Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Vorlagen ergänzt. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Ich schlage vor, daß wir diese Punkte sofort behandeln und über die auf den Drucksachen 7/845 und 7/846 vorliegenden Anträge der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe also die Zusatzpunkte 1 und 2 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU betr. Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle"
— Drucksache 7/845 —
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk"
— Drucksache 7/846 —
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge auf diesen beiden Drucksachen. Wer den Anträgen zustimmen will, der gebe sein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Anträge sind einstimmig angenommen. Damit sind die Mitglieder der Rundfunkräte der Anstalten des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk" gewählt.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, meine Damen und Herren, daß für die heutige Fragestunde nur noch der Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen mit vier Fragen zur Beantwortung ansteht. Die Fragestunde wird daher voraussichtlich nur kurze Zeit in Anspruch nehmen. Ich möchte Sie daher bitten, sich darauf einzurichten, daß die Beratungen nicht erst um 14 Uhr, sondern unmittelbar nach Beantwortung dieser vier Fragen fortgesetzt werden.
Wir kommen nun zu Punkt III der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1973
— Drucksachen 7/250, 7/599, 7/721 bis 7/748 —
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
— Drucksache 7/839 —
Dazu eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Traditionsgemäß ist die Haushaltsdebatte eine allgemeinpolitische; denn ohne Geld gibt es keine Politik. Ich will deshalb auch sofort auf den politischen Kern der Haushaltsdiskussion hinweisen.Herr Kollege Barzel hat aus seiner Sicht auf diesen Kern bereits anläßlich der ersten Lesung des Bundeshaushalts verwiesen. Er machte seinerzeit die Entdeckung, daß die Sozialdemokraten ein anderes Ordnungsbild als die Unionsparteien haben. Vielleicht hätte er seiner Partei vieles erspart, wenn er dieses Politikum schon früher so offen herausgestellt und daraus die entsprechenden Konsequenzen gezogen hätte. Wie dem auch sei: Politik besteht darin, daß man ein eigenes Ordnungsbild hat, und erfolgreiche Politik besteht darin, daß man ein besseres Ordnungsbild besitzt als die politischen Gegner.Nachdem ich die verschiedenen Äußerungen der Opposition zum Bundeshaushalt 1973 zur Kenntnis nehmen mußte und mir auch noch einmal die Debatte zur ersten Lesung vor Augen geführt habe, bleibt festzuhalten, daß es offenbar große Schwierigkeiten bereitet, für die Unionsparteien ein einheitliches und verbindliches Ordnungsbild zu entdecken.Bei diesem Bundeshaushalt war und ist der Hauptangriffspunkt Ihrer Kritik die von Ihnen behauptete Nicht-Konformität von Konjunktur und Budget.Der Bundeshaushalt 1973, ergänzt durch die stabilitätspolitischen Maßnahmen vom Mai, steht unter dem Zeichen angestrengter Bemühungen um Stabilität und Konjunkturgerechtigkeit. Die Bundesregierung hat immer wieder bewiesen, daß sie ihre
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2674 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. MöllerVerantwortung für die gesamtwirtschaftliche Konjunktursteuerung sehr ernst nimmt und die hier gestellten Aufgaben im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten mit großer Sorgfalt erfüllt. Gestatten Sie mir, hierzu der CDU CSU-Bundestagsfraktion — sie hört es allerdings zum wiederholten Male — folgendes zu sagen:Sie befinden sich in einem Widerspruch, wenn Sie weniger Staatsaktivität und mehr Unternehmerfreiheit, geringere Steuern und mehr Staatsleistung verlangen. Trotzdem erwarten Sie, daß der Staat das — gesamtwirtschaftlich gesehen — Fehlverhalten von Unternehmern und Privaten korrigiert.Ich habe mich deshalb besonders gefreut, daß Herr Dr. Sohl, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, in einem Schreiben an die Mitgliedsverbände und Landesvertretungen des BDI vom 12. Juni 1973 folgende Bitte gerichtet hat:Deshalb richte ich folgenden Appell an Sie: Jeder, der Entscheidungen trifft, die Auswirkungen auf Kosten, Preise und öffentliche Ausgaben haben, sollte heute schon von einem Erfolg des Programms ausgehen.Gemeint ist das Stabilisierungsprogramm dieser Bundesregierung. — Und Herr Sohl fügt einen letzten Satz hinzu:Für uns heißt das im Sinne meiner Mahnung in Stuttgart, strengste Maßstäbe in der Kalkulation anzulegen.Wir sind offenbar an einem Punkt gekommen, wo das marktwirtschaftliche System eine sehr schwere Bewährungsprobe zu bestehen hat. Rudolf Herlt schreibt in der „Zeit" vom 8. Juni 1973:Adam Smith mag sich angesichts der gegenwärtigen Krise des marktwirtschaftlichen Systems im Grabe umdrehen. Dieses freiheitliche System funktioniert nur, wenn ein Mindestmaß an Vertrauen alle beteiligten Gruppen daran glauben läßt, daß sie das gleiche Ziel verfolgen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, tatsächlich die Marktwirtschaft erhalten wollen, kann ich nicht verstehen, wieso nicht gerade Sie die Stabilitätsvorschläge der Bundesregierung voll unterstützen, daß Sie vielmehr durch Ihr Verhalten die Stabilitätspolitik immer wieder gefährden. Aber vielleicht sind Sie auf eine besondere Weise Anhänger der Marktwirtschaft, indem Sie die Hoffnung pflegen, daß eine große Krise Sie wieder an die Macht bringen könne.
Diese Krise aber, meine Damen und Herren von der Opposition, wird nicht stattfinden,
weil die Bundesregierung den festen Willen und die Fähigkeit hat,
den drängenden Fragen mit Sachverstand undZähigkeit zu begegnen. Wir sind gewiß, daß unserVerhalten -- Ihrer Obstruktion zum Trotz — von allen Gutwilligen richtig verstanden wird.
— Sie könnten sich — und deswegen habe ich das Zitat gebracht — ein Beispiel nehmen an dem Rundschreiben, das der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie am 12. Juni an die Mitgliedsverbände gerichtet hat. Sie werden ja nicht gerade behaupten, daß Herr Sohl ein Anhänger dieser Bundesregierung und dieser Koalition ist. Es gibt aber in so schwierigen Situationen Persönlichkeiten, die aus der parteipolitischen Schablone herauswachsen und die das große Ganze für das deutsche Volk und für die Wirtschaft für wichtiger halten als kleinkarierte parteipolitische Interessen.
— Ich glaube, Herr Kollege van Delden, Sie haben in dem Punkt Versicherungen einen Komplex, den ich als Bundestagsabgeordneter nicht zu heilen vermag. Es gibt andere Berufe, die dafür zuständig sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Möller, haben Sie bei diesen Worten auch an die Entscheidungen gedacht, die Sie an der Wende Februar/März 1970 durch Ihre Fraktion nicht haben treffen lassen, sondern bis nach den Landtagswahlen im Sommer 1970 verschoben haben?
Ach, Herr von Bismarck, das sind doch nun wirklich alte Kamellen.
— Sie verstehen, Herr Kollege von Bismarck, doch etwas von Wirtschaft. Wir mußten im Spätherbst 1969 verspätet die D-Mark-Aufwertung vornehmen. Sie werden doch zugeben, daß man im Hinblick auf weitere binnenwirtschaftliche Maßnahmen zunächst einmal verläßliche Daten abwarten mußte. Daß solche Daten zu diesem Zeitpunkt nicht vorlagen, können Ihnen alle Sachverständigen bestätigen. Bei einem Vorgang wie der D-Mark-Aufwertung hat man, nicht zuletzt auch angesichts der von Interessenten immer wieder aufgestellten Behauptung, das
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllersei der Todesstoß für den Export, besonders vorsichtig zu operieren. Das war damals die Pflicht der Bundesregierung, und das war auch die Pflicht des damals amtierenden Bundeswirtschaftsministers.
Meine Damen und Herren, Bund und Länder sind nach § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft verpflichtet, bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten und durch den gezielten Einsatz des haushalts-, kredit- und steuerpolitischen Instrumentariums zur Steuerung der Konjunktur und des Wirtschaftswachstums beizutragen. Die Verwendung der Worte „beachten" und „beitragen macht deutlich, daß die Bundesregierung nicht die alleinige Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung innehat. Vielmehr haben die Handlungsmöglichkeiten anderer Entscheidungsträger in der Wirtschaft — auch außerhalb unserer Grenzen — einen unabhängigen, aber um so gewichtigeren Einfluß. Ich nenne die Tarifpartner, die Anbieter und Nachfrager im Inland und insbesondere auch im Ausland, alle öffentlichen Körperschaften und die Deutsche Bundesbank als autonome Hüterin unserer Währung. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, macht aber deutlich, daß die unterschiedlichen Interessenlagen zu Konflikten führen müssen, die in einem demokratischen Staatswesen nicht auf dem Verordnungswege beseitigt werden können.Daher ist die in § 2 Abs. 1 des Stabilitätsgesetzes aufgestellte Forderung, durch „gleichzeitiges, aufeinander abgestimmtes Verhalten" die wirtschaftliche Entwicklung vorauszubestimmen, nach allen in diesen Jahren gemachten Erfahrungen geradezu eine Überschätzung der, wie manche meinen, grenzenlosen Einflußmöglichkeiten staatlicher Wirtschaftspolitik. Das Verhalten aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten resultiert in unserer Wirtschaftsordnung in erster Linie aus der Eigenverantwortlichkeit, deren Beeinflussung sich weitgehend staatlichen Regelmechanismen entzieht. Auch Institutionen, die dazu geschaffen wurden, diese „offene Flanke" zu schließen — ich erinnere an die „Konzertierte Aktion" —, sind überfordert. Seit der Verkündung des Stabilitätsgesetzes vor sechs Jahren sieht sich jede Bundesregierung übersteigerten Erwartungen ausgesetzt, wenn es um die in § 1 genannten wirtschaftspolitischen Ziele geht.Zu der schon genannten Entscheidungsfreiheit der unabhängigen Wirtschaftssubjekte kommt noch eine Anzahl anderer Komponenten hinzu, die jedem, der in ökonomischen Denkkategorien zu urteilen vermag, verdeutlichen, wie unsinnig es ist, dem Bundeshaushalt eine Lückenbüßerfunktion zumuten zu wollen.
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hat die Finanzplanung der Bundesregierung kürzlich als Skandal bezeichnet. Ich muß Ihnen sagen, das ist eine Kritik, die vor Ihnen noch keiner Bundesregierung widerfahren ist.
— Sie ist auch dieser Bundesregierung nicht widerfahren; aber das hat Professor Carstens nicht gemerkt.
Ich möchte glauben, daß es in der gesamten westlichen freien Welt — von den anderen Staaten will ich in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen — keinen Parallelfall dafür gibt, daß das von der Bundesregierung selbst eingesetzte Gremium zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die Maßnahmen der Regierung als Skandal bezeichnet.Ich kann nur sagen: Ich kenne keinen Parallelfall, daß der Vorsitzende einer großen Fraktion zu solchen Fehlschlüssen kommt auf Grund einer von ihm aufgestellten Behauptung, die völlig falsch ist und die sich in dem Gutachten des Sachverständigenrates nicht befindet.
Ich muß fragen: Warum haben Sie, Herr Kollege Carstens, noch keine Erklärung abgegeben, in der Sie bedauern, daß Ihnen — ich formuliere jetzt sehr zurückhaltend — ein solches Malheur passiert ist?
— Meine Damen und Herren, wenn Sie eine solche Vorhaltung mit Lachen quittieren, könnte man elegische Betrachtungen über die Parlamentsmoral anstellen.
Man muß immer wieder feststellen, daß Sie in weit weniger wichtigen Dingen sehr empfindlich sind. Ich meine, es gehört doch zur Sauberkeit und zur Fairneß in diesem Parlament,
daß man sich von einer Erklärung distanziert, die auf einer, wie ich sagen möchte, völlig falschen Voraussetzung basiert.
— Mein sehr verehrter Herr Kollege, ich kann das Wort „Sauberkeit" ebenso wie jeder Kollege aus meiner Fraktion sehr wohl in den Mund nehmen.
Bleiben wir doch bei diesem ganz konkreten Fall. Wenn Sie das, was ich hier — sehr vorsichtig formuliert — vorgetragen habe,
mit Lachen quittieren, kann ich wohl Zweifel anmelden, wenn Sie einen Zwischenruf machen, der sich auf Sauberkeit bezieht.
Ich bin überzeugt davon, daß Herr Kollege Carstens hierauf reagieren wird. Auf diese Reaktion bin ich ebenso wie meine Fraktion sehr gespannt.
— So weit kann es in der kurzen Zeit seiner Fraktionsführung nicht gekommen sein, daß Herr Carstens nicht auf sein eigenes sauberes Urteil vertraut, wenn er hier im Parlament eine solche Frage gestellt bekommt.
Ich sage das auch deswegen, weil es wichtig ist, daran zu denken: Wehret den Anfängen!
Meine Damen und Herren, zur Institution des Finanzplanungsrats möchte ich noch kurz auf folgendes hinweisen. Wie die Ergebnisse der Tätigkeit aller vergleichbaren koordinierenden Gremien, die selbst keine Entscheidungsbefugnisse haben, so sieht auch das Ergebnis der Tätigkeit des Finanzplanungsrates in den Augen jener bescheiden aus, die diese Tätigkeit unter wirklichkreitsfernen Voraussetzungen und Zielvorstellungen betrachten. Gemessen an den verfassungsmäßigen Grenzen und realen Gegebenheiten ist das, was der Finanzplanungsrat in den wenigen Jahren seiner Tätigkeit bereits erreicht hat, ein echter Fortschritt in Richtung einer BundLänder-Zusammenarbeit, die sich von den Grundsätzen eines kooperativen Föderalismus leiten läßt.
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. MöllerGerade im Hinblick auf die gesetzestechnische Abwicklung der beiden Stabilitätsprogramme dieser Bundesregierung verweise ich auch auf die erfolgreichen Vermittlungsergebnisse, die im Bundesrat bzw. im Vermittlungsausschuß erzielt werden konnten.Die Opposition versucht selbst heute noch — wohl mehr wegen der fehlenden eigenen Alternative —, die Fiktion von der Finanzkrise aufrechtzuerhalten. Sie unterliegen Wunschträumen, wenn Sie meinen, der Bevölkerung durch ständiges Beschwören eine Finanzkrise einreden zu können; Sie sagen, es stünde schlecht um Wirtschaft und Staatsfinanzen.
Ich erinnere mich gut an die Äußerungen des Herrn Kollegen Strauß im August vorigen Jahres, daß die Bundesregierung versuche — ich zitiere — „in einem großangelegten Täuschungsmanöver die Krise der Staatsfinanzen bis zum Wahltag zu vertuschen".
— Nein, wie kann ich das heute morgen gelesen haben?
— Das Klasen-Interview? Nein!
— Ich bin sehr gespannt darauf, was es enthält.
— Ich stehe früh genug auf, Herr von Bismarck. Im übrigen braucht das nicht Ihre Sorge zu sein.In den gleichen Tagen stellte die CDU/CSU warnend fest — ich zitiere wieder —:Der Ausgabenbedarf wächst ins Unermeßliche. Die Defizitlawine rollt. Selbst bei jährlichen Steuererhöhungen in Milliardenhöhe, von denen diese Bundesregierung immer häufiger spricht, ergibt sich ein stabilitätspolitisch unvertretbarer Kreditbedarf.So weit das Zitat.Es ist wohl die Frage erlaubt, ja, sie drängt sich auf, ob die Urteile der Opposition über die heutige Finanzpolitik zutreffender sein sollen als die dauernden offensichtlichen Fehlurteile der Vergangenheit.Meine Damen und Herren, da Ihnen inzwischen offensichtlich klar wurde, daß Sie in politisch nicht zu verantwortender Naivität in der Außenpolitik die einzige Partei in Europa sind, die noch immer auf einen Zug wartet, der schon längst abgefahren ist, hoffen Sie in ,der Innenpolitik — und hier speziell bei ,den öffentlichen Finanzen — einen Ansatzpunkt zur Bekämpfung der Bundesregierung zu fin-den. Mit einer solchen Strategie offenbaren sich Symptome des eingebildeten Kranken: Wenn man nur lange genug von der Krise redet und an sie glaubt, bestehe sie schließlich tatsächlich.
Daß Sie mit dieser Verunsicherungskampagne der Sache einen schlechten Dienst erweisen und der Ausbreitung einer unerwünschten Mentalität Vorschub leisten, sollte den verantwortlichen Politikern unter Ihnen Veranlassung geben, diese „Strategie" neu zu überdenken.Von Krise oder Finanzchaos kann überhaupt keine Rede sein. Ganz im Gegenteil! Die Anforderungen des Bürgers an seinen Staat werden quantitativ und qualitativ immer größer, und die Leistungskraft des Staates kommt mehr denn je dem Bürger zugute.
Der Hauptpunkt der von Ihnen vorgebrachten Kritik richtet sich gegen die absolute Größe des Bundeshaushalts selbst und gegen die Zuwachsraten speziell unter dem Aspekt der Konjunkturpolitik. Warum diese Kritik generell nicht stichhaltig sein kann, habe ich bereits dargelegt. Warum diese Behauptung auch im einzelnen falsch ist, will ich wenigstens noch kurz erläutern.Die Herren Kollegen Leicht und Althammer haben sich zu diesem Thema nach Abschluß der Beratungen im Haushaltsausschuß als erste geäußert. Dabei ist mir aufgefallen, daß sie plötzlich das Steigen der Staatsausgaben bedauern, während die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion ohne Hemmungen immer wieder Anträge auf Mehrausgaben stellt. Ich sage das nur der guten Ordnung halber und weil ich das Wort des Herrn Kollegen Carstens von der Glaubwürdigkeit noch im Ohr habe. Diese Taktik, meine Herren von der Opposition, ist zu offenkundig, als daß sie zum Erfolg führen könnte.Wenn ich nun auf die Behauptungen antworte, die Ausgaben des Bundes stiegen um 13 %, wie es der Sachverständigenrat angibt, so ist zunächst festzustellen, daß das Gutachten veröffentlicht wurde, bevor das zweite Stabilitätsprogramm erstellt war. Die Voraussetzungen haben sich also inzwischen geändert.Weiter wird von Ihnen behauptet, das Wachstum des Bundeshaushalts sei fast dreimal so hoch wie das voraussichtliche Wachstum des realen Bruttosozialprodukts, d. h. des in Zahlen gemessenen Leistungsvermögens unserer Volkswirtschaft zu gleichbleibenden Preisen. Man kann nun wirklich nicht den nominellen Anstieg der Staatsausgaben mit dem realen Anstieg des Bruttosozialprodukts vergleichen. Entweder nehmen Sie beide Male reale oder beide Male nominale Werte. Der Bundeshaushalt bleibt von Preissteigerungen leider auch nicht verschont. Folglich vergleichen Sie Größen miteinander, die so nicht vergleichbar sind. Hier stellt sich die Frage: Was wollen Sie eigentlich mit derartigen Rechenkunststücken bezwecken? Sicher wieder nur die Verunsicherung der Öffentlichkeit.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2679
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. MöllerDann noch einmal ein Wort zur Frage der Rentenversicherung. Beim Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz, das gestern von der Opposition angesprochen wurde, geht es doch darum, sicherzustellen, daß Arbeitnehmer, die Ruhegeld erhalten, sich auch zur Ruhe setzen und nicht beides auf einmal tun: sich pensionieren lassen und unbegrenzt weiterarbeiten. Das war ein Widerspruch in sich, und es war unsere Pflicht, diesen Unsinn zu beseitigen.
— Na, seien Sie doch nicht so naiv! Sie wissen doch ganz genau, wie die Situation im Sommer vorigen Jahres gewesen ist.
— Ich würde mir wünschen, Sie machten so oft die von Ihnen verursachten Fehler schnellstens wieder gut, wie das bei uns der Fall ist.
Was nun die gesetzlich festgelegten Staatszuschüsse zur Rentenversicherung betrifft, so kann von einer Kürzung nicht die Rede sein. Es handelt sich um die Stundung eines Teilbetrages der Zuschüsse an die Sozialversicherung. Dabei wird argumentiert, daß der Bund durch diese Maßnahme eine „eigentlich" erforderliche Kreditaufnahme vermieden habe. Dazu möchte ich persönlich feststellen:Erstens. Der Bund hat in diesem Umfang keine zusätzlichen Kredite aufgenommen.Zweitens. Die Rentenversicherung benötigt zum gegenwärtigen Zeitpunkt diese Mittel nicht.Drittens. Hätte der Bund statt einer Stundung eine endgültige Kürzung vorgenommen, so würde sich im Bundeshaushalt nichts ändern.Geht man bei der Beurteilung der Stundung eines Teils der Zuschüsse an die Rentenversicherung von dem Gesamtbild der öffentlichen Haushalte aus, so ist noch folgendes hervorzuheben: Würde der Bund zusätzliche Barleistungen an die Sozialversicherung durch Kreditaufnahmen finanzieren, so hätte die Sozialversicherung höhere Reserven angesammelt, die sie — wie üblich — auf dem Wege der Kreditgewährung „anlegt". Der Finanzierungssaldo des öffentlichen Gesamthaushalts hätte sich dadurch nicht geändert. Aber das Volumen der Kreditmarkttransaktionen ware aufgebläht worden — eine Entwicklung, die unter den gegenwärtigen konjunktur-und insbesondere kreditpolitischen Zielsetzungen nicht erwünscht sein kann. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis!Die Unterstellung, wegen der Stundung der Zuschüsse an die Sozialversicherung hätte der Bund zusätzliche Ausgaben leisten können, trifft den Sachverhalt nicht und ist daher falsch. In diesem Zusammenhang hat in keiner Weise eine Ausgabenerhöhung stattgefunden.Die Vorwürfe wegen der Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung von 17 auf 18 Prozent sind völlig unverständlich, weil die Opposition diesen Beschluß selbst mit zu vertreten hat. Die Entscheidung darüber wurde noch unter Mitverantwortung der CDU/CSU in der Großen Koalition gefällt. Die Gründe für die Erhöhung waren ausgewogen, denn es galt, die weitere Entwicklung der Rentenversicherung unter langfristigen Gesichtspunkten des Altersaufbaus zu gewährleisten.Dann, meine Damen und Herren von der Opposition, kritisieren Sie die investiven Ausgaben im Regierungsentwurf und der mittelfristigen Finanzplanung bis 1976. Anstoß nehmen Sie an der unterproportionalen Zunahme im Verhältnis zu den Gesamtausgaben. So nimmt der Anteil der investiven Ausgaben an den Gesamtausgaben in den Jahren 1973 bis 1976 von 16,6 v. H. über 16,0 v. H., 15,8 v. H. auf 15,2 v. H. geringfügig ab. Dabei handelt es sich aber bei den Zahlen von 1974 bis 1976 — und das übersehen Sie wieder einmal — um Angaben aus der Sicht der jetzt vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung.Ihre Vorwürfe zu den investiven Ausgaben sind unberechtigt. Zunächst einmal verweise ich auf die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vom 3. April 1973, in der zu Recht daraufaufmerksam gemacht wird, daß die sogenannte Investitionsquote kein brauchbarer Maßstab für die Bewertung der staatlichen Aufgabenerfüllung und schon gar nicht ein Maßstab für eine Politik der Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur sein kann.Prinzipiell ist es die Absicht dieser Kritik, konsumtive Ausgaben als unproduktiv zu bezeichnen und investiven Ausgaben eine Vorrangstellung einzuräumen. Eine derartige Wertung führt aber zu der Kuriosität, daß zum Beispiel bestimmte sozialpolitische Ausgaben gegenüber Bauinvestitionen benachteiligt werden müßten. In der Praxis würde das dazu führen, daß man den Bau von Kindertagesstätten fördern und dann die Folgekosten im Personalbereich als konsumtive Ausgaben zu beklagen hätte. Dabei ist doch einleuchtend, daß eine sinnvolle Nutzung der erstellten Einrichtungen — beispielsweise auch bei Hochschulbauten — zu konsumtiven Ausgaben führen muß. Beide Arten der Ausgaben bedingen einander und sind untrennbar miteinander verbunden.In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird nur das Wachstum der materiellen Güterproduktion bilanziert. Diese quantitative Denkweise laßt außer acht, daß es gerade heute mehr auf qualitative Merkmale ankommt. Ich erinnere an die immer stärker werdenden Bedürfnisse des Bürgers beim Umweltschutz und bei den Produktions- und Lebensbedingungen generell.Zur Beurteilung der Effektivität der öffentlichen Mittelverwendung hat eine Unterscheidung in investive und nicht-investive Ausgaben nicht mehr die frühere Bedeutung. Die Fragestellung nach der Höhe der investiven Ausgaben bleibt in unserer
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2680 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerheutigen Situation schon im Ansatz zweifelhaft und führt zu keiner sachgerechten Analyse.In einem weiteren Punkt bemängelt die Opposition die fehlende Leistungsfähigkeit der Verwaltung und sieht darin einen zusätzlichen Faktor unnötiger Staatsausgaben. Es gibt zwar Verbände, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als hierfür besonders extreme Beispiele aufzudecken oder zu erfinden. Meine Damen und Herren, die Sozialdemokratie gehört weiß Gott nicht zu den Erfindern der staatlichen Verwaltung, die ich aber gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz nehmen muß. Natürlich gibt es hier und dort Mißstände, die jedoch nicht größer sind als in irgendeinem privatwirtschaftlich geführten Betrieb. Der Unterschied ist nur der, daß der Staat sämtliche Aktivitäten offenlegt, während Privatunternehmen das nur sehr begrenzt zu tun pflegen.Sie können jeden Tag in der Zeitung von Fehlinvestitionen der Wirtschaft lesen. Daß so etwas auch im staatlichen Bereich vorkommen kann, ist höchst bedauerlich, darf uns aber nicht verwundern. Hier große Einsparungen zu erwarten wäre eine bald welkende Hoffnung. Ich verweise auf den Bundesrechnungshof, unser Kontrollorgan, dessen kritischer Sachverstand und objektive Zuverlässigkeit unbestritten sein dürften. Insgesamt schneidet die öffentliche Verwaltung in der Beurteilung des Bundesrechnungshofes erstaunlich gut ab. Wer mehr will, müßte sich um eine ausreichende technische Ausrüstung der staatlichen Dienstleistungsbetriebe bemühen, vorsintflutliche Apparaturen durch die modernste Technik ersetzen und nach einer solchen Ausstattung eine wohlüberlegte konzentrierte Rationalisierung des Dienstleistungsbereichs der öffentlichen Hand einleiten.Meine Damen und Herren, ich habe bisher die generellen und die speziellen Vorwürfe der Opposition behandelt, wie sie in- und außerhalb dieses Hohen Hauses vorgebracht worden sind. Dabei habe ich mich gewundert, daß die Opposition glaubt, durch Aufzählung dieser oder jener Dinge die Koalition ernstlich in Verlegenheit bringen zu können. Sie betreiben damit eine Politik, die ich in keiner Weise verstehe oder auch nur annähernd begreifen könnte.Aus der Arbeit der Koalition will ich noch ein Beispiel nennen, das die Landwirtschaft betrifft:Mit besonderer Genugtuung erfüllt mich zum Beispiel der Ausbau der landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Ich erwähne die Erhöhung des Altersgeldes, die Erhöhung der Landabgaberente, die Wiedereinsetzung des Zuschusses an die Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherungen, den Zuschuß an die Krankenversicherung der Landwirte und den Zuschuß zur Zusatzaltersversorgung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft. Dieses SozialschutzSystem für Landwirte interessiert vielleich nicht jeden Bürger. Trotzdem hat es Anspruch auf das Interesse der Öffentlichkeit und beweist, daß für unsere Politik nicht die Wählerschichten, sondern berechtigte Ansprüche von Bevölkerungskreisen maßgebend sind.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Es hat sich gezeigt, daß der vorliegende Haushaltsentwurf konjunkturgerecht ist und daß darüber hinaus die vielen berechtigten Ansprüche der Bürger an den Staat die mögliche Berücksichtigung finden.Sie geben uns den Rat, wir sollten uns entschließen, von der sozialistischen Vorstellung einer Heilsbeglückung durch den Staat wegzukommen. Wenn das mit dem Sozialismus so einfach wäre, wie Ihre laienhafte Meinung es vorgibt, müßten die Verhältnisse in den USA, in England, Frankreich und Italien unter diesem Vorzeichen einmal im Vergleich zu unseren Verhältnissen untersucht werden. Solche Vorstellungen von Sozialismus als Bürgerschreck, meine Damen und Herren von der Opposition, sind wirklich zu simpel.
