —, und außerdem die Art, in der er diese Meinung des Neoliberalismus hier zum besten gibt, obgleich sie rechtsgeschichtlich in nichts fundiert ist. Wir alle in diesem Hause erlassen ja Gesetze und beschließen Gesetze sowohl des privaten wie auch des öffentlichen Rechts, und wir wissen, daß wir nicht im Privatrecht freiheitlicher sind als im öffentlichen Recht.
Interessant ist dies auch im Hinblick auf die Abgrenzung zur FDP, daß hier konservative neoliberale Positionen aufgenommen werden, die die FDP mit ihrem Freiburger Programm hinter sich gelassen hat, ein Verdienst des Kollegen Maihofer, der noch einmal am Dreikönigstag in Stuttgart klargemacht hat
auch das sollte man für die Lage in diesem Lande sehen —, daß die FDP auf dem Wege zum sozialen Liberalismus auch den Weg vom demokratischen Rechtsstaat zum demokratischen Sozialstaat geht. Dazu wird Herr Maihofer sich gleich selbst noch äußern.
Meine Herren, ich finde es recht bestürzend, daß im Kapitel über Freiheit bei dem Herrn Generalsekretär nur zwei praktische Vorschläge stehen und diese Freiheitseinschränkungen darstellen, und zwar einmal in Richtung auf die Gewerkschaften und zum anderen in Richtung auf die Meinungsfreiheit von Angestellten in Rundfunkanstalten, die übrigens keine staatlichen Anstalten sind, wie Herr Biedenkopf wissen sollte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber öffentliche Anstalten!)

Die zu den Bemühungen der Grundsatzkommission in Widerspruch stehenden Thesen — es sind ja mehr Werbethesen, die von Herrn Biedenkopf hier verkauft werden — erreichen ihren intellektuellen und politischen Höhepunkt, wenn er zum Schluß in bezug auf unsere Bemühungen, das Langzeitprogramm zu quantifizieren, sagt, der Versuch der SPD zu quantifizieren zeige, daß die SPD Wachstum brauche für die Verwirklichung ihrer Vorstellungen, während die CDU „ihre Werte nicht quantifiziert, sondern glaubt und lebt". Meine Herren, da kann ich nur sagen, das ist so gut, das könnte von Margot Kalinke sein.

(Beifall bei der SPD.)

Entweder weiß der Generalsekretär der CDU nicht, was Nullwachstum für dieses Land bedeuten würde, oder aber er sieht darin eine besondere Chance, weiter die Politik zu betreiben, den Status quo der Besitzenden auf Kosten der breiten Schichten der abhängig Tätigen in diesem Volk zu sichern.

(Beifall bei der SPD.)

Die eigentliche Frage — und damit komme ich zum Schluß — —

(Zurufe von der CDU/CSU.) — Ich verstehe ja, daß Sie nervös sind.


(Lachen bei der CDU/CSU.)

Ich wäre aber doch dankbar, wenn Sie zuhörten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Größenwahnsinnig!)

Ich bin auch sicher, Herr von Weizsäcker wird hierauf schon antworten und vielleicht in einer Weise
antworten, die das weitere Gespräch möglich macht.
Eines unserer wirklichen Probleme, Herr von Weizsäcker, liegt doch in der Auffassung von Freiheit und gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen der Freiheit. Hier ist die Union nun dabei, dem falschen Propheten Schelsky ganz auf den Leim zu



Bundesminister Dr. Ehmke
gehen. Ich habe das schon einmal in der Haushaltsdebatte am 25. Oktober skizziert und darf hier auf die hervorragenden Äußerungen von Richard Löwenthal in der „Zeit" vom 2. und 9. November letzten Jahres verweisen.
Ich komme jetzt noch einmal auf die Mitbestimmung, um das Problem „Der einzelne und die gesamtgesellschaftliche Ordnung" zu erörtern. Wie sieht denn Ihr Mitbestimmungsbeschluß aus? Ich bedauere, daß Herr Kollege Katzer nicht hier ist. Das sieht folgendermaßen aus: Formell macht man Parität. Aber der Aufsichtsratsvorsitzende — erster Schritt — wird bei paritätischem Patt von den Kapitaleignern gewählt. Dieser Aufsichtsratsvorsitzende wählt unter den gleichen Voraussetzungen den Vorstand, und dieser Vorstand braucht bei paritätischem Patt keine Zustimmung des Aufsichtsrats, d. h. er ist freier gestellt als nach geltendem Aktienrecht. Wenn die beiden sich gegenseitig paralysieren, dann kann er ohne Zustimmung entscheiden, dann braucht er es hinterher nur im Geschäftsbericht zu sagen. Ich sage Ihnen: ich habe noch nie eine so perfekte Camouflage für ein Mitbestimmungsmodell gesehen, das allein die Interessen der Kapitaleigner deckt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Nordlohne: Sie müssen erst einmal die Urwahl einführen! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Sozialausschüsse waren gut beraten, dem nicht zuzustimmen. — Meine Herren, wir kommen in diesem Haus ja noch zu dem Thema. Ich freue mich schon, dann zu sehen, wie die Sozialausschüsse stimmen werden. Nicht nur ich, sondern auch die Kollegen von der FDP, wir freuen uns schon, dann zu sehen, wie sie stimmen werden, wenn unser Entwurf hier im Parlament ist.
Weiter mit dem Thema „Der einzelne und die gesamtgesellschaftlichen Freiheitsvoraussetzungen"! Da wird uns jetzt vertröstend gesagt: Wir machen ein ganz neues Unternehmensrecht und da kriegt der Arbeitnehmer Mitgliedschaftsrechte. Ja, meine Herren, das sieht so aus, als ob man nun endgültig den Industriefeudalismus in so einer Art industrieller Hintersassenschaft befestigen will. Ich muß sagen: Walter Arendt hat mit seinem Gesetz über die Mitnahmemöglichkeit von Betriebsrenten mehr für die Rechte der Arbeitnehmer getan, als Sie mit irgendeinem Mitgliedschaftsrecht werden machen können.

(Beifall bei der SPD.)

Gucken Sie sich doch die Mitgliedschaftsrechte der Kleinaktionäre an! Formaler Schein, ohne daß es wirklich etwas an Mitbestimmung bringt! Unser Problem ist ein anderes, und ich stimme Ihnen da zu, Herr Weizsäcker: wir müssen mit der Mitbestimmung noch herunter an den Arbeitsplatz, aber das muß man dann im Ausbau des Betriebsverfassungsgesetzes machen.

(Abg. Kroll-Schlüter: Sie gehen doch weg davon! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Problemstellung ist nämlich nicht die: „Der einzelne oder das Kollektiv", sondern die Problemstellung ist: „Der einzelne in Solidarität mit seinen
Arbeitskollegen". Solidarität ist nämlich nichts Metaphysisches oder Karitatives, wie uns die CDU erzählen will. Solidarität ist etwas sehr Handfestes, nämlich das Bewußtsein des Aufeinander-angewiesen-Seins freier Menschen.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Herren von der CDU, wir müssen eben Schluß machen mit dieser Mischung, die die deutsche Geschichte, insbesondere die unseres Bürgertums, bestimmt hat, der Beschränkung der Freiheit auf einen rechtsstaatlich gezähmten Obrigkeitsstaat. Wenn die deutsche Geschichte eines bewiesen hat, dann das, daß es ein Irrtum des Bürgertums war, ohne Demokratie, ohne politische Freiheit private Freiheit sichern zu können. Das sollten wir doch 1933 ein für allemal gelernt haben. Und das heißt: der einzelne hat nur dann genügend Freiheit und Rechte, wenn wir unsere Gesellschaft weiter demokratisieren. Es gibt keinen Widerspruch zwischen Rechten des einzelnen und mehr Demokratisierung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Freiheit als soziale Wirklichkeit, meine Damen und Herren von 'der Opposition, ist keine individuelle Naturgegebenheit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Leistung. Statt den demokratischen Sozialismus zu verballhornen, sollten Sie doch in ,der Lage sein, Herr von Weizsäcker, zuzugeben, daß er in den 110 Jahren seines Bestehens nur eine Grundfrage gehabt hat, wie man nämlich dem Menschen auch in der aufkommenden und sich entwickelnden Industriegesellschaft zu Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung verhelfen kann. Das war unsere Frage.

(Beifall bei der SPD.)

Es war nicht die Frage, ihn zu verorganisieren, ihn zu verplanen und ihn zu bürokratisieren. Es wäre gut, wenn Sie das einmal anerkennen würden.

(Abg. van Delden: Das ist aber herausgekommen, Herr Ehmke!)

Um lebensfähig zu bleiben, braucht unser Gemeinwesen mehr demokratische Teilhabe, mehr Teilhabe an den gemeinsam und das heißt: gesellschaftlich produzierten materiellen Werten dieser Gesellschaft, mehr Teilhabe aber auch an den Entscheidungen, die das Leben eines jeden einzelnen betreffen, und das heißt: Demokratisierung der Verfügungsgewalten in dieser Gesellschaft.
Zusammenfassend, meine Herren von der Opposition: Feste Wahrung des Gesetzes - ja, obrigkeitsstaatliche Maßregeleien — nein. Auseinandersetzung mit allen Meinungen und Kampf um jeden jungen Bürger in diesen Staat — ja, hochmütiges Einordnen kritischer und suchender junger Menschen in selbstgebastelte Schubladen — entschieden nein!

(Zustimmung bei der SPD.)

In diesem Sinne um die bessere Fundierung der Demokratie zu kämpfen, das, meine Herren von der Opposition, und nicht der Mißbrauch der Verfassung als parteipolitische Waffe ist der gemeinsame Auftrag des Grundgesetzes. Uns darin in dieser Debatte wieder einig zu werden, wäre ein angemessenes Ge-



Bundesminister Dr. Ehmke
schenk an unser Land zum 25. Geburtstag unseres Grundgesetzes.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708000400
Das Wort hat der Abgeordnete von Weizsäcker.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0708000500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Darf ich zunächst zu den Bemerkungen des Kollegen Ehmke ein paar Anmerkungen machen, zunächst nur, um damit fertig zu werden, und dann auf die Sachfragen kommen.
Herr Ehmke, was Sie persönlich an die Adresse von anwesenden und abwesenden Kollegen sagen — Herrn Müller, Frau Kalinke —, was Sie über die Sozialausschüsse oder über die Kapitalistenverfassung oder über die Haltung der CDU/CSU gegenüber den Problemen der Unterprivilegierten sagen, - nun, wissen Sie, wenn Sie die Post so gut verwalteten, wie Sie polemisieren können,

(lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

dann wären die Bürger im Lande gewiß beruhigt angesichts der großen Lasten, die wir alle auf diesem Gebiet zu tragen haben. Aber darum geht es ja hier heute nicht.
Dann möchte ich auf das eingehen, was Sie zu der Grundsatzarbeit in der CDU gesagt haben. Sie haben gesagt, wir hätten mit einigem zeitlichen Verzug dem Godesberger Programm nachgelernt. Nun, wenn ich mich daran erinnere, daß Sie auf dem Dortmunder Parteitag der SPD das Wort aus einem einzigen Grund ergriffen haben, nämlich um sich kritisch und polemisch mit unserem ersten Grundsatzbericht auseinanderzusetzen, dann freue ich mich über den Nachlernprozeß bei Ihnen in bezug auf den zweiten Bericht.

(Beifall bei der CDU/CSU. —Abg. Dr. Marx: Aber er muß sich noch sehr anstrengen!)

Aber vielleicht erinnern Sie sich auch noch daran, Herr Ehmke, daß Sie mir nach dem ersten Bericht gesagt haben, der eigentliche Fehler, den wir gemacht hätten, bestehe darin, daß wir zuwenig die konservativen Positionen betont hätten;

(Lachen bei der CDU/CSU)

was wir täten, bestehe viel zu sehr darin, daß wir Dinge von Ihnen übernähmen. Wissen Sie, Sie haben das sicher nett gemeint, als Sie mir das sagten. Aber es hat mich doch an eine sehr ernste Erfahrung in meinem Leben erinnert, Ich habe einmal einen sehr nahen Verwandten von mir vor Gericht mit verteidigt, weil ich von seiner Unschuld überzeugt war und bin. Eines Tages hat sich der Ankläger in diesem Verfahren zu mir gewandt und gesagt: Ist ja alles sehr schön und gut, was Sie da machen; Sie haben nur einen Fehler gemacht: Sie hätten mich zum Verteidiger machen müssen.
Ich möchte jetzt auf die Fragen selber eingehen, die Sie im Zusammenhang mit den Grundwerten hier gestellt haben. Solidarität, Gleichheit, Freiheit, das
sind Begriffe, die weder im Godesberger Programm noch in dem Programm der CDU erfunden wurden, sondern das sind Werte, die durch den Kampf der Menschheit um ihre Freiheit und Gerechtigkeit entwickelt wurden. Ich finde, es ist überhaupt kein Fehler, wenn wir uns in bezug auf die Werte als solche in Übereinstimmung befinden, dann uns aber darüber auseinandersetzen, was sie denn konkret bedeuten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Daß Herr Biedenkopf begonnen hat, von der Solidarität zu sprechen, das entspricht in der Tat unserer Überzeugung; denn der Mensch ist ein auf Gemeinschaft angelegtes Wesen. Und deswegen verstehen wir unter Solidarität, daß der Mensch Anspruch auf Hilfe hat, daß er Anspruch hat auf Mitwirkung an den Angelegenheiten des Gemeinwesens, daß er aber auch die Pflicht zur Mitwirkung hat an diesen Angelegenheiten. Bei Ihnen sehe ich in bezug auf die Verwirklichung der Solidarität aber zwei andere Schwerpunkte, nämlich erstens die Übernahme aller Aufgaben durch den Staat für den einzelnen, von der Geburt bis zum Tode, und zweitens — denn das ist ja eine von Ihnen wohl auch nicht bestrittene Analyse von Herrn Biedenkopf über die marxistische Entwicklung — Solidarität, das heißt Solidarität des einzelnen in seiner Klasse, bis diese Klasse sich durchgesetzt hat. Das ist die Solidarität des Gleichen mit dem Gleichen gegen die Ungleichen. Und wenn Sie sich dann allzu häufig auch auf die christlichen Wurzeln dieser Solidarität berufen, dann kann ich nur wiederholen, was hier schon einmal gesagt wurde: Diese Solidarität mit dem Nächsten beruht ja gerade darauf, daß der Nächste nicht gleich ist wie ich, sondern daß er ungleich ist,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und daß es so schwierig ist, mit ihm solidarisch zu sein, und daß man deshalb die Aufgabe hat, mit ihm solidarisch zu sein, und nicht gleich mit gleich gegen ungleich.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Und was die Gleichheit selber anbetrifft: Natürlich sind wir uns darin einig, daß ihr Fundament die gleiche Würde jedes Menschen und das gleiche Recht jedes Menschen ist. Aber die gleiche Chance ihm zu geben und das ist unser Programm —, das erfordert die Bereitschaft, auch die unterschiedlichen Ergebnisse dieser gleichen Chance entgegenzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie von dem schwedischen Programm sprechen, über das wir uns mal unterhalten sollten — ich bin dazu natürlich gern bereit —, dann kann ich auch hier nur wiederholen, was an anderer Stelle schon gesagt wurde: Wenn man die Gleichheit anstrebt, nämlich die Gleichheit der Existenzen, dann wird man am Ende dazu genötigt sein, diese Gleichheit der Chancen wieder abzuschaffen, weil man nämlich im Namen der Gleichheit der Existenzen es gar nicht erträgt, daß durch Gleichheit der Chancen Leistungsdifferenz, Konkurrenz und Unterschiede zutage treten, die mit unserer Existenz verbunden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Freiherr von Weizsäcker
Selbstverständlich ist die Gleichheit der Chancen ihrerseits mit der Notwendigkeit für uns alle verbunden, Maßnahmen ausgleichender Gerechtigkeit zu treffen; denn nicht alle Menschen haben dieselben Gaben. Aber es bedarf schon des Mutes, die Konsequenz der Chancengleichheit auch zu akzeptieren, nicht aber beides zu wollen: Chancengleichheit und Gleichheit der Existenz.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aus alledem ergibt sich dann der Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung. Aus dem ergibt es sich eben, daß selbstverständlich das Individuum nicht allein für eine menschenwürdige Existenz in der technischen Welt sorgen kann, aber daß, wenn der Mensch den Blick für den Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung verliert, am Ende die Freiheit vollkommen auf der Strecke bleibt. Denn er darf sich eben nicht fügen in eine Situation, in der er nun verwaltet wird, sondern er muß überall, wo es ihm möglich ist, selber die Mitverantwortung übernehmen.
Lassen Sie mich nun noch einen Satz zu der Auseinandersetzung über das Godesberger Programm sagen; Sie, Herr Ehmke, sind darauf ja auch noch einmal eingegangen. Ich bin Herrn Schäfer und Herrn Dürr und auch Herrn von Oertzen dankbar dafür, daß sie dazu gestern Verschiedenes gesagt haben. Freilich, was Herr Dürr gestern in bezug auf die Zitierungen gesagt hat, das hat mit der Wahrheit wenig zu tun, auch als er in dem ihm eigenen Taktverständnis verstorbenen Kollegen Zitatenfälschung nachrief. Es ist doch umgekehrt: Wir bedauern, daß noch immer nach 15 Jahren das Mißverständnis nicht beseitigt ist, das mit diesem Satz im Godesberger Programm verbunden war, sondern noch da und dort verstärkt wird. Diese Formulierung ist nun einmal doppeldeutig. Sie haben sie vorhin ja vorgelesen, Herr Ehmke, aus dem Referat von Herrn Biedenkopf. Und der Genießer der Doppelstrategie, Herr von Oertzen, hat ja selber gesagt, man müsse sie auf der Zunge zergehen lassen. Das hat er hier gestern abend gesagt; ich weiß nicht, ob Sie es gehört haben.
Bitte, verstehen Sie doch: Die soziale Demokratie ist auch mein Ziel. Aber wenn der Bundeskanzler Brandt in Anlehnung an Bruno Kreisky sagt: „Soziale Demokratie und demokratischer Sozialismus sind ein und dasselbe", oder wenn der „relativ führende" SPD-Mann von Oertzen

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

davon spricht, daß Sozialismus und vollendete Demokratie gleichbedeutend seien, dann, meine Damen und Herren, entstehen eben die Mißverständnisse in verstärkter Form, anstatt daß Sie sie ausräumen. Es verübelt Ihnen doch niemand, daß Sie Ihr eigenes Programm für das beste unter allen Angeboten halten; das tun wir ja mit dem unsrigen auch. Aber wer sein Programm mit dem Ziel der Demokratie gleichsetzt, der erklärt nun einmal jeden Nichtsozialdemokraten schlechthin zum Verhinderer der Demokratie.
Noch vor drei Wochen, als mein Kollege Norbert Blüm Ihnen hier diesen Glaubenssatz vorhielt, registrierte das Protokoll lediglich lebhaften Beifall bei der SPD. Wieder einmal war eine Klarstellung versäumt worden, daß Sie nicht Religionskrieger für den alleinseligmachenden Sozialismus sein wollen.
Eine solche Anmaßung, die mit dem Mißverständnis verbunden wird, ist ja dort in Gefahr, eine ganz konkrete Bedrohung zu werden, wo ein solcher Glaubenssatz in direkte Beziehung zu den Spielregeln der Demokratie gesetzt wird. Das geschah ja, wie wir alle wissen, im vergangenen Jahr etwa in den Rahmenrichtlinien zum Unterricht des Landes Nordrhein-Westfalen, wo es hieß, unsere Kinder müßten lernen, daß zur Verbesserung demokratischer Verhältnisse formatdemokratische Spielregeln und Rechte vorübergehend außer Kraft zu setzen sind. Hier also wurde das vernünftige Ziel, junge Menschen zu kritisch-mündigen Bürgern heranzubilden, in eine antidemokratische Verführung verfälscht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn unsere Verfassung kennt ein Widerstandsrecht nur gegen den, welcher die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen will. Niemand aber hat einen Verfassungsanspruch oder ein Widerstandsrecht zur Durchsetzung des eigenen Programms.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Wir sind uns darüber einig, daß wir das Grundgesetz gemeinsam geschaffen haben und daß wir die Demokratie so verstehen: nicht Kampf um die Verfassung, sondern Wettbewerb der Parteien auf ihrem Boden. Natürlich ist dieser Wettbewerb schwierig; denn eine Verfassung ist nicht statisch. Die Ausgestaltung des sozialen Rechtsstaates, Kernstück unserer Aufgabe und unseres legitimen Streites, ist schwierig, weil sich die Interessen der Menschen und Gruppen nicht decken. So kommt es also für uns hier darauf an, mit welcher Folge für die Verfassung wir diesen Streit führen: Wollen wir die grundsätzliche Gemeinsamkeit erhalten und zurückgewinnen, wo sie bedroht ist, oder wollen wir nur unter uns den Gegensatz markieren und dafür Schuldige finden?
Diese Frage, muß ich sagen, hat sich mir noch nie in der gleichen Schärfe gestellt wir vor drei Wochen, als Sie, Herr Wehner, hier in diesem Hause das Grab der zweiten Republik beschworen. Das darf doch ein Demokrat nicht sagen, es sei denn, er habe resigniert.

(Abg. Gansel: Nur Sie dürfen das!)

Wer anfängt, die Republiken wie früher die untergehenden Reiche zu numerieren, der beschwört die Gefahren herauf, vor denen das Volk zu bewahren Aufgabe dieses Hauses ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zu einem weiteren Gedanken kommen, der sich mit einer Gefahr beschäftigt, die ich jedenfalls als die größte für unser Gemeinwesen ansehe und die in der Tat zunächst mit rechts und links nichts zu tun hat. Die Energiekrise - Herr Ehmke hat sie in die Debatte eingeführt — hat sich der schon verbreiteten Inflation hinzugesellt. Beides zusammen führt uns in eine Phase der Teuerung, des Null-



Dr. Freiherr von Weizsäcker
wachstums und zunehmender Bedrohung der Arbeitsplätze. Selbst der vorsichtige Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung läßt uns darüber nicht im Zweifel.
Wie werden wir damit fertig? Gewiß nicht durch eine Hochkonjunktur der Systemveränderer, von deren Aktivitäten hier schon die Rede war. Nun melden sich auch Geschichtsphilosophen mit ihren Vorschlägen zu Wort. Arnold Toynbee sagte zum Jahreswechsel, Adam Smith habe uns die Philosophie des Eigennnutzes und damit eine Unwahrheit gelehrt. Nach 150 Jahren sei die westliche Welt so weit, daran zugrunde zu gehen, wenn sie es nicht fertigbringe, diese Philosophie umzukehren. — Jeder ist ernst zu nehmen, der uns mahnt, uns zu bescheiden und Rücksicht zu nehmen, um miteinander leben zu können. Den Angriff Toynbees halte ich freilich für ein Mißverständnis, wohl schon gegenüber Adam Smith, gewiß aber gegenüber der sozialen Marktwirtschaft. Denn unter ihr verstehen wir ja nicht die Philosophie des Eigennutzes, sondern die der größten Effektivität für das Ganze, welche die eigene Initiative und Leistung belohnt, allerdings nur dort, wo sie sich im Rahmen von Recht und Gesetz, von Ordnungspolitik und Sozialpflichtigkeit betätigt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das gilt für alle. Das gilt für den Unternehmer, für die Arbeitnehmer, für die Fluglotsen und für andere Spezialisten im öffentlichen Dienst.
Nun bekenne ich mich ganz ausdrücklich zu einem Gemeinwesen, das sich nicht auf den Staat und auf das Individuum allein reduzieren läßt. Die autonomen Verbände und vor allem auch die Gruppen haben in der Gesellschaft eine wichtige eigene gestaltende Aufgabe. Ohne sie können wir den sozialen Rechtsstaat im industriellen Zeitalter gar nicht verwirklichen. Deshalb schützen wir sie und fördern ihre Entwicklung. Die Verantwortung für die Spielregeln ihrer Tätigkeit, für die Ordnungspolitik, für die Integration des Ganzen hat aber der Staat. Für diese Verantwortung bedarf er heute mehr als je der Kraft und Entschlossenheit.
Damit sind wir beim zentralen Problem unserer heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Der Staat besitzt heute nicht die Kraft, gemäß dieser Verantwortung zu handeln. Macht und Verantwortung sind auseinandergefallen. Niemand entläßt den Staat aus der Verantwortung für das Gemeinwohl, aber die Macht geht mehr und mehr auf die Gruppen über. Bei Stabilität und Wachstum war das weniger spürbar. Die meisten Bürger waren irgendwo „dabei", wenn der Kuchen verteilt wurde. Bei Nullwachstum und Teuerung geraten wir aber in verschärfte Verteilungskämpfe, die sich selbst überlassen sind und daher zu entarten drohen. Es sind nicht, wie die Marxisten meinen, die Kämpfe zwischen Kapitalisten und der Arbeiterklasse, sondern es sind die Kämpfe unter den Beschäftigungszweigen und unter den Gruppen. Sie nehmen sich gegenseitig die Anteile weg, weil ja Zusätzliches zur Verteilung gar nicht bereitsteht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In der Krise sucht dann jede Gruppe ihren Vorteil ohne Rücksicht auf die Folgelasten für andere. Jede tritt mit ihrer ganzen Macht an. Das integrierte allgemeine Beste ist nicht ihre Zuständigkeit. Es bleibt auf der Strecke. Es ist, wie die Zeitung „Le Monde" es für die Lage in Westeuropa beschrieb, jeder für sich und Gott für den Stärksten. Wir haben alle miteinander, jeder zu seinem Teil, zu dieser Entwicklung beigetragen. Wir tragen dafür gemeinsam die Verantwortung. Die Folgen betreffen uns alle. Wir sind nahe daran, an ihnen zu scheitern.
Nun erklärt Herr von Oertzen, der Vorsitzende der Langzeitkommission und Grundsatzsprecher Ihres Parteivorstandes, über die Ziele des Sozialismus, sozialistische Politik könne nur durch vollständige Selbstverwaltung und Selbstregelung der Gesellschaft durchgesetzt werden. Wer aber einerseits die öffentlichen Mittel vergrößern will und andererseits die Politik der Selbstregelung gesellschaftlichen Gruppen überläßt, wird nur allzuoft erleben, wie die Gruppen unter der Fahne von Reformen eigene Interessen zu Lasten des Ganzen durchsetzen. Es gibt keine Reformen ohne einen starken Staat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, es gibt auch keine Demokratisierung ohne einen starken Staat. Herr von Oertzen erklärt, sozialistische Politik erfordere die Doppelstrategie, nämlich im Staatsapparat und außerhalb desselben, in den Parlamenten und im außerparlamentarischen Kampffeld. Weiß Herr von Oertzen eigentlich, wie recht er hat — freilich auf eine etwas makabre Weise —, wenn z. B. der gewählte Bürgermeister einer Stadt die Aufgaben der öffentliche Hand einfach gleich selber in die andere Hand nimmt, mit der er als Ortsvorsitzender der OTV kämpft?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Demokratisierung ist ein vieldeutiger Begriff. Er deckt Gutes und Bedenkliches.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Er fördert die Freiheit, wenn er zu mehr Beteiligung und Mitverantwortung der Bürger und ihrer Gruppen führt. Aber der Bürger, den die Verfassung gegen die Willkür des Staates rundherum schützt, bedarf zu seiner Freiheit sowohl als einzelner wie in der Minderheit auch des Schutzes gegenüber den Zwängen der Gruppe.
Die Demokratisierung ist auch keine Rechtfertigung für die Übernahme von Staatsmacht durch Funktionäre der Gruppen, die zur besseren Durchsetzung ihrer Interessen auf allen Seiten des Tisches gleichzeitig Platz genommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das Ergebnis ist die Gefährdung der Demokratie, weil, wie Conrad Ahlers es in seiner gestrigen Kolumne gesagt hat, der Staat am Ende ist, weil er vergesellschaftet wird. Der Markt ist verstopft, die Spielregeln sind durch Doppelstrategie pervertiert, die Integrationskraft ist dahin, das Gemeinwohl ist ohne Anwalt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Freiherr von Weizsäcker
Eine Lösung im Wege der Selbsterkenntnis und der Selbstbescheidung des Menschen können wir von der Politik nicht erwarten. Gewiß spielt dies alles eine wichtige Rolle, vielleicht weniger die Kraft zum Altruismus als die Fähigkeit zur Vernunft. Es gibt ja neue Einsichten, die sich langsam und sicher durchsetzen und dann eine große Bedeutung haben. Ich denke nicht nur an die Entwicklung der Menschenrechte, ich denke in der heutigen Zeit an Mitverantwortung und Mitbestimmung, um deren richtige Formen wir uns ganz mit Recht im Ringen miteinander um den besten Weg bemühen. Ich denke auch an scheinbar kleinere Themen — Herr Ehmke hat sie schon genannt —, z. B. an die Bereitschaft, im Rahmen des wachsenden Dienstleistungsgewerbes soziale Dienste zu übernehmen, weil immer mehr Menschen erkennen, daß sie dabei eine stärkere Erfüllung und Befriedigung ihres Lebens finden können als z. B. im Gewerbe der Konsumsteigerung.
Aber Krisen, meine Damen und Herren, werden auf diesem Wege nicht gelöst. Es gibt keine Volksbewegung des Altruismus oder der Vernunft. Wohl aber gibt es die wachsende Verführbarkeit verdrossener und unzufriedener Bürger. Dies ist die eigentliche Gefahr, der Wegbereiter für die Radikalen von rechts und links.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Sehr gut gesagt!)

Nicht Werbekampagnen um eine neue Mitte, die zwar parteitaktisch ganz verständlich sein mögen, aber der Sache nach doch einen Etikettenschwindel darstellen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

sondern die klare Einsicht ist vonnöten, daß die demokratischen Parteien alle miteinander gefragt sind, ob sie die Schwächen überwinden werden, die solchen Tendenzen Vorschub leisten. Denn die Verantwortung und die Initiative liegen weder bei selbsternannten Eliten noch bei Volksbewegungen, sie liegen bei uns. Von unseren Programmen, von unserer Handlungskraft, von unserer Fähigkeit, den Ernst der Lage nicht zu beschönigen, und von unserem Beispiel wird die Zukunft bestimmt.
Meine Damen und Herren, verschärfte Kämpfe um die Verteilung der Folgen von Teuerung und Nullwachstum werden die Lage krisenhaft zuspitzen. Dies bringt die Chance, aber auch die entscheidende Prüfung für uns mit sich, ob wir gemäß der Verfassung in der Lage und gewillt sind, Macht und Verantwortung einander zuzuordnen. Ohne sie gibt es kein Gemeinwohl, ohne sie gibt es keine Reformen, und ohne sie gibt es keine Demokratie. Wir können darauf zählen, daß in der Bevölkerung neben Anspruchsdenken und Eigennutz auch die Bereitschaft zur Nüchternheit, zur Vernunft und zur Rücksichtnahme aufeinander besteht. Aber politisch verfügbar wird diese Bereitschaft nur für eine überzeugende und kräftige politische Richtung und Führung. Hier warten nicht Triumphe der einen Seite der Demokraten über die andere, hier wartet eine Aufgabe für uns alle. Hier steht eine große Gefahr vor der Tür.
Die Wahlen in Dänemark haben in unserer unmittelbaren Nachbarschaft stattgefunden. Aber die Deutschen haben vielleicht nicht das Talent zu einer liebenswürdigen Bewältigung von Problemverweigerern. Wir müssen gemeinsam mit dieser krisenhaften Zuspitzung fertig werden. Wir müssen Macht und Verantwortung einander zuordnen. Viel Zeit und Spielraum ist uns allen miteinander dafür nicht gewährt.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708000600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schöfberger.

Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708000700
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema dieser Debatte lautet: Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung in der Bundesrepublik. Hinter diesem Thema scheinen sich Sorge und ein hohes Verantwortungsbewußtsein zu verbergen. Herr von Weizsäcker hat dieser Sorge auch Ausdruck verliehen. Aber schließlich ist er doch wieder zum ursprünglichen Anliegen Herrn Dreggers zurückgekehrt, als er nämlich von „Gefährdung der Demokratie", von „Radikalen",

(Abg. Niegel: Das geht doch auf Herrn Vogel zurück!)

von „Etikettenschwindel" und von „krisenhafter Zuspitzung" sprach. Das führt auch uns wieder zu ,den ursprünglichen Zielen des Herrn Dregger zurück,

(Abg. Niegel: Zur Münchener SPD!)

die wohl beide so lauten: die CDU/CSU als einzige Gralshüterin des Grundgesetzes ,darzustellen und der Sozialdemokratie bei dieser Gelegenheit das Etikett „verfassungsrechtlich unzuverlässig" auf den Bauch zu kleben.

(Abg. Niegel: Jetzt geht Herr Vogel raus! Der vertreibt den Vogel!)

Das alles kommt uns sehr bekannt vor. Der Versuch ist nicht neu; er entspricht alter konservativer Tradition.

(Abg. Haase [Kassel] : Vogel flüchtet!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708000800
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708000900
Nein, ich bedauere.

(Abg. Dr. Dregger: „Mehr Demokratie"!)

Altdeutsche und Deutschnationale, Freikonservative und schlichte Konservative, Hansabünde und Industriellenbünde, Stahlhelmer und Hugenberger haben zu allen Zeiten versucht,

(Abg. Leicht: Heute die Kommunisten!)

sich als einzig wahre und verfassungstreue Deutsche darzustellen und andere, vornehmlich die Vertreter der Arbeiterbewegung, aus der Verfassung und, wenn es möglich war, aus der Nation hinauszudrängen.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)




Dr. Schöfberger
Auch die Methode hat sich kaum geändert. Der Wertekatalog der Konservativen ist immer der alte geblieben; auch das Vokabular ist allbekannt.

(Abg. Leicht: Ihr Vokabular!)

Ruhe und Ordnung, Disziplin und Zucht, Autorität und Gehorsam, Ehre und Pflicht wurden als höchste Bürgertugenden gehandelt. Von Freiheit und Gleichheit, von Demokratie und Menschlichkeit, von Brüderlichkeit, ja sogar von Nächstenliebe und Solidarität ist nur selten die Rede.

(Beifall bei der SPD. Abg. Stücklen: Die Nächstenliebe habt ihr in München gemacht!)

— Ich empfehle Ihnen dringend, sich um Ihre eigene Partei zu bemühen, nachdem selbst die Junge Union feststellt, daß ,der Führungsstil und die Diskussionsmöglichkeiten in der CDU/CSU unerträglich und nicht gegeben sind.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Stücklen: Das war ein Vogel-Zitat!)

Denn wie Ihre gestrengen geistigen Vorfahren — ich meine die mit den Vatermördern und die mit dem Rohrstock — bedauern auch Sie als heutige Konservative die Unordnung im allgemeinen, die Disziplinlosigkeit der Jugend im besonderen, den aufrührerischen Geist, das Schwinden von Autorität, die Auflösung hergebrachter Werte und den Verlust an Zucht und Pflichtbewußtsein. Bei Ihren Reden hat man immer das Gefühl, daß der Untergang des christlichen Abendlandes kurz bevorsteht. Wenn man Herrn Dregger und Herrn Filbinger hört, weiß man nie, ob das Abendland schon vor oder erst nach Ostern unterzugehen droht.

(Beifall bei der SPD.)

Professor Adorno hat in seinen zehn Strukturmerkmalen der autoritären Persönlichkeit — Herr Strauß, hören Sie genau zu — vor allem eines herausgestellt,

(Abg. Reddemann: Wenn man Ihnen zuhört, weiß man, warum die SPD in München kaputtgeht!)

nämlich die Neigung, stets zu glauben, daß wilde und gefährliche Dinge in der Welt vor sich gehen. Im Grunde ist Ihr Verfassungstag der 31. Mai, ein Tag, an dem man früher den Weltuntergang erwartete.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Niegel: Eurer der 1. April!)

Eine Portion Untergangstimmung, eine Portion Selbstgerechtigkeit und ein Hauch von Inquisition und Hexenjagd gehören offenbar auch heute noch zum dauerhaften Rüstzeug deutscher Konservativer.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Kliesing: Trinken Sie lieber einen! — Abg. Niegel: Was ist der Vogel in euren Augen?)

Bei zunehmender Gesellschaftsdynamik — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind doch nicht bei den Jusos!)

— Soll ich ein bißchen warten, bis Sie sich ausgetobt haben?
— Nein. Gut.

(Abg. Dr. Kliesing: Der hat schon am frühen Morgen gesoffen!)

Bei zunehmender Gesellschaftsdynamik wächst Ihre Existenzangst. Wirkliche oder eingebildete Krisen dienen Ihnen als Transmissionsriemen für die Angstmechanismen, und diese Angstmechanismen brauchen Sie offenbar, um Ihre politische Ernte in die Scheune zu bringen. Dies ist bis heute so geblieben. Ihre Verfassungsdebatte beweist es bis zum Überdruß, aber auch mit erfreulicher Klarheit.

(Abg. Leicht: Gar kein Beifall? — Abg. Reddemann: Das glaubt selbst die SPDFraktion nicht mehr!)

Zwei Dinge, meine Herren, werden Ihnen allerdings nicht gelingen: Sie werden aus der Identität mit dem deutschen Konservativismus nicht hinauskommen. Spätestens nach dieser Verfassungsdebatte ist diese Identität wiederhergestellt. Zweimal mußten die deutschen Konservativen wegen eines politischen Konkurses in der deutschen Geschichte das Firmenschild wechseln, damit die Leute wieder bei ihnen einkaufen mögen, aber die ideologischen Restposten und Ladenhüter werden immer noch gehandelt.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Stücklen: Sie meinen den Marxismus? — Abg. Niegel: Marx ist schon 130 Jahre alt!)

Es wird Ihnen auch nicht gelingen, die Sozialdemokratie oder Teile von ihr — und die Jungsozialisten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Sozialdemokratie —

(Beifall bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU)

als verfassungsmäßig unzuverlässig oder gar als verfassungsuntreu aus dem Grundgesetz hinauszudrängen.

(Abg. Leicht: Das machen Sie selber! — Abg. Reddemann: Sie lassen Sich beim Hinausdrängen aus dem Grundgesetz von niemandem übertreffen! — Abg. Dr. Wagner [Trier] : Man muß doch die Wahrheit sagen!)

Denn die Sozialdemokratie — ich zitiere Sebastian Haffner — ist 111 Jahre lang nicht nur zu ihrem Namen, sondern auch zu ihrer Idee gestanden, sie ist die eigentliche Traditionspartei der demokratischen Verfassungstreue.

(Beifall bei der SPD.)

Sebastian Haffner fährt fort: „Sie hat die Fähigkeit längst bewiesen, auch unter schwierigsten Bedingungen und unter schwersten Opfern an der geltenden Verfassung festzuhalten."

(Abg. Dr. Wagner [Trier] : Von Ihnen kaputtgemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708001000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?




Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708001100
Ich bedaure sehr, nein.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Weil ich Sie jetzt bitte, sehr gut aufzumerken. Es wird Sie betreffen.
Die Sozialdemokratie hat schon zu einer Zeit für elementare Menschen- und Bürgerrechte, für Freiheit und soziale Gerechtigkeit, für Chancengleichheit und Demokratie gekämpft und geopfert,

(Abg. Dr. Wagner [Trier] : Alles, was Sie jetzt wieder abschaffen, Herr Schöfberger!)

als sich Ihre geistigen Vorfahren, Herr Dregger und andere, aus dem konservativen und deutschnationalen Lager noch in Kniefällen vor Kaisern und in Heilrufen vor Despoten erschöpften.

(Beifall bei der SPD.)

Deswegen meine ich, daß diese Sozialdemokratie von Ihrer Seite keiner Belehrung bedarf.

(Abg. Reddemann: Wenn Dummheit weh täte!)

Sie stand zur verfassungsmäßigen Ordnung, sie steht zur verfassungsmäßigen Ordnung, und sie wird auch in Zukunft zu ihr stehen.

(Beifall bei der SPD. Zuruf des Abg. Reddemann.)

Meine Damen und Herren, was Bismarck nicht geschafft hat, wird Herr Dregger auch nicht schaffen, nämlich die Sozialdemokratie aus diesem Grundgesetz hinauszudrängen.

(Abg. Niegel: Aber Ihr macht sie kaputt!)

- Nein, da täuschen Sie sich.

(Zuruf des Abg. Reddemann.)

Sie werden gestatten, daß ich mich etwas näher
— Sie können dann anschließend das Gegenteil tun — mit dem konservativen Verfassungsverständnis auseinandersetze. Sie sind immer versucht, Ihr statisches Gesellschaftsbild auf die bestehende Verfassung zu übertragen, und kommen damit in einen ernsten Widerspruch zur Verfassungsdynamik.

(Abg. Niegel: Wären Sie doch im Bayerischen Landtag geblieben!)

Das Bundesverfassungsgericht, dem Sie vielleicht noch eine gewisse Aufmerksamkeit zuwenden könnten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Mehr als Sie!)

hat zur Frage der Verfassungsdynamik folgendes festgestellt - ich zitiere mit Genehmigung —:
Eine Verfassungsbestimmung kann einen Bedeutungswandel dann erfahren, wenn in ihrem Bereich neue, nicht vorgesehene Tatbestände auftauchen oder bekannte Tatbestände durch Einordnung in neuer Beziehung oder Bedeutung erscheinen.
Wir Sozialdemokraten gehen von dieser Verfassungsdynamik aus. Das Grundgesetz eignet sich
weiß Gott nicht als tote Reliquie im konservativen Heiligenschrein.

(Lachen bei der CDU/CSU. Abg. Leicht: Beifall!)

Demgegenüber meine ich, daß Sie sich leider zu oft und zu gründlich an das jeweils Vorhandene und an das jeweils Vorgegebene klammern, auch dann, wenn dies den normsetzenden Ansprüchen der Verfassung zuwiderläuft. Im Grunde, meine Damen und Herren, suchen Sie immer noch nach dem alten Art. 2 der Mecklenburgischen Verfassung kurz nach den Karlsbader Beschlüssen, der da lautete: „Es bleibt alles beim alten."

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sie sind unbezahlbar, Herr Kollege, unbezahlbar!)

— Herr Carstens, Sie werden vergeblich danach suchen: Dieser Artikel wurde nicht rezipiert.

(Abg. Haase [Kassel] : Sehen Sie mal, wie Sie den Vogel fertig machen!)

Weil Sie nach diesem Artikel suchen, haben Sie auch eine tiefgründige Abneigung gegen alle gedanklichen Konstruktionen eines künftigen besseren Zustandes in Gesellschaft und Politik.
Gestern war von der neu veröffentlichten infasUmfrage die Rede. Da haben Sie vorgegeben, es beunruhige Sie, daß 10 % der Studenten radikale Neigungen haben. Das beunruhigt uns auch,

(Abg. Reddemann: Sie wollten 50 % haben!)

aber ich darf Ihnen sagen, was Sie noch mehr beunruhigt. Es beunruhigt Sie wahrscheinlich sehr viel mehr, daß nach dieser Umfrage 45 % der Studenten politische Auffassungen haben, wie sie in der Sozialdemokratie vertreten werden,

(lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

und daß Sie nur 16 % auf Ihre Häupter vereinigen konnten.

