Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Vorlagen ergänzt werden:
1. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
- Drucksache 7'780 - -
2. Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Olivenöl-Übereinkommen von 1963
- Drucksache 7413 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/790 -Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 7/759 —
Berichterstatter: Abgeordneter Wolf
3. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Bericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1973) und Gutachten des Sozialbeirats
- Drucksachen 7/88, 7/757 —Berichterstatter: Abgeordneter Franke
4. Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Neumeister, Burger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Hammans, Frau Schleicher, Rollmann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung
Drucksache 7/774 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
5. Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen heir. nachträgliche Unterrichtung über die Veräußerung einer 1,9 ha großen Teilfläche der Kasernenanlage in Kassel an der Frankfurter Straße an das Land Hessen
— Drucksache 7,772 —Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
6. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu dern Antrag der Bundesregierung betr. Bundeseigenes Gelände in Langenhagen-Wiesenau bei Hannover; hier: Veräußerung an die Stadt Langenhagen
Drucksachen 7/425, 7/794 — Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
7. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der nachträglichen Unterrichtung des Bundesministers der Finanzen über die eingegangene Verpflichtung, 250 ha auf
dem Rysumer Nacken in Emden an das Land Niedersachsen bzw. die Stadt Emden zu verkaufen
- Drucksachen 7/504, 7/795 —Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
8. Beratung des Mündlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April bis September 1972)
— Drucksachen 7/5, 7/771 — Berichterstatter: Abgeordneter Blumenfeld
9. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG, EURATOM, EGKS) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/EURATOM über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofs und eines
Beschlusses des Rates über die Regelung der Amtsbezüge der ehemaligen Mitglieder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, deren Amtszeit am 4. Januar 1973 abläuft
— Drucksachen 7/265, 7/758 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer
10. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie (EWG) des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Hefe und Heferückstände
— Drucksachen 7/389, 7/777 —Berichterstatter: Abgeordneter Kiechle
11. Beratung des Berichts und des Antrags des A usschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1973
Drucksachen 7/490, 7/755 -
Berichterstatter: Abgeordneter Gallus
Ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Zweiter Bericht über die Entwicklung der Mieten für Wohnraum
Bezug: § 8 Abs. 4 des Zweiten Wohngeldgesetzes vom 14. Dezember 1970
— Drucksache 7/651 —
zuständig: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Betr.: Bericht über den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften aus der DDR für das Jahr 1972
— Drucksache 7/712 —zuständig: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
2416 Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973
Vizepräsident Frau Funcke
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Uberweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates zur Aufnahme der Philippinen in die Liste der Entwicklungsländer nach den Verordnungen (EWG) Nr. 2763/72 und 2764/72
— Drucksache 7/751 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 durch Einführung neuer Bestimmungen über die önologischen Verfahren
— Drucksache 7/752 —
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit , Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die zeitweilige Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche Waren
— Drucksache 7/753 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für 30 000 Stück Färsen und Kühe bestimmter Höhenrassen, nicht zum Schlachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für 5 000 Stück Stiere, Kühe und Färsen bestimmter Höhenrassen, nicht zum Schlachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b) des Gemeinsamen Zolltarifs
— Drucksache 7/754 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte urn Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Ich rufe dann Punkt 1 der Zusatzliste auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
— Drucksache 7/780 —
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Wagner!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die parlamentarische Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland steht seit deren Bestehen in ihrer wohl schwersten Belastung.
Zum erstenmal wird der Vorwurf erhoben, die Stimmabgabe im Bundestag sei manipulierbar. Täglich neue Enthüllungen über die Einflußnahme auf Abstimmungen, die Bestechlichkeit von Abgeordneten und deren Umgang mit der Wahrheit belasten nicht nur das Ansehen der unmittelbar Betroffenen, sondern lassen in der Öffentlichkeit überhaupt Zweifel an der Integrität dieses Hohen Hauses zu,
Zweifel, die sich besonders schwerwiegend bei der jungen Generation, die sich in so großem Maße politisch engagiert, auswirken müssen.
Das Parlament muß in dieser harten Bewährung die Selbstreinigungskraft aufbringen, die notwendig ist, damit der sich abzeichnende Skandal nicht die
Glaubwürdigkeit des parlamentarischen Systems überhaupt in Frage stellen kann.
Auf Grund der Presseberichterstattung der jüngsten Zeit ist der dringende Verdacht gerechtfertigt, daß beim konstruktiven Mißtrauensvotum im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Ostverträge, daß beim Wechsel oder beabsichtigten Wechsel der Fraktion massiv Einfluß auf die Entscheidung von Abgeordneten des 6. Deutschen Bundestages genommen wurde. So ist die Rede davon, daß für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten eine bestimmte Summe Geldes gezahlt wurde, daß geschäftliche Rücksichtnahmen die Entscheidungen von Abgeordneten beeinflußt haben, daß Stimmkarten aus der Abstimmung über den konstruktiven Mißtrauensantrag gekennzeichnet waren und daß von außerhalb der Bundesrepublik Deutschland versucht worden ist, Einfluß auf politische Entscheidungen im 6. Deutschen Bundestag zu nehmen. So, meine Damen und Herren, erscheint das Wort des Bundeskanzlers vor der Wahl „Korruption war im Spiel" in einem völlig neuen Licht.
Zugestanden ist bereits, daß mit Kenntnis von deutschen nachrichtlichen Dienststellen ein ehemaliges Mitglied dieses Hauses, Herr Steiner,
geheimdienstliche oder ähnliche Verbindungen zu interessierten Stellen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland unterhalten und Nachrichten aus der CDU/CSU-Fraktion liefern konnte. Offen ist jedoch die Frage, ob zwischen diesen Beziehungen und dem Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag ein konkreter Zusammenhang besteht. Im Dunkeln ist zunächst auch noch, wie es dazu kommen konnte, daß angeblich die zuständigen Behördenleiter und Ressortchefs über diese Beziehungen nicht informiert waren und vor allem die betroffene CDU/CSU-Fraktion über die Ausspionierung nicht unterrichtet wurde, ein empörender Vorgang, der sich mit unserem Demokratieverständnis nicht verträgt.
Glaubwüdigkeit und Verantwortungsbereitschaft sind das Vertrauenskapital der Abgeordneten und die Voraussetzung für erfolgreiche parlamentarische Arbeit. Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion kann daher in dieses Dickicht von offenen Fragen und Gedächtsnislücken, von Manipulations- und Korruptionsverdacht nur dasjenige parlamentarische Gremium Licht bringen, das unsere Verfassung vorsieht: ein Untersuchungsausschuß. Wir meinen, daß dieser Untersuchungsausschuß, dessen Einsetzung wir hiermit beantragen, schnell und rückhaltslos alle Fragen und Verdächtigungen aufklären muß, um Schaden von unserer Demokratie abzuwenden.
Die CDU/CSU-Fraktion benennt als ordentliche Mitglieder für diesen Ausschuß die Kollegen Professor Dr. Klein, Dr. Schäuble, Vogel und Dr. Wittmann (München) und als stellvertretende Mit-
Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973 2417
Wagner
glieder Reddemann, Dr. Jobst, Dr. Miltner und Rawe.
Mit dem Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses sind wir uns durchaus bewußt, daß die Durchforstung der Rolle des ehemaligen Abgeordneten Steiner für die CDU/CSU nicht nur angenehm sein wird. Schließlich wurde er über eine Landesliste der CDU gewählt. Wenn aber, meine Damen und Herren, dieser Abgeordnete korrupt war, dann gab es auch andere, die diese Schwächen für ihre parteipolitischen Zwecke hemmungslos ausgeschlachtet haben.
Im Interesse der Wahrung des Ansehens des Parlaments haben wir den Antrag für den Untersuchungsausschuß so weit gefaßt, daß alle Verdächtigungen von Abgeordneten aus der 6. Legislaturperiode restlos aufgeklärt werden können. Gleichzeitig haben damit auch die im letzten Jahr böswillig der Korruption verdächtigten Kollegen die Möglichkeit, die Haltlosigkeit ihrer Verunglimpfungen darzutun.
Ich bedauere es außerordentlich, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD am 12. Juni 1973 vor seiner Fraktion die CDU/CSU verdächtigt hat, sie wolle eine nachträgliche Parteikontrolle einer geheimen Wahl erzwingen.
Ich weise diese Verdächtigung mit aller Entschiedenheit zurück
und meine, daß der Vorsitzende der Fraktion der SPD damit die Grenzen einer fairen politischen Auseinandersetzung überschritten hat.
Meine Damen und Herren, sein Vorwurf ist vor allem auch dann unverständlich, wenn er an einem Tage erfolgt, an dem gerade ein Mitglied seiner Fraktion schwer belastet wurde. Ich möchte klipp und klar sagen: wir wollen niemand ohne eine faire Untersuchung verurteilt sehen, wir wollen aber auch keinen Blankofreispruch von vornherein, mit dem das Untersuchungsverfahren unterlaufen werden soll.
Wir haben diesen Untersuchungsausschuß beantragt, weil wir Klarheit in das Gewirr von Vermutungen, Vorwürfen und Verdächtigungen bringen wollen. Wir begrüßen es, daß die anderen Fraktionen des Hauses dem zustimmen und an der Aufklärung mitwirken wollen. Wir sind bereit, auch die vorgeschlagenen Änderungen zu unserem Antrag mit zu tragen, die gestern in interfraktionellen Gesprächen erörtert wurden.
Meine Damen und Herren, ich meine, das ganze Haus schuldet den Bürgern in unserem Lande die vollständige Aufklärung eines Skandals, der sich um dieses Parlament rankt. Wir müssen das Vertrauen in das Funktionieren und in die Rechtschaffenheit des Parlamentes zurückgewinnen. Ich gehe davon aus, daß wir bei diesem Bemühen auch auf jede Unterstützung von außen durch all jene rechnen können, die zu dieser Aufklärung beizutragen vermögen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schulte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So sehr ich mich gereizt fühle, auf den Kollegen Wagner zu replizieren, möchte ich mich darauf beschränken, im Namen meiner Fraktion eine Erklärung abzugeben.