Meine Damen und Herren, die Beratungen in diesem Hohen Hause haben gezeigt, daß es die Bundesregierung verstanden hat, den Haushalt den der Zeit gegebenen Notwendigkeiten in finanz-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Hinsicht anzupassen. Von keinem Bürger unseres Landes wird ein Übermaß an Opfern verlangt. Jeder kann von der öffentlichen Bedarfsdeckung das erwarten, was im Rahmen des Gesamtbildes, das sich aus dem Zahlenwerk des Bundeshaushalts ergibt, zu verantworten ist. Die Beratungen im Haushaltsausschuß und die Gesamtdebatte aller drei Lesungen haben ergeben, daß die oft unüberlegte Kritik der Opposition nicht gerechtfertigt ist. Dies scheint mir unter Würdigung der Debatten dieser drei Tage erwiesen.Die Bundesregierung wird mit dem Haushalt 1973, den wir heute verabschieden, im Sinne der Regierungserklärung unseres Bundeskanzlers Brandt ihr Arbeitsprogramm — das besonders den sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt anstrebt — weiter realisieren. Sie kann sich dabei auf die uneingeschränkte Unterstützung und auf die volle Aktivität der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion verlassen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Althammer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen am Ende der Haushaltsberatungen des Jahres 1973. Dieser Bundeshaushalt und seine Beratung waren zwar nicht so atypisch wie die des Jahres 1972, als wir den Haushalt bekanntlich erst zu Jahresende verabschieden konnten; aber es hat sich gezeigt, daß sowohl der Haushaltsausschuß wie auch das Plenum des Deutschen Bundestages unter einem unerhörten Zeitdruck gestanden haben. Das wird um so deutlicher, wenn man vergleicht, welcher Zeitraum der Regierung für die Vorbereitung des Haushalts 1973 zur Verfügung stand. Ich darf daran erinnern, daß Finanzminister Schmidt im Wahlkampf 1972 erklärt hat, daß der Bundeshaushalt 1973 be-
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Dr. Althammerreits fix und fertig sei und nach Zusammentritt der neuen Regierung sofort eingebracht werden könnte. In Wirklichkeit war es so, daß es nach dem Zeitpunkt der Bundestagswahl, dem 19. November, noch bis zum 4. April 1973 dauerte, bis die erste Lesung dieses Haushalts in diesem Hohen Hause erfolgen konnte. Dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages standen dann drei Sitzungswochen mit insgesamt 13 Sitzungstagen zur Verfügung, um einen Bundeshaushalt mit etwa 8000 Einzelpositionen und einer Gesamtsumme von 120 Milliarden DM zu beraten,
— ich komme gleich darauf, Herr Kollege Haehser , und er ist dabei bis an die körperliche Leistungsgrenze der einzelnen Abgeordneten gegangen. Ich darf in diesem Zusammenhang besonders dankbar anmerken, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, unser Kollege Albert Leicht, entgegen ärztlichem Rat bis zur letzten Stunde der Beratungen dem Ausschuß vorgesessen hat;
ich glaube, wir können ihm alle gute Genesung und Erholung wünschen!Die Arbeitslast, die damit verbunden war, war dadurch begründet, daß sich der Haushaltsausschuß bemüht hat, die Aufgabe wahrzunehmen, die eines der wichtigsten Rechte des Parlaments ist, nämlich gegenüber der Verwaltung eine wirklich effektive Kontrolle auszuüben. Es wird von mancher Seite) zuweilen etwas geringschätzig auf diese Detailarbeit der Haushaltsberatungen herabgesehen; aber meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, gerade in einer Zeit, in der es Mode geworden ist, immer wieder darüber zu klagen, wie die Bedeutung und die Einflußmöglichkeiten des Parlaments im Verhältnis zu der Verwaltung absinken, ist es meines Erachtens absolut notwendig, daß sich im Parlament eine Stelle befindet, die auch in den Einzelpositionen gegenüber der Exekutive eine effektive Kontrolle ausübt.
Ich darf hier fairerweise sagen — und ich bemerke dies aus meiner Sicht —, daß im Gegensatz zu den Jahren 1969 bis 1972 der gesamte Ausschuß in seiner Behandlung dieser Regierung und ihrer Verwaltungsstellen wesentlich strenger geworden ist. Auch die Beamten und die Verwaltungsstellen wissen heute wieder, daß sie nicht mit jedem Unfug in den Haushaltsausschuß kommen können.
Auch die Beratungen des Plenums dieses Bundestages standen unter einem unerhörten Zeitdruck. Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen um Entschuldigung bitten, die nicht die Möglichkeit hatten, in diesen zwei Tagen die Ausführungen zu den Einzeletats zu machen, die sicherlich notwendig gewesen wären.
Ich meine, wir sollten hieran wirklich die Überlegung knüpfen, ob nicht der Stil der Haushaltsberatungen im Gesamtparlament geändert werden sollte: ob wir uns nicht mehr Zeit mit gewissen Zwischenräumen nehmen sollten, um die wichtigen Einzeletats gründlicher durchzuberaten und das nicht alles in einem solchen Tempo durchzuziehen.
Ich habe diese Ausführungen auch deshalb gemacht und sie besonders an den Herrn Bundesfinanzminister gerichtet, weil wir mit Blick auf die Zukunft hieran die Forderung knüpfen müssen, daß die Vorbereitung des Haushalts 1974 so rechtzeitig erfolgt, daß der Bestimmung des § 30 der Bundeshaushaltsordnung Rechnung getragen wird. Danach ist nämlich der Bundeshaushalt in der ersten Sitzungswoche im September einzubringen, um dem Parlament ausreichende Gelegenheit zur Beratung dieses Haushalts zu geben. Wir möchten sehr erwarten, daß für die Haushaltsberatungen 1974 der Etat rechtzeitig eingebracht wird.
Obwohl der Etat unter diesem enormen Zeitdruck stand, hat doch der erste Tag der Debatte in diesem Hause einen sehr bezeichnenden Einblick in die Situation dieser Bundesregierung ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt gegeben. Ich habe mich gewundert, woher gestern vormittag der Kollege Arndt eigentlich den Mut genommen hat, in der Weise, wie er es getan hat, auf die Verhältnisse in Amerika hinzuweisen. Ich darf einen Satz wörtlich zitieren; er hat gesagt: „Die Amerikaner sind jetzt doch fertig, fix und fertig." — Ich glaube, es bestünde Anlaß, daß die Kollegen der SPD in dieser Frage so wie die Situation im eigenen Lande ist — gegenwärtig besser vor der eigenen Tür kehren würden.
Es war der Bundeskanzler, der im Wahlkampf 1972 davon gesprochen hat, daß bei den dramatischen Vorgängen des Frühsommers 1972 Korruption im Spiel gewesen sei.
Dieser Vorwurf war damals gegen die CDU/CSU gerichtet, und er konnte nicht bewiesen werden. Heute stehen wir an einem Punkt, an dem sich nicht nur die Kollegen Wienand und Wehner fragen lassen müssen, sondern auch der Herr Bundeskanzler, was er eigentlich konkret von getätigter Korruption gewußt hat.
Jedenfalls war es so, daß dieser Vorwurf im Wahlkampf die CDU/CSU getroffen hat und daß die CDU/ CSU in diesem Wahlkampf unter dieser Verleumdung zu leiden hatte.
Der Kollege Wehner hat am Montag die Frage gestellt, ob denn der deutsche Wähler von aus-
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2682 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Dr. Althammerländischen Geheimdiensten gekauft oder beeinflußt worden sei.
Herr Kollege Wehner, ganz sicherlich nicht. Aber es gibt heute sehr viele Wähler in unserem Lande, die sich fragen, ob sie am 19. November des vergangenen Jahres ihre Wahlentscheidung unter der richtigen Voraussetzung abgegeben haben.
Ich darf, um diesen Komplex zusammenzufassen, sagen, daß wir damit auch das zurückweisen müssen, was der Staatssekretär Ravens in diesem Zusammenhang an Vorwürfen gegen unseren Kollegen Seiters erhoben hat.
Der Schatten, der gegenwärtig über der innenpolitischen Situation liegt, begründet aus der Entwicklung der letzten Wochen, betrifft natürlich auch das zentrale Problem der deutschen Innenpolitik. Dieses zentrale Problem, Herr Kollege Möller, ist das Problem der Inflation und seiner Bekämpfung.
Gestatten Sie mir, Herr Kollege Möller, hier eine ganz persönliche Bemerkung an Sie.Ich habe — das sage ich offen und ehrlich — damals Ihre Konsequenz und Ihren Mut bewundert, als Sie im Frühsommer 1972 die Konsequenzen gezogen und Ihr Ministeramt zur Verfügung gestellt haben. Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie Sie sich damals vor dem deutschen Fernsehen gegen den Versuch Ihrer eigenen Kollegen verwahrt haben, es so darzustellen, als seien Sie aus Gesundheits- bzw. Altersgründen oder sonstigen Gründen der Arbeitsüberlastung zurückgetreten.
Sie haben damals ganz deutlich erklärt, daß Sie diese Konsequenz zögen, weil Sie mit dieser Entwicklung und dieser Situation nicht mehr einverstanden seien. Ich verstehe es daher nicht, daß Sie heute — in der Form, wie Sie das soeben getan haben — die Entwicklung, die nun so gelaufen ist, wie Sie es wahrscheinlich auch befürchtet haben, in dieser Weise verteidigen, reinwaschen und beschönigen wollen, wie das soeben geschehen ist.
Hier sind wir schon bei dem ersten zentralen Punkt und bei einer der entscheidenden Fragen: wie man dieser Entwicklung in unserem Lande entgegenwirken kann. Man wird es sicher nicht tun können, wenn man von vornherein jeden, der warnt und der stärkste Bedenken anmeldet, sofort verteufelt und abqualifiziert und nur davon redet, daß das Panikmache und ähnliches mehr sei. Das geschieht nicht nur den Abgeordneten der Opposition, das geschieht — natürlich in abgestufter Weise — bei Gelegenheit auch anderen Leuten,etwa Mitgliedern des Sachverständigenrats. Gelegentlich bekommt auch die Deutsche Bundesbank eine unfreundliche Bemerkung zu hören.In dem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren, besteht auch gar keine Veranlassung, Herr Kollege Möller, daß unser Fraktionsvorsitzender sich etwa für das entschuldigt, was er unter Anführung eines Zitats am Montag hier gesagt hat.
Sie können hier Interpretationskünste einsetzen, wie Sie wollen; wenn Sie den Sinnzusammenhang dieser Äußerung des Sachverständigenrats erfassen, dann stellen Sie fest, daß hier der Finanzplanungsrat und das, was er geäußert und erklärt hat, als ein Skandal bezeichnet worden ist.
Wenn Sie sich fragen, wer die politisch Verantwortlichen im Finanzplanungsrat sind, und wenn Sie sich erinnern, wie wir diesen Finanzplanungsrat damals im Gesetz konzipiert haben, dann erkennen Sie, daß die eigentliche Adresse des Vorwurfs dieses Skandals diese Bundesregierung ist und niemand anders.
Herr Abgeordneter Althammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Herr Kollege Althammer, ist Ihnen bekannt, daß der Finanzplanungsrat nach einer Satzung arbeitet, nach der die Bundesregierung lediglich den Vorsitz führt, und daß alle Beschlüsse, die Gültigkeit haben sollen, einstimmig gefaßt werden müssen?
Herr Kollege Möller, das ist mir selbstverständlich bekannt. Es ist gestern auch schon angeklungen, daß man sich vielleicht darüber unterhalten muß, ob das die effektivste Form ist. Aber, Herr Kollege Möller, Ihnen ist sicher auch nicht entgangen, daß insbesondere der Bundesfinanzminister in vielen seiner Äußerungen in der Öffentlichkeit immer diese Führungsfunktion im Finanzplanungsrat für sich in Anspruch genommen hat und erklärt hat: die und die Daten sind gegeben worden, von uns sind die und die Empfehlungen gegeben worden, und der Finanzplanungsrat hat entsprechend diesen Intentionen beschlossen. Damit ist die faktische Führungsfunktion und Verantwortlichkeit im Finanzplanungsrat — vom Gesetzgeber gewollt — bei der Bundesregierung.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2683
Dr. AlthammerIch möchte auf die psychologische Situation bei uns im Lande im Zusammenhang mit der Inflationsentwicklung zurückkommen. Wenn wir heute eine Inflationsrate von runden 8 0/o in diesem Lande seit längerer Zeit und auf Dauer haben und wenn alle Fachleute sagen, daß leider Gottes in der nächsten Zeit keine entscheidende Tendenzwende zu erwarten ist, wenn sich selbst Verantwortliche dieser Regierung vorsichtig äußern und sagen, man könnte die Hoffnung haben, daß sich vielleicht im Spätherbst, im Winter oder im Anfang des nächsten Jahres eine Tendenzwende abzeichnen könnte, dann wäre erste Voraussetzung für eine wirkliche effektive Gegensteuerung, daß diese Regierung und die Verantwortlichen bereit wären, erst einmal eine klare und nüchterne Bestandsaufnahme vorzunehmen.Wir sehen, ganz im Gegenteil dazu, daß man zu Ausflüchten, daß man zu Beschönigungen greift. Alles mögliche ist schuld an dieser Entwicklung, nur natürlich nicht die Bundesregierung. Gestern ist wieder gesagt worden, 90 O o dieser Inflationsentwicklung kämen vom Ausland her. Wenn man ins Inland geht, dann werden Schuldige im Bereich der Industrie gesucht, dann wird die Schuld. bei solchen gesucht, die Lohnerhöhungen fordern und ähnliches mehr. Weder SPD noch Regierung wollen heute noch etwas davon wissen, daß sie in früheren Jahren immer betont haben, daß die Konjunktursteuerung eine Sache der Regierung ist, daß die Regierung die Mittel zu dieser Konjunktursteuerung haben müsse und daß mit dem Stabilitätsgesetz dieser Instrumentenkasten, wie ein früherer Minister gesagt hat, vorhanden sei und daß sie in der Lage sei, die Konjunktur entsprechend zu steuern. Heute hören wir von alledem nichts mehr. Ganz im Gegenteil, auch gestern ist der Kollege Arndt wieder nach der Methode verfahren: „Haltet den Dieb!", angefangen von Vietnam bis zu den Vereinigten Staaten.Ich möchte noch auf einen mir sehr interessant erscheinenden Vorgang der gestrigen Debatte zu sprechen kommen, nämlich auf die Einlassung des Kollegen Arndt - und das ist ja kein unbedeutendes Mitglied der SPD-Fraktion —, die etwa dahin geht, man müsse heute die Bevölkerung vor den Auswirkungen der Inflation schützen.
Es war sehr interessant, daß er diese Grundforderung an gewisse Gesetzgebungsvorhaben angeknüpft hat, die in einer Zeit, in der in diesem Lande wirklich noch Stabilität herrschte, nämlich unter der Regierung der CDU/CSU, eingeleitet worden sind, 7. B. in den Sparförclerungsgesetzen und bei der dynamischen Rente. Hier hat Kollege Arndt gesagt, das seien faktisch solche Inflationsschutzmaßnahmen, und man müsse das weiter ausbauen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier zeigt sich eine ganz gefährliche Tendenz.
Das ist jetzt offenbar der zweite Schritt. Nachdemman bei einer Inflationsrate von 8 % resigniert,will man Überlegungen anstellen, wie man durch solche Gleitklauseln, durch solche Indexklauseln den Sparer und die Bevölkerung in Schutz nehmen soll. Es ist meines Erachtens symptomatisch, daß diese Überlegungen über solche Indexklauseln am 25. Jahrestag der Schaffung der D-Mark — der von der Regierung überhaupt nicht begangen wird, während andere Feste großartig begangen werden — die Konsequenz der SPD und eines ihrer maßgeblichen Sprecher sind.Ich muß ehrlich gestehen, es hat mich sehr gefreut, daß der Kollege Lambsdorff von der FDP sofort, wenn auch nur in einem kurzen Satz, Widerspruch angemeldet hat.
Es wäre sehr erfreulich, wenn die gesamte FDP in diesem Punkt ganz eindeutig ihren Standpunkt in dem gleichen Sinne fixierte,
daß es keine Lösung ist, der Inflationsentwicklung durch Indexklauseln und ähnlichem entgegenzuwirken.
Der beste Schutz der Bevölkerung vor Inflation ist die Beseitigung der Inflation.
Man wird aber fragen müssen: Wohin sind wir in drei Jahren SPD/FDP-Regierung gekommen, wenn heute solche Überlegungen angestellt werden müssen?Es gibt noch einen zweiten Streitpunkt in diesem Hause, der interessanterweise vom Kollegen Möller zweimal angesprochen worden ist. Er hat eingangs seiner Äußerungen gesagt, natürlich sei der Bundeshaushalt auch ein Instrument der Konjunkturpolitik. Am Schluß seiner Ausführungen hat er das aber, ich möchte sagen, fast bis auf Null relativiert und eingeschränkt, indem er sagte, es sei doch ein Märchenglaube, anzunehmen, daß man über die öffentliche Ausgabenpolitik etwas Entscheidendes bewirken könnte. In diesem Punkt das muß ich leider sagen - befinden wir uns auch mit dem Sprecher der FDP im Streit, der ebenfalls wiederholt geäußert hat, daß der Bundeshaushalt eigentlich gar kein Instrument der Stabilitätspolitik und der Konjunkturpolitik sein könne.Natürlich sind auch wir von der CDU/CSU nicht so töricht zu meinen, daß man allein oder überwiegend mit dem Bundeshaushalt über die Konjunkturpolitik entscheiden könnte. Aber entscheidend ist doch, daran festzuhalten, daß auch die Einnahme- und Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand ein maßgeblicher Faktor der Konjunkturpolitik und der Stabilitätspolitik ist.
Das ergibt sich auch aus dem entsprechenden Passus im Stabilitätsprogramm der Regierung.Ich würde sogar über die Frage mit mir redenlassen, welcher Prozentsatz des gesamten Volksvermögens und des Bruttosozialprodukts über den
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2684 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Dr. AlthammerBundeshaushalt oder vielleicht auch über alle öffentlichen Haushalte bewegt werden könnte. Sicher ist es kein entscheidender, kein überwiegender Anteil. Aber — jetzt komme ich zu einem entscheidenden Punkt — man darf nicht verkennen, daß bei der ganzen Stabilitätspolitik das Verhalten des Bundes und der gesamten öffentlichen Hand eine Leitfunktion hat.
Um es noch deutlicher zu sagen: wenn sich draußen in der Bevölkerung und bei den Betroffenen der Eindruck festsetzen sollte, als sei man sehr schnell bereit, jedem in unserem Lande eine schwere Belastung aufzuerlegen, und zwar mit der Behauptung, nur so könne wieder Stabilität erreicht werden, die Regierung selber aber schließe sich in ihrem Bundeshaushalt von diesen Bemühungen faktisch aus, hat natürlich alles, was hier versucht und getan wird, wenig Glaubwürdigkeit.Sehen Sie, meine Damen und Herren, genau das ist der Punkt, an dem unsere Bedenken einsetzen und bei dem wir mit unseren Vorschlägen angesetzt haben.Der Kollege Möller hat wieder das altvertraute Lied abgespielt, daß die Opposition keine vernünftige Kritik übe, daß sie keine vernünftigen Vorschläge habe. Es wäre vielleicht doch lohnend gewesen, wenn man sich mit den konkreten Vorschlägen der Oppositon im Haushaltsausschuß und gestern abend in der zweiten Lesung auseinandergesetzt hätte. Da wir davon ausgehen, daß gerade auch der Bundeshaushalt seinen Beitrag zur Stabilitätspolitik leisten muß, wenn die Stabilitätsbemühungen glaubwürdig bleiben sollen, haben wir vorgeschlagen, daß auf der Einnahmeseite eine Anhebung um 1,2 Milliarden DM erfolgen solle, und zwar von vornherein mit der Auflage, etwa eingehende Steuermehreinnahmen stabilitätsgerecht festzulegen, und wir haben auf der Ausgabenseite Vorschläge gemacht, insgesamt 2,4 Milliarden DM einzusparen. Wenn Sie das zusammen mit dem Votum des Sachverständigensondergutachtens sehen, das für die gesamte öffentliche Hand von einer Summe von etwa 9 Milliarden spricht, dann, glaube ich, muß man zugeben, daß hier ein sehr ernsthafter, sehr überlegenswerter konstruktiver Vorschlag der Opposition vorliegt.Wir haben in einem weiteren Komplex von Vorschlägen nachdrücklich gefordert, daß alles, was seitens der Regierung nun durch Belastung der einzelnen an Geld hereingeholt wird, nach dem Stabilitätsgesetz festzulegen ist und daß nicht etwa so, wie es auch in einer Randnote in dem Berichterstattervorschlag seitens der Regierung angemerkt war, nur, soweit man diese Gelder nicht für unvorhergesehene Ausgaben benötige, eine Stillegung erfolgt. Dieses Schlupfloch, durch das man diese Mehreinnahmen schließlich doch wieder in die Ausgaben fließen läßt, wollten wir ausdrücklich verschließen.Es ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, bezeichnend für den wahren Willen dieser Regierung und dieser Koalition, Stabilitätspolitik zu be-treiben, daß sie keinen, aber auch keinen einzigen unserer Vorschläge angenommen hat.
Wir werden uns davon nicht abhalten lassen, auch weiterhin unsere Vorschläge in der Stabilitätspolitik zu machen. Aber ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommt hier sehr darauf an, daß die Regierung nicht nur nach draußen erklärt, sie wolle 700 Millionen einsparen, sie wolle durch Streckung der Gemeinschaftsaufgaben 330 Millionen zusätzlich einsparen, und sich dann schlicht und einfach weigert, das im Haushalt zu realisieren. Hier ist die Glaubwürdigkeit echt in Frage gestellt.
Herr Kollege Möller, man kommt doch einfach nicht daran vorbei, daß seit der Einbringung des Haushalts, seit seiner Konzipierung im Herbst und Winter des vergangenen Jahres diese rund 120 Milliarden vorgesehener Bundesausgaben unverändert geblieben sind, während man in der gleichen Zeit durch rigorose Gesetzgebungs- und Steuermaßnahmen unsere Staatsbürger ganz massiv zur Kasse bittet. Hier sind wir von der Opposition der Auffassung, daß das einfach nicht zusammenpaßt. Man kann nicht die anderen Beteiligten und Betroffenen in dieser rigorosen Weise belasten und sich selber von alledem ausnehmen wollen. Das Verhalten der Regierung in diesem Zusammenhang gibt uns nicht die Hoffnung, daß ein neuer Meilenstein zur Tendenzwende gesetzt ist. Es gibt uns auch nicht die Hoffnung, weil wir sehen, daß sich der Herr Bundeskanzler leider nach wie vor nicht mit seiner Autorität für diese Stabilitätspolitik einsetzt.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, der Zeitpunkt Sie haben gesagt, bei 4 % wird es ernst, und bei 5 % werden Sie sich persönlich um diese Dinge kümmern; jetzt sind wir bei 8 % — ist gekommen, wo Sie nicht die einzelnen Minister agieren lassen sollten. Finanzminister Schmidt erklärt, 120 Milliarden sind ganz in Ordnung. Er wird selbstverständlich hinterher unsere Anträge entsprechend zerpflücken und sagen, das alles, was die Opposition vorschlage, sei natürlich nichts, bedeute nichts. Das wird kommen, das wissen wir. Aber wir lassen uns davon nicht täuschen, Herr Minister, weil es einfach um die Frage geht: Wenn die Regierung ihren Gürtel enger schnallen, wenn sie hier einen Teilbetrag leisten wollte, dann hätte sie das auch realisieren können.
Das wissen auch Ihre Fachleute in den Ausschüssen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Althammer, darf ich Sie daran erinnern — wir haben das damals in der Debatte ausdrücklich behandelt —, daß es der Herr Bundeskanzler selber war, der das
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2685
Dr. Graf LambsdorffStabilitätspaket, das inzwischen endlich beschlossen worden ist, im Bundestag eingebracht hat?
Herr Kollege Lambsdorff, das ist eigentlich eine Bestätigung meiner Kritik; denn mit solchen Einzelaktionen, vielleicht jedes Jahr oder alle eineinhalb Jahre einmal, ist es nicht getan. Hier müßte das Engagement des Kanzlers in vollem Umfang eintreten. Weil wir das eben nicht sehen, vermuten wir, daß das richtig ist, was Herr Kollege Arndt gestern ausgeführt hat, daß man nämlich diese Inflationstendenz so schnell nicht ändern könne und sich darauf einrichten müsse, mit dieser Inflation zu leben.
Wir aber wissen und haben in der Vergangenheit gezeigt, daß es möglich ist, bei Stabilität Vollbeschäftigung und ein angemessenes Wirtschaftswachstum zu haben. Wir geben uns nicht damit zufrieden, daß diese Inflationsentwicklung unser Schicksal der nächsten Monate oder Jahre sein soll.
Ich glaube, auch das deutsche Volk wird sich damit nicht zufriedengeben.
Lassen Sie mich zum Schluß der Haushaltsdebatte 1973 noch zwei Anmerkungen machen. Die eine richtet sich an den Herrn Finanzminister persönlich. Sie betrifft einige Stilfragen, Herr Finanzminister. Wir haben es sehr bedauert, daß Sie in der ganzen Zeit, in der der Haushaltsausschuß an dreizehn Sitzungstagen so angestrengt zu arbeiten hatte, nicht ein einziges Mal die Möglichkeit gesehen haben, in den Ausschuß zu kommen.
Wir haben auch mit Bedauern festgestellt, daß Sie in den Beratungen im Plenum nicht ausreichend präsent waren.
Wir haben gestern vormittag eine Szene erlebt, in der Herr Finanzminister Schmidt demonstrativ Zeitung las, während der Sprecher der CDU/CSU dessen Haushalt, also den des Finanzministeriums, einer Betrachtung unterzog. Indem ich auf eine Zwischenfrage von seiten der SPD eingehe, sage ich: Uns interessiert in diesem Zusammenhang nicht, ob Herr Schmidt ähnlich wie Gajus Julius Cäsar in der Lage ist, gleichzeitig zu lesen, zu hören und zu schreiben. Das war vielmehr ein Affront, Herr Minister. Ich glaube, auch die Reaktion, in der Sie sich gegenwärtig zeigen, ist einer guten Zusammenarbeit nicht dienlich.
Herr Abgeordneter Althammer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?
Lassen Sie mich dieses letzte noch sagen,
und zwar im Hinblick auf Ihre zwei Amtsvorgänger. den früheren Finanzminister Möller und den früheren Finanzminister Schiller. Herr Kollege Schmidt, ich glaube, Sie würden sich und uns manches er- leichtern, wenn Sie auf diesen fragwürdigen Stil verzichteten.
Herr Abgeordneter Althammer, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage? — Bitte Herr Kollege Wehner.
Herr Kollege, würden Sie die
Freundlichkeit haben — es muß nicht noch während der dritten Lesung sein —, mit mir einmal darüber zu sprechen, wie viele sehr bedeutende Mitglieder dieses Bundestages seit 1949 leider der schlechten Gewohnheit gefrönt haben, während der Sitzung Zeitungen zu lesen.
Herr Kollege Wehner, wir alle kennen die Unsitte, und vielleicht haben auch Sie — ähnlich wie ich in meiner — in Ihrer Fraktion gesagt, es wäre im Hinblick auf Fernsehübertragungen manchmal besser, daß es nicht geschähe. Man könnte sich manche Rede in der Bevölkerung draußen sparen, wenn man sich hier disziplinierter aufführte.
Aber, Herr Kollege Wehner, es ist ein Unterschied zwischen der Verhaltensweise der 519 Mitglieder dieses Hohen Hauses und dem, was der Herr Minister auf der Ministerbank während der Beratung seines Etats demonstrativ geboten hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eine gute Gepflogenheit, zum Abschluß der Haushaltsberatungen durch die Sprecher der Fraktionen auch Dank auszusprechen. Herr Kollege Haehser hat das bereits gestern in seinem Beitrag vorweggenommen. Ich möchte meinerseits den Dank der CDU/ CSU-Fraktion allen Mitarbeitern sowohl des Parlaments wie des Bundesfinanzministeriums wie auch der Fachressorts aussprechen, die in ähnlicher Weise wie wir bis in die Nachtstunden hinein strapaziert und in Einzelfällen vielleicht härter angefaßt worden sind, als sie es eigentlich verdienten. Herzlichen Dank also allen Mitarbeitern!