(Beifall bei der SPD.)

So weit kommt es, Herr Strauß, wenn man allein beim Kanzlerwort „Wir wollen mehr Demokratie wagen" schon Magenkrämpfe und Zuckungen bekommt.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Erzählen Sie mal, wie Sie den Vogel fertigmachen! — Abg. Schmöle: Mehr Demokratie wagen? Nicht einmal eine Frage lassen Sie zu!)

Das hervorstechende Merkmal konservativen Verfassungsdenkens scheint mir dies zu sein: Die CDU/ CSU hat in diesem Hause und draußen schon so oft und so sehr die Interessen der Reichen und der Einflußreichen vertreten und für diese Interessen Partei ergriffen, sie hat so sehr diese Interessen verinnerlicht, daß sie ständig der Gefahr unterliegt, diese Interessen und ihre Durchsetzung als Verfassungspostulate auszugeben und gegen tatsächliche Grundsatzentscheidungen der Verfassung — denken Sie an das Sozialstaatsprinzip — auszuspie-



Dr. Schöfberger
len. Ich möchte das erläutern, wiewohl es schon mehrmals in dieser Debatte angesprochen wurde.

(Abg. Strauß: Das haben wir sehr nötig!)

Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsgestaltung sind im Grundgesetz nicht ausgeprägt. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, daß das Grundgesetz in solchen Fragen eine weitgehende Zurückhaltung übt. Aus diesen Gründen können Sie nicht ständig behaupten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung umfasse und gebiete auch das aktuelle Wirtschaftssystem der Bundesrepublik und die konkrete Ballung und Ausübung wirtschaftlicher Macht.

(Abg. Jäger [Wangen] : Wer behauptet das denn? Das behauptet doch niemand!)

— Sie, laufend.

(Abg. Reddemann: Das sind doch Ihre Hirngespinste!)

Die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen einer dünnen Schicht, der Preiswucher auf dem Rücken eines ganzen Volkes, die Einkommens- und Vermögensverzerrung, Mietwucher und Bodenspekulation,

(Abg. Stücklen: Der Herr Ehmke, der Oberpreiswucherer!)

auch Kinderarbeit und Frühinvalidität, Umweltgroßverschmutzung und Wirtschaftskriminalität sind keine Gebote dieses Grundgesetzes, auch wenn Sie dies hier wieder hartnäckig verteidigen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Kroll-Schlüter: Er gehört auch zu den relativ wichtigen Führern!)

Meine Damen und Herren, diese Strukturfehler und Mißstände einer kapitalistischen Gesellschaft gehören nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

(Abg. Reddemann: So was nennt sich Verfassungsdebatte! - Abg. Dr. Mertes [Gerolstein]: Es ist Karnevalszeit!)

Auch wenn Sie sich als Gralshüter dieser Zustände betätigen wollen — und das tun Sie offenbar —, müssen Sie sich zumindest eines in der öffentlichen politischen Diskussion abgewöhnen:

(Abg. Stücklen: Was denn?)

die Unart, all jene als Verfassungsfeinde an den Pranger zu stellen, die die skandalösen Gewinne etwa der Mineralölgesellschaften mißbilligen,

(Lachen bei der CDU/CSU)

die nach wirksamen demokratischen Kontrollen gegen wirtschaftliche Allmacht suchen

(Abg. Strauß: Hessische Landesbank!)

— ja, das steht z. B. in der hessischen Verfassung, Art. 41, von der Sie aber nichts halten -

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

und die über Möglichkeiten der Vergesellschaftung einzelner Wirtschaftszweige nachdenken.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Niegel.)

Das Nachdenken über Möglichkeiten der Vergesellschaftung von Produktionsmitteln hat jedenfalls den
Vorteil, daß es durch die Verfassung abgesichert ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708001200
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach?

Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708001300
Ja, bitte schön!

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0708001400
Herr Kollege Schöfberger, könnten Sie mir einmal sagen, welch eine Regierung in der Bundesrepublik Deutschland diese skandalösen Zustände und vor allen Dingen die skandalösen Gewinne der Mineralölgesellschaften zuläßt?

(Lachen bei der SPD.)


Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708001500
Wissen Sie, Herr Kollege, diese Strukturfehler und diese Auswirkungen sind nicht im Jahre 1973 vom Himmel gefallen, sie sind nur aktualisiert worden.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

Das hat tiefere Ursachen. Dies liegt an gesellschaftspolitischen Weichenstellungen, die ohne Zweifel Sie selbst zu vertreten haben.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich weiß nicht, woher Sie gegenüber der Bevölkerung immer wieder diesen unerschöpflichen Mut nehmen, das auch noch zu verteidigen, was sich in der Energiekrise abspielt.

(Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/ CSU.)

Alles in allem würde ich sagen, meine Damen und Herren: Die heutigen Konservativen haben im macht- und ordnungspolitischen Bereich unseres Grundgesetzes ein groß überbelichtetes, im egalitären, demokratischen und sozialen Bereich ein grob unterbelichtetes Verfassungsbild.
Darf ich mich zum Abschluß —

(Abg. Haase [Kassel] : Leider!)

vielleicht kommen wir hier ins Gespräch, meine Damen und Herren; aber das scheinen Sie ja abzulehnen, was mich im übrigen nicht stört —,

(Abg. Haase [Kassel] : Zugabe!) vielleicht in Form einer kleinen Zugabe


(Zurufe von der CDU/CSU: Jawohl! und ironischer Beifall bei der CDU/CSU)

mit dem Demokratieverständnis einiger aus Ihren Reihen auseinanderzusetzen.

(Abg. Strauß: Jawohl, wir haben es nötig!)

— Ja, ich glaube, das haben Sie nötig, Herr Strauß. Bruno Heck, der Herr Kollege Heck, Ihr langjähriger Geschäftsführer, sprach wohl auch für Sie, Herr Strauß

(Zuruf des Abg. Strauß)




Dr. Schöfberger
- ausnahmsweise, sonst ist es immer umgekehrt gewesen; da gebe ich Ihnen recht —,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

wenn er meinte:
Die CDU bejaht die Demokratie als Organisationsform des Staates,
— das tun wir auch —
aber nicht für die Gesellschaft. Demokratisierung der Gesellschaft ist ein negatives Prinzip.
Ich möchte Sie fragen: Ist also nach Ihrer Auffassung Demokratie eine bloße überhöhte Geschäftsordnung des Staates, eine bloße Formelsammlung, und ist sie nicht auch ein Lebensprinzip, das alle Bereiche dieser Gesellschaft durchdringen soll?

(Beifall bei der SPD. — Abg. Jäger [Wangen] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte schön, Herr Jäger.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708001600
Das Wort zu einer Zwischenfrage hat der Abgeordnete Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0708001700
Herr Kollege Schöfberger, sind Sie der Auffassung, daß das Verhalten Ihres Bundesparteischatzmeisters Nau gegenüber den Belegschaften verschiedener sozialdemokratischer Zeitungen ein besonders hervorstechendes Merkmal sozialdemokratischer Handhabung der Demokratisierung der Gesellschaft ist?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708001800
Sie sollten bei solchen Gelegenheiten zum ersten die Zuständigen selbst fragen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Zuständigen! Richtig!)

weil ich mir nicht anmaße, über alles Auskunft geben zu können.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

Zum zweiten dürfen Sie davon ausgehen, daß auch die sozialdemokratische Presse unter den Schwierigkeiten der Pressekonzentration zu leiden hat.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Sehen Sie! — Sie sind ja ein Profitjäger! Das ist ja ein Skandal! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708001900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke? — Bitte!

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0708002000
Herr Kollege Schöfberger, wenn Sie schon darüber keine Auskunft geben können, können Sie mir dann sagen, ob Sie derjenige sind, der den Kollegen Vogel aus München vertrieben hat?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708002100
Herr Kollege, Ihr Demokratieverständnis möchte ich haben! Sie schließen
wohl aus den Vorgängen in Ihrer Partei auf Vorgänge in der Sozialdemokratie. Bei uns ist es jedenfalls üblich, demokratische Wahlen abzuhalten, zu kandidieren, gewählt und nicht bestellt zu werden.

(Beifall bei der SPD.)

Ich darf Ihnen bei dieser Gelegenheit mitteilen, daß mich die Münchener Sozialdemokraten mit 75 % gewählt haben.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber ich darf wieder anknüpfen an das, was Herr Bruno Heck gesagt hat. Von dieser Haltung ist es nämlich nicht weit zu dem, was der „Industriekurier" vor einigen Jahren festgestellt hat. Er hat damals festgestellt — ich zitiere mit Genehmigung —:

(Abg. Strauß: Mit Genehmigung!) — Ja, da bin ich vorsichtig. —

Die Demokratisierung der Wirtschaft ist so unsinnig wie die Demokratisierung der Schulen, der Kasernen und der Zuchthäuser.
Und weil wir schon bei den Zuchthäusern sind, meine ich auch auf den unwiderlegten Ausdruck und Ausspruch des Herrn Heck bei dieser Gelegenheit zurückkommen zu müssen, der da meinte, daß der Aufenthalt in den Konzentrationslagern ,der chilenischen Faschisten bei sonnigem Frühlingswetter recht angenehm sei.

(Abg. Reddemann: Das ist doch eine Unverschämtheit, Sie verdrehen Aussagen, um Demokraten beschimpfen zu können!)

Dies ist ein Demokratieverständnis, meine Damen und Herren, das auf unser Verständnis nicht mehr trifft.
Ich darf fortfahren: Der Herr bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel meinte zum vergangenen bayerischen Verfassungstag folgendes:
Ich muß in diesem Zusammenhang auf die verderbliche Auffassung und Lehre

(Abg. Strauß: Ist das ein Zitat?)

von der Demokratie als ständigem Prozeß eingehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum macht Ihr eigentlich in Bayern noch Wahlkampf?)

Prozesse haben immer eine Entscheidung und ein Ziel für sich. Ständiger Prozeß bedeutet ständige Auseinandersetzung. Staat aber ist Stand, Zustand. Wir wollen keine permanente Revolution.
Ich will auch keine permanente Revolution.

(Abg. Niegel: Aber so zwischendurch mal eine?! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Mit dem Beharrungsvermögen, das hier zum Ausdruck kommt, wird aber auch eines erreicht: hier wird der Wunsch vieler Bürger nach mehr Demokratie, hier wird der Wunsch vieler Bürger nach mehr Mitsprache und im Grunde nach mehr Volkssouve-



Dr. Schöfberger
ränität als permanente Revolution verdammt und verketzert. Dies machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Niegel: Ihr macht das Rätesystem! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich darf Ihnen noch etwas vortragen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708002200
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rudolf Schöfberger (SPD):
Rede ID: ID0708002300
Nein, ich bedauere.
Ich darf Ihnen noch etwas vortragen, das der Herr bayrische Kultusminister Maier gestern vorzutragen unterlassen hat. Er schreibt:
Eine Freiheitsideologie,

(Abg. Strauß: Ist das ein Zitat?) — das ist jetzt sehr interessant —die den individualistischen Anspruch des Grundrechtsteils der Verfassung in ultrakonkretem Realismus beim Worte nimmt, zerstört dabei unvermeidlich das Ganze der Verfassung.


(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Dies, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als konservativer Hohn auf die geschriebene Verfassung und auf das Wort des Grundgesetzes.

(Beifall bei der SPD. Zuruf von der CDU/CSU.)

Wenn ein Minister vorgibt oder auffordert, man dürfe den Grundrechtsteil der Verfassung nicht beim Worte nehmen, würde ich ihn, wenn dieser Titel nicht schon anderweitig vergeben wäre, als „Radikalen im öffentlichen Dienst" bezeichnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD. — Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Das hat er gar nicht gesagt!)

Schließlich darf ich auf das zurückkommen, was Herr Dregger auf dem Unternehmertag in Bad Pyrmont von sich gegeben hat.

(Abg. Strauß: Das ist wichtig zu hören!)

Dort sagte er — ich zitiere wieder mit Genehmigung —:
Was die sogenannte Demokratisierung bei uns angeht, so sei zunächst darauf hingewiesen, daß es sich hier um eine kommunistische Vokabel handelt.

(Abg. Dr. Dregger: Wie schrecklich! — Abg. Haase [Kassel] : Ich dachte, Herr Vogel hätte das gesagt!)

Und er fügte hinzu:
Die kommunistische Unterwanderung hat sogar in der Kirche eingesetzt.

(Heiterkeit bei der SPD.)

So stand es in der „Fuldaer Volkszeitung" vom 29. März 1971.

(Abg. Haase [Kassel] : Hat das Vogel gesagt?)

Herr Dregger, Sie müssen sich vorsehen, daß Sie nicht der deutsche McCarthy werden.

(Abg. Reddemann: Welcher McCarthy?)

Ich darf mit einer Betonung dessen abschließen,

(Zurufe von der CDU/CSU: Noch nicht! — Zugabe!)

was wir Sozialdemokraten an Verfassungsverständnis in diese Debatte einzubringen haben:
Im Gegensatz zum bayerischen Kultusminister nehmen wir die Verfassung wörtlich. Wir wollen mit dem Grundgesetz Ernst machen.

(Abg. Haase [Kassel] : Wie mit dem Herrn Vogel! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Wir sehen in diesem Grundgesetz — auch Herr Minister Vogel — nicht nur eine stabilisierende Ordnung, die es zu bewahren und zu verteidigen gilt, sondern auch einen Auftrag, den man in vielen Bereichen unserer Gesellschaft noch erfüllen muß.

(Abg. Strauß: Warum, ist der Vogel dagegen?)

Bei diesem Auftrag und mit diesem Auftrag wollen wir auch Reformen verwirklichen, die Sie während Ihrer Regierungszeit in stolzer Unbekümmertheit und mit lernpathologischer Unwilligkeit auf dem geduldigen Papier der Verfassung stehengelassen haben.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Jäger [Wangen].)

Dabei gehen wir von den tragenden Grundwerten aus, die Sie bisher vernachlässigt haben, von der Freiheit und von der Chancengleichheit, vom Eigentum und von der Sozialpflichtigkeit, von den Grundrechten und von ihrer Gemeinverträglichkeit, vom Rechtsstaats- und vom Sozialstaatsgedanken, von der Gewissensfreiheit der Abgeordneten und vom Mitwirkungsauftrag des Grundgesetzes für die politischen Parteien in Art. 21, von der repräsentativen Demokratie und von der Volkssouveränität, von der im Grundgesetz auch die Rede ist.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet dies als Spannungslagen des Grundgesetzes: Die verfassungspolitische Aufgabe ist es, in diesen Spannungslagen eine Lösung zu finden, die dem Menschenbild des Grundgesetzes gerecht wird.

(Zuruf des Abg. Strauß.)

Wir werden Chancengleichheit schaffen, indem wir allen Bürgern die Chance eröffnen, an den Gütern der Bildung, der Ausbildung, der Gesundheit und der gesicherten Umwelt teilzuhaben, ohne auf ihre wirtschaftliche Kraft zurückgreifen zu müssen. Chancengleichheit ist Chance zur Teilhabe. Weil wir diese Chancengleichheit im Interesse der Selbstverwirklichung anstreben, wollen wir auch die von Ihnen so tapfer verteidigten Privilegien und Sondervorteile der Reichen und Einflußreichen Stück für Stück abbauen: im Steuerrecht, im Bodenrecht, im Gesundheitswesen, im Bildungswesen, in der



Dr. Schöfberger
Rechtspflege und wo immer sich solche Privilegien
verstecken und wo immer sie fortgeschleppt werden.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Niegel: Proletarier aller Länder — —! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir Sozialdemokraten — und damit komme ich zum Schluß —

(Zurufe von der CDU/CSU)

haben uns vorgenommen, den Sozialstaatsauftrag des Grundgesetzes zu erfüllen. Der klassische Rechtsstaat, den das Grundgesetz postuliert, muß durch die Solidargemeinschaft ergänzt werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jedem sein Reitpferd!—Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Bei unseren Gesetzesvorhaben zur Humanisierung der Arbeitswelt, zur Hilfe für Behinderte und Kranke, für junge und alte Menschen in den Heimen, beim neuen Strafvollzugsgesetz

(Zurufe von der CDU/CSU)

und bei vielen anderen Gelegenheiten sind Sie eingeladen,

(Zuruf von der CDU/CSU)

an der Verwirklichung des Grundgesetzes mitzuhelfen. Niemand, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wird Sie daran hindern können, Ihr konservatives, starres und verkrampftes Verfassungsbild beizubehalten. Niemand wird Sie daran hindern können, gegen die Chancengleichheit anzurennen. Niemand wird Sie daran hindern können, Demokratie als Lebensprinzip abzulehnen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber ob Sie damit sich, unserem Grundgesetz und unserem Volk einen Dienst erweisen, das bezweifle ich.

(Beifall bei der SPD und Händeklatschen bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Abg. Niegel: Wer hat wen reingelegt?!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708002400
Das Wort hat Herr Bundesminister Maihofer.

Dr. Werner Maihofer (FDP):
Rede ID: ID0708002500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat es im Jubiläumsjahr unseres Grundgesetzes für richtig gehalten, eine Verfassungsdebatte in diesem Hause zu führen, nicht etwa, wie man, dem hohen Anlaß entsprechend, voraussetzen dürfte, um nach 25 Jahren in einem nüchternen Vergleich

(Zurufe von der CDU/CSU)

von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit — Sie werden schon noch ruhiger werden da hinten! — die kritische Bilanz aufzumachen, inwieweit dieses Grundgesetz — und das wäre die Aufgabe gewesen — in diesen Jahren erfüllt worden ist und wieweit es unerfüllt geblieben ist. Das wäre eine für Regierung und Opposition nützliche Anstrengung gewesen.
Statt dessen hat es die Opposition für nützlich befunden, uns einen Katalog von Allgemeinheiten,
an den ich noch einmal erinnern darf, und Selbstverständlichkeiten zu präsentieren, offenbar — denn sonst kann ich ihn überhaupt nicht erklären und verstehen — um in der Öffentlichkeit den Anschein zu erwecken, es könne zwischen den Demokraten in diesem Hause überhaupt eine Debatte darüber geben, ob sie Trivialitäten zustimmen können wie den folgenden: „Demokratische Parteien und Verbände dürfen keine gemeinsame Sache mit Verfassungsfeinden machen" oder „Gewaltenteilung und Gegenmacht gewährleisten die Bürgerfreiheit". Nun, „ja, ja, ja", könnte man dazu nur überall sagen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Nur, hinter diesen Banalitäten beginnt doch jeweils, wie Sie so gut wissen wie wir, überhaupt erst das Problem, wenn wir nämlich fragen: Was bedeutet das, was fordert das? Auf diese eigentlichen Fragen, über die es unter Demokraten in diesem Lande wirklich zu debattieren lohnte, haben Sie in dieser Debatte — ich sage es ganz scharf — nicht die mindeste Antwort beigebracht, ja, Sie haben sie überhaupt nicht gestellt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Mein Kollege Hirsch hat dazu schon gestern manches, wie ich meine, ins Schwarze Treffende gesagt.
Aber selbst diese Ihre wahre Absicht, hier eine rein parteipolitisch gezielte Verfassungskampagne gegen die Regierungsparteien zu führen, statt in eine staatspolitische Verfassungsdebatte zwischen Regierung und Opposition einzutreten, haben Sie nicht erreicht, und dazu möchte ich einige deutliche Worte sagen. Der einzige wirklich förderliche Beitrag — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0708002600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach?

Dr. Werner Maihofer (FDP):
Rede ID: ID0708002700
Aber gern.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0708002800
Herr Bundesminister, da Sie gerade bei einer Wertung sind, möchte ich Sie fragen, ob es nicht sinnvoller ist, im 25. Jahre des Grundgesetzes eine Verfassungsdebatte zu veranstalten, als den Vorschlag des Kanzlers zu realisieren, ein Volksfest mit Würstchenbuden und Trallala aus diesem Anlaß durchzuführen, wie es der Bundeskanzler vorgeschlagen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Werner Maihofer (FDP):
Rede ID: ID0708002900
Nun, Sie machen hier allerdings gelegentlich einen Trubel, der mehr einem Volksfest entspräche. Das muß ich sagen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat denn vorhin geredet?)

— Ich komme gleich zur Sache. Sie werden schon gleich hören, wovon hier die Rede sein müßte.
Der einzige wirklich förderliche Beitrag zur Sache der Verfassung kam — auch ich möchte das fest-



Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
stellen — vom bayerischen Staatsminister Hans Maier, dem Sie gestern so kräftig zujubelten. Ich stimme mit ihm ganz überein — das wird Sie freuen —, daß wir alle besser daran getan hätten, nicht so zu tun, als gebe es dies oder jenes nicht in unserem Lande. Aber selbst in seinem ernüchternden Beitrag blieb es bei vordergründigen Feststellungen, was es da unter Studenten und an Universitäten alles gibt. Auch bei ihm habe ich keine Frage ,danach gehört — geschweige denn eine Antwort vernommen —, warum das alles so ist. Auch bei ihm waren mir zuviel selbstverständliche Unterstellungen: daß es in München an der Universität nur deshalb so friedlich hergeht — wenn ich das einmal so sagen darf —, weil München eben nicht in Hessen liegt oder in Berlin, wo die SPD regiert. Auch er hat so getan, als ob diese Revolte an unseren Universitäten nur einfach eine Sache des Versagens bestimmter Parteien wäre. Auch er hat so die schonungslose Analyse der Situation nicht geliefert, die uns allen vielleicht weitergeholfen hätte oder uns doch jedenfalls besser verstehbar gemacht hätte, was hier eigentlich vorgeht. Das kann ich hier nicht nachholen.
Ich will das hier geforderte nur mit einigen knappen Strichen umreißen, damit Sie merken, worum es hier geht: um eine epochale Krise nämlich — sie ist der wahre Grund —, in der wir um die Mitte dieses Jahrhunderts wie andere stehen, mitten in einem Umbruch der Werte, wie er sich nur in Jahrhunderten ereignet,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Genau das hat Herr Maier gesagt!)

in einer Zeit, in der fast über Nacht weltanschaulich begründete Strafnormen gegenstandslos werden, die zweitausend Jahre gegolten haben, ob sie Ehebruch oder Homosexualität, ob sie Gotteslästerung oder Sodomie heißen. Ja, in der in einer einzigen Generation — ich weiß, wovon ich hier rede — an die Stelle des zweitausend Jahre in unserem christlichen Abendland vorherrschenden Vergeltungsstrafrechts ein modernes Resozialisierungsstraftrecht tritt. Wir stehen mitten in einem Wandel des Bewußtseins, nicht zuletzt in den nachwachsenden Generationen, wie sich in der so viel verlästerten Revolte der Jugend in Ost und West — in einem seismischen Beben gleichsam — anzeigt. In der eben mehr steckt, als nur der übliche Konflikt der Generationen, die übliche Revolte gegen die Etablierten; in der uralte Sehnsüchte nach menschlicherer Gesellschaft neu aufbrechen. In der plötzlich weltweit von Demokratie nicht mehr nur im Staat, sondern ebenso auch in der Gesellschaft, ja selbst in der Wirtschaft, die Rede ist, von demokratischer Teilhabe also und Mitbestimmung nicht mehr nur, wie bisher, an der verfassungsmäßigen Organisation des Staates, sondern auch in der arbeitsteiligen Organisation der Gesellschaft, in Schule und Hochschule, in Betrieb und Unternehmen.
Was Wunder, daß sich diese Jugend wieder grundsätzlichere Fragen stellt, worauf es denn überhaupt in Staat und Recht und Wirtschaft und Gesellschaft mit den Menschen hinaus soll! Geht es da überall so weiter wie bisher, in Ehe und Familie,
in Beruf und Arbeit, in unseren wachsenden Städten, in unserem sich entvölkernden Land? Offenbar geht es da doch um mehr als darum - ich zitiere nochmals aus Ihrer Vorlage —, die „natürlichen Ordnungen" in einer „sich wandelnden Welt" zu sichern und auszubauen. Aber nicht nur in Hinsicht auf die Grundsätze unserer Verfassung, sondern, was ich noch mehr beklage, auch auf das sie heute tragende Bewußtsein unserer Gesellschaft sind von der CDU/ CSU die eigentlichen Fragen, um die sich eine Debatte unter Demokraten sehr wohl gelohnt hätte, überhaupt nicht gestellt worden.
Geradezu bedrückend erscheint mir nach dem Eindruck dieser beiden Tage das Fehlen jeder tieferen Einsicht auf seiten der CDU/CSU in das, was in unserer Zeit in unserem Land geistig wirklich vorgeht, von dem Sie uns hier ein verzerrtes und vergröbertes Bild vor Augen stellen, von dem man sich fragt, ob das eigentlich das Land ist, von dem hier die Rede sein soll, das man selbst tagtäglich vor Augen hat.
Ich meine, man hätte in der Verfassungsdebatte eigentlich erwarten dürfen, daß die Opposition — denn das wäre ihre Aufgabe gewesen — auf eine Klärung der Unklarheiten, auf eine Beantwortung des Fraglichen gedrängt hätte. Statt dessen hat sie selbst mit ihren eigenen Aussagen über die Verfassung eine Wirrnis der Begriffe offenbart, die beängstigend ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es mag noch — und auch ich möchte das noch einmal aufnehmen — als landsmannschaftliche Eigentümlichkeit hingehen, wenn Ministerpräsident Filbinger allen Ernstes erklärt, es gebe so etwas wie - ich zitiere - die „Garantie unserer verfassungsmäßigen Wirtschaftsordnung", also der sogenannten sozialen Marktwirtschaft, worüber er sich schon an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts leicht eines Besseren hätte belehren lassen können. Gefährlich aber wird eine solche Nichtkenntnis unseres eigenen Grundgesetzes, über das wir hier doch unter Demokraten debattieren wollen, wenn er — ich zitiere nochmals — die „Kommualisierung von Grund und Boden" schlicht als verfassungswidrig bezeichnet. Denn eben dieses Fehlverständnis — und das ist das Bedenkliche daran — ist der geistige Hintergrund für die Verketzerung von Bürgern, die nur fordern, was nach Art. 15 unserer Verfassung mit der einfachen Mehrheit des Bundestages hier jederzeit beschlossen werden könnte, nämlich die Vergesellschaftung von Grund und Boden.
Einem ähnlichen Fehlverständnis der Verfassung scheint auch die CDU/CSU in grundlegender Hinsicht zu erliegen. Man mag es noch als ein Versehen gelten lassen, daß sie in ihrem Prinzipienkatalog unter dem Vorzeichen „Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung" zwar in Andeutungen von Demokratie, auch von Rechtsstaat redet, den Sozialstaat dabei aber ganz einfach unterschlägt. Andererseits aber die „soziale Marktwirtschaft" in Ziffer 8 plötzlich in die Nachbarschaft von Verfassungspostulaten rückt und so den falschen Schein



Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
— ich kann es nicht anders sagen — verbreitet, als ob die Debatte um diese von uns Liberalen durchgesetzte Wirtschaftsordnung in unserem Lande nicht eine Frage politischer Entscheidung, sondern der juridischen Ordnung wäre.
Nich weniger bedenklich, aber wohl auch bezeichnend ist der Mangel an klaren Begriffen und deutlichem Verständnis schon der obersten Verfassungsziele, der sich in der einleitenden Rede des Kollegen Dregger offenbart hat, mit der ich mich doch noch einmal einen Augenblick beschäftigen muß. Darin war in einer erstaunlichen Weise von Dingen die Rede das muß man anerkennen —, die es für die CDU/CSU bis zu ihrem Hamburger Parteitag nicht gab, nämlich nicht nur von Demokratie und Rechtsstaat, sondern auch — im Unterschied zu ihrem Entschließungsentwurf — von Sozialstaat.

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Herr Maihofer, meinen Sie das wirklich ernst, was Sie jetzt sagen?)

Jawohl. Insoweit ist diese Partei in der Tat dabei — denn das ist ja in dieser Rede nachzulesen , sich selbst von früheren, zur bloßen Formel „verknorpelten Begriffen" wie „sozialer Rechtsstaat" zu lösen, mit denen man die sogenannte Sozialstaatsklausel unseres Grundgesetzes auf ein bloßes Beiwort, nämlich „sozial", zum Rechtsstaat reduzieren wollte.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das können Sie doch nicht ernshaft meinen!)

„Das Rechtsstaatsprinzip", so heißt es in der Rede von Dregger, „kann das Sozialstaatsprinzip nicht ersetzen; umgekehrt gilt das gleiche."

(Abg. Vogel [Ennepetal]: Das ist ja auch richtig!)

So weit, so gut. Sie werden gleich merken, warum ich das aufgreife. Das steht ungefähr schon so in den Freiburger Thesen der Liberalen.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Jeder war der erste! — Abg. Niegel: Die gelten doch nicht mehr)

Darin steht auch, daß es bei der Ergänzung und Vollendung des freiheitlichen Rechtsstaats in einem ebenso freiheitlichen Sozialstaat darum gehe, aus gesetzlich gesicherten Freiheiten gesellschaftlich erfüllte Freiheit zu machen, aus formalen Garantien der Freiheit also reale Chancen der Freiheit usw. All das ist jetzt auch bei Ihnen zu lesen. Das freut uns; ich sage das ohne Ironie. Nur was hier Sozialstaat genannt wird, bleibt dennoch ein grundsätzliches Mißverständnis.
Man versteht den Rechtsstaat seit Kant - um
daran noch einmal zu erinnern — als einen Staat der größten möglichen Freiheit und Sicherheit aller Bürger. Bleibt man nicht bei einem bloß formalen Verständnis der Freiheit und Sicherheit stehen, so ist Rechtsstaat in der Tat etwas, das mit realer Freiheit und realer Sicherheit zu tun hat. Wenn Dregger darum jetzt sagt: „Unser Maßstab für die Verwirklichung des Sozialstaates sind die realen Lebensverhältnisse, die reale Freiheit, die reale
Sicherheit", dann ist er damit in Wahrheit nicht beim Sozialstaat angelangt, sondern er ist noch immer bei dem, was wir Liberale, in einem viel umfassenderen Sinne als bisher, Rechtsstaat nennen, nämlich nicht nur den formalen, sondern auch den materiellen Rechtsstaat.
Dieses Mißverständnis ist nicht ohne Belang. Daraus ergibt sich, daß hier ein wirklicher Begriff vom Sozialstaat überhaupt noch nicht durchgedrungen ist. Der Sozialstaat, auch und gerade ein freiheitlicher, zielt nämlich weit darüber hinaus. Sein Ziel ist es, der im freiheitlichen Rechtsstaat erreichten oder doch erstrebten größtmöglichen Freiheit und Sicherheit die größte mögliche Wohlfahrt und Gerechtigkeit für alle Bürger hinzuzufügen, und zwar in der Befriedigung ihrer individuellen Bedürfnisse wie auch in der Entfaltung ihrer persönlichen Fähigkeiten. Wenn wir uns heute, nach 25 Jahren Grundgesetz, fragen, was dieses insoweit noch nicht erfüllte Grundgesetz für uns alle bedeutet und fordert, so stellen sich Fragen, die von der CDU/CSU bei allem geistigen Aufwand, mit dem diese Debatte vorbereitet wurde, als Verfassungsfragen offenbar noch nicht einmal gesehen worden sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Damit Sie sich das beispielhaft vergegenwärtigen können, will ich zum Abschluß hier nur zwei dieser Fragen herausgreifen. Sei kreisen um das, was als die Verfassungspolitik eines freiheitlichen Rechts- und Sozialstaates auf ,der Tagesordnung der nächsten Jahrzehnte stehen wird.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen.)

Erstes Beispiel: Förderung — und zwar in allen Bereichen — einer nicht mehr nur rechtsstaatlichen, sondern sozialstaatlichen Interpretation aller individualen Grundrechte, wie sich ,dies beispielhaft an der Verfassungsgarantie .der Bildung in Art. 12 und der Verfassungsgarantie des Eigentums in Art. 14 des Grundgesetzes zeigen läßt. Was heißt das? In der bisherigen rechtsstaatlichen Interpretation wurden diese Freiheiten und Rechte als bloß formale Garantien

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Formale?)

gesetzlich gesicherter Freiheiten, etwa ,der „Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufes" in Art. 12 oder des gesetzlich gesicherten Rechts am Eigentum in Art. 14 verstanden. In beiden Hinsichten geht es einer heutigen — dies auch hier nur exemplarisch gesagt, es gilt für alle individualen Grundrechte zugleich sozialstaatlichen Interpretation solcher Grundrechte, darüber hinaus, um die reale Chance gesellschaftlich erfüllter Freiheiten und Rechte, und zwar vor dem Hintergrund all der tatsächlichen Ungleichgewichte der Vorteile und der tatsächlichen Ungleichgewichte der Abhängigkeiten in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das heißt — andersherum gesagt , es geht um die
Herstellung ,der gesellschaftlichen Voraussetzung,
eben gerade im Gegenzug gegen diese Ungleichhei-



Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
ten, für eine tatsächliche Verwirklichung des Bürgerrechts auf Bildung; einschließlich familienunabhängiger Ausbildungsförderung, einschließlich integrierter Gesamt- und Ganztagsschule, die dem Jugendlichen bei mangelndem Bildungshintergrund des Elternhauses überhaupt erst die faire, die reale Chance zur Verwirklichung dieses seines Bürgerrechts auf Bildung geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nicht anders ist es bei der von uns Liberalen erstmals in den Freiburger Thesen versuchten, nicht nur wie bisher rechtsstaatlichen Interpretation des Art. 14 im Sinne eines verfassungsmäßig gesicherten Rechts am Eigentum, das jemand hat, sondern zugleich im Sinne eines sozialstaatlich verbürgten Rechtes auf Eigentum, 'das jemand eben gerade noch nicht hat, sondern erwerben will. Auch die Folgerungen aus einem so verstandenen Bürgerrecht auf Eigentum kann ich hier nur kurz andeuten; etwa die Folgerungen im Hinblick auf den durch die bisherige Hortungssituation an Grund und Boden unangemessen erschwerten Erwerb von Eigentum an Grund und Boden, die zu beseitigen oder doch abzubauen die sozialliberale Koalition in der anstehenden Bodenrechtsreform unternimmt, oder etwa die Folgerungen in Hinsicht auf den durch die bisherige Konzentration des Eigentums an Produktionsmitteln unangemessen erschwerten Erwerb an Eigentum an Produktionsmitteln. Auf dem Wege der von dieser sozialliberalen Koalition vorbereiteten überbetrieblichen Vermögensbildung sollen breite Schichten unserer Bevölkerung Zugang zu dem Produktivvermögen der Großunternehmen finden.
Bei allen diesen sozialen Reformen unseres demokratischen Systems vollzieht sich nicht einfach nur eine theoretische Interpretation unserer individuellen Grundrechte, und zwar Punkt für Punkt, unter neuen, zugleich sozialstaatlichen Gesichtspunkten, sondern entsteht neue rechts- und sozialstaatliche Praxis der Politik.
Zweites Beispiel: die Forderung nach einer Ergänzung des bisherigen Katalogs individualer Grundrechte unseres freiheitlichen Rechtsstaats durch den zwar in einigen Landesverfassungen angedeuteten, im Grundgesetz aber bisher fehlenden Katalog sozialer Grundrechte eines freiheitlichen Sozialstaats. Daß Sie hier den Kopf schütteln, zeigt mir,

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Ich kann nur den Kopf schütteln!)

daß Sie nichts verstanden haben. Geht doch jede sozialstaatliche Interpretation unseres Verfassungstextes da ins Leere — das ist eine Tatsache —, wo für bestimmte Bereiche solche Grundrechtsgarantien für die Bürger unter bisher rechtsstaatlichen Vorzeichen überhaupt nicht ausgebracht worden sind. Denn, wir haben es ja gerade gesehen: Zwar läßt sich das soziale Grundrecht auf Bildung oder Eigentum aus einer sozialstaatlichen Interpretation der vorhandenen individualen Grundrechte des freiheitlichen Rechtsstaates herleiten, nicht aber etwa neben diesem Bürgerrecht auf Bildung oder Eigentum auch das für einen freiheitlichen Sozialstaat unverzichtbare Bürgerrecht auf Arbeit, aber auch das Bürgerrecht auf Wohnung, wie es in ersten Andeutungen im vorliegenden Allgemeinen Teil eines Sozialgesetzes enthalten ist.

(Abg. Niegel: Die Inflation macht doch alles kaputt!)

— Das ist doch wirklich belangloses Gerede am Rande, wenn Sie in diesem Zusammenhang so etwas sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie sind sich des Ernstes dieser Sache überhaupt nicht bewußt; sonst könnten Sie solche Bemerkungen nicht machen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708003000
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes (Gerolstein)?

Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID0708003100
Herr Bundesminister, ist das Thema, das Sie jetzt behandeln, nicht das uralte Thema der in der politisch-wirtschaftlichen Wirklichkeit so schwer zu erreichenden Vereinbarkeit von sozialer Gerechtigkeit und persönlicher Freiheit? Weiß nicht jeder Erfahrene von der Gefahr, daß das eine gegenüber dem anderen jeweils zur kurz kommt? Aber liegt das konkrete und aktuelle Problem, das doch viele von uns heute sehen, nicht darin, daß zur Zeit im Ringen der Werte die Sicherung der Freiheit zu kurz kommen könnte? Und ist von daher diese Verfassungsdebatte nicht geboten?

Dr. Werner Maihofer (FDP):
Rede ID: ID0708003200
Sie müssen aber doch sehen, daß es zwar um individuale Freiheit und Sicherheit geht, zugleich aber immer auch um soziale Wohlfahrt und Gerechtigkeit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nur wenn Sie die ganze Fülle dieser in unserem Grundgesetz steckenden und nicht in es hineingedachten Verfassungspostulate erfassen, können Sie überhaupt Verfassungspolitik eines freiheitlichen Rechts- und Sozialstaats machen, nur dann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das bedeutet: Wenn wir mit dem wirklich Ernst machen, was heute schon in der Sozialgesetzgebung für die Bereiche ebenso der Arbeitswelt wie des Wohnungswesens an Freiheiten und Rechten des Bürgers fast zur alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden ist, bis zur Mutterschutzgesetzgebung hier oder zum Kündigungsschutz dort, dann sollten wir uns — das sage ich mit großem Nachdruck — auch nicht scheuen, diesen neuen Freiheiten und Rechten auch ihren verfassungsmäßigen Rang und Ort zuzuweisen: Als erste Verwirklichungen eines Bürgerrechts auf Arbeit oder eines Bürgerrechts auf Wohnung in einem freiheitlichen Sozialstaat und damit eine Verpflichtung dieses unseres Rechts- und Sozialstaats nicht nur zum Schutz der Freiheiten und Rechte des Bürgers, sondern ebenso zur Gestaltung



Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
der Verhältnisse, sowohl der staatlichen als auch der gesellschaftlichen. Daß all diese Rechtsverbürgungen wahrhaft zur realen Chance für jeden Bürger werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708003300
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Dr. Werner Maihofer (FDP):
Rede ID: ID0708003400
Herrn Vogel besonders gerne.

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0708003500
Herr Maihofer, wenn wir schon diese sehr komplizierten verfassungstheoretischen Probleme behandeln:

(Zuruf von der SPD: Da kommt er nicht mit!)

— Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Kollege. —
Sind Sie sich nicht darüber im klaren, daß es eine andere Frage ist, ob wir die bisherige Abwehrfunktion der Grundrechte zusätzlich mit sozialen Teilhaberrechten füllen oder ob wir neben diesen so vom Sozialstaatsgebot her aufgefüllten Grundrechten neue Grundrechte auf soziale Teilhabe schaffen, was etwa bedeuten könnte, daß der einzelne einen Anspruch auf den Bau von so viel Plätzen an Universitäten hat, daß er seinen persönlichen Anspruch auf Bildung dort erfüllen kann — denken Sie etwa an das, was das Bundesverfassungsgericht im Numerusclausus-Urteil gesagt hat —, und sehen Sie nicht die Gefahr, daß durch eine Neuinterpretation der Grundrechte die bisherige Abwehrfunktion der Grundrechte abgelöst werden kann — ich habe es gestern so bezeichnet, sage es jetzt etwas vergröbert —durch eine Vergesellschaftung dieser Grundrechte, und sehen Sie das nicht in der aktuellen verfassungstheoretischen Diskussion?

Dr. Werner Maihofer (FDP):
Rede ID: ID0708003600
Das ist mir sehr wohl bekannt, und dessen bin ich mir bewußt. Aber nehmen Sie ein anderes Beispiel. Wir haben in unserer Verfassung die Garantie von Leben und Gesundheit. Dennoch: mit uns streben ja wohl auch Sie wahrscheinlich eine verfassungsmäßige Verbürgung dessen an, was man heute gerne die menschenwürdige Umwelt nennt. Das hat ebenso wiederum mit den Verhältnissen in unserer Gesellschaft zu tun, von denen noch viel mehr als von persönlichem Verhalten einzelner abhängt, ob jemandes Leben und Gesundheit tatsächlich gewährleistet sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein]: Binsenwahrheit!)

Ich habe nur einige wenige Punkte — wo Sie jetzt schon so allergisch reagieren — angeschnitten. Es war in diesem Rahmen nicht anders möglich. Aber ich meine, hier überall hätte es für diese Debatte Themen übergenug gegeben, die eines gemeinsamen öffentlichen Wettstreits der politischen Ideen würdig gewesen wären: um vage Generalklauseln unserer Verfassung, wie etwa in Art. 15 des Grundgesetzes, präziser zu artikulieren. Oder um ganz
einfach auf die bewußt von den Verfassungsvätern offengehaltenen Fragen unserer staatlichen Verfassung und gesellschaftlichen Ordnung gemeinsame Antworten zu suchen: wohin es denn mit dieser res publica, dieser Republik, aus dem Konsens der Demokraten in diesem Haus und in diesem Land in den nächsten 25 Jahren bis zum Jahre 2 000 hinaus soll.
Das hätte, wie ich meine, die staatspolitischen Anstrengungen aller Parteien gelohnt. Statt dessen hat es die Opposition für richtig gehalten, diese Debatte zu einem parteitaktischen Manöver zu denaturieren, das der müßigen Anstrengung galt, den Konsens der Demokraten in unserem Lande, auf den wir doch alle so stolz sein sollten, in Zweifel zu ziehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein]: Das ist unfair!)