Wir begrüßen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Deutschen Bundestag, damit in einem rechtlich geordneten Verfahren untersucht und festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls welche Tatsachen der in der Öffentlichkeit kursierenden Flut von Behauptungen und Verdächtigungen zugrunde liegen. Dabei wird die Fraktion der SPD alles in ihren Kräften Stehende tun, damit der Untersuchungsausschuß seine schwierige Aufgabe gründlich und schnell bewältigen kann. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bekräftigt insofern ihre Erklärung vom 5. Juni 1973.
Das von der Opposition vorgeschlagene Beweisthema, das zuvor in anderer Fassung und mit anderen Akzenten bereits als Text publiziert worden war, wird nunmehr durch eine interfraktionell erarbeitete Änderung Ergänzungen und Präzisierungen erfahren. Der Untersuchungsausschuß hat nicht nur die Aufgabe, die Vorwürfe und Behauptungen einer sorgfältigen Untersuchung zu unterziehen, die erst seit wenigen Tagen die Öffentlichkeit beschäftigen, sondern er wird vor allem auch versuchen müssen, die Vorgänge zu klären, die in der vergangenen Legislaturperiode im Zusammenhang mit Fraktions-, Parteiwechsel oder versuchter Abwerbung die Bürger in unserem Lande erregt haben.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wendet sich mit allem Nachdruck und aller Entschiedenheit gegen den von verschiedenen Seiten unternommenen Versuch, einen unserer Kollegen zu verunglimpfen und zu verurteilen, ohne daß bislang in einem Verfahren Sachverhalte hätten geklärt werden können.
Zu unserem Bedauern haben auch Kollegen des Bundestages keine Bedenken gehabt, sich an dieser Kampagne zu beteiligen.
Die SPD-Bundestagsfraktion ist aber auch der Auffassung, daß der Untersuchungsausschuß jetzt schnell mit seinen Arbeiten beginnen muß.
2418 Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973
Schulte
Dies ist schon deshalb erforderlich, weil seit vielen Tagen der offensichtlich schwerkranke Zeuge Steiner, man ist geneigt zu sagen, sich im Gewahrsam eines Publikationsorgans befindet
und fortwährend durch dieses Medium gefiltert, widersprüchliche Enthüllungen und Geständnisse produziert oder produzieren läßt.
Dieser Zustand muß im Interesse einer rechtsstaalichen und sachgerechten Aufklärung unverzüglich beendet werden.
Die SPD-Fraktion hat die von ihr zu stellenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses gewählt. Es sind — als ordentliche Mitglieder die Kollegen Dr. Alfred Emmerlich, Professor Dr. Friedrich Schäfer, Hellmut Sieglerschmidt, Hans-Jürgen Wischnewski und als stellvertretende Mitglieder Dr. Peter Glotz, Dr. Wilhelm Nölling, Dr. Willfried Penner, Dr. Dietrich Sperling. Wir gehen davon aus, daß der Ausschuß sich sofort konstituiert und unmittelbar seine Arbeit aufnimmt.
Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der Freien Demokraten gebe ich folgende Erklärung ab.
Veröffentlichte Behauptungen aus der allerletzten Zeit führen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Die Offentlichkeit hat ein Anrecht darauf, in dem gesamten Komplex völlige Klarheit zu gewinnen.
Wir selbst aber haben dieses Anrecht in der gleichen Weise. Dieses Haus schuldet Klarheit der Öffentlichkeit, aber es schuldet dieselbe Klarheit auch sich selbst, und nur dieser Wille zur Klarheit, aber die dann in der Praxis auch durchgehaltene Bereitschaft, dieses Bestreben zu realisieren, wird bei Aufhellung der Szene der Sache gerecht.
Wir sollten uns darüber klar sein, daß wir im Rahmen des Untersuchungsausschusses selbst Maßstäbe setzen werden, an denen dieses Parlament und wir selbst von anderen gemessen werden.
Der gemeinsame Änderungsantrag aller drei Fraktionen signalisiert eine gewisse Übereinstimmung jedenfalls im Grundsatz, wie ich hoffe, und dieser Grundsatz kann doch nur die gemeinsame Überzeugung sein, daß es ein unverzichtbares Merkmal unserer Ordnung ist, es nicht notwendig zu haben,
daß etwas unter den Teppich gekehrt wird, ja geradezu zu fordern und zu verlangen und auch danach zu handeln, daß nichts unter den Teppich gekehrt wird.
Es wird eine Aufgabe des Untersuchungsausschusses sein, im Rahmen der Fragestellungen des Antrags selbst seine Beweisthemen im einzelnen zu formulieren. Auf eines darf heute bereits hingewiesen werden: daß sich der Untersuchungszeitraum ganz sicherlich auf die gesamte Dauer der 6. Wahlperiode des Deutschen Bundestages zu erstrecken haben wird.
Dem Ausschuß wird seine Aufgabe sicherlich nicht dadurch erleichtert, daß er zunächst Erwägungen anzustellen haben wird etwa über die Tatsache, warum bestimmte mögliche Beweismittel sich heute in einem, sagen wir einmal, unzulänglichen Zustand zu befinden scheinen und worauf das zurückzuführen ist.
In der Diskussion haben die Stiminkarten aus der Abstimmung über das konstruktive Mißtrauensvotum eine besondere Rolle gespielt und eine besondere Beachtung gefunden. Diese Stimmkarten können im Rahmen der Untersuchung ein mögliches Beweismittel sein und sind dann insoweit in die Untersuchung einzubeziehen. Die Behauptung der besonderen Kennzeichnung von Stimmkarten wird als ein mögliches Beweismittel dann relevant, wenn die Kennzeichnung einzelner Stimmkarten den eindeutigen Schluß zuläßt, daß damit im konkreten Fall Dritten gegenüber ein Zeichen gegeben werden sollte. Der Klarheit halber und um uns nicht auf falsche Fährten zu begeben, hätten wir es lieber gesehen, dies im Antrag noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Wir stellen aber mit Befriedigung fest, daß Verteter der CDU/CSU die Erklärung abgegeben haben, daß die besondere Kennzeichnung nichts anderes besage, sondern zum Ausdruck bringen wolle, daß hiermit der subjektive Tatbestand eingeschlossen sei.
Unsere Verfassung räumt einem Untersuchungsausschuß weitgehend richterliche Kompetenzen ein. Ich glaube, daran haben wir uns bei unserer Einstellung gegenüber der Arbeit und der Aufgabe eines derartigen Ausschusses zu orientieren. Nicht alles, was in den letzten Tagen innerhalb und außerhalb dieses Hauses zum Thema verlautbart worden ist, kann als gelungene Ouvertüre für die Arbeit des Ausschusses aufgefaßt werden. Und wer gar als Mitglied dieses Parlaments bezüglich des Untersuchungskomplexes das Ergebnis vor die Beweisaufnahme setzen will, der gefährdet ganz sicherlich das Ergebnis der Untersuchungsarbeit selbst.
Es könnte ihm am Schluß — wollen wir das nicht
vergessen — wie jenem Dorfrichter Adam aus dem
„Zerbrochenen Krug" gehen, nur daß dann anders als
Engelhard
auf der Bühne die Akteure wie die Zuschauer nichts zu lachen haben werden und ihnen allenfalls das Lachen in der Kehle steckenbleiben wird.
Meine Damen und Herren, verlangen wir ganz realistisch vom Politiker und Parlamentarier als Untersuchungsführer nicht die unbefangene, distanzierte Objektivität eines Berufsrichters! Lassen wir dein Politiker die Leidenschaft, aber verlangen wir auch hier von ihm zusätzlich ein gutes Stück Verantwortungsbewußtsein und Augenmaß!
Meine Fraktion benennt als ordentliches Mitglied des Untersuchungsausschusses den Herrn Kollegen Kleinert, als seinen Stellvertreter Herrn Kollegen Dr. Hirsch.
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Anderungsantrag, der auf Drucksache 7/796 interfraktionell gestellt worden ist, ab. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. —Gegenprobe! Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der nunmehr geänderten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich darf die eben genannten Mitglieder des Untersuchungsausschusses zu einer ersten Sitzung auf 11 Uhr in das Fraktionszimmer der SPD bitten.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 2 der Zusatzliste auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Olivenöl-Übereinkommen von 1963
Drucksache 7/413 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/790 -
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Drucksache 7/759
Berichterstatter: Abgeordneter Wolf
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist das Gesetz in der Schlußabstimmung einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 3 der Zusatzliste:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Bericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1973) und Gutachten des Sozialbeirats
— Drucksachen 7/88, 7/757
Berichterstatter: Abgeordneter Franke
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Zusatzliste auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Neumeister, Burger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Hammans, Frau Schleicher, Rollmann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung
— Drucksache 7/774 -
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Das ist ebenfalls nicht der Fall.
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit -- mitberatend —. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Zusatzliste auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. nachträgliche Unterrichtung über die Veräußerung einer 1,9 ha großen Teilfläche der Kasernenanlage in Kassel an der Frankfurter Straße an das Land Hessen
— Drucksache 7/772 —Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
2420 Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973
Vizepräsident Frau Funcke
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Zusatzliste auf:
Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung betr. Bundeseigenes Gelände in Langenhagen-Wiesenau bei Hannover; hier: Veräußerung an die Stadt Langenhagen
— Drucksachen 7/425, 7/794 — Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
Wünscht jemand dazu das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Zusatzliste auf:
Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der nachträglichen Unterrichtung des Bundesministers der Finanzen über die eingegangene Verpflichtung, 250 ha auf dem Rysumer Nacken in Emden an das Land Niedersachsen bzw. die Stadt Emden zu verkaufen
— Drucksachen 7/504, 7/795 — Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
Wünscht jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Zusatzliste auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April bis September 1972)
— Drucksachen 7/5, 7/771 — Berichterstatter: Abgeordneter Blumenfeld
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Beratung wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Zusatzliste auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/ 67/EWG, Nr. 5/67 /EURATOM über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und
die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofs und eines Beschlusses des Rates über die Regelung der Amtsbezüge der ehemaligen Mitglieder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, deren Amtszeit am 4. Januar 1973 abläuft
— Drucksachen 7/265, 7/758 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Zusatzliste auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie (EWG) des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Hefe und Heferückstände
— Drucksachen 7/389, 7/777 — Berichterstatter: Abgeordneter Kiechle
Wünscht jemand dazu das Wort? Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Zusatzliste auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1973
— Drucksachen 7/490, 7/755 — Berichterstatter: Abgeordneter Gallus
Wünscht jemand dazu das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit haben wir auch die Punkte der Zusatzliste erledigt.
Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 7/690 —
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beamtwortung steht Herr Par-
Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973 2421
Vizepräsident Frau Funcke
lamentarischer Staatssekretär Moersch zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vom 2. August 1945 auch nach deren Erwähnung im Moskauer, im Warschauer und im innerdeutschen Grundvertrag für die Bundesrepublik Deutschland eine res inter alios acta, d. h. eine Angelegenheit unter Dritten, sind, die die Bundesrepublik Deutschland nicht bindet, daß also folgende Aussage im Memorandum der Bundesregierung vom 9. April 1968 an die Sowjetregierung weiterhin gilt: „Was die wiederholt geäußerten Auffassungen der sowjetischen Regierung über die Bedeutung der Potsdamer Abmachungen von 1945 betrifft, ist es nach Ansicht der Regierung der Bundesrepublik Deutschland nicht ihre Sache, sich über Gültigkeit, Auslegung und Geltungsbereich und Vereinbarungen zu äußern, an denen sie nicht beteiligt ist"?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, ich kann bestätigen, daß die Bundesregierung die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vom 2. August 1945 als eine res inter alios acta ansieht, d. h. als eine Angelegenheit unter Dritten, die die Bundesregierung nicht bindet. Der Umstand, daß diese Beschlüsse in Art. 1 des Warschauer Vertrages ausdrücklich erwähnt sind und durch die Unberührtheitsklauseln des Art. 4 des Moskauer Vertrages, des Art. 4 des Warschauer Vertrages und des Art. 9 des Grundvertrages indirekt erfaßt werden, ändert daran nichts. Zur Begründung darf ich auf die sehr ausführlichen Beratungen verweisen, die zu den genannten Artikeln in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages stattgefunden haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie den Begriff „erfaßt werden" kurz erläutern?
Herr Abgeordneter, ich bin mir im Augenblick nicht klar, worauf Sie mit Ihrer Frage hinaus wollen. Ich muß mir das eben einmal in meinem Konzept anschauen. — Der Hinweis, der mit diesem Begriff verbunden ist, bezieht sich darauf, daß beide Seiten ihre früher geschlossenen Verträge in diesen Verträgen als weiterhin gültig ansehen. Das ist ganz besonders wichtig auch für die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Deutschland-Vertrag und die dort enthaltenen Bestimmungen.
Keine weitere Zusatzfrage? —
Dann rufe ich die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß sie allen etwaigen Versuchen von innen und außen entgegengetreten ist und entgegentreten wird, die auf eine wie immer geartete Übernahme der bekannten sowjetischen Auffassung abzielen, wonach die UdSSR als Beteiligter der Potsdamer Beschlüsse ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Innen-, Deutschland-, Verteidigungs-
und Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland habe?
Herr Abgeordneter, diese zweite Frage beantworte ich mit einem Ja.
Die Frage 95 soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 96 und 97 sind vom Fragesteller zurückgezogen.
Wir kommen zu der Frage 98 des Herrn Abgeordneten Biehle. Ist der Abgeordnete im Saal? — Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 99. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Rollmann auf:
Wie viele Angehörige des Auswärtigen Amts, darunter wie viele Missionschefs, unter 65 Jahren sind von der gegenwärtig laufenden Aktion der vorzeitigen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand betroffen?
Bitte schön!
Die Annahme, es gebe im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts eine gegenwärtig laufende Aktion der vorzeitigen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, trifft nicht zu. Wie zu jedem Zeitpunkt in der Vergangenheit laufen vielmehr auch derzeit auf die vorzeitige Pensionierung einiger Beamter des höheren Dienstes gerichtete Maßnahmen des Auswärtigen Amtes, die sich naturgemäß über einen weiten, in den einzelnen Fällen unterschiedlichen Zeitraum erstrecken. Es handelt sich, wie ich ausdrücklich betonen muß, um individuelle Entscheidungen, die auch keine Gruppe von Beamten betreffen. Es ist deshalb nicht angebracht, von einer Aktion zu sprechen.
Soweit, Herr Abgeordneter, diese Maßnahmen auf die Initiative des Auswärtigen Amtes zurückgehen, werden bis zum Ende dieses Jahres noch zehn Beamte der Besoldungsgruppe A 16 und darüber in den einstweiligen Ruhestand versetzt oder auf eigenen Antrag vorzeitig pensioniert. Hiervon sind acht Beamte Leiter diplomatischer und konsularischer Vertretungen. Fünf dieser zehn Beamten haben ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 42 Abs. 3 des Bundesbeamtengesetzes beantragt. Die anderen ziehen es vor, sich in den einstweiligen Ruhestand gemäß § 36 des Bundesbeamtengesetzes versetzen zu lassen. Wegen der Verpflichtung des Dienstherrn, die Personalangelegenheiten einzelner Beamter vertraulich zu behandeln, muß das Auswärtige Amt davon absehen, die Namen der Betroffenen in öffentlicher Sitzung zu nennen.
Ich darf jedoch die Gelegenheit zu einigen ergänzenden Bemerkungen benutzen.
§ 36 des Bundesbeamtengesetzes, Herr Abgeordneter, gibt dem Dienstherrn die Möglichkeit, in pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob, aus welchem Grund und wann er einen politischen Beamten verabschieden will. Im Falle des Auswärtigen Dienstes gilt diese Regelung, was allgemein wenig bekannt ist, für die Beamten der Besoldungsgruppe A 16 und darüber, während sonst im öffentlichen Dienst diese Regelung ab Besoldungsgruppe B 9 be-
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Parl. Staatssekretär Moersch
ginnt, also Ministerialdirektoren und Staatssekretäre umfaßt.
Die hier in Rede stehenden Maßnahmen beruhen in jedem Fall auf der Entscheidung, den betreffenden Posten neu zu besetzen. Die "Notwendigkeit zur Neubesetzung ist dabei zum Teil in für den Auswärtigen Dienst typischen strukturellen Gegebenheiten begründet. So macht es z. B. die große Zahl tropischer Dienstposten erforderlich, in gemäßigter Klimazone gelegene Dienstposten in größerem Umfang für Beamte frei zu machen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht länger in den Tropen bleiben können. Politische — insbesondere parteipolitische — Gründe haben in keinem der zehn Fälle eine Rolle gespielt. Ich möchte vielmehr betonen, daß gegenüber keinem der Betroffenen Zweifel an seiner Loyalität gegenüber der Bundesregierung besteht. Alle für die vorzeitige Pensionierung vorgesehenen zehn Beamten werden zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung das 62. Lebensjahr vollendet, zum Teil werden sie es wesentlich überschritten haben. Eine anderweitige ihrem Dienstrang und ihrer Eignung entsprechende Verwendung ist dann nicht mehr möglich.
In jedem Falle wurden Fürsorgegesichtspunkte berücksichtigt. Insbesondere, Herr Abgeordneter — darauf möchte ich besonders verweisen —, hat jeder der betroffenen Beamten das für den Bezug des vollen Ruhegehalts erforderliche Dienstalter erreicht.
Eine Zusatzfrage.
Ist es so, Herr Staatssekretär, daß diese zehn Beamten, von denen Sie gesprochen haben, durch Schreiben des Auswärtigen Amtes vor die Wahl gestellt worden sind, entweder von sich aus die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu beantragen oder eben durch die Bundesregierung bzw. durch den Herrn Bundespräsidenten in den einstweiligen Ruhestand versetzt zu werden?
Das ist generell nicht so. Aber, Herr Abgeordneter, ich darf zur Aufklärung des Tatbestandes, der in der Öffentlichkeit genannt worden ist, —
— Der Unterschied zwischen „generell" und „prinzipiell" dürfte Ihnen, Herr Abgeordneter auch bekannt sein. Wenn ich sage, es ist generell nicht so, dann heißt das, es ist im allgemeinen eben nicht so.
Es ist so, wie ich es Ihnen jetzt darzustellen versuche, daß es Beamte gibt, die Wert darauf legen, von sich aus, auf eigenen Antrag in den einstweiligen Ruhestand versetzt zu werden. Das ist für sie bei manchen Dingen, die später noch in ihrem privaten Leben eine Rolle spielen, offensichtlich vorteilhaft. Das hat aber den Nachteil, daß dann eine volle Gehaltszahlung über einige Zeit nicht mehr erfolgt. Werden die Beamten dagegen vom Dienstherrn in den einstweiligen Ruhestand versetzt, gib!. es diese Art von Bezahlung. Ich halte es für richtig, daß man die Entscheidung auf Grund der Unterschiede, die durch Gesetz von diesem Hohen Hause selbst festgelegt worden sind, den Betroffenen anheimstellt, daß man sie frei disponieren läßt. Und daher ist diese Frage in den meisten Fällen von den einzelnen nach individuellen Gesichtspunkten beantwortet worden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist es richtig, Herr Staatssekretär, daß sich unter den Beamten, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden sollen, auch die deutsche Botschafterin beim Europarat befindet, deren Ernennung unter dem Motto, sie sei die erste Dame, die Botschafterin würde, vor Jahr und Tag als eine besondere Errungenschaft der sozialliberalen Koalition gefeiert wurde?
Herr Abgeordneter, Sie stellen eine Frage, deren Beantwortung eine Verletzung des Gesetzes darstellte, denn das Gesetz erlaubt nicht, daß Personalangelegenheiten öffentlich erörtert werden. Ich muß Sie aber generell darauf hinweisen — vielleicht ist das eine Antwort auf Ihre Frage —, daß sich Berichte, die im „Bayernkurier" über diesen Komplex erschienen sind, durch eine Fülle von falschen oder ungenauen Informationen auszeichnen.
Und auch diese Information, die Sie eben wieder gegeben haben, gehört dazu.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß es kein Wirtschaftsunternehmen auf dieser Welt gibt, das von ihm beschäftigte Fachleute zeitiger entlassen würde als notwendig?