Im übrigen hoffen wir, daß wir in den Haushaltsdebatten auch weiterhin einen Stil haben und pflegen können, der sich von dem unterscheidet, was hier manchmal seitens der Regierung geboten worden ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kirst.
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2686 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Reaktionen auf Reden, Kollege Althammer, hängen natürlich auch von den Reden ab. Mehr will ich zu dem, was Sie ganz am Schluß gesagt haben, nicht beitragen. Auf Ihre Bemerkungen, soweit sie sachlich wichtig waren, komme ich im übrigen bei passender Gelegenheit meiner Ausführungen zurück.
Wenn wir jetzt die Haushaltsberatungen 1973 beenden und davon ausgehen können, daß der Haushalt auch noch vom Bundesrat gebilligt und dann verkündet wird, sollten wir dabei sehen, daß damit doch eine langdauernde haushaltsrechtliche Ausnahmesituation zu Ende geht. Denn von etwa 14 Tagen am Ende des vergangenen Jahres abgesehen, stehen wir jetzt am Ende eines Interregnums von etwa eineinhalb Jahren — seit dem 1. Januar 1972 —, in denen Haushaltswirtschaft, Haushaltsvollzug nach den Bestimmungen der vorläufigen Haushaltsführung erfolgen mußten. Nicht zuletzt deshalb sollten wir allen — jetzt von der Koalition ausgesprochen ist bei „allen" auch die Opposition eingeschlossen — dankbar sein, die dazu beigetragen haben, daß der Haushalt 1973 — vom Bundestag jedenfalls — noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann.
Ich will, Kollege Althammer, das mit dem Zeitdruck nur registrieren. Was dazu zu sagen war, habe ich vorgestern im Rahmen der Beratung des Einzelplans 04 gesagt. Ich darf Sie darauf verweisen. Aber doch noch soviel: Wir wären notfalls bereit gewesen, viel mehr als diese sicherlich knappen drei Tage für die Haushaltsberatung zur Verfügung zu stellen, wenn das der ernste Wunsch der Opposition gewesen wäre. Aber Sie müssen doch so ehrlich sein, daß Sie uns immer zu verstehen gegeben haben wo immer —, daß auch Sie daran interessiert waren, die Haushatsberatung in zweiter und dritter Lesung relativ schnell über die Bühne zu bringen. Das kann doch nun einmal nicht abgestritten werden.
Nun könnten wir es uns gemeinsam vielleicht leicht machen, indem wir die wahren Schuldigen an dem Zeitdruck bei den Kultusministern suchen; denn die haben uns diesen sagenhaften Ferienplan beschert, der uns veranlaßt, so früh in die Sommerpause zu gehen. Aber es ist sicherlich sehr schwierig, bei dem komplizierten föderalistischen Werk -der Ferienpläne in der Bundesrepublik auch noch die Notwendigkeiten des Parlaments zu berücksichtigen. Vielleicht sollten die Damen und Herren, wenn sie das machen, nicht nur die Interessen des Fremdenverkehrs, sondern auch einmal die parlamentarischen Erfordernisse berücksichtigen.
— Sicher, auch der Schulkinder. Die sind an einer so großen Bandbreite sicherlich gar nicht so interessiert, da wir in Deutschland auch nur begrenzt gutes Wetter haben und nicht alle ins Ausland fahren können.
Nun von dieser Abschweifung, die naheliegt, zurück zum Haushalt. Ich schließe mich im Prinzip dem Wunsch des Kollegen Althammer insofern an — ich glaube, das ist der Wunsch des ganzen Hauses —, daß nach dem langen Interregnum, von dem ich soeben sprach, der Haushalt 1974 so früh wie möglich vorgelegt wird, damit wir im nächsten Jahr die zweite und dritte Lesung dann vielleicht schon im Februar, spätestens im März durchführen können, was sicher das Normale ist. Dabei müssen wir uns darüber im klaren sein, daß natürlich alles seine Vor- und Nachteile hat. Wir wissen eben umgekehrt, daß, je später ein Haushalt verabschiedet wird, er um so zeitnäher und wirklichkeitsnäher ist.
Das, was Kollege Möller sachlich zum Haushalt gesagt hat, steht, meine ich, völlig in Übereinstimmung mit unseren Auffassungen. Das erlaubt mir —abgesehen von einigen grundsätzlichen Bemerkungen und einigen Bezugnahmen auf den Kollegen Althammer —, in zwei Punkten auf Äußerungen von Kollegen der CDU/CSU aus der zweiten Lesung, die nichts mit dem Haushalt zu tun haben, die mir aber politisch bedeutsam erscheinen, zurückzukommen.
Zunächst hat der Kollege Baier — ich sehe ihn im Moment nicht, aber er kann das ja nachlesen --- im Zusammenhang mit dem Haushalt des Bundeskanzlers — wie könnte es anders sein? — einige Ausführungen über die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes gemacht. Wer diese Ausführungen gehört hat, muß doch wohl sagen: Dunkel war der Rede Sinn.
Damit hier keine falschen Eindrücke hinsichtlich der Befürchtungen, der dunklen Andeutungen, die gemacht worden sind, entstehen, möchte ich folgendes sagen. Mein Eindruck — ich habe seitens meiner Fraktion im Haushaltsausschuß und in der vergangenen Legislaturperiode im Vertrauensmännergremium dieselben Funktionen gehabt wie der Kollege Baier; die Dinge sollten hier nicht immer nur einseitig belichtet werden — aus der Arbeit in diesen drei Jahren ist der gewesen, daß ein Verhältnis der gegenseitigen Loyalität zwischen BND und politischer Führung bestand. Das sollte hier einmal eindeutig festgestellt werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Herr Kollege Kirst, erinnern Sie sich daran, daß wir über diesen Punkt im Haushaltsausschuß eine sehr heftige Auseinandersetzung hatten und daß ich namens der Haushaltsgruppe der CDU/CSU erklärt habe, daß wir diese andere Handhabung der Unterrichtung, die in diesem Jahr erstmals erfolgt ist, als nicht richtig und die Erklärung dazu als nicht befriedigend ansehen? Das war der Hintergrund der Erklärung des Kollegen Baier.
Verehrter Kollege Althammer, Sie stellen immer Fragen zu Dingen, von denen ich gar
Kirst
nicht geredet habe. Ich habe eben davon gesprochen
ich muß es für Sie wiederholen - daß mein Eindruck aus der Arbeit der vergangenen Jahre der gewesen ist, daß ein Verhältnis der gegenseitigen Loyalität zwischen Bundesnachrichtendienst und politischer Führung bestanden habe. Dies war hier von Herrn Baier vor zwei Tagen bestritten worden.
Sie haben jetzt aber das Verhältnis zwischen Herrn Baier und der Bundesregierung angesprochen.
In Übereinstimmung mit dem Kollegen Haehser muß ich hier sagen: Die Darstellung, daß hier ein bestimmter Tagesordnungspunkt nicht behandelt wurde, ist richtig. Ich habe mich aber durch diese Einschränkung ebensowenig wie der Kollege Haehser in meiner Entscheidungsfähigkeit hinsichtlich der eigentlichen Aufgabe, die uns der Haushaltsausschuß gestellt hat, irgendwie beeinträchtigt gefühlt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Baier?
Herr Kollege Kirst, können Sie mir bestätigen, daß es Aufgabe des Haushaltsausschusses ist, neben der Prüfung der haushaltsmäßigen und finanziellen Seite in gewissem Rahmen auch eine Überprüfung der Effizienz der zuständigen Stellen vorzunehmen?
Herr Kollege Baier, darin stimme ich Ihnen völlig zu. Allerdings setzt dies nicht die Form der Unterrichtung, die Sie gewünscht haben, voraus. Sie konnten praktisch alle Fragen, auch Fragen zur Beurteilung der Effizienz stellen. Eine weitere Bemerkung in diesem Zusammenhang will ich jetzt herunterschlucken.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Kollege Kirst, würden Sie mir bestätigen, daß Ihnen bekannt ist, daß bis zum Jahre 1972 in allen Sitzungen des Unterausschusses des Haushaltsausschusses zur Prüfung des Bundesnachrichtendienstes jeweils ein Lagebericht gegeben wurde und daß dieser Lagebericht diesmal erstmalig auf Weisung von Staatssekretär Grabert unterbleiben mußte?
Herr Baier, das ist mir nicht nur bekannt — ich war wie Sie dabei —, das habe ich auch gar nicht abgestritten.
Ich bestreite nur, daß das irgendeinen Einfluß auf die Erfüllung unseres Auftrages, den uns der Haushaltsausschuß gegeben hat, gehabt hat.
Ich will dieses Thema jetzt nicht zu sehr vertiefen.
Sie haben am Montag auch von den öffentlichen Erörterungen über den Bundesnachrichtendienst gesprochen. Verehrter Kollege Baier, wenn ich mich recht entsinne, fand, wann immer ich in den letzten Jahren irgend etwas über den BND in der Presse, welcher auch immer, gelesen habe, ein mir vertrauter Name Erwähnung, nämlich der Name des Kollegen Baier.
Baier : Herr Kollege Kirst, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß die Diskussion über den Bundesnachrichtendienst nach dem Amtsantritt der Regierung Brandt und den Personalmaßnahmen von Herrn Bundesminister Ehmke entstanden ist, und ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß es ein merkwürdiges Demokratieverständnis ist, wenn Sie verlangen, daß die Opposition zu all dem schweigt, was von der Regierung unternommen wird und was nicht konform ist mit parteineutraler Arbeit, die gerade für einen solchen Dienst notwendig ist?
Herr Kollege Baier, Sie teilen das Schicksal des Kollegen Althammer, daß Ihre Frage nichts an der Richtigkeit dessen ändert, was ich gesagt habe. Daß Ihre Vorwürfe, die Sie eben in die Frage hineinbrachten, unbegründet sind, steht im übrigen auch fest. Wenn ich das noch einmal aufgreife, so einfach deshalb, Kollege Baier: Wir können es nicht hinnehmen und ertragen, daß Sie dauernd mit unbewiesenen Vorwürfen gegenüber der Öffentlichkeit arbeiten.
Ich habe an den Kollegen Professor Carstens, der zur Zeit nicht anwesend ist, eine bescheidene Bitte. Diese Bitte stützt sich auf das Wissen, das wir von seinen Erfahrungen auf diesem Gebiet haben. Ich möchte ihn bitten zu prüfen, ob er es nicht als einen Teil seiner jetzt gewonnenen politischen Führungsaufgabe betrachten könnte, dem Kollegen Baier etwas Lebenshilfe im Umgang mit diesem kostbaren und verwundbaren Instrument Bundesnachrichtendienst zu geben.Meine Damen und Herren! Ein anderer Punkt aus der zweiten Lesung, wobei die Aneinanderreihung der Namen rein zufällig, allenfalls alphabetisch ist; sie ist in keiner Weise eine Wertung. Ich komme jetzt also vom Kollegen Baier zum Kollegen Professor Erhard, den ich hier auch nicht sehe. Sicherlich war das, was er gestern hier gesagt hat und was das ganze Haus mit Aufmerksamkeit gehört hat, was man ohne Wertung als eine Mischung aus Nostalgie und Kassandra-Rolle bezeichnen kann, einer der bedeutendsten Beiträge dieser Tage. Dieser Beitrag erfordert aber auch dann, wenn der Kollege Profes-
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2688 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Kirstsor Erhard nicht anwesend ist, noch ein paar Worte gerade seitens der FDP.Die FDP von 1973, meine Damen und Herren, bekennt sich ganz klar zu ihrer historischen Leistung aus dem Jahre 1948. Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel. Nun hat Herr Erhard die damalige Rolle der FDP aus Anlaß des Jubiläums, das heute begangen wird, etwas verklärt dargestellt. Es war nicht so, daß die FDP damals nur eben dabei war, sondern sie war damals die treibende Kraft beim Durchbruch zur sozialen Marktwirtschaft. Das sollte einmal in die Erinnerung zurückgerufen werden. Herr Professor Erhard kennt die historischen Vorgänge ganz genau, und er weiß genau genug, wer wen und was zur gegebenen Zeit in dieser Vergangenheit vorgeschlagen hat.Aber ich muß noch eines sagen: In dieser Rede war ein sehr böses Wort, und deshalb greife ich es noch einmal auf. Graf Lambsdorff hat es gestern schon kurz aufgegriffen. Es war das an uns gerichtete Wort — sinngemäß —: Wenn ich Sie in dieser Gesellschaft sehe — damit meinte er offenbar unseren Koalitionspartner —, tut mir das in der Seele weh, oder so ähnlich. Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten des Jahres 1973 haben nicht die geringste Veranlassung, uns unseres heutigen Koalitionspartners zu schämen. Das möchte ich auf diese Feststellung hin einmal deutlich sagen.
Ein zweites: Ich muß hier vielleicht die Einfügung machen, daß ich — ich war damals Student der Volkswirtschaft -- Herrn Professor Erhard damals sehr bewundert habe. Ich habe aus seinem Verhalten auch eine persönliche Konsequenz gezogen, nämlich die, mich durch Beitritt zur FDP politisch für die Marktwirtschaft zu engagieren, und ich war nur verwundert, den Begründer der Marktwirtschaft dann bei der CDU zu finden. Auch der liberale Professor Erhard müßte, wenn er über das böse Wort nachdächte, das ich vorhin zitiert habe, Verständnis dafür aufbringen, daß es für uns Liberale vielleicht Situationen gegeben hat, in denen wir dieses Wort auf ihn hätten anwenden können, weil wir ihn in der Gesellschaft von Konservativen aller Schattierungen sehen mußten bis hin zu der Grenze des Konservativen, von Abendländern, Kalten Kriegern und Klerikalen. Das haben Sie ja alles aufzuweisen. Ich sage das nur, damit man in Zukunft etwas vorsichtiger wird.Lassen Sie mich im Hinblick auf dieses historische Jubiläum, das auch der Kollege Althammer wieder angesprochen hat, weil wir nun darüber reden, noch einen Schritt weitergehen. Ich habe den Eindruck —das ändert ja nichts an unserem Bekenntnis dazu, daß wir diese soziale Marktwirtschaft geschaffen haben und zu ihr stehen —, daß dieser Staat, dieses Land, diese Gesellschaft auch einen hohen politischen Preis für die Einführung und Erhaltung dieser Marktwirtschaft gezahlt hat: den der jahrzehntelangen politischen Vorherrschaft der CDU/CSU. Das müssen wir einmal ganz deutlich sehen. So war es doch.
Die FDP und Herr Erhard haben im Jahre 1948, als Sie von der CDU noch auf dem Ahlener Programm saßen, die soziale Marktwirtschaft erzwungen. Sie haben das dann adaptiert. Dann sind Sie mit dieser sozialen Marktwirtschaft in die Wahlkämpfe gezogen und haben die Mehrheit errungen. Was Sie dann außerhalb des Bereichs der Wirtschaft und selbst dort gemacht haben, war oft alles andere als liberal und freiheitlich.
— Ich habe ja gesagt, Herr Kollege Katzer — und wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie diese Frage nicht gestellt —: Wir alle haben einen hohen politischen Preis für die Einführung, Durchsetzung und Erhaltung der sozialen Marktwirtschaft gezahlt. Das hier festzustellen, schien mir nach der Rede von Professor Erhard wichtig. Für uns war es natürlich eine gute Sache, daß uns Godesberg von dem Zwang befreit hat, um der Marktwirtschaft willen immer nur mit Ihnen koalieren zu müssen.
So muß man einmal den gesamten historischen Zusammenhang dieser letzten 25 Jahre sehen.Nun hat die Opposition, besonders ausgeprägt gestern auch Professor Erhard, das Leitthema der Inflation angeschnitten. Weniger bei Ihnen, Herr Kollege Althammer, als gestern bei Herrn Erhard, aber auch bei anderen, ist wieder der gesellschaftspolitische Akzent der Entwicklung zum Durchbruch gekommen. Was da immer so gesagt wird, erinnert mich an Dinge vor 50 Jahren oder so. Stichwort: überstaatliche Kräfte. Sie wissen, wen ich meine. Es ist ja fast alles immer in irgendeiner Form schon einmal dagewesen: Da gibt es so dunkle Kräfte, die wollen in Wirklichkeit die Inflation, weil sie damit das System verändern wollen. — Das wird uns doch immer weisgemacht.Ich will hier jetzt keine neue ausgedehnte Stabilitätsdebatte führen, aber der Vorwurf, diese Regierung und diese Koalition betrieben bewußt Inflationspolitik, diese Regierung sei eine Inflationsregierung, wird zwar durch Wiederholung nicht wahrer, kann aber nicht oft und scharf genug zurückgewiesen werden.
Die Absurdität dieser gesellschaftspolitischen oder ideologischen Variierung oder Verkleisterung -wie immer Sie das wollen — kann doch eigentlich nicht besser und überzeugender erwiesen werden als durch die Bitte, sich einmal in der Welt umzusehen und festzustellen, welche parteipolitischen Zusammensetzungen der jeweiligen Regierungen in dieser Welt heute welche Geldentwertungsraten haben. Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, wie absurd diese Vorwürfe alle sind.
Die Art und Weise der Argumentation der Opposition über die Geldwertstabilität zeigt mir immer
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2689
Kirstwieder, daß es hier gar nicht um die Sache, sondern um das parteipolitische Kalkül geht.
Wer einen Stabilitätspakt will — ich habe es wohl schon einmal gesagt —, der muß erst einmal einen Wahrheitspakt abschließen und einhalten. Es geht uns nicht darum, die Tatbestände zu bestreiten und zu verniedlichen; aber es geht immer wieder um die Klarstellung der Verantwortlichkeiten.Wir Freien Demokraten — ich habe das im früheren Bundestag schon oft genug sagen können — haben ein ganz sauberes und gutes Gewissen, auch was Zitate anbelangt. Es gibt von uns keine Zitate, die Sie uns in diesem Zusammenhang vorwerfen könnten. Ich habe früher schon gesagt, daß auch vorhandene Zitate von der anderen Seite, die falsch waren, natürlich heute nicht dadurch besser werden, daß sie von Ihnen gebraucht werden.Aber noch einmal im Zusammenhang mit der Marktwirtschaft heute, beim 25jährigen Jubiläum: Die FDP wird in guten wie in schlechten Zeiten zur sozialen Marktwirtschaft stehen und — wie immer die Verhältnisse sind — den Dirigismus ablehnen.
Wir haben aus dieser Position heraus auch unsere Stellung zu großen gesellschaftspolitischen Aufgaben bezogen, die uns in der nächsten Zeit beschäftigen werden, wie Mitbestimmung und Vermögensbildung. Ich will das jetzt nicht vertiefen, obwohl Anlaß wäre, manches von dem noch richtigzustellen, was seitens der Opposition dazu gesagt worden ist. Ich darf nur so viel sagen: Die Essentials der FDP in diesen Fragen sind bekannt und unverzichtbar.Nun zur haushalts- und finanzpolitischen Bilanz dieser zweiten Lesung, dieser Haushaltsberatung. Die Opposition hat — Herr Kollege Althammer, ich muß es sagen, Sie haben es erwartet — keine überzeugenden Alternativen geboten. Ich will jetzt gar nicht den Streit führen, ob es überhaupt Aufgabe einer Opposition ist, Alternativen aufzuzeigen.
Lassen wir das im Moment einmal ausgeklammert. Aber daß Sie überzeugende Alternativen geboten hätten, können Sie wirklich nicht behaupten.Sie haben einzelne Korrekturen, mehr nach opportunistischen Gesichtspunkten — nämlich: wer profitiert vielleicht draußen im Lande davon? —, vorgeschlagen. Ich denke besonders an den Einzelplan 10, aber auch an andere, von den Paradepferden Ihrer Sparsamkeit, nämlich der Informationsarbeit der Bundesregierung und dem Neubau des Bundeskanzleramts ausgesehen. Die Haltung dort konnte zu der Vermutung veranlassen, daß Sie auf Jahrzehnte nicht damit rechnen, in diesen Neubau auch einmal mit einem Ihrer Leute einzuziehen.
Davon abgesehen haben Sie eigentlich keine Anträge gestellt, die die Ausgaben mindern, wenn ich mich recht erinnere, sondern durch Ihre Anträge dasRezept bestätigt, das ich immer gern als Hexeneinmaleins bezeichne: Da, wo es paßt, wo es opportun ist, mehr, aber trotzdem insgesamt weniger.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Herr Kollege Kirst, um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, darf ich Sie fragen, ob Sie nicht auch der Auffassung sind, daß es vielleicht empfehlenswerter wäre, mit einem kleineren Apparat effektiver zu arbeiten und dann eben auch nicht entsprechend große Bauvorhaben haben zu müssen.
Ich glaube, Herr Kollege Althammer, Sie sehen hier eines falsch, wenn ich darauf noch einmal zurückkommen darf. Sie vergleichen das Palais Schaumburg, das wir alle kennen und verehren, mit dem Neubau, den ich nebenbei architektonisch — wenn ich das sagen darf — furchtbar finde. Aber das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe das einmal im Haushaltsausschuß als den Triumph der Funktion über die Architektur bezeichnet. Aber das steht ja jetzt nicht zur Debatte; das will ich jetzt gar nicht sagen.
Aber Sie vergleichen, glaube ich, beides miteinander und übersehen, daß ja in diesen Neubau unendlich viel hinein muß, was heute gar nicht da sein kann, wo es eigentlich sein müßte.Aber Sie haben etwas Kosmetik betrieben oder zu betreiben versucht. Ich muß sagen, auch die Anträge, die Sie beim Einzelplan 32, beim Einzelplan 60 und beim Gesetz gestellt haben, fallen streng genommen unter diesen Begriff der Kosmetik. Die stabilitätspolitische Qualität des Haushalts — um es einmal etwas hoch zu formulieren -- hätte bei Annahme Ihrer Anträge keinen Deut Verbesserung erfahren; denn kein Pfennig würde letzten Endes weniger ausgegeben, kein Pfennig mehr eingenommen und kein Pfennig mehr stillgelegt. Wir haben uns in dieser Frage um Methoden gestritten; aber im Prinzip würde es auf dasselbe hinauslaufen.Da keine Alternativen seitens der Opposition vorgelegen haben, muß man manchmal bei der globalen Kritik, die die Opposition nicht nur am Haushalt, sondern an der gesamten Politik der Regierung übt, den Eindruck gewinnen, daß sich diese Kritik im wesentlichen darauf gründet, daß man es eben nicht selbst tut. Versuchen wir uns vorzustellen, wie ein Haushalt einer von der CDU gestellten Regierung aussähe. Wer den Haushalt kennt, Herr Kollege Althammer, der wird feststellen: Schon wegen der Zwangsläufigkeiten würde es da wohl keine so großen Unterschiede geben. Obwohl das nicht meine Aufgabe ist, möchte ich der Opposition den Rat ge-
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Kirstben, ob sie nicht von ihrer globalen Kritik, die selbstverständlich insgesamt falsch ist und damit unglaubwürdig wirkt und ist, zu einer etwas glaubwürdigeren selektiven Kritik übergehen sollte, wobei ich weiß, daß es selbstverständlich sehr viel Arbeit voraussetzt, wirklich Kritisierenswertes zu finden.Nun, Herr Kollege Althammer, ich will nicht auf das eingehen, was Sie zu dem Thema gesagt haben, von dem ich meine, daß parlamentarischer Anstand erfordert, es so lange nicht von diesem Platz aus zu erörtern, wie der von uns eingesetzte Untersuchungsausschuß tagt. Sie haben in diesem Zusammenhang die Vermutung geäußert, daß es Wähler gebe, die ihre Entscheidung für die Koalitionsparteien vom 19. 11. 1972 bedauerten. Herr Kollege Althammer, ich habe die Vorstellung, daß im Laufe von 20 Jahren vielleicht Millionen ihre Wahlentscheidungen für die CDU vom September 1953, 1957, 1961 und 1965 bedauert haben. Vielleicht können wir uns auf diese Vorstellung einigen.Nun hat der Sachverständigenrat mit der Passage, die wiederholt Gegenstand der Erörterungen gewesen ist, alle Chancen, zu einem Dauerbrenner der parlamentarischen Diskussion zu werden. Ich möchte zunächst sagen — „Sachverständige", das klingt so vornehm —: Ob sie unbedingt das Wort „Skandal" hätten wählen sollen, ist eine Geschmacksfrage. Um noch einmal klarzumachen, worauf es ankam, stelle ich es jetzt verkürzt dar und beziehe mich auf meine Ausführungen vom vergangenen Montag: Professor Carstens hat hier ein Zitat gebracht und damit einen Verwurf gegen die Bundesregierung begründet. Dies war nach dem wörtlichen Zitat aus dem Gutachten des Sachverständigenrats falsch; denn dieser Vorwurf bezog sich auf die Finanzplanung aller Gebietskörperschaften. Mehr will ich dazu nicht sagen.Herr Kollege Althammer, was Sie im übrigen zu dem Bereich Inflation gesagt haben — um darauf noch einmal zurückzukommen —, kann ich, da Sie heute stellvertretend auf einem berühmten Platz dieses Hauses sitzen, nur unter dem Begriff subsumieren: Aus dem Süden nichts Neues! Wir alle — wir Freie Demokraten sicher am wenigsten — haben in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren etwas unter dem von einer bestimmten Seite in die Politik eingeführten Irrglauben an die Möglichkeiten der Globalsteuerung gelitten. Ich betone: Uns Freie Demokraten betrifft das am allerwenigsten. Aber das gehört der Geschichte an, und ich darf darauf hinweisen, daß der jetzige Bundeswirtschaftsminister im Jahreswirtschaftsbericht sehr deutlich auf die Grenzen des Quantifizierbaren, auf die Grenzen des Machbaren im wirtschaftlichen Ablauf hingewiesen hat.Zur Indexklausel: Herr Kollege Althammer, einverstanden! Sie wissen ja, daß es darüber in diesem Hause zur Zeit Auseinandersetzungen gibt.Was die konjunkturpolitische Bedeutung des Bundeshaushalts 1973 und des Bundeshaushalts überhaupt anbelangt, kann ich es mir versagen, das zu wiederholen, Herr Kollege Althammer, was ich imApril dargelegt habe. Ich habe davon nichts zurückzunehmen und glaube, daß es auch richtig gewesen ist; insofern verweise ich auf meine Ausführungen vom 4. April d. J.Was jedoch interessant war, war die Einschränkung, die auch Sie, Herr Kollege Althammer, heute zum ersten Male, wie ich glaube, gemacht haben; im Unterschied dazu darf ich Sie an das erinnern, was der Kollege Strauß bei der Debatte über die Regierungserklärung im Januar geäußert hat, als er von den Mitteln der Wirtschafts-, der Konjunkturpolitik gesprochen hat: Da stand die Rolle der öffentlichen Haushalte ganz vorn, dann kam eine lange Weile nichts, und dann erst kam etwas anderes. Die Relativierung, die Sie heute vorgenommen haben, könnte eigentlich — ich will es hoffen — ein Schritt zur Versachlichung der Debatte sein, zumal Sie — —
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Kirst, damit hier kein Mißverständnis aufkommt und etwa ein Gegensatz zwischen den Ausführungen des Kollegen Strauß und den meinen konstruiert wird, .darf ich Sie fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, ,daß ich ausdrücklich von der „wichtigen Leitfunktion" .des Bundeshaushalts gesprochen habe.
Sicher haben Sie davon gesprochen, aber Sie haben dies nicht in dieser Absolutheit getan. Wenn Sie es jetzt allerdings, weil ich Sie an Strauß erinnere, zurücknehmen wollen, kann ich Sie nicht daran hindern; es täte mir nur leid!