Das ist etwas — ich will Ihnen das ehrlich sagen; ich bin ganz neu in diesem Hause —, was mich zutiefst stört und enttäuscht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die diese Regierung tragenden Parteien sind aus dieser Debatte mit dem gestärkten Bewußtsein hervorgegangen, daß die Opposition auf die wahren Fragen unserer Verfassung keine Antwort hat. Sie hat diese Fragen noch nicht einmal gestellt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

-- Es gebe keine Reformen ohne einen starken Staat, hat Herr von Weizsäcker gesagt. Dem werden wir alle zustimmen. Auch dem, daß ein moderner Staat, als ein Bürgerstaat, die Kraft und die Macht haben muß, oder sich erkämpfen wird, sich selbst gegen stärkste Verbandsmacht mit einer Politik im wohlverstandenen Interesse aller Bürger durchzusetzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber es gibt auch keinen starken Staat — und das ist die unverzichtbare Umkehrung — ohne vernünftige Reformen. Deshalb heißt die politische Devise für diesesozialliberale Koalition, ganz anders, als es über Jahrzehnte von Ihren Bänken herüberklang: nicht Ordnung statt Reform, sondern Ordnung durch Reform.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708003700
Das Wort hat der Herr Bürgermeister Koschnick von der Freien Hansestadt Bremen.
Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure, daß ich nicht gestern das Wort nehmen konnte, als der Kollege Dr. Filbinger sprach; aber da hatten wir Ministerpräsidentenkonferenz. Ich muß heute etwas nachholen. Ich darf Ihnen sagen, daß wir mit etwas Skepsis nach Bonn gekommen sind, um der gestrigen und heutigen Debatte zu folgen, und zwar deshalb, weil wir befürchten mußten — und die Befürchtungen haben sich erfüllt —, daß diese Debatte



Senatspräsident Koschnick
nicht ein ernsthafter Versuch sein würde, die Probleme der Verfassungswirklichkeit, die Entwicklung unserer Verfassung und auch die Probleme der Gesellschaft so zu behandeln, daß wir draußen, insbesondere für eine kritische Jugend, glaubwürdige Antworten haben würden.
Herr Minister Maihofer hat eben zu Recht darauf hingewiesen, wo heute in der jungen Generation — und nicht nur in der akademischen Generation -
die besonderen Schwierigkeiten liegen. Er hat darauf hingewiesen, daß die Jugend mit einem relativ großen Unbehagen auf das zurückschaut, was seit 1949 entwickelt worden ist, daß sie nicht anerkennen will — ich meine, es müßte anerkannt werden —, was an Leistungen in diesen 25 Jahren auch in diesem Staate erbracht worden ist. Die Jugendlichen flüchten ein bißchen zurück in eine heile Welt, die es früher nicht gegeben hat, die es heute nicht gibt und die es morgen nicht geben wird.
Interessanterweise gilt das an den Universitäten für die jungen Ideologen auf der linken Seite gleichermaßen wie für die Ideologen auf der rechten Seite. Beide möchten die heile Welt, beide möchten die geschlossene Ordnung, beide möchten das einheitliche Weltsystem, zwar von unterschiedlichen Positionen aus, aber alle träumen sie von dieser heilen Welt.
Ich verhehle hier nicht, daß wir Sorgen haben um die Entwicklung in unseren Universitäten, daß ich insbesondere Sorgen habe über Entwicklungen in der Bremer Universität. Es wäre völlig unredlich, hier zu sagen, alles sei in Ordnung. Nein, es ist noch vieles zu tun. Nur eines weiß ich: daß die alten klassischen Universitäten ungenügende Antworten auf unsere Probleme waren und daß wir heute versuchen müssen, zu neuen Modellen, zu neuen Formen zu kommen. Jedes neue Modell ist mit der Gefahr behaftet, auch negative Auswüchse zu zeigen. Im Kampf gegen diese negativen Auswüchse stellen wir uns, die wir in unserem Land Verantwortung tragen. Wir wären sehr dankbar, wenn wir uns in dieser Auseinandersetzung nicht allein stellen würden, wenn hier nicht von der „roten Kaderschmiede" gesprochen würde, sondern wenn die Christlichen Demokraten in unserem Lande auch in unserer Universität die Auseinandersetzung beginnen würden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich darf Ihnen aber sagen: Es ist bereits geschehen. Herr Kollege Vogel aus Rheinland-Pfalz hat sich vor etwa 14 Tagen einer ersten Auseinandersetzung gestellt. Ich muß Ihnen sagen: wir haben das außerordentlich begrüßt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708003800
Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Werner Schmöle (CDU):
Rede ID: ID0708003900
Herr Bürgermeister Koschnick, würden Sie zugestehen, daß sich an den Universitäten unsere Freunde vom RCDS durchaus der Auseinandersetzung mit den linksextremen und auch rechtsextremen Kräften stellen?
Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen: Ich gebe gern zu, daß sich jetzt auch in Bremen der RCDS bemüht, in eine kritische, politische Auseinandersetzung einzutreten. Ich erkläre genauso eindeutig, daß er darin bisher keine Unterstützung von der eigenen Partei und der eigenen Fraktion erhalten hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Reddemann: Kommunistische Kaderschmiede, wie Herr Geis sagt!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708004000
Herr Bürgermeister, ich habe noch zwei Zwischenfragen. Ich frage Sie, lassen Sie diese Zwischenfragen zu?
Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen: Diese beiden, ja.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708004100
Die nächste Frage ist die von Herrn Abgeordneten Gerster.

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0708004200
Herr Koschnick, können Sie mir sagen, ob sich vor Kultusminister Vogel ein der SPD angehörender Kultusminister der Diskussion in der Bremer Universität gestellt hat? Wenn ja, wann?
Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen: Das will ich Ihnen gern sagen. Wir, mein Kollege Thape und ich, stehen seit mehr als drei Jahren in der konkreten realen Auseinandersetzung in dieser und mit dieser Universität.

(Abg. Seiters: Also: Nein!)


Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0708004300
Ich frage: Eine Veranstaltung in der Universität?
Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen: Nein.

(Abg. Gerster [Mainz] : Danke! — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Verzeihen Sie, „eine Veranstaltung in der Universität" heißt doch nicht, daß der Regierungschef etwa zum Akademischen Senat gehen muß, wenn der Akademische Senat Verfassungsfragen diskutieren will. Wir diskutieren nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit in all den Fragen, die wir heute in Bremen haben, und wir nehmen jede Einladung an. Und wie Sie wissen, haben wir in dieser Universität auch einige chaotische Kräfte, die natürlich immer wieder versuchen werden, unsere Auseinandersetzung umzufunktionieren. Wir gehen trotzdem in diese Universität. Wie Sie wissen, ging es bei dem großen Krach in der Bremer Universität um einen Auftritt von Koschnick und nicht um Vogel. Wir haben uns nicht mit staatlichen Machtmitteln durchgesetzt, sondern die Professoren, der Dienstleistungsbereich und die Studenten erklärten: „Wir sorgen dafür, daß an dieser Bremer Universität jeder ungestört sprechen kann, um seine Meinung zu



Senatspräsident Koschnick
vertreten, auch wenn wir die Meinung nicht billigen." Das ist die entscheidende Voraussetzung, nicht mit Mitteln der Polizei vorzugehen, sondern die Universität für diese Auseinandersetzung zu gewinnen.

(Beifall bei der SPD.)

Bitte sehr!

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0708004400
Herr Koschnick, halten Sie es für ein Zeichen der Bereitschaft zu theoretischer Auseinandersetzung, wenn der Vorsitzende des RCDS an der Bremer Universität gehindert wird zu sprechen und statt dessen verprügelt wird?
Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen: Zunächst einmal muß ich Ihnen sagen, Herr Vogel, er ist nicht verprügelt worden, aber es gab einen körperlichen Angriff, bei dem wir sofort gehandelt haben.

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

- Entschuldigen Sie bitte, doch nicht an der Universität! Wenn Sie in der Universität oder auf der Straße von zwei Chaoten belästigt werden, können Sie draußen die Bürger auch nicht verantwortlich machen.
Die Antwort der Universität war die, daß sie ankündigte, jeden zu relegieren, der es noch einmal wage, mit Gewalt vorzugehen. Und das haben linke Professoren gesagt. Verzeihen Sie, das muß doch einmal gesagt werden.

(Beifall bei der SPD.)

Und die Antwort war: „Wir wollen es doch einmal mit Herrn Vogel versuchen." Sie werden Herrn Vogel fragen können: Er kann nicht an jeder anderen deutschen Universität so ungestört sprechen, wie es in Bremen möglich ist. Gehen Sie nur einmal nach Heidelberg, und versuchen Sie es einmal dort!

(Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Reddemann.)

— Ich spreche von den Sorgen, die wir an allen Universitäten gleichermaßen haben. Denn es gibt kein typisches studentisches Problem, das sich nur im Norden Deutschlands abspielt, es gibt kein typisches Problem, das sich nur im Süden abspielt. Es gibt höchstens andere Antworten darauf, wie wir mit den Problemen fertig werden. Denn die jungen Menschen, die dort studieren, sind die Kinder aus den gleichen Bevölkerungsschichten. In den Antworten unterscheiden wir uns. Da aber — ,das muß ich Ihnen allerdings sagen — glaube ich, daß die kritische Auseinandersetzung durch die gesellschaftlichen Kräfte in unserem Lande eine bessere Antwort ist, als zunächst immer nur nach der staatlichen Ordnungsmacht zu rufen, obwohl ich die staatliche Ordnungsmacht auch brauche. Es geht nicht ohne staatliche Macht, aber am Anfang müßte die Bereitschaft zur Auseinandersetzung stehen.
Natürlich werden wir in den weiterhin erfolgenden Berufungen der Professoren auch weiterhin
darauf achten, daß wir keine einseitig ausgewählten Professoren, keine einseitige Festlegung haben.

(Abg. Dr. Wagner [Trier] : Darauf habt ihr ja schon vorher geachtet!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben diese Universität bewußt mit der Zielsetzung gegründet, die wissenschaftliche Pluralität an unserer Universität zu ermöglichen. Jetzt haben wir bei jungen Wissenschaftlern heute in einem sehr viel stärkeren Maße, als es Konservativen lieb ist, Tendenzen und Strömungen, die heute eben nicht der Ordnung liberaler Wirtschaft zuneigen, sondern in sehr viel stärkerem Maße modernen, progressiveren gesellschaftlichen Überlegungen. Wir werden dennoch mit aller Macht und mit den Möglichkeiten des Senats — hierfür stehen wir ein — dafür sorgen, daß die Verbreiterung der wissenschaftlichen Basis garantiert wird, und zwar in Übereinstimmung mit der Universität und nicht gegen sie. Auch das muß einmal gesagt werden.
Im übrigen ist es ganz interessant, daß, nachdem an den deutschen Hochschulen hundert Jahre lang konservative Orthodoxie einen wissenschaftlichen Pluralismus nicht erlaubte, wir heute angegriffen werden mit der Begründung, wir würden einen solchen verhindern. Nein, wir wollen ihn erst einmal realisieren, möglichst an allen Universitäten,

(Beifall bei der SPD)

allerdings — das gebe ich zu - auch mit unterschiedlichen Gesichtspunkten. Es kann nicht so sein, daß eine Hochschule wie die andere ist. Wir brauchen Strukturen, die wir entwickeln müssen. Wir brauchen Modelle, die beweiskräftig sind. Deswegen haben wir uns in Bremen so mit Nachdruck dafür eingesetzt, im Hochschulrahmenrecht eine Experimentierklausel für Modellversuche zu bekommen, zeitlich begrenzt möglicherweise, um deutlich werden zu lassen, was man an Universitäten machen kann; um deutlich werden zu lassen, daß die eigene Reform der Hochschulen nicht aus dem gesellschaftspolitischen Prozeß herausgelöst werden darf.
Auf der anderen Seite erkläre ich hier vor dem Parlament: Das Verfassungsurteil von Karlsruhe ist auch für uns verbindlich. Wenn wir im Hochschulrahmenrecht keine Bremer Klausel bekommen, werde ich, wird meine Regierung noch vor Beendigung der Legislaturperiode dafür sorgen, daß das Urteil von Karlsruhe realisiert wird. Aber Sie müssen mir das Recht einräumen, in diesem Hause um Modellbeispiele zu ringen. Ich hoffe auf Unterstützung. Wenn Sie es verwerfen, werde ich auch damit fertig, meine Universität weniger.

(Beifall bei der SPD. Abg. Reddemann: Was heißt „meine Universität"?)

— Verzeihung, ich identifiziere mich mit dem Staat
und spreche deswegen von meiner Universität als
Staatsbürger und als Verantwortlicher im Lande.

(Abg. Reddemann: Es klang so, als ob Sie der Monarch von Bremen seien!)

— Nein, das bin ich nicht, und ich lege auch keinen
Wert darauf, Monarch von Bremen zu werden. In



Senatspräsident Koschnick
dieser Frage haben wir in Bremen ein recht ungestörtes Verhältnis. Wir waren nie monarchistisch, sondern immer Republikaner.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Reddemann.)

— Ich habe ja nichts dagegen. Im übrigen bin ich es gewohnt, so angegriffen zu werden. Ich kenne einen bestimmten Teil von Argumenten, die leider nicht das Niveau von Herrn Weizsäcker erreichen. Ich gebe zu, das gibt es überall,

(Abg. Wagner [Trier] : Zum Beispiel Schöfberger!)

daß Schwierigkeiten in der Artikulation gegeben sind. Aber es wäre doch wirklich sehr schön, wenn wir Jüngeren, ,die, als wir aus dem Kriege zurückkamen und kritisch gefragt haben, warum es denn zum Jahre 1933 und zum Jahre 1945 kam, auch zwei Lehren gemeinsam mit beachten würden: daß es nicht die Nazis und die Kommunisten waren, die uns 1933 den Garaus gemacht haben, sondern daß die Schwäche der demokratischen Parteien, ihren eigenen Staat zu verteidigen, erst zu den Nazis führte.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Reddemann.)

— Wenn ich diesen Beifall richtig deuten darf, müßten Sie jetzt auch die gleiche Schlußfolgerung ziehen, nämlich die Bereitschaft zu zeigen, in den wesentlichen Prinzipien unserer Verfassung und des Staates gemeinsam zu arbeiten und nicht aus wahltaktischen Gesichtspunkten eine Verfassungsdebatte hier anzufangen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Rede von Herrn Dregger hätte gehalten sein können von Herrn Helfferich im Jahre 1921.

(Beifall bei 'der SPD.)

Ich sage Ihnen: wenn Sie wirklich eine gemeinsame Hilfe wollen, dann kooperieren Sie mit den demokratischen Parteien in den wichtigen Fragen und stellen Sie sich der gemeinsamen Auseinandersetzung, aber fangen Sie doch nicht im Freund-FeindVerhältnis an.

(Abg. Wagner [Trier] : Wer 'hat damit angefangen?)

Wo leben wir eigentlich? Haben wir alles vergessen? Ich warne auch aus meiner Position: Lassen Sie es nicht zu, ,daß durch Ihre Argumentation Bonn auch Weimar werden kann, sondern kämpfen Sie wirklich für die Demokratie!

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708004500
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0708004600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte, was immer man sich von ihr versprochen haben mag, hat meiner Meinung nach eines bewiesen: Unser Grundgesetz ist kein toter Buchstabe, und das ist gut so.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Debatte hat, wenn ich es richtig sehe, auch bewiesen: Das Grundgesetz sollte und dürfte nicht für engere parteipolitische Zwecke in Anspruch genommen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Pfeffermann: Interpretieren Sie das doch mal!)

Ich stelle nicht ohne Befriedigung fest, daß sich hier bei uns in der Bundesrepublik Deutschland am Text und an der Realität einer freiheitlichen und demokratischen Verfassung bis zu einem gewissen Grade Leidenschaften entzünden und ,daß sich an diesem Text und an dieser Realität bis zu einem gewissen Grade — wie sollte es anders sein — die Geister scheiden.
Meiner Meinung nach hat sich bestätigt: Ein Teil der Mitglieder dieses Hauses sieht im Grundgesetz vor allem die Elemente der Bewahrung, der Verteidigung des Bestehenden.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Der bestehenden Freiheit!)

Das ist eine respektable Haltung, und niemand darf es hier am Respekt fehlen lassen. Aber auch innerhalb der Unionsparteien gibt es nicht wenige, sondern, wie ich sehr wohl weiß, viele — das ist in dieser Debatte auch gesagt worden —, die mit anderen meinen, mit dem Bewahren kann es nicht genug sein.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Reddemann: Das ist allgemeine Auffassung.)

Ein anderer Teil der Mitglieder des Hauses sieht nicht nur die Verbote, sondern vor allem auch die Gebote des Grundgesetzes, unserer Verfassung, nicht nur den mehr defensiven Auftrag der Bewahrung, sondern vor allem auch die offensive Aufgabe der Weiterentwicklung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Mir aber ist es, meine 'Damen und Herren, bei allem Streit der Meinungen wichtig, klar zu sagen, wie ich das Gemeinsame sehe — Herr Koschnick hat es soeben aus seiner Sicht leidenschaftlich gesagt — oder was nach meiner Einsicht — jeder kann nur aus seiner Einsicht sprechen — das Gemeinsame sein sollte.
Erstens. Unser Grundgesetz hat sich in einem Vierteljahrhundert, zumal, wenn man den Hintergrund und die Art seines Zustandekommens bedenkt, als eine beispielhafte Verfassung bewährt; darauf können wir bauen, und das sollten wir uns dann 'bitte auch nicht zerreden lassen!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Zweitens. Das Grundgesetz garantiert die strikte Rechtsstaatlichkeit; dies ist ein hohes Gut. Wir dürfen es nicht antasten, geschweige denn zerstören lassen. Dies erfordert, auch wenn die Meinung über das Wie auseinandergehen 'mag, die ständige Be-



Bundeskanzler Brandt
reitschaft, das Recht kraftvoll zu schützen; darüber sollten wir auch einer Meinung sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dazu gehört: Extremistischen Gruppen darf es nicht erlaubt sein, die Grundrechte gegen die freiheitlichrechtsstaatliche Ordnung zu mißbrauchen.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Grundrechte und Grundfreiheiten dürfen auch nicht durch Liebäugeln mit Ideen eines undemokratischen Obrigkeitsstaates ausgehöhlt werden; das gehört auch dazu.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Drittens. Das Grundgesetz garantiert die bundesstaatliche Ordnung unseres Landes, und diese hat sich — im ganzen gesehen — bewährt. Ich bin — wenn ich das einmal offen sagen darf, zumal man mich in Bayern leicht für einen Preußen hält, was ein Irrtum ist, ich kam ja aus Lübeck, wo man einmal antipreußisch aufwuchs, ich betrachte das auch nicht nur als einen Vorteil;

(Abg. Stücklen: Der Geburtsort sagt noch nichts!)

denn es gibt preußische Tugenden, wenn man so etwas Altmodisches auch einmal sagen darf; aber davon abgesehen —, ich bin für die föderative Ordnung nicht nur, weil sie, die föderative Ordnung, den Reichtum der Landschaften und des Landsmännischen besser zum Ausdruck bringt, sondern ich bin für die föderative Ordnung auch, weil sie nach aller Erkenntnis die Freiheit in dieser Zeit sichern hilft.

(Beifall bei allen Fraktionen. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr gut!)

Aber es gilt dabei nicht aus dem Auge zu verlieren, daß der Bundesrat Verfassungsorgan des Bundes ist — nicht gegen die beiden anderen Organe, mit denen zusammen er für den Bund insgesamt die Verantwortung trägt —, daß er die Interessen des Gesamtstaats zu fördern und zu wahren hat — gewiß, wiederum aus der Sicht seiner Erfahrungen; Interessen mögen auch eine Rolle spielen. Es darf also nicht dazu kommen — das muß man immer bedenken, unter welchen Regierungskonstellationen auch immer —, daß der Bundesrat Instrument parteipolitischer Obstruktion werden könnte; sonst macht man die bundesstaatliche Ordnung unglaubwürdig und schwächt die Gemeinschaft der Länder, statt sie zu stärken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Viertens. Unser Grundgesetz — davon war mehrfach die Rede — bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen und sozialen Bundesstaat. Die Sozialstaatlichkeit darf also nicht vernachlässigt, sie darf schon gar nicht unterschlagen werden. Verfassungstreue verlangt in meinem Verständnis den Schutz der sozial Schwachen,

(Zurufe von der CDU/CSU: Inflation! — Die Preise klettern!)

die Hilfe für Benachteiligte, den Abbau von Privilegien. Sie ist auf die Verwirklichung der Chancengleichheit angelegt. Verfassungstreue verlangt die
Mitsprache des Bürgers. Mitbestimmung und Mitverantwortung sind unser Weg zur Lösung sozialer Konflikte und nicht, wie man uns gern unterstellt, der Klassenkampf. Auch der Klassenkampf von oben ist entschieden abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Fünftens. Der freiheitliche Charakter unseres Gemeinwesens basiert auf den Grundrechten. Es lohnt sich, diese Rechte immer wieder einmal genau anzuschauen, nicht nur dann, wenn man den Schulkindern staatsbürgerliche Kenntnisse vermittelt.
Ich nenne Artikel 2 Absatz 1: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, ..." Das enthält den dauernden, über diesen Bundestag und diese Generation hinauswirkenden Auftrag für uns und die, die nach uns kommen, Gleichheit der Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen, wo immer ihr Fehlen den Bürger benachteiligt. Hier und an anderer Stelle begegnen wir dem, was ich die Dynamik des Grundgesetzes nenne, jener Dynamik, der unser Regierungsprogramm gerecht zu werden versucht. Und so versteht auch meine Partei ihre Aufgabe, wenn sie sagt, wie sie es auf ihrem letzten Parteitag in Hannover als Motto, als Losung des ganzen Parteitages gesagt hat: Das Grundgesetz verwirklichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich nenne Artikel 3 Absatz 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Davon war in der Debatte kaum die Rede. Diesem Verfassungsgebot sind wir weithin noch die Erfüllung schuldig geblieben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

Das künftige Familienrecht soll einen wichtigen Schritt weiterführen, aber in der Arbeitswelt wer wollte es bestreiten? — wird vielen Frauen die eigentliche, die volle Gleichberechtigung noch weitgehend vorenthalten. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das Grundgesetz verwirklichen heißt für mich, dem rascher zu entsprechen, so rasch wir es miteinander vermögen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wird ja immer langsamer!)

was die Verfassung uns hier aufgetragen hat.
Ich nenne Artikel 5 Absatz 1: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern ...". Dieses ist auf andere Weise, ist zusätzlich zu der Weise bedroht, die wir aus früheren Zeiten kennen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommen die Schreibtischtäter!)

Es ist nämlich auch bedroht durch Monopolisierung, durch wirtschaftlichen Druck,

(Abg. Reddemann: Durch falsche Medienpolitik!)

durch mißbräuchlichen Einfluß auf Massenmedien.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU.)




Bundeskanzler Brandt
Das Grundgesetz verwirklichen muß heißen, die Meinungsvielfalt nicht oder möglichst wenig verfälschen lassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich nenne Artikel 12 Absatz 1: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen."

(Zuruf von der CDU/CSU: Alle Deutschen!)

Dieses Verfassungsgebot fordert, soziale Ungleichheit durch Gleichheit der Bildungschancen zu unterbinden. Herr Professor Maihofer hat hierüber das gesagt, was zu sagen war. Hier geht es, wenn von der Bildungsreform die Rede ist, ich will das einmal in aller Offenheit hinzufügen unkonventionell, wie der eine und andere meinen mag, und nicht genau in das Parteischema hineinpassend -, auch um eine realistische Anerkennung dessen, was ich die Bildungspflichten nennen muß; es gibt nicht nur ein Recht auf Bildung, es gibt auch die sich daraus ableitenden Bildungspflichten.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Es lohnt sich, das Grundgesetz Satz für Satz zu prüfen. Fast keiner erlaubt uns stehenzubleiben. Fast jeder sagt uns, wieviel getan werden muß, damit die Verfassungstreue nicht bloßes Lippenbekenntnis bleibt,

(Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU)

sondern sich als konkrete Wirklichkeit deutscher Politik bestätigt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich nenne also über das eben skizzierte hinaus noch einmal Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."

(Abg. Reddemann: Sehr gut!)

Verfassungstreue in meinem Verständnis fordert also z. B. ein besseres Bodenrecht, als wir es bisher haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der CDU/CSU.)

Ich will das nicht weiter illustrieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das fordert die Opposition! Abg. Mick: Wo bleibt denn die Regierungsvorlage?)

Ich habe in diesen Punkten nur noch einmal andeuten wollen, wie groß der Katalog der Aufgaben ist, zu denen uns das Grundgesetz in Wirklichkeit auffordert. Wenn wir mit der Verwirklichung des Grundgesetzes weiterhin ernst machen, dann zeigt sich erst, wie stark die Verfassung ist — ich bin davon überzeugt, sie ist stark — und wie stark das Gemeinwesen der Bürger sein kann, an dem wir miteinander, wenn auch zuweilen miteinander streitend, bauen. Darum haben wir guten Anlaß, den 25. Jahrestag des Grundgesetzes im Mai festlich zu begehen. Ich sage dies noch einmal so, wie ich es meine.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich weiß, daß die von Ihnen zur CDU/CSU geführten Länder dies nicht anders sehen als die Bundesregierung.
Wer sich dem Gemeinsamen entziehen wollte, der ließe die Kraft vermissen, dort ja zu sagen, wo ein Ja unumstritten sein sollte. Er bewiese, daß ihm Vertrauen nicht ins Konzept paßt oder daß er die Angst als politisches Werkzeug nicht entbehren mag und daß er deshalb lieber das Trennende will — auch dort, wo es nicht sein muß.
Ich sage hier für die Regierung: wir werden das Gemeinsame dort und soweit es im Grundgesetz angelegt ist nicht preisgeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch die Präambel?)

Wir werden dem Appell an die Angst und wir werden dem zerstörenden Geist des Unfriedens entgegentreten. Das Grundgesetz will selbstbewußte Bürger. Jetzt sage ich — obwohl Herr von Weizsäcker aus etwas anderer Sicht, das ist vielleicht gar kein Schaden, diesen Terminus aufgriff, ohne daß ich dies wissen konnte, und nachdem Herr Professor Maihofer seine Meinung dazu gesagt hat —: das Grundgesetz will, so sage ich aus meiner Sicht, selbstbewußte Bürger und nicht einen schwachen, sondern einen starken demokratischen Staat. Das will das Grundgesetz.

(Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der CDU/CSU.)

Keiner soll das unterschätzen, und ich lasse daran, wir lassen daran, nicht rütteln, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Entschließung der Koalitionsfraktionen, die ich namens der Regierung ausdrücklich begrüße, sagt klar - ich darf zitieren :
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer Verfassung ist mit allen Kräften gegen jeden Versuch zu verteidigen, diese Grundordnung zu beeinträchtigen oder gar zu beseitigen.
Ich unterstreiche das — und ich hoffe, wir alle unterstreichen dies — Wort für Wort, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

Die Rechte und die Pflichten des Grundgesetzes gelten auch, aber natürlich nicht nur, für Gruppen, die Sonderstandpunkte und, wenn man so sagen darf, Avantgardismen vertreten, sondern sie, die Grundrechte, gelten natürlich auch für jene Mitbürger, deren Pflicht es ist, dem entgegenzutreten, was die Rechte anderer verletzt. Daran darf es keinen Zweifel geben.
Hier war nun wiederholt in dieser Debatte gestern und heute von der jungen Generation die Rede. Das ist gut so. Denn man darf die Jugend nicht aus der Gesellschaft aussperren. Überraschung hat sich bei mir eingestellt, als Herr Dregger gestern den bisherigen Juso-Vorsitzenden Roth mit lobenden Worten bedachte.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)




Bundeskanzler Brandt
Womit hat Wolfgang Roth das verdient?

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Dregger: Das ist sehr billig, Herr Brandt!)

Ich füge hinzu: Wer hätte denn, Herr Dregger, den bisherigen Vorsitzenden der jungen Sozialdemokraten in dieser Debatte loben können,

(Abg. Dr. Dregger: Ich habe ihn gar nicht gelobt! Ich habe berichtet!)

wenn ich mich vor ein paar Jahren von ihm und seinen Freunden getrennt hätte? Wer hätte ihn dann hier heute loben können?

(Beifall bei der SPD.)

Davon abgesehen, meine Damen und Herren, Rechtsbrecher darf man nicht gewähren lassen. Der demokratische Staat muß sich gegen Unterwanderung sichern, und eine demokratische Partei — ich sage auch dies in aller Unbefangenheit — muß sich in Fällen, in denen es nicht anders geht, von Leuten trennen, die nicht zu ihr gehören, und da kehre jeder vor seiner eigenen Tür!

(Beifall bei der SPD.)

Ich meine, es war richtig und es bleibt vernünftig, daß wir den Herausforderungen der jungen Generation vor allem mit dem Bemühen um Integration begegnen, durch Gespräch, Diskussion, Überzeugung. Hätten wir anders gehandelt, stünden heute nicht nur einige Gruppen von Außenseitern gegen diesen Staat, sondern in falscher Solidarisierung ein großer Teil der jungen Generation und, meine Herren aus der Union, ein nicht unbeträchtlicher Teil ihrer eigenen Söhne und Töchter dabei.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier ist versucht worden, die Jugendarbeitsgemeinschaften der beiden Koalitionsparteien kollektiv, ja, ich sage: zu verteufeln und gewissermaßen außerhalb unserer Gesellschaft zu stellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat das gemacht?)

Dies halte ich für eine verwerfliche Methode.

(Beifall bei der SPD. Abg. Kroll-Schlüter: Sie haben eine verwerfliche Methode!)

Das erleichtert nicht, sondern erschwert die Auseinandersetzung mit dem, worum es wirklich geht und was mir ganz gewiß an mehr als einem Tag Sorgen bereitet.
Nun hat man noch ein bißchen weiter gegriffen und in einem Teil der Debatte auch versucht, wie es hieß, Teile der SPD als außerhalb der Verfassung stehend hinzustellen. Das muß mißlingen, und zwar sage ich Ihnen, das muß mißlingen zu Lasten, auf Kosten derer, die dieses Unternehmen Verfassungsdebatte gestartet haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Reddemann: Sie Problem-Verweigerer!)

Wobei ich gleich hinzufügen will: Ich unterstelle nicht, daß die Auffassungen des Herrn Dregger das wiedergeben, was die Union in ihrer Gesamtheit denkt. Was soll es aber bedeuten, wenn hier angefangen wurde, die Verfassungsqualität des Programms meiner Partei, die Verfassungsqualität des Godesberger Programms in Zweifel zu stellen? Oder, Herr Kollege Kiesinger, haben Sie mit Verfassungsfeinden am Kabinettstisch gesessen?

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie haben 1966 mit der Partei des Godesberger Programms koaliert. Aus Godesberg wurde der Satz zitiert in dieser Debatte, daß sich die Demokratie im Sozialismus erfülle, und man hat gestern auch meinen Satz vorgebracht, zuerst in einer Zwischenfrage, meinen Satz, den ich in Übereinstimmung mit dem österreichischen Bundeskanzlei und mit skandinavischen Sozialdemokraten formuliert habe, den Satz nämlich, daß freiheitlicher demokratischer Sozialismus sehr wohl als vollendete, nämlich als konsequent durchgeführte und sinngemäß angewandte Demokratie verstanden werden könne. Niemand muß sich doch diese Aussage zu eigen machen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708004700
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0708004800
Nein, ich möchte diesen Gedanken zu Ende führen. Niemand muß sich doch diesen Gedanken zu eigen machen. Aber niemand wird ernsthaft behaupten, diese These sei undemokratisch oder gar, sie sei gegen das Grundgesetz gerichtet. Das Gegenteil ist der Fall. Darin hat mich auch diese Debatte bestärkt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Leider habe ich gestern abend, weil ich einer Einladung des Herrn Bundespräsidenten folgen mußte, die, wie ich nachlesen konnte, bemerkenswerte Rede des bayerischen Kultusministers Professor Maier nicht selbst hören können. Er räumte ein, wie ich nachgelesen habe, daß wir in der Diagnose mancher Probleme übereinstimmen. Ja, er sprach von Großzügigkeit und Gelassenheit, die hier die Richtschnur sein müßten. Ich wünschte, er hätte diesen Rat zu Anfang der Debatte Herrn Dregger und im Verlauf der Debatte Herrn Filbinger gegeben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich folge Herrn Professor Maier keineswegs unbesehen, wo es um seine wenn auch interessante Interpretation der Dinge an den Schulen und an den Hochschulen geht; ich will auch diesen Teil der Debatte nicht wieder aufgreifen. Aber ich möchte doch von der Definition der Bundesrepublik Deutschland als sozialer Bundesstaat in diesem Zusammenhang noch einmal sprechen dürfen; denn sie enthält nach seinen — Professor Maiers — Worten kein Gebot zur Ausfüllung der Sozialstaatlichkeit, neben die er in einem Atemzug das stellte, was er Sozialismus nennt oder was sich ihm als Sozialismus darstellt. Ich bin demokratischer Sozialist, wie man weiß, und verberge es nicht. Ich wünschte mir, es würde mit der Ausfüllung der Sozialstaatlichkeit möglich sein, tatsächlich im Laufe der Zeit in unserem Land das zu etablieren, was meine Partei in ihrem Grundsatzprogramm skizziert hat. Wozu gibt



Bundeskanzler Brandt
man sich sonst ein Programm, wenn man nicht hofft, es im Laufe der Zeit durchsetzen zu können?

(Beifall bei der SPD.)

Aber so einfach wird es nicht sein, wie Herr Professor Maier meint, weil nämlich beides gar nicht zusammenfällt. Sozialstaatlichkeit und das, was das Godesberger Programm als demokratischen Sozialismus auffaßt, sind nicht ein und dasselbe.
Meine Damen und Herren, ich meine, es ist, was diesen Teil angeht, nicht ermutigend gewesen, daß selbst ein Mann des gemäßigten Konservatismus wie Professor Maier nicht nur seine Aversion gegenüber dem Sozialismus bekundet hat — das war bekannt —, sondern daß er diesseits jener Linie, die er als eine Trennungslinie sieht, auch eine so starke Reserve — so darf ich es nennen — gegenüber dem sozialstaatlichen Auftrag des Grundgesetzes zum Ausdruck gebracht hat.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU. Abg. Kroll-Schlüter: Das stimmt doch einfach nicht! Das ist ja schrecklich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Wie dem auch sei, wir haben riesige Aufgaben vor uns, und wir können es uns im Grunde nicht leisten, unsere Kräfte so zu verzetteln und zu zerfasern, wie es hier in mehr als einer Rede angekündigt worden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wer sich umschaut in Europa und in der Welt, der weiß oder der ahnt zumindest, daß eine ganze Menge auf uns zukommt,

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja! In der Tat!)

da wir nun einmal nicht auf einer Insel der Seligen leben.

(Abg. Leicht: Das haben Sie schon erkannt! Viereinhalb Jahre haben Sie dazu gebraucht! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Wer die Lage in einer Reihe unserer Nachbarländer verfolgt, wird das Wort von einer Krise der europäischen Demokratien — auch bei von Weizsäcker klang es an — nicht mehr für sehr übertrieben halten. Wir müssen also damit rechnen, daß es diese Republik in den nächsten Jahren nicht leichter haben wird.

(Ah-Rufe bei der CDU/CSU.)

Wer gewisse Entwicklungen in unserem eigenen Land unter die Lupe nimmt, der wird sich fragen, ob auch nur in den führenden und meinungsbildenden Schichten schon einigermaßen verstanden worden ist, daß uns ökonomisch, technologisch, gesellschaftspolitisch — und ich vermute, auch was die Effektivität und die Beweglichkeit der staatlichen Organisation angeht — neue Einsichten aufgezwungen und veränderte Verhaltensweisen abverlangt werden.

(Abg. Haase [Kassel]: Für die Inflation brauchen wir gar keine Lupe mehr!)

Bei von Weizsäcker, wenn ich ihn recht verstanden habe, klang etwas davon an; Maihofer hat es auf seine Weise gesagt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auf seine Weise!)

Können wir es uns, so frage ich, leisten, in einer solchen Lage mehr trennende Gräben zu schaufeln, als auf Grund unterschiedlicher Interessen und Überzeugungen ohnehin vorhanden sind? Das ist meine Frage.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nein, ich meine, wir können uns das nicht leisten.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Können wir es uns leisten, dem Gegenüber die Verfassungstreue abzusprechen oder zu bestreiten? Nein, ich meine, wir können und wir dürfen uns dies nicht leisten, meine Damen und Herren.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Das Grundgesetz ist nicht nur zum Feiern da.

(Beifall bei den Regierungsparteien und demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Dregger: Eben!)

— Danke schön! Es ist gut, wenn Sie nicht nur wie das vorige Mal höhnisch lachen können, sondern einem vernünftigen Gedanken Beifall spenden.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Gerster [Mainz] : Wo bleibt der vernünftige Gedanke?)

Das Grundgesetz ist Grundlage und Orientierung zugleich, und dies in einer Zeit, in der wirklicher Fortschritt nur erzielt werden kann, wenn man sich weder durch objektive Schwierigkeiten, an denen es nicht mangelt, noch durch Unvernunft noch durch Ungeduld schrecken läßt und wenn alle, die politische Verantwortung tragen, dafür sorgen, daß unsere Demokratie krisenfest bleibt und lebendig erhalten wird — lebendig in des Wortes doppelter Bedeutung.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708004900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Carstens.

Dr. Karl Carstens (CDU):
Rede ID: ID0708005000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zweitägige Debatte, die wir in diesem Hohen Hause über das Grundgesetz und die Grundprinzipien unserer Verfassung geführt haben, hat eine Übereinstimmung in vielen Erklärungen, die hier abgegeben worden sind, zutage gefördert. Das ist zu begrüßen. Redner aller Parteien, die hier gesprochen haben, haben die Grundbegriffe und die Grundprinzipien unserer Verfassung — die persönliche Freiheit, die Unantastbarkeit der menschlichen Würde, die Gewaltenteilung, auch den Föderalismus, die reprä-



Dr. Carstens (Fehmarn)

sentative Demokratie, die rechtsstaatlichen Garantien und das sozialstaatliche Prinzip — bekräftigt und bestätigt. Das hat auch der Bundeskanzler getan. Ich begrüße das.
All den Rednern, die von seiten der Regierung und von seiten der Koalitionsparteien gesprochen haben, muß ich aber entgegenhalten, daß die Reden, die sie hier gehalten haben, in einem merkwürdigen Widerspruch zu dem stehen, was sich in unserem Lande ereignet.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist ganz ausgezeichnet, wenn wir hier sagen: Wir stehen zu diesen Grundsätzen. Es ist aber bedenklich, ich würde sagen, es ist gefährlich, wenn wir gleichzeitig von diesem Rednerpult aus all das, was an verfassungsfeindlichen, verfassungsgegnerischen Bestrebungen in unserem Lande im Gange ist, beschönigen, bagatellisieren oder ignorieren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, ich möchte den Versuch machen, diese Debatte doch für einige Augenblicke auf die nüchternen Realitäten, mit denen wir es zu tun haben, zurückzuführen.

(Abg. Dr. Dregger: Keine Festreden!)

Herr Ministerpräsident Osswald aus Hessen hat, wenn ich das richtig gehört habe, das Problem hier mit dem Stichwort der Revolutionsschauspieler abzutun versucht. Meine Damen und Herren, das ist ein groteskes Understatement! Die Schauspieler auf der Bühne schlagen zum Schein aufeinander ein. Professoren an den deutschen Universitäten werden aber physisch zusammengeschlagen. Wir kennen ihre Namen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Sie sind ja ein Märchenprinz!)

Die Freiheit der Lehre und Forschung ist an Teilen der deutschen Universitäten aufgehoben. Das ist eine traurige Tatsache. Man schafft sie nicht dadurch aus der Welt, daß man sie verschweigt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Herr Bürgermeister Koschnick — er ist zu meinem Bedauern schon gegangen — hat uns hier etwas über die bremischen Universitätsverhältnisse vorgetragen. Ich möchte Herrn Koschnick ein Zitat von einem Professor der bremischen Universität entgegenhalten, den der bremische Senat vor kurzem an diese Universität berufen hat, übrigens gegen den Widerspruch sowohl von CDU als auch FDP. Dieser Professor — es ist Professor Immanuel Geis — hat versucht, die Bedenken, die ihm inzwischen angesichts des bremischen Modells gekommen sind, in einem Vortrag vor der bremischen Universität darzulegen. Daran hat ihn die Studentenschaft gehindert. Daraufhin hat er diesen Vortrag in einer der bremischen Zeitungen veröffentlicht. Ich will Ihnen nur zwei Sätze daraus vorlesen. Herr Geis sagt:
Viele Angehörige der Universität Bremen fühlen sich von den ultralinken Gruppen schon derartig eingeschüchtert, daß sie Angst haben, überhaupt noch öffentlich gegen KSB und KSO Stellung zu nehmen.
Zweites Zitat:
Wenn ich gewußt hätte, daß als einzig mögliche inhaltliche Ausfüllung des Bremer Modells nur der sogenannte wissenschaftliche Sozialismus marxistisch-leninistischer — heute würde ich hinzufügen: in Wahrheit stalinistischer — Observanz zugelassen wird,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

so hätte ich mich weder für diese Universität beworben noch mich an ihrer Gründung beteiligt.

(Pfui-Rufe von der CDU/CSU.)

Allmählich komme ich mir mit meiner Beteiligung an der Gründung dieser Universität nur als nützlicher Idiot für politische Kräfte vor, von deren Existenz ich im Frühjahr 1970 noch nichts wußte und nach Lage der Dinge nichts wissen konnte.
Dies, meine Damen und Herren, ist die Stimme eines, wie ich annehme, sachverständigen Kenners der Verhältnisse an der bremischen Universität.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD.)

— Ich zitiere ja Ihre eigenen Leute, die von Ihnen berufenen Professoren.
Dazu sagte Herr Kollege Grobecker von der SPD-Fraktion am 24. Januar im Pressedienst seiner Fraktion folgendes:
Die im Bremer Modell vorhandenen Reformen und Reformbemühungen sichern bei aller Härte der hochschulpolitischen Auseinandersetzungen innerhalb der Universität gerade die Freiheit von Forschung und Lehre.
Meine Damen und Herren, es ist schlimm, daß an der bremischen Universität Zustände bestehen, wie sie Herr Professor Geis schildert. Aber, glauben Sie mir, es ist schlimmer, daß sich die SPD-Fraktion hinstellt und sagt: Das stimmt alles nicht; hier wird die Freiheit von Forschung und Lehre garantiert.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Unglaublich!)