Herr Abgeordneter, wenn Sie davon ausgehen, sind unsere Kenntnisse von Wirtschaftsunternehmen offensichtlich sehr verschieden. Es gibt sicherlich kaum ein Wirtschaftsunternehmen in der Welt, das leitende Positionen noch neu vergäbe bei einem Lebensalter, in dem das nach dem Beamtenrecht ganz selbstverständlich ist, und genau darum geht es. Ich habe nie gehört, daß führende Wirtschaftsunternehmen in der Welt leitende Positionen mit 64- und 65jährigen neu besetzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spitzmüller.
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Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben den „Bayernkurier" erwähnten, frage ich Sie: Können Sie die Meldung des „Bayernkurier" bestätigen, daß auch der deutsche Botschafter in Moskau abberufen werden soll? Das hat der „Bayernkurier", zu dessen ständigen Lesern ich allerdings nicht gehöre, unter dem 16. Juni berichtet.
Ich erinnere mich an diesen Bericht, weil ich annahm, daß der Kollege Rollmann ein Leser des „Bayernkurier" ist. Ich habe diesen Bericht deswegen studiert.
Es sind z. B. in diesem Zusammenhang Informationen verwertet worden, die sich dadurch auszeichnen, daß sie besonders gut abgelagert sind. Denn hier wird behauptet, der Botschafter in Moskau solle nach Dublin versetzt werden. Es handelt sich bei dem Beamten, der hier in Rede steht, um den Vorgänger des Vorgängers des derzeitigen Botschafters, der in der Zwischenzeit mehrere Jahre in der Zentrale beschäftigt war.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Müller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin davon, daß die Beamten nicht generell auf eigenen Wunsch, daß die Beamten nicht von Amts wegen vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden seien. Darf ich fragen, ob es darunter Fälle gibt, in denen man es dem einzelnen nahegelegt hat, diesen Antrag zu stellen.
Herr Abgeordneter, die Frage habe ich bereits mit Ja beantwortet. Das gehört zur Courtoisie einer Behörde. Es gibt Behörden, die da nicht erst fragen, sondern nach dem Gesetz verfahren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Hinweise auf die Unmöglichkeit der öffentlichen Erörterung dieser Frage so verstehen, daß es ihnen angezeigt erscheint, diese Angelegenheit einmal im Ausschuß zu besprechen?
Herr Abgeordneter, das hängt von den Anträgen ab, die dort gestellt werden. Aber ich bin sicher, daß die Abgeordneten, die sich um Informationen bemüht haben, diese von unserem Hause bekommen haben. Ich nehme an, Sie selbst gehören dazu.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 101 des Herrn Abgeordneten Rollmann auf :
Müssen die deutschen Diplomaten, die von dieser Aktion betroffen sind, cs nicht als eine Diskriminierung ihrer Person und ihrer Arbeit betrachten, wenn sie im Gegensatz zu anderen gleichaltrigen Beamten des Auswärtigen Amts und des öffentlichen Dienstes vorzeitig in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden?
Die Frage beantworte ich auf Grund der Darlegung zur Frage 100 mit Nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Nein.
Dann rufe ich die Frage 102 des Herrn. Abgeordneten Kiechle auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des Ministerpräsidenten Tschou En-lai, er kenne nur Königsberg und nicht Kaliningrad bzw. er könne sich zwei deutsche Staaten nicht vorstellen?
Bitte schön!
Herr Abgeordneter, aus dem Zusammenhang, in dem die Bemerkung von Ministerpräsident Tschou En-lai bei dem Empfang für Herrn Berthold Beitz und die deutsche Industriedelegation am 27. Mai 1973 gefallen ist, er kenne nur Königsberg aber nicht Kaliningrad, ergibt sich, was gemeint war.
Der chinesische Ministerpräsident hat in seinen Studienjahren Berlin, München, Köln und auch Königsberg kennengelernt. Was aus dieser Stadt später geworden ist, nämlich Kaliningrad, kennt er nicht.
Daß die Volksrepublik China sich durchaus zwei deutsche Staaten vor stellen kann, ergibt sich aus der Tatsache, daß sie diplomatische Beziehungen zu beiden Staaten unterhält.
Im übrigen. sprach der chinesische Ministerpräsident nach den Informationen unserer Botschaft — auf die muß ich mich hier, wie Sie verstehen, stützen - von zwei deutschen Nationen, die er sich nicht vorstellen könne. Diese Bemerkung entspricht der bekannten chinesischen Stellungnahme, es gebe nicht eine kapitalistische und eine sozialistische Nation in Deutschland, sondern nur eine deutsche Nation.
China lehnt die Spaltung von Nationen ab und verneint deshalb auch die Existenz zweier deutscher Nationen. Es geht aber wie wir von der Existenz zweier deutscher Staaten in Deutschland aus.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer Antwort entnehmen, daß sich der chinesische Ministerpräsident im ersten Teil seiner Bemerkung nur auf den Ort bezog und dahinter keinerlei politische Wertung stand?
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Herr Abgeordneter, der chinesische Ministerpräsident hat sich so ausgedrückt, wie ich es hier zitiert habe und wie Sie es in den Zeitungen gelesen haben. Was er damit gemeint haben könnte, müßte eine Befragung des chinesischen Ministerpräsidenten ergeben.
Aber die Bemerkung war eben gerade so gefaßt, daß diese Befragung nicht stattfinden konnte; das war der Sinn der Sache.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Kollege Moersch, ich frage wegen der ersten Antwort.
Ist es eine besondere Form moderner Erkenntnistheorie, die davon ausgeht, daß „eine Sache kennen" nur dann behauptet werden kann, wenn man sie unmittelbar erlebt hat? Oder gibt es auch andere Formen des Kennens oder Erkennens eines Gegenstandes?
Herr Abgeordneter, die deutsche Sprache ist reich an Nuancierungen. Ich bin jetzt nicht in der Lage, hier etwa den „Wasserzieher" aufzuschlagen und festzustellen, in welchen Variationen Goethe etwa das Wort „kennen" gebraucht hat. Ich bin sicher, daß in diesem Wörterbuch die von mir verwandte Ausdrucksform voll gedeckt wird.
— Für die Erkenntnistheorie ist der Bundestag, wie
Sie wissen, Herr Abgeordneter, nur selten zuständig.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, was ist richtig an den Gerüchten, wonach die Regierung der Volksrepublik China die Auffassung der Regierungen von Nordkorea und Nordvietnam teilt, gespaltene Nationen sollten nicht in die Vereinten Nationen aufgenommen werden?
Herr Abgeordneter, das sind Gerüchte. Denn von chinesischer Seite ist uns in dem aktuellen Zusammenhang mit unserem Aufnahmeantrag eine solche Lesart nicht zur Kenntnis gebracht worden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Hauser auf:
Trifft es zu, daß seit dem Besuch von Ministerialdirektor Bernd von Stauen in Warschau Anfang Februar 1973 und der dort bezüglich der Aussiedlung geführten Gespräche die Zahl der Aussiedler ständig rückläufig ist — März 885, April 589, Mai 570 Deutsche aus den Gebieten jenseits von Oder und Görlitzer Neiße —, die in der Bundesrepublik Deutschland eintreffen, und wie erklärt sich die Bundesregierung diesen Umstand?
Die Zahl der Aussiedler, Herr Abgeordneter, aus Polen ist bereits seit dem Herbst 1971 rückläufig. Sie ist in den letzten Monaten leider noch weiter zurückgegangen. Die Bundesregierung hofft, daß dies kein Dauerzustand sein wird.
Nach vorliegenden polnischen Äußerungen sollen positive neue Beschlüsse hinsichtlich der Umsiedlung gefaßt worden sein. Für die Gegenwart ist jedoch leider festzustellen, daß die restriktive Praxis der örtlichen polnischen Behörden andauert und sich sogar noch verschärft hat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, müssen Sie mir bestätigen, daß die von Ihnen in der Fragestunde vom 25. Mai genannten Zahlen doch zu beschönigend waren und damals von Ihnen auch die Besuchsreisen mitgezählt worden waren, daß es also nicht ausgesprochen Aussiedler waren, die mit Genehmigung der polnischen Regierung nach hierher umgesiedelt sind?
Nein, Herr Abgeordneter, ich glaube, hier handelt es sich um ein gegenseitiges Mißverständnis. Ich habe auf die Frage des Kollegen Hupka damals geantwortet, daß ich das nachprüfen werde. In den weiteren Fragen, die hier noch anstehen, werde ich Ihnen die Erklärung dafür geben, weshalb die Zahlen in bestimmten Wochen oder Monaten differieren, aber am Ende des Jahres wieder übereinstimmen, die von unserer Seite, nämlich von der amtlichen Aufnahmestelle und vom Deutschen Roten Kreuz, genannt worden sind.
Was den Reiseverkehr betrifft, kann ich Ihnen sagen — und ich habe mich vor dieser Fragestunde noch einmal erkundigt —, daß der Reiseverkehr von Polen in die Bundesrepublik Deutschland, auch die Verwandtenbesuche, stark zugenommen hat. Wir begrüßen das.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser? — Nein.
Herr Abgeordneter Marx, bitte!
Herr Staatssekretär, da Sie sagten, die Sache werde restriktiver behandelt, darf ich fragen: Was ist nach den Erkenntnissen Ihres Hauses die Ursache für diese restriktive Behandlung?
Herr Abgeordneter, es ist schwer, die Ursachen festzustellen. Wir haben aber eine Serie von Fragen, und ich darf Sie vielleicht
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bitten, die Beantwortung mehrerer schriftlich eingereichter Fragen abzuwarten, und darf dann noch einmal auf ihre Zusatzfrage zurückkommen. Ich möchte das den Kollegen nicht vorwegnehmen.
Eine Frage des Abgeordneten Biehle.
Herr Staatssekretär, da Sie feststellen, daß eine rückläufige Entwicklung im Gange ist, darf ich Sie fragen: Was wurde von seiten der Bundesregierung getan, um die Entwicklung wieder positiv zu gestalten, und inwieweit haben die bisherigen Schritte, soweit überhaupt welche erfolgt sind, zu einem Ergebnis geführt?