Sie haben nicht in der gleichen Absolutheit davon gesprochen, in der der Kollege Strauß das getan hat.Für mich jedoch und für uns gilt unverändert, was ich damals dazu gesagt habe: daß ganz am Anfang die Geld- und Kreditpolitik steht, die Politik, die über die Geldmenge entscheidet, daß dann das Verhalten der in der Wirtschaft autonom Tätigen selbst kommt und dann auch der Haushalt, d. h. ,die staatliche Finanz- und Haushaltspolitik. Hierbei müssen wir immer wieder sehen — um das ebenfalls noch einmal hervorzuheben, damit die politische Auseinandersetzung richtig gewertet wird —, daß der Bund an allen öffentlichen Haushalten einen Anteil von gut 40 % hat; das übrige entfällt auf Länder und Gemeinden. Wir wissen ja, daß in den Ländern und Gemeinden in durchaus richtiger Weise nicht nur die Regierungsparteien in Bonn das Sagen haben; insofern eignet sich das Thema so wenig zur parteipolitischen Auseinandersetzung.Es kommt hinzu — das wissen wir aus Erfahrung —, daß die Möglichkeiten der Konjunktursteuerung über den Haushalt aus der Baisse, aus der Rezession heraus eben leichter zu handhaben sind
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Kirstals umgekehrt. — Das nur noch einmal stichwortartig als Wiederholung!Lassen Sie mich, meine Damen und Herren — ich will dazu beitragen, daß wir diese dritte Lesung schnell beenden können —, noch eines sehr deutlich in diesem Zusammenhang sagen! Herr Kollege Althammer, es macht sich natürlich schön; das wird morgen in jeder Zeitung stehen, der Bund der Steuerzahler und alle anderen werden es zitieren, ihre schöne Formulierung, die sinngemäß lautet: Jeder wird belastet durch das Stabilitätsprogramm, nur die Regierung nicht.Herr Kollege Althammer, erstens stimmt es nicht, und zweitens ist es falsch.
Es stimmt nicht, weil Sie wissen, welche Änderungen im Haushalt durchgeführt worden sind, und es ist falsch, wenn Sie hier den fatalen Eindruck erwecken wollen — um es einmal ganz überspitzt auszudrücken —: Diese 120 Milliarden, die da die Steuerzahler aufzubringen haben, dienen dem Privatvergnügen von zwei Dutzend Ministern. — Das ist doch die fatale Fehlsteuerung der Einschätzung, die sich immer aus solchen Formulierungen ergibt!
In Wirklichkeit heißt ja Einschränkung des Staatsverbrauchs auch Einschränkung der Befriedigung derBedürfnisse der Bürger auf andere, indirekte Weise.
Das muß man wieder einmal ganz deutlich sagen; denn der Staat ist ja kein Selbstzweck. Der Anteil der reinen Verwaltung des Staates gibt zwar immer Anlaß zur Kritik, ist aber insgesamt gesehen relativ gering, auch was die Personalkosten anbelangt, nicht nur bei uns im Bund, sondern ebenso in den Ländern, wo das Schwergewicht auf den öffentlichen Dienstleistungen Bildung, Sicherheit, Gesundheit usw. liegt. Das muß man und das sollte man bei einer solchen Haushaltsberatung vielleicht als letzten Gedanken auch unserer Bevölkerung, die immer mit diesen unverständlich großen Zahlen um 120 Milliarden DM konfrontiert wird, noch einmal sagen. Der Staat ist kein Selbstzweck, der Staat ist kein Monstrum, er ist kein Leviathan. Der Staat — das sind wir alle. Die Ansprüche, die der Staat angeblich an die Bürger stellt, sind in Wirklichkeit Ansprüche, die die Bürger an diesen Staat stellen. Das muß man immer wieder deutlich sehen.
Die FDP-Fraktion, meine sehr geehrten Damen und Herren, stimmt dem Haushalt 1973 zu. Sie sieht in ihm trotz aller gegenteiligen Behauptungen die Fortsetzung einer unter gewiß schwierigen Umständen geführten, soliden Haushaltspolitik der letzten Jahre. Sie hat die feste Erwartung, daß sich bei den Haushaltsberatungen 1974 die Erwartungen der Regierungsparteien erfüllt und die Befürchtungen derOpposition als gegenstandslos erwiesen haben wer- den.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf noch einmal in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß die vorige Bundesregierung der sozialliberalen Koalition in frühzeitiger Erkenntnis der bevorstehenden konjunkturellen Entwicklung schon am 6. September des vorigen Jahres den Gesamtrahmen des Bundeshaushalts 1973 in einem Haushaltsgerüst, wie wir es damals genannt haben — nicht in lauter Details, wie gestern ein Oppositionsredner hier behauptet hat —, auf 120,4 Milliarden DM festgelegt hatten.Die Opposition hat damals unseren Beschluß als Wahltaktik qualifiziert, die überhaupt nicht zu verwirklichen sei. Heute weiß die Öffentlichkeit und weiß auch dieses Haus, daß wir trotz erheblicher Mehrbelastungen, die in der Zwischenzeit eingetreten sind — die Mehrbelastungen in Höhe von 1 Milliarde DM haben wir durch Einsparungen an anderer Stelle aufgefangen —, nicht nur die 120,4 Milliarden DM halten, sondern sogar noch um 200 Millionen DM darunterliegen.Im gleichen Zeitraum haben sich die Haushalte aller Länder und fast aller Gemeinden — im Gegensatz zu diesem Beispiel des Bundes --- expansiv entwickelt. Ich wäre dankbar, wenn sich die Finanzwirte der Opposition bei ihrem etwas freizügigen Gebrauch von Zitaten aus Sachverständigengutachten diesen Sachverhalt bitte vor Augen führen würden.Der Bundestag wie die Bundesregierung haben sich akkurat an das gehalten, was verabredet war, die anderen nur mit großem Abstand und zum Teil gar nicht.Das Argument der sogenannten Schattenhaushalte, das wir in den letzten drei Tagen wieder gehört haben, das hier immer wieder bemüht wurde und mit Hilfe dessen behauptet worden ist, der Haushaltszuwachs betrage nicht 9,6 %, sondern vielmehr 13 %, ist weder rechnerisch, weder von der Algebra her noch von der finanzwirtschaftlichen Logik her eine vertretbare Darstellung. Wenn Sie nämlich den Zuwachsraten des Haushalts 1973 das, was Sie Schattenhaushalte nennen, hinzuschlagen, müssen Sie das natürlich auch beim Basisjahr 1972 tun. Wenn Sie dies tun, werden Sie finden, daß formal jene Zahl richtig ist, die auch die Regierung bisweilen benutzt hat: daß der Zuwachs des Haushalts rund 9,6% oder 9,7 % beträgt. Wenn Sie die wirtschaftlichen Tatbestände betrachten, werden Sie zum Ergebnis kommen, daß es ein Zuwachs von 10,5% gegenüber den IstAusgaben im Wirtschaftsjahr 1972 ist, gegenüber einer Steigerung des nominellen Bruttosozialprodukts um 12,6 %, ein Ausmaß, das weit unterhalb der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung liegt, deshalb kontraktive Wirkung hat
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Bundesminister Schmidtund als konjunkturgerecht bezeichnet werden muß. Wenn alle öffentlichen Hände, 16 000 Gemeinden und 11 Länder, sich genauso verhalten könnten und wollten, läge eine wirklich zu Buch schlagende Beschränkung der Nachfrage durch die öffentlichen Hände auf den Märkten der Güter und Dienstleistungen vor.Es ist angesichts dieses Tatbestandes eine wirtschaftslogisch und finanzlogisch schwer zu verstehende Übertreibung, wenn die Opposition im Laufe dieser drei Tage vorgeschlagen hat, die Ausgaben des Bundes noch einmal um weitere 2,5 Milliarden DM, sprich: noch einmal um 2 % Zuwachsrate zu kürzen, davon allein den Schuldenhaushalt um 260 Millionen, die Personalverstärkungsmittel um eine knappe halbe Milliarde DM; dann noch eine globale Minderausgabe von 1,7 Milliarden DM, was insgesamt einer Kürzung der nicht gebundenen Ansätze, der nicht rechtlich oder international gebundenen Ansätze im Bundeshaushalt um 10% entsprechen würde.Meine Damen und Herren, man muß kein Fachmann der Finanzwirtschaft und kein Mitglied des Haushaltsausschusses sein, um zu wissen, daß sowohl Personalverstärkungsmittel als auch der Schuldenhaushalt ausreichend dotiert sein müssen, um die tatsächlich bestehenden rechtlichen Verpflichtungen abdecken und bezahlen zu können.
Dazu braucht man von der Sache überhaupt nichts zu verstehen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Etwas später, bitte!
Durch die Kürzung bei solchen Ansätzen wird zwar vermeintlich ein Effekt erzielt, Herr Kollege Althammer, aber nicht eine einzige Mark bei der Bedienung der Anleiheschuld der öffentlichen Hand kann dadurch eingespart werden. Es wäre reine Kosmetik, weiter nichts. Wie gesagt, man muß kein Fachmann sein, um mein Argument zu verstehen.
Herr Minister, gestatten Sie?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr!
Herr Minister, würden Sie diesem Hause auch mitteilen, welche Erfahrungen im letzten Jahr mit dieser Etatposition „Personalverstärkungsmittel" gemacht worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will das dem Haus gern mitteilen. Ich kann es nicht ausdem Handgelenk, Herr Althammer. Ich will es nachsehen und Ihnen dann gerne mitteilen.
— Ich bin doch kein Falschmünzer, der so tut, als ob er alle Zahlen aus dem Handgelenk streuen könnte. Ich bitte Sie, es wäre doch wirklich ganz unredlich, so etwas zu tun.
Ich bitte Sie, sich darüber klar zu sein, daß Sie — zwar nicht so deutlich wie in der ersten Lesung dieses Bundeshaushalts, aber doch deutlich genug — auch in dieser dritten Lesung insgesamt nicht haben erkennen lassen, ob Ihnen der Haushalt zu groß oder zu klein ist.
Sie haben zwar einerseits solche, wie ich sie nenne, kosmetischen oder optischen Änderungsanträge gestellt, andererseits haben wir gehört, eigentlich sei der Verteidigungshaushalt zu klein, eigentlich sei der Agrarhaushalt zu klein; den letzteren haben Sie sogar mit solcher Begründung abgelehnt; ich habe auch über Entwicklungshilfe einige derartige Ausführungen gehört. Es wäre gut, wenn Sie sich für die nächste Haushaltsberatung, die ja bald kommt, Herr Professor Carstens — es sind keine sechs Monate mehr —, vorher darüber einig würden, wie Sie grundsätzlich Ihre Kritik am Umfang des Haushalts einrichten wollen. Wenn sich dann Ihre Fachleute nut dem ganzen breiten Felde der Fachpolitiken in dieses Ihr eigenes Konzept einfügen könnten, hätten wir nämlich einen Partner für die haushaltspolitische Auseinandersetzung.
Ich muß in diesem Zusammenhang meinem Freund Dr. Alex Möller voll darin zustimmen — auch dem übrigen Inhalt seiner Intervention von heute morgen, aber insbesondere diesem deutlich herausgearbeiteten Gedanken —, daß antizyklische Finanzpolitik uneingeschränkt durch Variierung der Ausgaben oder gar nur der Investitionsausgaben eben nur in rezessiven Zeitläuften möglich ist, daß sie nicht uneingeschränkt möglich ist in Zeitläuften, in denen wir gegenwärtig leben, und daß es schon rechtlich nicht zulässig ist, nur den Bundeshaushalt zum Lückenbüßer für die Steuerung der Gesamtkonjunktur der Volkswirtschaft zu machen.
Die Bundesregierung stimmt mit diesen Ausführungen voll überein. Sie ist nicht nur der Meinung, daß der Bundeshaushalt nicht allein instrumental eingesetzt werden kann, sondern daß darüber hinaus die öffentlichen Hände auch gemeinsam die Last der Konjunktursteuerung nicht allein tragen können. Wenn Sie sich das Stabilitätspaket noch einmal vor Augen führen, sehen Sie, daß darin die öffentlichen Hände instrumental durch Ausgabeneinschränkungen entsprechend genutzt werden, aber eben keineswegs nur der Bund, sondern auch die
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Bundesminister Schmidtöffentlichen Hände in den Ländern und Gemeinden, wie es vernünftig ist.Der Schuldendeckel für Bund, Länder und Gemeinden wird die ursprünglich von allen drei Ebenen zusammen mit knapp 18 Milliarden DM geplante Nettokreditaufnahme auf maximal 12 Milliarden DM reduzieren. Von dieser Verminderung ist der Bund — zunächst waren für ihn 1,7 Milliarden DM vorgesehen — mit 1,9 Milliarden DM betroffen. Das heißt, daß wir die Schuldenaufnahme des Bundes, die nach der noch geltenden Finanzplanung für das Jahr 1973 5,8 Milliarden DM betragen sollte, um zwei Drittel, nämlich auf knapp 1,9 Milliarden DM, reduziert haben. Dies sollen andere öffentliche Haushalte erst einmal nachmachen. Erst dann hätte man im Bundesrat und anderswo die Legitimation, die Haushaltstgebarung des Bundes zu kritisieren.Ich möchte dann noch ein Wort sagen, das auch die Nichtfachleute verstehen werden; auch dazu muß man nicht Mitglied des Finanzausschusses oder des Haushaltsausschusses sein. Der Antrag der Opposition, die Einnahmen des Bundes global einfach um 1,2 Milliarden DM heraufzusetzen, entspricht nicht der notwendigen Sorgfalt und übrigens auch nicht den gesetzlichen Vorschriften. Man kann nur solche Einnahmen einsetzen, von denen man weiß, daß man sie auch haben wird. Damit man aber weiß, welche Einnahmen der Bund haben wird, gibt es seit vielen Jahren den Arbeitskreis „Steuerschätzungen", in den nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Länder, die Gemeinden, die Bundesbank, die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute und der Sachverständigenrat Fachleute entsenden. Dieser Arbeitskreis hat unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Wirkungen des Stabilitätsprogramms seine Schätzungen vorgelegt, und wir haben uns danach gerichtet. Wenn statt dessen der Bundestag der willkürlichen Heraufsetzung der Einnahmen, die die Opposition vorschlägt, Folge leistete, würde das -- ich wiederhole es -- nicht nur auf schwere konjunkturpolitische Bedenken stoßen, weil ganz falsche Erwartungen erzeugt würden, sondern auch eindeutig rechtlichen — das Wort „Bedenken" wäre hier zu schwach — Gesetzesbefehlen widersprechen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl, bitte!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß wir diesen Antrag ausdrücklich mit dem Hinweis auf die neuesten Daten begründet haben, die der Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten gesetzt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir sind alle Ihre Begründungen bekannt. Das Sondergutachten stammt vom 3. Mai. Die Schätzungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen" stammen aus den allerletzten Wochen, liegen also zeitlich später, und berücksichtigen, was der Sachverständigen-rat nicht getan hatte, die Wirkungen, die das inzwischen erlassene und Gott sei Dank inzwischen auch über die Bühne des Bundesrates gegangene Stabilitätsprogramm erzielen wird. Darüber ist nicht zu streiten.
Sie, lieber Kollege Althammer, sind im Gegensatz zu manchem anderen Kollegen wirklich ein Fachmann, und Sie wissen deswegen auch, daß ich recht habe.
— Nein, nicht wie immer, wohl aber in diesem Fall; sonst würde er jetzt aufstehen und sich zu einer Zwischenfrage melden. In diesem Fall hat er unrecht; das weiß er auch.Ich möchte ein paar Bemerkungen zu drei oder vier Sachgebieten machen.Wie im vorigen Jahr, so bilden auch dieses Jahr — das gilt ebenfalls für das nächste Jahr; wir sind ja schon dabei, den Haushalt 1974 vorzubereiten — die Ausgaben im Sozialbereich den bei weitem größten Ausgabenblock. Dabei liegt das finanzielle Schwergewicht bei den Zuschüssen des Bundes zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten und der Knappschaft, durch die der Bund die finanziellen Lasten der Alterssicherung in beträchtlichem Umfang mitträgt, sowie bei der Kriegsopferversorgung, der Kriegsopferfürsorge usf. Dabei darf nicht übersehen werden, daß in einem weiteren Sinne die Sozialpolitik und die sozialpolitischen Leistungen, die der Bundeshaushalt finanziell erbringt, weite andere Bereiche übergreifen, z. B. die ganze landwirtschaftliche, die Agrarsozialpolitik, auf die ich nachher nochmal zurückkommen möchte, die Unfallversicherung, die Krankenversicherung, die Sozialhilfe, die Arbeitsmarktpolitik, die Arbeitslosenversicherung, die berufliche Bildung, die Rehabilitation, das Kindergeld, den Mutterschutz, das Wohngeld und, wie ich hoffe, über das bisherige Prinzip und Ausmaß hinaus, in Zukunft noch stärker die Vermögensbildung, den Lastenausgleich und vieles andere mehr.Der Oppositionsführer hat vorgestern in dem Zusammenhang des Rahmens dieses Riesenpaketes der Sozialleistungen kritisiert die Stundung eines bestimmten Betrages an die Sozialversicherungsträger, und er hat dann auch noch über die Beitragserhöhungen, die im Jahre 1969 beschlossen worden sind, gesprochen. Ich glaube, daß darauf ausreichend geantwortet worden ist, Herr Professor Carstens, und will darauf nicht noch einmal zurückkommen. Ich muß aber auf Ihre höchstpersönliche Fehlvorstellung zurückkommen, daß die gesellschaftliche Angemessenheit eines Haushalts abzulesen sei an Beton und Eisen und Mörtel und Mauersteinen, an der Investitionsrate. Wo blieben wir denn mit dem Sozialstaat, wenn wir den Wert des Haushalts nur in Beton messen wollten?
Im weiten Sinne gesehen, wie ich es eben mit Beispielen, anzudeuten versucht habe, betragen die
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2694 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Bundesminister SchmidtSozialleistungen aus dem Bundeshaushalt in diesem Jahr insgesamt 34 Milliarden. Nach dem augenblicklich noch geltenden Finanzplan werden es im nächsten Jahr schon 40 Milliarden sein. In diesen Sozialleistungen stecken also ungeheure Zuwächse, und sie sollen auch drinstecken! Man kann nur nicht gleichzeitig dann auch auf der Investitionsseite solch gewaltige Zuwächse erzeugen. Das kann man nicht; es sei denn, daß man seine Gesamthaushaltszuwachsrate, die gesamtwirtschaftlich vernünftig ist, überschreiten wollte.
— Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir das zwischenrufen. Eigentlich ist es etwas spät in der Debatte. Bei Herrn Professor Erhard habe ich großen Respekt vor seiner Lebensleistung und möchte ihn deshalb nicht in eine polemische Debatte ziehen. Aber wenn Sie als Opppositionsführer nach dem großen Maß an kritischen Argumenten, die Sie und Ihre Kollegen in 21/2 Tagen ausgebreitet haben, uns nun einmal sagten, was außer diesen optischen Verschönerungen am Haushalt und abgesehen von rein kosmetischen, aber in der faktischen Wirkung höchst zweifelhaften Änderungen wirklich anders gemacht werden sollte, dann wäre ich interessiert.
Sie werden hier nicht übersehen haben, daß es in der ganzen Welt bisher niemanden gibt, der sagt, er — in seinem Lande oder seiner Regierung — sei willens, mit einem noch schärfer angreifenden Stabilisierungspaket der in allen Ländern grassierenden inflatorischen Preisentwicklung entgegenzutreten. Ganz im Gegenteil! Unterhalten Sie sich in Frankreich oder in Amerika oder wo Sie wollen. Ich glaube, Sie selbst würden im Gespräch unter Ihren Fachleuten auf ernste Zweifel stoßen, ob wir gegenwärtig noch tiefer eingreifen sollen; denn daß auch eine Gefahr der Übersteuerung gegeben sein kann, werden vielleicht nicht Sie, aber wird Herr Professor Erhard, der sich an das Jahr 1966 sehr genau erinnern kann, sich ohne weiteres vorstellen können. Ich komme darauf noch einmal zurück.Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung zur Sozialpolitik machen, auch zu dem, was ich hier als Sozialleistungen des Bundeshaushalts im weiteren Sinne bezeichnet habe, was also über den Haushalt meines Kollegen Walter Arendt erheblich hinausgeht. Aber auch das ist noch nicht die Gesamtheit dessen, was man unter Sozialpolitik versteht, die heute meistens Gesellschaftspolitik genannt wird, was in Wirklichkeit dem Begriffsinhalt nach nicht so sehr verschieden voneinander ist oder sein sollte. In Wirklichkeit greift der Bereich der Sozialpolitik noch sehr viel weiter. Er umfaßt auch manche Dinge, die gar kein Geld kosten, weder den Bundeshaushalt noch die Unternehmen, noch die Volkswirtschaft. Die Ausweitung eines Mitbestimmungsprinzips, in dem Kapitalseite und Arbeitnehmerseite gleichwertig und gleichberechtigt an der Leitung und an der Kontrolle der Unternehmen mitwirken, kostet zwar kein Geld, aber sie bringt Gewinn; Gewinn, was die soziale Ausgewogenheit unserer Gesellschaft angeht, undGewinn, was die Stabilität unserer Gesellschaft be- trifft.
Ich möchte eine Bemerkung zum Agrarhaushalt machen. Die Opposition hat gestern gemeint, sie müsse beim Agrarhaushalt Enthaltsamkeit üben, weil die dort vorgesehenen Ausgaben den Bedürfnissen der deutschen Landwirtschaft bei weitem nicht gerecht würden — und das, obwohl der Agrarhaushalt dieses Jahr mit einer nicht zu wiederholenden Zuwachsquote von 18,6% gleich 854 Millionen DM die größte Steigerungsrate seit Jahren ausweist. Da sagen Sie dann: Das ist immer noch nicht genug. Dies ist eben einer von den vielen Punkten, wo ich nicht sicher bin, was Sie wirklich wollen. Wollen Sie wirklich noch mehr beschneiden oder wollen Sie auf der einen Seite sagen können: „Wir sind für mehr Beschneiden" und bei jedem Einzelhaushalt: „Wir sind aber für mehr Ausgaben"? Das kann man nicht erkennen.
Für mich stehen im Agrarhaushalt politisch die Ausgaben für die Agrarsozialpolitik an der Spitze, die in diesem Jahre auf 1,8 Milliarden DM verdoppelt worden sind; dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß sich die am 1. Oktober vorigen Jahres in Kraft getretene Verbesserung beim Altersgeld, bei der Landabgaberente und die zum gleichen Zeitpunkt eingeführte Krankenversicherung der Landwirte in 1973 erstmalig mit einem vollen Jahresbetrag auswirken.
Außerdem kommen dazu 300 Millionen DM Bundeszuschuß für die landwirtschaftliche Unfallversicherung, und ganz besonders weise ich auf die erstmals veranschlagten Zuschüsse zur Zusatzaltersversicherung für landwirtschaftliche Arbeiter hin.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Eigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte um Entschuldigung, nein. Etwas später. —
Das heißt, auf dem Felde der Agrarsozialpolitik ist in den allerletzten Jahren mehr geschehen als jemals vorher in ganzen 20 Jahren.
Wir werden auf diesem Wege der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft tätigen Bürger auch weiterhin konsequent fortschreiten. Der Bundesrat berät gegenwärtig schon eine Novelle zum Altershilfegesetz, die auch eine Anhebung und spätere Dynamisierung der Altershilfe und der Landabgaberente vorsieht.Ein weiterer Schwerpunkt sind die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Dazu ist am 1. Januar 1973 für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" der erste Rahmenplan mit einem Gesamtförde-
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Bundesminister Schmidtrungsvolumen von fast 2 Milliarden DM in Kraft getreten, wovon der Bund mehr als die Hälfte trägt.Ich will in diesem Zusammenhang nicht verschweigen, daß im Rahmen der EWG-Agrarpolitik in einigen Produktionsbereichen die wachsenden Überschüsse Sorgen bereiten müssen. Es liegt klar im Interesse des Steuerzahlers, zu einer Verminderung dieser Überschüsse und damit zu einer Verringerung der sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen zu kommen. Es liegt zweitens im Interesse der deutschen Konsumenten, daß die Bestrebungen meines Kollegen Josef Ertl, der ja im Agrarministerrat der EWG den Antrag gestellt hat, dort im Herbst die Anwendung des Prinzips der gemeinsamen Agrarpolitik unter die Lupe zu nehmen, zu einem Erfolg führen. Man kann ja nicht auf die Dauer die Preise so oder so festsetzen und dann auch noch gleichzeitig die Abnahme aller Mengen garantieren.
Die sozialliberale Koalition bejaht die gemeinsame Agrarpolitik der EWG. Das gilt für alle Mitglieder der Regierung und für beide Fraktionen. Aber das heißt nicht, daß die Anwendungsformen jener Prinzipien, die im Vertrage stehen, so immer fortgesetzt und aufgestockt werden müssen, wie das heute der Fall ist.
Dabei dürfen wiederum die deutschen Landwirte aus dem großen Erfolg der bisherigen Landwirtschaftspolitik der sozialliberalen Koalition, insbesondere der Agrarsozialpolitik, die Gewißheit her-leiten, daß ihre Interessen auch in Zukunft gebührend berücksichtigt werden.Ich möchte ein Wort zur Bildungsfinanzierung sagen. Vor wenigen Tagen hat die Bund-LänderKommission für Bildungsplanung den Gesamtplan mit einem Bildungsbudget bis einschließlich 1985 verabschiedet und den Regierungschefs zur Entscheidung vorgelegt. Ich halte das für einen großen Erfolg des Zusammenwirkens von Bund und Ländern.
Dieses Bildungsbudget enthält neben Kostenberechnungen auch Untersuchungen über die gesamt-und finanzwirtschaftlichen Auswirkungen und stellt damit für die Länder und Gemeinden Entscheidungshilfen für die Festsetzung der Höhe der zukünftigen Bildungsausgaben in Haushalten und Finanzplänen dar. Ich möchte betonen, daß ich diese Ergebnisse begrüße und in ihnen einen wesentlichen Beitrag für eine zukünftig rationalere Gestaltung der öffentlichen Haushalte auf diesem Fachgebiet insgesamt erblicke.Bei allem, was bildungspolitisch und infolgedessen auch finanzwirtschaftlich noch vor uns liegt, muß man sehen, daß die Anstrengungen der Gebietskörperschaften im Bereich der Bildungsfinanzierung in den letzten Jahren ganz bedeutend gewesen sind. Die Steigerung der Ausgaben in diesem Bereich lag weit oberhalb der Zuwachsrate der Gesamtausgaben der öffentlichen Hände. Für die Gebietskörperschaften insgesamt betrugen die Steigerungsratenauf dem Felde der Bildungsfinanzierung 1971 über 23 %pro Jahr, 1972 14 %, 1973 werden sie voraussichtlich zwischen 15 und 16 % liegen.Ich füge dem hinzu, daß sich, wie man aus diesen Zahlen unschwer ablesen kann, die finanzwirtschaftliche Ausgangslage für die gesamte Bildungspolitik erheblich verändert und, wie man wohl erkennen wird, gegenüber den Jahren bis 1969 sehr ververbessert hat. Man muß daher auch erkennen, daß die konkrete Bedeutung zukünftiger Zuwachsraten auf dem Felde der Bildungsfinanzierung sich auf einem so hohen Plateau oder auf einem so hohen Sockel anders darstellt als in den Jahren 1969 oder 1970 oder 1971. Ich sage dies nicht so sehr für den Bundeshaushalt wie im Interesse einer rationellen Haushaltsbeschlußfassung in Ländern und Gemeinden. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn sich im Laufe der näheren Zukunft diese exorbitanten Zuwachsraten der Bildungsfinanzierung bei den Ländern und Gemeinden ein bißchen redressierten in Richtung auf den Durchschnitt, auf die Gesamtzuwachsrate der öffentlichen Haushalte. Das wäre jedenfalls keine Beeinträchtigung der Bildungspolitik, weil sie inzwischen einen ganz anderen Sockel, ein ganz anderes Niveau erreicht hat.Die Erfüllung des Bildungsgesamtplans, wie er hier vor wenigen Tagen am 15. Juni beschlossen worden ist, wird — das kann man heute schon sagen — auch weiterhin ganz erhebliche finanzwirtschaftliche Anstrengungen bei Bund, Ländern und Gemeinden -verlangen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Bund-Länder-Kommission, die diese Papiere verabschiedet hat, im Rahmen ihrer Untersuchungen feststellt, daß die Finanzierung der bildungspolitischen Reformvorhaben selbst bei gesamtwirtschaftlich optimalen Rahmenbedingungen — die man natürlich immer nur im Ausahmefall hat — eine Anhebung der heutigen Steuerquote und eine Ausdehnung der staatlichen Verschuldung insgesamt erfordere. Ich nehme dazu im Augenblick nicht Stellung. Ich mache aber ausdrücklich darauf aufmerksam und verknüpfe damit einen Hinweis darauf, daß die Planung der Bildungsfinanzierung in Zukunft nicht nur gedanklich, sondern auch formal und institutionell mit dem vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern verklammert werden muß und daß sie einer der Maßstäbe sein muß, an dem sich der sonst in einen reinen Kuhhandel ausartende Streit zwischen Ländern und Bund über zukünftige Steueranteile orientieren muß.