Typisch für Beschönigungsversuche, deren Zeugen wir seit langer Zeit sind, waren die gestrigen Ausführungen des Herrn Ministers von Oertzen aus Hannover. Er hat über die niedersächsischen „Handreichungen" gesprochen. Ich habe sie mir besorgt, weil ich der Meinung war, daß es vielleicht doch nützlich sein könnte, dem Hohen Hause daraus ebenfalls einige Sätze vorzulesen. Es handelt sich um die „Handreichungen für Lernziele, Kurse und Projekte im Sekundarbereich II für das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld (B)". Herr von Oertzen hat gesagt, die Behauptung, hier werde Indoktrination betrieben, sei übertrieben.
Ein Unterrichtsfach nach diesen „Handreichungen" ist der Marxismus, wogegen selbstverständlich gar nichts einzuwenden ist. Ihm sollen 17 Unterrichtsstunden gewidmet werden. Ob das unbedingt die



Dr. Carstens (Fehmarn)

richtige Relation ist, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Aber meinetwegen! Ich würde mich anheischig machen, 17 Stunden Unterricht über den Marxismus zu erteilen. Aber das Material, das hier den Lehrern, die über Marxismus unterrichten sollen, zur Verfügung gestellt wird, ist ausschließlich marxistisches oder neomarxistisches Material: Karl Marx, Engels, Ernest Mandel, Karl Marx usw. Die 11. und die 12. Stunde dieses 17stündigen Programms sind dem Klassenkampf und dem Klassenbewußtsein gewidmet, und hierzu wird auf das Kommunistische Manifest als Material Bezug genommen.
Nun ist das Kommunistische Manifest ohne Zweifel ein bedeutendes historisches Dokument — ich würde sagen: bedeutender wegen seiner Folgen als wegen seines Inhalts.

(Beifall bei. der CDU/CSU.)

Aber ich weiß nicht, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, die Sie sich hier so stark eingesetzt haben für die Reformen, die Freiheit und die Entfaltungsmöglichkeit der Schulen und auch der dissentierenden Gruppen, wann Sie das letzte Mal Gelegenheit gehabt haben, sich das Kommunistische Manifest anzusehen. Ich möchte doch nur einmal in Erinnerung zurückrufen, daß in dem Kommunistischen Manifest Sätze stehen wie der:
Die Arbeiter haben kein Vaterland. Oder Sätze wie:
Die Kommunisten brauchen die Weibergemeinschaft nicht einzuführen, sie hat fast immer existiert.
Unsere Bourgeois, nicht zufrieden damit, daß ihnen die Weiber und Töchter ihrer Proletarier zur Verfügung stehen, von der offiziellen Prostitution gar nicht zu sprechen, finden ein Hauptvergnügen darin,

(Abg. Schäfer [Tübingen]:: Wollen Sie nicht das Original zugrunde legen? Im Unterricht muß man das Original als Grundlage nehmen!)

- ich lese aus dem Kommunistischen Manifest —
ihre Ehefrauen wechselseitig zu verführen.
Und schließlich die These, daß der Klassenkampf das unausweichliche Schicksal der Menschheit ist, daß, solange es Geschichte gibt, Unterdrückte und Unterdrücker bald in einem versteckten, bald in einem offenen Kampf stehen, „einem Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endet oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen".

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708005100
Herr Abgeordneter Professor Carstens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blank?

Dr. Karl Carstens (CDU):
Rede ID: ID0708005200
Herr Präsident, heute morgen haben sieben Redner nacheinander gesprochen; davon waren fünf solche der Regierung und der Regierungskoalition. Vielleicht ist es jetzt möglich, daß ich einige Zeit ungestört spreche.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn also an den Schulen über Marxismus gelehrt wird, sollte gesagt werden, daß der Satz, der Arbeiter habe kein Vaterland, unter Berücksichtigung der heutigen Verhältnisse eine Beleidigung für den Arbeiter ist.

(Bravo-Rufe und Beifall bei der CDU/CSU.)

Es sollte vielleicht auch gesagt werden, daß die Ehe und die Familie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

und daß ,die Verbindung von Mann und Frau zu einer grundsätzlich lebenslangen Ehegemeinschaft und die Erziehung der Kinder in dieser Ehe eine der Grundlagen unserer Verfassungsordnung ist.

(Wiederholter Beifall bei der CDU/CSU.)

Es sollte vor allem gesagt werden, daß Klassenkampf mit dem Ziel gewaltsamer Revolution das genaue Gegenteil unserer freiheitlichen Ordnung ist und daß da, wo dieser Weg beschritten worden ist, er in unendlichem Leid und in der Unterdrückung der Freiheit geendet hat und daß das jüngst ein großer Dichter in einem großen Buch, nämlich „Archipel GULag", dargestellt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nach meiner Überzeugung sollte auch gesagt werden, daß sich die Sozialdemokratische Partei in Deutschland frühzeitig von dem Weg der gewaltsamen Revolution distanziert hat

(Abg. Schinzel: Scheinheiliger Bürger!)

und es sollten Namen wie Ebert, Noske, Wels, und ich meine, aus der jüngeren Vergangenheit vielleicht auch Namen wie Wilhelm Kaisen genannt werden. Ich könnte mir vorstellen, daß eine solche Behandlung des Themas Marxismus ein nützlicher Gegenstand des Schulunterrichts sein könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber das Ziel der von Oertzenschen Handreichungen für die elfte und zwölfte Stunde, Klassenkampf und Klassenbewußtsein, lautet: „Notwendigkeit der aktiven Organisation erkennen." Das ist Indoktrination, ich sage: Das ist raffinierte Indoktrination.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es liegt mir auf der Zunge, ein noch kräftigeres Wort zu gebrauchen. Leider ist auch Herr von Oertzen nicht da.

(Abg. Seiters: Die kommen und gehen!) Ich muß sagen, Herr Präsident:


(Abg. Schinzel: Nur keine Hemmungen! Immer aussprechen!)

Herr Präsident, ich bedaure es sehr, daß die Herren, die hier zu uns gesprochen haben, weggehen,



Dr. Carstens (Fehmarn)

nachdem sie ihre Reden absolvierten, und sich
nicht anhören, was man auf sie zu erwidern hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU: — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Sie meinen Herrn Filbinger!)

Ich meine, ein wesentliches Ziel des Schulunterrichts in unserem Lande sollte die Vermittlung der Wertvorstellungen unserer freiheitlichen Ordnung, über die wir doch offenbar alle übereinstimmen, an die Schüler unseres Landes sein, nicht aber die Vermittlung von Zerrbildern des historischen Ablaufs und ihre systematische Indoktrinierung mit marxistischer, neomarxistischer Ideologie, wie es in den sogenannten Handreichungen des Herrn von Oertzen beschrieben wird.
Dann verlangen Sie doch bitte nicht von mir, Herr Bundeskanzler und meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, daß ich mich hinstellen und sagen soll: Die Sozialdemokratische Partei tut alles, um dem Vordringen verfassungsfeindlicher Kräfte in unserem Lande entgegenzutreten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Herren von der Bundesregierung, gehen Sie doch bitte auch etwas vorsichtiger mit den politischen Kernworten und Kernbegriffen um. Der Herr Bundeskanzler hat sich hier mit aller Deutlichkeit gegen den Klassenkampf gewandt. Aber ich möchte daran erinnern, daß vor gar nicht langer Zeit Herr Bundesminister Eppler —nun will ich ihn genau zitieren, weil er einer derjenigen ist, die, wenn in dem Zitat ein Komma fehlt, sagen, ich hätte ihn falsch zitiert —

(Lachen bei der CDU/CSU)

nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung" vom 10. Oktober 1973 gesagt hat, weder Wirtschaftswachstum noch die Verhinderung solchen Wachstums könne Ziel von Politik sein, genauso-wenig könne Klassenkampf Inhalt oder sogar Ziel eines politischen Programms sein. „Doch wenn wir das Konzept ,Lebensqualität' ernsthaft durchsetzen wollen, müssen wir die Möglichkeit von Auseinandersetzungen mit Klassenkampfcharakter realistisch einkalkulieren".

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Vereinzelter Beifall bei der SPD.)

Solche Äußerungen — es tut mir sehr leid — rühren an die Grundelemente der Verfassungsordnung, in der wir stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Gansel.)

— Ja, dann werden Sie unruhig. Wenn Sie mich hören, dann werden Sie unruhig. Das verstehe ich; ich würde an Ihrer Stelle auch unruhig werden, Herr Kollege, denn Sie können sicher sein, daß mehr und mehr Bürger in dem Land, in dem wir leben, ähnliche Unruhe empfinden, wie ich sie empfinde. Sie können sicher sein, daß ich, wenn ich hier spreche, für sehr viele Bürger unseres Landes
spreche, und daran werde ich mich nicht hindern lassen, auch durch Sie nicht!

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU.)

Ein besonders schweres Schicksal erleidet, seitdem die gegenwärtige Regierung und Koalition unser Land regiert, der Demokratiebegriff selbst. „Wir wollen mehr Demokratie wagen" hat der Bundeskanzler gesagt — ein Ausspruch, den man als solchen sicherlich nur voll unterstützen kann. Aber dann legt uns diese Regierung ein Mitbestimmungsmodell vor, das mit dem Verständnis moderner Demokratie etwa soviel zu tun und gleich hat wie das preußische Dreiklassenwahlrecht im 19. Jahrhundert mit unserer modernen Form der direkten Wahl zum Parlament.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Dies ist ein raffinierter Versuch, durch indirekte
Wahl, durch Zwischenschaltung von Wahlmännergremien, den Willen des Wählers zu manipulieren.

(Abg. Reddemann: Sehr gut!)

Das hat man auch in der Verfassungsgeschichte unseres Landes gemacht; wir haben das inzwischen überwunden, wir haben uns inzwischen zu dem Grundsatz bekannt, daß direkte repräsentative Demokratie die Form der Demokratie ist, die wir haben wollen, und mit dieser Demokratie und diesem Demokratieverständnis hat Ihr Mitbestimmungsmodell nichts zu tun. Da verfälschen Sie doch.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf noch einmal auf die niedersächsischen „Handreichungen" zurückkommen. Da ist von der Diktatur des Proletariats die Rede — natürlich ein unbequemer Begriff für jemanden, der sich, jedenfalls nach außen, demokratisch geriert.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich meine ja nicht Herrn von Oertzen damit, sondern ich meine den Verfasser dieser „Handreichungen" ; ich weiß gar nicht, wer das ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich mache Ihnen allen, auch Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, den Vorschlag: Lesen Sie einmal die „Handreichungen" durch! Es ist eine Qual, eine wirkliche Qual schon allein deswegen, weil nur jedes sechste oder siebente Wort dem deutschen Sprachschatz entnommen ist.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Aber da steht nun dem Sinne nach folgendes: Marx meint mit „Diktatur des Proletariats" die Herrschaft der Mehrheit, also Demokratie.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Da werden also nun Karl Marx und die Herrschaft des Proletariats als Kronzeugen für den heute geltenden und wirkenden Demokratiebegriff herangezogen. Das ist ein starkes Stück, Herr Kollege, das geben Sie mir doch zu.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Carstens (Fehmarn)

Ich möchte aber noch ein Wort am Rande dieser Diskussion über die Frage sagen, wie wir uns in dieser sicherlich ganz entscheidenden und wichtigen Frage miteinander auseinandersetzen sollten. Ich habe zu Beginn dieses Jahres in der Tat gesagt — ich habe soeben schon kurz darauf angespielt —, daß SPD und FDP dem Vordringen linksradikaler Gruppen nicht geschlossen und nicht entschlossen genug Widerstand leisten. Dies ist ein Satz, der nichts damit zu tun hat, daß ich die Sozialdemokratische Partei oder die Freie Demokratische Partei als verfassungsfeindlich bezeichnet hätte. Es gibt eine Reihe von Kritikern aus dem sozialdemokratischen Lager, die mir dies unterstellen. Ich empfinde dies als eine böswillige Unterstellung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber der Satz als solcher und der Inhalt dieses Satzes sind richtig. Die Diskussion, die wir hier geführt haben, hat es gezeigt: Es ist die Schwäche Ihrer Position — die Sie nicht leugnen können —, daß Sie große Schwierigkeiten haben, sich mit den verfassungsfeindlichen Kräften, die Sie sicherlich als solche erkennen, in einer klaren und eindeutigen Form auseinanderzusetzen. Sie sind in dieser Frage gespalten. Es gibt Stimmen, die sich für eine entschiedene Form der Auseinandersetzung bei Ihnen aussprechen, es gibt andere Stimmen, die entweder diese Gegensätze bagatellisieren oder die einer, sagen wir mal, mehr diplomatischen Behandlung das Wort reden. Es ist ja gar kein Zweifel, daß das so ist, und die besorgten Stimmen, die aus Ihrem eigenen Lager laut werden, lassen das ja klar erkennen.
Ich meine nur, daß die Aussage, die ich gemacht habe, erstens sachlich richtig war — lassen Sie uns miteinander streiten, wenn Sie mit mir darüber streiten wollen — und daß sie zweitens in der Form völlig korrekt war. Ich habe keinerlei in der Form beleidigenden Ton in meine Äußerungen hineingebracht.
Nun muß ich Sie doch einmal bitten, sich zu vergegenwärtigen, was von Ihrer Seite — hiermit richte ich mich besonders an die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses — über die christlich-demokratische und die christlich-soziale Fraktion im Laufe der letzten Wochen an schweren Beschimpfungen — so muß ich schon sagen — geäußert worden ist: „Ungeziefer", „Bankrotteur", „Sie werden noch feixen am Grabe der Zweiten Republik", „Sie würden am liebsten wieder Leute ausbürgern" und dergleichen Dinge mehr. Und gestern hat der Abgeordnete Schäfer in einer Zwischenfrage die CSU mit der NPD in einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht und damit indirekt die CSU in die Nähe einer verfassungsfeindlichen Haltung gestellt. Diese Äußerung gehört zu den übelsten und verwerflichsten, die ich in diesem Hause gehört habe.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) Ich weise sie auf das entschiedenste zurück.

Wir haben dann weiter festgestellt — eine Feststellung, die wir immer wieder machen —, daß, wenn wir ein Thema ansprechen, welches der Koalition oder der Regierung unbequem ist, Sie der Diskussion über das von uns gestellte Thema ausweichen und zu mehr oder minder wohlgezielten Angriffen gegen uns ansetzen, wobei Sie dann mit der Geschichte Bismarcks und ähnlich weit zurückliegenden Ereignissen beginnen, über das Ahlener Programm bis zu anderen Fragen führen,

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen])

die mit dem, was wir hier diskutieren müssen, meine Damen und Herren, nichts zu tun haben.

(Abg. von Hassel: Sehr wahr!)

Denn der Sinn dieser Debatte sollte meiner Meinung nach vor allem darin liegen, und die Öffentlichkeitswirkung dieser Debatte sollte nach meiner Auffassung vor allem darin bestehen, daß wir unserer Bevölkerung, unseren Bürgern, insbesondere unseren jungen Bürgern die Gründe darlegen, weswegen wir an dieser freiheitlich-demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialstaatlichen Ordnung unter allen Umständen festhalten wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Für mich stehen zwei Gründe im Vordergrund, von denen der eine ohne weiteres einsichtig ist: die Überzeugung, die wir, soweit ich sehe, alle miteinander teilen, daß diese Ordnung die beste Gewähr für die Wahrung der Freiheit und der Würde des Menschen bildet. Aber ich glaube, wenn man die Entwicklung in unserem Lande und in anderen Ländern analysiert, kommt man zu der Überzeugung, daß wir diese freiheitlich-demokratische, rechtsstaatliche und sozialstaatliche Ordnung noch aus einem anderen Grunde verteidigen müssen: weil sie nämlich von allen bekannten Staatsordnungen und Staatssystemen am meisten die Möglichkeit und am ehesten die Gewähr dafür bietet, daß sich eine Gesellschaft und ein Staat auf friedliche Weise reformieren und erneuern kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Wir wissen über die Zukunft wenig,


(Abg. Schinzel: Sehr wenig!)

ungeachtet der vielen Prognosen, die wir alle miteinander uns anzustellen bemühen. Das eine wissen wir sicher: daß die Menschheit weiterhin und unser Volk und unser Land ganz besonders in einem ständigen Wandel der technischen Gegebenheiten, der Bewußtseinsinhalte, der gesellschaftlichen Gegebenheiten stehen wird. Wir müssen eine Verfassung behalten, die in der Lage ist, die notwendigen Reformen, Erneuerungen, Anpassungen an diesen Prozeß auf friedlichem Wege zu verwirklichen. Wir sehen, daß alle anderen Verfassungssysteme — wir können dabei in das sozialistische Lager ebenso wie in das Lager von Diktaturen anderer Provenienz blicken — im Vergleich zu unserem System, zu unserer Ordnung durch ein hohes Maß an Starrheit ausgezeichnet sind, daß ihnen die für das Überleben eines Landes unter friedlichen Verhältnissen entscheidende Fähigkeit fehlt, sich selbst von innen her zu erneuern und anzupassen.
Die freiheitlich-demokratische, rechtsstaatliche und sozialstaatliche Ordnung in unserem Lande hat während der zwei Jahrzehnte von 1949 bis 1969 den



Dr. Carstens (Fehmarn)

großartigen Beweis dafür geliefert, daß sie imstande war, sich den Erfordernissen der sich wandelnden Gesellschaft anzupassen. Der Versuch, den jetzt einige von Ihnen machen, diese großen Leistungen der gesellschaftspolitischen Reform der 20 Jahre zwischen 1949 und 1969 zu verkleinern, muß bei jedem scheitern, der sich die Mühe macht, sich zu vergegenwärtigen, was damals geschehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben 12 Millionen Heimatvertriebene eingegliedert und mit Ihnen den Lastenausgleich durchgeführt; wir haben unsere Kriegsopfer versorgt; wir haben die dynamische Rente eingeführt

(Zuruf des Abg. Schellenberg)

und damit eine säkulare Leistung auf dem Gebiet der Sozialpolitik vollbracht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Mitbestimmung in Montan-Betrieben haben wir
eingeführt, während Sie immer noch an Ihren Mitbestimmungsmodellen herumkrebsen, meine Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das gleiche gilt von der Personalvertretung, dem Betriebsverfassungsgesetz.

(Abg. Dr. Schellenberg: Na, Ihre Fraktion hat doch dagegen gestimmt, Herr Carstens! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Wir haben das Kindergeld und die Ausbildungsförderung eingeführt, und wir haben die Grundlage einer Vermögensbildung, die Grundlage für den sozialen Wohnungsbau gelegt, mit dessen Hilfe Hunderttausende, Millionen von Menschen in diesem Lande Eigentum haben erwerben können —

(Beifall bei der CDU/CSU)

und das alles gleichzeitig mit einem kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung und einer kräftigen Steigerung des Realeinkommens der Arbeiter.

(Abg. Schinzel: Der Spekulanten!)

Seit 1969 geht nun allerdings — das muß man sagen — das Reformwerk wesentlich weniger zügig voran.

(Widerspruch bei der SPD.)

Das aber liegt, meine Damen und Herren, nicht etwa an unserer Verfassungsordnung, sondern das liegt an der Unzulänglichkeit der Regierung und der sie tragenden Parteien.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Es liegt zu einem ganz wesentlichen Teil — darüber wollen wir uns gar keine Illusionen machen — an der Inflation; aber für diese Inflation trägt die Regierung und tragen die sie tragenden Parteien ein hohes Maß an Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber es liegt auch daran, daß die Regierung in sich zerstritten ist,

(Zuruf von der SPD: Das möchtet ihr gern!)

daß sie bei den entscheidenden großen Reformen
nicht zu eindeutigen Aussagen kommt. Wir werden
in aller Ruhe abwarten, welches Modell uns in der so oft beschworenen Frage der Mitbestimmung und der Vermögensbildung nun schließlich auf den Tisch gelegt wird.

(Abg. Jäger [Wangen] : „Wer hat wen reingelegt?"! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

— Wer hat wen reingelegt? Ja, das weiß ich nicht; das müssen die Herren untereinander ausmachen.
Ich möchte nun doch noch ein Wort zu der Frage sagen, die hier eine große Rolle gespielt hat: Inwieweit sind sozialistische Prinzipien, die Verstaatlichung oder Vergesellschaftung der Produktionsmittel, mit unserer grundgesetzlichen Ordnung vereinbar? Ich will mich hier nicht auf verfassungsrechtliche Argumente stützen; das möchte ich ganz deutlich sagen. Ich finde die Diskussion, die hier gestern darüber stattgefunden hat, ob Banken im Sinne des Art. 15 Produktionsmittel sind oder nicht, wichtig, aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, wenn Sie mir gestatten, das in aller Ruhe zu sagen, nach meiner Auffassung folgendes. Wir, meine Freunde und ich, sind der Meinung, daß eine Sozialisierung keine Reform, sondern einen außerordentlichen Rückschritt darstellen würde, weil wir befürchten, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurückgehen würde — Herr Osswald ist ebenfalls nicht mehr hier, sonst könnte man vielleicht noch kurz einen kleinen Seitenblick auf die Hessische Landesbank werfen ;

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU Abg. Stücklen: Schwabylon!)

wir glauben, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurückgehen wird, wir glauben, daß der Freiheitsspielraum des einzelnen Menschen dadurch eingeengt werden würde, weil sich der einzelne kolossalen Organisationen, Apparaten gegenübergestellt sehen würde, denen gegenüber er machtlos wäre. Aber was wir noch mehr befürchten, ist, daß, falls man diese sozialistische Reform, die, wie gesagt, nach unserer Meinung keine Reform wäre, in unserem Lande einführte, dies dann allerdings die letzte Reform wäre,

(Abg. Dr. Dregger: Sehr richtig!)

zu der unser Land mit friedlichen Mitteln in der Lage wäre. Denn dann würde das einsetzen, was ich vorhin beschrieben habe, dann würde ein riesiger Apparat, sei es ein staatlicher, sei es ein Apparat anderer Organisationen, sich über unser Land, über unsere Wirtschaft, über unsere Gesellschaft stülpen, und es würde zu der Erstarrung durch den Apparat führen, deren Zeugnis wir in all den Ländern finden, die seit 10, 20, 30 oder 40 Jahren mit Versuchen dieser Art experimentieren.
Ich unterstelle Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, in gar keiner Weise, daß Sie das wollen, ich bin aber davon überzeugt, daß das der Erfolg Ihrer Bemühungen wäre. Wenn Sie davor die Augen verschließen, so erweisen Sie sich nach meiner Überzeugung auch in dieser Frage als Illusionäre, die Sie in so vielen anderen vitalen politischen Fragen unseres Landes



Dr. Carstens (Fehmarn)

z. B. den Fragen der auswärtigen Politik, erwiesenermaßen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schinzel: Atomwaffensperrvertrag!)

Und so kämpfen wir mit politischen Waffen in der Auseinandersetzung, wie wir sie hoffentlich hier in diesem Parlament führen können, gegen die Verwirklichung sozialistischer Modelle in unserem Lande, weil wir glauben, daß ein solches Reformwerk auf Kosten unser aller Wohlstand, einschließlich des Wohlstands der deutschen Arbeiterschaft, gehen würde, weil wir glauben, daß der Freiheitsspielraum des einzelnen Bürgers einschließlich des einzelnen Arbeitnehmers durch ein solches Modell eingeengt statt erweitert werden würde, und weil wir drittens davon überzeugt sind, daß im Falle der Realisierung eines solchen Modells die Chancen einer weiteren sicherlich notwendigen Reform, denn niemand von Ihnen wird glauben, daß im Jahre 1975 oder 1980 die Weltgeschichte zu Ende ist, die Chancen für eine friedliche Durchführung und Realisierung weiterer Reformen außerordentlich erschwert sein würden, weil sich der erstarrte Apparat jeder Reform widersetzen würde.
Meine Damen und Herren, die heute zu Ende gehende Debatte hat in einer Reihe von Feststellungen und Aussagen zum Grundgesetz Übereinstimmung ergeben. Das begrüße ich. Sie hat gezeigt, daß weder die Bundesregierung noch die sie tragenden politischen Parteien gewillt sind, sich den Problemen, den drängenden, brennenden Problemen zu stellen, wie wir nämlich unsere Verfassungsordnung gegen diejenigen, die sie zweifellos beseitigen wollen, schützen und verteidigen können. Wir haben keine Antwort auf die Fragen gehört, die unser Kollege Dregger zu Beginn dieser Diskussion gestellt hat. Ich möchte Ihnen, Herr Bundeskanzler sagen, daß Sie bitte davon ausgehen können, daß der Herr Kollege Dregger namens der CDU/CSU-Fraktion gesprochen hat und daß das, was er gesagt hat, unsere Meinung ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben keine Antwort auf die Frage bekommen: Wie soll der Staatsdienst von Verfassungsfeinden freigehalten werden? Wie sollen sich die demokratischen Parteien in ihrem Innern von versassungsfeindlichen Kräften abgrenzen? Wir haben keine klaren, sondern nur ausweichende Antworten zur Frage des imperativen Mandats bekommen. Wir haben ganz unzulängliche, bagatellisierende, ausweichende Erklärungen zu der Frage gehört, wie die rechtsstaatliche Ordnung an den Universitäten unseres Landes wiederhergestellt werden kann. Niemand, der von seiten der Koalition oder der Regierung hier gesprochen hat, hat die meiner Ansicht nach entscheidende Aufgabe klar gekennzeichnet, daß wir nämlich in diesem Jahre der Verfassung, daß wir anläßlich der 25sten Wiederkehr des Inkrafttretens unseres Grundgesetzes unserer Jugend an den Schulen und an den Universitäten das Verständnis dafür vermitteln müssen, warum wir diese Ordnung behalten wollen und warum wir sie verteidigen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese Fragen werden uns weiter beschäftigen während des vor uns liegenden Jahres. Wir werden sie mit Sicherheit hier im Parlament erneut stellen. Diese Fragen werden nicht dadurch gelöst, daß wir Feste feiern. So gern wir Feste feiern - bitte, unterstellen Sie nicht, daß auch wir nicht Freude an Festen hätten —, nur hat es keinen Zweck, Feste zu feiern, wenn man nicht gleichzeitig das Notwendige tut, damit unsere Kinder in weiteren 25 Jahren die 50jährige Wiederkehr dieser freiheitlich-demokratischen, rechtsstaatlichen und sozialstaatlichen Ordnung feiern können, auf die wir alle mit Recht so stolz sind.

(Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708005300
Das Wort hat der Abgeordnete Friedrich.

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0708005400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte hat es zwei Eckwerte, zwei Markierungspunkte der Opposition gegeben. Den einen hat Herr Dregger gesetzt, den anderen Flerr von Weizsäcker. Herr Carstens hat keinen neuen Eckwert gesetzt, aber er war ganz nah bei Herrn Dregger.

(Zustimmung bei der SPD. — Pfui-Rufe von der CDU/CSU.)

Insoweit bin ich Ihnen dankbar, Herr Carstens, für das, was Sie auch zu Ihrer Selbstdarstellung über Karl Marx gesagt haben.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708005500
Meine sehr geehrten Damen und Herren, soweit Sie das Plenum verlassen wollen, bitte ich Sie, das freundlichst ohne Geräusche zu tun, damit der Redner sprechen kann.

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0708005600
Es hat einen Ordinarius gegeben, der hat gesagt: „Wir alle stehen auf den Schultern von Karl Marx". Dieser Mann heißt Professor Oswald von Nell-Breuning. Was Sie hier über Karl Marx gesagt haben, war nicht das Niveau eines deutschen Ordinarius, sondern eines Geschäftsführers des Volkswartbundes oder eines, der dort Geschäftsführer werden will.

(Beifall bei der SPD. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

Das andere, das hier eingangs der Debatte gesagt werden muß, betrifft Herrn von Weizsäcker, der für uns immer sehr nachdenkenswert ist. Aber die geschmeidige Süße seiner Stimme erspart ihm nicht, daß ich ihm vorwerfen muß, daß er sich mit schleichender Freundlichkeit auch, wie alle anderen hier, mit einer Verfälschung unseres Programms davongestohlen hat. Wir Sozialdemokraten betrauern in diesen Tagen Adolf Arndt. Herr von Weizsäcker hat vorhin gefordert, wir sollten doch eindlich einmal klarstellen, daß Demokratie nicht nur durch Sozialismus erfüllt wäre; wir hätten diese Klarstellung bis



Friedrich
jetzt nicht gegeben. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Adolf Arndt zitieren:

(Man) hat das Godesberger Programm als Totalitätsanspruch mißdeutet durch die Unterstellung des Anspruchs, nur durch Sozialismus könne Demokratie erfüllt werden. Erstens

— sagt Adolf Arndt —ist das eine Verfälschung des Wortlauts und seines Sinnes, der im Gegenteil feststellt, daß Sozialismus zum Dienst an der Demokratie verpflichtet ist. Zweitens hat die Sozialdemokratische Partei den Sozialismus nicht gepachtet. Ebenso, wie aus dem niemals nur an eine Partei gebundenen Liberalismus freiheitliche Überzeugungen auch im Denken anderer Parteien ihren Platz fanden, gibt es schon heute keine demokratische Partei mehr, die nicht von Einsichten aus dem freiheitlichen Sozialismus beeinflußt ist. Drittens würde die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sich selber aufgeben, wollte sie zur Monopol- oder Staatspartei werden.
Diese Klarstellung — und ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Mann wie Herr von Weizsäcker, der in Programmfragen beschlagen ist, diese bedeutende Rede Adolf Arndts nicht kennt —, diese bedeutende Feststellung ist vor 15 Jahren getroffen worden. Es wäre an der Zeit, daß Sie Ihre Fälschungen endlich aufgeben.

(Beifall bei der SPD.)

Es wäre falsch, davon auszugehen, die Opposition habe Sorge um die Verfassung und wolle nun von der Regierung erfahren, ob diese Sorge begründet sei. Sie als Opposition sind mit einem Vorurteil, mit einer gefälschten Verfassungswirklichkeit in diese Debatte gegangen. Herr Dregger, Anfälle von Demagogie sind keine Gründe. Wir bestreiten Ihnen die Aufrichtigkeit Ihrer Besorgnis.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Das ist Ihre Verleumdungsmethode! Immer wieder!)

Dies ist die Situation. Richtig ist, daß eine mit ihrer Oppositionsrolle nicht ins reine gekommene CDU/ CSU einen Einstieg in die Landtagswahlkämpfe sucht. Dies ist doch die Ursache dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Warum braucht die Opposition diese Debatte? Ich gebe freimütig zu: die Lage der Regierung war in den letzten Monaten nicht immer rosig.

(Zuruf von der CDU/CSU: In den letzten Monaten? — Abg. Haase [Kassel] : Ihre Erkenntnisse sind fundamental!)

Warum soll man das nicht sagen? Aber verglichen mit der Situation der Koalition ist die Lage der Opposition mies, und ich will Ihnen auch sagen, warum.

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Lesen Sie mal die Prozente! 50 zu 35!)

Zunächst einmal haben Sie Ihre Führungsprobleme nicht gelöst. Es hat sich herumgesprochen, daß Herr
Kohl zwar anders, aber nicht besser ist als Herr Barzel. Und das zweite: Sie, Herr Professor Carstens, können von sich sagen, daß Sie als Fraktionsvorsitzender ein richtiges, ausgereiftes Neunmonatskind sind; denn genau neun Monate hat es gedauert, bis Sie von Ihrer Fraktion so behandelt worden sind wie vor neun Monaten Herr Barzel.

(Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)

Sie hätten vielleicht, ehe Sie Fraktionsvorsitzender wurden, Herr Carstens, ein wenig bei Herbert Wehner hospitieren sollen, um zu lernen, wie man eine Fraktion hinter sich bringt. Jetzt haben Sie die halbe Fraktion im Rücken. Da Sie etwas von Pferden verstehen: Ein Königreich für ein Pferd, mit dem man eine Fraktion reitet! Aber Herr Strauß wird Ihnen dieses Pferd mit Sicherheit nicht geben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708005700
Herr Abgeordneter Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0708005800
Ich nehme die gleiche Bescheidenheit wie der Fraktionsvorsitzende der Union in Anspruch, mit Rücksicht auf die Zeit, ohne Zwischenfragen zu sprechen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Da Sie also in der Opposition weder Ihre personellen Probleme noch die Frage von Sachprogrammen lösen konnten

(Abg. Kroll-Schlüter: Sagen Sie mal was zum Thema!)

— das kommt, das kommt —, um sich in der Offentlichkeit als Alternative zur Koalition anzubieten, sind Sie in diese Diskussion gegangen — und beruhigen Sie sich, ich komme jetzt zum Thema — um das, was uns alle hier in diesem Hause verbinden sollte, das Grundgesetz, zum Trennenden zwischen den Parteien zu machen. Sie wollen fortsetzen, was Bismarck versucht hat, was man auch nach 1945 versucht hat.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Ich gerate in Verzweiflung! Das ist der einzige Ausspruch!)

— Herr Carstens, Ihre Verfassungszerklüftungsstrategie hat drei Schwerpunkte.
Einmal behauptet die Union, die SPD gehe von der Parteilichkeit der Verfassung aus. Dies ist hier klargestellt worden. Was Sie verschweigen oder vergessen, vielleicht auch verdrängt haben, ist — und dies gehört in eine Jubiläumsdebatte über die Verfassung —, daß es die Sozialdemokratische Partei war, die den Art. 21 unseres Grundgesetzes initiiert hat. Wie hat Bismarck gesagt? Die Parteien sind der Verderb unserer Zukunft und der Verderb unserer Verfassung! Hier war es notwendig, nach dem, was man unter Hitler über die Parteien gesagt hat, den Parteien einen demokratischen Rang zu geben. Wo ist denn ein Programm in diesem Land, das vor dem Godesberger Grundsatzprogramm die staatliche Funktion der Opposition als eine politische Grund-



Friedrich
forderung dargestellt hat? Mit welchen Pappkameraden wollen Sie eigentlich diese Verfassungsdiskussion bestreiten?

(Beifall bei der SPD.)

Die anderen zwei Argumente, die Sie gegen uns ins Feld führen, kann ich miteinander verknüpfen. Sie sagen, die Politik dieser Koalition bewirke einen schlappen Staat, führe zur Schlappheit der Staatsgesinnung. Sie sagen außerdem, unser Wille, alle Lebensbereiche zu demokratisieren, sei eine Gefahr für die Freiheit. Das erste berührt das Verhältnis zur jungen Generation, das zweite ist die Frage nach einer erst noch zu entwickelnden fundamentalen Demokratie in unserer Gesellschaft. Und hier haben die Parteien eine Aufgabe. Das ist natürlich etwas anderes für eine Partei, die sich ihre Parteitage von einem Wirtschaftsbeirat manipulieren läßt, wie man über Fernsehen in Farbe in jedem Haushalt sehen konnte.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Vogel [Ennepetal] : So etwas Lächerliches!)

— Das ist nicht lächerlich. Hier sitzen ja Herr Katzer und Herr Blüm. Mir tun sie leid, aber sie erinnern mich an das Märchen aus Tausendundeine Nacht von dem Geist in der Flasche. In Hamburg hat Herr Biedenkopf sie in die Flasche zurückgeholt.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Hier, wenn die Mitbestimmung kommt, dann dürfen Sie als großer Geist über diesem Hause schweben. Aber entscheidend wird sein, wie Sie abstimmen werden, wo Sie Ihre Arbeitnehmerhände aufheben bei der Abstimmung über die Mitbestimmung.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Katzer.)

— Auf Sie komme ich nachher wieder zurück, wenn Sie vielleicht einige Minuten warten.
Womit diese Union nicht fertig wird, das ist das Verhältnis zur jungen Generation. Als einer, der am Ende des zweiten Weltkriegs 18 Jahre alt war, erlaube ich mir die Frage: haben wir als die Generation einer verpfuschten Jugend und eines total mißbrauchten Idealismus hier Zugang im Denken zu unseren Söhnen und zu unseren Enkeln?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das geht uns doch allen so, Herr Kollege!)

Wir sollten uns — und manchmal klang dies an — nicht verspätet dafür rächen an einer andersdenkenden jungen Generation, daß wir im Kadavergehorsam erzogen worden sind.

(Beifall bei der SPD.)

Mit dieser Feststellung ist es mir ernst. Ich bin so ehrlich: Haben nicht die meisten der HJ-Generation - es darf ja nicht mehr darüber gesprochen werden — dieses Scheusal Hitler verehrt? Und sind nicht die meisten daran zerbrochen? Und war es nicht so: Als wir nach Hause kamen, war da Wohlstandsgesellschaft,

(Abg. Dr. Althammer: Das war noch keine Wohlstandsgesellschaft, als wir nach Hause kamen!)

und das C, das Sie boten, war ein ganz weiter Mantel? Und die Ablösung des „C" war auch eine Frage der Praxis. Und plötzlich kommt eine junge Generation, die nicht mehr mitmacht, die fragt. Warum ist denn in dieser Woche die junge Generation in Frankfurt zu Erzbischof Helder Camara gekommen? Sie will mehr als Wohlstandsgesellschaft und Konsum,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

wenn in der Welt Millionen von Menschen hungern.

(Abg. Dr. Wörner: Die wollen es vor allen Dingen auch von Ihnen!)

— Herr Wörner, sich selber hier zu belügen und vor seinem guten Gewissen strammzustehen — ich traue Ihnen das zu, und ich nehme es Ihnen nicht übel —, hilft uns nicht weiter.

(Beifall bei der SPD.)

Diese junge Generation hat sich doch auch einmal gefragt: Was war eigentlich mit unseren Eltern los? Wo ein Jude verhaftet wurde, wo ein Führer gefeiert wurde, wo rassisch gereinigt wurde, wo ein kleines Nachbarland überfallen wurde, überall hatte diese HJ-Generation dabeizustehen, „Heil" zu schreien und „Jawohl" zu sagen. Soll in einer Verfassungsdebatte die deutsche Vergangenheit ausgeschlossen werden?

(Abg. Dr. Czaja: Nein! Aber sie sollte nicht einseitig dargestellt werden!)

— Herr Czaja, wenn Sie schon den 18. Januar, die kaiserliche Reichsgeburtstagsfeier, begehen, was ja auf Ihr Verfassungsdenken schließen läßt — ich nehme Ihnen nicht übel, daß sie ein geschwächtes Verhältnis zur Weimarer Republik haben, weil die Verfassung der Weimarer Republik von demokratischen Marxisten geschaffen wurde —, wenn Sie also schon die Bismarcksche Reichsgeburtstagsfeier begehen — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708005900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes? — Nein.

(Abg. Dr. Wörner: Sie wurde von den Marxisten und den Nazisten ruiniert, zerstört! — So ist die Wirklichkeit!)


Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0708006000
Wir werden darüber sprechen.

(Abg. Dr. Wörner: Die Weimarer Republik ist an den Marxisten und an den Nazisten zugrunde gegangen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und Gegenrufe von der SPD.)

— Herr Wörner, niemand nimmt Ihnen das Recht
— und dafür muß man nicht Bundestagsabgeordneter werden —, mit einer Lebenslüge, die man jung empfangen hat, auch alt zu werden und damit zu sterben. Das nehmen wir Ihnen nicht ab.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wörner: Geben Sie mir eine Antwort auf diese Frage!)




Friedrich
Dann kam das Jahr 1968. Ich gebe Ihnen eine
Antwort.

(Abg. Dr. Wörner: Welche Rolle hat der Marxismus in der Weimarer Republik gespielt?)

— Wer hier Herrn Dregger gehört hat Sie stehen
in der Tradition des deutschen Konservativismus —, und hier können Sie nicht davonlaufen — —

(Abg. Dr. Wörner: Das ist Ihr Klischee, Ihre Schablone! Werden Sie glücklich damit — Gegenrufe von der SPD. — Abg. Kroll-Schlüter: Sie haben doch keine Ahnung!)

— Ja, ja.

(Abg. Dr. Wörner: Können Sie denn nicht ohne Schablone leben? Sie können doch selber nicht mehr differenzieren!)

— Ja, ja.

(Abg. Dr. Wörner: Ich war noch jünger als Sie!)

— Herr Wörner, diese Debatte und Sie machen deutlich, so wie Sie hier das Wort „Marxisten", wie Sie das Wort „Jungsozialisten" aussprechen, warum die Deutschnationalen 1933 lieber mit Hitler paktierten, als im März 1933 zusammen mit Sozialdemokraten diese Republik zu verteidigen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wörner: Das ist nichts anderes als eine Beleidigung, die ich Ihnen aber gar nicht übelnehme! Es ist immer noch keine Antwort auf meine Frage! Es ist unter Ihrem Rang!)

Die Union war in den 50er und 60er Jahren

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das war unter Ihrem Rang, Herr Kollege, was Sie jetzt gesagt haben!)

weder fähig,

(Abg. Dr. Wörner: So einfach ist das!) die Kritik junger Menschen zu ertragen,


(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : So kann man es nicht sagen!)

noch war sie fähig, bei jungen Menschen Glaubwürdigkeit zu verbreiten.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Herr Wehner weiß das ganz genau! — Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Wörner.)

— Aber, Herr Wörner, ich muß Sie ja heute hier furchtbar getroffen haben.

(Abg. Wehner: Er will sich hier zur Geltung bringen! Man sollte ihn nicht beachten! — Abg. Dr. Wörner: Nein, Sie versuchen, die Marxisten anders einzuordnen, weil Sie die Geschichte nicht bewältigen können! Das ist es!)

— Sie waren nicht in der Lage, diesem Volk nach einem verlorenen Krieg die Wirklichkeit unserer internationalen Situation darzustellen.

(Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : So entstand das atlantische Bündnis!!)

Aus dieser Situation entstand keine Glaubwürdigkeit. Warum gab es denn in diesem Lande so viel Zustimmung zur Friedenspolitik Willy Brandts?

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Wer war gegen die NATO, wer war gegen die europäische Einigung?)

Doch nicht deshalb, weil die Menschen meinten, daß diese Regierung einen verlorenen Krieg gewinnen könnte. Die Menschen in der Bundesrepublik wollten 1969 endlich eine Regierung mit der Fähigkeit, die Bundesrepublik Deutschland aus einer Situation der inneren Unwahrhaftigkeit in internationalen Fragen herauszuführen in die moralische Glaubwürdigkeit.

(Abg. Dr. Althammer: Da lachen ja die Hühner!)

Deshalb hatten wir in dieser Frage nicht nur die junge Generation, sondern auch die große Mehrheit des deutschen Volkes hinter uns. Sonst gäbe es nicht diese Mehrheit in diesem Hause. Sonst wären Sie hier nicht in der Opposition.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warten Sie mal die nächste Wahl ab!)

Für den mangelnden Mut zur Glaubwürdigkeit sind Sie 1972 vom Wähler bestraft worden.

(Abg. Jäger [Wangen] : Heute sind die Wähler enttäuscht, weil sie sehen, daß sie falsch von Ihnen unterrichtet worden sind!)

Sie von der Union haben uns bei dem ernsten Bemühen, die junge Generation zu integrieren, alleingelassen.

(Abg. Dr. Althammer: So sieht es bei Ihnen aus!)

Aber nicht nur das. Da Sie politisch in dieser Frage sozusagen nicht laufen können, meinen Sie, schon dadurch schneller als der andere zu sein, daß man dem anderen die Kniesehnen durchschneidet.