Herr Abgeordneter, daß Schritte erfolgt sind, habe ich in diesem Hohen Hause mehrmals dargelegt. Ich verweise auf meine entsprechenden Ausführungen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 104 des Abgeordneten Dr. Hauser auf:
Ist es der Bundesregierung möglich, bei den Statistiken über die hier in der Bundesrepublik Deutschland eintreffenden Deutschen aus den Gebieten jenseits von Oder und Görlitzer Neiße zu unterscheiden zwischen Aussiedlern aufgrund der Familienzusammenführung und „unbestreitbar deutscher Volkszugehörigkeit" auf der einen Seite und all denen, die aus anderen Gründen in der Bundesrepublik Deutschland bleiben?
Zur Umsiedlung berechtigt sind diejenigen Personen, die sich auf eines von beiden, Familienzusammenführung oder deutsche Volkszugehörigkeit, berufen können. Diese Kriterien, eines oder in der Regel beide, treffen daher auf alle Aussiedler zu. Die komplexeren persönlichen Gründe, die im Einzelfall die Entscheidung beeinflussen, lassen sich dagegen statistisch kaum erfassen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, führen Sie diese überaus enttäuschenden Ergebnisse angesichts der Erwartungen, die die Bundesregierung ursprünglich an den Abschluß des Warschauer Vertrages und die Bereitwilligkeit der polnischen Regierung geknüpft hat, Deutsche in die Bundesrepublik übersiedeln zu lassen, nicht auf die mangelhaften vertraglichen Absprachen gerade bezüglich der Übersiedlung Deutscher aus dem Gebiet jenseits von Oder und Neiße zurück?
Nein, Herr Abgeordneter, weil vertragliche Abmachungen darüber im strengen Sinne des Wortes auf Grund einer polnischen Haltung, die Ihnen sicherlich bekannt ist und die schon seit Jahrzehnten andauert, nicht getroffen werden konnten. Die Polen haben dies aus eigener Entscheidung getan. Sie haben eine mit uns abgestimmte Information gegeben, die nach unserer Auffassung restriktiv ausgelegt wird. Ich habe das hier dargestellt. Vertragliche Abmachungen zum deutschpolnischen Vertrag gibt es aus den bekannten Gründen nicht; es gibt Zusagen der polnischen Seite.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hauser? — Nein.
Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, welche Folgerungen ziehen Sie aus der Erklärung des Herrn Bundesaußenministers im Bulletin vom 8. Dezember 1970, in dem er erklärt hat, daß die Voraussetzung für den Abschluß dieses Vertrages eben die, wie er sich ausdrückte, Bewältigung der Familienzusammenführung sei? Werden hier nicht die Vertragsgrundlagen erschüttert?
Herr Abgeordneter, wir haben eine ganze Serie von Fragen, und ich gehe auch auf diese Frage noch einmal näher ein.
Die Frage kann ich in dieser generellen Form sicherlich nicht bejahen. Wir haben im Zusammenhang mit dem Vertrag diese Zusagen. Über die Zahl der Umsiedler war von Anfang an eine unterschiedliche Auffassung gegeben, wie Sie wissen. Die polnische Seite hat aber die Zusage gegeben, auch weiterhin die Umsiedlung nicht zu stoppen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin in Beantwortung der Frage von Herrn Kollegen Hauser gesagt, es sei nicht möglich, statistisch den Unterschied zwischen den Aussiedlern zu erfassen, die im Zuge der Familienzusammenführung auszureisen wünschen, und denen, die sich auf eine „unbestreitbar deutsche Volkszugehörigkeit" berufen können. In den Unterlagen des Deutschen Roten Kreuzes ist in dieser Hinsicht aber sehr genau differenziert, und deswegen müßte es doch möglich sein, hier zu unterscheiden, auch um die Durchführung dieser „Information" immer wieder zu prüfen.
Herr Abgeordneter, die Kompliziertheit des Problems ist im Auswärtigen Ausschuß -- ich nehme an, in Ihrem Beisein von Herrn Dr. Wagner ausführlich dargelegt worden. Ich setze das also hier als bekannt voraus. Ich habe gesagt, daß im Regelfall beide Merkmale zutreffen und offensichtlich von den Aussiedlern selbst ein Merkmal besonders betont wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
2426 Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß nach unserer Auffassung die „Information" zwar keine vertragliche Abmachung darstellt, aber doch eine gegenseitige Vereinbarung ist, die nach Treu und Glauben einzuhalten ist?
Ja, Herr Abgeordneter, das habe ich vorhin auch in meiner Antwort betont.
Keine weitere Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Worin liegt der Grund für die Erklärung des Bundeskanzlers, „deli beide Regierungen Ausmaß und Schwierigkeit der Familienzusammenführung unterschätzt haben", wenn doch bei der Aushandlung der „Information" zum Warschauer Vertrag alle Zahlen über die Aussiedlungswilligen sowohl der Bundesregierung als auch der Volksrepublik Polen durch das Deutsche Rote Kreuz bekennt waren und die seit dem 7. Dezember 1970 neu eingereichten Aussiedlungsanträge kaum mehr als zehn Prozent der zuvor bekannten Ziffer von 280 000 ausmachen?
Herr Abgeordneter, Sie beziehen sich, wie ich vermuten darf, auf das im Nachrichtenmagazin „Stern" vom 10. Mai 1973 wiedergegebene Interview mit dem Herrn Bundeskanzler. Die dort getroffene Festellung zeigt die Problematik, die hier von der Bundesregierung wiederholt schon dargestellt worden ist, sehr eindrucksvoll.
Wir haben 1970 der polnischen Seite unsere zahlenmäßigen Unterlagen übermittelt. Die Polen haben aber offenbar an dieses Ausmaß, die bestehende Größenordnung des Umsiedlungsproblems, nicht geglaubt. Wir haben die Schwierigkeiten der Umsiedlung vermutlich insofern unterschätzt, als uns nicht alle Aspekte, die sie für die polnische Innenpolitik hat, in vollem Ausmaß bewußt waren. Diese Aspekte sind sowohl psychologischer wie politischer wie wirtschaftlicher wie humanitärer Art. Darauf hat der Herr Bundeskanzler auch hingewiesen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.
Herr Staatssekretär, wäre es dann nicht angebracht gewesen. bevor die „Information" zu Papier gebracht wurde, erst einmal die Schwierigkeiten auf beiden Seiten wirklich zu erörtern und nicht hinterher zu sagen, wir haben die Schwierigkeiten gar nicht ermessen können?
Herr Abgeordneter. Sie sollten sich noch einmal in die Situation versetzen, in der sich beide Seiten damals befanden. Es gab weder auf unserer Seite präzise von der anderen Seite anerkannte Kenntnisse noch offensichtlich auf der polnischen Seite; es könnte sie auch nicht geben, weil vorher dort wohl keine Befragungen dieser Art durchgeführt worden waren. Es ist doch unverkennbar — das ist auch in diesem Hause in den internen Beratungen, in denen wir uns darüber unterhalten haben, immer offen gewesen —, daß die polnische Seite davon ausging, daß der größte Teil der in Polen verbliebenen Deutschen inzwischen in jeder Hinsicht integriert worden sei. Das ist zwar von unserer Seite in Zweifel gezogen worden; aber über die Zahlenangaben und anderes mehr konnte damals keine einvernehmliche Klarheit geschaffen werden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Was die Präzision betrifft, Herr Staatssekretär, so hatten Sie doch allen Grund, sich auf die Unterlagen des Deutschen Roten Kreuzes zu verlassen, die sich bei dem ganzen Komplex der Aussiedlung bisher bewährt hatten.
Herr Abgeordneter, wir hatten ja selbst auf diese Unterlagen hingewiesen. Aber die andere Seite hat ihre Gründe dargelegt, und die sind bekannt.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Biehle.
Herr Staatssekretär, wenn Sie davon ausgehen, daß auch Sie sich hinsichtlich des Ausmaßes und der Schwierigkeiten verschätzt haben, meinen Sie nicht, daß jetzt beide Seiten einen Akt des guten Willens setzen sollten, wozu auch die Annahme einer Interventionsliste des Auswärtigen Amts durch die polnischen Behörden gehören würde?
Herr Abgeordneter, ich verstehe den zweiten Teil Ihrer Frage nicht ganz, denn eine entsprechende Frage ist gestellt, und ich werde sie nachher beantworten. Es geht hier nicht um beide Seiten, sondern es geht darum, daß die polnische Seite ihre Zusagen in dem Sinne erfüllt, wie wir ihn mit Recht verstanden haben.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Marx.
: Herr Kollege Moersch, können Sie tatsächlich auf Ihrer Feststellung beharren, daß die polnische Seite zu Beginn, während und am Ende der Verhandlungen und zu der Zeit, als unsere Vertreter mit ihr über den eventuellen Inhalt der „Information" sprachen, nicht wirklich im Besitz viel präziserer Unterlagen a) über diejenigen, die eventuell ausreisen wollen, und b) über die Zahl der Deutschen, die in Polen leben, war, als Sie es soeben dargestellt haben?
Herr Abgeordneter, ich will von der Darstellung, die ich vorhin gegeben habe, in keinem Punkt abgehen, weil sie meiner Überzeugung entspricht. Wir haben auch inn Auswärtigen
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Ausschuß des Bundestages dargelegt, unter welchen Bedingungen damals solche Annahmen zustande gekommen waren.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, wieso kann man behaupten, daß keine zahlenmäßigen Unterlagen vorlagen, nachdem die Zahlen der gestellten und genehmigten, aber nicht vollzogenen Anträge auf Familienzusammenführung dem Bundesverwaltungsamt, also einer Bundesbehörde, vor und hei den Verhandlungen bekannt waren?