Eine Bemerkung zum Verkehrshaushalt. Der Kollege Jenninger hat den Verkehrsminister kritisiert, er habe ein verkehrspolitisches Programm, ein Konzept entwickelt, ohne schon die Finanzierung in der Tasche zu haben. Ich muß sagen, daß ich diesen Vorwurf nicht verstehe. Der Verkehrsminister hat für jedermann sichtbar, lesbar, hörbar gesagt: Dies sind Vorstellungen, wie sie eigentlich von meinem Verkehrsressort aus gesehen wünschenswert wären, aber ich füge hinzu, daß die Finanzierung natürlich der entscheidende Parameter ist; über den muß jetzt gerungen werden. Das heißt aber doch: mehr Durchsichtigkeit des Entscheidungsprozesses in einer Bun-
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2696 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Bundesminister Schmidtdesregierung kann nun weder die Opposition noch die öffentliche Meinung verlangen.
Er ist nicht der einzige, der auf seinem Fachgebiet darlegt, was eigentlich von den Interessen dieses Fachgebietes aus wünschenswert wäre. Wenn das auf allen Gebieten mit der gleichen Durchsichtigkeit erfolgte, wäre das kein Schaden und keine Erschwernis der Finanzwirtschaft. Vielleicht hätte die Opposition statt dieser, wie ich meine, nur formalen Kritik mehr in die sachliche, in die materielle Kritik gehen sollen. Hier ist ja eine Schwerpunktverschiebung von der Straße weg auf die Schiene zu erkennen. Sie ist in diesem Haushalt und ebenso in Lauritz Lauritzens Konzept erkennbar. Dies wirft Fragen auf, die legitimerweise verschieden beurteilt werden können; in diesem Zusammenhang stellen sich sogar „dicke" Fragen. Aber sie sollten dann auch diskutiert werden.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas über die Bahn und die Post sagen. Bahn und Post zusammen erbringen Dienstleistungen im Jahreswerte von 42 Milliarden DM. Auf das erstere Unternehmen entfallen dabei 19 Milliarden DM, auf das zweite 23 Milliarden DM im Jahr. Wir haben es hier mit zwei riesenhaften Unternehmen zu tun. Die Bahn erhält im Hinblick auf die gemeinwirtschaftliche Notwendigkeit ihrer Dienstleistungen Zuwendungen des Bundes, die 1973 insgesamt, wenn ich alle Titel und alle Zweckbestimmungen zusammenzähle, bei 7 Milliarden DM liegen werden. Bei einem Leistungsvolumen von 19 Milliarden DM erhält sie also Zuwendungen des Bundes in Höhe von 7 Milliarden DM. Die Post mit einem Leistungsvolumen von 23 Milliarden DM erhält keine Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt; meine Damen und Herren: das muß auch so bleiben. Die Entwicklung, die die Bahn im Laufe von 20 Jahren genommen hat, muß jedermann davor erschrecken lassen, daß etwas Ähnliches auch bei dem anderen großen Dienstleistungsunternehmen des Bundes eintreten könnte. Ich will es im Klartext ausdrücken: Wir müssen uns alle nachhaltig darum bemühen, daß bei der Deutschen Bundespost nicht eine Situation eintritt, die uns zwingen könnte, wie der Bahn dann auch der Post — vielleicht klein anfangend und sich groß fortsetzend — Zuschüsse zur Abdeckung von Betriebsverlusten zu zahlen. Noch klarer ausgedrückt: Der Zeitpunkt ist nicht gekommen, und er mag auch in Zukunft strittig sein; auf die Dauer darf aber die Politik dieses größte Unternehmen der Bundesrepublik „Post" nicht dazu zwingen, seine Dienstleistungen unter seinen Kosten anzubieten. Das geht nicht.Was die Bahn angeht, so muß die Gesamtpolitik alles tun, damit die Zuwendungen des Bundes auf ein möglichst geringes Maß beschränkt bleiben können. Ganz ohne öffentliche Hilfe wird es auf viele Jahre bei der Eisenbahn nicht abgehen können. Die Eisenbahn entwickelt zur Zeit Konzepte in dieser Hinsicht, die ich im Augenblick nicht qualifizieren will. Es ist auch nicht meine Sache, dies zu tun. Ich will nur auf die finanzwirtschaftlichen Größenordnungen aufmerksam machen, die in der Haushaltsdebatte weiß Gott eine sachliche Beschäftigung mitden Quanten im Verkehrshaushalt legitimieren würden.Eine Bemerkung zum Verteidigungshaushalt. Die Steigerungsraten für die Verteidigungsausgaben —jeweils gegenüber dem Vorjahr — betrugen im Jahre 1970 2,5 %, im Jahr 1971 12,5%, im Jahr 1972 sogar 13,5 %. Vom Ist 1972 zum Soll 1973 ergibt sich ein Anstieg für Einzelplan 14 um 4,3 %, der sich allerdings auf das Doppelte erhöht, wenn man, was für das verteidigungspolitische Ist-Ergebnis 1973 ja entscheidend sein wird, die Anteile aus dem Einzelplan 60 hinzurechnet, die dort für Personal, EDIP und Phantom enthalten sind. Ich gestehe der Opposition und anderen im Haushaltsausschuß übrigens gerne zu, daß der alte Zopf der Aufspaltung in Einzelplan 14 und Einzelplan 60, den ich, wie Sie wissen, geerbt habe, eigentlich abgeschnitten werden sollte.
Nun haben wir am Montagabend mit Interesse verfolgt, daß und auch wie die Opposition diesem Einzelplan ihre Zustimmung gab. Ob Sie es nun wünschen oder nicht, meine Damen und Herren: Dies ist aus unserer Sicht natürlich eine zwar nicht unbedingt notwendige, aber durchaus erwünschte Zustimmung zu einer der wesentlichen Grundlagen der Außenpolitik dieser Regierung.
In Übereinstimmung mit allen Bündnispartnern hat die Bundesregierung ihre Außenpolitik in den letzten drei, vier Jahren entfaltet und fortgesetzt. Sie hat immer wieder den engen politischen Zusammenhang zwischen Ost- und Westpolitik betont. Sie hat auch immer wieder die Formel betont, die die Formel unserer Bündnispartner ist: gemeinsame Verteidigung und gemeinsame Entspannung. Ich darf Ihnen drei Sätze aus dem jüngsten Kommuniqué des Ministerrates der NATO, der vor wenigen Tagen in Kopenhagen getagt hat, vorlesen. Die drei Sätze lauten:Der Fortschritt in Richtung auf bessere Ost-West-Beziehungen und die Verminderung der Spannungen in Europa hätten ohne den unerschütterlichen Verteidigungswillen und die erforderliche starke militärische Verteidigungsfähigkeit des Westens nicht erzielt werden können. Die Minister stellten nachdrücklich fest, daß ein wirksames Verteidigungssystem eine Grundvoraussetzung für den weiteren Fortschritt darstellt. Die Bündnispartner müssen infolgedessen auch weiterhin die zur Gewährleistung ihrer Verteidigung und Sicherheit erforderlichen Anstrengungen unternehmen.Soweit das Zitat und zugleich der Inhalt der Politik der sozialliberalen Koalition seit ihrem ersten Regierungsantritt, seit 1969.
Nur vor diesem Hintergrund der politischen Zusammengehörigkeit von Entspannung und Verteidigungsfähigkeit sind die großen internationalen Zielsetzungen und — so füge ich für meine Person gern hinzu — und Hoffnungen denkbar, an deren Ver-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2697
Bundesminister Schmidtwirklichung unter den Stichworten MBFR und KSZE die Staaten in Ost und West inzwischen herangegangen sind, im Gegensatz zu den noch vor wenigen Jahren beinahe abfälligen Kommentaren aus Kreisen der Opposition. Gott sei Dank ist dies geschehen. Ich glaube, Herbert Wehner und ich sind so ziemlich die einzigen, die aus jenen Jahren heute noch hier im Bundestag sind, die vor 15 Jahren angefangen haben, gedanklich das und auch in der Debatte in diesem Hause zu betreiben, was heute unter der Überschrift MBFR Gegenstand des Verhandelns nicht nur der Deutschen, sondern auch aller unserer Nachbarn und der beiden Weltmächte geworden ist. Wir fühlen uns da sehr bestätigt.
Aber wir haben eben — lesen Sie z. B. die berühmte Rede nach, die von unserer Seite im Jahre 1960 etwa zum gleichen Zeitpunkt des Jahres gehalten worden ist — auch die ganze Zeit immer gewußt und gesagt, daß eine solche Politik, wie sie heute mit den Buchstaben MBFR bezeichnet wird, nur denkbar ist, wenn sie abgestützt ist auf das westliche Bündnis und wenn sie einhergeht mit einer Fortsetzung der Verteidigungsfähigkeit. Wir werden auch zukünftig jeden Gedanken daran verwerfen, daß durch einseitige westliche Vorleistungen, die doch nur einen höchst ungewissen Erfolg haben könnten, etwas erreicht wird.Es bleibt also auch in Zukunft erforderlich, die notwendigen Mittel für die eigene Verteidigung im Rahmen der gemeinsamen Anstrengungen bereitzustellen. Der Umfang dieser Mittel wird auch in Zukunft jedesmal wieder umstritten sein, und jede Regierung wird den Umfang dieser Mittel im Bundeshaushalt nach ihrer Beurteilung der Lage in West und Ost, nach der Beurteilung dieser Lage in West und Ost durch unsere westlichen Partner und nach ihrer eigenen Beurteilung der finanzwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richten müssen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, bitte!
Herr Bundesminister, wie erklären Sie uns, daß es Ihnen bei der fundamentalen Bedeutung der Verteidigung für die Politik dieser Bundesregierung, die Sie uns eben dargelegt haben, nicht gelungen ist, die Zustimmung sämtlicher Mitglieder Ihrer Fraktion für diesen Etat zu gewinnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin dankbar für die Frage. Sie gibt mir Gelegenheit, auf ein Problem einzugehen, das nicht in meinem Manuskript steht. Sehen Sie, wenn das, was ich eben angedeutet habe, auf der einen Seite eine der Grundlagen unserer Außenpolitik ist, dann kann sich auf der anderen Seite natürlich doch niemand darüber
wundern, Herr Kollege, daß wir in unserer Sicherheitspolitik nicht wie viele konservative Menschen — ich meine gar nicht unbedingt die Gesamtheit Ihrer Fraktion hier, aber ich meine sie mit — von einem schablonierten Schwarzweißweltbild ausgehen wollen
und auch nicht von einer schablonierten Schwarzweißmalerei gegenüber der Teilhabe am gesellschaftlichen Evolutionsprozeß oder an dem Reformprozeß oder wie immer Sie das nennen mögen, in die z. B. unsere eigenen Verteidigungsstreitkräfte doch gestellt werden müssen.
Natürlich gibt es nach all diesen Jahren in meiner Fraktion — für die ich als Sprecher der Bundesregierung im Augenblick nicht allzuviel reden will, aber für die ich doch Ihre Frage beantworten will —, mich eingeschlossen, keine voraussetzungslose und kritiklose Übernahme all der einzelnen Denktraditionen, Stiltraditionen, Organisationsformen und so fort, die wir 1969 von den Herren von Hassel, Strauß und Schröder tradiert bekommen haben.
Daß es darüber auch Meinungsverschiedenheiten geben mag, das, finde ich, sollten Sie eher anerkennen, wie Sie sich gleichzeitig auch fragen sollten, ob Sie auf dem richtigen Dampfer sind, wenn auf Ihrer Seite Jahr für Jahr die Verteidigung nur grundsätzlich bejaht, über Details aber nicht mehr kritisch nachgedacht wird.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nicht so gerne, aber bitte, Herr Althammer!
Herr Minister, ist das, was Sie soeben gesagt haben, so zu verstehen, daß Sie die Stimmabgabe der Kollegen in Ihrer Fraktion, die nicht zugestimmt haben, damit für richtig halten und billigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, das ist so nicht zu verstehen. Für diese neun Kollegen habe ich nicht zu sprechen; sie werden selber Gelegenheit haben, ihre Motive darzulegen.
— Die Bemerkung, die ich soeben gemacht habe, ist, wie Sie wohl zugeben werden, nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv wahr.
Ich möchte doch noch einen Gedanken — das andere lasse ich hier weg — zur Verteidigung einfügen. Ich finde, wenn Sie schon in Aufmerksamkeit, wie ich registriere, eine kritische Bemerkung auf dem Felde der Agrarpolitik angehört haben, so sollten wir auch eine kritische Bemerkung auf dem
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2698 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Bundesminister SchmidtFelde der Verteidigungspolitik, die sich ebenfalls auf den größeren europäischen Rahmen richtet, nicht unterdrücken: Es hat in all diesen Jahren zur außenpolitischen Konzeption der sozialliberalen Koalition und insbesondere zum sicherheitspolitischen Teil dieses Konzepts gehört, daß wir uns allerdings nicht nur die Fortsetzung der gemeinsamen organisierten Verteidigungsanstrengungen wünschen, sondern diese Fortsetzung unter französischer Beteiligung.Um auf ein anderes Feld zu kommen: Herr Kollege Carstens, Sie haben in Ihrem Diskussionsbeitrag am Anfang — abgesehen von Ihren Bemerkungen über die Investitionsquote, auf die ich schon geantwortet habe — auch den Vorwurf erhoben, daß die Regierung schon v o r dem Mai stabilitätspolitische Maßnahmen tiefgreifender Art hätte ergreifen müssen. Sowohl Herr Professor Erhard als auch Herr Professor Carstens haben die internationalen Zusammenhänge in Zweifel gezogen. Mein Kollege Hans Friderichs hat durch einen dummen Zufall dazu leider nicht zu Wort kommen können. Ich möchte daher im Schlußwort noch einiges dazu nachtragen dürfen.Herr Professor Erhard war beteiligt an der Geburt der D-Mark. Er war nicht der alleinige Geburtshelfer, aber er war einer der Geburtshelfer. Er war sicherlich in sehr viel höherem Maße beteiligt an dem nächsten wichtigeren Ereignis in bezug auf die D-Mark, nämlich Ende der fünfziger Jahre an der Herstellung der Konvertibilität. Jedermann hier weiß, daß die Konvertibilität der Währungen, wie sie nach dem Kriege schrittweise wiederhergestellt worden ist, einen ganz großen Beitrag geleistet hat zu dem enormen Aufschwung des Welthandels. Aufschung des Welthandels ist dabei nur ein anderer Ausdruck für den enormen Aufschwung der weltweiten, für alle Beteiligten nützlichen Arbeitsteilung. Dazu hat die Konvertibilität der Mark sicherlich erheblich beigetragen.Auf der anderen Seite muß man eben auch erkennen, daß diese weltwirtschaftlichen Zusammenhänge und daß die Konvertibilität der Währungen auch ihre Gefährdungen mit sich gebracht haben, die insbesondere im Laufe der letzten vier oder fünf Jahre in schlimmer Weise in Erscheinung getreten sind. Herr Professor Carstens muß einmal zu verstehen suchen, daß eine tiefgreifende, wirklich dämpfende Wirkungen erzeugende Stabilitätspolitik in diesem Lande v o r dem Zeitpunkt der Abkoppelung der DM vom Verfall des ganzen Dollarraumes und seiner Währung, ohne jede Aussicht gewesen wäre, weil wir anschließend doch nur Milliarden von Dollars und anderer Fremdwährungen in dieses Land hereinbekommen hätten.
Ich versuche wirklich, das einmal ganz einfach auszudrücken, da es ja auch draußen nicht überall ganz verstanden wird. Weil wir durch internationale Rechtsverpflichtungen verpflichtet waren, jeden Dollar in D-Mark umzutauschen, und weil die Leute keine Dollars mehr behalten wollten, mußten wir die Dollars in D-Mark umtauschen. Wir haben auf diese Weise von außen unser Nachfragevolumenin einem Maße aufgebläht bekommen, das alle Stabilitätsanstrengungen in Wirklichkeit von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilte.Infolgedessen war die unabdingbare Voraussetzung für jedes Stabilitätsprogramm, die Verpflichtung loszuwerden, inflationierte ausländische Währung in deutsche Währung umzutauschen. Das ist uns nach vielen vergeblichen Anläufen, die schon die vorige und die vorvorige Bundesregierung gemacht hatten, endlich in diesem März gelungen. Es war eine schwierige Geburt.Erst, als wir im April sahen, daß es mit den frei schwebenden Wechselkursen in aller Welt funktionieren würde, erst seit diesem Zeitpunkt war es überhaupt sinnvoll, allerdings nun auch notwendig, im Schutz dieser gesicherten Flanke innenpolitisch und binnenwirtschaftlich auf die Stabilität, d. h. auf eine Dämpfung der Preise loszugehen.Wenn jemand immer noch den Vorwurf erhebt, daß dies nicht schon zu Zeiten des festen Dollarwechselkurses geschehen ist, dann hat er eben wirklich die Zusammenhänge zwischen binnenwirtschaftlicher Entwicklung und außenwirtschaftlicher Entwicklung noch nicht ganz in seinen geistigen Griff bekommen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann?
Herr Minister, wenn Sie hier die Dinge im Zusammenhang darstellen — das ist ja zum großen Teil auch objektiv richtig geschehen —, müssen Sie dann nicht fairerweise hinzufügen, daß die von dieser Koalition im Stich gelassene Bundesbank in den entscheidenden Jahren nach 1969 mit ihrer Hochzinspolitik wesentlich dazu beigetragen hat, Auslandsgelder in die Bundesrepublik hineinzubringen und damit die Geldmenge über Gebühr auszuweiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will mich nicht unbedingt und ausschließlich positiv zur Zinspolitik der Bundesbank in den vorangegangenen Zeiträumen äußern. Da kann man verschiedener Meinung sein. Aber im Stich gelassen ist die Bundesbank gar nicht. Es hat lange Jahre zwischen Bonn und Frankfurt — das geht über mehrere Regierungen in die Vergangenheit zurück — kein so kooperatives Verhältnis gegeben wie zwischen dieser Bundesbank heute und dieser Bundesregierung hier, Herr Kollege Müller-Hermann.
Die Sorge, die in meine Erinnerung zurückkommt, wenn ich Sie so sprechen höre oder wenn ich Herrn Professor Carstens vorgestern so sprechen hörte, ist doch die: Im Frühjahr und im Sommer 1972 haben Sie gesagt „Finanzchaos", „Es muß eingegriffen werden", und was weiß ich alles. Ich habe mir vor-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2699
Bundesminister Schmidtgestellt, wie das sein würde, wenn Sie hätten eingreifen können. Es würde mit großer Wahrscheinlichkeit Ende 1972 genauso gekommen sein, wie es in ähnlicher Lage von Ihnen schon Ende 1966 und stark noch 1967 hineinwirkend schon einmal geschehen war.Herr Kollege Carstens mag das nun gern hören oder nicht. Er hat mich hier zum zweiten- oder drittenmal wegen der 5 % angenommen. Herr Kollege Carstens, ich bleibe dabei, daß Ihre Partei mit den finanz- und stabilitätspolitischen Vorstellungen, die sie im Laufe des Jahres 1972 vertrat und selbst heute noch vertritt, die deutsche Volkswirtschaft bei einer Regierungsübernahme im vorigen Herbst in akkurat dieselbe Situation wie 1966 und 1967 hineingeführt haben würde.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Bismarck?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann darf ich als Sozialdemokrat dazu sagen: 7,8 °/o Preissteigerung ist gefährlich, 5 % wäre auch viel; aber auch nur 2 % Arbeitslosigkeit wäre schon schlimmer als 5 % Preissteigerung. Das ist meine wirkliche Meinung.
Herr Professor Erhard hat dazu gesagt, wir hätten eine Überbeschäftigungsgarantie abgegeben. Das haben wir nicht.
Wir haben uns immer für Vollbeschäftigung ausgesprochen. Wir sind nicht der Meinung, daß der Staat die Aufgabe hätte, 3 Millionen Arbeitsplätze mehr, als wir eigentlich brauchen, zu garantieren. Das ist nicht seine Aufgabe.Ganz gewiß besteht die Gefahr, daß die Bremsmaßnahmen, die insgesamt jetzt anfangen, erste Bremsspuren zu zeigen, wie Herr Friderichs sagte — oder war es Herr Klasen? —, auch zu tief greifen könnten. Die Gefahr besteht. Herr Professor Erhard hat dagegen die umgekehrte Gefahr entdeckt, wir könnten uns vielleicht bei den ersten Bremswirkungen erschreckt von ,der Stabilitätspolitik zurückziehen. Diese Sorge habe ich nicht. Meine Sorge ist vielmehr die, daß viele Wirtschaftssubjekte — sei es als Unternehmer, sei es als Gemeindefinanzkämmerer, sei es als Arbeitnehmerorganisation, sei es als Handelsunternehmen — mit dem Versuch, die Ansprüche, die sie aus alter Gewohnheit der letzten Monate glauben auch im Herbst wieder durchsetzen zu können, zu verwirklichen, sich selbst in Situationen bringen könnten, in denen die sehr knapp gehaltene Decke des Kredits und der Kapitalmarktversorgung zu schweren wirtschaftlichen Einbußen für sie selbst führen kann. Es wäre kein Unglück, wenn einmal eine Bank pleite geht; daran sähe man, daß die Marktwirtschaft funktioniert; es wäre nicht so schlimm, zumal dieSparer dann durch den gegenseitigen Unterstützungsfonds aufgefangen würden. Es wäre auch kein Unglück, wenn irgendeiner der Baulöwen pleite ginge, die sich übernommen haben und mit ihren Zwischenfinanzierungen nicht mehr zu Rande kommen, weil wir das Geld knapp gemacht haben. Aber es wäre eine schlimme Sache, wenn sich große Unternehmungen oder ganze Branchen oder große Organisationen von Arbeitnehmern in der vorhersehbaren Wirkung der Kreditverknappung und in der vorhersehbaren Wirkung dieser Dämpfung der Wirtschaftstätigkeit, die auch eine Dämpfung der Umsatzentwicklung und eine Dämpfung der Beschäftigung mit sich bringen muß, verkalkulieren würden. Ich hoffe, ich habe im Klartext geredet.Wir haben nicht die Absicht, einen Lohnstopp zu verhängen. Wir können das aus verfassungspolitischen Gründen nicht wollen. Wir können nicht den Gewerkschaften ihr ureigenes, ihr zentrales, legitimes Handlungsfeld wegnehmen und sie auf Randgebiete verdrängen, wo sie einer Propaganda ausgeliefert wären, die wir nicht zu fördern wünschen.
Wir haben übrigens auch ganz erhebliche grundgesetzliche Zweifel, wobei ich an die Literatur zu Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes denke.Auch hinsichtlich des Preisstopps braucht Herr Professor Erhard keine Sorge zu haben. Ein Preisstopp ohne Lohnstopp könnte ja nur wenige Wochen funktionieren. Da es im übrigen in den Ländern, bei den Regierungspräsidien und bei den Landratsämtern keine Administration gibt, die dieses Feld beherrscht, so würde er auch aus rein verwaltungsmäßigen Gründen nach wenigen Monaten zusammenbrechen. Ganz zum Schluß möchte ich erwähnen, daß ich mich auch aus ordnungspolitischen Gründen an einer solchen Zerstörung der Marktwirtschaft nicht beteiligen möchte, und das möchte auch die ganze Regierung nicht.
Ich möchte, diesen Teil abschließend, noch ein weiteres Mal auf Herrn Professor Erhard eingehen dürfen.
— Ich nehme es nicht übel, daß er nicht da ist. Man kann nicht immer anwesend sein. Herr Professor Erhard hat gestern gesagt, es sei keine echte Alternative, zwischen einer nationalen deutschen Stabilitätspolitik und der Mitwirkung an der Förderung des Integrationsprozesses in Europa wählen zu müssen. Ich stimme ihm zu. Das ist keine echte Alternative. Nur muß auch Herr Professor Erhard sehen, daß wir schon in der Vergangenheit eine Reihe von stabilitätspolitischen — wenn Sie diesen Ausdruck wünschen — Vollmachten und Instrumenten an das neue Wesen Europäische Gemeinschaft abgegeben haben, ohne von jener Stelle tatsächliche Stabilitätspolitik dafür zurückzuerlangen. Herr Professor Erhard wird
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2700 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Bundesminister Schmidtmir sicherlich darin zustimmen: Es wäre in diesem Augenblick wünschenswert, die Zölle für die Bundesrepublik Deutschland aufzuheben.
Es wäre wünschenswert, eine andere Agrarpreispolitik in Europa zu machen — in diesem Augenblick wenigstens.
Aber da stehen die Bindungen entgegen, die unser Staat in der Vergangenheit eingegangen ist. Für die Zukunft sind wir noch weiterreichende Bindungen eingegangen, und ich habe die Opposition so verstanden, daß sie sie auch bewahren und nicht zerstören möchte. Wir sind die Bindung eingegangen, schrittweise eine Wirtschafts- und Währungsunion herbeizuführen, und diese Zielsetzung der Währungsunion bereitet beinahe jedes Quartal, beinahe allmonatlich schwere, auch stabilitätspolitische Sorgen.Gegenwärtig — seit dem März — bewegt sich der Kurs der Deutschen Mark tatsächlich beinahe völlig frei, was in unserem Interesse liegt. Er geht nach oben; das bedeutet tendenziell eine Dämpfung der Exporte und tendenziell eine Anreizung der Importe. Aber er geht innerhalb der sogenannten „Schlange" nach oben. Wir haben uns im März d. J. durch eine 3%ige deutsche Aufwertung ganz unten an den Bauch der Schlange gesetzt; jetzt jedoch sind wir schon durchgewandert, sind wir schon oben, fangen wir bereits an, in kleinen Beträgen — überhaupt nicht zu vergleichen mit den damaligen Dollarzuströmen, aber immerhin! — Währungen einiger unserer Schlangennachbarn, unserer Partner in der gemeinsamen Währungsgruppe, durch Käufe stützen zu müssen — was deren Stabilitätsbemühen hilft.Es wäre unvernünftig, aus der Schlange auszubrechen; dann brauchte man zwar andere nicht mehr zu stützen, aber dann würde man auch den Einfluß auf die EWG-Partner verlieren, daß sie ihrerseits eine innere Wirtschafts- und Stabilitätspolitik verfolgen, die ihre eigenen Währungen stützt.Manche — auch hier im Saal, wie ich bemerkt habe — haben die Vorstellung, wir sollten währungspolitisch allein handeln. In diesem Zusammenhang ist der Herr Bundeskanzler vorgestern zitiert worden, der einmal angedeutet habe, dies wäre das natürliche Rezept, wenn es die EWG nicht gäbe. Es ist auch durchaus ein Rezept, meine Herren Kollegen, nur wäre es gleichzeitig ein Inkaufnehmen dessen, daß die Deutschen damit den Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion in einer für alle Europäer deutlich sichtbaren Weise blockierten, wenn sie nicht gar in den Verdacht gerieten, ihn abzuschneiden. Wir wollen das nicht in Kauf nehmen! Wir sind deshalb nicht so selbständig, nicht so autonom, wie wir es stabilitätspolitisch gerne sein würden.Es ist schwierig, in einer Plenardebatte, die öffentlich stattfindet, auf die wirtschaftliche Situation in anderen Ländern der EWG hinzuweisen. Aber ich will Ihnen nicht verhehlen, daß ich nicht nur auf währungspolitischem Gebiet, sondern auch auf anderen Gebieten noch enorme Schwierigkeiten — d. h.auf Deutsch auch: erhebliche Opfer für die Bundesrepublik Deutschland! — sehe — —
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident; nicht mitten im Satz!Ich sehe also auch Opfer, die auf uns dadurch zukommen werden, daß es schwer ist, die gleiche Wirtschaftspolitik für Irland, für Süditalien, für das Ruhrgebiet und — sagen wir einmal — für Oberbayern zu treiben. Das ist phantastisch schwierig, wenn Sie sich die verschiedenen Strukturen ansehen.