(Abg. Kroll-Schlüter: Die jungen Arbeitnehmer sind bei der Jungen Union und nicht bei den Jungsozialisten! Bei uns sind doppelt so viel, Herr Dohnanyi! Das müssen Sie doch einmal sehen! Sie sind weit weg von der Wirklichkeit!)

Wir haben seit 1968 Hunderttausende junger Menschen in diesen Staat integriert.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das wollen wir doch alle!)

— Ich bestreite es doch gar nicht, Her Mertes, wenn Sie hier sagen, daß es Probleme in der Sozialdemokratischen Partei gebe.

(Abg. Dr. Althammer: Was, gibt es die tatsächlich?)

Ich habe dies oft genug offen dargestellt. Aber ehe wir jene, die zur DKP hinneigen, in diese Partei schicken, werden wir um jeden einzelnen jungen Menschen für diese Demokratie ringen;

(Beifall bei der SPD)




Friedrich
wir werden ihn nicht „amputieren" und dadurch die
DKP und KPD/ML verstärken. Dies ist unser Ziel.

(Abg. Stücklen: Das ist auch unser Ziel! —Abg. Dr. Wörner: Aber nicht Integration durch Anpassung!)

Wenn Sie Herrn Maier, der mich als einen, den man beachten sollte,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Ja, das habe ich auch gesagt! — Abg. Dr. Wörner: Er hatte den Vorzug, Sie heute nicht gehört zu haben!)

zitiert hat, gestern zugehört haben, wissen Sie doch genau, daß diese Welle des Protestes zu Ende geht. Sie, die Sie sich in den letzten Jahren in den Schützengräben der Vergangenheit versteckt haben und Sperrfeuer geschossen haben, wollen jetzt, da diese Bewegung zu Ende geht, schnell auch noch abkassieren. Das ist doch die Wirklichkeit; so ist die Situation.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wörner: Das ist eine Schablone, hat aber mit Wirklichkeit nichts zu tun!)

Wir werden das durchstehen, und wir werden als eine Partei aus dieser Auseinandersetzung herausgehen, die bewiesen hat, daß sie auch mit dem Problem der jungen Generation fertig geworden ist.

(Zustimmung bei der SPD. Abg. Dr. Wörner: Siehe München! Fragen Sie mal den Herrn Kronawitter!)

— Herr Wörner, was kann denn eine Partei, die sich in ihrer Zusammensetzung — analysieren Sie doch einmal die soziale Struktur Ihrer Fraktion — aus Bauernverbänden, Aufsichtsräten, Mittelstandsstuben und einigen Syndikussen rekrutiert, für den kleinen Mieter in Großstädten empfinden? Wenn Herr Strauß in München einige Mietshäuser hat, weiß er doch noch nicht, wie ein kleiner Mieter denkt, dem die Miete erhöht wird.

(Beifall bei der SPD.)

Ich bitte unsere Freunde, draußen im Lande einmal nachzuprüfen: Wo sind denn sozialdemokratische Mandatsträger, die bereit sind, mit den Linksradikalen einen Pakt abzuschließen? Was würden Sie sagen, wenn es hier in diesem Hause eine DKP-Fraktion gäbe und die Sozialdemokratie sich anschickte, mit Hilfe dieser DKP die höchsten Staatsämter zu besetzen? Sie waren 1968 bereit, mit Hilfe der NPD-Stimmen das höchste Staatsamt in diesem Land zu besetzen.

(Beifall bei der SPD.)

Dies hätte neben jedem internationalen Vertrag einen braunen Fleck bedeutet.

(Abg. Stücklen: Was war denn 1949?)

Insoweit werden wir Sozialdemokraten der FDP ihr Einstehen für die Demokratie und für die internationale Glaubwürdigkeit dieser jungen Demokratie, die Sie aufzugeben bereit waren, nicht vergessen. Wir werden es nicht vergessen, wenn Walter Scheel im Mai dieses Jahres, so hoffe ich, die Nachfolge des großen Demokraten Gustav Heinemann
antritt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Jetzt müßte noch einiges zu Herrn Dregger gesagt werden. Er ist nicht mehr da. Aber, Herr Carstens, es ist ganz gut, daß Sie sich voll zu Herrn Dregger bekannt haben. Jedoch sind Sie von Ihrem Fraktionskollegen offensichtlich nicht oder schlecht informiert worden. Insoweit wäre ich Ihnen dankbar, Herr Carstens, wenn Sie sagten, ob Sie noch aufrechterhalten, daß Sie zu dem stehen, was Herr Dregger ausführte.
Hier habe ich die „Kieler Nachrichten" Nr. 37 vom 13. Februar, einem Tag vor der Verfassungsdebatte. Da finde ich die Überschrift: „Dregger: Jusos sind nicht die einzigen Verfassungsfeinde", nicht etwa: nicht alle Juso sind Verfassungsfeinde, sondern: „Jusos sind nicht die einzigen Verfassungsfeinde". Das ist ein Interview. Ich will Ihnen etwas sagen: Es ist eine Ungeheuerlichkeit, daß sich ein Mann erdreistet, 250 000 bis 300 000 Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei in diesem Hause zu Verfassungsfeinden zu erklären.

(Beifall bei der SPD.)'

Wir werden dies in den unglaubwürdigen Hals des Herrn Dregger so oft hineinstoßen, bis er hierhertritt und es korrigiert; dies muß vom Tisch.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Wieviel sind es denn?)

Sie haben hier zweimal den Namen des Nobelpreisträgers Solschenizyn genannt. Herr Dregger nannte ihn gestern einen russischen Patrioten. Ich halte ihn für einen der großen Moralisten dieses Jahrhunderts. Aber alles, was Herr Dregger von sich gibt, geht ja immer in die nationale Rinne.

(Abg. Dr. Wörner: Das fragen wir ihn besser selber!)

Herr Carstens, Sie haben hier Solschenizyn genannt. Keine politische Partei kann das Schicksal eines Solschenizyn tiefer empfinden als die Sozialdemokratische Partei Deutschlands — dies nehmen wir für uns in Anspruch —, deren Parteiführer von 1878, von Bismarck bis hin zu Willy Brandt ständig ausgebürgert worden sind. Wir wissen, daß man das Vaterland nicht an seinen Schuhsohlen davontragen kann. Wir wissen, was Emigration ist. Ich weiß, Sie erinnern sich jetzt an Ihre üblen Anti-EmigrantenSchmutzkampagnen.

(Beifall bei der SPD.)

Vielleicht denken Sie bei der Emigration Solschenizyns jetzt einmal darüber nach, was Sie 1957, 1961 und 1965 gegen Willy Brandt und Herbert Wehner gesagt haben. Nachher hat es Ihnen Gott sei Dank niemand mehr abgenommen.
Ich gehe davon aus, daß dieses Hohe Haus in der Auffassung übereinstimmt, daß eine dauerhafte Friedensregelung — und deshalb muß für uns Solschenizyn mehr sein als nur ein Einzelschicksal — zunächst in Europa nicht nur davon abhängig ist, daß die Staaten in ihrem Willen zum Frieden übereinstimmen und in Verträgen die Balance der militäri-



Friedrich
schen Kräfte und deren Reduzierung anstreben. Ein dauerhafter Frieden in Europa muß mehr sein. Es ist schlimm, wenn auf der Welt die Staaten des europäischen Geistes — dazu gehören die des Ostblocks — in der Respektierung der Freiheitsrechte des einzelnen nicht übereinstimmen; denn dies ist tiefste europäische geistige Tradition.

(Abg. Dr. Wörner: Darauf werden wir Ihre Politik bei der KSZE prüfen! Dann wollen wir mal sehen, ob Sie durchsetzen, was Sie hier sagen!)

— Aber, Herr Wörner, hören Sie mal auf zu schwätzen! Sie sind hier ja allmählich ein Schwätzer geworden. — Deshalb ist dem Kommunismus zu wünschen, daß er in nicht allzu ferner Zeit — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708006100
Herr Abgeordneter Friedrich, ich bitte Sie, sich der üblichen parlamentarischen Formen zu bedienen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0708006200
Deshalb ist dem Kommunismus zu wünschen, daß er in nicht allzu ferner Zeit durch die endgültige Überwindung der Stalinschen Ara zu dem zurückkehren möge, was dereinst der humanistische Ansatz eines Karl Marx und Friedrich Engels war. Ich meine die freie Selbstverwirklichung des Menschen, die sich vor allem in der Selbstverwirklichung und in der Freiheit des Andersdenkenden bestätigt. Um dieses Problem geht es bei der Ausbürgerung Solschenizyns.
Ich muß hier einmal sagen: Machen Sie es sich nicht zu leicht. Dieser Riß geht auch mitten durch das kommunistische Lager. So nannte Georg Lukacs im Zusammenhang mit Solschenizyn die kritische Aufarbeitung der Stalinzeit nicht nur das zentrale Thema der sozialistischen Literatur. Lukacs, dieser Mann auch des europäischen Geistes — das werden Sie nicht bestreiten —, sah in der Überwindung der Stalinära die Hauptaufgabe der gesamten marxistisch-leninistischen Ideologie.

(Abg. Jäger [Wangen] : Haben Sie denn nicht begriffen, daß Solschenizyn das Übel auf Lenin zurückführt? Nicht Stalin, sondern Lenin hat den Terror eingeführt!)

— Sie sollten doch zumindest ein wenig Respekt haben, wenn ich dem Manne hier Respekt zolle. Sie sollten sich doch nicht von Solschenizyn getroffen fühlen. Ihnen tut es doch weh, daß sich Sozialdemokraten zu dem humanistischen Ansatz eines Solschenizyn in dieser Debatte bekennen. Das tut Ihnen weh, das können Sie nicht ertragen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Herr Kollege, wie können Sie so etwas nur sagen! — Abg. Stücklen: Unverschämtheit!)

Wenn Solschenizyn die Wahrheit sagt und die Lüge aufdeckt, dann ist das der Vollzug des höchsten Auftrages, den ein Intellektueller auf sich nehmen kann. Es ist der Mut zur Wahrheit.
Für demokratische Sozialisten kann es keine politische Gemeinsamkeit mit einem Sozialismus geben, der die Selbstverwirklichung des Menschen in freier personaler Verantwortung nicht erlaubt und die freie Sprache des Gewissens nicht duldet. Auch das stellen wir fest.

(Abg. Jäger [Wangen] : Handeln Sie auch einmal danach! — Gegenruf der Abg. Frau Dr. Timm: Wer führt denn die Auseinandersetzungen mit denen? Sie doch nicht! Das ist doch nicht zu glauben!)

Wir zweifeln aber auch an der Glaubwürdigkeit jener auf Solschenizyn hinweisenden CDU-Politiker — und jetzt können Sie sich gleich erregen —, deren christliches Selbstverständnis es zugleich zuläßt, Geld und Spenden für die Generale in Chile zu sammeln, wie wir vorgestern in der Zeitung lesen konnten. Wer mit Solschenizyn die Opfer der Stalinära beklagt, muß als Christ und Politiker auch um Allende trauern. Nur dann wird er glaubwürdig sein.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708006300
Herr Abgeordneter Friedrich, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0708006400
Meine Damen und Herren, in der Frage des Sozialstaats stehen wir vor einer grundsätzlichen Auseinandersetzung, die mit dieser Debatte erst beginnen wird. Für uns Sozialdemokraten ist die Verbindung von Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit untrennbar. Das Freiheitspostulat ist das erste Postulat unseres Godesberger Grundsatzprogramms.
Ihr Parteivorsitzender, Herr Kohl, hat in seinen veröffentlichten Markierungspunkten zu dieser Debatte in der „Deutschen Zeitung" erklärt — ich darf zitieren, Herr Präsident —:
Auch die CDU nimmt in mitmenschlicher Solidarität und Verantwortung Partei für die Schwachen. Aber dies ist
- sagt Herr Kohl —
für uns kein Demokratieproblem.
Ich sage Ihnen ganz offen, daß das ein Gegensatz im Verfassungsdenken von Union und Sozialdemokratie ist.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Das ist Rabulistik!)

Sie verweigern sich der Einsicht, daß die Gerechtigkeit für den sozial Schwachen die Voraussetzung seiner Freiheit ist. Wer für die Freiheit des Schreibens des Schriftstellers ist, muß auch für demokratische Mitbestimmung am Arbeitsplatz sein.

(Beifall bei der SPD.)

Hier zahlen Sie als Union doch den Preis der Glaubwürdigkeit dafür, daß Herr Biedenkopf in Hamburg die Sozialausschüsse in der kommenden Mitbestimmungsdiskussion in diesem Hause unglaubwürdig gemacht hat. Herr Biedenkopf entwickelt zur Zeit das, was ich den Scheinkonstitutionalismus des 20. Jahrhunderts nennen möchte.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708006500
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Bruno Friedrich (SPD):
Rede ID: ID0708006600
Ich bin gleich zu Ende, Herr Präsident.
Darüber werden wir im kommenden Jahr die Auseinandersetzung führen. Einer Sache bin ich mir sicher: Diese Koalition wird den Ausbau des sozialen Staates, des Rechtsstaates bis 1976 fortsetzen, und Sie werden uns nicht daran hindern, denn Überläufer gibt es keine mehr.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Mit 10 % Inflation!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708006700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Waigel.

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID0708006800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine merkwürdige Strategie der sozialdemokratischen Fraktion hier den Kollegen Schöfberger zum Grundgesetz reden zu lassen, während die Genossen in München unter ihm und seiner Knute innerparteilich leiden. Es sind ja keine Gespenster und keine Illusionen, wenn man nachliest, was Herr Preißinger und Herr Kronawitter über unerträglichen Druck sagen, wenn sie davon sprechen, sie wollten keine Marionetten sein, wenn sie beschwörende Appelle an die Partei erlassen und Herr Vogel seine Bittgänge nach Grafenau und ins Bundeskanzleramt machen muß, um hier die entsprechende Unterstützung der Gesamtpartei zu bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rawe: Die ihm vorenthalten bleibt!)

Herr Bundesminister Ehmke hat vorher in seinen Ausführungen einen Satz vergessen, den man nachholen sollte, nämlich das, was — ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten — Rosa Luxemburg wörtlich gesagt hat:
Wir können es ruhig aussprechen, daß die deutschen Gewerkschaftsführer und die deutschen Sozialdemokraten die infamsten Halunken, die in der Welt gelebt haben, sind. Wissen Sie, wohin diese Leute — Winnig, Friedrich Ebert, Scheidemann — gehören? Nach dem deutschen Strafkodex, den sie ja selbst in voller Gültigkeit erklären und nach dem sie selbst Recht sprechen lassen, gehören diese Leute ins Zuchthaus.

(Abg. Stücklen: Deshalb die Sondermarke!)

Es ist eine Frage der geistigen Selbstbehauptung und der geistigen Ehre, ob man dann eine solche Frau auf eine Briefmarke bringt.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kiechle: Soweit sind wir!)

Der Herr Kollege Friedrich hat gemeint, wir seien nicht bereit, hier die Vergangenheit mit zu bewältigen. Dazu sind wir sehr gern bereit, Herr Kollege Friedrich; wir sind aber auch der Meinung, daß wir die Gegenwart nicht ausschließen sollen, indem man den Antikommunismus in diesem Land als antiquiert
und unmodern bezeichnet, obwohl es, weiß Gott, genügend Anhaltspunkte gibt, sich gegen den Kommunismus zu wehren und die Gefahren zu sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben vorhin gemeint, auch die Junge Union ansprechen zu sollen. Ich kann Ihnen nur eines sagen — und das freut uns bebesonders —: Wir haben zwischenzeitlich in der Jungen Union mehr Arbeitnehmer als die Jungsozialisten, und das ist gut so!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich sage Ihnen eines: Auch wenn wir es kurzfristig mit der Jugend einmal schwer haben, wir werden keinen billigen Opportunismus gegenüber der Jugend steuern, sondern uns mit ihr auseinandersetzen und nicht allem nachfolgen, was einmal als Modernismus gefordert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben gemeint, wieder diesen miserablen Stil mit der Bundespräsidentenwahl beim letzten Mal bringen zu müssen mit der Unterstützung der NPD, um die wir uns nie bemüht haben und mit der wir in dieser Frage nie etwas zu tun hatten.

(Zurufe von der SPD.)

Es stünde Ihnen auch einmal gut an, ein Wort dazu zu sagen, daß sozialdemokratische Regierungen in Europa sich von Kommunisten stützen lassen müssen, damit sie noch regieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie hätten auch ein Wort darüber verlieren können, daß die „rote Heidi", die neue Juso-Vorsitzende, erklärt hat, man könne es den sozialistischen Kräften nicht zumuten, an den Universitäten mit dem RCDS eine Koalition einzugehen; da seien — sinngemäß — Koalitionen mit den Radikalen immer noch besser. Da fehlt es an der Solidarität mit den Demokraten. Das ist der Punkt, weswegen hier auch gesprochen werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Friedrich, Sie haben auch noch einmal Solschenizyn angesprochen.

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Den hat er gepachtet!)

Sie haben leider vergessen, daß die Jungsozialisten sich auf ihrem letzten Kongreß geweigert haben, sich mit Solschenizyn solidarisch zu erklären.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

Ich sage Ihnen eines: Ich mache das den Jusos nicht zum Vorwurf. Das ist eine konsequente Entscheidung. Denn es wäre eine Schande für diesen Mann, sich mit diesen Leuten solidarisch erklären zu müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es wäre eine Schande, wenn er in die gleiche Reihe gestellt würde — wie es Herr Roth in OstBerlin getan hat — mit Herrn Honecker, Herrn Breschnew und diese Leute als friedliebend bezeichnet werden müßten. Es wäre wirklich eine Schande, wenn ihm die gleichen Leute ein Telegramm ge-



Dr. Waigel
schickt hätten. Gott sei Dank haben sie es nicht getan. Insofern sind sie wenigstens ehrlich und anständig.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Einige Worte zu dem Thema Jugend und Verfassung. Die Frage nach dem Verhältnis der Jugend zur Verfassung ist ein zentrales Problem dieser Debatte und klang immer wieder durch. Diese Aussprache wäre sinnlos, das Grundgesetz ein historisches Papier, Grundwerte und Verfassungsziele wären irrelevante Aussagen, wenn die Jugend dieses Volkes keine Beziehung zum Grundgesetz hätte. Bestand und Zukunft dieser staatlichen Ordnung sind abhängig von der Identifikation der nachwachsenden Generation mit Worten und Zielen der Verfassung. Gerade ein freiheitlich-demokratisches Staatswesen bedarf in besonderer Weise dieser Zustimmung und der dauerhaften Legitimation aller.
Vergangenheitserfahrungen sind für die Jugend nicht zwingend. Der Schrecken des Nationalsozialismus verblaßt durch die historische Distanz, und die Gefahr des Kommunismus verliert ihren Schrecken durch eine verharmlosende Konvergenzpolitik, wie sie durch Bahr und andere in diesem Lande betrieben wird. Eine Gesellschaft bedarf der individuellen Identifikation, und das Grundgesetz muß, um bei der Jugend bestehen zu können, sich immer wieder als die bessere Lösung anbieten.
Wie aber denkt nun die große Mehrheit in der Jugend? Wir kennen die Umfragen, wir kennen die empirischen Erfahrungen. Doch stellt sich gerade heute die Frage, ob nicht ein spürbarer neuer Trend in der Jugend zu vermerken ist. Ist nicht eine stärkere Skepsis gegenüber radikalen Heilslehren zu verspüren? Es waren ja mehrere Sozialdemokraten, die in den letzten Wochen von einer Renaissance des modernen, fortschrittlichen Konservatismus sprachen und sich hurtig bemühten, diesen neuen Zug der Entwicklung nicht zu verpassen.
Einstellung und Verhaltensweisen der Jugend ergeben sich als Antwort auf eine bestimmte Situation, in der sich Jugend befindet. Dies gilt auch für den Bereich der Politik. Wer nach dem politischen Verhalten der Jugend fragt, muß feststellen, daß Jugend auf das politische Verhalten der Erwachsenen antwortet. Die Kritik am politischen Verhalten der Jugend bedingt auch eine Kritik an der politischen Einstellung der älteren Generation.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708006900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Groß?

Rötger Groß (FDP):
Rede ID: ID0708007000
Herr Kollege Waigel, halten Sie es für sehr überzeugend, wenn die CDU/CSU hier mit viel Aufwand behauptet vorausgesetzt, die These, die Sie soeben aufgestellt haben, stimmt —, die Grundfesten dieses Staates seien in Gefahr, wenn, wie Sie sagen, die Jugend angeblich einem neuen Trend zu folgen bereit ist?

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID0708007100
Dieser Trend hat sich noch nicht ganz durchgezogen. Aber er wird zu unseren Gunsten laufen und nicht zu Ihren Gunsten. Das werden Sie sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn wir die Sorgen sehen — und das ist gleich meine nächste These —, so antwortet die Jugend in ihren Parteien auf das Verhalten der Erwachsenen, der älteren Generation in ihren Parteien. Darum ist das, was Jusos und Judos heute von sich geben, die Antwort auf Ihr unbefriedigendes Verhalten in der Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Gerade die Situation der Jungsozialisten ist die Antwort auf eine unklare, widersprüchliche, trügerische politische Hoffnung, die die Mutterpartei genährt und geweckt hat, die sie aber nicht realisieren kann. Eine Abgrenzung zwischen SPD und Jungsozialisten kann nur noch verbaler Art sein, da beide auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind und miteinander agieren müssen. Die SPD wäre sonst ohne Vertretung im Bereich der Jugend, wie sie bereits ohne Vertretung im Bereich der Hochschulen ist. Deswegen ist das Problem der Jungsozialisten ein zentrales Problem der SPD, weil sie einen Trennungsstrich zur mehrheitlichen Meinung der Jungsozialisten gar nicht mehr ziehen kann.
Die Antwort der Jugend im gesellschaftlichen und politischen Bereich vollzieht sich in mehreren Formen. Ein Teil verhält sich konform und anerkennt Ziele und Normen, andere passen sich äußerlich an, wieder andere wählen den sozialen Rückzug, eine nächste Gruppe fordert die radikale Verwirklichung von Grundwerten und Programmen, und eine letzte Gruppe bemüht sich um ein neues System an Stelle des alten, auch mit revolutionären Mitteln. Es ist nicht überraschend, wenn man feststellt, daß die große Mehrheit der Jugend die Form der Anpassung eher bevorzugt als die Möglichkeit der radikalen Ablehnung. Es genügt aber nicht, wenn die zentralen Werte und Normen unserer Gesellschaft nur in Form von Regeln anerkannt werden. Gerade eine moderne Gesellschaft ist darauf angewiesen, daß die neu in diese Gesellschaft eintretenden Mitglieder produktiv und aktiv auf diese Probleme der Gesellschaft reagieren. Eine Gesellschaft wie die unsrige lebt von der Bejahung der zentralen Werte dieser Gesellschaft und verlangt diese individuelle Identifikation.
Meine Damen und Herren, die politische Interessiertheit ist in den letzten Jahren bei der Jugend, insbesondere bei Oberschülern und Studenten, kontinuierlich gestiegen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708007200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dürr?

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID0708007300
Bitte schön.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0708007400
Herr Kollege, würden Sie mir wenigstens darin zustimmen, daß die von Ihnen so propagierte Methode des ständig lehrhaft erhobenen Zeigefingers nicht die beste Form von Jugenderziehung ist?




Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID0708007500
Ich wähle hier die Form der selbstkritischen Darstellung, auch gegenüber der eigenen Partei, und habe damit bisher jedenfalls gute Erfolge im Bereich der Jugend gehabt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das politische Faktenwissen läßt allerdings in erheblichem Maße noch zu wünschen übrig,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Sehr richtig!)

und die Politik wird von den Jugendlichen zunächst nicht als ein zentraler, unmittelbar bedeutsamer Lebensbereich angesehen.
Pienzunka schließt seine Untersuchung zu diesem Bereich mit den Worten:
Es handelt sich offenbar um die Ablehnung eines absolut totalitären Regimes als um eine Zustimmung zum demokratischen Rechtsstaat.
Und Schelsky spricht von der „vorpolitischen Haltung der Jugend". Es ist sehr gefährlich, wozu alle Parteien manchmal neigen, im politischen Bereich Schlagworte zu gebrauchen wie: „Wer die Jugend besitzt, besitzt die Zukunft", weil hier die junge Generation skeptisch reagiert und eine Verführbarkeit befürchtet.
Ideologie und Engagement ohne Urteil sind die Folgen mangelhafter politischer Information. Politisches Engagement und Informationsgrad laufen parallel. Das ist die Aufgabe auch an unseren Schulen, das ist die Aufgabe der politischen Bildung, die das noch nicht in zureichendem Maße durchgesetzt hat. Um so mehr besteht Veranlassung, dafür Sorge zu tragen, daß nicht die Gegner dieser Demokratie das politische Bewußtsein von Schülern verformen.
Ein Wort zu dem, was Vico Graf Blücher zum Wehrdienst gesagt hat: „Diese Jugend nimmt den Wehrdienst als Gegebenheit hin, wenn auch nicht begeistert. Er gehört zu den Selbstverständlichkeiten der heutigen Lebensformen". Wenn jedoch Politiker zunehmend die Funktion der Verteidigung und ihre Notwendigkeit in Frage stellen, kann niemand von der Jugend verlangen, daß sie dieses notwendige Opfer begreift.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was hier manche Politiker der SPD inszenieren, muß notwendigerweise verheerende Wirkungen auf die Einstellungen der Jugend haben. Wir müssen feststellen, daß etwa 15 bis 20 % gegen diesen Staat eingestellt sind. Es gibt eine Gruppe von jungen Leuten, die Ablehnung und Nichtidentifikation durch sozialen Rückzug in vielerlei Formen dokumentieren. Und es gibt die zahlenmäßig größte Gruppe derer, die weder protestierend noch ablehnend dem politischen und staatlichen Geschehen gegenüberstehen.
Welche Schlüsse können wir politisch Verantwortliche aus diesen Tatsachen ziehen? Um diese Jugend für den Staat, das politische Geschehen zu gewinnen, bedarf es der Formulierung und Realisierung einer Politik, die als konsequente Verwirklichung der Verfassungsgrundsätze darstellbar ist und insofern überzeugend wirkt — einer Politik, die sich von dem Anliegen und von dem Anspruch der
nachwachsenden Generation her legitimiert und die den Zukunftsperspektiven junger Menschen eine glaubwürdige Chance gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hierzu gehört lassen Sie mich das am Schluß
sagen — eine produktive Auseinandersetzung der Jugend auch mit den Werten der Tradition, die es ermöglichen, daß die Jugend ihre eigenen Perspektiven in den Prozeß der Weiterentwicklung von Kultur einbringen kann. Wir wissen, daß die Sollwerte hinsichtlich des National- und Staatsbewußtseins problematisch und diskussionswürdig geworden sind. Dennoch sind Nationen und Staaten geschichtliche Realitäten. Es wäre bedenklich, wenn der einzelne ohne Zwischenschaltung der Nation unmittelbar mit Europa oder einer noch größeren Einheit in Beziehung gesetzt würde und die Verpflichtung gegenüber der Nation als etwas Antiquiertes, Unzeitgemäßes bezeichnet würde.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Ausgezeichnet!)

Das, meine Damen und Herren, gibt zu denken in einer Zeit, in der in manchen Ländern des Westens, vor allem aber in den Ländern des Ostens, die Nation und ein betonter Nationalismus in Erscheinung treten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708007600
Herr Abgeordneter gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gansel?

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID0708007700
Bitte schön!

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0708007800
Herr Kollege, Sie äußerten sich soeben über die Frage der Wehrfreudigkeit. Ich finde nun im „Handbuch des Deutschen Bundestages" nicht die Angabe, wann Sie Ihren Wehrdienst geleistet haben. Haben Sie das übersehen, oder haben Sie keinen Wehrdienst geleistet?

(Abg. Stücklen: Haben Sie denn geleistet?!)


Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID0708007900
Ich bin gern bereit, auf diese Frage zu antworten. Da mein einziger Bruder im letzten Krieg gefallen ist, hatte ich die Möglichkeit, mich vom Wehrdienst befreien zu lassen. Das ändert aber nichts daran, daß ich dazu meine Einstellung haben kann. Im übrigen betrachte ich diese Frage als ausgesprochen gehässig und persönlich unfair.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708008000
Herr Abgeordneter die Geschäftsordnung gibt dem Herrn Abgeordneten Gansel die Möglichkeit, eine weitere Zwischenfrage zu stellen.

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID0708008100
Jedem anderen, aber nicht dem Herrn Abgeordneten Gansel.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Auf die Frage „Ist denn die Nation das Vaterland, dem wir unsere Kraft widmen", antwortet Dolf Sternberger:



Dr. Waigel
Das Vaterland ist die Republik, die wir schaffen. Das Vaterland ist die Verfassung, die wir lebendig machen. Das Vaterland ist die Freiheit, deren wir uns wehrhaft erfreuen, wenn wir sie selber fördern, nutzen und bewachen.
Ich glaube, das ist der Auftrag, den wir in dem Sinne
erfüllen müssen, wie es hier Sternberger gesagt hat.
Zum ungläubigen Staunen der ganzen Welt hat Stalin bei seinem letzten öffentlichen Auftritt im Oktober 1952 auf dem 19. Parteitag der KPdSU folgenden Satz gesagt:
Früher wurde die Bourgeoisie als das Haupt der Nation betrachtet, sie trat für die Rechte und die Unabhängigkeit der Nation ein, sie stellte sie über alles. Jetzt ist vom nationalen Prinzip nicht die Spur übriggeblieben.
Und er fährt fort:
Das Banner der nationalen Unabhängigkeit und der nationalen Souveränität ist über Bord geworfen. Ohne Zweifel werdet Ihr Vertreter der kommunistischen und demokratischen Parteien dieses Banner erheben und vorantragen müssen, wenn Ihr Patrioten Eures Landes sein, wenn Ihr die führende Kraft der Nation werden wollt. Es gibt sonst niemand, der es erheben könnte.
So liegen die Dinge gegenwärtig. Angesichts dieser Sätze, meine Damen und Herren, mutet das, was der frühere Juso-Vorsitzende Wolfgang Roth in Berlin gesagt hat, wie Hohn und Blasphemie an. Seine gleichzeitigen schamlosen Angriffe gegen die demokratische Opposition sind allerdings noch durch das übertroffen worden, was gestern durch den Zwischenruf des SPD-Abgeordneten Schäfer über das Verhältnis von CSU und NPD gesagt wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Darüber ist schon gesprochen worden. Als Vorsitzender der größten politischen Jugendorganisation in Bayern weise ich diesen Angriff auch als eine Beleidigung der Mehrheit der bayerischen Jungwähler entschieden zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es scheint dem Herrn Abgeordneten Schäfer entgangen zu sein, daß bei der Bundestagswahl 1972 über 50 °/o der bayrischen Jungwähler ihre Stimme der CSU gegeben haben. Ich bin gern bereit, ihm die diesbezüglichen Untersuchungen des Bayrischen Statistischen Landesamtes zukommen zu lassen, damit er das nachliest oder, um mit Herrn Wehner zu sprechen, nachlesen lassen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn der Herr Bundeskanzler — ich habe es heute früh in den Nachrichten gehört — die CDU/ CSU aufgefordert hat, sich nach rechts abzugrenzen,

(Abg. Glombig: Das fällt Ihnen sehr schwer, nicht wahr?)

dann kann ich nur sagen, er ist der Profiteur unserer permanenten Abgrenzung gegenüber der Rechtspartei, sonst säße er heute nicht auf diesem Stuhl.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Kollege Dr. Glotz hat in der „Deutschen Zeitung" vom 25. Januar 1974 seine Vermutung darüber, wie die Union des Verfassungstages gedenken wolle, wie folgt formuliert:
Am Schluß werden die Herren die Nationalhymne singen, natürlich die dritte Strophe.
Ich jedenfalls, meine Damen und Herren ziehe diese dritte Strophe des Deutschlandliedes der Internationale allemal noch vor.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube auch nicht, daß die Neuinterpretation des Volksliedes „Hoch auf dem roten Wagen" die notwendig integrative Wirkung ausübt.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Doch der Kollege Glotz kann aufatmen, denn der Westdeutsche Rundfunk hat die täglich gespielte deutsche Nationalhymne aus dem Programm gestrichen. Wir tun jedenfalls nicht gut daran, alle Symbole aus dem politisch-staatlichen Bereich zu streichen, während in der Erziehung in der DDR die Kontinuität der Geschichte eine überragende Rolle spielt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708008200
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708008300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich jetzt hier nicht an der bayrischen Restaufräumung oder an einer Briefmarkendebatte beteiligen.

(Abg. Seiters: Sie bagatellisieren doch schon wieder, Herr Mischnick!)

— Wir bagatellisieren gar nicht. Wir haben nur keine Lust, etwas hochzustilisieren und dazu Mittel zu benutzen, die eben untauglich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein kurzes Wort über die verschiedenen Zitierungen, Auslegungen und Meinungsäußerungen zu dem bitteren Schicksal von Solschenizyn sagen, die wir hier gehört haben. Heinrich Böll hat am Mittwoch abend — ich habe das zufällig im Fernsehen sehen können — zu den wartenden Jouralisten gesagt: Gebt ihm jetzt Ruhe. Ich habe Verständnis dafür. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir uns alle davor hüten würden, jetzt Solschenizyn zu parteitaktischen Zwecken zum Beweis oder Gegenbeweis für eigene Auffassungen hier zu mißbrauchen. Das wäre der Sache sehr angemessen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Reddemann.)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Waigel hat davon gesprochen, daß innerhalb der jungen Generation eine etwas skeptischere Haltung gegenüber radikalen Thesen vorhanden sei. Ich teile diese Meinung. Nur, Herr Kollege Dr. Waigel, worum geht es denn? Wir wollen uns doch gemeinsam be-



Mischnick
mühen zu erkennen — und das war ein Teilbeitrag dieser Debatte —, daß eine falsche Solidarisierung mit diesen radikalen Gruppen deshalb erfolgt, weil wir nicht zum rechten Zeitpunkt die notwendigen Reformen durchführen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Um diese Frage geht es doch.


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0708008400
Herr Abgeordneter Mischnick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg?

Graf Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg (CSU):
Rede ID: ID0708008500
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen entgangen, daß Solschenizyn, solange er noch in der Sowjetunion war, gerade dem Westen vorgeworfen hat, daß er zu sehr sich dem Schweigen hingebe und daß es die Aufgabe des Westens sei, zu reden und deutlich zu machen, wie es um die Dinge dort drüben bestellt ist, und daß es deswegen gerade das Falscheste wäre und ihm nicht gerecht würde, wenn wir nun anfingen, seine Deportierung dazu zu benutzen, ihn unter den Tisch fallen zu lassen und ihn dem Grab des Schweigens auszuliefern?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708008600
Ich bedauere sehr, Herr Kollege, daß Sie offensichtlich überhaupt nicht verstanden haben, was ich hier gesagt habe. Ich habe mich dagegen gewandt, daß sein Schicksal parteitaktisch verwendet wird. Daß wir in der Freiheit für die Freiheit immer einstehen und einstehen werden, das haben wir von der Koalition immer wieder bewiesen, zu jedem Zeitpunkt. Das brauchen Sie uns nicht vorzumachen hier.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier ist von dem Kollegen Dr. Waigel noch davon gesprochen worden, der Herr Bundeskanzler Brandt sei ein Profiteur der Rechtsabgrenzung der CDU/ CSU. Hoffentlich haben Sie sich das bis ins Letzte überlegt, was das, in Mandate übersetzt, bedeuten kann! Ich hoffe, Sie überlegen es sich noch einmal genau. Ich will es nicht so verstanden wissen, wie man es auch verstehen könnte, nachdem wir die Bundespräsidentenwahl erlebt haben.

(Zuruf des Abg. Stücklen.)

Der Herr Kollege von Weizsäcker hat hier in seinem Referat eine Darlegung seines Verfassungsverständnisses gebracht, das nach meiner Überzeugung — ich teile nicht alle Auffassungen, die er vorgetragen hat — in vielen Passagen eine bessere Grundlage für eine offene Diskussion über Verfassungsprobleme gegeben hätte als das, was Herr Kollege Dregger sagte. Allerdings schienen mir viele Passagen des Kollegen von Weizsäcker eher in die Richtung seiner eigenen Freunde gesprochen zu sein als etwa an die Koalitionsparteien.

(Abg. Dr. Dregger: Werden Sie doch mal konkret, Herr Mischnick!)

— Das waren schon eine ganze Reihe konkrete
Punkte. Wenn Sie z. B. das nicht als konkret angesehen haben, welche Gefahren in den Äußerungen von Waigel lagen, dann tut es mir herzlich leid. Dann haben Sie bis heute noch nicht begriffen, in welcher Gefahr Sie 1969 standen, mit den Stimmen der NPD einen Bundespräsidenten zu wählen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn Sie das nicht begreifen, dann tut es mir leid.

(Abg. Dr. Dregger: Mehr haben Sie nicht? — Abg. Gerster [Mainz] : Sehr dünn! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Der Herr Kollege Carstens hat davon gesprochen, daß wir, die Koalition, hier anders als im Lande draußen redeten.

(V o r sitz : Präsident Frau Renger.)

Meine Damen und Herren, wenn ich an das denke, was Sie hier über die Solidarität der demokratischen Parteien sagten, und daran, wie Sie dann draußen gegenüber den Koalitionsfraktionen Stellung nehmen, dann muß ich leider feststellen: wenn schon, dann ist das leider eine beiderseitige Krankheit, die wir uns sehr schnell abgewöhnen sollten. Hier in diesem Hause haben Sie bestätigt, daß wir offensichtlich in entscheidenden Fragen von der gleichen Grundauffassung ausgehen. Im Lande draußen müssen wir von Ihren Kollegen hören, daß das eben nicht der Fall sei.

(Abg. Dr. Dregger: Das Reden genügt nicht, wir müssen auch so handeln, Herr Kollege!)

Das ist doch die Unterschiedlichkeit der Diskussion hier und draußen, wie sie leider draußen von Ihren Kollegen immer wieder praktiziert wird. Sie selbst sprachen ja davon, daß Sie sich als einzige politische Partei, politische Kraft empfinden, die treu zur Verfassung steht und sie verteidigt. Das ist eben genau die Unterstellung, die wir zurückweisen müssen.

(Zustimmung bei der FDP. — Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Dregger: Werden Sie doch mal konkret!)

Dann reden Sie wieder vom falschen Zitat. Wenn Sie hier eingeschränkt haben, hier, entgegen Ihrer Erklärung in der Öffentlichkeit von „geschlossen" sprachen,

(Abg. Dr. Dregger: Punkte 1 bis 10!)

wenn Sie dabei immer wieder die Freien Demokraten so als die im Schlepptau Befindlichen der furchtbar bösen Sozialdemokraten dargestellt haben, so kann ich mich nur dem anschließen, was der Herr Bundeskanzler heute über Ihre Entscheidung von 1966, die Große Koalition zu bilden, gesagt hat.
Eines fiel mir auf: Sie sprachen heute, als Sie versuchten, Ihr Demokratieverständnis über Wahlen an den Vorschlägen deutlich zu machen, die in der Koalition für die Mitbestimmung in der Diskussion sind, davon, daß dieses Wahlrecht Manipulation sei.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Dann können Sie doch wohl nur das Montanmitbestimmungsmodell von 1952 gemeint haben, wo niemand wählt, sondern der Betriebsrat bestimmt. Das



Mischnick
würde ich dann allerdings eher als Manipulation betrachten als das Wahlmännergremium, das wir hier vorgesehen haben.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708008700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708008800
Bitte.

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0708008900
Herr Mischnick, könnten Sie mir einmal erklären, wie die FDP es miteinander vereinbart, auf der einen Seite im weiten Land herumzulaufen und die Urwahl von Bürgermeistern z. B. auch in Großstädten zu fordern und auf der anderen Seite ein Modell mitzumachen, wo noch nicht einmal innerhalb eines Betriebes den Arbeitnehmern die Möglichkeit zugestanden wird, unmittelbar die Betriebsratsmitglieder zu wählen? Könnten Sie mir dieses widersprüchliche Verhalten einmal klarmachen?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708009000
Daß ausgerechnet von Ihrer Seite diese Frage kommt, verwundert mich um so mehr, als beispielsweise Ihr Kollege Kohl in Rheinland-Pfalz nicht einmal bereit ist, für die kleinen Gemeinden die Urwahl für den Bürgermeister einzuführen. Sie haben den geringsten Grund, sich darüber zu beschweren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine Antwort! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Sie haben davon gesprochen, daß diese Frage des Wahlmännergremiums — —

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach]: Das ist ja so billig! — Anhaltende Zurufe der CDU/CSU.)

— Also, je lauter Sie schreien, um so länger müssen Sie warten, bis die Antwort kommt. — Sie haben sich hier darüber aufgeregt und haben Kritik daran geübt, daß bei einem Wahlmännergremium praktisch eine Manipulationsgefahr bestehe, und haben das in die Nähe anderer Überlegungen gestellt. Herr Kollege Carstens, Sie können ganz beruhigt sein. Wir werden bei der Debatte über die Mitbestimmung, über die einzelnen Bestimmungen der Mitbestimmung zu den einzelnen Positionen unsere Gründe natürlich im Detail darlegen. Eines aber dürfte doch wohl auch Ihnen klar sein: Man kann nicht auf der einen Seite bei einem direkt gewählten Gremium, das eine weitere Wahl vornehmen soll, wenn es beispielsweise bei der Mitbestimmung zur Diskussion steht, von vornherein von Manipulation sprechen, aber beispielsweise die Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, als eine verfassungsmäßige Institution bezeichnen. Hier ist doch eine Diskrepanz in der Art der Diskussion, wie Sie sie führen.

(Abg. Dr. Dregger: Wo bleibt die Unmittelbarkeit der Wahl?)

Ich kann das nicht auf der einen Seite für richtig
halten und es, wenn es in einem anderen Bereich
zur Diskussion gestellt wird, von vornherein als
Manipulation bezeichnen. Hier haben Sie sich in der Diskussion doch einfach vergriffen.

(Abg. Dr. Dregger: Wo bleiben die leitenden Angestellten?)

— Ach, Herr Kollege Dregger, Sie hätten leitende Angestellte in Ihrem Modell mit Sicherheit nie gehabt, wenn wir das nicht 1971 auf unserem Parteitag als eine Grundsatzforderung beschlossen hätten. Sie sind erst viel später auf diese Idee gekommen als wir Freien Demokraten.

(Abg. Dr. Dregger: 5" u!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708009100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708009200
Aber natürlich, Herr Franke.