Herr Abgeordneter, weil die polnische Seite mit Argumenten, die ich hier genannt habe, von anderen Zahlen ausgegangen ist als wir. Über die Zahlen selbst konnte doch kein Einvernehmen erzielt werden, und es sind auch von unserer Seite aus keine Zahlen vereinbart worden, und zwar aus einem Grunde, der Ihnen bekannt ist, weil nämlich sonst eine Begrenzung eingetreten wäre, die wir selbst gar nicht haben wollten. Außerdem darf ich darauf hinweisen, daß man diesem Problem wirklich nur gerecht wird, wenn man die gesamte seit 1945 abgelaufene Zeit und die damals vorhanden gewesenen Möglichkeiten sieht, die von manchen, welche heute die Ausreise beantragen — aus Gründen, die Sie besser kennen als ich —, nicht genutzt worden sind.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Staatssekretär, besteht nicht die Gefahr, daß die Rücksichtnahme auf nachträglich auftretende innenpolitische Schwierigkeiten eines Vertragspartners der Bundesrepublik Deutschland — beispielsweise im innerdeutschen Grundvertrag — dazu führen kann, daß das, was wir an Leistungen von der anderen Seite im menschlichen Bereich zu erwarten haben, mit diesem Argument zunichte gemacht wird, während unsere unwiderruflichen Leistungen bestehenbleiben?
Herr Abgeordneter, die beiden Dinge können nicht miteinander verbunden werden. Es ist auch nicht richtig, was Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben, daß man etwa von nachträglich festgestellten innenpolitischen Schwierigkeiten oder ähnlichem mehr sprechen müßte. Ich glaube, das wird der Sache nicht gerecht.
- Das ist eine historische Tatsache und keine Rücksichtnahme.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wischnewski.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß die Behandlung dieses wichtigen Themas im nächsten Monat bei dem Besuch des stellvertretenden Außenministers Polens in der Bundesrepublik und bei dem Gespräch, das für Ende des Jahres mit dem polnischen Parteichef vorgesehen ist, ein bedeutender Beratungspunkt sein wird.
Ja, Herr Abgeordneter.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 106 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung, daß unter den Aussiedlern der Prozentsatz derer, die sich aufgrund der „Information" zum Warschauer Vertrag auf „unbestreitbar deutsche Volkszugehörigkeit" berufen können, so gering ist, obwohl etwa zwei Fünftel der Aussiedlungsanträge beim Deutschen Koten Kreuz gerade von diesem Personenkreis eingereicht worden sind?
Herr Abgeordneter, die meisten Umsiedlungsbewerber haben Verwandte in der Bundesrepublik Deutschland. Für sie es sicher leichter, den polnischen Behörden einen Verwandten in der Bundesrepublik Deutschland nachzuweisen, als die Umstände darzulegen, die für eine deutsche Volkszugehörigkeit sprechen. Das dürfte wohl der Grund für den hohen Anteil derjenigen sein, die schließlich im Rahmen der Familienzusammenführung zu uns kommen.
Zusatzfrage.
Aber Ihnen ist doch sicherlich bekannt, Herr Staatssekretär, daß gerade diejenigen, die zusätzlich in den Genuß der Möglichkeit zur Aussiedlung kommen sollten, in diesen Genuß überhaupt nicht kommen, weil die polnische Regierung hier besonders restriktiv operiert.
Herr Abgeordneter, wir haben diese Problematik im Auswärtigen Ausschuß ausführlich dargelegt. Ich darf mich auf diese Äußerungen beziehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Öffentlichkeit hat wohl einen Anspruch darauf, zu erfahren, was mit der Aussiedlung los ist. Hier wird immer auf den Charakter der Nichtöffentlichkeit der Beratungen des Auswärtigen Ausschusses verwiesen. Ist es der Bundesregierung nicht möglich, endlich einmal vor der deutschen Öffentlichkeit klarzustellen, daß es mit der Aussiedlung katastrophal schlecht steht?
Herr Abgeordneter, ich habe
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Parl. Staatssekretär Moersch
hier eine Fülle von Fragen zu beantworten. Ich halte es nicht für sehr sinnvoll, wenn Sie mit Zusatzfragen die Antworten vorwegnehmen wollen, die ich anderen Kollegen zu geben habe. Die Bundesregierung hat eine realistische Darstellung der Sache gegeben. Solche Ausdrücke, wie Sie sie eben benutzt haben, als Sie von katastrophalen Verhältnissen sprachen, können Sie, glaube ich, nicht verwenden, wenn Sie sich den Gesamtzusammenhang der jüngsten Geschichte vergegenwärtigen. Auch das sollten Sie dabei im Auge haben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Biehle.
Herr Staatssekretär, gibt es im Bereich der Personen, die unbestreitbar die deutsche Volkszugehörigkeit haben, eine Dringlichkeitsliste des Auswärtigen Amts, die man den polnischen Behörden überreichen wollte, deren Annahme aber von dort abgelehnt wurde?
Das, wovon Sie in Ihrer Frage ausgehen, trifft in dieser Form nicht zu. Ich habe schon darauf verwiesen, daß Sie dazu Fragen gestellt haben. Sie waren vorhin, glaube ich, nicht da, als diese Fragen beantwortet werden sollten. Das tut mir leid. Wenn die Präsidentin bereit wäre, diese Fragen jetzt beantworten zu lassen, würde ich das natürlich gern tun. Ich habe die Fragen, die Sie gestellt haben, beantwortet und habe Ihnen die Antworten nach der Geschäftsordnung dieses Hauses schriftlich zu geben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, würden Sie den Rückgang der Zahl der monatlichen Aussiedlungen auf den Stand vor Beginn der Vertragsverhandlungen, also auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren, nicht als einen Tatbestand ansehen, der sich der Grenze dessen nähert, was man noch als Mindesterfüllung der Information bezeichnen kann?
Herr Abgeordneter, ich habe hier die Meinung der Bundesregierung über den Zusammenhang zum Ausdruck gebracht. Zahlenvergleiche könnte man natürlich noch auf viele Jahre ausdehnen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marx.
Herr Staatssekretär, nachdem unser Kollege Wischnewski im Hinblick auf den bevorstehenden Besuch eine Frage gestellt hat, möchte ich Sie gern ergänzend fragen, ob Sie auf Grund der offenbar nicht sehr guten Erfahrungen mit den Zusagen in gleicher Sache, die der polnische Außenminister vor nicht langer Zeit bei seinem
Besuch in Bonn gegeben hat, nicht Wert darauf legen, daß die Unterstützung dieses Hauses der Regierung hilft, bei dem jetzt bevorstehenden Besuch mit großer Nachdrücklichkeit darauf hinzuweisen, daß wir mit der Art und Weise, wie die polnische Seite gegenwärtig die Information interpretiert, alle miteinander, nicht einverstanden sind.
Herr Abgeordneter, es gibt sehr wohl Fragen, die wir als Unterstützung schätzen. Es gibt andere Fragestellungen, in denen eine Unterstützung nicht zu erkennen ist. Ich bin sehr dankbar für Fragen, die unsere Bemühungen unterstützen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx auf:
Wie kann die Bundesregierung Sorge dafür tragen, daß den Aussiedlungswilligen entsprechend den im Zusammenhang mit der „Information" zum Warschauer Vertrag getroffenen Übereinkünften zwischen beiden Regierungen kein Schaden in dem Augenblick entsteht, da sie die Prozedur der Aussiedlung in Gang setzen wollen?
Die Bundesregierung hat leider nicht die Möglichkeit, unmittelbar zugunsten der Betroffenen tätig zu werden. Sie kann die polnische Regierung lediglich auf den Schaden hinweisen, der den deutsch-polnischen Beziehungen unvermeidlich zugefügt wird, wenn die zuständigen polnischen Dienststellen Aussiedlungswillige in einer Weise behandeln, die mit den Zusagen der polnischen Regierung nicht im Einklang steht. Dies hat die Bundesregierung in der Vergangenheit getan. Sie wird es auch weiterhin tun. Die Bundesregierung erwartet, daß die von ihr erhobenen Vorstellungen auf die Dauer ihre Wirkung nicht verfehlen werden.
Zusatzfrage.
Herr Kollege Moersch, würden Sie es auch — ich schließe damit an meine vorhergehende Frage an — als eine nützliche Ermutigung und Ermunterung empfinden, wenn nachdrücklich auf die unerträglichen Zustände hingewiesen wird, die z. B. dadurch entstehen, daß Deutsche, die einen Aussiedlungsantrag stellen, ihren Beruf verlieren, daß ihre Kinder die Studienmöglichkeit verlieren, daß ihnen in ihren Wohnungen die Mietmöglichkeit genommen wird? Viele von diesen Leuten befinden sich im Grunde genommen in einer verzweifelten Situation, weil sie daran geglaubt haben, daß beide Regierungen etwas vereinbart haben, was Treu und Glauben entspricht.
Herr Abgeordneter, Sie können sicher sein, daß die Bundesregierung solche Fälle, wie Sie sie genannt haben, der polnischen Seite gegenüber mit Nachdruck vorbringt und vorgebracht hat.
Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973 2429
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gerade gesagt, Sie hofften, daß die ständigen Vorstellungen der Bundesregierung bei der Regierung der Volksrepublik Polen Erfolg hätten. Wie erklären Sie es sich, daß trotz des Besuches von Olszowski hier und trotz des Besuches von Herrn von Staden in Warschau die Situation der Deutschen drüben immer schlechter geworden ist?
Herr Abgeordneter, das ist eine Frage, die wir im Gespräch mit weiteren polnischen Vertretern klären wollen.
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 108 und 109 sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Holtz auf:
Sieht die Bundesregierung — angesichts der weltweiten Proteste gegen die französischen Atomwaffenversuche im Polynesischen Raurar und der eigenen Haltung gegenüber Kernwaffenversuchen — clank des guten Verhältnisses zum verbündeten Frankreich Möglichkeiten der Einflußnahme auf die französische Regierung mit dem Ziel, zukünftige Kernwaffenversuche verhindern zu helfen?
Bitte schön!
Die Einleitung des Ratifikationsverfahrens zum Nichtverbreitungsvertrag durch die Bundesrepublik Deutschland und unser bereits 1963 erfolgter Beitritt zum Teststoppabkommen demonstrieren überzeugend den politischen Willen der Bundesregierung, auf eine Beschränkung der Zahl der Nuklearmächte hinzuwirken und Kernwaffenversuche möglichst zu verhindern. Trotz unserer freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich wäre es der Bundesregierung nicht möglich, im Sinne der von Ihnen gestellten Frage mit Erfolg auf die französische Regierung Einfluß zu nehmen, die den beiden genannten Verträgen nicht beigetreten ist und sich nicht zuletzt angesichts der nuklearen Bewaffnung von nicht zur Atlantischen Allianz gehörenden Staaten in souveräner politischer Entscheidung zum Aufbau einer eigenen Atomstreitmacht entschlossen hat.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie hat sich die deutsche Delegation verhalten, als die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation mit überwältigender Mehrheit eine Resolution annahm, die die geplanten französischen Atomwaffenversuche verurteilt?