Wir bringen ganz gewiß Stabilitätsopfer, indem wir im Laufe der Jahre in zunehmendem Maße eine Reihe von Kompetenzzugeständnissen an die europäischen Instanzen machen — übrigens auch finanzwirtschaftliche Zugeständnisse.Herr Professor Erhard hat Recht: Politisch gesehen ist es keine Alternative zu sagen, entweder nationale autonome Stabilitätspolitik treiben oder Europa machen. Man muß vielmehr Europa machen und trotzdem im Rahmen dessen, der für uns möglich geblieben ist, nationale Stabilitätspolitik treiben.Dabei kann man nicht die Hoffnung hegen, Herr Professor Carstens, man könnte zu einer Welt zurückkehren, in der die jährlichen Preissteigerungsraten 2 % betragen; diese Ara ist auf der ganzen westlichen Welt einschließlich einer Zahl von kommunistischen Ländern aus vielerlei Gründen vorbei und möglicherweise auf längere Zeit unwiederbringlich vorbei. Sehen Sie sich an, wie die Preise auf der ganzen Welt gestiegen sind: Wir haben 14 °/o Importpreis-Anstieg; die Weltmarkt-Rohstoffpreise sind um 50, 60 °/o, einige um 120 °/o in nur 12 Monaten gestiegen. Bedenken Sie, wie sehr wir auf diese Verflechtungen mit der Welt angewiesen sind! Ende dieses Jahres ist möglicherweise die Bundesrepublik in der Statistik der größte Außenhandelspartner der Welt geworden mit einem größeren Export als alle anderen. Wenn Sie sehen, wie stark — eigentlich zu stark — wir bereits mit der Weltwirtschaft verflochten sind, dann wird sich jeder ausmalen können, daß wir uns z. B. von den Gesamtentwicklungen dieses weltwirtschaftlichen Aggregates nicht völlig befreien können.Sicherlich werden die Weltmarktpreise sich auch wieder etwas beruhigen, wenn das Vertrauen in den Dollar zurückkehrt; denn sie werden ja meist in Dollar ausgedrückt. Aber das Vertrauen in den Dollar ist eben im Augenblick nicht sehr groß. Gewiß muß es eines Tages auch wieder feste, aber anpassungsfähige Wechselkurse zwischen uns und dem Dollar und anderen Währungen geben. Aber bis dahin ist es noch lang; und keiner von uns weiß, wie lange es dauern wird, bis der gegenwärtig tief unterbewertete Dollar sich wieder richtig auf einem
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2701
Bundesminister SchmidtKursniveau einpendelt, das seinem realen Wert entspricht.Am Schluß, meine Damen und Herren, möchte ich sagen, daß mir — abgesehen vom Beitrag meines Freundes Dr. Möller — die diesjährige Haushaltsdebatte noch nicht in einem mir wünschenswert erscheinenden Maße die Verflechtung zwischen den Haushalten der öffentlichen Hände durchsichtig gemacht hat, die nicht nur unter konjunkturpolitischen oder stabilitätspolitischen Zielsetzungen von großer Bedeutung ist, sondern die eben auch im klassischen Felde der Finanzwirtschaft oder dem Felde der Lösung von Aufgaben durch den Gesamtstaat, der Verteilung von Aufgaben auf die einzelnen Teile des Gesamtstaates Bund, Länder, Gemeinden, kommunale Verbände und andere Körperschaften erhebliche Relevanz hat. Dieses Gewebe und seine Dynamik darf nicht in eine Art Verteilungskampf der verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften ausarten. Wir waren im Bundesrat in der anfänglichen Phase der Debatte über das Stabilitätsprogramm nahe daran, in einen allgemeinen Verteilungskampf einzumünden, der nur darin hätte enden können, daß man dann gemeinsam dem Dritten etwas wegnimmt, um sich untereinander einigen zu können; der Dritte wäre in dem Falle der Steuerzahler gewesen oder die Überforderung der Volkswirtschaft durch insgesamt zu hohe Ansprüche der öffentlichen Hände.Was ich sagen möchte ist dies: Wenn Herr Kollege Althammer — für die Opposition in dieser Schluß-runde sprechend -- darauf hinweist, daß er von der Regierung erwartet, sie solle die Novellierung des berühmten § 51 aus dem Haushaltsgrundsätzegesetz mit der Zuständigkeit des Finanzplanungsrates einleiten, dann muß ich allen Ernstes wiederholen: damit wäre nichts getan. Herr Kollege Althammer, wenn wir zu einem funktionsfähigen und auf die Dauer- zuverlässig en Finanzgefüge zwischen Gemeinden, Bund und Ländern kommen wollen, wenn wir davon wegkommen wollen, daß einem das alle zwei Jahre umgeschmissen wird und daß schon nach dem ersten Halbjahr die Beteiligten im Hinblick auf die in eineinhalb Jahren von ihnen zu erzielende oder durchzusetzende neue Regelung im Vorwege Verpflichtungen eingehen, die sie finanzwirtschaftlich noch gar nicht abdecken können, dann nützt es nichts, an dem Instrument des Finanzplanungsrats gesetzgeberisch herumzubasteln. Der kann nur Empfehlungen aussprechen, nach denen sich weder die Bürgerschaft in Hamburg noch der Landtag des Freistaats Bayern richten muß. Sie müssen da sehr viel tiefer gehen; dann müssen Sie an den Art. 109 des Grundgesetzes ran. Dagegen spräche — rein politisch gesehen -- auch vieles. Aber wenn Sie wirklich von der Opposition her eine größere Koordination in der Finanzwirtschaft zwischen Gemeinden, Ländern und Bund wollen, Herr Althammer, müssen Sie auf eine Grundgesetzänderung lossteuern, die allerdings auch nur mit Ihren Stimmen hier und mit Ihren Stimmen im Bundesrat überhaupt vorstellbar ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr!
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie wenigstens inzwischen das eine erreicht haben, was wir schon vor Jahren erreichen wollten, nämlich daß eine Gleichartigkeit der Haushaltsveranschlagung und Haushaltsführung bei Bund und Ländern vorhanden ist, daß man wenigstens einheitliche Daten hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann man, glaube ich, bis zu einem gewissen Grade bejahen. Allerdings gestehe ich Ihnen zu, daß ich immer wieder aufs neue darüber verwirrt bin, daß in vielen Fällen ein und dieselbe Mark gleichzeitig in zwei Haushalten der öffentlichen Hände erscheint und daß es nicht möglich sein soll, z. B. Zuschüsse, die wir an die Länder leisten, gar nicht erst in unserem Haushalt entstehen zu lassen oder aber, wenn sie von den Ländern an die Gemeinden durchgeleitet werden, gar nicht erst in den Haushalten der Länder entstehen zu lassen.Ich sage das als ein Beispiel dafür, daß man — ich habe mich darum bemüht —, wenn man die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden zusammenzählt, Herr Althammer, trotzdem nicht die Gesamtsumme der öffentlichen Ausgaben bekommt. Dies ist ein sehr vielschichtiges und vielfältiges Gebäude von Finanzbeziehungen. Wie gesagt: Wenn man es in der Zukunft will besser handhaben können, dann muß man an den Art. 109 des Grundgesetzes ran; der Finanzplanungsrat hilft nichts.Ich will Ihnen nicht verschweigen, Herr Althammer, daß es im Zusammenhang mit den stabilitätspolitischen Notwendigkeiten im Rahmen der heutigen Fassung des Art. 109 des Grundgesetzes, der ja die verfassungsrechtliche Ermächtigung für gewisse Passagen des Stabilitätsgesetzes war, noch weitere gesetzliche Möglichkeiten für die gegenwärtigen stabilitätspolitischen Zwecke gibt, nämlich gegenüber allen Gebietskörperschaften zu einem noch härteren Holzhammer zu greifen, als es bisher im Stabilitätsprogramm geschehen ist. Wenn der Bundeshaushalt in diesem Jahr um 10,5 % wächst — das ist auch ein gutes Schrittmaß für das nächste — und wenn die Haushalte der Länder um 13 %, 14 % und mancher Gemeinden und einzelner großer Gebietskörperschaften um 17% wachsen, dann fühlt man sich versucht, über das nachzudenken, was ich angedeutet habe, Herr Althammer. Das hat dann mit schwarz, rot oder blau überhaupt nichts mehr zu tun.Noch drei Punkte zum Schluß:Erstens. Dieser Bundeshaushalt ist ein Ausdruck finanzwirtschaftlicher Solidität.Zweitens. Der Bundeshaushalt trägt zu der notwendigen Kontinuität der Reformpolitik bei; er trägt ihr Rechnung.Drittens. Der Haushalt ist konjunkturgerecht und gleichzeitig Ausdruck des festen Willens der Bundesregierung, mit ihrer Fiskalpolitik die Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank zu unterstützen, zu
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2702 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Bundesminister Schmidtflankieren und damit zu einer Dämpfung des Preisauftriebs und der Konjunktur beizutragen.Ich bitte um Nachsicht, Herr Kollege Althammer, daß ich nicht auf Ihre Stilkritik repliziere. Wir haben uns alle im Laufe von 20 Jahren jeder seinen Stil gebildet. Ich denke, daß die Bundesregierung zu jeder Zeit im Haushaltsausschuß angemessen und fachkundig vertreten war. Im übrigen würde ich dort auch gern hinkommen, wenn es von Ihnen gewünscht wird. Ich habe eine große Hochachtung für den Haushaltsausschuß. Das will ich gerne sagen, und das sage ich nicht erst heute als Finanzminister. Ich bin 1953 zum erstenmal in diesen Bundestag gewählt worden. Ich habe seither immer eine große Hochachtung nicht nur für die Sachkunde, sondern insbesondere auch für den unerschöpflichen Fleiß des Haushaltsausschusses gehabt, der ihn von manchem anderen Gebilde in diesem Gebäude auszeichnet. Er ist nicht der vornehme Rotary Club.
Er ist in der gesellschaftlichen Achtung im Parlament bestenfalls ein minder hoch eingeschätzter Club, aber, wie ich meine, eines der zuverlässigsten der vielen Gremien, die hier in Bonn sachliche Arbeit leisten. Ich möchte für die Bundesregierung dem Haushaltsausschuß, insbesondere seinem hier nicht anwesenden Vorsitzenden und den drei Obleuten, den Herren Kollegen Haehser, Viktor Kirst und Althammer, Dank für ihre Arbeit sagen. Das schließt im letzten Falle nicht ein, daß ich mit Ihren Plenarausführungen einverstanden sein könnte, aber im Ausschuß war es alles gut.
Herzlichen Dank auch — da möchte ich mich für die Bundesregierung dem anschließen, was die Kollegen schon gesagt haben — an die Beamten Ihres Ausschusses, auch an die Beamten des Bundestages insgesamt, die hier mitgewirkt haben, an die Beamten des Finanzministeriums und auch an die Belegschaft der Bundesdruckerei, ohne die dieses alles nicht ginge. Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/843 zu Einzelplan 11 auf und frage, ob das Wort gewünscht wird. — Herr Dr. Althammer!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag hat in der Debatte der zweiten Lesung schon wiederholt eine Rolle gespielt. Es geht darum, unseren Antrag bezüglich der Kriegsopfer zu realisieren. Wir haben jetzt in diesem Entschließungsantrag auch einen präzisen Deckungsvorschlag dazu gemacht. Wir sind der Auffassung, daß sich das Hohe
Haus jetzt darüber klar werden sollte, wie es dieses wichtige Problem behandelt. Wir bitten, den Antrag anzunehmen. Ich beantrage hierzu namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Haehser.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich habe eigentlich meinen Ohren nicht trauen wollen bei dem, was der Kollege Dr. Althammer zu diesem Antrag gesagt hat, insbesondere auch nicht bei dem Antrag auf namentliche Abstimmung, dem wir natürlich gerne folgen.
Hier geht es darum, daß es im zweiten Absatz dieses Antrages heißt:
Die notwendigen Mittel können dadurch aufgebracht werden, daß im Einzelplan 60, Kapitel 60 02 ein neuer Titel 972 01 — Globale Minderausgabe bei den Personalausgaben — mit einem Ansatz von 390 000 000 DM eingefügt wird.
Dieser Titel „Globale Minderausgabe" ist gestern vom Deutschen Bundestag abgelehnt worden, und jetzt wollen Sie den abgelehnten Titel mit einem Ansatz ausstatten.
Sie müssen sich einmal vorstellen: Bei einer globalen Minderausgabe wollen Sie einen Ansatz feststellen! Herr Kollege Althammer, Sie hätten als Obmann Ihrer Arbeitsgruppe diesen Antrag eigentlich nicht pasiseren lassen dürfen.
Damit aber das Thema, um das es hier geht, eine Chance zur Beratung erfährt, beantrage ich namens der Koalitionsfraktionen, den Antrag zu überweisen.
Meine Damen und Herren, ich muß zunächst über den Antrag auf Überweisung abstimmen lassen.
Wer dem Antrag des Kollegen Haehser, den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU an den Haushaltsausschuß zu überweisen, zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.Wir kommen jetzt zu den Entschließungsanträgen der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksachen 7/834, 7/835 und 7/838 zum Einzelplan 12. Ich rufe zunächst den Entschließungsantrag Drucksache 7/834 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
— Vorgeschlagen ist Überweisung an den Haushaltsausschuß. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2703
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe den Entschließungsantrag Drucksache 7/835 auf. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jobst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU hat folgenden Entschließungsantrag eingebracht:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zukunft sowohl in der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung als auch in den Haushaltsentwürfen die Ansätze für das Streckenausbauprogramm der Deutschen Bundesbahn gesondert auszuweisen.
Wir halten es für erforderlich, daß die Infrastrukturpolitik für den Verkehrsausbau zu einer Einheit zusammengeführt wird. Wir haben eine Fortschreibung der Finanzplanung für den Bundesfernstraßenbau, für den Ausbau des innerstädtischen Verkehrs bei den Finanzhilfen des Bundes und für den Wasserstraßenbau im Rahmen der Abkommen des Bundes mit den Ländern. Es fehlt jedoch eine mittelfristige Finanzplanung des Bundes für die erforderlichen Investitionen zum Ausbau und zur Modernisierung des Streckennetzes der Bundesbahn.
Wir sind uns alle darin einig, daß wir gerade in Zukunft eine leistungsfähige Eisenbahn brauchen. Sie ist kein Auslaufbetrieb; sie muß aber modernisiert werden. Hierfür sind erhebliche Investitionen notwendig. Sie sind überhaupt die Voraussetzung für eine moderne Bahn. Dem Ausbau des Streckennetzes kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung zu.
Eine gezielte Infrastrukturpolitik und eine gezielte Investitionsstrategie sind eine Voraussetzung dafür, daß die Bundesbahn ihre Aufgaben künftig erfüllen und die steigende Nachfrage nach Verkehrsleistungen bewältigen kann.
Der Herr Bundesverkehrsminister war gestern nicht in der Lage, ein Finanzierungskonzept für sein verkehrspolitisches Kursbuch vorzulegen. Es ist demnach nur ein Programm mit Absichten und schönen Wünschen. Die Bundesbahn hat ein Streckenausbauprogramm für die Zeit bis 1983 vorgelegt. Danach sollen 1973 25 Millionen DM, 1974 250 Millionen DM, 1975 950 Millionen DM und 1976 1 640 Millionen DM aufgewendet werden. Angesichts ihrer angespannten Finanzlage kann die Bahn diese Mittel nicht selbst aufbringen. Es ist höchste Zeit, daß wir erfahren, wie diese notwendigen Investitionen finanziert werden sollen. Auch der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt, daß die Bundesregierung der Bahn beim Ausbau ihres Schienennetzes helfen werde. Wir halten es für geboten, daß für das Parlament und für die Bahn Klarheit geschaffen wird und daß in den künftigen Haushalten ebenso wie in der mittelfristigen Finanzplanung Mittel für den Ausbau des Streckennetzes der Bahn bereitgestellt und gesondert ausgewiesen werden.
Ich bitte deshalb, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen und ihn an den Verkehrsausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haehser.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst die Bemerkung, daß wir der Überweisung an den Verkehrsausschuß und den Haushaltsausschuß zustimmen. Wir legen aber Wert darauf, daß der Entschließungsantrag auch an den Haushaltsausschuß überwiesen wird.
Zur Sache selber! Die Koalitionsparteien hatten Anfang Mai eine Klausurtagung mit dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn. Bei dieser Klausurtagung wurde nach langer Erörterung dieses Themas dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn die Auffassung der Koalitionsparteien mitgeteilt, sich für einen Ansatz im Einzelplan 12 des Bundesministers für Verkehr für die Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn verwenden zu wollen. Dieser Zusage, die die Koalitionsparteien dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn gegeben hatten, sind die Koalitionsparteien — dann allerdings unterstützt von der CDU/CSU-Opposition — nachgekommen. Es gibt einen Ansatz in Höhe von 25 Millionen für die Neubaustrecke Hannover—Elze; dieser Ansatz ist zu Lasten der Liquiditätshilfe für die Deutsche Bundesbahn getroffen worden. Ich habe dies hier festzuhalten, damit es keine falschen Geschichten darüber gibt, wie das ganze zustande gekommen ist.
Bei den Beratungen im Haushaltsausschuß ist unmißverständlich klargeworden, daß dann, wenn wir jetzt 25 Millionen als Ansatz ausbringen, dies ein Anfang ist und dieser Betrag in Zukunft höher werden wird. Wir stimmen einer sachlichen Beratung im Haushaltsausschuß und im Verkehrsausschuß zu; deshalb Überweisung an beide Ausschüsse.
Meine Damen und Herren, der Antrag auf Überweisung an den Verkehrsausschuß und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — ist gestellt. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag Drucksache 7/838 auf und frage, ob das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Kulawig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Entschließungsantrag auf Drucksache 7/838 habe ich im Namen der SPD-Bundestagsfraktion folgende Erklärung abzugeben.Am 30. Mai 1973 hat die Bundesregierung folgenden Beschluß gefaßt:Die Saar wird bis zur Mosel kanalisiert. Die Bundesregierung strebt damit auch eine Verbindung mit dem französischen Wasserstraßennetz an. Die Bundesregierung geht davon aus, daß das Saarland und das Land Rheinland-Pfalz sich angemessen an der Finanzierung und Vorfinanzierung beteiligen. Der Ausbau der Saar setzt unter anderem voraus, daß die beiden Bundesländer sich zu einer Vorfinanzierung der jeweils erforderlichen Jahresraten verpflichten,
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Kulawigweil in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes keine Mittel für den Ausbau der Saar bereitgestellt sind.Damit werden die mit Erfolg in Rheinland-Pfalz und im Saarland zur Verbesserung der Infrastruktur und der Wirtschaftsstruktur bereits eingeleiteten Maßnahmen konsequent fortgesetzt. Die Bundesminister für Wirtschaft, für Verkehr und für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau werden beauftragt, zusammen mit den beteiligten Ländern im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und der Wirtschaftsstruktur im Saarland und insbesondere in der Westpfalz vorzubereiten.Meine Damen und Herren, die Bundestagsfraktion der SPD begrüßt, daß mit diesem Beschluß das jahrzehntelange Bemühen des Saarlandes um einen Wasserstraßenanschluß seinen erfolgreichen Abschluß findet. Durch das wechselvolle politische Schicksal des Landes war der Wasserstraßenbau in der Vergangenheit unterblieben. Da die Montanindustrie auch heute noch den eigentlichen Kern der Saarwirtschaft darstellt, mit dem weitere Wirtschaftsbereiche eng verbunden sind, hat die Forderung nach Verbesserung der Standortfrage durch die Kanalisierung der Saar nichts an Aktualität eingebüßt. Länger als ein Jahrzehnt nach der Rückgliederung ist die Entscheidung von verschiedenen Bundesregierungen in der Schwebe, das Saarland aber hingehalten worden. Insofern ist die Wasserstraßenfrage symbolisch für die in der Bevölkerung verbreitete Meinung, das Saarland werde vom Bund benachteiligt.Die kanalisierte Saar bringt insbesondere für die Hüttenwerke erhebliche Transportkostenersparnisse, kann den Standort der Montanindustrie im Saarland langfristig absichern, eine große Anzahl von Arbeitsplätzen erhalten und die Neuansiedlung von Industriebetrieben begünstigen. Nach dem Auslaufen der zeitlich befristeten Unterstützungstarife würde der Druck steigender Transportkosten, wenn die Kanalisierung der Saar unterbliebe, das Saarland als Hüttenstandort in Frage stellen. Der infolge Fehlens eines Wasserstraßenanschlusses schon immer vorhanden gewesene Standortnachteil der saarländischen Montanindustrie gegenüber der Ruhr und Lothringen ist durch die Kanalisierung der Mosel als politisches Zugeständnis an Frankreich für die Rückgliederung des Saarlandes noch verschärft worden. Schon damals hätte die Saar mit kanalisiert werden müssen. Da mit einer Ausnahme alle saarländischen Hüttenwerke, eine Reihe anderer Großbetriebe, Bergwerke und Energieunternehmen ihren Standort am Saarlauf haben, wird die erwünschte Konzentration und Verstärkung der Zusammenarbeit, insbesondere der Saarhütten, durch den Saarkanal erleichtert und beschleunigt.Das Hochwasserproblem im gesamten Saartal wird umfassend gelöst. Mehrere hundert Hektar große, ebene und zusammenhängende Industrieflächen werden gewonnen und können für die Umstrukturierung nutzbar gemacht werden.Der Bau der Saarwasserstraße ist die Fortsetzung l und Ergänzung der von der Bundesregierung mit Erfolg eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur im Saarland.Die Bundestagsfraktion der SPD erwartet von der Bundesregierung, daß sie im Haushaltsplan 1974 einen Mittelansatz für die Kanalisierung der Saar vorsieht.Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, dem Entschließungsantrag Drucksache 7/838 zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung so beschlossen.
Ich rufe Einzelplan 15 auf und dazu den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 7/836. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Streichung der Mittel für den SHB, den LSD und die Studentische Zentralstelle. Ich darf dafür kurz eine Begründung geben und möchte Sie jetzt schon darum bitten, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, diesen Antrag nicht wieder dem Ausschuß zu überweisen, weil wir im Ausschuß bereits darüber abgestimmt haben. Er wurde dort jedoch abgelehnt, und deswegen steht er hier heute zur endgültigen Abstimmung an.Wenn wir diese Anträge gestellt haben, haben Sie uns immer entgegengehalten, wir wären versucht, mit Geld, mit finanziellem Druck Politik zu machen. Solche Bemerkungen verkennen die Ernsthaftigkeit unserer Anträge. Denn es geht um mehr. Es geht hier tatsächlich um die konsequente Verteidigung der Demokratie und unseres Rechtsstaats.
Bevor ich einige Beispiele dafür bringe, daß es nicht mehr angezeigt ist, diese Verbände zu fördern, darf ich die grundsätzliche Position der CDU/CSU aufzeigen. Wir wissen und setzen uns dafür ein, daß die gesellschaftliche Dynamik nur erreicht und erhalten werden kann, wenn sich die gesellschaftlichen Gruppen kritisch mit den bestehenden Verhältnissen als Voraussetzung für ihr positives Bemühen um gesellschaftliche Veränderung auseinandersetzen. Dabei sind unterschiedliche Wertvorstellungen selbstverständlich zu achten. Die plurale Gesellschaft als Voraussetzung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats verlangt staatliche Anerkennung und staatliche Förderung. Diese Pluralität wollen wir. Wir wollen nicht den Bewegungsraum der Verbände einschränken. Aber wir wollen ebenso konsequent sein wie § 9 des Jugendwohlfahrtsgesetzes.Kroll-SchlüterIch darf hier einmal einschieben, was wir im Bundesjugendring im vorigen Jahr mit Herrn Minister Ehmke diskutiert haben, als ich darauf hinwies, daß infolge des Grundvertrages der staatliche und ideologische Druck auf die Jugendarbeit in der DDR zunehmen werde. Wenn Sie gestern die Presse aufmerksam verfolgt haben, konnten Sie nachlesen, daß hier von der DDR-Regierung ein Gesetzentwurf vorgelegt worden ist, der tatsächlich den Zugriff auf die Jugendarbeit zum Würgegriff macht.
Der staatliche und ideologische Druck ist enorm, und ich sehe nicht ein, daß wir vor dem Hintergrund dieser Ereignisse hier auch noch die Verbände mit staatlichen finanziellen Mitteln fördern sollen, die diese Tendenz noch unterstützen und zur Aushöhlung der demokratischen Grundordnung dieses Rechtsstaates beitragen.
Wenn es überhaupt einen Sinn hat, daß wir auch mit diesem Grundvertrag leben wollen und müssen, dann dürfen wir diese Ereignisse nicht verkennen. Das Mit-diesem-Grundvertrag-Leben bedeutet für mich, daraus hier die Konsequenz zu ziehen, das heißt, wir sollten Zeichen der Hoffnung setzen, der Hoffnung auf die Stabilität der Freiheit und der Demokratie.In der Aussprache über die Große Anfrage der CDU/CSU vom 9. Juni 1971, die die Förderung des SHB, des LSD und des Verbandes deutscher Studentenschaften aus Bundesmitteln zum Inhalt hatte, sagte Frau Ministerin Strobel:Sie— die Bundesregierung —legt bewußt generell einen großzügig liberalen Maßstab bei der Förderung an. Das entspricht dem pluralistischen Demokratieverständnis des Grundgesetzes.Herr Kollege Fiebig fügte hinzu:Die jugendpolitische Grundsatzfrage bei diesem Thema heißt: Staat, wie hältst du es mit deiner Jugend? Wir sind der Auffassung, der Demokratisierungsprozeß des VDS muß gefördert werden, notfalls auch mit Geld.Das haben Sie aufgegeben, und Sie sollten so konsequent sein auch die Förderung des SHB und des LSD aufzugeben. Denn wie wollen Sie den Demokratisierungsprozeß — um diesen Begriff zu übernehmen — fördern bei Feinden der Demokratie? Wie wollen wir verantworten, als Demokraten Geld zu geben für die Feinde der Demokratie? Das ist nicht einsehbar.Weder die von mir grundsätzlich aufgezeigte Position, die Sie sicherlich teilen können und teilen werden, noch die grundsätzliche Position des Jugendwohlfahrtgesetzes läßt nach unserer Meinung eine Förderung dieser Verbände und der Studentischen Zentralstelle zu, in der Spartakus, VDS und SHB über die Mittelvergabe mitbestimmen. Der revolutionäre Kampf gegen diesen Staat, das Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit den Kommunisten, die Zusammenarbeit zwischen dem SHB, der DKP und dem Spartakus-Bund, die Zusammenarbeit des Liberalen Studentenbundes, der längst kein Bundesverband mehr ist, mit der SED vollziehen sich nicht im geheimen, sondern in aller Öffentlichkeit. Ihre politischen Forderungen lassen keinen Zweifel an ihrer antidemokratischen Haltung zu. Da wird die Forderung erhoben, daß eine Aktionsgemeinschaft mit den Kommunisten in Fragen, in denen gemeinsame Interessen und Auffassungen bestehen, ein notwendiges und weiterhin vom Sozialdemokratischen Hochschulbund zu praktizierendes Mittel ist, einen Politisierungsprozeß in der Bevölkerung und in der Studentenschaft zu fördern. Da wird eine gemeinsame Front mit der DKP befürwortet. Noch andere Beispiele sind anzuzeigen. Hier wird nicht nur befürwortet, sondern hier wird auch praktiziert. Ich zitiere:Der antikommunistischen Hetze ist es mißlungen, den Spartakus zu isolieren und den SHB von einem Zusammengehen mit dem Spartakus an den Hochschulen und innerhalb des VDS abzuhalten. Konsequent trifft diese Hetze nun den SHB. Nachdem sich neuerdings auch die Jusos weigern, im Sinne der antikommunistischen Propaganda Aktionsgemeinschaften mit Kommunisten auszuschließen, trifft sie die vereinte Hetze von CSU, BDI und Springer in gleicher Weise.Es kann keinen Zweifel daran geben: unsere demokratische Grundordnung soll revolutionär überwunden werden.Wir müssen dies alles auch werten auf dem Hintergrund der Tatsachen, die im Verfassungsschutzjahresbericht 1972, den der Herr Innenminister dieser Tage vorgelegt hat, genannt werden, zum Beispiel, daß der Mitgliederbestand der linksradikalen Organisationen im Jahre 1971 von 89 000 auf 103 000 gestiegen ist, daß der marxistische Studentenbund Spartakus sich gefährlich entwickelt hat und daß dieser marxistische Studentenbund im Jahre 1972 über 40 Hochschulgruppen gegenüber 21 im Vorjahr verfügt.Für diesen Studentenbund, der ja mit dem SHB eng verbunden ist, trifft auch das zu, was der Verfassungsschutz im Jahresbericht 1972 generell sagt, nämlich: „Eine wachsende Anzahl von Gruppen der neuen Linken hat sich 1972 zur Anwendung revolutionärer Gewalt bei der Durchsetzung ihrer politischen Ziele bekannt, d. h. zur Abschaffung des parlamentarischen Systems."Ich darf zum Schluß kommen.
Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen dürfen wir die Augen nicht verschließen. Ich darf einmal Professor Steinbuch zitieren — dann können Sie auch noch einmal klatschen —,
der sagt: „Hintergründig-ideologisch ist unser System so ausgehöhlt, daß es wahrscheinlich in einer Krisensituation wie ein Kartenhaus zusammenbrechen wird." Diese und andere besorgte Stimmen wol-
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2706 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Kroll-Schlüterlen und werden wir nicht überhören. Ich hoffe -nein, ich fordere —, daß auch Sie diese besorgten Stimmen nicht überhören.Ich darf vor dem Hintergrund des 17. Juni sagen: Es geht bei dem Antrag nicht um die Einschränkung der Demokratie, sondern um die Stabilität der Demokratie, es geht nicht um die Einschränkung der Freiheit, sondern um die Stabilität der Freiheit.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Haehser.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich hoffe, mit drei Sätzen auszukommen. Wenn Sie diesen nicht mitzählen, wird es klappen.
Erster Satz. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, wenn wir zu dieser Stunde keine Debatte über den Bundesjugendplan führen wollen.
Zweiter Satz. Ich gehe davon aus, daß das Bundesministerium, das hier zuständig ist, die Förderungswürdigkeit der Verbände stets überprüft.
Dritter Satz. Unter Hinweis auf die Argumente, die im Haushaltsausschuß zu diesem Problem hin und her getauscht wurden, bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu Einzelplan 27 auf Drucksache 7/841.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Warnke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion will die Mittel für den Wohnungsbau für Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet um 10 Millionen DM aufstocken. Er ist sachlich begründet durch die enorme Steigerung der Baukosten und die Unzulänglichkeit der bisherigen Mittel.
Er ist stabilitätskonform, da voll gedeckt durch Kürzung von Zuschüssen für andere Baumaßnahmen. Er zielt nicht auf eine Erhöhung der Zonenrandmittel insgesamt ab, sondern auf eine Verlagerung des Schwerpunktes.
Die politische Bedeutung des Antrags geht über seinen materiellen Umfang hinaus. Der Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet ist vernachlässigt worden. Man hat ihm einen Steuerfreibetrag ähnlich wie der in Berlin versprochen. Gekommen ist nichts. Man hat ihm eine Erhöhung der Kilometerpauschale zum Ausgleich für lange Anfahrtswege zur Arbeit versprochen. Gekommen ist die Erhöhung der Mineralölsteuer und damit die Verteuerung des Benzins. Hier spreche ich nun nicht mehr nur für das Zonenrandgebiet, sondern für die Arbeitnehmer in allen Räumen der Bundesrepublik außerhalb der Großstädte. Wir haben diesen Menschen ein Sonderopfer auferlegt. Wir können ihnen keine öffentlichen Nahverkehrssysteme bauen und dann auch noch zu verbilligten Tarifen zur Verfügung stellen. Aber wir ziehen diese Arbeitnehmer, die 10 und 20 % weniger verdienen als ihre Kollegen in den Zentren der Wirtschaftskraft, über die Mineralölsteuer mit heran zur Finanzierung der Lebensqualität in den Großstädten.
Ich bitte, diesen Antrag auch auf dem Hintergrund der Haushaltsentwicklung im allgemeinen zu sehen, die eine Senkung des Anteils der Ausgaben für Regionalförderung im Haushalt des Wirtschaftsministeriums von 28 % auf 20% innerhalb von nur zwei Jahren mit sich gebracht hat.
Meine Damen und Herren! Wir hätten diesen Antrag — so war es vorgesehen — gern mit der Regierung, die mit dieser Problematik seit längerem keineswegs ohne Aufgeschlossenheit befaßt ist, im zuständigen Ausschuß erörtert. Daß dies nicht geschehen ist, lag wie so manches in dieser Debatte mit an dem Schweinsgalopp, in dem wir diesen Haushalt durch den Bundestag zu bringen hatten. Nun ist der Antrag entscheidungsreif, und ich bitte herzlich, nicht die Übung fortzusetzen, Begräbnisse dritter Klasse Nichtraucher zu veranstalten, indem die Anträge an die Ausschüsse überwiesen werden.
Gestern ist hier ein Wort gefallen, das wir noch bereinigen müssen. Der Kollege Simpfendörfer hat in der Hitze des Gefechts — so heiß war das Gefecht im übrigen gar nicht, meine Damen und Herren — auf den Antrag hin, die Mittel für den Arbeitnehmerwohnungsbau im Zonenrandgebiet zu erhöhen, von diesem Platz aus erklärt: „Wir haben hier Wichtigeres zu tun!" Meine Damen und Herren, wir sollten die Gelegenheit dieses Antrags benutzen, über die unmittelbare Bedeutung hinaus für dieses Haus symbolisch zu erklären: Wir sind bereit, neue Wege zu suchen, den Arbeitnehmern außerhalb der großen Zentren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Debatte über, die Neuorientierung der Regionalpolitik in der zweiten Hälfte dieses Jahres muß diese Frage lösen. Aber ich bitte Sie: Gehen wir den ersten Schritt hier und heute! Wir haben diese Menschen schon allzuoft vertröstet.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dübber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Antrag drei Argumente in aller Kürze. Er ist tatsächlich ein Unikum. Er hätte in die zweite Beratung gehört. In der zweiten Beratung ist er nicht dagewesen. Nachdem die zweite Beratung verpaßt worden ist, kriegen wir ihn nun in der dritten Lesung. Dies hat nicht mit dem Schweinsgalopp zu tun, sondern wenn es um eine sachliche Beratung gegangen wäre, hätten wir ihn
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D:. Dübbereigentlich in den Ausschüssen, jedenfalls im Haushaltsausschuß und im innerdeutschen Ausschuß, beraten müssen. In dieser Form ist er — das muß ich leider sagen — nicht seriös.Wir wollen Ihnen, Herr Warnke, aber nicht die Möglichkeit geben, nach draußen zur „Frankenpost" in Hof zu sagen, wir hätten den Antrag aus formalen Gründen abgelehnt. Darum nenne ich auch noch zwei Gründe dagegen in der Sache.Es geht urn einen Ansatz von 40 Millionen DM im innerdeutschen Haushalt, den Sie kürzen wollen. Das ist ein Ansatz, der für Maßnahmen der Infrastruktur, also für Einrichtungen des Sports, der beruflichen Rehabilitation, der Jugendarbeit, Familienheimstätten, Kindergärten usw., da ist. Es geht um lächerliche 40 Millionen DM für 1 341 Kilometer Zonengrenze. Mit diesem Betrag soll das Randgebiet attraktiv gemacht werden. Von diesen 40 Millionen DM sind zur Stunde aber bereits 23 Millionen DM vom Land Bayern beantragt, und wenn wir nun noch 10 Millionen DM wegnehmen, dann bleiben für die übrigen drei Länder noch ganze 7 Millionen DM übrig. Ich glaube nicht, daß Sie das wollen.Zum Schluß eine Bemerkung. Im Grunde genommen ist der Antrag gegenstandslos. Denn wenn Sie den Haushalt richtig gelesen hätten, hätten Sie gesehen, daß über der Titelgruppe „Zonenrandförderung" steht, daß alles gegenseitig deckungsfähig ist. Dies ist der klassische Fall eines Agitationsantrags.
Im Grunde genommen müßte man Übergang zur Tagesordnung beantragen. Aber wir tun Ihnen die Ehre, das nicht zu machen. Wir lehnen diesen Antrag ab.
Herr Abgeordneter Dr. Warnke, Sie wollen das Wort?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde Ihnen nicht die Freude machen, auf das Wort zu verzichten. Aber mein Wort wird kurz sein; darauf können Sie sich verlassen.
Meine Damen und Herren, wenn 40 Millionen DM für 1 300 km Zonengrenze ich habe diese Zahl hier gehört; es ist mehr, als ich in Erinnerung habe
zuwenig sind, dann möchte ich Sie doch einmal fragen: Was ist mit den 10 Millionen DM Wohnungsbaumittel, die Sie für diesen gesamten Bereich eingesetzt haben? Daran sollten Sie Ihre Entscheidung messen
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoppe.
Verehrter Herr Kollege, diese Ausführungen waren in Form und Inhalt so deplaziert, daß Sie für diesen Antrag wunschgemäß kein Begräbnis dritter Klasse, sondern in der Sache ein Begräbnis erster Klasse verdienen und auch bekommen werden.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Zeichen. -- Danke. Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Einzelplan 30 mit dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Haushaltsgesetzes-
Drucksache 7/837 -- auf. — Das Wort hat der Abgeordnete Pfeffermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion habe ich den Antrag auf Drucksache 7/837 , der Ihnen vorliegt, zu begründen. In diesem Antrag wird der Bundesminister für Forschung und Technologie aufgefordert, die Forschungsprogramme des Bundesministeriums für Forschung und Technologie der neuen mittelfristigen Finanzplanung sowie dem Haushalt 1973 anzupassen bzw. die sich aus der Anpassung ergebenden neuen Programme dem Bundestag vorzulegen.
Von der letzten Bundesregierung wurden unter Federführung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft der Öffentlichkeit kurz vor den Wahleneinige Forschungsprogramme vorgestellt. Es sind dies die Programme im Bereich Meeresforschung und Meerestechnik, Dokumentation und Information und der Entwurf des Vierten Atomprogrammes. Diese Programme kündeten eine Vielzahl von Aktivitäten in den einzelnen Forschungsbereichen an. Das geplante Finanzvolumen wurde zu Preisen des Jahres 1972 in den Programmen aufgeführt, soweit es überhaupt aufgeführt wurde. Die damals verabschiedeten Programme werden seitens der Bundesregierung auch heute noch dazu benutzt, den Nachweis für die Aktivitäten im Bereich der Forschungsförderung zu führen.
Meine Damen und Herren, es haben sich in der Zwischenzeit in der Finanzplanung allerdings erhebliche Kürzungen ergeben. Ich darf einige Beispiele nennen: Die ursprünglich vorgesehenen Miltel im Programm Meeresforschung und Meerestechnik für das Jahr 1972 in Höhe von 72 Millionen DM wurden auf 37 Millionen DM gekürzt. Erst gestern wurde ein Antrag der CDU CSU-Fraktion abgelehnt, diese Mittel um 8 Millionen DM wieder auf 45 Millionen DM zu erhöhen. Für 1974 waren für diese Bereiche 83 Millionen DM vorgeschen; die mittelfristige Finanzplanung weist in der Zwischenzeit 56 Millionen DM aus. Ahnliche Kürzungen wurden
Pfeffermann
im Bereich Datenverarbeitung und Dokumentation vorgenommen.
Ein anderes Beispiel, dessen sich die Bundesregierung nicht unbedingt zu rühmen braucht, ist die Beratung zum Entwurf des Vierten Atomprogramms. Auf der Basis des vorgelegten Entwurfs wurde erst im Februar dieses .Jahres ein öffentliches Hearing veranstaltet. Wenige Tage danach aber entschloß sich die Bundesregierung, diesem Entwurf den materiellen Boden zu entziehen und die Fachwelt, die mit einer Summe von mündlichen und schriftlichen Beiträgen ihren Beitrag geleistet hatte, schlicht ins Leere laufen zu lassen. Wen wundert es da, daß bis zum heutigen Tage die zugesagte Dokumentation zu diesem Bereich nicht vorgelegt wurde?
Ich räume ein, daß es außerordentlich gut klingt, wenn es in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 18. Januar 1973 heißt:
Technische Großprojekte - wie in den Bereichen der Weltraumforschung, der Luftfahrt, der neuen Verkehrstechnologie, der Kerntechnik und der Datenverarbeitung werden in Zukunft stärker daran zu messen sein, was sie zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen beitragen.
Ich denke aber, daß das ganze Haus mit mir übereinstimmt, wenn ich feststelle: allein die Kürzungen von Etatmitteln für Forschungsprogramme sind keine Kennzeichen für Prioritätensetzung. Die Notwendigkeit aber der Priorität hat wohl der Bundeskanzler gemeint, wenn er in der eben zitierten Regierungserklärung feststellte
Die hohen Aufwendungen in diesen Bereichen zwingen zu klaren Prioritäten und erfordern eine Abstimmung aller Forschungszweige. Große Forschungszentren werden ihre Zielsetzung teilweise ändern und sich neuen Aufgaben öffnen müssen.
in Weiterführung gerade dieser Ausführungen und dieser Absichtserklärung haben wir in der Zwischenzeit lediglich zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Bundesregierung in einem Schnellverfahren, gewissermaßen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, die Kürzung von Planstellen in den Forschungszentren verordnet hat, womit sie lediglich die Unruhe bei dem Personal dieser Forschungszentren vergrößert hat.
Die geänderten Zielsetzungen oder die angekündigten neuen Aufgaben tat sie der interessierten Öffentlichkeit bis zur Stunde nicht kund.
-Haben Sie das Gefühl, ich rede zu einem anderen Thema?
Dann würde ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten, damit Sie den Inhalt dessen, was ich ausführe, verstehen, Herr Kollege.
Im übrigen dart ich darauf aufmerksam machen, daß das ebenfalls angekündigte Programm für Weltraumforschung bis zur Stunde ebenfalls fehlt. Ich dart für die CDU CSU-Fraktion davon ausgehen, daß die Bundesregierung nicht ihre angestrebte Koordination im Rahmen der EWG als Ausweichkrücke für die fehlenden Planungen in diesem Bereich benutzen will. Denn es kann wohl kaum zugemutet werden, daß die von Staatssekretär Hauff in diesem Zusammenhang genannte jahrelange Koordination uns befriedigen kann, und von uns erwartet werden darf, daß wir abzuwarten haben, vor allem dann, wenn wir feststellen müssen, daß in der Zwischenzeit his zu 90 "'o des Ausgabeetats in diesem Bereich bereits festgelegt werden.
Wir haben ein Anrecht darauf, endlich zu erfahren, wo in Zukunft die Schwerpunkte dieser Regierung in diesem Bereich zu sehen sind.
Lassen Sie mich dazu noch einen Hinweis geben. Die Etatkürzungen können ja wohl kaum unter dem Motto „Forsch schneller, Genosse" aufgefangen werden, sondern wenn es überhaupt zwei Möglichkeiten gibt, dann entweder eine Streckung über einige Jahre — was bedeuten würde, daß für die stürmende Zukunft neu anstehende Programme in den Bereich Forschung nicht aufgenommen werden können — oder Abstriche an den Forschungsprogrammen. Dies zu erfahren aber gilt unser Antrag.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß sich die SPD-Fraktion mit einer Großen Anfrage, die unter der Drucksache 7/688 eingegangen ist, offensichtlich dem gleichen Problem gewidmet hat. Ich gehe davon aus, daß die SPD-Fraktion damit ja wohl nicht nur ihrem zuständigen Minister die Möglichkeit geben wollte, sich zu präsentieren. Ein Minister, der ansonsten sehr publicityfreundlich ist, wird dazu andere Möglichkeiten finden, vielleicht auch dann, wenn wir uns in nahen Tagen darüber unterhalten müssen, ob es zutrifft, daß er einigen Präsidenten im Bereich der Mittelbehörden der Bundespost nahegelegt hat, vorzeitig in den Ruhestand zu treten. Ich gehe also davon aus, daß die Möglichkeit, sich öffentlich zu präsentieren, wohl kaum der Anlaß Ihrer Großen Anfrage ist. Hieraus darf wohl geschlossen werden, daß auch Sie im unklaren sind, wohin die Tendenz des zuständigen Ministeriums geht.
Meine Damen und Herren, ich darf wohl kaum erwarten, daß Sie diesem Antrag vollinhaltlich zustimmen. Ich bitte daher, da uns die Sache zu wichtig ist, um sie dem Fallbeil der Mehrheitsentscheidung zu unterwerfen, den Antrag an den zuständigen Ausschuß, den 17. Ausschuß des Deutschen Bundestages, zu überweisen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter von Billow.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß auf Grund der Einlassungen des Kollegen Pfeffermann der Opposition den Hinweis und den Ratschlag ge-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2709
Dr. von Bülowben, einen Einführungskurs für Neuparlamentarier einzurichten, damit man auseinanderzuhalten lernt, was in der zweiten und was in der dritten Lesung vorgebracht werden kann.
Wir hatten uns gestern, Herr Pfeffermann, zu später Stunde, als draußen das liebliche Gartenfest der Frau Präsidentin inszeniert wurde, geeinigt. Von Ihnen wollte niemand zum Einzelplan 30 -- Forschung und Technologie -- sprechen. Da wir ursprünglich die Absicht hatten, das ganze Thema hier zu erörtern und zur Diskussion zu stellen, haben wir uns schließlich -- auch auf Drängen Ihrer Fraktion geeinigt, keine Debatte mehr abzuhalten. Jetzt aber benutzen — oder mißbrauchen — Sie die dritte Lesung dazu, einige Schläge auszuteilen. Sie hatten an sich nur die vorliegenden Anträge zu begründen; Sie haben aber über viele Themen bis hin zur Bundespost gesprochen, was nicht Ihre Aufgabe an dieser Stelle war.
Herr Abgeordneter von Billow, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber mit großer Freude.
Herr Kollege, Sie haben sich veranlaßt gesehen, meinen ersten Beitrag von der Geschäftsordnung her zu rügen. Hielten Sie es dann nicht für besser, den Herrn amtierenden Präsidenten darüber entscheiden zu lassen, ob ein solcher Entschließungsantrag inhaltlich, da er sich nicht an einzelnen Etatposten orientiert, nicht doch in die dritte Lesung gehört?
Herr Abgeordneter Pfeffermann, das ist keine Zwischenfrage im Sinne der Geschäftsordnung. — Das Wort zu einer weiteren Frage hat Herr Abgeordneter Vogel.
Herr Kollege, wären Sie nach Ihren Ausführungen vorhin bereit, einen Anstandskursus über den Umgang mit Kollegen durchzuführen?
Auch diese Frage, Herr Kollege Vogel, lasse ich nicht zu, weil in ihr eine Wertung enthalten ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Vogel, es wäre sehr leicht, den Umgang miteinander etwas zu verbessern, wenn Sie sich bei ihren Kollegen im Haushaltsausschuß erkundigen könnten, was man in der zweiten Lesung vorbringt und was in der dritten. Dann brauchten wir über Anstand nicht zu reden.
Es ist richtig, daß in der mittelfristigen Finanzplanung einige Positionen reduziert worden sind. Die
Bundesregierung arbeitet daran, die Programme an diese mittelfristige Finanzplanung anzupassen. Wir sind der Meinung, daß der vorliegende Antrag an den Haushalts- und den Fachausschuß überwiesen werden sollte. Dieser Ausschuß wird sich unmittelbar nach den Sommerferien den Fragen der mittelfristigen Finanzplanung widmen, und dies ist ein Antrag, der auch zur mittelfristigen Finanzplanung Stellung nimmt.
Ich darf dann gleich auf den Antrag in Umdruck 7/818 eingehen. Darin fordern Sie die Bundesregierung auf, die Vom-Hundert-Anteile der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft am Gesamtvolumen der Haushalte 1974 in Höhe von 6,7 v. H. und 1975 in Höhe von 7,2 v. H. in der mittelfristigen Finanzplanung 1973 wiederherzustellen. Ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im klaren sind, daß Sie eine Mehrausgabe für 1974 in Höhe von 1,28 Milliarden DM und für 1975 in Höhe von 1,9 Milliarden DM, also beinahe 2 Milliarden DM, beantragen. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob Sie das mit all Ihren Fachkreisen und Haushaltspolitikern abgeklärt haben. Sie mußten sonst möglicherweise mit Prioritäten-kämpfen rechnen, etwa mit den Agrarpolitikern, die ebenfalls ihren Vom-Hundert-Anteil am Haushalt haben möchten. Wir sind der Meinung, daß dieser Entschließungsantrag an den Haushaltsausschuß überwiesen werden sollte, damit er dort im Rahmen der Diskussion über die mittelfristige Finanzplanung behandelt werden kann.
-- An den Fachausschuß soll er ebenfalls überwiesen werden, einverstanden.
Nun zu dem Antrag Drucksache 7/819, dem dritten Antrag zu den Einzelplänen 30 und 31 ! Er ist in der Fassung verunglückt, wie schon der vorhergehende. Einmal müßten sich die Vom-Hundert-Anteile auf die Einzelpläne 30 und 31 beziehen
und nicht nur auf den Einzelplan 31 ; nur wenn Sie beide Einzelpläne zusammennehmen, kommen Sie auf diese Vom-Hundert-Anteile.
Bei dem dritten Antrag Drucksache 7/819 geht es um die 10%ige Kürzung der Ausgaben für den Ausbau und Neubau von Hochschulen. Es ist, wie Sie wissen, in dem Bund-Länder-Planungsausschuß keine Kürzung vereinbart worden, sondern es wurde von Bund und Ländern am 15. Juni dieses Jahres einstimmig, also auch mit den Stimmen der CDU/ CSU-regierten Länder, beschlossen, eine Streckung der Ausgaben für den Ausbau und Neubau von Hochschulen — also keine Kürzung! — vorzunehmen. Wir sind aber gleichwohl der Meinung, daß auch dieser Antrag an den Fachausschuß und an den Haushaltsausschuß überwiesen werden sollte.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege. Sie haben damit die Anträge zu Einzelplan 31 bereits in Ihre Ausführun-
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2710 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausengen einbezogen. Ich hoffe, das trägt dazu bei, daß weiterhin bei einigen Kollegen das Gefühl für Anstand nicht ständig mit dem Wunsch, zum Ende der Plenarsitzung zu kommen, in Konflikt gerät.Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage vor, daß der Antrag Drucksache 7/837 dem Haushaltsausschuß und dem zuständigen Fachausschuß überwiesen wird. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe den Einzelplan 31 auf. Dazu liegen die Anträge Drucksachen 7/818 und 7/819 vor, zu denen Herr Kollege von Bülow aus Zeitgründen dankenswerterweise schon Stellung genommen hat. Zur Begründung wünscht Herr Abgeordneter Dr. Waigel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warten Sie zuerst, was ich sage, bevor Sie es schon glossieren!
Mit den beiden Entschließungsanträgen Drucksachen 7/818 und 7/819 unternimmt die CDU/CSU-Fraktion den Versuch, die im Haushalt völlig verlorengegangene Bildungspriorität wenigstens teilweise wiederherzustellen.
Es ist recht bedenklich und wird noch einer genaueren Nachprüfung unterzogen werden müssen, was heute der Bundesfinanzminister über die künftige Bildungspriorität in seiner Finanzplanung ausgesagt hat. Bezieht man nämlich bereits in diesem Haushalt die Herabsetzung der Mittel für die Bundesausbildungsförderung um 194,7 Millionen DM und die vorgesehene Kürzung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe im Hochschulbereich in die Haushaltsrechnung und in den Haushaltsvergleich mit ein, dann bleibt kein stolzes Wachstum von etwa 15 oder 16 % sondern dann sinkt dieses Wachstum beinahe auf Null ab. Das offenbart das ganze Dilemma der Bildungspolitik und der Bildungsfinanzierung dieser Regierung.
Unsere Anträge beinhalten keine Ausweitung des Gesamthaushalts, sondern fordern eine Wiederherstellung jener Relationen der Bildungsausgaben zum Gesamthaushalt, die noch 1971 — allerdings vor den Wahlen — von dieser Bundesregierung bzw. ihrer Vorgängerin festgelegt worden sind.
Die in der mittelfristigen Finanzplanung jetzt enthaltenen Ansätze weisen zwar eine über dem Durchschnitt der Zunahme des Gesamthaushalts liegende Steigerungsrate auf. Diese Steigerungsraten sind jedoch nicht mehr so hoch, wie sie noch im Finanzplan von 1971 bis 1975 vorgesehen waren. Früher waren es Zahlen von 17 °/, 15%, 14 %; sie sind zurückgegangen auf die Zahlen 10,5 %, 12,5%, 10,7 % und 12 %. Damit hat die Bundesregierung eine erhebliche Demontage ihrer eigenen Bildungsplanung
Bildungsfinanzierung vorgenommen.
Ein weiteres, sehr bedenkliches Zeichen: Der Anteil der Bildungs- und Wissenschaftsausgaben am Gesamthaushalt sollte nach den ursprünglichen Planungen von 5,7% im Jahre 1972 auf 7,2% im Jahre 1975 steigen. Demgegenüber begnügen sich die neuen Planungen mit einer Erhöhung des Anteils am Gesamthaushalt von nunmehr 5,5% auf nur 6 % im Jahre 1976.
Allerdings muß man der Bundesregierung und dem Bundesfinanzminister eines bestätigen: Sie leisten mit der Darstellung in der neuen mittelfristigen Finanzplanung einen beachtlichen Beitrag zur politischen Ehrlichkeit, indem der Satz nicht mehr enthalten ist, daß mit diesen Summen eine echte Priorität erkennbar gemacht werden soll.
Man kann heute dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft nur noch sagen, daß sein stärkster Gegner in der Finanzierung sicher nicht die Opposition, sondern sein eigener Finanzminister ist. Die Darstellung hat das heute bewiesen.
Ein Wort zum Entschließungsantrag auf Drucksache 7 819.
Auf Initiative der CDU/CSU hat sich der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft einstimmig gegen eine Kürzung der Mittel für den Ausbau und Neubau von Hochschulen ausgesprochen. Dennoch hat die Regierung diese Kürzung, diese Streckung, vorgenommen. Angesichts der Überfüllung unserer Hochschulen führt eine Kürzung in diesem Bereich der Gemeinschaftsaufgaben zu einer katastrophalen Situation an den Universitäten.
Im Zusammenhang mit der inflatorischen Entwicklung und den darin zum Ausdruck kommenden Auswirkungen auf die Investitionen muß befürchtet werden, daß die Hoffnung, die die Bundesregierung noch 1970 hatte, der Numerus clausus werde bis 1975 — mit Ausnahme des Faches Medizin — abgebaut werden können
eine reine Fata Morgana gewesen ist.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Bülow?
Bitte schön!
Sind Sie bereit, dazu Stellung zu nehmen, daß es sich hier nicht um einen Beschluß des Bundes handelt, sondern um einen einstimmigen Beschluß, an dem auch CDU- und CSU-regierte Länder beteiligt waren?
Das weiß ich. Aber Sie wissen auch, daß der Bund zusammen mit den sozialdemokratisch regierten Ländern hier eine eindeutige Schlüsselfunktion besitzt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2711
Dr. Waigel— Sie werden ja Gelegenheit haben, bei unserer Großen Antrage zum Problem des Numerus clausus hier Ihre revidierten Vorstellungen vorzulegen.Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer trockenen Zahlendebatte am Schluß einige Worte von Bertolt Brecht aus dem Jahre 1927 zitieren.
— Sie sollten sich darüber doch nicht wundern. Das müßte doch jedenfalls ein Dichter sein, der Ihnen ungefährlich ist. — Dort heißt es — das sollte auch für den Bundesfinanzminister und noch mehr für den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft wichtig sein —:Ich will dich nicht zur Arbeit verführen. Der Mensch ist zur Arbeit nicht gemacht. Aber das Geld! — Um das sollst du dich rühren! Das Geld ist gut! auf das Geld gib acht!Den Haushaltspolitikern und dem Finanzminister ist sicher ein sinnliches — —
— Ach, Herr Kollege Wehner, so viel Humor sollten Sie haben, daß Sie das Wort zur Kenntnis nehmen.