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0708009300
Herr Kollege Mischnick, warum haben Sie dann 1971 bei der Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes unserem § 18 und der Einsetzung von Sprecherausschüssen für die leitenden Angestellten nicht zugestimmt?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708009400
Einfach deshalb — das wissen Sie doch ganz genau, und deshalb brauchen wir doch jetzt keine Mitbestimmungs- oder Betriebsverfassungsgesetzdebatte zu führen —, weil die genaue Abgrenzung dieses Begriffes noch mitten in der Diskussion ist. Wir werden darüber bei der Mitbestimmungsdiskussion miteinander zu reden haben. Vielleicht liegt uns dann — was Ihnen als Fachmann ja bekannt ist — das Urteil, das am 5. März ergehen soll, vor, so daß wir das mit verwenden können. Daraus können sich für die Zukunft weitere Konsequenzen ergeben. Für die sind wir immer offen. Nur haben wir nie den Fehler gemacht, zu sagen: Ich muß an einer bestimmten Stelle — das gilt für diesen Spezialfall wie für die gesamte Verfassungsdebatte — etwas festschreiben, wo die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Das unterscheidet uns eben. Sie meinen immer, alles festschreiben zu müssen. Wir sind offen für weitere Entwicklungen in unserer Gesellschaft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eiertanz!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708009500
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708009600
Aber die letzte; dann wollen wir mit diesem Dialog aufhören.

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0708009700
Herr Mischnick, sind Sie sich darüber im klaren, daß dieses Bundesarbeitsgerichtsurteil überflüssig gewesen wäre, wenn wir in § 5 des Betriebsverfassungsgesetzes etwas deutlicher definiert hätten?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708009800
Aber, Herr Kollege Franke, damit huldigen Sie doch dem Irrglauben, daß es je-



Mischnick
mals möglich sein wird, durch eine Gesetzesbestimmung auszuschließen,

(Abg. Gerster [Mainz] : Der hat keine Ahnung!)

daß der oder jener noch versuchen wird, über einen Gerichtsentscheid klarzustellen, ob alles erfaßt ist, was man selbst darin sehen will. Das werden Sie nie schaffen, daß Sie das von vornherein ausschalten.

(Beifall bei der FDP.)

Nun aber zurück zu den anderen Punkten, die hier von Herrn Carstens noch angesprochen worden sind und zu denen ich kurz Stellung nehmen werde.
Herr Kollege Carstens, Sie haben davon gesprochen, daß wir hier keine klare Antwort gegeben hätten, wie wir es mit den Gegnern der Verfassung im öffentlichen Dienst, im Staatsdienst, halten. Herr Kollege Carstens, Sie wissen doch genausogut wie alle anderen in diesem Hause, daß zu dieser Stunde — oder vielleicht eine Stunde später; ich will mich nicht genau auf die Minute festlegen das Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten über den Gesetzentwurf stattfindet.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Reichlich spät!)

Wenn wir zugesagt haben — das unterscheidet uns vielleicht , nicht vorher im Detail hier darüber zu sprechen, dann halten wir es auch durch. Ich bedauere sehr, daß die von Ihnen und Ihren Freunden beschworene Solidarität, in diesen Fragen gemeinsam zu handeln, von Ihren beiden Ministerpräsidenten durchbrochen worden ist, nur aus dem Opportunitätsgrund heraus, für diese Debatte irgend etwas auf den Tisch zu legen, ohne Rücksicht darauf, ob das dann auch für die gesamte Bundesrepublik Deutschland gut und richtig ist. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie sprachen auch davon, daß in der Frage des imperativen Mandats keine volle Klarheit geschaffen worden sei.

(Abg. Dr. Dregger: Die Partei befiehlt dem Staat! Wollen wir doch deutsch reden!)

Herr Kollege Carstens, hier ist in aller Deutlichkeit von meinen Kollegen — dem Kollegen Dr. Hirsch, dem Kollegen Groß und dem Kollegen Maihofer — zu diesen Grundsatzfragen Stellung genommen worden. Wir lehnen das imperative Mandat ab.

(Abg. Dr. Dregger: Bravo!)

Wir haben es abgelehnt, wir werden es ablehnen. Wir meinen allerdings damit nicht nur das direkte imperative Mandat, sondern auch das indirekte imperative Mandat,

(Zustimmung bei den Regierungsparteien)

was sich beispielsweise in diesem Hause bei der
Diskussion um den § 218 sehr deutlich zeigen wird.
In beiden Fällen lehnen wir das imperative Mandat ab.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Dregger: Was ist das? — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Was meinen Sie? — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Haben Sie nicht gehört, was Herr von Oertzen dazu gesagt hat?)

— Wenn Sie das nicht verstehen, Herr Kollege Dregger, dann muß ich sagen, daß Sie die letzten drei Jahre, die letzte Legislaturperiode offensichtlich nicht voll miterlebt haben. Ich habe ja Verständnis dafür, daß nicht jede Nuance von damals in Ihrer Erinnerung ist.

(Abg. Dr. Dregger: Das ist bei Ihnen schwierig!)

Aber es ist doch sehr deutlich geworden, daß neben dem, was Sie als imperatives Mandat mit Recht ablehnen, was auch wir ablehnen, nicht die gleiche Härte der Auseinandersetzung und der Ablehnung kommt, wenn es um das indirekte imperative Mandat geht,

(Abg. Dr. Dregger: Was ist das denn?)

wenn es Kollegen gibt, die möglicherweise mit ihrer eigenen Meinung anders stehen, als das von bestimmten Institutionen ihnen gegenüber für richtig gehalten wird.

(Abg. Dr. Dregger: Welche denn?)

Daß es da Schwierigkeiten gibt, das werden wir bei dieser Debatte noch erleben. Die Diskussionen in diesem Hause haben das gezeigt.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Konkret werden! Wen meinen Sie? — Abg. Gerster [Mainz]: Dunkel ist der Rede Sinn! — Abg. Seiters: Was meinen Sie denn? Nennen Sie doch mal eine! — Abg. van Delden: Der hat Angst, daß er indirekt auch eine reinkriegt! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Sie haben hier manchmal versucht, einen Teil der Koalition und ihre Absichten zu verketzern, sie seien nicht in allen Auffassungen ganz verfassungskonform.

(Abg. Dr. Dregger: Was meinen Sie denn vom Juso-Kongreß?)

Das ist etwa die gleiche Masche, die man lange Zeit draußen versucht hat mit der Behauptung, diese Koalition mache eine sozialistische Politik, und sie habe sich außenpolitisch an kommunistische Ideen verkauft. So wird das doch draußen dargestellt. Offensichtlich zieht das jetzt nicht mehr so ganz. Nun versucht man, hier einen neuen Popanz aufzubauen,

(Abg. Dr. Dregger: Einen Popanz?)

daß nämlich diese Koalition nicht verfassungstreu sei, sich nicht verfassungsgemäß verhalte. Vielleicht verspricht man sich einen Erfolg davon. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren: Sie müssen sich doch darüber im klaren sein, daß es das Schlechteste für unsere Verfassung wäre, wenn mit dieser Unterstellung die Bereitschaft, zu dieser Verfassung draußen zu stehen, bei den Kräften in Frage gestellt



Mischnick
wird, die bereit sind, mit uns die Verfassung gegen wirkliche Verfassungsfeinde zu verteidigen. Wenn man diese Trennung vornimmt, wird die Solidarität in Frage gestellt, aber nicht dadurch, daß man in der einen oder anderen Frage zu unterschiedlichen Beurteilungen kommt.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wir haben in dieser Debatte mehrfach über Art. 14 und 15 diskutiert. Es gab dazu die unterschiedlichsten Meinungen, zu meiner Überraschung allerdings bei prominentesten Ländervertretern auch sehr viel Sachunkenntnis. Ich möchte hier ganz deutlich sagen: Wir Freien Demokraten sind gegen die Verstaatlichung der Banken.

(Abg. Dr. Dregger: Sehr gut!)

Auch wenn das Grundgesetz in der Fassung von Art. 14 und 15, wie manche meinen, eine solche Möglichkeit böte, sind wir anderer Meinung, sind wir dagegen. Wenn man daraus aber einen Verfassungskonflikt machen will, ist das ein Punkt, in dem wir uns voneinander unterscheiden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Dregger: Das haben wir nicht getan! Das steht in unseren zehn Punkten nicht drin!)

Ich habe von Herrn Kollegen Ehmke hier gehört, daß er der Meinung ist, daß seine Freunde der Meinung sind, Demokratie könne sich nur im Sozialismus verwirklichen. Nun, das ist ihre Auffassung. Ich halte diese Aussage für eine Zielaussage der Sozialdemokratischen Partei. Ich bin anderer Meinung. Ich bin der Meinung, daß die Verwirklichung der Demokratie unter verschiedenen Gesichtspunkten möglich ist, nicht nur auf Grund von sozialistischen oder sozialdemokratischen Vorstellungen und auch nicht nur auf Grund von christlich-demokratischen oder liberalen Vorstellungen.

(Abg. Dr. Dregger: Das ist gut!)

Aber gemeinsam sollten wir uns doch darin einig sein, daß unser Grundgesetz einen liberalen Rechtsstaat will,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU/CSU)

zu dem wir stehen, der Meinungsfreiheit allen Seiten
garantiert, und nicht nur dann, wenn es einem paßt.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Sehr gut! — Abg. Dr. Dregger: So ist es!)

Herr Kollege Vogel hat davon gesprochen, daß inzwischen gewisse Änderungen oder ein gewisser Wandel im Grundrechtsverständnis eingetreten seien. Das mag, gemessen an der Situation vor zehn, zwanzig Jahren, richtig sein. Aber ich würde damit doch nicht die Meinung verbinden — wenn das nicht geschieht, bin ich um so froher —, eine Veränderung, ein Wandel des Grundrechtsverständnisses müsse von vornherein etwas Falsches, etwas Schlechtes sein. Ich hoffe, wir sind uns darin einig, daß dies nicht so ist. Es geht doch immer nur darum, daß man sich bei der Wahrung unserer Grundrechte an das, was sich in unserem Leben weiterentwickelt, auch in seinem Verständnis anpaßt, ohne dabei die Grundformen dieser Grundrechte in irgendeiner Weise in Frage zu stellen. Wenn wir uns darüber verständigen können, ist schon eine Basis gefunden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708009900
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0708010000
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen vielleicht entgangen, daß ich nicht etwa die Auffassung auch nur anzudeuten versucht habe, wir sollten das bisherige Verständnis der Grundrechte in ihrem Kern aufgeben, sondern daß ich vor, sagen wir einmal, nicht mehr nur theoretischen Interpretationen dieser Grundrechte gewarnt habe, die in ihrer Tendenz — ich glaube, darüber müssen wir reden — dazu führen können, daß das liberale Grundrechtsverständnis verschüttet wird?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708010100
Herr Kollege Vogel, ich wollte Ihnen überhaupt nicht unterstellen, daß Sie von diesen Grundrechten abweichen wollen. Ganz im Gegenteil! Nur wollte ich auch davor warnen, diese Grundrechte als statische Buchstaben zu betrachten. Sie müssen vielmehr immer in der Gesamtentwicklung, projiziert auf neue Entwicklungen, die wir beobachten, betrachtet werden.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Wer leugnet das denn? Das ist doch selbstverständlich!)

Davon gehe ich aus, von nichts anderem.

(Abg. van Delden: Lesen Sie die Rede von Carstens durch!)

— Sie sagen, das sei selbstverständlich. Wenn das selbstverständlich wäre,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Lesen Sie die Reden von Herrn Carstens und von Herrn Dregger nach!)

dann ist es für mich um so unbegreiflicher, wieso
manche Positionen innerhalb der Diskussion zwischen Koalition und Opposition so umstritten sind.
Ich will jetzt nicht mehr in die Tiefe gehen. Ich erinnere nur an zwei Probleme, die hier kaum angesprochen worden sind; ich glaube, nur einmal vom Kollegen Hirsch. Ich denke z. B. an Art. 29 des Grundgesetzes, an die Neugliederung, die aufs engste mit dem Funktionieren unseres Föderalismus zusammenhängt, und ich denke an Art. 72, an die Gleichheit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und an Ihren Widerstand beispielsweise bei Verfassungsänderungen bezüglich der Wassergesetzgebung. An diesen beiden Beispielen wird mir deutlich, daß zwar Sie eine Verfassungsdebatte, soweit sie in der Öffentlichkeit propagandistisch auswertbar ist, führen wollen, daß Sie aber dann, wenn es um die praktische Verwirklichung entscheidender Punkte geht, in denen Sie selbst keine feste Meinung haben oder von Ihrer ursprünglichen Meinung heute nichts mehr wissen wollen, vor diesen Fragen zurückzucken. Dies unterscheidet uns eben. Wir sehen in einer Verfassungsdebatte die gesamte Verfassung aufgerufen — nicht um sie zu verändern, sondern um die Ver-



Mischnick
wirklichung voranzutreiben, und zwar auch in den Punkten, bei denen es Ihnen offensichtlich nicht paßt, wenn man sie hier zur Diskussion stellt.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das ist doch eine monumentale Binsenwahrheit!)

— Wenn Sie sagen, das sei eine Binsenwahrheit,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Eine monumentale Binsenwahrheit!)

dann wundere ich mich, weshalb Sie sich bis zur Stunde gegen die Verfassungsänderung im Hinblick auf das Wasserrecht wehren, obwohl dieser Punkt im CDU-Programm steht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie sprechen hier von Binsenwahrheit. Ich kann dazu nur mit Bedauern feststellen, daß Sie eben nicht einmal Binsenwahrheiten in die Tat umsetzen. Das ist bedauerlich für die CDU/CSU.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Im Konkreten muß man streiten können!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708010200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ey?

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0708010300
Herr Kollege Mischnick, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß im Zusammenhang mit der Frage der Verbesserung und Verwirklichung des Wasserrechts zunächst zu klären ist, wie man die Dinge technisch und fachlich verwirklichen kann, und daß sich erst dann, also in zweiter Linie die Frage einer eventuell notwendigen Verfassungsänderung stellt?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0708010400
Aber lieber Herr Kollege, daß man vor der Entscheidung darüber im Detail über technische Dinge, über Voraussetzungen diskutiert haben muß, bestreitet doch kein Mensch. Hier geht es doch aber um folgendes. Sie versuchen immer, jene Punkte der Verfassung, die in Ihre eigene Politik hineinpassen, herauszunehmen. Wenn ein Punkt nicht in Ihre Politik hineinpaßt, tun Sie so, als handle es sich um eine technische Frage, als gehöre das nicht zur Politik. Solche Fragen gehören aber genauso zur Politik wie die Fragen, die Sie immer gern behandelt wissen wollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Natürlich gehört das dazu! Aber das ist doch keine Grundsatzfrage! — Abg. Dr. Dregger: Uns geht es um die Grundnormen der Verfassung, Ihnen ums Wasser!)

Lassen Sie mich zum Abschluß noch eine kurze Bemerkung zu der Frage machen, die eine, wie ich meine, vielleicht zu geringe Rolle in der Diskussion gespielt hat. Ich meine, wir müssen im Zusammenhang mit der Bekämpfung negativer Erscheinungen an unseren Universitäten und Schulen auch prüfen, inwieweit hier Art. 72 des Grundgesetzes nicht die Einheitlichkeit der Gesetzgebung für den ganzen Bund von Bedeutung ist. Es gab große Einigkeit im Klagen und Beklagen hinsichtlich dessen, was in
diesem Bereich geschieht. Kaum ist der Entwurf des Hochschulrahmengesetzes der Bundesregierung in der Diskussion, in dem wir nur — nach meiner Meinung: in zu bescheidenem Maße — versuchen, die Möglichkeiten, die wir haben, auszuschöpfen, schon kommt es zum Widerstand aus den Reihen der CDU,/ CSU-regierten Länder. Das ginge zu weit. Sie sollten sich nicht darauf beschränken, bestimmte Dinge, die wir übrigens gemeinsam beklagen, zu beklagen, sondern auch bereit sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß ein gemeinsames, übereinstimmendes Handeln im ganzen Bundesgebiet ermöglicht wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Erst dann wird sich erweisen, ob Ihre Klagen nur Klagen sind oder ob Sie auch zur Tat bereit sind.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß feststellen: Wenn ich mir so manche Äußerungen und vor allen Dingen manche sehr wenig qualifizierten Zwischenrufe — wir sitzen ja an einer Stelle im Saal, wo wir mit solchen Zwischenrufen besonders gut bedient werden — vor Augen führe, scheint mir für viele Demokratie nur eine Gebrauchsanweisung, aber keine Lebensform zu sein. Anwendung und Ausfüllung unserer Verfassung in der Weise, daß die Demokratie von uns in allen Fällen als Lebensform gelebt wird und nicht nur eine Gebrauchsanweisung darstellt — dies sollte unsere gemeinsame Aufgabe sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708010500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Klein (Göttingen).

Prof. Dr. Hans Hugo Klein (CDU):
Rede ID: ID0708010600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte einleitend drei Bemerkungen machen.
Erstens. Sowohl in der publizistischen Vorbereitung der Debatte als auch während der Debatte ist mehrfach kritisch darauf hingewiesen worden, daß wir diese ursprünglich für den Reichsgründungstag, den 18. Januar, geplant hätten. Dies war nicht unmittelbar unsere Absicht, sondern wir wollten die erste Sitzungswoche dieses 25. Jahres des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland mit dieser Debatte beginnen. Abgesehen davon stellt sich aber doch die Frage, woher eigentlich das Unbehagen am 18. Januar bei der Regierungskoalition kommen könnte.

(Abg. Dr. Dregger: Sehr richtig!)

Kommt es vielleicht daher, daß dieser Tag der Gründungstag eines Deutschen Reiches ist, das nicht an der Elbe endete?

(Beifall bei. der CDU/CSU. — Abg. Dr. Dregger: Ja, sehr interessant!)

Zweitens. Herr Bundesminister Ehmke hat heute morgen vom zynischen Umgang mit der Macht und mit Mandaten gesprochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ausgerechnet der!)

Wie nennen Sie es denn, meine Damen und Herren
von der Koalition, insbesondere von der SPD, wenn

Dr. Klein (Göttingen)

Herr Bahr hier erklärt, vor der Bundestagswahl 1969 seien die Verhältnisse nicht so gewesen, daß es möglich gewesen wäre, dem Volk die Wahrheit zu sagen?

(Beifall bei der CDU/CSU. - Abg. Dr. Dregger: Sehr gut! Sehr wahr!)

Ist es denn Zynismus oder ist es Prinzipientreue, wenn Abgeordnete nach der Wahl bei der Wahrheit bleiben, die vor der Wahl gegolten hat?

(Beifall bei der CDU/CSU: — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr gut!)

Drittens. Meine Damen und Herren, ich habe mich einigermaßen darüber gewundert, daß hier immer wieder das Argument vorgetragen worden ist, wir mißbrauchten das Grundgesetz als parteipolitische Waffe.

(Abg. Dr. Dregger: Unverschämtheit!)

Natürlich sind wir uns darüber einig, daß das Grundgesetz nicht zur kleinen Münze werden darf, die im parteipolitischen Gezänk täglich ausgegeben wird. Aber ist es denn nicht legitim, das politische Handeln auch dieser Regierung und der diese Regierung tragenden Parteien an den Maßstäben des Grundgesetzes zu messen? Und ist es denn nicht ein Zeichen zynischen Umgangs mit der Macht, daß gewisse Tendenzen vorhanden sind, sich diesem Maßstab zunehmend zu entziehen?

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn]: Sehr richtig!)

Nun, meine Damen und Herren, zu einem anderen Problemkreis. Herr von Oertzen hat sich gestern auf sein Referat vor dem Unterbezirksparteitag der SPD in Frankfurt bezogen und daraus eine zweifellos auch unseren Beifall verdienende Passage zitiert. Leider gibt es in diesem Referat auch eine ganze Reihe anderer Formulierungen, die die Doppelstrategie von schönen Worten und Lippenbekenntnissen einerseits und davon abweichendem kritischem Handeln andererseits bestürzend deutlich machen. Lassen Sie mich an die Formulierungen dieses Referats, die, wie ich meine, unseren Anstoß erregen müssen, einige kritische Fragen knüpfen.
Erstens. Was meint Herr von Oertzen, wenn er sagt, daß sich das sozialistische Ziel einer Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verwirklichenden neuen Gesellschaftsordnung nur durch vollständige — ich betone: vollständige — Selbstverwaltung und Selbstregierung der Gesellschaft erreichen lasse? Wird hier nicht die Rolle des Staates geleugnet, dessen Stärke der Bundeskanzler soeben noch gefordert hat, des Staates, der doch aus der historischen Erfahrung erwachsen ist, daß in einer sich selbst überlassenen Gesellschaft unweigerlich der Starke über den Schwachen triumphiert und das Prinzip der gleichen Freiheit für alle Chimäre bleibt?
Zweitens. Gesellschaftliche Demokratisierung, so schreibt Herr von Oertzen, heißt Teilnahme möglichst vieler Bürger an der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse. Wer wollte das nicht! Aber übersieht die undifferenziert — ich betone: undifferenziert — vorgetragene Demokratisierungsforderung nicht, daß sie nicht etwa notwendig immer zusätzliche Freiheitsräume schafft, sondern Gefahr läuft, verbliebene individuelle Freiheitsräume zu kollektivieren und damit zur Disposition aktivistischer Minderheiten zu stellen?

(Zuruf des Abg. Schulte [Unna].)

Die Universitäten liefern dafür, Herr Kollege Schulte, doch sprechende Beispiele.
Drittens. Was meint Herr von Oertzen, wenn er vor der falschen Alternative von Revolution im Sinne des gewaltsamen Umsturzes und Evolution bzw. Reform warnt und darauf hinweist, daß die Epoche sozialer Revolution auch oder sogar überwiegend lange Phasen der Evolution umfassen kann? Was folgt nach seiner Meinung, wenn diese Phasen der „friedlichen, legalen Reform" abgeschlossen sind, und was liegt für ihn zwischen jener nach seiner Ansicht Verwirrung stiftenden Alternative von Revolution und Evolution?
Viertens. Wie haben wir es zu verstehen, wenn Herr von Oertzen mit unverkennbar drohendem Unterton erklärt, Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung würden auch den gewaltsamen Kampf nicht scheuen, sollten reaktionäre Kräfte in der Bundesrepublik jemals den Boden der Demokratie und des Rechtsstaats verlassen? Wie haben wir das zu verstehen auf dem Hintergrund seiner Behauptung, die Union sei aus der Gemeinschaft der Demokraten ausgebrochen, und auf dem Hintergrund von in gewissen Kreisen ja immer wieder genährten Putschgerüchten von reaktionären, revanchistischen und ähnlichen Kreisen, wie sie beispielsweise ja auch in der Bundeswehr zu suchen sein sollen?
Fünftens. Als den zentralen systematischen Einwand gegen die kapitalistische, sprich: marktwirtschaftliche Produktionsweise benennt Herr von Oertzen in diesem Referat den Umstand, daß in der Marktwirtschaft die Produktivkräfte nicht entsprechend den realen menschlichen Bedürfnissen, sondern nach den Gesetzen der Kapitalverwertung mit dem Ziel der Profitmaximierung entwickelt werden. Als Therapie empfiehlt Herr von Oertzen, gemeinsam mit Johann Strasser, die demokratische Entscheidung über Investitionen, Organisation der Arbeitsprozesse und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen. Aber welche Erfahrung eigentlich
sofern Ideologen auf Erfahrungen reagieren können - berechtigt zu der Annahme, eine staatliche Planungsinstanz, welcher Art auch immer, vermöchte besser als die Nachfrager am Markt zu entscheiden, welches ihre realen Bedürfnisse sind?
Siebtens. Wie haben wir es schließlich zu verstehen, wenn Herr von Oertzen der sozialistischen Bewegung — nebenbei: ich meine, demokratische Parteien sind keine Bewegungen das Ziel weist, den Staat nicht bloß zu bekämpfen, sondern ihn zu erobern? Wie haben wir dieses „sowohl - als auch" zu verstehen? Was gedenkt Herr von Oertzen mit dem Eroberten zu tun, das er bekämpfen will, und wie vereinbart er das demokratische Prinzip mit der Erfahrungstatsache, daß man doch eroberte Festungen nicht mehr freiwillig zu räumen pflegt?
Von ganz besonderem Interesse ist es aber, daß Herr von Oertzen in dem erwähnten Referat darauf



Dr. Klein (Göttingen)

hinweist, in einem Aufsatz, der kürzlich in der Zeitschrift „Kritische Justiz" erschienen ist, seien differenzierter und ausführlicher, als er es gekonnt habe, seine eigenen Thesen untermauert worden, und dieser Aufsatz enthalte wertvolle Anregungen. Es handelt sich um einen Aufsatz des italienischen Sozialisten Lelio Basso. Lelio Basso macht dort auf Möglichkeiten legaler Ausnutzung der im bürgerlichen Staat vorhandenen Chancen zur Vorbereitung der sozialistischen Machtergreifung aufmerksam.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Hört! Hört!)

Unter anderem meint er — ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin —:
Es geht um das, was wir die stillschweigende Veränderung der Rechtsordnung nennen, die auf der Veränderung der Wortbedeutungen beruht.
Als Beispiel dafür nennt er auch den Begriff der Demokratie. Und das ist doch genau die Beobachtung, die wir machen, und die Befürchtung, die wir hegen, daß wir zwar mit den gleichen Worten reden, aber Verschiedenes damit meinen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Rechtsstaat, Demokratie, Sozialstaat, Freiheit alles das sind zentrale Begriffe unserer verfassungsmäßigen Ordnung, die wir gemeinsam, aber vielfach leider nicht mehr im gleichen Sinne, gebrauchen.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das ist Friedenspolitik!)

Die Verfassung ist gewiß in erster Linie eine Summe von Regeln für ein geordnetes Verfahren der politischen Willensbildung. Aber darüber hinaus ist in ihr auch eine Festschreibung bestimmter Inhalte und Werte enthalten, die nicht beliebig veränderbar sind.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : So ist es! Sehr gut!)

Es ist nicht möglich, auf legalem Wege — ich gebrauche hier einmal Worte Salvador Allendes — eine bürgerliche Demokratie in eine authentische sozialistische Demokratie zu verwandeln,

(Abg. Dr. Dregger: Sehr richtig! — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Der wußte das noch!)

indem man den Inhalt der Verfassungsbegriffe austauscht.
Mich erinnert das an Max Adler, einen marxistischen Staatstheoretiker der 20er Jahre, der einmal schrieb — ich zitiere noch einmal mit Erlaubnis der Frau Präsidentin - :
So ergibt sich also, daß die Gleichheitskomponente der Demokratie durchaus nicht im Widerspruch zu ihrer Freiheitskomponente stehen muß, wenn nur erst sowohl die Freiheit wie die Gleichheit aus der Sphäre des Liberalismus, d. h. aus der individualistischen Auffassung herausgehoben und in die ihnen eigene Sphäre der Vergesellschaftung des menschlichen Daseins eingestellt sind, deren politischer Ausdruck die soziale Demokratie ist.
Das ist es, was nicht geht: liberale Begriffe mit sozialistischem Inhalt zu erfüllen. Das liegt außerhalb der Legalität.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber das ist es auch, was Herr von Oertzen als „wertvolle Anregung" bezeichnet.

(Abg. Frau Dr. Timm: Das ist ja unglaublich! — Abg. Wehner: Gar nicht! Das ist dumm!)

— Das habe ich gelesen; Sie könne es nachlesen, Frau Kollegin.
Nun noch einige Bemerkungen zur Begründung der Ziffer 7 unseres Entschließungsantrags.
Macht kann nur durch Gegenmacht kontrolliert und gebändigt werden. Wer die freiheitliche Demokratie in ihrem Wesen recht versteht, wird das Spannungsverhältnis von Macht und Gegenmacht als fruchtbar und nicht als störend empfinden. Zu allen zur Kontrolle dieser Regierungsmacht aufgerufenen Gegenmächten — ob es sich nun um die Presse, um die Opposition, um das Bundesverfassungsgericht oder um den Bundesrechnungshof handelt — unterhält die SPD ein problematisches Verhältnis.
Da wir gerade vom Bundesverfassungsgericht reden, Herr Kollege Schäfer, darf ich auf eine Berner-kung zurückkommen, die Sie gestern in Erwiderung auf die Erinnerung von Herrn Kollegen Dregger an jene bekannte Verbalinjurie gemacht haben, mit der das Bundesverfassungsgericht bedacht worden ist; „bedacht worden ist" sage ich. Sie haben Bezug genommen auf die Erklärung des Bundesminister der Justiz und des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juli 1973. Sie haben gesagt, darin stehe, diese Erklärung gebe es nicht bzw. habe es nicht gegeben.
Ich habe diese Erklärung im Wortlaut vor mir liegen. Ich bin gern bereit, sie auch vorzulesen, erspare mir das aber im Hinblick auf die Zeit.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Lesen Sie doch den letzten Absatz einmal vor!)

— Der letzte Absatz lautet:
Die am Gespräch beteiligten Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts betrachten die Angelegenheit damit als für das Gericht erledigt.

(Abg. Dr. Dregger: Aha! — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Lesen Sie doch einmal, was davor steht!)

Der vorhergehende Absatz lautet:
Die Gesprächsteilnehmer bedauerten, daß auf Grund von Presseveröffentlichungen der Eindruck entstehen konnte, daß die Beziehungen zwischen beiden Verfassungsorganen nicht von dem Respekt bestimmt seien, der für das Funktionieren des Rechtsstaates unerläßlich ist. Sie sehen gegenseitige Loyalität als selbstverständlich an.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Na also!)




Dr. Klein (Göttingen)

— Soll ich noch einen Absatz davor verlesen, Herr Kollege Schäfer? Vielleicht finden wir dann doch noch die von Ihnen zitierte Formulierung. Wir finden sie nicht, und deshalb muß ich leider sagen, daß Sie in diesem Punkt — natürlich ganz unabsichtlich! — das Parlament nicht wahrheitsgemäß informiert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Und was sagen Sie zu dem, was der Herr Carstens geschrieben hat?)

— Welche Formulierung meinen Sie? Herr Carstens schreibt ja viel.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Ach, das wissen Sie nicht mehr? Ich habe gestern vorgetragen, was er sagte, und ich habe das hier zum gleichen Punkt vorgelesen! Aber das haben Sie nicht nachgelesen! — Zuruf von der CDU/CSU: Schwätzer!)

Sie meinen die Geschichte über die Zeitwahl der Bundesverfassungsrichter?

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Nein, über das Schielen auf die Wiederwahl!)

— Ich freue mich, daß Sie mich darauf ansprechen; das gibt mir Gelegenheit, dazu etwas zu sagen.

(Abg Dr. Mertes [Gerolstein] : Sehr gut!)

Herr Kollege Schäfer, vielleicht erinnern Sie sich, daß das Bundesverfassungsgerichtsgesetz — soweit ich es weiß; ich war damals noch nicht Mitglied des
I Hauses — einstimmig geändert worden ist mit dem Ergebnis, daß die Bundesverfassungsrichter nunmehr nur noch für 12 Jahre gewählt werden und keine Wiederwahl mehr möglich ist. Jetzt frage ich Sie, welches wohl das Motiv dieser Gesetzesänderung war.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708010700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Schäfer?

Prof. Dr. Hans Hugo Klein (CDU):
Rede ID: ID0708010800
Bitte schön!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0708010900
Herr Kollege Klein, muß ich Sie so verstehen, daß Sie die Verdächtigung des Herrn Carstens wiederholen?

Prof. Dr. Hans Hugo Klein (CDU):
Rede ID: ID0708011000
Weder in der Veröffentlichung von Herrn Carstens noch in meinen Äußerungen ist eine Verdächtigung enthalten, Herr Kollege Schäfer. Aber mit menschlichen Schwächen muß man natürlich bei jedermann rechnen, auch bei Bundesverfassungsrichtern, auch bei Politikern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708011100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0708011200
Herr Kollege Klein, sind Sie bereit, Herrn Kollegen Schäfer zu bitten, einmal die Beratungen im Rechtsausschuß
nachzulesen, um sich Klarheit über das gesetzgeberische Motiv für die jetzt vorgenommene Änderung zu verschaffen?

Prof. Dr. Hans Hugo Klein (CDU):
Rede ID: ID0708011300
Ich nehme an, daß die Protokolle des Rechtsausschusses das bestätigen, was ich hier als Motiv nur vermutet habe.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einiges sagen zu dem Verhältnis der Regierung zur Opposition, wie es sich namentlich in Worten des Herrn Bundeskanzlers widerspiegelt. Die Zwiespältigkeit des Verhältnisses des Bundeskanzlers zur Opposition wird schon daran sichtbar, daß er beispielsweise in seiner Rede auf Otto Wels die Union einer Absage an das beschuldigte — übrigens lange, bevor von dieser Verfassungsdebatte die Rede war —, „was allen demokratischen Parteien gemeinsam zu sein schien und sein sollte". — Übrigens, Frau Präsidentin, ich bitte um Generalgenehmigung für eine Reihe wörtlicher Zitate, die ich jetzt bringen möchte.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.) Präsident Frau Renger: Bitte schön!


Prof. Dr. Hans Hugo Klein (CDU):
Rede ID: ID0708011400
Andererseits erhebt er aber den Vorwurf der Heuchelei, wenn die Opposition, etwa in der Berlin-Frage, die gleiche Position wie die Mehrheit dieses Hauses bezieht.
Die Blütenlese einschlägiger Äußerungen möchte ich gern noch etwas fortsetzen, wie angekündigt. Der Bundeskanzler bezeichnet die Opposition als das „rückschrittliche Lager", ihre Vertreter haben „Bildungslücken" , „Scheuklappen", „Charakterschwächen", und natürlich ist, wenn sie dem Bundeskanzler zu nahe treten, „Korruption im Spiel".

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Von solchen Leuten muß man sich natürlich „dümmliche und anmaßende Belehrungen in Sachen Demokratie und Sozialismus" verbitten, und überdies fällt ihnen meistens nichts Besseres ein, als „dümmer zu lachen, als sie sind". Kritik an der Regierung ist in den Augen des Bundeskanzlers „unverantwortliches Gerede", das „nahezu einer staatsfeindlichen Kampagne gleichkommt".

(Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Mit Recht hat die FAZ diese Äußerung des Bundeskanzlers als ein „beklemmendes Stück politischer Demagogie" bezeichnet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wen wundert es vor diesem Hintergrund noch, daß die in der Opposition versammelten „rückwärts gewandten Kräfte" nach Meinung des Herrn Bundeskanzlers nichts anderes im Sinne haben, als das 19. Jahrhundert zu restaurieren und Privilegien zu verteidigen, in deren Dienst sie ihre „stiernackige und grobschlächtige Polemik" und deren „scheinheilige Varianten" stellen.

(Abg. Ey: Fürwahr ein Staatsmann!)




Dr. Klein (Göttingen)

Aber — so sagte der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung von 1969 —: „Die strikte Beachtung der Formen parlamentarischer Demokratie ist selbstverständlich."

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn es darum geht, sein Feindbild von der Opposition aufzubauen, scheut der Kanzler auch nicht davor zurück, ihr Widersprüchliches vorzuwerfen. Während es noch in der Rede zum 20. Todestag Kurt Schumachers der „Dogmatismus der Rechten" war, der bei uns in der Bundesrepublik das „eigentliche Hindernis zu einem breiten Consensus über die angemessene Erneuerung von Staat und Gesellschaft" darstellen sollte, lautet der Vorwurf in Bad Segeberg — ein Jahr später —, die CDU habe 20 Jahre lang einen „verzerrten und übersteigerten Pragmatismus als oberstes Prinzip der Politik vergötzt". Das wiederum hindert den Kanzler nicht, wenig später in seiner Rede auf Otto Wels zustimmend und auf die SPD gemünzt Immanuel Kant zu zitieren: „Pragmatisches Handeln ist Handeln zu sittlichen Zwecken".

(Große Heiterkeit und Beifall bei der CDU/ CSU. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Je nachdem, wer die Rede macht!)

Den angeblichen Pragmatismus der Opposition übrigens hat der sich hier als Sozialphilosoph gebende Kanzler ausgerechnet für die theoretischen Leerräume in seiner eigenen Partei verantwortlich gemacht, in die linke Ideologien so sichtbar und erfolgreich einströmen.
Wer die Freiheit will, meine Damen und Herren, muß mit Spannungen und Konflikten leben können. Die vorgeführten Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers signalisieren mehr als nur die Empfindlichkeit eines von berechtigter Kritik Getroffenen. Sie legitimieren die Disqualifizierung der Opposition und erweisen sich objektiv als Teil einer wohlbedachten Strategie. Hier droht — ich gebrauche noch einmal Worte des Herrn Bundeskanzlers „aus unverantwortlicher Polemik eine böse Saat aufzugehen". Mochte doch z. B. der jüngste Juso-Kongreß jene berühmte Resolution nicht akzeptieren, in der auch gefordert war, die Möglichkeit organisierter Opposition zu erhalten.
Wenn die Bundesregierung Friedenspolitik betreibt, dann muß eine Opposition, die daran Kritik zu üben wagt, dankbar sein, wenn der Kanzler ihr zugesteht, daß es wenigstens unter ihren Wählern noch einige gibt, die für den Frieden eintreten.

(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! Unglaublich!)

Der Rest freilich sieht sich als moralisch entlarvt.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Ähnliches sagte kürzlich Wehner in Moskau!)

So setzt denn auch nach den Worten des Kanzlers die SPD „gegen die bequeme Neigung" sprich: der Opposition — „ihren Willen zu Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit". In der Tat, die SPD zelebriert, wie „Die Zeit" einmal schrieb, „ihre Politik mit fast abgründiger Moralität", und - so füge ich hinzu —
diese Moral hat doppelten Boden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn hier wird doch bewußt eine emotionsgeladene Atmosphäre geschaffen, in der die politische Auseinandersetzung entrationalisiert, in der Politik zur Glaubenssache wird und in der der so viel und gern zitierte mündige Bürger, und das heißt doch wohl: der rational und nicht emotional reagierende Bürger, auf der Strecke bleibt. Mit Recht hat Hans Buchheim angesichts dieser Entwicklung gesagt, die Moralität der Politik bestehe darin, „um des öffentlichen Friedens und der allgemeinen Freiheit willen darauf zu verzichten, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden", und Karl Steinbuch bemerkt mit Recht: „Wer Humanität will, kann nicht Aggressivität betreiben."

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hat nicht der Herr Bundeskanzler, nachdem er soeben noch die CDU beschuldigt hatte, ein systemgefährdendes Feindbild von der SPD zu entwerfen, am 3. Oktober 1973 hier von diesem Platze aus uns als die „Feinde der Politik der Regierung" bezeichnet? Statt einer Kommentierung zitiere ich aus dem Artikel Friedrich Karl Frommes in der „FAZ" vom 5. Oktober 1973:
Feind, das ist die gröbste Beschimpfung, da das Wort den Betroffenen aussperrt aus dem Kreis derer, die guten, verfassungstreuen, friedliebenden Willens sind.

(Abg. Dr. Marx: Sehr wahr!)

Meine Damen und Herren, hier paßt doch eins zum anderen: Wer könnte übersehen, daß die von mir geschilderte Praxis des Bundeskanzlers im Umgang mit der Opposition in völliger Übereinstimmung steht mit den theoretischen Reflexionen seiner für die Kulturpolitik in Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verantwortlichen Genossen? Die Hessischen Rahmenrichtlinien zur Gesellschaftslehre etwa — und der Kanzler hat ja nach eigener Aussage kaum etwas Unrichtiges darin finden können — vermitteln dem Schüler von der Bundesrepublik das Bild einer Gesellschaft, in der Gute und Böse miteinander in ständigem Konflikt leben, ein Bild, in dem die Möglichkeiten der Konfliktlösung so wenig vorkommen wie die auch vorhandenen Übereinstimmungen.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr gut!)

Die Rückführung aller sozialen Zustände und allen sozialen Geschehens — ich betone: aller sozialen Zustände und allen sozialen Geschehens — auf bestimmte Interessen führt zu einem Freund-FeindModell der Gesellschaft, genau wie es der Kanzler der Opposition gegenüber praktiziert, über deren Rolle im demokratischen Staat übrigens der hessische Schüler auch nichts erfahren soll.

(Abg. Dr. Marx: Sehr wahr!)

Die Opposition, meine Damen und Herren, kann kein Akklamationsorgan sein, das die Majestät des Kanzlers beweihräuchert.

(Abg. Dr. Marx: Das ist „wilhelminisch", um mit Herrn Ehmke zu sprechen!)


Dr. Klein (Göttingen)

Sie ist die notwendige Gegenmacht zur Macht der Regierung und keine Ketzerei. Wer sie verunglimpft, schädigt die Demokratie. Mehrheit und Minderheit sind Partner, nicht Feinde. Die Demokratie setzt die Opposition nicht nur begrifflich voraus, sie anerkennt sie auch politisch. Eine Mehrheit, die zu solcher Anerkennung nicht die Kraft hat, beweist nicht nur ein problematisches Demokratieverstännis, sondern auch Schwäche. Der politische Alleinvertretungsanspruch einer Partei ist mit der Demokratie so unvereinbar wie der moralische Absolutismus der Regierenden. Eine Regierung aber und ein Bundeskanzler, die der Opposition den schuldigen Respekt erweisen, beweisen dadurch Achtung vor sich selbst.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708011500
Das Wort hat der Herr Bundesminister von Dohnanyi.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0708011600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich ergreife hier lediglich deshalb das Wort — und werde nur wenige Minuten sprechen —, um etwas zum Kollegen Carstens zu sagen, der leider gerade den Saal verläßt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Der kommt gleich wieder!)

Herr Kollege Carstens hat sich, wie andere auch, hier mit Zitaten zu Rahmenrichtlinien und ähnlichen Dingen ausgezeichnet; das hat soeben auch Herr Kollege Klein hier getan. Man kann Zitate so aus dem Zusammenhang reißen, überdies noch aus einer überholten Fassung, daß sie keinerlei Auskunft mehr über das geben, was wirklich gesagt ist.

(Abg. van Delden: Sagen Sie das mal Ehmke! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Ich will das jetzt an Hand einer Stelle hier darstellen, und ich glaube, die Schlußfolgerung kann man dann jedem überlassen.
Herr Kollege Carstens hat vorhin unter Bezugnahme auf die Handreichungen für die Oberstufe in Niedersachsen gesagt: „Lesen Sie sich doch einmal diese Handreichungen durch." Dann hat er mit Recht auf den Sprachschatz dort verwiesen; das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle „Heiterkeit". Und dann sagte er:
Aber da steht nun folgendes: „Marx meint mit Diktatur des Proletariats die Herrschaft der Mehrheit, also Demokratie."
In Wahrheit, meine Damen und Herren, lautet dieses
Zitat - es ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen - ganz anders. Dort steht:
Genau erörtert werden muß ferner der Begriff Diktatur des Proletariats. Der moderne Diktaturbegriff kann als Ausgangspunkt genommen werden. Es muß deutlich werden, daß Marx mit
Diktatur die Herrschaft der Mehrheit, also Demokratie meint.