Im Sinne dessen, was ich hier eben dargelegt habe.
Keine Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Dr. Todenhöfer auf:
Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung im Dezember 1972 Jugoslawien 300 Millionen DM Kapitalhilfe aus dem Etat für Entwicklungshilfe zugesagt hat mit der Absicht, hierdurch nicht nur Entwicklungshilfe, sondern gleichzeitig auch Wiedergutmachungszahlungen zu leisten?
Bitte schön!
Nein, Herr Abgeordneter. Bei der genannten Zusage handelt es sich um einen Entwicklungshilfekredit zu den üblichen Kapitalhilfekonditionen. Jugoslawien ist Entwicklungsland im Sinne der hierfür international gebräuchlichen Definition und ist als solches in der Entwicklungsländerliste der OECD aufgeführt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir bitte sagen, warum der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, nachdem dieser Kapitalhilfekredit mit der doch überraschend hohen Summe von 300 Millionen DM vereinbart worden war, nicht von der Bundesregierung unterrichtet worden ist.
Herr Abgeordneter, diese Frage ist in den zuständigen Ausschüssen nach meiner sicheren Kenntnis behandelt worden. Ich selbst habe dies in zwei Fällen getan. Die Frage geht an den Haushaltsausschuß oder an den Auswärtigen Ausschuß. Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist in einem sehr frühen Stadium — ich glaube, im letzten Bundestag — damit befaßt gewesen. Ich glaube nicht, daß nach der Geschäftsordnung eine neuerliche Befassung notwendig war. Ich glaube, hier liegt ein Irrtum vor.
Herr Abgeordneter Josten!
Herr Staatssekretär, da ich auch Mitglied dieses Ausschusses bin, aber mir auch nicht bekannt ist, daß wir in dieser Form informiert wurden, frage ich: wären Sie bereit, jetzt nachträglich bei einer der nächsten Sitzungen des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit diesem eine Information in dieser Hinsicht zukommen zu lassen?
Herr Abgeordneter, ich bin hier in einer schwierigen Lage. Das ist nicht der
2430 Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973
Parl. Staatssekretär Moersch
Ausschuß, für den ich von Amts wegen zuständig bin.
— Das ist nach der Geschäftsordnung sehr die Frage. Hier geht es in erster Linie um den Haushaltsausschuß.
Soweit ich weiß — der Vorsitzende des Ausschusses ist hier — ist der Ausschuß in der üblichen Weise in diesem Zusammenhang informiert worden. Wenn das in diesem Bundestag nicht geschehen ist, dann im letzten. Das weiß ich ganz sicher.
Eine Frage der Frau Abgeordneten Dr. Wolf.
Frau Dr. Wolf Herr Staatssekretär, würden Sie sich dafür einsetzen, daß uns in dem Ausschuß mitgeteilt wird, in welcher Weise dieser Kredit verwandt werden soll, ob in den Formen, die in der Entwicklungshilfe üblich sind, oder ob an eine freibleibende Verwendung dieses Geldes gedacht ist?
Selbstverständlich, Frau Abgeordnete, kann dies geschehen. Ich darf aber doch einmal auf eine prinzipielle Frage hinweisen. Der Unterschied zwischen Legislative und Exekutive besteht darin, daß, wenn die Legislative einen Haushalt beschlossen hat, es Sache der Exekutive ist, im Rahmen dieses Haushaltsgesetzes zu verfahren. Eine Unterrichtung der zuständigen Bundestagsausschüsse, die hier Brauch ist, geht über das hinaus, was nach den Vorschriften der Verfassung notwendig wäre. Aber selbstverständlich sind wir bereit, Sie weiterhin zu informieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffasung, daß im öffentlichen Bewußtsein unseres Landes zu den Entwicklungsländern kommunistische Staaten Europas nicht gehören, und wären Sie bereit, uns zu sagen, welche dieser Staaten dazu gehören und eventuell in Zukunft dazu gehören wollen?
Herr Abgeordneter, ich kenne das öffentliche Bewußtsein auf diesem Gebiete nicht, weil ich nicht weiß, wie es gemessen werden könnte. Aber ich weiß, daß es eine Liste der OECD gibt, in der Jugslawien enthalten ist.
Eine Frage des Hern Abgeordneten Todenhöfer.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung nicht nach Gewährung des Kapitalhilfekredites, sondern lange Zeit vorher die Obleute der einzelnen Fraktionen darüber unterrichtet hat, daß beabsichtigt ist, die Wiedergutmachung an Jugoslawien über Entwicklungshilfe und nicht auf andere Weise zu leisten?
Herr Abgeordneter, die in eine Frage gekleidete Information ist in dieser Form nicht zutreffend. Ich habe auf den letzten Bundestag verwiesen, und ich darf noch einmal sagen, daß es hier grundsätzlich nicht eines Beschlusses eines Bundestagsausschusses bedarf, um die Regierung zu ganz bestimmten Ausgaben zu ermächtigen. Der Bundestag selbst hat mit dem Haushaltsgesetz beschlossen, was die Regierung tun darf.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, können Sie, weil Sie vorhin erwähnt haben, daß Jugoslawien ein Entwicklungsland sei, darlegen, welche Länder Europas zu den von Ihnen genannten Entwicklungsländern gehören, und wird hier unterschieden zwischen dem östlichen Bereich und dem westlichen Bereich?
Es wird nicht zwischen östlichem und westlichem Bereich unterschieden. Die Länder sind auf Antrag in die Länderliste bei der OECD aufgenommen und müssen dort u. a. eine bestimmte Form ihres Bruttosozialproduktes nachweisen. Da gibt es objektive Kriterien. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, die kein Interesse daran haben, in diese Liste aufgenommen zu werden, obwohl sie den Kriterien entsprechen würden. Mit Ost-West hat das nichts zu tun.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Heck.
Herr Staatssekretär, Sie haben die Frage von Herrn Todenhöfer nicht beantwortet. Ich wiederhole sie deswegen: Ist es richtig, daß die Bundesregierung die Obleute so informiert hat, daß die Wiedergutmachung für Jugoslawien über Entwicklungshilfe geleistet werden soll?
Nein, das ist so nicht richtig. Die Bundesregierung hat gesagt, daß sie keine Wiedergutmachung an Jugoslawien leisten wird, daß sie aber glaubt, um das Verhältnis zu Jugoslawien, das aus vielen Facetten und nicht zuletzt auch aus Zahlungsbilanzproblemen besteht, zu verbessern, in einer anderen Weise ein Entgegenkommen zeigen zu sollen. Aber das, was Sie soeben erwähnt haben, ist für uns kein Verhandlungsgegenstand. Dabei sind wir geblieben.
Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973 2431
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 112 des Herrn Abgeordneten Dr. Todenhöfer auf:
Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung plant, weitere Wiedergutmachungszahlungen an Jugoslawien und andere kommunistische Länder aus dem Entwicklungshilfeetat zu finanzieren?
Die Frage beantworte ich mit Nein. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, Wiedergutmachungen an Jugoslawien oder einen anderen osteuropäischen Staat zu leisten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Ansicht, daß verstärkte Leistungen an Ostblockstaaten, die Sie als Entwicklungsländer bezeichnen, zu Lasten der Länder der Dritten Welt gehen werden?
Wenn das so wäre, käme es darauf an, wieviel der Bundestag an Haushaltsmitteln insgesamt bewilligt; aber das ist ja nicht so. Ich möchte hier vor Verwechslungen warnen. Wiedergutmachungsleistungen im klassischen Sinne bestehen aus der Vergabe von Haushaltsmitteln an andere. Hier handelt es sich um eine Kreditgewährung, d. h. um ein rückzahlbares Darlehen. Ich glaube, das muß man unterscheiden. Die Frage, wieviel Darlehen Sie ausgeben können, hängt u. a. vom Rückfluß der Zahlungen ab, die früher in Form von Darlehen geleistet worden sind, und vom Gesamtvolumen der neuen Mittel ab. Daß die Welt sich ändert, was die Bedürfnisse an solchen Krediten betrifft, ist eine Folge einer erfolgreichen Politik. Je erfolgreicher unsere Politik in gewissen Ländern ist, wenn wir solche Hilfen geben, desto weniger müssen wir künftig Kredite geben.
Eine zweite Zusatzfrage.
Bundeskanzler Brandt hat bei seinem Besuch in Jugoslawien erklärt, die Wiedergutmachungsfrage werde über wirtschaftliche Beziehungen gelöst. Welche Form der wirtschaftlichen Beziehungen meint Bundeskanzler Brandt damit?
Er meinte damit insgesamt bessere wirtschaftliche Beziehungen und eine stärkere Kooperation. Ich darf aus dem Kommuniqué zitieren, was wirklich gesagt wurde. Herr Abgeordneter, es ist immer nützlich, auf den Originaltext zurückzugreifen, weil sonst Mystifikationen weiter ihr Unwesen treiben. Hier heißt es:
Beide Seiten stimmen darin überein, daß auf Grund des erreichten Standes der Beziehungen und des Vertrauens, das durch die entwickelte und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen ihnen geschaffen worden ist, auch die noch offenen Fragen aus der Vergangenheit auf eine Weise zu lösen sind, die den Interessen des einen wie des anderen Landes entsprechen würde. Sie sind übereingekommen, daß dies durch eine langfristige Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und anderen Gebieten erreicht werden soll, über deren Formen baldmöglichst weitere Gespräche geführt werden sollen.
Sie wissen, daß dabei u. a. auch die Frage der Arbeitskräfte eine Rolle gespielt hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx!
Herr Staatssekretär, auf die Frage des Kollegen Heck haben Sie gesagt — ich verkürze das jetzt —: Wiedergutmachungszahlungen — nein; aber in einer „anderen Weise". Darf ich Sie bitten, uns zu sagen, was dieses „in einer anderen Weise" bedeutet? Ist das ein anderes Etikett für Wiedergutmachungen, versteckt sich in gewissen Titeln dieses Hauses das, was man sonst Wiedergutmachung nennen würde, oder wie ist das zu verstehen?