— Genau, das gilt für Haushaltspolitiker aus allen Reihen, allen Parteien, Herr Wehner. — Den Haushaltspolitikern und den Finanzministern ist dieses sinnliche Verhältnis zum Geld sicher eigen. Die Bildungspolitiker aller Parteien sollten dieses notwendige, sinnliche Verhältnis zum Geld und zur Bildungsfinanzierung durch die Unterstützung der Anträge der CDU/CSU unter Beweis stellen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt, die beiden Entschließungsanträge an den zuständigen Fachausschuß — federführend — und den Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich darf für die Kollegen, die für die Fragestunde Fragen gestellt haben, noch mitteilen, daß wir jetzt die Schlußabstimmung vornehmen und dann unmittelbar im Anschluß daran in die Fragestunde eintreten.Wir kommen nunmehr zu der dritten Beratung des Haushaltsgesetzes selber.
— Der Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz kommt erst nach der Schlußabstimmung, Herr Kollege Wohlrabe. Sie haben noch die Möglichkeit,nachher dazu zu sprechen. — Ich frage, ob das Wort begehrt wird. --
— Ich habe das Haushaltsgesetz aufgerufen. — Es hat niemand dazu das Wort gewünscht.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Es ist namentliche Abstimmung in der dritten Beratung beantragt. Wir stimmen in namentlicher Abstimmung ab.Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen noch mitteilen: Bei dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 7/848 ist insofern ein Mißverständnis unterlaufen, als Herr Kollege Wohlrabe davon ausging, daß der Antrag bei Einzelplan 60 aufgerufen würde. Ich bin nach dem Inhalt davon ausgegangen, daß es ein Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz in seiner Gesamtheit sei. Im Hinblick auf die vorgerückte Zeit verzichtet Herr Kollege Wohlrabe auf eine mündliche Begründung
und hofft dafür auf eine wohlwollende Behandlung im Haushaltsausschuß. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Der Entschließungsantrag ist überwiesen.Ich schlage vor, daß wir während der Auszählung mit der Tagesordnung fortfahren.Ich rufe Punkt IV auf:IV. Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1972— Drucksachen 7/34, 7/447 —Berichterstatter: Abgeordneter KirstDer Ausschuß beantragt, den Entschließungsantrag Drucksache 7/34 für erledigt zu erklären. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe!— Stimmenthaltungen? — Bei einigen Stimmenthaltungen ist so beschlossen.Ich rufe Punkt V der Tagesordnung auf:V. Beratung des Antrags der Bundesregierung betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1971
— Drucksache 7/528 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: HaushaltsausschußWird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall. Es wird vorgeschlagen, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt VI der Tagesordnung auf:
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2712 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenVI. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über das Verzeichnis der mit Vorrang zu fördernden Agrargebiete und Gebietsteile nach der Verordnung (EWG) über die Finanzierung von Vorhaben durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, im Rahmen von Programmen zur Entwicklung von Agrargebieten, die mit Vorrang zu fördern sind— Drucksachen 7/237, 7/767 Berichterstatter: Abgeordneter Müller
Ich frage den Herrn Berichterstatter Müller , ob er das Wort begehrt. — Das Wort wird nicht begehrt.Meine Damen und Herren, der Ausschuß schlägt Ihnen vor, die Vorlage mi • der Maßgabe zur Kenntnis zu nehmen, daß die Bundesregierung ersucht wird, bei den Beratungen im Ministerrat darauf hinzuwirken, daß1. bei den Programmen zur Entwicklung von vorrangig zu fördernden Agrargebieten das Erstattungsverfahren eingeführt wird,2. in gewissen Zeitabständen das Verzeichnis der mit Vorrang zu fördernden Agrargebiete und Gebietsteile überprüft wird,3. Zur Vermeidung einer weiteren Expansion des Verwaltungsapparats der EG-Kommission nicht jede einzelne Förderungsmaßnahme noch einmal in allen Einzelheiten in Brüssel auf ihre Förderungsfähigkeit überprüft wird.Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Beratung.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt VII auf:VII. Beratung der Sammelübersicht 7 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 13. Dezember 1972 bis 31. Mai 1973 eingegangenen Petitionen— Drucksache 7/770 —Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir in die Fragestunde eintreten; denn wir müssen wegen der Auszählung ohnehin noch warten. Jetzt haben wir noch die Möglichkeit, die Fragestunde vor vollem Hause abzuwickeln.Ich rufe Punkt I auf:I. Fragestunde— Drucksache 7/769 —Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Moersch zur Verfügung. Die erste Frage ist die Frage 57 des HerrnAbgeordneten Hösl:Trifft die Weigerung der jugoslawischen Regierung zu, zweimal wöchentlich Charterflüge für jugoslawische Arbeitnehmer zwischen West-Berlin und Zagreb zu veranstalten, und wie beurteilt die Bundesregierung dies angesichts der Tatsache, daß für diese Arbeitnehmer aus West-Berlin Flüge zwischen Ost-Berlin und Jugoslawien durchgeführt werden, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um auf eine Änderung dieses Zustands hinzuwirken, die im Widerspruch steht zum Tenor der Verlautbarungen, die sie im Zusammenhang mit dem Jugoslawien-Besuch des Bundeskanzlers über die deutsch-jugoslawischen Beziehungen verbreitet hat?Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß sich die jugoslawische Regierung geweigert haben soll, Charterflüge für jugoslawische Gastarbeiter zwischen Berlin und Zagreb zu veranstalten. Bekannt ist indessen — das wurde auch in der Presse berichtet —, daß sich eine private Chartergesellschaft bei der jugoslawischen Regierung erfolglos um die Genehmigung beworben hat, Charterflüge für jugoslawische Gastarbeiter zwischen Berlin (West) und Jugoslawien durchzuführen.
Die in der Presse vermuteten politischen Hintergründe scheinen nicht zuzutreffen. Die gleiche Chartergesellschaft führt nämlich bereits andere Flüge zwischen Berlin und Jugoslawien durch. Die Versagung der Genehmigung von Charterflügen für Gastarbeiter hat nach den getroffenen Feststellungen hauptsächlich kommerzielle Gründe. Unter diesen Umständen hat die Bundesregierung keine Veranlassung, weitergehende politische Überlegungen anzustellen, zumal für jugoslawische Gastarbeiter unter Einschaltung einer jugoslawischen Chartergesellschaft eine Flugverbindung von Berlin (West) nach Jugoslawien zu günstigen Bedingungen geschaffen worden ist.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der Zustand, die nahezu hunderttausend in West-Berlin arbeitenden jugoslawischen Gastarbeiter ihren Heimatflug über Schönefeld antreten zu lassen, geändert werden müßte? Wäre es nicht angebracht, daß wir in West-Berlin den Versuch unternehmen, den Status des Arbeitsplatzes zu verbessern?
Herr Abgeordneter, ich kann nicht den Zusammenhang zwischen dieser Zusatzfrage und der Frage erkennen, die Sie schriftlich gestellt haben. Ich habe zu der Hauptfrage ausführlich Stellung genommen. Im übrigen bedaure ich, daß es akustisch sehr schwer ist, hier der Zusatzfrage zu folgen.
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Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, den Zustand in West-Berlin zu verfolgen und darüber zu berichten, welche politischen Möglichkeiten gegeben sind, den direkten Nach-HauseFlug von West-Berlin zu ermöglichen oder einzuleiten?
Herr Abgeordneter, ich habe in meiner Darlegung hier festgestellt, daß es sich ganz offensichtlich eben nicht um politische, sondern um kommerzielle Gründe bei den betroffenen jugoslawischen Gesellschaften handelt. Ich glaube, damit entfällt Ihre Fragestellung.
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Presseberichte, denen zufolge Breschnew während seines Besuchs in der Bundesrepublik Deutschland die Forderung nach Abbau der Sender Radio Free Europe und Radio Liberty erhoben haben soll, und gibt es seitens der Bundesregierung Erwägungen in dieser Richtung?
Herr Staatssekretär.
Die in Ihrer Frage erwähnten Presseberichte, Herr Kollege, treffen nicht zu.
Zusatzfrage.
Aber ist es nicht auffallend, Herr Staatssekretär, daß heute eine dpa-Meldung verbreitet wird, wonach Radio Belgrad gestern ganz in diesem Sinne gefordert hat, man sollte diese Bastionen des kalten Krieges nicht länger hier auf deutschem Territorium dulden?
Herr Abgeordneter, Sie haben nach Presseberichten über das Gespräch zwischen der Bundesregierung und Generalsekretär Breschnew gefragt. Ich habe Ihre Frage beantwortet. Welche Schlußfolgerung Sie aus Berichten von Radio Belgrad ziehen, ist etwas, was ich nicht in einem Zusammenhang mit dieser Frage sehe.
Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung auch weiterhin bereit ist, diesen beiden Sendern auf deutschem Boden die notwendige Lizenz in Abständen von zwei Jahren zu erteilen?
Herr Abgeordneter, Sie dürfen daraus schließen, daß die Bundesregierung jeden Antrag, der an sie gestellt wird, prüfen wird.
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Dr. Aigner auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung die deutsche Vertretung angewiesen hat, bei der Adenauer-Preis-Verleihung in New York an General Lucius D. Clay keinen offiziellen Vertreter zu dieser Preisverleihung zu entsenden?
Das Generalkonsulat New York war bei der Preisverleihung am 17. Mai vertreten, Herr Abgeordneter.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Aigner.
Ich darf sagen — ich war ja bei dieser Preisverleihung dabei —, daß diese Antwort nicht stimmt.
Herr Abgeordneter, ich darf sagen, daß Ihre Behauptung nicht stimmt. Denn Herr General Karst hat ausdrücklich den Vertreter des Generalkonsulats, einen Beamten des höheren Dienstes, begrüßt. Da müssen Sie gerade abwesend gewesen sein.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich dann fragen, warum dem Attaché, der von Herrn Minister Leber beauftragt war, an dieser Verleihung teilzunehmen, die Teilnahme verwehrt wurde?
Herr Abgeordneter Aigner, diese Zusatzfrage steht nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage.
Aber wenn Sie sie beantworten wollen, Herr Staatssekretär, bitte.
Ich bin sehr gern bereit, die Frage zu beantworten: Weil die Bundesregierung es für angemessen hielt, sich so vertreten zu lassen, wie sie vertreten war.
Herr Abgeordneter Stücklen.
Herr Staatssekretär, wie ist der Name des Beamten, der das Generalkonsulat bei dieser Veranstaltung vertreten hat?
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2714 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Weber, Herr Stücklen.
Und welche Dienststellung?
Legationsrat Erster Klasse oder Vortragender Legationsrat, eine hohe Dienststellung in unseren Konsulaten, wie Sie wissen.
Herr Abgeordneter Wohlrabe, eine Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die Bundesregierung, gemessen am Namen, am Rang und auch an den Leistungen des zu Preisenden und zu Ehrenden, des Generals Clay, angemessen vertreten war?
Herr Abgeordneter, in Würdigung der Umstände darf ich Ihnen sagen, daß zwischen den Verdiensten von General Clay und ihrer Beurteilung durch die Bundesregierung überhaupt keine Diskrepanzen bestehen. Wir haben in einem persönlichen Gespräch mit General Clay einige Tage vor der Preisverleihung Gelegenheit gehabt, durch einen führenden Beamten die Umstände zu würdigen, die auch mit der Stiftung zusammenhängen, die diesen Preis verliehen hat. Ich darf Ihnen versichern, daß General Clay volles Verständnis zeigte. Wenn ich Ihnen jetzt einmal zitiere, was der Sekretär dieser Deutschland-Stiftung zum Beispiel über Freunde von Ihnen gesagt hat, dann werden Sie mit mir der Meinung sein, daß es nicht gut sein kann, einen Mann mit den Verdiensten des Generals Clay in eine solche innenpolitische deutsche Auseinandersetzung hineinzuziehen.
Dieser Sekretär, Herr Ziesel, hat beispielsweise in einem Artikel in Nr. 1/1973 Herrn Köppler einen „Anpassungstick an die intellektuellen Wegbereiter der sozialistischen Diktatur" bescheinigt, und er hat gesagt, die „CDU-Honoratioren Barzel, Kraske und Köppler" hätten eine „erschreckende politische und geistige Verfassung".
Ich glaube, wenn von einem Mann, der sich diesen Preis offensichtlich ausgedacht hat, solche Zitate gegen führende Repräsentanten der CDU verbreitet werden, dann werden Sie wohl mit der Bundesregierung der Meinung sein, daß man General Clay nicht in einen solchen Zusammenhang bringen sollte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reiser.
Herr Staatssekretär, die Deutschland-Stiftung, die diesen Preis verteilt hat, gibt ein „Deutschland-Magazin" heraus. Wissen Sie, daß über dieses ,,Deutschland-Magazin", in dem diese Preisverleihung gefeiert wird, auf Grund gerichtlicher Feststellung gesagt werden darf, es bediene sich des übelsten Journalismus und der niedrigsten Herabsetzung der demokratisch gewählten Organe unseres Staates?
Herr Abgeordneter, das ist mir im einzelnen nicht bekannt. Aber in der Ausgabe des Magazins, die ich hier vor mir habe, wird bereits gesagt, das Verhalten der Bundesregierung — das im übrigen unkorrekt dargestellt ist — sei ein Skandal und werde ein parlamentarisches Nachspiel haben. Das Nachspiel stellte sich nun in Form der Frage von Dr. Aigner ein.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, wollen Sie nicht doch zugeben, daß die Bundesregierung bei der Preisverleihung nicht angemessen vertreten war, und hat die Bundesregierung mit in Kauf genommen, daß diese Haltung zumindest von der Öffentlichkeit Amerikas als Brüskierung eines ihrer großen und verehrten Männer angesehen werden mußte?
Herr Abgeordneter, Sie befinden sich im vollen Irrtum. Erstens ist die Bundesregierung der Meinung, daß sie in Anbetracht der Umstände angemessen vertreten war. Zweitens gibt es keine öffentliche Meinung Amerikas, die ich kennen würde, die das von Ihnen Gesagte einigermaßen rechtfertigte; diese Öffentlichkeit der USA müßten Sie mir im einzelnen zitieren. Drittens darf ich Ihnen wiederholen, daß General Clay Verständnis für unsere Erwägungen gezeigt hat, die wir ihm vor der Preisverleihung zur Kenntnis gebracht haben, und zwar durch einen Generalkonsul in New York. Ich darf vielleicht darauf verzichten, Herrn General Clay hier selbst zu zitieren. Ich glaube, die Sache ist von uns in einer Weise behandelt worden, die den Verdiensten von General Clay angemessen war, und ich bedauere noch einmal, daß hier der vorher angekündigte Versuch gemacht wird, einen so verdienten Mann in innenpolitische Auseinandersetzungen bei uns hineinzuziehen.
Herr Abgeordneter Jobst, Sie haben keine weitere
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2715
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenZusatzfrage. Ich rufe die Frage 60 des HerrnAbgeordneten Dr. Aigner auf:Ist es richtig, daß sowohl der Bundeskanzler wie der Regierende Bürgermeister von Berlin sich in einem Schreiben an die Deutschland-Stiftung geweigert haben, ein Glückwunschschreiben an General Clay anläßlich dieser Preisverleihung zu senden?
Es ist richtig, Herr Abgeordneter, daß der Herr Bundeskanzler aus dem genannten Anlaß General Clay nicht geschrieben hat. Ebenso richtig ist, daß die Deutschland-Stiftung in ihrer Zeitschrift Deutschland-Magazin seit Jahren gegen diese Bundesregierung eine Polemik betreibt, die sich durch ihre hetzerische und persönlich verunglimpfende Art von sachlicher Kritik weit entfernt hat. Dies ist allgemein bekannt.
Der Verzicht — ich wiederhole noch einmal — auf ein Glückwunschschreiben zu diesem Tag tut der guten persönlichen Verbindung des Bundeskanzlers zu General Clay keinen Abbruch.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Aigner.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihnen sagen, daß eine sehr hochgestellte amerikanische Persönlichkeit in New York mir anläßlich dieser Preisverleihung folgendes sagte — —
— Es ist, wenn Sie so wollen, eine Frage, wenn ich formuliere: Darf ich Ihnen sagen und darf ich um einen Kommentar dazu bitten, daß eine amerikanische Persönlichkeit sagte, diese Preisverleihung besitze zwei Elemente, einerseits den AdenauerPreis und andererseits die Ehrung General Clays. Sie sagte dann weiter, diese Haltung der Bundesregierung — —
Herr Kollege Aigner, bitte kleiden Sie doch Ihre Ausführungen in die Frageform. Dazu gebe ich Ihnen das Wort.
Das ist eine berechtigte Frage.
Herr Präsident, ich frage den Herrn Staatssekretär, wie er zu der Äußerung einer hochgestellten amerikanischen Persönlichkeit steht, die lautete, diese Haltung der Bundesregierung müsse entweder beide oder eines dieser Elemente — nämlich den Adenauer-Preis oder die Ehrung General Clays — offiziell ablehnen. Wenn
das nicht der Fall sei, sei die Haltung der Bundesregierung als unfreundlich und als kleinkariert zu betrachten. Wie stellen Sie sich zu dieser Aussage einer amerikanischen Persönlichkeit?
Herr Abgeordneter, ich glaube, es war die Pflicht der Bundesregierung, mit dem Betroffenen ein Gespräch zu führen und nicht jemanden Fragen stellen zu lassen, der nicht der Betroffene ist. Es gibt aber eine indirekte Antwort auf Ihre Frage von zwei Persönlichkeiten des deutschen öffentlichen Lebens, die Ihnen politisch sicher näherstehen als mir. Die eine Persönlichkeit ist Professor Stadtmüller aus München, die andere der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Franz Mai. Beide sind mit hinreichender Begründung aus der „Deutschland-Stiftung" ausgetreten.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Aigner.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, was das damit zu tun hat, daß der Vertreter der Bundesregierung, der von seinem Minister, Herrn Leber, beauftragt war, an dieser Preisverleihung teilzunehmen, auf Weisung des Auswärtigen Amtes nicht an der Preisverleihung teilnehmen konnte.
Das zeigt, welches Fingerspitzengefühl das Auswärtige Amt entwickelt, wenn es um deutsche innenpolitische Fragen im Ausland geht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller .
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich den Widerspruch, den ich darin sehe, daß der hochverdiente General Clay den Preis einerseits angenommen hat, andererseits aber der Bundesregierung gegenüber erklärt hat, daß er volles Verständnis für ihre Haltung hat?
Dafür gibt es eine sehr einfache Erklärung. Herr General Clay hat den Preis zwar angenommen, aber an die deutsch-amerikanischen Freundschaftsgruppen weitergegeben, weil er glaubt, daß das Geld dort sinnvoll verwendet werden könnte.
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2716 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.
Herr Staatssekretär, wie vereinbaren Sie die Motivation der Ablehnung der Bundesregierung, einen Glückwunsch anläßlich dieser Preisverleihung zu schicken, mit der Tatsache, daß ein bedeutender Ministerpräsident eines Landes, der der Partei des Bundeskanzlers angehört, es immerhin für richtig gehalten hat, einen Glückwunsch anläßlich dieses Ereignisses nach New York zu schicken?
Herr Abgeordneter, ich entdecke in Ihnen einen Leser des „Deutschland-Magazins". Mir ist dieser Glückwunsch bekannt, und ich respektiere voll die Haltung des Herrn Kubel, den Sie hier angesprochen haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mattick.
Herr Staatssekretär, können Sie mir darüber Auskunft geben, ob sich die „Deutschland-Stiftung", bevor sie diesen Vorgang eingeleitet hat, mit der Bundesregierung überhaupt darüber ins Benehmen gesetzt hat, ob die Bundesregierung es für richtig hält bzw. bereit wäre, einen Vertreter zu dieser Preisverleihung zu entsenden?
Herr Abgeordneter, es ist die Freiheit einer jeden Organisation, ohne sich mit der Bundesregierung darüber ins Benehmen zu setzen, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Die Bundesregierung hat die Freiheit, daraus entsprechende Folgerungen zu ziehen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Gründe nennen, die die Bundesregierung veranlaßt haben, nicht einen Vertreter der deutschen Botschaft zu bitten, an dieser Preisverleihung teilzunehmen?
Herr Abgeordneter, diese Zusatzfrage steht nicht im Zusammenhang mit der hier zur Beantwortung stehenden zweiten Frage des Herrn Abgeordneten Aigner.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Verzeihung, Herr Präsident, ich hatte mich vorhin schon zu einer Zusatzfrage zu der ersten Frage gemeldet.
Herr Abgeordneter, Sie können Zusatzfragen, die bei einer vorhergehenden Frage nicht mehr zugelassen worden waren, nicht dann stellen, wenn Sie es für richtig halten. Ich lasse Ihre Zusatzfrage nicht zu. Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie bitten, mir zu sagen, mit welcher Begründung Sie Herrn Bundesminister Leber das nötige Fingerspitzengefühl in außenpolitischen Dingen absprechen?
Das habe ich nicht getan. Das ist eine Verdrehung meiner Antwort und eine Verdrehung der Frage, die vorhin gestellt worden ist. Für außenpolitische Entscheidungen ist das Auswärtige Amt zuständig. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs.
Aber ist aus Ihrer Antwort vorhin nicht doch zumindest hervorgegangen, daß der Herr Bundesverteidigungsminister weniger Fingerspitzengefühl hat als das Auswärtige Amt?
Herr Abgeordneter, das ist eine Folgerung, die Sie aus meiner Antwort überhaupt nicht ziehen können;
denn der Vorgang, der in der Frage dargestellt worden ist, ist falsch dargestellt worden, und ich brauche nicht jeden Vorgang zu berichtigen, der überhaupt nicht im Zusammenhang mit der Frage steht. Wenn Sie den Vorgang gekannt hätten, wären Sie sicherlich nicht zu diesen Schlußfolgerungen gekommen.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der. Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Haushaltsgesetz bekannt. Mit Ja haben 232 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 12 Berliner Kolleginnen und Kollegen und mit Nein 179 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 6 Berliner Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Insgesamt sind 411 Stimmen abgegeben worden, und 18 Berliner Kolleginnen und Kollegen haben sich an der Abstimmung beteiligt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973 2717
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 411 und 18 Berliner Abgeordnete; davonJa: 232 und 12 Berliner AbgeordneteNein: 179 und 6 Berliner AbgeordneteJa SPDAhlers Amling Anbuhl Dr. ApelArendt Augstein (Hattingen) BaackBäuerle Barche Dr. BardensBatzDr. BayerlBecker
Dr. BeermannBerkhan BiermannBlankDr. Böhme BörnerFrau von Bothmer BrandtBrandt BredlBrückBuchstallerBüchler
Dr. von Bülow BuschfortDr. BußmannCollet Conradi CoppikFrau Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi DürrEckerlandDr. EhmkeDr. EhrenbergFrau Eilers Dr. Emmerlich EngholmDr. EpplerEsters EwenDr. FarthmannFiebigDr. FischerFrau Dr. FockeFranke FriedrichGansel GeigerGerstl Gertzen GlombigDr. GlotzGnädingerGrobeckerGrunenbergDr. HaackHaarHaase
Haase HaehserDr. Haenschke HalfmeierHansen Hauck Dr. HauffHenkeHermsdorfHerold Höhmann Hofmann Dr. Holtz HornFrau HuberHuonker ImmerJahn
Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka KernKonrad KratzDr. KreutzmannKrockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLeberLempLendersFrau Dr. LepsiusLöbbert LutzMahne Marschall MatthöferFrau MeermannDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MetzgerMöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Müller
Müller
Müller(Schweinfurt)Dr. Müller-EmmertNagelNeumannDr. NöllingDr.-Ing. OettingOffergeldFreiherrOstman von der Leye PeiterPensky Polkehn Porzner Rapp
Rappe
Ravens ReiserFrau RengerReuschenbachFrau Dr. Riedel-Martiny RohdeRosenthalSaxowskiDr. SchachtschabelSchäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheuFrau SchimschokSchinzelSchirmerSchlaga SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchonhofenSchreiberSchulte
Dr. SchweitzerSeibert Simon SimpfendörferDr. SlottaDr. SperlingSpilleckeStaak
Stahl
Dr. StienenSuckSundFrau Dr. TimmTönjes UrbaniakVahlbergVitDr. Vogel VogelsangWaltematheWaltherDr. Weber WehnerWendtDr. WernitzWestphalDr. WichertWienandWilhelmWischnewskiDr. de WithWittmann WolfWolframWrede Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteDr. Arndt BühlingDr. DübberEgertLöffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiSchwedlerSieglerschmidtWurcheFDPDr. BangemannBaumDr. BögerChrist EngelhardFlachFrau FunckeGallus Geldner GenscherGraaffGroßGrünerDr. Hirsch Hölscher HoffieJungKirstKleinertKrallDr. Graf Lambsdorff LogemannDr. Dr. h. c. MaihoferMertes
Mischnick Möllemann MoerschOlleschRonneburgerSchmidt
Frau SchuchardtSpitzmüller Dr. Wendig WurbsZywietzBerliner Abgeordneter HoppeNeinCDU/CSUDr. Aignervon Alten-NordheimDr. AlthammerDr. ArnoldBaierDr. Becker
Frau BenedixBenzBerger BewerungeBiecheleBiehleDr. Dr. h. c. BirrenbachDr. von BismarckDr. Blümvon BockelbergBöhm
Braun Bremer Bremm Burger Carstens
Dr. Carstens
Dr. CzajaDammvan DeldenDr. DollingerDreyer EigenEilers EngelsbergerEntrupDr. ErhardErhard ErnestiDr. EversEyFerrangFreiherr von FircksFranke
Dr. FranzDr. FreiwaldDr. FrerichsDr. FuchsGeisenhoferGerlach
Gerster
GierensteinDr. Götz
Metadaten/Kopzeile:
2718 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1973
Dr. GruhlHaase
Dr. HäfeleDr. Hammansvon HasselHauser Hauser (Krefeld)Dr. Hauser Dr. HeckHöcherlHöslDr. HornhuesHorstmeierFrau HürlandDr. HupkaDr. JaegerJäger
Dr. Jahn Dr. JenningerDr. JobstJostenKatzerKiechleKiepDr. h. c. Kiesinger Dr. Klein Dr. Klein (Stolberg) Dr. KlepschKösterKrampeDr. KraskeDr. KreileKroll-SchlüterFreiherrvon Kühlmann-Stumm Dr. Kunz LagershausenLampersbachLinkLöherDr. LudaDr. MarxMaucherMemmelDr. Mertes MickDr. MikatDr. MiltnerMilzMöller
Müller Dr. Müller-Hermann Dr. NarjesFrau Dr. Neumeister NordlohneDr.-Ing. Oldenstädt OrgaßPfeffermannPfeiferPicardPierothPohlmannDr. ProbstRainerRaweReddemannFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RitgenDr. RitzRollmannRommerskirchen RoserRusseSauer Sauter (Epfendorf) Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinDr. SchäubleFrau Schleicher SchmidhuberSchmitt Schmitz (Baesweiler) SchmöleFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Lüneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Schulte (SchwäbischGmünd)Dr. Schulze-Vorberg SeitersSickSpilkerSprangerDr. SprungGraf Stauffenberg Dr. StavenhagenFrau StommelStücklenSussetde TerraThürkTillmannDr. TodenhöferFrau TüblerVeharFrau Verhülsdonk Vogel VogtVolmerDr. Waffenschmidt Wagner Dr. Wagner (Trier) Dr. WaigelDr. WallmannWawrzikWeber
Dr. Freiherr von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldWindelen WissebachDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von WrangelDr. WulffZeyerZieglerDr. Zimmermann ZinkZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Berger Kunz (Berlin)Müller
Frau Pieser Straßmeir WohlrabeDamit ist das Haushaltsgesetz in der dritten Lesung angenommen.Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der Tagesordnung. Ich möchte aber vorsorglich darauf aufmerksam machen, daß das Haus heute abend gegen 19 Uhr eventuell noch einmal zusammentreten muß, um über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu dem Zweiten Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern — Zweites Besoldungserhöhungsgesetz — sowie über das Gesetz über das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts zu beschließen, falls es zu neuen Vermittlungsvorschlägen kommt. Ich werde die genaue Uhrzeit rechtzeitig durch Ausruf bekanntgeben bzw. durchsagen lassen, daß eine weitere Plenarsitzung nicht notwendig ist, wenn der Vermittlungsausschuß die Beschlüsse des Bundestages bestätigen sollte.Meine Damen und Herren! Damit sind wir, wenn das Haus heute abend nicht noch einmal zusammentreten muß, am Ende der Plenarberatungen. Ich danke Ihnen für die Mitarbeit, schließe die Sitzung und wünsche Ihnen recht gute und erholsame Sommerferien.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 13. September 1973, ein. Die Uhrzeit wird noch bekanntgegeben.Die Sitzung ist geschlossen.