(Abg. Dr. Hupka: Das hat er doch gesagt!)

In anderen Worten: Es ist ganz klar aus dem Zusammenhang zu erkennen, Herr Kollege Carstens, daß es hier auch für diejenigen, die diese Richtlinien geschrieben haben, darum geht, den modernen Diktaturbegriff als Ausgangspunkt zu nehmen, allerdings deutlich zu machen, daß Marx selber damals einen anderen Begriff der „Diktatur des Proletariats" hatte.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Nein, das ist falsch, Sie irren sich! Sie haben es falsch vorgelesen! — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Bitte, noch einmal vorlesen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich will es noch einmal vorlesen:
Genau erörtert werden muß ferner der Begriff Diktatur des Proletariats. Der moderne Diktaturbegriff kann als Ausgangspunkt genommen werden.

(Abg. Dr. Hupka: Also!)

Das heißt,

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Weiter, lesen Sie doch einmal vor!)

man muß ihn dem modernen Begriff „Diktatur" gegenüberstellen. Und dann heißt es weiter:
Es muß deutlich werden, daß Marx mit Diktatur die Herrschaft der Mehrheit, also Demokratie meint.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Das hat er doch gesagt!)

Meine Damen und Herren, es ist doch absolut klar: der Text ungeachtet des ständigen Versuchs, den Sie hier unternommen haben, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen —

(Abg. Dr. Marx: Nein, Nein!)

wollte deutlich machen, daß man bei der Verwendung des Diktaturbegriffs durch Marx auch dessen damalige Voraussetzungen verstehen muß.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Ich habe doch von Demokratie gesprochen! Verstehen Sie doch meinen Gedankengang!)

Und dies, Herr Carstens, geht durch alle Ihre Zitate. Deswegen wollte ich das hier noch einmal deutlich machen. Dies ist eine grobe Verfälschung des Zusammenhangs.

(Abg. Gerster [Mainz] : Das ist der Bildungsminister!)

Und, Herr Kollege Carstens, Sie haben auch nicht darauf hingewiesen, daß in diesen Richtlinien bzw. Handreichungen seitenlange Zitate aus CDU-Protokollen zur Frage der Vermögensbildung zu finden sind. Sie haben nicht gesagt, daß Ludwig Erhard dort als Autor aufgeführt wird.

(Abg. Dr. Marx: Wir können ja nicht den ganzen Zauber hier vorlesen! — Abg. Gerster [Mainz] Reden Sie so an den Hochschulen, dann verstehe ich die Proteste!)


Bundesminister Dr. von Dohnanyi
Alles das haben Sie verschwiegen, weil Sie ständig die Zusammenhänge verschweigen. Ich meine, die Ziele, die die Kollegen Dregger und Carstens hier mit der Debatte verfolgt haben, gerade in der Diffamierung der Bildungspolitik, sind dann deutlich, wenn man weiß, daß es der Verfälschung bedarf, um die Oppositionsargumente vorzutragen. Das wollte ich hier noch einmal gesagt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Dregger: Ist das das Ergebnis Ihrer Politik? — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sie können Geschriebenes nicht lesen! — Abg. Kroll-Schlüter: Der ist Bildungsminister! Abg. Gerster [Mainz] : Si tacuisses! Abg. Dr. Marx: ... philosophus mansisses! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708011700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Metzger.

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708011800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war nicht. anders zu erwarten, daß Herr Kollege Dr. Klein die breite Palette der Verdächtigungen, Verleumdungen

(Abg. Dr. Dregger: Wörtliche Zitate!)

und Diffamierungen, die von Rednern der Opposition mit einigen wenigen Ausnahmen

(Abg. van Delden: Was denn, er hat doch nur den Bundeskanzler zitiert!)

in dieser Debatte gegen die Bundesregierung und auch gegen die sozialliberale Koalition vorgebracht worden sind,

(Abg. Dr. Dregger: Hat er es gesagt oder nicht? — Abg. Reddemann: Belegen Sie mal Ihre Behauptung!)

entsprechend anreichern wird. Herr Kollege von Dohnanyi hat eben bereits darauf hingewiesen,

(Abg. van Delden: Der kann nicht lesen!)

mit welchen Methoden und mit welchen Mitteln hier versucht wird, die Regierung und die sozialliberale Koalition zu diffamieren.

(Abg. Dr. Klein [Göttingen]: Das sind Zitate des Bundeskanzlers!)

Falschzitate, Halbzitate, das Umstellen von Zitaten: ich könnte die Beispiele, die Herr Kollege von Dohnanyi hier vorgebracht hat, noch um einiges anreichern, aber im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit will ich mir das versagen.
Herr Kollege Carstens hat davon gesprochen, daß die Gemeinsamkeit der Demokraten, daß die Solidarität der Demokraten notwendig ist, um diesen Staat zu verteidigen. Nach der Rede des Kollegen Dregger und nach der Rede des Kollegen Dr. Klein ist das einfach nicht mehr möglich,

(Abg. van Delden: Wieso denn nicht? Abg. Dr. Dregger: Welcher Satz konkret? Setzen Sie sich damit auseinander! Nicht allgemeines Geschwätz!)

weil hier der Versuch unternommen wird, den Sozialdemokraten und 'dem Koalitionspartner, den
Freien Demokraten, zu unterstellen, daß sie nicht mehr auf dem Boden der Verfassung, nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

(Abg. van Delden: Er hat doch nur den Bundeskanzler zitiert! Abg. Dr. Ritz: Daß Sie das nach dieser Debatte noch zu sagen wagen, ist traurig!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708011900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gerster?

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0708012000
Herr Kollege Metzger, würden Sie vielleicht freundlicherweise, wenn das offenbar alles nicht in Ordnung ist, was hier von uns vorgetragen wurde, Ihre Meinung dazu sagen, wenn sechs Elmshorner Sozialdemokraten, davon drei Vorstandsmitglieder und ein Kandidat für die Kommunalwahl, gerade jüngst wieder einen Wahlaufruf der DKP unterschrieben haben. Vielleicht könnten Sie sich dazu einmal äußern.

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708012100
Lieber Herr Kollege, Sie sind ja bekannt dafür, daß Sie mit Fälschungen arbeiten. Was Sie eben gesagt haben, ist genau so eine Fälschung.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU. Abg. Kroll-Schlüter: Unerhört! Sie sind ein Verleumder! Abg. van Delden: Unerhört!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708012200
Herr Abgeordneter, das Wort Fälschung scheint mir hier nicht angebracht zu sein.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Das ist eine Ungehörigkeit! Abg. Dr. Czaja: Sie stellen dauernd Globalbehauptungen auf!)


Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708012300
Ich weiß genau,

(Abg. Gerster [Mainz]: Würden Sie das bitte belegen — Weitere Zurufe der Abg. Dr. Hauser [Sasbach] und van Delden)

daß Sie sehr empfindlich sind, wenn man Ihnen nachweist., daß Sie Fälschungen begehen und Verleumdungen -

(Abg. Dr. Hupka: Der Korruptionsvorwurf, das ist eine Fälschung mir gegenüber!)

- Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht. Wir können doch in aller Ruhe hier über diese Dinge disk utieren.

(Abg. Dr. Wagner [Trier]: : Dann sagen wir Ihnen in aller Ruhe, daß Sie ein Verleumder sind! Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Ich bin gerne bereit, mit Ihnen auch über die Fragen zu diskutieren, die gestern und heute in der Debatte angeschnitten worden sind.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Ganz konkret, Herr Kollege!)




Metzger
— Wie wäre es, wenn Sie einmal abwarteten, was ich hier im einzelnen ausführe! Das hätte nämlich den Vorteil, daß wir die Debatte zu einem Zeitpunkt abschließen könnten, zu dem wir alle noch in der Lage sind, auch unsere Arbeit zu Hause im Wahlkreis zu verrichten.

(Abg. Dr. Klein [Göttingen] : Dann gehen Sie doch auf Ihren Platz! — Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Zurufe der Abg. Dr. Dregger und Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein. — Abg. Reddemann: Wenn Sie sich hinsetzen, geht ,das viel schneller!)

Von der Opposition wurde hier ein Bild ,der Bundesrepublik an die Wand gemalt, das einfach nicht den Tatsachen entspricht.

(Abg. Dr. Ritz: Was stimmt denn nicht? — Abg. Windelen: Konkret! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Es wurde der Versuch unternommen, der sozialliberalen Koalition und dieser Bundesregierung vorzuwerfen, daß sie gegen diese Verfassung, gegen dieses Grundgesetz und gegen unsere grundgesetzliche Ordnung arbeiten.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.) Das ist ein unglaublicher Vorwurf.


(Abg. Dr. Ritz: Eine unerhörte Fälschung ist das! — Abg. van 'Delden: Das ist Fälschung!)

Ich will dazu — —(Weitere Zurufe und Wortmeldungen von
der CDU/CSU.)
Ich will dazu ein Zitat bringen — —

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708012400
Herr Abgeordneter — —

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708012500
Ich lasse jetzt keine Zwischenfragen mehr zu.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Toleranz!)

Ich will dazu ein Zitat des Kollegen Dr. Klein bringen, das gestern oder vorgestern in einer Presseveröffentlichung enthalten war.

(Abg. Dr. Wagner [Trier] : Es ist weniger böser Wille als Unvermögen! Er hat nur einen Wortschatz von 500 Wörtern!)

Herr Dr. Klein hat von der mangelnden Verfassungstreue sozialdemokratischer Politik und den Ländern gesprochen. Herr Kollege Klein hat hinzugefügt, daß es beispielsweise erst des Verfassungsgerichtes bedurfte, „um der Regierung und namentlich den sozialistischen Protagonisten ihrer Ostpolitik die Unabdingbarkeit des Verfassungsgebotes der Wiedervereinigung in Freiheit in Erinnerung zu rufen".

(Abg. Reddemann: Das stimmt auch! — Abg. Dr. Klein [Göttingen]: Weiterlesen!)

Herr Kollege Klein, das ist eine bodenlose Provokation all derjenigen, die vor zwei Jahren die
Sozialdemokratische Partei in ihrer großen Mehr
heit gewählt haben und dieser Bundesregierung den Auftrag gegeben haben, von 1972 bis 1976 dieses Land zu regieren.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708012600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klein?

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708012700
Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708012800
Keine Zwischenfrage.

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. van Delden: Das sind Zitate aus dem Zusammenhang, Herr Metzger! Da sollten Sie wenigstens Gelegenheit geben, daß das ausgeräumt wird!)

Herr Abgeordneter, fahren Sie bitte fort in Ihrer Rede.

(Abg. van Delden: Wenn Sie das kritisieren, dann lesen Sie das zu Ende! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Herr Abgeordneter, fahren Sie bitte in Ihrer Rede fort.

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708012900
Neben diesen Falschzitaten,

(Abg. Gerster [Mainz] : Das machen Sie doch im Moment!)

neben diesen Halbwahrheiten, die Sie hier vorgetragen haben, haben Sie eine Reihe von Einzelfällen vorgebracht, um ein verfassungswidriges Handeln dieser Bundesregierung und ein verfassungswidriges Handeln der sozialliberalen Koalition zu behaupten.

(Erneute Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Ritz: Überlegen Sie doch mal, was Sie sagen! — Abg. Kroll-Schlüter: Sie wissen gar nicht, was Sie reden! — Abg. Dr. Ritz: Wer hat denn von Verfassungswidrigkeit der Bundesregierung gesprochen?)

Es wäre verhältnismäßig einfach, durch ähnliche Einzelbeispiele, durch ähnliche Zitate in umgekehrter Weise Ihnen den Vorwurf zu machen, Sie arbeiteten mit Rechtsextremisten zusammen und machten mit Rechtsextremisten gemeinsame Sache.
In der Ausgabe der Zeitschrift „Stern" ist gestern ein Beitrag veröffentlicht worden, der bereits in anderen Zeitungen vor einigen Tagen eine Rolle gespielt hat. Dabei ist davon die Rede, daß sich am 18. Dezember des vergangenen Jahres ein führendes CDU-Mitglied, ein Herr Friedrich Grau, in Frankfurt mit NPD-Mitgliedern getroffen hat, um die Landtagswahlen in Hessen vorzubereiten.

(Abg. Dr. Dregger: Das ist doch wieder eine Unwahrheit, von einem „führenden CDU-Mitglied" zu reden! Wo ist der führend?)

Auch hier, Herr Kollege — —(Abg. Dr. Dregger: Wo, wo? Wo ist er
führend? - Weitere Zurufe von der CDU/
CSU.)



Metzger
- Entschuldigen Sie mal, Herr Kollege Dregger,
ist Herr Grau nicht führendes Mitglied der CDU in Frankfurt?

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708013000
Ich bitte doch, den Redner in Ruhe anzuhören. — Bitte, stellen Sie Zwischenfragen. Aber lassen Sie den Redner fortfahren!

(Zuruf von der CDU/CSU: Die läßt er doch nicht zu!)

— Das ist nicht meine Sache.

(Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708013100
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage mehr.

(Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Welche Funktion hat Herr Grau? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ist Herr Grau — —

(Abg. Gerster [Mainz] : Welche Führungsfunktion? — Zuruf: Das ist jämmerlich! — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

— Meine Damen und Herren von der Opposition, wäre es nicht möglich, auch die Dinge in Ruhe zu diskutieren, die für Sie unangenehm sind? Damit würden Sie deutlich machen,

(fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU — Abg. Dr. Hupka: Den „Stern" zitieren, das ...-Blatt!)

daß Sie in fairer Weise bereit sind, sich auch mit Ihren politischen Froblemen auseinanderzusetzen.

(Abg. Dr. Hupka: Der „Stern" ist nie fair!)

Die Frage ist doch, ob das, was hier an Fakten vorgetragen wird, Ihnen paßt, Ihnen angenehm oder unangenehm ist. Deshalb reagieren Sie doch so heftig, weil Ihnen diese Fakten, die ich hier vortrage, unangenehm sind,

(Abg. Dr. Dregger: Wieso Fakten? Woher wissen Sie das?)

Diese Fakten machen deutlich, daß erneut der Versuch unternommen wird — in Zusammenhang mit den Landtagswahlen in Hessen —, wie das auch bereits im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg der Fall war,

(Abg. van Delden: Das sind für Sie alles Fakten, was in der Zeitung steht?)

mit Rechtsradikalen ein Bündnis einzugehen,

(Abg. Dr. Dregger: Wer? Grau oder wer?)

um gemeinsam mit diesen Rechtsradikalen die sozialliberale Regierung zum Sturz zu bringen.
Es gibt, meine Damen und Herren — und das will ich noch einmal ganz klar und deutlich sagen —, in der Sozialdemokratischen Partei keinen ernst zu nehmenden Politiker,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das glaube ich! — Heiterkeit und ironischer Beifall bei der CDU/CSU)

der unsere verfassungsmäßige Ordnung ändern und aus der Bundesrepublik einen Klassenstaat machen will. Bundespräsident Heinemann hat in einer Rede vor dem Wissenschafts- und Bildungsrat in Berlin am 24. Januar 1974 dazu erklärt:
Mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen sind alle Bestrebungen, auf dem Weg über Schule und Hochschule aus der Bundesrepublik einen Klassenstaat oder einen Weltanschauungsstaat zu machen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Das Grundgesetz schützt die Koalitionsfreiheit, die Freiheit des Gewissens und das Recht auf die eigene Meinung.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das hat auch Minister Maier zitiert!)

Aber es gibt keinem einzelnen und keiner Gruppe das Recht, ihre Meinung, ihren Glauben oder ihre Weltanschauung zur verbindlichen Staatslehre zu erheben.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das hat Minister Maier gestern ebenfalls schon vorgelesen!)

Ich darf hinzufügen: Die Sozialdemokratische Partei hat seit ihrem Bestehen, seit über 100 Jahren, den Staat immer als Organisationsform des menschlichen Zusammenlebens anerkannt, auch zu einer Zeit, meine Damen und Herren von der Opposition, als dieser Staat Machtinstrument der herrschenden Klasse und gegen die Interessen der Arbeitnehmerschaft gerichtet war.
Die deutschen Sozialdemokraten kämpften und kämpfen auch heute zielstrebig und beharrlich für die Verwirklichung der politischen Grund- und Freiheitsrechte in diesem Staat. Dieser Kampf wurde von den Sozialdemokraten bereits zu einem Zeitpunkt geführt, als er noch mit Gefahren und auch mit Risiken für den Beruf, für die eigene Existenz und für das Lebensrecht der Familie verbunden war. Ohne die deutschen Sozialdemokraten — auch darüber sollte man sich im klaren sein, und das sollte man hier aussprechen — und die freiheitliche Gewerkschaftsbewegung wäre diese Verfassungsordnung, über die wir heute diskutieren, um die wir heute streiten, gar nicht möglich gewesen.

(Abg. Gerster [Mainz] : So ändern sich die Zeiten!)

Trotz der Verfolgungen und auch der Anfeindungen, trotz großer materieller und auch persönlicher Opfer waren es die Sozialdemokraten, die sowohl vor dem ersten Weltkrieg als auch nach der Überwindung des nationalsozialistischen Terrorregimes und der Selbstzerstörung Deutschlands bereit waren, ohne



Metzger
Vorbehalt an dem Neubau des Staatswesens mitzuarbeiten,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Und in Ostdeutschland wurden sie unterdrückt!)

wenn sie auch — völig richtig, Herr Kollege — in dem sowjetisch besetzten Teil Deutschlands hiervon ausgeschlossen waren.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708013200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708013300
Ja, bitte schön!

Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID0708013400
Herr Kollege Metzger, wissen Sie denn nicht, daß wir diesen Respekt vor der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und ihrer Bedeutung in der deutschen Geschichte immer praktiziert haben, daß sich aber diese Debatte auf die Frage bezieht, ob die Grundlagen dieser großen sozialdemokratischen Geschichte heute in Gefahr geraten können?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708013500
Leider ist das in den Diskussionsbeiträgen der Redner der Opposition gestern und heute nicht zum Ausdruck gekommen.

(Abg. Gerster [Mainz]: Wir reden ja über die Gegenwart! — Abg. van Delden: Denken Sie an Carstens! Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Ich habe Kaisen und andere namentlich genannt!)

Die Weimarer Reichsverfassung, die Verfassung der Länder und ,der Bundesrepublik wurden doch weitgehend und ganz entscheidend von Sozialdemokraten mitgestaltet, und es bedeutet einfach eine unglaubliche Provokation — ich will es hier noch einmal sagen: eine unglaubliche Provokation — und zeugt auch von einer maßlosen Arroganz, wenn immer wieder, und von dem Kollegen Dr. Klein mit ganz besonderer Verve, der Versuch unternommen worden ist, den Sozialdemokraten und damit auch der Arbeiterklasse den Vorwurf zu machen, daß sie nicht mehr auf dem Boden dieser Verfassung, auf dem Boden ,dieser Demokratie stehen.

(Abg. Dr. Dregger: In welchem Satz, wo? — Weiterer Zuruf von ,der CDU/CSU: Die Arbeiterklasse ist keine sozialdemokratische Arbeiterklasse!)

Ich will darauf noch einmal eingehen, weil die Geschichte ja eine große Rolle gespielt hat in dieser Debatte: Sehen wir uns die Verfassungsgeschichte der letzten 50 Jahre an. Wer bildete denn die unheilige Allianz, die sich in der Weimarer Republik in dem Ziel einig war, den demokratischen Staat und damit auch die schwer erkämpften Freiheitsrechte für die arbeitenden Menschen wieder zu beseitigen, um jeder für sich und für seine eigenen Profite die Machtinteressen durchzusetzen? Das war eine Allianz aus Kapitalisten, Geldaristokratie, Faschisten
und Kommunisten, die diesen Weimarer Staat kaputtgemacht haben.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das weiß Herr Wehner sehr genau! Abg. Dr. Dregger: Ich zitiere gleich wieder! — Abg. Wagner [Trier] : Im Hause sitzen welche, die daran beteiligt waren! Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Reden Sie von Herrn Wehner?)

Und Verlierer waren Freiheit, Menschlichkeit und Solidarität.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708013600
Herr Abgeordneter, ich darf Sie an das Ende Ihrer Redezeit erinnern.

Günther Metzger (SPD):
Rede ID: ID0708013700
Die Sozialdemokraten, stehen zu diesem Staat, den sie mitgeschaffen haben, so wie es der Bundeskanzler wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, „ohne Wenn und Aber". Sie bejahen in ihrem Godesberger Programm, das hier ja wiederholt Gegenstand von falschen Zitaten der Oppositionsredner war, das Grundgesetz und damit den demokratischen und sozialen Rechtsstaat. In Übereinstimmung mit den Grundrechten in der Verfassung wird festgestellt, daß das Leben des Menschen, seine Würde und sein Gewissen dem Staat vorgegeben sind. Der Staat soll Vorbedingungen dafür schaffen, daß der einzelne sich in freier Selbstverantwortung und gesellschaftlicher Verpflichtung entfalten kann. Die Grundrechte sollen nicht nur die Freiheit des einzelnen gegenüber dem Staat sichern, sie sollen als gemeinschaftsbildende Rechte den Staat mit begründen.
Wir werden in diesem Parlament mit dieser Bundesregierung unbeirrt den eingeschlagenen Weg weitergehen, trotz aller Anfeindungen, trotz aller Verleumdungen der Opposition, die wir hier in den letzten beiden Tagen wieder erleben mußten. Wir werden auch den Verfassungsauftrag erfüllen: Schaffung und Ausbau eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates, und wir können nur hoffen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß die Opposition aus dieser Debatte die notwendigen Konsequenzen ziehen wird,

(Abg. Windelen: In der Tat!)

um die Gemeinschaft der Demokraten und, wie ich hinzufügen möchte, die Gemeinschaft der sozialen Demokraten wiederherzustellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Dregger: Meinen Sie Ihre Partei? — Abg. Gerster [Mainz] : Das war vielleicht ein Auftritt!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708013800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0708013900
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wäre an sich besser gewesen, Herr Kollege Metzger, wenn Sie diese Rede für sich behalten hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Zimmermann
Wir haben in diesem Haus schon manches erlebt: Erregtheit, Leidenschaft, harte Worte, alles: Das ist auch immer möglich. Nur: zu sagen zu einem Kollegen, zu einem bestimmten Kollegen: Sie sind bekannt dafür, daß Sie mit Fälschungen arbeiten!, und dann nicht einen einzigen Beweis dafür zu liefern, das ist ein starkes Stück.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Hauser [Sasbach]: Das ist nicht zu entschuldigen!)

Aber wenn jemand wie Sie fast im gleichen Atemzug von der Verfassungswidrigkeit der Bundesregierung und der Sozialdemokratie und damit der Arbeiterklasse spricht, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: Lesen Sie sich Ihr eigenes Manuskript nachher sorgfältig durch und sind Sie mit Streichungen so großzügig, wie der Herr Kollege Wehner Herrn Kollegen Apel gegenüber es war.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann werden Sie das Manuskript schon richtig bereinigen.
Meine Damen und Herren, diese Verfassungsdebatte sollte nicht zu Ende gehen, ohne daß wir einen Schlußgedanken auf eines der wichtigsten Instrumente verfassungsmäßigen Handelns, Denkens und Ausprägens verwenden, nämlich die Pressefreiheit, die einmal gegen den Herrschaftsanspruch des Staates erkämpft worden ist und die heute auf der anderen Seite, im Ostblock, — Stalin sagte einmal: „Der Zeitungsapparat ist eine unmittelbare Verlängerung ,des Parteiapparates" - im Kommunismus nach wie vor fehlt. Aber wir sahen es bei Djilas in Jugoslawien, bei Vaculič in der CSSR, am Schluß bei Solschenizyn in der Sowjetunion, daß es immer wieder durchbricht: Je stärker die Unterdrückung, desto mehr richten sich die Hoffnungen der Menschen auf die Pressefreiheit, auf das freie Veröffentlichen-Können von Worten, Gedanken und Meinungen. Beim Sieg der Reaktion in Prag richtete sich folgerichtig der erste Schritt gegen die Presse; der tschechische KP-Funktionär Bilak stellte die Uhren wieder rückwärts.
Die Freiheit, Meinung zu äußern und Meinung aufzunehmen, gehört zu den Grundelementen der Demokratie. Art. 5 des Grundgesetzes enthält nicht nur das Recht auf Informationsfreiheit, sondern auch die Verpflichtung der Medien gegenüber dem Burger. Schon Theodor Heuss warnte vor dem Irrweg der Frage, ob nun der Verleger oder der Journalist das Recht auf Pressefreiheit habe. Er sagte — Zitat —:
Sie haben es beide nicht, sondern beide haben die Pflicht zur Freiheit der Information und der Meinungsaussage, und der Bürger hat den Anspruch auf diese Freiheit, richtig und vollständig informiert zu werden und seine Meinung zu sagen und zu schreiben.
Die Wirklichkeit sieht gegenwärtig anders aus. Zum erstenmal in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist die Diskussion um die Prinzipien der Pressefreiheit neu aufgebrochen. In dem freiesten und demokratischsten Staat der deutschen Geschichte muß die Pressefreiheit heute gegen den Druck von Gruppenegoismen, aber auch gegen den Machtanspruch des Staates selbst erneut verteidigt werden. Das ist eine kuriose Umkehrung. — Schritt um Schritt wurde die Pressefreiheit einst durchgesetzt. Soll sie heute Schritt um Schritt zurückgeschraubt werden? Sie werden fragen: Geschieht denn das, gibt es solche Absichten? Ich werde es in den nächsten zehn Minuten an ein paar Beispielen belegen.
Der frühere Vorsitzende der SPD-Kommission „Massenmedien", der ehemalige Hamburger Innensenator Ruhnau, hat einmal in schöner Offenheit festgestellt — Zitat - :
Es hat 17 Millionen Wähler für unsere Partei gegeben, und es gab in diesem Jahr auch 17 Millionen Fernsehteilnehmer. Vielleicht lohnt es sich, auch darüber nachzudenken, was das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem bei uns für ,die politische Bewußtseinsbildung ausgemacht hat.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Ja, Ja! Hört! Hört!)

Die Freie Demokratische Partei, einmal die liberale Hüterin der Grundrechte und besonders der Pressefreiheit, hat bei ihrem Medienpapier nach dem Wahlspruch: „Schneller, höher, weiter" gehandelt. Sie hat versucht, die SPD an Perfektionismus noch zu übertreffen, nämlich: schneller zur Staatsreglementierung, höher den Gruppeneinfluß und weiter weg vom Liberalismus.
Die Forderung der SPD nach einer Bundeskommission für das Kommunikationswesen — ein wunderbares Wort — und Landespresseausschüsse sind der Beginn der Reglementierung der freien Presse.

(Abg. Dr. Dregger: Sehr richtig!)

Diese Organe sollen eine Mißbrauchsaufsicht ausüben, d. h. eine ständige Kontrolle, die eine Nachzensur bedeutet und daher dem Art. 5 des Grundgesetzes ganz klar widerspricht. Die sogenannten gesellschaftlich relevanten Kräfte

(Abg. Dr. Dregger: Wer ist das?)

sind eine durchsichtige Umschreibung für politische Einflußversuche.
Auch die „Süddeutsche Zeitung" sieht in der im SPD-Medienpapier vorgeschlagenen Beschwerdeinstanz — so wörtlich — „ein ausgesprochenes Kuckucksei" und wirft der SPD vor, für die Landespresseausschüsse nur das Etikett gewechselt zu haben.

(Zuruf von der CDU/CSU) : Dafür kriegen

Sie eine Rüge von Ehmke!)
Wieder einmal zeigt sich, daß die SPD unter dem Druck massiver öffentlicher Kritik — diese gab es im Falle der Landespresseausschüsse in hohem Maße — zwar zurückweicht, aber die eigentlichen Ziele nicht etwa aufgibt, sondern unter einer neuen Tarnkappe einen neuen Vorstoß wagt.
Die Hamburger SPD hat im vorigen Jahr die Streichung des Tendenzschutzparagraphen im Be-



Dr. Zimmermann
triebsverfassungsgesetz, der die Einwirkungsmöglichkeiten des Betriebsrats in den Redaktionsstuben begrenzt, gefordert. Der Kollege Glotz hat mehrfach von einer notwendigen Reformierung des Tendenzschutzes gesprochen. Die FDP hat sich in ihrem Medienpapier zwar um die Frage des Tendenzschutzes herumgewunden, aber einzelne Gliederungen der FDP — dies gilt z. B. für Hessen — fordern ebenfalls die Abschaffung des Tendenzschutzparagraphen.
Wie es in der Praxis aussehen könnte, zeigte im vorigen Jahr die IG Druck und Papier. In Köln hatten Drucker der SPD-nahen „Neuen Ruhrzeitung" den Leitartikel von Chefredakteur Jens Feddersen schlicht aus der Druckplatte gefräst, weil er sich kritisch mit gewerkschaftlichen Lohnforderungen befaßte. Heute haben wir in mehreren Zeitungen lesen können, daß einer Zeitung in Saarbrücken für zwölf Stunden einfach der Strom abgeschaltet worden ist, weil sich diese Zeitung erlaubt hatte, in mehreren Artikeln vorher kritisch die Forderungen der Gewerkschaft ÖTV zu beleuchten. Daß sie dabei auf die Stabilitätspolitik der Bundesregierung verwiesen hatte, war der ÖTV offenbar gleichgültig. Es liegen also mehrere ganz klare Verstöße und Tatbestände der Zensurausübung vor. Die Gewerkschaftsführer haben im Fall Jens Feddersen in schöner Offenheit gesagt, Pressefreiheit sei — ich zitiere — „schließlich nicht das Privileg von Verlegern und Journalisten".
Die Herrschaft von Gewerkschaftsfunktionären in den Redaktionsstuben ist wirklich ein Alptraum für jeden Journalisten, ganz gleich, wo er parteipolitisch hingehört.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Für Jens Feddersen ist die Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland — er sagte wörtlich: „von der Basis her" — heute schon bedroht. Die SPD möchte in Teilen die mit der FDP vereinbarte paritätische Mitbestimmung in der Unternehmensführung auch auf Presseunternehmen anwenden.
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Pauls-Telegramme gab es im letzten Jahr eine Massenvorführung von Journalisten durch die Bonner Staatsanwaltschaft. Diese extensive Auslegung des Geheimnisschutzparagraphen macht deutlich, daß § 353 c StGB überholt ist. Presserat und alle journalistischen Verbände können unserer Unterstützung sicher sein: Wir sind mit diesen Verbänden für eine ersatzlose Streichung dieses Paragraphen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei dieser Bundesregierung, die ja selbst die Worte „Demokratie" und „Transparenz" häufig verwendet, ist aber offenbar die Geheimdiplomatie des vorigen Jahrhunderts wieder eingekehrt. Wenn zwei, wie Sir mir zugeben werden — ganz anders, als es Herr Ehmke gesagt hat —, in der Substanz belanglose Telegramme veröffentlicht werden, werden bei uns die Journalisten vor den Kadi gezerrt. In den Vereinigten Staaten erhalten sie den Pulitzer-Preis. Das ist das Gefälle der Pressefreiheit hier und dort.

(Abg. Gross: Haben Sie einmal etwas von Augstein und Konrad Adenauer gehört?)

— Auf Augstein komme ich noch zu sprechen. Es gibt einige schöne Sätze von ihm, die er auf Ihrem Medienkongreß gesprochen hat. Ich weiß nicht, ob es Ihnen sehr angenehm ist, wenn ich diese Zitate bringen werde.
In der nötigen bundeseinheitlichen Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts für Journalisten — § 53 StPO — plant die Bundesregierung eine Begrenzung auf bestimmte Delikte, und gerade bei typischen Delikten soll künftig das Zeugnisverweigerungsrecht gestrichen werden. Weiterhin soll, wenn die schweren Folgen der Tat es gebieten, das Zeugnisverweigerungsrecht völlig wegfallen. Dadurch würden, so meinen wir, die Gerichte in unerträgliche Auslegungszwänge gebracht. Einen Gummiparagraphen darf es gerade hier nicht geben. Denn gerade durch das Zeugnisverweigerungsrecht — es mag im einzelnen für den Betroffenen angenehm sein oder nicht — wird die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit erst zur vollen Entfaltung gebracht.
Redaktionsstatute in den Zeitungshäusern können durchaus sinnvoll sein. Gerade deshalb müssen sie aber auch individuell zugeschnitten sein, weil Größe, Charakter und Aufgabenbereich einer Zeitung eben unterschiedlich sind. Eine Kollektivierung von Redaktionen, wie sie z. B. die Hamburger SPD vorgeschlagen hat, ist sicher nicht praktikabel und würde Gefahren des Mißbrauchs der Meinungsfreiheit erst hervorbringen.
Für den Sprecher der Bundesregierung, Staatssekretär von Wechmar, sind Redaktionsstatute sogar gänzlich überflüssig. „Zeit"-Verleger Gerd Bucerius nannte in diesem Zusammenhang den Hamburger SPD-Entwurf — ich zitiere — ein genauso blödsinniges Papier wie den Plan der hessischen SPD. „Die Zeit" schrieb:
Die Räte werden wohl verhindern, daß einem Journalisten Unrecht geschieht, freilich auch, daß eine Zeitung erscheint.
Friedrich Engels, der 1848 als Redakteur unter dem Chefredakteur Karl Marx bei der „Neuen Rheinischen Zeitung" arbeitete, sagte später einmal wörtlich:
Die Verfassung der Redaktion war die einfache Diktatur von Karl Marx. Ein großes Tageblatt, das zur bestimmten Stunde fertig sein muß, kann bei keiner anderen Verfassung eine folgegerechte Haltung bewahren.
Ein bezeichnendes Wort aus der Praxis, würde ich sagen.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Der wußte Bescheid!)

Bei der Beschreibung der Rolle von Verleger und Chefredakteure stehen sich SPD und FDP in der Produktion von Unsinn und vielleicht sogar von verfassungswidrigen Regelungen nicht nach. Vergeblich appellierten beim FDP-Parteitag Staatssekretär von Wechmar und „Spiegel"-Verleger Rudolf Augstein an die Vernunft und traten für das Recht des Verlegers ein, den Chefredakteur seiner Wahl zu berufen. Mit den verabschiedeten Vorschlägen



Dr. Zimmermann
der FDP ist der Verleger jedoch wirklich nur noch ein Popanz, ausgestattet mit einer formlosen Richtlinienkompetenz, mit geschmälertem Einfluß auf die Grundhaltung seines Blattes und bei Einstellung wie Abrufung des Chefredakteurs von der Redaktion abhängig. Das wirtschaftliche Risiko allerdings darf der Verleger allein tragen, obwohl jeder weiß: Erfolg und Mißerfolg hängen entscheidend am Chefredakteur, und ein guter Mann kann auf diesem Posten kein bequemer Mann sein, sicher auch nicht für die Redakteure.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708014000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID0708014100
Herr Kollege, ich halte es für zu spät, jetzt eine medienpolitische Debatte zu beginnen. Aber müßte Ihnen nicht eigentlich schon bei auch nur oberflächigster Lektüre unseres Medienpapieres klar sein, daß wir die Grundsatzkompetenz allein dem Verleger zuerkennen, so daß es völlig bei ihm selbst liegt, ob er ein Popanz ist oder nicht?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0708014200
Auch bei sorgfältiger Befassung mit Ihrem Medienpapier geht für mich aus den Formulierungen, die Sie über den Verleger getroffen haben — und der Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger hat mit Recht darauf hingewiesen , genau das Gegenteil dessen hervor, Herr Kollege Hirsch, was Sie hier gerade darzustellen versuchten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708014300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ostman von der Leye?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0708014400
Nachdem bei mir bereits die gelbe Lampe brennt, Frau Präsidentin, bin ich dazu leider nicht mehr in der Lage, und ich fahre deswegen in meinem Referat fort.
Die Existenzbedrohung der freien Presse geht heute nicht von der Konkurrenz aus, nicht von den großen Verlegern, sondern zum größten Teil von der Bundesregierung selbst; denn die drohende Beschränkung des Postzeitungsdienstes und die Abschaffung der Samstagszustellung sind es, die die Pressefreiheit wirklich gefährden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Deutsche Presserat hat am 7. Februar mit einer nicht zu überbietenden Deutlichkeit der Bundesregierung folgendes gesagt:
Die beabsichtigten Maßnahmen bringen publizistische und wirtschaftliche Gefahren für die ganze deutsche Presse. Es werden Informationsfluß und Meinungsvielfalt entscheidend beeinträchtigt. Durch die vorgesehene Reduzierung der zum Postzeitungsdienst zugelassenen Titel werden nicht nur Arbeitsplätze gefährdert, sondern auch Möglichkeiten einer verfassungswidrigen Zensur durch Selektion eröffnet.
Dieses Gremium setzt sich bekanntlich aus Verlegern und Journalisten zusammen. Kann man noch deutlicher und treffender beschreiben, was die Bundesregierung mit den vorgesehenen Beschränkungen auf dem Postsektor wirklich beabsichtigt?
Wenn der Herr Postminister statt Polemik ein Wort dazu gesagt hätte, ob es denn richtig ist, daß er die Faksimilezeitungen als ein neues staatliches\\ Medium ansiedeln will ein Medium, für das er die richtige Organisationsform erst noch finden will, anstatt es zu einem Dienstleistungsmedium zu machen —, wäre das hilfreicher gewesen als das, was er sonst zur Debatte beigetragen hat.
Die SPD-Zeitung „Vorwärts" selbst war es, die die Einstellungen mancher sozialdemokratischer Spitzenpolitiker bedenklich gefunden hat, und der Kollege Ahlers war es, der bedauert hat, daß sich die Einstellung vieler führender SPD-Politiker zur Presse in bedauerlicher Weise verschlechtert habe.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Ahlers trifft öfter den Nagel auf den Kopf!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708014500
Herr Abgeordneter, ich darf Sie an das Ende Ihrer Redezeit erinnern.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0708014600
Ich komme zum Ende. Der sozialdemokratische Pressezar Alfred Nau hat noch vor zehn Jahren einmal verkünden können: Fünf Millionen Deutsche Bürger lesen SPD-nahe Zeitungen. Der Kollege Wehner hat später das ist noch nicht so lange her — einmal feststellen müssen — Zitat —:
Wenn wir selbstkritisch die Entwicklung unserer sozialdemokratischen Presse betrachten, so fehlen unternehmerischer Geist und unternehmerische Fähigkeiten, um in der Konkurrenz mit anderen sich durchzusetzen.
Nun, Kurt Tucholsky hatte schon recht, wenn er sagte — Zitat —:
Der liebe Gott schuf Kluge, Dumme und SPD-Funktionäre, die für die Presse verantwortlich sind.
Das heißt, die Konzentration, die Sie manchmal so beklagen, die Sie aber nicht stört in bestimmten deutschen Gebieten, wo Sie auch regional an ihr kräftig beteiligt sind, ist leider oft ein Ergebnis der wirtschaftlichen Verhältnisse. Diese Konzentration wird sich fortsetzen, wenn Sie diese Postpläne Ehmkes durchgehen lassen, meine Herren von der SPD.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708014700
Ich erinnere Sie noch einmal an das Ende Ihrer Redezeit.

(Abg. Pawelczyk: Welche Bedeutung hat wohl die rote Lampe?)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0708014800
Die rote Lampe hat die Bedeutung, daß ich zum Ende kommen soll. Ich teile die Meinung zahlreicher Kollegen Ihrer Fraktion, die vorher gesprochen haben und die diese rote Lampe genauso stört wie mich, die aber trotzdem auch nicht gleich zum Ende gekommen sind.



Dr. Zimmermann
Aber ganz zum Schluß vielleicht einen Satz, den Sie beherzigen sollten. Das letzte Wort über Zeitung sollte der Verleger haben, das letzte Wort in der Zeitung der Chefredakteur, das letzte Wort im Artikel der Verfasser, aber das allerletzte Wort der Käufer der Zeitung am Kiosk. Das ist Freiheit des Wettbewerbs, das ist Pressefreiheit. Wir werden dafür sorgen und darüber wachen, daß das auch in Zukunft möglich sein wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708014900
Das Wort hat der Abgeordnete Glotz.

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0708015000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte, daß ich zum Schluß dieser Debatte noch vier Bemerkungen mache.
Von vielen Rednern ist mehrfach — das ist ja ganz verständlich — auf Entwicklungen gerade in der jungen Generation hingewiesen worden, die bedenklich sind. Herr Professor Carstens hat das mit dem Stichwort Jungsozialisten belegt und hat dann einzelne Zitate gebracht. Ich glaube, auch eine Reihe von sozialdemokratischen Rednern hat deutlich gemacht, daß es in der Tat Thesen und Äußerungen in dieser Gesellschaft und auch am Rand der Sozialdemokratischen Partei gibt das bestreitet niemand —, die die Gesamtpartei nicht abdeckt, mit denen sie nicht einverstanden ist.
Was aber meiner Meinung nach nicht diskutiert wurde — oder nur schlaglichtartig bei dem, was gestern Professor Maier aus Bayern gesagt hat , ist — wenn Sie an die Umfrage denken, die Sie zitiert haben, nach der jeder zehnte Student revolutionäre Veränderungen der Gesellschaft befürworten würde; wie fragwürdig das auch alles ist, es weist mich doch darauf hin —, daß es in unserer Gesellschaft eine Legitimations- und Motivationskrise gibt. Wir sollten uns das nur nicht gegenseitig vorwerfen, sondern wir müssen überlegen, worauf diese Motivations-und Legitimationskrise eigentlich beruht.

(Beifall bei der SPD.)

Ich glaube, daß ein Grund dafür in der Tat die Geschwindigkeit unserer gesellschaftlichen Entwicklung ist, an der Sie nicht schuld sind, wir nicht schuld sind, die Unüberschaubarkeit der gesellschaftlichen Strukturen. Der dritte Grund ist allerdings auch ein Reformstau, den 1969 diese sozialliberale Koalition vorgefunden hat.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wagner [Trier] : Der inzwischen noch größer geworden ist! — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das Schicksal aller Regierungen!)

Mißverstehen Sie das nicht als einseitigen Vorwurf gegen die Union. Kein vernünftiger Politiker wird bestreiten, daß einiges von dem, was Sie, Herr Professor Carstens, genannt haben, Errungenschaften sind, für die Sie geleistet und gearbeitet haben. Sie werden Ihrerseits nicht bestreiten, daß auch in den ersten 20 Jahren der Unionsregierung die damalige
Opposition zu diesen Leistungen etwas beigetragen hat,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das haben wir immer gesagt!)

genausowenig, wie wir bestreiten sollten, daß auch die Opposition heute zu der einen oder anderen Reformleistung beiträgt.

(Abg. Damm: Das sagen Sie mal Herrn Metzger!)