Nein, Herr Abgeordneter. Ich habe das vorhin dargelegt. Was Sie hier gegeben haben, ist eine unzulässige Zusammenfassung. Ich habe hier aus dem Kommuniqué zitiert. Das ist auch der Hintergrund dafür: daß wir wollen, daß unsere Politik nicht durch solche Diskussion über die Vergangenheit belastet wird, daß wir aber im beiderseitigen Interesse bereit sind, diesen Ländern, an deren sozialer Entwicklung wir aus guten Gründen ebenfalls interessiert sein müssen, in Form einer verstärkten wirtschaftlichen Kooperation die Möglichkeit zu ihrer eigenen Entwicklung zu geben, die sie sonst auf andere Weise gern gehabt hätten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß Sie vorhin erklärten, daß die Bundesregierung keine Wiedergutmachungszahlungen an Jugoslawien leisten wird und somit dafür auch keine Mittel aus dem Entwicklungshilfeetat in Anspruch genommen werden?
Herr Abgeordneter, Sie haben mich richtig verstanden: Wir leisten keine Wiedergutmachungszahlungen aus dem Etat des Entwicklungshilfeministeriums, also als Entwicklungshilfe.
2432 Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973
Parl. Staatssekretär Moersch
Wenn wir Kapitalhilfe geben, kann es sich gar nicht um etwas Derartiges handeln, weil das ja in der Regel rückzahlbare Kredite sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes.
Herr Staatssekretär, können Zinsverbilligungen eine Form von Wiedergutmachung sein?
Herr Abgeordneter, wir geben über die Kapitalhilfe an viele Staaten der Welt zinsverbilligte Kredite, ohne daß wir, wie Sie zugeben werden, deshalb Wiedergutmachung leisten.
Eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß der Herr Bundeskanzler im Anschluß an seinen Jugoslawienbesuch vom Bundesfinanzminister verlangt hat, daß bereits im Haushaltsplan 1973 Mittel für Zinssubventionen vorgesehen werden sollen, durch welche die Kreditzinsen auf den für normale Kredite unnormalen Satz von 6,5 % gesenkt werden können?
Frau Abgeordnete, wenn es sich um eine Frage an den Finanzminister handelt, ist das Auswärtige Amt nicht zuständig. Mir ist von dieser Sache nichts bekannt; ich halte sie auch für unwahrscheinlich. Aus dem Kabinett kenne ich sie jedenfalls nicht.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mattick.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Verwunderung, daß Herr Dr. Marx, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, und Herr Dr. Mertes, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, nach den Besprechungen, die wir im Ausschuß über solche Fragen mehrfach geführt haben, hier solche Fragen stellen?
— Lassen Sie mich doch fragen; Sie tun es doch auch!
Herr Abgeordneter, ich habe hier keine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Es steht den Abgeordneten frei, Fragen zu stellen. Es steht mir allerdings, wie Sie wissen, auch frei, Antworten zu geben.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, Sie haben Herrn Todenhöfer vorhin geantwortet, daß
Entwicklungshilfeleistungen an andere Länder dann nicht geschmälert werden, wenn vom Haus entsprechende Mittel für die Entwicklungshilfe genehmigt werden. Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung den Entwicklungshilfeetat so zu erhöhen, daß Leistungen und Maßnahmen sowohl für Jugoslawien und andere Ostblockländer als auch für die Staaten, die bisher bedacht worden sind, erfolgen können?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, was im einzelnen in der mittelfristigen Finanzplanung erscheinen wird. Ich weiß nur, daß es internationale Regeln gibt, einen gewissen Anteil am Bruttosozialprodukt zu geben, der bisher nur von wenigen Ländern erreicht wird. Ob das zu einer Veränderung in dem Sinne führt, wie das Inhalt Ihrer Frage war, weiß ich nicht. Aber ein unmittelbarer Zusammenhang besteht nicht.
Ich wiederhole, was ich gesagt habe: Es kann nicht so sein, daß man bestimmten Ländern in der Welt einmal eine bestimmte Hilfe gibt und für die nächsten zwanzig Jahre bei dieser Hilfe bleibt. Der Sinn der Hilfe ist ja, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Man muß also davon ausgehen, daß sich die Schwerpunkte ständig verlagern können. Daß es in der politischen Praxis nicht ganz leicht ist, dieses Prinzip durchzuhalten, ist klar. Insofern habe ich vorhin die Sache nur zur Hälfte beantwortet. Man kann auch Veränderungen bei gleichem Volumen vornehmen, dann allerdings unter Beschränkung bei anderen.
Eine letzte Frage des Herrn Abgeordneten Friedrich.
Herr Staatssekretär, da einige Kollegen Kredite an Mittelmeerländer — in diesem Zusammenhang: Jugoslawien — als außergewöhnlich empfinden, frage ich: Ist es nicht so, daß wir auch an andere Mittelmeerländer, z. B. an die Türkei, hohe Kredite zinsverbilligt geben?
Ja, das ist bekannt. Die Verwunderung kommt offensichtlich daher, daß sich einige Kollegen bisher nur oberflächlich mit dem Problem, wie man zum Entwicklungsland wird, beschäftigt hatten.
Ich hatte gesagt, daß die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja die letzte Frage hierzu sei.
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch!
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staats-
Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973 2433
Vizepräsident Frau Funcke
sekretär Hermsdorf zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen dann zu den Fragen 12 und 13 des Herrn Abgeordneten Spranger. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Milz auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 16 und 17 des Herrn Abgeordneten Schmidhuber auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 18 und 19 des Herrn Abgeordneten Höcherl auf:
Wie hoch ist der Kursverlust der Pfandbriefe seit dem 1. Januar 1973?
Beabsichtigt die Bundesregierung Ausgleichsmaßnahmen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Höcherl, eine generelle Aussage speziell über die Kursverluste der Pfandbriefe seit dem 1. Januar 1973 läßt sich nicht machen. Die Kurse der Pfandbriefe konnten sich selbstverständlich nicht der allgemeinen Börsentendenz für festverzinsliche Wertpapiere entziehen. Als Beispiel möchte ich die von der Deutschen Bundesbank berechneten Durchschnittskurse der im Umlauf befindlichen tarifbesteuerten Pfandbriefe verschiedener Nominalzinsen anführen. Bei 5%igen Pfandbriefen ging der Durchschnittskurs von Januar bis Mai von 76,3 auf 72,8 zurück, für 6%ige Pfandbriefe von 77,1 auf 71,2 und für 8 1/2%ige Pfandbriefe von 100,9 auf 96,8. Eine allgemein gültige Aussage läßt sich nur über die Rendite machen. Für Pfandbriefe stieg die Rendite nach den Berechnungen der Deutschen Bundesbank von 8,7 % im Januar 1973 auf 9,4 % im Mai 1973 an.
Von allen Seiten werden stabilitätspolitische Maßnahmen und damit auch eine restriktive Kreditpolitik gefordert. Wenn die Stabilität Vorrang haben soll, läßt es sich leider nicht vermeiden, daß Kursrückgänge bei festverzinslichen Wertpapieren eintreten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ein Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank erklärt hat, daß auf dem Pfandbriefmarkt Milliardenverluste eingetreten sind?
Dies ist mir nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht gut, wenn sich das Finanzministerium mehr um Äußerungen der Bundesbank kümmerte?
Herr Kollege Höcherl, wir kümmern uns darum ständig und studieren die Veröffentlichungen der Bundesbank am laufenden Band. Aber es kann durchaus passieren, daß mal ein Satz wie dieser, den Sie hier behaupten, nicht gelesen worden ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es sich bei den Pfandbriefinhabern vor allem um kleine Leute handelt und daß in Pfandbriefen vor allem solches Geld angelegt worden ist, das einer besonderen Vorsorge bedarf, z. B. mündelsicher angelegt werden muß?
Dies trifft zum Teil zu. Wir sind auch bemüht, hier besondere Vorsorge zu treffen. Sie müssen aber berücksichtigen, Herr Kollege Höcherl, daß der Kurs sich zwar ändert, der Inhaber jedoch, wenn er die Papiere hält, nichts verliert, weil er dann den vollen Betrag zurückbekommt, der außerdem verzinst wird.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß der kleine Mann es mit dem Halten schwer hat und daß die kapitalkräftigeren Inhaber es leichter haben, weil der kleine Mann unter Umständen seine Papiere von heute auf morgen weggeben muß, um Anschaffungen zu machen und Verpflichtungen nachzukommen?
Herr Kollege Höcherl, Sie können davon ausgehen, daß ein Sozialdemokrat genau weiß, daß kleinere Leute es schwerer haben als Millionäre. Diesen Grundsatz brauchen Sie mir nicht zu erläutern. Aber wenn ein kleiner Mann auf Papiere umsteigt, dann weiß er auch, daß sein Geld in sechs oder acht oder zehn Jahren zurückgezahlt wird. Seine Bewegungsfreiheit ist also zunächst so groß, daß er meint, er kann diese Papiere länger halten. Wenn er trotzdem zwischendurch verkaufen muß — der Fall kann eintreten —, dann realisiert er in dieser Situation natürlich einen Verlust. Aber wir haben ja gerade diese Politik gefordert, um zur Stabilität zurückzufinden. Wenn wir dahin zurückgefun-
2434 Deutscher Bundestag, — 7. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1973
Parl. Staatssekretär Hermsdorf
den haben, dann werden auch die Kurse wieder steigen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, ungefähr zu sagen, welche immensen Summen aufgebracht werden müßten, um Kurspflege im Sinne dieser Anregung zu betreiben, und sind Sie der Meinung, daß die Opposition bereit wäre, uns diese Mittel zur Zeit zur Verfügung zu stellen?
Ich bin ganz sicher, daß die Opposition nicht bereit ist, uns diese Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie stellt hier nur Ausgabeanträge.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Konrad auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde und zugleich am Ende unserer heutigen Sitzung.
Ich berufe das Haus auf Montag, den 18. Juni 1973, 11 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.