Ich meine folgendes. Es gibt unserer Meinung nach zwei mögliche Antworten auf diese Legitimationskrise. Eine mögliche Antwort wäre — ich meine das jetzt nicht aktiv oder bösartig gegen die Union — die Antwort mit dem Repressionsapparat des Staates. Die andere mögliche Antwort ist die Demokratisierung der Gesellschaft, Mitbestimmung in allen Bereichen, und die vertreten wir Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Das ist eine falsche Alternative!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708015100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0708015200
Selbstverständlich!

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0708015300
Herr Kollege Dr. Glotz, könnten wir uns nicht vielleicht darauf einigen, daß es Situationen gibt, in denen die Reform allein nicht ausreicht, sondern auch die Machtmittel des Staates zur Sicherung der demokratischen Freiheit notwendig sind, wie umgekehrt?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0708015400
Herr Kollege Reddemann, darauf können wir uns einigen. Auch Sozialdemokraten würden nie behaupten — das hat der Herr Bundeswissenschaftsminister heute klargestellt —, daß es nicht Situationen geben kann, in denen dieser Staat in der Tat gegen Übergriffe sich auch mit den Machtmitteln des Staates verteidigen muß. Dies ist keine absolute Alternative, aber wir sagen: Wenn wir nicht auch den Mitbestimmungsgedanken vom Staat in die Gesellschaft hineintragen, dann reicht das andere nicht aus. Wir verkrusten sonst in einer autoritären Gesellschaft, was wir alle nicht wollen. Das ist die Gefahr.

(Beifall bei ,der SPD.)

Mit meiner zweiten Bemerkung möchte ich das aufgreifen, Herr Professor Carstens, was der Bundeskanzler vorhin gesagt hat. Bitte mißverstehen Sie es jetzt nicht wieder als einen polemischen Angriff auf die große konservative Partei in diesem Land. Der 'Bundeskanzler hat darauf hingewiesen — ich glaube, das ist richtig —, daß diejenigen, die Sie hier immer wieder zitiert haben, beispielsweise diejenigen, die an den Universitäten Unruhe bereiten und stiften, weniger — ich kann das aus meiner eigenen Erfahrung sagen — .die Söhne und Töchter



Dr. Glotz
der Mehrheit der Arbeitnehmer, sondern eher die
Söhne und Töchter der oberen Mittelschichten sind.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Des Bundeskanzlers zum Beispiel!)

— Herr Professor Carstens, wir sollten nicht aufrechnen, wessen Söhne und Töchter aus der Opposition oder der Regierung was an welchen Universitäten tun. Das könnte für alle schlecht ausgehen!
Ich rechne Ihnen als konservativen Parteien nicht die oberen Mittelschichten zu und uns die Mehrheit der Arbeitnehmer. Ich weiß zu gut, wieviel Arbeitnehmer — Sie werden verstehen, daß ich das bedaure — auch die CDU/CSU wählen, Herr Blüm.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Die sind eben weitsichtiger!)

Nur: Wenn manche — ich möchte noch einmal sagen, daß ich das nicht als gegen eine Person gerichtet sage — Professoren, Pastoren oder Politiker uns Sozialdemokraten vorwerfen, die jungen Leute in der SPD stellten unakzeptable Thesen auf — das ist manchmal auch meine Meinung , dann antworte ich ihnen manchmal: Liebe Professoren oder Pastoren, es sind eure Söhne und Töchter, die in unserer Partei gegen euer Milieu protestieren und die wir meistens — wenn auch nicht immer — in diesen Staat, in diese Gesellschaft und in diese Verfassung integrieren.

(Beifall bei der SPD.)

Meine dritte Bemerkung bezieht sich auf das, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Zimmermann. Wie Herr Hirsch schon sagte, wollen wir hier heute ja keine medienpolitische Debatte im einzelnen anfangen; dazu wird es noch viel Gelegenheit geben, und zwar, wie ich annehme, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bei der baldigen Einbringung des Presserechtsrahmengesetzes in diesem Hause, über die ja zwischen den Koalitionsparteien Vereinbarungen bestehen.

(Abg. Dr. Hirsch: Bis dahin kann Herr Zimmermann noch etwas lesen!)

— Ich will diesen Rat gerne weitergeben, Herr Kollege Hirsch.
Ich möchte zu vier Einzelpunkten aus dem, was Sie, Herr Kollege Zimmermann, gesagt haben, kurz Stellung nehmen. Erstens. Ich glaube, ich verrate kein Geheimnis, Herr Kollege Zimmermann, daß in diesem Presserechtsrahmengesetz Landespresseausschüsse, wie immer sie aussehen werden, nicht vorgesehen sind und nicht vorkommen werden. Ich darf dazu, weil wir zwei schon so viele Diskussionen zu diesem Thema geführt haben, folgendes sagen. Da diese Ausschüsse keine anderen Rechte haben sollten, ais Kritik und Konflikt deutlich zu machen, da sie nach dem Beschluß des SPD-Parteitags keinerlei Exekutivrecht haben sollten, kann man sie, wenn man redlich diskutiert, einfach nicht als Zensurinstanz bezeichnen. Sie haben mit Zensurinstanzen nie etwas zu tun gehabt.

(Beifall bei der SPD.)

Sie wissen das, Herr Kollege Zimmermann, und
stellen die Behauptung immer wieder auf, weil sie
populär ist, auch — das gebe ich zu — bei Journalisten. Aber lassen Sie das doch endlich einmal! Glauben Sie mir: Dies war nie Zensurinstanz.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708015500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0708015600
Bitte.

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0708015700
Herr Kollege Glotz, könnten wir uns nicht darauf einigen, daß Journalisten automatisch dann, wenn bestimmte Institutionen existieren, in die Gefahr geraten, zwar keine direkte, aber eine indirekte Abhängigkeit von diesen Institutionen zu bekommen, und daß deswegen die Kritik an diesen Ausschüssen mit Recht mit dem Begriff der Nachzensur in Verbindung gebracht wird?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID0708015800
Herr Reddemann, während wir uns bei Ihrer vorigen Frage einigen konnten, muß ich Ihnen sagen, daß wir uns in diesem Punkte nicht einigen werden. Der Presserat — und das ist eine Lösung, der wir zustimmen — hat einen Beschwerdeausschuß gegründet, und dieser Beschwerdeausschuß des Presserates wird jetzt Beschwerden aufnehmen, diskutieren, die entsprechenden Redakteure einladen und damit den Konflikt deutlich machen. Das ist ein Selbstkontrollorgan der Presse, in dem Verleger und Journalisten sitzen und dies einvernehmlich beschlossen haben. Wäre wirklich die Gefahr gegeben, daß irgendein Organ dieser Art, wie Sie gesagt haben, die Kollegen in Abhängigkeit bringen würde, müßte dies — genauso wie für unsere Landespresseausschüsse — gelten etwa für den Beschwerdeausschuß des Presserates.

(Abg. Reddemann: Eine Selbstkontrolle ist etwas ganz anderes!)

Was wir wollen, ist, eine Antwort zu finden — und darüber wollten und wollen wir mit Ihnen produktiv diskutieren — auf das Problem der lokalen Monopole, bei denen rund 35 % der Menschen in diesem Lande einer einzigen Zeitung ausgesetzt sind. Finden Sie bitte eine bessere Antwort darauf, dann sind wir bereit, alle diese Fragen zu diskutieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Eine zweite Bemerkung: zum Tendenzschutz. Herr Kollege Zimmermann, nur zur Orientierung: Wir werden dafür eintreten, daß die großen Unternehmen bei der Unternehmensmitbestimmung zwar in die Mitbestimmung einbezogen sind, daß aber tendenzbezogene Maßnahmen ausgeklammert bleiben, d. h. daß das Recht, die publizistische Grundhaltung zu bestimmen, weiterhin beim Anteilseigner verbleibt. Dies gilt für die Unternehmensebene.
Gleichzeitig sage ich aber — das habe ich immer vertreten, und das vertrete ich nicht als Person, sondern das vertritt diese Partei —: Das Betriebsverfassungsgesetz hat heutzutage einen Tendenzschutz, der zwar nicht vollständig beseitigt werden kann, in dem aber Elemente stecken, die hunderttausende Arbeitnehmer aus der Druck- und Presseindustrie gegenüber den anderen Arbeitnehmern benachteiligen. Das aber darf nicht sein.



Dr. Glotz
Es gibt überhaupt keinen Grund, daß in einem Presseunternehmen nicht wie in jedem anderen Unternehmen ein Wirtschaftsausschuß —, der gar keine Exekutiv-, sondern nur Informationsrechte hat — bestehen sollte. In diese Richtung — nicht völlige Streichung, sondern Gleichberechtigung auch für die Arbeitnehmer in der Druckindustrie — werden unsere sehr gemäßigten Vorschläge für die Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes gehen. Bitte unterstützen Sie uns in dieser Richtung, meine Damen und Herren!

(Abg. Dr. Wagner [Trier] : Und wie ist es bei der Mitbestimmung? Das ist viel wichtiger!)

Und die letzte Bemerkung im Rahmen der Diskussion um die Presse und dessen, was Sie, Herr Kollege Zimmermann, gesagt haben: Sie wissen von unserem Parteitag — es gibt einzelne, die anderes sagen —, daß die überwiegende Mehrheit dieser SPD beschlossen hat, das Pressewesen solle im Unterschied zum öffentlich-rechtlichen Rundfunkwesen privat organisiert sein. Dabei bleiben wir. Wir sind allerdings der Meinung, daß der Art. 5 nicht nur ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat darstellt — und da sind wir bei der Verfassungsdebatte —, sondern eine Teilhabegarantie ist und daß es sein kann, daß das in der Verfassung niedergeschriebene Grundrecht der Meinungsfreiheit durch die ökonomische Situation im Pressewesen kaputtgemacht wird. Deswegen müssen wir Medien-und Kommunikationspolitik betreiben. Deswegen ist sie notwendig: zum Schutz dieses Grundrechtes der Meinungsfreiheit für die vielen draußen im Lande. Deswegen machen wir Medienpolitik.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich sage also: Wir treten für ein privates Pressewesen ein, aber das unbeschränkte Eigentumsrecht an den Produktionsmitteln im Pressebereich — ob das jetzt in Regionalmonopolen ist, Herr Kollege Zimmermann, oder aber in Großkonzernen — findet dort seine Grenze, wo durch Mißbrauch der Besitztitel die freie und kontroverse Diskussion und Information der Bürger unterbunden wird. Das ist die Richtschnur unserer Medienpolitik.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Damit komme ich schon zu meiner letzten Bemerkung. Ich glaube, es war der Kollege Klein, der Peter von Oertzen von gestern zitiert und gesagt hat, Oertzen habe darauf hingewiesen, daß diese SPD sich gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen alle reaktionären Klassenkampfversuche von oben zur Wehr setzen werde. Darauf haben Sie gefragt: Was ist damit eigentlich gemeint? Das ist eine berechtigte Frage. Ich möchte Ihnen als ein Beispiel — glauben Sie mir, ich könnte Ihnen viele solcher Beispiele bringen — den Absatz — dies ist jetzt wieder nicht die Behauptung, das sei die CDU/ CSU — aus einem Leserbrief, der unkommentiert vor wenigen Wochen in der „Frankfurter Allgemeinen" stand, zitieren.

(Abg. Dr. Marx: Seit wann werden Leserbriefe kommentiert?)

Da stand folgendes:
Ich wünsche niemandem das Schicksal
— schrieb hier ein Bürger dieses Staates —des chilenischen Staatspräsidenten Salvador Allende. Aber wenn die Saat, die von den Schul- und Studienräten in Wiesbaden gesät wird,
— damit ist Ludwig von Friedeburg gemeint und all die, die mit ihm dies erarbeitet haben
allgemein aufgehen sollte, dann könnte man nur hoffen, daß sich auch bei uns einige Generäle finden, die solchem Fortschritt mit Hilfe der noch unverdorbenen Jugend ein unsanftes Ende bereiten.

(Abg. Dr. Hupka: Einer von 60 Millionen schreibt das! — Abg. Dr. Marx: Das war offenbar eine zynische Antwort auf Herrn Horn!)

Meine Damen und Herren, dies war die Äußerung eines Ordentlichen Professors der Jurisprudenz in Deutschland, mit vollem Namen gezeichnet in der „Frankfurter Allgemeinen".

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Wie heißt er denn?)

— Professor Dr. Harold Rasch.

(Abg. Dr. Marx: Das war wahrscheinlich eine zynische Antwort auf die Unterstellungen von Herrn Horn!)

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, noch einmal wiederholen: Nichts wäre alberner und kindischer, als nun zu sagen, die große andere Partei denkt so wie dieser Professor Rasch. Dies räume ich selbstverständlich sofort ein, Herr Marx.

(Abg. Dr. Marx: Das wäre auch schlimm! — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Warum zitieren Sie das denn hier?)

— Ich zitiere es, weil ich sage, daß, wer solche Gedanken im Kopf herumträgt, diese Verfassung gefährdet, und weil Sie das zur Kenntnis nehmen sollten,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] Das wissen wir doch! Wir sind doch beide gegen diese Leute!)

und weil ich zweitens befürchte, daß manches von dem, was mancher Redner in dieser Debatte gesagt hat, solche Leute ermutigen könnte, und weil ich das nicht will, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Wer will diese Leute denn ermutigen? Das war der schwächste Punkt! Abg. Dr. Hupka: Das war ein Abseits-Tor!)

Lassen Sie mich zum Abschluß folgendes sagen: Herr Kollege Maier hat gestern gesagt, er sei sehr dafür — damit hat er den Ministerpräsidenten von Hessen, Albert Osswald, zitiert —, daß man die Fahne zeige, aber — so sagte er unter großem Beifall von Ihnen — es sollte nicht die weiße Fahne sein.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein]: Die rote! — Abg. Dr. Hupka: Schwarz-rot-gold!)




Dr. Glotz
Meine Damen und Herren, ich stimme Ihnen zu, es sollte weder die weiße Fahne sein noch sollte es die rote Fahne sein. Ich würde überhaupt den Vorschlag machen: Lassen Sie uns gemeinsam weniger Fahnen flattern und Musik dazu spielen,

(Abg. Dr. Hupka: Feste feiern wollen wir doch!)

lassen Sie uns Reformen durchführen! Dann könnten wir uns vieles und auch viele kontroverse Diskussionen ersparen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708015900
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Debatte.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen für den Antrag der CDU/CSU — Drucksache 7/1481 — und den Antrag der SPD und FDP — Drucksache 7/1670 — Überweisung an folgende Ausschüsse vor: Rechtsausschuß — federführend —, Innenausschuß und Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — mitberatend —. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes
— Drucksachen 7/226, 7/365 —
Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache 7/1586 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wittmann (München) Abgeordneter Lambinus

(Erste Beratung 23. Sitzung)

Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe in der Fassung des Ausschußantrages Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe bitte! — Enthaltungen? — Einstimmig verabschiedet in zweiter Beratung.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke schön. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir haben noch über Nr. 2 des Ausschußantrags abzustimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung von Verfahrensmängeln beim Erlaß einiger Gesetze
— Drucksache 7/1000 —
Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache 7/1587 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dürr
Abgeordneter Erhard (Bad Schwalbach)


(Erste Beratung 51. Sitzung)

Wird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe die §§ 1 und 2 in der Fassung des Ausschußantrages, den § 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke schön. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Bestimmungen sind in der zweiten Lesung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von den Abgeordneten Mick, Dr. Schneider und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Belegung der Sozialwohnungen
— Drucksache 7/843 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/1544 —
Berichterstatter: Abgeordneter Simpfendörfer
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (15. Ausschuß)

— Drucksache 7/1445 —
Berichterstatter: Abgeordneter Polkehn (Erste Beratung 48. Sitzung)

Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß der Ausschuß vorgeschlagen hat, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 9 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Bestim-



Präsident Frau Renger
mungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist mit Mehrheit abgelehnt; dadurch erübrigen sich nach § 84 der Geschäftsordnung die weitere Beratung und Abstimmung.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Juni 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien über das Einlaufen von Reaktorschiffen in brasilianische Gewässer und ihren Aufenthalt in brasilianischen Häfen
— Drucksache 7/903 —
Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 7/1548 —
Berichterstatter: Abgeordneter Ewen (Erste Beratung 48. Sitzung)

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen "vom 1. September 1970 über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderungen zu verwenden sind (ATP)

— Drucksache 7/876 —
Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 7/1549 —
Berichterstatter: Abgeordneter Geldner (Erste Beratung: 48. Sitzung)

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1, 2 — in der Fassung des Ausschußantrags —, 3 und 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird ebenfalls mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über Statistiken des Personenverkehrs und der Kraftfahrzeugfahrleistungen 1974
— Drucksache 7/1005 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/1598 —Berichterstatter: Abgeordneter Möller (Lübeck)

b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 7/1564 —
Berichterstatter: Abgeordneter Vehar (Erste Beratung 54. Sitzung)

Wünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 11 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — In zweiter Beratung angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Geflügelstatistik
— Drucksache 7/1141 —
a) Bericht ides Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/1683 —Berichterstatter: Abgeordneter Möller

(Lübeck)

b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß)

— Drucksache 7/1602 -
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Orth

(Erste Beratung 64. Sitzung)

Wünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1, 2 und 3, sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.



Präsident Frau Renger
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (27. ÄndG LAG)

— Drucksache 7/1575 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß (federführend)

Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Zu einer Erklärung der Herr Abgeordnete Hofmann.

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0708016000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Beginn auf das Kuriosum dieser beiden 27. Lastenausgleichsnovellen eingehen. Die erste 27. Lastenausgleichsnovelle haben wir am 8. November 1973 in der dritten Lesung hier einstimmig verabschiedet. Die zweite 27. Änderung des Lastenausgleichsgesetzes liegt nun heute am 15. Februar 1974 zur ersten Lesung vor. Dies ist in der Tat ein Kuriosum. Beide Änderungsgesetzentwürfe werden von der CDU/CSU bzw. von der Landesregierung BadenWürttemberg eingebracht. Die Antragsflut der Opposition scheint etwas von der Karnevalswelle des Rheinlandes überspült worden zu sein. Das wirkt sich auf die Novelle zum Lastenausgleichsgesetz folgendermaßen aus: Am 22. März 1973 brachte das Land Baden-Württemberg die erste 27. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz im Bundesrat ein. Am 11. April 1973 folgte von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag die zweite 27. Lastenausgleichsnovelle.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Warum so polemisch, Herr Kollege!)

Am 19. Oktober 1973 endlich kommt das Land Baden-Württemberg mit der dritten 27. Lastenausgleichs-novelle im Bundesrat. — Das ist nicht polemisch, Herr Kollege. Das sind Tatsachen. Ich kann das nicht ändern.

(Abg. Dr. Wittmann [München] : Was wollen Sie damit sagen? — Zuruf des Abg. Dr. Czaja.)

Eine Novelle überrollte die andere Novelle. Wenn Sie jetzt meinen, ich sage etwas Polemisches, dann will ich das zugeben. Ich sage hier klipp und klar: Vier Wahlen im Lande verpflichten eben.
Doch lassen Sie mich zum Inhalt dieser vorerst letzten 27. Novelle kommen, die ja die erste war, aber vom federführenden Ausschuß für innere Angelegenheiten und vom Finanzausschuß des Bundesrates abgelehnt worden war. Mit dieser nun trotzdem neu vorliegenden Novelle versucht das Land Baden-Württemberg, eine Änderung bei der Unterhaltshilfeanpassung, Stichtagsänderungen und eine Nachversicherung der Unterhaltshilfeempfänger zu erreichen.
Zur Unterhaltshilfe ist folgendes zu erwähnen. Die CDU/CSU versucht nun zum wiederholten Male, die Dynamisierung der Unterhaltshilfeanpassung auf den 1. Juli 1973 vorzuziehen, obwohl der Deutsche Bundestag am 8. November 1973 einstimmig beschlossen hat, nach dem Stufenplan 1. Januar 1974, 1. Oktober 1974 und 1. Juli 1975 die Unterhaltshilfe wie die Kriegsopferrenten anzupassen. Dieser Anpassung stimmte der Vermittlungsausschuß, angerufen vom Land Baden-Württemberg, am 12. Dezember 1973 zu, und am 20. Dezember 1973 bestätigte der Bundesrat mit Mehrheit diese vorangegangenen Beschlüsse.
Ungeachtet dessen bringt vier Wochen später das Land Baden-Württemberg erneut den Antrag ein, die Unterhaltshilfeanpassung auf den 1. Juli 1973 vorzuziehen. Wie oft noch, muß ich fragen, werden Mehrheitsentscheidungen ohne Beachtung bleiben? Damit werden nicht nur der Bundestag, sondern auch die Demokratie strapaziert.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Die Verhältnisse haben sich geändert!)

— Ja, das Demokratieverständnis kann sich geändert haben, wenn Mehrheitsbeschlüsse dieses Hauses und des Vermittlungsausschusses und des Bunderates nicht mehr gelten. Dann hat sich, weiß Gott, was geändert hier.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Es ist eine neue Lage entstanden! — Zuruf des Abg. Dr. Czaja.)

Hinzu kommt, daß die Verkündung der Änderung der Anpassung in dem genannten Stufenplan bereits ansteht. In Art. 1 Nr. 6 wird eine Nachversicherung von Unterhaltshilfeempfängern angestrebt. Das wäre vielleicht vor 15 Jahren angebracht gewesen. Heute hat ein Teil der Vermögensgeschädigten seine Hauptentschädigung für die Nachversicherung verwandt. Soll das auch nachträglich vom Bund übernommen werden, oder trifft das nur die zukünftigen Antragstellungen? War die Nachversicherung aber auch immer ein Vorteil? Der Gedanke muß durchdacht werden. Sinnvoll wäre es nur, wenn sie 10- bis 12 000 Mark betrüge. Dieser nachgezahlte Betrag ist rasch verlustig gegangen, wie die Erfahrung zeigt, wenn der Nachversicherte und sein Ehegatte nach verhältnismäßig kurzer Zeit sterben. Die Rente wurde eingestellt, und die Hauptentschädigung war weg. Hätten diese Geschädigten zu ihrem Altersruhegeld Unterhaltshilfe bezogen, würden im Falle des Ablebens beider Ehegatten nur 10 % der bis dahin gewährten Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung angerechnet und die Erben erhielten den Rest der Hauptentschädigung. Folgt man nun diesen Gedankengängen, müßte der Ausgleichsfonds bzw. der Bund Gelder bewilligen, die für die Betroffenen völlig widersinnig oder unzweckmäßig angelegt wären.
Der dritte Kernpunkt dieses Gesetzentwurfes betrifft die Stichtagsänderungen. Die Mehraufwendungen beim Reparationsschädengesetz belaufen ,ich



Hofmann
nach Angabe des Landes Baden-Württemberg auf etwa 50 Millionen DM, die im Bundeshaushalt untergebracht werden müßten. Damit bin ich bei der Finanzierung bzw. bei den Mehraufwendungen, die dieser Gesetzentwurf mit sich brächte. Interessant dabei ist, daß im Gesetzentwurf die Mehranforderungen für die Vorziehung der Unterhaltshilfeanpassung als Gesamtsumme fehlen. Warum? Die Antragsteller kennen diese Zahl. Der Finanzausschuß des Bundesrates hat bereits am 28. Juni 1973 die dafür nötigen 700 Millionen DM genannt. Warum fehlen sie in diesem Antrag? Für die angestrebten Stichtagsänderungen werden im Gesetzentwurf 300 Millionen bis 500 Millionen geschätzt. Der Finanzausschuß des Bundesrates gibt 600 Millionen an und fügt hinzu, daß damit der Ausgleichsfonds frühzeitig erschöpft werde, was Rückwirkungen auf vergleichbare Gesetzesbereiche hätte.
Zur Nachversicherung der Unterhaltshilfeempfänger! Dazu heißt es im Gesetzentwurf: Die Nachversicherung von Unterhaltshilfeempfängern verursacht dem Ausgleichsfonds keine Kosten, sondern eine Entlastung. Offen und unausgesprochen bleibt, für wen diese Entlastung zur Belastung wird. Warum wird das verschwiegen? Woher kommen die Gelder für diese Entlastung? Der Finanzausschuß des Bundesrates stellt dazu erstens fest — ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —: Die finanziellen Auswirkungen dieses Vorhabens können zur Zeit weder von den zuständigen Bundesressorts noch von den zuständigen Länderressorts geschätzt. werden. Zweitens heißt es: Das Vorhaben ist daher nach den Grundsätzen einer geordneten Finanzpolitik nicht vertretbar. — Meine Damen und Herren, noch deutlicher kann das wohl nicht ausgesprochen werden. Dennoch wird der Gesetzentwurf vorgelegt.
Zusammenfassend kann zu der Finanzierung dieser 27. Änderung festgestellt werden: Auf den Bundeshaushalt kommen direkt 50 Millionen DM zu und auf den Ausgleichsfonds, d. h. indirekt auf den Bundeshaushalt, 1300 Millionen DM, zusammen also 1 350 Millionen DM. Dazu ist die unbekannte Summe zu rechnen, die zur Zeit von niemandem geschätzt werden kann. Das alles kommt zu der Milliardensumme, die durch die CDU/CSU-Anträge dem Haushalt aufgepackt werden soll, von dem die Opposition andererseits ständig behauptet, daß er zu groß sei.
Um die tatsächliche Situation im Lastenausgleichsbereich darzustellen, verweise ich auf die Niederschrift der Sitzung des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt vom 13. Dezember 1973, in der es heißt — und ich bitte, noch einmal zitieren zu dürfen , daß der Ausgleichsfonds, jedenfalls auf der Grundlage der geltenden Gesetzesfassung, bis 1978 seinen Verpflichtungen aus eigener Kraft wird nachkommen können. Ich wiederhole: Auf der Grundlage der geltenden Gesetzesfassung. Weiter heißt es:
..., während ab 1979 die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen mit insgesamt hohen Milliardenbeträgen aus dem Bundeshaushalt wird ausgeglichen werden müssen.
Ich komme nicht umhin, hier auf einen Zeitpunkt hinzuweisen. Der heutige Antrag beläuft sich auf 1 350 Millionen DM ohne die nicht schätzbaren Beträge. Dann liegt ein Antrag aus dem Lande Schleswig-Holstein mit 720 Millionen DM vor. Damit hätten wir bereits 2 Milliarden DM. Legen Sie nun diese 2 Milliarden DM zugrunde und nehmen Sie hinzu, was im Kontrollausschuß gesagt wurde, dann kann man davon ausgehen, daß wir nicht mehr bis zum Jahre 1978 aus eigener Kraft des Ausgleichsfonds hinkommen, sondern daß wir vielleicht im Jahre 1976, dem Zieljahr, Einschränkungen werden machen müssen. Meine Damen und Herren, selbst das scheint die Antragsteller nicht zu beeindrucken. Die CDU/CSU-Antragsinflation geht weiter.
Deshalb bitten wir zur weiteren Überprüfung dieses Gesetzentwurfs um Überweisung an den Innenausschuß als federführenden Ausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und an den Haushaltsausschuß.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708016100
Das Wort hat der Abgeordnete von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0708016200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zur Erklärung der Fraktion komme, ganz wenige Sätze zu den Ausführungen des Kollegen Hofmann zu machen.
Herr Kollege Hofmann, es wird die Betroffenen besonders interessieren, daß Sie hier nicht nur als Sprecher Ihrer Fraktion, sondern, soweit ich weiß, auch als Mitglied des Vorstands Ihrer Partei das Bemühen des Bundesrates, für den betroffenen Personenkreis eine Verbesserung zu schaffen, als karnevalistischen Scherz abgetan haben. Ich glaube, daß Sie sich damit selbst einen Dienst geleistet haben, den Sie bedauern werden, der aber vielleicht nicht ganz unzutreffend ist.
Sie haben auch vergessen, das Haus wahrheitsgemäß davon zu informieren — denn es können nicht alle das wissen -, daß die einstimmige Annahme des Stufenplans, von der Sie sprachen, erst geschah, nachdem der Antrag der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt worden war, die Leistungen termingleich mit den Sozialrenten anzuheben, wie es den Betroffenen von nicht unwesentlichen Ministern Ihrer Fraktion zugesagt worden war; ich darf an die von mir damals wörtlich zitierte Aussage des Bundesministers Franke erinnern.
Ich glaube, daß die nochmalige Forderung des Bundesrates nach Überprüfung dieser Gesetzgebung eigentlich doch uns allen - und ich bitte Sie sehr darum, das so zu verstehen — nur deutlich machen sollte, daß dort näher an der Basis, bei den Ländern erkannt worden ist, daß hier noch eine Dringlichkeit vorliegt, die durch die bisherige Gesetzgebung nicht gut berücksichtigt worden ist.
Aber ich glaube doch auch, Sie sollten überlegen, ob Ihre Bemerkungen in Richtung des Bundesrats angebracht waren, daß er nun noch einmal versuche, mit einem Antrag hier ein Gesetz, das vom



Freiherr von Fircks
Bundestag verabschiedet war, zu korrigieren, und daß das ein, wie Sie sagten, sehr merkwürdiges oder dubioses Vorhaben sei. Wollten Sie damit dem Bundesrat vorwerfen, ,daß er die Demokratie mißbrauche, wie Sie, glaube ich, sagten? Wir sollten hier doch wohl lieber die Dringlichkeit und das drängende Anliegen des Bundesrats und der Länder sehen und wirklich noch einmal ernsthaft miteinander überlegen, was getan werden muß.
Ich möchte dazu noch mein Bedauern zum Ausdruck bringen, daß anscheinend die Verbesserung der Situation (der Menschen, der Vertriebenen und Flüchtlinge und gerade derer, die von diesem Gesetz betroffen sind, auch das zuständige Ministerium oder die zuständigen Ministerien so wenig interessiert, daß keines dieser Ministerien heute bei der Aussprache vertreten ist.
Sie sprachen von den vielen Milliarden, die fehlen. Lassen Sie mich Sie daran erinnern, daß diese Bundesregierung ja schließlich Ende 1973 immerhin noch, soweit ich mich erinnere, 2,8 Milliarden DM ausgeben konnte, die im Haushalt 1973 zunächst einmal gar nicht vorgesehen waren. Es gibt also doch offensichtlich noch Möglichkeiten, die heute vom Haushalt allein und von der Haushaltsvorlage allein nicht ohne weiteres im voraus abzulesen sind.
Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Initiative des Bundesrats, mit dieser Gesetzesvorlage zur Verbesserung des Lastenausgleichsgesetzes selbst auf die schleppende Gesetzgebung einzuwirken. Die vorliegende Novelle zur Änderung und Ergänzung des Lastenausgleichsgesetzes fordert Verbesserungen bzw. Ergänzungen des Gesetzes, die die CDU/ CSU-Fraktion schon in dieser und in der vorigen Legislaturperiode hier und im Ausschuß gefordert hatte, aber eben leider vergeblich. Die Initiative auch des Bundesrates wird nun, so hoffe ich — ich darf das noch einmal unterstreichen —, allen deutlich machen, daß wir gemeinsam überlegen, gemeinsam beraten und gemeinsam zugunsten dieses Personenkreises handeln müssen. Es wird auch hoffentlich allen deutlich, daß das Problem sich durch Verzögern und Verschieben, wie es die Regierung mit diesen und anderen im Bereich des Lastenausgleichsgesetzes seit vier Jahren getan hat, nicht lösen läßt, sondern nur die soziale Gerechtigkeitsbalance in unserem Staat verschlechtert.
In seinen vier Kernpunkten spricht das Gesetz, wie der Kollege Hofmann schon ausführte, einmal die Vorziehung des Anpassungstermins für die Unterhaltshilfe-Empfänger an, zweitens die Verbesserung der Stichtagregelung für den Anwesenheitsstichtag und den Erbschaft-Nichtantrittsstichtag zum 31. Dezember 1974, drittens die Bereitstellung von Mitteln aus dem Härtefonds zur Nachversicherung von Unterhaltshilfe-Empfängern in der gesetzlichen Rentenversicherung und schließlich viertens die Einbeziehung ,der ehemaligen Angehörigen der deutschen Wehrmacht in Südosteuropa in die Leistungen des Reparationsschädengesetzes.
Die CDU/CSU-Fraktion erwartet, daß das in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 gegebene Wort der Regierung, das vom Innenminister hier und draußen im Land bekräftigt wurde und das von den Artikel- und Nachrichtenschreibern der SPD im besonderen auch immer wieder propagandistisch vertreten und unterstrichen wird, und zwar ebenfalls seit vier Jahren stereotyp, endlich durch Taten abgedeckt wird, die mehr sind als ein Nachziehen der Inflationskurve. Der Bundeskanzler erklärte damals — und er hat in seiner Regierungserklärung von 1972 auch ausdrücklich seine Aussagen von 1969 ja mit einbezogen; ich darf mit Genehmigung der Präsidentin zitieren —:
Die Bundesregierung bleibt sich ihrer Verantwortung für die Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten bewußt. Sie wird den Lastenausgleich und die Kriegsfolgengesetzgebung ... zu einem gerechten Abschluß bringen.
Diese schönen, väterlichen Worte, meine Damen und Herren, kann sich keiner anziehen, mit denen kann keiner seine sehr viel teurer gewordene Heizung bezahlen, die kann sich keiner aufs Brot schmieren, um auch nur den Lebensstandard zu halten, den er gestern gehabt hat, geschweige denn damit die versprochene Verbesserung der Lebensqualität vornehmen, falls darunter nicht nur ein Leben unter mehr sozialistischer Ideologie bei weniger sozialer Wirklichkeit verstanden werden soll.

(Abg. Dr. Marx: Sehr gut!)

Dieser Personenkreis soll anscheinend bei den Taten für eine Verbesserung der Lebensqualität unberücksichtigt bleiben.
Wie handlungswillig diese Bundesregierung im Gesamtbereich der Kriegsfolgengesetzgebung ist, demonstriert sie dadurch, daß sie den vom ganzen Hohen Hause geforderten, vom Innenausschuß mehrfach mündlich und schriftlich angemahnten Bericht zur Kriegsfolgengesetzgebung zum 1. Oktober 1973 nicht vorgelegt hat. Wie lange, so frage ich Sie, soll sich das Parlament eine solche Behandlung noch gefallen lassen, ohne ein deutliches Wort als Ganzes dazu zu sagen, so wie es der Vorsitzende des Innenausschusses namens des Innenausschusses dankenswerterweise mehrfach getan hat? Aber vielleicht ist der Jahrestag der gemeinsamen Entschließung dieses Hohen Hauses, der sehr bald ansteht, ein geeigneter Termin, um hierzu noch einmal etwas zu sagen.
Ich werde wegen der Zeit- und Geschäftslage im Hause auf die Begründung der Dringlichkeit der vier Kernpunkte des Antrags nicht näher eingehen; wir werden das im Ausschuß und notfalls in der zweiten Lesung nachholen. Aber eine Grundfrage aller Leistungsgesetze muß für alle hier im Hause heute schon klargestellt werden, damit wir nicht wieder von Experten sozusagen überrollt werden. Hier liegt ein Gesetzentwurf vor, dessen Verwirklichung im ganzen weder den Bund noch die Länder auch nur eine D-Mark kostet, sondern dabei werden sogar noch Mittel für den Fonds und damit für den Bundeshaushalt eingespart. Wenn dem nun, wie es der Kollege Hofmann versucht hat, entgegengehalten werden sollte, daß der Lastenausgleichsfonds zur Nachversicherung erst einmal in Vorlage gehen müsse, müßte ich hier feststellen, daß weder die



Freiherr von Fircks
CDU/CSU-Fraktion noch die Betroffenen Verständnis dafür haben würden, wenn die Regierung erst einmal den Fonds leerfegt, ja, ausplündert, um die inflationäre Entwicklung bei der Unterhaltshilferente zu finanzieren, und dann die eingetretene Misere als Ausrede dafür benutzt, daß sie diese Vorfinanzierung, die am Ende über 300 Millionen DM an Einsparungen bringt, nicht leisten kann.
Lassen Sie mich abschließend gerade heute, zwei Tage nach Abschluß der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst mit der Bereitschaft innerhalb von vier Verhandlungstagen, ca. 5 Milliarden DM mehr auszugeben, und zwar Jahr für Jahr, zur Geldfrage bei den noch notwendigen Verbesserungen im Lastenausgleich — ich denke besonders an die seit Jahren den Sowjetzonenflüchtlingen versprochene Frühverzinsung und den Entwurzelungszuschlag, an die Verbesserung der Entschädigungsrente und die Verbesserung der Hauptentschädigung, um nur die dringendsten Probleme zu nennen — noch ein persönliches Wort sagen.
Die Bundesregierung und die Kommission werden jetzt sehr schnell und sehr konsequent zu beweisen haben, ob sie bereit sind, nur dort soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, wo hinter den Forderungen Menschen in einem Lebensalter und an einem Arbeitsplatz stehen, die durch Machtdemonstration ihre Forderungen nach gerechtem Lohn oder sozial notwendiger Anhebung einer Ausbildungsförderung erzwingen können, wie jetzt bei den Streiks im öffentlichen Dienst oder bei der Gewaltandrohung während der Studentendemonstrationen, oder ob sie aus moralischer Verantwortung gewillt sind, auch gegenüber denjenigen sozial zu handeln, denen, weil sie ihr Arbeitsleben bereits hinter sich haben und weil sie es aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen, Gewalt anzudrohen oder auch nur eine Fensterscheibe zu zerschlagen, solche Mittel nicht zur Verfügung stehen.
Ich beantrage namens der Fraktion der CDU/CSU Überweisung des Gesetzentwurfs gemäß dem Vorschlag des Ältestenrates.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708016300
Ich danke den Sprechern der Fraktionen für ihre Erklärungen.
Auf Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Innenausschuß — federführend —, dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung
— Drucksache 7/1550
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Auf Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Rechtsausschuß überwiesen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung
— Drucksache 7/1590 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Rechtsausschuß
Hierzu wünscht der Herr Abgeordnete Scheu eine Erklärung abzugeben. Wir wären alle sehr dankbar, wenn sie möglichst kurz wäre.

Adolf Scheu (SPD):
Rede ID: ID0708016400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, diesem Wunsche nachzukommen. Das ganze Paket meiner Unterlagen habe ich ohnehin auf meinem Platz gelassen. Es gibt aber bestimmte Gründe dafür, zu diesem Gesetzentwurf ein paar Bemerkungen zu machen. Eine etwas intensivere Aufklärung über die Gesamtzusammenhänge und über das in der Offentlichkeit vieldiskutierte Thema des Maklerunwesens kann ja noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Der vorliegende Gesetzentwurf soll nichts anderes bewirken, als die Möglichkeit zu schaffen, das Maklergesetz, das wir in der letzten Legislaturperiode beschlossen haben, endlich zur vollen Durchführung zu bringen. Die Durchführung des Maklergesetzes von 1972 bereitet den Behörden vor allem in vier Punkten noch Schwierigkeiten, weil das Gesetz keine genügende Rechtsgrundlage gibt. Ich möchte diese vier Punkte hier in aller Kürze herausstellen.
Erstens. Der Makler muß das ihm anvertraute Geld auf ein Sonderkonto bei einem Kreditinstitut einlegen.
Zweitens. Der Makler ist zur Buchführung verpflichtet und muß jederzeit bereit sein, die Bücher durch einen Wirtschafts- oder Steuerprüfer prüfen zu lassen. Im Hinblick auf diese Regelung gab es in den Verhandlungen mit den Ländern Schwierigkeiten, was sich dann bei der Durchführung des Gesetzes auswirkte.
Drittens. Der Makler wird verpflichtet, seinen Klienten Sicherheit zu geben oder eine Versicherung für sie abzuschließen.
Viertens. Der Makler darf Gelder in Zukunft nur noch objektgebunden verwenden. Er darf also nicht mehr das bekannte Revolving-System anwenden, bei dem Millionen von D-Mark von kleinen Leuten für ein bestimmtes Objekt eingezogen und dann für ein anderes Objekt verwendet werden. Ich will die Einzelheiten jetzt gar nicht näher ausführen. Um diese scharfe Geißel gegen unseriöse Geschäftemacher unter den Maklern, die vorwiegend Bauträger, Bauvermittler und Anleihevermittler sind, einsetzen zu können, ist dieses Gesetz mit einer gewissen Dringlichkeit zu beraten. Im Namen der Koalitionsfraktionen bitte ich darum, daß die beiden Ausschüsse, denen der Gesetzentwurf auf Vorschlag des Ältestenrates überwiesen werden soll, zügig arbeiten,



Scheu
damit das Maklergesetz von 1972 voll angewendet . werden kann, die unseriösen Elemente aus diesem Berufskreis herauskommen und der Maklerberuf so wieder zu seinen alten Ehren kommen kann.
Kürzer konnte ich es bei bestem Willen nicht machen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0708016500
Wir bedanken uns ausdrücklich für die Kürze der Ausführungen. Weitere Wortmeldungen hierzu? — Das ist nicht der Fall.
Auf Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 13 bis 15 sowie den Zusatzpunkt 2 zur Tagesordnung auf:
13. Erste Beratung des von den Abgeordneten Hölscher, von Schoeler, Biermann, Glombig und den Fraktionen der FDP, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
— Drucksache 7/1588 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vieh- und Fleischgesetzes
— Drucksache 7/1570 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
15. Erste Beratung des von den Abgeordneten Geisenhofer, Dr. Riedl (München), Schmidhuber, Dr. Wittmann (München), Dr. Kreile, Dr. Müller (München), Dr. Probst, Höcherl, Orgaß, Damm, Rollmann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften in der kreisfreien Stadt München und im Landkreis München sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg
— Drucksache 7/1576 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Zusatzpunkt 2.
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schöfberger, Schmidt (München), Bredl, Marschall, Vahlberg, Frau Dr. Riedel-Martiny, Staak (Hamburg), Dr. Apel, Pawelczyk, Glombig, Engelhard, Frau Schuchardt und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften in der kreisfreien Stadt München und im Landkreis München sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg
— Drucksache 7/1671 —
Überweisungswunsch:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Das Wort hierzu wird nicht gewünscht.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Vierten Wohngeldberichts der Bundesregierung
— Drucksache 7/1563 —Überweisunqsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

Haushaltsausschuß
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Auf Vorschlag des Ältestenrates soll der Bericht dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — federführend — und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP betr. Novellierung des Tierzuchtgesetzes
— Drucksachen 7/1090, 7/1603 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Schröder (Wilhelminenhof)

Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — So beschlossen.
Ich rufe die Punkte 18 bis 20 der Tagesordnung auf:
18. Beratung des Antrags des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden
— Drucksachen 7/1286, 7/1552 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

19. Beratung des Antrags des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden
— Drucksachen 7/1276, 7/1553 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)




Präsident Frau Renger
20. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Innenausstattung von Kraftfahrzeugen (Widerstandsfähigkeit der Sitze und ihrer Verankerung)
— Drucksachen 7/856, 7/1565 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Oetting
Wünscht ein Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. — Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die Punkte gemeinsam abstimmen? — Das ist der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke schön. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 20. Februar 1974, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.